Prophet und Tradition. Versuch einer Problemstellung

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Prophet und Tradition. Versuch einer Problemstellung

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Individuelle Gottesbeziehung als Problem der Tradition
III. Zur phänomenologischen Aussonderung der prophetischen Berufung in Gattung und Uberlieferung
IV. Das Phänomen des Prophetischen in den Berufungsberichten
V. Widerstand und Jüngerbildung
VI. Das Ergebnis als Aufgabe der Traditionsanalyse

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Marie-Louise Henry Prophet und Tradition Versuch einer Problemstellung

Marie-Louise Henry

Prophet und Tradition Versuch einer Problemstellung

"Walter de Gruyter & Co. Berlin 1969

Beiheft zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft

Herausgegeben von Georg Fohrer 116

© 1969 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30, Genthiner Straße 13 Alle Rechte des Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Übersetzung, der Herstellung von Mikrofilmen und Photokopien, auch auszugsweise, vorbehalten. Printed in Germany Satz und Druck: H . Heenemann KG, Berlin 42 Archiv-Nr. 3832701

Septuagenario Gottfried Quell dedicatum

Vorwort Die vorliegenden Ausführungen beruhen auf einem Sektionsreferat, das 1955 im Rahmen des internationalen Kongresses für alttestamentliche Wissenschaft in Genf gehalten wurde. Sie sind ein Versuch, von der kultischen, gattungsgeschichtlichen und traditionsgeschichtlichen Fragestellung aus die Aufmerksamkeit erneut auf das Problem der prophetischen Gotteserfahrung und das ihrer dynamischen Nachwirkung zu lenken. Diese Zielsetzung machte es in besonderer Weise möglich, Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung meines verehrten Lehrers Gottfried Quell zu verwerten und ihre fruchtbringenden Einsichten in den Zusammenhang des Themas einzubeziehen. Die ihm zu seinem 70. Geburtstag zugeeignete Abhandlung konnte aus verlagstechnischen Gründen erst verspätet erscheinen. D e m Herausgeber der „Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft" bin ich dankbar verbunden für ihre Aufnahme in die Reihe der Beihefte. Hamburg-Volksdorf, im Oktober 1969 Marie-Louise Henry

Inhaltsverzeichnis Seite I. Einleitung I I . Individuelle Gottesbeziehung als Problem der Tradition

1 5

I I I . Zur phänomenologischen Aussonderung der prophetischen Berufung in Gattung und Überlieferung IV. Das Phänomen des Prophetischen in den Berufungsberichten V. Widerstand und Jüngerbildung V I . Das Ergebnis als Aufgabe der Traditionsanalyse

11 19 42 76

1

I. Einleitung Die Beurteilung der klassischen Prophetie und ihrer Wirkung orientierte sich geraume Zeit an den von B. Duhm und G. Hölscher aufgestellten Deutungsperspektiven. Diese Gelehrten lenkten die Aufmerksamkeit nachdrücklich auf die sittliche Persönlichkeit und die psychologische Struktur des prophetischen Menschen. Der Schwerpunkt ihrer Darstellung war das Bemühen um das Verständnis der Eigenart der israelitischen Propheten, ihres Wesens und Wirkens und der differenzierten Entwicklungshintergründe ihrer speziellen prophetischen Welt. Naturgemäß weckten die wichtigen in dieser Richtung gewonnenen Einsichten das Bedürfnis nach einer detaillierten Fixierung der Stellung der Propheten innerhalb ihrer Umwelt. Die methodische Voraussetzung für die Weiterarbeit auf diesem Gebiet war die von H. Gunkel, S. Mowinckel und A. Alt angeregte gattungsgeschichtliche, kultphänomenologische und traditionsgeschichtliche Arbeitsweise. Sie erhellte die wurzelhaften Bezüge prophetischen Denkens und Redens zu vorgegebenen Vorstellungs- und Aussageformen, die in Tradition und Kultus wirksam waren und die in manchen Einzelheiten als Ausdruck eines für den orientalischen Menschen allgemein typischen Lebens- und Glaubensbewußtseins beurteilt werden können 1 . Zahlreiche Arbeiten erhärteten vor allem die vielseitigen, in Sprache und Begriffswelt eingegangenen Beziehungen der Propheten zu den genuin altisraelitischen Traditionen 2 . Dissertationen und Habilitationsschriften jüngster Zeit zeigen ein lebhaftes Interesse an der Erweiterung, Vertiefung und Differenzierung dieser Zusammenhänge, ein Interesse, das seinen Impuls in hohem Maße von der traditions- und kultgeschichtlichen Fragestellung empfängt 3 . 1

A u f diesem Gebiet haben die Psalmenstudien I I von S. Mowinckel aus dem J a h r 1922 bahnbrechend und schulbildend vorzugsweise im skandinavischen Bereich gewirkt.

2

H i e r haben Anregungen A . Alts, vermittelt

durch M. N o t h ,

G . v. R a d

u. a., in

einem ausgebreiteten Schülerkreis Frucht getragen. 3

Impulse in diese Richtungen gingen u. a. aus von E . Würthwein ( A m 5 21-27, T h L Z [1947], 1 4 3 — 1 5 2 ; Amosstudien, Z A W 62 [1950], 1 0 — 5 2 ; D e r U r s p r u n g der prophetischen Gerichtsrede, Z T h K 49 [1952], 1—16). Sie zeitigten bei H . G r a f

Re-

ventlow ( D a s A m t des Propheten Arnos, 1962) eine, wenn ich recht urteile, zu rigoros vollzogene Eingliederung des Propheten Arnos in den S t a n d e s v e r b a n d der K u l t propheten. Auch bei der Interpretation der K o n f e s s i o n e n J e r e m i a s scheinen sich 1

Henry, Prophet

2

Einleitung

Je vielfältiger die unter solchen Aspekten eingebrachten Ergebnisse sind, desto nachhaltiger und vielleicht auch schmerzlicher muß sich die Erkenntnis aufdrängen, daß diese Vielfalt zunächst nur eine Einsicht gewährt in die Vielfalt dessen, was den Propheten vorgegeben war. Es liegt in der Natur einer auf Tradition, Gattung und Kultus gerichteten Methode, daß sie in der Analyse des Vorgegebenen ihre Sinnerfüllung und bis zu einem gewissen Grade auch ihre Grenze finden muß. Wird diese Grenze nicht rechtzeitig gesehen und beachtet, so kann die Bewertung formaler, überlieferungsgeschichtlicher und kultischer Bezüge einseitig werden und das Verständnis für die wesenhafte Eigenart und die Wirkungsmacht der für Israel typisch gewordenen Prophetie entscheidend beeinträchtigen. Es gibt in der Tat vorbedeutsame Anzeichen dafür, daß die Einordnung auch der großen klassischen Propheten in differenzierte Traditionszusammenhänge und ihre Zuordnung zum institutionellen Bereich des Kults und seiner Ämterhierarchie das Einmalige, das Unableitbare und Revolutionäre dieser Propheten aus dem Blickfeld ent-

dem gleichen Verfasser unter einem gewissen Methodenzwang Ergebnisse angeboten zu haben, die im Hinblick auf diese differenzierten Zeugnisse als zu eng e m p f u n d e n werden können (H. Graf Reventlow, Liturgie und prophetisches Ich bei Jeremia, 1963; vgl. etwa auch E. v. Waldow, Anlaß und H i n t e r g r u n d der Verkündigung Deuterojesajas, 1953). Möglicherweise beruht die angedeutete Entwicklung zu einer allzu akzentuierten Heraushebung kultischer Perspektiven, die breiter und verzweigter ist, als das herausgegriffene, besonders typische Beispiel ahnen läßt, auf einer späten Nachwirkung der von S. Mowinckels Psalmenstudien III, Kultprophetie und prophetische Psalmen, 1923, angeregten ausländischen Literatur, deren Aneignung naturgemäß nach dem 2. Welktrieg ein vordringliches Bedürfnis sein mußte. Vgl. etwa A. R. Johnson, The Cultic Prophet in Ancient Israel, 1944; A. H a l d a r , Assoc i a t i o n of Cult Prophets among the ancient Semites, 1945; I. Engneil, The Call of Isaiah, 1949. Gegenäußerungen (vgl. R. E. Hentschke, Die Stellung der vorexilischen Propheten zum Kultus, 1957; H . W. Wolff, Arnos' geistige H e i m a t , 1964; vgl. auch H . H . Rowley, Ritual and the H e b r e w Prophets, i n : From Moses to Q u m r a n , 1963, 111—138, u n d die Literatur dort) vermochten die starke, in die G e f a h r der Einseitigkeit geratende Tendenz, die großen Propheten den Prämissen von Tradition und Kultus zuzuordnen, nicht in ihre sachlich gebotenen Grenzen zu weisen. Gleichwohl darf die Berechtigung dieser Forschungsrichtung nidit prinzipiell verkannt werden. Sie w a r eine Reaktion auf Arbeiten einer früheren, noch unter dem Eindruck Duhms und Hölschers stehenden Generation, in denen die Schriftpropheten allzu nachdrücklich vom Heiligtum und den etwa dort beamteten Kultpropheten geschieden wurden. Man pflegt sich als Beispiel f ü r diese Position zur Sache besonders auf die grundsätzliche Studie von A. Jepsen zu beziehen (Nabi, Stud. z. alttestamentl. Lit. und Religionsgeschichte, 1934). Vgl. A. H . J. Gunneweg, Mündliche und schriftliche Tradition der vorexilischen Prophetenbücher, 1959, 87 ff., w o im H i n blick auf die kontroversen Anschauungen ein Stück Forschungsgeschichte vorgelegt wird.

Einleitung

3

sdiwinden lassen4. Angesichts der bunten Welt, In der sie lebten und deren Lebensformen und Lebensäußerungen auch die ihrigen waren, stellt sich mit unabweislicher Dringlichkeit die Frage nach der Welt, die sie selber prägten und in der entscheidende und verbindliche Züge ihres Wollens und Wirkens unauslöschlich erhalten blieben. Das Faktum, daß es auch außerhalb Israels eine Prophetie gab, die der israelitischen in manchen Punkten analog war 5 , macht diese Frage in besonderer Weise brennend. Welcher Art auch immer der etwa anzunehmende gemeinsame Wurzelboden israelitischer und außerisraelitischer prophetischer Erscheinungen gewesen sein mag und wie nah verwandt auch manche geschichtlich erkennbaren Einzelheiten ihrer Äußerungen waren 6 , entscheidend bleibt die fortwirkende, zu universaler Ausformung der Glaubensinhalte drängende Kraft der israelitischen Prophetenzeugnisse. Sie ist im Bereich der altorientalischen Umwelt Israels ohne Analogie geblieben. An diesem Punkt stellt sich das entscheidende Problem der alttestamentlichen Prophetie als einer Erscheinung sui generis. Das Fortwirken der Kraft des Prophetischen in Israel, die oft erst nachträglich erkannte und anerkannte Gültigkeit und Verbindlichkeit des ihr zugeordneten Wortes 7 stellt den seinem Wesen nach von jeder vorgegebenen institutionellen oder kultischen Größe unabhängigen Sachverhalt dar, den es zu erklären gilt. Er konfrontiert den Alttestamentler in gewandelter Weise mit dem Problem, bei dessen Lösung B. Duhm und G. Hölscher zu stark von neuzeitlichen, psychologisch bestimmten Persönlichkeitsvorstellungen ausgegangen waren, nämlich mit der Frage nach der Einzigartigkeit israelitischer Prophetie und israelitischer Propheten, sofern sie eine auf Einzelgestalten bezogene fortwirkende, eine „überdauernde" Prophetie war 8 . Die inzwischen gewonnene detaillierte Kennt4

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6

7

8

1*

Vgl. hierzu die Literatur bei G. Fohrer, Tradition und Interpretation im Alten Testament, ZAW (1961), 25 f. W. von Soden, Die Verkündigung des Gotteswillens durch prophetisches Wort in den altbabylonischen Briefen aus Mari, Welt des Orients 1,5 (1950), 397 ff.; M. Noth, Geschichte und Gotteswort im Alten Testament, in: Ges. Studien, 1957, 230 ff.; A. Lods, Une tablette inédite de Mari, interessante pour l'histoire ancienne du prophétisme sémitique, in: Studies in Old Testament Prophecy, 1950, 103 ff. Auffallend ist vor allem, daß es auch in Mari eine Oppositionsprophetie gab. Diese kann also als solche nicht mehr als einzigartig für Israel in Anspruch genommen werden. Thr 2 17; vgl. auch Jes 8 16-18 30 8-15, w o Jesaja selbst der Hoffnung auf künftige Wirksamkeit seines Wortes Ausdruck verleiht. Die Wiederaufzeichnung der verbrannten Buchrolle Jeremias weist auf eine ähnliche Hoffnung Jer 36 28-32. Vgl. zur Sache G. v. Rad, Theologie des Alten Testaments, II 1961, 55. Vgl. hierzu die Bemerkung G. v . R a d s a.a.O. 311: „Wahrscheinlich müssen die von der älteren Forschung anvisierten Fragen eines Tages, wenn auch unter anderen theologischen Voraussetzungen, wieder aufgenommen werden."

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Einleitung

nis der Traditionen, der religionsgeschichtlichen und kultischen Bindungen, in denen die Propheten standen und die ihr Leben bestimmten, nicht zuletzt auch die Kenntnis der differenzierten Redeformen, deren sie sich bedienten, kann nur geeignet sein, die aufgegriffene Frage sdiärfer zu profilieren im Sinn einer Frage nach dem Prophetischen schlechthin9. Die Einmaligkeit und Eigenart des prophetischen Menschen ist unter diesem Gesichtspunkt kein Problem seiner ohnehin nicht mehr exakt faßbaren Persönlichkeit. Das entscheidende Phänomen, von dem die Analyse ausgehen muß, ist die Tatsache, daß israelitische Propheten eine mit ihren einzelnen Gestalten verbundene geistige und religiöse Orientierung eröffneten, die im Wechsel der Generationen ihre unbedingte Gültigkeit und Verbindlichkeit bewahrte und vertiefte. Sie weist zurück auf eine in der Erscheinung dieser Propheten wirksame Gottergriffenheit und Gottüberwältigung, die sich künftigen Geschlechtern als Leben stiftende und Leben bewahrende Mächtigkeit mitteilte. Es wäre zu fragen, in welchen Abstufungen sie sich in der israelitischen Glaubensgemeinde Ausdruck verschaffte.

0

Vgl. z u m B e g r i f f S. H e r r m a n n , D a s Prophetische, i n : Reich Gottes und Wirklichkeit, Festgabe f ü r A . D . Müller, 1961, 3 2 — 5 2 . Abgedruckt gering gekürzt in: P r o bleme alttestamentlicher H e r m e n e u t i k , 1960. D i e Beziehung der Propheten zu der ihnen vorgegebenen Ü b e r l i e f e r u n g ist k n a p p und übersichtlich v o n R . R e n d t o r f i dargestellt w o r d e n in: T r a d i t i o n u n d Prophetie, Theol. Viat. 8 (1961/62), 2 1 6 — 2 2 6 . Z u r Prophetie im allgemeinen vgl. neuerdings J . L i n d b l o m , P r o p h e c y in ancient Israel, 1962, und die dort angegebene L i t e r a t u r .

5

II. Individuelle Gottesbeziehung als Problem der Tradition Die in der Regel bevorzugte Methode, einen darzustellenden Sachverhalt von seinem erkennbaren historischen Anfangspunkt bis zu seinem End- oder Höhepunkt zu verfolgen, ist für die Lösung des gestellten Problems nur mit Einschränkungen zu verwerten. Die Anfänge des prophetischen Wirkens sind in einer undeutlichen Vorgeschichte mit einer Reihe von Elementen verbunden, deren Abstoßung erst die für Israel typische Prophetie sichtbar machte1. Der Einsatzpunkt für die Beantwortung der aufgeworfenen Frage wäre dort zu suchen, wo die Erscheinung der prophetischen Gottüberwältigung und ihrer differenzierten Wirkungsmächtigkeit im hellen Licht der Geschichte steht. Von ihrer hier erkannten Wesenhaftigkeit aus wäre zu fragen, welche Gestalten älterer und ältester Traditions- und Quellenschicht ihr etwa zugeordnet werden dürften. Möglicherweise ließe sich unter diesem Gesichtspunkt die Herkunft und die Kontinuität des Jahweglaubens erneut zur Diskussion stellen. Die Nötigung dazu legt sich aus verschiedenen Gründen nahe. Die unter diesem Gesichtspunkt zu erwartenden weitreichenden Bezüge des Themas machen es dringlich, seine Problematik aus dem Bereich der Traditionen, in den es zurückweist, wenigstens nach einigen Richtungen zu profilieren. Die neuzeitliche Forschung hinterläßt der nachwachsenden Generation ja nicht nur die Frage, was das Besondere und einmalig Wirkungsmächtige an den fest in ihre vorgegebene Welt des Kultus und der Tradition eingeordneten Propheten Israels gewesen sei. Es verbindet sich mit ihr die Frage nach der Vorgeschichte dieser Prophetie. Nun hat eine konsequente überlieferungsgeschichtliche Arbeitsweise den für diese Vorge-

1

Z u denken w ä r e an alle A r t e n technischer Mittel zur G e w i n n u n g von O r a k e l n oder auch an spontane und künstlich erzeugte Verzückungszustände (I S a m 1010-13 I I R e g 3 15), die der U m w e l t rätselhaft, zuweilen suspekt waren (I S a m 19 20-24 I I R e g 9 ll J e r 29 26), weil sie aus ihr keine entscheidende Weisung und Orientierung in Krisensituationen g e w a n n , Erscheinungen, denen möglicherweise aus diesem G r u n d nicht widersprochen w u r d e .

Sie setzten keine echten K o n f l i k t e und lösten

auch

keine. Sie blieben deswegen auch ohne entscheidende N a c h w i r k u n g e n in der G e schichte wie die analogen Phänomene in Israels U m w e l t . D a s schließt natürlich nicht aus, d a ß es unklare Situationen, nicht eindeutige F ä l l e und d a r u m auch Irrungen oder bösartige Reg 9ll).

Unterstellungen gegeben haben k a n n ( H o s 97 J e r

2926; vgl.

II

6

Individuelle Gottesbeziehung als Problem der Tradition

schichte nicht unwichtigen, höchst komplexen Quellenbestand des Pentateuchs in eine Reihe von Traditionen zerlegt, die voneinander unabhängig zu sein scheinen. In ihrer Mitte steht Mose, der Mann, von dem diese Traditionen auf verschiedene Weise zu berichten wissen, daß er der prophetische Züge tragende Mittler des für Israel konstitutiven Gottesbezuges und der charismatische Führer der Wüstengeneration gewesen sei. Ist diese Gestalt nur eine Behelfsfigur, die den vielschichtigen Traditionsbestand über die Frühzeit notdürftig und unorganisch zusammenhält? Wer diese Frage bejahen will, muß die Herkunft des Jahweglaubens im anonymen Bereich geschichtlicher und religionsgeschichtlicher Konstellationen suchen und die Gestalt des Stifters im Gefüge differenzierter „Traditionsballungen" untergehen lassen2. Oder war Mose der erste Berufene, von dem aus sich die Gottüberwältigungen und ihre Wellenwirkungen fortsetzten bis zu dem Punkt, wo wir sie im Licht der Geschichte in der reifen Erscheinung der großen Prophetie zu erkennen vermögen? Dann wäre diese Prophetie der Höhepunkt eines langen Weges, in dessen Verlauf der genuine Jahweglaube, geleitet von der regulativen Wirkungsmacht gottüberwältigter einzelner seine Stoßkraft gegen die Werbekraft fremder Glaubensvorstellungen und schließlich seine ins Universale drängenden Aspekte zu entfalten vermochte. Unter dieser Voraussetzung müßte das komplexe Traditionsgefüge durchforscht werden nach den Wirkungen und Wirkungszusammenhängen, die von berufenen einzelnen ausgegangen sind. Das Pathos dieser Fragestellung ist ausgelöst durch das ihr innewohnende praktische Schwergewicht. Wo das Engagement und der Einsatz Gottergriffener je und dann das zu ideologischen und institutionellen Verfestigungen tendierende Beharrungsvermögen einer Gesamtheit in Frage stellte und neu orientierte, erweist sich die Dynamis eines in diesen einzelnen wirksamen unausweichlichen Gottesbezuges in seiner unbedingt verbindlichen Realität. Sie wird faßbar in der von ihr ausgehenden gemeindebildenden Kraft, die sich in Traditionen und Legenden, in biographisch akzentuierten Überlieferungen und Logiensammlungen niedergeschlagen hat. Hinter diesen Gattungen stehen Tradentenkreise. Die jeweils von ihnen gewählte Form der Uberlieferung ist Träger einer ganz bestimmten Art des Verstehens und Deutens, der Anerkennung, vielleicht 2

K. Koch, Der Tod des Religionsstifters, Kerygraa und Dogma 8 (1962), 1 0 0 — 1 2 3 ; A. H . J . Gunneweg, Mose in Midian, Z T h K 61 (1964), 1—9. Naturgemäß hat die Härte

dieser überlieferungsgeschichtlichen Konsequenzen

ein neues Durchdenken

und Durchforschen ihrer Voraussetzungen angeregt. Vgl. neuerdings L. Rost, Das kleine Credo und andere Studien, 1965; H . Seebaß, Mose und Aaron, Sinai und Gottesberg, 1962. G. Fohrer hat die angedeuteten Probleme in den Rahmen weiterer forschungsgeschichtlicher Zusammenhänge eingerückt: Überlieferung und Geschichte des Exodus, 1964, 1—7.

Individuelle Gottesbeziehung als P r o b l e m der Tradition

7

auch der Abweisung derer, die handelnd oder redend die Gesamtheit mit der verpflichtenden Mächtigkeit ihres Gottesbezuges konfrontierten. In welcher Weise diese orientierend und Krisis setzend wirkte, müßte sich aus der gewählten Art der Uberlieferung noch einigermaßen erschließen lassen. Unter diesem Gesichtspunkt wären die verschiedenen Traditionsbildungen transparent zu machen für die Abstufungen der Kontaktüberwältigungen, die von gottergriffenen einzelnen auf die anonyme Gruppe der Tradenten ausstrahlte, d. h. für gemeindebildende Impulse, die von prophetischen Menschen ausgingen. Das Problem läßt sich mit Hilfe einiger Beobachtungen veranschaulichen. In allen Schichten der Uberlieferung konzentrieren sich die Darstellungen auf bestimmte Personen, die als Gotterfüllte und Geistbegabte aus dem Anonymen herausgehoben werden. Der mit Jahwe in Beziehung getretene einzelne ist es, der das Interesse anzog. Der älteste Berichterstatter, der Jahwist, hat das unmittelbare Gegenüber von Gott und Mensch so häufig und so mannigfaltig dargestellt, daß auf eine lange Vorgeschichte geschlossen werden darf. Sie legt die Vermutung nahe, daß der Jahweglaube von jeher seine Kraft von begnadeten einzelnen empfing. Der Selbsterweis des Israelgottes richtete sich — das wußte man seit frühester Zeit — zunächst an den Berufenen, durch dessen Vermittlung er den Vielen zuteil wurde, und zwar als richtungweisendes Regulativ für Situationen, die es zu bestehen galt. Daß die Tradenten sich an einer nicht abreißenden Kette Berufener orientierten, bezeugt, in welchem Maß ihr Bewußtsein von der Vorstellung erfüllt war, ihr Gott suche die Gesamtheit durch diese Herausgerufenen und setze durch sie in Wort oder Tat Weisung und Ordnung für die Gemeinschaft. Ihre Gestalten stehen teilweise auf dem weiten Feld der Uberlieferung im Helldunkel einer Geschichte, die sich für reale Befunde eines historisch beschreibbaren Daseins nicht mehr durchlässig machen läßt. Das ist gerade im Hinblick auf Mose als besonders beschwerlich empfunden worden. Eine vielschichtige Uberlieferung hinterließ kein auch nur einigermaßen eindeutiges Gesicht dieses Mannes der Vorzeit, den die Traditionen gleichwohl mit den Anfängen des Jahweglaubens fest verbunden wissen wollen 3 . Das Geistes- und Glaubensphänomen, um dessen Erstellung — zumindest als Problem — es sich hier handelt, wird durch diese dem Historiker äußerst hinderliche Sachlage freilich eher verdeutlicht als beeinträchtigt. 3

D e m entsprechen die höchst unterschiedlichen Mosebilder, die in der alttestamentlichen Wissenschaft erstellt worden sind, deren vergleichende E r f a s s u n g und geistesgeschichtliche E i n o r d n u n g eine lohnende A u f g a b e der Forschungsgeschichte geworden ist. Vgl. R . Smend, D a s Mosebild v o n Heinrich E w a l d bis Martin N o t h , 1959; E . O ß w a l d , D a s B i l d des Mose in der kritischen alttestamentlichen seit J u l i u s Wellhausen, 1962.

Wissenschaft

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Individuelle Gottesbeziehung als Problem der Tradition

Das intensive Bestreben, den gelebten Gottesbezug der Jahwegemeinde auf die Mittlerwirkung eines Gottesmannes zurückzuführen, ist von entscheidender Bedeutung f ü r das Selbstverständnis dieser Gemeinde. Es zeigt zunächst, daß die Jahweliga solcher Mittler nicht entbehren zu können glaubte, daß sie ihren Bestand an deren Dasein gebunden wußte, daß sie das Unmittelbare des Gottesbezuges dieser Mittier als konstitutive und von bewahrender Mächtigkeit erfüllte Voraussetzung ihrer eigenen Existenz deutete. Aus solchen Antrieben etwa erklären sich Überlieferungszüge, die Mose allein in das Dunkel treten lassen, in dem Gott war, oder die flehentlich an ihn gerichtete Bitte: „Rede du mit uns, so wollen wir hören; Gott aber soll lieber nicht mit uns reden, sonst müssen wir sterben." 4 Das in zäher Konsequenz festgehaltene Motiv des Hinaufsteigens der Mittelsperson auf den Berg Gottes in Ex 19-24 macht das in diese Richtung gehende Interesse massiv sinnenfällig, verdeutlicht jedem Leser die Exponierung, die gefährliche Isolierung, das Wagnis, die Entrückung aus dem Umkreis des Gefügten und Geordneten, die der Mittler auf sich nehmen mußte, während die Gemeinde im Umschluß des kultisch gesicherten Bereiches zurückblieb 5 , von ferne wahrnehmend, was sich ihr zugute ereignete. Diese Elemente sind tief in älteste literarische Schichten eingesenkt, und niemand weiß, wie alt die mündliche Überlieferung war, die zu dieser frühesten literarischen Fixierung führte, die man der Hochblüte des Reiches unter David und Salomo zuzuweisen pflegt 6 . „Da fuhr Jahwe auf den Berg Sinai, auf den Gipfel des Berges herab. Und Jahwe b e r i e f Mose auf den Gipfel des Berges. Da stieg Mose hinauf. D a sprach Jahwe zu Mose: . . . " — „Da stieg Mose zum Volk hinab und sagte es ihnen." 7 Diese Sätze enthalten die Schlüsselvorstellung f ü r die Konzeption eines Kapitelzusammenhangs, der den israelitischen Gottesbezug in nuce in sich aufgenommen hat. Alle diese Züge sind von prototypischer Bedeutung, und es fällt schwer, hinter diesen alten Sätzen, die zeitlich lange vor der großen Prophetie liegen, keine Realität vorauszusetzen. Wie immer man sie auch historisch genauer fixieren will, als sicher wird man annehmen dürfen, daß man um die Zeit ihrer Aufzeichnung das Phänomen des mittelnden Menschen kannte. Man bezog sich mit solcher Energie auf ihn und seine funktionale Bedeutung f ü r die Gesamtheit zurück, daß seine Existenz an sich nicht angezweifelt werden kann. Das Bekenntnis zu ihm beinhaltet seine reale Mächtigkeit, die man als eine Gottesmäch4

Ex 2 0 19. 21.

5

Ex 19 12. 13. 21 20 21.

6

O. E i ß f e l d t hat die entscheidenden Stellen sogar seiner Quelle L, die er vor dem Jahwisten ansetzt, zugewiesen: Einleitung in das A l t e Testament, 1964 3 , 258.

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E x 19 20. 25.

Individuelle Gottesbeziehung als Problem der Tradition

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tigkeit angenommen hat, indem man sich ihrem verpflichtenden Anspruch unterwarf. Noch ein weiteres Moment ist im Zusammenhang dieser Vorerwägungen von Belang. Schon die ältesten Berichterstatter wissen etwas davon, daß die Einberufung eines Menschen in das entscheidende Gottesverhältnis — sei es prototypisch, sei es als historisch bedeutsam für die Gemeinde erfaßt — sich als Herausholung aus seinen profanen Bindungen und Bereichen vollzog; und diese Herausholung ist — das scheint vor allem wichtig — stets außerhalb kultischer Bezüge vorgestellt. Das Unerwartete, Unberechenbare und Überwältigende wurde auf diese Weise ebenso nachdrücklich festgehalten wie das Unausweichliche und Zwingende, das den Betroffenen ereilte und seinem Leben eine bis zu dem entscheidenden Zeitpunkt nicht erfindbare Richtung oder Einsicht gab. So läßt der Jahwist Abraham aus seinem Vaterhaus hinweggeführt werden 8 , so entwickelt er aus profanen Voraussetzungen in Gen 18 einen Gottesbezug Abrahams, den er unter alle Zeichen des Tremendum rückte und dem er das Bekenntnis zuordnete, daß der Mensch Erde und Asche sei0. Uberhaupt hat dieser Darsteller die menschliche Gottesbeziehung in hohem Maße dem individuellen Bereich zugewiesen, realisiert gedacht zumeist in irgendeiner Intimsphäre. Das verleiht etwa der Erzählung vom Paradies und Sündenfall und dem Zyklus der Abrahamgeschichten ihren eigentümlichen Reiz. Jahwe erreicht — so berichten diese Erzählungen — den Menschen überall auf seinen "Wegen, und Anrufung seines Namens, Kultus vollzieht sich, weil er ihn erreichte und wo er ihn erreichte — nicht umgekehrt 10 . Das setzt dieser Berichterstatter in ungebrochener SelbstGen 12 1. • Gen 18 27. 10 Gen 12 7 15 l. 7 18 1; vgl. Gen 13 ig 26 24 28 13 E; vgl. Gen 35 7 E. Daß die Orte der Jahwebegegnungen wahrscheinlich uralte Kultstätten kanaanäischer Genese waren, die nicht zuletzt durch Berichte dieser A r t f ü r Jahwe in Anspruch genommen werden sollten (vgl. hierzu H. J. Kraus, Gottesdienst in Israel, 1962 2 , 160 ff. und die Literatur dort) ist eher eine Bestätigung als eine Beeinträchtigung dieses Urteils, und zwar deswegen, weil die alten Berichterstatter erkennbaren Wert darauf legen, daß die Erscheinung Jahwes an solchen Stätten ein unerwartetes und nicht berechenbares Ereignis war, durch das die Betroffenen im Ablauf einer säkularen Unternehmung, die noch obendrein fragwürdigen Ursprungs sein konnte, gestellt wurden bzw. sich Jahwe stellen mußten — man denke an Jakobs Flucht v o r Esau und beachte, daß im Rahmen dieses Berichtes Gen 28 die Verse 1-9 f ü r spät (P) erachtet zu werden pflegen. Die Dynamis der Gottesbegegnung, sofern sie sich an einem kultisch nicht ohne weiteres legitimiert erscheinenden Menschen vollzog, der noch obendrein in seinen eigenen Demarchen befangen war, wird hier mit wünschenswerter Deutlichkeit veranschaulicht. Das statische Element kultischer Ortsgebundenheit der Gottheit ist auf diese Weise wirksam kompensiert und dem Bewußtsein entrückt worden. Vgl. auch Gen 16 21 Jdc 13 3. 9 ff. u. a. 8

10

Individuelle Gottesbeziehung als Problem der Tradition

Verständlichkeit und ohne Reflexion voraus. Göttliche Kundwerdung und Weisung ist ihm in verschiedener Weise überall möglich. Sie kann die flüchtige Magd in der Wüste trostreich ereilen 11 , in anderer Uberlieferung die Frau auf dem Felde mit heilvoller Botschaft12 oder sie kann den im Hirtendienst durch die Steppe wandernden Mose in den Bann göttlicher Nähe und göttlichen Auftrags ziehen13. Das sind Elemente ältester biblischer Glaubensvorstellungen, die mit Sicherheit darauf schließen lassen, daß den Tradenten die individuelle Seite des menschlichen Gottesbezuges zutiefst bewußt war. Der Vorgang persönlicher Gottüberwältigung muß also im Bereich ihrer Erfahrung gelegen haben. Er muß gesichtet worden sein als ein einzigartiges, nicht produzierbares oder manipulierbares Phänomen, d. h. als ein von Kultus und Institutionen unabhängiges religiöses Urelement, das Entscheidungen von zukunftsträchtiger Bedeutsamkeit setzte 14 . Wo in dieser Weise geschrieben werden konnte, wurde aus einer Realität gelebt, die nicht aus dem Bereich verfügbarer, institutioneller Ordnung stammte. Sie muß den Tradenten am Dasein und Wirken einzelner gestalthaft wahrnehmbar gewesen sein. Wie immer man dergleichen beurteilen mag, man wird gleichwohl zugeben müssen, daß die Träger der Uberlieferung von dieser sich ihnen zeigenden Realität her gedacht und geschrieben haben. Die beigezogenen biblischen Befunde scheinen also zu erweisen, daß das Skandalon der individuellen Gotteserfahrung nicht ohne Schaden für bestimmte Wesensmomente der Sache aus dem Zusammenhang ihrer Interpretationsversuche ausgeklammert werden darf.

11

Gen 1 6 ; vgl. G e n 2 1 elohistisch überarbeitet.

12

J d c 13 9. 3 ff.

13

Ex 3 1-10 elohistisch überarbeitet.

ti

Das Gewicht dieser Erscheinung w i r d erhöht durch die Tatsache, daß in Israel w i e überall in der altorientalischen W e l t das M o m e n t des Manipulierbaren eine große Rolle spielte. Orakelwesen ( U r i m und Tummim I Sam 1 4 41 ff. D t n 33 8 Ex 28 15ff. 30), künstlich erzeugte Ekstase (II Reg 3 15), magische P r a k t i k e n im Hinblick auf die Bewältigung der Z u k u n f t (II Reg 13 14-19) mögen den religiösen A l l t a g und das kultische Leben in hohem M a ß e

bestimmt haben. M a n w i r d sich

der

A m b i v a l e n z der Erscheinungen b e w u ß t bleiben müssen, w e n n man die Tragweite der in Israel sich vollziehenden Ü b e r w i n d u n g dieser materiellen Seite des G l a u benslebens v o l l ermessen will.

11

III. Zur phänomenologischen Aussonderung der prophetischen Berufung in Gattung und Uberlieferung Neuerdings ist aus dem Kapitel Jdc 6 u b-17 die Grundstruktur einer Berufungsgattung erarbeitet worden 1 . Die G o t t e s b e g e g n u n g Gideons beim profanen Akt des Getreidedrusches, das E i n l e i t u n g s w o r t des Gottesboten, der an den Berufenen ergehende A u f t r a g , sein W i d e r s t a n d gegen die erteilte Aufgabe, der tröstliche Z u s p r u c h des Berufenden und schließlich die Gewährung eines Z e i c h e n s lassen sich aus diesem nach allgemeiner Uberzeugung höchst altertümlichen Erzählungszusammenhang als Wesensmerkmale der Gattung erheben und beim Vergleich mit den Berufungsberichten der großen Propheten Jesaja, Jeremia, Ezechiel und Deuterojesaja auf ihre Stichhaltigkeit prüfen. Das Interessante dieser Analyse liegt nicht in der Erkenntnis, daß die Gattung ihren ursprünglichen Sitz im Leben im profanen Bereich hatte und aus der Form entwickelt wurde, deren sich ein Gesandter bei der Ausrichtung einer Botschaft bediente 2 . Entscheidend ist ihre Übertragung auf den religiösen Bereich zur Erhärtung des ausschließlichen, von mittelnden Institutionen und kultischen Ordnungen prinzipiell unabhängigen Bezuges, der zwischen dem berufenden Gott und dem berufenen Menschen als bestehend angenommen werden soll. Die auch sonst zu beobachtende Ablösung einer Gattung von dem ihr genuin zugehörenden „Sitz im Leben" 3 stellt die GattungsforscKung vor ein kompliziertes Problem. Wo sich typische, für die Glaubenswelt und das Glaubensleben des Menschen wesenhafte Erscheinungen aufdrängten, konnte ihnen eine sich als geeignet anbietende Form geliehen

1

N. Habel, The form and significance of the call narratives, Z A W 77 (1965), 297 bis 323. Zu diesem Kapitel ferner E. Kutsch, Gideons Berufung und Altarbau Jdc 6 11-24, T h L Z 81 (1956) 7 5 — 8 4 , W . Beyerlin, Geschichte und heilsgeschichtliche Traditionsbildung im Alten Testament, V T 13 (1963), 1—25, und C. A. Keller, Ober einige alttestamentliche Heiligtumslegenden I, Z A W 67 (1955), 156—161. Varianten zum „Berufungsschema" bei W . Richter, Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zum Richterbuch, 1966 2 , 152—155.

2

Gen 24 35-48. Vgl. N . Habel a.a.O. 322.

3

Vgl. den gleichen Vorgang in bezug auf die Bundesvorstellung; dazu G. E. Mendenhall, Law and convenant in Israel and the ancient near east, in: The Biblical Colloquium, 1955; K. Baltzer, Das Bundesformular, 1964 2 .

12

Zur phänomenologischen Aussonderung der prophetischen Berufung

werden 4 . D i e gewählte G a t t u n g w u r d e mit der A n n a h m e des neuen I n halts den „wiederkehrenden Ereignissen u n d Bedürfnissen des Lebens", denen sie einmal zugeordnet w a r , entfremdet. Sie w u r d e gewissermaßen heimatlos u n d assimilierte sich n u n m e h r einem modifizierten neuen inhaltlichen T y p u s in dem von diesem geforderten M a ß . Dieser neuen Form entsprach nicht immer ein neuer „Sitz im Leben". Ein Lebensbezug im Alltag, auch im kultischen Alltag, blieb ihr n a t u r g e m ä ß versagt, wenn sie Träger individual gebundener geistiger Realitäten geworden w a r . Das k o n n t e deswegen häufiger der Fall sein, weil dem altorientalischen M e n schen die Fähigkeit z u spekulativer Veranschaulichung abging. Dies machte ihm eine b i l d h a f t e Darstellung auch d a n n zwingend, w e n n sich f ü r das, was einsichtig gemacht w e r d e n sollte, in der bekannten Formenwelt keine unmittelbar a d ä q u a t e G r ö ß e z u r Erfassung eines Gegenstandes anbot, der sich einer f o r m a l e n Fixierung eigentlich ü b e r h a u p t entzog. Die gewählte G a t t u n g mußte, v o n einem I n h a l t dieser A r t geprägt, zu einer analogielosen, eigengesetzlichen G r ö ß e werden. Das ist ein Vorgang, der sich wahrscheinlich häufiger abgespielt h a t u n d den m a n , wie J d c 6 11-17 lehrt, im Hinblick auf Berufungsschilderungen mit Sicherheit voraussetzen d a r f . I n solchem Fall kündigt sich eine Einzigartigkeit des Inhalts an, die zu einer auf diese Sachlage ausgerichteten Analyse nötigt. Die U m b i l d u n g einer f ü r Botschaftsübermittlungen gebräuchlichen formalen S t r u k t u r zur G a t t u n g eines Berufungsberichtes in einem so archaischen Abschnitt wie J d c 6 11-17 weist zurück auf ein sehr f r ü h v o r handenes Bedürfnis, den bei einer S p o n t a n b e r u f u n g wahrgenommenen Individualbezug von G o t t u n d Mensch zur anschaulichen E v i d e n z zu bringen 5 . Diese A r t von Gottesbegegnung m u ß also schon lange v o r der Erscheinung der großen Prophetie im Erfahrungsbereich der T r a d e n t e n gelegen haben. D e r Versuch, sie gattungsmäßig zu fixieren mit der Bind u n g an die Grundelemente: Gottesbegegnung, Gotteswort, A u f t r a g , Widerstand, Zeichen l ä ß t vermuten, d a ß sich den Betrachtern des P h ä n o mens einige ihr a n h a f t e n d e regelmäßig zu beobachtende Wesenszüge als typisch a u f g e d r ä n g t haben. D e r Vorgang, den sie in der geschilderten A r t deutlich zu machen suchten, h a t sich ihnen offensichtlich je u n d je in analoger Weise dargestellt. Bei seiner b i l d h a f t e n Erfassung orientierten sie sich möglicherweise am säkularen A k t der Botschaftsübermittlung 6 . Setzt m a n dies voraus, d a n n d r ä n g t sich sofort die Sinnverschiebung auf, die sich bei der Ü b e r t r a g u n g der entscheidenden Elemente: Sendung, A u f t r a g , Verpflichtung v o n der p r o f a n e n auf die religiöse 4

Zum Problem der Wechselwirkung von Form und Inhalt vgl. vor allem G. Fohrer, Tradition und Interpretation im Alten Testament, ZAW 73 (1961), 1—30. 5 Zur Ablösung dieses Berichtes von einer an 6 24 orientierten Altarätiologie vgl. E. Kutsch a.a.O. « Vgl. N . Habel a.a.O.

Zur phänomenologischen Aussonderung der prophetischen B e r u f u n g

13

Ebene vollzog. Der angenommene säkulare Prototyp in Gen 24 35-48 zielt für den Fall der Erfolglosigkeit unter bestimmter Bedingung auf die Entlastung des Beauftragten in dem Sinn, daß er seiner Verpflichtung entledigt sei7. Die religiöse Gattung „Berufung" empfing von der neuen und analogielosen Erscheinung, zu deren Veranschaulichung sie diente, einen genau entgegengesetzten Skopus, nämlich die unbedingte Inpflichtnahme des Berufenen, die kein Ausweichen und keine Entlastung duldete. Daraus ergibt sich für die prinzipielle Beurteilung der Berufungsberichte der großen Propheten die anscheinend zwingende präliminarische Voraussetzung, daß die Erscheinung, die sie darstellen, im Bereich des Jahweglaubens wesenhaft: beheimatet war. Das würde auf eine Kontinuität der Jahweüberwältigungen zurückleiten und auf eine mit ihr verbundene Wirkungsmacht einzelner Berufener, aus der sich die Lebenskraft der Jahwegemeinde regenerierte und von der sie unter dem Zwang einer jeweiligen geschichtlichen Stunde die konstitutiven und regulativen Impulse empfing, die ihren Fortbestand gewährleisteten 8 . Ein Versuch, die prophetische Berufung im Rahmen der Uberlieferung phänomenologisch auszusondern, führt auf die Frage nach der Existenz kultisch beamteter Sprecher und ihrer Beziehung zu dem in spontaner Überwältigung berufenen Dabarmittler. Seit den berühmten Psalmenstudien III. Kultprophetie und prophetische Psalmen, von S. Mowinckel aus dem Jahr 1923 ist die Gestalt des Kultpropheten ein wichtiges Postulat auch im Hinblick auf die Abwicklung des kultischen Zeremoniells in Israel geworden 9 . Seine Anerkennung hat sich wohl ziemlich allgemein durchgesetzt, obwohl mit triftigen Gründen grundsätzliche Bedenken vorgetragen worden sind 10 . Sie richten sich vor allem gegen die enge Verbindung des charismatischen und des institutionell verfestigten kultischen Elementes, deren Übertragung auf eine mehr oder weniger hypothetisch erschlossene Figur als contradictio in principiis empfunden worden ist. Die Auseinandersetzungen in dieser Sache sind deswegen so lebhaft geführt worden, weil die Annahme, daß es auch in Israel beamtete kultisch fungierende Propheten gegeben habe, eine nicht unbe-

7

Gen 24 41.

8

Schwerlich w ä r e es richtig, in diesem Z u s a m m e n h a n g v o n einer T r a d i t i o n zu sprechen. T r a d i t i o n ist das, w a s sich aus der angedeuteten Voraussetzung ergibt oder ergeben kann. Sie weist zurück auf den J ü n g e r k r e i s derer, die den Gottberufenen erkannten, seine charismatische Weisung annahmen, sie f ü r die Gemeinde bewahrten und zur f o r t l a u f e n d e n Aktualisierung ausgestalteten. Es könnte eher theologisch v o n einer geglaubten K o n t i n u i t ä t der J a h w e o f f e n b a r u n g e n geredet werden.

9 10

Vgl. hierzu S. 15 A n m . 15. G . Q u e l l , D e r K u l t p r o p h e t , T h L Z 81 (1956), 4 0 2 — 4 0 4 .

14

Zur phänomenologischen Aussonderung der prophetischen Berufung

achtliche Reihe von Versuchen zeitigte, die großen klassischen Propheten diesem Stande einzureihen11. Der bisherige Verlauf der -wissenschaftlichen Diskussion hat gezeigt, daß eine Orientierung an dem Stichwort nabl' nicht möglich ist. Seine Anwendung auf sehr unterschiedliche und möglicherweise nicht wurzelhaft miteinander verbundene Erscheinungen macht diesen Begriff mehrdeutig12. Daß die großen Propheten ihn auf sich selbst und in Kampfposition auch auf bestrittene Gruppen beziehen konnten, verdeutlicht seine Ambivalenz13. Wo die Verwertung der hebräischen Vokabel nabi' in irgendeinem Sinn als Ausgangsposition für die Klärung des Befundes gewählt wird, muß sich demgemäß zwangsläufig eine Verwirrung des Sachverhaltes ergeben. Seine Erhellung — sofern eine solche überhaupt in allen Einzelheiten möglich ist — kann nur aus der Differenzierung der Phänomene selbst gewonnen werden. Zum Problem der Sonderung spontanberufener Charismatiker und möglicherweise kultisch gebundener prophetischer Sprecher ist in I Reg 22 ein wichtiges Dokument erhalten geblieben. Es berichtet von einer Befragung Jahwes unmittelbar vor einer Schlacht. Am Stadttor von Samaria — also nicht eigentlich an einem kultischen Ort, sondern an der Stätte profaner Rechtssprechung — versammelten die in vollem Ornat auf ihren Thronen sitzenden Könige von Israel und Juda „die" Propheten und empfingen auf die Frage, ob die Schlacht gewagt werden solle oder nicht, die Heilskündung von etwa 400 Nebiim. Es hat also in der Tat Propheten gegeben, die bereitstanden, auf Befragung Antwort zu erteilen. Ob dieser Kreis als staatlich sanktionierte Kultpropheten angesehen werden sollte und in welchem Sinn die Beteiligten unter solcher Voraussetzung als legitime Amtsträger zu gelten hätten, läßt sich aus dem überlieferten Bericht nicht mit Sicherheit in der einen oder anderen Richtung erhärten. Die Selbstverständlichkeit, mit der sie gerufen wurden, vor allem die Gewißheit, aus ihrem Munde ein Heilswort zu empfangen, lassen immerhin die Vermutung zu, daß es sich um eine Gruppe institutionell Engagierter handelte, die auch wohl für ihre Weissagung einen Lohn zu erwarten hatten14.

11

Vgl. S. 1 Anm. 3 Zur Bestreitung dieses Standpunktes K . Roubos, Profetie en cultus in Israel, 1956; F. M. Th. Böhl, Priester und Prophet, NThSt 22 (1939), 298—313. 301. O. Plöger, Priester und Prophet, Z A W 63 (1951), 157—192. 177. Eine genaue Darstellung der Forschungslage bei A. H. J. Gunneweg a.a.O. 8 1 — 1 1 8 .

12

I Sam 10 11 19 20 I Reg 13 8. 20 Jer 2 8 5 31 Jdc 6 8 I Reg 18 25. 36 19 16. 22. 12 und 13 22 u. a. Am 2 12 3 7 f. Jer 1 5 7 25 26 7 ; vgl. 26 18 28 5 Jes 37 2 38 1 Mi 3 5 Jes 28 7 Jer 14 15 23 9 . 1 1 Ez 13 2 u. a.

13

14

Mi 3 5.

Zur phänomenologischen Aussonderung der prophetischen B e r u f u n g

15

Möglicherweise gehörten sie zum Kreis derer, die als Wahrer einer durch Auszugs-, Bundes- und Landnahmetradition geförderten Heilstheologie Israels in kritischen Situationen auftraten, um mit dem ihnen für solche Fälle obliegenden Heilswort den Schalomstand des Volkes kultisch zu agieren und zu aktivieren. Dann durfte man — wie im vorliegenden Fall — ihres positiven Spruches gewiß sein15. Zugunsten dieser Annahme spräche die Tatsache, daß man einen einzigen nicht berief und befragte, und zwar den einen, von dem es heißt, daß der König ihn haßte, weil er nicht Heil, sondern Unheil zu künden pflegte. An diesem Punkt profiliert der Text selbst die Erscheinungen. Er läßt keinen Zweifel daran, daß die erhoffte und erhaltene Heilsbotschaft in den Empfängern Skepsis hinterließ. Das gemeinsame und eindeutige Votum der Vierhundert erzeugte keine Sicherheit. Es weckte das Verlangen nach dem Urteil des notorischen Unheilskünders. Wer war dieser Mika ben Jimla, der nunmehr herbeigerufen wurde, weil der König von Juda auf diese eine Stimme nicht verzichten zu können glaubte? Der Hinweis des Boten auf die einmütig günstige Auskunft der Vierhundert, seine beschwörende Aufforderung, Mikas Wort möge sein wie das Wort jener, Gutes ansagend, zeigen die Unsicherheit im Hinblick auf das, was von diesem Mann erwartet wurde. Man wußte offensichtlich, daß er sich nicht ohne weiteres in den Rahmen jener Heilskünder fügen werde, aber man mußte ihn gleichwohl befragen. In dieser Exposition wird das Gewicht der Vierhundert von dem Einen, der das Geschehen hintergründig von Anfang an mitbestimmte, praktisch annulliert, zumindest vorbedeutsam in Frage gestellt. Das sind Züge, die das Unheimliche und Faszinierende des nachträglich Zitierten festgehalten haben. Man wagte nicht, ihm zu trauen und konnte sich dennoch der Gewißheit nicht entziehen, daß er Gültiges zu künden habe. Mika selbst erscheint in einer analogen Ambivalenz. Den Appell des Boten, die Solidarität mit den Vierhundert zu wahren, weist er ab mit der Begründung, er werde sagen, was Jahwe ihn zu reden heiße. In dieser Antwort manifestiert sich das Bewußtsein des Direktbezuges zu dem Gott, dessen Kündungsauftrag er erwartete. Sein Korrelat ist die latente Distanzierung von den Gruppenkündern, die in der Konzeption des Vorganges hinreichend zum Aus-

15

O b beamtete Heilssprecher dieser A r t Propheten genannt werden sollten, ist eine F r a g e des Ermessens. J e d e n f a l l s kann ihr „prophetisches" R e d e n und H a n d e l n nur als ein funktionierendes Sprechen u n d H a n d e l n im technischen Sinn des Wortes verstanden werden. D e r Sache nach w ä r e n S p o n t a n k ü n d e r wie M i k a ben J i m l a v o n dieser G r u p p e prinzipiell zu trennen, und z w a r unabhängig v o m Inhalt ihrer durchaus nicht grundsätzlich auf Unheil ausgerichteten Botschaft. D i e gleiche Benennung f ü r wesensmäßig verschiedene Phänomene w i r d freilich nicht als glücklich e m p f u n d e n werden können. Vgl. zur Sache H . J . K r a u s , Gottesdienst in Israel,

19622, 122—131.

16

Zur phänomenologischen Aussonderung der prophetischen Berufung

druck kommt. Das Phänomen des Andersartigen muß also dem Tradenten aufgefallen sein. Gleichwohl schien Mika ben Jimla — zunächst die Heilsbotschaft der Vierhundert aufnehmend — sich zu diesen und ihrem Wort bekennen zu wollen, ein Vorgang, dessen Lauterkeit dem König von Israel alsbald suspekt ward. Bekundet sich hier ein Ausweichen vor dem Alleingang, der Wunsch, in der Schar der Vierhundert unterzutauchen, in die Sphäre der Geborgenheit ihrer Legitimation einzugehen, dem Zwang zur Isolierung, vielleicht zur Gefahr zu entgehen? Der Text fügt dieser kleinen retardierenden Szene keine reflektierende Erklärung bei; aber der Schluß drängt sich auf? daß der Berichterstatter hier ein Problem angesichts der Situation des Botschafters mit dem Sonderauftrag wahrgenommen hat. Wie dem auch sei, der unheimliche nachträglich Zitierte konnte sich dem Zwang seines Auftrages ebensowenig entziehen, wie sich die Fragesteller der Wirkung zu entziehen vermochten, die von ihm ausging. Mika mußte das Herausfordernde — Niederlage und Tod des Königs — künden. Die Vierhundert hatten sich beim Spruch ihres Heilswortes auf keine Legitimation berufen. Sie mögen, wenn sie kultischer Art war, dessen nicht bedurft haben. Jedenfalls hat sie niemand angezweifelt. Der Unheilsbote hingegen berief sich auf den ad hoc-Auftrag seines Gottes, auf die nur ihm gewährte Einsicht in das, was vor dem Thronrat Jahwes geschah und die Zukunft des Volkes entscheidend bestimmen sollte16. Wie immer man diese vermittelnde Vision in den Einzelheiten deuten möge, sie bezeugt in jedem Fall die außerordentliche, nahezu maßlose Gewißheit Mikas, die einzig gültige, die das Massenvotum entkräftende authentische Gottesbotschaft für die gegenwärtige Stunde zu haben". Diese Gewißheit umschließt —• zumindest in dem Augenblick, wo sie manifest wird — den Verzicht auf alle in Kultus, Tradition und Theologie vorgegebenen Verbindlichkeiten. Sie begründet den außerordentlichen ciabar als außerordentliche, gottgesetzte Weisung und Orientierung für eine bestimmte geschichtliche Situation. Ihr Empfänger konnte sich dem Zwang, sie auszurichten, nicht entziehen, obwohl er, wie es schien, möglicherweise den Weg des geringsten Widerstandes, die

16

Vgl. J e r 23 18 und zu dem mit dem geschilderten Vorgang zusammenhängenden Problem der wahren und falschen Prophetie, G. Quell, Wahre und falsche Propheten, 1952, 7 1 — 8 5 . Der Verfasser von I Reg 22 läßt in diesem Zusammenhang auch die Vierhundert als Inspirierte gelten. E r rückt ihre Kündung unter den Gesichtspunkt der von Jahwe selbst gewirkten Irreführung, gibt der Problematik also hier eine neue und vertiefende Wendung, die für den entwickelten Aspekt der Dinge außer Betracht bleiben kann. Vgl. auch H . J . Kraus, Prophetie Krise, 1964, 106—110.

17

Vgl. Mi 3 8.

in der

Zur phänomenologischen Aussonderung der prophetischen Berufung

17

Identifizierung mit dem Kollektivvotum der zur Heilsbotschaft Bestellten dem Alleingang vorgezogen hätte. Der erregende Szenenwechsel, die Konfliktsituation und die bildhafte Darstellung des Empfangs der Sonderbotschaft heben den Immediatkünder als Größe sui generis von seiner Umgebung ab. Die Gewaltreaktion eines Legitimierten, Gefängnis und Notration, verleihen ihm im Erleiden des Martyriums das Siegel der Beglaubigung eines Ausgesonderten. Das alles sind Züge, die mit wünschenswerter Deutlichkeit das Unmittelbare, Irregulierbare, Außergewöhnliche, keiner Ordnungsinstanz Verpflichtete seines Gottesbezuges in Erscheinung treten lassen. Ein Bericht dieser A r t ist nur denkbar unter der Voraussetzung entsprechend differenzierter und am Tage liegender Erfahrungen. Das Phänomen des im Direktbezug nur an den R u f seines Gottes gebundenen Oppositionspropheten steht in unverkennbaren Umrissen hinter dieser etwa dem 9. Jh. zuzuweisenden Darstellung. In ihr kulminiert die Frage nach dem Wesen der für Israel typisch gewordenen Prophetie. Daß sie in so markanter Profilierung in einer so spannungsreichen, vermutlich noch vor der Erscheinung der klassischen Prophetie anzusetzenden Darstellung zum Ausdruck gebracht werden konnte, ist für deren Beurteilung von entscheidender Bedeutung. Auch zum Problem der Scheidung des charismatisch Berufenen von dem auf jeden Fall institutionell Gebundenen und der Ordnung kultischen Agierens verpflichteten Priesterstand ist eine aufschlußreiche und höchst altertümliche Darstellung erhalten geblieben. Dem jungen Samuel wurde, so wird in I Sam 3 berichtet, im Jahwetempel ein Inkubationsorakel über das Schicksal der Eliden zuteil. Der Berichterstatter legte offensichtlich besonderen W e r t darauf, festzustellen, daß die sich bei dieser Gelegenheit ereignende Jahwebeziehung den Jüngling völlig unvorbereitet überkam. Jahwe rief den Ahnungslosen mehrmals vergeblich. Erst das wissende W o r t des Priesters bereitete ihn vor für den Empfang eines außergewöhnlichen Gottesbezuges, der eingeleitet wird mit der archaischen Vorstellung, daß J a h w e kam und sich hinstellte (v. 10). Im vorliegenden Zusammenhang ist dieser in verschiedener Hinsicht bedeutsame Bericht deswegen von Belang, weil er in plastischer Weise zeigt, in wie hohem Maß der charismatisch Berufene dem Gefüge des Institutionellen entrückte 18 . Das ergibt sich vor allem aus der Haltung Elis. Ohne Widerspruch unterwarf sich der alte Priester dem das Schick-

18

Daß sich das geschilderte Widerfahrnis hier einmal im kultischen Raum ereignete, ist eher ein Beweis für diesen Sachverhalt als dagegen. Der Bericht empfängt seine Typik gerade dadurch, daß er verdeutlicht, wie ein dem Ablauf kultischen H a n delns Verpflichteter, ein auf diesem Gebiet Lernender, sich plötzlich seiner gewohnten Ordnung entrissen sah und sich einer Bemächtigung ergeben mußte, mit der er nicht gerechnet hatte. »

2

Henry, Prophet

18

Zur phänomenologischen Aussonderung der prophetischen Berufung

sal seines Hauses betreffenden W o r t des Jünglings mit dem Bekenntnis: Das ist Jahwe. Vergegenwärtigt man sich die patriarchalische Gesellschaftsordnung der altorientalischen Welt und das Gewicht, das der Ältesten- und Priesterstand in ihr hatte, dann vermittelt dies Zurücktreten Elis hinter seinem Schüler einen starken Eindruck von der Wirkungsmächtigkeit einzelner charismatisch Begabter innerhalb des soziologischen und kultischen Ordnungsgefüges. Sie sprengte diese Ordnung, ja sie stellte sie sachlich in Frage, wenn man sich dessen vielleicht auch nicht immer bewußt war. Der Ältere unterwarf sich dem Jüngeren und vermochte seinerseits aus den ihm kultisch verfügbaren Mitteln und Manipulationen das ereignishafte Geschehen, das sich zwischen Jahwe und Samuel abspielte, weder zu fördern noch zu hindern. Sehr charakteristisch ist der Abschluß dieses Berichtes in v. 20: „Ganz Israel erkannte von D a n bis Beerscheba, daß Samuel ein zuverlässiger Jahweprophet war", dessen Wort nicht unerfüllt blieb (19). Das Unberechenbare einer Erwählung, die sich zwar im kultischen Raum ereignen konnte, aber nicht aus diesem kam, noch aus ihm seine Sanktionierung empfing, ist in diesem Bericht eindrücklich festgehalten worden 19 . I Reg 22 und I Sam 3 rechtfertigen neben dem schon beigezogenen Material in besonderer Weise den Versuch, die Hochform der Prophetie des 8. und 7. Jh. als Endpunkt eines Weges zu verstehen und in der Rückverfolgung ihrer Wesenszüge die Kontinuität der Lebenskraft des Jahweglaubens anschaulich zu machen.

19

Es ist deswegen irreführend, wenn im Hinblick auf solche Erscheinungen von der Berufung in ein Amt oder von der Verleihung oder Inanspruchnahme der Benennung Nabi im Sinne eines Titels geredet wird, was neuerdings vielfach geschieht. Die Begriffe Amt und Titel bezeichnen im technisch „bürokratischen" Sinn eine Standeszugehörigkeit, die erworben oder- verloren werden kann, die vergeben wird, also verfügbar ist. Der Bericht legt aber erkennbaren Nachdruck auf die Feststellung, daß es sich bei dem geschilderten Geschehen um etwas Unverfügbares handelte.

19

IV. Das Phänomen des Prophetischen in den Berufungsberichten Die Darstellungen individueller Gottesbeziehungen in alten Traditionen und literarischen Schichtungen, vor allem die frühe phänomenologische Aussonderung prophetischer Berufung in Gattung und historischer Uberlieferung lassen es methodisch als geraten erscheinen, die in Eigen- und Fremdberichten bezeugten Gottüberwältigungen der großen Propheten zum Angelpunkt für das Verständnis ihrer Erscheinung und ihres Wirkens zu machen. Die pointierte Herausstellung einiger Berufungen 1 , auch solcher anonymen Ursprungs 2 , empfangen ein besonderes Gewicht durch die Tatsache, daß die Quellen von der Lebensgeschichte und der Persönlichkeit der Berufenen selbst so gut wie nichts überliefern, ein Sachverhalt, der mit gewissen Einschränkungen auch für Jeremia gilt. Diese Diskrepanz verleiht den Berufungen eine für die Würdigung der Gesamterscheinung der Prophetie beachtenswerte Bedeutsamkeit. Die Tatsache ihrer Bewahrung in verschiedenen literarischen Darstellungen verdeutlicht, daß sie als wesenhaft entscheidend für das im Namen Jahwes ergehende Reden und Wirken der Berufenen empfunden worden sind. Darf Jdc 6 11-17 als der schon früh geprägte Typus einer Berufungsschilderung gelten, dann ist die starke individuelle Ausformung der verschiedenen, auf die großen Propheten bezogenen Berichte in hohem Maße auffallend. Die entscheidenden Wesenszüge ihrer Gottüberwältigung und Gottverpflichtung lassen sich mit den in Jdc 6 erkennbaren Elementen — Gottesbegegnung, Gotteswort, Auftrag, Widerstand, Zeichen3 — vorzugsweise an den Punkten zur Deckung bringen, wo Anspruch und Auftrag als unberechenbares, gottgewirktes Geschehen auf den Menschen zukommen. Hier weisen die Berichte mit entschiedenem Nachdruck auf analoge Impulse, auf ein gleichartiges auslösendes Moment, das sie nicht innerhalb, sondern außerhalb des Verfügbaren voraussetzen, im Sinn des von Eli ausgesprochenen Bekenntnisses: Das ist Jahwe. Der äußere Rahmen und die Einzelzüge hingegen, vor allem die Reaktionen der Betroffenen zeigen so tiefgreifende Varianten, daß die individuelle Komponente in der Art und Weise, wie die Einwirkung des redenden Gottes

1

A m 7 9 - 1 7 Jes 6 Jer 1 6-10 (möglicherweise einschließlich v. 1 1 - 1 2 ) E z 1 — 3 .

2

Jes 40 3-8 49 1-6 50 4-9; vgl. H i 4 12-17 u. a.

3

Vgl. N . Habel a.a.O.



20

D a s P h ä n o m e n des Prophetischen in den Berufungsberichten

auf den angeredeten Menschen wahrgenommen und vorgestellt wurde, nicht außer Betracht bleiben kann. Wo diese Seite der Sache als „irrelevant" angesehen wird, muß das Verständnis für die Durchschlagskraft des geschilderten Berufungsvorganges entscheidend beeinträchtigt werden. Daß sich ein Mensch von göttlicher Wirkungsmacht verpflichtend ereilt wußte, daß sich dieser Mensch mit zwingender Mächtigkeit unerwartet und gegen seinen Willen in einer bestimmten geschichtlichen Stunde für diese Stunde zum Mittler menschlicher Orientierung an göttlichem Willen erwählt fand und dieser Erwählung nicht entfliehen konnte, ist das einhellige Zeugnis aller vorhandenen Berichte. In der Durchsetzung dieser Bemächtigung im Leben und Werk der Berufenen erfüllte sich das Wesen des Prophetischen. Es machte den Mittler zum Fanal, an dem sich Scheidung und Entscheidung vollziehen mußte. Wenn die Dokumente, die zu Trägern dieser prophetischen Wesenhaftigkeit geworden sind, an mehreren Stellen stark von Traditionselementen verschiedener Genese4, auch von der Sprache und Vorstellungswelt des Kultus geprägt wurden, so ist das keine Beobachtung, die ihre angedeutete Grundtendenz zu widerlegen vermöchte. Jeder Redende, der sich verständlich machen will, muß sich in überkommenen Begriffen und Denkfiguren bewegen. Das entscheidende Problem liegt nicht in dem Faktum, daß er dies tut; es stellt sich dort, wo das Schema des Herkömmlichen durchbrochen und den überlieferten Vorstellungen ein neuer Gehalt gegeben wird. Wenn die Überwältigung durch den Heiligen einsichtig gemacht werden soll, ist die Veranschaulichung in den Dimensionen des Kultischen — vollends für den antiken Menschen — naheliegend; aber es hieße die Schale zum Kern machen, wollte man etwa in Jes 6 in den kultischen Bezügen das Wesen der Aussage dieses Kapitels suchen und Jesaja zum beamteten Kultpropheten deklarieren 5 . Die kultische Anschauungswelt lieh dem Widerfahrnis des Tremendum, dessen Erfassung ein entscheidendes Anliegen dieses Berichtes ist, nur notdürftige und kaum zureichende Konturen. Die niederwerfende Gewalt des Heiligen, das Bewußtsein, ihr radikal inadäquat zu sein, schließlich die Gewißheit empfangener Entsühnung sind zwar in kultischen Umrissen dargestellt worden, sprengen sie jedoch an den entscheidenden Stellen. Eine deutliche Übersteigerung kultischen Details

4

Vgl. J e s 6 8 f. u n d I R e g 22 19-22, d a z u G . Q u e l l , Wahre und falsche Propheten, 1952, 108 f.; E z 1 und die K o m m e n t a r e v o n W. Zimmerli u n d G . Fohrer

zur

Stelle. Z u den Traditionselementen des Rauches und des Schwankens der T e m p e l schwellen J d c 5 4 E x 19 9.18 24 15 I R e g 8 lo H a b 3 3-6 Ps 18 8 ff. 50 l ff. 97 1-4 u. a. 5

Z u r kultischen A n a l y s e v g l . I. Engnell, T h e C a l l of Isaiah, 1949, ein Versuch, das N e u j a h r s f e s t und seine R i t e n als H i n t e r g r u n d des K a p i t e l s zu erweisen. Z u J e s a j a s B e r u f u n g vgl. neuerdings vor allem E . Jenni, J e s a j a s B e r u f u n g in der neueren F o r schung, T h Z 15 (1959), 3 2 1 — 3 3 9 .

D a s Phänomen des Prophetischen in den Berufungsberichten

21

ins Uberdimensionale weist auf den Willen, die Einsamkeit des Menschen im Widerfahrnis einer einmaligen, menschlichem Agieren entzogenen Gottesbeziehung sinnenfällig zu machen. Der Tempel erscheint nur noch als der unzureichende Bereich, der den Saum dessen faßt, was nicht geschaut und beschrieben werden kann6. Das dreimalige Sanktus im Munde unirdischer, gottunmittelbarer Gestalten7 transzendiert das kultische Begehen hymnischen Wechselgesanges, macht es zum Abbild intuitiver Wahrnehmung und Anschauung. Der Akt der Entsühnung ist losgelöst von der mittelnden Funktion des Priesters und auf eine dieser Gestalten numinoser Wesenhaftigkeit übertragen. Das entrückt den Vorgang dem Bereich des kultisch Praktizierbaren8. Die geschilderte Berührung mit einer dem Feuer des Altars entnommenen Glühkohle weckt keine Assoziationen in diesem Sinn; denn sie wirkte nicht das, was mit kultischer Reinheit gemeint sein kann. Sie schuf die innere Möglichkeit, dem Direktbezug mit dem Heiligen standzuhalten, ihm nicht zu erliegen in der Bewußtwerdung schuldhafter 6

Daraus erklärt sich die schon f r ü h auftauchende und auch in der Geschichte der Exegese vertretene Meinung, daß der geschilderte Vorgang nicht den irdischen, sondern den himmlischen Tempel voraussetzte. Targ. Jon VI, 1; E. König, K o m m e n t a r zur Stelle. Material bei G. B. Gray, International Critical C o m m e n t a r y X I X , 1912, 103 f.

7

Zum Saraph und seiner Beziehung zur Schlange vgl. Jes 14 29 3 0 6 N u m 21 6-9 D t n 8 15. An diesem P u n k t fällt es in der T a t schwer, mit der Abwicklung eines „festgelegten liturgischen Rituals" zu rechnen (vgl. H . Graf Reventlow, Liturgie u n d prophetisches Ich bei Jeremia, 1963, 68). Die bündige Feststellung, daß die H a n d l u n g „in jedem Fall natürlich nicht durch J a h w e selbst, sondern durch den J a h w e repräsentierenden K u l t b e a m t e n " ausgeführt werde, d a ß also mit einer „indirekten Beruf u n g " zu rechnen sei (a.a.O. 75), erscheint durch die Assoziation kultischer Vorgänge — Reventlow bezieht sich bei der Analyse der Berufungsberichte vor allem auf das Heilsorakel — keineswegs gesichert, umso weniger, als dies „Ritual" aus differenziertem Material erschlossen w o r d e n ist und in seiner hypothetischen Konzeption zur Grundlage prophetischer Berufungsberichte gemacht w u r d e . Unter dieser Voraussetzung wiegt die Beobachtung schwer, d a ß „nicht alle Züge in allen Berichten tatsächlich vorhanden sind" (a.a.O. 68). Sie müßten es, w ä r e der Vorgang als ein kultischer im technischen Sinn anzunehmen. Das Bruchstückhafte kultischer Reminiszenzen in den Berufungsberichten ist der These Reventlows nicht günstig. Demzufolge läßt sich auch ihr visionäres Moment kaum mit der Bemerkung erledigen, d a ß dies „ganz offensichtlich nur Einkleidung sei, hinter der sich ein real liturgisches Geschehen verberge" (a.a.O. 64). U n e r k l ä r t bleibt auch, was im R a h m e n eines kultischen Berufungsrituals unter der angenommenen J a h w e epiphanie zu verstehen ist (a.a.O. 70) oder unter der „numinosen Todesfurdit des Offenbarungsempfängers" (a.a.O. 48), ganz abgesehen davon, d a ß auch gesagt werden müßte, wie sich im Gefüge kultischer O r d n u n g das zu realisieren vermöchte, was man Offenbarung nennt (vgl. auch 53 f.).

8

22

Das Phänomen des Prophetischen in den Berufungsberichten

Existenz, die Göttliches u n d Menschliches unüberbrückbar voneinander trennen m ü ß t e . D e r Vorgang bewirkte, d a ß vernommen w e r d e n konnte, was v e r n o m m e n w e r d e n mußte, w e n n göttlicher A u f t r a g e r k a n n t u n d a n e r k a n n t w e r d e n sollte. A n diesem P u n k t w a l t e t in ihm etwas P r i n zipielles, das überall d o r t wiederkehrt, w o Analoges in Erscheinung tritt. D i e stark materiell orientierten, teilweise in magische Tiefen hinabreichenden kultischen Reinheits- 9 u n d Entsühnungsvorstellungen 1 0 blieben jenseits dessen, was in Jes 6 z u r Anschauung k o m m t . Priester, O p f e r u n d nach Vorschrift vollzogene Reinigungsriten, die f ü r die Herstellung kultischer Gottesbeziehung u n d Entsühnung von entscheidendem Gewicht w ä r e n , k o n n t e n nicht einmal zu b i l d h a f t e r Bedeutung gelangen; n a t u r gemäß, denn der geschilderte Vorgang wies den Betroffenen aus der kultischen K o l l e k t i v i t ä t in die individuelle Isolierung v o r G o t t . E r sah sich ergriffen von einem Geschehen, einem H a n d e l n , das ihn erreichte u n d dessen U r s p r u n g er in außermenschlichen Bereichen voraussetzte. M a n k a n n dergleichen f ü r eine Fiktion halten u n d sich G e d a n k e n über allerlei traumatische u n d ekstatische Voraussetzungen des Verfassers machen, aber m a n w i r d nicht d a v o n absehen können, d a ß er selbst v o n der Vorstellung ausging, unmittelbar mit der ihn f o r d e r n d e n göttlichen Realität in K o n t a k t geraten zu sein. Sie setzte die menschliche A k t i v i t ä t , die im Kultus von höchster, weil wesenhafter Bedeutung ist, außer K r a f t , ließ sie einer Reaktion weichen, die das W i d e r f a h r n i s des T r e m e n d u m m a n i fest machte. — W e h m i r ! — D a s alles sind Züge, die auf eine u n v o r h e r gesehene spontane G o t t ü b e r w ä l t i g u n g zurückweisen, auf ein Lebensp h ä n o m e n also, das sich unabhängig v o m K u l t u s als funktionierender O r d n u n g ereignet haben m u ß . Kultische Begriffe u n d Vorstellungen vermochten es n u r andeutend einzufangen, u n d auch das n u r unter Verlust ihrer eigenen Sinnhaftigkeit; denn der mit kultischer Begrifflichkeit geschilderte Vorgang leitete den Betroffenen nicht, w i e m a n erwarten sollte, in die durch sie umhegte Sphäre gesicherter Heiligkeit. E r riß ihn in die ungesicherte, bis zu dem entscheidenden Z e i t p u n k t nicht g e k a n n t e Sphäre des Direktbezuges zu dem berufenden G o t t . Jesaja h a t diese Seite der Sache näher darzustellen versucht mit einigen hinweisenden Zügen, die schwer verständlich sein w ü r d e n , w e n n ihr Vorbild in I Reg 22 19-22 nicht erhalten geblieben wäre. Es ist w o h l ziemlich unbestritten, d a ß die Vision M i k a ben Jimlas, sein Einblick in den T h r o n r a t Jahwes, der ihm z u r autoritativen Begründung seines Alleinganges in der Unheilskündung w u r d e , im H i n t e r g r u n d von Jes 6 8 f. stehen. D a s Vernehmen einer Stimme, deren H e r k u n f t nicht beschrieben wird, die Frage, wer im A u f t r a g einer nicht n ä h e r fixierten Gemeinschaft

» Lev 11—15 21—22. Lev 4—5 16.

10

Das Phänomen des Prophetischen in den Berufungsberichten

23

entsandt werden solle, die spontane Antwort des Propheten: — Sende mich! — blieben f ü r sich genommen Einzelheiten ohne festen Zusammenhang, die sich indessen im Gefüge der in I Reg 22 19-22 geschilderten Szene zu einem klaren und eindeutigen Bild runden 11 . Es ist die schon bei Mika ben Jimla bezeugte Gewißheit, in einen unmittelbaren, an keine Zwischeninstanz gebundenen Auftrag Jahwes berufen zu sein, die sich hier ausspricht. Das Aufgreifen eines Vorbildes an dem entscheidenden Punkt, wo sich das Charakteristikum des Prophetischen — Gottüberwältigung, Unterwerfung und Auftragsempfang — in Bewußtsein und Orientierung durchsetzte, läßt auf eine Kontinuität dieses Phänomens schließen, auf Bezugszusammenhänge, die hier einigermaßen deutlich greifbar sind, die aber auch sonst vorhanden gewesen sein werden, obwohl sie sich im einzelnen schwer feststellen lassen. Anscheinend gab es Kreise, in denen das Geschehen um Mika ben Jimla fortwirkte, und zwar nicht nur als Gegenstand der Tradition, sondern als Größe von zündender Kraft, die Bereitschaft weckte für analoge Widerfahrnisse. Als ein solches den Gottesbezug stimulierendes Element muß das Phänomen von I Reg 22 in Jesaja lebendig gewesen sein. D a ß an diesem Punkt in der Tat nicht nur mit Überlieferungs- sondern mit Lebenszusammenhängen gerechnet werden muß, erhellt aus der individuellen Komponente in Auswahl und Veränderung der überlieferten Züge. Die bildhaften Analogien von I Reg 22 19-22 und Jes 6 1-2 und 8 — das Schauen des göttlichen Thrones, die Schar der gottnahen Wesen, die an sie ergehende Frage, die antwortende Reaktion eines einzelnen — sind die Träger eines gleichartigen elementaren Grundereignisses, das Jesaja wie Mika ben Jimla ereilte. Sie können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß Urbild und Abbild durch eine tiefgreifende Akzentverschiebung voneinander getrennt sind. Hinter ihr verbirgt sich eine entscheidende inhaltliche Modifizierung. Mika nahm die Einzelheiten der Szene deutlich wahr in der Rolle des Betrachters. Sie vermittelte ihm U r sprung und Sinn des seinem Unheilswort widersprechenden Heilswortes der Vierhundert. Die an den Thronrat gestellte Frage ließ den Geist heraustreten, der als Geist der Irrung in den Vierhundert wirksam zu werden gewillt war. Das legalisierte Mika ben Jimla die Echtheit seiner vorangegangenen Unheilsschauung, aber eben nur ihm, was die Konfliktsituation mit den Heilskündern heraufbeschwor. Jesaja hat diesen Vorgang in sich bewegt, jedoch nicht unter dem Aspekt der Frage, ob Heilsoder Unheilswort als legitime Botschaft jener Stunde zu gelten habe. Es war die im Namen Jahwes gesetzte, Untergang zeugende Möglichkeit

11

Auf diese Bezüge ist oft hingewiesen worden. Vgl. neuerdings G. Quell a.a.O., N . Habel a.a.O. 310.

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Das Phänomen des Prophetischen in den Berufungsberiditen

einer Irrung durch den Geist, der er sich im Augenblick der Faszination seiner eigenen Berufung entgegenwarf. Sie ließ ihn in die „überlieferte" Szene eingehen mit dem Willen und der Hoffnung, Bote werden zu können, der Entscheidung zur Rettung möglich macht. So kompensierte Jesaja im Thronrat Jahwes den „Geist" mit seinem Dazwischentreten: Sende mich! G. Quell hat über oft beobachtete Formalien hinaus auf diese inneren Zusammenhänge zwischen I Reg 22 19-22 und Jes 6 8 hingewiesen12. Seine Einsicht beseitigte nicht nur die in der Exegese tradierte Figur des jungen, kühn und problemlos in seine Aufgabe springenden Propheten, die in unverkennbarem Gegensatz steht zu dem vorhergehenden Weheruf und der folgenden klagenden Frage: Wie lange, o, Herr? Sie machte auch die charismatische Prädisponierung sichtbar, die durch die meditative Beschäftigung mit der aus älterer Prophetie überkommenen Problematik entstehen konnte. Bei Jesaja beruhte sie, so scheint es, auf dem Willen, verderbenwirkender, irrender Prophetie entgegenzutreten, den Geist der Lüge und seine von Jahwe zugelassene schicksalhafte Dynamik 13 außer Kraft zu setzen, im eigenen Einsatz den Weg der Rettung zu weisen. Gleichwohl wird das ihm aufgetragene Wort keine bewahrende Mächtigkeit entfalten. Es wird weder Umkehr noch Einsicht wirken, sondern das unheimliche und rätselhafte Geschehen, daß die Angeredeten sehen, aber nicht erkennen, hören, aber nicht vernehmen werden. Der prophetische dabar Jesajas kann nur noch ergehen, um das Unabwendbare des nahenden Gerichts, des verwirkten Schalom evident zu machen. Die Diskrepanz zwischen menschlicher Absicht — sofern die inneren Bezüge zwischen I Reg 22 19-22 und Jes 6 8 annähernd richtig erfaßt wurden — und dem, was der göttliche Auftrag bewirken sollte, ließ sich kaum bedrängender veranschaulichen. Der prophetische Wille, eine innere Wende zu vermitteln, erschien von vornherein zum Scheitern verurteilt angesichts einer latent vorhandenen Ablehnung von Umkehr und Einsicht, die am Wort Jesajas sichtbar werden würde. Seine Botschaft realisierte sich nur noch als gewährte Möglichkeit einer Entscheidung. Dies komplexe Gefüge innerer Bezüge verleiht dem angstvollen Aufschrei: Wie lange, o, Herr? eine akute Prägnanz. Die vorzugsweise individuell akzentuierte Frage nach dem Ende einer Zwangslage — im kultischen Notruf wandelbaren Situationen offen 14 — wurde im Munde Jesajas zum Zeugnis der Erschütterung über die verstockende Wirkung seines

12 13 14

A.a.O. 108 f. Vgl. G. Quell a.a.O. 75. Ps 74 10 94 3 119 82. 84 u. ö. D a ß diese Frage bei Jesaja im Sinn einer Fürbitte zu verstehen sei (I. Engnell a.a.O. u. a.) findet im Text keinen unmittelbaren Anhaltspunkt. Die Analogien in den Psalmen erweisen den entsprechenden Kultruf

Das Phänomen des Prophetischen in den Berufungsberichten

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Wortes. Sie gewährt hier einen Einblick in die Tragik der prophetischen Situation, in die kaum verhüllte Abwehrhaltung eines Berufenen gegen die negative Zielsetzung der ihm auferlegten Kündigung, die im Endeffekt nichts anderes besiegeln würde als die Irrung wirkende Prophetie der Vierhundert: Verderben und Untergang, d. h. Gericht (v. 11). Zuweilen ist die Frage erörtert worden, ob Jesaja die Einsicht in die Tatsache, daß seine Botschaft keine Wende wirken werde, schon in der Stunde seiner Berufung gewann oder ob er sie ihr erst nach einem Leben vergeblicher Kündung assoziierte. Wer letzteres für wahrscheinlich hält, wird eine späte Aufzeichnung von Jes 6 annehmen müssen. Wie dem auch sei, entscheidend bleibt jedenfalls, daß Jesaja alle Aspekte seiner prophetischen Existenz — wann und wie auch immer — dieser einen Stunde zuordnete, der er für seinen eigenen Gottesbezug und seine Lebensaufgabe eine wesenhafte Bedeutsamkeit zuschrieb. Wollte man annehmen, daß dies erst auf Grund später Reflexion geschah, dann wäre die Einbeziehung dessen, was man seinen Mißerfolg nennen könnte, in den Vorgang seiner Berufung ein starkes und nachhaltiges Zeugnis für die Kraft, mit der er sein prophetisches Geschick aus der Perspektive dieser einen Stunde zu bewältigen vermochte. Daß dergleichen auch für Jesaja keineswegs selbstverständlich war, zeigt Jes 22 4: „Darum sage ich: Schaut weg von mir. Bitterlich muß ich weinen, drängt mich nicht, mich zu trösten ob des Unterganges der Tochter meines Volkes." Dem Mann, der sich genötigt sah, die göttliche Kundgebung in einem vermutlich nur kleinen Jüngerkreis zu verschließen, wird es kaum leichter gewesen sein als Jeremia, das Vertrauen zu dem sich verbergenden Gott aufrechtzuerhalten 15 . Es erscheint nicht ohne Belang, daß seine Fixierung im Symbolnamen einer seiner Söhne „Ein Rest kehrt um" 1 8 in der Uberlieferung nicht auf einen ausdrücklichen Jahwebefehl zurückgeführt wird wie dort, wo kommendes Unheil in der Namengebung angedeutet ist 17 . Das kann tiefreichende Gründe haben. Wenn sich die Jahwegemeinde in der Tat schon früh auf den Bundesgott als Gott des Heils im Ausblick auf die Rettung am Meer, auf Wüstenwanderung und Landnahme eingeschworen hatte und ihn, wie man heute zumeist annimmt, in diesem Sinn auf der Uberlieferungsbasis von Ex 19-24 Jos 24 Dtn 26 o-io u. a. kultisch verehrte 18 , dann be-

als Frage nach dem Ende einer Notlage, positiv als Frage nach dem Zeitpunkt der Wiedergewährung des Schalomzustandes. Der Aspekt der Bitte kann sich assoziieren, muß es jedoch nicht. Zur Sache vgl. C. Westermann, Struktur und Geschichte der Klage im Alten Testament, Z A W 66 (1954) 4 4 — 8 0 . 15

Jes 8 16 f.

16

Jes 7 3; vgl. 8 18.

17

Jes 8 1-4.

18

Vgl. vor allem A. Weiser, Die Psalmen, 1955, 11 ff.

26

Das Phänomen des Prophetischen in den Berufungsberichten

deutete die Kündung des Gottes als Richter, der die Seinen vernichtend sdilagen werde, stärkste Herausforderung, unter Umständen äußerste Gefährdung und Krisis des Glaubens. Zwar ist, wie die Fluchworte in Dtn 27 zu zeigen scheinen, auch im Kultus schon früh der Blick auf die Möglichkeit göttlichen Richtens gelenkt worden. Indessen liegt es im Wesen kultischen Geschehens, daß es dem Teilnehmer Sühnemöglichkeit gewährt und ihn als sakral Gereinigten in den Umkreis heilvollen göttlichen Wirkens eintreten läßt. Der lebendige Austrag des Gegensatzes von Heil und Unheil als Paradoxon des Glaubens war im Kultus, wenn auch nicht unmöglich, so doch insofern kompensiert, als kultisches Handeln die Gemeinde und den einzelnen je und je erneut in die Geborgenheit und nicht in die Krise leitete. Auf Grund der Heilstraditionen und ihrer kultischen Aktualisierung durfte man sich etwa im Sinn von Mi 2 7 dessen getrösten, daß Jahwe Gutes mit Israel vorhabe 19 . Möglicherweise ist es kein Zufall, daß es ein Zeitgenosse Jesajas war, der die ideologische Verfestigung des Standpunktes „Uns kann kein Unheil treffen!" überlieferte20. Für diese Heilskündung bedurfte es — zumindest bis zum Exil — außer der kultischen keiner besonderen und außerordentlichen Legitimation. Schwerlich wird man annehmen dürfen, daß es irgendjemand beikommen konnte, diese sakral gefestigte Glaubensgeborgenheit — und hier muß die ganze Bedeutsamkeit, die der Kultus für den antiken Menschen hatte, ins Gewicht fallen — von sich aus in Zweifel zu ziehen. Der ¿iZ^w-Künder, der das kultische Gleichgewicht von Segen und Fluch ins Wanken brachte und den Gegensatz von Heil und Unheil zu einem aktuellen Lebensproblem zu machen sich unterfing, konnte der Sache nach seine Sanktionierung kaum aus dem Kultus empfangen. Sie mußte ihm aus anderen Bereichen zukommen, was in der Tat aus Jes 6 hervorzugehen scheint, und sie mußte, wenn das geschah, zunächst den zur Unheilskündung Berufenen selbst aus der Sphäre der kultischen Geborgenheit lösen, in der er sich wie die Glaubensgemeinschaft, der er angehörte, beheimatet und gleich jener heilvoll geschützt wissen mußte. Das sind Voraussetzungen, die den an Jes 6 geknüpften Überlegungen eine weitere innere Begründung verleihen. Man bedurfte, da man die kultische Beglaubigung des Heilswortes hatte, der außerkultischen des Unheilswortes dann, wenn es für einen bestimmten geschichtlichen Augenblick die aktuelle Bedeutsamkeit der Heilstraditionen in Frage stellen sollte, wenn Unheil also über seine kultisch einbezogene Möglichkeit hinaus seinerseits zur aktuellen Bedeutsamkeit erhoben wurde. Daß der Kairos göttlicher Gerichte unmittelbar bevorstehe, war eine Botschaft,

10 20

Vgl. BKH». Mi 3 ll.

Das Phänomen des Prophetischen in den Berufungsberichten

27

die nicht nur gegenüber ihren Hörern, sondern zuerst und vor allem gegenüber seinem Künder autoritativ bekräftigt werden mußte, nicht zuletzt, um seine immer auch mögliche Befangenheit im heilstheologischen, kultisch gesicherten Denken zu entkräften. Vergegenwärtigt man sich diese Zusammenhänge, dann wird nicht nur die beigezogene emotionale Äußerung Jesajas verständlich21, sondern auch sein von Heilswillen beflügeltes Eintreten in die Szene von I Reg 22 19-22 und die betroffene Frage „Wie lange, Herr?" angesichts der Einsicht, daß sein Wort nicht Rettung, sondern Gericht wirken werde. Unter solchem Aspekt erscheint in der Tat die Frage erlaubt, ob nicht in 6 13 ein mit dem Wort vom heiligen Samen verbundenes Heilswort vorliegt, das Jesaja genuin zugehört 22 und das gleich dem Heilsnamen „Ein Rest kehrt um" der Hoffnung Raum gibt, der Glaube an den rettenden Gott werde durch Unheilskündung nicht ad absurdum geführt. Das wäre freilich keine Heilshoffnung im kultischen Sinn. Diese Hoffnung mußte Jesaja mit seiner Berufung begraben. Es wäre das Harren auf den sich verbergenden Gott, das sich hier ausspräche und das Jesaja expressis verbis an anderer Stelle für sich in Anspruch nahm 23 , d. h. aktive Glaubensbewährung im Dunkel einer Krise, die tödlich sein müßte, wenn diese Hoffnung nicht erhalten bliebe. Das ist kein kultisches Phänomen, sondern das Paradoxon des Vertrauens auf den richtenden und rettenden Gott, aktiviert im Sinn der Dtn 32 39 mit dem Nachdruck eines Jahwewortes formulierten Gewißheit: „Seht nun, daß ich es bin und daß kein Gott neben mir ist! Ich töte und mache lebendig, ich zerschlage und schaffe auch Heilung, und niemand kann aus meiner Hand retten." Diese Auffassung wird nicht widerlegt durch die Tatsache, daß in Jes 6 n eine Gottesrede abgeschlossen ist und in 6 12, abgehoben von der vorhergehenden Wechselrede, ein neuer Einsatz, also ein späterer Nachtrag zu 1-11 vorliegen kann, ein Befund, der nur beweisen würde, daß Jesaja von der im Akt seiner Berufung gewonnenen Orientierung her lebte und ihm sein Vertrauen auf den Gott des Heils zu gebotener Stunde auch literarisch in gewandelter Weise und bezogen auf die Erwartung kommenden Gerichts assimilierte. Das alles sind Erwägungen, die, wenn sie nur annähernd zutreffen, eine ungefähre Vorstellung vermitteln von der gewaltigen Kraft, mit der sich das in Jes 6 geschilderte Ereignis im Leben des Propheten durchsetzte und sein Glauben und Wirken in eine vorher nicht geahnte Bahn wies. Unter vorzugsweiser oder gar ausschließlicher Anwendung kultischer Gesichtspunkte würden sich die in Jes 6 nachwirkenden Lebensvor21 22

23

Jes 22 4. Vgl. G. Quell a.a.O. 109 und O. Kaiser, Der Prophet Jesaja, Kap. 1—12, i960, und Literatur dort. Jes 8 17.

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Das Phänomen des Prophetischen in den Berufungsberiditen

gänge kaum hinreichend erfassen lassen. Der Kultus ist der statische Hintergrund, von dem sich die erkannten Wesenszüge des Prophetischen, in dem berufenen Menschen dynamisch wirksam werdend, ablösen. Sie nötigten den im Akt der Spontanüberwältigung Bezwungenen zur Unterwerfung, d. h. zur Uberwindung des inneren Widerstandes gegen den göttlichen Anspruch auf den Einsatz seines Lebens und zur Preisgabe aller vertrauten Glaubenssicherungen, die ihm Tradition und Kultus bis zur Stunde seiner Berufung geboten hatten. Das bedeutete eine ungewöhnlich starke Belastung des Betroffenen. Sie spiegelt sich wider in der Schreckreaktion und einer Abwehrhaltung, die in allen Berufungsberiditen typisch variiert ist und sich bei Jesaja vor allem gegen die Tatsache richtete, daß seinem Wort die Umkehr wirkende Mächtigkeit versagt bleiben sollte. Dies Phänomen der Abwehrhaltung scheint ein charakteristisches Korrelat der Spontanüberwältigung gewesen zu sein. Schon im Urbild der Gattung — Jdc 6 — festgehalten, bei Mika ben Jimla mit seiner anfänglichen Einstimmung auf das Kollektivvotum der Vierhundert im Sinne einer Abwehr des Alleinganges in der Unheilskündung hinreichend angedeutet, tritt es bei Jesaja in der beschriebenen Weise in helleres Licht, um schließlich bei Jeremia zu einem entscheidenden und unübersehbaren Wesenszug nicht nur seiner Berufung, sondern seines gesamten prophetischen Lebens zu werden. Die Intensität, mit der dieser Prophet dem Zwang zur Annahme seiner Aufgabe auszuweichen trachtete — „Ich kann nicht reden; ich bin zu jung" — begründet einige typische Varianten in der Darstellung seiner Berufung 24 . Das Jahwe in den Mund gelegte Argument, ihn vor seiner Geburt erkannt und für sich ausgesondert, geheiligt zu haben, die als Befehl ausgesprochene Weisung, sich nicht für zu jung zu halten noch sich zu fürchten, sondern zu gehen, wohin er gesandt sei, die in deutlicher Aufgreifung von Jes 6 7 vollzogene Berührung seiner Lippen, charakteristisch abgewandelt vom Akt der Entsühnung zu einem Akt der Wortbegabung, der Auftrag, sich zur Aktivität zu „gürten", die Versicherung Jahwes, mit dem Berufenen zu sein, ihn „herauszureißen", ihn zur Festung, zur eisernen Säule und ehernen Mauer werden zu lassen wider die Könige Judas, wider Fürsten, Priester und das ganze Volk, schließlich der summarische Hinweis auf zu erwartenden Widerstand umfassen die Einzelheiten eines Rüstzeuges des Geistes und der Kraft, das einem Menschen gewährt werden mußte, der sich in seiner Glaubens- und Leistungsmöglichkeit eingeschränkt wußte, der durch die Furcht „vor ihnen", den zu erwartenden Widersachern, gelähmt war, und dessen Furcht nur kompensiert werden konnte durch den Hinweis darauf, daß sich die Vernich-

24

Jer 1 5-9.

Das Phänomen des Prophetischen in den Berufungsberichten

29

tungsgewalt Jahwes gegen den vor seiner Berufung Ausweichenden stärker durchsetzen werde als der Schrecken, der von jenen Gefürchteten zu erwarten war. Das sind Einzelheiten, die sich nur erklären lassen aus der individuellen Eigenart des Menschen, auf den sie sich beziehen und aus einer höchst konkreten Situation, in der er sich befand. Schwerlich fügen sie sich zum Typus eines Kultaktes, der in gleicher Weise und in gleicher Form als wiederholbar vorgestellt werden könnte und müßte, so daß im Hintergrund von Jer 1 ein kultisches Formular als Basis für die Einsetzung eines „Kultpropheten" in sein Amt zu vermuten wäre 25 . Die Abwehrhaltung des Berufenen gegenüber seiner Berufung und der Versuch ihrer Entkräftung durch die aufgezeigten Einzelargumente in Form der Jahwerede sind in jeder Hinsicht zu stark, um ihre Deutung als kultische Station im Rahmen einer sakralen Amtseinsetzung überzeugend erscheinen zu lassen26. Auffallend bleibt in diesem Zusammenhang nicht zuletzt die Tatsache, daß im Rahmen der Berufungsschilderung in J e r 1 mit einem zu erwartenden Widerstand der Umwelt, einschließlich priesterlicher Kreise, gerechnet wird. Kultisch wird man eine solche Perspektive kaum nennen dürfen 27 . Wollte man hingegen der vielfach ausgesprochenen Annahme folgen, daß sie erst nach einem langen Weg vergeblicher Kündung, also nach erfahrenem Mißerfolg, dem Berufungsvorgang zugeordnet wurde, so würde das hier wie bei Jesaja erweisen, in wie hohem Maß auch dieser Prophet das Leiden an seiner Aufgabe, die Isolierung und Bedrohung, die sie ihm auferlegte, unter dem Vorzeichen des Widerfahrnisses, das ihn unausweichlich verpflichtete, zu deuten, d. h. zu bewältigen suchte. Dann wäre auch in seinem Berufungsbericht die aktive Aneignug seines prophetischen Schicksals wirkungsmächtig. Sie mußte naturgemäß sein ganzes Leben begleiten, was einen verhältnismäßig späten literarischen Niederschlag wahrscheinlich macht. Das war nur möglich, wenn Berufung und Leben sich gegenseitig so in-

25

Für die Versuche, prophetische Berufungsberichte in diesem Sinn zu interpretieren und einzuordnen, sind die Arbeiten von H . Graf Reventlow in besonderer Weise repräsentativ (a.a.O.). Hier wird vor allem deutlich, in wie hohem Maß die kultische Interpretation als Abwehr gegen eine psychologisch ausgerichtete Exegese zu verstehen ist (a.a.O. 7 — 2 3 u. ö.).

26

Reventlow (a.a.O. 51) baut auch dies Moment in das kultische „Berufungsformular" ein im Sinn einer „vorgeschriebenen Antwort des Berufenen auf den Auftrag". E r habe zunächst seine „Unwürdigkeit" in festgelegter Weise zum Ausdruck bringen müssen. Träfe diese Vermutung zu, wäre die beachtliche Variationsbreite der Abwehrreaktionen schwer zu erklären. Sie ist trotz mancher Analogien in den Einzelheiten unverkennbar. Vgl. auch E x 3 11 4 10 6 12 6 30.

27

Es kann darum nicht wundernehmen, daß Reventlow dem Aspekt des Widerstandes kultisch gebundener Kreise keinen festen Platz in seinem Berufungsformular anzuweisen vermag.

30

Das Phänomen des Prophetischen in den Berufungsberichten

tensiv zu durchdringen vermochten, daß sie von dem Betroffenen selbst als Einheit empfunden werden mußten und auch in diesem Sinn dargestellt wurden. Die Bewältigung prophetischer Aufgabe und aller sich daraus ergebenden Konsequenzen w a r also eine sich in actu durchsetzende praktische Kontinuität der Berufung im Leben des Propheten. Einige Stationen auf diesem Wege sind uns, so scheint es, in den sogenannten Konfessionen Jeremias erhalten geblieben. Seine Einsamkeit inmitten einer ihn tödlich bedrohenden Umwelt 2 8 , das Bewußtsein, von dem berufenden Gott irregeleitet 29 , dem Spott und der Schande preisgegeben zu sein30 und als Opfer göttlichen Truges dazustehen 31 , der hilflose Versuch, der zwingenden Anforderung dieses Gottes nicht mehr zu gedenken 32 ; das Eingeständnis, sie gleichwohl wie brennendes Feuer zu empfinden 33 und diesem allen weder standhalten noch ausweichen zu können 34 , markieren die Phasen der Anfechtungen, unter denen sich die Berufung Jeremias behaupten und ihm selbst immer aufs neue legitimiert werden mußte 3 5 . Sie bestätigen in variierten Abwandlungen das Phä-

28

15 17 11 19.21 15 10.

29

20 7.

30

2 0 8.

31

15 18.

2 0 9. 33 2 0 9.

32

34

20 9.

35

Reventlow hat auch die sogenannten Konfessionen Jeremias ( 1 1 1 8 - 1 2 6 15 10-21 17 12-18 1 8 18- 23 2 0 7-18) dem „kultisch repräsentativen Denkschema" (a.a.O. 225) einzuordnen versucht (a.a.O. 2 0 5 — 2 4 0 ) . Die Frontstellung gegen ein keineswegs ausschließlich vertretenes psychologisches Verständnis dieser Abschnitte hat hier zu einer bedenklich einseitigen kultideologischen Sicht der Dinge geführt. Sie gipfelt in der Auffassung, daß Jeremia als exemplarischer Beter für die kollektive Größe des Volkes stehe, etwa in 15 10-21 „im Namen des Volkes und in Solidarität mit diesem ein Unschuldsbekenntnis abgebe und das Ausbleiben der göttlichen H i l f e als UnZuverlässigkeit Jahwes brandmarke" (a.a.O. 227). H i e r wird dem Propheten eine Position zugewiesen, die dem Inhalt seiner Botschaft und der geschichtlichen Lage so diametral entgegengesetzt ist, daß sie jeder inneren Wahrscheinlichkeit entbehrt. Unter dem Zwang der Vorstellung, daß solche Gebete aus der Funktion amtlicher Fürbitte erwachsen sein müssen, interpretiert Reventlow ohne Rücksicht auf die aus der sogenannten Baruchbiographie, vor allem aus K a p . 26 geschichtlich nachweisbare Krisensituation des Propheten, ungeachtet auch der T a t sache, daß Jeremia die Fürbitte, sofern sie ihm oblag oder er sich dazu gedrängt fand, ausdrücklich verwehrt wurde (11 14 14 11 7 16). Es ist aufschlußreich, daß im Rahmen

dieser Interpretation

die entscheidenden Äußerungen der

Glaubensan-

fechtung des Propheten in 18 18-23 und 20 7-18 vollkommen außer Betracht blieben. Vgl. schon die Inhaltsangabe unter 5. Vgl. zur Sache neuerdings J . J . Stamm, Die Bekenntnisse des Jeremia, Kirchenblatt für die reform. Schweiz 111 354—357. 370—375.

(1955),

D a s Phänomen des Prophetischen in den Berufungsberichten

31

nomen einer radikalen Überwältigung, die Wille und Widerstand des Betroffenen überwand, die ihn unwiderstehlich immer wieder in sein prophetisches Geschick riß und ihn nötigte, darin auszuharren. Berichte, hinter denen sich Lebenszusammenhänge dieser Art abschatten, sind ein sprödes Material für formale Analysen und für die Versuche, ihre zeitliche Entstehung exakt zu bestimmen. Kaum dürften einzelne aus den Psalmen bekannte Wendungen in den Konfessionen 38 oder etwa der im priesterlichen Heilsorakel beheimatete tröstliche Zuspruch „Fürchte dich nicht" in Jer 1 8 für die Erhärtung einer vorzugsweise kultischen Interpretation dieser Kapitel zureichen37. Ein Mensch, der in der Vorstellungs- und Formenwelt des Glaubens und der kultischen Praxis seiner Zeit lebte — und das wird im Hinblick auf die Propheten vorausgesetzt werden müssen — bewegte sich zwanglos und selbstverständlich in dieser Welt. Er konnte sich der Elemente ihres Denkens und Redens auch dann bedienen, wenn er sich genötigt sah, Realitäten zu beschreiben und zu bezeugen, die zwar mit dieser ihm vertrauten Welt zusammenhingen, ihn jedoch weit über sie hinausführten in Bereiche, auf die sie sich ausrichtete, die ihr indessen nicht unmittelbar verfügbar oder inhärent waren. Nicht die Tatsache, daß Formalien der Kultsprache in Zeugnissen prophetischer Berufung auftauchen, ist entscheidend, sondern die neue Wertigkeit, die sie im Zusammenhang der Lebensimpulse einer Berufung und ihrer sich in actu vollziehenden Kontinuität empfingen 38 . Ihre einmalige Bedeutsamkeit und Sinnrichtung im Gefüge der einmaligen Situation prophetischer Berufung und Anfechtung wird dort sinnenfällig, wo die Bewältigung der Konfliktsituation in Widerstand und Ergebung in Erscheinung tritt. Diese Seite prophetischer Wesenhaftigkeit realisierte sich bei Jesaja mit der Frage „Wie lange, o, Herr?" als Auseinandersetzung mit der Tatsache, daß sein Wort nicht heilsmächtig, den Weg in die Umkehr weisend, wirken werde. Bei Jeremia vollzog sie sich in der Erfahrung des Widerstreites, der sich aus der Einsicht in die Unabwendbarkeit des Gerichtes und der vorläufigen Nichterfüllung seiner Kündung ergab 39 . Diese Sachlage schien Jeremia als falschen Pro-

30

11 20 1 2 1 1 5 15 1 7 13 f. 18 2 0 11 ff. u . ö .

37

Hierzu vor allem Reventlow, Liturgie und prohetisches Ich bei Jeremia, 1963; zur kultischen Bedeutung des Heilswortes J . Begrich, D a s priesterliche Heilsorakel, Z A W 52 (1934), 81—92.

38

Vgl. hierzu analoge und weiter ausgeführte Beobachtungen bei G. Fohrer, Tradition und Interpretation im Alten Testament, Z A W 73 (1961), 1—30, und demgegenüber die auf Grund sprachlicher und formaler Bezüge zu den Psalmen vollzogene Einordnung solcher Zeugnisse in das kultisch repräsentative Denkschema im Sinn eines liturgischen Formulars bei Reventlow a.a.O. passim.

30

17 15.

32

Das Phänomen des Prophetischen in den Berufungsberiditen

pheten zu erweisen40, um dessen Entlarvung sich seine Gegner mühten 41 , während er selbst in dem nie ganz überwundenen Bewußtsein, der Last prophetischen Wirkens nicht gewachsen zu sein42, diesen Widerstreit in der Klage um den Trug Gottes laut werden ließ43. Das verlieh dem Zuspruch „Fürchte dich nicht" im Rahmen einer kontinuierlich verstandenen Berufungssituation seine einmalige, auf diesen prophetischen Glaubenskonflikt bezogene Aktualität. Die beigezogenen Beispiele, die sich vermehren ließen und deren Tiefendimension mit den vorgelegten Andeutungen keineswegs ausgeschöpft ist, machen immerhin einigermaßen einsichtig, daß Widerstand und Ergebung eines Propheten nicht auf das kultische Zeremoniell einer Amtseinsetzung zurückweisen, sondern auf einen Lebensprozeß, auf das Erleben und Erleiden der Berufung als Mysterium tremendum und faszinosum, greifbar überall da, wo der Berufene im Bann seiner prophetischen Aufgabe ausharrte, auch dann und gerade dann, wenn er sie lieber von sich gewiesen hätte. Das machte die Uberwindung von Schrecken und Furcht zu einem typischen, individuell gewandelten Wesensmerkmal einer Spontanüberwältigung 44 . In der Tat wäre ohne diese Voraussetzungen eine prophetische Berufung im „unreinen" Lande der Gola kaum denkbar gewesen45, vollends ihre Realisierung an einem Menschen priesterlicher Herkunft, dem eine Gottesbeziehung, das Widerfahrnis des Sacrum, außerhalb des kultischen Raumes und ohne die Weihe kultischer Handlung als unvorstellbar erscheinen mußte. Der fast drei Kapitel füllende Berufungsbericht Ezechiels, die barocke Entfaltung der ihm am „Fluß" Kebar erscheinenden Herrlichkeit Jahwes und die mit Traditionselementen israelitischer und fremder Genese bizarr angereicherte Darstellung göttlichen Nahens sind erfüllt von dem Pathos, die Wirkungsmacht des Israelgottes im Akt der Überwältigung eines Berufenen im fremden, nicht kultfähigen Land als möglich und real zu erweisen. Hier muß die tief eingewurzelte Gewißheit, daß göttliche Berufung unabhängig von institutionellen Voraussetzungen ergehen konnte und je und je ergangen war, die Empfangsbereitschaft für den in Ez 1—3 15 berichteten Vorgang geschaffen haben46. Neuerdings hat W. Zimmerli in eindrücklicher Weise auf die nahen traditionsgeschichtlichen Beziehungen von Ez 1 zu Jes 6, von Ez 2 40 41 42 43 44 45 40

28 l-io. 28 10; vgl. 11 19. 21 18 18 20 10. 1 6 20 9. 15 18. Jes 6 5 Jer 1 17 Ez 2 6. I Sam 26 19 Ps 137 4. Vgl. zur Einzelanalyse jetzt G. Fohrer, Ezechiel, 1955, und W. Zimmerli, Ezechiel, 1956 ff.

D a s Phänomen des Prophetischen in den Berufungsberichten

33

und 3 zu Jer 1 hingewiesen47. Indessen scheint auch hier zu gelten, was schon für die eigenwillige Aneignung bestimmter Momente aus I Reg 22 im Berufungsbericht Jesajas angenommen wurde. Die Aufnahme und Verarbeitung überlieferter Züge in der jüngeren Darstellung hatte sich dort nicht als ein Akt des Tradierens erwiesen. Dieser war die Aufgabe des Epigonen. Seine liebevolle Bewahrung dessen, was in einem schöpferischen Vorgang als lebensmächtig in Erscheinung getreten war, machte einmal als gültig Erfahrenes zu einem bleibenden Richtmaß, das sich etwa auch im Kultus durchsetzen konnte. Der bekenntnishafte, predigtartige und lehrhafte Stil — typisch ausgebildet im Deuteronomium — ist die Linie, auf der sich der Tradent vorzugsweise bewegte und die ihn mehr oder weniger deutlich auch dort leitete, wo er erzählendes Gut überlieferte. Die Beziehungen, die zwischen Jes 6 und I Reg 22 aufweisbar waren, beruhten hingegen auf Lebensimpulsen. Sie bewirkten eine dynamische Aneignung des überlieferten Vorbildes. Ihr charakteristisches Merkmal war nicht die statische Zubereitung des Überkommenen für den aktualisierenden NadiVollzug seiner Inhalte, sondern seine wesenhafte Umprägung an entscheidenden Punkten. Das Vorbild wurde zum Antrieb eines schöpferischen Neuvollzuges seiner Inhalte. Er überkam den Betroffenen spontan und eröffnete ihm die für seine spezielle Aufgabe und für das Gottesverhältnis seiner Hörer aktuelle Neuorientierung. In analoger Weise gingen von Jesajas und Jeremias Berufungen Impulswirkungen auf Ezechiel aus. Freilich zeigt schon ihre Durchdringung mit Zügen älterer Tradition, daß der Prophet in der Fremde eine reiche Uberlieferung in sich bewegte. Überkommenes bewährte sich ihm im Akt seiner Berufung als lebenskräftig, indem es sich zu einem bewegten Ganzen fügte mit den neuen Zügen, die des alten Gottes Nahen im unreinen Land zur intuitiven Anschauung brachten. Sturm 48 , Wolke 49 , Feuer 60 , Glühkohle 51 , Lichtglanz 52 , Blitze 53 , das Throngebilde wie Saphirstein54 u. a. sind Elemente ältester Uberlieferung, die teilweise auch in Jes 6 eingegangen sind. Sie empfingen ihre sakrale Bedeutsamkeit vor allem aus Ex 19 und 24. Diese Kapitel, in denen das Urereignis der Bindung Israels an seinen Gott wirksam blieb, müssen als Prototyp göttlichen Naheseins empfunden worden sein. Es kann darum nicht wundernehmen, daß die dort gewählten Züge der Veranschaulichung in man-

47 48 49 50 51 52 53 54

3

A.a.O. 16 ff. 1 4; vgl. I Reg 19 il H i 40 6 Ps 18 ll u. ö. 1 4; vgl. Ex 19 16 Ps 18 10-13 u. ö. 1 4; vgl. E x 19 181 Reg 19 12 u. ö. 1 13; vgl. Ps 18 9. 1 4; vgl. Ps 18 13 u. ö. 1 13; vgl. Ex 19 16 Ps 18 13 u. ö. 1 26; vgl. Ex 24 1-2. 9-11. Henry, Prophet

34

Das Phänomen des Prophetischen in den Berufungsberichten

nigfaltigen Verbindungen überall dort auftauchen, wo die Manifestation göttlicher Gegenwart vernehmbar werden sollte. Sie sind in Ezechiels Theophanieschilderung mit einer Reihe fremdartiger Elemente, wahrscheinlich babylonischer Herkunft, verbunden worden 55 . Geflügelte, Mensch und Tier in sich vereinigende Mischwesen waren zwar auch in Israel nicht unbekannt 56 . Die vier Gesichter, die stierhaften Beine, überhaupt die monumentale Ausgestaltung lassen, woher die Details auch immer stammen mögen, im Hinblick auf Ez 1 an die kolossalen Wächtergestalten babylonischer Tempel und Paläste als Vorbild der Darstellung denken 57 . Diese gewaltigen Repräsentanten numinoser Mächtigkeit müssen auf den ausländischen Beschauer, vollends wenn er sich in der Rolle des gedemütigten Besiegten befand, einen starken Eindruck gemacht haben. Es ist schwer zu sagen, was die Deportierten bei ihrem Anblick empfanden. Daß sie ihnen als Symbol babylonischer Macht, und das heißt auch als Inbegriff der schützenden Macht babylonischer Götter, erschienen sein mögen, ist naheliegend. Wir wissen nichts Genaues über die hintergründige Werbekraft, die von solchen Gestalten ausging. Die Heimatvertriebenen, die sich naturgemäß in einer Krise ihres Glaubens befanden, werden gegen ihre religiöse und geistige Faszination kaum ganz immun gewesen sein, eine Vermutung, die durch das Eindringen dieser Gestalten in die Vision Ezechiels eine gewisse Bestätigung empfängt. Sie erscheinen hier als Trägerfiguren der Feste, über der das thront, was, im Licht verschwimmend, so aussah wie die Herrlichkeit Jahwes. Verquickt mit den traditionellen Elementen der Vergegenwärtigung des Israelgottes sind sie nunmehr — welcher Art auch immer ihre Wirkung gewesen sein mag — depotenziert und eingegliedert als ein Teil dessen, was die einzigartige Größe des einzigen Gottes sinnenfällig machen sollte. Die Entkräftung fremder Mächtigkeiten durch die Aufnahme ihrer Symbolgestalten in das Bild der Theophanie Jahwes war ein Moment aktiver Krisenbewältigung, realisiert zunächst an dem Propheten selbst. Wollte man annehmen, daß die Saraphen, aus deren Mund in Jes 6 das dreimalige Sanctus ertönte, die Darstellung der Lebewesen in Ez 1 in irgendeinem Sinn inspirierten, so wird die komplexe Füllung mit Einzelheiten fremden Ursprungs an dem erkannten Punkt die spezielle, auf die exilische Situation ausgerichtete Besonderheit der Vision Ezechiels nicht verkennen lassen.

55

Vgl. L. Dürr, Ezechiels Vision von der Erscheinung Gottes im Licht vorderasiatischer

Altertumskunde,

1917;

J. Steinmann,

Le

prophète

Ezechiel,

Anm. 9. W . Zimmerli hat diese Elemente schon einer Bearbeitung

1953,

(Kommentar zur Stelle) im Gegensatz zu G. Fohrer (Kommentar zur Stelle). 50

Vgl. Cherub Gen 3 24 II Sam 22 il II Reg 19 15 I Reg 6 23 ff. 8 6 f. u. ö.

57

Vgl. auch G. Fohrer a.a.O.

175

zugewiesen

D a s P h ä n o m e n des Prophetischen in den B e r u f u n g s b e r i c h t e n

35

Die wesentliche Analogie zu Jes 6 liegt indessen, so scheint es, in der Tendenz, das Mysterium tremendum im Widerfahrnis des Heiligen nachhaltig zu veranschaulichen; und hier zeigt sich auch die entscheidende Abwandlung. Bei Jesaja war der Vorgang der Berufung trotz aller inneren Spannungen doch bezogen auf einen ruhenden Pol „Ich sah den Herrn sitzen", eine Vorstellung, die umrissen von den Konturen des Tempels, auf der gesicherten Grundlage der Ziontradition basierte. Wie immer man sich den Vorgang im einzelnen realisiert denken will, er war verwurzelt in dem Bewußtsein noch gewährter Gegenwart des Israelgottes auf dem Zion. Daß diese Stätte der Gottesnähe nicht endgültig preisgegeben werde, ist die anscheinend nie ins Wanken geratene Hoffnung Jesajas geblieben58. Ihr assoziierte er seine Restvorstellung 59 als Ausblick auf den in Zion gelegten Gründungseckstein der Gemeinschaft derer, die glauben und nicht weichen werden 60 . Dies Vertrauen auf die überlieferte Stätte gnadenreicher Gottesnähe als Unterpfand heilvoller Zukunft eines geretteten Restes konnte durch das Jahr 701 nur gefestigt und bestätigt werden. Der Zwang zur Kündung nahenden Gerichts hat in Jesaja die trostreiche Gewißheit göttlichen Schutzes, die in der Ziontradition wirkungsmächtig war, nie ganz auslöschen können; und die Eingangsszene seiner Berufung war nichts Geringeres als ihre Legitimation. Vergegenwärtigt man sich diese innere Situation, die dem Unheilsboten Jesaja immerhin noch möglich war, dann wird man etwa abschätzen können, was es für den deportierten Priester Ezechiel bedeuten mußte, im „unreinen" Land aller Stützen heilvoller Uberlieferung beraubt zu sein, ja ihre definitive Aufhebung erkennen und anerkennen zu müssen. Was für Jesaja eine seine prophetische Existenz tragende Gewißheit war, was Jeremia noch besaß, aber schon dem Untergang geweiht sah 81 , war für Ezechiel verloren. An ihm, dem Priester, erfüllte sich das härteste Geschick, das Arnos einem Kultdiener anzukündigen wußte 62 : die Trennung vom Kultort, der göttliche Nähe und die Wahrung aller dort kultisch aktualisierten Heilstraditionen verbürgte. Sie mußte als Ausstoßung ins Leere, religiös als Auslieferung an alle im fremden Bereich herrschenden Mächtigkeiten empfunden werden. Das Ausmaß der durch dies Erlebnis ausgelösten Glaubensbedrohung wird sich schwerlich voll ermessen lassen. Hier war nichts mehr selbstverständlich, am wenigsten die Gewißheit der Nähe Gottes, aus dessen Land man sich vertrie-

58

2 9 5-8 3 0 27-33 17 12-14.

59

1 0 20-27.

00

2 8 16; v g l . 7 9.

61

J e r 7 1-15; v g l . 26 1-6.

62

A m 7 17.

3+

36

D a s Phänomen des Prophetischen in den Berufungsberichten

ben fand. Zwar war die Katastrophe schon von Mika von Moreseth 63 und Jeremia 64 angekündigt worden, aber doch unter dem Vorzeichen, daß mögliche Umkehr sie in letzter Stunde abwehren könne. Die Konfrontierung mit den realen Tatsachen hatte ein ganz anderes Schwergewicht und war mit der theoretischen Rückbesinnung auf ergangene Unheilskündung nicht ohne weiteres überwunden. Die Bewältigung dieses außerordentlichen Geschickes im Vollzug einer neuen und gewandelten Gewißheit göttlicher Gegenwart mußte auch als außerordentlich empfunden und bezeugt werden. Hier hat die Theophanie von Ez 1 ihren inneren Ort. Das Beispiellose ihrer bizarren, fremde Symbolwerte dienstbar machenden Erscheinung65 entsprach ihrem unerwarteten und unerfindlichen Sachgehalt, der den Glauben ziongebundener Gottesnähe ins Universale weitete. Die Umrisse des Tempelgebildes und der kultischen Vorstellungswelt gaben dem Widerfahrnis des Tremendum in Jes 6 die innere auf der Ziontradition gründende Ruhe. Das alles ist in Ez 1 versunken. Mit ungeheurer Vehemenz, im Sturm auf dem traditionellen Weg in nordsüdlicher Richtung von Palästina her nahend, überfiel den deportierten Priester das Kommen seines Gottes mit einer Übergewalt der Bewegung ihm zugewandt und gleichzeitig die Weltgegenden umfassend, nach allen vier Himmelsrichtungen ausgreifend 66 . Man könnte meinen, daß hier eine in den Tiefen israelitischen Glaubensbewußtseins ruhende Tradition erneut lebensfähig wurde. Jdc 5 4 berichtet, wie Jahwe einst, von Seir ausziehend, aus Edoms Gefilden nahend, unter Beben der Erde, Wanken der Berge und triefenden Wasserwolken den fernen Seinen in gefahrvollem Augenblick zu Hilfe eilte. Die mögliche Freizügigkeit des Gottes war hier zwar vorgebildet und tief verankert auch in den Berichten, die davon zeugen, daß eine Gruppe wandernder Stämme ihrem vorangehend führenden Gott vertrauensvoll folgte; ihr Einbruch in eine fremde Welt, die Besitzergreifung dieser Welt mit einer ihre Weite umfassenden, nicht ruhenden Bewegung war das Neue, was sich bei der prophetischen Überwältigung im Bewußtsein des deportierten Priesters zwingend durchsetzte und ihn in eine vorher nicht gekannte Gewißheit der universalen Gegenwart seines Gottes riß. Ihr assoziierte sich das Schweigen, das wortlose Niedersinken 67 , das keinen Weheruf und keinen Widerstand zuließ, ein tagelang anhal63

3 12.

64

J e r 7 1-15; vgl. 26 1 - 6 .

05

A u f ihre Bearbeitung durch J ü n g e r h a n d und deren Bedeutung f ü r ihre G e s a m t -

80

Vgl. hierzu die in k n a p p e r P r ä g n a n z vielseitige Z ü g e aufweisende Interpretation

6 7

1 28.

beurteilung w i r d später einzugehen sein. des Sinngehaltes dieser Erscheinung bei G . Fohrer, K o m m e n t a r , 14 f f .

D a s P h ä n o m e n des Prophetischen in den Berufungsberichten

37

tender Betäubungszustand, in dem sich Staunen, Schrecken und Entsetzen einten68. Das Individuelle der Berufung Ezechiels liegt in dieser reaktionslose Bestürzung angesichts der Überwältigung von der Realität göttlicher Gegenwart im unreinen Land. Hier scheint die Gewalt des Tremendum jede persönliche Regung ausgelöscht zu haben. Der Vorgang und die Gewißheit, die Träger dieses Tremendum waren, müssen als so außerordentlich, unerwartet und jenseits jeder Berechnung liegend, empfunden worden sein, daß auch ihre innere Aneignung, ihre Apperzeption, wie ein von außen gewirktes Ereignis auf den Propheten eindrang. Die Erfüllung des an ihn ergehenden Befehls: „Menschensohn, tritt auf deine Füße, daß ich mit dir rede", vollzog sich an ihm wie unter der Einwirkung einer fremden, sich in ihm durchsetzenden Macht. Geist kam in ihn und richtete ihn auf, so daß er zu vernehmen vermochte, wozu er berufen ward. Die für Jesaja so charakteristische Regung und Bezeugung eigenen Einsatzwillens blieb Ezechiel versagt. Auch die Reaktion der Abwehrhaltung, die bei Jeremia spontan und lebensecht einsetzte, ist unter dem starken Eindruck einer gewandelten und vertieften Gottesgewißheit eine Randerscheinung geblieben. Ezechiel ging, so heißt es, bekümmert dahin69 in der Glut seines eigenen Geistes, während die Hand Jahwes schwer auf ihm ruhte70. Sollte in diesem Satzzusammenhang das entscheidende, menschlicher Traurigkeit und Kümmernis Ausdruck: verleihende Stichwort spätere Einfügung sein, was auf Grund des Überlieferungsbefundes möglich ist, dann wäre dies ein beredtes Zeugnis für die Uberzeugung der Tradenten, daß eine prophetische Berufung sich nur unter Uberwindung innerer Abwehr des Menschen zu vollziehen vermochte. Solche Überzeugung weist auf eine lange Beobachtung, eine sich aufdrängende praktische Erfahrung, die den nahezu übergangslosen Zusammenhang von Tremendum und Faszinosum im Akt der Berufung Ezechiels als ungewöhnlich empfinden ließ. Das wäre eine Bekräftigung der starken individuellen Komponente, die sich im Uberwältigungsvorgang dieses Propheten durchsetzte. Sie wird vertieft durch die Uberlieferung der Tatsache, daß er eine klare Vorstellung gewann von der Gefährdung, die ihm sein Wirken auferlegen würde. Wenn dies Wissen nur die verhaltene Reaktion auslöste, die sich in 3 u feststellen ließ und die möglicherweise noch durch profilierenden Nachtrag erweitert wurde, so spricht dies für die einzigartige Bemächtigung, die von dem Berufungsvorgang Ezechiels ausging. Sie kompensierte die schwache Regung seines Widerstandes, die, wie Tradition und Selbstzeugnisse zeigten, wesentlich stärker hätte sein können.

68

3 15.

69

Vgl. B H K 3 .

70

3 14.



fehlt in G B .

38

D a s Phänomen des Prophetischen in den Berufungsberiditen

Immerhin erweist das Bild der ihn umgebenden Dornen und Skorpione 71 auch für Ezechiel die Dringlichkeit der bei Jeremia zentralen Mahnung, sich nicht zu fürchten. Die spezifizierende Hinzufügung „vor ihnen und vor ihrem Reden und vor ihren Angesichtern erschrick nicht", dazu die Versicherung, ein seinen Widersachern entsprechendes Angesicht, eine Stirn härter als Stein und Diamant verliehen zu bekommen, gaben ihr eine auf Ezechiels Lage zugespitzte Bedeutsamkeit 72 ; denn seine Situation solle, so wird ihm kundgetan, derjenigen Jesajas analog sein. Er werde zu Abtrünnigen reden, denen er — mögen sie hören oder es unterlassen — die reale Chance zu eröffnen habe, die Gegenwart eines Propheten zu erfahren, d. h. die Möglichkeit einer Entscheidung zur Rettung; aber, so sollte auch dieser Prophet wissen, seine Hörer würden ein Haus der Widerspenstigkeit bleiben73. Hier vereinigten sich Züge der Situation Jesajas und Jeremias zu einem lebendigen Ganzen, das seinen eigenen Akzent aus der Golasituation Ezechiels empfing. Es machte die Durchsetzung typisch prophetischer Wesenhaftigkeit im individuellen Bereich nicht weniger evident als das Ein- und Untertauchen des Individuellen im Sachlichen einer persönlich ergehenden, unverwechselbaren und kultisch nicht reproduzierbaren Berufung. Dies Unverwechselbare, nicht Wiederholbare, zeigte sich bei Ezechiel wie bei Jesaja und Jeremia vor allem in einem speziellen, nur dem jeweils Berufenen geltenden Auftrag, legitimiert durch ein diesem Auftrag gemäßes Zeichen. Bei seiner Erteilung hebt sich in Ez 3 die Kraft des Eigenständigen wirkungsvoll ab von den traditionellen Bildern, mit denen er veranschaulicht wird. Hand und Mund mittein und empfangen auch hier. Empfing Jesaja als Mann unreiner Lippen die entsühnte Wortfähigkeit, Jeremia, der Wortungewandte, die Wortbegabung, so wurde Ezechiel die Substanz des Wortes zugeführt unter dem drastischen Bild des Verzehrens einer Buchrolle. Aber diese Substanz ist in eine auffallende Doppelsinnigkeit gefaßt. Die Rolle ist beschrieben mit Äußerungen der Klage. Sie sind ein indirekter Hinweis auf Gerichtskündung unter dem Zeichen der Reaktion, die das erfahrene Unheil hervorrufen wird. Verzehrt, angeeignet von dem Propheten werden ihm diese Zeugnisse durchlittenen Gerichtsleidens süß wie Honig 7 4 . Dies herausfordernd paradoxe Bild läßt in seiner unsentimentalen Sachlichkeit die aktive Aneignung des Gerichts als Wohltat, als lebenerhaltende Kraftzu-

71

2 6; vgl. B H K 3 .

72

2 6 3 9 3 8.

73

2 5 3 9.

74

Vgl. hierzu das Verzehren des göttlichen Wortes J e r 15 16 und die A n a l o g i e 1 9; zur Süße des Gotteswortes Ps 19 ll 119 103. Es ist aber wohl zu beachten, daß es sich in E z 2 8-3 3 zunächst nicht um das Verzehren des J a h w e w o r t e s , sondern der K l a g e n handelt, und z w a r mit der deutlichen Weisung, nicht widerspenstig zu sein

Das Phänomen des Prophetischen in den Berufungsberichten

39

fuhr erscheinen75, die zunächst dem Propheten selbst zuteil wurde und ihn befähigte, der Härte der erteilten Aufgabe standzuhalten. Unter diesem Gesichtspunkt wirkt das Verzehren der Buchrolle wie eine innere Vorbereitung für die Annahme des Auftrags. Es erscheint als Korrelat zu der Weisung Jahwes, nicht widerspenstig zu sein wie die Schar der Uneinsichtigen, sondern sein Wort zu Herzen zu nehmen und zu hören76. Man kann fragen, ob dieser enge Zusammenhang zwischen der Berufung zum Gerichtskünder in der Gerichtssituation und der positiven Aneignung und Anerkennung andauernden Unheils im Akt seiner aktiven Bewältigung genuin einem einzigen Vorgang zugehörten. Die Frage wird sich so wenig exakt beantworten lassen wie die analogen Probleme in den Berufungsberichten Jesajas und Jeremias. Die Tatsache, daß dieser Zusammenhang überhaupt besteht, zeigt, in wie hohem Maß die Kündung noch nicht vollendeten Gerichts an die Deportierten für den, der schon eine Phase seines Vollzuges erlitten hatte, auf der positiven Bewältigung dieser Krise beruhte. Daß angenommenes und in der Anerkennung bestandenes Gericht Kräfte entbinden kann und muß, ist die neue, wahrhaftig überwältigende, gegen Skepsis und Nihilismus schützende Einsicht, die unter dem Bild des Verzehrens der Weherufe und ihrer Wandlung in Süße zum Ausdruck kommt und die den „Widerspenstigen" so uneinsichtig war. Man versteht, daß dem Mann, dem solches nicht als Theorie, sondern als praktische Erfahrung zuteil ward, diese positive Bewältigung des Gemeinschaftsschicksals, das auch sein Schicksal war, als Zuwendung erscheinen mußte, als etwas, was er sich nicht selbst anzueignen vermochte, was ihm verliehen wurde aus dem gleichen Bereich, aus dem seine Berufung an ihn erging. Das ist die innere Position, die Ezechiel in Stand setzte, einer auf baldige Heimkehr hoffenden Gemeinde Gericht bis zur Neige zu künden und sich gleichzeitig der Probleme ihrer Skepsis und ihrer Glaubensgefährdung seelsorgerlich anzunehmen. Daß das Unheil des durchlittenen Gerichts sich im Akt seiner Anerkennung in das Heil der Bewältigung, d. h. in neues Leben zu wandeln vermag, ist die entscheidende Einsicht, die die Doppelseitigkeit seiner Botschaft trägt und neben der harten Kündung noch anhaltenden Gerichts die Kapitel 18-36 und 37 möglich machte. Gleichviel, wann und wie die in diese Richtung weisenden Andeutungen unter dem Bild der verzehrten Klagen der Berufung assoziiert wurden, sie bezeugen jedenfalls, daß auch dieser Bericht Lebensimpulse in sich birgt, die das ganze prophetische

75 70

wie das Haus der Widerspenstigkeit. Hier scheint eine Variante zu den auf das Essen des Wortes weisenden Analogien vorzuliegen. Dann müßte der Skopus der Aussage bei Ezechiel aus der Profilierung dieser Variante gewonnen werden. Vgl. I Sam 14 27. 29 f. 3 10.

40

D a s Phänomen des Prophetischen in den Berufungsberichten

Dasein fortlaufend durchdrungen haben müssen. Auch hier war wie bei Jesaja und Jeremia die Berufung nichts Einmaliges, Abgeschlossenes, sonder etwas Bewegliches, ein andauernder Vorgang, der dem erstmaligen entscheidenden Impuls — Anstoß und Fortwirkung zu einer Einheit verschmelzend — verbunden blieb. Das sind Beobachtungen, die sowohl die traditionsgeschichtlichen Zusammenhänge, in denen die Propheten standen, wie auch ihre lebendige Eigenständigkeit sichtbar machen. Die im einzelnen oft starke Anlehnung an vorgegebene Elemente anderer Berufungen vollzog sich nie schematisch. Sie ließ an entscheidenden Punkten die meditative, Neues wirkende und von der eigenen Situation geprägte Aneignung des Uberlieferten erkennen. Solche von älteren auf jüngere Propheten übergehende Lebensantriebe, die eine Prädisponierung für prinzipiell analoge Berufungswiderfahrnisse schufen, legen die Frage nahe, ob etwa einzelne Propheten einander gekannt, sich Mitteilungen gemacht oder gar in engerem Kontakt miteinander gewirkt haben. Auffallenderweise wird uns im Hinblick auf die „klassischen" Propheten nichts berichtet, was nähere Schlüsse in dieser Richtung zuließe. Kannten sich etwa Jesaja und Mika von Moreseth? Von Jeremia wissen wir, daß er einen in seinem Sinn wirkenden Zeitgenossen, Urijahu aus Kirjath Jearim, hatte, der den Märtyrertod starb 77 . Aber wir erfahren nicht, ob es unmittelbare Beziehungen zwischen ihnen gab. Hatten Ezechiel und Jeremia direkte Kontakte irgendwelcher Art zueinander? So kann man fragen angesichts mancher analoger Züge im Bild ihrer Berufungen. Das hartnäckige, für den Historiker so fatale Schweigen der Quellen zu solchen Problemen ist kein gering zu veranschlagendes Zeugnis für den Alleingang, der diesen Propheten auferlegt gewesen sein muß. Ein jeder stand und fiel mit den Kräften und Wirkungen seiner eigenen Berufung und der mit ihr verbundenen Verantwortung 78 . Sie schloß im Prinzip das Kollektiv aus, und demgemäß verweigert die Tradition jede Auskunft über ein gemeinsames Wirken auch da, wo man ein solches für möglich oder gar für wahrscheinlich halten könnte. Hier liegt der tiefgreifende Unterschied zu jenen Vierhundert, von denen I Reg 22 berichtet, wie überhaupt zu jeder auf einer institutionellen Ordnung irgendwelcher Art beruhenden Gruppenwirksamkeit, sei sie prophetischer oder priesterlicher Art. Bedenkt man, daß diese es war, die das Bild des religiösen Alltags bestimmte, dann empfängt die pointierte Exponierung der Alleingänger innerhalb der Tradition eine erhöhte Bedeutung. Die Uberlieferung von Bruchstücken anonymer Berufungen 79 und spontaner Überwältigungen 80 , Bil-

77 78 79 80

Jer Ez Jes Hi

26 20-23. 3 16-21. 49 1-6 50 4-9. 4 12-17 H a b 3 16.

Das Phänomen des Prophetischen in den Berufungsberichten

41

der des Harrens auf das Widerfahrnis dessen, was sich nicht erzwingen und manipulieren läßt, und auf die ihm assoziierte sachliche Kündung und Orientierung 8 1 zeigen, in wie hohem Maß Tradenten und Betroffene von dem Bewußtsein erfüllt waren, daß eine aus dem Bereich des nicht Verfügbaren an den einzelnen ergehende Verpflichtung und Orientierung entscheidend für Weg und Orientierung der Gesamtheit sei 82 .

81

82

H a b 2 1-3; vgl. hierzu das wortlose Fortgehen Jeremias nach dem Zusammenstoß mit Chananja 28 ll und sein zehntägiges Warten auf ein Wort 42 7. Man wird mutatis mutandis auch den Berufungsbericht des Arnos in diesen Zusammenhang einordnen dürfen. Wie immer man die Vorgeschichte dieses Propheten beurteilen will, die im Rahmen eines Fremdberichtes überlieferte Anspielung auf seine Berufung in Am 7 14 f. akzentuiert selbst in diesem Zeugnis zweiter H a n d das Bewußtsein der Aussonderung, das auch in Arnos lebendig gewesen sein muß. Warum sonst hätte der Tradent die Erinnerung an die Hinwegnahme aus dem profanen Bereich eines bäuerlichen Berufes für dringlich erachten sollen? Hinter der Herde wurde Arnos vom Anruf Jahwes erreicht. Diesem im eigentlichen Sinn unkultischen Beginn seiner prophetischen Existenz entspricht seine in 3 8 ausgesprochene Auffassung, daß prophetisches Reden Spontanreaktion sei, ausgelöst durch den Impuls Jahwes, gleich der Spontanreaktion der Furdit, die das Gebrüll des Löwen hervorzurufen pflegt. Von hier aus mag es erlaubt, wenn nicht geboten erscheinen, die für sich allein schwer deutbare Bemerkung in 7 14a im Sinn traditioneller Exegese als Distanzierung von prophetischer Kollektivgemeinschaft zu verstehen. Die in einem nacherachtenden Bericht unbekannter Herkunft gesetzten Akzente und der bescheidene Hinweis auf den Zwang zum Wort, den Arnos selbst hinterließ, berechtigen zu der Annahme, daß auch dieser Prophet sich einer Spontaninauguration bewußt war, die ihr Gewicht in sich hatte und keiner ergänzenden kultischen Ordination bedurfte.

42

V. Widerstand und Jüngerbildung Die Kraft der Bemächtigung, mit der sich prophetische Wesenhaftigkeit in Überwältigung, Annahme und Ausrichtung des Auftrags an dem Berufenen durchsetzte, blieb nicht ohne analoge Nachwirkung auf die Umwelt. Was dem Propheten in der Berufung widerfuhr, wurde durch ihn zum Widerfahrnis derer, die sein Reden und Wirken erreichte. Sein prophetisches Dasein und sein prophetisches Wort machten ihn zum Fanal der Entscheidung. Ablehnung und Jüngerbildung sind die lebendigen Spuren, die der Kontaktbezug zu dem Propheten hinterließ. Widerstand und Ergebung, im Berufenen selbst in aktivem Widereinander ausgetragen, vollzogen sich im Kreis der durch ihn Angesprochenen in einer klaren Scheidung der Geister. Die innere Distanzierung von Tradition und institutioneller Ordnung, die sich in der dargelegten Weise im Akt der Berufung durchsetzte, mußte naturgemäß von den Hütern der sakralen Ordnung und den Mittlern des liturgisch geregelten Kultspruches — den Priestern und Kultpropheten — sofort empfunden werden. Der latente Gegensatz, der mit dem Dasein eines Propheten gegeben war, kam zum offenen Austrag durch das prophetische Wort; denn dieses richtete sich gegen jede formale Verfestigung, die der gewiesenen Neuorientierung und der realen Einsicht in Wesen und Glaubenssituation der angeredeten Generation hinderlich werden konnte. Die möglicherweise durch kultische Aktualisierung alter Heilsüberlieferungen geförderte Dogmatisierung Jahwes als Heilsgott „Wir haben doch Jahwe in unserer Mitte, uns kann kein Unheil treffen" 1 , die eine Ideologisierung des Tempels einschloß2, mußte unter diesem Aspekt Angriffspunkt der Unheilskünder werden. In analoger Weise gaben die Anzeichen einer Dogmatisierung Jahwes als Richter, die in der Gemeinde der Gola den Hang zum Nihilismus weckte, dem Heilskünder Deuterojesaja einen Richtungspunkt seines orientierenden dabar an die Deportierten. Dies ist ein Moment, das in der vorexilisdien Zeit den Konflikt mit Priestern und Kultpropheten nahezu unvermeidlich machte. Er beruhte nicht, wie seit langem erkannt ist, auf einer prinzipiellen Ablehnung des Kultus und der ihn tragenden institutionellen Ordnung, die auf Seiten der Spontanberufenen als

1

Mi 3 1 1 ; vgl. 2 7.

2

Jer 7 4.

Widerstand und J ü n g e r b i l d u n g

43

Voraussetzung ihrer Kritik an den Hütern der Ordnung anzunehmen wäre. Grundsätzliche Urteile dieser Art lagen wahrscheinlich überhaupt außerhalb des Denkens derer, die unter dem Zwang standen, ihr Wort auf eine aktuelle Situation und eine aktuelle, den vitalen Gottesbezug gefährdende Irrung ausrichten zu müssen3. Die Kontroverse zwischen den Spontankündern und den Vertretern der Tradition mußte tödliche Schärfe annehmen, weil „Priester und ,Kult'propheten" der bewahrenden Mächtigkeit Jahwes und ihrer gnadenvollen Nähe im Tempel den Sinn einer unverbrüchlichen Heilstheologie gaben. Sie ließ die mögliche Realität Jahwes als Richter, für deren Erweis seine prophetischen Künder alle Voraussetzungen erfüllt sahen, aus dem Gedächtnis entschwinden. Dieser Gegensatz barg zunächst kein kultisches Problem in sich, sondern ein Problem der Glaubensentscheidung, der Glaubenseinsicht und nicht zuletzt der bundesgemäßen Lebensführung. Es berührte den Kultus nur, sofern dieser, praktiziert und verstanden als Ausdruck intakten Gottesbezuges, den Sinn für diese Sachlage entschärfte und den Mangel an Chesed, Bundestreue, und Zedaka, Rechtsbewußtsein, in tragischer Verkennung der Sachlage nicht wahrnehmen ließ4. Der Konflikt entzündete sich also an der Substanz der Verkündigung, in klassischer Prägnanz bei Jeremia zum Ausdruck gebracht: „Vom Propheten bis zum Priester verüben sie allesamt Trug. Sie wollen das Verderben meines Volkes auf leichtfertige Weise heilen, indem sie Heil! Heil! rufen; aber es ist kein Heil!" 5 Dies Bewußtsein der Schalomsicherheit mußte sich im Kultus allerdings bestätigt finden, gehörte es doch zu seinem Wesen, dem Menschen Geborgenheit, Schutz vor der vernichtenden Mächtigkeit des Heiligen zu bieten. Das vertiefte den Gegensatz seiner Vertreter zu einem prophetischen Künder, der seit dem Vorgang seiner Berufung die flexible Reaktion Jahwes an Bewährung und Versagen der Gemeinde gebunden wußte und der demgemäß die aktuelle Situation nicht als Stunde des Heils, sondern als Stunde des Gerichts einschätzte6. Der in Tradition und Kultus manifest gewordenen statischen Fixierung des Gottesbezuges wurde hier aus dem dynamischen Gottesbezug des Propheten das kritische Regulativ der Selbstbeurteilung für Glauben und Handeln der angeredeten Gemeinde entgegengesetzt. Den in heilsdogmatischer Vorstellungswelt Befangenen war das Bewußtsein der Ambivalenz Jahwes verlorengegangen. Sie rechneten nicht oder nicht mehr mit der realen Mög-

3

A m 7 10-17 J e s 28 7-22 Mi 3 5-12 J e r 23 9-32 19—20 6 7 1-15 26 E z 13.

4

A m 5 4 - I 6 4 4 - 5 J e s 1 13-15 J e r 7 1 - 1 5 und 26 u. ö.

5

J e r 6 14; vgl. Mi 3 5-12.

s

D i e Sachlage konnte durchaus auch umgekehrt sein. D i e K ü n d u n g Deuterojesajas in der G o l a s i t u a t i o n veranschaulicht die Gegenposition.

44

Widerstand und Jüngerbildung

lidikeit, daß ihr im Kultus gesicherter Glaube an den heilspendenden, rettenden Gott durch das wirkungsmächtige Widerfahrnis des unheilwirkenden, richtenden Gottes in Frage gestellt werden könne. Sie waren ihres Gottes gewiß als des Gottes der Nähe, des Berechenbaren; die Propheten hingegen hatten diesen Gott erfahren als Gott der Ferne, des Unberechenbaren7, als Gott, dessen „fremdes" Werk 8 als drohende Möglichkeit über der angeredeten Generation stand und sie in akuter Dringlichkeit auf den schmalen Grat der Bewährung im Sinn von Mi 6 8 wies: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was Jahwe von dir fordert. Nichts als Recht üben, Treue lieben und demütig leben mit deinem Gott." Hier scheiden sich Schale und Kern, Hülle und Substanz, Form und Inhalt. Jeremia hat die Situation einmal markant zusammengefaßt in einer sarkastischen Frage, die er den „nicht ausgesandten" und doch „laufenden" 9 , den in die Irre leitenden10 Propheten entgegenhielt: „Was hat Stroh mit Korn gemein?" 11 An dieser Voraussetzung realisierte sich die Märtyrersituation der Spontanberufenen. Sie konnte durch politische Konstellationen, auf die der prophetische Dabar nicht selten in aktueller Zuspitzung ausgerichtet wurde 12 , an Schärfe gewinnen und das Todesschicksal der Jahwekünder besiegeln13. Die Tatsache der nachdrücklichen Betonung dieser Seite prophetischen Lebens im Rahmen der Berufungsberichte 14 akzentuiert mit hinreichender Deutlichkeit, daß die Märtyrersituation als ein Wesensmerkmal prophetischer Existenz offenkundig gewesen sein muß, wie auch immer ihre Einbeziehung in den Akt der Berufung gedeutet werden mag. Für das behandelte Thema ist das Faktum der Abwehrreaktion gegen den „prophetischen" Menschen und sein Wirken von symptomatischer Bedeutung für die erregende Mächtigkeit, die von ihm ausging. Sie beruhte bei den vorexilischen Propheten auf dem kompromißlosen Angriff gegen den in Tradition und Kultus formal erstarrten Glauben an den rettenden Gott, bei den exilischen Propheten auf einem analogen Vorstoß gegen eine in gleicher Weise zur dogmatischen Fixierung drän-

7

Jer 23 23.

8

Jes 28 21.

9

Jer 23 21.

10

Jer 23 32.

11

Jer 23 28; vgl. hierzu im Gesamtzusammenhang von 23 9-32 die Rückbeziehung auf das Kernproblem: Verfestigung des Heilsglaubens in v. 17, ihre Beurteilung als Niditigkeit und Schauung, die dem eigenen Sinn entsprang v. 16, dazu die Verbindung mit dem Problem der wahren und falschen Prophetie.

12

Hos 1 4 Am 7 9 Jes 7 1-9 18 20 1-6 30 1 - 5 . 1 5 - 1 7 Jer 21 22 27 29 36 37—45.

13

Jer 26 20-23; vgl. II Reg 21 16.

14

Jes 6 10-11 Jer 1 18-19 E z 2 6-7.

Widerstand und Jüngerbildung

45

gende Vorstellung von Jahwe als Richter15. Hier wurde durch prophetisches Wort unter jeweils verschiedenen Voraussetzungen der Durchbruch zur Substanz gefordert, d.lh. zur Neubelebung eines vitalen Gottesbezuges, der in vorexilischer Zeit an der Übung von huesied, Bundestreue, und sedaqä, Rechtsgesinnung und Rechtspraxis, hätte sinnenfällig werden müssen16, in der exilischen Zeit in der Bewahrung des Vertrauens zur ungebrochenen Bundes-/?ies*ed Jahwes, die sich in dem, was der Hebräer räh"mim, Erbarmen, nennt, rettend und begnadend durchsetzen werde17. Das waren die Aspekte, unter denen prophetisches Dasein und prophetisches Wort die zeitgenössische Generation zur forcierten Scheidung von „Stroh und Korn" drängten. Sollte es gewagt werden dürfen, die EbedJahwe-Lieder dem weiten Rahmen dieser Gesichtspunkte zuzuordnen, dann wäre selbst einem Heilskünder der Vorstoß gegen den sich verfestigenden Unheilsglauben der Exilierten zum Verhängnis geworden. Es wird kein völliges Fehlurteil sein, wenn man annimmt, daß sich in dieser Bestreitung des Propheten die erkannte Abwehrhaltung des Propheten selbst gegen seine Berufung in gewandelter Weise, gewissermaßen auf zweiter Ebene vollzog. Das, was den Gottüberwältigten in seiner Berufung ereilte, erreichte durch ihn den Kreis seiner Hörer und bewirkte hier eine analoge Reaktion. Dem entspricht die Tatsache, daß die Ablehnung, die dem Propheten die Märtyrersituation auferlegte, als solche und aufs Ganze gesehen, ein ephemeres Moment seiner Wirkung blieb. Seine Erscheinung und sein Wort waren in höherem Maße durchlässig für das Faszinosum, das den Berufenen im Bann seiner Berufung ausharren ließ. Es gab im Kreis seiner Hörer den Anstoß dazu, daß sich in der Tat „Stroh und Korn" voneinander schieden. Im Kontakt mit Gestalt und Wort des Propheten hat sich je und je das Leben der Neuorientierung gegen die in Kultus und Tradition eingedrungene Lethargie des Beharrungsvermögens durchgesetzt, greifbar nicht nur im Fortbestand der Gemeinde überhaupt, sondern — sei es schüchtern, sei es machtvoll — überall dort, wo die positiven Spuren der Nachwirkung eines Propheten in den Text eingedrungen sind. Sie markieren die Impulse, durch die steril gewordenes Traditionsdenken überwunden und eine Umformung oder Neubildung der Überlieferung durchgesetzt und angeeignet werden konnte. Naturgemäß ist damit zu rechnen, daß solche Wirkungen eines Propheten vielfach abgestuft waren. Legenden und legendär übermalte Tatenberichte und die reife Erfassung und Bewahrung der Worte, der Leiden und Wirkungsgewalt eines Propheten kennzeichnen weit voneinander entfernte Stationen auf dem Weg des Verstehens und Mißverstehens, der Aneignung 15

Jes 46 6b-ll 50 l-2a 55 8-9.

10

Am 5 15 5 24 Mi 6 8 Jes 1 17 5 1-7 Jer 5 26-29 u. ö.

17

Jes 40 28-31 54 9-10 u. ö.

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Widerstand und Jüngerbildung

und Verwerfung dessen, was durch prophetisch ergriffene Menschen auf die Gesamtheit zukam. Wie differenziert und verschlungen die rückverfolgende Wegfindung dieser Wirkung ist, erhellt aus den Legenden und Logiensammlungen Jesajas, die auf ein sehr unterschiedliches Bild von der Gestalt dieses Propheten zurückweisen. Der hinter der Logienüberlieferung sich abschattende Zeuge des göttlichen Dabar vermittelt einen ganz anderen Eindruck als die Gestalt der legendären Tradition 18 . Man wird in der Tat fragen dürfen, wie das Urteil über Jesaja ausfallen müßte, wenn durch irgendwelche Umstände nur die an ihn gebundenen legendären, thaumaturgisch gefärbten Uberlieferungselemente in Jes 37 f. und II Reg 19 f. erhalten geblieben wären. Das sich hier stellende Problem erschwert die retrospektive Erhellung prophetischen Wirkens ungemein. Sein positiver Wert liegt zunächst im Gewinn der Einsicht, daß einseitige Überlieferungen keine einseitigen Schlüsse erlauben 19 . Neben den Niveauunterschieden des Verstehens haben zweifellos auch Zufälligkeiten bei der Erhaltung der Erinnerung an Wort und Werk eines Propheten eine Rolle gespielt. Jer 26 20-23 hören wir von einem Mann namens Urijahu, Sohn Schemarjahus aus Kirjath Jearim, dessen Kündung derjenigen Jeremias gleich gewesen sein soll. Sie trug ihm den Märtyrertod ein. Gleichwohl sind die Spuren seiner Wirkung und seiner Logien vollständig verweht. Auch dies Faktum mahnt zu größter Vorsicht bei der Traditionsverknüpfung und der ordnenden Zusammenfügung prophetischer Einzelerscheinungen zu einem Gesamtbild. Das Material ist lückenhafter, als seine an vielen Stellen geglättete und überarbeitete Konzeption zunächst annehmen läßt. Die Propheten erreichen uns an vielen Stellen mehr oder weniger deutlich im Spiegel der Wirkung, die sie auf ihre Umwelt ausübten. Die Zeugnisse, die wir von ihnen haben, sind gewiß nicht ausschließlich, aber doch weithin geprägt von der Art der Kontaktüberwältigung, die von ihnen ausging. Die Tradition hat sie in einem jeweils zu bestimmenden Maß des Verstehens und Deutens ihrer Gestalten festgehalten. Die Phasen der Faszination, die von einem prophetischen Menschen ausgingen, reichen von der inneren Kontaktbeziehung zu seiner Berufung und der numinosen Ergriffenheit, die sich an seiner Person entzündete, über die Aneignung und verarbeitende Weiterbildung seines Wortes bis zur missionarischen Wirkungskraft des leidenden Propheten. W. Zimmerli hat in seiner eingehenden Analyse der Berufung Ezechiels auf die tiefgreifende sekundäre Erweiterung vor allem im Rahmen der Theophanieschilderung in Ez 1 hingewiesen. Er beschränkte ihr ur18

D a r a u f h a t schon G . v . R a d h i n g e w i e s e n , T h e o l o g i e des A l t e n T e s t a m e n t s , I I 46.

19

D a s w ä r e a n m a n c h e n P u n k t e n schon f ü r die B e u r t e i l u n g der E l i a - E l i s a ü b e r l i e f e r u n g v o n B e l a n g . V g l . h i e r z u n e u e r d i n g s O . H . Steck, Ü b e r l i e f e r u n g u n d schichte in den E l i a - E r z ä h l u n g e n , 1968.

Zeitge-

Widerstand und J ü n g e r b i l d u n g

47

sprünglich relativ einfaches und in seinen Einzelheiten aufeinander abgestimmtes und durchsichtiges Bild auf die Verse 5.6 b. iib. 12.13 a. 22 und 26 und schreibt die übrigen Züge barocker Ausgestaltung der throntragenden Wesen der „Schule Ezechiels" zu. Selbst wenn man dieser starken Reduzierung des genuin Ezechiel angehörenden Entwurfes nicht an allen Punkten folgen will20 und innere Gründe für die Aufnahme fremdartiger Züge gerade für Ezechiel glaubt geltend machen zu dürfen, wird man sich nicht völlig der Einsicht verschließen können, daß Ez 1 nicht aus einem Guß ist. Manche Erweiterungen des Textes können auf den Propheten selbst zurückgehen, wenn man von der Annahme einer kontinuierlichen Wirkung der Berufung im beschriebenen Sinn ausgeht21. Das schließt den ausgestaltenden und weiterbildenden Eingriff seiner „Schule" an dem ihr vorliegenden Textgefüge keineswegs aus. Aus dem äußerst differenzierten Uberlieferungsbefund wird sich eine zweifelsfreie Erhärtung der einen oder anderen Auffassung kaum je zwingend gewinnen lassen. Beide Möglichkeiten bleiben offen und beide können wirksam geworden sein. Setzt man Zusätze von zweiter Hand voraus, dann wird man, unabhängig von ihrer detaillierten Abgrenzung, dem Faktum als solchem eine hohe glaubensgeschichtliche Bedeutung beimessen müssen. An der vertiefenden literarischen Erweiterung der Theophanieschilderung in Ez 1 zeigt sich das Interesse der Tradenten an der Herausstellung des den Rahmen der Norm durchbrechenden prophetischen Gottesbezuges. Das Bestreben, dem Gotteswiderfahrnis Ezechiels durch verstärkende, teilweise bizarre Konturen im Bild seiner Berufung Nachdruck zu verleihen, dokumentiert das Bekenntnis der Bearbeiter zum Akt der Gottüberwältigung des Propheten. Ihre profilierende Ausgestaltung wird also als eine echte Jüngerleistung beurteilt werden dürfen. Sie beruht, wie schon Zimmerli hervorgehoben hat, auf dem besonderen Eindruck, den die im fremden Land erfahrene Jahwetheophanie gemacht haben muß22. An dem Bedürfnis, ihm Ausdruck zu verleihen, erweist sich die Wirkungsgewalt, die von dem Spontanberufenen auf bestimmte Kreise seiner Umwelt ausging. An der Gottergriffenheit des Propheten entzündete sich die Ergriffenheit derer, die seine Jünger wurden. Die in solcher Weise auf sie übergreifende und an ihnen fortwirkende Überwältigung des Propheten nötigte sie, sich dem Akt seiner Berufung zu unterwerfen, in ihn einzugehen, ihn zu akzeptieren und das universale Widerfahrnis der Gottesnähe im unreinen Land zu ihrem eigenen Widerfahrnis werden zu lassen.

20

Vgl. hierzu auch die andere A u f f a s s u n g bei G . Fohrer a . a . O .

21

Sie w i r d auch v o n W. Zimmerli vorausgesetzt, jedoch in anderen Bezügen erörtert a.a.O. 81 f f .

22

A.a.O.

48

Widerstand und Jüngerbildung

Die zwingende Bemächtigung, mit der sich diese Kontaktüberwältigung im Jüngerkreis durchsetzte, fand ihren Niederschlag in der vorliegenden Weiterführung der Berufungssdiilderung. Sie weist einige Züge auf, die typisch sind für das Wesen solcher Nacherfahrung. Die Jünger konzentrierten ihre Schilderung nicht auf die mit traditionellen Elementen dargestellte Epiphanie des im Sturmwind nahenden Gottes23. Sie wandten ihr Interesse dem zu, was sich unterhalb der „Feste" befand, und verliehen mit dem detaillierten Bild des Thronwagens und der Trägerfiguren der ursprünglich unfixierten Erscheinung eine starke erdhafte Bindung. Hier manifestiert sich der Hang des Epigonen, Ursprüngliches zu verfestigen, greifbarer, massiver, einsichtiger, ortsgebundener zu gestalten. Die Möglichkeit, das Widerfahrene ins Lehrhafte einmünden zu lassen, kündigt sich an. Naturgemäß konnte sie im Kraftfeld prophetischer Inauguration nicht zur Entfaltung gelangen. Diesem Bereich blieb die Anschauung des Tremendum verbunden. Es ist überaus bezeichnend, daß das von den Eingriffen zweiter Hand nahezu unberührte Bild des oberhalb der Feste befindlichen „Göttlichen" in v. 22 zaghaft mit dem Stichwort nora', „furchtbar", akzentuiert wurde24. Seine lockere Einfügung in den Satzzusammenhang macht die Annahme einer Ergänzung fast zur Gewißheit. Diese Vokabel ist Träger des Außerordentlichen, Ungewöhnlichen und Unerklärlichen, des Ergreifenden und Schauererregenden, das den Menschen zu überkommen pflegt, wenn er sich göttlichen Nahens, Wirkens und Handelns bewußt wird25. Jüngerhand assoziierte dies Tremendum jenem innersten, nur dem Berufenen selbst vorbehaltenen Wahrnehmungsbezirk, in dem das Prophetische und seine jüngerwerbende Kraft ursprungshaft verwurzelt geglaubt wurde. Die intuitive Sicherheit, mit der dieser Bezirk dem bearbeitenden Zugriff entzogen blieb und doch in scheuer Zurückhaltung mit dem Stichwort der Direktbeziehung zur Gottessphäre vorsichtig apostrophiert wurde, macht die Unterwerfung des Jüngers unter das Prophetische seines Meisters sinnenfällig, läßt Einung und Abstandsbewußtsein deutlich werden. Die Lebensbeziehung zum Berufungswiderfahrnis eines Propheten ist nur eine und vielleicht nicht einmal die entscheidende Seite der von ihm ausgehenden Kontaktüberwältigung. Die numinose Machtwirkung seiner Gestalt ist vor allem in die Legenden eingegangen. Sie sind das Vehikel des Rätselhaften, Unheimlichen, Unberechenbaren und Außergewöhnlichen, das von den gottbezwungenen Männern ausstrahlte. An den Legenden läßt sich ablesen, mit welcher Kraft das Tremendum, von dem die Propheten ergriffen waren, auf Zeitgenossen und Nachfahren übertra23

W. Zimmerli a.a.O.

24

Fehlt in G. Es wird in den Kommentaren meistens als verderbte Glosse gestrichen;

25

Gen 28 17 E x 34

vgl. B H K 3 , dazu neuerdings G. Fohrer u. W. Zimmerli, Kommentar zur Stelle.

10 J d c

13

6

Jes 64

2

Ps 47 3 66 3; vgl. Hi 3 /

22 u.

ö.

Widerstand und Jüngerbildung

49

gen wurde und unter ihnen lebendig blieb. Ihre wunderhaften Züge sind im einzelnen ein Gradmesser für das Einzigartige, das an der Gestalt des Propheten wahrgenommen wurde. Sie bezeugen sinnenfällig, in welchem Maß sein Gottesbezug als ein nicht von dieser Welt gewirkter empfunden worden ist. Sein Standort jenseits der Norm, jenseits des kultischen Ordnungsbereiches und jenseits der vertrauten Traditionen ist in den Legenden in verschiedener Weise festgehalten worden. Sie sind Träger der Transparenz des Propheten für das Mysterium, das ihm selbst widerfuhr und das ihn seiner Umwelt entrückte in den Bereich des Unnahbaren. Das scheue Furcht wirkende Tremendum der prophetischen Existenz hat vor allem die Eliaüberlieferung geprägt. Das Faszinosum des unbegrenzten Zutrauens zu dem Gottesmann ist stärker in die Elisa- und Jesajaüberlieferung eingegangen und hat hier die Züge des helfenden Wundertäters herausgehoben. Im legendären Überlieferungsbereich erreicht uns der Prophet durch das Prisma der Wirkung, die von dem numinosen Fluidum seiner Gestalt ausging. Diese Stufe des Verstehens und Deutens prophetischen Daseins ist durchwaltet von der tiefen Ehrfurcht vor der Erscheinung des Prophetischen und von der kompromißlosen Unterwerfung unter ihre Strahlungskraft. Das Verstehen derer, die das Stichwort nora' in den Berufungsbericht Ezechiels eintrugen, und derer, die einen empfangenen Eindruck in einer massiven Wundererzählung festzuhalten suchten26, ist gewiß weit voneinander geschieden, obwohl es von dem gleichen Sachbefund angeregt wurde: von der Beobachtung, daß dem Propheten etwas anhaftete, was sich seiner Umwelt als ein nicht von dieser Welt stammendes Phänomen aufdrängte. Die Bearbeiter des Berufungsberichtes fragten nach der Wurzel dieses Nichterklärbaren, die Tradenten der Legende ergaben sich seiner unmittelbaren Wirkung und demonstrierten sie an Motiven, die das Gottnahe des Propheten an seiner Beherrschung der Gewalten von Leben und Tod und jeglicher Gefährdung sinnenfällig zu machen vermochte. Daraus erklärt sich das frappierende Faktum des Wanderns dieser Motive. Totenauferweckungen und Speisungswunder werden mit leichten Abwandlungen mehrfach erzählt und sind möglicherweise sogar von einer Gestalt auf die andere übertragen worden 27 . Man wird das nicht als pia fraus beurteilen dürfen. Legenden dieser Art sind ein von rationaler Problematik und des Gedankens Blässe unbeschwerter Versuch, das Bekenntnis zur Macht Jahwes im Bekenntnis zum Wirken seiner Berufenen am extremen Fall zu veranschaulichen und an der ihnen zugeschriebenen Beherrschung von Grenzsituationen die innere

20 27

4

II Reg 4 38-44 6 1-7. Vgl. I Reg 1717-24 mit II Reg 418-37; I Reg 17 7-16 mit II Reg 4 42-44 und das Fortleben der Erweckungs- und Speisungswunder im Neuen Testament. Henry, Prophet

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Berechtigung solchen Bekennens zu erhärten. Dafür konnten gleichartige Motive ohne Bedenken mehrfach gewählt werden. Die Fülle der Varianten im einzelnen, die eine weitverzweigte Verfolgung der vorhandenen Motive und ihrer Kombinationen möglich macht, läßt ihre gemeinsame Grundlage gleichwohl deutlich hervortreten. Immer wird menschliche Hilflosigkeit, Angst, Unsicherheit und Ratlosigkeit angesichts des definitiv Aussichtslosen kompensiert durch das Dazwischentreten des Gottberufenen. Er beseitigt die Konfliktsituation, welcher Art sie auch sei. Jesajas Ruf zum bedingungslosen Vertrauen: „Wenn ihr nicht vertraut, werdet ihr nicht bestehen!"28, realisierte sich dort, wo der Hilflose sich an denjenigen klammerte, der auf Grund seines unerfindlichen Gottesbezuges dies Vertrauen zum Unbedingten einzuflößen vermochte, weil er selber es besaß. Das ließ an seiner Existenz je und je bewahrende Mächtigkeit überdimensional erfahrbar werden, dort am stärksten vermittelt, wo ohne erklärendes oder weisendes Wort die rettende Nähe Jahwes im Propheten als nacktes Phänomen vor Augen gerückt wird, eingesenkt zuweilen in massiv sinnliche Vorgänge wie die, daß Eisen schwimmend ward 29 , der Schatten einer Sonnenuhr zurückwich30, giftiges Gewächs seine tödliche Wirkung verlor 31 , Hungernde mit einem Minimum genährt wurden 32 oder dieses Minimum unbegrenzt vorhielt 33 . Wo in solchen Zusammenhängen Wort und Gebet des Propheten als entscheidende Kräfte im Ablauf des Geschehens hervorgehoben werden wie in den an Elisa und Elia geknüpften Totenerweckungsberichten, befindet sich der Leser schon auf einer fortgeschrittenen Stufe des Verstehens. Der Gottesbezug des Propheten erscheint hier mit der wirkenden Dynamis Jahwes geheimnisvoll verbunden, läßt den Gottesmann als vermittelnde Größe zwischen Tod und Leben stehen und Unbegrenztes von ihm erwarten. „Ich lasse dich nicht", sagte die Mutter des toten Kindes zu Elisa34 in blindem Vertrauen darauf, daß er zu wirken vermöchte, was in keines Menschen Macht steht. In der Erzählung II Reg 4 18-37 ist das Ausmaß dieses Vertrauens und das Zurückweichen des Propheten vor der Erwartung des Unmöglichen, die an ihn erging, hart kontrastierend zur Wirkung gekommen. Die Flucht Elisas ins Gebet läßt die ur-

28

Jes 7 9.

29

II R e g 6 1-7.

30

II Reg 20 8-10 = Jes 38 7-8.

31

II R e g 4 38-41.

32

II Reg 4 42-44.

33

I R e g 17 8-16; vgl. hier und zum Folgenden G. Quell, D a s Phänomen des W u n ders im A l t e n Testament, in: Verbannung und H e i m k e h r , Festschrift für W. R u dolph, 1961, vor allem 278 f f .

34

II Reg 4 30.

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sprünglich wohl magisch gemeinte Manipulation, die er dem Gebet folgen ließ, wie einen hilflosen Wiederbelebungsversuch erscheinen, von dem der im Raum des Toten unruhvoll nervös sich Ergehende kaum selbst etwas erwartete. Sein karges „Nimm deinen Sohn" nach dessen Rückkehr ins Leben, die wortlose Proskynese der Frau und ihr wortloses Hinweggehen sind wie ein schweigendes Bekenntnis zur Macht dessen, der in diesem Vorgang real am Werk war. Das blinde Vertrauen der Mutter, das bewegte Alleinsein Elisas mit dem Toten im verschlossenen Raum und der Schluß, dessen Aussagekraft im Schweigen liegt, zeigen ein differenziertes Beobachtungsvermögen des Erzählers. Er kannte die „problemlose" Unterwerfung unter den Gottesmann, an dem sich das Jahwevertrauen der einfachen Seele aufrichtete. Er wußte, daß sich in solchem Vertrauen jene K r a f t manifestierte, die Jesus in analogen Situationen den Glauben nannte, der dem Gefährdeten geholfen habe 35 . Vor allem aber besaß er ein intuitives Einsichtsvermögen für das Wesen des Prophetischen, das sich im wagenden Glaubenseinsatz, der den Gottberufenen auf die Grenzscheide von Tod und Leben stellt, realisierte. Die Bemerkung Elisas, Jahwe habe ihm den Kummer der Frau nicht kundgetan, sein Versuch, die irdisches Vermögen übersteigende Anforderung abzuwehren, die Unruhe des Propheten nach einem Gebet, das nach menschlichem Ermessen ein Gebet für Unmögliches war, sind Einzelzüge, die den geschilderten Vorgang davor bewahren, als Mirakel mißverstanden zu werden. Sie zeigen ein reifes Verständnis dafür, daß prophetisches Beten und Handeln den keineswegs selbstverständlichen und immer erkämpften Sprung ins Unberechenbare bedeuteten. Die Grenzsituation prophetischer Existenz, zwingend auferlegt dann, wenn unerfindliches und grenzenloses Vertrauen sich auf den Mann Gottes richtete, ist hier ereignishaft festgehalten. Die wortlose Proskynese der Frau wirkt wie eine Bestätigung dieses Vertrauens, dem es nichts hinzuzufügen gibt; das knappe Wort des Propheten „Nimm deinen Sohn" wie eine betroffene Uberführung, wie ein beschämtes Eingeständnis heimlichen Kleinglaubens, der mit der Größe des Erweises göttlicher Macht nicht zu rechnen wagte. Oder war es die Ahnung, daß maßloses Vertrauen bedroht sein kann von blasphemischer Gottversuchung, die den Verfasser den Stoff so disponieren ließ? Der Bericht ist angefüllt von Problematik, und eben dies zeigt das in ihm waltende Nachdenken über Wesen und Wirkung des Prophetischen. G. Quell hat darauf hingewiesen, daß in dieser Erzählung der Glaube der Sunamitin angesichts ihres toten Kindes stärker gewesen sei als der Glaube des Propheten 36 . Das an der Existenz dieses Gottesmannes

35 34



Vgl. hierzu und zum Folgenden G. Quell a.a.O. 281. A.a.O.

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angefachte Vertrauen der Frau riß den Propheten in die prophetische Tat, und dem Zagenden ward die Einsicht, daß sich das Unermeßliche der Macht Jahwes an dem im gleichen Maß Vertrauenden erweist. D a s war in diesem Fall eine praktische Demonstration von Jes 7 9 an dem Propheten. Die Durchschlagskraft dieses Berichtes, in dem prophetische Glaubenskrise und der an prophetischer Existenz ins Grenzenlose gesteigerte Glaube so fest miteinander verzahnt sind, liegt in dem Bekenntnis, daß dem Risiko solchen Glaubens und der in ihm begründeten prophetischen Tat die Beglaubigung Jahwes nicht versagt bleiben werde 37 . Der in den Berufungsberichten ausgesprochenen Weisung an die großen Propheten „Fürchte dich nicht!" wird hier, veranschaulicht am massiven Geschehen, eine reale Berechtigung zugesprochen. Die Sinnerfüllung aber wird im Bereich des unmittelbaren prophetischen Gottesbezuges vorausgesetzt. Das, was die Furcht, die es zu bannen gilt, erregen könnte, wird nicht in der Außenwelt gesucht, sondern im Innern des Propheten als Anfechtung und Zweifel an der zur Überzeugung nötigenden Wirkungskraft des Prophetischen im akuten Krisenfall. Wer durfte sich unterfangen, ein so tiefgründiges Verstehen in solcher Erzählung festzuhalten? Das konnte nur aus Geist geboren sein, der prophetischem Geist nicht fern war, der in der Nachfolge begriff, daß prophetische Existenz Krisenexistenz auf dem schmalen Grat zwischen Leben und Tod, Glauben und Versuchung war, eine Existenz, an der gleichwohl das Leben zur Evidenz kommen mußte, weil Jahwe selber Leben ist. Hier scheint Traditionsbildung in nuce vorzuliegen, ein Denken und Urteilen über den Propheten, ein Verstehen und Deuten seines D a seins und seines Handelns, das nur in den Kreisen derer entstehen konnte, die von prophetischer Existenz betroffen waren und die wußten, was es hieß, daß ein Prophet unter ihnen war: nichts Geringeres als erfahrene und erfahrbare Nähe Jahwes. Der analoge an Elia geknüpfte Bericht 38 ist viel stärker geprägt von der Wirkung des Tremendum, die des Propheten Erscheinung der Umwelt mitteilte, die das Gewissen richten, Schuld aufdecken und der Ahndung zuführen konnte. Sie ist in I Reg 1717-18 ia festgehalten in der erschrockenen Vermutung der Mutter, der Gottesmann sei nur gekommen, um am Tod ihres Kindes ihre Schuld offenbar zu machen. Am Widerfahrnis der Rückkehr ihres Sohnes ins Leben wird dieser Frau das Urteil bekräftigt, daß Elia ein Gottesmann und das Wort in seinem

37

Zur D i f f e r e n z i e r u n g in P r o p h e t e n w o r t - und Prophetentat-Geschichten vgl. O . Plöger, D i e Prophetengeschiditen

der Samuel- und Königsbücher, Diss.

Greifswald

1937, 40 ff. 38

I R e g 17 17-18 la. Vgl. zu diesem Propheten G. Fohrer, Elia, 1957, vor allem 74 f. 86 f f .

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Mund verläßlich sei. Der innere Weg Elias ist abgesteckt in der anklagenden Frage an Jahwe: „Willst du wirklich der Witwe, bei der ich zu Gast war, Unheil zufügen und ihren Sohn töten?" und dem Gebet: „Laß doch das Leben dieses Knaben wieder in ihn zurückkehren". Hier wird das Imponderabile auf Seiten des Menschen kompensiert durch die bündige Konstatierung: „Und Jahwe hörte auf Elia". Die Vertrauensfrage wird nicht gestellt, wo des Propheten Durchschlagskraft für sich zeugt und zu dem Bekenntnis nötigt, daß er ein Gottesmann sei, erfahrbar zunächst in dem Bewußtsein, daß seine Gegenwart Schuld evident machen könne. Aber des Propheten Krise war auch diesem Verfasser ein Phänomen, das er in der anklagenden Rede an Jahwe festgehalten hat. Die Frage nach dem Wesen und der ausstrahlenden Wirkung des Prophetischen und die differenzierten Bezüge beider Momente zueinander scheinen in solchen Berichten den Erzählern schon bewußt gewesen zu sein. Eine ganz andere Einbeziehung auf den Propheten wird an den Legenden erkennbar, die den Gottesmann mit lapidarer Gewalt und ohne Problematik als Mittler und Träger des Heiligen veranschaulichen. Wo der Prophet als Inkarnation heiliger Mächtigkeit erfahren wurde, mußte Kinderspott zur Blasphemie werden und die vernichtende Wirkung prophetischen Fluches an den Spöttern zur sinnenfälligen Demonstration dieses Tatbestandes 39 . Am Tod der Elisa verhöhnenden Knabenschar II Reg 2 23f. manifestiert sich das „ganz Andere", das Schreckenerregende und Rätselhafte, das an dem prophetischen Menschen erfahren werden konnte. Es weckte ein starkes Abstandsbewußtsein, das eine innere Grenze setzte, durch die sich die Vielen von dem Gottesmann geschieden wußten. Ihre Überschreitung wurde als Sakrileg empfunden, in harter Intensität am Tod der Unmündigen sichtbar gemacht. Durch nichts konnte die Gewißheit der Nähe des Heiligen im Gottesmann stärker evident werden. Er war tabu. Sein Dasein trug die Züge des Unheimlichen; unberechenbar blieb sein Gehen und Kommen40. Nur als Wirkung des Geistes konnte erklärbar erscheinen, was man an ihm wahrnahm. Darum war Furcht die erste Regung dessen, der einem Propheten begegnete. Freilich wird nicht unberücksichtigt bleiben dürfen, daß es nur der Gottesfürchtige war, dem solche Regung zugeschrieben wurde 41 . Die Furcht war wie das Vertrauen Reaktion derer, die in irgendeinem Sinn von dem Gottüberwältigten bezwungen wurden.

38

40 41

Das hat G. Quell an II Reg 2 23 f. einleuchtend dargelegt a.a.O. 285; desgleichen die Verwurzelung des beigezogenen Materials im dynamistisdien Weltgefühl a.a.O. 284. I Reg 18 12. I Reg 18 3.

54

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G. Quell hat das Urteil ausgesprochen, dies alles seien „seelische Reilexe, keine Nachrichten"42, eine Einsicht, die in der Tat der Schlüssel für das Verständnis solchen Uberlieferungsgutes zu sein scheint. Im legendären Bericht erreichen den Leser die Wellen der Reaktion, die prophetisches Leben und Wirken hervorgebracht haben, abgestuft nach dem Maß des Verstehens und Deutens, das den Berichterstattern verliehen war. Im bildhaften Erzählen sind nacherachtende Reflexion über das, was ein Prophet ist und bedeutet, und die Kraft der Bemächtigung, die von ihm auf den Kreis der Tradenten ausging, zu einer Einheit verschmolzen. Sie enthält eine Aussage über den Propheten, aber eine nicht minder eindrückliche über diejenigen, die sich zu solchem Erzählen gedrängt fühlten. In dieser Verbindung von Wirkung und Nachwirkung liegt die Zeugniskraft der Legende und ihr Wert für die wissenschaftliche Analyse der Prophetie und des von ihr ausgehenden Impulses zur Traditionsbildung. Demgemäß wird die in den Legenden eingefangene Wirkung der Kraft des Prophetischen als das Zeugnis einer Kontaktüberwältigung beurteilt werden dürfen. Es ist Träger und Mittler der numinosen Gewalt, mit der sich das Tremendum und das Faszinosum, das dem Berufenen widerfuhr, in der Umwelt durchsetzte. Der Kontaktbezug zu dieser Seite prophetischen Daseins weckte Ehrfurcht, fromme Scheu, Schrecken, blindes Zutrauen und Distanzbewußtsein; Reaktionen, die in ausgeglichenem Zusammenspiel oder in unterschiedlicher Intensität lebenskräftig zu werden vermochten. Tief verwurzelt im Irrationalen, fanden sie ihren legitimen Niederschlag im Bereich der Legende, wo sie als Nachwirkung der unmittelbaren Durchschlagskraft prophetischer Existenz erhalten blieben. Eingegangen in eine bewegte Erzählung, zeugte sie in der Regel für sich selbst. Nur gelegentlich kam daneben das prophetische Wort und seine autoritative Gewalt zum Ausdruck43. Naturgemäß hat sich der von dem dabar ausgehende Impuls in ganz anderer Weise fortgepflanzt. Das prophetische Wort war ein Appell an den Entscheidungs- und Einsatzwillen der Hörer. Es setzte die Maßstäbe sachlicher Glaubensorientierung für eine bestimmte geschichtliche Stunde. Ihm eignete eine nüchterne richtungweisende Mächtigkeit, die das Denken und Urteilsvermögen der Angeredeten anregte. Diese Affinität zur ratio gab der Meditation und dem theologischen Denken einen lebhaften Auftrieb. Sie förderte die aktive Aneignung der prophetischen Kündung. Wo 42 43

A.a.O. 287. Für die Verbindung beider Elemente ist vor allem die Eliaüberlieferung von Belang. Zum prophetischen Wort vgl. L. Dürr, Die Wertung des göttlichen Wortes im Alten Testament und im antiken Orient, 1938; O. Grether, N a m e und Wort Gottes im Alten Testament, 1934; zu Wort und Symbolhandlung G. Fohrer, Die symbolischen Handlungen der Propheten, 1953.

Widerstand und Jüngerbildung

55

sie positiv verarbeitet wurde und mit ihrer Hilfe Krisen in gewandelter Situation bestanden werden konnten, manifestiert sich die Kontaktüberwältigung des Geistes, die von ihr ausging. Im weitesten Sinn darf schon die Erhaltung und Sammlung prophetischen Wortes, sofern sie auf Jüngerhände zurückzuführen ist, solcher Kontaktbeziehung zur geistesmächtigen Rede des Propheten zugeschrieben werden. Daß sie nicht in jedem Fall selbstverständlich war, auch durch Schicksale irgendwelcher Art verhindert werden konnte, bezeugt das Verlöschen aller Spuren der Wirksamkeit Urijahus aus Kirjath Jearim, eines Zeitgenossen Jeremias, der wider Stadt und Land gemäß den Debarim Jeremias kündete 44 . Die Bemerkung Jesajas, die an ihn ergangene göttliche Kundgebung und Lehre in seinen Jüngern bewahren zu wollen 45 und das Vertrauensverhältnis Jeremias zu Baruch 46 zeigen indessen, wie eng die Beziehung zwischen einem Propheten und seinen Jüngern sein konnte, ja, daß sie gelegentlich ihre höchste Bewährung in gemeinsam ertragener Bedrohung fand 47 . Die sichere Kunde von der Aufzeichnung der Worte Jeremias durch Baruch 48 , die Tatsache, daß der am Betreten des Tempels gehinderte Meister seinen Jünger beauftragte, seine d'barim öffentlich in der Halle Gemarjahus vorzulesen, gewähren Einblick in einen verläßlichen Überlieferungsprozeß. Die Selbstverständlichkeit, mit der hier von der Niederschrift und der Weitergabe des Wortes durch den Jünger berichtet wird, legt den Schluß nahe, daß es sich um keine Ausnahme handelte. Man pflegte dergleichen nicht zu erwähnen, und wenn es hier geschah, so nur deswegen, weil die unmittelbare Berührung dieses Traditionsvorganges mit den besonderen Lebensumständen Jeremias ein akuter Anlaß war, die Erinnerung an ihn zu überliefern. Das Schicksal der Worte Urijahus und Jeremias fixiert Extrempunkte. Zwischen ihnen liegt die ganze Breite vielfältiger Variationsmöglichkeiten, die für die Art der Aneignung und Weitergabe prophetischen Wortes vorausgesetzt werden muß. Die Berufungsberichte hatten gezeigt, in welchem Sinn sich ein Träger des göttlichen dabar genötigt finden konnte, im kritischen und fragwürdigen geschichtlichen Augenblick das Regulativ der Glaubensorientierung — sei es im Gerichts- oder im Heilswort — setzen zu müssen. Dieser Zwang zum dabar ist in der vehementen Leidenschaft knapper, situationsgebundener Botensprüche erhalten geblieben. Sie sind die unmittelbaren Zeugen der Überwältigung des Propheten von der im Akt seiner Berufung jeweils erteilten Aufgabe. Ihre Stoßkraft erweist sich 44

J e r 2 6 20.

45

J e s 8 16.

46

J e r 3 6 4 u n d 3 2 5 ff.

47

J e r 3 6 19. 2b.

48

J e r 3 6 4 32.

56

Widerstand und Jüngerbildung

dort, wo das Wort des Berufenen in bearbeiteter Form als Jüngerzeugnis fortlebte, wo sich also die geistige Kontaktbeziehung zu dem autoritativen dabar eines Propheten an seiner verbindlichen Auswertung in gewandelter Situation erweist. Die bekannten literarischen Befunde des Jeremiabuches lassen mit einiger Sicherheit vermuten, daß hier die typischen Merkmale solcher Nachbearbeitung prophetischen Wortes besonders zahlreich und eindrücklich sein werden48. Das Problem sei an Jer 24 1-10 veranschaulicht, einem Stück, das zwar als Ich-Bericht akzentuiert ist50, jedoch der rhythmischen Prägnanz entbehrt, auch erhebliche Textzusätze aufweist. Der Abschnitt pflegt der erweiterten Urrolle zugerechnet zu werden51. Er gilt jedenfalls im allgemeinen als eine wesentlich Jeremia angehörende Perikope 52 . Bedenken gegen die sogenannte „Echtheit" solcher stark prosaisch überformten und von deuteronomistischem Stil beeinflußten Stücke sind seit Duhm geäußert und von S. Mowinckel systematisch begründet worden53. Naturgemäß ist die Aussonderung im einzelnen schwankend. Es ist jedoch von vorbedeutsamem Gewicht für die Analyse von Jer 24 1-10, daß Mowinckel diesen Passus nur mit Vorbehalt der Quelle A, den genuinen, vor allem durch die Ichform ausgewiesenen Jeremiaworten, zurechnet54. Gleichwohl blieb die Tendenz, ihn als ursprünglichen Jerem'iz-dabar einzuordnen, vorherrschend. Das Kapitel beginnt mit einer Schauung guter und schlechter Feigen. Der Mandelzweig- und Topfspruch in Jer 1 und die Analogien in Am 7 iff. lassen vermuten, daß ihr ein knapp und prägnant formuliertes Assoziationswort zugehörte. Am Schluß des Deutepassus scheint in v. 8 der zornige Ingrimm einer gegen Zedekia gerichteten Drohung erhalten geblieben zu sein. „Und wie faule Feigen, die so verfault sind, daß man

® Vgl. dazu vor allem S. Mowinckel, Zur Komposition des Jeremiabuches, 1914. Eine

4

erste Anregung zur Berücksichtigung der Nachgeschichte alttestamentlicher Texte ist ausgegangen von H . W . Hertzberg, Die Nachgeschichte alttestamentlicher Texte innerhalb des Alten Testaments, B Z A W 66 (1936). Sie ist von Mowinckel systematisch präzisiert und dahingehend fixiert worden, daß an den Texten die von Jüngerkreisen ausgehende Bearbeitung prophetischer Worte im Sinne einer durch die Propheten bewirkten Tradition aufzuweisen sei: Prophecy and Tradition, 1946. s

° V . 1.3.4.

51 52

Vgl. O. Eißfeldt, Einleitung in das Alte Testament, 1964 3 , 474. Vgl. Jer 36 32. O. Eißfeldt a.a.O., vgl. A. Weiser, Einleitung in das Alte Testament, 1957, 173 f.; W . Rudolph, Jeremia, 1968 3 , zur Stelle.

53 54

A.a.O. A.a.O. 21, vgl. 61. Zweifel an der Echtheit äußerte H . G. May, Towards an objective Approach to the Book of 139—153.

Jeremiah: The Biographer,

J B L 61

(1942),

Widerstand und Jüngerbildung

57

sie vor Fäulnis nicht essen kann . . . 55 , so will ich Zedekia, den König von Juda, dahingehen." Es ist jedoch für den nicht weniger als 10 Verse umfassenden Spruchzusammenhang charakteristisch, daß dies Drohwort seiner scharfen Akzentuierung beraubt wurde. In einem erweiternden Zusatz werden die politische Oberschicht, der Rest der Bewohner Jerusalems und die in Ägypten ansässig Gewordenen in die Drohung einbezogen. Die entscheidenden Verse 9 und 10 beschreiben das Unheil, das diese Gruppen neben Zedekia ereilen soll, mit Einzelzügen, die den in Dtn 28 isff. geschilderten Fluch komprimiert zusammenfassen. Die Analogie ist nicht nur sachlicher Art 58 . Sie betrifft auch die Wortwahl und die Formulierung 57 . Es handelt sich um Wendungen, die an anderen Stellen des Jeremiabuches wiederkehren, jedoch nur in Zusammenhängen, die erkennbare Merkmale deuteronomistischen Stils aufweisen 68 . Die markante, ursprünglich vermutlich gegen den letzten judäischen König gerichtete Drohung wird auf diese Weise in einer Form, deren sich die vom Deuteronomium abhängigen Theologen zu bedienen pflegten, aktualisierend auf Gruppen übertragen, die erst nach 586 als spezielle Größe ins Blickfeld rückten: auf den in Jerusalem verbliebenen „Rest" und die Flüchtlinge, die sich nach Ägypten abgesetzt hatten 59 . Eine an diesem Punkt schon einigermaßen deutlich erkennbare, Probleme einer späteren Zeit aufgreifende Bearbeitung, die zunächst auf eine erweiterte Anwendung des Unheilwortes hinauslief, setzte sich darüber hinaus im Rahmen der Gesamtkonzeption eines Spruchgefüges durch, in dem nunmehr ein ursprünglich nT")1? ausgesprochenes Wort »-niBb umformuliert wurde 60 . Die Unheilsansage, die möglicherweise einmal dem genuinen Jeremia-dabar zugrunde lag, rückte an das Ende des Abschnittes. Sie blieb hier mehr oder weniger beschränkt auf eine kontrastierende Wirkung im Zusammenhang einer breit angelegten 55

Vgl. B H K 3 .

56

Vgl. v. 10 und Dtn 28 21. 48 = Hunger und Pest.

« p x n niD^aa bob rrpt 1 ? = n m " ? v. 9 = Dtn 2825 vt t

und

: : -

t :

r s.

t":

nrittiV "7TO1? V. 9 = Dtn 28 37. T •: •

t t :

58

Jer 15 2 - 4 2 9 17-18 34 17.

59

Auf die Konsequenzen von 597 kann dieser erweiterte Satz schwerlich anspielen. Ezechiel redete als Angehöriger dieser Zeit nicht den „Rest" von Jerusalem an, sondern pointiert die Stadt selbst — etwa in den Kapiteln 2 2 — 2 4 — in dem Bewußtsein, daß sie als eigene Größe erhalten geblieben war. Ihr gegenüber standen die Deportierten als kleine Gruppe der damaligen Oberschicht, zu der auch Ezechiel gehörte. 586 lagen die Dinge grundlegend anders, wie denn auch die Fluchtbewegung nach Ägypten erst im Zuge der entscheidenden Niederlage dieses Jahres Bedeutung gewann. Vgl. Jer 44 und 42 10 ff.

60

Vgl. v. 5 und 6 mit v. 9.

58

Widerstand und Jüngerbildung

Heilsansage an die Deportierten. Auf diese Weise wurde der stoßkräftig formulierte dabar, der unter dem Vorzeichen des Feigenbildes zu erwarten gewesen wäre und der in einer auf Zedekia zugespitzten Drohung vorhanden gewesen sein kann, zerdehnt und verformt zu einem seelsorgerlich abgefaßten tröstenden Zuspruch an die Golagemeinde. Er ist inspiriert von der Frage, ob nicht ihre Situation eine Chance in sich berge, die Chance der Bewährung mit dem positiven Ertrag gereinigter Gotteserkenntnis. Einem durch profilierte Anschauung einprägsamen Unheilswort Jeremias assoziierte sich auf diese "Weise die für die Exilierten typische Frage nach dem Gegenbild des geschilderten Unheils und nach der inneren Voraussetzung eines neuen Schalomzustandes. Unter diesem Aspekt empfingen die entscheidenden Verse 4-6, orientiert an der Leitvorstellung „gute Feigen", einen stark meditativen Charakter. Hier wurden die Redenden bewegt von dem Problem der Umkehr, von der Frage, wie das Herz als Sitz des Denkens, Wollens und Fühlens der Jahweerkenntnis fähig und das Volk ein seinem Gott angehöriges Volk zu werden vermöge, das der Heimkehr und der neuen Einpflanzung im Land der Väter würdig wäre. Die Abschnitte Jer 31 31-34 und Ez 36 25-27 sind die ersten entscheidenden Anzeichen dafür, daß es Kreise gab, in denen der nationale Zusammenbruch in solcher Weise durchdacht wurde. Die Ankündigung des neuen Bundes und der Einsenkung des Gesetzes in das Innere des Menschen muß gleich der Verheißung des Geistes, der die Erfüllung göttlicher Ordnung bewirken werde, einen konkreten Haftpunkt im praktischen Leben gehabt haben. Die Zone der Empfangsbereitschaft für solche Vorstellungen wird dort zu suchen sein, wo das Jahr 586 mit seinen Konsequenzen als Gericht Jahwes anerkannt und angenommen worden war, wo also die Perspektive einer Rettung verbürgenden inneren Wandlung im Sinn von Jer 24 6-7 längst als Lebensfrage empfunden wurde. Diese Voraussetzung wird für die Hörer Jeremias kaum zutreffen, möglicherweise aber — wenigstens in Ansätzen — für einige Gruppen der exilischen Gemeinde Ezechiels. Dann wäre die sogenannte Echtheit des Spruches vom neuen Bund und der positiven Akzentsetzung im Rahmen des Feigenspruches in Jer 24 6-7 kaum sehr wahrscheinlich; denn diesen Worten ist eine geistige und religiöse Problemlage der Angeredeten inhärent, die für die geschichtliche Stunde Jeremias nach allem, was wir wissen, schwerlich angenommen werden kann. Das Ezechielwort hingegen steht vor dem Hintergrund einer aktuellen Situation, die den Weg in solche Problematik wies. Es könnte von hier aus gesehen durchaus als „echt" beurteilt werden. In der Tat scheint die markante Gegenüberstellung des Herzens aus Stein und aus Fleisch das Grundelement eines Wortes gewesen zu sein, das auf spontanem prophetischem Antrieb beruhte.

Widerstand und J ü n g e r b i l d u n g

59

Gleichwohl trägt Ez 3625-27 nicht weniger als Jer 31 31-34 und Jer 24 6-7 die Merkmale eines Stils an sich, der in priesterlichen Kreisen und unter den vom Deuteronomium beeinflußten Theologen vorherrschend war. Priesterliche Begrifflichkeit hat sich in Ez 36 25-27 durchgesetzt61. Sie ist hier vor allem deswegen auffallend, weil der Satzzusammenhang hindrängt auf die für deuteronomistisches Denken typische Forderung, daß nach der Ordnung Jahwes gelebt werden müsse. Ihre Erfüllung wird im Gefüge dieses Spruches von dem neuen in das Innere des Menschen gelegten Geist erwartet. Diese Vorstellungen und Formulierungen verbinden Ez 36 25-27 eng mit Jer 31 31-34 und mit Jer 24 6-7, nur daß sich hier die deuteronomistische Begriffswelt eindeutiger durchgesetzt hat, vor allem in der bundestheologischen Ausformung des Zusammenhanges in Jer 31 62 . Alle drei Abschnitte aber zielen auf Neuwerdung und Wandlung des Menschen, die sich im Befolgen der Lebensordnung Jahwes manifestieren soll. Sie sind inspiriert von der Lebensfrage der exilischen Generation und tragen keine Merkmale der typisch prophetischen Formensprache, sondern sind gekleidet in die Form, die theologische Denker ihnen zu geben wußten. Ihre Ausgestaltung beruht also auf einer Gedankenarbeit, aus der sich die Frage nach der Beziehung der hier wirksam gewordenen Theologie zum Geist des Propheten, unter dessen N a men die Abschnitte in die Uberlieferung aufgenommen wurden, nahelegt oder nahelegen kann. Was Jeremia anbetrifft, so ist es gewiß kein Zufall, daß sich die meditative Reflexion über den Zusammenhang von Gericht und Neuwerdung mit seiner Verkündigung verband. Die Gerichtsandrohung dieses Propheten hatte sich tragisch erfüllt und war in den Liedern des Threnibuches unter dem Eindruck realer Erfahrungen des nationalen Zusammenbruches angenommen und verarbeitet worden. Die Einbeziehung der Problematik: Gericht und Neuwerdung auf die durch den Gang der Ereignisse so nachdrücklich bestätigte Untergangskündung Jeremias legte sich also einigermaßen zwanglos nahe. Sie empfing eine vertiefte sachliche Rechtfertigung durch die Tatsache, daß Jeremia einst im Hinblick auf das Nordreich einen Aufruf zur Umkehr, zur Erkenntnis der Schuld " Besprengung mit reinem Wasser, E n t f e r n u n g der Unreinheit. 62

Vgl. ferner das Gesetz im Inneren des Menschen statt des Geistes; Vergebung der Schuld statt Reinheit; J a h w e e r k e n n t n i s , die Belehrung überflüssig macht. S. H e r r mann hat in seinem Buch: D i e prophetischen Heilserwartungen im Alten T e s t a ment — U r s p r u n g u n d G e s t a l t w a n d e l , 1965, diese Stellen u n d andere Z u s a m m e n hänge analoger A r t unter dem Gesichtspunkt ihrer B e z ü g e zur deuteronomistischen und priesterlichen Theologie auf breiter Basis abgehandelt. Es ist überaus aufschlußreich, d a ß auch v o n dieser Fragestellung aus die unmittelbare Rückbeziehung solcher Worte auf die Propheten, unter deren N a m e n sie in die Ü b e r l i e f e r u n g eingingen, anfechtbar erscheint.

60

Widerstand und Jüngerbildung

in den tröstlichen Zuspruch einmünden ließ, Jahwe werde Treue üben und nicht ewig an seinem Zorn festhalten 63 . Möglicherweise hatte sich auch an diesem Punkt der bekannte Einfluß Hoseas auf Jeremia durchgesetzt im Sinne einer Aneignung der Vorstellung Hoseas, daß Jahwe — da er Gott und kein Mensch ist — nicht definitiv vernichten, sondern sein Erbarmen obsiegen lassen werde64. Das Paradoxon der unbegreiflichen göttlichen Liebe zu einer Gemeinschaft, die sich ihrer als unwert erwies — veranschaulicht im Bild der Ehe mit einer unwürdigen Frau — hatte die melancholischen Gerichtsrufe dieses Propheten kompensiert und die Hoffnung eröffnet, daß nicht Unheil, sondern Heil als letzte Tat Jahwes mit seinem Volk zu erwarten sei. Diese Hoffnung klingt an in Jer 31 15 und leitet in Jer 31 20 über zu dem Hos 11 8-9 vorgebildeten Gedanken, daß Jahwe sich mit Sicherheit erbarmen werde, weil sein Inneres ihn dazu dränge. Das war ein Aufruf zum unmittelbaren Vertrauen auf die Güte und den unverbrüchlichen Liebeswillen des göttlichen Herzens. Daß solche Perspektiven im Kreise derer, die sich als Gerichtete betrachten mußten, fortwirkten und das Nachdenken anregten, kann nicht wundernehmen. Jer 31 31-34 ist ein Ergebnis solcher Reflexion, desgleichen der komplexe Zusammenhang unter dem Vorzeichen des Bildes von den guten und schlechten Feigen in Jer 24 1-10, der wegen seiner direkten Verknüpfung mit einem Jeremia-dabar besonders interessant ist. Orientiert an der vor allem von Hosea und Jeremia bezeugten Gericht und Heil verbürgenden Ambivalenz der Wirkungsmacht Jahwes, wurde in Jer 24 1-10 die Lebensfrage einer späteren Generation, ob und in welchem Sinn Rettung möglich sei, im Geist Jeremias autoritativ und Weisung gebend positiv beantwortet und einem Hfl1? T

T :

ausgesprochenen Wort dieses Propheten durch die Akzentverschiebung naitsV assoziiert. t

:

Beobachtungen dieser Art weisen auf die fortführende Gedankenarbeit von Theologen, die sich prophetischem Geist verbunden wußten 65 . In einem Augenblick, als Trost das Erfordernis der Stunde war, bezeugten sie diesen Trost gleichwohl nicht in reinen, auf überwältigender Anschauung beruhenden Bildern unbeeinträchtigten und definitiven Heils — etwa im Sinn Deuterojesajas. Sie kleideten den Ausblick auf heilvolle Zukunft in die für theologische Reflexion typischen Stilelemente des

03

Jer 3 12-13; zur Echtheit des Spruches vgl. S. Herrmann a.a.O. 223 ff.

64

Hos 1 1 8 - 9 bei positiver Deutung der Stelle, vgl. neuerdings H. W. Wolff, Dodekapropheton I: Hosea,

1965 2 . Zur negativen Auffassung Th. H . Robinson in:

Th. H . Robinson und F. Horst, Die zwölf kleinen Propheten, 1954 2 , Zweifel an der Echtheit von 10 f. äußert Herrmann a.a.O. 114. 65

Dies evident zu machen, ist ein wesentliches Anliegen des material- und ideenreichen Buches von S. Herrmann.

Widerstand und Jüngerbildung

61

Lehr- und Lernbaren, ausgehend von der Vorstellung, daß die Erkenntnis Jahwes im Sinn der Bewahrung und Erfüllung göttlicher Lebensordnung — wie auch immer — den Schalomzustand begründen und garantieren werde. An diesem Punkt schieden sich in der Tat Prophet und Jünger, Meister und Schüler. Die Kühnheit der Ausformung radikaler Gerichts- und Heilsbilder, auch solcher innerer Wandlung — wenn etwa das Wort vom Herzen aus Stein und aus Fleisch in Ez 36 als echt angesehen werden darf —, beruhte auf prophetischer Überwältigung und prophetischem Geist. Das vorsichtige Tasten nach Neuorientierung, sei es im Gefüge des Bundesdenkens 66 , sei es ausgerichtet auf Einsicht, Umkehr und Bekehrung 67 oder auf die Einsenkung des Gesetzes ins Herz 6 8 und auf Jahweerkenntnis 69 , war Geist des Jüngers, der die Treue zum Meister mit der Treue zum Überkommenen verband. Das heißt nicht, daß die angedeuteten Gesichtspunkte bei den Propheten keine Rolle gespielt hätten. Das Gegenteil ist der Fall 70 . Aber ihre gedankliche Konzeption, ihre reflektierende Verknüpfung mit der Lebensordnung Jahwes, mit der Bundesvorstellung und zeitgebundenen, oft exilischen Problemen kennzeichnen das Gefüge solcher Kombination als Versuch, diese Problematik durch theologisches Denken zu bewältigen, und zwar durch ein Denken, das alter Überlieferung und prophetischem Geist verpflichtet blieb. Die Frage, auf die in rückorientierender Anknüpfung an ein Prophetenwort Antwort gesucht wurde, konnte auch ganz allgemeiner N a tur sein. Ein Beispiel liegt vor in Jer 18 1-12. Der Anblick eines Töpfers, der mißratene Gefäße neu formte, assoziierte Jeremia die Vorstellung analogen Tuns am Haus Israels. Zu diesem kurz gefaßten, in v. 6 mit necum jbwh abgeschlossenen Passus scheint ein in v. 11-12 erhaltenes Drohwort gegen Juda gehört zu haben, das an der negativen Seite des Bildes — Vernichtung des Unwerten — orientiert war. Ihm ist in den Versen 13-17 ein durch Rhythmik, originelle Bildgebung und Plastik der Anschauung als prophetisch ausgewiesener Abschnitt angefügt worden, der das Instinktlose und Widersinnige der Abkehr Israels von seinem Gott demonstriert. Er wirkt im Zusammenhang wie eine pointierte Begrün-

68 07 68 89 70

Jer 31 31-34. Jer 24 7. Jer 31 33. Jer 31 34. Der stoßkräftige prophetische dabar pflegte sich jedoch akzentuiert und darum zumeist in einem leicht abgrenzbaren Botensprudi auf das Zentrum bestimmter Fehlleistungen zu richten (Am 3 9-15 4 1-3 Jes 1 10-15 5 8-24 Mi 2 1-3 Hos 5 8-14 12 1-4 Jer 2 5 26-31) oder in knapper Eindrücklichkeit auf Umkehr (Hos 6 1-3 Jer 13 15-17) und den Kern der Erfüllung göttlicher Lebensordnung (Am 5 6.15 Mi 6 8 u. a.).

62

Widerstand und Jüngerbildung

dung der am Tun des Töpfers inspirierten Drohung, wobei die Frage nach dem ursprünglichen Ort dieser Stücke offenbleiben muß. Diese in sich geschlossene, auf einer inneren Einheit der Vorstellung beruhende Konzeption ist im vorliegenden Text aufgelockert worden. Das Drohwort wurde von dem Assoziationsvorgang getrennt. Die eingefügten Verse 7-10 geben dem Gedankengefüge, ausgerichtet am Stichwort „Umkehr vom Bösen", eine neue Sinnrichtung. Das Tun des Töpfers empfing nunmehr auf Grund seiner Doppelseitigkeit — Einreißen und Neuformen — ein an dieser Doppelseitigkeit orientiertes Verständnis in dem Sinn, daß Jahwe jedem Volk nach dem Maß seines Tuns Heil oder Unheil wirken werde. Auf diese Weise verschob sich der Akzent vom Tun Jahwes auf das Tun eines jeden Volkes, d. h. auf die Entscheidung, die es zu treffen hatte. Im Hintergrund dieser Sätze steht die Gedankenwelt von Dtn 30 15-20, gefaßt in die eindringliche Vorstellung, daß Jahwe den Seinen Leben und Heil, Tod und Unheil, Segen und Fludi zur Wahl gestellt habe, daß es gelte, mit der Erfüllung der Lebensordnung Jahwes das Leben zu wählen. Dieser Wahl werde die Reaktion Jahwes folgen — im positiven Fall, indem er Leben, Schalom, im negativen Fall, indem er Verlust des Lebens, Untergang, wirkt. Das ist in Jer 18 7-10 mit der Formel: ausreißen, einreißen und vernichten, bauen und pflanzen zum Ausdruck gebracht worden. S. Herrmann hat eindrücklich nachgewiesen, daß diese im Jeremiabuch häufig auftauchende und auch in den Berufungsbericht aufgenommenen Stidiworte typisch sind für die im Stil der Reflexion abgefaßten und dann zumeist deuteronomistisch gefärbten Abschnitte. Sie erscheinen überall dort, wo die Alternative Heil und Unheil und ihre Einbeziehung auf die Erfüllung oder Mißachtung der Lebensordnung Jahwes eine Rolle spielt 71 . Im Rahmen von Jer 18 1-12 übertragen sie die in dieser Ordnung gründende Beziehung Israels zu seinem Gott mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen auf die Völker, die, in solcher Weise gleich Israel unter die Wahl von Leben und Tod gestellt, der Hinwendung zur Lebensordnung Jahwes für fähig erachtet werden und demgemäß mit Israel unter die Alternative Heil und Unheil im Sinn der Reaktion Jahwes auf menschliches Tun rücken. Genuine Jeremiaworte sind also in Kap. 24 in neuer Weise akzentuiert, in K a p . 18 zu universaler Gültigkeit erhoben worden. Beides vollzog sich unter dem Eindruck der verpflichtenden Autorität des Propheten, von der die Redenden ergriffen waren, als sie sich zu neuer Orientierung genötigt fanden. An solchen Stellen läßt sich der von einem Propheten ausgehende Impuls zur Traditionsbildung in actu wahrnehmen. Er beruhte auf der Kontaktüberwältigung des Geistes, die sich in einer Jün-

71

A . a . O . 162—169.

Widerstand und Jüngerbildung

63

gergeneration und unter den von ihr abhängigen Theologen deuteronomistischer oder priesterlicher Prägung als Leben bewahrende und richtungweisende Mächtigkeit durchzusetzen und zu behaupten vermochte. Das zeugt für die gemeindebildende und ins Universale drängende Kraft des im Botenwort wirkenden Appells an den Entscheidungs- und Einsatzwillen der Hörer. Die im prophetischen Wort gesetzten Maßstäbe sachlicher Glaubensorientierung befruchtete das Denken und Urteilsvermögen, förderte weiterführende Reflexion und die ihr verbundene Weisung. Sie konnte, wie die beigezogenen Beispiele zu zeigen scheinen, einzelnen prophetischen Sprüchen engstens verhaftet bleiben, als Größen eigener Art nur gekennzeichnet durch den theologischen Denkern eigenen Stil und durch die kontrapunktische Zusammenfassung: Unheil und Heil, Gericht und Rettung. Die Propheten hatten in kritischem Gegenstoß gegen eine fehlgerichtete Glaubenshaltung ihrer Generation eine dieser Perspektiven als das Signum ihres geschichtlichen Augenblicks aktuell eröffnet, dem Korrelat nur latent Raum gebend als einer auch in Jahwes Macht stehenden Möglichkeit. Sie konfrontierten ihre Hörer in herausfordernder Bildrede und in zugespitzter Einseitigkeit mit der Deutung ihrer historischen Stunde und ließen sie für diese Stunde das unmittelbare Nahen Jahwes als Richter oder Retter erwarten. Ihr Wort war Urteil. Es erschloß das gegenwärtige hic et nunc als Kairos des Unheils oder des Heils. Der Jünger unterfing sich nicht, solch Urteil zu fällen. Er stellte die Alternativen, die sich aus prophetischem Urteil ergeben mußten, und brachte sie in einen dem Urteils- und Entscheidungsvermögen seiner Hörer angemessenen systemhaften Ausgleich. Er wurde zum theologischen Lehrer, der die Ambivalenz göttlichen Wirkens, die der Prophet aggressiv veranschaulichte, gedanklich einsichtig zu machen suchte. Von hier aus rief er auf zur Entscheidung und zur Bindung an göttliche Lebensordnung. Seine theologische Konzeption beruhte auf der Voraussetzung, daß die Situation noch offen sei für die Hinwendung zum Willen Jahwes, für die Chance der Wahl, und daß sich die Möglichkeit solcher Wahl nach Gericht und Neuwerdung jederzeit erneut eröffnen könne. Dem Wort des Theologen war die herausfordernde prophetische Bildersprache mit ihrem aufreizenden Rhythmus nicht adäquat. Ihm entsprach ein prosaischer, weit angelegter, mahnender, auf Überzeugung tendierender Stil. Das komprimiert zusammengefaßte Ergebnis solchen Denkens und Wirkens ist das Deuteronomium 72 . Die genannten Merkmale allein würden das fünfte Buch des Pentateudis noch nicht unbedingt als ein von prophetischem Geist inspiriertes Jüngerzeugnis auswei72

Zum Formproblem vgl. vor allem G. v. Rad, Das formgesdiichtliche Problem des Hexateuch, 1938, in: Gesammelte Studien zum Alten Testament, 1958, 33—41. Zur Auslegung G. v. Rad, Das fünfte Buch Mose, 1964.

64

Widerstand und Jüngerbildung

sen. Sie gewinnen dies Schwergewicht erst im Verein mit weiteren typischen Stilelementen. Der dringliche Appell an das Gemüt und die predigtartige Redeform, die die einleitenden Kapitel 1—11 und die Schlußkapitel 29—30 fast ausschließlich beherrschen, dazu der häufige Aufruf zur Hingabe der leb, des Denkens, Wollens und Fühlens an die Sache Jahwes 73 lassen zunächst den Schluß zu, daß hier Seelsorger redeten, die nicht nur gedanklich überzeugen, sondern innerlich überführen und zum Ergreifen der gebotenen Chance anreizen wollten. Die Wärme ihres Wortes verbietet es, seinen Ursprung nur im Bereich theologischer Reflexion zu suchen. Die emotionale Bewegung, die an vielen Stellen den paränetischen Stil durchbricht, läßt vermuten, daß hier Erschütterte am Werk waren, Menschen, die im Kraftfeld prophetischer Wirkungsmacht standen, die, angerührt von prophetischer Gottergriffenheit, selbst Ergriffene wurden, Überwältigte also, wenn auch Uberwältigte zweiten Grades. Ihre innere Kontaktbeziehung zu prophetischem Wort und Geist ließ sie Konsequenzen ziehen und den Versuch wagen, andere mitzureißen. Dies emotionale Stimulans wird nirgends deutlicher als dort, wo in offensichtlicher Rückbeziehung auf Hosea, Jeremia und Ezechiel das Gefühl der mnN zum Bezugspunkt zwischen Gott und Mensch gemacht wird. d. h. ein Affekt, der sich spontan einzustellen pflegt und darum eigentlich nicht geboten werden kann 74 , von dem aber die Redenden durchdrungen gewesen sein müssen, als sie Wort und Weisung ergehen ließen. Ihre nacherachtende Aneignung prophetischer Botschaft zeitigte eine tiefgreifende geschichtstheologische Besinnung. Sie muß entscheidende Antriebe empfangen haben von der prophetischen Vorstellung, daß sich Jahwe unmittelbar gegenwartsbezogen und geschichtsmächtig als der richtende und der rettende Gott nahen könne. Das in solcher Weise geweckte Bewußtsein der ambivalenten Wirkungsnähe Jahwes blieb lebendig in dem Versuch der Theologen des Deuteronomiums, Vergangen-

73

6 5 8 1 0 12 11 1 26 16 30 15-20.

74

Dtn

6 4-5

7 8 10 12

U l . 13

30 1-2;

vgl.

Hos 111.8-9

Jer 2 l

E z 16 4-14.

Die

B e z i e h u n g des D e u t e r o n o m i u m s zu p r o p h e t i s c h e m G e i s t ist l ä n g s t e r k a n n t w o r d e n . D i e wichtige B e r ü h r u n g m i t H o s e a h a t A . A l t freilich nur i m R a h m e n

histori-

scher B e z ü g e ohne B e r ü c k s i c h t i g u n g des g l a u b e n s g e s c h i d i t l i d i f ü r die T h e o l o g e n des D e u t e r o n o m i u m s s o wesentlichen L i e b e s g e d a n k e n s e r ö r t e r t : D i e H e i m a t des D e u t e r o n o m i u m s , i n : K l e i n e S c h r i f t e n z u r Geschichte I s r a e l s , I I 1 9 5 3 , 2 5 0 — 2 7 5 . A u f diese Z u s a m m e n h ä n g e h a t n e u e r d i n g s E . W . N i c h o l s e n hingewiesen, jedoch insof e r n in m o d i f i z i e r t e r Weise, als er i m D e u t e r o n o m i u m die N a c h w i r k u n g n o r d i s r a e l i tisdier, 7 0 1 nach J e r u s a l e m geflüchteter P r o p h e t e n k r e i s e erkennen z u k ö n n e n g l a u b t . D i e s e G r u p p e h a b e ihre eigenen, in d e n S ü d e n h i n ü b e r g e r e t t e t e n T r a d i t i o n e n m i t den in J e r u s a l e m b e h e i m a t e t e n zu einem R e f o r m p r o g r a m m v e r e i n i g t : D e u t e r o n o m y a n d Tradition,

1967.

65

Widerstand und Jüngerbildung

heit und Zukunft im Brennpunkt der Anforderung einer Gegenwartsentscheidung miteinander zu vereinen 7 0 . Die aktualisierende Bearbeitung des Sianiereignisses, lose verknüpft mit einem Bundesschluß im Lande Moab 7 6 , unter dem Vorzeichen eines eindringlichen „Heute, hier, j e t z t " 7 7 machte das ihm literarisch angegliederte vielschichtige Gesetzescorpus 78 zur Basis dieser Gegenwartsentscheidung, die als Kulminationspunkt der Kontinuität einer Gottesgeschichte zukunftsträchtig sein würde 7 9 . D i e tragische Erfüllung prophetischer Unheilsbotschaft wurde hier zum Richtmaß für das Verständnis und die Bewältigung des staatlich-nationalen Zusammenbruches im J a h r 586 8 0 . Das ist eine Konzeption, in der sich die aktive Anerkennung des richtenden Gottes, den die Propheten verkündigt hatten, gedanklich verarbeitet ausspricht. Diejenigen, die das prophetische W o r t angenommen hatten und mit seiner H i l f e die Vergangenheit zu deuten wußten, machten es für kommende Generationen fruchtbar, indem sie es ins Lehr- und Lernbare umprägten 8 1 . Ihr Geist wirkte fort in einer umfassenden Bearbeitung geschichtlicher Stoffe, die sich vor allem im Richterbuch und in den Königsbüchern durchsetzte. Sie einte Geschichtsverständnis und Geschichtsbewältigung unter dem deuteronomisch theologisch ausgeformten Leitmotiv: Gericht und Neuwerdung, das, wie sich gezeigt hatte, auf prophetischem Impuls beruhte. Das alles sind Sachverhalte, die es erlauben, das Deuteronomium und die geistigen Erzeugnisse, die von ihm ausgingen, als eine Jüngerleistung zu beurteilen. An ihr erweist sich die geistige Kontaktbeziehung zum Prophetischen und die vielseitige orientierende Mächtigkeit, die sie ausstrahlte. Ganz anderer A r t war der Impuls, der von dem leidenden P r o pheten ausging. Es ist schon darauf hingewiesen worden, in welchem Sinn die in den Berufungsberichten angedeutete Märtyrersituation zum Wesensmerkmal prophetischer Existenz werden mußte 8 2 . Ihr stärkstes geschichtliches Zeugnis ist der mehrfach überlieferte Zusammenstoß mit den Hütern der sakralen Ordnung. D i e tödliche Feindschaft der Priester und Kultpropheten gegen den Gottüberwältigten war die Außenseite

75

Besonders typisch 29 9.13-14.

76

9 8-11 2 8 69.

77

2 6 16 2 9 9. 13-14 30 l l 30 15 f. 18.

78

12—26.

79

2 8 2 9 15-28.

80

4 25-31 2 8 47-57 30 1-10.

81

Vgl. 6 7-9 u. 20. Z u m Geist der als nachexilisch erkennbaren Stellen vgl. H . Wolff, Das K e r y g m a

des deuteronomistischen

Geschichtswerks, Z A W 73

171 ff. 82

5

Vgl. Jes 6 10-11 J e r 1 18-19 E z 2 6-7 J e r 15 15 ff. 2 0 7-18. Henry, Prophet

W.

(1961),

66

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der einzigartigen Position des Propheten und ein Gradmesser seines allmählichen, ihm möglicherweise zunächst selbst nicht bewußten Heraustretens aus dem institutionellen Ordnungsgefüge. Der Konflikt, der Amtsträger und Spontanberufene voneinander trennte, muß überall dort der reale Hintergrund des prophetischen Wortes gewesen sein, wo sich der Dabar gegen die dem Bereich des Sakralen zugeordneten Gruppen richtete83. Die in dieser Sachlage begründete tragische Isolierung des Propheten läßt sich vor allem aus der sogenannten Baruchbiographie, den Jeremiakonfessionen und den Ebed-Jahwe-Liedern evident machen. Es seien aus dem vorhandenen Material nur einige Züge herausgegriffen, die gleichwohl zu zeigen vermögen, daß von dem leidenden Gottesmann ein gemeindebildender Impuls ausging, welcher der Kraftwirkung seiner prophetischen Existenz und seines prophetischen Geistes nicht nachstand. Die körperliche Züchtigung, die Jeremia von priesterlicher Hand zugefügt wurde84, Folter85, Verhaftung und Kerker86 und der im engeren Familienkreis geschmiedete Plan, sich des kompromittierenden Gotteszeugen gewaltsam zu entledigen87, waren neben der unter religiösem und politischem Aspekt erhobenen Anklage und Verdächtigung auf Hochverrat88 die jedermann wahrnehmbaren sinnenfälligen Stationen seines prophetischen Leidensweges. Das in den Konfessionen beklagte harte Geschick, als Mann des Streites im Konflikt mit aller Welt zu stehen89, die im Widergebet ausgesprochene Bitte, Jahwe möge den göttlichen dabar gegen alle Bestreiter durchsetzen und dessen Künder bestätigen, indem er seinen Gegnern den Untergang wirke90, schließlich die Auflehnung gegen den Zwang, Jahwebote sein zu müssen91, markieren den Weg leidvoller Anfechtung, den Jeremia zu durchmessen hatte. Das sind äußere und innere Daten, die bei diesem Propheten im hellen Licht der Geschichte stehen. Für andere Gottesboten sind ähnliche Situationen anzunehmen. Die knappe Bemerkung, daß Jesaja die empfangene göttliche Kundgebung verschließen, die Lehre in seinen Jüngern versiegeln müsse92, wird auf analoge Erfahrungen zurückweisen, des83

81 85 83

A m 7 10-17 J e s 3 12 f. 28 7 - 2 2 Mi 3 5 - 1 2 J e r 23 9 - 3 2 1 9 2 6 7 1-15 E z 13. In der Moseüberlieferung wird dies Moment in N u m 12 und 16 vorausgesetzt. Vgl. audi I R e g 22, ferner Zeph 3 3 f. H o s 4 4-10 5 1 6 9. Vgl. zur Sache audi O . Plöger, Priester und Prophet, Z A W 63 (1951), 157—192, und die Literatur dort. J e r 20 2. J e r 20 2. J e r 37.

87

J e r 11 18-23; vgl. 18 18 20 10.

88

J e r 26 9 37 13 f. J e r 15 10-18.

89 90

J e r 15 15-16 17 15-18.

91

J e r 20 7-9. Zu der A u f f a s s u n g von H . G r a f Reventlow zu diesen Stellen vgl. S. 30. Jes 8 16.

92

Widerstand und Jüngerbildung

67

gleichen das gegen Mika93 und Arnos'4 gerichtete Redeverbot. Auch im Leben Hoseas können sich Konflikte dieser Art abgespielt haben95, wenn man einmal davon absieht, daß tragische persönliche Geschicke dieses Propheten und etwa auch Ezechiels eine besondere Bedeutung für die Verkündigung dieser beiden Jahweboten hatten 96 . Das differenzierte Phänomen prophetischen Leidens muß den Tradenten als ein entscheidendes Merkmal im Leben eines Gottesmannes aufgefallen sein, denn wir sehen sie bis in die Mosetradition hinein bemüht, es festzuhalten". Die Aufzeichnung und Überlieferung von Einzelheiten krisenhafter Widerfahrnisse und etwaiger Anfechtungen, welche die Geschichte der Prophetie bald verhalten, bald betont begleiten, verdeutlichen, in wie hohem Maß die in verschiedenen Berufungsberichten apostrophierte Märtyrersituation als wesenhafte, von starker Zeugniskraft erfüllte Legitimation prophetischer Existenz empfunden worden ist. Das Bestreben, Dokumente leidvoller Anfechtung, ja selbst die an Blasphemie grenzenden Gebetsmotive Jeremias98 nicht untergehen zu lassen, läßt sich nur erklären, wenn man annimmt, daß an ihnen das Moment prophetischer Bewährung in besonderer Weise wahrgenommen wurde. Hätten die Tradenten solche Äußerungen in irgendeinem Sinn als „unwürdig" angesehen, als „Tiefpunkt" 99 oder auch nur als „Selbstdemütigungen" des Propheten 100 mit pädagogischem Akzent 101 , wäre ihre Erhaltung im Kanon ebensowenig zu verstehen wie die Hervorhebung analoger Züge etwa in der Elia-102 und Moseüberlieferung10'. Schon G. Quell hat den Versuch abgewehrt, Berichten dieser Art eine rationale, belehrende Einsicht abzugewinnen in dem Sinn, daß sie am Ende doch das Obsiegen der „Stimme der Selbstbesinnung und der Vernunft" 104 evident machen sollen105. In der Tat erscheint nicht nur in den Gebeten Jeremias das Standhalten des Angefochtenen als Rettung, 83

Mi 2 6. A m 7 13-16; vgl. 2 12. 85 H o s 9 7-8. •• H o s 1 und 3 Ez 24 15-27. 87 N u 11 1 1 - 1 5 12 2 16; man vergleiche auch die Leidenszüge im Bild Elias I Reg 19 und den Bericht über die Kontroverse zwischen Mika ben Jimia und den 400 Kultpropheten, die dem Immediatkünder des göttlichen dabar Gefängnis und Notration eintrug I Reg 22, 27. 84

88 88 100 101 101 105 JM 105

5*

Vgl. vor allem Jer 15 16-18 20 7-9.14-17. W. Rudolph, Jeremía, 109. A.a.O. 134. P. Volz, Jeremia, 176. I Reg 19. N u 11 11-15 12 2. W. Rudolph a.a.O. 109. Wahre und falsche Propheten, 1952, 90. Vgl. dazu vor allem Jer 15 19-21 12 5.

68

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gewirkt durch die unmittelbare Reaktion, die Jahwe seinem bedrohten Boten gewährte. Formgeschichtlich ist in diesem Zusammenhang die als Jahwewort formulierte Antwort auf die Klage Jeremias, von dem berufenden Gott betrogen und in die Irre geleitet zu sein, von höchstem Belang 108 . An ihr erweist sich nichts Geringeres als die von Jeremia fixierte und von den Tradenten angenommene Gewißheit, daß das Obsiegen in akuter Glaubensgefahr kein rationales, sondern ein radikal irrationales Ereignis war: die erneute, für die erteilte Aufgabe standfest machende Bemächtigung durch den Gott, von dem der Prophet sich verlassen wähnte 107 . Für die Klage über den Trug Gottes, die als Lästerung empfunden werden müßte, wäre sie nicht dem Gebet anheimgegeben, ließe sich wohl auch kaum ein kultisch-liturgischer Haftpunkt postulieren. Schwerlich wird man annehmen dürfen, daß eine Anfechtung dieser Art im gottesdienstlichen Repertoir vorgesehen war. Noch weniger läßt sich vorstellen, wie sie durch den formalen Kultspruch eines beamteten Heilssprechers überwunden werden sollte. Es entspricht dem ganzen Schwergewicht solcher Anfechtung, daß die Gewißheit ihrer Überwindung mit der bekannten Eröffnung des Botenspruches „Also hat Jahwe gesprochen" verbunden wurde. Diese „Formel" steht genau an der Stelle, wo im Rahmen der Klagepsalmen 108 vor der Wende der Klage in die Vertrauensäußerung oder den Dank der Zuspruch des Kultpropheten oder das Heilsorakel des Priesters postuliert zu werden pflegt. Die Einführung der Botenformel in die Klagen Jeremias kennzeichnet das Bemühen, die Wende des Propheten aus der Krise ins Vertrauen als einen vom Ritual beamteter Heilssprecher unabhängigen Vorgang verstehen zu lassen. Der Wandel des Tremendum numinoser Leidenserfahrung an Gott zum Faszinosum der Rettung durch Gott konnte kaum nachdrücklicher zum Ausdruck gebracht werden. Sachlich liegt in ihm ein Bekenntnis zur Macht Jahwes, die im Bestehen der Glaubenskrise seines Boten wahrnehmbar wurde. Sein aller Anfechtung und Bedrohung trotzendes Ausharren in der von Jahwe zugewiesenen Position, sein Durchhalten der Belastung, im gegebenen Augenblick den Vertretern der sakralen Institution und der von ihnen bewahrten Überlieferung widerstehen zu müssen, war ihm selbst und denen, die seine Zeugnisse tradierten, weniger ein Erweis

,0>

107 103

Jer 15 18 in 20 ll abgewandelt in ein Bekenntnis des Propheten zu Jahwe als dem gewaltigen Helden; doch vgl. auch das Jahwewort im Rahmen der Klage in 12 5. 15 19. Die enge Beziehung der Konfessionen Jeremias zu diesen ist seit langem aufgefallen. Die unübersehbare individuelle Komponente der Klagelieder Jeremias ist sdion von W. Baumgartner mit einleuchtenden Gründen im Rahmen einer gattungsgeschiditlichen Analyse des Materials hervorgehoben worden: Die Klagegedidite des Jeremia, 1917.

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69

prophetischer Bewährung im Sinn einer Leistung als des bewahrenden göttlichen Eingriffs in das Leben des berufenen Künders, eines Eingriffs, der das Scheitern an der ihm gestellten Aufgabe wirksam verhinderte. Daß die Krise an Gott im Gebet zu Gott bewältigt wurde und daß dieser Vorgang den Boten unwiderruflich an die Sache des berufenden Gottes fesselte, muß dem Betroffenen und den Tradenten das vermittelt haben, was das Alte Testament KVD ZU nennen pflegt: das Widerfahrnis des Außerordentlichen, Unerklärlichen, Nichtmanipulierbaren, des Wunders schlechthin, das sich hier, losgelöst von materiellen Komponenten, im Reich des Geistes ereignete. Es konnte unter den gegebenen Umständen nur verstanden werden als Handeln Jahwes an, mit und durch den Menschen, den er sich ersehen hatte, d. h. als eindrucksvolle göttliche Beglaubigung des Prophetischen und seines jeweiligen Trägers. Hier liegt die Wurzel der Wirkungskraft des leidenden Gottesmannes. Sie hat in den sogenannten Ebed-Jahwe-Liedern Jes 42 1-4 49 1-6 50 4-9 52 13-53 12 ihren eindrucksvollsten Niederschlag gefunden. Diese Kapitel gehören zu den rätselhaftesten und umstrittensten Abschnitten des Alten Testaments. Die Forschung der Vergangenheit und Gegenwart ist von einer übereinstimmenden Meinung zu den vielen sie betreffenden Einzelfragen, nicht zuletzt zum Problem ihrer Abgrenzung, weit entfernt 109 . Sie dürfen im vorliegenden Zusammenhang auch größtenteils auf sich beruhen. Ein entscheidendes Ergebnis der vielseitigen Bemühungen um die Erhellung dieser Lieder kann jedoch Ausgangspunkt einer Überlegung werden, die für das verhandelte Problem nicht ohne Belang ist. Es ist die Tatsache, daß sich alle Abschnitte, deren Mittelpunkt die Ebed-Figur ist, einer eindeutig zwingenden Gattungsanalyse hartnäckig widersetzen110. Sie lassen sich keinem Typus zuweisen, der ihnen einen „Sitz im Leben", einen Ort praktischen Gebrauchs, etwa einen kultisdiliturgischen Haftpunkt zu sichern vermöchte. Das bekenntnishafte und das beschreibende Element haben andere Gattungszüge, wo sie vorhanden sind, in den Hintergrund gedrängt. Die

,M

Zur ersten Einführung in ihre Problematik vgl. die einschlägigen Einleitungen von O. Eißfeldt, 1964», und E. Sellin-G. Fohrer, 1965 10 , und die Literatur dort.

110

Die kontroversen Auffassungen sind größtenteils registriert bei O. Kaiser, Der königliche Knecht, 1959. Richtungweisend für die Gattungsanalyse im deutschen Sprachraum war vor allem J. Begrich, Studien zu Deuterojesaja, 1938 (Nachdruck 1963). Zur ausländischen Literatur vgl. vor allem J. Lindblom, The Servant Songs in Deutero-Isaiah, 1951; H . H . Rowley, The Servant of the Lord and other Essays on the old Testament, 1952; C. R. North, The Suffering Servant in DeuteroIsaiah, 1948; I. Engnell, The Ebed Jahwe Songs and the suffering Messiah in Deutero-Isaiah", Bulletin of the John Rylands Library 31 (1948), 54—93; S. Mowinckel, H e that cometh, 1956. Für die skandinavische Schule ist die kultisch-mythische Deutung der Ebed-Gestalt repräsentativ, wenn auch nicht allgemein vertreten.

70

Widerstand und Jüngerbildung

Art des Knechtes ist in 42 1-4 im Stil der Selbstreflexion Jahwes dargestellt worden. Sie vermittelt einen starken Eindruck von der unmittelbaren und engen Jahwebeziehung eines „Gottesmannes", den Jahwe selbst als „seinen" Knecht, „seinen" Erwählten, als Empfänger „seines" Geistes deklariert, der an den Völkern einen Auftrag teils belehrenden, teils bezeugenden, teils bewahrenden Charakters auszuführen hat und im Vollzug seines Wirkens göttlichen Wohlgefallens versichert sein kann. Das akklamatorische Bekenntnis Jahwes zu seinem Ebed verleiht dieser Gestalt phänomenologisch die Züge eines Propheten. Dem entspricht das Bekenntnis des berufenen Knechtes zu dem berufenden Gott in 49 1-6. Es sind in diesem Abschnitt zwar Wesensmomente des Dankliedes 111 , der N o t - und Errettungsschilderung, die f ü r die Klage typisch ist, festgestellt worden 112 , aber nirgends erscheint die Hinwendung zu Jahwe mit der Bitte um Befreiung, die im Rahmen einer Klage zu erwarten wäre 113 . Es bleibt bei dem Wissen um den Auftrag und bei dem Bekenntnis: Mein Gott ward meine Stärke! Das abschließende, die Aufgabe der Heilskündung fixierende Jahwewort am Schluß von 49 1-0 liegt in der inneren Konsequenz dieser Konzeption. Aus ihr spricht die Kraft des Bewußtseins, berufen zu sein, dem sich das in v. i eingegangene Standhalten in der Anfechtung assoziiert. Beide Elemente sind in 50 4-9 typisch miteinander verbunden, und demzufolge ist gerade dieser Abschnitt besonders spröde gegen eine gattungsgeschichtliche Einordnung. Mag man die Klage an ihm heraushören 114 , so fehlt doch auch hier das Sichbeklagen, die Bitte um Errettung, die dem Klagelied eigen ist115. Der Ebed konstatiert und umschreibt seinen Zustand als den eines Berufenen, dem Jahwe das Ohr weckte und die Zunge des Jüngers verlieh, der darum nicht zurückweicht, den Schlagenden seinen Rücken, den Raufenden seine Wange bietet, der gleichwohl keine Klage erhebt, weil er gewiß ist, d a ß Jahwe ihm Redit schaffen und ihm helfen werde. Das läßt ihn ein kieselhartes Antlitz bewahren, mit eisernem Widerstand dem Angriff der Umwelt, der körperliches Leiden bedeutet, standhalten. Es ist die an Berufung und Aufgabe erfahrene und bewältigte Krise, die hier laut wird. Das konstatierende, bekenntnishafte Element dieser Lieder, die an den Knecht ergehende Aufgabe, Mittler heilvoll universaler Botschaft zu sein, seine Bestäti-

1.1 1.2 1.3

1.4 115

J. Begrich a.a.O. 140. A.a.O. 140 f. Vgl. C. Westermann, Struktur und Geschichte der Klage, Z A W 66 (1954), 44—80. Westermann betont im Hinblick auf 42 1-4 im Anschluß an O. Kaiser das Moment der königlichen Designation (ATD 19, 1966, zur Stelle). A.a.O. 54 und 146. C. Westermann a.a.O. und A T D (1966) zur Stelle, w o besonders die Anklänge an das Vertrauenslied betont werden.

71

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gung durch Jahwe, erlittene und bestandene Märtyrersituation lassen Hie mit solchen Zügen profilierte Gestalt wesenhaft als eine prophetische erscheinen 119 . Die Frage, wer der Knecht sei, ob er eine historisch fixierbare individuelle oder eine kollektive, eine im praktischen Sinn prophetische oder gar eine königliche Figur verkörpere, bleibt von dieser Feststellung zunächst unberührt. Sie ist viel diskutiert und sehr kontrovers beantwortet worden, ein Sachverhalt, der die ziemlich exakte Auskunft in sich birgt, daß dies Problem nicht mit Sicherheit beantwortet werden kann. Naturgemäß erhöht dieser Befund das Schwergewicht des Typischen, das die erkannten Züge den Ebed-Liedern verleihen. Das Urbild des prophetischen Menschen, das in ihnen wirksam ist, konnte sie demgemäß transparent werden lassen für historische Größen, an denen prophetische Wesenhaftigkeit in Erscheinung trat. Diese den drei ersten Liedern eigenen Akzente sind auch bestimmend für das höchst differenzierte vierte Lied in Jes 52 13-53 12. Formal läßt sich auch dieser Abschnitt keiner Gattung zuweisen, die Rückschlüsse auf einen festen „Sitz im Leben" zuließe. Mehr als Anklänge an den T y pus des Bußpsalmes 117 und des Totenliedes 118 lassen sich kaum feststellen. Die enge Zusammengehörigkeit der Ebed-Dichtungen zeigt sich an dieser vierten und umfangreichsten vor allem daran, daß sie gleich den

Das prophetische Element der Lieder ist in der T a t von niemandem ernsthaft bestritten worden. S. Mowinckel hat es betont herausgestellt (Der Knecht Jahwes, 1921), und es ist seitdem ein stehender Zug der Interpretation auch dort, wo die königliche Komponente im Bild des Knechtes vordringlich betont wird und unabhängig davon, ob der Ebed kollektiv auf Israel gedeutet wird (in neuerer Zeit wieder von O . Kaiser, doch vgl. auch L. G . Rignell, A Study o f Isaiah, 1956; O . Eißfeldt a.a.O. 4 5 9 u. a.), individuell auf Deuteroiesaja selbst ( J . Begrich, in neuerer Zeit wieder E . von Waldow, Anlaß und Hintergrund der

Verkündi-

gung Deuterojesajas, 1 9 5 3 ) ; vgl. hierzu vor allem die Modifizierung der Auffassung S. Mowinckels 1921 und 1931 (Die Komposition des deuterojesajanischen Buches Z A W 49 [ 1 9 3 1 ] , 8 7 — 1 1 2 . 2 4 2 — 2 6 0 ; vgl. zur Sache ferner: H e that cometh, 1956, 187 f f . 213 ff. 218 f.) oder messianisch (so vor allem in der katholischen Forschung, vgl. J . Fischer, Das Buch Isaias, 1939; J . S. van der Ploeg, Les chants du Serviteur de J a h w i dans la seconde partie du Livre d'Isai'e, 1936, u. a.). Auf den bekenntnishaften Typus des zweiten und dritten Liedes hat auch J . Lindblom hingewiesen. E r berücksichtigt jedoch nur die autobiographische Seite dieses Bekenntnisses (a.a.O. 25 f f . 35). 117

H . Greßmann, Der Messias, 1929, 305 f.

118

H . J a h n o w , Das hebräische Leichenlied

im Rahmen

der Völkerdichtung,

1923,

256 f f . Vgl. dagegen J . Begrich a.a.O. 62 ff., der Züge der Klage und des D a n k liedes nachzuweisen versuchte. O. Kaiser hat daneben auf Elemente des Heilsorakels, auf den „Mischstil" in 53 7-10 und den „paränetischen Charakter" Liedes hingewiesen, a.a.O. 88.

des

72

Widerstand und Jüngerbildung

drei anderen den deklaratorischen Stil der Berichterstattung bekenntnishaften Charakters aufweist. Eine tiefgreifende Variante liegt im Wandel des Subjekts. Obwohl auch hier die göttliche Bestätigung des Ebed eine gewisse Rolle spielt, ist es gleichwohl nicht das Bekenntnis Jahwes zu seinem Knecht, noch das des Knechtes zu Jahwe, das den Leser vordringlich erreicht. Es ist eine redende Gemeinschaft, eine am Wir-Stil faßbare konsolidierte Gruppe, die sich zu der Gestalt bekennt, die das vierte Lied nur in schattenhaften Umrissen in Erscheinung treten läßt. Diese Umrisse skizzieren das Bild eines Leidenden, eines Schmerzensmannes, der zerstört und entstellt 119 , geschlagen120, gezüchtigt121, verachtet und verlassen122 war, gepeinigt gleich einem Schaf, das zur Schlachtbank geführt wird 123 , der H a f t und Gericht übergeben wurde 124 , schließlich ausgetilgt aus dem Land der Lebendigen 125 und bei Frevlern bestattet 126 . Ein Bekenntnis Jahwes zu diesem Geschlagenen ist zunächst in 52 13-15 knapp angedeutet, empfängt jedoch kein Eigengewicht im Zusammenhang. Es steht als vorausweisendes Motto über dem Gesamtgefüge dieses Liedes: „Mein Knecht wird sich erheben 127 , wird erhaben und sehr hoch sein." Schon der folgende v. u leitet in die entscheidende Vorstellung ein, daß die als Völker und Könige spezifizierten „Vielen", die sich einst über den Entstellten entsetzten, eine Wandlung 128 erfahren, in eine Reaktion des Erstaunens ausbrechen werden, weil sie, sehend und hörend, an dieser Gestalt nunmehr wahrzunehmen vermögen, was ihnen zuvor nie berichtet wurde und was sie nicht in den Umkreis ihrer Beachtung zu ziehen vermochten. Schon an diesen präliminarischen, als Jahwerede konzipierten Sätzen wird eine Orientierung an der Geschichte des Ebed, die „erzählt" werden kann und muß, vorausgesetzt.

119 120 121 122 123 124 125 126

127

52 14. 5 3 5. 53 5. 5 3 3. 5 3 7. 53 8. 5 3 8. 5 3 9. Den Zug, daß er mit Krankheit vertraut war (53 3), wird man nicht pressen dürfen. Er ist dem Gesamtbild des durch Umwelteinwirkung Geschändeten nur lose angegliedert, zudem unter Einwirkung von 53 4 — er trug unsere Krankheit — möglicherweise bildlich gemeint. Eine Tilgung von OlT 1 mit GL ist möglich, aber nicht zwingend erforderlich. T

128

V. 15

nr

»er wird sie besprengen" würde eine Entsühnung voraussetzen, die in

der Tat im folgenden angenommen wird. Das Verb ist schon in G und L anders verstanden und seitdem viel geändert worden. Vgl. BHK 3 .

Widerstand und Jüngerbildung

73

Man darf wohl mit Recht fragen, ob die universale Perspektive, daß Könige und Völker diese Orientierung vollziehen, ein primäres Element innerhalb der Vorstellungswelt dieses Liedzusammenhanges ist129. Sachlich ist sie insofern berechtigt, als der oder die Verfasser des komplizierten Textgefüges von Jes 52 13-53 12 ein deutliches Bewußtsein hatten von der durchschlagenden, immer gültigen und demzufolge universalen Uberzeugungsgewalt des geschilderten Knechtes, der sie selbst in ihren Bann gezogen hatte. Auffallend bleibt jedenfalls, daß die im Wir-Stil redende Gruppe, die sich in 53 1-10 zu dem Ebed in bekenntnishafte Beziehung setzt, im Rahmen dieses Abschnittes weder differenziert noch universal apostrophiert worden ist. Sie redet und erscheint hier als „Gemeinde" derer, die von dem Faszinosum der Wirkung des leidenden Gottesmannes ergriffen wurde. Daß es sich um einen solchen handelt, kann nicht bezweifelt werden und ist vor allem aus einer abschließenden Jahwerede in den Versen 11-12 zu entnehmen. Deklaratorisch bestätigt hier Jahwe nochmals „seinen Knecht", und zwar mit einer Feststellung, die den Ebed nicht als Dabarmittler, als Geistträger und Rechtskünder beschreibt, die ihn vielmehr in einzigartiger Weise als denjenigen herausstellt, durch dessen Tun Recht, Schalom, Heil gewirkt wird für die „Vielen", deren Verfehlung er trug, deren Sünde er aufhob und für deren Frevel er eintrat. Martyrium und Tod scheinen sowohl in der Jahwerede (v. 12) als auch im Bekenntnis der Gruppe (v. 7-10) das Siegel der Existenz dieses Gotteszeugen gewesen zu sein. Die Frage, welche spezielle Konkretisierung hinter dem leidenden Ebed von Jes 53 anzunehmen sei, erscheint unerheblich gegenüber der fundamentalen Wirkungsmächtigkeit, die von ihm ausging. An einem unbekannten, seiner prophetischen Berufung bis zum Tod getreuen Gottesboten entzündete sich eine Kontaktüberwältung, die den Betroffenen, der redenden Gruppe von 53 1-10, den eigenen Widerwert erfahrbar machte und ihr das Urteil abnötigte: Fürwahr, unsere Krankheit nahm er auf sich, er ward durchbohrt für unsere Verfehlungen, gezüchtigt für unser Heil. Daß der Ebed um ihres Frevels willen zerschlagen wurde und seine Striemen ihnen Rettung wirkten, ist das Regulativ einer Selbstbeurteilung, die die Redenden vorher nicht hatten, die sich ihnen jedoch angesichts des als Gotteszeugen Gemarterten aufdrängte. Die unverrückbare Objektivität, das Unbestreitbare und das Unableitbare dieser Einsicht dokumentieren die deklaratorischen Jahweworte am Anfang und am Schluß des Liedes. Der Erfolg des Knechtes, sein An129

An die Aussonderung von 52 13-15 haben schon M. Schien (Die Ebed-Jahwe-Lieder in Jes 40—66, 1895) und L. Laue (Die Ebed-Jahwe-Lieder im 2. Teil Jesaja exegetisch-kritisch und biblisch-theologisch untersucht, 1898) gedacht; vgl. auch W. Staerk, Die Ebed-Jahwe-Lieder in Jesaja 40 ff., 1913.

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Widerstand und Jüngerbildung

teil an den „Vielen", deren Sünde er trug, seine mitreißende missionarische Wirkungsgewalt, in 52 14-15 universal auf Völker und Könige ausgeweitet, erscheinen in der Form der Jahwerede als göttlich autorisierte Fakten. Daß sie in dieser Weise beschrieben werden konnten, läßt sich nur erklären, wenn man annimmt, daß die Redenden sie an sich selbst in dieser Weise erfahren hatten. Das Bekenntnis, das Leben des Knechtes sei 'asam, Schuldopfer, gewesen, und das Urteil, Jahwe werde durch seine Vermittlung „durchdringen", Erfolg haben, mußten sich aus der Prämisse solcher Erfahrung wie eine zwingende Schlußfolgerung ergeben. Sie war bündig und beweiskräftig für alle diejenigen, denen der gemarterte Gotteszeuge das Regulativ der Selbstbeurteilung, die Erkenntnis des eigenen Widerwertes, die keine moralische, sondern eine numinose war, unwiderleglich aufnötigte. Die Kontaktüberwältigung, die von dem leidenden Gottesmann ausging, wurde der Impuls zur Gemeindebildung unter dem Vorzeichen der Einsicht: zerschlagen für unsere Sünde. Sie wirkte den radikalen Umbruch, erkennbar zunächst an der gewandelten Position zu dem Ebed, der vor dieser Wende als der von Gott Gestrafte, als der Verworfene und Verurteilte angesehen wurde 130 . Nach der Wende jedoch setzte er das Richtmaß einer Selbsteinschätzung, die davon ausging, daß eigene Verwerfung und Verurteilung fällig gewesen wären, wenn nicht der Knecht, sich selbst als 'asam einsetzend, Rettung gewirkt hätte. Diese inneren Vorgänge und Urteilswandlungen, zusammengefaßt in dem Zeugnis, der bis zum Tod Getreue werde Nachwuchs sehen und die Sache Jahwes durch ihn zum Durchbruch gelangen (53 10), markieren das Kraftfeld der Wirkungsmadit des „leidenden Propheten". In denjenigen, die von ihr ergriffen wurden, setzte sie sich mit richtungweisender Gewalt durch. Sie zwang die Gruppe derer, die von sich urteilte, daß sie zuvor wie Schafe in die Irre gingen, ein jeder auf seinen Weg gewandt (53 6), zu jener „Wir"-Gemeinschaft zusammen, die in Jes 52 13-53 12 neben vielen Rätseln das unverkennbar deutliche Zeugnis ihrer durch den leidenden Propheten ausgelösten inneren Transformation hinterließ. Es charakterisiert sie als Jünger dieses Propheten, der ihnen eine Selbstbeurteilung und eine Gottesbeziehung vermittelte, von der sie vor130

5 3 3-4. G. v. Rad verweist auf analoge Züge im Bild des Mose, das im Deuteronomium entworfen wird (Dtn 3 23-28 4 21-22), und bemerkt bedeutsam dazu: „Das Deuteronomium will seine Leser rühren mit dem Bild des Mannes, der in großer Angst den Zorn aufgefangen hat und der stellvertretend den Tod außerhalb des verheißenen Landes erleiden wird" (Theologie des Alten Testaments, II 1961, 289. Vgl. 273 f.). Den bekenntnishaften Stil der Redenden und die Wandlung ihres Urteils hat neuerdings auch C. Westermann mit Nachdruck betont und in anderen Bezügen erörtert (ATD 19, 1966, zur Stelle).

Widerstand und Jüngerbildung

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her nichts wußten. Sie einte einst beziehungslos nebeneinander Existierende zu einer Gemeinde miteinander Lebender. Ihre Einung beruhte auf dem gemeinsamen Bekenntnis schuldhaften Seins und auf dem Widerfahrnis rettender Mächtigkeit, von dem sich die Träger dieses Zeugnisses angesichts des leidenden Gottesboten ergriffen wußten. Der innere Zusammenhang der schon von B. Duhm aus dem übrigen Textgefüge ausgesonderten Ebedlieder liegt in den bekenntnishaften Bezügen, die zunächst den berufenden Gott und den berufenen Menschen einen (42 1-4 49 i-6 50 4-9) und schließlich die Vielen in diese Einung einbeziehen (52 13-53 12). Die Erteilung prophetischer Aufgabe (42 1-4), ihre bedingungslose Annahme (491-6 50 4-9) und die Überwältigung der Vielen angesichts ihres Vollzuges (52 13-53 12) sind hier im Vorgang ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander deutend erfaßt worden. Die entscheidenden Merkmale prophetischer Existenz und prophetischer Wirkungsmacht: Berufung, Widerstand, Ergebung und Jüngerbildung haben in der bekenntnishaften Form dieses Liedzyklus ihren typischen und wesenhaften Ausdruck gefunden. Die formal und inhaltlich gleichermaßen starke Intensität des Typischen 131 ließ die anregende historische Gestalt, auf die sich die Dichtungen ursprünglich bezogen haben, völlig in den Hintergrund treten 132 . Das vertiefte die ihnen eigene Tendenz ins Urbildhafte und förderte die Neigung, geschichtliche Träger prophetischer Wesenhaftigkeit in kollektivem oder individuellem Sinn in ihnen verkörpert zu sehen.

131

132

Vgl. hierzu auch G. Fohrer, Tradition und Interpretation im Alten Testament, Z A W (1961), 19. Vgl. das anlöge, freilich auf ganz anderen Prämissen beruhende Ergebnis der Analyse J. Lindbloms, das darauf hinausläuft, es sei nicht zu fragen, wer der Ebed sei, sondern was er bedeute (a.a.O. 48 ff.). Lindblom hat aus dieser Einsicht die Konsequenz gezogen, der Ebed symbolisiere das leidende Israel des Exils und seine universale Aufgabe an den Völkern, d. h. er hat sich der kollektiven Deutung in modifizierter Form angeschlossen.

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V I . Das Ergebnis als Aufgabe der Traditionsanalyse Das vorgeführte Material, das sich erweitern ließe1, erwies sich nach Form und Inhalt nachhaltig geprägt von der Wirkungskraft einzelner, über die Gesamtheit und die institutionellen Ordnungen hinausgehobener Menschen. Sie wußten sich in verschiedener Weise von Jahwe gerufen, redend und handelnd die Bedingungen ihrer geschichtlichen Stunde dem Unbedingten göttlichen Anspruches und göttlicher Weisung zwingend einund unterzuordnen. An der von ihnen ausgehenden Bemächtigung, die in den Quellen einen differenzierten Niederschlag fand, zeigte sich je und je „der" Prophet als der von Jahwe Überwältigte, der eine nicht mehr bestimmbare Anzahl seiner Hörer in seinen Bann zu ziehen und der Sache seines Gottes zu verpflichten vermochte. Dieser Sachverhalt scheint zu der Konsequenz zu nötigen, daß sich die Lebenskraft des Jahweglaubens durch das Medium des prophetischen Menschen fortpflanzte. Schwerlich waren es dann geschichtliche Konstellationen als solche, institutionelle Ordnungen oder „Traditionsballungen" 2 , die wesenhaft entscheidend für die ins Universale drängende Stoßkraft dieses Glaubens zu werden vermochten. Der gottüberwältigte Mensch wurde — soweit unsere historische Sichtweite reicht — in mannigfaltiger Weise zum Stimulans der Überwältigung der Vielen; und er vermochte es zu werden, weil er die geschichtlichen Konstellationen, die überkommenen Institutionen und Ordnungen — so weitreichend und differenziert ihre Wirkungsbreite auch immer sein mochte — der geglaubten Geschichtsmächtigkeit seines Gottes unterordnete, indem er die vorhandenen Gegebenheiten aus dieser Voraussetzung kritisierte und seinen Zeitgenossen in neuer Weise aktualisierte. Es erhebt sich die Frage, ob nicht eben dies das urtümliche Wesensmoment des Jahweglaubens war, das ihn im Wandel der Zeiten und inmitten der Werbekraft fremder Glaubenswelten vor synkretistischer Auflösung zu bewahren vermochte. Dann wären die Gestalten der Frühzeit, vor allem aber die Traditionen unter diesem Gesichtspunkt erneut zu prüfen. Tradition und Institution verkörpern den anonymen Bereich. Dürfen wir annehmen, daß der Jahweglaube jemals seine Kraft aus die-

1

1

Auf Stoffe, die in diesem Zusammenhang beigezogen werden könnten, hat schon G. v. R a d hingewiesen: Theologie des Alten Testaments, II 1961, 58 f f . und 178. K . Koch, Der Tod des Religionsstifters, Kerygma und D o g m a 8 (1962), 109.

Das Ergebnis als Aufgabe der Traditionsanalyse

77

sem Bereich zog? Die Traditionen selbst verneinen diese Frage, und die analysierten Abschnitte bestätigen dies Urteil der Uberlieferung. Diese Einsicht müßte die Aufmerksamkeit erneut auf Mose richten, den Mann, dessen Haftpunkt in der Uberlieferung seit den Arbeiten M. Noths sehr umstritten ist. Auf Grund traditionsgeschichtlicher Prämissen erscheint er im Urteil neuzeitlicher Forschung mehr oder weniger als verbindende Figur, durch die verschiedene Überlieferungen sekundär den Charakter der Einheitlichkeit empfingen3. Es liegt in der Linie dieser Auffassung, daß er als Religionsstifter für tot erklärt werden konnte. Nun erhebt sich aus der Analyse der beigezogenen Texte die Frage nach dem ersten Berufenen, von dem aus sich die Gottüberwältigung und ihre Wellenwirkungen durch anonyme Bereiche hindurch fortsetzten bis zu den Punkten, wo wir sie im hellen Licht der Geschichte zu erkennen vermögen. Mehrfach hatte sich auf dem zurückgelegten Weg der Interpretation die Annahme einer langen Vorgeschichte der betrachteten Erscheinungen aufgedrängt. Wo sind ihre Spuren und durch wen ist der auslösende Impuls zu dem Phänomen der prophetischen Bewegung gesetzt worden? Die gewonnenen Einsichten müßten dazu nötigen, eine Gestalt, die den entscheidenden Anstoß gab — den ersten Berufenen —, zu postulieren, wenn die Überlieferung nicht um eine solche Gestalt wüßte. Daß sie darum weiß, ist in hohem Maß auffallend und macht die Frage nach Mose und der Bedeutung von Ex 3 und 6 zum Angelpunkt der Ausschau nach dem ersten prophetischen Menschen. Dogmatisch geurteilt ist es die Frage nach der Offenbarung und ihrer ersten überzeugenden Erscheinung, die sich hier mit unabweisbarer Dringlichkeit stellt.

s

Seine Zuordnung zu bestimmten Traditionen und seine Wesensbestimmung als Religionsstifter sind neuerdings vor allem auf Grund literarkritisch orientierter Arbeiten versucht worden, vgl. S. 6 und vor allem Th. C. Vriezen, D e godsdienst van Israel, 1963, w o diesem Problem ein eigener Abschnitt gewidmet ist; vgl. die englische Übersetzung: The Religion of ancient Israel, 1967, 135 ff.

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