Vorlesungen über die Philosophie des Rechts I: Kollegien der Jahre 1817/18, 1818/19, 1819/20 9783787334148, 9783787318643

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Vorlesungen über die Philosophie des Rechts I: Kollegien der Jahre 1817/18, 1818/19, 1819/20
 9783787334148, 9783787318643

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H ege l · Ge sa m m e lt e W e rk e 2 6 ,1

GEORG W I L H ELM f RI E DRICH H EGEL

ge sa m m e lt e w e rk e

i n v e rbi n du ng m i t de r

DEUTSCH EN FORSCH UNGSGEMEI NSCH AFT h e rau s g e g e be n von de r

nordrh e i n -w e st fä lisch e n a k a de m i e de r wis se n sch a f t e n u n d de r k ü n st e

ba n d 2 6 i n dre i t e i l bä n de n

FELI X ME I NER VERLAG H AMBURG

GEORG W I L H ELM f RI E DRICH H EGEL

Vorl e su nge n ü be r di e Phi l osophi e de s Rech t s

h e rau s g e g e be n von

Di rk f e l ge n h au e r

ba n d 2 6 ,1 N ach s ch ri f t e n z u de n Kol l e g i e n de r J a h re 1817/18 , 1818 /19 u n d 1819 / 2 0

FELI X ME I NER VERLAG H AMBURG

In Verbindung mit der Hegel-Kommission der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste und dem Hegel-Archiv der Ruhr-Universität Bochum Diese Publikation wird als Vorhaben der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste im Rahmen des Akademieprogramms von der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Nordrhein-Westfalen gefördert.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie  ; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über 〈 http  ://portal.dnb.de 〉 abrufbar . ISBN 978-3-7873-1864-3 ISBN eBook: 978-3-7873-3414-8

© Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften , Düsseldorf 2013 Alle Rechte , auch die des auszugsweisen Nachdrucks , der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung , vorbehalten . Dies betrifft auch die Vervielfältigung und Übertragung ein­zelner Textabschnitte durch alle Verfahren wie Speicherung und Übertragung auf Papier , Film , Bänder , Platten und andere Medien , soweit es nicht §§ 53 und 54 URG ausdrücklich gestatten . Satz  : post scriptum , www.post-scriptum.biz. Druck  : Strauss , Mörlenbach . Bindung  : Litges  + Dopf , Heppenheim . Werkdruckpapier  : alterungsbeständig nach ANSI-Norm resp . DIN-ISO 9706 , hergestellt aus 100 % chlorfrei gebleichtem Zellstoff . Printed in Germany . www.meiner.de

INHALTSVERZEICH N IS

W in tersem est er 1817/18 . Nachsch rift Peter Wa n n enm a n n . . . . . . . . 1 Naturrecht und Staatswissenschaft . vorgetragen von G . W . F . Hegel zu Heidelberg im Winterhalbenjahre 1817–1818 P  : Wannenmann stud . jur . 3 Inhaltsanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erstens das abstracte Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erstens Besitz und Eigenthum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2) Der Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3) Das Unrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . tens 2 Die Moralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1) Handlungen und Gesinnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2) Die Besonderen Zwecke, das Wohl und die Absicht . . . . . . . . 3) Das Gute und das Gewissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3) Die Sittlichkeit . (Dritter Abschnitt .) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1) Die Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A) Die Familie als Verhältniß in ihrem BegriVe . . . . . . . . . B) Das Eigenthum und Gut einer Familie . . . . . . . . . . . . C) Erziehung der Kinder und Auflößung der Familie . . . . . . . Zweytens die Bürgerliche Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . A) System des Bedürfnisses . Staatsökonomie . . . . . . . . . . . B) Die Rechtspflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C) Die Polizey . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . tens III Der Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A) Das innere Staatsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die fürstliche Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Regierungsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gesetzgebende Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . B) Das äußere Staatsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C) Die Weltgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5 7 15 17 32 40 54 55 60 68 73 80 81 90 94 98 103 122 137 147 152 171 179 187 210 217

VI

inhaltsverzeichnis

W INTERSEMESTER 1818/19 . NACHSCH RIFT CARL GUSTAV HOMEY ER mit Varianten aus der Nachschrift Peter Wannenmann . . . . . . . . . . Natur- und StaatsRecht . nach dem Vortrage des Professors Hegel im Winterhalbenjahr ¹⁸¹⁸ ₁₈₁₉ von G . Homeyer . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eintheilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erste Abtheilung Das abstrakte Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Besitz und Eigenthum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweytens Der Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III Das Unrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweite Abtheilung Die Moralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I Die Handlung und der Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . II Das Wohl und die Absicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III Das Gute und das Gewissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dritter Theil Die Sittlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erster Theil Die Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erstens – Die Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II Das Eigenthum der Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . III Die Erziehung der Kinder und Auflösung der Familie . . . . . Zweytens Die bürgerliche Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . I System des Bedürfnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II Die Rechtspflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III . Polizey . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dritte Abtheilung Der Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I Das innere Staatsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erstens . Die fürstliche Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . Zweitens . Regierungsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . Drittens . Gesetzgebende Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . II Das aüßere Staatsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III Die Weltgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

227 229 231 233 235 237 255 258 265 268 276 278 279 281 284 288 288 293 295 297 299 303 307 309 309 314 316 317 319 323



inhaltsverzeichnisVII

W INTERSEMESTER 1819/20 . NACHSCH RIFT JOH ANN RU DOLF RINGI ER mit Varianten aus der Nachschrift Anonymus (Bloomington) und NACHSCH RIFT ANON YMUS ( BLOOM INGTON ) mit Varianten aus der Nachschrift Johann Rudolf Ringier . . . . . . . . 331 Philosophie des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Uebersicht der Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eintheilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Theil – Formelles Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigenthum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [Zweiter Theil . Die Moralität] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [Dritter Theil . Die Sittlichkeit] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bürgerliche Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a . Das System der Bedürfnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . b . Die Rechtspflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c . Die Polizey . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e 3 . Kapitel  Der Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a . Das innere Staatsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . α Die fürstliche Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . β Die RegierungsGewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . γ . Die gesetzgebende Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . b . Das äußere Staatsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c . Die Weltgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalts Anzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

340 341 353 356 388 423 452 457 474 490 510 527 538 554 559 577 579 590

AN H ANG Zeichen , Siglen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591

wintersem ester 1817/18 Nachsch rift

Peter Wa n n enm a n n

Naturrecht und Staatswissenschaft . vorgetragen von G . W . F . He g e l zu Heidelberg im Winterhalbenjahre 1817–1818

P  : Wannenmann stud . jur . |

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4 1818] 181 (Textverlust durch Beschnitt)  



inhaltsanzeige5

I n h a l t s a n z e i g e .

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Einleitung . § . 1–10 . p . 1 . und 403–422 . I) Das abstrakte Recht . § . 11–14 . p . 13 . 1) Besitz und Eigen­thum . § . 15–32 . p . 16 . 2) Der Vertrag . § . 33–37 . p .  41 . 3) Das Unrecht . § . 38–49 . p .  53 . II) Die Moralität . § . 50 . 51 . p .  75 . 1) Handlungen und Gesinnungen . § . 52–56 . p .  77 . 2) Die besonderen Zwecke , das Wohl und die Absicht . § . 57–64 . p . 86 . 3) Das Gute und das Gewissen . § . 65–68 . p . 99 . III) Die Sittlichkeit . § . 69–72 . p . 105 . 1) Die Familie . § . 73 . 74 . p . 117 . A) Die Familie als Verhältniß in ihrem BegriVe . § . 75–80 . p . 119 . B) Das Eigen­thum und Gut einer Familie . § . 81–84 . p . 135 . C) Erziehung der Kinder und Auflößung der Familie . § . 85–88 . p . 142 . 2) Die bürgerliche Gesellschaft . § . 89–92 . p . 150 . | A) System des Bedürfnisses , Staatsökonomie . § . 93–108 . p . 158 . B) Die Rechtspflege . § . 109–116 . p . 192 . C) Die Polizey . § . 117–121 . p .  220 . 3) Der Staat . § . 122–126 . p .  241 . A) Das innere Staatsrecht . § . 127–137 . p .  251 . a) Die fürstliche Gewalt . § . 138–140 . p .  287 . b) Die Regierungsgewalt . § . 141–145 . p .  303 . c) Die gesetzgebende Gewalt . § . 146–158 . p .  319 . B) Das äußere Staatsrecht . § . 159–163 . p .  366 . C) Die Weltgeschichte . § . 164–170 . p .  382 . |

2 403–422 .] s . unten 237–253 die Varianten zur Nachschrift Homeyer  

[1]–2

einleitung7

Einleitung . § . 1 .

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Das NaturRecht hat die Vernunftbestimmungen des Rechts und die Verwirk­ lichung dieser seiner Idee zu seinem Gegenstande , seine Quelle ist der Gedanke , der den Willen in seiner freyen Selbstbestimmung erfaßt  ; diese Quelle ist sein göttlicher ewiger Ursprung . A n m  . a)   D a s p o s it i ve R e c h t ist überhaupt ein Recht , welches in einem Staate Gültigkeit hat , und daher als Autorität respectirt werden muß , die durch Zwang oder Furcht oder Zutrauen und Glauben behauptet wird , aber auch durch vernünftige Einsicht gehalten seyn kann . Das positive Recht kann seinem allgemeinen Inhalte nach vernünftig , oder wie es gewöhnlich ist , eine Vermischung von vernünftigen und von zufälligen und willkührlichen Satzungen seyn , welche theils aus Gewalt und Unterdrückung oder Ungeschicklichkeit der Gesetzgeber herkommen , theils sich auch aus einem unvollkommneren Zustande der Gesellschaft noch in einem vollkommneren auf höheres Bewustseyn der Freyheit gegründeten hinüber erhalten haben , indem die Veränderungen | einzeln und nach dem Bedürfnisse des Augenblicks ohne Zusammenhang des Ganzen angeordnet worden sind . b) An das vernünftige Recht schließt sich aber von selbst eine positive Sphäre an , in soferne es geltendes Recht wird und äußerliche Wirklichkeit erhält , theils liegen in der besonderen Existenz eines Volkes eigenthümliche Bedingungen , welche auf die RechtsBestimmungen Einfluß haben , theils aber sind die empyrischen Fälle und Unterscheidungen , auf welche das vernünftige Recht angewendet werden muß zwar in diesem enthalten , aber nicht wirklich ausgedrückt . Je ausgebildeter und verwickelter der Zustand der Gesellschaft ist , desto größer wird die übrigens bloß verständige Erweiterung der besonderen Rechts Bestimmungen  ; ferner führt die reelle Existenz des Rechts eine Vergleichung ganz hederogener Gegenstände herbey , deren einer den Werth des anderen zu vertreten hat , z . B . bey Strafen Dienstleistungen u . s . f . , wo sich über den absolut gleichen Werth nichts festsetzen läßt . c) Endlich erfodert das wirkliche Recht , weil es als wirkliches in schlechthin bestimmter Einzelnheit ist , eine letzte ganz zur Einzelnheit bestimmte Entscheidung , welche durch die Allgemeinheit der Vernunft nicht in diese enge Grenzen eingeschlossen ist . |

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§ . 2 . Die Sphäre des Rechts ist nicht der Boden der Natur , ohnehin nicht der äußern , aber auch nicht der subjectiven Natur des Menschen , in soferne sein Wille von seiner Natur bestimmt in der Sphäre der natürlichen Bedürfnisse und Triebe ist , sondern die Sphäre des Rechts ist die geistige , und zwar d ie S ph ä r e d e r ­F r e y he it   ; in dem Reiche der Freyheit tritt nun auch zwar die Natur ein , in soferne die Idee der Freyheit sich äußert und Existenz gibt  ; aber die Freyheit bleibt die Grundlage und die Natur tritt nur als ein unselbstständiges ein . A n m  .   Der Nahme des N a t u r r e cht s verdient aufgegeben und durch die Benennung philosophischer RechtsLehre , oder , wie es sich auch zeigen wird , Lehre von dem objectiven Geiste , ersetzt zu werden . Der Ausdruck Natur enthält die Zweydeutigkeit , daß darunter 1) das Wesen der BegriV von etwas verstanden wird , und 2) die bewustlose unmittelbare Natur als solche . Unter Naturrecht hat nun das Recht verstanden werden sollen , welches vermöge der unmittelbaren Natur gelte , es hängt damit die Fiction von einem N a t u r z u s t a nd e zusammen , in welchem das wahrhafte Recht existiren soll . Dieser Naturzustand wird dem Zustande der Gesellschaft , und ins Besondere dem Staate entgegengesetzt . Es hat dabey ferner die falsche Vor­stellung geherrscht , als ob die Gesellschaft etwas dem Wesen des Geistes nicht an und für | sich gemäßes und nothwendiges , sondern eine Art von künstlichem Übel und Unglück wäre , und in ihr die wahrhafte Freyheit beschränkt werde . Vielmehr aber ist ein Zustand , welcher Naturzustand wäre , ein solcher , worin entweder überhaupt Recht und Unrecht noch nicht stattfinden , weil der Geist noch nicht zum Gedanken seiner Freyheit gelangt wäre , und mit diesem erst Recht und Unrecht anfinge , oder aber vielmehr , da der Mensch wesentlich als Selbstbewustseyn und mit dem BegriVe des Guten und Bößen existirt , ist der Naturzustand ein Stand der Unfreyheit und des Unrechts , welcher aufgehoben werden muß , und über welchem erst die Freyheit und die Wirklichkeit derselben liegt .

§ . 3 . Die Wissenschaft des Rechts hat den freyen Willen zu ihrem Princip und Anfang . Dieser BegriV fällt daher nach seinem Werden außer derselben und ist 23 Zustand] solcher Zustnd   32 ihrem] seinem  

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somit hier als gegeben aus der Philosophie aufzunehmen . Der Wille enthält 1) das Element als absolute Negativität die reine Un b e s t i m m t h e i t  , oder die reine Reflexion des Ich in sich selbst zu seyn , welche keine Beschränkung , keinen durch die Natur die Bedürfnisse Begierden und Triebe oder durch welche Weise es sey bestimmten und unmittelbar vorhandenen Inhalt in sich hat . Die schrankenlose Unendlichkeit der absoluten Abstraction des reinen Denkens der ­A l l g e m e i n he it  . |

§ . 4 .

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2)  als absolute Negativität ist Ich ebenso das Ü b e r g e he n z u r B e s t i m m t h e i t  , und das Setzen einer solchen , oder eines Unterschiedes als eines Inhalts in sich , dieser sey weiter durch die Natur gegeben , oder reiner BegriV des Ich selbst  ; es ist diß das B e s ch l ie ß e n des Ich , daß es eine Bestimmtheit als sein Wesen setzt , und alles andere dagegen von sich abhält , oder das E nt s ch l ie ß e n  , in sofern alle Bestimmtheit im Ich als a l l g e m e i ne m enthalten ist , und Ich erst durch Setzen seiner selbst als eines bestimmten in das D a s e y n tritt  : Die a b s olut e E nd l ich k e i t oder die Unendlichkeit seiner E i n z e l n h e i t .

§ . 5 .

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3)  Der Wille ist die Einheit dieser beyden Momente . Es ist nur die unendliche Selbstbestimmung des Ich , wodurch es reine Allgemeinheit oder einfache Idendität ist , und es ist nur absolut in sich beschlossene Einsamkeit als es unendlich sich auf sich bezieht , oder schlechthin Idendität und Allgemeinheit mit sich ist . Durch das Entschließen oder den wirklichen Willen schließt Ich fernerhin anderes aus sich aus , reflectirt sich in anderes , indem es sich in sich reflectirt  ; aber hier im Willen als solchem ist zunächst nur diß festzuhalten , daß ich , indem es sich bestimmt ebenso gleichgültig dagegen und allgemein bleibt , Die Bestimmtheit , worin es wirklich ist als die s e i n i g e und id e e l le weiß , als eine | bloße Möglichkeit , durch welche es ebenso nicht gebunden ist , sondern die es unmittelbar aufheben kann .

15 tritt  :] tritt .   20 beschlossene] beschlossenen  

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6–7

§ . 6 . 4)  Diese Einheit ist der Wille , a n s ich oder f ü r u n s , f r e ye r Wille aber ist er insofern er sich selbst zu seinem Gegenstande und Inhalte macht , also sich selbst will , ie , sofern er frey seyn will . So ist er f ü r s ich , was er a n s ich ist .

§ . 7 . Der an und für sich seyende Wille i s t w a h r und absolut , weil er sich bestimmt in seinem Daseyn , ie , als sich gegenüberstehendes das zu seyn , was sein BegriV ist , oder weil der reine BegriV die Anschauung seiner selbst zu seiner Realität hat , er i s t f r e y weil er sich auf nichts anderes , sondern als unendliche Negativität nur auf sich selbst bezieht . Er ist schlechthin a l l g e me i n  , weil in ihm alle Beschränkung und Besonderung der Individualität aufgehoben ist , welche allein in dem Gegensatze des BegriVes oder der subjectiven Seite und ihres Gegenstandes oder Inhaltes liegt . A n m . 1 .   Der nur erst a n s ich seyende Wille ist der n a t ü r l iche Wille überhaupt . Als sich selbst bestimmende Einzelnheit setzt er einen Unterschied in sich . Diß unterschiedene ist 1) ein Inhalt überhaupt 2) hat es die Form , das meinige zu seyn , aber diese Form und jener Inhalt sind im natürlichen Willen noch verschieden , und etwas anderes als ich ist das meinige . Dieser natürliche Wille ist d ie W i l l k ü h r – der Wille in der Sphäre der Begierden Triebe | Neigungen , welche irgend ein äußerlich oder innerlich gegebenes und damit endliches zum Inhalte hat , welches er aufgeben kann , weil es das seinige nur ist durch seine Selbstbestimmung . Aber der andere Inhalt den er an die Stelle des aufgegebenen setzt , ist gleichfalls ein solcher bestimmter  ; Die Willkühr kann daher solchen Inhalt i n s u ne nd l iche fo r t aufheben , aber kommt damit aus der Endlichkeit nicht wieder heraus . A n m . 2 .   Weil der als Willkühr seyende Wille einen gegebenen Inhalt hat , und für sich als ein besonderes dagegen ist , ist er überhaupt s u bje c t i v  . Der Wille dagegen , der sich selbst zu seiner Bestimmung hat ist der mit sich schlechthin idendische Wille , der o bje c t i ve Wille , der Geist in seiner Objectivität . A n m  . 3  .   Der Wille überhaupt ist wesentlich I n t e l l i g e n z  , W i s s e n von sich , und ist nur als reines Wissen freyer Wille  ; die freye Intelligenz aber als theoretisch ist zwar selbstthätig , und ihre Gedanken sind ihre eigenen Productionen , aber in der Gestalt von s e ye nd e n und no t hwe nd i g e n Bestimmungen , der Wille aber hat Zwe ck  , ie , sein Inhalt sind 1) seine

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einleitung11 eigenen Bestimmungen , 2) sind sie als nur mögliche , als d ie s e i n i g e n oder s u bje c t ive n bestimmt , hiermit mit dem Widerspruche gegen seine absolute Objectivität  ; oder dagegen , daß sie nicht auch s i nd  , und diß ist sein Trieb sich zu realisiren , so daß der Wille und die Intelligenz als idendisch sind . | § . 8 .

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Das R e c ht drückt überhaupt ein Verhältniß aus , welches durch die Freyheit des Willens und seine Realisation constituirt ist . Die P f l icht ist ein solches Verhältniß , in sofern es mir als wesentlich gelten soll ich dasselbe anzuerkennen zu achten oder hervorzubringen habe . Der bloße Formalismus des Rechts dem wahrhaften Recht gegenüber entsteht daraus , daß die Realisation der Freyheit Stufen hat oder daß der Geist der Freyheit abstracter oder concreter ist . Im positiven Recht ist Recht was in den Gesetzen ist , im philosophischen Recht ist Gesetz was Recht ist , in ihm ist kein Gesetz Maaßstab für das Recht . Das Gesetz hat den vernünftigen Willen auszusprechen und die Art wie er in Existenz tritt . Das strenge Recht fodert zunächst nur ein negatives Verhalten , obgleich auch positive Handlungen z . B . durch Verträge darin er­ fodert werden können . Das Recht ist heilig , weil es auf der Freyheit des Willens beruht , diß ist auch in der Grundbestimmung vom Wesen Gottes , das Freye der reine Geist ist der GrundbegriV von Gott . Das Recht hat vielfache ­StuVen , es ist abstracter oder concreter , und kann daher unrecht seyn , z . B . die Sclaverey kann gesetzlich seyn , obgleich sie absolut unrecht ist , und das positive Recht kann etwas unheiliges enthalten . Darum daß etwas positives und altes Recht ist , ist es nicht an und für sich Recht . Durch die Veränderung der ­Zustände , hört das aus ihnen hervorgehende Recht von selbst auf . Die Garantie und Bestätigung des Rechts , der Formalismus ist dem wahrhaf­ ten Recht entgegen­gesetzt , dieser Widerspruch findet sehr wohl statt . Die Realisation der Freyheit hat nothwendige StuVen , diese Realisation kennen zu lernen ist der Zweck unserer Wissenschaft . Moralität und Recht stehen einander oft ent­gegen . Es gibt aber | auch moralische Gesichtspunkte die das abstracte Recht beschränken , z . B . wenn ein Schuldner durch Bezahlung ruinirt würde , so wird das strenge Recht der Gläubiger durch diesen Gesichtspunkt beschränkt , dem Handwerker müssen seine Werkzeuge gelassen werden , und so erkennt das strenge Recht die Moralität , und das strenge formelle Recht wird nicht für heilig gehalten . Das moralische Recht ist in sofern concreter als das abstracte strenge Recht noch concreter ist die Bildung eines ganzen Staates , und dieser concrete Geist hat ein viel höheres Recht

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als das abstracte Recht und so wird durch das StaatsRecht das PrivatRecht eingeschränkt . Der Geist des Staates und dessen Realisation ist ein höheres als der Geist des einzelnen , und noch höher als der Geist , das Recht eines Volkes ist das Recht des allgemeinen Staates , der Geist der Welt , und dieser Geist schlägt die untergeordnetern Geister darnieder in sofern sie ihm entgegenstehen , im Wege stehen . Diß sind diese großen sittlichen Collisionen . Es war z . B . kein größeres Recht als daß Rom eine Republick sey , aber Cäsar hatte für den Geist der Welt , dessen Werkzeug er war das Recht sie zu stürzen , aber Brutus ließ als Individuum Cäsarn sein Recht wiederfahren . Daß der einzelne sich zum Träger des Willens der Welt macht , macht daß das einzelne Individuum zu Grunde geht . Daß das Recht nicht Formalismus sey , gibt es concretere Geister , die die abstractern überfliegeln . Daher ist im Recht philosophische Einsicht in die verschiedenen Standpunkte das Wesentliche , aber das allgemeine Gefühl des Rechts aus einem niederen Standpunkte , kann den Menschen glauben machen er leide Unrecht . Darin ist die Einsicht | von der allgemeinen ­Meinung verschieden .

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§ . 9 . Der Wille nämlich als der B e g r i f f der Freyheit die für sich selbst ist , und daher keinen besonderen Inhalt und Zweck hat ist überhaupt zu nächst fo r m e l l , in soferne er als sich von sich unterscheidend doch noch nicht unterschieden ist , der Wille somit noch kein D a s e y n hat . Weil die Freyheit aber wesentlich nur die absolute Idendität durch ihre absolute Negativität ist , so muß ihr Bestimmen wesentlich das Moment eines Andersseyns und eines Seyns überhaupt erhalten , aber so , daß dieses Seyn nur als ein S che i ne n  , als ein unmittelbar aufgehobenes oder ideelles in ihr ist , und sie in ihr selbst bleibt . Der Wille als BegriV ist formell , weil der freye Wille für sich selbst sein Zweck ist , und es ist hier vorhanden die Einheit des subjectiven und objectiven , es ist noch gar kein Unterschied zwischen ihnen vorhanden , der freye Wille ist die ganz abstracte Form . Man kann ebenso sagen der freye Wille ist formlos , weil die Form noch nicht in einem Unterschiede gesetzt ist . Der Inhalt ist das mit sich idendische mit der Bestimmung , gleichgültig gegen die Form zu seyn als unterschiedene . So ist Gott der absolute Inhalt , Die Idee ist die Einheit des Subjectiven und objectiven , das unterschieden ist .

9 ließ] ließen  

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25

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10–12

5

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einleitung13

Die Freyheit ist die absolute Negativität , da sie lebendig ist , in der Freyheit muß das Moment des Seyns der abstracten Idendität vorhanden seyn . Das Scheinen ist die Vereinigung des positiven Seyns und des Nichtseyns . Der Wille muß etwas wollen , er muß einen Inhalt haben , aber diß etwas ist nicht ein anderes . Wenn | wir einen Gegenstand begriVen haben , so hört er auf ein fremdes für uns zu seyn , weil er von uns durchdrungen ist . In der Liebe ist ein anderer Gegenstand , jeder ist ein Ich ein spröder Atom für sich , und in dieser absoluten Selbstständigkeit ist der Gegenstand meiner Liebe mein anderes Selbst , und ein Selbst ist das andere Selbst . Diß ist die Noth­ wendig­keit daß der BegriV die Freyheit sich realisirt , der Wille ist absoluter Idealismus , was für den Willen ist , ist von dem wollenden unterschieden , aber insofern es Gegenstand meines Willens ist , ist es nur ideell , es hat keine Selbstständigkeit . § . 10 .

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Der freye Wille ist zuerst abstract und unmittelbar , und ebenso sein Daseyn oder Realisation  ; diß macht die Sphäre des a b s t r a c t e n R e c h t s a u s  . Die 2te ist , daß sich diese beyden Momente , der Wille in seinem BegriV und sein Daseyn sich in selbstständige Extreme entzweyen  ; jener somit zum besonderen inneren Willen eines Subjects , und dieses zum Wohl desselben , und die Einheit dieser Momente , das Gute als Idee , einerseits ihr absoluter Inhalt und Bestimmung , andererseits aber gegen sie ebenso zufällig ist , die Sphäre der Mor a l it ä t . Die 3te ist die Einheit dieser beyden , worin die Idee des Guten in der subjectiven Freyheit und Daseyn realisirt ist , so daß die Freyheit ebensosehr als Nothwendigkeit und Würklichkeit existirt . Der allgemeine Wille geschieht , die Sit t l ich ke it und der Staat . Daß diese 3 StuVen sind geht aus der Idee hervor , das erste | ist immer das abstracte , der freye Wille in seinem BegriV , das abstracte Recht , seine Realisation ist nur die abstracte Realisation . Hierher gehört Persönlichkeit , ie , abstracte Freyheit . Die 2te Sphäre ist die Sphäre der Moralität überhaupt , wir schließen aber die Tugendlehre hier aus . Hier tritt der Be­g riV der Handlung von dolus und culpa , hier tritt die Gesinnung und das Wohl der Menschen ein , auf die es beym abstracten Recht nicht ankommt . Diß ist die Sphäre der Reflexion der Differenz , des Unterschiedes , des Außeinandergehens . Das abstracte Recht tritt in eine Äußerlichkeit gegen sich , und in der 2ten Sphäre sind die 1 beyden Momente selbstständig und treten aus einander , der Unter­ schied muß auf seine Spitze getrieben werden . Wir nehmen das Subject in seinem Willen gegen das Object , das Subject das in seiner Willkühr sich

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nachschrift wannenmann · 1817/18

12–13

schlechthin für sich setzt  ; die Äußerlichkeit des Subjects wird das Wohl , die Glückseligkeit des Menschen . (Über beyden steht ihre Idendität , die absolute Einheit beyder , das Gute als Idee von der Realität unterschieden[.]) Das Gute soll durch das Gewissen vollbracht werden , das Wohl soll dem Guten unterworfen seyn , und anderer seits soll das gute verwirklicht seyn . Das Gewissen kann gut , kann böß seyn , die Glückseligkeit der Individuen kann seyn , aber auch nicht seyn . Das 3te ist die Auflößung dieses Widerspruches , die Sittlichkeit , der Staat , hier wird nicht nur das abstracte Recht realisirt . In ihm ist die Idee des Guten realisirt , | hier hat die Idee des Guten Wirklichkeit , deren Seele der BegriV der Freyheit ist . Der freye Wille steht hier nicht mehr der Nothwendigkeit gegenüber , hier gleicht sich das absolute und noth­wendige aus , der allgemeine Wille ist das Gute .

5

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13–14

das abstracte recht15

E r s t e n s d a s a b s t r a c t e R e c h t  . § . 11 .

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15

Der freye Wille , wie er zuerst in seinem abstracten BegriVe ist , ist als un­m ittel­ bares Daseyn  ; denn der BegriV ist schlechthin nur als Idee , seine unmittelbare Realität aber ist abstractes Seyn , und als Realität der absoluten Negativität ist sie das S e y n d e s e i n z e l ne n . Der reine freye Wille ist die Gottheit , der einzelne freye Wille ist der eines Menschen . Es liegt uns ganz nah , daß der Mensch ein freyes Wesen ist . Der freye Wille hat seyn , und dieses Seyn ist als Seyn des Einzelnen bestimmt . Weil nun der freye Wille die absolute Negativität ist , das absolute Fürsichseyn , so muß mit dem Seyn des einzelnen freyen Willens angefangen werden . Der absolute Geist scheint in sich selber , er ist ein Unterschied , der an sich keiner ist . Das Absolute Wesen ist das Anschauen , das Unterscheiden seiner selbst . Der BegriV des absoluten freyen Willens ist das endliche freye Wesen . Wir fangen mit dem einzelnen freyen Wesen an , und der Fortgang ist , daß es sich von dieser Endlichkeit befreye .

§ . 12 .

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25

Der freye einzelne ist die Pe r s on  , in der Pe r s ön l ich k e i t liegt daß Ich als Dieser nach allen Seiten bestimmte , in dieser | absoluten Endlichkeit , schlechthin , reine Beziehung auf mich selbst , in mir unendlich und allgemein bin . Das einzelne ist unmittelbar seyendes , ich bin dieser besondere nach allen Seiten bestimmter , ein vollkommen endliches , ich habe diesen Stand , diesen Character . Diese vollkommene Endlichkeit macht das unmittelbare Seyn des einzelnen , aber in dieser Endlichkeit bin ich Ich , ich bin schlechthin in mir , ich bin reine Beziehung auf mich selbst , ich kann alles dieses andere , was auf mich wirkt , wegstoßen . Ich bin nach allen Seiten abhängig , aber eben so bin ich mein eigen , ich bin daher unendlich und allgemein , indem

18 daß] das  

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nachschrift wannenmann · 1817/18

14–15

ich mich erfasse als ich . Diß ist der BegriV der Persönlichkeit , daß ich die Kraft bin dieses widersprechende getrennt zu halten , ich bin dieses absolute Band . Darin liegt aller Werth des Menschen daß er sich als Person weiß . In dem ich in mir bin , bin ich absolute Negativität , absolute Thätigkeit meines Be­ziehens auf mich selbst , diesem entspricht die Unmittelbarkeit des Seyns , daß mein Seyn zur Freyheit wird , daß meine Realität die Freyheit selbst ist .

5

§ . 13 . Das RechtsGeboth ist daher überhaupt , r e s p e c t i r e t d e n Me n s che n Dich selbst und die anderen a l s Pe r s on . Weil aber das Princip des abstracten Rechts nur die reine Persönlichkeit und der eigene Wille des Einzelnen ist , so sind die RechtsGebothe und Pflichten und die rechtlichen Handlungen in ihrer letzten Bestimmung eigentlich nur ne g a t i v oder nur Ve r b o t he  , | die Freyheit des Andern nicht zu verletzen . Handlungen von einem b e s ond e r e n Inhalt sind , da ein solcher in der abstracten Freyheit nicht enthalten ist , in beziehung auf das abstracte Recht nur mö g l iche  , als ihm nicht zuwiderlaufend , nicht nothwendige , oder sie sind e r l a u b t  . Respectire den Menschen als Person ist das Geboth des abstracten Rechts , daher sind alle RechtsGebothe nur Verbothe (außer dem Gebothe , sey Person) . Das Recht enthält noch keine Pflichten , die rechtlichen Handlungen sind immer nur Negativ . z . B . halte den Vertrag , enthält positive Handlungen , aber der letzte Zweck ist nur negativ , ich setze den andern in den Besitz von etwas das schon sein Eigen­thum ist , das Ziel ist daß sein Eigen­thum , seine Freyheit seine Persönlichkeit nicht verletzt werde . Die Handlung ist ein Wirken auf ein anderes , auf die Persönlichkeit , die keine Äußerlichkeit hat , kann ich nicht wirken . Erlaubt heißt , was rechtlich möglich ist , da nur Verbothe vorhanden sind im Recht , so ist das positive nur erlaubt . Das Recht ­enthält noch keine besonderen Zwecke , wie die Moralität und die Gesinnung . In soferne nun etwas nothwendig ist , wie bey Moralität , tritt das Geboth ein . Was erlaubt ist , ist durch das Recht nicht bestimmt , besondere Zwecke sind im Recht nur möglich , nicht nothwendig . Die Erlaubniß bezieht sich auf das abstracte Recht , bey unmittelbaren Rechten treten Pflichten ein .

12 Ve r b o t h e ] ve r b o t h e n  

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15–17

das abstracte recht17 § . 14 .

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15

Die Sphäre des abstracten Rechts hat es nur mit der un |m   ittelbaren Persönlich­ keit , und deren eben so unmittelbaren Realisation , noch nicht mit concreteren Verhältnissen zu thun . Sie enthält 3 Verhältnisse 1 .tens des unmittelbaren B e s it z e s , der sich als E i g e n­t hu m bestimmt , 2) der Veränderung eines Eigen­thums als rechtlichen Überganges in das Eigen­thum eines anderen , des Ve r ­t r a g e s  . 3) Der Verletzung meines Eigen­thumes überhaupt . Es ist hier nur von der abstracten Persönlichkeit , nicht vom Personen Recht die Rede . Meine Beziehung auf ein äußeres ist der Besitz . Der Vertrag ist eine Veränderung durch freyen Willen , nicht durch die Natur . Diese Veränderung hat die doppelte Form , entweder daß mein Wille darin bleibt , der Veränderung , die nur äußerlich ist , ungeachtet , oder die Veränderung meines Eigen­thums durch Verletzung , hier ist die Seite meines Eigen­thums lädirt , welche meine Freyheit beschränkt .

Erstens Besitz und Eigen­thum  . § . 15 .

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Die Person hat als unmittelbar seyende eine n a t ü r l iche Existenz , theils an ihr selbst ein äußerliches Daseyn , theils steht sie in Beziehung auf ihr äußerliche Dinge , aber sie ist 1)  absolut frey davon , und 2)  diese Äußerlichkeit , d ie S a che ist nicht absoluter Zweck an ihr selbst , daher ein unfreyes und unpersönliches und bey aller Realität für die Empfindung für das Bedürfniß und für das Bewustseyn , ein für die Freyheit der Person ideelles rechtloses . | Die Person ist unmittelbar einzelnes , die Form der Unmittelbarkeit ist an ihr die Äußerlichkeit der Natur . Indem die Person überhaupt unmittelbar da ist , ist sie natürlich , und mit ihr tritt die Sphäre des Bewustseyns ein , dem die äußerliche Dinge positives Seyn haben , aber philosophischer weise gilt es nicht mehr , es ist untergeordnet . Der natürliche Mensch läßt es so gewähren ohne zu erkennen daß es aufgehoben ist . Die Person als Freye Person ist aus

18 ihr2 ] ihre   29–30 es so … es] ihn so … er  

18

nachschrift wannenmann · 1817/18

17–18

der Äußerlichkeit in sich zurückgegangen , als freyes Wesen hat der Mensch das Wissen von sich selbst , daß er als Ich eine andere Selbstständigkeit hat als sein Körper . Für die Freye Person ist 2) Die Äußerlichkeit ein aufgehobenes ein ideelles . Das Freye hat die Freyheit zum Zwecke , und also einen absoluten Zweck , das äußerliche als ein lebendiges ist in der Einzelnheit existirend , ist organisches Ganze Zweck an ihm selbst , der BegriV selbst als einzelner . Die Gattung als solche existirt nicht in der Natur , nur das einzelne . Das lebendige lebt in seinem Körper in den natürlichen Bedürfnissen . Alle Glieder des lebendigen sind nicht Theile , sondern ein organisches Ganze . Für die Empfindung hat die Äußerlichkeit Realität , wir können sie lieben . Die natürliche Existenz ist eine beschränkte relative , in dem sie Bedürfnisse hat , anderes für sie nothwendig ist . Erst auf dem Standpunkt des Bewustseyns gibt es ein Wahrnehmen . Für die Standpunkte der Endlichkeit | haben die äußerlichen Dinge Realität , nicht aber für die Freyheit . Das Freye weiß sich als absoluten Zweck . Die Dinge die wir Sachen heißen sind keine Personen , und aller ihrer Existenz ungeachtet sind sie nicht Zweck für sich . Sache ist ein rechtloses , sie haben zwar das Recht zu seyn , aber das eigentliche Recht ist ein Verhältniß , worin die Freyheit des Willens ist . Man versteht unter Sache das unpersönliche , das untergeordnete .

§ . 16 . Die Person kann daher ihren freyen Willen in solche unpersönliche Äußerlichkeit legen , und muß sich eine daseyende Sphäre ihrer Freyheit geben , d e r B e s it z  , durch welchen einerseits Ich ä u ß e r l ich we r d e  , und anderer seits , was dasselbe ist , eine äußerliche Sache die me i n i g e wird , und meinen Willen zu ihrer Bestimmung und ihrem substantiellen Zwecke erhält . Ich besitze selbst meinen Körper , wie andere Sachen , nur in soferne es mein Wille ist . Der Mensch kann alles unpersönliche in Besitz nehmen , ihm das Prädicat geben , es ist das meinige , und die Sache hat keinen anderen höheren Zweck in sich , keinen substantielleren Zweck . Weil die Sache nicht sich selbst angehört , kann ich meinen Willen hineinlegen , ich gebe dadurch meiner Freyheit eine äußerliche Sphäre , eine Form der Unmittelbarkeit . Ich werde äußerlich , und das äußerliche wird das meinige , es bekommt eine Innerlichkeit , meinen Willen , eine absolute Bestimmung , die sie |

6 Zweck] Zwecke  

5

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19–20

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das abstracte recht19

nicht für sich selbst hat . Mein organischer Körper ist nur Besitz , in sofern ich ihn haben will , das Thier kann sich nicht von seinem Körper ganz oder zum Theil trennen . Die Sachen sind unmittelbare Dinge , und ich bin unmittelbar einzelnes , die höhere Vereinigung ist im Staate in der Sittlichkeit . Der Besitz ist die unmittelbare Beziehung meines Willens auf eine Sache , ich brauche keine andere Vermittlung , als ich will die Sache , und dadurch wird sie die meinige , die Sache kann mir keinen Widerstand leisten . Vermittlung ist dieses , wenn 2 selbstständig für einander sind , und ein 3tes hebt diese Selbstständigkeit auf .

§ . 17 . Einen Körper hat die Person durch die Natur  ; Auf die Gesammtheit der an­ deren äußerlichen Dinge , die Erde , haben die Menschen , nur im abstracten Sinne , g le iche s R e c ht  . Die wesentliche Äußerung des freyen Willens im Besitze enthält sogleich das Moment der Zufälligkeit der empirischen Vereinzellung des bloßen Bedürfnisses und der Willkühr . Ebendeßwegen ist dieser natürliche Wille der andern beschränkbar , und die Sache gehört nach der zeitlichen Zu­ fällig­keit d e m e r s t e n , der sie in Besitz nimmt . Jeder einzelne hat nur im allgemeinen ein Recht auf das Äußerliche , indem er aber in Besitz nimmt tritt er in die Sphäre des äußerlichen , indem er in seiner Persönlichkeit auf die allgemeinheit der äußerlichkeit ein Recht hat , tritt er doch , indem er sich einen Besitz gibt , in die Sphäre der Vereinzelung . Jeder hat auf die gesammte Erde | ein Recht , weil sie ein rechtloses ist , aber das Recht muß sich äußern und durch die Äußerung läßt es sich mit einzelnen Dingen ein . Es tritt beym Besitznehmen Zufall und Bedürfniß ein , und ich trete in die Sphäre der Vereinzelung , und ich beschränke dadurch meinen Willen . Daß res nullius cedit primo occupanti , hat das , daß einer der erste ist etwas zufälliges , so wie die Sache in Besitz genommen ist , ist sein Wille dareingelegt , und er schließt andere aus , daß er der erste ist , ist ein zufälliges , er hat aber das absolute Recht , seinen Willen in etwas äußeres zu legen . Jeder hat eigentlich gleichviel , Recht an der ganzen Erde , wie manche sagen , so hat eine solche Vertheilung ungeheuere Schwürigkeit , und bey jedem neu­ ge­bohr­nen müßte die Theilung wieder vorgenommen werden . Gleichheit ist eine Eigenschaft , die eine äußerliche Beziehung ausdrückt . Alle haben gleiche Rechte , indem jeder gleiches abstractes Recht an der Welt hat , aber

35 2 ich] er   10 17 .] 17   26 occupanti] occupandi  

20

nachschrift wannenmann · 1817/18

20–22

das abstracte Recht muß sich realisiren , und das Recht tritt in seiner Realisirung in die Sphäre der Zufälligkeit , z . B . des Beliebens , des Bedürfnisses , und so in die Sphäre der Ungleichheit .

§ . 18 . Zum Besitze ist mein innerer Wille nicht hinreichend , sondern es wird noch die B e s it z e r g r e i f u n g erfordert , wodurch die Bestimmung , daß die Sache die meinige sey , äußerliches Daseyn erhält , und für andere erkennbar wird . Die negative Bedingung , daß die Sache he r r n lo s (res nullius) sey , versteht sich hier von selbst , oder bezieht sich | vielmehr auf das anticipirte Verhältniß zu anderen . Der Besitz ist wesentlich die Äußerlichkeit des Willens , daß ich durch die Sphäre des Daseyns meine Persönlichkeit in Äußerlichkeit bringe , das Innere soll äußerlich werden . Durch das Daseyn , Äußerlichseyn des Willens entsteht das Seyn für andere , mein Wille wird dadurch erkennbar für andere (das Daseyn ist das Seyn für ein anderes) . Die Sache muß entweder res nullius seyn oder eine res abjecta von einem Herrn mit dem Gedanken , daß sie aufhöre sein Eigen­thum zu seyn . Die Beziehung auf andere ist also hier anticipirt .

5

10

15

§ . 19 . Die Besitzergreifung macht die M a t e r ie der Sache zu der meinigen , und ist theils die unmittelbare kö r p e r l iche E r g r e i f u n g  , theils d ie F o r m i r u n g (specificatio) der Sache , theils die bloße B e z e ich nu n g  . Die Materie ist überhaupt rechtlos , sie gehört sich nicht selbst an , und in dem ich sie also ergreife , ist sie die meinige . (Fichte hält dafür die Materie sey Gottes , und der Mensch habe daran nur ein Zueignungsrecht aber es ist hier kein Unterschied zu sehen) . In Gott ist die Materie nur ein ideelles , wenn Gott die Materie existiren läßt , hat er sie selbst hingegeben . Für die philosophische Betrachtung des Geistes hat die Materie keine Selbstständigkeit , | ihre Selbstständigkeit für das Bewustseyn aber ist nur eine untergeordnete . Die Bezeichnung ist die bloße objective Vorstellung der Besitznahme . Die Besitzergreifung ist das zueignen durch die Äußerlichkeit und den Willen . 9 selbst] sich selbst   21 (specificatio)] specificatio . am Rande mit Verweiszeichen  28 aber ist] aber ist aber  

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22–23

das abstracte recht21 § . 20 .

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35

Die kö r p e r l iche E r g r e i f u n g enthält zwar die vollkommenste Art des Daseyns und der Erkennbarkeit meines Willens  ; sie ist aber dem Umfange nach höchst beschränkt , so wie temporär , aber auf eine vermittelte Weise , und durch den Zusammenhang eines Dinges , das schon in meinem Besitz ist , mit anderen kann sie eine weitere Ausdehnung erhalten  ; durch solchen natürlichen und zufälligen Zusammenhang kann mir auch ein Besitz zuwachsen . Sie ist ferner überhaupt durch die qualitative Natur der Gegenstände beschränkt . Die Sachen durch die Qualität ihrer Äußerlichkeit an ihnen selbst , ie , ihres Ge­theilt­seyns in sich , der verschiedenen Seiten die sie haben , lassen eine Besitzergreifung von mehreren zu , und hier entsteht dann der Streit und der Verstand über die Größere oder geringere Wesentlichkeit eines Theils oder einer Seite , und dadurch über das Recht an der Sache . Hierin liegt die Unvollkommenheit der Gesetze , weil die körperliche Ergreifung ihrem Umfange nach , ie , soviel ich | mit meinem Körper anfassen kann sehr unbedeutend ist , und ich kann nicht immer die Dinge fort in Detention , in körperlicher Besitzhabung haben . Wenn ich einen Stock in der Hand habe , so ist nicht nur der Theil den meine Hand anfaßt , sondern der ganze Stock mein , durch den äußerlichen Zusammenhang , durch die äußerliche körperliche Beziehung auf den Theil den ich in Besitz genommen habe , hieraus die accessio . Hierher gehört die Jagd , indem das wilde Thier res nullius ist , und ich muß es tödten , oder mich selbst dessen bemächtigen , das Mittel das Thier in Besitz zu nehmen ist das Tödten desselben , eine äußerliche sich selbst äußerliche Handlung , die für sich selbst , wie das äußerliche Ding viele Theile hat , wird es z . B . aber von mehreren verwundet und fällt dann , so geht ein RechtsStreit an , durch die sinnliche Manigfaltigkeit , die Grade des Lebens des Thieres entsteht der Streit . So können andere mit mir oder nach mir einen Theil der nehmlichen Sache von der ich einen anderen Theil in Besitz habe , auch in Besitz nehmen , und hierin ist das philosophische Recht nicht hinlänglich , weil die Sache in die Vielfachheit des Besitzes übergeht , und an sich selbst vielfache ist , so daß die Theile sich an mehrere Personen fügen können . Daher muß das positive Recht diese Collisionen zu schlichten suchen , und suchen die Anwendung auf verschiedene Fälle zu machen , und diese ist nicht mehr Sache der Vernunft , sondern Sache des Verstandes , und es ist immer besser daß entschieden sey , als daß die Sache unbestimmt sey . Bey solchen Collisionen hat jeder ein Recht , aber es tritt 22 bemächtigen] zu bemächtigen   28 Sache] Sachen  

22

nachschrift wannenmann · 1817/18

23–25

das mehr | oder weniger ein , wo es keine absolute Bestimmung gibt . Im BegriVe liegt nur die Entscheidung , daß einer wie der andere ein Recht an der Sache hat . Die Natur der Dinge und die Natur der Handlung , wodurch sie in Besitz genommen werden , macht diese Collisionen . Die o c c up a t io b e l l ic a gehört nicht hierher , sondern in das VölkerRecht . Eine Sache die ich ­derelinquirt habe hört auf die meinige zu seyn , in sofern ich den ­animus ­tenendi verloren habe . Mit dem StrandRecht verhält es sich so , daß das StrandRecht oVen­bar ein UnRecht ist . Die accessio ist das , daß sich ein Ding selbst verbindet mit der meinigen Sache , so ist die Frucht meines Baumes mein . Den animus muß ich aber vollziehen . Die accessio ist definirt durch das meinige . Die alluvio ist eine zufällige Verbindung mit dem meinigen , anders ist es wenn es nicht nach und nach geschieht sondern auf einmal sehr stark , insofern man noch die Bezeichnung die Formirung des vorigen Ei­gen­thümers daran sieht . Noch verwickelter ist die accession , wenn ein anderer durch seine Handlung mit der Intention daß sein Product das seinige seyn solle auf meinem Eigen­thum etwas producirt hat . Hier kommt es auf die bona und mala fides an . Wenn einer z . B . auf mein Papier schreibt , mahlt , wenn ein anderer mein Feld bebaut . Bey der bona fides muß das Recht so b ­ estimmen daß kein Theil vielen Schaden habe . Sabinianer und ­Proculeianer . Ein allgemeines Ding kann ich nie in Besitz nehmen , nur ­solange ich es habe ist es mein . So mit dem Einathmen der Luft . Das Meer ist ebenso ein allgemeines Besitz­eigenthum , und gehört allen zum Gebrauche , weil durch meine Benutzung kein anderer davon ausgeschlossen wird . Aber die Dänen haben einen Zoll | in dem Meere , anderst kann es seyn , wenn diese Abgabe als indirecte Abgabe gefodert wird , nicht als von einem Eigen­thum , das Verhältniß der Gewalt liegt hier zum Grunde . Jede Nation spricht das Recht des Meeres so weit an , als sie es mit Kanonen beschützen kann . Diß ist wichtig für die Fischerey . Flüsse , Seehäfen und dergleichen können durch den Besitz der Ufer eher in Anspruch genommen werden , obgleich ein Fluß ein allgemeines ist .

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§ . 21 . Die F o r m ie r u n g ist die wesentlichste Besitzergreifung , der Besitz wird durch sie Dauer , und die Besitzergreifung Erwerb . Zur Formierung gehört das Bearbeiten des Feldes , das Sähen und die Cultur der Pflanzen , sowie das Be­ zähmen und Füttern der Thiere . Die Form , welche einem organischen gegeben wird bleibt an demselben zwar nicht gerade äußerlich , aber von ihm assimilirt .

35

25–27

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das abstracte recht23

Die bloße Abnutzung eines Bodens durch die Jagd , Waiden , des Meeresstrandes für Fischfang u . d . g . ist nicht eigentliche Formierung  ; aber sie enthält den Willen , dergleichen für den Gebrauch zu benutzen , und der wirkliche Gebrauch die Erklärung dieses Willens . Durch die Formirung gebe ich einer Sache das Prädicat des meinigen , ­andere können sich dessen nicht bemächtigen weil die Formirung das Prädicat , mein Wille ist , und ein anderer griVe in meine Freyheit , wenn er diese Sache mir nähme . Bey dem Formiren eines unorganischen Körpers tritt die Zwey­deutig­keit ein , ob ich den animum tenendi dabey hatte[.] Aber meistens formire ich die Dinge zu meinem | Gebrauch , und die Zweckmäßig­ keit zu meinem Gebrauch drückt meinen Willen , daß sie die meinigen seyn sollten aus . Indem ich ein Thier füttre , so ist seine Existenz durch mich gefristet , und es wird so mein Eigen­thum . Dadurch daß einer einen ­Menschen ernährt oder auch geistig bildet entsteht kein Eigen­thum an dem Menschen . Das wilde Thier ist ein selbstständiges , durch das Bezähmen verliert es seine Selbstständigkeit . Aber die Bildung am Menschen erzeugt gerade den Sinn für Freyheit , und das bloße Leben , welches dem Menschen durch die Nahrung erhalten wird , ist nicht die Hauptsache beym Menschen . Etwas benutzen heißt im Ganzen es ruiniren , indem man es abnutzt , zum Mittel macht . Bey der Benutzung des Bodens entstehen wieder Collisionen , indem der Boden ein concretes ist , auf vielfache Weise benutzt werden kann  ; die Völker , welche von der Jagd leben , benutzen den Boden worauf sie jagen , der Nomade benutzt ihn zum weiden , und der Ackerbauer benutzt ihn noch vollkommener . Es kann ferner ein Bauer das Recht haben und den Boden bauen , und im Herbst hat ein anderer das Recht sein Vieh auf diesem Boden zu weiden . Civilisirte Völker können einen Boden , der bloß abgeweidet wird , oder auf dem gejagt wird , in Besitz zum Ackerbau benutzen , indem sie sagen , daß der Nomade und der Jäger den Boden nicht ganz in Besitz habe , und daß erst die Formierung den eigentlichen Besitz gebe , also die Bebauung des Bodens  ; aber der Nomade hat doch das abstracte Recht sein Eigen­thum , das er an dem Boden hat , zu benutzen , wie er will , erst durch das VölkerRecht | wird die Formirung die vollständigste Benutzung , und die vorgehende , und civilisirtere Völker die den Boden besser benutzen haben ein Recht durch das VölkerRecht an diesem Boden , nicht aber ein Recht , welches aus der Persönlichkeit entsteht .

26 einen] auf einen  

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nachschrift wannenmann · 1817/18

27–28

§ . 22 . Ferner gehört hierher die menschliche Ausbildung des eigenen Körpers und Geistes , die Erwerbung von Fertigkeiten und Geschicklichkeiten , indem ich erst durch die Bildung dem allgemeinen in mir den Möglichkeiten oder Vermögen Bestimmtheit und Unterscheidung von mir gebe , und durch Übung die bestimmte Weise der Thätigkeit zu Gewohnheiten mache , bekomme ich sie in Besitz , und werde Meister über sie für die ungehinderte Ausführung meiner Zwecke . Auch das Erwerben von Geschicklichkeiten ist ein Besitzergreifen durch Formirung , die Vermögen in mir sind Möglichkeiten , allgemeine , aber indem ich sie ausbilde besondere ich sie , ich muß die Thätigkeit der Formierung von mir als allgemeinem absondern . Über die Gewohnheiten bin ich nur Meister , insofern ich sie von mir unterscheide , denn sind sie bloß in mir , so sind sie Meister von mir . Das Wesen des Geistes ist nicht s e y n  , sondern durch Thätigkeit sich zu setzen . Erst dadurch daß ich mich bilde , werde ich Meister über meine Thätigkeiten , und ich kann sie ausführen angemessen dem Gegenstande , den ich bearbeiten will . Durch Formierung bestimme ich mich , ich scheide die bestimmten Thätigkeiten von mir ab , und diese | Besonderungen , Fertigkeiten gehören mir , und sie sind nur dadurch daß ich nicht mehr in der Idendität geblieben bin .

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§ . 23 . Die äußere B e z e ich nu n g eines Gegenstandes , daß er der meinige seyn soll , ist theils nicht würkliche Besitzergreifung , sondern nur eine Vorstellung derselben , theils in Ansehung des Gegenständigen Umfangs , dann ihrer Bedeutung unbestimmt . Durch die Bezeichnung wird bloß mein Wille angedeutet durch die ­Formierung aber mache ich erst die Sache zu meiner eigenen . Ein anderer braucht sich an die Bezeichnung nicht zu stören , weil sie nicht bestimmt ist , indem das Zeichen willkührlich , oder mehr oder weniger natürlich seyn kann . Daher ist die Bezeichnung die unvollkommenste Weise der Besitzergreifung . Zu einer ächten Besitzergreifung gehört sowohl der Wille , als die äußerliche Seite des Ergreifens .

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28–30

das abstracte recht25 § . 24 .

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Der Besitz hat die äußerliche Seite meiner Beziehung auf die Sache  ; nach der anderen Seite , daß die Sache zugleich wesentlich in meinen Willen aufgenommen ist , ist er E i g e n­t hu m , die zeitlose substantielle Beziehung der Freyheit . Insofern Besitz und Eigen­thum unterschieden werden , so bleibt für jenen im Allgemeinen nur die Bestimmung meiner | äußerlichen Bemächtigung und Beziehung auf die Sache . Besitz und Eigen­thum sind wesentlich eins , das Eigen­thum ist die rechtliche Beziehung des Besitzes , und im Besitze bleibt , wenn beyde getrennt werden , nur die Seite der äußerlichen Beziehung . Eigen­thum ist die rechtliche Seite , und bey ihm muß der Willen und die äußerliche detention seyn , Besitz ist die bloße Detention . Beym Vertrage wo ich vermiethe bleibe ich Eigenthümer der Sache , der andere hat den Besitz , aber der Vertrag kann nur temporär seyn , denn ist der andere immer im Besitz , so ist sein Besitz nicht mehr beschränkt , sondern er ist Eigenthümer . Alle Zeit ist das allgemeine , der BegriV der Zeit , die Ewigkeit . Die Seite des Willens ist die unsinnliche die zeitlose . Der Mensch kann sich vermiethen , zeitlich zu Arbeiten , wenn auch nicht bestimmten Arbeiten , aber es muß auf eine gewisse Zeit seyn , denn wäre es für alle Zeit , so machte er den andern zum Eigenthümer , der Besitz kann vom Eigen­thum getrennt seyn , aber nicht der Besitz überhaupt , sondern nur ein bestimmer Besitz , denn der rechtliche Besitz überhaupt ist das Eigen­thum , welches die Seite des Rechtes ist .

§ . 25 .

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Der Besitz ist nicht eine abstracte Äußerlichkeit meines Willens  ; denn die Äußerlichkeit ist für sich nichts abstractes , sondern er ist c onc r e t e r B e s it z   ; theils daß ich die Sache würklich in meiner Gewalt habe , theils Gebrauch , Benutzung und Genuß derselben . | Wenn dieser concrete Besitz mein ist , worin auch die Materie enthalten ist , so ist die Sache mein Eigen­thum , wenn aber nur jener concrete Besitz mein seyn , und einem andern das Eigen­thum als das ideelle wesentliche zukommen soll , so ist diß eine leere Unterscheidung , und eine bloß abstracte Herrschaft desselben nicht über die Sachen sondern gegen mich , die nur in einer ihm zu leistenden Schuldigkeit , als einer Bedingung meines Eigen­thums bestehen kann  ; sie soll , wenn eine solche vorhanden ist , nichts unüberwindliches seyn , und mein Eigen­thum vol le s E i g e n ­t hu m werden können . Hier spricht Docent über das dominium directum und dominium utile . Der Besitz ist das sich selbst äußerliche , welches ein vielfaches in sich selbst

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ein concretes ein manigfaltiges ist , seine Erscheinung darin ist also auch eine manig­faltige  ; In dieser Sache zeigt sich kein ruhendes , sondern eine Thätigkeit , der Wille zeigt sich als ein manigfaltiger . Der concrete Besitz enthält nach der Qualität der Gegenstände und meiner Bedürfnisse , verschiedene Seiten , es kann daher eine Sache von mehreren Personen im Eigen­thum , nach den verschiedenen Seiten , wie man sie benutzen kann , besessen w ­ erden . Einer kann einen Acker als zum Getreidebau und ein anderer zur Weide gebrauchen , und hier ist der Getreidebau die Hauptbenutzung . Hier kommt es darauf an ob eine Sache ein allgemeines oder ein besonderes ist , denn besondere Dinge werden durch den Gebrauch verzehrt , aber die allgemeinen | Dinge , wie das Meer , die Luft etc . werden nicht verzehrt . Das Feld wirkt als organisches , und wird daher nicht aufgezehrt , wenn ich es unterhalte dünge . Die Benutzung von Gemählden das Anschauen ist bloß eine theoretische , und der Gegenstand ist für mich ein organischer ein allgemeiner . Eine Benutzung kann wichtiger seyn als die andere , und daher das accessorium sequitur suum principale , und es ist hier auszumachen was gerade im einzelnen Falle das principale ist  ; aber auch das accessorium kann eine Entschädigung erfordern . Wenn ich aber im rechtlichen concreten Besitze bin so ist die ganze Sache mein Eigen­thum . Aus dem dominium directum und utile entstehen die Dominicalrenten , das laudemium , die Lehen . Der dominus hat hier keine Benutzung der Sache , aber die Person welche sie benutzt hat gegen den dominus directus eine Verbindlichkeit , Bey allen Domänen ist also der Besitzer der Domänen , Renten , sey es der Fürst oder der Staat , nur als Privateigenthümer zu betrachten . Ein Vertrag liegt hier immer zu Grunde . Der Erbpacht ist auch etwas dieser Art . Diese Ein­thei­ lung in dominium directum und utile ist eine leere , indem der dominus directus nur ein Recht gegen den Inhaber , nicht aber die Sache selbst hat . Eine solche Schuldigkeit soll ablößlich seyn , aber im Bestehen muß man sie respectiren , und es ist nicht zu billigen , wenn sie wie in Frankreich geradezu aufgehoben wird . Das Ganze ist also ein Vertrag mit einer Form über ein Eigen­thum , wie sie nicht seyn soll , denn der dominus directus hat nur ein leeres Recht , und muß also | auch gehalten seyn , dieses leere Recht aufgeben zu wollen . Bey Servituten muß das principale , ie , die vollständigere Benutzung dem accessorium vorgehen , und der Besitzer des ersteren muß den Besitzer des letztern , gegen Entschädigung anhalten können sein accessorium aufzugeben .

23 ist] muß   24 Staat] Staatt   30 wird] werden  

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das abstracte recht27 § . 26 .

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Die Seite des Eigen­thums als die rechtliche , nämlich die allgemeine ideelle Willensbeziehung ist die Seite der absoluten Persönlichkeit  ; in dieser ist aber ebensosehr das Moment der E i n z e l n h e i t enthalten . Dieses ist also im realen Eigen­thum ebenso wesentlich , es soll daher vollständiges freyes jeden andern ausschließendes Eigen­thum seyn , überhaupt soll P r i v a t­e i g e n­t hu m vollständige Ausführung der Persönlichkeit im Besitze seyn , womit Servituten , welche für die Erhaltung und die Benutzung des Privat­eigen­thums eines anderen wesentlich sind , und die von der empirischen Be­schaVen­heit des Besitzes überhaupt her ­r ühren nicht ausgeschlossen sind . Als Person bin ich ein freyes Wesen , ich bin in der Sphäre der Allgemeinheit schlechthin Einzelnheit , ich muß in der Sache für mich seyn in meiner ganzen Einzelnheit , und ich muß also mein Eigen­thum voll , frey haben , und so gilt daß Privat­eigen­thum seyn soll . Durch das Christen­thum wurden zuerst die Menschen frey , aber durch die Feudalverfassung wurde das Eigen­thum unfrey , und diß war mit die | Veranlassung zur fran­zö­ sischen Revolution , das Princip daß der Feudalismus aufgehoben werden sollte war ganz gut , aber es mußte mit Entschädigung geschehen . Es ist daher nöthig , daß jede Servitut ablößbar seyn solle , und der Preiß muß gesetzlich bestimmt werden . Daß Privat­eigen­thum überhaupt sey , folgt hieraus . Bey der ­Entstehung der Staaten wurde nicht auf den Einzelnen gesehen , das Feld war Eigen­thum der Familie , und der einzelne mußte , was er bebauen wollte von dem Familienhaupte zum Lehn nehmen . Erst das Christenthum brachte den Grundsatz der Persönlichkeit des Privat­eigen­thums . Der Mensch der freyes Privat­eigen­thum besitzt hat ein ganz anderes Gefühl , als der ­welcher noch einen Herrn mit dem dominium über sich hat . Die Servituten sind jura in re , aber sie müssen eine vernünftige äußerliche Bestimmung haben . Die vielen Beschränkungen des Eigen­thums im römischen Recht machen es fehlerhaft , und die Geschichte des freywerdens des Eigen­thums wäre ein sehr wichtiger StoV .

§ . 27 .

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Zum Daseyn des Eigen­thums gehört ferner d ie Z e it , und der Wille als das allgemeine erhält in dieser Erscheinung die Bestimmung einer i n d e r Z e it fo r t d a ue r nd e n Äußerung . Ohne diese wird die Sache res nullius , ich verliere das Eigen­thum durch Ve r j ä h r u n g , u n d kann durch E r s it z u n g erwerben .

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Daß ich ein Eigen­thum habe ist etwas in der Zeit , und mein | Wille , das Zeitlose muß erscheinen , und er ist daher so , daß er als eine in der Zeit fortdauernde Äußerung erscheint . Die Form der Allgemeinheit in der Zeit kommt von meinem Willen her . Ich muß mein Eigen­thum benutzen damit mein Wille erscheine , daß er will , und er muß auf eine allgemeine Weise erscheinen . Ohne diese fortdauernde Äußerung , ohne die Realität m ­ eines Willens darauf wird die Sache res nullius . Indem ich aber die Sache in dem Bezirk meines gebrauchten Eigen­thums habe , drücke ich damit meinen Willen aus die Sache zu haben . Da diß in die Zeit fällt , so kommt die Verjährung mit ihren Bestimmungen in das positive Recht . Aber die Verjährung und Ersitzung kommt auch mit Recht in der philosophischen RechtsLehre vor . Denn mein Wille ist nur da als ein äußerer . Es ist wahr , die Verjährung hat auch eine politische Seite , der Folgen wegen , die wir ohne sie hätten , nämlich die Unsicherheit des Eigen­thums , aber diese sind keine noth­wen­d igen , sondern bloß zufällige Folgen , denn sie entwickeln sich nicht für sich , sie gehören der Handlung nicht selbst an , wie es doch mit den noth­wen­d i­ gen Folgen ist . Da aber zum Eigen­thume die Seite der Äußerung gehört , so verfällt das Eigen­thum , so wie ich aufhöre sie fortzusetzen . Verjährung wird praescriptio genannt , die Ersitzung ist die usucapio . Daher war bey den Römern die usucapio mehr das allgemeine . Der Besitz ist wesentliches Moment des Eigen­thums , und Savigny ist darum einseitig in seinem Besitze , weil er den Besitz bloß als Verhinderung der Verjährung betrachtet  ; Die | wichtigere Seite ist gewiß das Verhältniß des Besitzes zum Eigen­thum . Die Zeit die zur Verjährung nöthig ist gehört mit ihren Bestimmungen in das positive Recht . Die allgemeine Noth des Empirischen macht , daß , indem feste Normen da seyn müssen , für den einen Fall die Verjährungszeit zu lange für den anderen zu kurz ist .

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§ . 28 . Eine ganz außer allen weiteren Gebrauch gesetzte Sache als Eigen­thum einer nicht würklichen Person widerspricht dem Momente des Eigen­thums , daß der Wille in ihm würklich , und der Besitz etwas würkliches sey . Hierher gehören z . B . die res sacrae . Der Zweck kann sehr zu respectiren seyn . Aber die Verjährung kann hier eintreten wenn man den Zweck und die Erinnerung daran nicht mehr kennt . z . B . wenn einer ein Grab bloß 15 für] für ,  

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das abstracte recht29

für sich bestimmt . Es widerspricht dem Eigen­thum daß eine nicht würkliche Person , die also auch keinen Willen , ein Erforderniß der Äußerlichkeit des Besitzes hat , Sachen dem Benutzen , dessen sie fähig sind ganz auf immer entziehen sollte .

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§ . 29 . Meines Eigen­thumes kann ich mich in soferne e nt ä u ß e r n , als die Sache ihrer Natur nach eine ä u ß e r l iche ist . Unve r ä u ß e r l ich , so wie u nve r j ä h r b a r sind daher diejenigen Güter , welche nicht sosehr mein Besitz sind , als viel­mehr | meine eigenste Person ausmachen , als  : meine Persönlichkeit überhaupt , Freyheit des Willens Sittlichkeit Religion . Es gibt also unveräußerliche und unverjährbare Dinge , deren ich mich , in sofern ich im Besitz bin , nicht entäußern kann , und bey denen kein Besitz des andern mich abhält so wie ich will mich wieder in Besitz zu setzen . Dahin gehören alle Güter , die zu meiner Persönlichkeit gehören , zu der allgemeinen Freyheit meines Willens . Diß ist der Fall , daß ich mich nicht freywillig zum Sclaven machen kann , denn dieser von mir einem andern eingeräumte Besitz hört , so wie ich es will auf . Wenn ich auch als Sclave ­gebohren und vom Herren ernährt und erzogen bin , und wenn meine Eltern und Voreltern alle Sclaven waren , so bin ich frey im Augenblick wo ich es will , wo ich zum Bewustseyn meiner Freyheit komme . Denn die Persönlichkeit und Freyheit meines Willens sind wesentliche Theile meiner selbst , meiner Persönlichkeit . Alles was ich bin , bin ich nur als in meiner Persönlichkeit . Alle diese Güter meiner Persönlichkeit sind ebenso unverjährbar und unbeschränkbar , und justus titulus und bona fides des Besitzers eines Sclaven hilft ihm nichts . Der Willkühr aber kann und soll ich mich ent­äußern  , und sie soll beschränkt werden . Zu dem BegriVe der Freyheit gehört es Eigen­thum haben zu können , denn hier tritt erst die Freyheit in ihr Daseyn , und die Eigen­thumsfähigkeit hängt so mit der Persönlichkeit unmittelbar zusammen . Rehberg suchte diese Grund­begriVe des Natur Rechts anzugreifen , gegen ihn schrieb | Fichte in seinem Geist der französischen Revolution . Rehberg behauptete nämlich  : die Freyheit als reine Freyheit könne nicht durch äußere Handlungen angegriVen werden , und wenn ich einen prügeln ließe , so schade diß seiner Freyheit nicht . Aber die Freyheit ist erst dann , wenn sie Daseyn , Würklichkeit erhält , und sich äußert .

35 4 sollte] sollten   9 eigenste] eigentste   23 Persönlichkeit1] Personlichkeit  

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Eben so die Sittlichkeit ist ein unveräußerliches  ; denn mein Gewissen kann ich , welches doch der Richter der Sittlichkeit ist , nicht veräußern . Eben so unveräußerlich ist die Religion  ; daher können die Laien nicht auf die Religion verzichten und sie den Priestern überlassen , welches Sache des Zutrauens wäre , damit sie sagten , was die Sache der Religion sey und , was einer um religiös zu seyn thun müßte . Aber wenn auch das Volk seine Rechte auf Religion den Priestern überlassen hätte , so könnte es sie in jedem Augenblicke zurücknehmen . – Es ist allerdings eine hohe Forderung daß alle Rechte , welche auf der Persönlichkeit beruhen unveräußerlich und unverjährbar seyn sollen , aber die Freyheit ist nur dann Freyheit , oder alle diese Rechte treten nur mit dem Bewustseyn dieser Rechte ein , und so wie das Volk dieses ­Bewustseyn seiner Rechte bekommt , so müssen sie ihm werden .

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§ . 30 . Von meinen besonderen körperlichen und geistichen Kräften und Geschicklichkeiten kann ich einen in der Zeit beschränkten Gebrauch an einen anderen veräußern , weil sie als bestimmte die Seite eines äußerlichen Verhältnisses überhaupt | zu meiner Persönlichkeit haben  ; welches aber nur durch die Beschränkung der Veräußerung auf einzelne Producte oder auf eine bestimmte Zeit als ein Äußerliches bestimmt und da ist . Durch die Veräußerung auf unbeschränkte Zeit aber würden meine Kräfte als Totalität entäußert , welche die Erscheinung meines allgemeinen Seyns ist . Eben so kann ich auch mein Eigen­thum überhaupt und meine Production nur als einzelne veräußern . Meine Geschicklichkeiten , Kräfte sind in meiner Intelligenz , Vernunft begründet sind mein eigen und innerliches . Aber sie haben das Verhältniß eines Äußern , in sofern sie einen eigenthümlichen Inhalt haben , in sofern sie zur besonderen Seite , nicht zur allgemeinen Seite gehören . In sofern sie nun etwas äußerliches sind kann ich sie veräußern , ich kann mich anheischig ­machen für einen andern etwas zu thun , ich kann bey einem andern in Dienste treten , aber dabey , wenn ich einem alle Arten von Diensten verrichten will , so ist diese Schranke schon vorhanden , daß mir meine Persönlichkeit bleibt nach dem vorigen § . Aber ich kann meine Dienste nur auf bestimmte Zeit überlassen , ich kann nicht auf alle meine Arbeiten einem andern Rechte einräumen . Diese Beschränkung durch Zeit und Beschränkung nach Zahl und Maaß sind die Seite der Äußerlichkeit . Denn wenn ich 6 müßte] müßten  

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einem das allgemeine meiner Dienste überließe , meine Möglichkeit etwas hervorzubringen , welche ein | allgemeines ist , oder alle Besonderungen alles Äußerliche enthält , so würde ich dadurch das allgemeine des Innern veräußeren . In der Totalität der Production in der unbeschränkten Zeit ist ein allgemeines vorhanden . Ich kann daher die Ganzheit der Äußerung meiner Kraft nicht weggeben . Mein Inneres kann ich keinem überlassen , sondern ich überlasse einem nur meine Dienste als auf Zeit und Besonderheit beschränkt . Eben so kann ich keinem meine Eigen­thums­fähig­keit mit meinem Eigen­thum überlassen . Ein Verbrecher der ins Zuchthaus kommt , kann nur auf eine bestimmte Zeit eine beschränkte Zeit seine Freyheit verlieren . So wird die Veräußerung meines Innern an einen andern möglich und hat die Gestalt der Äußerlichkeit .

§ . 31 .

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Durch die Sphäre meiner Freyheit , welche ich im Eigen­thume habe , komme ich in Verhältniß zu anderen Personen . Das unmittelbare Eins der Persönlichkeit ist eine Repulsion in unendliche viele Eins . D a s we s e n t l iche D a s e y n des Eigen­thums ist d a s D a s e y n d e r rechtlichen absoluten Seite desselben , und diese ist , daß in demselben die Personen einander als Personen a ne r ke n ne n  , ie , in dem Bewustseyn ihrer Idendität mit sich selbst sich als idendische mit den andern durch Vermittlung des äußerlichen Daseyns wissen , und sich einander als Freye selbstständige lassen . Dadurch daß ich meinem Willen durch Eigen­thum Realität gebe , ent­ stehen Verhältnisse meiner zu anderen , meines Eigen­thums zu anderem Ei­ gen­thum . Das eins ist Beziehung des negativen | auf sich , die Repulsion von sich . Aber es ist der BegriV des Eins das Für sich seyn , ie , die Negativität des Gesetzseyns durch ein anderes . Dies ist die nothwendigkeit überhaupt , daß viele Personen sind , aber diese Vielheit ist keine unmittelbare , sondern eine nothwendige . Mein Daseyn in meinem Eigen­thume ist ein Verhältniß zu andern Personen , hieraus entsteht das gegenseitige Anerkennen , das Freye ist für das Freye . Indem ich mich als frey weiß , weiß ich mich als allgemeines , weiß ich die andern als frey , und indem ich andere als frey weiß , weiß ich mich als frey . Daher das Princip des Rechts  : respectire Dich und die anderen in ihrem Eigen­thume als Personen . 3 Äußerliche] Äußerlich- / 〈werde〉〈〈n〉〉  17 rechtlichen] Unterstreichung des ersten Buchstabens  25

35 des1] der  

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§ . 32 . Das Eigen­thum enthält den freyen Willen überhaupt , ohne daß er noch als allgemeiner und als besonderer Wille sich unterschiede . Im Verhältniß von Personen zu einander bestimmt sich aber der eigene Wille der Person , da er als anderer gegen einen anderen auftritt , a l s b e s ond e r e r W i l le , oder a l s W i l l k ü h r . Weil aber der freye Wille an und für sich allgemeiner Wille ist , so muß die Willkühr ihre Besonderheit aufheben und sich als einen allgemeinen mit anderem idendischen Willen setzen , welches die innere Nothwendigkeit und das Wesen des Ve r t r a g e s ausmacht . Es ist eine Sache der Willkühr , einen Vertrag zu machen mit einem andern , aber obgleich es von mir abhängt diesen oder jenen Vertrag zu ­machen , so ist doch die | Nothwendigkeit die Seite des Vertrags . Nach dem vorigen § . entsteht durch das Eigen­thum ein Verhältniß der Personen zu einander , als andere für einander hat jede Person einen besonderen Willen , eine Willkühr . Aber der Wille ist frey und ein allgemeines , und wird durch die Besonderung die Freyheit des Willens nicht aufgehoben . Der einzelne muß aber seinen besondern Willen aufheben und einen allgemeinen Willen mit ei­nem anderen annehmen , und diesen realisiren , und so entsteht der Vertrag .

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2)  D e r Ve r t r a g  . § . 33 . Der Ve r t r a g ist die Erwerbung einer Sache , welche nicht mehr rechtlos und unselbstständig gegen mich ist , sondern in welcher der Wille eines anderen liegt , und die daher für mich undurchdringlich ist . Diese Erwerbung ist deßwegen vermittelt , und zwar dadurch , daß der Wille der darin liegt sich daraus zieht , mit der Bestimmung , daß die Sache an mich als Eigen­thum übergehe , dessen Einwilligung ebenso dazugehört , die Sache anzunehmen . Diese Übereinkunft ist die E r s che i nu n g des allgemeinen Willens , indem er nämlich durch die positive Willkühr , wovon der Vertrag ausgeht , und durch die negative , nämlich , | die Besonderheit meines Besitzes aufzuheben g e s e t z t w i r d  , und einen b e­s on ­ d e r e n G e g e n s t a nd betriVt . Beym Vertrage haben wir es nicht mehr , wie beym Besitz mit abstracten Sachen zu thun , sondern mit Sachen in deren Materie der Wille eines an8 idendischen] idendischem  

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deren liegt . Hier kann ich nicht durch bloßes Zugreifen erwerben , sondern nur durch Vermittlung , indem der Wille des andern sich aus der Sache herauszieht . In der Vermittlung liegt das , daß auch die andere Seite mitwürkt , nicht bloß mein äußerliches Thun , der Wille der in der Sache liegt muß sich herausziehn . Aber in dem Aufgeben der Sache liegt zugleich die positive Bestimmung des Verhältnisses zu mir , daß die Sache in mein Eigen­thum übergehe , und mein Wille sie anzunehmen . Von der einen Seite muß auf­ gegeben , von der anderen angenommen werden , diß ist die S che n k u n g  , wird aber von jeder Seite aufgegeben und angenommen , so entsteht der Ta u s ch  . Aus den beyden Willen des Aufgebens und Annehmens , wird ein allgemeiner Wille , weil der besondere Wille aufgegeben wurde , aber es ist nur die Erscheinung des allgemeinen Willens , weil dieser allgemeiner Wille ein gesetzter ist , und weil es von der Willkühr der paciscirenden abhängt , daß ein Vertrag sey . Durch den Vertrag kommen wir von der Einzelnheit zur Allgemeinheit , obgleich diese auch nur noch eine scheinende ist . Denn der Vertrag geht von meinem Belieben , meinem Bedürfnisse aus . Der ­Gegenstand | über den ich einen Vertrag mache ist gleichfalls ein besonderer . Man sagt gewöhnlich , der Staat beruht auf einem Vertrage aller mit einem und eines mit allen , und hier wird von den einzelnen Personen ausgegangen , und der Vertrag wird Vertrag mit der Regierung , dem Fürsten  ; und wenn ein Theil diesen Vertrag nicht halte sey auch der andere wenn er dies glaube nicht mehr an den Vertrag gebunden . Allein diese Ansicht kommt daher , daß man das Staatsrecht aus dem PrivatRecht herleitet , welches bey uns auch geschehen war . Daß das Staatsverhältniß überhaupt ein Vertrag sey ist falsch , indem hier von den einzelnen ausgegangen wird , wie sich vielleicht auch ein oder der andere Staat gebildet haben kann . Aber der Staat fängt nicht an , hat nicht zu seiner Grundlage die Einzelnheit der Personen , sondern ihren allgemeinen Willen , die Substanz ihres Wesens , und keinen willkührlichen Gegenstand , sondern die Macht in ihnen und über sie . (Der Vertrag kann aber nur von Willkühr ausgehen) . Es ist also nicht Willkühr des einzelnen ob er Regierung haben will oder nicht , und nicht Willkühr der Regierung , ob sie Bürger haben will oder nicht . Aber könnte es nicht ein Vertrag des Volks mit seiner Regierung gegen eine fürstliche Dynastie seyn ? Aber es ist eine Nothwendigkeit bey jeder Monarchie , daß die höchste Spitze der Regent nicht von der Willkühr des Volkes abhänge . Im Staate muß alles nothwendig seyn  ; daher kann man keine Willkühr keinen ­Vertrag der einzelnen mit dem Fürsten annehmen . | Die vormaligen deutschen Länder hatten über 17 ein besonderer] eine besondere   19 den] der   26 der Staat] die Staaten  

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sich Kaiser und Reich , und es war ein Feudalverhältniß , in dem innerhalb des allgemeinen Staates die Fürsten als Private dastanden . Welches ganz vernunftwidrig war , daß die Rechte der Staaten durch Vertrag bestimmt waren . Ebenso hatte die Ansicht , der Staat sey ein gesellschaftlicher Vertrag der einzelnen , großen Einfluß auf die französische Revolution . Es stand die Idee da , daß es vom Belieben der Einzelnen abhänge , ein Volk auszumachen .

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§ . 34 . In soferne im Vertrage intellectuelles mit intellectuellem in Beziehung tritt , und der Willen der beyden Partheyen sich idendificirt , so muß diese intellectuelle Idendificirung , welche im Vertrage überhaupt für sich im Unterschiede gegen den Besitz und dessen Übergang vorhanden ist , sich in einem ideellen Elemente Daseyn geben , als eine E r k l ä r u n g , sey es durch Zeichen und Gebährden , vornehmlich aber durch die Sprache , die S t ipu l a t ion des Vertrages . Der Vertrag für sich ist das Setzen eines allgemeinen Willens , aber dieser Wille als besondere Willkühr , daß dieses mein Eigen­thum ist , hebt sich auf . Der Besitz ist das allgemeine Daseyn überhaupt . Der Vertrag für sich ist ein Daseyn als das intellectuelle , welches ein ideelles Daseyn ist . Der Körper stellt den Geist vor , er drückt den Willen des Geistes aus , und so gibt der allgemeine Wille sich theoretisches Daseyn , und die Leistung gibt das p­ ractische Daseyn des Vertrages . | Der Geist drückt sich durch Sprache durch den Ton , welcher ein Erzittern nur ist , aus , und so drückt sich der Theoretische Wille aus am Vertrage . Der Ausdruck der durch den Druck der Hände geschieht ist das Zeichen der Übereinkunft . Durch die Sprache drückt sich die Stipulation des Vertrages auf eine bestimmtere Weise aus . Bey manchen Dingen geschieht die Stipulation und die Realisation des ­Vertrags zu gleicher Zeit wie bey dem Wecke auf dem Laden .

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§ . 35 . Die Stipulation des Vertrages ist noch unterschieden von dem reellen Über­ gehen des Eigen­thums des einen an den andern , ie , von der L e i s t u n g  . Zu dieser bin ich unmittelbar durch den Vertrag selbst rein rechtlich verbunden  ; denn durch diesen ist mein bisheriges Eigen­thum bereits Eigen­thum des anderen geworden . In der Übereinkunft als allgemeinem Willen habe ich meine Willkühr aufgehoben . 2 Private] Privaten   18 aus] vor  

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das abstracte recht35

Diese Übereinkunft enthält das wesentliche der Bestimmung über das Eigen­thum und im beyderseitigen Anerkennen zugleich das wesentliche wahrhafte Daseyn , wogegen der noch bestehende Besitz nur ein Unwesentliches ist . Ich würde daher das Eigen­thum des anderen verletzen , wenn ich das Stipulirte nicht leistete . Daß ich mein Versprechen halte ist moralisch , aber im Vertrage ist An­ heischig­machung . Die Sachen die auf Vertrag beruhen heißt man auch dinglich­persönliche Rechte , weil ich nur durch eine andere Person dazu komme . Daß wie Fichte sagt , jeder nur verbunden sey , dann und in so weit zu leisten | als der andere geleistet habe , ist eine nichtige Ansicht in An­ sehung dessen daß dann keiner anfangen könnte , und durch den Vertrag bin ich rein rechtlich zur Leistung verbunden , und der Vertrag ist schon durch die Stipulation geschlossen . Es treten beym Vertrage und dessen Leistung noch keine moralische Seiten ein . Bloß weil das Eigen­thum des anderen verletzt würde , indem durch die Stipulation die Sache vollkommenes Ei­ gen­thum des anderen geworden ist , ist die Leistung nothwendig . In dem ­Anerkennen ist ein anderer Wille für mich da , und mein Wille für den anderen , und durch das Anerkennen hat der gemeinschaftliche Willen das Daseyn . Denn ich habe meine Willkühr , die Sache zu besitzen aufgehoben , und die Leistung ist die äußerliche Realität des allgemeinen Willens , also ein unwesentliches . Die Leistung ist also keine moralische Folge , auch keine Folge die von einer äußeren Erscheinung abhängt , sondern eine rein rechtliche Folge , daß ich das von mir anerkannte Eigen­thum des anderen nicht verletze . Die Eintheilung der Verträge ist Sache des Verstandes .

§ . 36 . 25

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Der E i n t he i lu n g der Verträge muß der Hauptunterschied zu Grunde liegen , der aus seinem Gegenstande , dem Eigen­thum entspringt , welches entweder das volle Eigen­thum oder nur der Besitz ist  ; der letztere aber ist von jenem nur in sofern unterschieden , als er überhaupt etwas temporäres und gegen jenes beschränktes ist . Außerdem | aber enthalten die Verträge entweder nur von einer Seite eine Bewilligung , die Sache an den anderen zu veräußern , und von der anderen die Einwilligung , sie anzunehmen , oder aber von beyden Seiten , beyde Einwilligungen  ; hiernach sind sie Schenk‑ oder Tauschverträge . Die Substanz ist nicht außer ihren Accidenzen  ; indem sie Totalität sind , sind sie in ihr inneres zurückgegangen . Der Besitz kann aber nicht die To-

35 20 ein] eine   28 jenes] jenen  

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talität der Accidenzen enthalten , denn sonst geht mit ihm das Eigen­thum über  ; also können nur einzelne Accidenzen meines Eigen­thums übergehen , wenn ich nicht das Eigen­thum selbst verlieren soll .

§ . 37 . Die Verträge sind also  : I) Schenkungsverträge , und zwar 1) einer Sache überhaupt . 2) der Leistung eines Dienstes , wie z . B . die Aufbewahrung eines depositums ist . 3) das Verleihen einer Sache , die Verschenkung eines Theils oder überhaupt eines beschränkten Genusses oder Gebrauchs derselben . Das depositum ist eigentlich Schenkung , aber es scheint der Form nach auch ein depositum wenn ich Geld in eine Chirobank niederlege , aber ich bekomme einen Bankzettel , der mein Eigen­thum ist , und es ist also ein Tauschvertrag , die Bank hat die Benutzung meines Geldes und ich die Benutzung des Bankzettels . – Wenn ich einem etwas leihe , so schenke ich ihm den Gebrauch , die Benutzung meiner Sache (Commodatum) . | 4) Die Fähigkeit ein Te s t a m e n t zu machen beruht darauf , daß ich überhaupt das Recht habe , über mein Eigen­thum zu Gunsten eines anderen zu disponiren , und zugleich den Zeitpunkt zu bestimmen , auf welchen er in den Genuß treten soll . Da aber hier der Tod dieser Zeitpunkt ist , so liegt ein Widerspruch darin , daß ich für einen Fall schenke , wo ich ohnehin nicht mehr Eigenthümer noch Be­sitzer bin . Die Fähigkeit zu testiren kann daher nur durch das gesellschaftliche Recht überhaupt , nämlich erst durch das gegenseitige Anerkennen ertheilt werden . Das widersprechende im Testamente ist , daß einer zu einer Zeit etwas verschenkt , wo er nicht mehr Herr darüber ist . Die Erbschaft ab intestato gehört in die Lehre über die Familienverhältnisse . Daher ist die testamentarische Disposition nur in soferne gültig und rechtlich , als sie im Staate für rechtlich möglich gehalten ist , und als die anderen den Willen des Verstorbenen ehren anerkennen wollen  ; denn sonst wird das Eigen­thum nach dem Tode des Besitzers res nullius . Der Testator ist nämlich nach seinem eigenen im Testamente ausgedrückten Willen so lange noch voller Eigenthümer bis er tot ist . Daher betrachteten die Römer das Testiren als einen Theil des juris 17 (Commodatum)] ( 〈〈.〉〉 Commodatum)   34 tot] Tod  

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publici , und es mußte vor dem Volke in comitiis geschehen , wodurch die Einwilligung des Volks in das Testament angedeutet ward .

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II) Tauschvertrag .  In ihm liegt , da er kein Schenkungsvertrag ist , daß die ausgetauschten Sachen einander g le ich seyn sollen , bey aller ihrer qualitativen Verschiedenheit . Diese Abstraction | oder Allgemeinheit derselben , nach welcher sie an einander gemessen , und in der bloßen Q u a n t it ä t s bestimmung gleich oder ungleich gesetzt werden können , ist der Werth derselben . Beym Tauschvertrage kommt eine Vergleichung der Verschiedenheit der Sachen in Betracht , sie können ungleichartig seyn , aber ihre Gleichheit ihr Werth ist eine Abstraction . Ich setze nur eine Idendität zwischen beyden Sachen nach ihrer Äußerlichkeit . Die Relation fällt in mich in den Vergleichenden . Diese Gleichheit ist der Werth derselben , eine abstracte Betrachtung derselben , nach welcher sie einander gleichgeachtet werden können , obgleich sie qualitativ verschieden sind . Der Werth hängt nur von der Arbeit ab die man zur Producirung der Sache braucht , die Kunst und die Mühe , die Seltenheit etc . sind den Werth bestimmend . Nach diesem Werthe der eine quantitative Bestimmung ein Maasstab ist tritt die Vergleichung ein . Der Preiß ist der Werth in einem empirischen Falle . Der Werth kann auch in einer subjectiven besonderen Meinung liegen . 1) Ta u s ch einer Sache überhaupt einer Waare , ie , einer specifischen Sache gegen eine andere , welche gleichfalls von specifischer Be­schaVen­heit ist  . Waare ist überhaupt eine Sache von bestimmten Qualitäten . 2)  K a u f und Ve r k a u f (emptio , venditio)[.] Tausch einer Waare gegen G e ld  , ie , eine nicht specifische sondern allgemeine Sache oder eine Waare , welche nur Werth ohne andere specifische Bestimmung zur Benutzung hat . | Geld definirt sich nur so daß es bloßer Werth ist  ; aber Geld wird auch zur Waare im Verhältnisse gegen Bankzettel . Geld ist die Waare nach der Abstraction existirend , daß es zu keinem anderen Gebrauche als als Werth gebraucht wird . Der Münzfuß macht das Geld gegen einander zur Waare  ; dadurch daß das Geld bey uns von verschiedenem Metalle ist . In soferne das Geld als Geld gilt , gilt nur das vorhandenseyn des Werths . Da nun das Geld die Abstraction von Waare zum reinen Werthe ist , so hat ein rohes Volk noch kein Geld , und es begnügt sich mit dem unbequemen Tausche , indem ich da lange suchen muß bis ich einen finde , der gerade mit mir das umgekehrte Bedürfniß hat . 35 ich da] da ich  

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50–51

3) Ve r m ie t hu n g meiner Sache an einen andern (locatio conductio) des Hauses Gartens u . s . f . ist Überlassung der temporären Benutzung gegen Mieth­zinß , wobey ich Eigenthümer bleibe . Daß nun mein specifisches Ei­gen­thum in den Besitz eines anderen zur Benutzung kommt , und ich als würklicher Eigenthümer zugleich im Besitze bleibe , kann dadurch vermittelt werden , daß ich im Besitze des We r t he s bleibe , welches durch das P f a nd oder Ve r bü r g u n g geschieht  ; ein Verhältniß , das auch bey den Schenkungsverträgen No 2 und 3 . so wie bey den übrigen Tauschverträgen eintreten kann als in der Zeit die Tradition oder Leistung des einen von der des anderen , oder überhaupt die Leistung von der stipulation getrennt seyn kann . Die Benutzung muß temporär seyn , weil ich ihm sonst , dem | anderen mein Eigen­thum überlasse , und es dann nicht ginge daß der Eigenthümer (der andere) für die Benutzung seines Eigen­thums mir dem ehemaligen Eigenthümer eine Miethe bezahle . Nach der Benutzung trete ich wieder in Besitz ein . Das Pfandverhältniß entsteht dadurch , daß indem ich einem andern mein Eigen­thum in die Hände gebe , ich für dies Zutrauen gesichert seyn will , in dem ich darin nicht im Augenblicke mit dem andern im Besitze bleiben kann , und er dafür mir einen Theil seines Eigen­thums als Pfand in Versatz gibt , und ich bleibe so im Besitze des Werthes meines Eigen­thums , aber ich habe so auch eine besondere Sache in der Hand . Das Pfand ist so vom Eigen­thume verschieden und dem Kaufe , daß jeder im Besitze seines Eigen­thums bleibt , und die specifische Sache nicht übergeht . Das Pfand­ver­ hält­n iß kann auch bey den übrigen Tausch-Verträgen eintreten indem die Zeit der Leistung beyder Theile verschieden seyn kann , und ich solange ich vom andern noch nicht die Leistung empfangen habe im specifischen Eigen­ thume bleibe . Eben so ist es mit der Bürgschaft , indem da ein 3ter auf den ich mehr Credit setze für den 2ten eintritt . 4) D a s A n le i he n (mutuum) ist dasselbe wie vermiethen nur daß der Verleiher Eigenthümer bloß des Werthes bleibt  ; die specifische Sache hiermit veräußert hat . Das Anleihen ist vom Vermiethen so verschieden , daß der Verleiher bloß Eigenthümer des Werthes bleibt , und die specifische Sache überläßt er dem anderen . Der Werth bleibt im Eigen­thume des Verleihers , daher ist das Verleihen keine Veräußerung . Wird dem Verleiher ein Pfand gegeben , so behält der Verleiher den Werth des Capitals in Händen . |

25 Zeit] Zeist   beyder] bey / der  

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das abstracte recht39

5) Im L oh nve r t r a g (locatio operarum) veräußere ich das Product oder das Produciren meiner Kräfte , insofern es veräußerlich ist , und auf eine bestimmte Zeit an einen andern . Verwandt hiermit ist das m a nd a t u m , und andere Verträge über Dienste , welche auf Zutrauen , gutem Willen beson­derem Talente und Geschicklichkeit beruhen , und in soferne einen unendlichen Werth enthalten . Hier muß eine Arbeit Gegenstand des Vertrages seyn , die honesta ist , also veräußerlich ist , ferner nur in sofern sie ein Theil der Erscheinung meiner Kraft ist , denn die ganze Erscheinung ist unveräußerlich . Das Mandat und die folgenden Verträge sind unschätzbar , weil hier der gute Wille die Geschicklichkeit das Genie und das Zutrauen der unendlichen Persönlichkeit angehören , und folglich incommensurabel sind , die Producte mögen auch noch so beschränkt seyn . Hierher gehören die Ämter im Staate , welche weder Lohnverträge noch überhaupt Verträge sind , obgleich ich , indem ich für meinen Sold dem Staate diene , mit dem Staate paciscire  ; denn dem Staate ist jeder Staatsbürger im allgemeinen seine Dienste schuldig  ; der Bürger der Soldat ist , ist wegen seiner Pflicht als Bürger den Staat zu verthei­ digen , schuldig Soldat zu seyn , nicht wegen dem Solde den er zieht . Es liegt in den Ämtern diese Seite der Pflicht des Dienstes gegen den Staat , welches sie nicht ganz zu Verträgen werden läßt  ; denn die Pflicht gegen den Staat ist das erste . Daher waren früher und besonders in Republicken und sind auch noch heute die Beamten unbesoldet , und erhalten nur Emolumente um die Un­kosten zu bestreiten . Daher ist auch jeder gleich verbunden nicht mehr als ein anderer dem Staate zu dienen , aber dadurch daß ich angestellt seyn | will , verlange ich daß ich mehr leisten kann , ich will nach meiner besonderen Geschicklichkeit mehr leisten . Hier tritt das Verhältniß der Besonderheit ein , und der Staat kann mich gebrauchen wie er will , denn er ist nicht an mich gebunden , er hat die Wahl unter mehreren  ; aber ich bin an den Staat gebunden . Daher kann auch ein Staatsbeamter der nach seiner besonderen Geschicklichkeit angestellt seyn will für diese besondere Geschicklichkeit Belohnung fordern , und durch dieß tritt die Seite des Vertrages ein . Aber je nachdem meine Dienste mehr geistich als körperlich sind , in dem sie sich mehr dem Mandate nähern und den ihm ähnlichen Verträgen , so ist das Verhältniß verschieden von dem was eigentlich den Lohnvertrag ausmacht . Der Hauptunterschied der Verträge ist wohl der , daß entweder das ganze Eigen­thum oder nur eine Benutzung desselben überlassen wird .

15 Staate1] Staaten   24 seyn] seyn | seyn  

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53–55

3)  D a s Un r e cht . § . 38 . Der Vertrag ist eine endliche Übereinkunft überhaupt , und läßt die übrige ganz allgemeine Besonderheit der Individuen noch gegen einander bestehen , hiermit ihre ganze Zufälligkeit und Willkühr . Das Eigen­thum ist die Subsumtion einer besonderen Sache unter meinen persönlichen Willen , nach dieser Seite ist sie an sich unendlich und allgemein , aber nach ihrer Besonderheit enthält sie Zu­ fällig­keit und Willkühr  ; es ist daher zufällig , ob ein anderer sie nicht für unrecht hält , | indem er darin wohl das Allgemeine , nämlich meine Persönlichkeit und RechtsFähigkeit , aber nicht das Besondere anerkennt . Das Recht ist das Gesetzte unterschiedene Verhältniß meines Eigen­thums , welches von dem anderen anerkannt werden soll . In dem Vertrage hat sich zwar die Willkühr der einzelnen der besondere Wille in den allgemeinen Willen aufgehoben , aber dieser allgemeine Wille ist nur ein gesetzter , weil der Vertrag nur durch die selbstständige Willkühr der einzelnen gesetzt ist , einer kann ihn nicht aufheben , wohl aber beyde gegenseitig . Die ­übrige Willkühr ist durch solche Übereinkunft nicht aufgehoben , und der Vertrag ist nur eine Ausnahme der persönlichen natürlichen Willkühr , der Zu­fällig­ keit überhaupt . In meinem Eigen­thume liegt , daß das unendliche meines Willens an und für sich , der darin ist , respectirt werde  ; aber die Willkühr kann sich dagegen setzen  ; in soferne aber das Eigen­thum als persönlicher Wille abstract und allgemein ist , muß er sich besonderen , er muß seine Allgemeinheit in etwas äußerliches legen . Ich subsumire beym Besitz­ ergreifen eine besondere Sache unter das allgemeine meines Willens . Ein anderer kann gleichfalls diese Sache unter seinen Willen subsumiren , und glauben diese Sache sey schon von ihm erworben , und mein Anspruch auf die Sache sey unrecht , diese Collision muß vorkommen , indem die Besonderheit sich der Besonderheit entgegensetzt , und diese Collision betriVt nur die Be­sonderheit , nicht die Allgemeinheit , ein | jeder erkennt die Persönlichkeit die Rechts­fähig­keit des anderen an , aber nur diese Sache glaubt er , sey nicht des anderen Eigen­thum . Dies ist nun die Seite des bürgerlichen ­RechtsStreites .

15 der Vertrag nur] nur der Vertrag  

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das abstracte recht41 § . 39 .

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In diesem Falle entsteht das , was in die Sphäre des bü r g e r l iche n R e c h t s­ S t r e it e s fällt , ein schlechtweg negatives Urtheil , nämlich das Negiren nur des besonderen an dem Prädicat des meinigen , welches ich einer Sache gebe , nicht des allgemeinen so daß die Sache nur aus einem RechtsGrunde angesprochen und zugegeben wird , daß die Sache demjenigen gehören soll , der das Recht dazu hat . Wenn ich sage , dies ist nicht das deinige , so ist hier nur die besondere Seite negirt , nicht die Rechtsfähigkeit die Personalität , die der andere hat . Im negativen Urtheile ist noch die Beziehung auf das allgemeine vorhanden . Im bürgerlichen RechtsStreite soll jedem sein Recht wiederfahren , aber nur der eine kann Recht haben , es wird aber nur die Seite des Be­ sitzes , der ­Subsumtion dem einen negirt , aber nicht wird ihm die Seite der ­RechtsFähigkeit abgesprochen , sondern es wird ausgesprochen , wenn er das Recht zur bestimmten Sache hätte , so sollte er sie haben .

§ . 40 .

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Indem in beyden Partheyen das Anerkanntseyn des allgemeinen Willens oder des Rechts mit dem besonderen Interesse und der besonderen Ansicht über die Subsumtion der Sache verbunden ist , so wird für den allgemeinen Willen das Recht eine andere Würklichkeit gefodert , als die | ihrige ist , ein R icht e r , welcher als besonderer Wille nur den allgemeinen habe , und die Macht seye , daß gegen dessen Ansicht die Ansicht der Partheyen auf sich Verzicht thue , und die seinige anerkenne[.] Jede Parthey hat den natürlichen Willen die Sache zu besitzen , aber sie verlangen die Sache zu besitzen , weil es Recht sey , sie erkennen den allgemeinen Willen an , aber jeder hat eine Ansicht die subjectiv ist , in dem sie der Ansicht des anderen gegenübersteht  ; der Unrecht hat will gleichfalls das Recht . Der besondere Wille muß hier als allgemeiner Wille auftreten , und die Subjectivität dieses Willens muß nur ein allgemeiner Wille seyn , er muß die Ansicht des allgemeinen Willens haben . Dieser Richter muß die Einsicht , Kenntniß des allgemeinen Willens haben , und unpartheyisch seyn . Ferner muß der Richter anerkannt seyn , es muß von ihm anerkannt seyn , daß er wolle und kenne den allgemeinen Willen , und er muß die Macht haben zu entscheiden . Hier tritt die Seite der Moralität ein , indem die 28 allgemeiner Wille] allgemeinen Willen  

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56–58

­Subjective Willkühr des einzelnen den allgemeinen Willen annehmen muß , und dies ist eine höhere Seite . Hier wird der allgemeine Wille an und für sich gefodert unabhängig von aller Willkühr , und mit der Macht verbunden , ie , welcher Macht Nothwendigkeit zukommt  ; daher kann nur im Staate ein Richter seyn  ; denn wenn den Partheyen die Entscheidung eines Schiedsrichters nicht gefällt , so können sie sich gegenseitig um seine Entscheidung nicht bekümmern , aber der Richter der Macht hat entscheidet fest , und seine Entscheidung muß realisirt werden . |

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§ . 41 . Die Willkühr ist ferner noch eben so zufällig gegen das Anerkennen überhaupt  ; dieses hat zunächst nur Daseyn  ; denn der subjective Wille hat sich gegen den allgemeinen an und für sich seyenden noch nicht aufgehoben , wodurch dieser Würklichkeit hätte . Die Willkühr kann sich also gegen das Objective des Willens , w ie e s je t z t e r s t vorhanden ist kehren . Nach der positiven Beziehung meines Willens auf eine Sache kann diese überhaupt von äußerlicher Gewalt eines anderen er­g riVen , und unter die Nothwendigkeit gesetzt , ich kann vom Gebrauche meines Eigen­thums , der Ausübung meines Rechts abgehalten , und es kann zur Bedingung derselben irgend eine Aufopfrung oder Handlung gemacht werden , Zw a n g . Auf unserem Standpunkte ist nicht nur der subjective Wille , sondern der allgemeine Willen verletzt . Das Anerkanntseyn der Persönlichkeit ist erst unmittelbar , daß sie würklich seye , muß die Vermittlung durchgegangen seyn , die Willkühr muß sich selbst aufgehoben haben , es muß der besondere objective Wille eines jeden einzelnen seyn  ; der subjective Wille in seiner Besonderheit muß aufgehoben seyn . Diese Vermittlung tritt erst im moralischen Standpunkte auf . Indem ich ein Eigen­thum habe , eine äußerliche Sache oder auch meinen Körper , der auch zum Eigen­thume gehört , indem mein Wille Äußerlichkeit hat , ist er einer äußerlichen Behandlung fähig , es ist äußerliche Gewalt eines anderen möglich , und mein Wille der in der Sache liegt kann so gefaßt werden , in dem mein Wille als Substanz selbstständig vorhanden ist in dem Accidenz . Daher kann die Substanz , der Wille im Eigen­thume | festgehalten werden , er kann unter die Nothwendigkeit gesetzt werden . Für sich ist mein Wille selbstständig , aber in dem er in einer Sache Daseyn hat ist er darin , aber zugleich ist auch ein anderes darin , indem

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4 zukommt] ist   31 dem] der  

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das abstracte recht43

die Sache ein äußeres ist . Ich kann also vom Gebrauch meines Eigen­thums , von der Ausübung meiner Rechte abgehalten werden , und wenn ich sie wieder haben will so kann ich genöthigt werden etwas anderes zu thun , zu lassen , wenn du dies behalten willst , so mußt du was anderes thun . Wegen dem Daseyn dem Äußerlichseyn meines Willens kann also Zwang eintreten , auf denselben einwürken .

§ . 42 .

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Weil aber der Wille frey ist , und sich aus jeder Äußerlichkeit zurückziehen kann , so kann der Mensch wohl bezwungen , ie , seine physische Seite unter die Gewalt eines anderen gebracht , aber der Wille kann an und für sich nicht g e z w u n g e n werden , und wer gezwungen wird , wird es in soferne mit seinem Willen . Der Wille kann also nach seinen verschiedenen äußerlichen Seiten bezwungen werden , weil gegen sein physisches Daseyn ein größeres stärkeres physisches Daseyn entgegengesetzt werden kann . Hier ist das größere das intensivere die Macht . An und für sich kann der Mensch nicht gezwungen werden , denn es gibt keine Übermacht der ein freyer Wille weichen müßte . Ebenso ein Volk kann besiegt bezwungen werden , aber nicht gezwungen werden , denn es kann sich aufopfern um nicht gezwungen zu werden . Wenn der Wille sich für bezwungen ansieht , so will man noch etwas äußerliches für sich erhalten , und verliert die Selbstständigkeit , die Unabhängigkeit , die es nicht für etwas unend |l  iches unveräußerliches ansieht . Kein besiegtes Volk kann also mit Recht klagen , in dem immer sein Wille dabey war .

§ . 43 . 25

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In sofern jedoch der Wille nicht nur an und für sich oder in seinem BegriVe frey seyn , sondern auch Daseyn haben , und in seinem Daseyn frey seyn soll , so soll er überhaupt nicht gezwungen werden , und der Zwang ist im allgemeinen unrechtlich , er zerstört sich nach seinem BegriVe , und die Darstellung hiervon ist , daß der Zwang durch Zwang aufgehoben wird , oder er ist b e d i n g t r e cht l ich , in sofern er ein Aufheben des Zwanges ist . 9 bezwungen] gezwungen   22 es] sc . ein Volk   unend |l iches] unend-/( liches unter dem Zei­len­ ende wie eine Reklamante) | l iches  

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59–61

Der gezwungene gibt ein Daseyn auf , und zieht ein ihm noch gewährtes Daseyn diesem vor , und hier ist zuzusehen ob das Daseyn , welches man vorzieht dem aufgegebenen es auch werth sey , und welches Daseyn auf­ zugeben sey . So zog Cato die Freyheit einem sclavischen Leben in einem un­republickanischen Staate vor , er wollte seine große Individualität nicht unterworfen sehen lassen . Dabey hängt vieles von der Besonderheit des Individuums ab , ob es der Nothwendigkeit nachgeben soll oder nicht . Diß ist gewöhnlich in den griechischen Stücken die Ansicht des Chors der Noth­ wendigkeit nachzugeben , aber die Heroen setzen ihre individuelle Ansicht durch . Der Zwingende thut immer unrecht , wenn auch der Gezwungene dadurch unrecht thut , daß er sich zwingen läßt . Der Wille soll als freyer Wille in seinem Daseyn von dem andern respectirt werden , in sofern er für den andern ist . Im Staate | muß zum Zwange Zuflucht genommen werden , und dieser Zwang ist hier rechtlich , indem durch ihn ein Zwang aufgehoben wird . Der Zwang aber den die Natur auflegt , kann nicht als Zwang ange­ sehen werden , indem ich mich vom Zwange der Natur frey machen kann . Ich kann nur für ein freyes frey seyn wollen  ; daher kann auch nur von einem freyen Zwang herkommen . Der Wille kann seinem BegriVe nach nicht gezwungen werden . Ein freyes kann nur zwingen , aber indem das freye zwingt , hebt das Freye die Freyheit auf , dies ist ein Widerspruch , und daher kann in der Gesellschaft Zwang durch Zwang aufgehoben werden , und nur in soferne ist der Zwang rechtlich . Hier werden wir sehen , in wiefern ein noch nicht im Staate befindliches Volk , ein Volk im Stande der Natur , einem Zustande des Zwanges der Natur genöthigt werden kann in den Staat einzutreten , sich Verfassung zu geben , indem hier durch den letztern Zwang der erstere Zwang der Natur aufgehoben wird[.]

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§ . 44 . Das strikte Recht wird insoferne Zw a n g s R e c h t genannt , als es den Willen in seiner unmittelbaren Idendität mit einer Sache , oder nach seinem a b s t r a c t e n S e y n betriVt . Dieses Recht i s t daher und mu ß s e y n  ; Der Zwang d a r f hier , nämlich gegen Zwang stattfinden , weil er nach dem BegriVe stattfinden k a n n  , weil | hier noch nicht der Wille , der als subjectiver in der unendlichen Beziehung auf sich selbst als die innere Gewißheit seiner Freyheit ist , Gegenstand ist . Das strikte Recht heißt gewöhnlich im Natur Recht Zwangs Recht , und es darf hier stattfinden , weil es hier in seinem BegriVe auftritt , aber nur gegen Zwang . Durch die Möglichkeit des Zwingens darf Zwang stattfinden . Der

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moralische Wille ist der Wille in der unendlichen Beziehung auf sich selbst , der nicht nur ist , sondern auch in sich von sich weiß . Das Daseyn was der freye Wille in sich hat , hat keine Äußerlichkeit , sein Wissen von sich ist das Daseyn des freyen Willens  ; dieses Daseyn ist ein rein intellectuelles , und es kann hier dem BegriVe nach kein Zwang stattfinden , und es soll also auch kein Zwang stattfinden , ob er gleich empirisch stattfinden kann , indem hier die Willkühr eintritt . Der moralische Wille ist der vermittelte Wille , der durch die Negation seiner Willkühr für sich selbst ist . Das Recht ist und es muß seyn (als abstractes Recht) denn es ist das Seyn des Willens , und was ist , und seinem BegriVe gemäß ist , das muß seyn . In dieser Sphäre ist Zwang möglich , aber rechtlich ist er nur indem er Zwang zerstört , denn der Zwang muß durch Zwang aufgehoben werden , nicht durch Moralität , indem es , ob er moralisch seyn wolle oder nicht , in seine Willkühr gesetzt ist , aber das Recht muß seyn  ; das Seyn des Rechts muß hier vorhanden seyn . |

§ . 45 .

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das abstracte recht45

Das Ve r b r e che n ist irgendein Zwang , wodurch das Princip des Willens an­ge­g riVen , das Recht als Recht verletzt wird . Ein unendliches Urtheil , durch welches nicht nur die Besonderheit im Prädicate des meinigen , sondern die Allgemeinheit in demselben negirt ist , Die Sphäre d e s p e i n l iche n R e c h t s  . Die Verletzung der persönlichen Freyheit im einzelnen oder in umfassender All­ gemeinheit , die Sclaverey , die Verletzung des Leibes und Lebens und meines Ei­gen­thums überhaupt . Insofern es nur d e r d a s e ye nd e Wille ist , welcher verletzt werden kann , so entsteht hieraus ein Unterschied nach der objectiven Seite der Verbrechen , in welcher nicht nur die abstracte Verletzung des unendlichen , sondern eben so wesentlich die qualitative und quantitative Weise seines Daseyns in Betracht kommt . Das Verbrechen ist das unendliche Urtheil , hier wird das Recht als Recht verletzt , das meinige wird so angegriVen negirt , daß wenn ich es geschehen ließe , verlöre ich nicht nur das Eigen­thum , sondern überhaupt die Eigen­ thums­fähig­keit , das allgemeine meines Wesens , welches dann nicht anerkannt wird . Hier ist das Recht als Recht verletzt , das allgemeine des freyen Willens . Der was gegen mich verbricht , gesteht überhaupt nicht oder negirt , daß ich ein Recht habe . Den Menschen zum Sclaven zu machen und ihn zu behalten ist das absolute Verbrechen , indem die Persönlichkeit des Sclaven

35 21 die1] der   33 zum] als  

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in allen ihren Äußerungen negirt wird . Der Mord betriVt nicht eigentlich die Freyheit in allen ihren Äußerungen , aber die Unendlichkeit der | Per­ sonalität wird aufgehoben , und es wird nur die Möglichkeit der Äußerungen meiner Persönlichkeit negirt , nicht aber , wie durch Sclaverey die Würklichkeit aller Äußerungen . Indem ich meinen Körper besitze , mein Wille darin ist , so verletzt der , welcher meinen Körper beschädigt , mein Recht als Recht . Dazu kann man auch noch die Ehre des verletzten rechnen , auch ein äußerliches Daseyn in den Vorstellungen der Individuen und meiner von mir selbst , und ich werde dadurch Verletzt , weil ich der Inhalt dieser Vorstellungen bin . In den Verbrechen wird das Recht als Recht verletzt , und insofern sind alle Verbrechen einander gleich . Das absolut qualitative wird verletzt , die Freyheit des Willens . Daher sagten in diesem Sinne die Stoiker es gibt nur eine Tugend und ein Verbrechen , weil durch dasselbe das Gesetz das Recht verletzt wird . Ebenso ist es mit der Ehre , weil ich in alles dieses Gefühl legen kann  ; Es kann aber auch auf diese Weise einer durch einen reinen Civilstreit unendlich verletzt werden , indem das Innere dadurch verletzt wird , die Ehre , in dem einer den andern wegen Unrecht anklagt . – Aber nur der daseyende Wille kann verletzt gezwungen werden , in dem er nur so für andere ist , so nur qualitativ ist , nicht aber der Wille im BegriVe  ; indem also der Wille verletzt wird , wird er als ein bestimmter , nicht in seiner Unendlichkeit , verletzt  ; damit sind qualitative und quantitative Verhältnisse gesetzt , so ist der Mord vom Diebstahl qualitativ verschieden , der Diebstahl nach seiner Größe quantitativ als größerer oder geringerer Diebstahl . | Auch in dem absoluten Verbrechen , wenn einer zum Sclaven gemacht wird , tritt ein Zeitunterschied ein , er kann sich heute morgen oder überhaupt noch während seinem Leben frey machen . In der Bestimmung des qualitativen und quantitativen Unterschiedes , einer Sache des Verstandes , weil hier nicht vom BegriVe des Verbrechens die Rede , tritt nun eine positive Seite ein , und die Beurtheilung des Richters muß hier vieles entscheiden , nicht nur das Gesetz .

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§ . 46 . Der Zwang , welcher durch eine solche Handlung gesetzt worden , muß nicht nur als Product aufgehoben werden , in sofern dieses überhaupt geschehen kann , sondern die i n ne r e N icht i g ke it derselben muß an und für sich oder in ihrer To t a l it ä t Daseyn erhalten , in dem der Verbrecher ein Vernünftiges ist liegt in 23 als größerer … geringerer] vom größeren oder geringeren  

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das abstracte recht47

seiner Handlung , daß sie etwas allgemeines und ein G e s e t z durch sie aufgestellt ist , welches er in ihr für sich anerkannt hat  ; er d a r f daher unter dieselbe Handelsweise , die er aufgestellt hat , subsumirt werden  ; er mu ß aber auch darunter subsumirt , und die Handlung , welche nicht bloß im Producte , sondern als dem allgemeinen Willen entgegengesetzte besondere wesentlich im Subjecte liegt , und darin noch ein positives Daseyn hat , aufgehoben werden . Dies geschieht dadurch , daß sein Gesetz , dessen Inhalt eine Verletzung | ist , an ihm vollzogen wird . Hierdurch wird sowohl das positive Gelten seiner Handlung , als das negative derselben , die Verletzung , welche er in der Verletzung des anderen und aller ebenso sich selbst angethan hat , vernichtet , und das Unrecht in Recht verkehrt . Da unsere Theorie den BegriV der Sache zu Grunde legt , so ist die Hauptsache , das Verbrechen eine ihrem Wesen nach nichtige Handlung , diese Nichtigkeit muß in’s Daseyn kommen , und dies muß der Strafe zu Grunde liegen , die Realisirung einer an und für sich nichtigen Handlung . Das Verbrechen ist an und für sich eine nichtige Handlung , eine Verletzung des Rechts als Rechts , des freyen Willens als freyen Willens , aber der freye Wille kann nicht in seinem BegriVe verletzt werden  ; daher widerspricht das Verbrechen dem BegriVe des freyen Willens , und dies ist die Nichtigkeit des Verbrechens . Der Wille muß sein Daseyn in seiner Existenz haben , und diese Existenz wird verletzt . Die Handlung des Verbrechers ist eine allgemeine , weil der Verbrecher ein vernünftiges Wesen ist  ; der Verbrecher hat daher ein allgemeines ein Gesetz aufgestellt  : es ist Recht die Freyheit zu verletzen , und durch seine Handlung hat er dies Gesetz anerkannt . Beccaria hat nun die Todesstrafe verworfen , in dem er den Staat nach Rousseau als Vertrag der einzelnen betrachtete , und nun annahm niemand könne seinen übrigen ­Mitbürgern gestatten , ihn unter Bedingungen tödten zu lassen , weil dies wider die Natur des Menschen sey . | Aber das Verbrechen ist an und für sich (ohne Rücksicht auf den Staat) ein Gesetz , das der Verbrecher aufstellt durch seine Handlung , in dem er tödtet gibt er als allgemeines an daß es erlaubt sey zu töden , er hat dies anerkannt , in dem es eine negative Handlung ist hat der Verbrecher den einzelnen , alle , und sich selbst verletzt , er hat das allgemeine verletzt , ie , negativer Weise , und positiv hat er sie anerkannt , indem es die Handlung eines Vernünftigen ist  ; daher darf er unter dieselbe Weise subsumirt werden , er hat gegen sich das Recht eingeräumt , daß ihm bößes wiederfahre . Das Verbrechen ist eine Handlung , ie , eine Veränderung in einem äußeren Daseyn , das Verbrechen bringt irgend etwas hervor . Es gibt Handlungen , Verbrechen , welche wieder erstattet werden können , wie 23 Beccaria] Peccaria  

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beym Raub und Diebstahl , aber das Leben kann nicht wieder hergestellt werden  ; aber der getödete ist nicht mehr , folglich hat er auch nichts verloren , denn wer todt ist hat nichts mehr  ; aber seine Freunde haben verloren und diese können Ersatz fordern . Dieses ist nun , daß das bloße Product des Verbrechens aufgehoben wird , dies Aufheben des Productes ist die Civilstrafe , aber es tritt noch die peinliche Strafe ein , denn die Handlung ist noch nicht aufgehoben , das Verbrechen ist frey ausgegangen , das Verbrechen ist noch nicht aufgehoben , und dies ist die intellectuelle Seite der Handlung , denn das Verbrechen hat noch ein positives Gelten , welches im Subjecte liegt . Das Verbrechen ist aber ein besonderer Wille , die Verletzung des Allgemeinen , des Rechts an sich , dies ist | nur Sache des besonderen Willens , und das Verbrechen bleibt ein Subjectives . (Eine gute Handlung ein schönes Kunstwerk ist ein Objectives , und die Subjectivität liegt nicht darin , indem das gute und schöne ein allgemeines Werk ist . Was dem Vollender einer bösen Handlung eigen ist , was seyn ist , das ist ein subjectives , welches niedere Motive hat .) Das Verbrechen ist gerade deßwegen eine schlechte Handlung , weil es ein besonderes dem allgemeinen Willen entgegengesetztes ist . In sofern die ­Negativität am Verbrecher selbst noch nicht würklich gemacht worden ist , geht das Verbrechen noch frey aus , es ist noch ein Subjectives . Daher muß das Gesetz , welches er durch das Verbrechen aufgestellt hat , an ihm selbst vollzogen werden , es muß auf ihn zurückschlagen . Die Handlung des Verbrechers ist gegen einen andern aber eben so gegen ihn selbst . Das Gesetz des Verbrechers ist ein allgemeines , aber nur er hat es anerkannt . Durch die Strafe wird die Handlung des Verbrechers als positiv geltend zu nichte gemacht  ; aber auch das negative , die Verletzung dieser Zwang den er gesetzt hat wird durch den Zwang aufgehoben . Da das Verbrechen eine positive in sich nichtige Handlung ist , eine daseyende Handlung , die nicht daseyn sollte , so muß die 2te Negation eintreten , die allgemeine Verletzung wird aufgehoben durch die Strafe die er erleidet . Die Wiederherstellung ist die Negation der Negation . Das böße Gewissen des Verbrechers seine Unruhe in seinem Selbstbewustseyn , muß durch die Strafe aufgehoben werden , indem durch die Strafe die Nichtigkeit in ihnen vernichtet wird , und so wird das UnRecht in Recht verkehrt . | Der Zwang in abstracto ist UnRecht , aber in sofern er Zwang gegen Zwang ist , ist er Recht  ; Die Negation der Negation ist Affirmation . Auf das Verbrechen folgt die Strafe als absolutes Gesetz , Gesetz und Strafe gegen den Verletzer des Gesetzes sind die entgegengekehrten Seiten , die absolut nöthig sind . Alle anderen StrafRechtsTheorien sind 14 bösen] guten  

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das abstracte recht49

nur eine besondere Seite an dem Verbrechen und an der Strafe , eine weitere concretere Seite an denselben , nicht aber der BegriV das abstracte . Denn der Staat darf nichts thun , was nicht an und für sich Recht ist , daher taugt die Abschreckungstheorie nicht , ohne das , daß hier der Wille als nothwendig schwach angenommen wird , welches doch nur zufällig ist , es ist also falsch anzunehmen , daß der freye Wille der Menschen wesentlich bestimmbar sey , welches doch erst eine 2te Seite ist . In der Abschreckung wird der Verbrecher als Mittel für die andern betrachtet . Das Abschrecken ist etwas zufälliges , es kommt darauf an , ob sich einer will abschrecken lassen oder nicht . Wo die Strafen am härtesten sind werden die Gemüther wild , und die Abschreckungs­ theorie wirkt daß die Verbrechen häufiger werden . Nach Feuerbach soll die Drohung abschrecken , und die Strafe folgt aus dem Grunde , weil er sich durch die Drohung nicht habe abschrecken lassen . Die Psychologie des Geistes ist nach den Abschreckern schlecht bestimmt , indem sie den Geist als abhängig betrachten . Der Umweg Feuerbachs ist eine unnütze Klügeley , obgleich sie so großen Eingang fand . Wo kein Staat ist , ist Rache , und die Rache kann gerecht seyn , Strafe und Rache sind nur der Form nach verschieden . Ferner kann der Staat nur drohen , was recht ist . In dem Drohen | liegt etwas weibisches wie das Abschrecken , weil dieses gegen die Elasticität der Freyheit ist , für den Willen gibt es keine Ursache , er ist absolute Selbstbestimmung in sich . Bey der Drohung soll die Vorstellung der Strafe abhalten . Der Staat darf überhaupt nichts drohen , was nicht an und für sich recht ist , und dann ist das Drohen überhaupt nicht für den Staat passend . Die B e s s e r u n g des Verbrechers machte man auch zum Principe der Strafe , dies ist aber eine Absicht die sich auf das Subject des Verbrechers bezieht , die Besserung ist wohl eine positive Existenz aber nur für das Innere des Verbrechens nicht für das äußere , und da es überhaupt nicht erkennbar ist ob ein Verbrecher gebessert werden kann oder nicht , und ob er gebessert sey oder nicht , so ist die Besserung nichts äußerliches , und eine äußerliche Strafe muß auf das äußerliche Verbrechen würken . Das Recht der Begnadigung macht das geschehene ungeschehen , die That wird zur einzelnen gemacht , sie wird vernichtet . Die Besserung ist allerdings ein wesentliches Moment , wenn daher ein Verbrecher sein Verbrechen wiedergutmacht , so hat er das Product des Verbrechens aufgehoben und das Recht des andern anerkannt  ; daher wird meistens der Privatmann mit der Restitution zufrieden seyn , aber dies ist zufällig daß er sich aus reinem Triebe bessert , es kann auch aus Furcht vor der Strafe geschehen , daher ist die Besserung etwas zweydeutiges . Der Rich4 das] daß  

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ter wird aber immer darauf Rücksicht nehmen , daß der Verbrecher das Verbrechen wiedergutzumachen suchte . Aber das wahre ist , daß durch die Strafe | das Verbrechen erst wahrhaft vernichtet wird , sowohl für die an­ deren als für den Verbrecher selbst , für den dieses Verbrechen durch die Strafe ungeschehen gemacht wird . Das Verbrechen ist etwas an und für sich nichtiges , und diese Nichtigkeit muß in Würklichkeit aufgehoben werden , und dies ist die Idee die der Bestrafung zu Grunde liegt .

5

§ . 47 . Das Aufheben des Verbrechens ist überhaupt in so fern W ie d e r ve r g e lt u n g , als sie die Vernichtung der durch dasselbe gesetzten Nichtigkeit ist , und als das Verbrechen seiner Existenz nach einen bestimmten qualitativen und quantitativen Umfang hat , die Negation desselben also dadurch selbst bedingt und bestimmt ist . Wegen dieser äußerlichen Seite aber ist das Aufheben des Verbrechens nicht an die Specifische Gleichheit gebunden , sondern an die Gleichheit des We r t he s  , welcher auch unabhängig von der moralischen Seite , nämlich der Subjectivität des Willens , von manigfaltigen Umständen abhängen kann . Der moralische Gesichtspunkt ist nicht höher , als daß das Recht geschehe . Das Aufheben des Verbrechens ist die WiederVergeltung , weil die Wiedervergeltung die Negation des negativen , des Verbrechens , ist . Das Verbrechen tritt als würkliches Verbrechen in die Sphäre ein , wo qualitative und quantitative Unterschiede stattfinden , z . B . daß der Mord höher als der Diebstahl , daß der kleine Diebstahl geringer als | der bedeutende Diebstahl ist . Das Verbrechen ist ein bestimmtes , die Negation des Verbrechens ist die Negation gerade d ie s e s Verbrechens überhaupt , nicht des Verbrechens im allgemeinen  ; daher ist die Negation durch die Qualität und Quantität bestimmt , es soll nicht mehr und nicht weniger geschehen . Aber die Wiedervergeltung soll nicht Talion seyn , sondern hier in der Würklichkeit kommen viele ­qualitative und quantitative Bestimmungen mit einander in Vergleichung , sie sind nur im allgemeinen einander gleich nach ihrem abstracten allgemeinen Seyn worin sie gleich sind , nach dem Werthe . Es ist daher eine falsche ­Ansicht in der Wiedervergeltung an die Talion zu denken , sondern sie muß auf der Gleichheit des Werthes beruhen . Dieser Werth hat allerdings Schwürig­keiten im Ausmitteln , und es tritt hier , wie beym Tausche das empyrische ein  ; und wenn man nun dagegen diese Schwürigkeit anführen 12 hat , die] hat . Die  

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wollte , so müßte man auch sagen , es könnte überhaupt kein Tausch kein Schadens­ersatz stattfinden . Wenn z . B . für Diebstahl Gefängnißstrafe bestimmt wird , so ist schwer die Gefängnißstrafe nach ihrer Dauer zu bestimmen . Aber sie haben dies gemeinschaftlich , daß sie beyde eine Ver­letzung enthalten , und so sind sie ihrem BegriVe nach gleich , in Ansehung des quantitativen , mit wieviel Gefängniß der Diebstahl bestraft werden sollte , ist sehr schwürig , aber diese Schwürigkeit liegt überhaupt in der Seite des Daseyns , weil es eine Äußerliche Seite ist , das Andersseyn für den BegriV , und dies liegt in der Natur | der Sache . Diese quantitative Bestimmung hängt nun von vielen Umständen ab , man muß zwischen Verbrechen Vergleichung anstellen , und darnach die Strafe hinauf oder heruntersetzen  ; aber diese Vergleichung ist wieder eine äußerliche Seite , die das einzelne Verbrechen eigentlich nicht angeht . Die Sitten­begriVe der Zustand der Nation bestimmen hier . Dies gehört aber in die positive Abhandlung des peinlichen Rechtes .

§ . 48 .

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das abstracte recht51

Das Aufheben des Verbrechens ist zunächst R a che  , und gerechte Rache , in soferne sie wiedervergeltend ist  ; aber als Rache wird jenes Aufheben vom beleidigten einzelnen oder dessen Angehörigen oder andern einzelnen überhaupt ausgeübt , und ist die Handlung nicht des allgemeinen , sondern eines subjectiven Willens  ; daher eine neue Verletzung  ; die Rache verfällt deßwegen sofort in den unendlichen Progreß , weil sie der Widerspruch ist , daß der allgemeine Wille durch einen unmittelbar Besonderen Würklichkeit haben soll , und es ist ein für sich seyender ein allgemeiner Wille , ein Richter gefodert . – Bey den alten ist Rache und Strafe noch nicht verschieden , δικη ist Rache und Strafe , die Eumeniden sind Göttinnen der Rache und Strafe . Strafe ist die Aufhebung des Verbrechens in sofern sie durch ein Gericht geschieht , im Staate , durch einen Willen welcher nur der Wille der Allgemeinheit nicht der subjective Wille des beleidigten Individuums , oder der Familie , der Verletzten selbst ist . Der Form nach sind also Rache und Strafe verschieden . In Rache ist die Gerechtigkeit mit zufälligen subjectiven Gefühlen vermischt  ;  | Zufälligkeit der Einsicht des Willens des Gefühls ist hier vermischt mit dem allgemeinen Willen . Die Rache ist zunächst Ausführung des Rechts in sofern das Recht Aufhebung des Verbrechens ist , aber eine subjective Ausführung 2 stattfinden] stattfinden könne   27 der Wille] den Willen   28 der subjective Wille] den sub-

35 jectiven Willen   29 sind] ist  

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des Rechts . In manchen Ländern werden einige Verbrechen nur dann bestraft wenn sie vom Beleidigten angebracht und dem Richter angezeigt werden , und kein anderer und nicht der Richter selbst kann ohne diese Anklage etwas thun , hier ist also die Rache als etwas rechtliches angesehen , wie z . B . in England , wo einer , wenn die Beweiße nicht hinlänglich sind gegen einen Verbrecher , dem Verbrecher den Zwey­kampf antragen und ihn dazu zwingen kann . So in andern Ländern mit dem Diebstahl , wo nur der Bestohlene Ankläger seyn kann . In sofern die Rache von einem subjectiven Willen herkommt , ist sie nur ein subjectives nicht ein reines Aufheben der Ver­ letzung , und daher wieder eine neue Verletzung , und so verfällt die Rache in einen unendlichen Progreß , wie sich in Arabien und Nordamerika die Rache von Geschlecht zu Geschlecht forterbt . Denn hier bleibt der Widerspruch vorhanden , und sie stehen als einander negirende gegenüber (die Rache von beyden Seiten) . Der Widerspruch ist , das Verbrechen soll aufgehoben werden , aber das andere ist , daß der Wille nur als besonderer ist . Der Richter hat nur den allgemeinen Willen (denn er ist nicht verletzt) und in seinem Für sich seyn will er nur den allgemeinen Willen . Nun ist es aber bey ungebildeten Völkern , daß der , welcher mit dem Richterspruch nicht zufrieden ist , den Richter zum Zweykampf herausfoderte . Nur im gebildeten Volke ist ein solcher Richter denklich und möglich . |

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§ . 49 . Im ersten unmittelbaren Verhältnisse von Personen zu Personen ist das An­ erkannt­seyn  , das i nt e l le c t ue l le D a s e y n des freyen Willens , das Recht darin , daß der besondere Wille d e r e i n z e l ne n sich u n m it t e l b a r mit den anderen idendisch weiß , und sich gegenseitig gelten läßt . Deßwegen ist dieses Daseyn des Rechts z u f ä l l i g  , aber zugleich hat dieses seine Würklichkeit nur durch den subjectiven Willen . Ebenso ist das ä u ß e r l iche D a s e y n  , die Subsumtion einer Sache unter einen subjectiven Willen nach einem Bedürfnisse u . s . f . z u f ä l l i g  , und zugleich wesentliches Moment der Existenz des Rechts  : der allgemeine Wille ist als das Substantielle jedoch in diesem Verhältnisse von seinen wesentlichen Momenten noch unterschieden , ein S ol le n  , welches deren Zufälligkeit aufzuheben und sie idendisch mit sich zu setzen hat . Die Sphäre dieser Ve r m it t lu n g ist die Mor a l it ä t  . Die Seite die das Recht als Recht angeht ist , daß die einzelnen unmittelbar identisch sind , daß sie sich unmittelbar als identisch wissen , das Anerkennen als Personen . Dies gelten ist das rechtliche Daseyn der intellectuellen Seite ,

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das abstracte recht53

dieses Anerkanntseyn der Personalität . Die Personen sind für Personen , und sie haben unmittelbare Würklichkeit , eine zufällige , nicht nothwendige , denn das nothwendige ist das Aufheben der Unmittelbarkeit . Die Würkung wird durch die Ursache vermittelt , aber die Ursache ist nur in der Würkung Ursache , und das | Product ist die reine Vermittlung . Die Vermittlung ist schlechthin nothwendiges Moment . Dies erste Anerkanntseyn ist ein zufälliges , weil der subjective Wille sich noch nicht als identisch mit dem allgemeinen Willen gesetzt hat , und noch nicht den besondern Willen als einen unterschiedenen anerkennt . Nur durch den subjectiven Willen hat das Recht seine Würklichkeit , und das Recht ist so zufällig . Das wesentliche Moment ist der Widerspruch , der subjective Wille ist im allgemeinen Willen wesentlich , aber dennoch ist er hier als ein zufälliger . Der subjective Wille subsumirt zufällig eine Sache nach Bedürfniß Willkühr etc . Die Sphäre der Vermittlung das Aufheben dieses Widerspruches ist der Standpunkt der Moralität , des Sollens . So lange aber die Accidenzen noch nicht idendisch mit dem allgemeinen Willen sind , ist es bloß ein Sollen , und noch ein subjectives . Der allgemeine Wille ist als Sollen nur der unendliche BegriV , aber der allgemeine Wille muß sich realisiren in dem subjectiven Willen . Der allgemeine Wille hat als Materie den subjectiven Willen , in dem er sich hervorbringen muß .

3 Unmittelbarkeit] Vermittlung  

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2 tens D ie Mor a l it ä t  . § . 50 . Die Moralität betriVt nicht die Pe r s on als solche , den | Willen als unmittelbare Einzelnheit , sondern als individuelles Subject , den Willen , der für sich ist , und dessen Einzelnheit zur B e s ond e r h e i t  , ie , zur Beziehung des für sich seyenden Willens auf den a n u n d f ü r s ich s e ye nd e n bestimmt ist . Die Moralität betriVt nicht mehr die unmittelbare Einzelnheit , sondern das was wir Subject nennen . Der allgemeine Wille ist der an und für sich als von Bestimmtheit freye Wille . Diese Beziehung des allgemeinen Willens auf den einzelnen ist der besondere Wille . Der Wille als anerkannter ist er , insofern er in einem anderen Willen gilt . Das besondere ist nicht das einzelne , sondern es hat unmittelbar die Allgemeinheit in sich selbst  ; die besondere Farbe , roth hat immer die Allgemeinheit , Farbe zu seyn , in sich .

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§ . 51 . Im allgemeinen moralischen Standpunkte sind 3 Momente zu betrachten  : 1) die formelle Handlung und die Gesinnung . 2) die subjectiven Zwecke , das Wohl und die Absicht . 3) das Gute und das Gewissen . Das erste Moment ist die Handlung , die besondere Realisirung des Subjects , daß es sich ein Daseyn gibt , die Gesinnung ist das Allgemeine . Im 2ten kommt die Absicht der besondere Zweck der bey etwas ist , hier ist es wo der Widerspruch des subjectiven Wohls und des Rechts des objectiven Wohls eintritt , und das 3te ist der Standpunkt , wo der objective Zweck mit dem subjectiven Verei|nigt ist , die Sittlichkeit ist dieser Standpunkt .

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die moralität55 1)  H a nd lu n g e n u n d G e s i n nu n g e n . § . 52 .

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Die besondere Selbstbestimmung hat im für sich seyenden Willen d e r F o r m n a ch die Bestimmtheit der Subjectivität , und zwar als eines Mangels und Wider­ spruches gegen den Willen , der an und für sich ist  ; sie ist daher das Aufheben dieser Negation das Übersetzen desselben in das Daseyn und zwar ein objectives allgemeines , nämlich , ein solches das der Wille sich a l s W i l le gibt nämlich als B e z iehu n g a u f d e n W i l le n anderer Subjecte , eine H a nd lu n g  . Der für sich sich seyende Wille ist 1) für sich und in sich , aber der Wille ist die Totalität der subjective Wille , und als subjectiver Wille ist er an und für sich seyender Wille , dies betriVt die Form der Handlung . Der Wille in seinem Inhalte ist hier noch nicht bestimmt , sondern nur der Form nach . Aber in seinem Für sich seyn in seiner Einzelnheit ist er unendlich . Das ist das Freye , daß indem es Grenze hat , es über die Grenze hinaus ist . Dies ist die Unendlichkeit des Selbstbewustseyns , daß seine Schranke für es ein negatives ist , und daß es in dieser Negation doch ist . Ich als das Freye kann den Widerspruch aushalten und ist selbst die positive Auflößung desselben  ; die endliche Natur aber ist nur negativ . Das Subject ist für sich ein subjectives , diese Subjectivität ist für es selbst ein Mangel  ; aber es selbst ist das Aufheben dieses Widerspruches . Dieses Aufheben ist die Handlung überhaupt , diese ist , daß das Subject | seine Subjectivität aufhebt , und sein Inneres äußerlich macht . Die Handlung ist eine Übersetzung des Willens die sich der Wille als Daseyn gibt . Eine Besitznahme ist nur eine Handlung in soferne als sie Beziehung hat auf den Willen anderer Subjecte auf das Anerkanntseyn . Der Vertrag ist eine Handlung , weil ich mir darin ein Daseyn für den Willen eines anderen gebe . Die Handlung geht vom Subjecte aus , sie realisirt sich unmittelbar , beym Vertrage schon , noch mehr beym UnRecht und beym Verbrechen , aber diese subjective Seite wurde noch nicht betrachtet .

§ . 53 . 30

Die besondere Selbstbestimmung als innerliche des für sich seyenden Willens , und als eine solche , welche Realität erhalten soll , wird gewußt vom Subjecte

22 die] das  

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und ist sein Zwe ck  . Ein Urtheil das in seiner Bestimmtheit den allgemeinen Gedanken enthält . Die G e s i n nu n g ist diese Allgemeinheit als dem Subjecte angehörig , und für sich herausgehoben die M a x i m e des subjectiven Willens . Wenn das Recht geschieht , ist die Gesinnung für dasselbe unwesentlich . Die Handlung ist das Übersetzen der Innerlichkeit in die Äußerlichkeit , aber die Äußerlichkeit ist die Form worin der Wille sich setzt . Das Subject will etwas  ; dies ist sein Zweck , aber der Zweck ist noch ein innerliches  ; | Der Zweck ist Selbstbestimmung des Willens , die nicht subjectiv bleiben soll , diesen Mangel der Nichtäußerlichkeit nicht behalten soll . Das Subject weiß vom Zwecke , in sofern er noch in seiner Innerlichkeit ist . Im Zwecke ist ein allgemeiner Gedanke vorhanden , dies ist der Wille an und für sich allgemein und an und für sich bestimmt zu seyn , was ich innerlich setze ist das meinige , mein Zweck ist ein allgemeines , das aber auch bestimmt ist . Im Willen bleibe ich nicht bey der Allgemeinheit stehen , sondern ich bestimme meinen Willen . Der Zweck ist mein Abbild , aber ist erst subjectiv und soll objectiv werden . Der Zweck ist der BegriV . Im lebendigen ist der BegriV (Zweck) unmittelbar in äußerlicher Existenz , nur im Geist ist der BegriV als Innerliches . Der Wille hat diesen BegriV der ist im Elemente des Denkens , er weiß davon . Dieses Allgemeine insofern es dem Subjecte angehörig ist , ist die Gesinnung , wenn wir nun die Gesinnung abstract aussprechen , so sagen wir  : es ist Maxime eines Willens . Werden die Maximen ganz betrachtet , so sind sie Grundsätze  ; gehört der Grundsatz einem subjectiven Willen an , so ist er meine Maxime . Die Grundsätze soll man zu Maximen machen . Dahin strebt die moralische Erziehung , daß diese Grundsätze immer vorgestellt werden , aber diese Grundsätze müssen zu | eigen gemacht werden , im Subjecte erregt werden , nicht allein als äußerliche dem Lehrlinge vorgestellt , denn so kommt es immer in der Form eines äußerlichen an ihn . Der Lehrling muß das Gute als seinen eigenen Wil­len ansehen . Der Grundsatz muß dem Subjecte eigen werden . Wenn das Recht geschieht , fragt man nicht nach der Gesinnung , denn das Recht ist ein wahrhaftes Handeln , ein in sich substantielles hervorgebrachtes Daseyn , und hier kommt die Subjectivität des Willens nicht in Betracht , bloß dem Subjecte muß es darauf ankommen aus moralischen Grundsätzen das Rechte zu thun .

27 vorgestellt] vorstellen   28 ihn] sie

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die moralität57 § . 54 .

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Der subjective Wille ist näher in soferne ein endlicher , daß er auf dem Standpunkte des Bewustseyns steht  ; er hat für seine Handlung einen vorausgesetzten Gegenstand , und in seinem Zwecke die Vorstellung desselben und die Anwendung seiner Maximen auf die bedingenden Umstände . Die T h a t ist die Ver­ änderung , welche in dem vorliegenden Daseyn hervorgebracht wird , und der Wille i s t s chu ld überhaupt an der Veränderung und an deren Folgen . Hier ist von der Handlung eine weitere Seite betrachtet . Der Wille ist subjectiv , nicht objectiv , er ist auf dem Standpunkte des Bewustseyns , dieser Endlichkeit des Bewustseyn , daß der Geist nicht an und für sich selbst | ist , sondern seine Realität ihm als ein Gegenstand ist , auf welchen er handelt . Äußerliche Umstände sind die Bedingungen seines Handelns , in seinem Zwecke ist die Vorstellung dieser äußerlichen Umstände überhaupt , und die Subsumtion der bestimmenden Umstände unter den Zweck . Die Handlung geht auf das vorliegende Daseyn  ; der Wille als Thätigkeit bewürkt die veränderung , und der Wille i s t (nicht er hat) Schuld an der Veränderung und an deren Folgen . Dies ist der BegriV von S chu ld s e y n überhaupt . Das Schuld haben , die Zurechnung ist etwas anderes . Die That ist überhaupt eine Veränderung in ein gegenständiges Daseyn . Daß der Mensch schuld an etwas ist , drückt die Unmittelbarkeit aus , das Hinausgehen aus dem Subjectiven in die Objectivität , und die That ist die ganz unmittelbare Vermittlung . Die Folgen sind wenigstens abhängig von der That . Schuldigkeit im Civilsinne , wenn ich einem was schulde , so bin ich der Civilbesitzer und der andere ist der Eigenthümer .

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§ . 55 .

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Aber weil dieser Wille als Bewustseyn endlich ist , so ist die gegenständliche Erscheinung für ihn zufällig , und kann für sich selbst etwas ganz anderes seyn , als sie in seiner Vorstellung ist , so wie ferner die That als der in die Äußerlichkeit gesetzte Zweck den äußeren Mächten Preiß gegeben ist , sich an sie ganz anders anknüpfen | und sich in fremde entfernte Folgen fortwälzen kann . Der Wille erkennt aber in seiner T h a t nur dies als seine Handlung an , h a t nur S chu ld an dem , was er von ihr in seinem Zwecke weiß , und läßt sich nur dies zurechnen . Das Thier thut eigentlich nicht etwas , noch weniger aber kann es handeln . Vor der Verwürklichung hat der Wille seinen Zweck in sich , und es ist

35 1 54 .] 54)   30 sich] in sie  

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­zufällig , wie die Erscheinung der Gegenstände da ist für ihn als Bewustseyn . Die Vorstellung des Bewustseyns kann aber sehr verschieden seyn von der Würklichkeit . Der Mensch der handelt würkt auf die Umstände wie sie in seinem BegriVe sind . Wenn einer auf der Jagd einen Menschen schießt , indem er glaubt ein Wild zu töden , so hat er nicht schuld daran , er läßt sich es nicht zurechnen . Nur insoweit ist die Handlung die meinige , als die Umstände in meinem Zwecke sind . An die Äußerlichkeit kann sich auch ganz anderes anknüpfen , es können Folgen entstehen , die nicht in dem lagen , was er gethan hat , auch diese Folgen läßt sich der Mensch nicht zurechnen . Denn nur das kann überhaupt zugerechnet werden , was im Zwecke der Handlung liegt . Das heroische Bewustseyn sah sich als unendliche Intelligenz an , und sah seine That nach allen Umständen als die seinige an . Ödip erschlug einen Mann der ihm im Wege entgegenkam , aber in der Handlung lag es , daß es sein Vater war  ; aber er empfand einen solchen Schmerz darüber , als wenn auch der Umstand in seinem Bewustseyn gewesen wäre . Dies ist die Ehre die sich der Mensch anthut , | daß er alles wisse , und muthet sich zu , daß er alles wissen sollte , und empfindet den Schmerz als eines der gehandelt hat .

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§ . 56 . Weil das Verbrechen die an und für sich nichtige Handlung ist , so ist das subjective Wissen und Wollen derselben die Gesinnung in Rücksicht auf das allgemeine das in ihr liegt . Neben der Kenntniß in Rücksicht auf die gegenständlichen Umstände ist , daß sie als Handlung im Zwecke gelegen hat , ie , daß sie Vo r s a t z war , wesentliches Moment bey der Zurechnung und Bestrafung des Verbrechens . Daß das Verbrechen als Verbrechen beurtheilt werde , kommt es auf die Gesinnung an . Das Verbrechen ist eigentlich eine leere Erscheinung , denn es ist die an und für sich nichtige Handlung , deren positives dem Subjecte angehörig bleibt , und in sofern hat die Rache oder Bestrafung sich an das Subject zu wenden . Ob die Handlung Verbrechen ist , kommt darauf an , 1) ob die Umstände im Bewustseyn waren und 2) ob das allgemeine der Handlung die Maxime im Zwecke des Subjectes war , oder beydes zusammen , die Handlung muß Vorsatz gewesen seyn . Der Mensch muß gekannt haben , daß das Verbrechen die Handlung ein widerrechtliches ist  ; daher tritt nun die Seite des positiven des empyrischen ein (bey uns können Kinder nicht vor Gericht gefodert und bestraft werden , wohl aber tritt in England | in London 1 Gegenstände] Gegen / stnde  

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die moralität59

darin häufig Collision ein , die Kinder werden häufig gezüchtigt , freilich in geringerem Grade)[.] Die Einzelnheit der Handlung ist im Kinde noch vorhanden , die Seite der Allgemeinheit , des Vernünftigen kann das Kind noch nicht haben . Hier muß das Gesetz eine feste Bestimmung machen , um nicht der Willkühr des Richters zu viel zu überlassen , ein Tag gibt verschiedene Rechte einer Person . Andere Zustände wie Zorn , Trunkenheit , Wahnsinn , sind Zustände , die das Bewustseyn des Menschen schwächen . Man hat gesagt , jedes Verbrechen sey Wahnsinn  ; aber auch Wahnsinnige sind wegen bößartiger Handlungen zu züchtigen , aber ohne Härte[.] Blöd­sinnige die im Momente der reinen Wuth Verbrechen begehen , sind als Thiere zu betrachten , und sie können wie Thiere abgeschreckt werden , man kann sich vor ihnen zu sichern suchen , man kann sie unschädlich machen . Aber immer muß man annehmen , man muß dem Menschen die Ehre anthun , anzunehmen er habe das Verbrechen von der Seite seiner Allgemeinheit gekannt . Aus dem Gesichtspunkte , daß der Verbrecher die Handlung nicht in ihrem wahren Werthe kannte , kann die Strafe gemildert werden , aber den Gerichtshöfen sollten die Milderungsgründe nicht in ihrem ganzen Umfange zustehen , die Hauptsache in Ansehung der Milderungsgründe muß einer höheren Macht , dem Regenten angehören . Auch die milderen Sitten mildern die Strafe . | In der Handlung sind 2 Seiten , die That und die allgemeine Seite , die Maxime , die wesentlich die Gesinnung betriVt . Es wird beym Verbrecher vorausgesetzt , daß er das Gesetz überhaupt wisse . Es kann aber Roheit des Geistes geringere Stufen der Strafe begründen , aber nur , wenn er Kind oder Wahnsinniger ist . Sonst wird der Mensch immer dadurch geehrt , daß man diese allgemeine Vernünftigkeit in ihm annimmt . In soferne nun seine Handlungen der allgemeinen Vernünftigkeit der Menschen widersprechen , ist er strafbar . Aber im Staate gibt es sehr harte und schweere Strafen auf ganz positive Vergehen , die nur die allgemeine Seite haben , daß sie der Staat gesetzt hat , sonst aber mit dem Vernünftigen nicht übereinstimmen , aber der Unterthan muß sich darum bekümmern diese Gesetze kennen zu lernen . So ist das Stehlen überhaupt verbothen , aber die Kenntniß daß ein einzelner Diebstahl für so schweer angesehen wird , ist etwas zufälliges , der Verbrecher konnte dieses besondere weniger gar nicht oder mehr kennen . Über diesen Strafen steht nun die Milderung die Begnadigung . Ist die allgemeine Seite des Verbrechens vorhanden , so tritt der dolus ein , aber insofern dies allgemeine in dem Bewustseyn des einzelnen war  ; die mildern Sitten führen mildere

10 Wuth Verbrechen] Wuthverbrechen   12 sie] ihn   22 er das Gesetz] das Gesetz er  

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Strafen herbey , hier werden die Bestimmungen des ­Bewustseyns strenger unterschieden , die Abstractionen sind für sich im Bewustseyn mehr vorhanden , und seine Handlung , das Verbrechen wird größer , aber auf der andern Seite ist auch das gute gewisser  ; ein rohes Volk ist in allem ganz fühlt sich in jeder äußern Verletzung unendlich verletzt , | der gebildetere Mensch fühlt sich weniger verletzt , wenn eine Äußerlichkeit in die er seinen Willen legte verletzt wird im Gefühle der Innerlichkeit ihrer Freyheit , der Zorn und die Rachsucht ist nicht so groß . In einem ausgebildeten Staate ist jeder mehr gegen Verbrechen geschützt , und die mildere Praxis der Gerichtshöfe hat darin ihren Grund , daß man sieht , daß die abschreckenden sehr harten Strafen nicht mehr so nöthig sind . Ein gebildeter Mensch der seine Ehre in sich legt wird nicht so tief an einem äußern verletzt , weil die innere Selbstständigkeit mehr gegen ihre äußerliche Darstellung ­abstrahirt . Dies sind die Hauptmomente die bey der Handlung in Rücksicht auf ihre Form vorkommen .

2)  D ie B e s ond e r e n Zwe cke  , d a s Woh l u n d d ie A b s icht .

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§ . 57 . Der subjective Wille ist nicht nur nach der F o r m gegen die Realität überhaupt bestimmt und endlich , sondern da die Bestimmtheit zugleich unendliche Selbstbestimmung des subjectiven Individuums in sich ist , ist sie gegen jenen Unterschied gleichgültig und schlägt in den Inhalt um , welcher zunächst als die Reflection des besonderen Subjects in sich ein b e s ond e r e r Inhalt , und in seiner ganzen Ausdehnung das Woh l desselben überhaupt ist . Der Inhalt ist die in sich reflectirte in sich bestimmte Form , diese Beziehung auf sich ist eine bestimmte , es ist der einfach | gewordene Unterschied . Der Inhalt ist bestimmt im Gegensatze gegen die Form , aber er ist gleich­ gültig gegen dieselbe . Hier ist zu betrachten daß es die Form selbst ist , die in den Inhalt umschlägt  ; als Subject ist das Subject ich , absolute in sich reflectirte Unendlichkeit , und diese Reflection in sich als diesem Unterschiede macht seinen Inhalt aus . Dieser Inhalt ist die unendliche Reflection in sich gegen die Form bestimmt , aber dadurch daß der Inhalt der Form gegenüber steht ist er ein bestimmter , ein endlicher , ein besonderer . Dieser besondere Inhalt macht die eigenthümlichen Zwecke des Individuums aus , das Wohl desselben . 1 Strafen] Verbrechen  

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die moralität61 § . 58 .

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Das Wohl begreift die natürliche Bedürfniß des Individuums , welche zunächst das Moment der B e s ond e r h e i t in der Besitznehmung und in der Erwerbung von Eigen­thum ausmacht , ebenso aber auch die geistichen Bedürfnisse sich zu bilden und überhaupt das S e l b s t g e f ü h l seiner besonderen Würklichkeit mit dem a l l g e me i ne n B e g r i f fe seines Lebens , dessen verschiedenen Seiten , sowie mit der Id e e seines intelligenten und wollenden Wesens in Übereinstimmung zu bringen . Hier gibt das Subject sich eine besondere Sphäre seines Daseyns , hier tritt die Collision zwischen dem Wohl , den Zwecken des Individuums und dem Rechte ein , die Collision der Besonderheit gegen das Allgemeine . Man erwirbt eigentlich nichts als nach Willkühr nach einem besonderen | Bedürfnisse , welches macht daß man dies besondere will . Das Leben des Menschen ist ein organisches Leben , und dieses organische Leben will sich das unorganische Leben unterwerfen  ; die unmittelbare Übereinstimmung ist das Gefühl seiner selbst , des Wohlseyns , des Genusses , die Rückkehr des Individuums in sich selbst . Zu dem geistichen Bedürfnisse gehört alles was zur Entwicklung des Geistes gehört . Die verschiedenen Bedürfnisse des Gei­stes sind das Werden des Geistes zu sich selbst . Die Kräfte des Geistes sind Triebe oder Bedürfnisse , insofern der Mensch an sich in seinem BegriVe Geist ist , nicht aber ein für ihn daseyendes , und dieser Widerspruch erwürkt die Triebe , daß die Kräfte für ihn im Daseyn seyen , und daß er ungehindert darin seye sie vollkommen durchdrungen habe . Dies ist das , was zum Wohle überhaupt gehört .

§ . 59 .

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Das Wohl hat zwar die Besonderheit des Subjectes zum Principe  ; ist aber ­wesentliches Moment zum Handeln und zur Realisirung des allgemeinen Willens , Weil die Thätigkeit des Handelns überhaupt die ne g a t i ve B e z ie hu n g d e s W i l le n s a u f s ich s e l b s t ist  ; daher in der Sphäre der Individualität liegt  ; das Wohl ist daher ein wesentlicher Zweck des Willens oder ein Re cht  , und in soferne es durch positives Handeln hervorgebracht werden muß , P f l icht  . Im allgemeinen enthält diese Pflicht dies , daß | in allem Handeln ein I n t e r e s s e seyn muß , weil darin das Subject das Bewustseyn seiner selbst hat , und in 9 Daseyns] Daseyns gibt  

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seiner That , bey allem übrigen Inhalte derselben , sich selbst als dieses einzelne er­kennen  muß  . Das Wohl ist wesentliches Moment des Willens , ist ein Recht , und eine Pflicht in sofern es durch positives Handeln hervorgebracht werden muß . Die Beschränktheit des Willens ist die Natürlichkeit . Dieses Urtheil in allgemeinen Willen und in besondern Willen ist nothwendiges Moment . Das Wohl hat zwar die besonderheit des Subjectes zum Princip , aber das Handeln enthält die Vermittlung der Subjectivität und Objectivität . Daß der absolute Endzweck der Welt überhaupt hervorgebracht werde geschieht nur durch die Handlung . Aber nur das Subject ist thätig , handelt , denn die Thätigkeit ist die negative Beziehung des Willens auf sich , der sich mit sich vermittelnde Wille aber ist die Individualität , dies ist das Moment , daß der Wille für sich ist . Im Orientalischen ist das Moment der Besonderheit nicht , es wird nicht als wesentliches Moment für sich gesetzt , erst durch das Christenthum entstand die Individualität , die als einzelne , besondere , Daseyn hat . Das Wohl ist ein Recht und ist eine Pflicht , denn es muß hervorgebracht werden . Das Subject welches handelt erkennt sich in seiner Handlung , dies ist sein Interesse . Das Interesse in seiner ganzen Allgemeinheit ist noch nicht verschieden von dem Zwecke | der Handlung selbst . Das Interesse ist nur diese Seite daß es durch das Individuum , welches sich selbst in seiner Handlung genießt , entsteht . In dem was der Mensch thut hat er das ­Bewustseyn seiner That , und dies ist nichts bößes .

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§ . 60 . Dem natürlichen Willen als solchem ist das Wohl nur Zweck als dieses einzelnen Subjectes  ; aber schon die Person ist zwar der einzelne aber frey von der bloßen natürlichkeit des Willens , und die Glückseligkeit tritt in soferne als Pflicht in die moralische Sphäre ein , als die Besonderheit des Subjects , nicht abstract für sich , sondern durch den an und für sich seyenden Willen bestimmt und darunter subsummirt ist . Sie wird damit ferner so als allgemeine bestimmt , daß der Zweck sich auf das Wohl der anderen ausdehnt , und hierin gleichfalls moralischer Zweck und Pflicht ist . Glückseligkeit ist der Genuß die Befriedigung der Triebe in der Reflexion der Allgemeinheit dargestellt , aber noch nicht die Allgemeinheit an und für sich . Die Glückseligkeit tritt nun aber in die moralische Sphäre ein , nicht 28 sich , ] sich  ;  

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die moralität63

aber als besonderer Zweck , sondern als subsummirt unter den allgemeinen Willen . Das Wohl des Individuums ist wesentliches Moment , aber nur in sofern als es unter den allgemeinen Willen subsummirt ist , die Zwecke der Moralität sind wesentliche Zwecke , aber | nicht nach ihrer Besonderheit , es ist immer ein Gegensatz von Form , oder Allgemeinheit , und Inhalt oder Besonderheit . Die Pflicht ist für sich das allgemeine absolute , aber sie soll einen Inhalt haben , und so tritt sie in die Sphäre der Besonderheit . Die Besonderheit des Willens muß unter den allgemeinen Willen subsummirt werden , und insofern ist es auch Pflicht das Wohl anderer zum Zwecke zu machen , das Wohl des Nächsten , nicht aber das Wohl aller , weil das Individuum als besonderes sich nicht zu allen verhalten kann , sondern sein Würkungs­k reis sich auf den mit dem es zu­sammen­triVt beschränkt .

§ . 61 .

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Diese moralischen Zwecke sind um ihres besonderen Inhaltes Willen überhaupt zufällig für das Recht  ; und können daher mit demselben übereinstimmend seyn  ; aber auch nicht . So kann auch in der Handlung die Seite ihrer Besonderheit dem Subjecte der wesentliche Zweck , die objective Handlung kann zum M it t e l für denselben herabgesetzt werden , und dieses besondere die A b s icht seyn . In diesem § . ist die Collision zwischen moralischen Pflichten und dem Recht berührt . Die moralischen Zwecke betreVen die Besonderheit des Subjects , das Recht hingegen ist das Daseyn des freyen Willens überhaupt . Das Allgemeine und besondere können einander gemäß seyn , aber auch nicht übereinstimmend . Es kann daher in einer Handlung , die die allgemeine | und besondere Seite als Handlung hat , die Besonderheit der Zweck seyn , der moralische Zweck des Wohls anderer . Diese besondere Seite des Wohls überhaupt kann die Absicht des Subjects in seiner Handlung seyn , und dann ist die objective Handlung , die Rechtlichkeit dieser Handlung das Allgemeine nur Mittel zur besondern Absicht . Das besondere welches Folge der Handlung ist kann die Absicht der Handlung seyn , und diese Absicht wieder Absicht für eine andere Absicht u . s . w . Die Absicht als besondere kann immer weiter so vermittelt werden . Die Gesinnung bezieht sich auf das moralische auf das Wohl , aber der Inhalt ist immer ein besonderer . Die Absicht wird oft gleichbedeutend mit Vorsatz genommen . 5 oder1 über der Zeile mit Einfügungszeichen , versehentlich vor das Komma eingewiesen  10 Individuum]

35 Individuum sich   12 es] er  

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Die Unter­schiede zwischen Absicht und Vorsatz oder Gesinnung bey einem Verbrechen ­beziehen sich auf den dolus . Die Handlung welche für sich ein Verbrechen ist kann Mittel zu einer andern Absicht seyn , welche Absicht eine moralische seyn kann . Wegen des Präsumirens des dolus unterscheide man , wenn der Thäter bloß Schuld ist am Verbrechen , so ist es kein Verbrechen für ihn , in sofern aber z . B . der Tod eines andern in seiner Absicht lag , er also Schuld hat , ist es ein Verbrechen , und es kann hier keine Frage seyn , daß der dolus durch den bößen Vorsatz hervorgebracht sey . Beym dolus indirectus ist es so , wenn z . B . einer einen Brand anlegt , so will er brennen , aber die Menschen die dabey umkommen , sind mittelbare Folge seiner Handlung die ein Verbrechen ist , welche Folge aber nicht unmittelbar in seiner Absicht lag . Wenn einer verwundet ist , so kommt es auf die Constitution des Verwundeten | auf die Geschicklichkeit der Ärzte u . s . w . an , ob die Verwundung Tod nach sich zieht . Wenn einer einen Brunnen vergiftet damit seines Nachbarn Vieh crepire , so ist es eine mittelbare Folge daß die Menschen die daraus trinken sterben . Die Handlung aber enthält ein sich zu thun machen mit einem Elemente , dessen er nachher nicht mehr Meister ist  ; hier ist also nicht von dolus indirectus zu sprechen , sondern es liegt in der Handlung selbst , daß sich die Handlung ausdehnen kann zu ungemessenen Folgen . Wenn er nun durch die Brandstiftung wenig Schaden zufällig anrichtet , so kommt dies auch dem Thäter zu gut . Durch eine solche Handlung gibt sich der Thäter den äußerlichen Umständen preiß , und das Schlimme das daraus erfolgt gereicht ihm auch zum schlimmen . Wenn eine Handlung Verbrechen ist , so ist der dolus von selbst bewießen , und der Richter braucht den dolus nicht mehr zu beweißen .

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§ . 62 . Die moralischen Zwecke sind untereinander selbst von verschiedener Art , und welcher in der Vergleichung mit anderen der höhere sey , gehört in die Ab­ handlung der Moral . In Beziehung auf das Recht aber kann ich um einer moralischen Absicht willen wohl Verzicht auf mein Recht thun , aber die moralische Absicht rechtfertigt nicht eine unrechtliche Handlung , viel weniger , daß sie dieselbe zur Pflicht machte . In der bloß moralischen Absicht sollte nur eine subjective Besonderheit | anerkannt werden , durch die unrechtliche Handlung aber würde das allgemeine Princip , die Freyheit des Willens verletzt  ; die wahrhafte morali2 beziehen] bezieht   10 mittelbare] unmittelbare  15 mittelbare] unmittelbare 

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die moralität65

sche Gesinnung ist vielmehr , zuerst das Recht zu thun , Moralisch ist sie , in soferne das Recht als eigene Selbstbestimmung des Subjects ist , böße in bloß moralischem Sinne ist die Gesinnung , die überhaupt gegen das Wohl anderer geht . Wenn ich die eine Pflicht erfülle , so kann diese die andern Pflichten ausschließen , welche Pflicht die höhere sey , entscheidet die Moral . In der moralischen Pflicht liegt diese Unangemessenheit , daß die Pflicht ein allge­ meines ist , und wieder einem besonderen angehört . Das Gewissen muß zuletzt über die Collision der Pflichten entscheiden , aber seine Entscheidung ist eine grundlose . Die Pflicht die mehr Allgemeinheit hat ist die höhere . Um einer moralischen Absicht willen kann ich wohl auf mein besonderes Recht verzichten , aber ich kann nicht darum anderer Rechte kränken  ; auch darf ich nicht aus moralischer Absicht auf meine RechtsFähigkeit verzichten , weil ich nicht auf meine Freyheit verzichten kann . Die Menschen sind lieber moralisch als rechtlich , aber das rechtliche hat die Allgemeinheit , und die moralische Absicht hat die Besonderheit zum Inhalte , daher kann nie das Recht für einen moralischen Zweck , welcher er auch sey , gekränkt werden . Denn die unrechtliche Handlung kränkt die Freyheit . Die erste moralische Pflicht ist vielmehr zuerst rechtlich zu seyn , und dann , insofern man rechtlich ist können moralische Zwecke eintreten . | Die rechtliche Handlung als solche , das wahre der rechtlichen Handlung ist , daß das Recht um des Rechts willen gethan werde . Die moralische Gesinnung hat dies gefährliche , daß indem meine Maxime ist recht zu thun , indem ich diese aber habe , und weiß daß ich diese Gesinnung habe der moralische Eigendünkel entsteht , indem das Subject sich selbst zum Recht bestimmt , reflectirt es noch darauf , daß es selbst sich dazu bestimmt . Das Wahre ist , daß man das Recht thut , weil es recht ist , nicht aber die Reflexion daß die Maxime seine Maxime ist . Wenn der Mensch moralisch werden will , so muß er die moralischen Maximen freilich sich zu eigen machen , aber es muß ihm um die Sache zu thun seyn , daß sie zu Stande gekommen ist , nicht aber darum daß e r sie gethan hat . Das moralisch böße ist die Gesinnung die gegen das Wohl anderer geht . So kann der Mensch der sehr rechtlich ist doch böße seyn , aber im Staate muß der Mensch sein Wohl und das Wohl anderer den rechtlichen Pflichten dem Wohl des Staates hintansetzen . Hier tritt nun die Bedeutung des Ausdruckes ein , es ist ein guter Mensch , der dem Wohle anderer das allgemeine Recht nachsetzt . Das böße in der Gesinnung ist , wenn einer auf Kosten des Wohls anderer seine egoistischen Pläne durchführt . Der Staatsbeamte als solcher muß das Wohl der einzelnen dem Recht nachsetzen . 23 der moralische … entsteht] entsteht der moralische Eigendünkel  

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§ . 63 . Die bestimmten Besonderheiten , die zunächst den Inhalt der | moralischen Zwecke ausmachen , in ihre einfache Totalität zusammengefaßt sind selbst ein allgemeines und insoferne ein unendliches . D a s L e b e n  , in welchem zugleich die Möglichkeit des Daseyns der Freyheit überhaupt , des Rechts liegt , wenn dasselbe in der letzten Gefahr ist , so spricht es ein NothRecht an , indem gegen die unendliche Verletzung jener Möglichkeit als gegen die Rechtlosigkeit das Recht eines andern , oder das Eigen­thum eines anderen die Stellung eines nur b e s ond e r e n Daseyns der Freyheit erhält , oder die letzte Noth des Lebens gegen ein anderes beyde auf diese letzte Abstraction reducirt . Alle Besonderheit zusammen ist ein ganzes ein unendliches , das besondere aus seiner Besonderheit zurückgekehrt , diese ganze Besonderheit ist das Leben , die Möglichkeit nicht nur der besonderen Zwecke sondern auch des Rechts , von dem das Leben eine wesentliche Sphäre ist . In sofern nun also das Leben in Gefahr kommt , spricht das Leben ein Nothrecht an . In der Gefahr der unendlichen Verletzung ist die Gefahr der vollkommenen Rechtlosigkeit gesetzt . Diese RechtLosigkeit ist es , vor der das Recht überhaupt verschwindet , das Wohl anderer , ihre besonderen moralischen Zwecke und ihr Recht , weil mein Daseyn , welches meine Freyheit ist , in Gefahr ist . Hier ist die Gleichheit , daß der andere nichts vor ihm voraushaben soll , und das Recht des anderen verschwindet vor ihm . Der Wunsch daß niemand in der Sphäre des besonderen , der Ungleichheit , etwas vor dem andern voraushaben sollte , ist der Neid . Die Gleichheit der äußeren Güter ist ein falsches , weil dies in die Sphäre des | besonderen des zufälligen des ungleichen fällt . Aber gegen den absoluten Anspruch an Freyheit des einen Menschen , des Lebens , verschwindet die besonderheit der Rechte des andern . Sind beyde in Lebensgefahr , und nur einer kann auf dem Brette sich halten , so ist hier der Zustand der RechtLosigkeit , und der subjectiven Empfindung bleibt die Entscheidung überlassen , es ist hier nicht mehr von Recht und Unrecht die Rede , sondern nur von Edelmuth . Weil das ganze äußerliche Daseyn des Menschen Sache der Zufälligkeit ist , so kann dieser Fall eintreten . So hat eine Frau die mit ihrem Manne und ihren Kindern reißte von vielen Wölfen umringt und in Gefahr alle würden verloren seyn ein Kind den Wölfen hingeworfen , und sich so und ihren Mann und ihre andern Kinder gerettet , man kann nicht sagen daß sie unrecht that , aber ihre Ruhe kam nicht wieder . Im Staate sind nun Gesetze für das NothRecht . Wenn ein Handwerker ganz verschuldet ist , 24 fällt] ist  

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die moralität67

so können ihn die Gläubiger nicht nur nicht verpflichten immer für sie zu arbeiten , sondern sie dürfen ihm nicht einmal sein nöthiges Handwerkszeug nehmen , damit diese letzte Noth von ihm abgewendet wird .

§ . 64 . 5

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Die Noth zeigt nicht nur die Nichtigkeit des Wohls überhaupt , als der Realisirung der besonderen Subjectivität , sondern auch des Daseyns der Freyheit des Rechts  ; und die Besonderheit der Zwecke für sich betrachtet lößt sich in der Allgemeinheit des Gedankens ihrem Inhalte nach auf . | In der Idealität dieses besonderen Inhaltes und des äußerlichen Daseyns ist die Allgemeinheit des Willens das reine Recht und die abstracte Pflicht in sich zurückgekehrt , so als ideell ist die Besonderheit , welche auf dem moralischen Standpunkte durch den a l l g e m e i ne n W i l le n bestimmt seyn soll , diesem gleich und idendisch , und die Su bje c t i v it ä t hat in dieser allgemeinen Idealität des besonderen ein ideelles Daseyn , und ist ebenso darin in sich zurückgekehrt , d a s G ut e und d a s G e w i s s e n . Hier ist der Übergang zum Guten und zum Gewissen . Das Gute ist das schlechthin allgemeine , der allgemeine Entzweck der Welt , das Gewissen ist die Einzelnheit als solche . Die Besonderheit des Subjects zeigt sich auf unmittelbare Weise in der Noth als nichtig . In der Besonderheit des Subjects liegt auch das Daseyn der Freyheit und des Rechts . Die Noth zeigt die Beschränktheit dieser Seite überhaupt . Aber nicht nur diese unmittelbare Noth zeigt diese Nichtigkeit , sondern für den allgemeinen Gedanken gibt es keine absolute Pflicht , aber erst im sittlichen Staate gibt es absolute Pflichten . Jede absolute Pflicht ist eine Beschränkung . Der freye Wille als sich selbst bewust , der reine Wille hat keine Seite mehr in der er sich realisiren soll , die Freyheit des Willens für sich hat ihr Daseyn nur noch in dem Selbstbewustseyn , der allgemeine Wille hat hier nur sich zum Gegenstand und Zwecke , und das Subject hat nur in seiner reinen Idealität sein Daseyn . Es ist also diese Freyheit das negative des besonderen , und diese | Negativität zeigt die Noth . Das Gemüth trennt sich ganz von der äußern Welt , und beschließt sich in sich , alle Besonderheit ist hier verflüchtet . Hier ist alle Realität verschwunden , das Selbstbewustseyn ist in der reinen Gewißheit seiner selbst . Dies ist der Übergang zum Staate . Der Übergang zum Gewissen und zum Guten ist eine Dialectik . Die Noth bewürkt ein dialectisches Moment . Der allgemeine an und für sich seyende Wille , bestimmt als der Umkreis des Wohls und der an und für sich seyende Wille , der hindurchgegangen ist durch die Vermittlung

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der Subjectivität , und ein unbeschränktes Daseyn hat , ein an und für sich allgemeines Daseyn , der an und für sich seyende Wille in seiner Existenz .

3)  D a s G ut e u n d d a s G e w i s s e n . § . 65 . D a s G ut e ist der allgemeine Wille als absoluter Entzweck und Gegenstand , die Idee , in welcher für den Geist die besonderen Zwecke seines Wohls sowie damit das rechtliche Daseyn als für sich selbstständig aufgehoben , und ebendamit der absolute Entzweck der Welt als vollführt ist . Der allgemeine Wille ist der absolute Entzweck und Gegenstand , das was ist und seyn soll . Die Natur ist ein unselbstständiges gegen die Freyheit . Auf dem moralischen Standpunkte ist durch die Dialectik gegen den allgemeinen Willen nichts selbstständiges mehr vorhanden . Der BegriV ist durch seine Vermittlung durch seinen Gegensatz hindurchgegangen , und hat den Gegensatz in sich . Das | Gute ist nicht nur das freye allgemeine , sondern dieses in seinem Daseyn , welches Daseyn dem allgemeinen gleich ist . Dies ist die Idee des Guten oder des Entzweckes der Welt . Bis zu dieser Idee ist die Kantische Philosophie gekommen , und hier stehen geblieben . Aber das Gute ist ewige Ruhe , es hat keine Thätigkeit , es ist noch nicht als Substanz bestimmt , es muß würklich seyn , sich realisiren  ; als Idee des guten ist es noch das Unbewegte . Dieses gute ist daher in der Kantischen Philosophie als ein Sollen gegeben , aber eben das Sollen enthält ein unvollkommenes , das gute ist noch nicht als Idee dargestellt . Die Glückseligkeit soll vorhanden seyn , das Subject soll diesem guten innerlich gemäß seyn , aber das Subject macht es zufällig daß es ist . Darauf gründete Kant die Unsterblichkeit der Seele , daß das Gute immer mehr dem allgemeinen Guten ähnlich werden solle , dieses Postulat ist der unendliche Progreß . Aber da beyde Momente gesetzt sind , das Subject in seiner Besonderheit , und die allgemeine Substanz , dürfen beyde nicht selbstständige seyn , sondern die subjective Besonderheit muß sich selbst aufheben . Das Gute enthält in seinem BegriVe das Besondere das Negative , und dies ist die Seite der Thätigkeit , der unendlichen Beziehung des Subjects auf sich selbst .

16 des2 ] den   26–27 Momente gesetzt … Besonderheit ,] Momente , das Subject in seiner Besonderht gesetzt ist ,   28 dürfen beyde] Aber beyde dürfen  

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die moralität69 § . 66 .

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Die Selbstbestimmung in dieser abstracten Idee und die Verwürklichung ­derselben ist die reine Subjectivität , die einfache Gewißheit seiner selbst , in welcher sich alle Bestimmtheit des Rechts , der Pflicht und des Daseyns verflüchtigt , d a s G e w i s s e n  . Diese absolute Macht des freyen Willens , welcher sich als | absolutes Selbstbestimmen und schlechthin freyes Fürsichseyn erfaßt , und in welchem allein die Bestimmung dessen , w a s g ut i s t , liegt . Hier wird das Moment der Subjectivität nicht mehr von der Seite der Subjectivität betrachtet . Im allgemeinen ist alles besondere enthalten , aber das besondere ist negirt  ; im Guten ist also das Moment des reinen Selbstbewustseyns enthalten . Diese reine Gewißheit seiner in sich selbst , diese vollkommene Klarheit in sich . (Die Verwürklichung ist das Bestimmen des besonderen Zweckes .) Vor dem Gewissen gilt nichts als Recht und Pflicht , gilt kein Daseyn . Was das gute ist , bestimmt das Gewissen  ; aber eben dieses Gewissen weiß sich selbst als Gesetz , es ist diese absolute Macht der Substanz , des Guten . In dieser inneren Gewißheit ist das Subject vollkommen bey sich in seiner Reinheit . Die Wahrhafte Idee ist nur die Einheit des Guten und des Ge­w issens . Das concrete Gewissen erkennt objective Pflichten an , und in sofern es dieses concrete ist , und über collidirende Pflichten entscheidet , ist die höhere Pflicht für die es entscheidet eine objective , sie ist als die höhere in allen Gewissen anerkannt . Wenn ich wahrhaft nach meinem Gewissen gehandelt habe , so ist dies kein subjectives , sondern es ist eine allgemeine objective Pflicht . Das Gewissen ist diese reine Subjectivität , mein wahrhaftes Gewissen ist allgemeines Gewissen .

§ . 67 . In sofern das Selbstbewustseyn in dieser Eitelkeit aller Bestimmungen und in der reinen Innerlichkeit des Willens noch seine eigene Besonderheit festhält , und in dieselbe die Idee des Guten und seiner absoluten Selbstbestimmung legt , so ist | dies d ie He uche le y und d a s a b s olut e B öß e  . Wenn das Subject zu dieser Höhe gekommen ist und am besondern dennoch festhält , so ist es über alle bestimmte Pflichten hinaus , insofern es aber noch nachdem es mit allem fertig ist , sich in seiner Besonderheit zum Zwecke macht , so ist es das absolute Böße die Heucheley . Das Gewissen ist 19–20 ist die … entscheidet] u die höhere Pflicht für die es ent­scheidet ist  

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102–103

die reine Gewißheit seiner selbst , die reine Beziehung der absoluten Freyheit auf sich selbst  ; es ist die absolute Majestät die sich von allem losspricht und das Gute selbst bestimmt . Macht es aber seine Besonderheit zum Principe seines Bestimmens , so ist es der höchste Standpunkt der Heucheley , der unmittelbar das Böße ist . Hat das Subject sich so erfaßt , so bestimmt es a u s s ich was gut und böße ist  ; aber dies sind seine besonderen Zwecke  ; seine Handlung folglich nicht gewissenhaft sondern Heucheley  ; das Subject gibt dann seiner Handlung die Stellung der Pflicht und der Rechtlichkeit , und rechtfertigt sie so für seine besondere Ansicht . Dies kann die absolute Hüpo­ chondrie des Geistes genannt werden , die nur sich selbst sieht , und alle Bande und freundschaftliche Verhältnisse aufhebt , und wobey das Subject Haß gegen objective Verhältnisse und Pflicht hat , weil es fürchtet sich darin zu verlieren . Was gut ist , hängt von der Bestimmung des Subjectes ab  ; das Subject betrügt sein Gewissen selbst , wenn es alles , was es thut , dem Gewissen gemäß hält  ; es sey dies würklich oder nicht . Zum Ruhme der menschlichen Natur sagt man der Mensch wolle nichts Bößes um des Bößen willen . Das Böße ist das Nichtige , Verletzung | Setzen eines Negativen  ; als Handlung ist es aber immer auch etwas positives , wäre es auch nur Rache , die sogar auf das Leben gehen kann . Wenn z . B . niemand Vortheil aus der Handlung sucht , so ist dies wohl etwas negatives in Ansehung des Vortheils , es ist aber positive Handlung , weil das Subject seine Rache ausübt . Es gibt sich das Bewustseyn seines gekränkten Geltens wieder , das Wiederherstellen dieses Geltens ist ein positives . Das Böße wird deßwegen nicht als um des Bößen willen geschehen betrachtet , weil es etwas negatives ist , weil der handelnde keinen positiven Vortheil daraus zieht , es ist aber positives Bößes , weil der Mensch Neid und Rache bezweckt . Der Mensch der aus der Schlacht flieht kann sich gutes Gewissen machen , er hat sein Leben erhalten , dieses ist wesentliches Moment , welches aber der Pflicht hätte untergeordnet seyn sollen . Das Böße ist eine Pflicht zu verletzen  ; es ist Heucheley , das Böße über die Pflicht zu erheben und so ihr die wesentliche Seite abzugewinnen . Das dem Gewissen gemäße ist das von allen als gewissensgemäß erkennbare .

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§ . 68 . Jene innere Gewißheit seiner selbst aber , in der die Besonderheit zur abstracten Subjectivität gereinigt ist , ist nur abstracte Thätigkeit ohne That und Handlung , 24 willen] willens  

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die moralität71

weil sie das unmittelbare Zurücknehmen aller Bestimmung in sich , weil ihre Bestimmung nur das allgemeine Gute ist . Dies unterschiedslose Verglimmen in sich selbst ist das Zusammengehen i n e i n f a che Un m it t e l b a r k e i t  , welche aber die absolute Einheit der Freyheit mit sich zum Wesen hat  ; denn das Gute und die absolute Subjectivität sind an sich idendisch , und eins nur das Daseyn des anderen . Die Subjectivität hat daher an jenem das an und für sich seyende Element , | worin ihr Unterschied ein Bestehen gewinnt , und objectiv wird , so wie diese ihre Besonderung ebenso ideell und nur in jener Einheit ist , gegen welche sie nichts ­eigenthümliches für sich behält  ; die freye S u b s t a n t i a l it ä t  , die Sit t l ich k e i t . Wir sind nun an der reinen Gewißheit in sich selbst , es ist der BegriV der Freyheit in seiner negativen Beziehung auf sich , es ist die abstracte Thätigkeit , worin es zu keiner Handlung kommt . Das allgemeine in der Subjectivität ist das Gute . Die Fichteische Philosophie , welche das Ich zum absoluten Principe macht , ist in subjectiver Form auf einer Seite stehen geblieben , die objective Seite hat immer die der Negativität erhalten , die Idendität blieb aber unvollständig  ; die Objectivität soll der reinen Gewißheit seiner selbst gemäß seyn , sie ist aber perenirend geblieben  ; der höchste Standpunkt dieser Fichteischen Philosophie ist das S t r e b e n , die S eh n s ucht   ; das innere Gute ist bloß Sollen geblieben , ihr Resultat ist bloß Sehnsucht nach dem , was gut seyn soll . Schöne Seelen , die dieses unendliche Selbstbewustseyn diese Klarheit in sich haben , haben sich an diesem Standpunkte festgehalten  ; treten aber solche Seelen zum Handeln über , so kommen sie in die Sphäre der Beschränktheit , sie sehen dies voraus , fürchten deßwegen jede Berührung , bleiben in sich zurückgekehrt , verehren ihre innere Unendlichkeit , welches dahin führte , daß sie sich selbst , ihr Ich zu Gott machen , sie sind nur in sich subjectiv , in sich anschauend . Sie sehen das Gute nur als Sollen an , nicht als würkliches  ; dadurch grenzen sie an Heucheley , ihr Wesen ist innerliche Eitelkeit  ; sofern sie sich zu andern verhalten , erkennen sie bloß ihre subjective BegriVe an , nicht aber Pflicht gegen andere . So Novalis und Spinoza , welche an der Schwindsucht starben , weil sie die reine Objectivität nur als ein Verschwindendes ein Sollen , nicht als ein würkliches ansahen . Es fehlt ihnen das Vertrauen sich objectiv zu setzen , sich zu entlassen , ie , so zu entlassen , daß sie ihrer vollkommen sicher bleiben  ; es kommt bey ihnen in dem BegriVe zu keinem Unterschiede , er bleibt reine Anschauung . – Der BegriV muß sich entzweyen und sich als Allgemeinheit setzen , in der alle Unterschiede aufhören , weil ihre Elemente untrennbare Totalität sind . – | 2 Verglimmen] Verklimmern   8 ist] sind  

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Das gute als der an und für sich allgemeine Wille , in den die Subjectivität übergegangen ist , ist die Substantielle Einheit die sich in sich bestimmt , so sind die Stände eines Volkes einzelne Glieder , die ihr eigenes Leben haben , die für sich bestehen , aber ihr Leben nicht gegen die Allgemeinheit haben , sondern nur als organische Momente . Das Seyn in Beziehung auf das Freye heißt dies , daß seine Unterschiede ein Seyn gewinnen , welches

6 welches] Satz bricht ab (möglicherweise soll die folgende Überschrift hier anschließen)  

5

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die sittlichkeit73

3)  D ie Sit t l ich ke it  . (Dritter Abschnitt .) § . 69 .

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Die S it t l ich k e i t hat das Recht als das unmittelbare Daseyn der Freyheit , und die Moralität als die Reflection des freyen Subjectes in sich zu ihren ideellen Momenten . Sie selbst ist ihre Wahrheit  ; die Idee als der zur Allgemeinheit gereinigte freye Wille , welcher in der Gesinnung des subjectiven Willens seine Würklichkeit , so wie dieser an ihm seine Grundlage und Substanz hat , die zur Natur gewordene Freyheit . Es sind nunmehr 2 Re cht e vorhanden , das absolute Recht der Substanz , und das Recht der Einzelnen , und zwar dieses als substantielles Recht , als gegen die Einzelnheit oder Subjectivität als solche , wie auch als Recht der Einzelnen für sich , welches wesentlich aber dem substantiellen Rechte | unter­geordnet ist . Es wird hier ein Unterschied zwischen Moralität und Sittlichkeit gemacht , Moralität ist das reflectirte , die Sittlichkeit aber ist die Durchdringung des Subjectiven und Objectiven[.] (Obgleich es allerdings zu wünschen ist , daß wir in unserer Sprache alles bezeichnen können , so hat es sich in der Philosophie doch so gemacht , daß wir für das entferntere , das Reflectirte einen fremden Nahmen haben , so mit Seyn und Existenz) . Das Recht und die Moralität sind nur ideelle Momente , ihre Existenz ist erst die Sittlichkeit . Die würkliche Moralität ist nur die Moralität des ganzen , in der Sittlichkeit . Es muß also hier zunächst gezeigt werden daß die beyden früheren Momente des Rechts und der Moralität nur ideelle sind . Die sittliche Substanz , das substantielle Leben eines Volkes einer Familie ist das erste , und erst später wenn die Sitte nicht mehr gut ist , geht das Subject in sich zurück , und sucht in der Moralität seinen Stützpunkt , es sucht in sich selber was gut ist , nicht mehr in der Sitte in der Würklichkeit . Nachdem bey uns der Geist sich in seinem alten Leben nicht mehr erkannte , so entstanden die Perioden , wo das Recht die Moralität ausgebildet wurden . Das Subject weiß sich nicht mehr als unendliches als vollkommenes , es weiß was gut ist , und weiß daß

5 ihren] seinen  

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das Gute in seinem Selbstbewustseyn ist , und dennoch darüber hinaus ist , und so die Heucheley stattfindet . In der Geschichte ist aber das substantielle das erste . Die Sittlichkeit ist | wie das absolut gute , auch das absolut wahre . Die Sittlichkeit ist die Wahrheit deßwegen , weil hier die Würklichkeit mit dem BegriVe idendisch ist . Das Wahre ist daß das Subject das objective rein aufnimmt , und seine besonderen Reflectionen in sich nicht gewähren läßt . Das Gute ist die Bestimmung seines Selbstbewustseyns , und die Thätigkeit ist , daß das Subject das objective aus sich hervorbringt , es realisirt  ; auf dem Standpunkte der Wahrheit ist es , daß es das objective in sich realisirt . Der BegriV der unmittelbar realisirt ist und sich realisirt ist die Wahrheit . Das lebendige reproducirt sich , es ist nur ein Spiel mit sich selbst , es bringt nur hervor , was schon ist . Das Vernünftige als solches , das Gesetz kann der BegriV genannt werden , aber es hat in dem einzelnen Subjecte , in der Intelligenz des einzelnen sein Daseyn . Das Subject ist der freye BegriV , der BegriV der als BegriV existirt , das ich ist der subjective BegriV . Wenn ich einen Zweck habe , so weiß ich diesen unmittelbar als den meinigen , aber die Realität , das sittliche Leben eines Volks einer Familie sind nicht mehr dieser subjective BegriV , sondern das Subject verhält sich zu ihnen als zum objectiven , weil die Sittlichkeit der Standpunkt der Wahrheit ist , muß sie Existenz haben , muß verwürklicht werden , das Gute muß durch das sittliche Subject verwürklicht werden . Es ist also eine Bewegung | des Geistes in seiner Realität . Es ist nicht der Standpunkt , daß das gute nicht vorhanden sey , sondern die Substanz ist ewig vorhanden , es wird nur hervorgebracht , was schon vorhanden ist . Nicht die Einseitigkeit der Subjectivität muß ihn erreichen . Es ist der freye Wille der zur Allgemeinheit gereinigt ist . Recht und Gesinnung haben sich vollkommen durchdrungen , daß was geschieht der allgemeine Wille sey , dies sein Seyn ist die wesentliche Gesinnung des Subjects . Die Substanz ist als die allgemeine Würklichkeit , und lößt sich auf in viele Individuen , aber diese vielen sind in der Gesinnung zurückgekehrt zum allgemeinen . Hier sind 2 Rechte vorhanden , die Substanz , und ihr Daseyn , das allgemeine Wollen aller , das substantielle Recht , und das Recht der einzelnen . Die Substanz muß seyn , und der Einzelne muß seyn , die einzelnen , in dem sie in sich einwurzeln müssen sie in der Substanz seyn . Das Recht der einzelnen ist das substantielle Recht selbst , an dem sie Theil haben . Das Familien Recht als einzelner , daß die einzelnen ihr natürliches Leben haben ist ein nothwendiges Moment , aber nur insofern es in der Substanz ist . Die Substantialität das rein sittliche ist die Grund26 daß] das  

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lage , wir haben die Völker nicht als Aggregat von einzelnen zu betrachten , sondern nur das Ganze , das Daseyn das anerkannt seyn soll , und in welchem die Individuen ihr Daseyn haben in sofern sie die Würklichkeit der allgemeinen Substanz selbst sind . |

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§ . 70 . Die sittliche Gesinnung des Subjects ist die Entfernung der Reflection , welche immer auf dem Sprunge ist , aus der allgemeinen Substanz heraus ins besondere überzugehen , das Wissen und Anerkennen des Allgemeinen der Substanz der Gesetze als eines ewigen an und für sich seyenden Seyns , und als des eigenen Wesens des Selbstbewustseyns , und die Thätigkeit und einfache Richtung auf und in seiner substantiellen Bestimmung , welche für das Individuum irgend eine besondere Sphäre und die der allgemeinen Substanz ist  ; Eben so ist die sittliche Gesinnung in Beziehung auf die natürlichen und zufälligen Umstände die gerade Richtung auf diese Lage als auf ein S e y n  , aus welchem das Subject , insoferne solches Seyn eine Verletzung desselben enthält , die Unendlichkeit seines Willens herauszieht  ; In dieser Anschauung als positiver Beziehung auf das Nothwendige die freie Beziehung darauf und auf sich rettet , und wohl natürlichen Schmerz empfindet , aber sich nicht als unrechtleidend betrachtet . Die Substantialität ist wesentlich Gesinnung . In soferne diese Gesinnung wesentlich dem Subjecte zukommt ist sie das Anerkennen der Gesetze , in soferne dieses erkennen der Gesetze subjectives Wissen ist , ist ihm schon ein allgemeines gesetzt . Diese Bildung des Subjects ist zur sittlichen Gesinnung | wesentlich , was man zu thun hat muß man gerade zu ohne weiteres Bedenken thun , sondern was ist , was seyn soll muß unmittelbar aufgefaßt und gerade zu gethan werden . Hier mischt sich der moralische Eigendünkel ein . Die Selbstvergessenheit ist wie sie ein Moment der Liebe ist , auch in der Sittlichkeit ein wesentliches Moment . Dies machte den Character der römischen und griechischen Tugend aus , daß jeder das was ihm Pflicht war ohne moralisches Bedenken und ohne Eitelkeit des Besserwissens gerade zu that . Das einfache Bewustseyn , daß die Gesetze sind . Diese einfache ­n ichtwankende feste Richtung gehört zur sittlichen Gesinnung . Das Individuum ist nun einem besonderen Kreise in der ganzen Substanz angewiesen , es hat seine besondere Sphäre , es will das Allgemeine in seiner sittlichen Gesinnung , aber seine Thätigkeit die zu ihrem Zwecke das allgemeine hat in ihrer Besonderheit macht , daß jeder auf seinem Standpunkte das nur thun muß , was sein Standpunkt erfordert . Das Ganze ist ein organisches Leben ,

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wo erst dadurch daß jedes Glied thätig ist in seiner besonderen Function , das allgemeine erhalten wird . Für seine besondere Sphäre sich tüchtig zu machen und durch diese Tüchtigkeit das allgemeine zu fördern . Das Subject verhält sich auch auf zufällige Umstände , in sofern es ein äußeres ist . Sein Leben in dem Ganzen und sein Leben in seinem besonderen Kreise hat die geistiche Idendität . Aber das Schicksal ist gegen den Menschen eine Verwicklung mit der | Nothwendigkeit , hier ist der sittliche Character die gerade einfache Richtung auf die Umstände , starre Richtung auf die Lage , daß in dieser Lage die Freyheit des Subjects verletzt sey . Das Subject muß sehen und ­ur­thei­len , dies sind die Umstände , und dies habe ich gegen sie zu thun , aber in sofern es die sittliche Gesinnung ist , so ist es dieses , daß das Subject aus dem was von ihm verletzt ist , seinen Willen daraus zurückzieht , und es zu einem äußerlichen gegen sich macht . Alles was zum Unglücke der Menschen gehört , hat in der Abhängigkeit von zufälligen Umständen seinen Grund . Der Mensch wird den Schmerz darüber tief fühlen , jenachdem diese Verletzung höhere Interessen für ihn betraf , aber er sieht daß sie die Natur der Zufällig­keit in ihm haben er soll sein ich nicht in diese zufällige Verletzung legen . Der Verlust zieht Schmerz nach sich , denn es ist eine Unang­emessen­heit mit seinen Bedürfnissen . Das Wahre ist daß die Freyheit des Geistes nicht in diesen Dingen liegt , und daß der Mensch nicht glaubt unrecht vom Schicksal zu leiden , indem er aus diesen Dingen seinen Willen zurückzieht , er muß die verletzten Seiten selbst Preiß geben . Das Individuum kann aber auch Unrecht ertragen , indem es das Unrecht zum bloßen Seyn heruntersetzt , das Unrecht i s t einmal . Das Verweilen im Gefühle des Unrechts ist dieses un­thätige , weil das Gefühl bloß in der negativen Gesinnung ist . Wenn ich nicht mit meinem freyen Wesen in der Verletzung | bin , so wird auch die Verletzung nur eine besondere Sache und das allgemeine rettet sich . Das Mit­leiden ist hier auch ein unwesentliches . Diese Anschauung , dies ist so , ist eine Anschauung eine positive Beziehung auf die negativen Umstände . Der bloß leidende hat bloß das Gefühl des negativen , aber diese starre Richtung macht daß das Subject noch seine Positivität in dieser Negativität hat . ­Antigone klagt über ihr Schicksal , sie fühlt tief die Verletzung , aber sie weiß noch von sich in dieser Untreue des äußerlichen Zustandes . In dem Anschauen , es ist , liegt das Positive . Wenn man dabey stehen bleibt es soll nicht seyn , so bleibt das Individuum an dieser Negativität stehen , weil es seyn muß , so will ich es , die Gewalt wird um den Zwang betrogen , den sie auflegen will . Das subjective Wollen die subjective 11 die] der   daß] das   27 die Verletzung nur] nur die Verletzung  

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Ge­sinnung ist die rechte , in sofern der Wille die Gesinnung das allgemeine sind . Diese Substantialität hat nun eine religiöse Seite .

§ . 71 .

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Die sittliche Substanz ist absolute Grundlage  ; der von der Besonderheit der Subjectivität freye , aber durch sie als seine Gesinnung und Thätigkeit würkliche Geist so für sich herausgehoben und vom Subjecte als seine Substanz gewußt , ist der Gegenstand religiösen Gefühls , religiöser Anschauung und Betrachtung . Das Religiöse bleibt aber theils im Gefühle und in der Unbestimmtheit in Rücksicht auf die organische Besonderung | und Würklichkeit der Substanz , und enthält nur zufällige Gedanken . Theils ist die Substanz selbst auf ihren verschiedenen StuVen beschränkt , und die Religion in soferne negativ gegen diese ihre Seiten , oder erfaßt nur ganz das allgemeine derselben . Die Religion kann daher zwar eine F o r m d e s G r u nd e s des sittlichen Lebens genannt werden , aber sie ist nichts weiter als das Gefühl und die Anschauung dieses Grundes . Man machte in neuerer Zeit mehreres zu bloß bürgerlichen Dingen  ; so ließ man die Ehe von der bloßen Willkühr des Vertrages abhängen , und der Grund der Familienverbindung wurde in etwas willkührliches gesetzt . Ebenso betrachtete man den Staat von der Einzelnheit der Subjecte ausgehend . Indem man nun im Staate bloß die Freyheit der einzelnen zum Grunde legte , hatte der Staat die Beschränkung der einzelnen durch einander zum Zwecke . Indem so die Einzelnheit der Person zur Basis gemacht wurde , entstand ein Nothstaat ein Zwangsstaat , und der Staat wurde für die einzelnen ein 3tes . Gegen dies Verhältniß eines bloß bürgerlichen Vertrages in der Familie und gegen den Nothstaat stellte man das entgegengesetzte auf  ; der allgemeine Geist die Einheit des Geistes muß die Substanz ausmachen , nicht der Geist als einzelnes Wollen . Die Sittliche Substanz ist frey von dieser Besonderheit , die Einzelnheit ist aufgehoben , der würkliche Geist , der gerade in der Gesinnung als einer allgemeinen sein Wesen hat , in sofern er für sich herausgehoben wird , ist er der substantielle Geist . | In Beziehung auf das öVentliche Leben ist der substantielle Geist der eigene Geist des Volkes , der in allen ist , aber in ungetrübter Einigkeit bleibt . Im Familienleben sind durch ihn die Laren . Die Religion ist nun nichts anders als das Bewustseyn des Geistes als allgemeinen absoluten Geistes . Die heidnische Religion unterscheidet sich darin von der christlichen Religion , daß die Geister beschränkte Geister sind , das Übergehen in den allgemeinen Geist . Der Geist den ein Volk als Wesen verehrt soll nicht blos der Geist des

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besonderen Volkes seyn , wie bey den Griechen und Römern , sondern in den allgemeinen Geist zusammenfließen . Gott ist nicht vorzustellen als ein Jenseits als ein Ideal dem nachgestrebt werden soll , in der sittlichen Substanz ist Gott allgegenwärtig ein Lebendiges . Dies Verhältniß der Religiosität ist und bleibt im Gefühle stehen , es ist ein Wissen der Substanz , ein un­m ittel­ bares Wissen , ein Glauben , ie , ein unmittelbares Wissen , daß das Subject in dieser Substanz sein Wesen hat  ; das Gefühl der Nichtigkeit des Äußerlichen des Subjects . Die Religion kann ein Verhältniß der Furcht seyn , indem das Individuum in der negativen Seite stehen bleibt , aber indem die besondere Subjectivität ihrerseits die Negativität ist der Substanz , in dem Bewustseyn der Nichtigkeit liegt das Erzittern . Ohne Furcht ist keine wahrhafte Liebe , denn die Liebe ist , das besondere als nichtig zu fühlen , und es zu versenken in das | allgemeine Bewustseyn . Die sittliche Substanz als würklicher Geist , besondert sich und ist so würklich  ; indem nun aber die Religion bey dem Gotte als solchem stehen bleibt , liegt außer ihm die Besonderung , und die religiöse Seite enthält Gedanken , die Andacht , aber nur das darin hindenken . Die Religion ist wesentlich ein Denken , das Element der Religion ist allerdings der Gedanke , aber es ist nur ein unmittelbares Denken , Anschauen . Die Ausbreitung des Gedankens , daß der BegriV sich als con­cretes unterscheidet , gehört nicht mehr der religiösen Seite an . Die Substanz ist nur besondere sie hat verschiedene StuVen , z . B . Familie und Staat , und diese besondern sich wieder in sich selbst . Gegen diese Besonderung verhält sich die Religion negativ . Das Religiöse enthält gerade die Erhebung über die Besonderung . Wenn das religiöse als religiöses allein bleibt so verschwindet vor ihm die Besonderung , und wenn dieses in’s Leben übergetragen wird , existent gemacht wird , so entsteht der religiöse Fanatismus . Durch diese Form verschwindet aller Unterschied der Besonderung , Freyheit und Gleichheit sollten würklich seyn , alle Gegliederung hatte die Form des Negativen  ; so war die religiöse Furie . Wenn das religiöse die einzige Form seyn will ohne Fanatismus , so tritt die thatlose Frömmigkeit ein , wo man dabey stehen bleibt , daß sich die Menschen als Christen lieben sollen . | Durch diese Frömmigkeit verschwindet das öVentliche Leben . So mit den Quäkern . Sie müssen aber dennoch ihrem Principe , als Privatpersonen zu seyn , ungetreu werden , und im Staate leben , und Gewerbe treiben . Die Religion kann die Form des Grundes des sittlichen Lebens genannt werden  ; aber dieser Grund muß in die Existenz übergehen . Gott wäre nicht Gott , wenn er sich nicht verendlichte und sich in dieser Verendlichung selbst wüßte . Die Wahrhafte 8 kann] kann entweder   10 ihrerseits] einerseits  

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die sittlichkeit79

Würklichkeit ist das Wissen seiner in seiner Realität . Es muß zum Bewustseyn in der Religion kommen , daß das wahre der Grund sey . Die Religion enthält wohl die Beziehung des besondern auf das allgemeine , z . B . daß die Obrigkeit von Gott sey , daß die einzelnen Gesetze von Gott kommen , dies ist nun die Seite , daß diese Dinge ein göttliches in sich haben , aber in dem es in den positiven Religionen vorkommt ist es ein falsches .

§ . 72 .

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Die sittliche Substanz ist  : 1)  die unmittelbare oder natürliche , d ie F a m i l ie  , welche 2)  in eine bü r g e r l iche G e s e l l s ch a f t übergeht , die zunächst die Verhältnisse und den Schutz der einzelnen in ihrem besonderen Interesse zum Zwecke hat , aber wesentlich 3)  in eine Staatsverfassung , ein öVentliches Leben | und Thätigkeit in und für das allgemeine sich zusammennimmt . In ihrer Unmittelbarkeit , Natürlichkeit ist die sittliche Substanz Familie  ; dieser liegt die empfindende Einheit , die Liebe zum Grunde . In diesem unmittelbaren Zustande kann die Familie nicht bleiben , sie kommt durch ihre Thätigkeit mit anderen , die gleichfalls Familienglieder sind in Be­r ührung  ; so entsteht die bü r g e r l iche G e s e l l s ch a f t  , in der jede Familie als Individuum ist . Der Zweck dieser Vereinigung ist der Schutz der einzelnen in ihren Verhältnissen , in ihrem besonderen Interesse . Hier liegt ein äußeres bürgerliches Verhältniß zum Grunde , die Familien sind gegen einander in Gewerbes und Betriebsamkeitsverhältnissen . Die Sorge der einzelnen ist auch nützlich , und so Sorge für alle . Hier ist der Bürger bourgeois[.] Es ist hier das Verhältniß des bürgerlichen Gewerbes , dieses betriVt die Staats­ ökonomie , und des Rechts , der Gerichtsbarkeit und der Polizeygewalt . Das 3te ist das öVentliche Leben , das Leben in dem allgemeinen und für das allgemeine ist hier der Zweck , und daß das substantielle Leben Daseyn hat , der einzelne für das allgemeine Leben in öVentlicher Person ist , hier ist er citoyen . Hier wird der Staat als individuelles für sich genommen , ein Staat gegen den andern .

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1)  D ie F a m i l ie  . § . 73 . Die Familie hat die unmittelbare Substantialität des Geistes , also die sich e m p f i nd e nd e Einheit , die L ie b e überhaupt zu ihrer Grundlage . Die Gesinnung der einzelnen Personen , ihr wesentliches Selbstbewustseyn in dieser Einheit zu haben . Daß der freye Wille der Person als einzelner sey ist ein | untergeordneter Standpunkt . Diese Rechte die die Familie zu ihrer Grundlage haben , sind sehr verschieden von den Rechten die wir mit dem Eigen­thume abhandelten , ihre Grundlage ist sehr verschieden , und eine andere Gattung  ; hier ist es die substantielle Freyheit , ein allgemeiner Wille ist die Grundlage , der Wille aber , auf welchem das Eigen­thum beruht steht nicht als Art neben der substantiellen Freyheit  ; die Persönlichkeit , welche dem Eigen­thume zu Grunde liegt ist hier vielmehr aufgelößt . Eine Idendität des Willens ist hier die Grundlage der Familie , dies ist die Wahrheit des Willens , daß er seinem BegriVe nach ein allgemeiner Wille ist , aber die Gesinnung ist hier ein wesentliches Moment , das moralische Moment , wo das gute aber schon die würkliche Idendität ist . Dieses Bewustseyn , die Sittlichkeit hat die Gestalt der Liebe , des Selbstbewustseyns , welches man nicht in sich , sondern in einem andern hat , in dem man sein eigenes Selbstbewustseyn hat , so daß dieses Wissen der Idendität als das Wesen ist , das Selbstbewustseyn weiß sich in dem andern seiner selbstbewust , und ist das Anschauen das Fühlen dieser Einheit . Die Folgen dieses Familienverhältnisses werden sich in der Betrachtung der näheren Seiten des Familienlebens selbst , ergeben .

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§ . 74 . Die Familie ist nach 3 Seiten zu betrachten . 1)  Das Familienverhältniß selbst nach seiner Unmittelbarkeit . | 2) Nach dem äußerlichen Daseyn , das es sich gibt . Das Eigen­thum und Gut der Familie . 3)  Die Erziehung der Kinder und die Auflößung der Familie . Im 2ten gibt der Familienwille sich äußerliches Daseyn[.] Hier tritt das Rechts Verhältniß als solches ein , aber untergeordnet der Allgemeinen Substantialität .

1–2 1)  D i e F a m i l i e  . (Absatz) § . 73 .] § . 73 . (Absatz) 1)  D i e F a m i l i e  .   12 welche] welchem  

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die sittlichkeit81

Im 3ten ist der Übergang den sich die Familie gibt , das Hinausgehen der Kinder die neue Familien bilden .

A)  D ie F a m i l ie a l s Ve r h ä l t n i ß i n i h r e m B e g r i f fe  . § . 75 . 5

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Weil diese Substantialität die unmittelbare ist , so hat sie die Seite der N a t ü r ­ l ich k e i t  , der organischen Lebendigkeit an ihr . Die Idee ist in soferne das Allgemeine als Gattung , welche in natürliche Geschlechter differenziirt ist , deren B e s ond e r h e i t aber ihrer immanenten Allgemeinheit der Gattung widerspricht  ; somit der Trieb ist , sich aufzuheben . Ihre Idendität ist im natürlichen von ihnen selbst als natürlichen besonders für sich existirenden unterschieden , ein drittes das e r z e u g t wird , in welchem beyde ihre Identität als eine natürliche Würk­ lich­keit anschauen , und das selbst sowohl das Gefühl dieser Einheit hat , als auch von Natur hülfsbedürftig ist , weil es noch nicht für sich ist . | Das Allgemeine existirt in der Natur auf eine Weise , so daß die Existenz immer Einzelnheit ist , die Gattung das innere nur ist das allgemeine . Die Besonderung ist das männliche und weibliche , die Geschlechtsverbindung , und das 3te ist das erzeugte , das Product . Die Substanz ist in ihrer Unmittelbarkeit das lebendige , die Totalität der Natürlichkeit überhaupt . Zum Momente der Unmittelbarkeit gehört dies sich entgegenzusetzen . Vom allgemeinen BegriVe des sittlichen ist der Übergang zum Lebendigen so gemacht worden , daß das erste die Natürlichkeit da ist , hier ist nichts noch vorhanden als die unmittelbare Substanz , diese Unmittelbarkeit geht in der Folge über und hebt sich auf . Auf dem höheren Standpunkt ist es nicht mehr wie hier ein nur gesetztes . Die absolute Totalität ist überhaupt dieses sich entzweyen . Und in soferne ist das Lebendige die Natürlichkeit ein Ge­setztes . Das höchste was die Natur erreichen kann ist das Leben . Das an und für sich seyende wird nur für sich durch sein Entgegensetzen , und dazu muß zuerst das Seyn gesetzt werden  ; das Allgemeine existirt als allgemeines in der Natur noch nicht , nur im Gedanken im Geiste ist die Gattung für sich . Die unmittelbare Weise seiner Existenz ist die Differenz der Geschlechter , dies macht die Besonderung aus , die Seite der Bestimmung , die Seite des Daseyns . Damit ist der Widerspruch vorhanden , daß diese Besonderheit der

3 A)  D i e ] A)  ad . 1) . D i e   28 als] das  

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Gattung widerspricht , und dieser Widerspruch ist ein Mangel f ü r es , | dies Gefühl eines negativen in sich ist der Trieb . Das unorganische kann nicht sein eigenes und sein anderes seyn , denn sonst wird es neutralisirt , aber das Lebendige fühlt diesen Mangel , und dieses Gefühl des Mangels ist der Trieb sich zur Gattung zu machen . Der substantielle Wille ist in seinem Daseyn Totalität  ; der allgemeine BegriV ist das Innere die Gattung , die Besonderung ist die Geschlechtsdifferenz . Das organische ist zuerst der Proceß in sich . Dies gehört nicht hierher , hier wird nur von der Gattung gehandelt . Das eine besondere hat das Gefühl seiner Idendität im anderen besonderen . In den besonderen ist der Trieb die Gattung zu setzen  ; es ist der Widerspruch daß sie im Daseyn nur besondere sind , und doch die Gattung in sich haben . Sie sind beschränkt und haben ihre Beschränkung in sich in ihrer Gewalt . Dies ist der nothwendige Widerspruch der zum Complement des BegriVes gehört , indem der Mangel durch die Verbindung mit dem entgegengesetzten aufgehoben wird , wird der Trieb , das eigene Gefühl befriedigt . Der Mensch fühlt sich im Anderstseyn und weiß nur darin seine Erhaltung . Im natürlichen ist die Einheit die existirende durch sie selbst gesetzte , im Geiste ist dies nicht der Fall . Auf dem Standpunkte des Bewustseyns ist der BegriV mein BegriV , der nicht von mir verschieden ist  ; Beyde sind idendisch . Die wirkliche Idendität ist das Erzeugen , das Resultat , das Product . Die Erzeugenden schauen in den Erzeugten ihre Idendität an , und diese Erzeugten haben das Gefühl der Einheit , ihre Wurzel in der Familie , aus der sie hervor­gegangen . | Die Gattung ist in ihm , im Kinde , zum Daseyn gekommen , der Keim einer Pflanze enthält die ganze Bestimmung die ganze Natur der Pflanze , die Blätter , Blüthen und Früchte nach ihren besondern Eigenschaften . Dies ist im Keime ideell vorhanden , als Gedanke . Mit diesem erzeugten fängt die Gattung an , und es ist Hülfsbedürftig , weil es sich noch nicht in den Gegensatz gegen die Außenwelt und noch nicht in den Gegensatz der Geschlechter gesetzt hat . Daß der Mensch werde , was er seyn soll , dazu bedarf es einer großen Entwicklung .

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§ . 76 . Dieses so bloß natürliche Verhältniß ist dadurch zum s it t l iche n erhoben und transformirt , daß die Gattung die i n ne r l iche Einheit und Allgemeinheit der nur natürlichen Geschlechter im Selbstbewustseyn die Vernünftigkeit , und 22–23 ihre Wurzel … sie] seine Wurzel … es  

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hier als die Gesinnung der substantiellen Einheit ist , und daß diese Liebe und das Wissen und Würklichseyn in derselben das wesentliche und der Zweck ist . Der Trieb und die Leidenschaft erlischt durch seine Befriedigung zu diesem Verhältnisse selbst , und das Vernünftige geht durch dies Aufheben der natürlichen und subjectiven Seite gereinigt als eheliche Liebe hervor . Das bloß natürliche Verhältniß wird unmittelbar ein sittliches  ; es ist dies überhaupt der Übergang vom Thiere zum sittlichen . Das Thier ist Gattung , Gattung aber nicht für sich , die Existenz ist als Gattung in der Natur . Die Gattung wird für die Gattung durch den Tod des einzelnen , aber dies ist die Macht der Gattung die | sie an den Geschlechtern beweißt , daß sie wieder durch sich als einzeln auftritt . Die Gattung , die innerliche Allgemeinheit wird Intelligenz Willen , sich wissendes Allgemeines , und dies ist eben das Fürsichseyn . Die Gattung ist im Selbstbewustseyn sich als allgemeine wissende Vernünftigkeit , die Geschlechter wissen die Allgemeinheit , und dieses unmittelbare Wissen , dies Gefühl ist die Liebe . Dies macht das Familien­ leben zu einem vernünftigen , sittlichen . Der Zweck der Geschlechtsverbindung ist nun daß diese Liebe , diese Vernünftigkeit in ihrem Leben Daseyn habe . Der Trieb und die Leidenschaft erlischt etc . Liebe ist ein allgemeines Wort , man heißt Liebe , das unbefriedigte Gefühl der Geschlechter für ein ander , daß diese Einheit noch nicht verwürklicht sey , dies ist die unbefriedigte Liebe , die Liebe als Trieb , die Liebe als Leidenschaft , Leidenschaft ist , daß das Subject fühlt das Verschwinden seiner besonderen Subjectivität , ein Gefühl des Allgemeinen Selbstbewustseyn wird in ihm mächtig , darum ist die Liebe ein Fühlen der Mächtigkeit der negativen Einheit , und sie leidet in dem Gefühle , daß das was seyn soll , daß das Gefühl des Unterganges als abgesondertes Subject , daß das wiederaufleben in dem Andern noch nicht vorhanden sey . Der Gegenstand der Leidenschaft ist nur einer , und in diesem ist das allgemeine Selbstbewustseyn verbunden , dies ist das verliebtseyn , daß die Meinung da ist , daß man nur gerade durch diesen | Gegenstand in die Allgemeinheit übertreten könne . Dies Moment der Besonderheit hat die Vorstellung zum Grunde , daß von den besonderen Eigenschaften ausgegangen werden müsse . Ehemals war es anders , wo die Eltern nach ihrer Einsicht und Pflicht für ihre Kinder Gatten auswählten . Der Grund ist daß die Eltern den Gedanken der Pflicht haben , und die Einsicht daß die Kinder verheurathet seyn müssen . Das Mädchen liebte dann den für sie bestimmten Mann , weil er ihr Mann seyn sollte und umgekehrt . Hier hat die Liebe nicht ihren Anfang in der zufälligen Neigung in der Willkühr des Subjects , 32 Eltern] Eltern ihre Kinder  

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sondern in dem Gedanken der Bestimmung , man kann sagen daß dieser Gang der sittlichere ist . Aber in der besonderen Zuneigung bey uns liegt der Gedanke , daß gerade nur dieses Subject nur es seyn könne , mit dem es die Ehe eingehen könne . So unendlich dies Gefühl nun ist , und so hoch es sich stellt , so ist es doch nur das besondere Interesse dieser Verliebten , und nur aus Sympathie für die andern . Die Antigone ist dem Sohne des Creon bestimmt , aber es ist nicht das Interesse der Liebe , was den Vater für sie bestimmt , sondern das Interesse des Staates . Und diese Liebe oder dieses Verliebt­seyn ist meistens der Gegenstand unserer Comödien und Tragödien  ; aber durch die Befriedigung | erlischt dieses Verliebtseyn , und diese Subjectivität verschwindet , so wie die Ehe eintritt , und die Romanhelden werden wie alle andern Leute . Das Thier und die schwächere Natur überlebt die Begattung nicht , so erstirbt die Pflanze , oder deren Blüthe mit der Begattung , auch so sterben schwächere Thiere in der Befriedigung der Leidenschaft . Aus dieser Negativität geht die Sittlichkeit hervor , durch das Aufgeben der Leidenschaft geht die platonische Liebe hervor . Da die besondere Persönlichkeit es ist , die sich in diesem Verhältnisse aufgibt , so ist es auch sie , die dem Eingehen in dieses Verhältniss Schwürigkeit entgegensetzt , das Subject fodert daß seine besondere Neigung seine besondere Willkühr befriedigt werde , und es getraut sich nicht sich in ein allgemeines Verhältniß zu setzen . Die Liebe hat viele besondere Modificationen , nach ihren verschiedenen Verhältnissen in der Würklichkeit , nach der unmittelbaren Persönlichkeit . Die platonische Liebe , ist die Anschauung der Schönheit der Seele , die das Moment des Übergangs in das sinnliche Verhältniß für eine Entwürdigung dieses Hohen ansieht . Alles negative hat seiner Natur nach auch eine positive Seite , und die negative Seite ist es die das sittliche Verhältniß hervorbringt  ; der Trieb und die Leidenschaft erlischt in der Befriedigung , und so ist es gerade der natürliche Trieb , aus welchem das geistiche , das substantielle Verhältniß hervorgehet . Die platonische Liebe kommt gerade durch die Befriedigung des Triebes | zu ihrer Wahrheit . So ist in allen Wielandischen Romanen zuerst die platonische Liebe , die dadurch daß sie sich hernach verwürklicht ins lächerliche gezogen wird . In der Biebel steht , Adam erkannte sein Weib Eva , das Verhältniß der Leidenschaft war vorbey , und es tratt das Verhältniß der ehelichen Liebe ohne diese Leidenschaft ein .

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Die beyden natürlichen Geschlechter erhalten durch ihre Vernünftigkeit gleichfalls ihre intellectuelle und sittliche Bedeutung . Ihre Unterschiede sind die Momente des BegriVes , und jedes hat im anderen die Anschauung seiner Realität  ; das eine ist also das Wissen seiner freyen Allgemeinheit , das Selbstbewustseyn des Gedankens und Wollen des allgemeinen objectiven Entzwecks  ; das andere das Wissen und Wollen der subjectiven Einzelnheit . Im natürlichen Verhältnisse ist daher jenes das mächtige und bethätigende gegen das andere , welches als in die subjectivität sich beschränkend das Empfangende , sich hingebende und abstract allgemeine wie die Materie ist  ; das substantielle Leben des Mannes ist deßwegen im Staate , die Seite der natürlichen Bedürfnisse der Empfindung und der Be­ sonderheit des Lebens hat er in der Familie , an welcher die Frau ihr substantielles Leben hat , und worin ihre Bestimmung liegt . | Die Geschlechter haben natürliche Verschiedenheit , aber diese Verschiedenheit ist in ihnen reconstruirt durch ihre Vernünftigkeit . Jedes enthält beyde Momente aber nach Verschiedenen Seiten hin  ; in ihrem Verhältnisse zu einander , indem sie so entgegengesetzt sind , machen sie beyde zu­ sammen das Ganze aus  ; jedes hat im andern die Anschauung seiner Realität . Überhaupt ist der Mann das Wissen der freyen Allgemeinheit  ; dem Manne kommt der Character zu , daß das Vernünftige hervorzubringen sein Element seine Bestimmung ist  ; dem Weibe kommt das Moment der Einzelnheit des unmittelbaren Lebens zu . Zu einer Zeit zweifelte man ob das weibliche Geschlecht zum Menschengeschlechte gehöre . Das Weib ist ein freyes für sich , aber den Unterschied zwischen ihm und dem Manne stellt die Erfahrung dar . Der Mann ist für das allgemeine Interesse mit Hinweg­ sehung von der Subjectivität gemacht  ; ihm gehört das Leben und Würken im Staate , das Reich der Wissenschaft und der Kunst . In der Natur kann ein zufälliges stattfinden , ein solches Abweichen von der wesentlichen Bestimmung . Es gab Weiber die sich auf die Wissenschaften legten , aber sie drangen nie tief ein machten keine Erfindungen  ; das angenehme der Kunst können sie hervorbringen , aber das ideale das Plastische der Kunst ist außer ihrem Würken . Wenn in einem Staate Weiber gelten , so ist dies ein Zeichen , daß der Staat seinem Untergange nahe ist , | denn bey ihnen tritt die Subjectivität des Interesses ein . Das Weib ist angewiesen auf die subjective Einzelnheit  ; sein größter Würkungskreis ist die Familie , die Laren und die Hestia gehören ihr . Der Mann hat das absolut substantielle in sich , die Kraft , die Macht , die Form der Thätigkeit , die Frau als das abstract allgemeine , deren Grund das Interesse der Besonderheit ausmacht , hat nicht

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substantielle sondern nur abstracte Allgemeinheit , sie ist die Materie das Empfangende . Der Mann muß im Staate leben und würken für allgemeine Zwecke . Der Frau kommt die Seite des substantiellen Lebens zu die Familie  ; der Mann ist nach der Familie nur hingekehrt nach substantiellen Bedürfnissen . Die Frau muß dem Manne seine Bedürfnisse reichen , und des Mannes Gemüth muß bey der Frau in der Familie erquickt werden um wieder stark für das allgemeine wieder aufzutreten . Nur die Einbildung , die aber un­m ittel­bar die Verbildung beyder Geschlechter ist , kann die beyden Geschlechter aus ihrer Bestimmung reißen .

§ . 78 . Die E he ist die förmliche zur öVentlichen Anerkennung gebrachte und damit zum Rechts Verhältniß gegen andere werdende Verbindung zweyer Personen | verschiedenen Geschlechts , E i ne Person in Liebe und Zutrauen auszumachen , und diese substantielle Einheit als ihre wesentliche Bestimmung und Pflicht an­ zuerkennen , eine Einheit , welche zwar auf der Gesinnung wesentlich beruht , aber zugleich als vernünftige und Allgemeine ein über die Zufälligkeit der Leidenschaft und des besonderen Beliebens erhobenes Band ist , und die verschie­ denen Seiten des besonderen Daseyns umfaßt . Durch die Ehe wird die Geschlechtsverbindung ein Rechts Verhältniß , aber diese ÖVentlichkeit der Eingehung kann im Staate vor einer geistlichen oder weltlichen Behörde geschlossen werden . Das Rechts Verhältniß erfodert geschützt zu werden gegen andere in diesem Verhältniß . In soferne aber ­d ieses Verhältniß auf der innerlichen Gesinnung beruht , kann die Obrigkeit nur insoferne rechtlich schützen als das Verhältniß äußerliche Momente hat . Das Zutrauen ist das Bewustseyn , daß dem andern mein Interesse sein eigenes Interesse und seine Pflicht , sey . Beyde Personen die in die Ehe treten wollen eine Person ausmachen , die Frau verliert ihren Nahmen , gehört nicht mehr ihrer Familie an . Eine Gesinnung im Sinne der Leidenschaft des besonderen Beliebens kann hier nicht eintreten , weil die Verbindung eine allgemeine ist , eine Verbindung auf die Dauer des Lebens . In soferne | eine Veruneinigung nur eine partielle nur eine momentane ist , so afficirt dies das ganze Verhältniß nicht , es hebt die Allgemeinheit des Verhältnisses nicht auf . Erst dann , wenn die Veruneinigung die allgemeine Gesinnung betriVt , so hebt sich das ganze Verhältniß auf oder kann von der Obrigkeit 3 des substantiellen Lebens] das substantielle Leben   24 Verhältniß] Verhaltniß  

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aufgehoben werden , die substantielle Einheit die zu Grunde liegt ist ein ­göttliches wesentlich substantielles Verhältniß , dies hat verschiedene Seiten des Daseyns , eine besondere Seite , wie die Erzeugung der Kinder ist noch nicht Zweck , wie bey dem Thiere die Fortpflanzung seiner Gattung der höchste Zweck ist . Beym Concubinate ist hervorstehend die Erinnerung an das Geschlechtsverhältniß  ; in der Ehe aber ist die Einheit Hauptmoment . Ebenso ist das mutuum adjutorium nur ein besonderer Zweck . Daher können noch Leute in die Ehe eintreten , von denen das eine nicht mehr fruchtbar ist . Diese Verbindung vereinigt die verschiedenen Seiten des besonderen Daseyns , und keine einzelne Seite ist für sich absoluter Zweck[.]

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Die Ehe geht zwar von der besonderen Einwilligung der beyden Personen aus  ; aber ist darum ihrem Wesen nach kein e i g e n t l iche r oder bü r g e r l iche r Ve r t r a g , weil es nicht einzelne Gegenstände sind , worüber die Person nur ihr besonderes Recht aufgibt  ; sondern weil sich die | ganze unmittelbare Persön­ lichkeit gegen einander aufhebt , und in die Verbindung eingeht , welche eben­ deß­wegen das wesentliche Moment der Gesinnung enthält . Die Ehe ist kein eigentlicher kein bürgerlicher Vertrag . Man hat es für eine verbesserte Ansicht unserer Zeit gehalten , daß man die Ehe als bürgerlichen Vertrag betrachtete und sie der Kirche entrissen . Die Ehe kann insoweit kirchlicher Vertrag sein , als ein sittliches Verhältniß , worin das Individuum seine Willkühr aufgibt , und die Einigkeit , welche ein sittliches , und so religiöses ist , zum Zwecke macht . Die Verträge über das eigentliche Eigen­thum der Ehegatten betreVen nicht die Ehe selbst . Die Autorität , welche die Ehe zu garantiren hat kann allerdings die kirchliche seyn , obgleich sie es nicht nothwendig ist  ; aber es kann auch die Autorität des Staates seyn , als des sittlichen Staates . So war in Frankreich ein Familiengericht , eine sittliche Autorität angeordnet als Ehegericht . Kant stellt die Ehe auf eine schändliche und gräßliche Art dar , er sagt die Ehe ist ein Vertrag worin jedes der Ehegatten seine Geschlechtstheile dem andern zum Gebrauche gibt . In diesem Vertrage macht sich der Mensch zu einer Sache , aber Kant glaubt , daß dadurch daß das zur Sache sich zu machen wechselseitig sey , die Persönlichkeit beyder zurückgegeben wird . Er sagt weiter  : der Erwerb eines Gliedmaßes eines Menschen sey zugleich Erwerb der ganzen Person .

35 31 Kant] Kannt aus kann , mit versehentlich nicht gestr . Verdoppelungsstrich  

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Wenn ein Ehegatte den anderen verläßt , so kann wegen der öVentlichen ­Anerkennung | der Ehe , die äußere Behörde über diese äußerliche Handlung entscheiden , denn dies ist noch nicht die Gesinnung  ; und das Ver­ hältniß ist über die Seite des Beliebens erhaben , und das Verlassen des Ehegatten enthält noch gar nicht die totale Entfremdung der Gesinnung dieses Ehegatten . Nicht aber hat , wie Kant sagt , der andere Ehegatte das Recht den ihn verlassenden Gatten als eine Sache zu vindiciren . Eben so auch ist das Überlassen einer geistichen oder körperlichen Arbeit für den andern Ehegatten , es enthält immer die Besonderheit der Arbeit und die Beschränkung der Zeit , ich gebe nur ein besonderes Recht auf , nur die Subsumtion einer besonderen Sache unter meinen Willen . In das Eheverhältniß geht aber die ganze Persönlichkeit , es gibt sich gegenseitig die ganze Person hin . Der Mann behält die allgemeine Seite , der Thätigkeit für das Vernünftige Allgemeine für sich zurück . In dem Rechte ist die Gesinnung etwas über­ flüssiges , es ist gleichgültig was bey meiner Handlung die Gesinnung ist , aber bey der Ehe ist gerade die Gesinnung absolutes Moment . Es ist darüber nun gesprochen welches die Behörde als der Garant der Ehe sey , aber dieses gehört in die Staatsverfassung ob dem sittlichen Staat durch seine Behörden oder der Kirche diese Garantie gehöre .

§ . 80 . Die Ehe ist wesentlich mono g a m i s ch , weil nur unter den 2 Personen verschiedenen Geschlechtes dieses specifische Verhältniß der Innigkeit stattfinden kann , | und jede andere Anzahl dasselbe stört , weil es überhaupt im BegriVe dieser Verbindung liegt , daß die Person als unmittelbare , die in ausschließender Einzelnheit ist , in dasselbe tritt  ; Weil ferner die Gesinnung wesentliches Moment , die Grundlage der Ehe ist , so kann ebensowenig ein Zwang stattfinden , in die Ehe zu treten , als es sonst ein positives Band geben kann , welches bey t ot a le r widriger und feindseliger Gesinnung dieselbe zusammenzuhalten vermögte . Es ist aber eine dritte sittliche Autorität nothwendig , welche theils die bloße Meinung von solcher Gesinnung und Einzelnheiten derselben bekämpft , theils dieselben von der totalen Entfremdung unterscheidet , und die letztere constatirt um die E he z u s che id e n . Der 3te Punkt des Eheverbots wegen Blutschande gehört unter das 3te Moment der Auflößung der Ehe . Die Monogamie , wie die Ehe selbst hielt man 21 2] durch einfache Unterstreichung hervorgehoben  

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aus dem Naturrechte , welches in dem natürlichen Standpunkte stattfindet , für unbegründbar . Die Seite der Freyheit macht allein den Grund der Ehe aus . Bigamie und Polygamie sind überhaupt nicht mehr verschieden , indem die Vielheit keine Grenze mehr hat . Man nahm das natürliche Verhältniß zum Grunde , ob mehr Knaben oder Mädchen gebohren wurden  : aber diese natürlichen Resultate haben auf die Vernünftigkeit keinen Einfluß , dies ist eine der Zufälligkeiten , die im Staate sich zeigen . (Man fand nämlich daß es mehr mannbare Frauenspersonen gäbe) . Weil in der Ehe die unmittelbare Persönlichkeit | sich aufgibt , und Einheit eintritt , so ist diese Einheit bey Poligamie nicht möglich , besonders da die 2 oder mehrere Weiber oder Männer eines Ehegatten nicht in Einheit zu einander treten , nicht mit einander verehlicht werden können . Hat der Mann mehrere Frauen , so kommt die Frau nicht zu ihren Rechten , und die Ehe wird nicht wahrhaft sittliches Verhältniß , sondern bleibt auf dem natürlichen Standpunkte stehen . In Indien sind die Weiber nur vom 12ten bis 20ten Jahre zum Kindererzeugen fähig . Aber gerade diese Ungleichheit der beyden Geschlechter im zeugen und er­ zeugen ist ein Beweiß daß die Kinderzeugung nicht wesentlicher alleiniger Zweck der Ehe seyn kann . Die Gesinnung ist wesentliches Moment der Ehe , die auf freywilliger Einwilligung beyder beruht , so daß , wenn auch die Eltern dagegen sind , die Gesetze ihren Willen als hinreichend anerkennen . Die Entgegensetzung der Eltern kann kein absolutes Hinderniß seyn . Je mehr die Bildung in einem Volke zugenommen hat , desto mehr wird auch die Particularität der Gesinnung etc . erweitert . In der Ehe kann Entfremdung stattfinden  ; die Ehegatten können sich nicht genug gekannt haben . Das Hauptprincip sollte wohl seyn , daß die Ehe unauflößlich sey  ; denn es darf nicht auf die Leidenschaft eines Augenblickes ankommen , wodurch eine Entfremdung entstehen könnte . Auf allen Fall ist eine 3te Autorität erforderlich , eine sittliche , welche bey Zwisten zwischen Ehegatten thätig wird . Es ist oft der Fall daß Verwandte selbst solche Zwiste zu schlichten suchen . Diese Autorität | kann ein geistliches oder weltliches Gericht seyn . Da aber die Sitten das wesentliche Moment der Ehe ausmachen , so müssen bey diesem Gerichte hauptsächlich die Sitten in’s Auge gefaßt werden . Es wäre nichts wünschenswerther , als daß die Ehe für unverletzlich erklärt sey , und die Gatten im Verhältnisse zu einander für sich lebten . In Frankreich kam in den Discussionen vor , daß es lächerlich sey , wenn der Mann über Untreue seiner Frau klage , besonders deßwegen , weil es ihm zur Schande gereiche , daß er es nicht zu verhindern gewußt hätte . Sitten machen Gesetze und Gesetze Sitten . 8 es mehr … gäbe] mehr mannbare Frauenspersonen es gäbe  

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B)  D a s E i g e n­t hu m u n d G ut e i ne r F a m i l ie § . 81 . Das Eigen­thum erhält als Eigen­thum der Familie den Character eines von Zufällen unabhängigen sichern und dauernden Besitzes als eines G ut e s . Erst in der Familie tritt das Bedürfniß bleibenden Erwerbes ein , und der Eigennutz der Begierden wird zu einer gemeinnützigen Sorge für ein Gemeinsames und zu einer Pflicht . Der Besitz der Familie ist etwas allgemeines , es soll damit für das Ganze gesorgt seyn  ; er ist unabhängig von Zufällen und Zeit  ; denn die Familie ist etwas dauerndes bleibendes , also auch ihr Besitz unabhängig von einzelnen Umständen . Das Eigen­thum betriVt die rechtliche Seite des Besitzes , das Be­dürfniß | der Familie ist Gut zu haben , Bleibender Besitz , Erwerb  ; was der einzelne thut , thut er nicht für sich , es ist also nicht ein Eigennutz der auf Befriedigung des einzelnen geht , sondern jeder sorgt für etwas allgemeines .

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§ . 82 . Der Mann ist das Haupt der Familie und hat sie nach Außen zu vertreten , in ­soferne sie als eine rechtliche Person gegen andere ist . Er hat ferner die Dis­ position und Verwaltung des Familiengutes  ; aber es ist gemeinsames Eigen­thum , und kein Theil der unmittelbaren Familie hat ein besonderes Eigen­thum . In soferne die Familie Eigen­thum hat , tritt sie in ein Verhältniß zu anderen Personen , in ein rechtliches Verhältniß  ; In diesem hat der Mann die Familie zu vertreten , die Frau ist als wesentliche Thätigkeit innerhalb des Hauses .

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§ . 83 . Mit der Herrschaft des Mannes über das Familien­eigen­thum , welche nur die sittliche Pflicht der Erhaltung desselben und der Sorge für die Subsistenz der Familie enthält , kommt die Gemeinsamkeit des Eigen­thums und das Recht , welches alle Glieder daran haben in Collision . Hierin haben die zwischen Eheleuten sonst unstatthaften Ehepacten , anderweitige Sicherungen des Familien­eigen­thums , oder Versuche derselben , welche der Freyheit des Eigen­thums , das seiner Natur nach eine Sache , nicht ein Gut ist , und der Veränderlichkeit eines äußerlichen 1–2 B)  D a s … F a m i l i e (Absatz) § . 81 .] § . 81 . (Absatz) 2)  D a s … F a m i l i e  

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Daseyns überhaupt entgegen sind , ihren Grund . Es wird daher ein allgemeines gefordert worin die Collision sowohl der rechtlichen als der ökonomischen Seite nach aufgelößt ist . So wie die nähere Art und Weise , in gleichem die Ermächtigung der Familie , ein Stammgut zu erhalten , sich auf das politische Interesse bezieht , und von der Anerkennung des Staates abhängt . | Die Collision die hier eintritt ist diese  : ein Familiengut soll ein festes ein dauerndes ein allgemeines seyn , denn dies ist ein sittliches Moment , die Seite des Beliebens fällt weg , indem das Eigen­thum der Familie ist , eines ­sittlichen wesentlichen innerlichen Ganzen . Der Mann als Haupt der Familie hat nothwendig die Disposition die Verwaltung des Vermögens unter sich  ; und dies ist die Collision , daß der Mann die sittliche Pflicht hat das Fami­lien­eigen­ thum zu erhalten und zu vermehren , aber auch das Recht der Disposition darüber hat , indem alle andern Mitglieder der Familie gegen ihn , der das Haupt ist keine Rechte haben sollen . Viele Institutionen der Völker haben Bezug auf die Festigkeit des Familiengutes  ; aber das wahre Verhältniß ist Gütergemeinschaft , die Gatten dürfen nicht als besondere Personen besonderes Eigen­thum haben . In den Ehepakten sichert der Mann der Frau ein gewisses Eigen­thum , welches ihr auch nach seinem Tode bleibt , und so wird das Eigen­thum der Frau der Familie erhalten , und ist gegen alle Zufälligkeiten und die Gefahren , denen der Mann durch das Bedürfniß der Familie einen Erwerb zu machen und seine Willkühr ausgesetzt ist , geschützt . Es liegt aber häufig bey diesem Vertrage noch das besondere , daß die Frau noch angesehen wurde als noch in ihrer Familie bleibend , und wenn sie kinderlos starb , so fiel ihr Vermögen an ihre Familie zurück . Dies ist aber falsch , weil das neue Band der Ehe nicht für das allein wesentliche angesehen | wird . Als die Juden Canaan eroberten bekam jede Familie ihren eigenen Bezirk , den sie , wenn sie ihn auch verkaufte , verpfändete etc , dennoch nach 49 Jahren im sogenannten Jubeljahre frey zurückerhielt . Dieser Befestigung des Eigen­thums einer Familie steht die Freyheit des Eigen­thums überhaupt ent­ gegen , welche Freyheit des Eigen­thums wesentlich zum BegriVe des vollen Eigen­thums gehört . In staatswirtschaftlicher Hinsicht aber fand sich , daß das Eigen­thum , welches in den Händen der Privateigenthümer war besser bebaut wird , als das , welches einer nur für eine allgemeinheit baut , und an dem er das Interesse nicht hat , wie an seinem freyen Eigen­thume . Dann tritt auch dies ein , daß die Familienglieder glebae adscripti sind , und das gemeinschaftliche Eigen­thum hält sie gewöhnlich nur zusammen , weil dies in der Natur

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dieses Verhältnisses liegt . Im Allgemeinen ist ein solches Familiengut ein eißerner Stamm , dies ist aber der Natur der Sache zuwider aus etwas äußerem ein so festes Verhältniß zu bilden . Aber die bürgerliche Gesellschaft als solche ist der wesentliche sittlich bleibende Boden an dem sich jeder einen Theil erwerben kann , und es tritt hier das System der Arbeit aller für alle ein , und es gehört die eigene Fähigkeit und Geschicklichkeit dazu um daran Theil nehmen zu können . Durch den Staat wird also diese Collision gehoben , nämlich der sittliche Theil . Daß nun dies Recht der Familie gewahrt wird , daß der Mann seine Geschicklichkeit zum Vortheil der Familie gebrauche | muß der Staat sorgen , und es kann daher der Staat sich mit allem Recht des Familien­ ver­mö­gens annehmen , wenn der Mann ein Verschwender ist . Auch hat der Staat , wenn das Familien­eigen­thum zufällig oder durch Unglück zu Grunde geht , die Pflicht als Allgemeinheit die besonderen einzelnen Glieder der Familie zu erhalten . Politisch wurde von vielen Völkern für das Familien­ eigen­thum dadurch gesorgt , daß die Gatten die Kinder haben nicht testamentarische Dispositionen zum Ruin des Familien­eigen­thums machen konnten  ; eben so kann für das Interesse der Verfassung das Majorats Recht eingeführt werden , wenn diese einen Adel haben will . Die Collision ist nun diese , daß kein einzelnes Mitglied der Familie ein alleiniges besonderes Recht am Familien­eigen­thum hat  , und der Mann als Haupt der Familie das Dispositions Recht haben muß .

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§ . 84 . Auf die Gemeinsamkeit des Familien­eigen­thums gründet sich das R e c h t d e r E r b s ch a f t  , welche nicht ein Erwerben eines fremden oder gar herrenlos gewordenen Eigen­thumes ist , sondern das Eintreten in das Recht der Disposition oder den eigenthümlichen Besitz des seinem Wesen nach gemeinsamen Gutes  ; ein Eintreten , welches mit den entfernteren Graden der Verwandschaft immer unbestimmter wird . Die Lehre von der Erbschaft kann daher nicht unter dem | Erwerben des Eigen­thums vorgetragen werden . Weil supponirt wird , daß die Familienmitglieder die nächsten um den Verstorbenen herum waren , so könnte man sagen , daß um den Inconvenienzen des Ergreifens des durch den Tod zur res nullius gewordenen Vermögens zu steuern , man annehmen kann daß diese gewöhnlich ergreifen würden , und man hat ihnen es also überlassen . So urtheilt Fichte . Aber nach unsern aufgestellten Grundsätzen ist es anderst . 30 werden] wurden oder würden  

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Die Grade der Verwandschaft müssen nun bey der Theilung der Erbschaft berücksichtigt werden . Bey weiteren Verwandten kann nun das Recht zu testiren eintreten , den Kindern aber muß ihr Pflicht­theil werden . In vielen Staaten erbte der Staat , wenn nicht nahe Verwandten da waren , dahin gehören die Taxen die auf eine Masse die vererbt wird gelegt werden können , und hierin ist auch diese Seite , daß je entfernter die Grade der Verwandschaft sind um so weniger die weitern Verwandten dieses bestimmte Recht auf die Gemeinsamkeit des Familienvermögens haben  ; bey der Erbschaft von Kindern aber darf diese Taxe nicht eintreten . Die Gleichheit des Erb­theils für Verwandte gleichen Grades ist das unmittelbare Verhältniß worauf die Erbtheilung beruhen muß . Es sind aber noch andere Zwecke die die Staaten in Ansehung des Übergangs von Eigen­thum sich vorgenommen haben . So war bey roheren Völkern die Erhaltung der Familie im Besitze des Eigen­ thumes , so sollten nach altrömischem Recht die Güter einer Familie nicht in eine andere Familie übergehen  ; und die | sui heredes und agnaten erbten vor den Cognaten , und das Vermögen der Frau fiel wieder zu ihrer alten Familie zurück , und kam nicht an ihre Kinder , und die Mutter erbte auch nicht das Vermögen der Kinder . Die Kinder hatten kein Eigen­thum . Waren keine Agnaten da , so traten die Gentilen ein  ; aber später rief der Prätor die ­Cognaten mit den Agnaten . Aber das Recht zu testiren ging bey den Römern zu weit , sie durften ihre Kinder enterben  ; daher auch die Erbschleichereyen , welche Juvenal und andere zum StoVe ihrer Satyren wählten . Eben das Recht zu testiren begründet auch ein eckliches Verhältniß zwischen dem Testator und denen die auf die Erbschaft hoVen und sie durch Unterwürfigkeit zu erhalten suchen . Daher die lex Voconia , die verbietet Weiber als Erben einzusetzen , damit nicht in deren Händen ein zu großes Vermögen bleibe . Das Band der Familie , die Grundlage des römischen Erb Rechts wurde immer lauer . Die Gleichheit des Vermögens führte zur Maaßregel , daß die Töchter nicht erben könnten , damit nicht die Töchter ein großes Vermögen zum Vermögen des Mannes brächten . Daher manche Gesetze der Griechen , die sich gegen die Ungleichheit des Vermögens als Grund des Unterganges einer Republick sicherten . In Athen war das Mitgift der Weiber bestimmt festgesetzt  ; und in Lacedämon riß das Besitzen der Weiber von den meisten Landgütern den Staat ins Verderben . Aber die Gleichheit des Vermögens kann nur ein Wunsch bleiben , in dem die Größe des Vermögens Sache der Zufällig­ keit ist . Daher lassen die modernen Staaten den Reichthum für sich ungestört | fortwuchern , und sorgen für die unteren Klassen durch Anstalten . 19 später] spräter  

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C)  E r z ie hu n g d e r K i nd e r u n d Au f lößu n g d e r F a m i l ie § . 85 . Die Kinder haben das Recht , aus dem gemeinsamen Familien­eigen­thume ernährt und erzogen zu werden . Das Recht der Eltern auf die Dienste der Kinder gründet und beschränkt sich auf das gemeinsame der Familiensorge und der Erziehung überhaupt . Eben so ist das Recht der Eltern , über die Kinder in Beziehung auf ihre Freyheit und ihr Leben auf den Zweck beschränkt sie in Zucht zu halten und zu erziehen  ; der Zweck der Bestrafungen ist hier nach dem Grundverhältnisse wesentlich nur moralischer Natur , nicht Gerechtigkeit  ; nämlich Besserung und Abschreckung der noch in Natur befangenen Freyheit . Die Kinder sind Momente in der Familie , haben aber den Zweck aus der Familie herauszutreten . Die Kinder gehören zum ganzen der Familie , daher haben sie das Recht aus dem Familienvermögen zu ihren Bedürfnissen und zu ihrer Erziehung zu verlangen . In soferne die Eltern sich nun weigern würden dies an den Kindern zu thun , so muß der Staat eintreten um dieses Recht zu behaupten und geltend zu machen . Die | Eltern sollen nicht den Zweck haben nur Vortheil aus den Arbeiten der Kinder zu ziehen  ; daher hat der Staat die Pflicht , die Kinder zu schützen . So werden in England Kinder von 6 Jahren gehalten die enge Schornsteine zu fegen , so in Fabrick­städten , wie in England , wo ganz kleine Kinder arbeiten müssen , und nur Sontags etwas für ihre Erziehung gesorgt wird . Hier hat der Staat die absolute Pflicht darauf zu halten daß die Kinder erzogen werden . Auch die Dienste der Kinder in der Familie dürfen der Erziehung nicht widerstreiten . Die Kinder müssen gewöhnt werden zu gehorchen , und müssen gezwungen werden frühe die subjective Seite der Willkühr und des Beliebens in ihrem Thun fahren zu lassen . Die Kinder sollen gebildet und erzogen werden , dies ist der vernünftige Grund der dem Verhältnisse zu Grunde liegt . Kant sagt , die Kinder machen ein S t ück des Hauses aus , und daher haben die Eltern das Recht sich der Kinder die entlaufen sind als Sachen zu bemächtigen . Bey den Römern ging die Gewalt der Väter über die Kinder über das Leben und die Freyheit der Kinder , sie konnten die Kinder als Richter strafen . Der Richter ist aber als Richter eine allgemeine Person , er muß ohne Rücksicht auf das Wohl des Individuums das Recht befolgen  ; aber ein moralisches Moment ist

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1–2 C)  E r z i e h u n g … F a m i l i e (Absatz) § . 85 .] § . 85 . (Absatz) 3)  E r z i e h u n g … F a m i l i e   28 35 ha­ben] sind  

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das Moment des Wohls welches der Vater für die Kinder haben muß . Die Eltern können im Gegentheil geneigt seyn , härter gegen ihre Kinder zu seyn als der Richter , indem sie viel mehr gereitzt werden können | da sie in ihren Kindern sich selbst sehen , und die Empfindung des Beleidigtseyns tritt hier oft ein  ; bey dem Richter aber kommt gar keine Empfindung des Beleidigtseyns ins Spiel . Daher taugen die Eltern dafür ihre Kinder zu unterrichten sehr oft weniger als fremde Erzieher . Die Kinder haben noch nicht würklichen freyen Willen , sind noch nicht Personen , sie werden daher von den Eltern regiert , und zu Personen gemacht , erzogen . Der Zusammenhang der Liebe ist das Verhältniß der Eltern und Kinder , daher kann der Vater nicht sein Kind zum Sclaven machen oder es töden wie bey den alten Römern  ; denn sonst ist das Verhältniß bloß ein herzloses äußerliches Band , kein sitt­ liches die Form des religiösen annehmendes Band , es ist nur ein Aberglaube , der Geist ist nicht mehr immanent darin . Die Herrschaft der Eltern ist auf den Zweck beschränkt , das Haus in Zucht zu erhalten , und die Kinder zu erziehen , die Bestrafungen haben blos den moralischen Zweck der ­Besserung . Auf die natürliche Seite kann die Abschreckung würken , weil die Kinder noch mit ihrer Freyheit in der Natur befangen sind . Die Abschreckung ist also hier ein wesentliches Moment . Das Kind ist bey der Erziehung als ­concretes Gegenstand , es soll auf seine Gesinnung gewürkt werden .

§ . 86 .

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Die Erziehung hat überhaupt in Beziehung auf das Familienverhältniß den Zweck , die Kinder über die natürliche Unmittelbarkeit , in welcher sie sich ursprünglich befinden zur Selbstständigkeit und freyen Persönlichkeit zu erheben , | ie , dazu , daß sie aus der Familie treten , und deren substantielle natürliche Einheit sich auflößt . Die Erziehung hat den Zweck die natürliche unmittelbare Seite zu unter­ jochen , und die Selbstbestimmung die Freyheit herauszuheben . Der Geist ist nur dies , daß er sich durch seine unmittelbare Thätigkeit zu dem macht was er ist . Der Mensch kann nur frey seyn durch die Negativität , daß er die Natürlichkeit aufhebt . Die Zucht muß mit dem Gehorchen anfangen , wer nicht dienen lernte , kann nicht herrschen  ; alle Willkühr der Kinder muß aufgehoben werden . Der Geist muß zum Bewustseyn seiner Negativität

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kommen . Das Kind muß die freye Persönlichkeit der älteren Familienglieder für die seinige mitansehen , und sich deren Willen unterwerfen . Das Kind hat das richtige Gefühl seiner Abhängigkeit , und gehorcht der vernünftigen Persönlichkeit seiner Eltern , mit denen es durch Liebe zusammenhängt . Der Trieb im Kinde groß zu werden dies nicht befriedigt mit sich selbst seyn , ist es , was die Kinder hinaufzieht . Montesquieu sagt es gäbe unglücklicherweise 3erley Erziehung nun unter den Menschen , die Erziehung der Eltern , der Erzieher , Lehrer , und die der Welt  ; Und die Erziehung zum Staatsbürger durch die Welt stehe im Contraste mit den beyden andern Erziehungen . Die erste Erziehung , die durch die Eltern ist die der Liebe des Zutrauens und des Gehorsams , die Eltern müssen sich ihrer Kinder annehmen , ob sie gut oder böße sind , es kommt in dieser Erziehung nicht auf den moralischen Werth des Kindes an , das Kind gilt immer als Kind . | In der Schule wird das Kind nach dem , was es ist , beurtheilt nach seiner Würdigkeit  ; dies ist ein Verhältniß , wo zum Theile die Seite des Verdienstes eintritt  ; aber in der Welt tritt die Gerechtigkeit ein , der Mensch gilt nicht bloß weil er ist , sondern durch sein Verdienst . Aber auch das gemeine Wesen hat das Recht von der Erziehung der Kinder Notitz zu nehmen . Der Character der Eltern und der Character der Welt sind Hauptmomente . Man machte oft den Unterschied zwischen Bildung des Herzens und Bildung der Intelligenz , aber in soferne beydes wahre , nicht formelle Bildung ist , hängt es zusammen . Die Kinder sind wesentlich nothwendig zuerst in der Sphäre der Liebe , in der Sphäre der Familie  ; auch von schlimm auf die Kinder würkenden Eltern ist es gefährlich die Kinder wegzunehmen  ; denn auch schlimme Eltern lieben ihre Kinder , und in diesem Gefühle müssen die Kinder wesentlich erstarken . Am Character der Eltern erziehen sich wesentlich zuerst die Kinder , durch ihn werden sie in die würkliche Welt hineingezogen  ; darum bekommen aber die Kinder nicht gerade den Character der Eltern , eine sehr fleißige Mutter kann z . B . faule Töchter erziehen , ein heftiger Vater kann durch seine Heftigkeit furchtsame Söhne erziehen . Moralisch religiöse Eltern können den Kindern die moralische Gebothe zum Überdruß machen , weil den Kindern das Gefühl ist , nicht aus sich zu handeln . Der Character der Welt mischt sich in alle Vorstellungen der Kinder über Werth und Unwerth von Dingen . Jeder ist der Sohn seiner Zeit , | nur der ist in seiner Zeit groß , welcher seinem Zeitgeiste ganz folgt . Edle Erzieher können freilich viel bey den Kindern leisten , aber es ist falsch die Kinder wie z . B . nach Pestalotzi der Welt zu entziehen , und ihnen durch die Erziehung ihr eigenes Interesse zu geben . Aber diese Erziehung macht gute Privatpersonen , nicht aber gute Staatsbürger . Das Ahnden der Kinder von höheren Zwecken bey ihren

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­Eltern erhält das Unbefriedigtseyn in ihnen . Man lehrt die Kinder z . B . Papschachteln machen , und da die Erzieher viel auf das gute Arbeiten derselben sehen , so glauben sie dadurch höhere Interessen zu erreichen , weil sie ihre Lehrer sehr dabey interessirt sehen . Wenn die Kinder aus dem elterlichen Hause in die Schule treten , so tritt schon das Princip des Verdienstes , nicht mehr des u ­ nmittelbaren Geltens ein . Zweck der Erziehung ist nun daß die Kinder selbstständige Personen werden und aus der Sphäre des Gefühls der Liebe und des Gehorsams zur freyen Persönlichkeit übertreten . Denn die Familienglieder machen nur ein Ganzes aus . Dies begründet den Übergang der Familie in die bürgerliche Gesellschaft . Wir müssen nun nur noch die Seite be­trachten , daß das Stiften neuer Familien , welches mit der freyen Persönlichkeit eintritt nicht innerhalb der Blutsverwandschaft geschieht . Der Zweck der Erzie­hung ist negativ gegen das Versenktseyn der Freyheit in der Natur . Die Auflößung der Familie hat 2 Seiten , 1) daß die aus der Familie getretenen selbst wieder in die | Familie treten und 2) so sich andere Familien bilden[.] § . 87 .

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Unter die Bestimmung der Auflößung der Familie gehört , daß die natürliche Einigkeit , die Blutsverwandschaft sich nur als sittliche Liebe erhält , und daß die von Natur so verwandt sind , ebendarum die Trennung zwischen sich hinein­ bringen , es fliehen in ein eheliches Verhältniß mit einander zu treten , und bey dem Eingehen eines solchen von dem natürlichen Fremdseyn ausgehen . Man hat behauptet von Natur sey die Ehe unter Blutsverwandten nicht untersagt  ; Von den meisten Völkern wird sie aber verabscheut  ; das vernünf­ tige in dieser Empfindung ist in unserm § . angegeben . Schon die Natur will es , in dem die Race sonst degenerirt . Aber es liegt schon in der vernünftigkeit selbst daß die frühere Einigkeit in der Familie mit einander sich aufhebe , und daß die gleichnahmigen Pole sich abstoßen – das was schon idendisch ist stößt sich ab – und nur das ungleichnahmige sich anzieht . Alle Kräftigkeit alle Energie beruht auf dem Gegensatze aus dem die Einigkeit entsteht . Montesquieu gibt das frühere Zusammenwohnen als Grund an , um die Schamhaftigkeit unter den Familiengliedern zu erhalten  ; aber die Ehe ist doch ein sittliches Moment , aber die Schamhaftigkeit hat eben den Grund selbst , dieses Fliehen , welches sich Blutsverwandte selbst setzen müssen . Die

35 8 übertreten] überzutreten   23 sey] sein   28–29 – das was

… ab –]  , das was … ab ,  

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Liebe zwischen Geschwistern muß als ein sittliches Gefühl bleiben . Die Schwester behält inniger | die Liebe zum Bruder , der in die Welt hinaus strebt . Antigone gibt als Grund an , warum sie um ihrem Bruder die letzte Ehre zu erzeigen aus Liebe zu ihm , ihr Leben auf das Spiel setzte , wegen ihrer Kinder oder ihres Mannes würde sie sich nicht dem Tode ausgesetzt haben , weil sie wieder einen Mann und noch Kinder bekommen könne , nicht mehr aber einen Bruder . Das kalte in unsern Tragödien ist die Zu­ fällig­keit des Gegenstandes der geliebt wird . Bey der Antigone ist es aber das nothwendige , sie hält an dieser Ursprünglichkeit ihrer Familie so sehr fest .

§ . 88 . Die Familie tritt auf natürliche Weise in eine Vielheit von Familien auseinander , welche sich nach ihrer Freyheit als selbstständige Personen zu einander verhalten . Von der substantiellen Einheit der Familie ausgehend , bleibt ihre Einzelnheit zugleich in dem Principe der Allgemeinheit gehalten , welches aber um der Trennung von jenem willen zunächst formelle Allgemeinheit ist . Dies ihr Reflectionsverhältniß macht die bü r g e r l iche G e s e l l s ch a f t aus . Bey der Familie wird die Allgemeinheit von einem Gliede absorbirt . Das Princip der Allgemeinheit und das Princip der Einzelnheit treten gegen einander auf . Wegen der Selbstständigkeit der Allgemeinheit ist es keine wesentliche Allgemeinheit . Eine Familie erwächst zu vielen Familien , und so wie die vielen Familien ein Volk werden , so hört das Patriarchalische der Familien aus einer Familie auf . Das jüdische | Volk stammte aus einer Familie . Es können aber auch viele zerstreute Familien , z . B . durch einen Eroberer zu einem Volke zusammengebracht werden .

Zwe y t e n s d ie B ü r g e r l iche G e s e l l s ch a f t .

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§ . 89 . Die Allgemeinheit in der bürgerlichen Gesellschaft hat näher die concrete Bestimmung , daß die Subsistenz und das Wohl der einzelnen durch die Subsistenz und das Wohl aller übrigen bedingt und darein verflochten ist . In diesem gemein-

4 erzeigen] erzeugen   18 Einzelnheit] Allgemeinht   29 diesem] diesen  

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samen Systeme hat der einzelne sein Bestehen , und sowohl die äußer­liche als die rechtliche Sicherheit seiner Existenz . Die bürgerliche Gesellschaft ist so zunächst der ä u ß e r e oder der Ve r s t a nd e s s t a a t  , weil die Allgemeinheit nicht als solche an und für sich Zweck ist , sondern Mittel für die Existenz und Erhaltung der einzelnen , oder No t h s t a a t  , weil die Sicherung der Bedürfnisse der Hauptzweck ist . Hier sind die Bürger bourgeois nicht citoyens , der Einzelne hat sein Wohl zu seinem Zwecke , er ist rechtliche Person , das Moment des Rechts tritt hervor in einer Allgemeinheit . Das Wohl des einzelnen und dessen Subsistenz ist aber doch bedingt durch das Wohl und die Erhaltung aller . | Der einzelne sorgt nur für sich , er hat nur sich zum Zwecke , aber er kann nicht für sich sorgen , ohne daß er für alle sorgt , und daß alle für ihn sorgen . Mit seinem Zwecke der Selbstsucht arbeitet er auch zugleich für die anderen . Hier beruht alles auf Vertrag , aller Erwerb von Eigen­thum . Jedes Product ist Product von vielen anderen , jedes einzelne Product , das meine Bedürfnisse befriedigt setzt diese Kette voraus . Jeder arbeitet im Zutrauen daß man seine Arbeiten brauchen werde . Hier ist die Sphäre der Vermittlung , daß der Zweck des einzelnen auch die Allgemeinheit zu einer Seite hat . Hier ist aber noch nicht das Leben im Allgemeinen f ü r das Allgemeine . Hier ist die Subsistenz und das Recht des einzelnen Zweck . Die Allgemeinheit die hier gilt ist nur die abstracte Allgemeinheit , eine Allgemeinheit die nur Mittel ist , und daher ist dies der Verstandesstaat . Der Zweck Rechte zu erlangen ist die Befriedigung der Bedürfnisse  ; Schutz und Sicherheit des Eigen­thums als eines besondern ist der Zweck des Nothstaates . Die Einheit der Familie ist auseinandergetreten , das sittliche Verhältniß der Familie hat sich aufgelößt , und der Noth­staat ist kein sittlicher Staat . Die Familie ist ein substantielles , durch Überwindung des Gegensatzes muß die Familie zur an und für sich seyenden Sittlichkeit sich erheben . Die StuVe des Gegensatzes der Familie ist der Nothstaat , die abstracte allgemeinheit . Hier hat der einseitige als Selbstständiger für seine Bedürfnisse zu sorgen , diese Bedürfnisse | machen die Noth aus  ; und diese Noth findet nur Befriedigung im allgemeinen Zusammenhange .

§ . 90 . Diese Sphäre , worin der Mensch als concretes Ganzes seiner Besonderheit und Bedürfnisses eintritt und sie zum Zweck hat , ist das nothwendige Moment der

6 bourgeois] bourguois   citoyens] cytoyens   7 Moment] Momente   25 durch] er durch  

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Differenz , daß die besondere Subjectivität die Willkühr und deren Thätigkeit alle Zufälligkeit der Natur und des Glücks ihr vollständiges Recht erlangt . Das Bedürfniß ist weder nur als unmittelbares Naturbedürfniß des animalischen Lebens , noch als das der an und für sich seyenden aus der Sphäre der Differenz und Vermittlung zu sich zurückgekommenen Intelligenz der Sittlichkeit und der Wissenschaft , sondern jenes in die Allgemeinheit sich erhebend , diese in das besondere scheinend . Der Geist ist daher in dieser Sphäre in formeller Allgemeinheit und Recht­schaVen­heit in die Nothwendigkeit und Ungleichheit mit sich verwickelt . Wenn man Mensch sagt , so versteht man darunter eben sein concretes Ganzes von vielen Kräften , aus der substantiellen Allgemeinheit hervorgegangen ist er diese Allgemeinheit , aber er hat hier die Besonderheit zu seinem Zwecke , dies ist das Moment des Außeinandergehens , aus dem die Sittlichkeit zu sich selbst kommt . Dies ist die Erstarkung der Idee | sich in sich zu unterscheiden , und sich dann für sich zu vervollständigen , ganz zu machen . Die absolute Kraft der Idee ist nun sich in der Sphäre der Differenz zu erhalten , aus dem absoluten Verlust ihres Wesens zu sich zurückzukehren  ; die natürliche Dinge gehen in ihrem Gegensatze zu Grunde . In unserem Momente hat alle Zufälligkeit der Natur und des Glückes ihren Spielraum . Der Existenz nach ist die Sphäre des Nothstaates später als die Sphäre der Sittlichkeit . Die formellen Momente der Sittlichkeit treten später hervor als das sittliche Ganze selbst . In soferne das Wahre , die sittliche Idee be­ griVen werden soll ist der BegriV das concrete . Das erste das unmittelbare ist immer noch nicht in seiner Wahrheit . Die besondere Subjectivität ist Zweck unseres Momentes . Das christliche Princip ist , jeder einzelne als einzelner ist unendlicher Zweck . Bey dem orientalischen Principe verschwindet das Individuum und ist nur Accidenz des Monarchen oder der Priester . Es kann kein Staat bestehen ohne die Zwecke der Allgemeinheit  ; aber in unseren neuern Staaten ist gerade der Gesichtspunkt der Subjectivität überwiegend , für das Wohl des einzelnen wird sehr gesorgt . Zu allen Zeiten wo dies Princip hervortritt , zeigt sich auch das entgegengesetzte Moment  ; so tratten Diogenes und die Ciniker in Athen auf die Vervielfältigung der Bedürfnisse und Genüsse , und die dadurch eintretende Verdorbenheit tadelnd , und zur Natürlichkeit (zum Naturzustand) zurückrufend . So Persius | und Juvenal in Rom . Christus foderte daß man den Reichthümern entsagen sollte , so Diogenes von Synope , Tacitus und Rousseau , fodern die äußere Einfachheit , sowie die innere Einfachheit . Es kann aber sowenig ein Volk von Cinikern geben , als ein Volk von Quäkern . Diese Einfachheit die sie erfaßten kehrt 24 einzelne] einzelner  

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nur aus diesem Grade der Bildung zurück , es ist das Geben der Vermögen an die Armen bedingt , denn wenn dieses geschieht , gibt es keine Armen mehr . Es ist nothwendig nicht in dieser Sphäre zu bleiben , aber auch es auszuhalten , daß in sie übergegangen wird . Es ist nothwendig daß die Völker aus dem einfachen Naturzustande in Vervielfältigung der Bedürfnisse übergehen  ; aber eben über diese Natur , über diesen Naturzustand soll sich der Mensch erheben , Tacitus sieht es als ein Mittel an daß Agricola die Deutschen mit Bildung zu ruiniren suchte  ; dies ist aber nicht so . Die Triebe des unmittelbaren Naturbedürfnisses hat der Mensch mit den Thieren gemein  ; wenn er also dabey stehen bleiben will , so bleibt er auf dem Standpunkte des Thieres stehen . Auch ist in unserem Momente der Noth nicht mehr die Sphäre der Wissenschaft und der Sittlichkeit . Das Ziel der für sich sich erfaßenden sich wißenden und sich genießenden Intelligenz ist aus unserem Momente noch ausgeschlossen . Sittlichkeit und Wissenschaft ist das Erhabenseyn über die Bedürfnisse . In Ansehung des Sittlichen ist es die Recht­schaVen­heit die in diese Sphäre tritt . Das Bedürfniß das hier | betrachtet wird , ist das Bedürfniss des Hinausgehens in die Allgemeinheit  : Sittlichkeit , Wissenschaft , Religion sind nicht als wesentliche in dieser Sphäre vorhanden , sondern sie scheinen nur herein . Der Geist ist in seiner Ungleichheit mit sich , der Geist will über das Bedürfniß hinausgehen .

§ . 91 .

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Die Bürger dieses Staates sind P r i v a t p e r s one n , durch ihre Bedürfnisse an das allgemeine geknüpft  ; ihre wesentliche Thätigkeit ist , der Willkühr , dem Bedürfnisse und dessen Befriedigung , indem sie einen schlechthin besonderen Zweck hat , die Form der Allgemeinheit zu geben , und sie dadurch geltend zu machen . Diese Formirung ist die Bildung überhaupt . Unsere Sphäre ist zunächst die Sphäre der Bildung überhaupt . Die Bildung ist etwas formelles , und der Inhalt kann von der verschiedensten Natur seyn . Diese Form der Allgemeinheit , die hier dem besonderen gegeben ist , ist die Bildung . Die Extreme , Besonderheit , und Allgemeinheit , sind hier . Die Bedürfnisse knüpfen das Allgemeine an , und der Standpunkt ist die Form der Bedürfnisse in die Allgemeinheit zu erheben . Diese Form der Allgemeinheit selbst ist es aber auch wieder , sie ist das Mittel , wodurch der

7 daß] das   8 zu] u  

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einzelne seine Bedürfnisse erhält , durch die Allgemeinheit ist die Befriedigung der Bedürfnisse , der Mensch kann dadurch bestehen . Das besondere erhebt das Allgemeine , und setzt das | Allgemeine wieder zur Besonderheit herunter . Die Bedürfnisse müssen die Form der Allgemeinheit erhalten , und ihre Einzelnheit im Naturzustande verlieren . Durch das Zusammenarbeiten und durch die Bedürfnisse der anderen treten die Mittel ein . Die Arbeit ist eine abstracte , keine besondere . Dies ist die Bildung in Beziehung auf die Bedürfnisse . Die geistiche Bildung ist ebenso , daß meine Gedanken nicht meine Gedanken , sondern allgemeine Gedanken , ein objectives sind . Es gehört zur Bildung , daß jeder in seiner Beziehung auf sich in seiner Eitelkeit , auch die Zwecke Bedürfnisse und Eitelkeit der anderen gelten läßt . Die höchste Bildung ist auch eine Einfachheit . Es gibt 2erley Arten des Mangels an Bildung , die Roheit und die Bildung die immer eine Menge Gründe eine Menge Rücksichten bey ihrem Handeln vor sich hat , und durch diese sich beschränken läßt  ; die wahre Bildung kennt die einzelne Rücksicht das einzelne Mittel , welches gerade hier paßt , sie ist also zur Einfachheit der Natur zurückgekehrt .

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§ . 92 . Die bürgerliche Gesellschaft enthält 3 Momente  : 1)  Die Vermittlung der Bedürfnisse und deren Befriedigung in einem Systeme der Bedürfnisse aller . ( S t a a t s ökonom ie ) . 2)  Den Schutz des Eigen­thums durch die Re cht s ve r f a s s u n g . | 3)  Die allgemeine Vorsorge für das Wohl der einzelnen im einzelnen , und für das Daseyn des Rechts , die Polizey . Die erste Sphäre ist ein System der Bedürfnisse aller , die Allgemeinheit ist hier innerhalb des Bedürfnisses innerhalb der Noth , die Vermittlung der Bedürfnisse der Bürger durch einander . Es ist aber nicht die Staatswirtschaft , wovon wir hier sprechen , wo das Allgemeine für das allgemeine ist . Unsere Wissenschaft ist schlechthin die Zufälligkeit des Bedürfnisses der einzelnen , die Grundlage ist also vollkommene Zufälligkeit . Aber diese Verflechtung selbst bringt eine Allgemeinheit hervor , aber umgekehrt ist es eben diese Allgemeinheit , welche die Bedürfnisse erwürkt , befördert , und die besonderen Bedürfnisse befriedigt . Aber diese Zufälligkeit erhebt sich immer zu einer Nothwendigkeit . Wir betrachten nur die Grundelemente dieses Systemes . Hier ist die Allgemeinheit innerhalb der Noth . 26 Noth , die] Noth . Die  

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die sittlichkeit103

Das 2te ist die Rechts Verfassung , hier hat die formelle Freyheit den Zweck den einzelnen bey seinem Eigen­thume zu schützen , sowohl um des Besitzes willen , der ein Bedürfniß ist , als auch um des Rechtes selbst willen . Die rechtliche Verfassung hat in der bürgerlichen Gesellschaft ihren wesentlichen Standpunkt , im Sittlichen ist sie untergeordneter Zweck . | Die 3te Sphäre ist , daß das allgemeine als solches hervortritt , aber sein Zweck ist immer nur noch das Wohl des Einzelnen . Durch Äußerliche Allgemeine Anordnungen wird für das Recht und für das Wohl der einzelnen gesorgt . Die Rechts Verfassung hat die Rechts Verletzungen aufzuheben , die Polizey hat sie abzuhalten . Die Polyteia lehrt die Verfassung des Volkes . Bey uns ist Polizey wohl auch ein Allgemeines , das dem besonderen Bürger gegenüber tritt , aber es hat zum Zwecke das Wohl der einzelnen als Einzelnen , nicht , wie bey der Polyteya als einer Allgemeinheit . Hier tritt in Rücksicht auf die Bedürfnisse und in Rücksicht auf die Befriedigung derselben , das System der Stände ein .

A) System des Bedürfnisses . Staatsökonomie . § . 93 .

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Das Thier hat einen bestimmten Kreis von Bedürfnissen . Der Mensch beweißt auch in dieser Sphäre der Abhängigkeit sein Hinausgehen darüber und seine Allgemeinheit . Die unmittelbare A l l g e m e i n he it in der Einzelnheit des concreten Bedürfnisses ist überhaupt die Ve r v ie l f ä l t i g u n g desselben , näher die Zerlegung und Unterscheidung in einzelne Theile und Seiten , welche auf diese Weise verschiedene | mehr particularisirte und zugleich weniger concrete a b s t r a c t e r e Bedürfnisse werden . Hier ist zu betrachten das Bedürfniß , das Mittel die Bedürfnisse zu befriedigen . Die Bedürfnisse des Menschen sind vermittelt durch die anderen Menschen . Das Mittel der Befriedigung die Arbeit ist eine Arbeit für andere um für sich selbst zu arbeiten , er verschaVt sich seine Bedürfnisse durch andere . Der Mensch als Allgemeinheit soll über seine unmittelbaren einzelnen Bedürfnisse hinausgehen , dieses Hinausgehen ist zunächst nur Vervielfältigung die Particularität . Die Allheit ist die vollkommene All­ gemeinheit . Die Vervielfältigung der Bedürfnisse enthält formell den Cha16 A) ] I  

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racter der Vernünftigkeit . Das natürliche Bedürfniß , z . B . sich zu kleiden , ist ein concretes . Für das Thier hat die Natur gesorgt . Der Mensch hebt sich über den Boden , er ist fähig auf dem ganzen Erdboden zu wohnen . Herkules hatte eine Löwenhaut zur Kleidung , dies ist eine einfache Weise der Be­ friedigung . Die Reflection zersprengt dieses einfache Bedürfniß , und zerlegt es in viele Theile , jeder einzelne Theil des Körpers bekommt nach seiner Besonderheit eine besondere Kleidung , der Kopf , der Hals , der Fuß , und so wird ein concretes Bedürfniß in viele Bedürfniße zerlegt , und diese wieder in viele andere[.] | Bequemlichkeit ist nun gerade das passende Mittel der Befriedigung zu treVen . Die Zerlegung des Bedürfnisses macht es zu einem allgemeineren abstracteren . Die Sucht die Mittel der Bedürfnisse zu erfinden , wird durch jedes neue Mittel neu gereizt . Durch dieses Vervielfältigen der Mittel wird die Bequemlichkeit befördert , aber die Unbequemlichkeit tritt dadurch ein , daß man so sehr viele Mittel braucht .

§ . 94 . Diese Vervielfältigung ist vermittelt , denn der bestimmte Kreis des Bedürf­ nisses ist das unmittelbare oder das Naturbedürfniß  ; Die Vermittlung ist die Beziehung eines Selbstbewustseyns auf sich durch die Idendität mit einem anderen . Diese Allgemeinheit hat 1)  einen b e s ch r ä n k t e n e nd l iche n Inhalt , weil die Individuen als selbstständige besondere gegen einander sind , so ist es nicht in ihrer Substanz , daß sie idendisch sind , sondern nur in einem ihnen zwar angehörigen , aber von ihnen als Totalität unterschiedenen Inhalt . Deßwegen ist 2)  diese Einheit nur eine vo r g e s t e l l t e und ist nur in der Me i nu n g  . Die Vorstellung ist nämlich das subjective Wissen , dessen Inhalt die Gestalt | eines Anderen Fremden hat , und diese vorgestellte Einheit ist nur G le ich he it  . Auch in Rücksicht auf seine Bedürfnisse drückt der Mensch den Character der Allgemeinheit aus . Als selbstständige Bewustseyn sind die Menschen wesentlich Beziehung , und das Bewustseyn der Idendität ist nur ein vereinzelntes ein beschränktes , weil sie gegen einander getrennte wesentlich unterschiedene sind . Jeder hat zwar die eigene Seite , die ihm angehört . Das Bewustseyn tritt damit in die Vorstellung und in die Sphäre der Meinung , die Vorstellung ist das Wissen eines beschränkten Inhalts . Die Idendität des 19 Diese] Dieses  

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Wissens in der Vorstellung ist nicht von mir gesetzt . Es ist bloße Einheit der Vorstellung , nicht des Wissens . Das Bewustseyn der Idendität bezieht sich auf einzelne Vorstellungen auf einzelne Bedürfnisse , ist also nur eine Meinung . Die Einheit ist hier nur eine Gleichheit , die Gleichheit eines Dings mit einem anderen ist eine äußerliche Beziehung .

§ . 95 .

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Diese Vermittlung hat ihren Anfang überhaupt in der Zufälligkeit und Ungleichheit , welche unter verschiedenen Individuen in Rücksicht auf Modificationen und Bedürfnisse , ins besondere auf die Art ihrer Befriedigung oder der ­Genüsse stattfindet . Diese Wahrnehmung enthält den Widerspruch der Un­ gleich­heit mit dem anderen im Bewustseyn der Gleichheit , | und begründet den Trieb , seine Gleichheit mit anderen hervorzubringen und sich vorzustellen , den Trieb der Nachahmung , in welchem der Reitz ist , sich denselben unbekannten Genuß zu ver­schaVen , oder überhaupt das auch zu haben , was der andere hat . Die Wiederholung des Genusses macht ihn zu etwas subjectiv allgemeinem , zu einer Gewohnheit und Bedürfniß . Ebenso nothwendig ist dann diese Gleichheit zum Daseyn für den anderen hervorzubringen , und sich das Bewustseyn zu geben , von dem anderen so als ihm gleich betrachtet a ne r k a n n t zu werden . Dies ist der bekannte Trieb von dem andern für gleich anerkannt zu werden . Der Trieb und die Kraft muß betrachtet werden als gegründet in der Vernünftigkeit . In dieser Sphäre erscheint die Allgemeinheit auf diese Weise , daß man bey anderen wahrnimmt , diese haben diesen besonderen Genuß , und es erscheint als besonderes Bedürfniß . Da die Bedürfnisse im Felde der Natürlichkeit der Zufälligkeit sind , so tritt dadurch die Verschiedenheit der Bedürfnisse ein . Der Widerspruch ist Grundlage des Triebes . Es ist vorhanden das Bewustseyn der Idendität mit dem anderen , und zu gleicher Zeit das der Ungleichheit . Es tritt der Trieb der Nachahmung ein , und das Zutrauen daß das , was der andere hat , auch uns angenehm seyn | müsse . Die Erziehung der Kinder beruht auf diesem Triebe , die Erwachsenen machen es so , und wir wollen es auch so machen . Es ist der Trieb der Nachahmung und sich die Vorstellung zu geben , daß der andere nichts voraushabe . Dahin gehört die Mode , und nach dieser sich zu richten ist das vernünftigste , aber die Sorge für die neuen Moden kann man anderen

18 a n e r k a n n t ] a n -/erkannt   21 erscheint] scheint sich  

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­ berlassen , man soll nicht vorangehen , aber auch die Besonderheit vermeiü den . Die Wiederholung eines Genusses bringt eine Gewohnheit und ein sich selbst gegebenes Bedürfniß hervor , so mit dem Tabackrauchen . Man macht sich gelten dadurch mit anderen gleich zu seyn[.]

§ . 96 . Die andere hieran sich ebenso knüpfende Seite ist die entgegengesetzte , nämlich diese Gleichheit aufzuheben , sich als b e s ond e r e s einen Werth zu geben , der Wetteifer sich auszuzeichnen , zugleich aber auch auf eine allgemeingültige Weise , wenn es auch nur eine angenehme ist . Eben so ist es ein Trieb , wenn man mit dem anderen gleichsteht , sich als ein besonderes einen Werth zu geben , aber diese Sucht ein besonderes zu seyn führt zu den größten Abgeschmacktheiten , denn das alberne ist immer ein besonderes . Aber alles besondere muß ein angenehmes haben . Dieser Trieb sich als besonderes darzustellen , ist auch im Überflusse , und dies ist ein Moment der Bildung , daß die Besonderheit | in der Besonderheit sich aufhebt . Die Aufopferung der Eitelkeit ist zu gleich eine Befriedigung der Eitelkeit , so mit den Complimenten , und der Bildung der gesellschaftlichen Unterhaltung . Diese Urbanität besteht darin sich interessant durch seine Vorstellungen zu machen und das Gelten der Gedanken des anderen zu respectiren . In der Höflichkeit wird die Eitelkeit in der Aufopferung befriedigt . Auch in der Besonderung muß noch die Allgemeinheit hereinscheinen .

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§ . 97 . Die M it t e l der Befriedigung sind specifische äußerliche Dinge , die Nüt z l ich k e i t der Natur  ; unter ihnen ist , insoferne das Bedürfniß schon vorhanden ist , eine große Wahl  ; umgekehrt geht auch von ihrer Besonderheit die Specification der Genüsse und der Bedürfnisse aus , sowie , dann der Trieb der Nach­ ahmung und der Auszeichnung wieder von den Mitteln aus zur Vervielfältigung der Bedürfnisse führt . Die Mittel sind natürliche Dinge , und die besonderen Qualitäten in der Natur bey jedem Dinge sind wesentlich . Die natürliche Dinge sind nützlich , insoferne der Mensch sich als Zweck setzt , und die natürlichen Dinge ihm 30 sind1] ist  

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dienen als Mittel . Die unorganische Natur ist deßwegen die unlebendige , weil der BegriV nur ein innerliches ist . Im eigentlich lebendigen ist jedes Glied zur Selbstständigkeit | nothwendig . Das Wesen der natürlichen Dinge ist zu Grunde zu gehen , und der Mensch soll diese Endlichkeit der Dinge zur Manifestation bringen  ; der Mensch darf sich also kein Gewissen daraus ­machen die Naturdinge zu benutzen . Der Mensch sucht die ganze Erde durch , um für seine Bedürfnisse das passendste Mittel zu finden , auch für den geringsten Zweck . Die Specification der natürlichen Dinge ist auch wieder ein erstes , und nach dieser Specification bestimmt sich wiederum der Genuß . Es ist wieder zufällig , daß der eine mit der besonderen Anwendung der Naturdinge des anderen bekannt wird . (Philosophie über die Eigenschaften des KaVee) . Hier kommt die Nachahmung und der Trieb zum besonderen Gebrauche . Der Zweck ist hier nicht die Befriedigung darzustellen , sondern die Mittel die man zu gebrauchen weiß .

§ . 98 .

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Diese Vervielfältigung hat keine Grenze , sowie keine darin ist , was n a t ü r l iche s und was auf der Vorstellung beruhendes e i n g e bi ld e t e s Bedürfniß ist . Die Richtung des gesellschaftlichen Zustandes auf solche unbestimmte Vervielfältigung und Specificirung der Bedürfnisse und Genüsse sowie der Mittel , d e r L u x u s ertheilt eine ebenso unendliche Vervielfältigung der Noth , welche zugleich mit einer undurchdringlichen unendlichen Widerstand leistenden | Materie zu thun hat , nämlich mit einer Natur als Mittel , welche im Besitze des freyen Willens ist . Indem diese Noth aber und ihre Befriedigung eine solche Vermittlung hat , ist sie überhaupt der unmittelbaren Naturnothwendigkeit entnommen , in das Reich der Vorstellungen erhoben , und Sache der inneren Willkühr statt äußerlicher Nothwendigkeit und Zufälligkeit , ein System eines allgemeinen ­bleibenden Ve r mö g e n s  , an welchem jeder das Recht und die Möglichkeit , nämlich durch seine subjective Geschicklichkeit und Bildung , durch das zu was er sich an ihm selbst macht , als an einem Vermögen Theil zu nehmen hat . Hier ist von der eigenthümlichen Gestalt der Noth in dieser Sphäre die Rede . Bedürfnisse und Mittel sind ein äußerliches ein natürliches , daher nimmt das getheilte wieder die Natur der Äußerlichkeit an , und ist so wieder theilbar . Wein zu trinken ist ein einfaches Bedürfniß , aber die Kenntniß die die Weinländer vom Weine haben ist ausnehmend ausgedehnt . Das

35 5 bringen] zu bringen   7 auch] auf  

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ein­gebildete Bedürfniß hat seinen Ursprung in dem natürlichen Bedürf­ nisse , aber der Geist hat das Bedürfniß über die Natur hinauszugehen . Diese Richtung auf diese Unendlichkeit der Bedürfnisse ist der Luxus . Über diese Vervielfältigung der Bedürfnisse schmähen die Satyriker der Römer , wo manchmal hunderte für ein augenblickliches Bedürfniß zu befriedigen thätig werden müssen , und daß eben dadurch diese hunderte wieder ihre Bedürf­ nisse befriedigen . Auf diesem Überflusse der Mittel und des Genusses , ist das ganze System der Subsistenz des ganzen gegegründet . | Wo der Luxus weniger groß ist , fehlt es mehr an Formen der Allgemeinheit und Bildung , und an Möglichkeit der Subsistenz für viele  ; Die Noth des Bedürfnisses hängt nicht allein von der Willkühr des einzelnen ab sie zu entfernen , sondern er hat es mit einer Materie zu thun die im Eigen­thume eines anderen ist . Die Noth hört aber auch so auf eine Noth der unmittelbaren Nothwendigkeit zu seyn und ist Noth in Vorstellungen auf Willkühr gegründet . So gilt im Reiche der Vorstellungen in der Sprache der Nahme für die Sache , man gebraucht nur noch die Nahmen der Dinge , so mit den Mitteln der Bedürfnisse , die in dem Systeme von Mitteln dem Reiche der Willkühr angehören . Der Mensch hat es also hier mit der Willkühr der andern zu thun . Dadurch ist die Natürlichkeit der Mittel aufgehoben , und die Natur wird dauernd , ein allgemeines Vermögen ist hier vorhanden , es ist nicht die Natur in ihrer Abwechselung , sondern ein von ihr unabhängig gemachter Reichthum der Gesellschaft , der immer fortdauert . Die Theilnahme an diesem Reichthume ist aber nicht wie in der Natur bloß von dem Bemächtigen abhängig , sondern von seiner Bildung , ie , seinem Vermögen durch Geschicklichkeit sich seine Bedürfnisse zu befriedigen . Dadurch ist der Mensch an sich selbst gewießen , sich selbst zu formiren , sich Geschicklichkeit zu geben . Die Möglichkeit aber sich diese Bildung zu geben erfodert wieder ein Capital , welches zu haben | wieder ein zufälliges ist , welche Zufälligkeit durch den Staat aber aufgehoben werden muß .

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Unmittelbar ist die Vervielfältigung der Noth die ebenso vervielfältigte Er­ regung unendlich manigfaltiger und angestrengterer Thätigkeit , welche theils im theoretischen die Schnelligkeit der Vorstellungen , das Fassen verwickelter und allgemeiner Beziehungen , die Bildung des Verstandes und der Sprache , theils aber ein Bedürfniß von Beschäftigung , und zwar als ein Arbeiten in sich schließt , das

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10 viele  ;] folgt gestr  : weil die Schätze aufgehoben wurden  

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den Bedürfnissen der anderen angemessen und von einer gebildeten allgemeinen Form seyn muß . Alle Thätigkeit hat ihren Grund in irgend einer Noth , die Thätigkeit ist ein Widerspruch von einer Foderung gegen das Daseyn des Geistes , dieser Widerspruch ist das Gefühl des Bedürfnisses . Der Gebildete läßt sich dadurch erkennen , daß er in kurzer Zeit eine unendliche Reihe von Vorstellungen hat , und schnell von einer Vorstellung zur andern übergeht  ; daher werden beym Gebildeteren die Vorstellungen allgemeiner , während der Ungebildete in der Einzelnheit der Vorstellung stehen bleibt . Ein Geschäftsmann ein ­Minister muß augenblicklich von dem wichtigsten zum geringsten Gegenstande übergehen können . Der Contrast ist ungeheuer zwischen der Schnelligkeit mit der ein Minister und mit der ein Hirte zu einem anderen | Gedanken übergeht . Das Übergehen von einem zum anderen macht das ­einzelne zu einem Momente , und das allgemeine der Sache tritt hervor . Das höhere Alter das schon mit den Gegenständen bekannt ist , sieht das Allgemeine und hält sich an demselben , und vergißt die Einzelnheiten der sinnlichen Erscheinungen , die kein besonderes Interesse mehr für es haben  ; das kindliche Alter findet aber das einzelne auffallender und behält es besser im Gedächtniß . Das Wort Beyspiel enthält das , daß das allgemeine das wesentliche sey , und die einzelne Handlung etc . nur Nebensache . Die Menschen leben im Reiche der Vorstellungen , der Ton in der Sprache gilt als Sache , nicht als Ton . Wort hat Daseyn , aber nur Daseyn durch das Vorstellen und für das Vorstellen . Die Sprache überhaupt ist das System , wie die Dinge im Reiche der Vorstellungen sind , und sie gewinnt an Allgemeinheit , weil ihr Ausdruck für sinnliche Gegenstände zurücktritt . Der wahre Reichthum einer Sprache ist der Reichthum nicht für sinnliche Erscheinungen in ihrer Besonderheit , sondern für allgemeine Verhältnisse und Bestimmungen der Verhältnisse . Durch die Noth entsteht die Nothwendigkeit der Beschäftigung , und die Thätigkeit wird vermanichfaltigt , und die Unruhe immer etwas zu thun zu haben wird selbst Bedürfniß . Der Wilde hingegen bleibt immer auf der faulen Haut , und nur Zwang bringt ihn zur Thätigkeit . Die Unruhe ist ein beständiges Übergehen . Diese Thätigkeit im Staate ist nun ein Arbeiten , welches sich | auf die Bedürfnisse der anderen bezieht , und die eigene Unbestimmtheit Einbildung und Meinung muß aufgegeben werden , und es muß nach einem bestimmten Zwecke hingearbeitet werden , für ein Bedürfniß . Darum ist nun das Arbeiten nach bestimmtem Zwecke so gut zur Erziehung des Menschen , indem er da seine Subjectivität auf­geben muß  . 9 Ein] Einem  

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§ . 100 . Die Zufälligkeit des Überflusses des einen an einem Mittel führt für sich den Ta u s ch gegen Mittel herbey , welche der andere im Überflusse hat . Aber die Vervielfältigung der Bedürfnisse erfodert die Bereitung specifischer Mittel ihrer Befriedigung , und die Vernünftigkeit drückt sich hierin dadurch aus , daß die Benutzung der natürlichen Dinge nicht mehr unmittelbare Bemächtigung und Genuß derselben ist , sondern theils schon durch A r b e it vo r he r b e r e it e t wird , theils daß diese sich durch We r k z e u g e vermittelt , wodurch das Individuum seine Thätigkeit specificirt , und zugleich sich gegen das mechanische Verhältniß der Abnutzung bewahrt . Die Noth bringt überhaupt die Thätigkeit hervor . Der Tausch beruht ­a llerdings auf die Zufälligkeit des Überflusses den einer an einem Gegenstande hat  ; aber es wird hier Zweck einen solchen | Überfluß herbeyzu­ bringen , und zu diesem Zwecke wird die Bereitung specifischer Mittel erfodert . In unserer Lebensart gibt es höchst wenige Mittel die gerade von der Natur genommen gebraucht werden  ; die meisten , selbst die zu Natur­be­ dürf­n is­sen , die die Thiere mit uns haben , wie Speise , gebraucht der Mensch selten anderst als schon geformt , er hat ihnen schon seine Form gegeben , ihnen die Fremdheit schon genommen  ; durch Vermischung mit anderen Naturproducten , die ihnen entgegengesetzt sind . So wird bey der Bereitung der Speisen zu Gemüßern Fett aus dem Animalismus genommen , aber zugleich müssen die zusammengefügten Speisen homogen seyn . So macht der Mensch die Natur sich selbst homogen , er assimilirt sie sich , und man kann dies nicht Verweichlichung nennen , daß er die thierische Funktion , z . B . der Verdauung , vermindert . Der Character der Vernünftigkeit im Menschen zeigt sich in den Mitteln Werkzeugen die er gebraucht . Durch diese Werkzeuge wird die Thätigkeit weiter specificirt . Durch das Werkzeug schiebt der Mensch zwischen sich und die Natur ein Mittel , und verhindert das Auf­ reiben seiner Kräfte dadurch daß er das Mittel dem Abnutzen Preiß gibt , und sich so selbst erhält . Das Vernünftige ist überhaupt das sich erhaltende sich der Veränderung entnehmende . Die Vernunft hat diese Vermittlung durch Werkzeuge erfunden , und die Selbsterhaltung macht dies dem Menschen zur Pflicht . |

18–19 ihnen schon … ihnen] ihm schon … ihm  

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Die Bereitung specifischer Mittel erfodert ferner eine besondere Geschicklichkeit und Gewohnheit , auf deren eine das Individuum sich beschränken muß  ; es tritt damit die T he i lu n g d e r A r b e it e n ein , die dadurch an Concretion verlieren , abstract und einfach und leichter werden , so daß in derselben Zeit eine viel größere Quantität von Producten bereitet werden kann  ; wenn sie ihre letzte Abstraction erlangt haben , werden sie durch ihre Einfachheit mechanisch , und der Mensch kann eine Maschine an seine Stelle treten lassen , wo er ein Princip natürlicher Bewegung statt seiner thätig seyn läßt  ; es zu Gleichförmigkeit und für seine Zwecke regulirt . Hierauf beruhen alle Fabrick und Manufacturarbeiten , jede einzelne ­Manipulation wird einem einzelnen Individuum zugetheilt . In einer geringeren Fabrick von 10 Personen machen diese des Tags 4800 Stecknadeln , und ein einzelner kann höchstens wenn er alles allein macht 20 Stecknadeln machen . Der Subjective Wechsel von Vorstellungen und in der Arbeit , dieser Übergang bedarf eine gewisse Zeit , und mehr Zeit , als wenn das einzelne Subject immer die nehmliche Manipulation wieder vornimmt . Und so wird die Arbeit abstract , einförmig , und wird so leichter , indem die Übung nur eine ist nur eine Kenntniß , die das einzelne Subject übt , und so kann es mehr | Fertigkeit in diesem einzelnen Manipuliren bekommen . Jeder Handwerker bringt nun ein concreteres Werk hervor , er muß oft übergehen , und seine Kenntniß muß vielfach seyn und sich über vielerley Gegenstände erstrecken . Darin beruht es , daß die Fabrickarbeiter stumpf werden , und an ihre Fabrick gebunden , und von ihr abhängig sind , indem sie sonsten nirgend mit dieser einzelnen Geschicklichkeit durchkommen . Und es ist ein trauriges Bild der Abstumpfung der Menschen in einer Fabrick  ; daher verthun und vergeuden sie des Sontags auch wieder schnell ihren ganzen Wochenlohn . Wenn sich aber die Fabrickarbeit so vervollkommnet so vereinfacht ist , so kann statt des maschinenmäßigen Arbeitens der Menschen die Maschine arbeiten , und dieses ist der gewöhnliche Übergang in den Fabricken . Und so wird der Mensch durch die Vollendung dieses maschinenmäßigen Fortganges wiederum frey . Eine Fabrick gedeiht vornehmlich in einem Lande , wo die Menschen in großem Elende sind , und sich mit wenigem begnügen müssen  ; aber in England sind die Arbeiter ungeheuer theuer , und dem-

35 3 eine] einem   27 des] den  

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ungeachtet gedeihen so die Fabricken , da die Maschinerie die Arbeit von Menschen entbehren macht  ; und so können die Engländer wohlfeiler Waare liefern als andere Völker , bey denen die Arbeiter viel wohlfeiler sind . Auch mechanische Werkzeuge , die von Menschen gebraucht werden | sind Maschinen , indem sie nicht alle Thätigkeit des Menschen erfodern , sondern die Mechanik viel Kraft ersetzt . Aber bey aller maschinenmäßigen Bewegung ist die Gleichförmigkeit nicht fortdauernd , eine Uhrfeder ist anfangs immer stärker gespannt als später , und der Mensch muß die Gleichförmigkeit der Bewegung hineinlegen . Der Mensch wird also zuerst aufgeopfert , und geht dann durch den höheren Grad der Maschienerie wieder frey hervor .

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§ . 102 . Die Zufälligkeit aus Zufälligkeit der äußeren Natur in die Form der Willkühr verwandelt erhält eine unendlich vergrößerte Ausdehnung durch die Ungleichheit der natürlichen körperlichen und geistichen Anlagen , und die unendlich vielfachen Verwicklungen der Umstände , wodurch überhaupt die unbestimmte Un g le ich h e i t d e s Ve r mö g e n s begründet ist . Die wesentliche Ungleichheit aber , welche auf diesem Systeme der Bedürfnisse und Mittel beruht , macht den Un t e r s ch ie d d e r S t ä nd e aus , der besonderen im allgemeinen Systeme der Bedürfnisse enthaltenen Systeme derselben , der Art ihrer Mittel und Arbeit . Statt der Abhängigkeit des Menschen von der äußeren Natur tritt nun die subjective Zufälligkeit | ein  ; das ganze ist über die unmittelbare Natur­ abhängigkeit erhoben , aber es tritt die subjective Zufälligkeit , die Willkühr des Menschen ein , in Ansehung seiner geistichen und körperlichen Anlagen , und diese Zufälligkeit ist unendlich größer als die der Natur . Die Theilnahme und die Mitwürkung des einzelnen an und zu dem Gesammtvermögen hängt von seinen Anlagen ab . Jedes Individuum hat darin ein besonderes Schicksal zu welchem Stande es kommt , welches theils von seinen Anlagen , theils von Neigung und Zufälligkeiten abhängt . Der Mensch hat wenig Wahl in Rücksicht auf das , zu was er sich bestimmen will , auch die Gelegen­ heiten Geschicklichkeiten zu erwerben sind auch nicht viele , und die besondern Reitze zu gewissen Fächern sind auch nicht groß , aber um so größer ist die Zufälligkeit . Dies begründet nun die subjective Un g le ich h e i t d e s ­Ve r mö g e n s  , deren Gegentheil eine fahde Chimäre ist  ; Denn das ganze System beruht auf der Subjectivität der Anlagen und den Zufälligkeiten , die die subjectiven Anlagen auch wieder haben . Der bestimmtere Unterschied ist der Unt e r s ch ie d d e r S t ä nd e . Der Staat muß das Moment der Un-

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gleichheit respectiren , weil es ein Moment der Willkühr in der Zufälligkeit und der Freyheit des Individuums ist . Ein allgemeines muß freilich sich bemühen , die | Folgen , die daraus entstehen könnten , wenn sie schädlich sind , abzuwenden . Das ganze muß sich gliedern , und diese Gliederung in Rücksicht der Art und Vielheit der Bedürfnisse , der Arbeiten , ist die Noth­ wendig­keit der Stände , deren höhere Nothwendigkeit in der Vernunft darin begründet ist , daß jedes lebendige in sich ungleich werden muß . Das Mitleiden , daß der eine Mensch mehr leiden müsse seiner Bedürfnisse wegen als der andere ist eine fahde Empfindung .

§ . 103 . Diese Stände bestimmen sich nach dem BegriVe als der substantielle formelle und allgemeine Stand . 1)  Der unmittelbare Stand befriedigt seine Bedürfnisse aus einem Ver­mögen als einem G ut e – der ackerbauende Stand . Der Ackerbau beschränkt das schweifende im schweifenden seine Subsistenz suchende Leben des Wilden zur Ruhe an den Boden , und beschränkt ebenso die Zufälligkeit des äußeren Wechsels auf den gesetzmäßigen Gang der elementarischen Natur , sowie die AnschaVung der Mittel auf eine bestimmte einzelne Epoche , welche ebendamit die Vorsorge , dies momentane dauerend zu machen , und das Bedürfniß aufruft , ein Eigen­thum durch das Anerkennen zu besitzen . Die Form , welche das Arbeiten hervorbringt bestimmt | einerseits das lebendige Produciren der Natur , und hat anderer Seits nicht Werth für sich , sondern ist nur Mittel , und die gesammelten Natur­producte haben den Hauptzweck einer weiter unvermittelten Subsistenz . Bey dem ackerbauenden Stande ist die Sphäre die wir in der Familie betrachtet haben hereingezogen . Die Epoche des entstehenden Ackerbaus ist bey allen Völkern in ihrer Geschichte und ihrer Religion eine ­Haupt­epoche  , so entstanden die Geheimnisse der Ceres . Die Reflection aus der Weite der Zufälligkeit zieht der Wilde zurück , und richtet sie auf das vor ihm liegende auf den Boden . Die Jagd enthält dieses Herumschweifen , wo die Mittel die Bedürfnisse zu befriedigen von der Zufälligkeit etwas zu bekommen zu finden abhängen , so bey der Fischerey . Beym Ackerbau hört das schweifende Leben auf , wo ungeheuere Noth und momentaner Überfluß , den er nicht für die Zukunft aufbewahren kann , abwechseln . Beym Ackerbau ist 13–23 1)  Der unmittelbare … Subsistenz .] im Ms versehentlich wie Anmerkungstext eingerückt   14

35 G u t e –] G u t e    29 die2 ] das   31 abhängen] abhängt  

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f­reilich auch das elementarische der Natur , aber nicht mehr der Natur in ihrer Zufälligkeit , sondern der sich nothwendig verändernden Natur , die immer wieder­kehren muß . Auch in der Zeit kann er nur in einer Jahreszeit die Mittel der Subsistenz sich verschaVen , und so tritt die Vorsorge für die anderen Zeiten des Jahres hervor , und es tritt bey dem Ackerbauer Gegenwart und Zukunft ein . Das Bedürfniß des Eigen­thums tritt ein . Denn das Eigen­thum enthält das Moment der Freyheit und des allgemeinen , ie , eines das von allen respectirt | werden soll , und das ideelle Besitznehmen , das Formiren des Ackers bezeichnet meinen Besitz , und diese Form muß respectirt werden . Ceres und Triptolemos haben nicht nur den Ackerbau gestiftet , sondern auch das gesetzmäßige Eigen­thum begründet . Der Acker ist ein bleibender dauernder Besitz , besonders insofern als die innere Allgemeinheit ein Daseyn haben muß , das Recht muß gewußt respectirt werden . Der Bauer hat nicht die Form zur Hauptsache , daß der Acker bebaut , das Thier gefüttert werden muß , sondern dies geschieht nur um das eigene Leben der Natur zu vermehren zu erleichtern . Es sind Gaben der Natur die dem Landmanne seine Existenz sichern , das lebendige verhält sich hier zum lebendigen , nicht zur eigenen Erfindung des Menschen , er verdankt sich nicht selbst alles , sondern er schaut die Lebendigkeit überhaupt an , daher ist es mehr der Stand der Unschuld des Glaubens , das Gemüth hat noch nicht das Bewustseyn der Schuld , daß was es habe das seinige sey . Auch ist nur eine geringe Vermittlung die in das System der Befriedigung der Bedürfnisse eintritt . Die Familie selbst bereitet die Handwerkszeuge die Kleidung etc . Die Subsistenz hängt nicht von der Arbeit aller andern und dem Bedürfniß aller anderen ab .

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§ . 104 . 2) Bey dem G e we r b e , dem Stande der Reflection ist die Form , und ein abstracter , ie , nicht unmittelbar zur | Befriedigung dienender Gewinn das Hauptmoment . Der G e we r b s m a n n bearbeitet rohes Material , und die Form , die er ihm gibt ist das , wodurch die Sache Werth erhält . Er ist daher an seiner Reflection so wie in Rücksicht seiner Bedürfnisse des Tausches seiner Arbeiten , so wie auch seiner Werkzeuge durchaus auf die Vermittlung mit anderen gewießen . Die abstractere Classe der F a b r i k a n t e n hat es sowohl mit einem todten StoVe als

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1 Natur1] Natur an   4 verschaVen] verschassen   7 Freyheit] Freyht ein ,   24 etc .] etc . Das 35 Selbstbewustseyn der einzelnht de (Text bricht vor dem Ende der Zeile ab)  

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mit einer mechanischen Form zu thun , und je vollkommener , ie , je beschränkter die Geschicklichkeit ist , desto mehr hängt der Werth ihrer Production von der Zufälligkeit des weiteren Vervollkommnens der Geschicklichkeit anderer und von anderen äußeren Umständen ab . Das Geld , der abstracte Werth der Waare wird für den allgemeinen Tausch Bedürfniß , und vervielfältigt durch seine Circulation auf unbestimmte Weise das Vermögen . Der H a nd e l s s t a nd , dessen Geschäft die allgemeine Vermittlung als Tausch der bereiteten Mittel gegen einander ist häuft Reichthümer auf , der Reichthum hat keine qualitative Grenze in sich  ; die Sucht desselben geht daher in’s unbestimmte , und veranlaßt seiner seits wieder die Vervielfältigung der Bedürfnisse und Mittel . Der Fabrikantenstand enthält die Abstraction des Arbeitens , und der 3te Stand enthält wieder die | Allgemeinheit , und hier entsteht der Reichthum . Beym Gewerbe macht die Form , die eigene Geschicklichkeit die Haupt­ sache , aber diese Form bringt nicht die Natur , sondern er selbst hervor . Beym Gewerbsstand werden nicht die Mittel bereitet , die zu den Bedürf­ nissen des bereitenden dienen , sondern sein Zweck ist ein allgemeiner Gewinn wovon er seine Bedürfnisse sich anschaVen kann . Bey uns ist nun der Ackerbauende Stand auch zum Gewerbsstand hinübergetreten , indem die Hauptsache nicht die Erhaltung der Befriedigung des bauenden ist , sondern er sieht auf das , was vornehmlich Gewinn bringt , um sich die Producte anderer dafür einzutauschen  ; also solche Bauartikel wozu man am wenigsten Menschen braucht , denn die Menschen in seinen Diensten sieht er nicht mehr als zu seiner Familie gehörig an . Die Form ist in dem Gewerbstande die Hauptsache , welche durch die Thätigkeit des Werkers hervorgebracht wird , nicht das rohe Material  ; er hat also sich selbst alles zu verdanken , seiner eigenen Thätigkeit . Es ist dies der Stand der Reflection des Erkennens seiner selbst und seiner Thätigkeit . Er verfertigt nur Mittel um die Mittel zu der Befriedigung seiner Bedürfnisse zu erhalten  ; dieser Stand , das Individuum hat das Selbstgefühl , daß seine eigene Thätigkeit es ist wodurch er subsistirt , es ist das Moment , nicht abhängig von der äußeren Natur zu seyn , aber die Seite seiner Abhängigkeit ist diese , daß | er das rohe Material von anderen erhalten muß , und seine Werkzeuge , die ihm andere fabriciren , und die Bedürfnissse der anderen machen den Absatz seiner Werke möglich , und in soferne ist er abhängig . Aber erst das , daß der eine Überfluß an dem einen Dinge hat , und der andere an einem anderen , macht den Tausch , und dieser erfodert das Zusammenwohnen der Menschen  ; daher ist in der Stadt wesentlich das Gewerbe zu hause . In großen Städten sind einerseits die Bedürf­ 31 das] daß  

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nisse theuerer , aber manche nicht unmittelbare vermittelten ­Bedürfnisse , wie Werkzeuge sind hier wohlfeiler zu haben . Der Gewerbsmann sorgt zwar für das einzelne Bedürfniß  ; aber in seiner Werkstätte ist noch nicht die Abstraction vorhanden , wie bey dem F a b r i k a n t e n  , bey dem das mecha­ nische mehr eintritt , der wesentliche Zweck ist nämlich die Arbeit zu vereinfachen . Je mechanischer nun die Fabrikarbeiten sind , um so mehr sind die Leute von der Fabrick abhängig , und um deren Subsistenz zu sichern tritt die Polizey ein und gibt Privilegien , und beschränkt die Zahl der Arbeiter , es entstehen Zünfte , damit die zu große Concurrenz gemindert wird . Aber von selbst leiden bey Überbesetzung der Handwerker in einer Stadt die einzelnen , und das Zudrängen der einzelnen hebt sich von selbst auf . Bey den Fabriken ist der Fall anderst , indem ihre Arbeit abstract ist , und sie für ihre große Menge Producte einen größeren Markt brauchen , | so muß er einen weiteren Kreis für die Absetzung seiner Producte suchen . Der Gewerbs­ mann aber arbeitet nur für einen bestimmten Kreis . Hier beym Fabrikanten ist mehr Zufälligkeit vorhanden , daß andere Fabriken sich auf­thuen , die bessere Maschinen erfinden , wohlfeilere Arbeiter , leichtere Erlangung der Materialien haben , und so kommen die Fabriken herunter , wenn in der Gegend , wo sie ihren Absatz haben , sich gleichfalls Fabriken auf­thun . So haben die Engländer die niederländischen Fabriken meistens gestürtzt . Da nun der Fabrickarbeiter der immer eine einzige abstracte Arbeit hat sehr schwer zu einer anderen Arbeit übergehen kann , und durch Moden , und alle die oben angeführten Zufälligkeiten die Fabriken leicht gestürtzt werden , so tritt leicht dann Elend ein . Der H a nd e l tritt nun als Mittel ein , das Geld wird als allgemeines Mittel des Tausches der Bedürfnisse nöthig , (bey dem Bauernstand kann mehr Bedürfniß gegen Bedürfniß vertauscht werden , und der Tausch ist bey ihm gering) . Das viele Geld in einem Lande ist nicht allein der Maasstab des Reichthums des Landes , denn in diesem Lande ist das Geld wohlfeil , ie , die Waaren sind theuer , wo das Geld aber selten ist , ist es theuer , und die Waaren sind wohlfeil . Die Circulation ist wesentliche Sache beym Gelde . Wo wenig Geld im Lande ist , wird der Tausch erschwert . Wo die Circulation des Geldes am größten ist , da ist | der Reichthum am größten , je mehr das Geld circulirt , um so schneller ist die selbe Summe Geldes ein Mittel für einen jeden , durch dessen Hand es geht , und bey jedem dieser ist die Möglichkeit vorhanden durch dieses nehmliche Geld zu gewinnen . Wenn das Metallgeld fehlt so ersetzt das Papiergeld die zu geringe Quantität des Tauschmittels , die Waare setzt sich in Verhältniß mit 9 gemindert] gesichert   10 Überbesetzung ] Übersetzung   37 die] aber die  

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dem Papiergelde , aber die Circulation wird erleichtert , der Reichthum der Nation wird nicht durch die Vermehrung des Geldes gehoben , sondern nur die Circulation wird gehoben . So wurde Frankreich durch das Papiergeld in früheren Zeiten sehr an Reichthum gehoben . Es ist freilich besser wenn Metallgeld da ist , aber auch das Papiergeld ist insofern nicht als Unglück des Landes anzusehen , sondern trägt zur Vermehrung der Circulation bey . Der H a nd e l s s t a nd macht im Gewerbsstande den allgemeinen Stand aus , sein Geschäft ist die Vermittlung der bereiteten Mittel gegen andere Mittel , den Überfluß des einen , er sey nun an Kunst oder Naturproducten , gegen den Überfluß des anderen auszutauschen . Der Gewinn ist die Hauptsache . Der Handelsstand hat es mit den Mitteln als allgemeinen Mitteln zu thun , er hat mit dem allgemeinen Mittel dem Gelde zu thun , und in sofern dehnt sich seine Würksamkeit in’s | allgemeine aus . Und der große Handelsmann , der es mit dem Allgemeinen der Bedürfnisse der Nationen zu thun hat , der die Charte vor sich liegen hat , hat einen großen Stand . Der Reichthum der Gewinn wird zur unbestimmten Sucht , nicht bloß soweit , um sein Bedürfniß zu befriedigen , und die Beziehung auf das einzelne Bedürfniß ist mehr oder weniger allgemein . Bey Rebublicken ist die ungemessene Vergrößerung des Reichthums gefährlich , und daher haben Gesetzgeber diesem entgegenzuwürken gesucht  ; so mußte der reichste in einem ∆ηµος die Schauspiele erhalten , so ward dem Reichthum Ehre , aber er mußte sich vermindern , oder die Anhäufung mußte sich beschränken  ; dagegen waren auch die Gesetze über die Erbschaften . Der Handel sucht aber neue Bedürfnisse der Völker zu erwecken , und daher machen die Engländer z . B . in China so große Präsente von wollenem Tuch , um das Bedürfniß ihnen zu geben und so einen neuen Markt für den Absatz der Waaren zu gewinnen .

§ . 105 .

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3) Der a l l g e m e i ne S t a nd überhaupt hat das allgemeine des gesellschaft­l i­ chen Zustandes selbst zum Zwecke seiner Arbeit  ; ebendeßwegen muß das allgemeine selbst in Rücksicht auf die Bedürfnisse für ihn sorgen , und er überhaupt über die | Noth und die directe Arbeit für dieselbe erhoben seyn . Der allgemeine Stand gehört zum Wesen der Organisation des Staates , er hat sein eigentliches Daseyn in der Verfassung des Volkes . Er hat das allgemeine als solches zum Zwecke , nemlich daß Recht geschehe und Sicherheit sey . In allen anderen Ständen ist der Zweck eines jeden , für sich zu sorgen , dieser Stand aber muß der Noth entnommen seyn , das allgemeine muß für

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ihn sorgen . Die Sorge für seine Bedürfnisse muß der Staat übernehmen . Jeder einzelne kann auch besondere Zwecke haben , als Besoldung etc .  ; dies ist aber nicht wesentlicher Zweck , sondern muß nur als Mittel zur Erreichung des allgemeinen Zweckes angesehen werden . Damit dieser Zweck reiner Zweck seiner Arbeit sey , muß er nicht um der Noth willen arbeiten müssen  ; durch sein Amt muß er von der Seite des Bedürfnisses unabhängig seyn . Das Verhältniß muß so bestimmt seyn , daß er in Erfüllung seiner Amtspflichten nicht durch Rücksicht auf seine Bedürfnisse gebunden sey  ; dies muß durch Abgaben oder unabhängigen Güterbesitz geschehen , wie letzteres in älteren Staaten war , wo man manchen Angestellten Vermögen gab , damit ihnen die Unabhängigkeit gestattete , sich der Würksamkeit für das allgemeine zu überlassen . Zum allgemeinen Stande gehören auch die Lehrer , die sich zum allgemeinen besten auf die Wissenschaften legen . Es ist Ehre für einen Staat , wenn er zur Unterstützung des allgemeinen Standes , und in’s besondere zur Ausbildung der Wissenschaft den Individuen , die sich ihr lebenlang ausschließlich derselben widmen , gewisse Privilegien oder Vermögensunabhängigkeit gestattet . Stattdessen aber pflegte man in Deutschland dem Adel Privilegien zu geben , der zur Last seiner Paar Unter­ thanen sich den schändlichsten Leidenschaften überließ . |

§ . 106 . Dieser Unterschied der Stände , welcher im BegriVe der Sache liegt , muß auch nur ein solcher durch die Be­g riVs­bestim­mun­gen gesetzter seyn  ; also bey aller Zufälligkeit der Geburt und Natur , von der es abhängt , welchem Stande ein Individuum zuerst angehört , muß es seiner eigenen Thätigkeit anheimgestellt bleiben , welchem dieser Stände es aus sich angehörig seyn will  ; damit der subjectiven Zufälligkeit , der Willkühr und dem sich selbst bestimmenden Bewustseyn höhere Ehre und Macht eingeräumt sey , als der natürlichen Zufälligkeit . Es muß für das Individuum zufällig seyn , welchem Stande es angehöret , in dem es geboren ist  ; aber alles was ihn bey seiner Geburt umgibt sind Verhältnisse wodurch er unmittelbar seinem Stande angehören muß . Aber dieser begriV­noth­wendige Unterschied der Stände wurde z . B . von Ägyptern und Indiern für naturnothwendig angesehen , und so fixirt , und es entstanden die Kasten , und so ist die Freyheit dem Menschen genommen , sich über diese natürlichen Umstände zu erheben . Alle persönlichen Vorzüge können 16 derselben] denselben  

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die Scheidewand der Kasten nicht heben , und die subjective Zufälligkeit , und das Bewustseyn der Freyheit können nicht zur Ausführung kommen . Auch im römischen Staate sehen wir die schroVen Unterschiede zwischen Patricier und Plebejer , und daher der beständige Kampf im Inneren . Denn Vorrechte in Ansehung der Allgemeinen Arbeit bey einem Stande | sind sehr drückend . So hatte der Adel im Preußischen früher allein das Recht zu Offizierstellen . Dieser privilegirte Kastenunterschied , wo ein Stand mehr Theil an der allgemeinen Arbeit hat , ist einer der widrigsten . Große Güter­ besitzer hält man in England und Frankreich für einen wahren Nerv des Staates , weil diese unabhängig von Gunst des Fürsten und allem Gewinn seyn können , und dies ist ein wesentliches Verhältniß .

§ . 107 .

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In dem Stande erhält überhaupt die B e s ond e r h e i t des Menschen ihr Recht  ; die sittliche Gesinnung in diesem Systeme ist die Re cht s ch a f fe n h e i t und S t a nd e s e h r e , durch seine Thätigkeit Fleiß , Geschicklichkeit und Rechtlichkeit sich zum Gliede eines von solchen nothwendigen Momenten der bürgerlichen Gesellschaft gemacht zu haben , und durch diese Vermittlung mit dem Allgemeinen E t w a s und in seiner Vorstellung und der Vorstellung anderer a ne r k a n n t zu seyn . Die Moralität gehört ferner in diese Sphäre der eigenen Reflection auf sein Thun , wo auch die Zufälligkeit der Noth des einzelnen eine zufällige und einzelne Hülfe zur Pflicht macht . Jeder ist als concretes Individuum in besonderen äußerlichen Umständen . Aber außer seiner Besonderheit muß der Mensch auch Allgemeinheit zu seinem Zwecke haben . Die andere Seite aber ist die sittliche Gesinnung , die darin besteht , daß jeder einen Stand haben | muß , der Mensch muß sich zu einem Stande bilden , zu welchem er sich aber bilde , darauf haben die Zufälligkeiten Einfluß , es hängt von der Meinung ab die das Individuum von einem Stande hat , von Vermögensumständen etc . , den Eigenschaften die sich zu einem Stande qualificiren . Im Platonischen Staate nehmen die Vor­steher nach ihrem Urtheile die Kinder in den Stand , für welchen sie sich zu passen schienen und bilden sie dazu . Aber hier ist die subjective Will­kühr , Selbstbestimmung unterdrückt . Die Freyheit in der Besonderheit ist nämlich die Willkühr . Sich nun auf den gewählten Stand zu halten , und seine 2 können] kann   8 widrigsten] niedrigsten   15 S t a n d e s e h r e , durch] S t a n d e s e h r e . Durch  

35 25 daß] daß 1)   28 den] die  

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Pflichten für diesen Stand zu erfüllen ist die Recht­schaVen­heit . Jeder Stand ist nun aber ein allgemeines , und die Recht­schaVen­heit ist die Sittlichkeit in dieser Sphäre . Recht­schaVen­heit ist noch nicht Sittlichkeit , weil der Mensch noch höhere Zwecke haben muß . Daher kann die Recht­schaVen ­heit nicht für das Ziel angesehen werden , denn es muß noch über diese Sphäre hinaus Zwecke geben . Die Standesehre ist nun das Bewustseyn der Recht­schaVen­ heit , von seinem Stande dafür angesehen zu werden , und darin zu gelten . Der Mensch muß sich entschließen ein besonderes zu seyn , im Verhältniß des Standes , er muß sich selbst einen Stand geben . In dem der Mensch sich in der Beschränkung festhält gibt er sich das wesentliche Moment der Würklichkeit , ein nothwendiges Moment zu seiner Freyheit zu kommen . Die Recht­schaVen­heit ist dieses , sich einen Stand zu geben , und das recht zu seyn , was man in seinem Stande ist , und dieses recht seyn , ist die Erhebung in der Sphäre über die Sphäre , dies ist die Standesehre , daß das individuum | für das allgemeine ein nützliches Moment ist . Brauchbar nützlich wird von einem solchen gesagt , was für ein anderes ein Mittel ist , der Mensch kann daher , da er sein Zweck ist nicht Mittel , brauchbar , nützlich seyn  ; aber der Mensch ist in seiner Thätigkeit sowohl Selbstzweck , aber seine Thätigkeit verschlingt sich hier mit dem Zwecke aller anderen . Durch seine Besonderheit ist der Mensch auf das Daseyn aller anderen beschränkt , aber in dieser Besonderheit muß er sich selbst herausheben  ; in diesem Sinne fragt man , was ist dieser Mensch , ie , welchen Stand hat er , und der welcher keinen Stand hat ist nichts  ; aber durch dieses Daseyn muß der Mensch sich würklich machen , und in dieser Besonderheit sich selbst erhalten . Dies ist das sittliche dieses Standes . Das Daseyn der Moralität ist eigentlich diese Sphäre  ; hier muß der Mensch als moralischer seine Pflicht thun um der Pflicht willen , aber sie gibt nicht an , was Pflicht sey , die Bestimmtheit der Pflichten ist noch nicht in der Moralität . Die StuVe der Moralität tritt ein , wenn der Mensch ganz in sich zurückkehren will , der Stand ist der reelle Inhalt für die Pflicht , er gibt bestimmte Pflichten , die jeder kennen kann . Tugend enthält dieses , daß die Individualität sich durch ihre eigene Bestimmung einen Character gibt , Tugend enthält wesentlich dieses , daß er sich selbst den tugendhaften Zweck gegeben hat , in sofern es nun der Stand ist , der die Tugend erwürkt , ist die Tugend | keine zufällige mehr , keine von der Individualität gegebene , denn darin liegt blos seine Freyheit , daß er sich seinen Stand gegeben hat , aber dieser Stand schreibt die Pflichten für alle Personen dieses Standes vor , und nicht die Individualität als solche schreibt sie vor . Der wohlthätige hat die Absicht anderen zu helfen , und es hängt dieses von seiner Willkühr ab , aber in diesem Systeme der Vermittlung , ist der , welcher für sich sorgt , auch für

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andere sorgend , er handelt für sich , und sorgt für andere , eben das was sonst Sache der Willkühr ist , wird in der Sphäre der Vermittlung nothwendig , und dem Individuum kommt wenig von diesem Verdienste zu . Der welcher , sein Geld für seine Bedürfnisse ausgibt , gibt den andern sein Geld , macht ihnen aber zur Bedingung , ihre Pflicht zu thun , fleißig zu seyn , und er gibt ihnen ein richtigeres Gefühl ihrer selbst als der welcher sein Geld wegschenkt an die Armen , denn der Arme , welcher Almosen erhält , hat nicht das Gefühl seiner Selbstständigkeit . Dies ist der nothwendige Zusammenhang dieser Vermittlung , daß , der welcher für sich sorgt , auch für die anderen sorgt . Aber es kann dennoch etwas zufälliges hier eintreten , daß für andere nicht gesorgt ist , die Noth , im allgemeinen muß der Staat der allgemeinen Noth durch Anstalten vorbeugen  ; aber es kann auch eine subjective Noth ein­ treten , wo der Gesinnung geholfen | werden soll durch Rath und That  ; aber besser ist es wenn auch für die einzelne Noth der Staat sorgt . Gewöhnlich wollen zwar die Menschen lieber ihre Willkühr im helfen in der Noth anderer haben , als den Staat durch allgemeine Verordnung helfen zu lassen , und es tritt doch der freye Wille auch hier ein , wenn der einzelne dieses Sorgen des Staates für ein vernünftiges ansieht , und so kann er dieser Verordnung nützend , wohlthätig seyn . Das subjective Helfen muß soviel möglich vermindert werden , weil subjectiv helfend man statt zu nützen schaden kann .

§ . 108 .

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In der Allgemeinheit der Bildung , wodurch der einzelne seine unmittelbare Subjectivität hinwegarbeitet , und aus der Vermittlung des allgemeinen Tausches der Arbeit und der Mittel w i r d und g e ht er sich als freye Willkühr Subjectivität des Willens , die aber in sich allgemeine ist , für sich selbst hervor  ; es kommt das fo r m e l le R e c h t zur Vorstellung , so wesentlich es in den Zweck der Bedürfnisse verflochten ist und darin seinen wesentlichen Inhalt hat , eben so muß es als dessen Substanz eine von ihm freye Existenz erhalten , die Re cht s pf le g e  . Diese Negativität der Einzelnheit enthält das Hervorgehen der Allgemeinheit , und diese Allgemeinheit ist wesentliches Moment meiner als freyer Wille | überhaupt . Jeder ist hat arbeitet genießt , u . s . f . in soferne alles was er thut , hat genießt , durch andere vermittelt ist  ; aber in dieser Vermittlung kehrt er in sich zurück , ist für sich . Dieses Fürsichseyn ist das Moment

35 9 daß] ist , daß   15 ihre] ihrer   31 meiner] meines  

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des Rechts . Die ganze Sphäre besteht nur dadurch daß ein Recht ist , jeder stellt sich als rechtliche Person vor , und das , daß er anerkannt sey ist das subjective Moment .

B)  D ie Re cht s pf le g e  . § . 109 . Für die Rechts Pflege , wie für die würklichen Rechts Verhältnisse sind die R e c ht s G e s e t z e als ein an und für sich gültiges vo r a u s g e s e t z t , und müssen als solche wesentlich betrachtet werden . Das Gesetzgeben selbst gehört in eine ­andere Sphäre , als diese  ; zugleich ist es die Praxis der Gerichte , und die aus den vorkommenden unbestimmt verschiedenen Fällen sich ergebenden Unterscheidungen , woraus sich das Bedürfniß weiterer Bestimmungen und die Unbestimmte Fortbildung des Rechtsverstandes gegen die eben so gefoderte Einfachheit der Rechts Gesetze entwickelt . Wir betrachten hier nur die allgemeinen Bestimmungen der Rechts Pflege . Die Rechts Gesetze sind das allgemeine . Die Rechts Pflege hat es nicht mit dem Gesetzgeben zu thun , welche von einem höheren gegeben werden , die Gesetze werden schon als vorhanden vorausgesetzt . Daß das | Gesetzgeben und Richten nicht in einer Person verbunden seyn könne , erhellt daraus , daß wenn beydes verbunden ist , die richtende Gewalt für das zu richtende factum selbst das Gesetz machen würde , und die subsumtion dann nicht stattfände . Die Entwicklung des Rechts Gesetzes und die Unterscheidung der Fälle ist Sache des Verstandes . Platon in seiner Republick findet es seiner und braver Männer unwürdig über einzelne Gesetze und deren Subsumtion und Entwicklung und Ausbildung , die in’s endlose geht , und bey der der Progreß in’s unendliche stattfindet , Vorschriften zu geben . Daß sein BegriV dieses unendliche ist , daß dies aber auf das endliche angewendet werden soll , macht den Formalismus des Rechts aus . Ein vollkommenes abgeschlossenes Gesetzbuch ist ein unerreichbares Ideal , es muß aber immer verbessert werden . Ein Rechts Gesetzbuch soll nun vorhanden seyn , aber dies Gesetzbuch setzt sich immer fort , macht sich immer , in diesem Felde der unendlichkeit , ist der StoV ein empyrischer , die vom Verstande festgesetzten Bestimmungen spalten sich immer wieder aufs neue , dies ist das Feld der Gründe und Gegen­g ründe , wo es nie aufhört . Dieses würkliche Richten , 4 B)] 2)   12 gegen] gegegen   26 unendliche] unendliches  

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oder diese Praxis der Gerichte ist es , woraus ursprünglich alle Gesetze entstehen , das würkliche Rechtsprechen gibt Entscheidungen , die obgleich auf einzelne Fälle angepaßt , allgemeine Gesetze werden , und so bildet sich auch aus ­similiter judicatis ein Gesetz . | Die Gerichte können nicht tode Organe der Gesetze seyn , sondern es tritt immer eigener Verstand , eigene Einsicht des Richters ein . Daß bey den Römern jedes Jahr ein anderer Prätor auftratt , der seiner Willkühr durch eigene Regeln die er sich vor seinem Antritt selbst vorschrieb Schranken setzte , war etwas sehr falsches , wegen des zu häufigen Wechsels der Richter . Die Römer haben vorzüglich den Rechts Verstand ausgebildet  ; da das öVentliche Leben unter dem Despotismus erlegen war , so wandte sich der Verstand in seiner ganzen Regsamkeit hierauf . Einer seits ist nun gefodert , die Gesetze sollen in sich einfache Principien seyn , wie das Rechts Princip ein einfaches ist , und weil diese Einfachheit für die Einsicht , Kenntniß der Gesetze des Einzelnen nöthig ist  ; aber anderer seits müssen sich die Gesetzbestimmungen immer frey ausbilden können .

§ . 110 .

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Das Recht , indem es vor die Gerichte gebracht wird , tritt in das wesentliche Verhältniß , daß es e r k a n nt we r d e n soll . Hieraus ergibt sich die Foderung , daß Handlungen die rechtskräftig seyn sollen , für sich schon mit dieser Form vorgenommen und ausgestattet werden , die | Rechts Kräftigkeit von Ver­trägen und anderen dinglich seyn sollenden Handlungen beruht nach diesem Unter­ schiede nicht bloß auf ihnen selbst , sondern ebenso wesentlich auf der den Gesetzen gemäßen Förmlichkeit derselben . In anderen Handlungen liegt die E r ke n n b a r ke it theils in äußerlichen Umständen , der Beachtung Be­u r­thei­ lung und Combination derselben , theils in den Zeugnißen anderer , welchen als subjectiven Versicherungen die höchste Objectivität im Eyd e zu geben ver­ sucht wird . Hier wird von der Seite des Daseyns des Rechts , der Erkennbarkeit desselben gesprochen . Was macht nun das Daseyn des Rechts aus , was ist die Erkennbarkeit des Rechts ? Es tritt hier der Gegensatz ein , daß einer Recht haben kann , aber sein Recht muß erkannt werden . Es ergibt sich hieraus die Foderung , daß Handlungen die erkennbar seyn sollen vor Gericht gebracht werden , und hier anerkannt werden , und dies sind die Förmlichkeiten . Dem ungebildeten Menschen kann es höchst widrig vorkommen , daß von

35 3 bildet] bilden  

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etwas äußerem sein Recht oder dessen Anerkennung abhängen solle  ; aber die Formalität macht das Daseyn des Rechts aus . Die Gesetze haben nun zu ­bestimmen , was | nothwendig ist , damit die Handlung hinreichend erkennbar sey  ; dies ist nun Sache des Verstandes , hierin ist Zufälligkeit und Willkührlichkeit , und es muß überlegt werden , in wieferne ein Umstand hinreichend sey  ; eine Handlung selbst zersplittert sich in viele Acten , und jeder Act kann getrennt von dem Hauptactus seyn , z . B . die Leistung bey einem Vertrage , und in wiefern ein actus wichtig , nothwendig zum Bestehen des Vertrages sey . Alle Umstände müssen nun beachtet werden , welche erfoderlich sind , damit keine Ausreden mehr stattfinden können . Die Formalitäten und deren Gültigkeit beruhen nun auf ihrer Äußerlichkeit . Bey anderen Handlungen , besonders solchen , die nicht unmittelbar die Bestimmung haben , vor Gericht vollzogen zu werden , muß die Combination der äußerlichen Umstände stattfinden , das objective muß betrachtet werden , Umstände die als Würkungen als Bedingungen dastehen von welchen auf die Ursache geschlossen werden kann . Zufällige Umstände müssen hier oft beachtet werden , und die Combination so vieler Umstände bezieht sich auf die subjective Bildung , den Scharfsinn des Richters , und die Subjectivität , das Moment der Zufälligkeit | tritt hier ein , auch der Eifer des Richters , keine Mühe zu scheuen , ist ein nothwendiges Moment . Zeugnisse sind für sich etwas subjectives , ein Umstand in soferne er in einem einzelnen Bewustseyn aufbewahrt ist , von etwas was vergangen ist . Die zufällige Gegenwart des Subjects ist es , wovon es abhängt . Eine Versicherung des Subjectes tritt hier ein , welches als Versicherung etwas ganz subjectives ist , und dieser Subjectivität wird nun versucht Objectivität zu geben , und dieses Mittel ist nun der Eyd . (Es ist hier von dem Momente in der Rechts Pflege die Rede , daß das Recht erkannt werden muß , für das Gericht erkennbar seyn muß , und dies verursacht die Formalien .) Der Zeuge soll so sprechen wie er es weiß . Im Eyde spreche ich mich als objectiv aus , ich spreche mein Wesen aus , und knüpfe an diese Wesenheit die bestimmte Versicherung die ich mache . Daher ist der Eyd etwas religiöses . Bey dem Appelliren an das höchste Wesen , liegt die Überhebung aller Besonderheit , das Verlassen aller subjectiven Zwecke . Dieselbe Gewißheit , die mein Wesen für mich hat soll meine Aussage haben  ; man hat das Zutrauen auf mich , daß ich alle Subjectivität verlassen werde . Für diese Erkennbarkeit des Gerichts ist es nöthig daß zum objectivsten was im Menschen ist zurückgegangen werde ,

6 sey] seyn   7 seyn] getrennt seyn   11 beruhen] beruht   36 werde] werden  

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zur Religion zur Moralität . Deß­wegen weil der Meineyd möglich ist , ist es nöthig , daß der | Eyd als religiöser mit gewisser Feierlichkeit zu vollziehender actus gebraucht werden muß . Das ist auch ein gefährliches Ding bey den Engländern , wo der Eyd als kalte Formalität , wenn ihn 2 schwören , die Sache ganz gewiß macht , und bey dem kaufmännischen Geiste leicht falsche Eyde geschworen werden , und so andere Bürger ins größte Unglück unschuldig verfallen können . Auch nicht um ganz geringe Dinge soll der Eyd geleistet werden . Nach deutschem Recht ist außer allen anderen Be­ weißen , zur Verurtheilung , das Selbstgeständniß des Verbrechers erfoderlich , eine sehr menschliche Vorschrift , denn eine wunderbare Verflechtung der Umstände kann das Erkennen des Richters falsch machen  ; dieses Anerkennen des Verbrechers ist auch darin sehr schön , weil der Verbrecher selbst als Richter gegen sich den Spruch aussprechen muß , und so ist dies auch eine Ehre für die Vernünftigkeit . Das Geständniß allein ist nicht hinlänglich , weil Überdruß am Leben den Menschen zu einer falschen Anklage gegen sich selbst bewegen kann . Bey den Engländern warnt selbst der Richter den Verbrecher sich nicht selbst zu schaden , nichts zu bekennen . Aber darin liegt die Stellung , daß er das Gericht gleichsam als seinen Feind anerkennen muß  ; Die wahre Stellung aber ist , daß das Gericht das Verbrechen zu Tage fördern soll  ; und der Verbrecher wird zugleich angesehen als ein Mensch überhaupt der über Umstände sein Wissen angeben solle . Das wahre ist , daß es nicht gegen die Menschlichkeit ist , sondern daß der Beschuldigte als allgemeine Person als Intelligenz als Vernunft | als rechtliches Wesen auftritt , wenn er zur Auffindung der Wahrheit und Entdeckung des Verbrechens beyträgt . Die Folter war zu den Zeiten des Gespensterwesens am gebrauchtesten , beym Aberglauben  ; so wurde bey den Ägyptiern der getödet , welcher zufällig oder mit Willen einen Ibis eine Katze tödete , und dieses ist gewiß sehr erniedrigend , aber so schlecht es immer seyn mag , so ist es nicht so böße als die Anwendung der Folter . Denn wenn eine Person auf der Folter nicht gestand , so wurde es angesehen als wenn der Teufel ihr beystehe , und die Verzerrungen die Krämpfe schrieb man dem den unglücklichen bey­ stehen­den Teufel zu , und gerade diese mitleidserregenden Symptome waren Ankläger gegen den Unglücklichen . In dieser Periode sehen wir das fürchterlichste Böße im höchsten Schwunge . Wir haben neben der Erkennbarkeit des Verbrechens noch eine 2te Seite der Verbrechen zu betrachten , welche auch dieser Sphäre gehört .

4 Formalität] Formalitat   30 ihr] ihnen  

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§ . 111 . Die Verbrechen enthalten außer ihrer Erkenntniß als That und Handlung noch die negative Seite und das Hervorbringen des Daseyns ihrer Nichtigkeit . Durch die bürgerliche Gesellschaft erhält überhaupt der Rechts BegriV die Form von einem an und für sich seyenden , welches der Besonderheit des Bedürfnisses und Interesses für sich gegen über steht , und als G e s e t z | in sich reflectirter letzter Grund ist . In diesem a l l g e m e i ne n fällt das subjective , welches das unmittelbare Aufheben des Verbrechens als W ie d e r ve r g e l t u n g in sich hat , hinweg  ; weil im Verbrechen das Recht als Recht verletzt ist , so tritt die Parthey als rechtlich verletzte zurück , und das allgemeine Recht , das itzt eine Existenz für sich hat , übernimmt die Verfolgung und Ahndung des Verbrechens . Außer dem daß die Handlung als positive Handlung für das Gericht Daseyn bekommen muß , enthält das Verbrechen noch eine negative Seite , die auch zum Daseyn gebracht werden soll , wodurch die Richtigkeit des in sich nichtigen Verbrechens aufgehoben vernichtet wird . Dies kam nun durch die Wiedervergeltung in Form der Rache zu stande  ; aber der Rechts BegriV steht als Gesetz , allgemeines , als Grund hier da , als das substantielle , als wesentliches . Als Grund , warum etwas bestraft wird , wird das Gesetz angegeben . Der BegriV des Gesetzes in dem er die Form der Allgemeinheit bekommen hat ist der Grund  ; aber das Gesetz spricht nur die einfache Form dieses Zusammenhanges aus . Weil nun das Recht Grund ist , so soll nicht der Beleidigte befriedigt werden , sondern das Gesetz soll befriedigt werden . Der Verletzte ist eine concrete Person , und indem sie das Recht ausübt , tritt das besondere Interesse die Unendlichkeit der Persönlichkeit ein , und diese | subjective Seite fällt im Staate hinweg , und dem Verbrecher wird nicht ­sowohl wiedervergolten , sondern es wird ihm für seine Handlung vergolten  ; das wieder hat hier nicht den Sinn der abstracten Gleichheit , sondern der Werth im allgemeinen wird vergolten . Das Recht existirt als allgemeines im Gesetz , und das Gericht ist eine Thätigkeit , die nicht ein besonderes Interesse hat . In dem Verbrechen ist das Recht als Recht , das allgemeine als allgemeines verletzt , und es ist hier nicht um die Subsumtion zu thun  ; das allgemeine ist negirt worden , und es ist also ein allgemeines , eine öVentliche Person ein Fiscal accusateur public , der die Anklage zu machen hat . Auch die Großmuth das Mitleid kann nicht hier vom Verletzten eintreten , sondern das Allgemeine tritt als verletztes ein .

17 substantielle] substantielles  

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die sittlichkeit127 § . 112 .

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Die Ausübung des Rechts durch das Allgemeine hört auf als ein zufälliges und als äußerliche Gewalt wider den Verbrecher gekehrt zu seyn  ; das Recht ist ebenso das seinige  ; es schützt ihn und vollführt sich in ihm als seine eigene Macht und sein Wesen . Diese Ausübung ist daher eine Ve r s öh nu n g der Gerechtigkeit , sowohl objectiv als subjectiv der Gesinnung nach , und die Rache in S t r a fe verwandelt . Hier ist der Übergang der Rache in Strafe . Der Verletzte verhält sich nicht zum Verbrecher , sondern das verletzte Recht an sich , | die Rechts Pflege . Denn bey der Rache geschieht dem Verbrecher die Vergeltung nicht als sein Recht , sondern als Recht eines anderen , des Verletzten . Das Recht , das Gesetz kommt in der Form einer Majestät an den Verbrecher , als ein allgemeines , von der Subjectivität befreytes . Durch diese Gerechtigkeit , die Strafe ist der Mensch geehrt , weil es sein eigener Wille ist , der in der Form des Wesens sich zu ihm verhält . Bey der Wiedervergeltung als Rache , wo ein subjectiver Wille eintritt , geht die Progression der Rache ins unendliche , aber die Vergeltung ist in Form des aufgelößten Widerspruchs . Der Verbrecher findet in der Strafe sich selbst , ist bey sich , und so ist die Strafe ein in sich geschlossenes , die Sache ist mit ihr abgethan .

§ . 113 . In dem Rechte , welches in der Form der für sich seyenden Allgemeinheit existirt erhält die Strafe auch ihrem Inhalte nach eine allgemeine Bedeutung . Die Verletzung als Aufhebung des Verbrechens ist ihm zwar nothwendig gemäß  ; aber dieses ist vor dem allgemeinen Rechte nicht in der Einzelnheit der Existenz , sondern nach seinem Wesen vorhanden  ; die Weise der Büßung des Verbrechens mit Ausnahme des Lebens , dessen qualitative Natur unendlich verschieden ist , ist damit freyer gelassen . Ferner tritt in der bürgerlichen Gesellschaft , weil in ihr das Daseyn des einzelnen ein Anerkanntseyn ist , die Schande als Moment der Strafe , oder als Strafe | selbst ein  ; wenn sie nicht bloße Beschämung , sondern infamirend ist , ist sie ein unvergängliches , wodurch der Verbrecher seinen Stand verliert . Hier ist ausgesprochen 1) daß in der Wiedervergeltung dem Principe der Strafe , die Gleichheit nicht in die empyrische qualitative Gleichheit gehen solle , sondern der Werth hier eintritt . Die qualitative Be­schaVen­heit des Verbrechens wird in die Allgemeinheit erhoben , die Strafe als Werth nach

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203–205

seiner allgemeinen wesentlichen Seite tritt ein . Es ist überhaupt , in unserer Sphäre , der Sphäre des Gedankens der Reflection , immer , daß alles in die Allgemeinheit übergeht . Es ist ein Verhältniß von denkenden , die sich über die Existenz erheben . Unabhängig von der bürgerlichen Gesellschaft ist die Umwandlung der Strafe Willkühr und Belieben , denn sie steht dem Verbrecher als ein unmittelbares gegenüber  ; und diese Willkühr ist unrechtlich . Die qualitative Weise der Bestrafung des Verbrechens ist hier freygelassen , und die gehäßige Gleichheit , die einem allgemeinen Wesen nicht zukommt , das nicht bey der unmittelbaren Existenz , Erscheinung stehen bleibt , fällt weg . Mit dieser Allgemeinheit tritt eine Liberalität im Vergelten des Verbrechens ein , obgleich das Moment der Gleichheit von der Gerechtigkeit gefodert wird . Das Leben als unschätzbares ist ein qualitatives , es ist hier kein Umtausch möglich , und die Bestrafung des Mordes muß Todesstrafe seyn , weil das Leben | nicht zu schätzen ist . 2) Die Verletzung des Daseyns das anerkannt ist , der Ehre ist gleichfalls hier Moment . Strafen die bloß ein augenblickliches Beschämen vor den andern Menschen enthalten sind nun meistens abgeschaVt worden , in deren Ausdenkung und Erfindung sich früher viel Scharfsinn zeigte . Hier war die ganze Strafe Beschämung . Diese Strafen sind nun nach unseren Sitten nicht mehr paßlich , man ließ es mit diesem actus genug seyn , aber nun tritt das Behalten , das Festhalten des Gedankens daran mehr ein , und die Strafe , die eine bloß augenblickliche Beschämung seyn sollte , würde bey uns , die wir nicht mehr so unbefangen wie unsere Vorfahren sind , in eine dauernde Infamirung umgewandelt werden , weil bey uns die Reflection das Übergewicht bekommen hat , und die Verzeihung nicht gleich nach dem Büßen eintritt . Das Aufgehoben werden des Vergehens eben so auch in Kirchenbußen durch die Buße tritt nun nicht mehr ein . Auch waren diese Bestrafungen nur für die niederen Classen des Volkes . Mit der Schande , die behalten wird , und also fortdauernd ist , hängt das Brandmarken zusammen und das Ausstäuben , dem Landesverweisung folgte , und es lag darin , daß das Infamirte Subject seine Subsistenz sich ferner zu erwerben nicht in seiner Gegend vermögend ist , sich aber in fremden Landen , wo er nicht gekannt ist , seinen Unterhalt wieder ver­schaVen kann . Daher sah man gewöhnlich dem Verbrecher gleich nach dem Rücken , ob er nicht schon gebrandmarkt sey . Durch die Gesellschaft kann der In­famirte wieder | integrirt werden . Bey dem substantiellen Stande , wo mehr Unbefangenheit ist , und die Reflection nicht so gebildet , nicht festgehalten ist , ist die Schande nicht so hart als bey höheren Ständen , und die Schande 5 sie] er   28 Mit der] Durch die   29 Ausstäuben] lies  : Ausstäupen  

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enthält also bey verschiedenen Ständen verschiedene Wichtigkeit , Werth . Sonst suchten auch noch der Pöbel , und die Gerichtsschärgen suchten durch ihre eigene Thätigkeit ihren Abscheu vor dem Verbrechen zu erkennen zu geben , dies ist aber unrecht . Auch hält man das Hängen für niedrig , weil ein mechanisches so wenig kostendes Werkzeug das hohe Gut das Leben nimmt . Das Köpfen ist nun mehr angenommen , und man hat die Guillottine für eine wichtige Erfindung gehalten indem die Zufälligkeit der Geschicklichkeit des Nachrichters hier nicht eintritt , aber diese Strafe ist beschimpfender , als die durch die freye Handlung eines Menschen getödet zu werden . Es ist widrig diese Handlung durch todten Mechanismus hervorbringen zu sehen . – Indem das Verbrechen in allgemeiner Weise eintritt , so kann auf die ­moralische Besserung , die auf die Gerechtigkeit der Strafe keinen Einfluß hat , so kann auf dieses moralische Rücksicht genommen werden .

§ . 114 . 15

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Das Allgemeine , welches durch eine Handlung des Unrechts verletzt wird , ist nicht nur der BegriV des Rechts , sondern ist als die bürgerliche Gesellschaft vorhanden , welche Sicherheit des Lebens und Eigen­thums der einzelnen zu ihrer | Basis hat , und darein ihr Bestehen legt  ; hiermit in der Verletzung des einzelnen auch ihre eigene allgemeine Verletzung ahndet , und hiernach in die Straf­ bestimmungen Modificationen bringt . Die bürgerliche Gesellschaft dieses allgemeine wird im Verbrechen verletzt . Dem einzelnen wird seine Persönlichkeit verletzt , und diese kann er als ein unendliches ansehen  ; aber es ist gesagt worden daß das qualitative und quantitative nach ihrem äußerlichen bestimmt werden müssen . Indem die bürgerliche Gesellschaft in dem , was Leben und Besitz des Eigen­thums ist , ihr wesentliches hat , und als ein allgemeines verletzt wird , so kann ein Vergehen dadurch eine größere Wichtigkeit bekommen , indem es die Basis Substanz der bürgerlichen Gesellschaft angreift , als es haben würde , wenn es als bloß den einzelnen verletzend dastünde  ; so mit dem Diebstahle und Raube . Das Recht soll in der bürgerlichen Gesellschaft die Einheit des allgemeinen und des besonderen Willens seyn  ; außer der bürgerlichen Gesellschaft ist es zufällig ob ich den anderen oder der andere mich unangetastet läßt , indem wir gegenseitig unsere Rechte noch nicht anerkannt haben , und ich weiß daß ich in einem zufälligen Verhältniß gegen ihn bin , und ich habe mich gegen

35 2 Gerichtsschärgen] Gerichtsschärpen   24 müssen] muß  

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206–208

eine Verletzung von ihm zu bewahren mich zur Vertheidigung gegen ihn zu rüsten . In der bürgerlichen Gesellschaft gilt das Recht als Gesetz , ie , es ist anerkannt  ; und eine Verletzung die hier geschieht ist ein Unrecht im weiteren Sinne , | als wo noch kein Staat ist . Der Verbrecher handelt 1) unrecht überhaupt , und 2) gegen sein eigenes Anerkennen des Gesetzes . Daher kann die Verletzung in der bürgerlichen Gesellschaft schärfer geahndet werden , als sie in abstracto , an und für sich geahndet werden kann . Und es hängt von der Ansicht der bürgerlichen Gesellschaft ab , für wie wichtig sie ein Verbrechen halten will , und wie hoch sie es also bestraft . Die Gefährlichkeit eines Verbrechens als solche , ist die Möglichkeit anderer Verbrechen . Aber das Verbrechen soll genommen werden nach seinem inneren Werthe nach seiner Allgemeinheit . Die Allheit ist das Scheinen der Reflection in das einzelne . Ein Verbrechen ist in sich bedeutender , diese innere Allgemeinheit , wenn sie als Allheit betrachtet wird , so wird es in Beziehung auf einzelne andere Handlungen bestraft werden  ; aber ein Verbrechen muß nach seiner eigenen inneren Wichtigkeit bestraft werden . Indem nun Sicherheit des Lebens und Sicherheit des Eigen­thums die Basis der bürgerlichen Gesellschaft sind , so ist ein Verbrechen gegen diese Basis Verbrechen gegen die Allgemeinheit , und wird als die Allgemeinheit verletzend höher bestraft . Daß der Diebstahl mit dem Tode bestraft wird , scheint kein Verhältniß zu haben  ; der Verlust , den ein anderer durch Diebstahl leidet , kann sehr gering seyn  ; aber in dem die Sicherheit der bürgerlichen Gesellschaft darin | verletzt ist , so kann sie höher ahnden . Aber die bürgerliche Gesellschaft kann die Bestrafung nach der Verletzung der Allgemeinheit nur modificiren , muß aber im ganzen die Gleichheit des Werthes eintreten lassen und die Seite der Verletzung der Allgemeinheit muß nur als ein Moment hereinkommen . Das Verbrechen muß zwar in die Allgemeinheit gehoben werden aber nicht in die unbestimmte abstrakte Allgemeinheit . Es gibt auch andere Rücksichten , die die Strafe schärfen , z . B . wenn ein Complott vorhanden war , wenn einer nicht zum ersten male ein Verbrechen begeht . Zur Handlung gehört wesentlich die Seite des Willens , und in dem Willen der handelt , treten quantitative Unterschiede ein , Gradationen in Ansehung des Willens . Einer der ein Complott macht hat die Scheu vor dem Verbrechen überwunden , und er hat seinen Willen durch mehr ihm als Mittel helfende Menschen verstärkt , und die Handlung ist Handlung eines intensiveren Willens . Ebenso ist es wenn der Wille mehrere StuVen überwunden hat . So zeigt die Wiederholung des Verbrechens , daß das Verbrechen , das Böße zum allgemeinen bleibenden 7 sie] es  

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zur Gewohnheit geworden ist , und auf alles dieses muß bey der Ahndung gesehen werden . Aber die Gefährlichkeit ist nur ein Moment , und sie ist ein schiefes Moment , weil es vorgestellt wird als | ob eine fremde Möglichkeit in dem Verbrechen bestraft würde .

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Das Recht , wie es in einem Falle an und für sich ist , und wie es ein Daseyn nach gesetzlich bestimmten Normen hat , nämlich seine Erkennbarkeit und Beweiß vor dem Gerichte , haben eine gegen einander äußerliche , und in soferne zufällige Seite , weil das 2te , das Daseyn für sich die äußerliche Seite ist  ; das Recht aber an und für sich geschehen soll  ; weil ferner , je gebildeter die Gesetze , sie desto vielfältiger für den concreten Fall werden , die Beurtheilung und Anwendung daher um so mehr von der Subjectivität des Richters abhängt , so muß nicht nur eine R e c ht s P f le g e d e r F ö r m l ich k e i t  , sondern auch eine Rechts Pflege der Bi l l i g ke it vorhanden seyn  ; nämlich nicht bloß in soferne bey einem Verluste auf billige Schätzung der Sache , auf den Zustand und das Wohl der Par­ theyen gesehen wird , sondern auch daß in Rücksicht auf die Form nach subjectiver zureichender Erkennbarkeit Urtheil gesprochen wird . Die Foderung eines einfachen gegen die Ausbreitung eines förmlicheren Rechts Ganges wird auch in Rücksicht auf den Unterschied der | Stände , ihrer einfachen substantiellen Denkweise , oder ausgebildeteren förmlicheren und hartneckigeren Reflection von Wichtigkeit . Ein Mensch weiß er hat Recht aber er kann sein Recht nicht durchsetzen , aber er kann es nicht erkennbar machen , weil die erkennbaren Normen dem Daseyn seines Rechts abgehen , und dies ist ein fürchterliches Gefühl für ihn . Es ist beydes erfoderlich , daß einer ein Recht habe , und dann daß es auch die Seite der Erkennbarkeit habe . Im Collisions Falle soll nun das eigentliche Recht den Förmlichkeiten vorgehen . In einem Testamente f­ ehlen z . B . einige Förmlichkeiten , die ganz unwesentlich scheinen , und das ganze Testament wird umgeworfen . Der Richter kann zwar sagen , wenn diese Förmlich­ keiten erlassen werden , so können leicht falsche Testamente gemacht werden , aber darin ist er im Interesse des Gesetzes , und er will einer Möglichkeit , einer fremden Möglichkeit den Vorzug vor dem eigentlichen Recht geben . Dies muß nun dem unbefangenen Menschen schrecklich seyn , daß der Mangel einer Förmlichkeit , die leere Möglichkeit daß eine Ver­fälschung

35 33 Menschen] Menschen es  

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eines Contractes eintreten könne , das Urtheil gegen das wahre Recht verursacht . Die Gerichtsverfassung ist fast so wichtig als das Recht selbst , und die Gerichtsverfassung sollte bey gebildeten Völkern so ausgebildet seyn als nur möglich  ; aber in England ist der gründlichste Rechts Gelehrte | nicht im Stande alle Gesetze zu kennen , und wie sie sich einander derogiren , die Gesetze sind also in großer Verwirrung , aber die Gerichtsverfassung macht die Mängel unfühlbar fast , und für die Freyheit und das Recht der Bürger ist eine gute Gerichtsverfassung nöthiger als ein neues Gesetzbuch . Es muß in der Gerichtsverfassung zur Erkennbarkeit der Rechte das Formelwesen seyn  ; aber diese Förmlichkeiten sollen das Recht nicht hindern , sondern in der Collision des Rechts und der Förmlichkeiten soll die Förmlichkeit nachstehen . Nicht nur die Förmlichkeiten vervielfältigen sich bey steigender Bildung , sondern auch die Gesetze selbst . Der Richter soll nun nicht bloßes Organ der Gerechtigkeit seyn , sondern seine Reflection hat sehr viel zu thun  ; und die Billigkeit muß ihren Gerichtshof haben , dem Gerichtshof des Rechts gegenüber , damit nicht bloß auf das Recht als Recht Rücksicht genommen wird , sondern auch auf das Wohl der Personen  ; diese Seite des Wohls , die Seite des Mitleidens etc . sind es bey der Billigkeit , die berücksichtigt werden müssen . Das ungefähre der Schätzung des nicht ganz zu erweißenden Schadens des einen durch Nichterfüllung des eingegangenen Vertrages des anderen , ist nun die Billigkeit die die Existenz beyder mitberücksichtigt . Das Recht soll nun als Recht geschehen , aber die Gerichte müssen nach ihren Formeln entscheiden , und können nicht von dem formellen Gesetze ab­gehen . Aber ein Gerichtshof der Billigkeit könnte diesem hieraus | entstehenden Unrechte abhelfen , und es müssen einzelne Umstände hier beweißen . So ist in England die Wahl frey gestellt , ob man dem strengen Recht oder der Billigkeit die Entscheidung überlassen wolle . Dieses Entscheiden der Billigkeit gibt nun dem Menschen das Bewustseyn , welches viel werth ist , daß ihm sein Recht geschehe . So gilt vor dem Lord Kanzler ein Project zu einem Testamente ein Wisch ohne die geringste Förmlichkeit oft , gegen ein früheres mit allen Formalien gemachtes Testament . Der Unterschied der Stände muß wesentlich auch verschiedene Formen im Recht hervorbringen . So ist es dem substantiellen Stande um sein eigentliches Recht zu thun , nicht jede Einzelnheit ist ihm wesentlich , er will Recht überhaupt haben , seine Gesinnung ist die substantielle , und nur im Stande der Reflection muß alles einzelne ausgefunden werden .

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Die Vervielfältigung der Gesetze macht dem Einzelnen die vollständige Kenntniß der selben zu einem particulären Berufe , dem er sich ganz zu widmen hat , und wird der Menge , welche darin ihr Recht hat und erhält , um so fremder . Es ist daher nicht so wohl die eigene Einsicht , als das Zut r a ue n  , wodurch die Partheyen die subjective Überzeugung ihres Rechtes haben . | Diese Überzeugung erhalten sie theils durch Geschwornengerichte aus ebenbürtigen Männern , theils durch die ÖVentlichkeit der Gerichte , zugleich die zwey größten Garantien unpartheyischer Rechts Pflege . Fernere Foderungen in Beziehung auf förmliche Gerichtsverfassung betreVen die Collegialische Form der Gerichte , die Mehrheit von Instanzen , vornehmlich auch Unabhängigkeit der Richter sowohl in An­ sehung ihrer Funktionen als des Besitzes ihres Amtes u . s . f . Indem das Individuum sein ganzes Studium auf die Kenntniß des Rechts wenden muß , so wird der großen Menge die Kenntniß des Rechts und das wie er zum Recht gelangt , unbekannt und unbegreiflich . Die RechtsPflege und der Rechts Gang werden für das Individuum ein wahres Schicksal , eine völlig fremde Gewalt . Gerade das Recht , worin der Mensch sein Bewustseyn von Freyheit haben soll , dieses und der Gang desselben wird ihm eine fremde Gewalt . Denn die Kosten die die Rechts Gelehrten und der Staat ziehen , machen , daß er , eine höhere Verschwörung , eine Verschwörung höherer Stände gegen ihn sieht , die eine Kluft zwischen ihm und seinem Recht machen  ; bloß hinsichtlich der Sporteln lernt er das Recht kennen . Gerade die subjective Seite , daß der einzelne weiß , wie ihm Recht geschehe , ist | ganz fehlend . Dieses Entfremden des Rechts vom subjectiven Bewustseyn haben wir der deutschen Jugend zu verdanken die in Bologna , gen 10 ,000 stark das römische Recht studierte . Dies wäre eines der wichtigsten Dinge , daß , da die eigene Einsicht wegen der Vervielfältigung der Gesetze nicht möglich ist , das Zutrauen einträte zwischen dem Rechts Gelehrten und dem Recht verlangenden . Die Geschwornen Gerichte und die öVentlichkeit der Gerichte sind nun die Hauptmittel das Zutrauen zu erhalten  ; und es den Unter­ thanen zu überlassen , das Schiedsrichter-Amt oder den förmlichen Rechts Gang zu wählen  ; die Gerichte erster Instanz sollen auch erst gütlichen Vergleich zu bewerkstelligen suchen , aber diese Einrichtung enthält das un­ bestimmte , daß das Schiedsrichteramt zugleich in der Hand des Richters ist , daß diesem es dann einerley ist , wie er diesen Streit , ob durch den Rechts

19 ziehen] zieht   23 ist] ist | ist   28 das] daß das   29 Geschwornen] Gesswor­nen  

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Gang oder Vermittlung , beendigt  ; und für jede Funktion muß eigentlich eine Behörde seyn , die den einzelnen Zweck hat , und sich diesen zu reali­ siren interessirt . Auch treten wenn beydes verbunden ist , die subjectiven pecuniären Zwecke des Richters theils für sich , theils für seine Freunde die Advocaten ein . Bey den Geschwornengerichten von Männern gleichen Standes haben wir nun die 2 Seiten , daß durch die Geschwornen der That­ bestand | ausgemittelt werden muß , und der Präsident über den ausgemittelten Thatbestand gerade nur das Gesetz ausspricht , ihn unter das Gesetz subsummirt . Auch die subjective Überzeugung muß da seyn , daß Recht widerfahre , das Zutrauen , das Bewustseyn , man erhält Recht muß gebildet werden , es muß gepflegt werden  ; hauptsächlich muß es aber bey ausgebildetem Recht dadurch gegeben werden , daß jeder sich selbst dabeyweiß , dies geschieht nun durch die Geschwornengerichte , die vom Volke gewählt werden müssen , nicht aber wie in Frankreich allein vom Präfecten  ; aber nicht gerichtlich dürfen sie gewählt werden , sondern bloß nach dem Zutrauen , das die wählenden auf die Moralität besonders des zu wählenden setzen . Die Geschwornen müssen unabhängige Männer seyn hinsichtlich ihrer Oberen , und eben dies rücksichtslose ist ein Hauptmoment , auch im übrigen muß der Character der Selbstständigkeit vorhanden seyn . Dem Bürger der das Interesse am Staate verloren hat , gewöhnt ist in dieser politischen Un­ thätig­keit und Dumpfheit des Geistes hinzuleben , mag es sehr unbequem seyn , ein solches öVentliches Amt unentgeltlich zu verwalten  ; und in despotischen Staaten befindet sich darin das gemeine Volk sehr gut  ; aber die höheren Classen sind mehr gedrückt , da sie dem Despoten näher stehen . Diese Entwöhnung mag ein Grund seyn , warum die Geschwornengerichte in Frankreich noch nicht so Wurzel gefaßt haben , wie man wünschen muß . | Die Geschwornen müssen mit dem zu richtenden ebenbürtig seyn , er muß das Vertrauen haben , daß sie mit ihm einerley Interesse haben und die nehmlichen Verhältnisse des Lebens . Die Qualification des Verbrechens , wer der Verbrecher sey , und überhaupt die Untersuchung des Thatbestandes gehört für die Geschwornen , und dies ist auch jedem gebildeten Bürger erkennbar . Die ScheVen unserer Vorfahren waren Bürger der Gemeinde , keine Rechts Gelehrte , und unbesoldet . Aber diese Gerichte hatten den Fehler daß sie aus ständigen Mitgliedern bestanden , und sich selbst ergänzten . Dieses Selbst­ ergänzen der Verwaltungen in Gemeinden ist bey uns , so fehlerhaft es ist , sehr häufig , und die Verwalter legen nicht einmal ordentlich Rechenschaft ab . In Ansehung der Gerichte kann zwar keine Controlle stattfinden , aber 26 wie] sie  

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die Ständigkeit und das sich selbst ergänzen macht die Gerichte ihren Mitbürgern fremd , und unabhängig von den letztern . Dies mag es auch verursacht haben daß die Schöppen ganz gesunken und meistens unthätige Mitglieder des Gerichts sind . Ein anderer actus ist die Anwendung der ge­setz­l ichen Strafe auf das ausgemittelte Verbrechen , und diese steht dem Richter als Rechts Gelehrten zu , er muß aber erst noch einmal den Geschwornen bestimmte Fragen vorlegen über den Thatbestand . Wenn der Richter über jeden einzelnen Umstand besondere Fragen | den Geschwornen vorlegen kann , und so nach Belieben die Geschwornen mehr oder weniger befragen kann , so kann der Richter aus der Menge von Antworten sein Resultat ziehend , doch gerade nach seinem Willen entscheiden , und es fällt die Würkung der Geschwornen hinweg . In England ist nun eine unanimische Entscheidung der Geschwornen nöthig , weil die Entscheidung eine einfache seyn muß , und diese Unanimität ist besser als in Frankreich , wo ⅔ der Stimmen hinreichend sind , und die Stimme des Richters den Ausschlag gibt . Auch muß das Zutrauen des Verbrechers zu seinem Urtheile größer seyn , wenn Unanimität erfoderlich ist . Das Aussprechen des Strafurtheils wäre wider das Verhältniß des Mitbürgers zum Mitbürger , und es steht der Ausspruch der Ur­theile einem eigenthümlichen Gerichte aus bestimmten Richtern zu . Sie haben nicht über das objective abstracte zu sprechen . Was dem BegriVe nach wesentlich unterschiedene Thätigkeit ist , muß auch besonderes getrenntes Handeln seyn , und so haben die Geschwornen nur über das subjective zu sprechen . Die Polizey verhält sich feindlich gegen den Verbrecher und sucht ihn strafbar zu finden , der Richter aber hat auch das Interesse des Verbrechers , indem er bloße Gerechtigkeit ist , und so müssen Richter und Polizey auch getrennte Behörden seyn . Daß die Gerichte öVentlich seyen ist ebenso wesentliches | Moment , das in Deutschland begründet war , und sich noch in manchem findet . Jeder muß selbst anhören können , warum sein Mitbürger verurtheilt wird  ; denn es ist nicht nur das Recht des Angeklagten , worüber geurtheilt wird , sondern das allgemeine Recht aller . Dadurch fällt auch die Verschiedenheit der Ansicht des Volks über das Verbrechen , und des Urtheils des Gerichtes weg . Auch der Beklagte wenn ihm vor seinen Mitbürgern sein Urtheil gesprochen wird ist darin geehrt , daß das Volk Theil an der Untersuchung nimmt . Überhaupt aber hat das Handeln , welches öVentlich seyn muß , ein ganz anderes Gewicht . – Die collegialische Form der Gerichte ist eben so eine wesentliche Foderung der Gerichte . Diese collegialische Form stammt aus Deutschland her . Diese collegialische 19 Urtheile] Gesetze   33 wird ist] 〈ist〉〈〈,〉〉 wird ist  

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Form hat freilich das , daß sie die Beschlüsse verzögert , aber ohne sie tritt um so mehr Willkühr um so mehr besonderes Interesse ein . Aber in dem bey jedem Collegio einer Referent seyn muß , so entsteht dies , daß indem jeder Referent werden kann , jeder , weil er dies auch für sich wünscht , gegenseitig dem andern seinen Antrag zugibt  ; und da die Responsabilität auf dem ganzen Collegium beruht , so vermindert sich die Responsabilität des einzelnen . Aber der Referent muß seine Arbeit doch so einrichten , daß sein Vorschlag eine allgemeine Gültigkeit in sich hat  ; und hinsichtlich der Verantwortlichkeit , hat der Referent mehr Verantwortlichkeit , | und ferner als gemeinsames Ganzes hat ein Collegium mehr Stärke um sich gegen den Despotismus durchzusetzen , in dem auf die Willkühr eines einzelnen hier nicht so eingewürkt werden kann , daß diese sehr viel vermögte . Jedes Mitglied des collegii tritt in ein feststehendes Ganzes ein , und es tritt nicht so viel Wechsel in Gesinnung und Verfahrungsart ein . Die Mehrheit von Instanzen ist auch sehr nöthig , in dem der sich beeinträchtigt glaubende noch an höhere Instanzen appelliren kann  ; die 3te Instanz ist gewöhnlich nur eine Revisionsinstanz , die bloß darauf sieht , ob die Formeln von den untern Instanzen gehörig beobachtet worden sind . Diese Instanzenfolge hält nun ebenfalls den schnellen Gang auf , und hat in soferne eine nachtheilige Richtung . Früher war es in Deutschland aber so weit gekommen , daß es die Unterthanen eines Fürsten für ein Glück ansahen , wenn sie von der 3ten Instanz , dem Reichsgerichte enthoben waren , weil hier die Processe oft 100 Jahre und drüber hängen blieben . – In der Monarchie ist es ein wesentlicher Grundsatz , daß der Monarch nicht selbst richte , damit es nicht seine persönliche Willkühr sey , die Recht spreche , und dann auch weil der Fürst schon sonst so viele Macht hat . Der nun welcher richtet soll sonst keine Macht über die Partheyen haben , als über sie zu richten . Daher | hat in neueren Zeiten der Fürst bloß das Recht den Richter zu ernennen , der in seinen Funktionen unabhängig ist . Auch das Begnadigungs Recht hat der Fürst , nicht aber das Recht die Strafe zu schärfen . Die Handlung des Friedrich II . wegen dem Müller , wo er mehrere Richter cassirte , weil sie gegen den Edelmann dem Müller sein Recht absprachen , so war die Handlung des Königs , in soferne er glaubte dem Müller sey unrecht geschehen , zu rechtfertigen . Aber kein Mitglied des Gerichtes darf nach Willkühr von seinem Brode weggejagt werden . Daß der Angeklagte Vertheidiger haben muß ist ebenso eine natürliche Sache , weil ihm ein Mann gegeben werden muß zu dem er Zutrauen hat . Das erste was wir betrachteten[.] 2 ein] seyn   9 Referent] Refernent  

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Im Systeme der Bedürfnisse ist ein allgemeines Vermögen für die Bedürfnisse aller vorhanden  ; In der Rechts Pflege wird ihr abstractes Recht behauptet , aber in jenem ist das Wohl des einzelnen nur für ihn selbst Zweck  ; auch ist sein Zweck nicht der allgemeine Zusammenhang der Bedürfnisse und ihrer Mittel , obgleich von demselben sein Bestehen abhängt . Dies allgemeine muß sich daher für sich | als solches bethätigen und die Unmittelbarkeit und Zufälligkeit in jenem Systeme , so wie die äußere Zufälligkeit , die in Ansehung der Ausübung der RechtsPflege stattfindet , wegschaVen und aufheben . Hier ist der Gegenstand und BegriV der Polizey betrachtet . Der Noth­staat hat das System der Bedürfnisse und das formelle Recht zum Zwecke , das Allgemeine ist beschränkt auf diese Sphäre des Bedürfnisses und des Rechts . Der Polizey im Ganzen ist man nicht gut , aber so wenig Volksgunst sie für sich hat , um so nothwendiger ist sie . Im Systeme der Bedürfnisse bleibt immer noch sehr viel Zufälligkeit , der durch ein allgemeines abgeholfen werden muß , eben so die Sphäre des Rechts hat diese Zufälligkeit  ; und diese aufzuheben muß der Zweck der Polizey seyn . Jeder macht sich sein eigenes Wohl allein zum Zwecke und verläßt sich auf den allgemeinen Zusammenhang . Aber das Allgemeine muß sich selbst zum Zwecke haben , als allgemeines existiren . Aber jeder setzt sein Interesse zum alleinigen Zweck , und läßt sein Interesse dem Interesse eines anderen Standes entgegentreten  ; aber die Polizey muß nun beschränken , und das Gleichgewicht zwischen allen zu halten suchen . Das Bestehen des Ganzen ist der Zufälligkeit unterworfen , und einzelne ­Theile würden in diesem Kampfe zu Grunde gehen . Die Rechts Sphäre , die das formelle Recht zur Würklichkeit bringt , ist auch | bedingt , die Rechts Pflege hängt von der Zufälligkeit ab , daß der Verbrecher vor das Gericht gebracht werde , der Zweck der strafenden Gerechtigkeit ist , daß kein Verbrechen existire . Wir können nur Hauptgesichtspunkte der Polizey vornehmen .

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Die erste Zufälligkeit ist die , welche die Theilnahme des einzelnen an dem allgemeinen Vermögen in sich enthält , in dem diese Theilnahme von voraus1 C )] 3)   28 werde] werden  

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gesetzten Bedingungen , Gesundheit , Geschicklichkeit , einem Capital u . s .  ferner , und dann von großen und entfernten Combinationen abhängt . Als in der bürger­l ichen Gesellschaft gebohren ist der einzelne von ihr selbst für die Würklichkeit seines Rechts zu leben auf sie als dessen unorganische Natur und äußere Bedingungen angewießen . Das allgemeine muß daher für den A r me n sorgen  ; ebensowohl in Rücksicht seines Mangels als der Gesinnung der Arbeitslosigkeit und der Bößartigkeit , welche aus seiner Lage und dem Gefühle des erlittenen Unrechts hervorgehen können . Jeder ist an das allgemeine Vermögen gewießen , daß er daraus seinen Fond erhalten kann . Seine Geschicklichkeit , Arbeit ist nicht die einzige Bedingung , denn es gehört Geschicklichkeit dazu , und Gesundheit , und ein ­gewisses Capital , um an dem allgemeinen | Vermögen wieder Antheil neh­ men zu können . Indem sich nun neuerdings die Staaten in die Gewerbe , in den Handel einließen , sagte man , das ginge den Staat nichts an , und wenn auch einzelne zu Grunde gingen , so höbe sich dadurch das Ganze . Jeder hat das Recht zu leben , und es soll ihm nicht nur sein Recht geschützt werden , er hat nicht nur dieses negative Recht , sondern er hat auch ein positives Recht . Die Würklichkeit der Freyheit ist Zweck der bürgerlichen Gesellschaft . Darin daß der Mensch das Recht zu leben hat liegt es , daß er das positive erfüllte Recht hat , die Realität der Freyheit soll wesentlich seyn . Das Leben und die Subsistenz der einzelnen ist deßwegen eine allgemeine Angelegenheit . Dieses allgemeine selbst soll mit Bewustseyn sein Zweck seyn . Indem jeder für sich arbeitet , so soll die bürgerliche Gesellschaft das was ist zu ihrem Zwecke haben . Das allgemeine Vermögen der Gesellschaft macht für den einzelnen die Seite der unorganischen Natur aus , und diese soll sich ihm so präsentiren , daß er sie in Besitz nehmen kann  ; denn die ganze Erde ist ­occupirt  , und dadurch ist er an die bürgerliche Gesellschaft gewießen , denn an die Erde hat er ein Recht dadurch daß er das Recht des Lebens hat . Wenn es nun einzelne Momente sind , die dies dem Menschen | erschweren , so sind dies gegen sein Recht zu leben besondere Momente , so mit dem Kranken , mit dem Blödsinnigen . Das Recht des Lebens ist das absolutwesentliche im Menschen , und für dies wesentliche muß die bürgerliche Gesellschaft sorgen . Arm ist derjenige der entweder kein Kapital besitzt , oder keine Geschicklichkeit . In Staaten , wo sich des Armen nicht angenommen wird , kann er in großes Elend verfallen . Er hat z . B . keine Kleider und muß , nicht in die Kirche gehen könnend , des Trostes der Religion entbehren . Durch die for-

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melle Justitz , nur vor Gericht zu stehen , ist ihm durch die Kosten die an die ­formelle Rechts Pflege gebunden sind , unmöglich sein Recht zu erhalten . In der Religion und Justitz auch in der Medicin hat er großen Nachtheil , denn der Arzt steht ihm nur barmherzig bey , und die Spitalverwalter entziehen dem Kranken vieles noch zu ihrem eigenen Gewinne . Diese Zufälligkeit muß das Allgemeine aufheben . Es muß zuerst speciell gegen den Mangel väter­lich mit Interesse für die Besonderheit gesorgt werden . Es muß aber auch ferner gegen die Faulheit und Bößartigkeit , die die Armuth gewöhnlich mit sich führt , gearbeitet werden  ; und gerade wo die Armen am meisten gerade zu mitleidig unterstützt werden , wird die Faulheit | und Arbeitsscheu gehoben . In südlichen Ländern wo man wenig zum Lebensunterhalt braucht , tritt diese Unmittelbarkeit diese Unbesorgtheit ein , aus der der Mensch gerissen werden muß  ; denn er soll durch seine Arbeit von sich selbst abhangen . Die Faulheit wird leicht zum Laster , und das Gefühl des erlittenen Unrechts und der Ungleichheit mit anderen Menschen bringt eine Bößartigkeit unter den Armen hervor . Die bürgerliche Gesellschaft , muß die Armen zum Arbeiten anhalten , und so erwacht in ihnen das Gefühl der Selbstständigkeit , welches am meisten der Bößartigkeit entgegenarbeitet . Aber auch ganze Stände , ganze Gewerbszweige können in diese Ar­muth fallen , wenn die Mittel die dieser Theil Menschen hervorbringt nicht mehr abgehen , ihr Gewerbe in Stocken geräth . In Rücksicht der Combinationen , die der einzelne nicht übersehen kann , muß nun der Staat sorgen . Die Verwicklung der bürgerlichen Gesellschaft selbst bringt auch Armuth hervor , indem die Mittel der Befriedigung der Bedürfnisse zu schweer zu erlangen sind . Denn die allgemeine Möglichkeit sich unter den vielen Menschen eines reichen Landes , einer Stadt zu ernähren , zieht immer sehr viele Menschen an . Diese große | Ausgedehnte Möglichkeit zieht viele z . B . in eine Hauptstadt , aber für den einzelnen ist diese Möglichkeit ein zufälliges , und der Pöbel vermehrt sich sehr mit der Armuth . Deßwegen nun , weil jeder weiß , daß ihn , wie in England seine Gemeinde erhalten muß , so vermehrt dies die Trägheit . Daher hat die bürgerliche Gesellschaft auch das Recht die Armen daran zu halten thätig zu seyn .

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Die Zufälligkeit in Ansehung des Rechts , das sich auf Verbrechen bezieht , betriVt theils die Entdeckung ihrer Thäter , und daß sie vor Gericht gebracht werden , theils aber vornehmlich ist die Strafgerechtigkeit selbst zufällig und bedingt ,

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sofern sie von dem Begehen der Verbrechen , welches zufällige Handlungen sind , abhängt , auf deren Verhinderung die Polizey bedacht seyn muß mit der freilich unbestimmten Einschränkung auf das nothwendige , und daß das sonstige Thun und Bewegen der Bürger nicht gehindert werde  ; vornehmlich auch nicht allent­ halben beaufsichtigt erscheine . Gleichfalls schließen für sich rechtliche Hand­ lungen und ein Privatgebrauch des Eigen­thums auch allgemeinere Beziehungen auf andere und auf deren Gebrauch entweder ihres eigenen oder eines gemein­ samen Eigen­thumes in sich . Die Polizey hat in sofern diese allgemeine Beziehung , woraus anderen Schaden | und Unrecht erwachsen könnte , zu beaufsichtigen und zu reguliren . Das Verbrechen soll bestraft werden , aber die Seite des Wissens der Verbrecher und des Einfangens der Verbrecher ist Sache der Polizey . Den Gerichten selbst kann dieses nicht zukommen , weil die Polizey hier gleichsam als Feindin der Verbrecher auftritt , und auf allen möglichen Wegen oft durch List die Verbrechen zu entdecken sucht , und das Gericht sich nichts an seiner Würde vergeben kann , und das Ausforschen der Verbrecher ein subjectives ist . Und dieses Forschen enthält noch nicht die Gerechtigkeit . Die Verbrechen sind als zufällige Handlungen anzusehen , daß der einzelne böße sey muß als etwas zufälliges betrachtet werden , und die Nichtigkeit die sich positivität zu geben sucht ist das Verbrechen . Die Polizey soll nun die Verbrechen verhindern . Das böße soll nicht geschehen , und es soll eine Gewalt vorhanden seyn die es verhindert . Dies ist der Standpunkt des Sollens , welcher der Organisation des Nothstaates angehört . Der Fichteische Staat nimmt Polizey als die Hauptsache an , und sucht diese besonders weit auszuspinnen , aber sein Staat ist der Nothstaat . So sagt Fichte , keiner kann ausgehen ohne seinen Paß bey sich zu haben , und dies hält er für sehr wichtig um die Verbrechen zu verhindern . Aber dieser Staat wird eine wahre Galeere , wo einer den andern immer beaufsichtigen soll . Diese Aufsicht der Polizey muß aber nicht weiter gehen als es | nothwendig ist , aber wo diese Stufe des nothwendigen eintritt ist meistens nicht zu bestimmen . So könnte man annehmen , daß die Polizey nicht in das Haus dürfte ohne besonderen Befehl , denn das innere Thun der Familie muß unbeobachtet seyn . Ebenso ist es etwas widriges , wenn man überall Polizeybediente sieht . Darin wäre die geheime Polizey das beste , man soll nicht sehen , daß sie eine Beaufsichtigung ausübe die doch nothwendig ist . Aber das Verborgene hat den Zweck , daß das öVentliche Leben frey sey . Die Gesinnung der Polizeybeamten falsch zu

6 auch] auf  16–17 ein subjectives] als eines subjectiven

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seyn und auf alle mögliche Weise jemanden zu ertappen darf weder unterdrückt noch genährt werden . – In London gebraucht man Leute , deren Amt es nicht ist Verbrechern nachzugehen , sondern man gibt denen eine Belohnung die einen Verbrecher bringen , und diese Leute , Polizeyspionen , suchen ohne Beamten zu seyn aus subjectivem Interesse , und sie suchen selbst Verbrecher zu machen , oder Verbrechen anzudichten . Hier tratt es ein daß man arme Irrländer , ohne daß diese wußten was sie thaten falsch müntzen ließ und sie dann arretirte . Hieraus kann der größte Abgrund von Verdorbenheit eintreten . – Die Polizey muß nun manche Beschwerlichkeiten veranlassen , z . B . das Visitiren der Pässe . Dies Reglement ist aber nothwendig vorhanden , und der der es nun einmal | in Vollzug bringt thut dies aus Pflicht , und man kann das Verhältniß der Gesinnung nicht darin finden (daß einen einer visitirt , da man doch ein ehrlicher Mann zu seyn glaubt) , sondern ich stehe als ein subjectiv fremder für den Polizeybeamten da . Eben so hat die Polizey die Aufsicht , daß keiner das allgemeine Eigen­thum oder das Recht des einzelnen durch den Gebrauch seines Eigen­thums verletze . Bey dem raschen Lebenswechsel , bey dem Drängen des bürgerlichen Lebens müssen vorübergehende Handlungen die so viele thun erleichtert werden . Was nun jeder einzelne thun müßte , das nimmt das allgemeine allen einzelnen ab , und die Polizey tritt ein , und berechnet , wie ein Gebrauch meines Privat­ eigen­thums andere beschädigen könnte , aber in dieser Berechnung muß eine gewisse Liberalität stattfinden  ; denn sonst kann die Polizey ins unendliche sich in den Gebrauch des Privat­eigen­thums einmischen . Es läßt sich sonst keine Grenze festsetzen , wo diese Aufsicht beschränkt werden muß . Die Polizey wird verhaßt weil sie sich auf so kleinlichen Wegen bewegen muß und so kleinliche Dinge zu thun hat  ; und weil sie , Hindernisse wegräumend nur negativ und nicht positiv würkt . Erst da (in Ländern) , wo keine Polizey ist , oder eine sehr schlechte fühlt man den Werth einer guten Polizey , denn eine gute Polizey soll man gar nicht merken , und da man sie nicht würken sieht , wird sie auch nicht gelobt . |

§ . 120 . Für das Gedeihen alles bürgerlichen Gewerbes ist eine schnelle und klare Rechts Pflege und bürgerliche und politische Freyheit überhaupt das absolute Be­

12 einen] einem   22 Polizey] Einmischung der Polizey  

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förderungsmittel . Aber in der Abhängigkeit der Befriedigung der einzelnsten Bedürfnisse von der Bereitschaft der von anderen verfertigten Mittel erfodern theils diese als etwas für den allgemeinen Gebrauch bestimmtes eine Beaufsichtigung , theils aber die entgegengesetzten Interessen der verschiedenen Erwerbweisen und Productionen gegen einander , theils die Abhängigkeit der großen Industriezweige und der an sie gebundenen Individuen von anderer auch von auswärtiger Concurrenz , eine allgemeine Vorsorge und Leitung . Dieser Vorsorge gehören gleichfalls die gemeinnützigen Mittel und Anstalten an , welche für den Gebrauch aller bestellt sind  ; endlich auch die Colonisation die bey einem Volke von fortschreitender Industrie nothwendig wird . Die bürgerliche Freyheit nach der Seite der Rechts Pflege und die politische Freyheit sind nöthige Momente . Die Regierungen geben sich z . B . bey uns viel Mühe die Wissenschaften zu heben  ; aber vor allen Dingen s­ollten sie dafür den Nachdruck aufheben , wodurch das Eigen­thum | verletzt ist , so lange die Gelehrten förmlich bestohlen werden dürfen , kann man nicht sagen , daß die Wissenschaften äußerlich geschützt würden . So mit der Gerechtigkeit in allen anderen Gewerbszweigen , die klar und schleunig seyn muß . So muß das WechselRecht für den Kaufmann schleunig voll­zogen werden . Für Leibeigene und Sclaven wird gesorgt , sie erhalten für ihre Arbeit ihre Bedürfnisse befriedigt  ; auch der Bürger arbeitet für seine Bedürfnisse , aber der Unterschied zwischen der Thätigkeit des freyen Bürgers und des Sclaven ist sehr groß  ; denn jener arbeitet im Gefühle des Schutzes seines Eigen­thums . Ebenso die politische Freyheit ist sehr wichtig , und wo sie fehlt , wo sie unterdrückt wird , sinkt der Staat , so wurde das früher so hoch­stehende Pohlen durch den Druck des Adels erst in seiner Industrie gestürtzt , und die Städte , die so berühmt waren verfielen , und jetzt kennt man sie nur dem Nahmen nach , und das ganze Land ist verstückelt . So mit den früher so berühmten Italiänischen großen Städten , die meistens , der politischen Freyheit und Selbstständigkeit entbehrend , zu kleinen Nestern herabgesunken sind . Denn die Lust Eigen­thum zu genießen , zu besitzen , zu erwerben ist ohne Rechts Pflege und politische Freyheit entflohen . Erst wenn schnelle und klare Rechts Pflege und Freyheit der politik eintritt , kommt die Regheit in das Gewerbsleben . – Jeder aber ist | in Rücksicht der einzelnsten und kleinsten nothwendigsten Bedürfnisse von anderen abhängig . Man kann nun sagen der einzelne habe diese Mittel , welche er kauft , diese Waare zu untersuchen , ob sie ihm taugt , ob sie nicht zu theuer ist  ; wenn

22 jener] dieser   36 untersuchen] untersuchunen  

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aber der e­ inzelne alle diese Kleinigkeiten untersuchen sollte , so würde er viel Arbeit und Mühe damit haben  ; daher muß ihm das allgemeine diese ­Vorsorge Mühe abnehmen . Weil nun diese Vorsorge allen einzelnen zukommt , so hat das allgemeine auch das Recht als allgemeines diese Waaren zu untersuchen  ; denn sonst könnte man sagen , es geht niemand etwas an , wie Käufer und Verkäufer mit einander den Contract schließen . Aber die Waare wird , wie z . B . Brod , als allgemeines angeboten , und die einzelnen die kommen um zu kaufen , kommen zufälliger Weise als abstracte Individuen  ; daher muß das allgemeine über die Allgemeine Brauchbarkeit des Mittels wachen , und sie untersuchen  ; und die geringe Bemühung des allgemeinen spart die ­besonderen unendlichen Mühen der einzelnen  ; und denen die für andere arbeiten ist diese Sorge abgenommen . Die Grenze ist hier unbestimmt  ; die Sorge der Polizey muß sich nur auf allgemeine Mittel beschränken , aber künstlichere Waaren , die nur besondere | Bedürfnisse befriedigen , sollen die Polizey nichts angehen  ; aber wie weit dies auszudehnen sey , kann nicht angegeben werden . Nun muß auch das Allgemeine Vorsorge treVen , daß die einzelnen ihre Bedürfnisse befriedigen können  ; ie , daß die Mittel in gehöriger Menge da sind  ; und um nicht zu hohen Preiß  ; aber ebenso muß auch das allgemeine sorgen , daß die Preiße nicht so tief sinken , daß der Fabrikant nicht bestehen kann . So treten der Gewerbsstand und der Stand des Ackerbauers einander gegenüber , der Bauer will seine Früchte theuer verkaufen , und der Handwerksmann sie wohlfeil haben . Dadurch hebt sich das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Ständen auf , und oft auf längere Zeit . In England ist dies oft Gegenstand der Berathungen des Parlaments , und man erlaubte vor einigen Jahren die Einfuhr von Früchten nur dann , wenn diese im Inlande einen gewissen hohen Preiß hatten . Der Handelsstand hat das Interesse , daß auf seine Waaren nicht zu hohe Abgaben gelegt werden , damit die Consumtion derselben sich nicht mindere  ; und indem die Consumtion durch die Wohlfeilheit des Preißes unverhältnißmäßig steigt , ziehen die Finanzen bey geringer Auflage mehr als bey größerer . Ein ferneres Interesse des Handelsstandes ist es , daß damit die inländischen Fabricken steigen , die Einfuhr von von diesen zu fabricirenden Producten aus dem Auslande erschwert oder verbothen werde . Die Freyheit des | Handels unter allen Staaten ist deßwegen schwierig , weil ein solcher Staats oder Völkervertrag ein zufälliges ist , und jeder Staat für seine Unterthanen hauptsächlich zu sorgen hat . In England wird nun alles als Speculation getrieben , selbst

8 um] als   13 aber] nicht aber   20 treten] tritt  

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der ackerbauende Stand hat diese Richtung . Aber diese Beziehung auf die Bedürfnisse anderer Nationen darf nicht so groß seyn , daß der Untergang eines Gewerbsstandes durch die Vernichtung dieser Beziehung zu Stande kommen kann . Das Interesse des Handels und das Interesse der Fabrikanten sind hier oft entgegengesetzt . Kein Interesse des einen Standes darf nun dem Interesse eines anderen Standes zu wider gehoben werden . So werden Jahrmärkte errichtet , damit indem auf ihnen auch fremde Kaufleute verkaufen können , die Consumenten nicht der Willkühr der Fabrikanten ihres Distriktes , Staates , zu viel überlassen sind  ; so kann dadurch , daß ein Staat auf ein Material zu Fabriken hohen Ausgangszoll legt , dieser Staat ausländische Fabrikanten bewegen , in ihn zu kommen und zu ihren Fabriken Inländer zu gebrauchen . Wenn eine Classe nun ihren Absatz in entfernte Länder hat , so kann der einzelne aus dieser Classe nicht gerade sehen , wie es um sein Geschäft steht , und der Staat muß dafür bedacht seyn . Ebenso mit der Einführung neuer Maschinen , wodurch die Handarbeiter außer Brod kommen . Das allgemeine muß nun die Einführung der Maschinen begünstigen , aber auch zu gleicher Zeit die außer | Brod gekommenen zu erhalten suchen . Nach dem Auslande muß der Staat suchen , durch Handelstractate Vor­theile für seine Unterthanen zu erwerben . Straßen und Canäle heben besonders die Industrie  ; noch mehr aber das Meer . Das Meer hat auch das eigenthümliche , die Seite der Tapferkeit in den Handelsstand zu bringen , und gegen das Princip des eigenen Nutzens Gewinns und Genusses tritt die Gefahr ein , und dieses bildet eine Tapferkeit , eine Gleichgültigkeit gegen diesen Zweck selbst . Daher ist der Tadel der alten Satyriker über das Wagen unrichtig . Wenn die Bevölkerung zu sehr zugenommen hat , so entsteht her­nach C olon i s a t ion  . Wo Untheilbarkeit des Gutes ist , wird nur einer aus der Familie freyer Gutsbesitzer und die anderen werden Knechte , und hier gedeiht die Popu­ lation nicht , wo aber die Bauerngüter getheilt werden können , und Frey­heit ist , da nimmt die Population sehr zu , und die Güter sind nicht hinlänglich , und die Leute müssen sich entweder in Dürftigkeit ohne freye Selbstständigkeit mit Fabrickarbeit ernähren , oder der Staat muß dafür sorgen , daß diesen Menschen an einem noch unbenutzten Boden , oder der nicht vollkommen von den Bewohnern benutzt wird , die Realisirung ihrer Foderungen an den Staat , ihre Subsistenz zu erwerben , gegeben wird , wo sie so | wie im Mutterlande leben können , und so entstehen die Colonien . Frankreich

5 sind] ist  

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und England haben viele Colonien . Da diese Colonisten immer Bürger des Mutterlandes bleiben , so bringen sie dem Mutterlande vielen Nutzen . Wo nun der Staat bey diesem eintretenden Mangel nicht für seine Bürger sorgt , da treten , wie bey uns in Deutschland Auswanderungen ein , deren Grund die Übervölkerung und die Foderung , eine bestimmte Lebensweise führen zu können ist . Die Auswandernden wandern aber bey uns als einzelne aus , und statt dem Mutterlande als Colonisten zu nützen , verleiben sie sich , da ihr Mutterland nicht für sie sorgt , anderen Völkern ein . Anfangs sind nun die Colonien vom Mutterlande abhängig , nach und nach werden sie aber unabhängig und bilden eigene Staaten .

§ . 121 .

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Wesentlich ist endlich , daß 1)  Jeder einzelne einem bestimmten Stande zugetheilt sey , und daß , wenn um in denselben zu treten eine bestimmte Geschicklichkeit oder ein bestimmtes Eigen­thum erfodert wird , er sich darüber ausweise . 2)  Daß die Stände im Allgemeinen , so wie die | verschiedenen besonderen Zweige derselben i n C o r p o r a t ione n gefaßt werden , weil sie dieselbe Bestimmung Geschäfte und Interessen haben , damit das an sich gleiche auch in Gestalt eines gemeinsamen und allgemeinen existire , sowohl für die Besorgung des gemeinsamen Interesses , als für die Standesehre und das Wohl der Einzelnen , und , indem jeder nach seiner Besonderheit in einem allgemeinen beruht , für die wesentliche Befestigung des Ganzen . Die natürliche Verschiedenheit der Stände muß nicht bloß eine natür­ liche bleiben , sondern dies muß auch als ein allgemeines existiren , damit es als ein allgemeines anerkannt sey . Jeder muß zu seiner bürgerlichen Existenz (als bourgeois) einem bestimmten Stande angehören . Es muß aber erst unter­sucht werden , ob er die Geschicklichkeit und das Vermögen dazu hat . Diese Stände , die sich zunächst bloß auf das Bedürfniß beziehen , müssen feste Corporationen werden . Das Vernünftige der Corporationen ist , daß das gemeinsame Interesse , dies allgemeine in bestimmter Form wirklich existire . Das Princip der Atomistik , daß jeder bloß für sich sorge , und sich um ein gemeinsames nicht bekümmre , und es jedem | zu überlassen , ob er sich zu einem gewissen Stande bestimmen wolle , und nicht auf seine

15 er] daß er  

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Tauglichkeit in politischer Hinsicht zu sehen , da doch , wie die , die es so wollen , sagen , der dessen Arbeit niemand gut findet , sich von selbst auf ein anderes Gewerbe legen wird , überläßt einen solchen der Zufälligkeit . Unser Standpunkt der Reflection , dieser Geist der Atomistik , dieser Geist , in sein einzelnes , nicht in das gemeinsame seine Ehre zu setzen , ist schädlich , und hat es bewirkt , daß die Corporationen zerfallen . Deutschland ist durch diesen Geist in Atome zerfallen , und das Kaiserthum ist gesunken . Diese Zeit der Atomistik , dieser Geist der Barbarey tratt da ein , wo jeder Baron , jedes Städtchen sich mit anderen herumpaukte , und da entstand es , daß Städte sich durch zusammenstoßende Bürger und Adeliche (die künftigen Patricier) bildeten , die Städte machten Bündnisse , und so entstand die Hanse , der schwäbische Bund  ; und so wurde durch Corporationen die bürgerliche Gesellschaft gebildet . In den Städten waren alle Gewerbe wieder Corporationen , und es entstand die Standesehre der Zünfte , und dies war die schöne Zeit des bürgerlichen Lebens  ; da war der Genuß im Gemeinsamen , und der einzelne vergnügte sich nicht für sich , sondern im Allgemeinen . Nun ist | wieder dieser Geist eingerissen , daß man sich seines Standes schämt , nicht als Glied desselben auftreten will , und in sich allein seine Ehre setzen will . Dies natürliche , von einem Stammvater herzurühren , machte bey den Griechen und Römern die Basis der Eintheilungen aus . Die Basis aber bey uns , die sich auf das Gewerbe gründet , auf gemeinsames bleibendes und gegenwärtiges Interesse , das man sich selbst aus freyer Wahl gegeben hat , ist eine höhere Basis . Die Bürger einer Stadt können auch freilich nach ­Vierteln der Stadt eingetheilt werden in polizeylicher Hinsicht , dies ist aber ein äußerliches bloß räumliches Verhältniß , die todte Zahl ist hier die Basis  ; ebenso ist bey dem Bürgermilitär die Eintheilung in Compagnien , die nach der Größe gemacht wird , eine äußerliche nicht reelle , und schlecht gegen die frühere Eintheilung des Bürgermilitärs nach Corporationen . Aber es entstand auch dies , daß jede Corporation , nicht auf das Ganze , sondern bloß auf sich sehend , da die Staatsgewalt nicht hinreichend war , alle Rechte die sie , indem sie die Rechte anderer Corporationen nicht berücksichtigte , nur bekommen konnte , an sich brachte . Daher mußte , damit der Staat be­ stehen konnte , | den Corporationen ihre Gewalt und ihr Ansehen genommen werden , und so kamen sie in Verfall . Die Corporation ist nützlich für die Besorgung des gemeinsamen Interesses , und dies Bedürfniß , gemeinsam zu handeln , findet sich immer ein . Aber jeder muß auch seine Ehre wesentlich darin haben , einem allgemeinen anzugehören  ; und dieser Stolz , als einzelner glänzen zu wollen , soll nicht seyn . Das Ganze , der Staat kommt erst dann zur inneren Festigkeit , wenn das , was allgemein an sich ist , auch

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als Allgemeines anerkannt ist . Die Sphäre der Bedürfnisse hat besondere Zwecke , die aber als gemeinsames geordnet sind . Es ist eine Ver­thei­lung in Glieder deren Bestimmtheit im Systeme des Bedürfnisses liegt . Das wesentliche Interesse aller besonderen ist zu subsistiren und dies knüpft sie an die besondere Sphäre an . Es beruht auf der besonderen Bestimmung , die sich der Mensch gibt , es ist eine reale Sphäre die concret ist , der Thätigkeit angehört . Ihre besonderen Zwecke sind ihnen wesentlich , sie bilden aber ein gemeinsames , welche Seite die wesentlichste in der bürgerlichen Gesellschaft ist . |

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III   D e r S t a a t . 10

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§ . 122 . Die unmittelbare oder empfindende Substantialität der Familie , die sittliche Substanz als einzelne geht für sich in die bürgerliche Gesellschaft über , deren besondere Zwecke und Interesse sich in ein allgemeines Interesse für einen Zweck auflößen , Welcher an der ersten seine innerliche Wurzel und an der 2ten seine äußerliche aus der bewustlosen Nothwendigkeit in die Allgemeinheit zurückzuführende Realität hat . Die geistige Natürlichkeit führt in den Familienverein , das besondere Bedürfniß in die bürgerliche Gesellschaft aber das an und für sich seyende Allgemeine als absolute Pflicht in den S t a a t . Dieser Staat ist von dem Nothstaate in der 2ten Sphäre verschieden . Die 2 Hauptmomente sind , die einfache Substantialität und das auseinandergehen derselben in die Sphäre der Differenz . Bey der ersten ist Form die Empfindung Liebe Zutrauen u . s . w . bey der 2ten das Bedürfniß , für sich zu bestehen  ; aber in der Abhängigkeit für ein anderes . Dies 2te ist der Stand des Verhältnisses  : zwar der Selbstständigkeit , aber in | welches ein anderes hereinscheint . Es ist die Sphäre der Erscheinung überhaupt , in der die Freyheit auf formelle Weise ist . Das eine ist die gediegene Idendität , das andere das auseinandergehen derselben  ; wie in der ersten Zusammenhang der Liebe ist , so ist hier Zusammenhang der Nothwendigkeit , wo die Menschen sich als selbstständige gegen einander verhalten . Das 3te ist die Einheit beyder , welche als Bewustseyn der Freyheit erscheint . Die Freyheit ist als Noth­ wendig­keit , und diese als Freyheit . In der bürgerlichen Gesellschaft ist die Freyheit kein Product der Trennung , sondern des natürlichen Zusammenhanges . Hier im Staate ist sie Product der Trennung und der freyen selbstbestimmten Vereinigung . Die absolute Pflicht führt in den Staat . Die Sittlichkeit des­selben ist , daß Freyheit sey , daß das Vernünftige der allgemeine

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Wille als eine Nothwendigkeit geschehe und äußerliches Daseyn habe . An der Familie hat der Staat seine innere Wurzel . Familie und Staat stehen einander gegenüber  ; der Regent wird als Oberhaupt einer Familie betrachtet  ; das Familienverhältniß als das allgemeine umfassende bleibt dem Staate zu Grunde liegen . Der eine absolute Zweck hat seine | äußerliche Realität an der bürgerlichen Gesellschaft  ; es ist aber das Moment der Negativität , wo die Form der Allgemeinheit aus der Noth hervorgeht . Diese Form der Allgemeinheit ist nothwendiges Moment des Staates  ; aber nicht zum Zwecke der besonderen Bedürfnisse , sondern hier ist der freye Wille wesentlicher Zweck . Die Zwecke constituiren sich reproducirend zum Wohle der einzelnen , lößen sich aber in das Wohl des allgemeinen auf . Das allgemeine im Staate läßt die besonderen Zwecke sich nicht als solche verknöchern , sondern macht , daß sie sich immer wieder in’s Allgemeine auflößen .

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§ . 123 . Der Staat ist die Würklichkeit des sittlichen Geistes als der oVenbare sich selbst deutliche allgemeine Wille , welcher sich zum Wissen bringt und vollführt in der Sitte unmittelbarem Daseyn an dem einzelnen Selbstbewustseyn , an dessen Wissen und Thätigkeit seine vermittelte Würklichkeit hat , so wie dieses durch seine Gesinnung , ihn als seine Substanz , Zweck , und Product seiner Thätigkeit zu wissen , in ihm seine Freyheit hat . Im Staate wird der allgemeine Wille würklich , | das allgemeine hat ­Da­seyn als absoluter Zweck . Hier ist keine Sehnsucht , kein Jenseits , keine Zukunft , der Zweck ist würklich , hat Gegenwart . Das Innere , welches unmittelbar äußerlich ist , so daß die Innerlichkeit als Äußerlichkeit ist und umgekehrt , ist die Idendität . Das Wachsen etc . einer Pflanze ist äußerliches , dieses Daseyn , dieser BegriV macht aber ihr Inneres ihre Natur aus . Das Wesen des Selbstbewustseyns ist das Vernünftige  ; der vernünftige Wille ist nur im Selbstbewustseyn vorhanden[.] Der Geist ist hier das hervorge­ hobene , sich selbst deutliche , allgemeine , er ist nicht , wie in der Sphäre der Nothwendigkeit und wie in der bürgerlichen Gesellschaft , sondern als Freyheit . Es ist das sich wissende Allgemeine , der Wille der sich in der Form der Allgemeinheit befindet . Wie hier das allgemeine als Gesetz das ge­oVen­­bart ist , bewust wird , wird es auch verwirklicht . Das allgemeine ist hier die Sitte des Volkes , welches der Geist ist , und die Form einer allgemein natürlichen

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1 geschehe] geschähe   18 Würklichkeit] Würdigkt   19 Gesinnung , ] Gesinnung  ;  

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Begebenheit hat . Das lebende Organische ist das erste und das letzte , weil es sich selbst zum Producte seiner Thätigkeit hat . Diese Thätigkeit macht die Individualität des Selbstbewustseyns aus , die sich als Negativität setzt , und das freye Ich die unendliche Beziehung auf sich ist . An dem einzelnen Selbstbewustseyn hat der Geist seine Wirklichkeit . Die Vernunft ist wesentlich concret , und somit Geist . Die geistiche Natürlichkeit führt in die Familie , das Bedürfniß in die bürgerliche Gesellschaft , der freye Wille in den Staat . | Bey dem Willen als freyem Willen ist nicht nur das Gute als Zweck , sondern das Gute in seiner Wirklichkeit erfodert  ; aber das Gute ist eine Idee in dem Sinne , daß es nicht unmittelbar wirklich ist . In dem Staate ist das Gute wirklich vorhanden , nicht ein Jenseits . Der animalische Organismus bringt sich immer hervor , aber was er hervorbringt ist schon , er reproducirt nur  ; eben so mit dem Guten im Staate . Das Gute ist nicht eine beliebige Gesinnung , nicht Gesinnung des Gewissens , es ist äußerliches wirkliches Daseyn , und damit es sey , kann der Staat Zwang zu Hülfe nehmen .

§ . 124 .

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D a s R e c ht d e s S t a a t e s ist , daß seine Idee anerkannt und verwirklicht sey . Der einzelne hat das Recht , mit seinem besonderen Willen in den Staat zu treten und in ihm zu seyn  ; wenn er nicht freywillig in solchen eintritt , so stellt er sich in den Naturzustand , worin sein Recht nicht ein anerkanntes ist , und dies Anerkanntwerden auf natürliche Weise durch den Kampf des Anerkennens und durch Gewalt zu Stande kommen muß . In diesem Verhältnisse der Gewalt ist das göttliche Recht auf der Seite des S t i f t e r s d e s S t a a t e s . Der Staat ist der allgemeine Wille , der wirkliches allgemeines Selbst­ bewustseyn ist , die Idee Gottes . Von den Völkern wurde daher auch das allgemeine Wesen des Staates als ein Gott verehrt . Es ist die Freyheit in ihrer | Allgemeinheit und in ihrer Wirklichkeit  ; daß diese Idee sey , ist das höchste Recht . Die Freyheit ist die reine Thätigkeit , und diese Thätigkeit als Freyheit ist das Selbstbewustseyn  ; die Idee hat also ihre Realität an dem einzelnen Selbstbewustseyn . Wie im abstracten Recht die Person in äußerliche natürliche Dinge ihre Freyheit legt , so ist das Material der substantiellen Freyheit das Selbstbewustseyn . Die substantielle Freyheit legt sich in das einzelne Selbstbewustseyn , welches gegen sie ein rechtloses ist . Gehen die Individuen gegen diese Idee , so sind sie rechtlose , würdelose . Dies ist das absolute Recht des Staates , daß er durch das einzelne Selbstbewustseyn verwirklicht werde . Als frey in seiner Persönlichkeit steht es in der Willkühr des Individuums ,

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ob es überhaupt in den Staat treten will  ; es soll seine Idee in dem Staate haben , das Individuum soll ein wirklich freyes werden durch die Negativität seiner Besonderheit . Das Selbstbewustseyn ist das wesentliche Moment in der Idee des Staates . Hat das Individuum den besonderen Willen , nicht im Staate zu seyn , so will es als ein unmittelbares existiren , und es tritt gegen den Staat in den Naturzustand , es muß der Kampf zwischen ihm und dem Staat eintreten . Das Freye muß sein Wissen in einem anderen Selbstbewustseyn haben , dies ist sein höheres Daseyn , das Daseyn in der Vorstellung . Dies Daseyn kann das Individuum nur in dem Willen des anderen haben , daß er es anerkennt . Es fällt daher diese Gleichgültigkeit der Personen gegen einander weg  ; | das gegenseitige Anerkennen muß daseyn , und es tritt der Kampf des Anerkennens ein , sich in die Gefahr zu begeben , das natürliche Daseyn aufzugeben . Die Freyheit stellt sich nur dar als Negativität gegen das unmittelbare Seyn . Jeder tritt selbst in diese Gefahr , worin er sein natürliches Seyn dem aussetzt , negirt zu werden . Wenn einer gegen den Staat für sich ein Freyes bleiben wollte , so tritt er in den Kampf des Anerkennens mit demselben  ; das göttliche Recht ist aber auf Seiten des Staates , und daher hat der Staat das Recht des Zwanges gegen ein solches in der Natur freybleibenwollendes Individuum . Die Stifter der Staaten müssen als Heroen angesehen werden , welche Stifter des göttlichen Rechts sind  ; daher ihnen das Recht des Zwanges zusteht  ; sie werden als Heroen von den Völkern angesehen , wenn sie auch durch Gewalt die einzelnen zusammenbrachten .

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§ . 125 . Zu dieser Stiftung der Staaten gehört gleichfalls , daß , wenn Corporationen und Verbindungen der bürgerlichen Gesellschaft , welche zunächst auf einem gemeinsamen Interesse eines besonderen Zweckes beruhen , im Besitze einer Gewalt , welche dem Staate seinem BegriVe nach angehört , und zwar nicht als einem Ausflusse von ihm sondern als einem eigenthümlichen Privatrechte gegen ihn sich befinden , er als die allgemeine Einheit das absolute Recht hat , solchen be­ sonderen Besitz aufzuheben . | Bey uns ist es sehr häufig der Fall , daß die Staaten aus Corporationen entstanden , z . B . durch das Feudalwesen  ; daher der Kampf des Volkes gegen die Großen in unseren Staaten . Das Volk als 3ter Stand bildete wieder Corporationen , wodurch es in der Ohnmacht des Staates sich Privilegien er29 er] daß er   31 es] es es  

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warb . Diese Privilegien waren es , gegen welche die ganze Tendenz der neueren Zeit geht . In anderen Ländern , wie in Frankreich und England wurde der Staat Meister über diese Besonderheiten . In Italien z . B . aber ging es umgekehrt . Daß die Partikularen den Staat zertrümmerten , konnte den Schein haben , als wenn die Freyheit es sey . Wenn einzelne , seyen es Individuen oder Corporationen Rechte des Staates besitzen , so hat der Staat das göttliche Recht gegen sie , er kann und muß sie ihnen abnehmen . Die Corporationen machen Anspruch auf ihre Privilegien als ihr Privat­eigen­ thum , und sie haben die Form für sich . In Deutschland hat nun das Oberhaupt diese Rechte des Staates einzeln verkauft , überlassen . Die Glieder des Staates haben mit dem Oberhaupte so capitulirt , daß dieses Rechte des Staates ihnen als Privatrechte überließ , und so wurden die Rechte des Staates jura singulorum auf eine absolut widerrechtliche Weise . Man sahe nicht woher diese Rechte kamen , nicht daß es Staatsrechte waren , die der einzelne nicht besitzen kann . Mo s e r trug nun alle diese Rechte in einem Werke , sowohl die Staatsrechte der einzelnen , als die Privatrechte derselben vor . Die ­Revolutionen der neueren Zeit gehören hierher . | Es gab Stände und Individuen , denen Rechte des Staates , besonders in Beziehung auf die Abgaben , wie Steuerfreyheit , Gerichtsbarkeit als Privatrechte zustanden . Und in unseren Zeiten ist ein Schritt zur vernünftigen Existenz des Staates geschehen , der seit 1000 Jahren nicht geschah  ; das Recht der Vernunft wurde gegen die Form von Privatrecht geltend gemacht . Die Privaten schreien sehr darüber und in Frankreich wollen die Emigranten noch immer ihre Privilegien wiederhaben . Ebenso gebrauchen die Standesherrn in Deutschland immer noch den Nahmen des Rechts für ihre alten Privilegien . Aber nur in wenigen Fällen kann der Staat zu Entschädigung rechtlich gehalten seyn . So kann für die Steuerfreyheit keine Entschädigung gefordert werden , weil die Leistungen die auf diesen Gütern lagen , weggefallen sind  ; und wenn Entschädigung stattfände , so nähme der Staat mit der einen Hand und gäbe es mit der anderen zurück . Alle Rechte , wie das der Gerichtsbarkeit , das ausschließliche Recht der Erlangung der Offizierstellen und anderer Ämter , können ganz und gar nicht entschädigt zu werden verlangen , indem der Staat eher gegen diese Classe eine Rechnung für diesen Genuß aufstellen könnte . Ein anderes ist es , wo Lehensverhältnisse eintreten , wie mit dem laudemium , und hier geht es in die Form von Privat­eigen­thum über  ; und in soferne das Eigen­thum frey von Servituten seyn und werden soll , müssen die dadurch gewinnenden den verlierenden eine Entschädigung geben . In diesem an und für sich seyenden Willen ist gegen dieses allgemeine nichts , was sich zu einem besonderen machen könnte . |

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§ . 126 . Das Leben des Staates ist 1)  sein Organismus in Beziehung auf sich selbst als i n ne r e s S t a a t s r e cht  . 2) seine für sich seyende Individualität in Beziehung auf andere Staaten , d a s ä u ß e r e S t a a t s R e c ht  . 3)  die allgemeine Idee des Staates als Gattung und absolute Macht gegen die Individualität einzelner Staaten , d ie G e s ch icht e  . So gliedert sich der thierische Organismus zuerst aus sich , zweytens ist die organische Natur gegen eine gegen sie unorganische Natur gewendet , das 3te ist der Proceß der Gattung  ; die Gattung als die allgemeine Macht verfolgt ihre Entwicklung , sie stellt sich als allgemeine dar . Der Proceß des Staates ist ebenso zuerst daß er sein Leben in sich hat , dann das Bedürfniß , daß er als Macht und Gewalt gegen andere Staaten ist  ; hier ist die Stufe der Irritabilität , Krieg und Frieden mit anderen Staaten , hier erhält sich der Staat als Individuum selbstständig für sich  ; und 3tens verwirklicht sich der allgemeine Geist als Weltgeist , die Gattung zeigt sich gegen die Individuen nur negativ , und die Gattung fällt immer wieder in die Einzelnheit und das allgemeine wird oVen­barer  . Die folgende Stufe der Geschichte ist immer höher , und dies ist die Perfectibilität des Geistes . Die Gattungen zeigen sich nicht bloß durch den Untergang der Individuen , sondern der Zeitgeist , in dem er seine Erscheinung aufhebt , gelangt im Übergange auf eine höhere Stufe . |

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A)  D a s i n ne r e S t a a t s r e cht . § . 127 . Die sittliche Totalität , welche der Staat ist , hat so wirkliche Lebendigkeit , daß der allgemeine freye Wille sich mit Nothwendigkeit hervorbringt  ; nur in soferne ist der Staat ein organisches Ganzes . Die Organisation der Freyheit , die Vernünf­ tigkeit eines Volkes ist die Ve r f a s s u n g . Dazu daß der an und für sich freye Wille sey , gehört , daß er mit Noth­ wendigkeit geschieht . Die Freyheit muß s e y n  , nicht aber im Sinne des Zufalls , sondern im Sinne der Nothwendigkeit . Daß sie wirklich seye , dies

9 sie] es   15 verwirklicht] würdigt   23 A)] I)  

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ist seine Organisation in sich selbst . Ein Volk ist nur vernünftig in soferne seine Verfassung es ist . Unter Volk versteht man eine Einheit hinsichtlich der Sitte der Cultur etc . , und diese Einheit ist die seyende Substanz . Das Volk als einfache gediegene Masse hat noch keine Vernünftigkeit  ; die Vernünftig­ keit ist nur das ganze System  ; so ist die Sonne , die Erde nichts vernünftiges  ; aber das Sonnensystem und die Organisation in der Zeit und dem Raume ausgedrückt , ist die Vernünftigkeit . Die Masse ist nicht das vernünftige  ; vor dem Volke als bloßem Volke kann man noch keinen Respect haben  ; in soferne ein Volk keine edle Verfassung hat , ist es ein schlechtes Volk  ; das allgemeine nur ist wahrhaft zu achten . | Ein anderes ist es , wenn man Individuen gegen Individuen in der Moralität vergleicht . Die Verfassung ist , daß der allgemeine Wille hervorgebracht werden muß .

§ . 128 .

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Als eine ä u ß e r l iche No t hwe nd i g k e i t ist der Staat gegen die Partikularen , so wie gegen das System der Bedürfnisse und der Besonderheit überhaupt , in soferne der Zweck desselben und der Zweck des Staates in Widerspruch kommen . Indem jener sich als äußerlicher für sich festsetzt , so erscheint die Macht des Staates als Gewalt und sein Recht dagegen als ZwangsRecht . Solche Nothwendigkeit , die äußerliche ist , ist keine Nothwendigkeit der Freyheit . Eine solche Nothwendigkeit ist es , wenn Zwecke des Noth­staates mit dem Staate in Widerspruch kommen . Der Staat hat die Zwecke des Noth­staates nicht in sich einwurzeln zu lassen , sondern sie in seine Substanz immer zurückzuführen , und verhält sich bloß negativ dagegen . Wenn sich eine Corporation gegen den allgemeinen Zweck des Staates verhält , wenn das Particulare den Staat bloß zu besonderen Zwecken benutzen will , so erscheint der Staat als eine Gewalt . Dieser Kampf ist einerseits das Be­lebende , andererseits ist es seine unorganische Natur , die er immer in die Allgemeinheit zurückzuführen hat . Setzt sich so etwas für sich fest , das seinen besonderen Zweck gegen den Zweck des Staates hat , so wird der Staat ein äußerliches gegen dies äußerliche . | Das ZwangsRecht des Staates tritt ein , wenn etwas mit dem Staate nicht ideell ist . Wir haben nun die Bedingungen der inneren Nothwendigkeit zu betrachten .

16 kommen] kommt  

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§ . 129 . In Ansehung der Staatsverfassung sind 2 Seiten zu betrachten  : 1)  der BegriV des Staates nach seiner innern organischen Bestimmung . 2)  die Zutheilung und der Antheil der Individuen an dessen allgemeinen Geschäften . Jener BegriV enthält aber selbst die 2 Momente  : a)  allgemeiner gediegener Geist , und b)  wirklicher sich durch seine Thätigkeit hervorbringender Geist zu seyn  ; als solcher hat er Selbstbestimmung und Individualität des Willens in sich  ; jener ist die Substanz Zweck und das Selbstbewustseyn aller . Aber in soferne er als Wirklichkeit und Thätigkeit sich als eine in sich ungegliederte Masse verhält , so ist dieser individuelle Wille des allgemeinen Willkühr und Zufälligkeit , und das Ganze nur eine unmittelbare Wirklichkeit . Der BegriV des Staates ist das allgemeine als solches überhaupt . Das erste ist der allgemeine Geist für sich betrachtet , und das 2te ist , wie die Individuen , diese Materie , dem allgemeinen Geiste zugetheilt werden . Der Staat muß in sich ein organisches Leben haben , und es muß bestimmt seyn , welchen ­Antheil die Individuen an dem allgemeinen Geschäfte haben . Die erste Seite ist das Leben des Geistes für sich selbst , und davon ist gesagt , | daß es der thätige allgemeine Wille sey , die allgemeine sich in sich bestimmende Freyheit  ; das Gesetz ruht in soferne , es ist der Gedanke  ; aber im Momente des Willens ist das Gesetz lebendig . Der allgemeine Geist ist zuerst der schlechthin gediegene allgemeine Geist  ; dann aber auch der concrete allgemeine Geist , der sich reproducirt , und diese 2 Momente machen den Geist aus . Der einzelne ist der Sohn seines Volkes , alles was er weiß ist in der allgemeinen Substanz enthalten  ; das allgemeine ist sein Boden , in dem er ein Seyn eine Stelle hat , und so ist denn auch der Zweck aller , daß dieses Wesen diese Substanz sey , daß sie immer hervorgebracht werde . Die Individuen sind Momente dieser Substanz , sie wissen von sich als besonderen , aber all ihr Wissen hat seine Vermittlung an der unmittelbaren Substanz . Diese Substanz ist das reale Selbstbewustseyn aller . Nach der Seite dieses Selbstbewustseyns ist die Allgemeinheit des Wissens , der Geist in dem Wissen aller , der Gemeingeist . Bliebe er aber als ein ganzes substantielles , so wäre er ein in sich ungegliedertes , sein Wille wäre nur ganzer ununterschiedener Wille , er wäre Willkühr . Der Geist ist unmittelbar wirklich  ; er ist das Wissende und Gewußte , und dieses Wissen selbst ist Selbstbewustseyn , er hat Wirklichkeit . Die Gewißheit 6 enthält aber] aber enthält aber   16 werden] wird   26 dem] der   34 sein] seine  

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die sittlichkeit155

der Individuen ihrer selbst ist die unmittelbare Wirklichkeit des Geistes  ; aber die unmittelbare Wirklichkeit ist zufällig , sie ist eine mögliche , die so und auch nicht so seyn kann . Die Substanz aber ist die unmittelbare Wirklichkeit , und hat als solche noch nicht wahrhafte Realität . Hierauf bezieht es sich , wenn man sagt , im Staate soll Gemeingeist seyn , so ist der Gemeingeist die allgemeine Grundlage , aber es | darf dabey nicht stehen geblieben werden . Durch bloßes Zusprechen oder Befehlen , man solle Gemeingeist ha­ ben , kommt er nicht hervor , dieses Zusprechen ist moralisch , indem es dem Subjecte zugemuthet wird . Der Gemeingeist ist Gesinnung , aber er muß jedem einzelnen in sich selbst Zweck seyn , und kann nicht als moralisches dem Willen jedes einzelnen anheim gestellt werden . Durch Befehl wird er äußerlich als Pflicht zugemuthet . Der Gemeingeist ist , daß er sey  ; dazu ist erfoderlich , daß das Leben des Staates wirklich sey . Die Engländer haben Gemeingeist , weil sie wissen , jedem einzelnen wird sein Recht und der Staat als allgemeiner Wille ist ihr des Volkes eigener Wille . Alle Nationen finden das Wesen ihrer Freyheit ihre Substanz im Staate  ; aber im orientalischen Despotismus ist keine Gegliederung , die einzelnen verschwinden in einen Willen , und die Einheit ist ungegliedert in sich . Ebenso ist es in einem rein demokratischen Staate , in soferne jeder einzelne seinen Willen nur zu sagen hat , und dieser Wille unmittelbar geschieht , so ist auch dies Massenhafte , das so oder anderst seyn kann , vorhanden , und keine Nothwendigkeit .

§ . 130 .

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Das lebendige sich selbsthervorbringen der geistigen Substanz ist ihre organische T h ä t i g k e i t in sich , die Freyheit als negative Beziehung auf sich , hiermit die Unterscheidung des allgemeinen Geistes in sich selbst und das Hervorgehen seiner Allgemeinheit aus dieser Unterscheidung | der Gliederung und Theilung seines allgemeinen Geschäftes und Gewalt in die Momente seines BegriVes als in verschiedene Gewalten und Geschäfte . Dies , daß aus der bestimmten Wirksamkeit der unterschiedenen Geschäftssphären der Entzweck , welcher ebenso allgemeines Werk und Seyn als allgemeine Gesinnung ist , hervorgebracht wird , ist die i n ne r e No t hwe nd i g k e i t der Freyheit . Die Nothwendigkeit ist , daß unterschiedene sich selbst bestimmende sich unterscheidende da sind , in denen der BegriV entzweyt ist  ; aber er ist in ­beyden  , und ihre Bewegung ist , sich aufzulößen in diese Idendität . Der absolute Geist bestimmt sich selbst und ist die Natur , aber indem er in sich zurückkehrt , ist er der wahre Geist . Der Geist ist nur Leben durch diese Unter-

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scheidung . Die unvollkommenen Thiere sind die wenig gegliederten , die als Massen da sind , bey dem höheren Organismus geht die Reproduction durch diese Vermittlung Bewegung . Die gediegenen Thiere sind diese schwachen organischen Körper . Der Geist als Staat ist wesentlich dieses sich in sich zu unterscheiden , dies sich Theilen , und so verliert er seine Zufälligkeit , nur durch diese Theilung ist er ein lebendiges , organisches . Der Genuß wird sich nur als Zurückkommen aus dieser Unterscheidung . In der Religion erhebt sich das Individuum | über die Arbeit . Die allgemeine Freyheit ist auch kein Genuß , sondern ein ernstes und kein Ruhen . Die lebendige Würklichkeit , ist daß die Substanz immer sich hervorbringt , sich selbst bestimmt . Dies Moment der Negativität ist Moment der Freyheit . Die Unterschiede im Staate müssen als Glieder mit eigenthümlicher Organisation seyn , die in sich selbstständig sind , und das Ganze hervorbringen reproduciren . Der Geist ist als die substantielle gediegene Einheit , aber in diesem sich unterscheiden macht er sich zur Ursache . Wenn man sagt , die Verfassung sey die beste , wo die besten regieren , so ist dies etwas sehr triviales , in dem man die Ver­ fassung nicht von Zufälligkeit abhängig machen kann , wenn sie gut seyn soll . Bey Plato und Aristoteles wird es als ein göttliches Glück angesehen , wenn die Besten die Regierung in Händen haben , und sie legen das Moment der Nothwendigkeit hinein , daß diese an der Spitze stehen .

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§ . 131 . Im BegriVe des Staates sind die 3 Momente enthalten  : 1)  Der allgemeine vernünftige Wille , theils als die Verfassung und Verfassungs­ gesetze , theils als Gesetze im eigentlichen Sinne , d ie Ve r f a s s u n g s e l b s t u n d d ie g e s e t z g e b e nd e G e w a lt [.] 2)  Die Besonderung des allgemeinen Willens , ie , die Subsumtion des Besonderen unter ihn | als Berathung und Reflection , theils das besondere in die Form der Allgemeinheit zu erheben , und es für dieselbe zuzubereiten , theils das allgemeine auf das einzelne anzuwenden , Re g ie r u n g s g e w a lt  . 3)  Die Reflection des Ganzen in sich , der individuelle Wille als letztes Entscheiden und Befehlen , f ü r s t l iche G e w a lt  . Diese Eintheilung ist die Eintheilung nach den Momenten des BegriVes selbst . So im Organismus die Sensibilität , und Irritabilität , und die Reproduction als Einheit der Sensibilität und Irritabilität . Der Staat ist 1) ein allgemeines als allgemeines  ; das allgemeine als an und für sich seyendes allgemeines ist die Verfassung , und das allgemeine in Beziehung auf das Besondere ist

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die sittlichkeit157

das Gesetz . Das Gesetz ist das Allgemeine des Besonderen . Die Verfassung ist absolute Gewalt , im Staate wird die Verfassung nicht gegeben , sondern er hat nur die gesetzgebende Gewalt . 2) Die Regierungsgewalt , die Anwendung des Allgemeinen auf das besondere , und das Erheben des Besonderen zum Allgemeinen , die Anwendung der Verfassung , der Gesetze . Es ist darin die Zubereitung für die Gesetze enthalten , und auch das Beschließen . Die Anwendung des allgemeinen auf das Besondere ist auch ein Beschließen . 3 .) Die Subjectivität des Ganzen , wodurch das | Ganze zu einem Subject wird , diese letzte Spitze der Piramide . Kant hat es ausgesprochen , daß die Freyheit nur durch die Trennung der Gewalten erhalten werde , und er machte die Unterschiede 1) der gesetzgebenden , constituirenden , 2) der richterlichen und 3) der executiven Gewalt . Bey dieser Eintheilung soll jede der 3 Gewalten die letzte Entschließung in sich haben , und durch dieses sind es 3 Gewalten  ; aber indem keine der andern untergeordnet ist , so ist das Ganze kein organisches , und indem jede von der andern getrennt ist , sind sie keine BegriVs­momente . Die gesetzgebende Gewalt gibt Gesetze , und die Gesetze sind nur das allgemeine , und das allgemeine als entscheidend ist ein subjectives  ; aber das allgemeine soll das sich selbst klare allgemeine seyn . Aber diese Momente sollen lebendige seyn , und also jedes die beyden andern in sich enthalten . Die Gesetz gebende Gewalt ist beschließend , so ist auch die Regierungsgewalt entscheidend , und die fürstliche Gewalt als lebendige ist auch zwar das entscheidende aber das entscheidende nach dem allgemeinen und in dem allgemeinen .

§ . 132 . 25

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Diese Theilung ist 1)  Die absolute Garantie für die Freyheit , weil | durch sie die Freyheit allein in sich würkliche Re cht e hat  ; das Recht ist das D a s e y n der Freyheit  ; Daseyn ist aber nur in der Bestimmung und Unterscheidung vorhanden . Dadurch daß in der Verfassung die besonderen Geschäfte des allgemeinen Willens nicht nur Pflichten , sondern als unterschiedene Gewalten auch a l s Re cht e sind , ist die Verknüpfung des allgemeinen Willens und der Besonderheit , nämlich der Seite vorhanden , in welche sich die eigenthümliche Thätigkeit und das Interesse der I­ndividuen legt , und deren Rechte sie als die ihrigen zu vertheidigen

12 der] u   14 untergeordnet] untergeortnete  

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haben , so wie die Individuen , die solcher besonderen Pflicht angehören durch diese ­Thei­lung der allgemeinen Arbeit gebildet werden , und ihr eigenthümliches Selbst­bewust­seyn in Erhaltung eines wesentlichen Momentes des allgemeinen Willens als eines eigenen Rechtes haben . Wie der besondere Wille der Individuen als besonderer vereinigt und zu vereinigen sey mit dem allgemeinen Willen . Daß die Individuen thätig seyen , daß sie ein Interesse haben , dazu gehört , daß sie ein besonderes Eigen­thum besitzen . Da die Individuen lebendige würkliche Subjecte sind , so muß es seyn , daß die Individuen für das allgemeine würkend ihre besonderen Zwecke erreichen . Wenn der | Staat als Individuum sich gegen ein anderes Individuum einen andern Staat zu erhalten hat , so ist der ganze Staat und sind alle Bürger desselben mitbetheiligt . Anderst ist es aber in dem Staate selbst . Die Menschen nehmen am allgemeinen keinen Antheil , wenn sie nicht ihren Eigennutz darin haben . Das allgemeine muß aber nothwendig geschehen , und der moralische Wille braucht hier nicht berücksichtigt zu werden , sondern da das allgemeine geschehen muß , so muß die Einzelnheit eines jeden als solchen im allgemeinen liegen . Das allgemeine muß vollbracht werden , und so daß der einzelne indem er das allgemeine vollbringt für sich würkt . In dem allgemeinen Willen muß die Besonderheit des individuellen Willens erhalten werden . Dies ist diese reale Vereinigung der Allgemeinheit und Besonderheit . Dies ist auf der einen Seite Patriotismus , und auf der andern seite kann man sagen , daß das Individuum seinem Egoismus folgt . Im Gemeingeiste in dem Patriotismus ist nicht diese Garantie , sondern indem der allgemeine Wille sich besondert , hört er auf ein blos moralischer zu seyn , und wird nothwendiger . Die Theilung ist nun , daß dem Individuum ein Geschäft zugewießen wird , worin es seine Existenz und Ehre hat , welches zum allgemeinen dienlich ist . Der massenhafte Patriotismus hat an sich keine Nothwendigkeit , | und in ihm sind keine Rechte . Ebenso gibt es im Despotismus keine Rechte . Der bekannte Spruch ist divide et impera , man müsse theilen , um mit den besonderen als besonderen und nicht mit allen verbundenen es zu thun zu haben , aber durch eben dieses divide et impera kommt auch erst die Freyheit zu Stande , indem das elementarische Wollen und Handeln dadurch aufgehoben wird . (Daß der Staat Rechte gegen andere Staaten hat liegt unmittelbar darin daß er von diesen ein unterschiedener ist , aber wir sprechen erst von den Verhältnissen im Staate selbst .) Daß die Freyheit als Recht sey , muß sie sich unmittelbare Äußerlichkeit geben . Diese allgemeine Freyheit kommt nur zu einem Daseyn in sich , zu einem Seyn für 29 divide] divite   31 divide] divite  

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die sittlichkeit159

anderes , durch unterscheiden und bestimmen . Das Urtheil ist das unmittelbare Daseyn des BegriVes , erst als Urtheil hat der BegriV Daseyn . Indem in der Verfassung die Freyheit Daseyn hat , ie , die Geschäfte des allgemeinen Willens besondert werden , entstehen Rechte  ; als wesentliche Momente der Freyheit des Ganzen haben sie Nothwendigkeit , und Daseyn , und Pflichten und Rechte treten ein . Dadurch ist die Vereinigung des allgemeinen und besonderen Willens vorhanden , die Individuen denen nach ihrer Willkühr ein solches Geschäft zugetheilt ist , die sich einem Geschäfte widmen , haben darin | ihre Geschicklichkeit , und sie gehören als besondere diesem Fache an , und das eigenthümliche Interesse die eigenthümliche Thätigkeit der Individuen ist darin hineingelegt . Im Patriotismus soll einer seyn wie alle , aber in dieser StuVe der Bildung tritt diese Besonderung auf . In einer Republick , wo der Grad der Bildung noch nicht vorhanden ist tritt diese Tugend der Alten ein . Aber dies Moment des unendlichen Werthes , welches das Individuum als Individuum in sich hat , dies Princip der christlichen Religion , daß der einzelne als einzelner gelte , keine Sclaverey sey , daß das eine sich in der Religion so sehr als Gegenstand der göttlichen Liebe weiß , als alle andern , muß das Einzelne sich Existenz geben , und sein Daseyn ist die Besonderheit , das Subject ist nur das einzelne , das Prädicat , die Eigenschaft macht die Besonderheit das Daseyn des Subjectes aus , und die Besonderheit hat die Beziehung auf die Allgemeinheit . Einerseits muß das allgemeine sich besonderen , und das Individuum hat in der Besonderheit nicht nur sein Wesen seine Substanz , sondern es erhält sich in dieser Besonderheit , es weiß als dieses besondere sich als im allgemeinen , es | arbeitet für die allgemeinheit . Das Individuum ist nur durch sein Hervorbringen in seiner Besonderheit , und dies ist sein Interesse , und sein reines Interesse ist , daß dieser Zweck durch es erreicht werde , daß es sich durch das Hervorbringen setze , daß es im Producte das Bewustseyn seiner selbst habe , es muß das Product als das seinige wissen . Der Inhalt ist ein besonderes , hat Daseyn , und kann daher sehr verschieden seyn , er kann sich entweder nur auf die Subsistenz die Triebe der einzelnen beziehen , und dies ist der Eigennutz , oder auf das allgemeine . Wenn jeder das allgemeine in seinem Patriotismus thun will , dann ist diese Besonderung aufgehoben[.] So war nach dem Peloponesischen Kriege diese Unruhe in die Griechen gekommen , daß alle bey allem seyn , alle alles thun wollten , und so versinkt das ganze in ein kraftloses . Indem für das Individuum ein besonderes Geschäft angewießen ist , entsteht diese Theilung , die Arbeit wird eine abstracte , und bekommt die Form der 8 haben] haben sie   21 das] daß  

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Allgemeinheit , und das Individuum muß sich für sein Geschäft bilden . Im allgemeinen wo das Massenhafte existirt , wird das allgemeine ein zufälliges indem jeder glaubt , mit seinem guten Willen | sey alles gethan , und keine besondere Geschicklichkeit sey nöthig . In Beziehung gegen die Individuen muß die Bildung erfodert werden . In neueren Zeiten nun gehen die , welche für einen besonderen Stand keine Geschick­lich­keit sich erworben haben , in das allgemeine , Massenhafte , in den Militärstand und fehlen dort (so mit dem Obrist Massenbach , der als Generalquartirmeister bey einigen Affairen nicht recognoscirte und durch diesen Fehler der preußischen Armee sehr schadete , und vollkommene Unfähigkeit bewieß , immer links war , wo er rechts zu seyn glaubte . In neuern Zeiten , da er nun für den Militärstand nichts mehr war tratt er als Patriot auf) . – Diese Bildung ist ein unmittelbar nothwendiges . Wenn die Individuen in ein besonderes Geschäft ihre Geschicklichkeit legen , so müssen sie diesen Stand vertheidigen als den ihrigen ansehen . Der allgemeine Patriotismus wird gebildet , dadurch daß die allgemeine Freyheit durch die Besonderung wird . Der allgemeine Patriotismus muß vorhanden seyn , aber durch den esprit de corps werden . Haben nun solche Corporationen viele Privilegien so können sie dem Ganzen gefährlich werden , der Zweck der Corporationen muß vom Allgemeinen und für das Allgemeine ihnen ge­geben | werden . Der Mensch gibt nur durch seine Handlungen durch seine Thätigkeit kund was er ist , aber diese Thätigkeit muß ihren Grund ihren Zusammenhang im Allgemeinen haben , es muß ein Geschäfte des allgemeinen seyn , das er nicht als einzelner durch seine zufällige Willkühr , sondern als Mitglied eines corps ausführt . Indem er nun ein Geschäfte des Staates antritt , hat er seine Thätigkeit darin , und seine Gesinnung , und das ganze Corps muß sein Geschäft vertheidigen , hat die Verantwortlichkeit dafür  ; an der Spitze muß zwar ein einzelner stehen , aber die Corporation läßt diesen durch ein Corps von Räthen handeln . Im Corps vertheidigt jeder seine des einzelnen Ehre , und die Ehre des ganzen Corps .

§ . 133 .

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Indem diese Theilung die besonderen Geschäfte zu selbstständigen Körpern mit eigenthümlichen Rechten macht , darf sie 2)  ihnen nicht eine Unabhängigkeit gegen einander geben , so daß die Einheit des Ganzen aus ihrer selbstständigen Action resultiren soll , sondern ebenso , 17 esprit] ésprit   31 Theilung ] Theilung , welche  

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die sittlichkeit161

wie sie in sich eine Totalität sind , haben sie ihre Bestimmung und | ihre Rechte einerseits nur in und durch die allgemeine Verfassung , und andererseits müssen sie für die letzte Willensentscheidung in eine w ü r k l iche individuelle Einheit zusammenlaufen . Die verschiedenen Geschäfte die verschiedenen Gewalten müssen wesentlich in eine gedoppelte Einheit zusammenlaufen , in die innere und in die wesentlich individuelle Einheit . Jedes besondere Geschäft ist ein selbstständiges und hat den ganzen BegriV in ihm selbst , und in soferne eine Totalität , deren Bestimmung es ist , ein Moment des Ganzen auszumachen . Wo einzelne Stände , Corporationen für sich sorgten , (wie z . B . die Hanse in Deutschland , die die Pflicht des Staates und dessen Recht den Handel zu vertheidigen für sich nahm und über sich nahm) ist dieses Sorgen nicht vom Ganzen ausgegangen , und es ist Sache ihrer Willkühr . Dies nun daß aus dem allgemeinen alle Geschäfte Gewalten im Staate ausgehen müssen , ist die innere Einheit  ; und die äußere eigenthümlich existente Einheit  ; dieses scheint etwas überflüssiges daß eine höchste Gewalt alle Gewalten vereinige diese subjective Einheit , wenn jede einzelne Gewalt ihre Schuldigkeit thut , so scheint es , daß das allgemeine dadurch von selbst existent werde . Alle Constitutionen der Franzosen hatten diesen Fehler daß ihnen die Spitze , die subjective Einheit fehlte , und sie entstand nun nothwendig , als kaiserliche und nun königliche Gewalt . Nebeneinander stehende Gewalten | wo keine die Spitze der Pyramide macht , führen es mit sich , daß immer eine oder die andere Gewalt über die anderen sich erhebt und über ihnen steht . Bey den Franzosen , wo der König nur negativ Theil an der allgemeinen Gewalt hatte , nur ein veto gegen die Entwürfe des gesetzgebenden Körpers hatte , war die Spitze zu schwach , und ein Zustand der Spannung war unvermeidlich , je mehr der gesetzgebende Körper in seinen verworfenen Vorschlägen Recht zu haben glaubte . In dieser Unabhängigkeit der Gewalten gegeneinander standen diese 2 Gewalten gegeneinander , und die Einheit mußte durch Kampf entschieden werden . Zuerst nun siegte die gesetzgebende Gewalt über die königliche Gewalt , und der König wurde von der gesetzgebenden Gewalt gerichtet und getödet . Nun stellte sich der Wohlfahrtsausschuß an die Spitze und der höchste leitende Punkt war Robespierre , und dieser individuelle Einheitspunkt , dem die gesetzgebende Gewalt knechtisch unter­ worfen war , verrichtete allgemein bewunderte Facta . Nun wurde eine ganz re­publickanische Verfassung entworfen (denn der gesetzgebende Körper war zerfallen) . Diese demokratische Constitution konnte aber wegen ihrer­ 5–6 wesentlich] wesentliche   33 Robespierre] Robertspierre  

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inneren Nichtigkeit nicht auftreten , und die Directorialconstitution entstand  ; aber das Grundübel blieb demohngeachtet , indem die gesetzgebende Gewalt ganz unabhängig vom Directorium war , | welches mit Glanz und großer Macht umgeben wurde . Der nothwendige Kampf entstand , jede Parthey machte sich nun zur Pflicht den Staat zu retten , aber die Gewalt , die an der Spitze der Armee stand , die Regierungsgewalt war die stärkere . Bonaparte stellte zuerst als Consul , dann als Kaiser diese Spitze wieder her  ; und da er das vernünftige verletzte so wurde diese Spitze ihrer äußeren Gewalt un­ geachtet abgestoßen . So stellte Fichte in seiner Constitution 2 selbstständige Gewalten einander gegenüber , das Ephorat der Regierungsgewalt , welches erstere die Gesetze nur zu bewachen hätte , und dessen Macht darin liegen sollte , daß es die Regierungsgewalt zuerst erinnerte , wo Fehler stattfänden , und würde dem Fehler nicht abgeholfen , daß es durch ein Inter­d ikt die Regierungsgewalt in allen ihren Zweigen hemmte , und die Regierungsgewalt stürzte , und die ganze Macht des Volkes sollte das Interdict des Ephorats , auf welches letztere es sein ganzes Zutrauen hätte , realisiren . Allein die Hohlheit dieser Verfassung liegt schon darin , daß 2 selbstständige Gewalten einander gegenüberstehen  ; und daß die Regierungsgewalt leicht das ganze Ephorat wie die Franzosen es machten , nach Cayenne schickte . | In Sparta , wo die Ephoren sehr stark waren , entstand durch sie eine furchtbare Aristokratie , die Cleomenes und Agis , die schönsten Charactere die man in der Geschichte kennt , nicht zu stürzen vermochten , da sie die alt Likurgische Verfassung zurückführen wollten . Diese Einfache Subjectivität , diese einfache Spitze (bey der Moral das Gewissen) ist wesentlich nach dem BegriVe nothwendig . In England ist auch der König diese letzte Spitze , aber durch das ganze der Verfassung verfällt er fast zu einem Nichts . Seit 1692 kam es niemals vor , daß der König sein veto gegen einen Parlamentsbeschluß einlegte  ; und das Ministerium das für alles verantwortlich ist , zerfällt auch in ein Nichts , wenn es nicht die Hälfte des Parlaments für sich hat . Aber diese innere Be­g riVs­ein­heit muß auch Würklichkeit haben .

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§ . 134 . Die erste Frage und die wichtigste scheint zu seyn , wer in einem Volke die Verfassung zu machen habe  ; allein die Verfassung ist vielmehr als die a n u n d f ü r s ich s e ye nd e G r u nd l a g e des rechtlichen und sittlichen Lebens eines 6 stand] steht   war] ist   10 Regierungsgewalt] Regierungsgewalt gegenüber   17–18 einander 35 gegenüberstehen] gegeneinander überstehen  

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die sittlichkeit163

Volkes und wesentlich nicht als etwas g e m a cht e s und s u bje c t i v g e s e t z t e s zu betrachten . Ihre absolute Ursache ist das in | der Geschichte sich entwickelnde Princip eines Volksgeistes . Die Ursachen der einzelnen Bestimmungen in dieser Entwicklung können eine sehr verschiedenartige Gestalt haben . Dies geschichtliche des Fortganges selbst gibt der Verfassung die Gestalt einer höheren Autorität . Es ist in diesem § . die Frage aufgestellt , wer hat die Verfassung zu machen , das Volk oder wer anderst  ; und die Antwort ist , niemand , sondern sie macht sich selbst . Es ist nichts leichter als die allgemeinen Principien einer Verfassung nun in Sätze zu bringen , denn diese BegriVe sind in unserer Zeit zu gewöhnlichen Abstractionen geworden . Seit 25 Jahren wurden ein bis 2 Dutzend Constitutionen gegeben , die alle so fehlerhaft mehr oder weniger waren . Die Verfassung ist die Grundlage , der Boden auf dem alles geschieht . Die Verfassung muß daher als eine ewige Grundlage angesehen werden , nicht als ein gemachtes . Alle Verfassungen sind auch die innern Entwicklungen des Volksgeistes , die Grundlage , worin er die StuVe seines Selbstbewustseyns ausdrückt . Das Volk mit seinem Geiste ist vorhanden , nur einzelne Bestimmungen können an dem Producte des Volksgeistes vorgenommen werden . Vorerst ist es eine ganz abstracte leere Frage , wer soll die Verfassung machen . Rousseau stellte die Verfassung als einen contract social aller mit einander , und aller mit jedem einzelnen vor  ; aber darin liegt nun das Belieben die | Willkühr der einzelnen ob sie den Vertrag eingehen wollen oder nicht . Aber der Volksgeist ist ein nothwendiges , und er soll bloß gewust werden , und dieses Wissen kann nicht die Sache des ganzen Volkes seyn , sondern nur der Gebildetsten , der Weisen . Dem , was man eigentlich Volk nennt die Bildung der Verfassung zu überlassen ist ein falsches , indem das Volk das Bewustseyn des Volksgeistes nicht gereift in sich hat . In älteren Zeiten wurde die Gesetzgebung als etwas göttliches angesehen , Moses gab durch Gott seine Verfassung . Da in Athen die Verfassung wegen dem Zwiste unter den Bürgern nicht mehr tauglich war , so fühlte man das sie einigende müsse gegeben werden , und sie übertrugen Solon ihre Verfassung zu formen . Solon gebrauchte das Orakel zur Autorität . Theseus als Heros vereinigte das zerstreutlebende Volk . Ludwig der 18te gab seinem Volke eine unverletzliche Verfassung , der König als die höchste Autorität gab diese Verfassung , er nahm alle liberalen Ideen die der Volksgeist entwickelt hatte seit der Revolution darin auf . Das Volk hatte das dumpfe Bewustseyn , was es haben müßte . Die öVentliche Meinung dieser große Hebel unserer Zeit hat einen wesentlichen Grund in sich , aber ebenso Oberflächlichkeit und 6 aufgestellt] auggestellt   16 Volk] Volk ist   30 müsse] müssen  

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falsche Dinge , und man darf sich nicht gerade an sie halten . Das wahrhafte des Volksgeistes | das , was der Volksgeist producirte , gab er in seiner Charte dem Volke , und er hatte die Kleinsinnigkeit der Emigranten und seiner Verwandten klüglich oder mit eigenem Willen nicht . Daß er dem Volke die Verfassung gab war nur der Act der Autorität , der Inhalt aber war der ge­läuterte Volksgeist . Und nun ist diese Charte der Leucht­thurm , dem die Form der Unveränderlichkeit zu Grunde liegt . Das bessere ist hier das schlechtere , weil es die Form der Unveränderlichkeit nicht in sich hat , und man muß deßwegen lieber um die Form der Unveränderlichkeit , die wesentlich ist , nicht zu nehmen das schlechte in der Verfassung lassen . Das Ganze der Verfassung muß die absolute Grundlage der Unveränderlichkeit haben . Aber die Verfassung selbst , der Volksgeist ist ein göttliches , macht sich in der Geschichte durch sich selbst . Die fürstliche Autorität im allgemeinen wurde als etwas göttliches betrachtet , aber die Verfassung muß so angesehen werden . Dieser Geist des Volkes ist es , der die Verfassung hervorbringt , und entwickelt  ; daher müssen einzelne Bestimmungen gemacht werden , aber wie sie gemacht werden , das ist auf vielfache Art möglich . Einzelnes kann verändert werden , aber nicht das Ganze , welches allmählich sich ausbildet  ; und das Volk kann das ganze Bewustseyn seines Geistes nicht auf einmal | verändern , welches durch einen ganzen Umsturz der Verfassung geschähe . Die Vasallen können mit dem Fürsten in oVen­baren Kampf kommen , der Fürst kann die fürstliche Gewalt , oder das Volk die seinige zum Nach­theile der andern zu heben suchen . Durch die Form der Bildung macht sich eine ruhige Veränderung , eine Ablegung der alten Schale und ein Verjüngen der Verfassung . Die Regierung dieser Mittelstand ringt mit einer der beyden andern Seiten , dem Volke oder dem Fürsten . Wird der Fürst über die Vasallen Meister , so kann eine vernünftige Verfassung entstehen , wenigstens ein formelles Ganzes , und so ging es in England und in Frankreich , der König wurde über die Vasallen Meister  ; umgekehrt war es in Deutschland und in Italien . Der Volksgeist ist die Substanz , was vernünf­ tig ist muß geschehen . Indem überhaupt die Verfassung eine Entwicklung ist , erhalten die einzelnen Momente die Form eines von einer Seite , dem Volke oder dem Fürsten errungenen , durch Verträge oder durch Gewalt (die Staatsform ist nicht gerade wesentlich die des Vertrages) . Dadurch nun daß die Verfassung als etwas von den Vorältern errungenes erscheint , bekommt 10 das] lieber das   26 einer] einem   27 kann] konnte   32 erhalten die … Momente] u die ein­ zelnen Momente 〈h〉 erhalten   33 errungenen] errungenes   34–35 Dadurch nun … bekommt] Dies nun … kommt  

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die sittlichkeit165

die äußere ­Gestalt eine höhere Autorität , die wahrhafte Vernünftigkeit ist aber die innere Autorität , die Übereinstimmung mit dem Volksgeiste . Die | Form der Verfassungsbildung durch Verträge ist nicht gerade das vernünf­ tige , sondern ein bloß formelles . Das Vernünftige muß sich aber immer helfen , dies ist das wahre , und man muß die Furcht aufgeben , daß schlechte Verfassungen gemacht werden könnten .

§ . 135 .

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Der allgemeine Unterschied der Verfassungen besteht darin , ob sie auf der Natur oder auf der Willensfreyheit beruhen . Nach jenem Princip sind es von Geburth edle Stämme und Heldengeschlechter , an welche sich die an Gesinnung und sonst schwächeren anknüpfen , und in einer natürlich göttlichen Abhängigkeit gegen sie stehen . Nach diesem Principe aber ist das Privat und das politische Recht eigenes Willens­eigen­thum der Individuen als solcher . Das patriarchalische und orienttalische System , weiter das aristokratische und zuletzt das demokratische System bezeichnen den Übergang aus dem natürlichen Principe der natürlich göttlichen Anschauung in das Princip des Willens , das Princip des geistig ­göttlichen  . Ob das Zusammenhalten des Staates auf der Natur oder auf der Willensfreyheit beruht , macht den Unterschied der Verfassungen aus . Der Anfang jedes BegriVes ist das Moment der Unmittelbarkeit , der Natur , und das Ziel ist das Moment der Vernünftigkeit . | Es kommt darauf an wie weit die Vernünftigkeit die Natur verdrängt hat . In der Geschichte sehen die Völker in dem Willen der Heroen ein Göttliches  ; dies ist der Anfang im Mythischen , und dies kann man den Naturstaat nennen . Versammelt nun einer Sattelliten um sich und unterwirft sich Städte , so ist dieses nur ein vorübergehendes Moment der Tyranney . Man muß die geistige und physische Gewalt zu­ sammenfassen , aber das Hauptmoment ist das Anschauen der Heroen als göttlicher Wesen . Der König ist der Priester und so ist die älteste königliche Regierung eine theokratische , und bey einigen Völkern wie bey den Juden wird theokrathie die Hauptsache , bey den meisten aber wie bey den Griechen Römern wurde die königliche Gewalt die Hauptsache . Indem der Mensch das Selbstbewustseyn noch nicht im hohen Grade hatte , machte er dieses nicht zum Bestimmenden für seine Handlungen , und er nahm Orakelsprüche . Der Schwächere gehorcht dem Stärkeren , als stärkerem Willen

35 10 edle] edler   19 beruht] besteht  

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der Freyheit , aber als etwas besonderem , einem übermenschlichen Wesen . Die Stärkere Gesinnung ist immer die Hauptsache , oft aber auch physische Stärke , um gegen wilde Thiere zu schützen . So sehen wir zuerst bey den Römern , Indiern und Griechen eine natürliche Stammesverschiedenheit  ; die Indier glauben , das höchste Wesen habe 4 Stämme erschaVen , und diese Stammesverschiedenheit scheint bleibend geworden zu seyn . | In Rom ist auch ein sehr wichtiges , welche Stämme diesen Staat begründeten  ; der Plebs scheint hier herrenlos zum Staate gekommen zu seyn , durch Eroberungen etc , und erst später zum Bewustseyn der ihm gebührenden Freyheit gekommen zu seyn . Das erste Princip gegen diese natürliche Entstehung der Staaten ist die Betrachtung des göttlichen Willens , Das 2te ist das Bewustseyn der Freyheit , und das Moment der Unendlichkeit des Selbstbewustseyns . Die königliche Einheit die sich durch die Patriarchalische Verfassung bildete mußte in Aristokratie sich verwandeln (so wie der Übergang von der Einheit Gottes zum Polytheismus ist) , und dann tratt erst das Demokratische Princip ein , das Princip wo jeder einzelne seine Freyheit ansieht . Dieses Demokratische konnte gegen diese natürlich göttliche Anschauung als unheilig erscheinen . (So sagt man auch man müsse Gott aus der Natur erkennen) , aber gegen diese erste Anschauung des göttlichen war die Freyheit des einzelnen das unheilige , aber damit tratt der Übergang zum geistig göttlichen ein . Von der Anschauung des Göttlichen als eines unmittelbaren , das nur wenige hätten , ist der Übergang in’s Demokratische nothwendig . Die Demokratie ist der Anfang der Freyheit des Willens  ; aber die Demokratie kann nicht mehr bestehen im geregelten Staate , denn sonst entstehen fürchterliche Kämpfe . Oder das Princip | der Arbeit ist die Bedingung der Democratie . Die Eintheilung der Verfassungen von Aristoteles in Demokratie Aristo­ kratie und Monarchie gründet sich auf die alten Verfassungen . Montesquieu sagt hierüber von der Demokratie , ihr Princip sey die Tugend , das Princip der Monarchie sey die Ehre , und das der Despotie der Schrecken . In der Demokratie ist besonderheit der Zwecke nicht eintretend , sondern das ganze des Staates  ; in soferne die Sitten in einer Demokratie aufhören tugendhaft zu seyn , ist die Freyheit verloren . Wenn die Tugend verschwindet so tritt Ruhmsucht und Ehrgeitz in die Herzen derer die derselben fähig sind , und Habsucht in die Herzen aller  ; denn jeder will aus dem Staatsschatz so viel für sich nehmen als er nur vermag . Die Republick ist die Herrschaft weniger und die Zügellosigkeit aller . Er sagt von einem Jünglinge der nicht die Republick wünschte , so wie von einem Alten der nicht die Republick ver6 In] Im   10 diese] dieses   16 ein] seyn   29 Monarchie] Aristokratie  

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wünschte würde ich wenig halten . Das Princip der Besonderheit ist in der Demokratie nicht enthalten , und wenn es eintritt so würkt es vernichtend auf sie  ; Das Princip der Besonderheit wenn es nicht mit dem allgemeinen versöhnt ist würkt zerstörend , und dies ist der Mangel der Demokratie , daß sie dieses Princip , welches kommen muß , nicht in sich hat . Erst diese Versöh­ nung ist es , was dem | Princip der Besonderheit seine Schädlichkeit nimmt . Montesquieu sagt weiter , das Princip der Aristokratie sey Mäßigung  ; denn hier ist eine Vielheit von regierenden vorhanden um den Neid der Aristokraten gegen einander zu mäßigen . Die Aristokraten müssen sich gegen die ihnen so nahestehenden Bürger mäßigen . In der Monarchie treten die Gesetze an die Stelle aller Tugenden , das Mobil aber ist die Ehre , jeder trägt zum Gemeinwohl bey , in dem er glaubt , sein eigenes Interesse zu besorgen , und daß dadurch daß jeder sich selbst zum Zwecke macht durch die Verflechtung das ganze hervorgeht , nicht aber , wie in der Demokratie alles zu Grunde geht . Wenn man nun die Tugend der Demokratie dem Egoismus der Monarchie entgegensetzt , so scheint die Monarchie ein niedereres  ; aber die Standesehre tritt ein , und die Recht­schaVen­heit ist Tugend . Die bürgerliche Gesellschaft nach diesen Zwecken der Besonderheit geht dann auch über in Sorge für das allgemeine , in dem die einzelnen Theile sich an das ganze anschließen . Die Gesinnung ist nicht wesentlich in der Monarchie  ; aber der Übergang macht das allgemeine als allgemeines zum Zwecke , im politischen Leben . In der Ehre ist die Persönlichkeit Zweck in der Vorstellung der andern  ; aber auch in der Realität muß der Egoismus eintreten . In der Despotie ist nach Montesquieu die Furcht das Princip . Die Großen hangen ab von der Willkühr der Fürsten , der Kopf des niedrigsten Unter­thans ist unter dem | Schutze der Gesetze  ; denn wenn der einzelne im Volke an­ ge­g riVen wird , so ist das ganze Volk an­ge­g riVen , und der Despot ist verloren  ; die Großen hingegen drücken das Volk , und dem Despoten stehen sie zu nahe . Die Bildung in der Türkey kann unter den vornehmeren Türken deß­wegen nicht voranschreiten , weil wenn diese oder der Despot von Religion oder Gebräuchen abweichen und sich auszeichnen wollen , das Volk in Masse über sie herfällt . Die Furcht vor den Großen und vor dem m ­ assenhaften Volke hält den Despoten im Zaume , und je despotischer grausamer er gegen die Großen ist , gegen die er es nur seyn kann um so besser hat es gewöhnlich das Volk . – In der Monarchie müssen die Gewalten , die in der Despotie dem Despoten gegen die Großen nicht aber gegen die Grundgesetze zustehen , getheilt werden , als einzelner kann der Monarch nicht alles thun , sondern muß die Execution andern übertragen . In der Feudalmonarchie haben die Großen eine angeborene Gewalt , und die niederen Bürger hängen von

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d­ iesen ab  ; so war Pohlen eine Monarchie und konnte als Republick betrachtet werden . Für seine Sicherheit und für die Sicherheit des Volkes zugleich muß der Monarch die Gewalten theilen , wenn er diese vereinigt seinen Sa­ trappen gibt , so brauchen diese nur einen geringen Schritt zu machen um unabhängig zu seyn . Reich unterscheidet man von Monarchie , so nannte man | Deutschland das deutsche Reich , es kann hier Anarchie bedeuten , denn die Verbindung der Fürsten zu gehorchen hing von ihrer Macht ab , und die kleinen Fürsten waren die getreusten . In der Aristokratie sind die Gewalten weniger getheilt , denn der Rath aus Aristokraten bestehend hat die gesetzgebende und executive Gewalt , besonders indem die nicht im Rathe seyenden Adelichen die übrigen Zweige der Regierungsgewalt auch an sich ziehen , und so ist der Sache nach , wenn gleich nicht dem Rechte nach , den untergebenen aller Antheil an der Regierungsgewalt entzogen . In der Demokratie fallen unmittelbar alle Gewalten zusammen , das Volk ist der oberste Gesetzgeber , der oberste Richter , für die Execution bedarf es allerdings eines Individuums , z . B . eines Feldherrn , aber es ist ihm die Gewalt nicht bestimmt übertragen , und er kann nicht wissen wie weit er gehen kann . In dem unsteeten Volke stehen keine Gesetze fest . So wie man jetzt über die Regenten schimpft so wurde sich zu Thucidides Zeiten über das Volk beklagt .

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§ . 136 . Die nähere BeschaVenheit der Verfassung eines Volkes hängt außer seinem ­geographisch unterschiedenen Principe von der Stufe des Selbstbewustseyns über die Freyheit , von seiner geistichen Bildung überhaupt ab . Ein wichtiges | Moment ist auch die äußere Größe eines Staates , durch welche das gemeinsame Interesse dem Individuum näher oder fremder und sein thätiger Antheil daran wichtiger oder unbedeutender wird  ; sowie auch das Selbstbewustseyn eines ­Volkes von seiner politischen inneren Selbstständigkeit mit den Verhältnissen zu anderen Nationen zusammenhängt . Die geistiche Bildung eines Volkes , die auf die Verfassung den größten Einfluß als auf das von ihr belebte hat , macht eine Verfassung , die für ein anderes Volk paßt für dieses Volk untauglich . Das vernünftige soll seyn , aber es hat seine Existenz nur in dem Selbstbewustseyn eines Volkes . Es ist daher nichts so unvernünftiges , als sich auf die Verfassung der Griechen und

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3 wenn] wenn wenn   19–20 wurde sich … beklagt .] zu Thucidides Zeiten über das Volk sich 35 beklagt wurde .   31 hat] ist  

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Römer für unsere Verfassungen zu berufen , vieles was in diesen ­Staaten seyn konnte kann jetzt in unseren Staaten nicht angewendet werden . Man klagt so häufig , daß man die Geschichte so wenig benutzte  ; aber die einzelnen Fälle sind unendlich verschieden , und auch das Gesetz ist im geistichen verschieden , denn das menschliche Bewustseyn ist als perfectibles immer in Entwicklung begriVen . Das geographische Princip , macht großen Unter­ schied in den Verfassungen von Völkern die unter verschiedenen Himmelsstrichen wohnen nothwendig , in dem | das Clima so sehr influirt . Wie bey den Vögeln nach außen auf den Farbenglanz alles getrieben wird im Süden , und im Norden im innern bleibt , und schöner Gesang sie ziert , so auch mit den Menschen . Innerhalb der Allgemeinheit Menschen zu seyn , ist eine sehr große Verschiedenheit in Ansichten unter den Völkern . Auch die geschichtliche Stufe auf der ein Volk steht macht großen Einfluß auf die für es taugliche Verfassung . Auch die äußere Quantität macht Unterschiede , so können Despotien ungeheuer groß werden , aber Demokratien nur in kleinen Staaten stattfinden . Im römischen Staate brachte die zu große Ausdehnung des Reichs über so hederogene Völker den nothwendigen Umsturz  ; und es war große Thorheit von Brutus und Cicero und so vielen individuell so großen Männern zu glauben , durch die AusdemWegeräumung Cäsars sey die Republick hergestellt . Die Ausdehnung des Staates bringt meistens Elemente in die Verfassung , die nur feindlich gegen sie würken können . Man kann daher nicht gut von kleinen Staaten auf große Staaten schließen , besonders hinsichtlich der Selbstständigkeit nach außen . Die kleinen Staaten , die nur dem Nahmen nach selbstständig sind , sind mehr in Verhältniß von einer bloß bürgerlichen Gesellschaft . Das Verhältniß zu äußeren , das Gefühl der Ohnmacht , macht | daß die Regirten und die Regierenden sich ruhig verhalten . Die großen Staaten die viel mit auswärtigem zu thun haben , haben die Garantie ihres Bestehens in der Stellung gegen äußere Nationen . Je größer der Staat wird , umso mehr wird das gemeinsame Interesse den einzelnen Individuen fremd . Im Bewustseyn des Ackerbauers und des Kaufmanns der Seehandel treibt , ist nicht dasselbe Interesse der Einheit . Je größer die Anzahl der Bürger ist , um so mehr verhindert sich die Bedeutenheit des Einflusses des einzelnen auf das Ganze , und der einzelne verliert das Interesse . Die Wichtigkeit der Einzelnheit erscheint als so sehr gering . Das Bewustseyn der Nationalehre eines kleinen Staates ist ein ganz anderes als das der Bürger eines großen Staates , und dies verursacht ein

20 bringt] bringen   21 können] kann   27 Die] Bey   31 ist] hat  

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anderes Bewustseyn der Stärke der Rechte überhaupt . So verhält es sich mit der Preßfreyheit im Herzogthume Weimar , wo nun der Herzog eine Ordonanz gegen die durch die Verfassung gegebene Preßfreyheit , aus sich allein gibt[.] Die Abgeschiedenheit Englands vom Continente , die Möglichkeit so weit durch das beherrschte Meer Einfluß zu haben machen einen eigenen Geist , und eine eigene Verfassung nach außen . So mit Nordamerika wo der Überfluß anderer Staaten sich etablirte , und erst jetzt der Ackerbau , der sonst Basis ist , sich hebt , die Entfernung von Europa macht eine ganz eigene Verfassung wesentlich  ; nur unter solchen | eigenthümlichen Verhältnissen können Quäker Staatsbürger seyn , in deren Principe es liegt nicht Bürger zu seyn . Daher kann man nicht sagen , da dies in den Nordamerikanischen Freystaaten möglich ist , warum nicht auch bey uns?

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§ . 137 . In einem Volke , welches sich zur bürgerlichen Gesellschaft überhaupt zum Bewustseyn der Unendlichkeit des freyen Ich in seinem Daseyn , in seinem Be­ dürf­nisse Willkühr und Gewissen entwickelt hat , ist nur die c on s t it ut ione l le Mon a r ch ie möglich  ; denn die Reflection der Besonderheit in sich ist nach einer Seite der allgemeine Geist , der als in sich concrete Individualität sich in seine besonderen Momente gliedert , die Verfassung  ; nach der anderen Seite aber ist sie das Moment der würklichen Einzelnheit , des individuellen Subjectes des Monarchen . Die höchste Form des Volkes ist , daß alle einzelnen Momente entwickelt sind , und vollkommen ausgebildet sind zu einem vollständigen Systeme in sich , welches in seinen Momenten das Ganze construirt hat . Dies Bewustseyn des Volkes beruht auf dem Bewustseyn der Unendlichkeit des | freyen Ich . Das Fürsichseyn des Individuums , welches als Laster in der Demokratie erscheint , und die Erscheinung der Künste und Wissenschaften , welche hauptsächlich am Sturze Athens würkte , indem die Gelehrten und Künstler selbstständig nur für ihre Kunst und Wissenschaft , mit Gleichgültigkeit gegen Politisches Interesse sich machten . Dieses ist ein Zeichen der höchsten Bildung Griechenlands aber zu gleicher Zeit der Ruin des Staates , der in ­seiner Verfassung diese Momente nicht begreift . In soferne nun dieses ­Princip hervortritt hört das Massenhafte der Demokratie und des Despotismus auf , und das auseinandergehen tritt ein . Dies ist das Moment in der 8 macht] machen   24 seinen] seinem  

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Mitte zwischen beyden Extremen , in seiner Handlung seine eigene Wahl zu haben nach seinem Gewissen frey handeln zu können , die Reflection erhebt diese Besonderheit des Individuums in die Allgemeinheit  ; daß nun die Besonderheit indem sie für sich ist , auch für das allgemeine ist , ist das ganze der Verfassung , sich in solche Totalitäten auseinander zu legen , die durch diese Gegliederung selbst Momente eines ganzen ausmachen . Dieses Princip der Besonderheit erfodert Gesetze , die ihm die Besonderung | garantiren , und zu gleicher Zeit die Besonderungen zum allgemeinen zurückführen . Das besondere erhebt sich in die Individualität Subjectivität und die Allgemeinheit . Die Verfassung muß nun die Besonderheit enthalten , das Geltend­machen der Allgemeinheit , dies ist die Negation der Besonderheit , das andere Extrem ist die höchste Spitze die als individuelles Subject ist , der Monarch . Diese 3 Momente sind nichts anders als die Darstellung des BegriVes selbst auf die allgemeine Freyheit . Diese 3 Momente müssen wir betrachten und ihr Übergehen in das eine Ganze .

a) Die fürstliche Gewalt . § . 138 .

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Die fürstliche Gewalt enthält selbst die 3 Momente der Allgemeinheit der ­Verfassung und der Gesetze , woran sie ihre substantielle Grundlage hat , alsdenn der Berathung überhaupt , und dann der letzten Entscheidung . Diese Entscheidung als das individuelle kommt einem würklichen Individuum als nummerischem Eins zu , dem Mon a r che n  , der als diese letzte und unmittelbare Einzelnheit | des abstracten Selbsts des Willens auf unmittelbare , also n a t ü r l iche We i s e  , somit durch die G e­b u r t h dazu bestimmt ist . Hierdurch ist die Möglichkeit , die letzte und würkliche Einheit des Staates zum Zwecke der Willkühr zu machen , und sie in die Sphäre der Besonderheit gegen andere Besonderheiten herabzuziehen , der Kampf von Factionen gegen Factionen um den Thron selbst und die Schwächung der Staatsgewalt zu ihren Gunsten gehemmt und aufgehoben , so wie das zufällige im persönlichen des Monarchen durch die ganze innere Consistenz der Verfassung und der Regierungsgewalt gleichgültiger wird . Jede der 3 Gewalten ist geschlossenes Ganze , aber in sofern sie Glieder des Ganzen sind , enthält jede wieder die 3 Momente . Die Fürstliche Gewalt hat die Verfassung zur Grundlage , und das geben der Gesetze ist nicht seinem 7 Besonderheit] Erfoderung  16 a)] 1)  

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ganzen Umfange nach in ihr enthalten  ; Verfassung und Gesetze machen die Grundlage der fürstlichen Gewalt aus , darnach muß der Fürst regieren , das Moment der Besonderung , der Anwendung der Allgemeinen Principien auf die besonderen Gesetze , die Berathung ist das | 2te , und das 3te ist dieser letzte Punkt , das individuelle selbst , ein würkliches Individuum , welches die letzte Spitze der ganzen Piramide ausmacht . Die fürstliche Gewalt ist selbst eines der Momente der Verfassung , und das Vernünftige nach dem sie ihre Entscheidungen zu reguliren hat , sind die Gesetze , welche für die fürstliche Gewalt vorhanden sind . Das Moment der Berathung ist , daß die besondern Angelegenheiten unter das allgemeine subsummirt werden , daß gesehen wird was das thunliche das vortheilhafteste ist , wo die Klugheit eintritt , ferner aus dem besonderen das allgemeine abzuleiten und zu machen daß es Gesetz werde  ; dies ist das Moment der Reflection . Zur Berathung gehört ein Ministerium  ; nur das Moment der letzten formellen Entscheidung steht dem Monarchen als einzelnem zu , er muß sagen , ich will es , dies ist das letzte Moment der Individualität  ; diese letzte Gewißheit kommt wesentlich einem unmittelbaren numerischen Eins zu  ; das bloße Entscheiden für sich genommen . Dieses letzte ist im Staate ein äußeres , in der Moralität ist es ein inneres , das Gewissen , welches nach seiner Einsicht des besten entscheidet , dieser Punkt der Innerlichkeit . Dies bloß formelle kommt dem Monarchen als solchem zu . Daß nun das Wohl der Völker von der zufälligen Individualität des Monarchen abhängen soll ist hauptsächlich eine Betrachtung der neueren Zeiten . Denn früher war der Fürst der | Mittelpunkt in dem aller Reichthum und alle Pracht und aller Glanz der Nation zur Anschauung kam , in neueren Zeiten ist dies aber nicht mehr so der Fall , nur der substantielle Stand hat noch das Zutrauen diesen Glauben an den Monarchen , und glaubt , daß es bloß die Beamten sind , die ohne Willen und Wissen des guten Monarchen ihn drücken . Dem Bürgerstand ist der Monarch gleichgültig , und es tritt bey ihm diese Philisterhafte Philosophie ein , daß es ungerecht sey , daß vom Monarchen diesem den das Schicksal zufällig wählte so viel abhänge , und wie sie sich selbst besser regieren wollten , und wie groß die Abgaben seyen . In einer gebildeten Verfassung wird durch die vernünftige und feste Organisation des Staates die Individualität des Monarchen unwichtig , und gerade in dieser Unbedeutenheit der Person des Regenten liegt die Kraft und Vernünftigkeit der Verfassung . Aber in einer Verfassung kann von dieser Persönlichkeit aller dings mehr abhangen als in einer anderen . Der Glanz nun , den der Monarch um sich breitet und die Ausgaben die er 12 daß] das   17 numerischen] Homerischen   21 Daß] Das   25 kam] kann   37 Der] Über den  

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deßwegen durch seinen Hof macht werden in neueren Zeiten meistens durch die Privatgüter , Domänen des Regenten gedeckt . In alten Zeiten sah das Volk im Glanze des Monarchen seinen eigenen Genuß . Ist aber der Monarch kein Privateigenthümer | so muß durch das allgemeine so für ihn gesorgt werden , daß er als der Reichste erscheine und auch in Pracht allen seinen Unterthanen vorstehe . Nach der allgemeinen Anschauung ist die alte Ansicht noch besser , wo das Volk in Tempel in Paläste des Regenten u . d . g . nicht in sein Privatvermögen , alles setzte , und das ganze reich , der einzelne aber arm war , und am allgemeinen Schatze seinen Reichthum hatte . Weil nun dem Monarchen die unmittelbare letzte Entscheidung zukommt , so muß er unmittelbar auf natürliche Weise , durch die Ge­burth Monarch seyn . Die letzte Abstraction der Gewißheit in sich ist die Unmittelbarkeit . Bey der Wahl liegt immer das objective das Bessere , die Gründe vor Augen , beym Monarchen ist es aber das rein subjective nicht das objective , was nöthig ist . Bey den Ständen , der gesetzgebenden Gewalt wird noch weiter hier von geredet werden . Diese letzte Entscheidung ist das Princip des Monarchen . In alten Zeiten sahen wir diese letzte Entscheidung im Orakel , im Vögelflug u . s . w . Bey allen Dingen nun gibt es Gründe und Gegengründe ohne Ende , und es muß dieses letzte ich will diesem ein Ende machen . Die Priester lebten bey den Alten ohne in die Würklichkeit verwickelt zu seyn in der Mitte und sprachen Instinktartig | die letzte Entscheidung aus . Was nun das entscheiden durch die Eingeweide der Opfer ­thiere betriVt , so hat dies Ähnlichkeit mit dem , wenn man , unschlüssig mit sich selbst , sich durch eine Zufälligkeit bestimmen läßt . In neueren Zeiten aber ist das Selbst­bewust­ seyn dahin gekommen , in sich diese Zufälligkeit zu legen , und nicht mehr es der äußeren Natur zu überlassen . Und so ist im Monarchen dieses letzte Orakel , dieses zufällige der letzten Entscheidung . So wie bey den alten diese Entscheidung der Besonderheit entnommen war , so ist sie durch die Ge­burth der Besonderheit bey uns entnommen , und durch dieses Geburths Recht macht die Nachfolge der Monarchen sich natürlich . Das Wahlreich scheint augenblicklich ein Vernünftigeres zu seyn , wenn man sagt , der beste soll Regent seyn , die Gesammtheit der Freyen versammelt sich und erhebt bey Acclamation des Ganzen Volkes den Regenten auf ihren Schildern  ; aber dies kann nur bey einem roheren Volke stattfinden , wo der Regent hauptsächlich Feldherr seyn muß . Denn im WahlReiche hängt es von der Meinung der besonderen Individuen ab , wer Monarch seyn solle , und so ist die Willkühr zum ersten im Staate gemacht , und die Besonderheit erwürkt Factionen , und 1 werden] wird   7 Tempel] Tempeln   Paläste] Palästen   8 sein] seinem   17 Zeiten] Seiten  

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die besonderen Interessen der | einzelnen capituliren mit dem Regenten , und stürtzen durch diese Privilegien die sie an sich reißen die Verfassung . Die den Regenten wählen sollen sind concrete Individuen , die besondere Zwecke zu erreichen streben . Denn es ist Moment im Staate , daß die besonderen Interessen seyn sollen , und die Wahl wäre ein Act wo die Interessen fehlen sollen , und dies wäre ein Widerspruch in der Verfassung . Man hat viel darüber räsonirt , daß unsere Regenten fast nichts thun als ihren Nahmen unterschreiben  ; aber man sieht den Werth dieses Formellen nicht ein .

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§ . 139 . Weil das Objective der Entscheidung der Inhalt und die gesetzlichen und Klugheitsgründe nicht unmittelbar in der Subjectivität des Beschließens enthalten sind , und daher einer von dem formellen Willen des Monarchen unterschiedenen Berathung zukommen , so ist der Monarch für alle Regierungshandlungen unverantwortlich , er ist der oberste Repräsentant seines Volkes  ; aber weder der oberste Staatsbeamte , noch vom Volke beauftragt und besoldet , noch ist er im Vertragsverhältnisse mit demselben . In solchen Bestimmungen liegt eine Begründung durch den Willen , die der Unmittelbarkeit der Subjectivität , welche die Be­g riVs­bestim­mung des Monarchen ausmacht , | widerspricht . Es kommt dem Monarchen ins besondere auch das letzte Beschließen in Ernennung der Staatsbeamten , so wie in Rücksicht auf die RechtsPflege für die Begnadigung der Verbrecher zu . Der Monarch handelt bloß als ein subjectives , und nur das Objective einer Handlung kann gerechtfertigt werden , daher ist er nicht verantwortlich , denn nicht dies objective , sondern nur das ganz formelle des Willens , kommt ihm in seinen Regierungshandlungen zu . Wie das Orakel , die Vögel , die Sterne nicht verantwortlich sind für das was sie angeben , so auch der Monarch , und in diesem Sinne sagt man von ihm mit Recht , er hat keinen Richter als sich selbst und Gott über sich . Die Göttlichkeit der Autorität des Monarchen ist das , daß er das Moment der unmittelbarkeit in sich hat , das Vernünftig göttliche ist die Verfassung , der Monarch ist das natürlich göttliche . Die Willkühr des Monrachen ist die abstracte Willkühr . Die negative Einheit ist zwar das geistichste Moment , aber auf dieser letzten Spitze ist des Zurückgangs wegen das Moment der Subjectivität . Jakob II

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13 zukommen] zukommt   24–25 nicht dies … Regierungshandlungen] dies … Regierungshand35 lungen nicht   32 geistichste] geisticheste (aus geistiche)  

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in England behauptete die göttliche Autorität des Monarchen  ; aber darin lag , daß auch das objective Sache der Willkühr des Monarchen sey , das was Recht ist . So sagt man daß Gott eine willkühr sey , und man will die Gottheit nicht in der Natur , sondern in Wundern erkennen . | Man ließ nun Jacob II die Willkühr , aber das objective des Wollens wurde von der königlichen Willkühr abgesondert , und das Parlament übernahm es . Der Monarch ist der oberste Repräsentant seines Volkes  ; so sehr die vom Volke gewählten Repräsentanten des Volkes sind , so sind es auch der Regent und die Staatsbeamten . Besonders repräsentirt der Monarch als letzte Spitze sein Volk im Verhältniß zu andern Völkern . Der Monarch ist nicht der oberste Staats­ beamte beauftragt besoldet von dem Volke , und in Vertragsverhältnissen mit demselben . Der Monarch ist , diese höchste Zufälligkeit ist  ; die Entäußerung des objectiven Willens ist . Der Monarch macht gerade das Moment des unbegründeten grundlosen formellen Beschließens . Kein Vertrag ist es weil es von der Willkühr des Volkes dann abhinge wie und ob es grade mit diesem Subjecte pacisciren wollte . Im Wahlreiche ist es eine Vermischung von besonderem Interesse und objectiven Gründen , die die Wahl bestimmen . Insoferne aber eine Familie aufhört , ausstirbt , dann tritt eine Unterbrechung ein , wo das Moment der Natürlichkeit schwankend wird , da muß eine andere Familie gewählt werden . Über die Ernennung der Staatsbeamten durch den Monarchen späterhin . Die fürstliche Gewalt kann nur nach vorgelegten Gründen begnadigen . Ihm bey dem Recht und | Unrecht aufhört , wie bey dem Gewissen , kommt die Begnadigung zu . Die Gerichtshöfe empfehlen häufig Verbrecher dem Regenten zur Begnadigung .

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Das andere in der Fürstengewalt enthaltene Moment ist eine berathende Stelle , welche das allgemeine , den Inhalt und die Gründe , das objective der Sache überhaupt an den Monarchen bringt , theils ein Ministerium , das an der Spitze der vollziehenden oder der Regierungsgewalt steht für die Entscheidung der besonderen Angelegenheiten , theils ein Staatsrath für das Vorbereiten und die Be­rathung der allgemeinen Angelegenheiten als allgemeiner und als Gesetze . Auf diese Räthe fällt die Verantwortlichkeit der Regierungshandlungen  ; ihre persön­liche Wahl , so wie ihre Entlassung fällt in die Willkühr des Monarchen , mit dessen besonderer Person sie es zu thun haben . Indem die Verantwortlich-

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keit der fürstlichen Gewalt auf die Minister fällt , so kann keine bloß persönlich und etwa von der subjectiven Umgebung des Monarchen dem Hofe bestimmte Regentenhandlung stattfinden , und jede Entscheidung desselben muß von dem be­treVen­den | Minister unterzeichnet seyn . Staatsrath und Ministerium haben die Pflicht die Objectivität der Gründe dem Monarchen vorzulegen , der Minister hat die Entscheidung des Fürsten zu unterschreiben , und ist für sie verantwortlich . Hier ist die Monarchische Gewalt in soferne sie sich auf die Allgemeinheit bezieht betrachtet , das Moment der Allgemeinheit ist das 2te Moment der monarchischen Gewalt . Durch das Ministerium kommt das Objective die Gründe , überhaupt die Kenntniß der Sache an den Monarchen , und dieser kann nun nach diesen Gründen entscheiden oder nicht , der Wille kann so oder so entscheiden  ; aber in der Staatseinrichtung überhaupt ist es daß das Vernünftige geschehen muß , sie ist dies in sich organische System , wo die besondere Willkühr gegen die allgemeine Nothwendigkeit hinwegfällt , die Macht der Einrichtung ist das Vernünftige , und zu ihm muß man das Zutrauen haben , und nicht die Macht des Zufälligen für überwiegend halten . Die letzte Subjectivität ist gerade die Zufälligkeit , aber wie tritt sie in die Nothwendigkeit des Ganzen ohne zu zerstören ein ? Sie ist als letzter beschließender Stein ein nothwendiges Moment im Ganzen , und das Ganze und es in diesem Ganzen be­stehen . Ein Monarch an der Spitze eines Staates ohne vernünftige Ver­ fassung faßt das Ganze in seine Willkühr und kann alles verderben . Das was durch den BegriV nothwendig ist , daß dieses ist , muß Zutrauen einflößen . In den großen Foderungen an den Fürsten liegt überhaupt | die Vorstellung eines despotischen Staates , wo die vernünftige Verfassung fehlt . Es ist so etwas mysterieuses um den Monarchen , das der gemeine Mann nicht zu durchschauen vermag und nicht soll , und er überträgt daher alle Macht auf den Regenten der in fürstlicher Pracht sich zeigt , und glaubt von ihm hänge alles ab . Nach der Vernünftigkeit der Sache , die ihm das Ministerium an der Sache zeigt , soll der Fürst entscheiden , und dafür glaubte man durch eine besondere Erziehung der Fürsten am besten zu sorgen , in dem der an sich gut gebildete gewiß das beste wählen würde . Aber durch die Natur ist der Fürst der erste , und so über alle Zwecke der Besonderheit hinausgesetzt , über den Hochmuth Eigendünkel Neid haß und alles dieses hinausgesetzt , der Fürst als unmittelbar von allen als der erste anerkannt , kann keinen Hoch­muth haben , diese Ehrfurcht wiederfährt ihm , dadurch daß er anerkannt wird  ; alle diese Leidenschaften des Mittelstandes fallen beym Fürsten weg . Nach 26 das] daß  

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unserer Verfassung , die wir entwickeln , kann der Fürst nur für sich geitzig seyn , kann aber dem Staate so nicht schaden , indem nicht er sondern das Ministerium das Staatsvermögen zu verwalten hat , und er sein reichliches Auskommen durch seine ihm Verwilligten Haushaltungsgelder haben muß . Ebenso kann auch Wollust auf das ganze keinen Einfluß haben , besonders auch darum , weil er leicht alle Leidenschaften befriedigen kann , und die Position des einen Extrems des Fürsten , ist so einfach wie die des andern Extrems | des Bauern . Indem die Angelegenheiten durch die Ministerien an den Fürsten gebracht werden , so fällt dadurch sein Eigendünkel weg , indem nicht er , sondern der Minister sie entworfen hat , und sein Eigensinn etwas von ihm behauptetes durchzusetzen fällt weg . Er sieht die Angelegenheiten , allen Sphären und Zwecken der Besonderheit gegenübergestellt , mit einfachgebildetem Verstande gleichgültiger an , und die größte Wahrscheinlichkeit ist da daß er das Vernünftige wählen wird . Da nun aber die Minister es mit der Person des Monarchen zu thun haben , ihm die Gründe ausein­ anderzusetzen haben , und den Monarchen zu bereden haben , also nach der Persönlichkeit des Monarchen sich zu richten haben , um ihre Pläne durchzusetzen , haben sie besonders zu vermeiden , ihn eigensinnig zu machen , und haben ihm zu schmeicheln , indem sie alles Verdienst dem Monarchen zuschreiben , nicht aber sich selbst , die sie die Sache ausgearbeitet haben . (Denn wenn einer seinen besonderen Willen durchsetzen will , so stellt sich der andere , der auch etwas zu sagen hat natürlich auf die Hinderfüße) . Dies ist es , was macht , daß oft das Beste nicht gelingt , daß einer mit dem Schein der moralischen oder leeren Eitelkeit etwas sehr betreibt und ein auf sich beziehendes Interesse zeigt  ; der wahre Eifer setzt gerade oft am wenigsten durch . Alles persönliche Wollen muß nicht durchscheinen . Dies sind Seiten der Klugheit der Ministerien  ; denn es ist Sache der Ministerien , wie sie das , wofür sie | haften müssen , durchsetzen . Die Person des Monarchen kann viele Zufälligkeiten enthalten , und daher muß er eine einfache Person seyn , die nichts zu verantworten hat . Die Minister müssen vom Fürsten gewählt werden , auch alle anderen Beamten hat er zu wählen , aber nur die ersteren kann er nach Willkühr absetzen . So wie die Minister nicht vom Monarchen ernannt und verstoßen werden können , so wäre ein Directorium vorhanden und sie setzten alles durch , oder Fürst und Ministerium würden einander feindlich gegenübertreten . Ein solcher Regimentsrath muß Factionen ­bilden , und das oberste der Staatsgewalt würde in die Besonderheit in die ­Faction 5 kann] können   18 haben sie … vermeiden] besonders zu vermeiden haben   19 haben ihm … schmeicheln] ihm zu schmeicheln haben   20–21 haben . (Denn] haben ( . Denn (Klammer nachtr .)  

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heruntergezogen . Der Monarch muß seine Minister zu wählen haben erstens weil sie es mit seiner Persönlichkeit zu thun haben , und dann auch weil sonst statt einer Monarchie eine Aristokratie entstehen würde . Durch seine Stellung wodurch er allem Zusammenhange mit anderem Interesse fremd ist , wird der Monarch nicht seine Lieblinge gerade wählen , weil er diesen nicht eine so große Last auflegen , und mit ihnen in solchem Verhältniß stehen wollen wird . Das Wechseln der Fürstengunst ist ein wesentliches Moment , weil er durch die Schmeicheleyen dahin gebracht wird , die Menschen zu verachten , und daß ihm an ihrer Persönlichkeit nichts liegt . Und gerade in dieser Stellung der Monarchen liegt eine Garantie , daß der Fürst taugliche Minister wählen wird . Ferner kann ein ungeschickter Minister bey der Größe der Geschäfte und der Interessen | sich nur kurz helfen und erhalten . Die Masse stößt die Ungeschicklichkeit der Minister aus und erhält sich gegen diese . Die Hauptgarantie für die Güte der Minister ist ihre Verantwortlichkeit vor den Reichsständen , vor denen sie ihre Maßregeln klar angeben müssen . Und so ist der Standpunkt eines Ministers der Gefährlichste im Staate  ; denn er hat sich gegen den Monarchen gegen seine Collegen gegen die allgemeine Meinung und gegen die Reichsstände zu erhalten . Beyspiele hierzu müssen die französischen und englischen Minister werden . Männer die sich als Minister erhalten und bewähren , verdienen den höchsten Respect . Besonders die Garantie durch die Reichsstände nöthigt auch den Monarchen , taugliche Subjecte zu nehmen , auf Talent Tugend Recht­ schaf­fen­heit Gewandheit bey den zu erwählenden Ministern Rücksicht zu nehmen . Der PrinzRegent der seine Freunde in der Opposi­tions­parthey hatte , und seine Feinde im Ministerium , konnte da er die Regentschaft bekam , dennoch nicht seine Freunde zu Ministern machen , sondern mußte die alten Minister behalten . So ist das französische Ministerium aus Feinden der königlichen Familie , den Ultrarojalisten , bestehend . Die Beyspiele zeigen , daß die Wahl der Minister in einer wohlconstitutionirten Monarchie nicht Sache der bloßen Willkühr des Regenten ist . Der Staatsrath hat vornehmlich über die Gesetze , welche der gesetzgebenden Gewalt vorzuschlagen | sind , zu berathen , und folglich keine decisive Gewalt . Der Monarch kann nicht verantwortlich seyn für alle Regierungshandlungen , sondern nur die Minister . In der Geschichte zeigt sich nun wie die Persönlichkeit des Monarchen mit der Regentengewalt vermischt , die früher war , nun zum Ministeriellen Wirken übergegangen ist . Besonders beklagte man sich über 6 eine so große] einen so großen   8 er durch … wird  ] sie durch … werden   15–16 sie ihre … müssen] er seine … muß   28 den] der   30–31 vornehmlich] vornehmlich die Berathung  

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die Verdorbenheit der Höfe , ie , der Leute um den Monarchen , weil von der Persönlichkeit des Monarchen so viel abhing , und dem Hofe lag das Interesse zu Grunde , den Staat zu plündern und durch bloße Gunst vom Staate Vor­theil zu ziehen ohne Rücksicht , in wieferne es dem Staate schaden könne . Bey diesen Höfen zeigte sich der Widerspruch in gewisse Ehre alles zu setzen , und im anderen Augenblicke so niedrig zu kriechen . So war es eine wichtige Charge einer vornehmen Familie unter Ludwig XV . dem Könige auf dem Abtritte die Serviette zu überreichen , in wieferne da mit dem Könige zu sprechen war , und eine Mutter um ihrem noch unmündigen Sohne diese Charge zu erhalten , die sonst die Familie verlor , präsentirte sich selbst auf dem Abtritt dem erstaunten Monarchen , und hier zeigte sich die mütterliche Liebe , und das Interesse für ihre Famile mit der größten Niederträchtigkeit contrastirend . Man verwundert sich auch nun bey uns darüber , wenn der König nicht im Stande ist aus Gunst eine Handlung | ohne den Consens der dafür verantwortlichen Minister zu begehen , z . B . eine Charge zu vergeben .

b)  D ie Re g ie r u n g s g e w a l t  . § . 141 .

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Die Regierungsgewalt , hier nur noch als nach innen gehende betrachtet , betriVt überhaupt die Erhaltung und das Wohl des besonderen und die Zurück­ führung desselben auf das allgemeine , sowie die Besorgung öVentlicher Anstalten für allgemeine Zwecke . Die besonderen Angelegenheiten als solche sind zunächst das besondere Eigen­thum Zweck und Interesse der einzelnen Gemeinden Zünfte Stände Corporationen , und werden sowohl rechtlich durch sie selbst verwaltet , als auch in dieser Selbstverwaltung die sittliche Seite ist , daß den Individuen ihr nächstes besonderes Interesse zu einer allgemeinen Angelegenheit wird , an der sie den Reflex des ganzen Staates , ihr Band Thätigkeit und Interessse für denselben haben , welcher das absolute Bestehen ihrer Sphäre ausmacht . Die Regierungsgewalt ist als 2tes Moment die Mitte des Besondern , aber nur in soferne | sie nach innen geht , noch nicht nach Außen gegen andere Staaten . Ihr Gegenstand ist nun das Wohl der besonderen Kreise in ihrer Besonderheit zu erhalten , 1) daß sie bestehen und 2) sie zum allgemeinen zurückzuführen . Denn das besondere sucht immer das allgemeine an sich 17 b)] 2)  

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zu reißen , und sich zu isoliren auf Kosten des Allgemeinen . Dies nun , daß die besonderen Kreise durch sich selbst regiert werden müssen , macht das demokratische Princip in der Monarchie aus . Bey der Regierungsgewalt sind 2 Seiten zu betrachten , die Erhaltung des Ganzen in ihren besonderen Sphären , ie , so daß die besonderen Theile sich nicht gegen das Allgemeine verhalten . Die besonderen Angelegenheiten sind die Stände , Zünfte , Corporationen , Provinzen , Städte , Gemeinden , alles was gemeinsames bestimmtes Interesse hat . Das gemeinsame muß als wirklich gemeinsames vorhanden seyn . Eine Gemeinde ist als Ganzes constituirt  ; sie hat in vielen Rücksichten ein gemeinsames , in mehr Rücksichten , je größer die Gemeinschaft ist . Die besonderen Angelegenheiten müssen erhalten werden , so bleiben wie sie sind  ; dies muß den Ständen selbst überlassen bleiben  ; denn es ist recht­ licher Weise ihr Eigen­thum ihre eigene Angelegenheit , die sie für sich selbst besorgen . Das zweyte Moment ist das allgemeine , dem sie nicht entgegen handeln dürfen . | Die Gemeinde muß Eigen­thum haben , und ist als selbstständige Corporation keineswegs minorenn , sondern es ist gar kein Grund vorhanden , warum sie nicht ihr Eigen­thum selbst verwalten können sollte . In neuerer Zeit aber scheint man dies ganz zu vergessen , besonders da die Stadtmagistrate etc . sehr schlecht verwalteten und noch dazu nicht einmal das Gemeindevermögen vertheidigten . Diese Corruption der Magistrate , der eigenthümlichen Volksobrigkeiten , machte es nothwendig , daß man ihnen ihre Verwaltung abnahm  ; aber es hätte eine andere Organisation dieser Selbstverwaltung gemacht werden müssen , dahingegen aus Regiersucht die Oberbeamten fast alle Verwaltung an sich rißen . Dies ist die rechtliche Seite , daß die Individuen das Recht haben ihr Vermögen zu verwalten , und die sittliche Seite ist , daß er in seiner Corporation einen Staat findet , in welchem er mitregiert , und seine Besonderheit ins allgemeine überträgt . Die Regierungen haben in unseren Zeiten den Bürger aller dieser Sorgen für ein allgemeines enthoben . Aber dies ist das demokratische Princip daß der einzelne mitregiere in den Gemeinden Corporationen Zünften , welche die Form des allgemeinen in sich haben . In der ganzen vollkommenen Demokratie hat jeder einzelne Theil an allen Regierungs und Verwaltungsrechten , aber , wie schon bewießen , kann in einem größeren gebildeteren Staate die demokratische | Verfassung sich nicht erhalten . In den Corporationen hat jeder einen Staat , wo er nach seinem concreten Wesen thätig seyn kann . Aber die Individuen haben nur Pflichten zu den Corporationen zu halten und sich für sie zu interessiren , insofern sie durch sie Rechte haben . Dies 16 minorenn] Minorän   20 Diese] Dieser   37 sie durch … haben] er durch … hat  

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ist besonders in England der Fall , und der Patriotismus nimmt diese Wendung , alle haben das Interesse , daß der Staat sich erhalte , denn ihr besonderes Interesse haben alle in ihren besonderen Sphären , und diese besondere Sphäre besteht nur durch den Staat . Indem sie diese besondere Sphäre in ihrem Stande erhalten arbeiten sie für das allgemeine , welches nur durch diese Gegliederung besteht .

§ . 142 .

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Nicht nur müssen die einzelnen Gemeinden Distrikte , Provinzen , Gewerbe und Stände in ein Ganzes verbunden seyn , und als ein solches Rechte für die Besorgung des gemeinschaftlichen Interesses und ihrer besonderen Zwecke haben , sondern vors erste auch in sich constituirt seyn , und in eigenen Obrigkeiten ­Vorstehern Verwaltern u . d . g . berathende und entscheidende Behörden haben . Diese Behörden , da sie einerseits beschließende und exequirende Autoritäten , jedoch | zugleich höherer Autorität untergeordnet sind , und anderer Seits es das unmittelbare Eigen­thum und Interesse ihrer Kreise ist , welches sie besorgen , so muß im Allgemeinen die Besetzung der Bürgerbehörden eine Mischung von gemeiner Wahl der Bürgerschaften oder der Standesgenossen oder der Stände und einer von denselben unabhängigen oberen Bestimmung seyn . Die einzelnen Stände müssen ihr Constituirtseyn im Staate anerkannt haben , sie müssen Rechte haben , sie müssen ihr Interesse selbst besorgen , in dem sie zum Theil besondere Geschicklichkeit dazu haben , zum Theil aber auch vorzüglich deßwegen , weil sie hierin ihre Thätigkeit haben müssen , und ihr Interesse darin haben . Die Genossen müssen durch ihren Willen ihre Angelegenheiten besorgen , und dies gibt den Bürgern das Bewust­seyn auch für ihre Corporation thätig seyn zu dürfen . Erst durch diese Thätigkeit selbst wird der Gemeingeist gebildet , der nur zufällig ein moralischer ist . Diese Thätigkeit für einen besonderen Staat muß von besonderen Obrig­keiten ausgeübt werden , die darüber berathen . Darin besonders lag ein Fehler in den früheren Corporationen , daß dadurch , daß die Beamten selbst ihre Nachfolger erwählten , eine Aristokratie entstand , welche ein | Bey­spiel des besonderen Interesses welches dabey berücksichtigt wurde , gab . Aber als Glieder eines ganzen müssen die Corporationen höheren Autoritäten wieder untergeordnet seyn , und auch darum , weil die Obrigkeiten selbst Autorität haben müssen , so müssen die Corporationen zwar die Wahl haben , aber die Vorsteher Verwalter , wer sie auch seyen , müssen eine ­Autorität gegen die seyn , von denen sie gewählt sind , es muß auch eine Be­

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stimmung seyn die sie von ihren Gemeindegliedern etc . unabhängig macht . Daß Zünfte etc . ihren Vorsteher wählen ist nöthig , aber es muß von den Oberbeamten Bestätigung dieses Vorstehers ertheilt werden , welche ihm das Siegel der Autorität aufdrückt .

§ . 143 . Das 2te ist , daß diese besonderen Interessen Stände und Obrigkeiten durch die Regierungsgewalt in den Schranken des allgemeinen gehalten und in dasselbe zurückgeführt werden , was durch die Abgeordneten der Regierungs­ gewalt die Staatsbeamten und die höheren wesentlich Collegialisch zu constituirenden Behör­den geschieht , und welche in die Ministerien als ihre höchste Spitze zu­sammenlaufen . Bey der Organisation der Regierungsbehörden ist das | das We­sentliche , daß einerseits nach unten , wo das bürgerliche Leben concret ist , dasselbe auf concrete Weise regiert werde , andererseits aber , daß das allgemeine Geschäft in seine abstracten Zweige getheilt sey , welche von ei­gen­thüm­lichen Behörden als unterschiedenen Mittelpunkten besorgt werden  ; Aber an der obersten Regierungsgewalt wieder in eine concrete Übersicht kommen . Der Gesichtspunkt hierbey ist daß die Regierungsgewalt diese Sphären in das Allgemeine zurückführt , und gegen die gegenseitigen EingriVe derselben , und die EingriVe in das Allgemeine würken muß . Hier tritt nun eine Collision ein , daß die Regierungsbehörden die Bürgerbehörden gern unterdrücken , und ihre Eitelkeit , ihre Besonderheit sich hierbey einmischt . Das bürgerliche Leben ist concret , und wo Fälle von bürgerlichen Angelegenheiten vor die Regierung kommen , sind sie concret , und es treten Unterschiede ein , die besonderen Behörden zugetheilt werden müssen . Die abgesonderte Verwaltung der verschiedenen Zweige ist ein nothwendiges in der Regierung . Die verschiedenen Zweige müssen nach oben und nach unten in eine Einheit zusammengehen . In einer oberen Stelle müssen die getheilten | auseinandergegangenen Zweige sich vereinigen , von wo das Ganze übersehen werden kann . Ein Ministerium muß der vielen Geschäfte wegen mehrere Collegien für einzelne Geschäfte haben , aber zu gleicher Zeit auch ein Collegium das das allgemeine berücksichtigt . Diese Einrichtung ist mit ungeheuern Schwürigkeiten verknüpft . Nach oben müssen die Behörden Collegien seyn  ; das collegialische hat den Nachtheil des lang14 welche] welches   20 muß] müssen  

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währenden , aber es hat die Tradition , und es erhält sich eine feste bestimmte Handlungsweise , indem die Persönlichkeit des einzeln eintretenden nichts verändert , keinen Einfluß auf den Gang des Ganzen hat . Eine andere Art der Einrichtung der Behörden ist die , daß der Präsident von Beamten , die unter ihm arbeiten , allein verantwortlich ist , und daher die Arbeiten derselben , als allein verantwortlich dafür vernichten oder umändern kann  ; aber hier tritt die Willkühr und Persönlichkeit zu stark ein  ; und es hält zu schwer bis der neue Präsident sich eingearbeitet hat , und Gleichmäßigkeit kann sich hier nicht finden . Nur in Gefahr des Staates kann es nöthig seyn , einem einzelnen mehr Gewalt zu übertragen , nie aber in Friedenszeiten . Es scheint für die Ministerien das beste zu seyn , wenn ein Centralcollegium da ist , und in den einzelnen Ministerialcollegien für einzelne Zweige müßten außer | Mitgliedern des Centralcollegiums noch besondere technische Räthe sich befinden  ; an der Spitze des Ganzen muß der Minister stehen . Es muß einen Centralpunkt für die besonderen Geschäfte geben , dieser , das Ministerium muß sich aber zuerst wieder besondern in Ministerialcollegien , und das ganze muß unter dem Minister stehen .

§ . 144 .

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Bey der Ernennung der Räthe der Behörden und Staatsbeamten ist das ob­ jective der Erweiß der Befähigung , ein Erweiß , welcher als die einzige Bedingung jedem Bürger die Möglichkeit sichert , den Versuch übrigens auf seine Gefahr zu machen , in den allgemeinen Stand zu treten . Die in denselben auf­ genommenen Individuen legen nun das Interesse ihrer geistichen und bedürftigen Existenz und Thätigkeit in das Verhältniß , sich dem Dienste des Staats zu widmen , und die Behörde , in welche sie eintreten ist ein besonderer durch die Constitution berechtigter Zweig des allgemeinen Geschäfts , sowohl in Rücksicht ihrer Be­sonderheit , als ihrer Amtspflichten müssen sie von ihren Stellen , zu welchen sie nach der subjectiven Seite | der Ernennung von der fürstlichen Gewalt berufen sind , nicht durch Willkühr , sondern nicht anderst , als durch ein förmliches ­Ur­theil entfernt werden können . Die Objective Seite ist , daß die Individuen , welche in den Staatsdienst treten wollen , ihre Befähigung erst beweißen müssen . Dies ist die Geburt höherer Bildung unserer Zeit , daß die Möglichkeit der Theilnahme am Staatsdienste jedem Bürger er­öVnet ist , und sie nicht allein auf einzelne

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Stände beschränkt ist , oder durch Ge­burth gegeben wird . An der allgemeinen Würksamkeit der Regierung können nicht alle Theil nehmen , aber allen muß die Möglichkeit dazu seyn , und die Bildung dazu muß ihnen das Recht dazu geben . Plato der den Gesichtspunkt der Freyheit noch nicht hatte , läßt von der obersten Regierungsbehörde jeden nach ihrer Einsicht zu einem bestimmten Stande ohne Rücksicht auf seine Willkühr bestimmen . Die Bedingung in den allgemeinen Stand zu treten ist der Beweiß der Befähigung . Auch kann der Staat die Zahl der Beamten die er braucht festsetzen , und so fällt der Eintritt weg . Es müssen daher Prüfungen angeordnet werden , um die Befähigung zu erweißen . In dieser Rücksicht auf diese Befähigung ist es in großen Staaten gut , weil in ihnen nur auf sie gesehen zu werden braucht , nicht wie in kleinen Staaten auf subjective | Verhältnisse . So ist in kleinen Ländern , wo Landesuniversitäten sind , die Rücksicht daß der Onkel Vater Groß­vater eines Individuums Gelehrte Männer waren . Da aber alle Universitäten Deutschlands ein Ganzes bilden sollen , so soll der Universitätszwang fallen , und jeder Lehrer bloß nach seiner objectiven Seite angestellt werden . Die Ernennung zu einer Stelle kommt der fürstlichen Gewalt zu , das einzelne Subject ist ein zufälliges für sie . Aber das ernannte Individuum muß Rechte als Beamter haben , die es nur durch ein förmliches Ur­theil verlieren kann . Das ernannte Individuum hat ein Recht auf seine Stelle , diese in­amo­vi­bi­li­tät muß aber nicht nur bey Gerichten stattfinden sondern bey allen Beamten . Die Individuen widmen sich dem Dienste des Staates , und knüpfen daran ihre geistiche Existenz und die Existenz hinsichtlich ihrer Bedürfnisse . Die Staatsbehörden , in denen die Individuen arbeiten , müssen durch die Ver­fassung sanctionirt festbestimmt seyn . Was die Behörde thut , muß ein Recht haben , und findet es eine höhere Behörde nicht für gut , so kann sie es erst in förmlichem Gange cassiren . Dadurch hat das Individuum Gelegenheit seinen Character und seine Recht­schaVen­heit zu zeigen , aber seine Rechte und die Rechte seiner ganzen Behörde , | so zu sagen der Corporation , wozu er gehört , müssen garantirt seyn . Diese constitutionelle Berechtigung der Behörden ist ein Hauptmoment in der Verfassung eines Staates . Die Garantie der Regierungsbeamten besteht in diesem doppelten , 1) daß sie nur nach förmlichen Urtheile ihrer Stelle entsetzt werden können , und ihre Rechte haben , und so nach der Seite ihrer Besonderheit unabhängig sind  ; sie haben auf das gemeinsame Vermögen des Staates Verzicht gethan , auf den Erwerb etc . und der Staat hat ihre Hinweisung auf das Geschäfte und auf das Vermögen des Staates angenommen  ; durch diesen 14 Großvater] Großvaters   33 sie] sie von ihrer Stelle  

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sichern Schutz müsssen sie ihre Unabhängigkeit wieder erhalten . 2) daß die Behörden selbst durch die Constitution berechtigt sind , gewisse feste Rechte haben . Dies ist eine Hauptgarantie der Staatsdiener daß sie Rechte haben in soferne sie ihre Amtspflicht ausüben .

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§ . 145 . Die Verantwortlichkeit der Beamten geht zunächst gegen die ihnen oberen Behörden , welche wesentlich das Interesse haben müssen , die Autorität der Regierung die vom Beamten repräsentirt wird zu behaupten , und deren Mitglieder sich innerhalb desselben besonderen Standes befinden . Eine | weitere Garantie muß außer diesem Kreise liegen , theils weiterhin in der Ständeversammlung , theils aber zunächst in der Organisation der Obrigkeiten und der Berechtigung der besonderen Sphären des bürgerlichen Lebens . Hierdurch wird die Gewalt der Regierungsbeamten , welche unmittelbar die Bürger berührt , zunächst vor­ nehmlich auf Beaufsichtigung , Berathung und formelle Entscheidung beschränkt , und die Beamten gezwungen , wahrhafte Staatsbeamte , ie , ebensowohl Beamten der Bürgerschaft , als fürstliche Beamten zu seyn . Es wird durch ein solches Verhältniß einem der größten Übel der Staaten gesteuert , nämlich der Entfernung und Entfremdung des Beamtenstandes , welcher einen Haupttheil des Mittelstandes ausmacht , in den die Intelligenz und das gebildete rechtliche Bewustseyn eines Volkes fällt , und dem Zusammenhange , welchen dieser Stand sonst durch seine Geschicklichkeit Bildung wie durch Amtsbefugnisse für die Willkühr und für die Unterdrückung der Bürger bildet . Das Übel unserer Staaten ist hauptsächlich , daß ein Mittelstand sich bildet , den früher der Feudaladel bildete , aber nun ist es nicht mehr die Ge­burth , sondern es ist die allgemeine Bildung , was das | eigenthümliche des Mittel­ standes ausmacht , wodurch er dem Fürsten nothwendig ist , und welches ein eigenthümlich Fremdes zwischen ihm und dem Volke ausmacht . Diese Bildung diese Vorzüge des Mittelstandes können ihm dazu dienen gegen den Fürsten zu imponiren , und die Bürger zu unterdrücken , obgleich sie nicht etwas angeborenes , wie der Adel , sondern etwas erworbenes ist . Diese Übermacht des Mittelstandes ist gewöhnlich das wesentliche Übel in unseren Staaten . Es sind gewöhnlich jetzt die Beamten , die ihres Druckes und ihrer Rohheit gegen Bürger und ihrer Spitzbübereyen bewußt , den Schein von Vertheidigern des Volkes annehmend , um des Volkes Aufmerksam-

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keit von sich abzuwenden , gegen Fürst und Ministerium schimpfen . Diesem Drucke muß nun gesteuert werden , aber so daß die persönliche wesentlich nothwendige Autorität der Beamten nicht verletzt wird . Die höheren Behörden müssen nun das Interesse haben , die Autorität der Beamten zu soutenniren , und die Garantie gegen den Druck der Unterbeamten durch die Verantwortlichkeit vor den höheren Beamten , ist zu unsicher , indem die oberen und unteren Beamten einerley Interesse gegen den Bürger haben . In neueren Zeiten suchte man nun die Unterbeamten so viel als möglich durch einzusendende | Etats über alle ihre Amtshandlungen , durch die Ober­ behörden im Zaume zu halten . Aber schon der noch schlechtere Gang der darauf erfolgte zeigt wie wenig dies frommt  ; und wie , weil das bloße Schwartz auf Weiß leblos ist , und nur unbestimmt , und die höheren Behörden lange nicht alle die vielen speciellen Berichte einsehen und würdigen können , der Schutz für den Bürger sehr gering ist , der bey Beamten Beamten verklagen soll , über die geheim gerichtet wird . Es muß also eine solche Garantie außer diesem Kreise selbst liegen , und in der Ständeversammlung . Der Bürger muß sich um sein Recht zu erlangen zuerst an den nächsten competenten Beamten , von dem an den oberen Beamten , und findet er da kein Recht an die Ständeversammlung wenden können . Eine Hauptgarantie muß unmittel­bar in der Bestimmung der Rechte und Pflichten der Beamten liegen (wie viel unbestimmte Preßfreyheit nöthig und nützlich ist , sieht sich leicht ein) , und daß alles Vermögen der Corporationen von eigenen Behörden der­selben verwaltet wird , und die Beamten nur formelle Entscheidung haben . Wenn diese Obrigkeiten der Corporationen das wesentliche ausmachen , und also die Beamten nicht gerade zu , was sie wollen durchsetzen können , son­dern | nur formelle Entscheidung haben , dann werden die Beamten wahre Staatsbeamten . Diesem Übel unserer Zeiten muß durch Organisation von untenherauf abgeholfen werden , und alle andern Pläne nützen und frommen nicht . Wenn die Besoldung die Hauptsache ausmacht , und der Beamte allein darin seine und seiner Familie Existenz hat , so sieht er leicht seine Stelle als sei­netwegen daseyend an , nicht daß er der Bürger wegen da ist , und er glaubt nur Pflichten gegen seinen Oberbeamten zu haben , der ihn befördern kann . Der gebildete Mittelstand macht das Bewustseyn der Freyheit und des Rechts des Volkes aus , das gebildete rechtliche Bewustseyn fällt in den Mittelstand , hat nun dieser Stand nicht das Interesse der Bürger , so wird er einem Netze ähnlich was um die Bürger zu ihrer Unterdrückung geworfen ist , da besonders der ganze Stand ein Ganzes ausmacht , indem er 1 gegen] gesten   19 wenden] gehen  

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ein Interesse hat . Die Geschicklichkeit der vom Volke entfremdeten Beamten macht gerade sie dem Volke furchtbar , und die Bürger sehen schon ihre Sprache für ein Rothwelsch an , wie eine Gaunersprache , und sie sehen bloß die Folgen nicht aber den Hergang und das Durchführen ihrer Rechts­ Streite . Die Beamten müssen sich daher an ein populäres Wesen , | an populäre Sprache gewöhnen , und die Schwürigkeiten die dies ihnen macht zu überwinden suchen .

c) Gesetzgebende Gewalt . § . 146 . 10

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Die gesetzgebende Gewalt betriVt das allgemeine des Staates , theils als eigentliche Gesetze , theils als ganz allgemeine innere Regierungsangelegenheiten , theils bezieht sie sich auf den Grund der Verfassung welche an und für sich ist , aber in der Fortbildung der Gesetze und im fortschreitenden Character der allgemeinen Regierungsangelegenheiten selbst fortgebildet wird . Die Fortbildung des Geistes ohne gleichmäßige Fortbildung der Institutionen , so daß jener mit diesen in Widerspruch kommt , ist die Quelle , nicht nur der Unzufriedenheit , sondern der Revolutionen . Die gesetzgebende Gewalt als die Allgewalt des vernünftigen überhaupt , ist nicht executive Gewalt , nicht Regierungsgewalt , aber die Angelegenheiten der eigentlichen Regierungsgewalt , sind das einzelne befassend von allgemeinerer Natur , und insoferne Gegenstand der gesetzgebenden Gewalt , so z . B . sind die Auflagen , Abgaben | in einem Staate ein wesentliches , ein allgemeines  ; aber die Größe derselben bildet ein temporäres Verhältniß , ebenso , wie , auf welche Artikel Abgaben aufgelegt werden sollen  ; und so ist das System der Auflagen ein Zeitliches , welches Veränderungen unterworfen ist  ; aber weil sie die Gesammtheit der Interessen umfassen sind sie wesentlicher Gegenstand der gesetzgebenden Gewalt . Die Finanzen enthalten nur die Mittel für die Verwaltung , und auch bey ihnen tritt die gesetzgebende Gewalt ein , aber nicht regierend . Ebenso die Competenz der besonderen Behörden , Trennung dessen , was einer Art von Beamten überhaupt zur Entscheidung überlassen seyn soll , ist Gegenstand der Gesetzgebenden Gewalt . Die Verfassung ist ein vorausgehendes , denn daß eine gesetzgebende Gewalt 1 entfremdeten] entfremmteten  2 die Bürger sehen] der Bürger sieht   8 c)] 3)   16 Unzufriedenheit] Unzufriedenhteit  

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vorhanden sey , ist schon ein Moment der Verfassung  ; und die gesetzgebende Gewalt setzt schon eine geordnete Verfassung voraus  ; aber die Verfassung als allgemeine Substanz die unmittelbar hervortritt in der Gesetzgebung . Die Verfassung muß als etwas unantastbares heiliges zu Grunde liegen , aber indem sie auf Gesetzgebung , auf Regierungsgewalt einwürkt , so liegt eine Ausbildung | des Geistes der Verfassung darin , und die Verfassung wird eine andere , die Substanz verändert sich durch das Einwürken der gesetz­ gebenden Gewalt . Wenn der Geist für sich fortschreitet , und die Institutionen verändern sich nicht mit dem sich fortbildenden Geiste , so tritt eine wahrhafte Unzufriedenheit ein , und wird dieser nicht abgeholfen , so kommt diese Störung des Friedens , dadurch daß im selbstbewusten BegriVe andere Institutionen sind , als in der Wirklichkeit , eine Revolution entsteht . Die Revolutionen gehen nun entweder vom Fürsten oder von dem Volke aus . So hat der Cardinal R iche l ie u die Großen unterdrückt und das Allgemeine über sie erhoben , dies war Despotismus , aber die Unterdrückung der Vorrechte der Vasallen war das wahre  ; bei seinen Feinden , den Deutschen unterstützte er die Vasallen gegen die Nation . Man erkannte ihn nicht , sein Volk , das er heben wollte haßte ihn , und die Deutschen glaubten in dieser Ruinirung Deutschlands das Palladium der deutschen Freyheit , und dar­ nach bildete sich der Westphälische Frieden . Diese Unzufriedenheit muß man aber zu erkennen verstehen , ob sie eine wahre ist  ; denn oft enthält das all­gemeine | Tadeln des Volkes nicht gerade das bessere , und die Regierung muß daher die Wünsche des Volkes prüfen , und soll nur überzeugt nachgeben . Es muß also die Regierungsgewalt warten , bis dieser Gedanke sich ausgebildet hat , und bis der gute Gedanke der Gedanke des ganzen Volkes geworden . Fürsten die diese Zeit nicht abwarteten haben trotz aller ihrer Macht und guten Zwecke geschadet . Diese Einsicht des bessern muß von unten herauf kommen , und sie muß nicht nur die oberen Stockwerke sondern auch das untere Stockwerk durchdrungen haben . Daher erschienen die Handlungen Josephs II als despotische Handlungen , weil er die Zeit nicht abwartete  ; zu welchem Abwarten und TreVen des rechten Zeitpunktes ein sehr großer Geist gehört . Denn das Gute , wenn es auf einen noch nicht dazu tauglichen Boden gepflanzt wird , würkt gerade umgekehrt verderbend . Die Gesetz­gebende Gewalt muß also nicht in Händen solcher seyn , die ihrem Interesse nach sich solchen ausgebildeten Rechts­BegriVen widersetzen , weil so die Verfassung sich nie zum wahren BegriVe des Selbstbewustseyns der Einheit und des Rechts ausbilden könnte . | 5 eine] ihre   16 bei seinen … den] gegen seine Feinde , die   23–24 und soll … nachgeben] und

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Die gesetzgebende Gewalt ist ein wesentliches Glied der Staatsgewalt , und eine der falschesten Ansichten über sie ist , sie als der Regierung wesentlich ent­ gegen­gesetzt vorzustellen . Sie kann aber nothwendig nicht einem Staatsrathe , ­m inisteriellen Behörden und gesetzgebenden Regierungscommissionen überlassen werden , sondern das Hauptmoment in ihr ist das S t ä nd i s che  , damit das , was als allgemeiner Wille und als das vernünftige festgesetzt wird , es nicht nur z u f ä l l i g und a n s ich  , sondern auch f ü r s ich  , mit thätigem Antheile und mit selbstbewustem Zutrauen der allgemeinen Bürgerschaft und mit Nothwendig­ keit  sey . Die gesetzgebende Gewalt ist wesentliches Moment der Staatsgewalt . Dies liegt im BegriVe der Sache . In der gesetzgebenden Gewalt sind die Stände ein Hauptmoment . Die Gereitztheit unserer Zeiten in dieser Rücksicht hat eigene Vorstellungen , Empfindungen hervorgebracht von denen abstrahirt werden muß , z . B . daß der Ständeversammlung die gesetzgebende | Gewalt allein zukomme , daß die Stände das vernünftige allein gute seyen , und die Ministerien das Schlechte , und sie müßten daher in Opposition gegen dies Schlechte auftreten daß aus dem Volke allein das vor­treV ­l iche Gute komme . Von diesen Empfindungen muß man abstrahiren . Es ist das höchste Interesse der Stände selbst , daß die Regierung kräftig und stark sey , und daß sich zuerst die Ständeversammlung der Regierung unterwerfe , nicht aber an der Spitze des Volkes feindlich der Regierungsgewalt gegenübertritt . Wenn nun diese feindliche Stellung bleiben sollte , so würden durch Revolution nur die Personen die die Regierungsgewalt in Händen haben verändert werden , das begriV­noth­wendige aber dennoch zurückkehren . Der Grund warum das Geben der Gesetze nicht einem Staatsrathe einem Ministerium allein überlassen werden darf , die doch oVen­bar am meisten davon verstehen , und die Concurrenz der Stände nothwendig ist  ; wenn es bloß auf die Befähigung ankäme für das allgemeine thätig zu seyn , so würden Ministerien hinreichen für diese Thätigkeit . Das überwiegende Talent der Mitglieder in Stände­ versammlungen findet sich immer bey denen die hohe Staatsämter bekleidet haben . | Aber in dem , was als allgemeiner Wille festgesetzt werden soll , im Recht muß das Moment des Selbstbewustseyns aller seyn , das Moment des Interesses , welches nur durch Selbstthätigkeit entsteht  ; und so ist das Recht erst für sich vorhanden , wenn es auch an sich vorhanden schon früher

… nachgeben soll   18 komme] kommen  

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gewesen wäre . Denn es ist ein zufälliges , daß durch die Regierung das allgemeine geschehe , und der einzige Grund warum eine Staatsorganisation seyn muß , ist daß , was sich gehört , mit Nothwendigkeit geschehe .

§ . 148 . Die Ständeversammlung enthält in ihrem BegriVe einerseits das Moment des allgemeinen Willens als des an und für sich vernünftigen . Nach diesem Momente die Regierung ihr gegenüber bestimmt ist diese die abstracte Individualität der Herrschergewalt , Zufälligkeit und Willkühr , nach der anderen Seite kommt in ihr das Volk in der Abstraction als Masse unterschieden von seiner geordneten ­Staatsregierung zu einer Darstellung , und insoferne die Masse in ihrer Be­stimmtheit angeschaut wird , ist sie eine Menge von einzelnen und von den besonderen Ständen , deren Interesse der Ständeversammlung obliegt , und wogegen die ­Regierung sich als das allgemeine des Staates bestimmt . Es ist in der Organisation | der gesetzgebenden Gewalt die gedoppelte Garantie gleich noth­ wendig , daß diese massenhafte Darstellung und die Behauptung des besonderen Interesses nicht eine Gewalt gegen den Staat , sowie daß dieser als Regierung nicht die Functionen der Gesetzgebung an sich reiße und zur bloßen Herrschergewalt werde . Die Ständeversammlung repräsentirt das Volk . Sie enthält das Moment des allgemeinen Willens in gedoppeltem Sinne , 1) des an und für sich vernünftigen Willens , und 2) daß es nicht nur an und für sich der allgemeine Wille ist , sondern auch für sich , daß jeder sein Selbstbewustseyn darin hat . Das Moment des allgemeinen Willens ist das eine , und das andere ist , daß das Volk als Masse hier erscheint , der einzelne , die einzelnen Stände mit ihrem besonderen Interesse . Nach dieser Seite daß der allgemeine Wille als in ihr vorhanden betrachtet wird , so bleibt der Regierung gegenüber nur das übrig , daß sie das willkührliche schlechte wäre ohne die Ständeversammlung , dies ist die gewöhnliche demagogische Versicherung . Es ist zu wünschen daß Gott es gebe , daß das Moment der Vernünftigkeit in den Ständeversammlungen sey , aber diese | Versicherung wollen wir nicht annehmen . Aber das Volk , wie es in den Ständen ist , als der Regierung gegenübergesetzt , ist ein elementarisches plumbes zufälliges massenhaftes . Es ist daher sehr falsch , das Volk dem Staate gegenüberzusetzen . Denn ohne die Seite der Gegliederung , ohne die Seite des Staates , fehlt dem Volke die Vernünftigkeit und es ist bloß

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das Massenhafte . In Ansehung des Volkes als Masse ist es eine Hauptsache , daß es gar nicht als solches zum vorschein komme , denn so erschiene es als ein wildes Element . Das Volk soll in der Ordnung in der Sonderung seines bürgerlichen Lebens , so wie sie in der Constitution festgesetzt ist , als so erst von der Vernunft anerkennbares auftreten . Es ist ein ganz leerer Verstand , wenn vom Volke gesprochen wird . Wenn das Volk als Masse in ihrer Bestimmtheit betrachtet wird , so hat jeder Familienvater hat jede Corporation ihr besonderes Interesse . Diese Einzelnheit dies Interesse der besonderen Stände ist in der Ständeversammlung dem vernünftigen allgemei­nen gegen­ über­zusetzen . Die Ständeversammlung hat die 2te Seite , daß als Besonderheiten das Volk in seinen Corporationen | dasteht . Jeder Stand , wie die Geist­lichen , der Adel , die Bauern hatten früher in Deutschland ihre einzelnen Interessen , und suchten nur diese Seite der Einzelnheit zu heben . Aber ohnehin waren sie vom Antheile am großen Ganzen ausgeschlossen , z . B . Krieg und Frieden  ; und dieses allgemeine berührte sie nicht , sie konnten nicht indirect darauf einwürken . Die Sucht war immer dem Ganzen abzuzwacken und in der Besonderheit Ehre zu suchen , und soviel als möglich im Beutel zu behalten . Von dieser 2ten Seite ist die Stellung des Staates diese , daß der Staat immer das Interesse der einzelnen hat , daß andererseits er immer sucht , das Interesse der einzelnen zum allgemeinen zurückzuführen . Aber keine der 2 Hauptseiten darf bey guter Organisation für sich hervortreten . Es muß die Garantie darin liegen , daß 1) nicht allein die Bürger das vernünftige seyen , 2) und anderer seits daß nicht bloß die Regierung das vernünftige sey , und daß nicht das besondere Interesse sich hervorhebe , daß die Ständeversammlung nicht bloß im Interesse der einzelnen Stände wäre . Die eine Seite ist so falsch wie die andere  ; der Geist vormahliger Landstände war früher immer für ihr einzelnes Interesse zu sorgen , der Adel für sich , die Städte für ihre besonderen Privilegien etc . Die Stände nach dem einen Momente | allein zu betrachten ist ein falsches , und findet das eine oder das andere Moment statt , so zerrüttet es die Verfassung . Beydes sind einseitige Momente die Ständeversammlung muß weder nach dem einen oder anderen Momente betrachtet werden noch muß das eine oder andere Moment wirklich im Staate stattfinden .

19 daß2 ] das   22 das] der das  

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§ . 149 . Diese Garantie liegt im Allgemeinen , im BegriVe der gesetzgebenden Gewalt , daß zu ihren Handlungen 1)  das monarchische Princip als die allgemeine Individualität der Staatsgewalt gehört , welcher der förmliche Vorschlag der Gesetze und die Bestätigung der Beschlüsse der anderen Momente zukommt , 2) Ministerium und Staatsrath als berathend und mit der Kenntniß und Übersicht aller Zweige der Staatsverwaltung und der Erfordernisse derselben con­ currirend , und 3)  die Ständeversammlung selbst den Gesichtspunkt und das Interesse der Besonderheit und Einzelnheit wahrt , so daß aber die Mitglieder von ihren Wählern keine Instructionen erhalten , und ebensowohl für das allgemeine Interesse ­verbindlich sind . | 1)  Durch diese Einrichtung müssen die Minister , als verantwortlich , das gute vorschlagen . Es muß immer die Gestalt haben , daß die Action vom Fürsten ausgeht , daher muß vom Fürsten der Gesetzesvorschlag gemacht werden , der Form nach  ; die Ständeversammlung kann nichts für sich vorschlagen , die fürstliche Gewalt hat wesentlich die Initiative zu den Gesetzen . Es muß nicht die Gestalt haben , als wenn von der Ständeversammlung ein Gesetz förmlich ausgehe , sondern sie muß sich wegen des förmlichen Vorschlages an das monarchische Princip wenden . Denn das formelle Selbstvorschlagen der Gesetze gibt der Ständeversammlung an sich die Seite der Un­ abhängig­keit gegen die fürstliche Gewalt , und es müssen doch auch Gesetze über Regierungswesen über Vewaltung gegeben werden , und hätte sie nun auch den Vorschlag , so würde sie durch ihre Foderungen die Staatsgewalt in Verlegenheit setzen können . In England kann der Monarch und auch die Stände­ver­samm­lung Gesetze vorschlagen  ; aber wenn der seit 100 Jahren nicht eingetretene Fall einträte , daß der Regent einen Vorschlag des Parla­ mentes nicht genehmigte , so könnte daraus leicht für den Staat Gefahr erwachsen . Der König muß in England auch im Unterhause Minister | haben  ; diese können aber nicht zu Pairs gemacht werden weil sie sonst nicht mehr im Unterhause seyn können . Der berühmte Pitt war nicht Pair , bloß um im Unterhause sein Gewicht geltend machen zu können . Die Verfassung selbst ist also dem Staatswohle sehr gefährlich , und nur Mißbräuche , die alten Privilegien können sie erhalten . Durch Mißbräuche haben Dörfer , die zum Theile gar nicht mehr existiren das Recht der Repräsentation , und 11 Mitglieder] Mitgliedern   34 Mißbräuche] Mißbrauche  

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dadurch ist es möglich , daß die Ministerialparthey erhalten werden kann , indem immer etwas durch Bestechungen gewirkt wird . Dann ist auch in England nicht der pöbelhafte Sinn immer dem Ministerium und der Regierung feind zu seyn  ; sondern immer ergreifen viele für das Gemeinwohl besorgte Männer die Ministerialparthey . Hat nun das Ministerium nicht mehr die Majorität in wichtigen Angelegenheiten , so muß das Ministerium ge­wechselt werden  ; denn dann hat sich die Parthie die sich nicht gerade immer , sondern nur , wenn sie dem Staatswohl es schuldig zu seyn glaubt , für die Ministerialparthey erklärt , gegen sie erklärt , und das Ministerium muß fallen . Die Stände müssen also nur das Recht haben , ihre Wünsche zu einem Gesetzesvorschlage an das Ministerium damit dieses sie vorschlage , zu bringen . | Das Ministerium hat ferner die Beschlüsse der Ständeversammlung zu bestätigen . 2) müssen Ministerium und Staatsrath wesentlich in der Ständeversammlung mitconcurriren , müssen aber keine Stimmen haben , sondern nur Vorschläge machen , und die Gründe der Vorschläge auseinander setzen und erläutern  ; ferner müssen Minister und Staatsräthe gegenwärtig seyn , um über Alles , was die Versammlung will , Gründe auseinanderzusetzen . Die concrete Anschauung des in den Angelegenheiten selbst lebenden Ministeriums , ist ein wesentliches . Diese Kenntniß , wie eine Maßregel nach allen Seiten würke ist das practische , was das alle Zweige übersehende Ministerium allein haben kann  ; denn Maßregeln greifen in verschiedene Glieder des Staates sehr verschieden ein . Denn haben die Ministerien keinen An­theil an den Ständeversammlungen , so tritt zwischen der vorschlagenden Versammlung und der nicht genehmigenden Regierung ein libelliren ein  , ­welches dadurch daß die Minister in der Ständeversammlung sprechen un­nöthig und entbehrlich wird . Dann ist auch die Opposition ein Hauptmoment , ein nothwendiges Moment zur eigenen Erregung der Ständeversammlung . Hier können die Minister über alles befragt werden , und hier können | sie ihr Talent ihre Geschicklichkeit und Geistesgegenwart zeigen , indem sie immer von der dem Ministerium gegen überstehenden Ständeversammlung an­gegriVen werden , und indem die Ständeversammlung immer öVentlich seyn muß . Dies ist nun das lästichste in der Stelle eines Ministers , denn hier muß er oft 6–8 Stunden über theils unerwartete Anfragen denken und sprechen . Diese Controlle über die Regierungsgewalt ist die größte Garantie für die Tauglichkeit und rechtliche Gesinnung der Minister . Es ist eins der g­ rößten Schauspiele , wenn solche Angelegenheiten 4–5 ergreifen viele … Ministerialparthey] viele … Ministerialparthey ergreifen   7 gewechselt] ver­ wechselt   9 sie] sie sich   11 damit] (zum Vorschlage) damit   33 un­erwartete] unerwartende  

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von Ministern und Ständen geprüft werden . 3) Die Stände dürfen nicht im Sinne einer einzelnen Stadt eines einzelnen Standes , sondern sie müssen im Sinne des Ganzen stimmen und handeln . Die ständische Verfassung ist gegründet auf das Interesse der besonderen Stände , aber für die besonderen Interessen haben die Mitglieder keine besonderen Instructionen , für ihre und von ihrer Corporation , sondern haben das gemeinschaftliche Interesse . Der Trieb des Staates ist alle besonderen Interessen aufzuzehren in das Interesse der Allgemeinheit , er hat nicht zu sehen auf die einzelnen als solche , sondern er hat nach allgemeinen Regeln zu handeln , die sehr drückend für besondere Sphären und Individuen seyn können , und dies ist nun | besonders die Sache der Stände , diese Ungleichheit die durch diese allgemeinen Regeln entsteht für besondere Stände , Corporationen , zu mindern . Die Mitglieder der Ständeversammlung sind nun vornehmlich in der Kenntniß der besonderen Sphären , und das Ministerium hat die Kenntniß des Allgemeinen , und hat den besonderen Willen zu regeln . Das Verhältniß der Stände ist vorzüglich , einen Rath aus Bürgern für die Regierung zu machen  ; aber dieser gemeinsame Rath entsteht aus dem Rathe der fürstlichen , Regierungs und ständischen Gewalt .

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§ . 150 . Die Garantie für die Eigenschaften der Mitglieder der Ständeversammlung unterscheidet sich theils in die aus einem sowohl von dem Staatsvermögen und Gunst der Regierungsgewalt , als von dem Gewerbe unabhängigen Vermögen , womit das Interesse der Gesetzlichkeit und Erhaltung der bürgerlichen Ordnung verbunden ist  ; theils in die Eigenschaft einer durch wirkliche Geschäftsführung und durch obrigkeitliche oder andere Ämter erworbenen und durch die That be­währten Rechtlichkeit , Geschicklichkeit und Kenntniß der Interessen und Einrichtungen des Staates und des bürgerlichen Lebens , ferner in einen ebendadurch gebildeten und erprobten obrigkeitlichen | Sinn und Sinn des Staates . Manche glauben es sey ein überflüssiges darüber zu sprechen daß gewisse Eigenschaften zu Mitgliedern der Stände gehörten , und das Volk kenne von selbst , wer es gut mit ihm meine  ; aber das Gutmeinen ist sehr wenig , und es ist damit nicht gedient , sondern allgemeine Kenntniß des Gebäudes des

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4 Stände] Ständen   13 Ständeversammlung ] Ständeverfassung  28 einen] einem aus einer   29 35 Sinn] Sinne  

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Staates ist erfoderlich  ; und ferner woher soll das Volk diese kennen , die es gut mit ihm meinen , aus seiner Meinung doch  ; diese Meinung ist aber sehr zufällig , und diese leere Möglichkeit , diese Zufälligkeit , dieses Meinen muß ausgeschlossen seyn  ; denn kommt es bloß auf das Meinen an , so kommen die , welche sich in Wirtshäusern meistens gelten machen , die recht feindlich es mit der Regierung meinen , die zu deklamiren wissen , in die Ständeversammlungen . So war es in Frankreich , wo Komödianten , Advocaten , wilde Capuciner etc . in die Versammlung kamen . Es machten aus übertriebener Rechtlichkeit die im ersten legislativen Corps gewesenen Mitglieder das Gesetz , daß von ihnen , die einige Jahre hindurch Muth , Entschlossenheit und Kenntniß gezeigt hatten , niemand in das neue legislative Corps gewählt werden sollte , und nun kamen diese Marktschreier und Capuciner an das Ruder , und sie verursachten die Irrwege | in der Revolution . Die 2 nöthigen Garantien für die Mitglieder der Ständeversammlungen sind 1) ein Vermögen , welches unabhängig vom Staatsvermögen ist , die also um sich und ihre Familie zu erhalten nicht in Staatsdienste zu treten brauchen . In vielen Staaten war die verkehrte Einrichtung , daß Stellen verkauft wurden , zu denen nicht gerade außerordentliche Geschicklichkeit nöthig zu seyn schien  ; in England wurden alle Offizierstellen verkauft , und dieser konnte sie als Privat­eigen­thum wieder verkaufen , und doch haben sich die englischen Armeen sehr gut gehalten . Diese Einrichtung ist sehr verderblich , aber wo sie nicht eingeführt ist , da hat die Gunst ihren Spielraum . Ist nun ein Vermögen nicht vom Staatsvermögen abhängig , so fällt die Seite der Gunst weg . Besonders darf die Art des Erwerbs nicht wie Handel vom Glück abhängig seyn , und der Stand muß nicht zu sehr Gewinnsucht er­regen . Mit dem Besitze eines unabhängigen Vermögens ist das Interesse der Gesetzlichkeit das Interesse , daß der Staat und alle besonderen Interessen und Stände erhalten werden . Es kann freilich Individuen geben , die das Wohl ihrer und ihrer Familie für das Staatswohl aufopfern , dies ist möglich und wünschens­werth , aber es ist zufällig , und der Staat darf keine Garantie haben wollen , wo der einzelne sein und das Wohl seiner Familie aufopfern | muß  ; solche tragische Tugenden müssen in einem gut eingerichteten Staate entbehrlich seyn . Das 2te Moment ist das der Befähigung , aber nicht allein der Kenntniß , wo dieser oder jener Staatsbeamte fehle , und vieler Plane zu guten Einrichtungen . Die einzige Garantie ist , daß er durch seine That seine Rechtlichkeit und Geschicklichkeit bewährt hat , durch wirkliche Geschäftsführung , durch

12 sollte] sollten   14 sind  ] ist   15 die] sc . Mitglieder mit Vermögen  19 dieser] sc . der Käufer  

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obrigkeitliche Ämter . Eine abstracte Kenntniß zu haben ist was ganz anderes als Kenntniß die sich in Praxi bewährt hat . Man könnte allerdings die Bedingung machen , daß nur Mitglieder für die Ständeversammlungen gewählt werden sollen , die sich in obrigkeitlichen Ämtern bewährt haben  ; denn das bloße Zutrauen der Bürger ist ein subjectives . Durch das Führen solcher Ämter ist auch obrigkeitlicher Sinn erprobt , von denen der größte Theil , die Ämter für die besonderen Sphären des bürgerlichen Lebens , unentgeltlich verwaltet werden muß . In diesen obrigkeitlichen Ämtern lernt auch einer den Pöbel kennen , und daß er regirt werden muß . Der Sinn der Ausübung des Rechts , überhaupt der Sinn des Staates durch den sich der Bürger von dem Pöbel unterscheidet , durch den Sinn daß alle besonderen Sphären |

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§ . 151 . Für die Abtheilung der Ständeversammlung in 2 Kammern spricht 1)  daß die als durch 2 Instanzen wie bey den Gerichten und Regierungsbehörden zu bewirkende Reife der Entschließung und zwar über das wichtigste , nämlich die allgemeinen Staatsangelegenheiten gesicherter , so wie die Zufälligkeit einer Stimmung des Augenblickes , und die Zufälligkeit , welche die Entscheidung durch die Mehrheit der Stimmenanzahl annehmen kann , entfernt wird . 2)  aber vornehmlich , daß dadurch die Ständeversammlung weniger im Falle ist , der Regierung bey Verschiedenheit der Ansichten über wichtige Angelegenheiten gerade gegenüberzustehen , und zwischen der einen Kammer , in welcher das demokratische Princip das überwiegende seyn muß , und der Regierung ein vermittelndes Element steht , welches im Falle es mit seiner Stimme zu diesem tritt , dessen Gewicht um so mehr verstärkt , und wenn es von demselben abweicht , verhindert , daß dieses nicht in Opposition mit der obersten Staatsgewalt erscheint . | In den concreten Verhältnissen des Staates sind Theilungen der Geschäfte nothwendig  ; es kann mehr oder weniger rathsam werden , Unterschiede in den Thätigkeiten zu constituiren . Wie es bey den Gerichten eine höhere Instanz geben muß , an die appellirt wird , so muß es auch hier in der Stände­ versammlung eine 2te Kammer geben . Die Regierung kann in die Lage kommen , eine Kammer aufheben zu müssen , und über wichtige Gegenstände an das Volk zu appelliren  ; dies darf aber nur in wichtigen Angele-

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8 muß] müssen   11 Sphären] Text bricht am unteren Rande des Blattes nach zwei Wörtern zu Beginn der 35 Zeile ab  

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genheiten seyn , weil es immer schädliche Folgen hat , wenn die Regierung so in Opposition mit einer Kammer kommt . Um dieses zu vermeiden ist es besser , daß 2 Kammern errichtet sind . Es muß Bedingung seyn daß jede Kammer ein ve t o hat , was gelten soll müssen beyde Kammern angenommen haben , e i ne Kammer und die Regierung sind nicht hinreichend . Keine Kammer darf also überstimmt werden  ; früher war dies nicht der Fall in Deutschland  ; wenn Churfürsten und Fürstencollegien gestimmt hatten , war die Stimme des Städtecollegiums nicht nothwendig . So auch in Frankreich , wo früher 3 Stände waren und der eine überstimmt werden konnte . Dies darf schlechterdings nicht seyn  ; alle Stände müssen einstimmen und das Recht des veto haben . Zwey Kammern sind nothwendig , jede muß ein veto und entscheidende | Stimme haben . Eine Versammlung kann durch augenblickliche Stimmung hingerissen werden . Dies geschieht nicht so leicht bey 2 Kammern . Die Raschheit und Übereilung der Entschließung wird sowohl dadurch gehindert , als durch nothwendige reglementarische Anordnungen , nämlich Vorbereitung der zu berathenden Gegenstände durch Commissionen der Kammer , öfteres Vorbringen , Discuttiren , nicht schnelles Entscheiden , etc . Findet urgence (urgeo) statt , so muß die weitläufige Anordnung bey Seite gesetzt werden dürfen . Das erste Decret betriVt die Versicherung der urgence , das 2te die Decretierung des Entschlusses  ; dann darf also das 3 malige Vortragen ausgesetzt werden . Eine solche Ausnahme kann oft stattfinden müssen  ; dadurch aber kann die Regierung auch willkührlich eine durchzusetzende Sache für urgente erklären lassen . In solchen Fällen könnte die Stimmung des Augenblickes schaden , wenn nicht 2 Kammern wären , die der Zufälligkeit des Augenblickes begegnen . Oft kann eine kleine Mehrzahl für ja oder nein entscheiden  ; dies erscheint als Zufall , da die gleichen Stimmen für ja und nein als negative Stimmen , und die andern welche die Majorität ausmachen als entscheidende Stimmen erscheinen . Beyspiele hiervon geben die Verhandlungen | des Parlaments in England  : bey Aussetzung des Unterhalts für eine Princessin , die einen preußischen Prinzen heu­ra­thete deliberirte man wegen der Vermehrung des Einkommens  ; die Stimmen für und wider waren gleich , noch ein Mann hatte zu stimmen , dieser war ein Lord , der schon früher infamirend verurtheilt worden war , er stimmte gegen die Vermehrung . Es hing also von ihm die Entscheidung ab . Hier ist nun eine Zufälligkeit , weil nur die Majorität entschieden hat . Diese Zufälligkeit muß vermieden werden . Die größte Reife der Berathungen , welche mehrmals zu wiederholen sind , muß die Entscheidung herbeyführen , nicht die 20 des] den   36 vermieden] vermiethen  

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Zufälligkeit einiger Subjecte . Wäre nur eine Kammer vorhanden so würde sie im Falle einer Verneinung des Regierungsvorschlages ihr als opponent erscheinen , und so würde Spannung Haß und Reibung die Folge seyn . Sind 2 Kammern da , und sie schlagen beyde ab , so hat die Regierung nichts mehr zu sagen , die Entschließung hat doppeltes Gewicht . Sind die Kammern in ihren Meinungen verschieden , so fällt der Schein der Opposition unter sie beyde  ; sie erscheinen gar nicht in Opposition mit der Regierung , gegen die negierende Kammer entsteht kein Haß und Spannung der Regierung , weil der Streit als bloß zwischen den beyden Kammern angesehen wird . Wenn keine 2 Kammern vorhanden sind , würde bey Widerspruch kein anderes Mittel seyn , als die Regierung zu vertreiben oder die Kammer aufzulößen . Letzteres würde als Ein­g riV in die Freyheit des Volks erscheinen , und ersteres der Existenz des Staats gefährlich seyn . |

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§ . 152 . Die Verschiedenheit von 2 Kammern ist nicht bloße Abtheilung der Zahl nach , sondern wird zu dem bestimmten Unterschiede der in den Ständen der bür­gerlichen Gesellschaft und in den garantirenden Eigenschaften der Ständemitglieder liegt , nämlich zuerst eines ständigen Eigen­thums , das sowohl von dem Staatsvermögen als vom Gewerbe unabhängig und von der darin liegenden Unsicherheit des Besitzes und der Sucht eines aus der Noth und den Bedürfnissen anderer zu ziehenden Gewinnes befreyt ist , Ein G r u nd ve r mö g e n  , welches ebendadurch Vermögen eines Ganzen der Familie ist , indem es ein wichtiges Moment ist , daß eine Classe Bürger oder vielmehr Familien im Staate sey , welche auf diese unabhängige Weise dem allgemeinen Stande angehören , und die Familien das natürliche substantielle Element im Staate ausmachen , so erhält dieselbe und der erste Stand der bürgerlichen Gesellschaft , der G üt e r­b e s it z e r auf solche Weise eine politische Bedeutung und Bestimmung . Es kann dies ein e r bl iche r Ad e l genannt werden , der aber keine anderen Privilegien und Feudalrechte genießt , sondern vielmehr durch seine Stellung anderer Bürger und Familien Rechte entbehren muß , indem sich sein politischer Vorzug auf einen aus der Familie , welcher sich übrigens für Ausübung seiner politischen Qualität sonst als befähigt auszuweißen hat , beschränken , und ihm sonstiges Gewerbe und Handel , selbst die rechtliche Disposition über einen bestimmten | Theil der Güter gesetzlich untersagt seyn müsse . Heurathete sonst eine Adeliche in eine bürgerliche Familie , so wurde dies in des bürgerlichen Stammbuch eingeschrieben , so auch wenn ein bür-

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gerlicher in eine adeliche Familie heurathete , hier wurde aber auf dessen Nahmen im Stammbuche der adelichen ein Tintenklex gemacht . Diese Unterschiede müssen hier wegfallen  ; die Mitglieder der oberen Kammer müssen mehr Pflichten als Privilegien haben . Durch ihr Vermögen sind sie unabhängig  ; und durch ihre festgesetzte Bestimmung zum politischen Leben sind sie genöthigt sich die höhere politische Bildung zu geben . Die übrigen verschiedenen Stände im bürgerlichen Leben haben nur Interesse für ihre besonderen Stände , nur Sorgen für sie als einzelne , sie sind so abgeschnitten vom Ganzen . Die höheren erblichen Stände aber sind durch ihre Lage an die Theilnahme am Allgemeinen gebunden  ; Ihr nächster Zweck ist wohl auch ihr besonderes , ihr wesentlicher aber das allgemeine . Das Volk erwählt in Corporationen und Stände gegliedert die Mitglieder der 2ten Kammer . Der Hauptcharacter der ersten Kammer ist gänzliche Unabhängigkeit durch festes Vermögen und feste Bestimmung zum allgemeinen Zweck durch Erblichkeit . Die Sucht des abstracten Gewinnes , Feinheit , Pfiffig­keit fällt hinweg . Die Grundqualität dieses Adels ist Güterbesitz , Grundvermögen , nicht bloß auf Interessen ausgeliehene Kapitalien , mit denen Gewinnsucht verbunden ist . Auch der gröste Handelsmann , der vom kleinen Gewinne abstrahiert , und durch sein Geschäft auf allgemeinen Angelegenheiten steht , geht immer auf Gewinn , obschon auf größeren , er hat die Sucht unbestimmte Reichthümer zu sammeln . Beym Grund­eigen­thume liegt in der Natur der Sache eine Befriedigung der Familie , die von aller Gewinnsucht abstrahiren macht . | Die erste Kammer hat den allgemeinen Stand , den der Güterbesitzer . Der ackerbauende Stand in soferne er in die Ständeversammlung eintreten will , muß nicht nur unmittelbarer Stand seyn , sondern es müssen reiche Güter­ besitzer seyn , die das Allgemeine , Bildung haben . Sie müssen dem Momente des unbestimmten Gewinnes , der im Kaufmannsstande ist , entnommen seyn  ; die Güter müssen unveräußerlich seyn . Der Besitz dieses Vermögens darf nicht zufällig seyn . In soferne die Güter unveräußerlich seyn sollen , muß die Erblichkeit eintreten , und in soferne ein Adel , bey dem aber die Verdienstlosigkeit und ein Hochmuth auf diese Verdienstlosigkeit wegfallen muß , und der in Staatsämtern vor den Bürgern keinen Vorzug haben darf . Ein solcher Adel muß keine Privilegien haben , wie auch in England , und es müssen diesem Adel gewisse Gewerbe untersagt seyn , sowie auch die Veräußerlichkeit der Güter . Diesem Adel wird das Opfer aufgelegt , auf das allgemeine Bürgerrecht Verzicht zu leisten , alles zu treiben , womit er das Recht eines anderen nicht beeinträchtigt . Die Patrimonialgerichtsbarkeit hat 3 der] zu der   34 müssen] muß  

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eigentlich keine große Bedeutung  ; aber aus dem RechtSprechen muß der Staat nicht Provit ziehen wollen , und eben so und noch weniger soll der Patrimonialgerichtsherr die Sporteln als Provit haben , denn zieht der Staat Provit von der Gerichtsbarkeit , so hat dies doch noch den Sinn , daß er um so geringere andere Abgaben von den Unterthanen zu nehmen braucht . Außer dem , daß einer ein solcher Güterbesitzer ist , soll er auch noch seine Befähigung | erweißen , aber diese Erweißung muß nicht , wie in Frankreich zur bloßen Formalität werden .

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§ . 153 . Die z we y t e K a m me r begreift als dann überhaupt den 2ten Stand der bürgerlichen Gesellschaft und zwar i n D e put i r t e n  , welche ohne Bedingung eines Vermögens nur etwa eines versehenen obrigkeitlichen oder anderen Amtes aber ohne Gehalt gewählt werden , jedoch nicht von einer atomistisch aufgelößten , sondern in der Gegliederung ihrer verschiedenen Genossenschaften , und damit einer von dem Wahlrechte keinen wirklichen Bürger von welchem Vermögen er sey , ausschließenden Bürgerschaft , so daß das Recht Deputirte zu wählen und diese ­politische Handlung nicht eine für die wählenden nur einzelne und temporäre auch nicht einzelnen als solchen , sondern wesentlich Gemeinden und anderen ohnehin constituirten Genossenschaften zur Bewahrung übergeben ist , diese hierdurch in politischem Zusammenhang in den Staat eintreten und das Wählen von Deputirten , und somit die Existenz der Ständeversammlung eine consti­tuirte Garantie hat . Übrigens hängen Stände so mit der Verfassung des Ganzen zusammen , | daß freye Gesinnung der Wähler , sowie freye und staatsrechtliche Ge­sinnung der Deputirten nur möglich ist , wenn die Re cht e d e r e i n z e l ne n durch ÖVent­l ich­keit der Rechtspflege und Geschwornengerichte und die Re cht e d e r b e s ond e r e n G e m e i nd e n u n d I n t e r e s s e n durch die freye Constituirung von Bürgerobrigkeiten und Selbstverwaltung versichert sind . Bey der ersten Kammer sind Grundbesitz und Familie diese Correlata Grund zur Theilnahme . In der 2ten Kammer ist die Familie auseinander­ gegangen und das System des Bedürfnisses ist hier Grund . Keinem im Staate muß es erlaubt sein nicht ein Mitglied von einer Genossenschaft zu seyn . Das System des Bedürfnisses tritt in Deputirten der Genossenschaften herein . Die Wahl muß von der Bürgerschaft überhaupt , ie , von den Genossen

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irgendeiner Corporation geschehen . In Ansehung der Wähler , so wie der Deputirten fällt die Bedingung des Vermögens hinweg , sie ist über­flüssig  ; denn indem vorzüglich solche gewählt werden die schon obrigkeitliche Stellen verwaltet haben , so tritt es ein , daß schon bey der Wahl zu diesen Ämtern von den Wählenden das Vermögen angeschlagen wurde . Wenn diese Volksrepräsentanten einen Gehalt eine Besoldung ziehen , so verändert sich ihre Stellung ganz , dieses Amt eines Deputirten muß keinen Gewinn dar­ biethen  ; nur in kleinen Staaten kann die | Abhängigkeit des Staates nach außen auf den Geist der Bürger solchen Einfluß haben , daß sie ohne Vor­ theile die Stelle eines Deputirten nicht übernehmen wollen . Die Wählenden treten nicht als einzelne auf zur Wahl , sondern als Genossenschaft . Denn als einzelner hat der einzelne keine Pflicht , Pflichten hat er nur insoferne er für ein allgemeines ist , zu thun hat . Dies gibt den Corporationen eine solche Kraft . Wenn Genossenschaften die Deputirten zu schicken haben , und jeder Bürger unter einer Genossenschaft seyn muß , so kann auch jeder active Bürger Theil an der Wahl nehmen . Es versteht sich daß Tagelöhner Be­ dienten , etc . als Nichtmitglieder einer Genossenschaft , ausgeschlossen sind . In Gemeinheiten Corporationen muß das Recht der Wahl liegen . Die Bürger müssen in geordneten berechtigten Genossenschaften wählen . Das Recht zu wählen ist erst dadurch garantirt , und das , daß wirklich gewählt wird , daß Corporationen das Recht zu wählen haben , indem es nun nicht mehr dem zufälligen Patriotismus einzelner überlassen ist , und es muß im Staate etwas vorhanden seyn mit Gemeinsamkeit des Rechts und der Pflicht . Wenn nun es der Regierungsgewalt einfiele die Handlungen allein zu vollführen , die nur mit Concurrenz der Stände geschehen sollen , so sind bestimmte | Behörden da , die Regierung an ihre Pflicht zu erinnern . Durch die ÖVent­ lich­keit der Gerichte , welche Geschwornengerichte seyn müssen , entsteht das Selbstbewuste Gefühl daß ihm das Recht wird für den Bürger , und das Interesse für den Staat . Ferner ist die Selbstverwaltung ihres Gemeindevermögens nöthig . Denn wird der Bürger von den Beamten gehudelt , so erscheint diese Gleichgültigkeit für das allgemeine , die Ansicht , daß die Regierung nur eine Last sey[.] Hochmuth Schmutzigkeit Prellerey machen sehr häufig den Character der Obrigkeiten und Beamten aus . Wenn man in neuerer Zeit so lebhaft Stände verlangt , so würde diesen Ständen der Sinn des Staates fehlen , sie würden den Haß gegen die Beamten Richter und die Regierung auf sich bringen .

16 daß] daß nicht  

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§ . 154 . In Ansehung einer Ständeversammlung kann noch bemerkt werden , daß ihre Sitzungen öVentlich seyn müssen , als wodurch ihre Handlungen theils für das Bewustseyn der einzelnen allgemeine Sache und um so mächtiger werden , theils damit sie und ihre Mitglieder an der öVentlichen Meinung eine Aufsicht und ein gewichtiges Urtheil über sich haben , vornehmlich | aber , damit die öVentliche Meinung selbst zu einer Einsicht , sowohl in die wirklichen Angelegenheiten und den Zustand des Staates als zu einem vernünftigen BegriV und richtigen Ur­theil darüber , wie über das persönliche der Ministerien Regierungsbehörden und der Ständemitglieder selbst komme . Nur so ist eine Ständeversammlung , wie sie für sich das Heilmittel gegen Eigendünkel innerhalb ihrer selbst ist , ein Bildungs­ mittel für das Volk , und so ist sie eines der größten . Den früheren deutschen Landständen fehlten die im § . angegebenen Requisite , und es war den Bürgern gar nicht zu verargen , daß sie nicht sehr ungerne solche eher schädliche Landstände verloren . Das gute , wenn es schlecht ist , hat durch seine Autorität eine um so verderblichere Wirkung . Durch die ÖVent­l ich­keit der Ständeversammlungen weiß das Volk und nimmt Theil an den allgemeinen Angelegenheiten . Die Stände haben dann als ihren Stützpunkt hinter sich die Meinung des ganzen Volkes . In einem revolutio­nären Zustande ist diese ÖVent­l ich­keit , wie in Frankreich schädlich , wo der Pöbel mitzog und applaudirte | oder zischte , und seine Meinung , wenn sie ungünstig war leicht an dem ihm zuwider redenden rächte . Ein Mitglied welches in der Versammlung Debatten errregte wird auch noch in seiner Familie , wo man alles weiß die Debatte oft fortsetzen , und so wird auch seine Ansicht geläutert . Dadurch nun bekommt das Publikum Kenntniß von der Staatsverwaltung , sein Urtheil wird gebildet . Wie ungeheuer weit ist das englische Volk dem deutschen Volke voraus , wie fat und schlecht das Ur­theil das man gewöhnlich hört selbst von solchen die am lautesten schreien , wie z . B . der Herr Oberst von Massenbach , gegen das der Engländer . Ebenso auch das Urtheil über die Minister den Fürsten , und die Kentniß beschränkt sich dann nicht nur auf die Privatseite , die doch nur in Bezug auf den Staat von untergeordneter Wichtigkeit ist . Denn oft sind große Staatsmänner sehr gleichgültig auf ihr Privatbetragen , es gegen ihr Amt geringschätzend . Das worauf es wahrhaft ankommt , kann man nur durch diese ÖVent­l ich­keit kennen lernen . Und so tritt es ein , daß mit Oberflächlichkeit und Mittel­ mäßigkeit der Kenntnisse keiner in Ständeversammlungen durchkommt , und der Eigendünkel wird am meisten bestraft und unterdrückt . So mit dem Graf Waldeck in der würtenbergischen Ständeversammlung , der das Mi­

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nisterium anklagte von 10 anscheinend guten Maßregeln gegen den vorjährigen Mangel nicht eine | ergriVen zu haben  ; aber die Ständeversammlung mußte alle 10 verwerfen . Die Ständeversammlung in der das edelste und beste des Volkes ist , und wo alles verhandelt wird , ist die größte Bildung der öVent­l ichen Meinung des Volkes , die zu Maximen wird die unmittelbar gelten , zum gesunden Menschenverstand werden . Wenn ein Volk in Ansehung des Selbstbewustseyns seiner Freyheit , seines Rechts diese Bildung erhält , so ist dies die Wurzel aller Volkstugenden .

§ . 155 . 10

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Es hängt unmittelbar mit der Existenz einer Ständeversammlung und ihrer ÖVent­lich­keit sowie mit der weiters consequenten Verfassung die Möglichkeit und Würksamkeit der P r e ß­f r e y­h e i t über Staatsangelegenheiten des öVentlichen Beliebigen Mitsprechens der anderen Individuen aus dem allgemeinen Publicum und die Möglichkeit einer unmittelbaren Theilnahme aller daran zusammen , weil eines Theils nur unter jener Voraussetzung eine regelmäßige RechtsPflege gegen die Verbrecher derselben und anderntheils eine Kenntniß der Staatsangelegenheiten vorhanden ist , die öVent­liche Meinung , ihre wahrhafte Richtung und feste Begründung hat , und ebendaraus die Unwichtigkeit schlechter Ur­theile und öVent­licher | Verläumdungen und daher die Gleich­ gültigkeit der Regierung sowohl als der öVent­lichen Personen dagegen hervorgehen kann . Landstände und Preßfreyheit sind 2 Gegenstände , mit welchen man nun am meisten zu thun hat , die nur in einem consequenten Ganzen existiren können , aber in einem solchen nothwendige Glieder der Kette des Ganzen sind . Die Preßfreyheit ist diese Ergänzung in einem großen Staate , wo die Gemeinden nur durch Deputirten in der Ständeversammlung repräsentirt werden können , weil da nicht jeder Theil nehmen kann , indem die unendlich größere Anzahl durch ihr Geschäft und durch ihre Bildung nicht dazu im Stande ist . Diese wesentliche Ergänzung ist nun unmittelbar sich vernehmen zu lassen . Aber die Möglichkeit einer solchen Preßfreyheit ist nur möglich wo eine gute Ständeversammlung mit ÖVent­l ich­keit der Verhandlungen in ihr vorhanden ist , wo ein Justitzgang durch Geschwornen­ gerichte ist , und also jeder weiß wie und von wem er gerichtet wird . Wenn jeder schreiben darf was er will , so ist jede Injurie gegen Mitbürger Beamten

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und Regenten erlaubt und das Aufdecken aller Familiengeheimnisse . Aber darüber nun Gesetze zu machen , wo die Injurie angränzt , ist das schweere , womit | man nicht fertig werden kann in Frankreich Deutschland und Holland , besonders in unserer Zeit , wo man mit nicht anklagefähigen Ausdrücken die größten Injurien sagen kann . Dafür nun können keine Gesetze gegeben werden , aber wohl Gesetze wenn die Injurie anerkannt ist  ; dies Anerkennen muß aber durch Geschwornengerichte geschehen , denn da ist dem Autor und allen Privatpersonen der Regierung und den Beamten ihr Recht gesichert , und von ihres Gleichen , von ihren selbstgewählten Richtern kann über bloße Indicien einer Injurie entschieden werden . Einer der wegen Injurie durch die Presse angeklagt ist hat auch nicht das Recht die Richtigkeit des Factums zu beweißen , sondern so wie es eine Injurie ist , ist er strafbar . So kann bey demjenigen , welcher eine Parlamentsrede druckt in welcher Beschuldigungen gemacht sind , bey ihm als Injurie gelten , obgleich es beym Redner keine Injurie war . Eine Hauptsache ist daß die Ge­schwornen was in England Pitt durchsetzte nicht allein über den Thatbestand hier ur­theilen , sondern vorzüglich hier darüber , ob es Injurie sey . Ferner muß auch , wenn die Preßfreyheit eingeführt werden soll ohne daß sie schadet , das Volk schon in einem höheren Grade der öVent­lichen Bildung seyn . Verläumdungen und schlechte Urtheile | über Individuen und Regierungsangelegenheiten ­machen für die Individuen und die Minister gar nichts aus , und diese brauchen sich darum nicht zu bekümmern können darüber hinaussehen , da das Volk durch die ÖVent­l ich­keit alles kennt  ; und so entsteht durch die Preßfreyheit diese Gleichgültigkeit und Unempfindlichkeit gegen diejenige Ehre die man in andern Ländern hat  ; es steht jedem frey darüber zu klagen und er findet bestimmt da Recht aber es ist ihm zu gering , er setzt sich darüber hinaus . Jeder im Volke in England ließt die Beschimpfungen und den Tadel gegen die die ober ihm stehen , worin er gleichsam sie von ihrem Posten zu sich heruntergezogen sieht , den er selbst nicht erreichen kann . Sehr viele Menschen sinnen Tag und Nacht auf spitze Äußerungen gegen andere . Es scheint nun nach diesen Blättern , daß die öVent­liche Meinung entschieden gegen das Ministerium sey , aber die wahrhafte öVent­l iche Meinung zeigt sich da wo es gilt ganz anderst , indem in einem solchen Staate sich das ­Ministerium nicht halten kann , wenn die wahre öVentliche Meinung gegen es ist .

13–14 bey demjenigen , … gelten ,] der , welcher eine Parlamentsrede druckt in welcher Beschuldigungen gemacht sind , bey ihm Injurie enthalten ,  

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Eine Ständeversammlung kann erst in soferne als in würkliche Thätigkeit getreten angesehen | werden , in soferne sie eine Opposition in ihr hat , ie , in soferne das Interesse des Allgemeinen zugleich zu einem Interesse der Besonderheit inner­halb der Versammlung selbst und auf dem Boden der Verfassung im Interesse des Ehrgeitzes um die ministeriellen Stellen wird . Die Tugend im Staate ist nicht die moralische Abstraction von der Besonderheit des Interesses , sondern vielmehr , daß diese Besonderheit sich in ein allgemeines Interesse des Standes oder des Staates lege . Der letzte § . enthält die politische Tugend im Gegensatz gegen moralische und religiöse Tugend . Ist die Ständeversammlung im wesentlichen einmüthig gegen die Regierung , so muß entweder die Regierung brechen oder sich auflößen , da dieses Zerrüttung des Staates nach sich führt , so muß die Regierung als die Gewalt die Ständeversammlung auseinanderjagen . Wäre die Ständeversammlung einmüthig für die Regierung so wäre sie noch nicht zur Bestimmung und zu ihrem Ziele gelangt . Es muß daher nothwendig eine Opposition innerhalb der Ständeversammlung selbst seyn , das Ministerium muß in einer Ständeversammlung die Majorität haben , aber die Opposition muß eben so nothwendig da seyn . Die Ständeversammlung ist der große Rath eines Staates , die fürstliche Gewalt , das Ministerium muß im Wesentlichen die Majorität haben , welches im BegriVe des Ministeriums ist  ; denn sonst ist es nicht das Ministerium . Hat | das Ministerium im allgemeinen die Minorität , so muß an die Stelle dieses Ministeriums ein anderes Ministerium treten , das sich auch nur so lange halten kann als es im allgemeinen die Majorität für sich hat . Es müssen 3 Partheyen in der Ständeversammlung seyn , 2 die sich gerade zu gegen über stehen , die des Volks , und die absolut immer für die Regierung ist , und dann eine bedeutende 3te Parthie , die meistens auf der Seite des Ministeriums ist , im ganzen aber als unpartheyisch dasteht . Diese 3te Parthie hat sich aristokratisch in adelichen Familien gebildet . Man glaubt gewöhnlich die Beamten sollten nicht Mitglieder einer Ständeversammlung seyn , weil sie auf der Seite der Regierung wären  ; aber die Regierung , diese Einheit des Ganzen ist das hauptsächlichste , was erhalten werden muß . Die Beamten nun , deren Corporation an sich Rechte haben muß , und die nicht gerade zu abgesetzt werden können , sind nicht so sehr abhängig von der Regierung  ; sie sind aber meistens die Gebildetsten , die auf Universitäten waren , die diesen Amtsgeist mit in die Ständeversammlung bringen . Überhaupt ist die Hauptfoderung , daß das Interesse der Besonderheit sich werfe in das Interesse der Allgemeinheit . In einem großen

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gebildeten Staate ist gerade dieses ein | Hauptmoment , daß das Interesse der Besonderheit sich ausgebildet hat , und nur in kleinen Staaten können republikanische Verfassungen seyn , wo es auf die moralische Rechtlichkeit ankommt , in großen Staaten kann man auf moralische und religiöse Triebfedern nicht sehen  ; und so ist die Opposition als solche gerechtfertigt , wo Ehrgeiz und Stellensucht eintritt . In der Sittlichkeit die im Staate ist , ist gerade dieses , daß das Interesse der Besonderheit als solcher existire , sich aber wieder an das allgemeine Interesse des Staates und des Standes knüpft . Die Tugenden des Staatsmanns sind andere als die bloß moralischen , es gilt hier die Würklichkeit , und das sittliche ist nur daß diese Subjectivität ihr Daseyn im allgemeinen hat . Der Ehrgeitz ist diese Tugend im Staate  ; in den Tugenden des Staates muß sich die Besonderheit mit kenntlich machen . Der Zweck eines Miltiades war das Wohl des Staates , aber die Tugend solcher Helden war das Element der Natur . In neueren Zeiten herrscht so eine unpolitische Moral , daß man das Verdienst einer Handlung zu nehmen sucht und glaubt , indem man sagt , er hat es nur aus Ehrgeitz gethan . Man beachtet immer die subjective Seite , und wird durch sie mißtrauisch bey einem Vorschlage oder einer Handlung , dies ist das nothwendige Mißtrauen , | daß die anderen die Sache nicht aus bloßem Zutrauen billigen , sondern sie erst allgemeine wird durch die Erforschung ihres reellen Werthes . Dies ist aber die Tugend im Staate , daß die anderen das , was einer zugleich aus Ehrgeitz vorschlägt , mit dem allgemeinen übereinstimmend finden . Es gibt und gab bey den Römern viele philosophischen und religiösen Secten , wie die Ciniker etc . und heut­ zutage die Quäker , aber ein Staat von solchen könnte nicht bestehen , und sie bestehen nur insoferne andere die allgemeine Geschäfte für sie übernehmen , und sie sind so nur Parasitische Pflanzen , die allein keinen Staat bilden könnten . Abstraction von der Besonderheit ist Unlebendigkeit .

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§ . 157 . Zu den Geschäften der Stände gehört außer der Mitwürkung zu den Gesetzen über die rechtliche und polizeyliche Sphäre und zur Bestimmung der Rechte und Würkungsweise der besonderen Sphären des bürgerlichen Lebens , in Ansehung der Regierungsgewalt die Annahme und Untersuchung von Beschwerden einzelner über | Verfahren von Beamten und Regierungsbehörden , die Anklage der Minister , und ins besondere die jährliche Verwilligung der Auflagen , durch welche die Stände eine indirecte Controlle über die Regierungsangelegenheiten überhaupt erhalten , ohne daß geradezu die Regierungshandlungen selbst der

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Bestimmung derselben unterworfen sind , und in Ansehung der fürstlichen Gewalt die Bewachung der Thronerbfolge , in’s besondere bey dem Aussterben der regierenden Dynastie und dem Eintreten einer Neuen . Hier ist von den Geschäften der Stände die Rede welche zunächst besondere Geschäfte betreVen . Wenn bey der Fortbildung der Verfassung Dis­ harmonie entsteht dadurch daß ein Zweig fortgerückt , der andere noch zurück ist , so hat die Ständeversammlung dies zu heben . Die Gesetze sind unterschieden von den Ordonanzen , und von den Cabinetsbefehlen , welche letztere in einem gutgeordneten Staate nicht stattfinden dürfen , weil niemand für sie verantwortlich ist . Der Unterschied von Ordonanzen und Gesetzen läßt sich nicht genau angeben . Die einzelnen Genossenschaften müssen | das Recht haben Petitionen an die Ständeversammlung zu bringen , dies muß ein heiliges Recht seyn , und die Ständeversammlung muß sie genau untersuchen und prüfen . In dem gut eingerichteten Staate können förmliche Anklagen der Minister nicht leicht nöthig seyn , besonders da sie Rechenschaft von ihren Handlungen ablegen müssen  ; es muß ihnen aber , auf den Fall daß sie fehlen sollten eine solche Anklage drohen . Die Bewilligung der Auflagen ist für die Stände eine Controlle aller Regierungshandlungen , indem die Auflagen das Mittel zu allen Regierungshandlungen sind , und in unseren Zeiten nichts ohne Geld geschehen kann . Die Auflagen müssen nach den Einkünften aus den Domänen regulirt werden , und insoferne muß auch über sie der Ständeversammlung Rechenschaft abgelegt werden . Früherhin hatten die Auflagen die Form einer Last welche auf einem bestimmen Stück Landes lagen , neben welchem ein fast gar nicht besteuertes Gut liegen konnte , und die Einkünfte waren Privat­eigen­thum quasi des Fürsten , wovon er die Ausgaben machen mußte  ; die Zölle hatten bloß die Form von Auflagen nicht aber den Zweck einer Begünstigung des Handels . Erst in neueren Zeiten entstanden die Auflagen , und dem Fürsten wird z . B . in England eine | Civilliste gegeben . Aber alle Lasten müssen erst aufgehoben werden , die sonst auf Gütern liegen , als Rechte Gülten Zehnten , ehe die Auflagen gleich verlegt werden können . In Frankreich wurden alle diese Lasten revolutionär aufgehoben . Die Regierungshandlungen selbst sind der Ständeversammlung nicht unterworfen , aber die Auflagen , welche die Mittel dazu ausmachen . Die Regierung kann wegen der Controlle und der ganzen Einrichtung des Staates nicht verschwenderisch seyn , und das andere Extrem , das Knickern der Stände mit den nöthigen Auflagen fällt durch den in einer Verfassung , wo jeder Theil am allgemeinen nimmt , vorhandenen politischen Sinn , seinen 23 welche] welcher  

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Genuß seine Ehre darin zu haben wenn der Staat groß ist , und was er thut , groß thut , gleichfalls weg . Für dieses Ganze welches einem das besondere Interesse schützt und hebt , muß man alles hingeben . – Der Monarch diese letzte Spitze der Subjectivität der Gewißheit , muß durch natürliche Succession beständig gemacht werden , und diese Sicherheit der Thronerbfolge muß die Ständeversammlung erhalten , und stirbt die Dynastie aus , so müssen die Reichsstände dafür sorgen , daß ohne Unruhen eine neue Dynastie eintritt , | und da die Natur aufhört die Succession zu bestimmen , so tritt die Wahl der Stände ein . § . 158 . Die ganz allgemeinen Angelegenheiten des Staates aber sind theils die öVent­ liche E r z ie hu n g und Bi ld u n g der Individuen zu Staatszwecken , theils aber an und für sich K u n s t , Re l i g ion und W i s s e n s ch a f t , welche die Anschauung , das Gefühl , Vorstellung und Wissen des absoluten Wesens des Staates und der Natur sind . Die höchste Befriedigung des Geistes , in welcher er den Staat , das Leben und Thun der einzelnen wie die Geschichte und die Natur als einen Wiederschein des absoluten in der Wirklichkeit erkennt , eine Anschauung und Geschäfte , welchem in einem Volke seine ausdrückliche Bestimmung Sphäre und Stand gewidmet werden muß . Zunächst ist hier eine Erziehung und Bildung zum Behufe des Staats erwähnt , die Erziehung und Bildung für sich ist ein späteres . Der Staat hat darüber zu wachen daß dieses Recht der Individuen auf Bildung und Erziehung | werde  ; diese öVent­l ichen Anstalten müssen theils Gelegenheiten zur Erziehung seyn , theils aber müßen sie als gefodert und nothwendig seyn , und es muß der Willkühr der Individuen und der Ältern nicht überlassen seyn ob sie daran Antheil nehmen wollen . Die Kinder werden Kinder des Staates . Die bestimmte Bildung durch Unterricht ist das objective , und das ist es , wovon der Staat Notitz nehmen muß , Notitz nehmen kann . Die Bildung überhaupt macht sich durch sich selbst , ohne daß der Staat dazu zu zwingen braucht . Die Bildung einer folgenden Generation geht unmittelbar hervor aus der Bildung der vorhergehenden . Der Staat ist sittlicher Geist , Geist an und für sich , er macht das Wesen aller Individuen aus  ; aber der Staat erscheint als ein Staat in der Zeit . Die Anschauung des Wesens des Staates , seines frey herausgehobenen Geistes , diese Anschauung , das intellectuelle der Wirklichkeit wird durch Religion Kunst und Wissenschaft . Der Staat 3 und  ] u und   29 durch] durchurch (mit Kürzel)  

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muß dies als Zweck an und für sich selbst betrachten , | als Zweck , so daß er gerade durch diese Anschauung gerechtfertigt wird . Der Geist ist Wirklichkeit  ; daher muß das religiöse wissenschaftliche Kunst-Leben nicht für sich allein da seyn , sondern es muß Staatsleben seyn , der Geist muß sich als Wirklichkeit darstellen . Die Reflection des Ich in sich muß als solche zu ihrer Freyheit kommen . Die wesentliche Anschauung ist durch Kunst , in der Religion ist noch mehr vorhanden die Anschauung und das Bewustseyn der Einheit mit dem absoluten Gegenstand , das mystische das innere der Religion , ist das Bewustseyn des Individuums seiner in seinem absoluten Geist  ; dies ist die höchste Befriedigung der sich wissenden Vernunft . Diese Welt zeigt sich in der Geschichte als ein Wiederschein des absoluten . Die Wissenschaft ist nicht bloß dieses allgemeine abstracte Glauben sondern das nähere Erkennen . Da der Staat der Geist in seiner Wirklichkeit ist , so sind ihm diese Momente wesentlich . In dem Wissen des Absoluten muß auch die Wirklichkeit seyn . Es muß also eine Kirche da seyn | im Staate , unabhängig vom Staate , aber eins mit ihm . Indem der Verstand sich in neuerer Zeit soviel anmaßte , so ist das Bedürfniß wieder eingetreten . Die Kirche muß sich nicht als ein irrdisches Reich im Staate darstellen , denn sonst muß der Staat sich gegen sie kehren . Die Religion ist diese allgemeine Vorstellung , dieses allgemeine Denken , aber noch nicht das Begreifen  ; dieses höhere ist die Wissenschaft . Die Kirche hat der Wissenschaft sich entgegengestellt , und hat es versäumt , sich diese höhere Seite zu geben , und die Wahrheit , die sie enthält , in die Sphäre der Wissenschaft zu erheben . Wissenschaft und Kirche , obgleich für beyde besondere Sphären nothwendig sind , müssen sich nicht entgegen seyn . Es ist von den absoluten Angelegenheiten eines Volks gesprochen Religion Kunst und Wissenschaft . Das Wissen ist die höchste Weise wie die Vernunft real ist , und diese Realität muß in einem Volke stattfinden , und es muß eine Classe desselben sich ihr widmen . Früher hatte man Klöster , wo Menschen sich von allen absonderten , aber dem allgemeinen nichts nützten , indem sie nur für sich sorgten . Die Staaten | unserer Zeit sind noch weit entfernt , allgemeine Anstalten für diese Sphären einzurichten , die Universitäten und Akademien der Wissenschaften sind nun an die Stelle der Klöster getreten . Früher sorgte für Religion die Gottesfurcht und für Kunst und die Wissenschaften sorgten die Fürsten  ; aber so ist nicht noth­wen­d ig für diese Momente gesorgt . Aber die Personen die sich diesen Sphären widmen , dürfen sich nicht so tief darin verlieren , daß sie sich selbst verlieren , wie z . B . in Ägypten  ; aber das andere Extrem unserer Zeiten ist , daß man den 5 solche] solches   6 ihrer] seiner   16 ihm] ihr  

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Staat als bloß zum Schutze der Unterthanen sorgend betrachtet . Der Staat muß in seinen Einrichtungen ein Tempel der Vernunft seyn . Das philosophische Erkennen muß so den Staat auffassen , wenn die einzelnen auch nicht so ihn erkennen können , diese haben doch wenigstens die Vorstellung daß der Staat ein Vernünftiges sey .

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B)  D a s ä u ß e r e S t a a t s r e cht . § . 159 . Ein Volk ist ein einzelnes und die Individualität hat Daseyn und Würklichkeit nur durch Bestimmung und Besonderheit . Jedes Volk hat dem nach sein bestimmtes anthropologisches Princip , welches sich in seiner | Geschichte entwickelt , und ist in sofern eine N a t ion  ; Damit ist es zugleich f ü r s ich gegen andere solche Individuen , und als absolut selbstständiges im Verhältnisse des N a t u r z u s t a nd e s gegen dieselben . Das ä u ß e r e S t a a t s R e c h t ist daher eine Vermischung von allgemeinem und positivem Recht und von Zufälligkeit und Gewalt . Das Fürsichseyn eines Volkes ist Gegenstand des äußeren StaatsRechts  ; Dieses aber enthält nur ein Sollen daß das Recht sey . Es ist hier nur der Standpunkt von selbstständigem gegen selbstständiges . Daseyn heißt ein bestimmtes gegen ein anderes zu seyn . Jedes Volk enthält eine unmittelbare Naturbestimmtheit in ihm , einen besonderen Character und besondere geographische Verhältnisse . Die Geister der Völker sind nicht zufällig verschiedene , das welthistorische ist ein nothwendiges . Solches besondere Princip entwickelt sich in der Geschichte eines Volkes . Die Weltgeschichte ist die Darstellung , wie diese Charactere Momente im Weltgeiste ausmachen . Jeder ist so geboren , natus , daß er seiner Nation angehört , und den bestimmten Naturcharacter mehr oder weniger mit seinem Volke gemein hat . Von diesem von Natur seinem Volke angehörig seyn , und dem daß ein Individuum | freywillig in einen bestimmten Staat tritt , geht eine Collision aus , die gehoben werden muß , denn nach dem ersten hat keiner das Recht aus seinem Volke auszutreten . Daher war in vielen Staaten es so gemacht , daß jeder , so wie er das männliche Alter erreicht hatte , den Bürgereid schwur . So erkannte die Englische Regierung das Auswandern nicht an ,

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und nahm jeden geborenen Engländer den sie auf SchiVen bekam zum Matrosen . Eine weitere Collision wäre diese , ob eine Nation das absolute Recht habe , einen Staat auszumachen , dies ist das natürliche , aber es kann eine Nation auch in mehrere Staaten zerfallen , dann aber verliert die Nation an Kraft . Machen aber verschiedene Nationen einen Staat aus , so bleibt dem Staate immer eine gewisse Schwäche , die sich erst nach Amalgamirung in Jahrhunderten hebt . Ebenso mit den Juden , die eine eigene Religion haben , die auch das politische in sich faßt  ; und in soferne sie an ihre Religion streng halten , und sich nach ihrer Religion von allen andern ausschließen , und nicht einmal mit einem Nichtjuden trinken oder essen dürfen . Insoferne nun die Juden Principien in ihrer Religion haben , die alle Verbindung mit den übrigen Bürgern unmöglich machen , und die Staatseinheit verhindern , scheint ihre Ausschließung vom Staate nothwendig zu sein | aber die Sitten , und die Ansteckung durch die allgemeine Vernünftigkeit , von diesen Disharmonien abzulassen , machen die Ausschließung nicht nöthig . Die Sitten sind es , die das Princip überwältigen  ; Dies ist die Rechtfertigung für die Regierungen , daß sie nicht consequent diese SchroV ­heit der Entgegensetzung aufheben . Ferner ist auch die Festigkeit der Verfassungen zu groß als daß diese Entgegensetzung schaden könnte . Das äußere StaatsRecht enthält allerdings ein allgemeines in ihren Verhältnissen . Weil nun von der Will­kühr ausgegangen wird , so beruhen die Verhältnisse der Völker auf Verträgen , die aber keine Garantie haben .

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Die höchste Ehre eines Volkes ist , seine Selbstständigkeit zu behaupten  ; denn diese ist das Für sichseyn seines wirklichen Wesens . Diese negative Einheit des Ganzen ist die Idealität der besonderen Sphären des bürgerlichen Lebens und des Fürsichbestehens der einzelnen , die Seite worin die Substanz als Macht der Wirklichkeit gegen das Leben und Eigen­thum und dessen Rechte die Nichtig­ keit ­derselben zum Bewustseyn bringt , und die Aufopferung für das Anerkanntseyn | und die Unabhängigkeit des Ganzen allen zur Pflicht macht , für das An­ erkanntseyn aber über einzelne Gegenstände und für den äußeren politischen Zusammenhang überhaupt einen besonderen Theil als den S t a nd d e r Ta pfe r ­ ke it bestimmt . 10 dürfen] darf   12 unmöglich] unmöglichen   18 aufheben] aufhebt   30 macht , für] macht .

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Das Volk als negatives gegen andere ist für sich darin . Durch den Zusam­ menhang des Ganzen fließen alle die Sphären im Staate zusammen , und jeder erreicht seine Zwecke in seiner Sphäre . In dieser Idealität ist es wo die Negativität , die Macht des Staates eintritt . Denen die ruhig in ihrer Sphäre leben wird die Nichtigkeit ihres Besitzes zum Bewustseyn gebracht . In seiner Individualität ist das Steigen zur negativen Einheit . Alle Völker streben ein Mittelpunkt zu seyn , so ist in Deutschland nun das , daß jede Reichsstadt jedes kleine Ländchen bedauert nicht mehr ein Mittelpunkt zu seyn , und so geht in Deutschland der Wunsch des Volkes nicht dahin einen Mittelpunkt nur zu haben , sondern man wünscht die föderative Vereinigung der einzelnen Mittelpunkte . Die Selbstständigkeit des Volkes ist das Moment aller seiner negativen Einheit , worin das Familienleben und alles häuß­liche Glück seine Macht findet . Das Besondere muß sein Recht haben in dem ­a llgemeinen , und das allgemeine muß seyn durch das besondere . Die Kriege können von der Moral verworfen werden , | sie kann sagen , die Kriege sollen nicht seyn , aber der Staat ist nicht ein sollen bloß . Die Kriege müssen vielmehr als nothwendig angesehen werden , indem selbstständige Völker neben einander existiren . Die Individuen müssen die sittliche Substanz den Geist des Ganzen fühlen , wogegen die Individuen verschwindende sind . Mit Willen nun sich dieser Substanz aufzuopfern ist was gefodert wird . Die Kriege sind , was die Winde auf der See sind , ohne sie würde das Wasser faul werden , so auch mit dem Staate . Das höchste Moment der Betrachtung des Krieges ist diese sittliche Seite , die Seite welche der Staat nach innen gewinnt durch seine äußerliche Natur . Der Krieg in seinem Erscheinen ist diese Richtung nach außen , die aber nach innen wirkt , und die Nichtigkeit der Besonderheit zeigt . Diese innerliche Aufopferung wird nicht bloß in der Gesinnung sondern in der Würklichkeit gefodert . Dies Moment , für die Erhaltung des Ganzen Leben Eigen­thum Rechte aufzuopfern fodert ein selbstständiges Volk eine in sich bestehende sich selbst erhaltende Verfassung . In einem kleinen nicht selbstständigen Staate kann vieles ent und bestehen , was in einem selbstständigen Staate nicht bestehen kann . Mächtigere Staaten | können nun theils aufgefodert von den kleinern Staaten , theils aus sich selbst , sich die Erhaltung der Ruhe in kleinern Staaten anmaßen . Aber ein Staat der keine Selbstständigkeit hat ist kein Staat[.] Die Verfassung kann nicht von einem mächtigeren Volke garantirt werden , denn dies wäre das schändlichste . Aus diesem Momente geht unmittelbar die Pflicht für alle hervor

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sich aufzuopfern für die Erhaltung des Staates . Die Individuen haben ihre Ehre ihr wesentliches Bestehen allein im Staate . Ein Individuum kann sich eigentlich nur aufopfern für das Ganze des Staates , denn wenn ein Bürger für sein Eigen­thum in Krieg ziehen sollte , so setzte er ja um sein Eigen­thum sein Leben aus , ohne welches ihm sein Eigen­thum zu nichts nütze wäre . Für das Anerkanntseyn bestimmter einzelner Gegenstände bestimmt der Staat einen einzelnen Theil des Volkes . Denn ein zustand , wo das ganze Volk aufsteht , kann nur dann eintreten , wenn die Selbstständigkeit des Ganzen in Gefahr ist . Die einzelnen Interessen kann man nicht den einzelnen Bürgern gerade zu einem solchen Interesse machen . Für diese besonderen Interessen muß in einem Staate eine Armee seyn , die das Moment der Tapferkeit repräsentirt . | Dies Moment der Negativität , der Aufopferung der Tapferkeit erfodert einen Stand , zu dem jedem der Zutritt oVen seyn muß . Wenn aber sich nicht hinlänglich viele Freywillige finden so kann der Staat durch ein Gesetz gewisse Bürger dazu nöthigen . Eine Landwehr die nur in Reserve seyn muß kann nur dann gebraucht werden , wenn die Unabhängigkeit des Staates die Selbstständigkeit in Gefahr ist . Das gefährliche der BewaVnung eines ganzen Volkes zum Zwecke der Unabhängigkeit dieses Volkes , ist , daß man das bloße Defensiv System verläßt und offensiv handelt .

§ . 161 . Da das Re cht der Staaten gegen einander ihr Verhältniß als selbstständiger Individuen , das Verhältniß eines Naturzustandes gegen einander zur Grundlage hat , geht es nur bis zum gegenseitigen Anerkennen als unabhängige , und zwar als solche , welche sich durch Krieg und Macht als Freye bewähren , und zugleich als solche , mit welchen sich in einem Friedenszustande leben läßt . | Was Staaten gegen einander zu fodern haben ist das Anerkennen daß sie als freye selbstständige Individuen anerkannt werden . Das freye als natür­ liches freyes zeigt sich nur indem es die Gleichgültigkeit gegen sein Leben beweißt , dies Daseyn des Freyen kann sich nur durch den Krieg erweißen . Zu diesem Anerkennen als einem natürlichen kommt die Seite der Zu­fäl­ ligkeit , und Stärke Umfang Menge von Mitteln Talent haben als Na­tur­ talente ihre Wirkung . Das Recht der Staaten ist einerseits die Foderung , daß sie sich gegenseitig einander anerkennen , daß es aber sey muß sich bewei-

11 die] der   21 Da das] ( Da nachträglich vor der Zeile) Das   32 der Staaten] des Staates  

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ßen . Wenn ein Staat eine solche Verfassung hat , welche drohend wird für die Selbstständigkeit anderer Staaten , oder welche keinen Friedenszustand vermuthen läßt , so können diese Staaten ihn entweder nicht anerkennen oder fodern daß er hierin seine Verfassung ändere  ; aber in diesem directen Sinne darf diese Foderung nicht gemacht werden , weil man vom Staate foderte daß er von seiner Verfassung abgehen solle  ; aber indirect darf sie gemacht werden . So weigerten sich die Staaten die französische Republick anzuerkennen . Die Verfassung ist das innere Leben des Volkes , und das Volk soll eine solche Verfassung | haben , daß sich mit ihm in Frieden leben läßt . In soferne ungebildete Völker fast keine Verfassung haben und die civilisirten angränzen­den Völker deßwegen sich nicht auf sie verlassen können und immer unsicher sind , so maßen sie es sich an , diese rohen Völker zu ­zwingen  , feste Verfassung anzunehmen .

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§ . 162 . Die näheren Verbindlichkeiten der Staaten beruhen auf p o s it i ve n Tr a c t a t e n , und der erste Grundsatz des Völ ke r r e cht e s als des allgemeinen an und für sich gültig seyn sollenden Rechtes ist , daß die Tractaten gehalten werden . Wegen des Principes der Selbstständigkeit aber haben die Rechte der Staaten gegen einander nur in dem besonderen , nicht in einem constituirten allgemeinen Willen ihre Wirklichkeit , es bleibt daher bey dem S ol le n  , und welche Verletzungen , deren bey der vielseitigen Beziehung der Staaten und ihrer Angehörigen in Menge vorkommen müssen , als Feindseligkeiten gegen das Ganze und gegen seine Ehre , als bestimmter Bruch der Tractaten , sowie was als eine von einem anderen Staate drohende Gefahr angesehen werden sollen , ist unbestimmt , und die Streite der Staaten darüber | sind nur durch Krieg auszumachen . Die allgemeine Verbindlichkeit der Staaten ist , daß sie sich einander anerkennen  ; wenn sie nun noch sonst Verbindlichkeiten sich gegen einander geben wollen , so schließen sie Verträge . Es sollte Rechte der Völker gegen einander geben , wie bey den einzelnen Individuen . Da aber die Rechte die sie einander überlassen wollen willkührlich sind , so haben die Rechte nur ihr Daseyn in dem besonderen Willen der Contrahirenden . Das Daseyn nun wird durch die Gegenseitige Willkühr  ; indem das Wollen wirklich wird tritt es in Daseyn , und soll von den anderen anerkannt werden . Das allgemeine , daß sie gegenseitig ihre Rechte bestimmt haben , das allgemeine des Willens hat nicht wirklichkeit in sich als allgemeines , und wäre dies

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allgemeine vorhanden so wären sie nicht mehr Staaten gegen einander , die als besondere einander gegenüberstehen . Es tritt bloß ein Halten sollen der Tractate ein . Dies sollen ist eine Zufälligkeit . Ein einzelnes Individuum eines Staates , ganze Classen Corporationen der Bürger eines Staates können von einem anderen Staate , durch dessen Anordnungen verletzt be­nach­thei­ligt werden . Der Staat hat nun das Wohlseyn seiner Unterthanen | zu seinem Zwecke . Nun machen die Staaten häufig darüber Tractate miteinander . Sind keine Tractate vorhanden , so kann der Staat die Verletzung eines Individuums als eine Verletzung seiner selbst , oder auch als bloße Verletzung des Individuums ansehen . Sehen die Staaten die Beeinträchtigung als bloße persönliche Sache an so überlassen sie das Individuum sich selbst , und was ein Staat leiden will von einem andern hängt von ihm ab , er kann in geringe Verletzungen seine Ehre legen . Der Staat hat nicht unmittelbar auf Verletzung oder AngriV zu warten , sondern bloße Gefahr eines AngriVs oder eines Schadens oder zu großes Wachsen an Kraft können einen Staat zum Kriege veranlassen . Die Verbesserungen von Einrichtungen im Innern seines ­Landes von Joseph II erweckten Eifersucht anderer Staaten gegen ihn . Diese Vorstellungen Ansichten Urtheile bestimmen die friedselige oder feindliche Verhältnisse der Staaten gegen einander , und dann auch die Kraft und Macht des beleidigten Staates , der eine Art von Überfülle der Gesundheit hat , um diese Kraft von Innen abzulenken . Wenn lange | Frieden war viele kriegs lustige Jugend im Lande ist und die Kassen gefüllt sind , so wird eine leichte Beleidigung Ursache des Ausbruchs eines Krieges . Da dies ein bloßes Sollen ist , so kann man gegen die Kriege gerade nichts sagen , indem die Staaten als Naturindividuen gegen einander stehen . Kant und andere haben nun von einem ewigen Frieden gesprochen , dies ist ein wohlmeinender Gedanke , der auch moralisch gut ist  ; aber man ist davon ausgegangen daß der Krieg etwas ist , was nicht seyn soll . Aber die Völker versinken ohne Krieg in das Privatleben , diese Sicherheit , diese Weichlichkeit , die sie eine leichte Beute anderer Völker macht . Der Krieg ist etwas sittlich noth­wendiges . Ein Bund zur Erhaltung des ewigen Friedens hat immer die Willkühr der einzelnen Staaten nothwendig in sich , nach der sie im Bunde bleiben können oder nicht  ; denn haben sie diese Willkühr nicht mehr , so sind sie keine selbstständige Staaten mehr . Eben so ist es ein wohlmeinender Gedanke von vor etwa 30 Jahren war es auch daß das Menschengeschlecht einen Staat bilde . Ein bloßes Sollen hält in einem solchen Bunde aller Staaten die einzelnen

23 Aus­bruchs] Ausbruchs  .  

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Staaten | zusammen , und der ganze Bund ist auf Willkühr gebaut . Der einzelne allerdings muß das Gegentheil des Krieges wünschen  ; aber der Krieg ist ein philosophisch wesentliches Naturmoment .

§ . 163 . Der Krieg ein Zustand der Rechtlosigkeit der Gewalt und der Zufälligkeit enthält , in soferne er zwischen Völkern geführt wird , welche ihre Selbstständigkeit gegenseitig anerkennen , nur dies Recht , daß darin die Möglichkeit des Friedens erhalten , auch daß er nicht gegen Privatpersonen geführt , und diese vom Staate unterschieden werden  ; sonst beruht das gegenseitige Verhalten überhaupt auf den S it t e n der Nation , als der inneren an und für sich seyenden unter allen Verhältnissen sich erhaltenden Allgemeinheit des Betragens . Übrigens wird im Kriege auch die Selbstständigkeit eines Volkes der Zufälligkeit ausgesetzt  ; das höhere Recht über dieselben enthält aber der allgemeine Geist der Welt . Hier ist der Übergang zu einem | höheren Stande angedeutet . Alle mögliche Talente äußeren sich im Kriege gegen einander  ; aber auch im Zustande der allgemeinen Rechtlosigkeit sollen noch Rechte gelten . Zuerst muß dadurch daß sich gegenseitig anerkennende Völker Krieg führen , die Möglichkeit des Friedens bleiben , und Gesande und Parlementairs nicht verletzt werden . Alles was nicht zum wirklichen Staate gehört , das bürgerliche Leben , Religion wissenschaftliche Anstalten , die Gerichte sollen verschont werden , insoferne es nur die wirklichen Staaten als Staaten sind die gegen einander Krieg führen  ; allein dies ist im Ganzen auch nur ein Sollen  ; denn alle diese Gegenstände gehören doch dem Staate , enthalten Mittel für ihn . Der eigene Staat wenn er in Noth kommt kann sich aber auch Kassen von besonderen Sphären bemächtigen  ; denn die besondern Sphären haben im Falle daß der Staat in Gefahr ist seine Freyheit zu verlieren keine Rechte gegen den Staat  ; auch muß er manchmal diese Mittel dem mit ihm Krieg führenden Staate entziehen . Die Sitte ist das festeste was das Betragen im Kriege regulirt . Ist die Möglichkeit des Friedens nicht mehr vorhanden , ist die Selbstständigkeit | des einen Volkes bedroht , so wird es ein Krieg , wo es nur auf gegenseitige Vernichtung geht . Wenn z . B . die Gesanden ge­mordet würden , so wäre dies ein Zeichen zu einem solchen Kriege . Ein Volk in dem sich bürgerliche Gesellschaft entwickelt hat , wenn es mit einem sol-

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15 Übergang ] Übergang angedeutet   22 die wirklichen … sind] der wirkliche Staat als Staat ist   35

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chen civilisirten Volke zu thun hat , macht sich nicht soviel daraus , wenn ein Theil , eine Provinz einem anderen Staate einverleibt wird , indem den übergehenden ihre Rechte ihre Religion etc . bleiben . Die Pohlen haben sich mit Ehre vertheidigt , sie machten aber zu spät den Versuch eine vernünf­ tige Constitution sich zu geben . Das Volk war aber ein in sich gebroche­nes durch Factionen zerrissenes . Ein solcher bellum internecivum wird unter gesitteten Völkern immer seltener , weil das Fürsichseyn der Familie und der Individuen sich mehr ausgebildet hat , die Einheit also schwächer ist , und die Gefahr für alle Rechte und Institutionen für Religion Bildung etc . nicht stattfindet . Die Lacedamonier machten alle Messenier zu Sclaven , die nicht auswanderten . Ebenso im Morgenlande , wo in der Hauptstadt alles Männer , Weiber und Kinder gemordet wurden . Da durch den Krieg das VölkerRecht aufgelößt wird , so kann nur bleiben was als inneres in den Völkern ist , die Sittlichkeit . Bey uns werden die nicht mehr gefährliche Gefangenen geschont , Feldprediger Chirurgen werden meistens nicht als Gefangene behandelt . | Im polnischen Kriege ließ Souwarov alles in Praga in der Vorstadt niedermetzeln , als er es eroberte . Da die Gesanden ihr Volk repräsentiren , so ist der Gesandtenmord auch ein wichtiger Vorfall . Aber da die Staaten ihre Selbstständigkeit nicht leicht aussetzen wollen so sehen sie diese letzte Beleidigung als einen einzelnen Umstand an und übergehen sie . So mit den französischen Gesandten die in Rastadt ermordet wurden . Dies ist das höchste daß ein Volk seine Selbstständigkeit erhält , und ihr alles auf­ opfert . Aber diese Selbstständigkeit ist nichts absolutes , und kann zu Grunde gehen  ; ein höheres , der Weltgeist ist über ihr , und die Rechte der Völker verschwinden , wo er hervortritt .

C)  Die Weltgeschichte . § . 164 .

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Die Principien der besonderen Volksgeister sind beschränkt , der unbeschränkte Geist ist der allgemeine , welcher sein absolutes Recht an ihnen in der We l t ­ g e s ch icht e ausübt , als dem We l t g e r icht e  , und zwar dem Gerichte nicht bloß seiner Macht und eines blinden Schicksals , sondern der nothwendigen Entwicklung seines Selbstbewustseyns , von | welcher die Vollstreckung eines einzelnen Momentes und Stufe einem einzelnen Volke dem dasselbe als sein Princip 3 bleiben] bleibt   6 internecivum] internecinum   wird] werden   22 daß] das   26 C)] 3)  

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zukommt , übertragen ist . Solches Volk ist für solche Epoche das herrschende in der Weltgeschichte , und gegen dieses absolute Recht , Träger der jetzigen höchsten Entwickelungsstufe des Weltgeistes zu seyn , sind die Principien der anderen Völker rechtlos . Der absolute an und für sich seyende Geist ist wirklich an dem Selbst­ bewust­seyn . Der Staat ist überhaupt diese Wirklichkeit . Der Staat ist Leben in sich , aber er ist ein besonderes gegen andere Völker . Das Recht der Völker dies allgemeine , soll nur seyn . Aber das an und für sich allgemeine ist der Weltgeist . Hier dringt der Geist im höchsten sich zu fassen . Die Weltgeschichte dieser absolute Proceß worein die Selbstständigkeit der Völker versetzt wird , ist das höchste Moment , die Selbstständigkeit der Völker ist gegen ihn ein nichtiges . Die pragmatische Geschichte gibt die Ursachen an , warum Völker steigen und fallen . | Die Gründe nun anzugeben warum es mit einem Volke so oder so erging , ist ein so zusammenhängendes , daß im­ mer wieder neue Ursachen eintreten . Die Weltgeschichte ist diese göttliche Tragödie , wo sich der Geist über Mitleid Sittlichkeit und alles was ihm sonst überall heilig ist erhebt , wo der Geist sich hervorbringt . Mit Trauer kann man den Untergang großer Völker ansehen , die Ruinen von Palmira und Persebolis , wie in Ägypten alles erlegen ist . Aber was hinunter ist , ist hin­ unter , und mußte hinunter . Der Weltgeist hat kein Schonen kein Mitleid . Auch das herrlichste höchste Princip eines Volkes ist als Princip eines besonderen Volkes ein beschränktes Princip , über welches der Zeitgeist hinwegschreitet . Die Worte Schillers , die Weltgeschichte ist ein Weltgericht , sind das tiefste was man sagen kann . Kein Volk erlitt je Unrecht , sondern was es erlitt , hat es verdient . Das Weltgericht ist nicht zu betrachten als bloße Macht des Geistes , die Gattung hat Macht des Allgemeinen über die Individuen , die Accidenzen sind , aber die Gattung fällt auch wieder | in die Einzelnheit zurück . Die Gattung hat ihr nächstes Daseyn eben wieder in solchen Individuen , dies ist ein langweiliger Proceß , wo immer dasselbe geschieht . Aber die Weltgeschichte ist immer ein Fortschreiten zu einem höheren . Sie i s t auch nicht bloß , das i s t ist das letzte BegriV ­lose  , einfache , es ist , weil es ist . In den Schicksalen der Völker ist nicht bloß das Seyn , welches in seiner Erscheinung ein zufälliges wäre , sondern ein Seyn im BegriVe . Man muß die Schicksale zwar mit steinernem Herzen ansehen , aber sie sind nicht bloß weil sie sind . Das Kind erfaßt sich noch nicht in sich , erst später macht es sich frey . So sind auch Epochen in der Weltgeschichte , unterschiedene Stufen des Bewustseyns , jedes Volk hat wieder seine Entwicklung in sich , aber in 29 ein] eine  

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diesem Großen zusammenhange in der Weltgeschichte hat jedes Volk ein besonderes Princip . Seine Geschichte ist nur eine Entwickelung in ihm , bey dem einzelnen Volke . Indem ein Volk in der Geschichte das herrschende ist , wird sein Princip auch in die übrigen Völker gesetzt . | Ein Volk dessen Princip mit der StuVe des Zeitgeistes gerade übereinkommt , ist das herrschende Volk , und seine Thaten sind die treV ­l ichsten . Die 300 Spartaner bey Termopylä bilden ein Moment in der Weltgeschichte , obgleich oft mehrere Tausende so tapfer fielen . Gegen solches Volk , an dem sich der Weltgeist oVen­bart , sind die Rechte der anderen Völker nichts , es führt seine Rolle durch , es mag wehmüthig seyn es anzusehen wie es sie zertritt . In dem römischen Volke behielt dieses Unrecht , diese Schleicherey , dieses Ein­ mischen in alles Recht , weil es das Recht des Weltgeistes war . Die Individuen die in einem solchen Volke in einer solchen Zeit sich an die Spitze stellen , wenn auch dies unmoralische in ihnen vorhanden ist , diese Verachtung der Rechte der andern , so ist es dennoch durch sie , diese Individuen , daß sie ausgeführt werden . Die absolute Idee des Geistes hat hier das absolute Recht gegen alles andere . § . 165 .

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Die welthistorischen Reiche sind die 4 gewesen  : | 1) das orientalische 2) das griechische 3) das römische , 4) das germanische . Früherhin behandelte man die Weltgeschichte nach den 4 Monarchien , und diesem lag zu Grunde , auf die welthistorischen Völker die Geschichte aller anderen Völker zu beziehen . In diesen 4 . weltanschauungen ist es , daß der Geist durch diese Stufen zum Wissen seiner selbst gekommen ist . Es gibt Völker die neben draus liegen , nicht welthistorisch sind . Der Geist als Volksgeist durch die Natur bestimmt enthält viele Gattungen und Arten , da diese Naturseite auch ihr Recht haben muß  ; und diese Arten beleuchtet der Weltgeist manchmal nur sehr schwach , indem sie mehr oder weniger eine nahe Art des den Volksgeist führenden Volkes sind . Im orientalischen Reiche ist der Despotismus , im griechischen die democratie , im römischen ist aristocratie in dem Gegensatz von democratie  ; im germanischen Reiche ist das Princip des innern des Geistes , welches schlechthin die Grundlage ist .

11 Schleicherey] Schleigerey   22–23 auf die … beziehen] daß auf … beziehen   29 den Volksgeist] lies  : ihren Volksgeist   30–31 democratie , im … democratie] (1) Monarchie , im römischen 35 ist der Gegensatz (2) democratie (über) 〈〈Monarchie〉〉 , im römischen ist aristocratie (am rechten Seiten­ rande) in (am linken Seitenrande) dem (aus der) Gegensatz (von democratie über der Zeile mit Einfügungs­ zeichen)  ; Änderungen von fremder Hand  

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§ . 166 . 1)  Das orientalische Reich ist die substantielle Weltanschauung im Anfange ein patriarchalisches Naturganze , | worin die Individuen als Söhne keine Persönlichkeit kein Recht und Eigen­thum für sich gegen den Herrscher haben , der Unterschied der Stände des bürgerlichen Lebens durch die Geburth zu Kasten befestigt ist , die weltliche Regierung zugleich Theokratie , der Herrscher auch oberster Priester oder Gott , die Staatsverfassung Religion , sowie die religiösen und moralischen Gebothe und Gebräuche eben so Staats‑ und Rechts Gesetze sind . Dies ist die nothwendige erste Gestaltung , die Reflection in sich , die Freyheit ist noch nicht vorhanden , das Individuum weiß nur das Ganze als sein Wesen . Die Individuen haben als Familiensöhne kein Recht kein Eigen­ thum gegen ihr Oberhaupt . Der Weltgeist ging über diese Unmittelbarkeit hinaus zu einem andern Volke über , nahm aber die Principien mit um sie weiter auszubilden . So das indische Persische Chinesische Babilonische Medische Reich . Das Chinesische Reich ist das ausgebildetste . Hier ist die Hierarchie und das patriarchalische Verhältniß bis auf das unterste Glied verbreitet . Gegen den | Monarchen gilt kein Recht kein Eigen­thum  ; die Vicekönige sind nun wieder Patriarchen ihrer Provinz , und der Vater hat alle Rechte über seine Kinder , die er selbst am Leben bestrafen lassen kann , nicht aber selbst töden . Begeht ein Sohn ein Verbrechen gegen seinen Vater so ist dies das größte Verbrechen , und die ganze Provinz kommt dadurch in Verwirrung . Diese Urprincipien sind nun weiter auf das bürgerliche Leben ausgebildet . Eben so sehen wir diese Grundanschauung in den Persern , der König war hier der Abglanz der Sonne , und seine Fürsten repräsentirten die Planeten um ihn  ; In Indien haben sich die Stände mehr gesondert , und der Fürst ist häufig ein anderer als der Oberpriester . In den Vorstellungen von der Entstehung der Welt lassen sie die Kasteneintheilung als ein göttliches hervorgehn , und die Seelenwanderung hat dies zum Grunde , daß zwar alle Menschen aus Gott ausgeflossen sind , aber ihr Stand ein Unglück sey , und sie erst durch Reinigung auf der Welt in die Gottheit wieder zurück kehren könnten . In | diesem Hauptdogma der Indier ist die Sphäre der Endlichkeit nur ein Schauen nach jenseits , nur ein Verhältniß der Accidentalität , nur bewustlos in das Unendliche wieder aufgenommen zu werden , nicht in seinem Bewustseyn selbst das unendliche zu erfassen . Alle Verfassungs und Rechts Gesetze sind in dem Choran enthalten , ebenso sogar Ge­bothe der Höflichkeit des Waschens Essens etc . sind als religiöse Gesetze 4 haben , der] haben . Der   17 den] den | den  

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gegeben . Der Muhametanismus ist in sofern eine Reinigung der orientalischen Weltanschauung , indem er das Fallen des Geistes in dem Menschen nicht annimmt , nur dieser Unterschied der Intellectualität ist der wesent­ liche . In dieser Anschauung ist der Geist ebenso als Naturelement als Sonne angesehen . § . 167 .

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2)  Das Griechische Reich hat die orientalische Substantialität zur Grundlage  ; aber aus dem Geiste zu geistiger Individualität herausgebohren und zu Schönheit verklärt . Die eine Substanz ist in viele Völker zerfallen , in | welchen das wesent­ liche Element die unbefangene heitere Sittlichkeit ist , das Princip des persönlichen Rechts hervortritt  ; aber noch in die substantielle idealische Einheit verschmolzen und ihr untergeordnet  ; Das aus sich beschließende Selbstbestimmen noch nicht im Selbstbewustseyn , sondern einem äußeren als einem höheren übertragen  ; die Verfassung einerseits Demokratie ist , welche andererseits noch die Sclaverey in sich enthält . Das griechische Reich kann auf die Seite des Gegensatzes gestellt werden , und das Moment der Verschiedenheit der orientalischen Substantialität ­bilden . Das wilde Naturleben ist hier gemäßigt , der Individuelle Geist ist das herrschende , es ist das griechische Reich die Welt der Sittlichkeit , wo an dem gemeinen Geiste seines Volkes das Gute ist . Die griechische Götter stellen Volksgeister vor , aber das Naturelement ist noch an ihnen , Jupiter ist der Donnerer , Poseidon | ist noch Gott des Meeres etc . aber die alten Titanen , die Naturelemente sind an den Saum der Welt gesetzt . Die Kunst Industrie sind hier zu erkennen . Es ist hier das Zerfallen in viele Völker , die sich aber sich als unendlich wissend , noch nicht vom allgemeinen absondern . Im strengen dorischen Character sind die Individuen noch mehr im Ganzen , im jonischen ist aber diese freye Individualität . Hier ist das frohe Bewustseyn in sittlicher Idendität mit seinem Ganzen zu seyn . Die Gesetze sind aber noch ganz berechnet auf das erhalten des Staates , in Ansehung der Erbschaften lag dieses in Athen , daß die Reichthümer sich nicht so sehr vermehrten und häuften . Die reichsten übernahmen bloß als die Reichsten die Auflagen für Volks und zugleich religiöse Feste . Der reichste in einem Demos mußte dies übernehmen , und wollte er nicht , so konnte jeder ihm den Tausch mit dem Vermögen anbiethen . Sie hielten alles auf das allgemeine , aber hier waren nicht wie im orientalischen die Individuen | Knechte zur Errichtung von 13 im über versehentlich nicht gestr . dem   25 absondern] absondert  

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ungeheuer großen Werken . Über das letzte Beschließen hatte das Orakel zu beschließen . Das Selbstbewustseyn hatte noch nicht diese subjective Gewißheit . In Sokrates sehen wir die Moral dieses Princip des Für sich seyns hervortreten , welche so sehr gefährlich war , deßwegen nahm es auch Plato nicht in seinen Staat auf , und machte alles Eigen­thum gemeinschaftlich . Aber es war ein nothwendiges Moment , welches Sokrates erfaßte , das Atheniensische Volk erkannte das Verderben , und bestrafte sich selbst in Sokrates der an der Spitze stand . Mit Sokrates fängt das Beschließen als ein Inneres an . Hier hatte die Demokratie die Tugend wie Montesquieu sagt , diese un­ befangene Sittlichkeit zum Princip , man kann ebenso hier Aristokratismus sehen . Die persönliche Freyheit war noch nicht als absolut allgemeines an­ erkannt , die freyen Bürger waren die Aristokraten , und sie hatten noch nicht das ­Bewustseyn der Nothwendigkeit der Freyheit aller . |

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§ . 168 . 3) Von dem römischen Reiche ist die Zerreißung der sittlichen Einheit in die Extreme des Fürsichseyns des Selbstbewustseyns und in abstracte Allgemeinheit vollbracht worden . Das Princip einer substantiellen Anschauung , die Aristo­k ratie , von welcher die Verfassung ausgegangen , tratt nicht für sich sondern gegen das entgegengesetzte sich zugleich vorfindende demokratische Princip auf eine Entgegensetzung , wodurch jenes Princip zum Aberglauben und rechtloser Gewalt , dieses zur Auflößung des Ganzen sich entwickelte , ein allgemeines Unglück und der Tod des sittlichen Lebens , in welchen die besonderen Individualitäten der Völker erstorben sind , das formelle Recht der Persönlichkeit ausgebildet worden , die Individuen zu Privatpersonen und damit alle zu gleichen heruntersanken und nur eine abstracte in ungeheuere Gestalten sich treibende Willkühr sie zu­ sammenhielt . Das erste ist die natürliche Substantialität , das 2te die geistiche Substantialität , durch das römische Reich kam als 3tes Moment das formelle Recht und enthält diese Entgegensetzung diesen Tod . Denn die Stifter des Staates waren Räuber , die durch keine Bande zusammengehalten | wurden . Die Vielheit , das Außeinanderseyn zeigt sich  ; erst Numa führte die Religion ein  ; und also erst der Etruskerstamm brachte die aristokratie , welche dem Princip der persönlichen Freyheit sich entgegensetzte  ; und die ganze Geschichte enthielt diesen Kampf der Plebejer mit den Patriciern . Das natürlich sittliche

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24 heruntersanken] heruntersahn  

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Princip tratt nur im Gegensatze in der aristokratischen Herrschaft auf , und die Religion verfiel in Aberglauben . Das demokratische Princip erwarb sich auch Rechte im Staate , aber diese Entwicklung der Demokratie stürzte das Ganze . In der Erscheinung des demokratischen Principes tratt die Auflößung des Ganzen ein . Die Gestalt dieses Volksgeistes dieser allgemeine Tod des sittlichen Lebens (alle Volksgeister wurden in ein Pantheon versammelt) war das Moment des Weltgeistes . Alles Aufhören des öVent­lichen Interesses und die Ausbildung des formellen Rechts fällt in diese Periode  ; wie mit einem Toden Körper , der an sich tod ist , aber dennoch das Leben der Würmer enthält  ; die Einzelnheiten machten das Ganze aus ohne einen Mittelpunkt , nur ein Individuum verlassen von der Allgemeinheit war an der Spitze . Die vernunftlose Willkühr | tratt ein . Es zeigen sich diese ungeheueren Gestalten , wo einzelne sich sogar als Gottheit betrachten , dies ist das ungeheuerste , was man am Selbstbewustseyn gesehen hat . Das in orientalische Formen getriebene Selbstbewustseyn . Diese Gestalten waren aber noth­wen­d ig . Der Character des römischen Reichs war dieses Zerreißen dieser Tod .

§ . 169 .

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4)  Das in diesem Unglücke in sich zurückgedrängte Selbstbewustseyn erfaßt aus dem unendlichen Schmerz als dessen Volk der Weltgeist das israelitische bereitgehalten hatte , die unendliche Positivität seines Innern , eine Innerlichkeit aus welcher die Weltgestalt auszubilden dem nordischen Principe , den g e r m a ­ n i s che n Völ ke r s ch a f t e n übertragen ist . Der Anfang einer Staatseinheit ist nicht ein religiöses oder natürliches Princip , sondern die aus dem Gemüthe ausgehende Genossenschaft und Treue Freyer , | welche sich an einen tapferen Anführer anschließen , von ihm erobertes Land zur Belohnung erhalten , und dafür zu freyen Diensten der Treue verpflichtet sind , ein Verhältniß , aus welchem , zum förmlichen Rechte gemacht mit Unterdrückung der anderen Freyen das Fe ud a l­v e r h ä lt n i ß erwachsen ist . Die römische Welt ist die Welt der Differenz der Entzweyung , aus dieser Entzweyung wurde das Selbstbewustseyn in sich zurückgedrängt . Diesen unendlichen Schmerz hatte sich am israelitischen Volke der Weltgeist be­ reitet . Die frühere israelitische Geschichte fällt in das morgenländische . Der jüdische Gott ist nicht diese orientalischwirkliche Substanz , sondern ein jenseits gegen die Vielheit der Natur und des Geistes . Diese Entfremdung ,

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dieser Schmerz dieses Unglück war schon früher in diesem Volke , damit , wenn dieser Schmerz Schmerz der Welt würde , er in diesem Volke vollkommen auftreten solle . Im indischen Principe ist doch noch diese HoVnung , daß das Individuum wieder | zur Göttlichkeit zurückkehren könnte  ; nicht aber so im jüdischen Volke , und aus diesem Geburtsschmerz erwuchs dem Menschen das Bewustseyn der Innerlichkeit . Durch die Germanen wurde nun dies ausgebildet . Bey den Germanen war die Staatseinheit nicht diese orientalisch natürliche oder religiöse , sondern aus der Innerlichkeit , aus dem Selbst ging sie hervor  ; der Anfang dieser Einheit beruhte auf der freyen Wahl eines Chefs , an den sich freywillig mit Vertrauen aus freyer Wahl das Volk anschließt . Hier ist das Princip der Innerlichkeit vorhanden  ; aus ihm entstand das Feudalverhältniß . Auf die Aus­thei­lung und Verschenken des eroberten Landes tratt die Verpflichtung ein , wo es auf die Besondere Willkühr nicht mehr ankommt . Hier ist also die besondere Wahl und die an und für sich geltensollende Verpflichtung  ; dies ist nun ein Widerspruch .

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§ . 170 . Dem aus der unendlichen Innerlichkeit erzeugten intellectuellen Reiche der Wahrheit stellt sich diese Innerlichkeit in ihrer Unmittelbarkeit | als ein welt­ liches Reich auf Gemüthlichkeit gegründet , aber wegen der unentwickelten Abstraction dieses Principes zugleich als ein Reich der rohen Willkühr , der Barbarey der Sitten und der Förmlichkeit in der Feudalverfassung gegenüber , bis in ihrem Kampfe jenes Reich sich bis zum Irrdischen der Wirklichkeit und Vorstellung herab und dieses zum Princip vernünftigen Wissens hinaufgebildet hat , damit ist ihre innere Versöhnung geschehen , eine Versöhnung , in welcher der Staat als constitutionelle Monarchie ein Bild und die Wirklichkeit der entwickelten Vernunft ist , und damit das Selbstbewustseyn in ihm sein wirkliches Wissen und Wollen wie in der Religion die Freyheit und Eigenthümlichkeit seines vernünf­ tigen Anschauens und Fühlens hat , und in der Wissenschaft der wirkliche Staat die Natur und die ideelle Welt als sich ergänzende Manifestationen einer und derselben Vernunft erkannt werden . Dies ist die Spitze der ganzen Darstellung . | Die Innerlichkeit des Selbstbewustseyns in seiner Unendlichkeit , dieses Princip der Wahrheit , tratt zuerst entzweyt in ein geistliches und ein weltliches Reich auf . Das weltliche

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5–6 Geburtsschmerz erwuchs … Innerlichkeit] Geburtsschmerz , woraus … Innerlichkt erwuchs   35 6 die] Die  

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die sittlichkeit225

Reich , auf Gemüthlichkeit gegründet war ein Reich der rohen Willkühr , der Förmlichkeit des Rechts , das Reich der Barbarey , in dem großes Princip der Gemüthlichkeit war . Die Barbarey im eigentlichen Sinne war hier vorhanden , die Gemüthlichkeit übergehend in Rachsucht den heftigsten Eigenwillen und die Leidenschaft  ; die Besonderheit war noch nicht in ihm aufgehoben , das eigenthümliche Belieben der Neigung der Willkühr . Ihm gegenüber stand das Reich des allgemeinen , aber es stand nur gegenüber , und seine Entwicklung war eben so hart[.] Das Moment des Schönen , wo die Besonderheit noch nicht von der Allgemeinheit unterjocht ist , hat dies rohe dies wilde noch in sich . Das intellectuelle Reich bildete sich auch zu einem ganz irdischen Reiche aus  ; das Leben der Geistlichkeit zeigte die Unbändigkeit der Ausschweifung neben der Zerknirschung seiner selbst . Die zeitlichsten und gemeinsten Verhältnisse | wurden neben dem ewigen eingetragen . Das weltliche Reich bildete sich auf der anderen Seite zum Princip des vernünftigen Willens . Da nun keines mehr etwas vor dem andern voraushatte , so fand diese Versöhnung statt , und der Staat wurde die con­sti­tu­ tio­nelle Monarchie , ein Bild der entwickelten Vernunft , die Gegliederung die zu einem Ganzen wird . Das Selbstbewustseyn hatte sein eigenes Wollen auch erlangt , und es sah nicht mehr bloß etwas , was es nicht verstand an . Freyheit des Selbstbewustseyns in der Religion , constitutionelle Monarchie und Erkennung der Wahrheit sind die Principien unserer Zeit . Im Mittel­stande liegt die Vernünftigkeit , er ist der Stand der Intelligenz[.] Das Volk ist ein materielles Extrem  ; wenn man sagt , das Volk will das Gute , so heißt dies , daß es nicht gedrückt seyn will , so wenig geben als möglich , soviel genießen als möglich . Durch den Mittelstand werden dem Fürsten die ­Wünsche des Volkes vorgetragen . Geschlossen den 14ten März 1818 . P  : Wannenmann

wintersem ester 1818/19 Nachsch rift

Ca rl Gustav Hom ey er MIT VARI ANTEN AUS DER NACHSCH RIFT

PETER WANNENMANN

N a t u r - u nd S t a a t s Re cht .

5

nach dem Vortrage des Professors Hegel im Winterhalbenjahr 1818 1819 von G . Homeyer . |

[2]

inhalt231

I n h a lt  .

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Einleitung § 1–§ 16 p .  9 . Erster Theil . D a s a b s t r a k t e Re cht § 17–20 . p .  26 . I Besitz und Eigenthum § 21–37 30. II Der Vertrag § 38–42 43 . III Das Unrecht § 43–57 47 . Zweiter Theil . D ie Mor a l it ä t § 58–60 58. I Die Handlung und der Vorsatz § 61–64 62. II Das Wohl und die Absicht § 65–68 64 . III Das Gute und das Gewissen § 69–73 66 . Dritter Theil . D ie Sit t l ich ke it § 74–77 71 . Erste Abtheilung . D ie F a m i l ie § 78–79 77 . I . Die Ehe – § 80–83 78. II Eigenthum der Familie § 84–86 86. III Erziehung der Kinder und Auflösung der Familie § 87–89 88. Zweite Abtheilung . D ie bü r g e r l i c h e G e s e l l s ch a f t § 90–92 90. I . System des Bedürfnisses § 93 94. und Mittel der Befriedigung § 94–103 94. II Die Rechtspflege § 104–111 100. III Die Polizey – § 112 . 113 106. Dritte Abtheilung . D e r S t a a t § 114 . 115 109. I Das innere Staatsrecht § 116–121 110. A  , die fürstliche Gewalt § 122 . 123 117. B  , Regierungsgewalt §  124 120. C  , Gesetzgebende Gewalt § 125–129 . 121. II Das aüßere Staatsrecht § 130–134 124. III Die Weltgeschichte § 135–142 . 129–140 . |

2 p .  9 .] p .  8 .  

3–4

vorwort233

Vo r wo r t .

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Der Zweck aller Rechtsverfassung ist die F r e i he it  . – Der Geist nemlich ist nicht von Natur was er ist , sondern er ist nur wozu er sich macht , er ist sich nur als sein eignes Werk . Die Natur ist sein Anfangspunkt , sein wahrhaftes Seyn aber ist , über diese natürliche Unmittelbarkeit hinauszugehn , sich aus sich selbst zu erzeugen . Diese Entwicklung , welche die Form der Natürlichkeit auf­ zuheben strebt , sehn wir an der Ausbildung des Einzelnen sowohl , durch den Geist des Menschen , als an den Völkern überhaupt durch den allgemeinen Weltgeist hervor­gebracht  . Der Naturzustand , der Zustand der Kindheit , ist der der Unfreiheit , der Willkühr des zufälligen Wollens . Der Wille , noch in der Natur versenkt , kann deswegen von fremdem Willen abhangen . Daher finden wir in dieser Stellung Furcht , Unterdrückung Gewalt des Einzelwillens , der nicht auf das Allgemeine , sondern das Einzelne gerichtet ist  ; der Mensch unterwirft sich aus Glauben oder Gehorsam dem Willen anderer . – Aus der Bändigung des | Willens aber geht die Sucht des Menschen zur F r e i he it hervor , das Streben aus dem Naturzustande zu einem höhern . Dieser Mittelzustand ist eine Vermischung von Bestimmungen des Willens und des Rechts und denen die auf Gewalt oder Zutrauen beruhen . Ihm fällt auch das p o s it i ve Re cht anheim , das außer dem Vernünftigen auch solche Be­stimmungen enthält , die aus einem frühern niedrigern Zustande stammen . Die Entwicklungsgeschichte eines Volks zeigt , wie das Volk seinen FreiheitsbegriV verwirklicht . Ein jedes Volk muß den Kampf bestehn , der bezweckt den BegriV der Freiheit mit der Wirklichkeit auszugleichen , und zwar in einem nothwendigen Stufengange , der in der Natur der Vernunft gegründet ist . Indem die rechtlichen Verhältnisse diesem Stufengange der Wirklichkeit angehören , haben sie einerseits eine ve r nü n f t i g e Nothwendigkeit , andrerseits eine g e s ch icht l iche  . Die a b s olut e ist die Unendlichkeit des BegriVs , der in keiner seiner Schranken stehn geblieben ist , die a ü ß e r l iche ist die , welche noch auf irgend einer Stufe steht , zu dem Mittelzustande gehörend , wo der BegriV der Freiheit zwar anfing sich zu entwickeln , aber noch im Gegensatz mit dem natürlichen Wollen begriVen ist . – 8 Menschen] Men / schen   

234

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4–6

Die wahrhafte Erkenntniß des Unendlichen kann nicht bey der geschichtlichen Ansicht rechtlicher | Verhältnisse stehn bleiben , denn dieser gilt nur als Recht das Bestehende , das der F or m nach Gültige , wäre es auch auf unendliche Weise , das höchste Unrecht . – Die geschichtliche Ansicht wurde in neuern Zeiten besonders empfohlen theils wegen der Nothwendigkeit den bestehenden Rechtszustand zu rechtfertigen , theils wegen des schwachen Zustandes der Philosophie , die auf ein A h ne n herabgesunken war ohne zu e r ke n ne n  . – (Die RechtsbegriVe in ihrer bloßen Abstraktion stifteten unendliche Zerrüttung .) Die Philosophie des Rechts bleibt weder bei der Abstraktion noch bei der geschichtlichen ­Rücksicht stehn , wenn diese der Id e e nicht gemäß ist . – Sie weiß daß das Reich des Rechtlichen nur durch fortschreitende Entwickelung entstehn kann , und keine Stufe der­selben zu überspringen ist . Der Rechtszustand aber beruht nur auf dem allgemeinen Geist des Volks , die Verfassung also steht in nothwendigem Zusammenhange mit den vorhandenen BegriVen . Ist daher der Geist des Volks auf eine höhere Stufe getreten , so haben die Verfassungsmomente die sich auf frühere Stufen bezogen , keinen Halt mehr  ; sie müssen zusammenstürzen , und keine Macht vermag sie zu halten . So erkennt die Philosophie daß nur das Vernünftige geschehn könne , mögen die aüßern einzelnen Erscheinungen ihm auch noch so sehr zu widerstreben scheinen . | Der jetzige Zeitgeist ist gegen mehrere Momente gerichtet , an denen der gegenwärtige Zustand der europäischen Völker noch leidet , welche die reine Entwickelung des RechtsbegriVs hemmen . In Deutschland sind es besonders zwey , deren ersteres hauptsächlich das Privatrecht , letzteres das Staatsrecht betriVt . Das germanische Recht überhaupt ging aus der Eigenthümlichkeit seines ­Charakters hervor , und so machte sich die Realisirung des FreiheitsbegriVs eine Zeitlang in der Weise des Gemüths geltend . Das Recht beruhte auf Redlichkeit und Zutraun , mehr in der Form der Gewohnheit und Sitte als der Gedanken­ bestimmung sich aüßernd . Nothwendig aber war auch hier der Zeitpunkt , wo der BegriV sich von der Persönlichkeit losreißt , der Rechtszustand sich gegen die Zufälligkeit des Gemüths zu sichern strebt . Bei den Deutschen wirkte ein besondres Schicksal daß dieser Übergang verfehlt wurde . – Ein fremdes Recht wurde Meister über die Herrlichkeit des alten Lebens , zu einer Zeit da die Foderung erwachte , das alte Gewohnheitsrecht ausgebildet in die Form des Gedankens zu fassen . Der deutsche Jüngling ließ sich von der verständigen Concentration des römischen Rechts imponiren , und eilte nach Italien sich in die fremde Ausbildung hineinzustudiren , um bei der Heimkehr , die alten Institutionen hochmüthig zu verwerfen . | 4 Die] (Die   7 e r k e n n e n ] e r /  k e n n e n  8 stifteten] sticfteten    aus richteten  

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vorwort235

Der Inhalt des römischen Rechts , er sey wie er wolle , war dem deutschen Genius immer fremd , und mußte erst durch den Fleiß der Gelehrten anwendbar gemacht werden . Dem Volke ohne gelehrte Rechtskenntniß , wurde die Rechtspflege entrissen , die alte Verfassung von seines Gleichen Recht zu empfangen , verdrängt oder zur Nullität herabgesetzt  ; überhaupt die Rechtspflege E i g e n ­ t hu m e i ne s g e le h r t e n S t a nd e s  . (In England erhielt sich jenes alte germa­ nische Institut , das mit der politischen Freiheit eng verbunden ist .) Das zweite Moment , das sich mehr auf das öVentliche Recht bezieht , ist das F e ud a l s y s t e m  . Dieses widerspricht der Rechtsidee , indem es die Freiheit des Eigenthums und der Person nicht zur vollen Entwicklung kommen läßt . Die Person ist mehr oder weniger hörig , dem Boden verpflichtet . Die Freiheit des Eigen­thumes ist , wenn auch die strenge Form der Leibeigenschaft aufhörte , doch immer mit aüßern , meist unablöslichen Verbindlichkeiten belastet . – Die Rechte des Staats sind zum Privat­eigen­thum gemacht , durch die Erblichkeit der Ämter , ist die Pflicht gegen den Staat mehr Willkühr der Einzelnen geworden . Allenthalben wo der Geist zu höherem Bewußtseyn gekommen , ist der Kampf gegen solche Einrichtungen nothwendig . – Der Gegenstand der philosophischen Rechtswissenschaft ist der höhere BegriV von der Natur der Freiheit , ohne Rücksicht auf das was gilt , auf die Vorstellung der Zeit . | Der Boden der Freiheit ist der reine Gedanke .

E i n t he i lu n g

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30

E i n le it u n g BegriV des Naturrechts , der Freiheit des Willens I Die F r e i he it in ihrer Unmittelbarkeit . Das sogenannte a b s t r a k t e Recht II Die i n ne r e F r e i he it  . – Moralität III Die Einheit beider , die s u b s t a n t ie l le Freiheit Die Sit t l ich ke it A , in ihrer Natürlichkeit – die F a m i l ie B  , Zerfallen der Familie – die bü r g e r l i c h e G e s e l l s ch a f t C , Einheit beider im S t a a t  . W i r k l iche s e l b s t b e w u ßt e F r e i he it 1 , Staat in seinem BegriV . S t a a t s ve r f a s s u n g 2  , Zerfallen in Staaten – Aü ß e r e s S t a a t s r e cht 3 , Einheit in der Totalität der Staaten – We l t g e s ch icht e . |

9

einleitung237

E i n le it u n g § 1 .

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Das Naturrecht hat den VernunftbegriV des Rechts und die Verwirklichung desselben , d ie Id e e d e s Re cht s zum Gegenstande . Die Quelle dieser Wissenschaft ist der G e d a n ke , insofern er den Willen in seiner freyen Selbstbestimmung erfaßt . Dieselbe Quelle ist der göttliche ewige Ursprung des Vernunft r e cht s  , nur daß in der Wissenschaft das Denken sich als B e g r e i fe n verhält .  – BegriV – Verwirklichung – Einheit Subjekt Objekt – Idee . Realität Konkretes Der Wille ist theils der natürliche , theils der vernünftige , der sich aus der Zufälligkeit erhoben , der sich denkt . – Nur der letztere ist wahrhaftig und wesentlich . Der Wille insofern er sich denkt ist Quelle des Rechts . – Die bloße Gewohnheit kann es nicht seyn , denn sie ist zwar Existenz des Geistes , aber nur eine aüßerliche schlechte Existenz des Geistes , die seinem BegriVe nicht gemäß ist . – In dem Leben in den Gesetzen fühlt der Mensch sich frei in seinem Wesen , nicht gehorchend dem Fremden , weil die Gesetze ein Höheres sind als zufälliges fremdes Wollen . Daher ist der Staat nicht Beschränkung der Freiheit , sondern die wahre Welt der Freiheit , denn nur die Willkühr wird eingeschränkt[.] | 8–238,12 BegriV – Verwirklichung … werden .] Wa  : a d  . § .  1 . / Das Natur Recht ist dem positiven

25 entgegengesetzt . Der Wille ist wesentlich Freyheit . Die Quelle des Rechts ist im Geiste  ; keine äußere 25 Autorität kann es begründen . Als Quelle der mosaischen Gesetze wird Gott unmittelbar angegeben  ;

man gibt auch göttliche Autorität an , als die so dem Könige die Gewalt gegeben . Diese Behauptung hat man irrig so genommen , daß der Könige Handlung eine willkührliche seyn könne und nur in ihnen be­g ründet zu seyn brauche . Man hat hieraus den höchsten Despotismus abgeleitet und Gott als ein Jenseits dem Geiste fremdes und fernes betrachtet . Ein solches ist Gott nicht  ; alles was göttlich 30 ist , ist vernünftig , und so umgekehrt . In Ansehung der wirklichen Freyheit muß der Wille das ver30 nünftigste seyn  ; die Vorsteher des Staates müssen diesen Willen haben . Dies ist aber keine fremde jenseits liegende Autorität . Der göttliche Wille ist Wille der Vernunft  ; diese Vernunft ist das allgemeine des Wesens im Staate . Das Natur Recht hat keine andere Bestimmung , als Realisirung der Vernunft .  /  

403Wa

238 Einleitung § 1 . 2 .

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10–11

Unterschied zwischen D e n ke n und B e g r e i fe n [.] D e n ke n ist über­ haupt die thätige Form der Allgemeinheit , das Abstrakte . Der B e g r i f f aber ist konkret und umfaßt im Allgemeinen auch das Besondere , im Unendlichen auch das Endliche . – Das Denken hat die Gedanken nicht in der Form der Nothwendigkeit  ; die Bestimmungen der Wissenschaft werden erst nothwendig durch das Begreifen . – Was wir begreifen , haben wir ganz durchdrungen , ist ganz das Unsre , während das Denken , noch immer etwas Fremdartiges , den besondern Inhalt darin läßt . – Die Identität von mir als dem BegriV und dem Gegenstande ist das ­p h i lo s o ph i s che E r ke n ne n   : Das Recht muß also in der Wissenschaft nicht bloß gedacht , sondern begriVen werden .

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§ 2 .

Einleitung § 2 . 3 .  1 .

404Wa

Das p o s it ive Re cht ist überhaupt ein Recht , welches in einem Staate Gültigkeit hat . Was darin vernünftiger Inhalt ist , ist durch die Form der Autorität positiv . Das dem Inhalt nach positive kann aber theils vernunftwidrig und unrechtlich seyn , theils betriVt es aüßerliche Umstände überhaupt , und ist vornemlich die bloß verständige Anwendung des allgemeinen Gesetzes auf die im Empirischen vorkommenden Unterscheidungen  ; ferner betriVt es die , für die Entscheidung in der Wirklichkeit erforderliche letzte Bestimmtheit auch in Ansehung der Fälle , wo ihrer Qualität nach heterogene Gegenstände die Stelle von einander vertreten müssen . Endlich erscheinen auch rechtliche Bestimmungen als positiv , welche Verhältnisse betreVen , die wesentlich sittlicher Natur sind , und auf dem Gemüth und Zutrauen beruhen . | Zum Charakter des Vernünftigen gehört das Allgemeine . Es ist aber noch unvollständig , so lange nicht die Idee in die Wirklichkeit tritt . Das positive Recht , muß nun die Fälle , die im Felde des Empirischen vorkommen auf­ fassen , und unter den allgemeinen Grundsatz subsumiren . Zb . Eigen­thum mit seinen Arten und Modifikationen .

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25–239,8 1 . Zum Charakter … werden[.]] Wa  : a d . A n m e r k u n g . a .   Das positive Recht ist Recht , 30 soferne es Autorität und ÖVentlichkeit hat . Es kann keine RechtsVerfassung geben , die dem VernunftRecht direct entgegenstehende Satzungen hat , der Unterschied kann nur förmlich seyn . Zutrauen und Glaube sind die allgemeinen Elemente des Zusammenhanges des Staates . Eigenes Bewustseyn macht das positive | Recht respectiren  ; weicht das Individuum davon ab , so wird Zwang 35

25M –239,6M 1 . … 4 .] die MarginalziVern sind späterer Zusatz am li . Seitenrande

35

11–12

5

einleitung239

Die letzte Bestimmtheit die alles annimmt das in die Wirklichkeit tritt , liegt ebenfalls außer der Sphäre der Vernunft Zb . das Mehr oder Weniger bei Strafen , wo selbst eine verständige Bestimmung nicht genau möglich ist  ; eben so wenn ZB . verschiedene Arten der Strafen verglichen werden sollen[.] Zutrauen Gemüth haben besonders Einfluß bei den Familienverhältnis­ sen , dem Kirchenrecht , als Gegenstände des Glaubens und der Überzeugung , worüber rechtliche aüßere Bestimmungen gemacht werden[.]

2 .

3 . 4 .

§ 3 . 10

15

Das Prinzip des Rechtes liegt nicht in der Natur , ohnehin nicht der aüßern , auch nicht in der subjektiven Natur des Menschen , insofern nemlich sein Wille natürlich bestimmt d . i . die Sphäre der Bedürfnisse , Triebe und Neigungen ist . Die Sphäre des Rechts ist die Sphäre der Freiheit , in welcher , insofern die Freiheit sich aüßert und sich Existenz giebt , die Natur zwar eintritt , aber als ein unselbstständiges . | Dieser § ist veranlaßt durch den Namen N a t u r r e cht [.] Die Vereinigung von Freiheit und Nothwendigkeit , ist nicht durch die Natur , sondern durch die Freiheit hervorgebracht .

Einleitung § 3 .

gebraucht , und die Furcht erhält es auf dem rechten Wege . Das allgemeine muß vernunftgemäß 20 seyn  ; Die Autorität und Form macht das positive der Gesetze aus . Eine solche Vermischung besteht

25

30 30

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35

in allen Staaten  ; es haben sich nämlich in allen nicht vernunftgemäße Bestimmungen in dem positiven Recht erhalten . Das positive Recht gilt , es mag sich vor der Vernunft gerechtfertigt haben oder nicht , die einzelnen mögen es anerkannt haben oder nicht  ; es kann also auch willkührliche der Freyheit widerstreitende Bestimmungen enthalten . Die Staatsverfassung entwickelt sich nach und nach , und alle Institute in ihr sollen gleichzeitig und gleichmäßig sich entwickeln , entwickelt sich nun ein Institut für sich , und andere bleiben zurück , so entsteht ein Mißverhältniß  ; da alle übereinstimmend zusammenhängend und in einandergreifend seyn sollen . Dies ist bey uns vernachlässigt und neuere hinzugekommene Institute passen oft nicht zu den älteren  ; so in England  : alle Unruhen und Unzufriedenheiten in diesem Lande kommen von dem Kampfe her , den die vernünftige Verfassung gegen die vielen sie hindernden und ihr widerstreitenden Privilegien zu kämpfen hat . Die Privilegien sind einerseits Recht , andererseits aber Unrecht , weil sie die Rechte anderer verletzen und beschränken  ; sie machen daher eine Vernunftverfassung positiv und willkührlich . Dörfer , die sehr unbedeutend oder sogar vom Meere überschwemmt und so vernichtet sind , haben das Wahlrecht in England , und großen Städten , wie z . B . Manchester , die später entstanden , geht es ab . / | a d  . A n m e r k u n g . b  .  Die Vernunft entwirft ein Ideal des Staates , der Rechts Verfassung , von dem die Gestalt der Wirklichkeit sehr verschieden ist . /   16–241,24 Dieser § ist … Freiheit[.]] Wa  : a d . §  .  2  .   In der Natur ist das Lebendige unmittelbar identisch mit seinem BegriVe  ; das innere der 37 das Lebendige] der BegriV  

405Wa

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12

Die natürlichen Dinge bleiben wie sie sind , haben sich nicht vom Gesetze losgemacht , um sich selbst Gesetze zu machen . Der Geist aber reißt sich von der Natur los , und erzeugt sich seine Natur , seine Gesetze selbst . Also ist Natur nicht das Leben des Rechts . – Man hat Naturrecht oft auf Triebe und Neigungen gegründet Zb . der ­Geselligkeit . Sie sind freilich Formen in denen das ist , was das Wesen des Geistes ausmacht , allein sie diese Formen entsprechen dem Wesen nicht wenn gleich ihr Inhalt vernünftig ist . Die Wissenschaft kann aber das Wesen nicht als subjektiv als Besonderheit nehmen , wo es nicht in seiner wahrhaften Gestalt ist . Vernünftige Verfassung darf aber nur das Allgemeine enthalten[.]

406Wa

407 Wa

Naturwesen ist eben ihr BegriV , die Freyheit des Menschen aber ist gerade seine Natur umzubilden , sich seine Natur zu machen . Das Princip des Rechts hat auch nicht seine Wurzel in der subjectiven Natur des Menschen , das Naturrecht ist nicht auf Triebe und Neigungen zu gründen  ; die Triebe sind Formen die dem Wesen des Geistes nicht entsprechen , obgleich das innere der Inhalt objectiv ist , ist er als Neigung als Trieb in subjectiver Form , er kann mit partikulären Bestimmungen ­vermischt seyn . Vernünftige Organisation des RechtsSystemes muß aber nichts als das allgemeine enthalten . Allerdings haben die Triebe den Inhalt aller Staatsbestimmungen  ; aber diese müssen in ihrer Objectivität erfaßt werden . Unter Natur versteht man eines Theils den BegriV das Wesen von etwas  ; aber | anderntheils hat sie auch einen anderen Sinn . Der Naturstand der Menschen ist noch nicht der Stand der Freyheit , sondern der Stand des Unrechts . Hobbes sagt man müsse aus dem Naturstande herausgehen . Der Mensch muß zum Bewustseyn übergehen  ; der Mensch soll nicht unschuldig seyn , sondern schuldig , ie , was er thut soll sein Werk seyn . Die natürliche Freyheit , die Will­kühr die Begierde muß freilich im Staate aufgeopfert werden . Da die Freyheit sich äußern realisiren muß , so muß der BegriV in die Äußerlichkeit treten , und tritt in die Natur in sofern . Der Boden der Natur weder der unmittelbaren noch der geistigen ist Princip des Natur Rechts . In dem Kinde ist der Wille noch natürlich , noch nicht frey , er ist freyer wille potentia noch nicht actu . Man sagt der Mensch habe einen Trieb zum Rechten , zur Geselligkeit . Der Inhalt davon kommt zwar aus der Vernunft , aber erst subjectiv , noch nicht in der allgemeinen objectiven freyen Weise . Diese Bestimmungen , wie die Geselligkeit müssen wir objectiv nehmen , in vernünftiger Form betrachten . Die rechtliche Institutionen müssen ganz das objective zum | Grunde haben  ; denn das subjective , das Gefühl ist in jedem anderst . Wer sich auf sein Gefühl , oder auf sein Gewissen beruft zieht sich aus dem Allgemeinen zurück  ; er so wohl als jeder andere hat das Recht seine eigene Gefühle , sein eigenes Gewissen zu haben . Der BegriV der Freyheit , die Idee muß aber zur Existenz kommen , und mit dieser Äußerlichkeit ist das Moment des Außereinanderseyns gegeben . Aber diese Äußerlichkeit ist nur das Zeichen des BegriVes sie ist von der Idee durchdrungen . Nothwendigkeit ist nun dieses daß es 2 selbstständige gegen einander seyen , die im BegriVe wesentlich eins sind . Das natürliche muß aber dem BegriVe gemäß seyn . Die Manifestation für sich genommen ist eine Natur . Die Nothwendigkeit ist nur Erscheinung . Der freye Wille ist dieses , nichts anderes als selbstständig gegen sich zu erkennen . /   37 einander] einandere

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12–14

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einleitung241

Der Name Naturrecht ist also nur herkömmlich , nicht ganz richtig  ; da unter Natur 1 , das Wesen der BegriV 2 , die bewußtlose Natur , (die eigentliche Bedeutung) verstanden wird . – Eigentlicher Name  : Ph i lo s o ph i s che Re cht s leh r e · – · Recht im Naturzustande ist fingirt  ; es sollte das wahrhafte Recht seyn , und er dem Staat entgegengesetzt seyn  ; letzterer nur als Folge unglücklicher Noth­wendig­keit betrachtet werden . – Naturzustand ist vielmehr der der Roh­heit , des natürlichen Willens der Begierden . Paradies Thiergarten Hobbesius  : Exeundum esse e statu naturae[.] Der Mensch als Geistiges muß zum Bewußtseyn übergehen , zur Trennung des Ichs von seinem Denken  ; Die Unschuld geht freilich verloren . | (Realisirt sich der BegriV , so erzeugt er sich eines Theils eine Natur für sich , auf der andern Seite erscheint dieser als etwas Aüßeres . – (In der Freiheit ist etwas ideelles[.] Freiheit der fortdaurende Sieg des Aüßern)) In dem ungebildeten Naturmenschen ist Freiheit nur in potentia nicht in actu . Mit der Seite der Aüßerlichkeit der Idee tritt das Natürliche ein , das Moment der Vielheit des Zerfallens in selbstständige Atome . Die Aüßerlichkeit muß aber den BegriV darstellen nur abspiegeln , nicht Selbstständigkeit für sich haben . In die Sphäre der Natur fällt die Form der Nothwendigkeit , d . h . wo 2 zu ihrer Existenz des Andern bedürfen , die obwohl zugleich selbst­ständig im Verhältniß der Identität stehn . So ist in der Realität , Freiheit und Nothwendigkeit eines , die Freiheit das innere die Nothwendigkeit das Aüßere , nur der Schein der Freiheit[.]

§ 4

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Einleitung § 3 .

Der B e g r i f f d e s f r e ye n W i l le n s  , weil er das Prinzip und damit der Anfang der Wissenschaft des Rechtes ist , fällt seinem Werden nach außerhalb derselben , und ist hier als gegeben aufzunehmen . Der Wille enthält 1 ,  das Element , die reine Unbestimmtheit , oder die reine Reflexion des Ich  , in sich selbst zu seyn , welche keine Beschränkung , keinen durch die Natur , Bedürfnisse , Begierden und Triebe oder durch welche Weise es sey , bestimmten und unmittelbar vorhandenen Inhalt in sich hat . | Die schrankenlose Unendlichkeit der absoluten Abstraktion und der Allgemeinheit .

14 Aüßern ] Außern   27 seinem] seinen  

Einleitung § 4 .

242

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14–15

Jeder Theil hat ein Vor und ein Nach , so geht dieser Wissenschaft der Beweis voraus , daß es einen freyen Willen giebt[.] (Der Beweis aus der empirischen Psychologie , daß gewisse Erscheinungen des Geistes Zb . Reue Schuld nicht anders zu erklären seyen , ist unzulänglich .) – Man hat die Freiheit daher gradezu als Thatsache des Bewußtseyns ohne weitern Beweis angenommen  ; allein die Philosophie ist hiemit nicht zufrieden , sie will die Thatsache begreifen . Der wahre Beweis ist anders zu führen  : (Alle Natur , alles Lebendige bezieht sich nothwendig auf den Geist , allein ist dem BegriV des Geistes nicht gemäß  ; das Auflösen des Widerspruchs führt zur Freiheit des Geistes[.]) Das Prinzip der Freiheit ist das höchste , in dem sich alle ­Weisen der Existenz als in ihrem Grunde auflösen , indem diese sich immer selbst widersprechen und selbst zerbrechen . E r s t e s Mome nt  Das reine Denken , inhaltslose Anschauen , ist im Bewußtseyn eines jeden , denn jeglicher kann von allem Inhalt ­abstrahiren , man kann sich das Leben reine Ich denken , das alle Empfindungen in sich hält . – Bild  : das Licht , das Farbenlose , Reine in der Natur . (Gymno­sophisten suchen diesen Moment der Abstraktion immer festzuhalten[.]) Daß diese reine Allgemeinheit nothwendig , wesentlich sey , ist außer unsrer Wissenschaft zu beweisen[.] Sie ist das Allgemeine , Abstrakte der Freiheit[.] |

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§ 5

Einleitung § 5 . 6 .

2 ,  eben so ist Ich das Ü b e r g e h n z u r B e s t i m m t he it oder zur Unterscheidung , und das Setzen einer solchen in sich als eines Inhalts , Dieser sey nun weiter durch die Natur gegeben oder reiner BegriV des Ich selbst . Durch dies

408Wa

1–20 Jeder Theil … Freiheit[.]] Wa  : a d  . §  .  3  .   Die Deterministen glauben , die Reue und die Schuld seyen Täuschung . Ich finde in mir daß ich mich selbstbestimme  ; dies ist freilich Thatsache , aber die Philosophie kann dabey nicht stehen bleiben  ; sie verlangt daß die Freyheit nothwendig sey  ; dieser Beweiß muß in den vorhergehenden | Theilen der Wissenschaft enthalten seyn . Die Dialectik ist die Seele des allesseyenden selbst . Die Seele geht zum Bewustseyn über , die Auflößung des Widerspruchs des Bewustseyns ist der Geist . In dem freyen Geiste , in der Freyheit ist die Wahrheit  ; ich beziehe mich in dem andern nur auf mich , das subjective und objective sind identisch . Das Resultat der Philosophie ist zugleicherzeit auch die Substanz . Die reine Unbestimmtheit des Ich , das reine Denken , das reine Anschauen ist in jedem , jeder weiß , daß er von allen Empfindungen abstrahiren kann , selbst von dem letzten , von dem Leben . Ich ist die vollkommene Leerheit . Der BegriV des Willens kann nur gefaßt werden als Einheit seiner beyden Momente  ; das eine ist das Bewustseyn , 22 Ü b e r g e h n ] U b e r g e h n  

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15–16

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einleitung243

Setzen seiner Selbst als eines bestimmten , tritt Ich in das D a s e y n überhaupt . Die absolute Endlichkeit oder B e s ond e r u n g d e s Ich [.] In dem Allgemeinen ist das Besondre , es entsteht nur durch Aufheben des Besondern . Die Analyse des Unbestimmten giebt das Moment der Bestimmtheit d . i . das Moment der Endlichkeit , der Schranke[.] Setzen einer Bestimmtheit = Beschließen , wodurch die Unbestimmtheit aufgehoben , geschlossen wird . – Erst indem ich etwas beschließe bin ich ein Einzelnes , Beschlossenes , indem ich zugleich die Allgemeinheit und das Besondre bin . Beide Seiten sind einseitig[.] § 6 .

15

3 ,  der W i l le ist die Einheit dieser beyden abstrakten Momente , er ist so E i n z e l n he it und W i r k l i c h ke it [.] Es ist die Selbstbestimmung des Ich , wodurch es reine Allgemeinheit oder einfache Identität ist , und es ist nur so in sich beschlossne Besonderheit , als es sich in der Bestimmtheit als der seinigen auf sich bezieht | oder Identität mit sich und Allgemeinheit ist . In dieser Einheit beider Momente ist somit Ich , indem es sich bestimmt , eben so allgemein und gleichgültig dagegen , weiß die Bestimmtheit , worin es wirklich ist , als id e e l l  , als

Einleitung § 6 .

daß ich schlechthin von allem abstrahiren kann , das Moment dieser Reinheit , ist das reine Denken , 20 das reine Ich , die reine Reflexion des Ich in sich selbst . Ich kann alles negiren , dies ist Moment in

meinem Selbstbewustseyn . So halten sich die Indier in dieser Anschauung , sie entfernen sich von allem , und wissen sich in der Einfachheit mit sich selbst . Das Ich ist in diesem Sinne schlechthin unendlich , wie der Raum . Dies ist nur | das allgemeine des Willens , die Leerheit der Abstraction . Die Freyheit muß sich entäußern . Die Allgemeinheit ist schlechthin die Grundlage . /   3–10 In 25 dem … einseitig[.]] Wa  : a d  . § .  4  .   Das 2te Moment ist das entgegengesetzte , das der Bestimmtheit , der Beschränkung , des Unterschiedes . Wenn betrachtet wird was das erste ist , so ist das zweyte Moment selbst darin enthalten , in der Allgemeinheit ist das besondere selbst enthalten  ; das Un­ bestimmte ist die Negation des bestimmten , bestimmt liegt in ihm selbst . Die Analyse der Allgemeinheit gibt das Moment der Bestimmtheit . Das was ein anderes sich gegen über hat , ist nur eine 30 der beyden Seiten . Die erste Erhebung des Menschen über das endliche , ist nur ein abstractes unendliches , beydes sind ideelle Momente . Das Ich muß aus dem unendlichen zum endlichen übergehen , Gott muß sich entschließen zum endlichen überzugehen . Das unterschiedene macht als unterschiedenes die eine Seite aus . Nur durch das Setzen des einen und des anderen bin ich Totalität . Das Setzen eines bestimmten im Willen , ist beschließen , ich lege mich in diese Bestimmtheit hinein , in 35 dem Inhalt meines Zweckes bin ich . Die Pflanze entschließt sich , | das was schon in ihr enthalten ist , tritt heraus in das Daseyn . Die Unbestimmtheit ist die Expansion , das zweyte Moment ist die Contraction . /   15 Besonderheit] Sonderheit   18 weiß] darüber 〈weiset〉?  28 bestimmten ,] bestimmten , das unbestimmte ist die Negation des bestimmten   32 endlichen] unendliche  

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244

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16–17

eine bloße Möglichkeit durch die es nicht gebunden , sondern die es unmittelbar aufheben kann . Wirklichkeit ist die ungetrennte Einheit des Aüßeren und Inneren , denn Aüßeres und Inneres allein , sind nur Abstraktionen[.] Durch den Willen wird der Mensch wirklich , daß er nicht beym bloßen Denken bleibt . – Indem ich etwas will , beziehe ich mich darin schlechthin auf mich selbst meine Einzelnheit , bin identisch mit mir selbst . Einzelnheit ist die Beziehung auf mich selbst die durch die Negation eines Besondern vermittelt ist . Diese Identität mit mir ist die Unendlichkeit (aber nicht im 1sten Sinne als abstrakte Allgemeinheit)[.] Dies ist nicht die unmittelbare Identität sondern die her­ vorgebrachte durch Aufhebung , Negirung des Andersseyn , des Besondern . Die beiden Momente sind im Willen 1 , wesentlich 2 , bloshin möglich . – Ich weiß mich in dieser Bestimmtheit doch frey weiß die Wirklichkeit als bloße Möglichkeit  ; mir bleibt die Macht darüber , weil ich den Willen aufheben kann . Ebenso ist die Unbestimmtheit nur abstrakt , nur möglich , denn ich kann mir einen Zweck vorsetzen , etwas bestimmtes wollen , handeln . |

Einleitung § 7 . 8 .

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15

§ 7 . Diese Einheit ist der Wille in seinem BegriVe , a n s ich o d e r f ü r u n s   ; Als freyer Wille aber ist er , insofern er sich selbst zu seinem Gegenstande und bestimmten Inhalt macht . d . i . Insofern er nichts will als frey seyn , so ist er f ü r s ich , was er an sich ist der Wille als Id e e [.]

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3–17 Wirklichkeit ist … handeln .] Wa  : a d . § .  5 .   Der Wille ist das Concrete . Die beyden ersten Momente sind bloß verständige Momente , sie haben für sich keine Wahrheit , erst der Wille ist das vernünftige . Alles Beschränkte ist das Dialectische in sich . Die Wahrheit von beyden ist dieses , daß 25 in dem einen das andere Moment enthalten ist . Wirklichkeit ist die ungetrennte Einheit des innerlichen und des äußeren . Durch den Willen ist der Mensch eigentlich erst wirklich . So ist der Wille wahrhafte Einzelnheit , die Totalität der beyden einzelnen Momente . Allgemeinheit ist Gleichheit mit sich selbst . Die Einzelnheit ist die Rückkehr aus einem anderen zu mir selbst . Das tode ist das Allgemeine , das mit sich selbst identische , das lebendige wird aber erst durch die Negativität iden- 30 tisch mit sich . Affirmation als Negation der Negation , der Schranke , dies ist erst der Wille . Das wahrhafte des Willens ist diese Einheit . Nur durch die Thätig­keit daß ich meine Schranke aufhebe , bin ich Allgemeinheit . Ich will etwas , ich setze eine Schranke in mir , aber ich setze diesen Zweck als den meinigen , ich beziehe mich auf mich selbst . Das Setzen eines Zweckes ist nur darum , daß ich mich mit mir | identisch setze . Die beyden Momente sind bloße Möglichkeiten , aber nothwen- 35 dige Momente des Willens . Ungeachtet ich mir einen ­w irklichen Zweck setze , weiß ich mich doch 8 ist .] ist , d .   25 daß] das   30 identische] indentische  

17–18

5

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einleitung245

Was nur in seinem BegriVe ist , ist nur an sich . – Er ist hier nur im Innern . – (Zb . Thier hat den BegriV an sich , die Gattung  ; hat ihn nur für uns , nicht für sich[.]) Der freye Wille ist , für welchen der BegriV ist – wo Ich dem Ich auch als Gegenstand ist[.] An sich ist der BegriV , das Unmittelbare . 2 , Das Für sich , für welches es ist[.] – 3 , Für sich seyn , daß das was Gegenstand ist , und das wofür es Gegenstand ist , eines und dasselbe ist . Der freie Wille , will nur sich selbst , nichts als frey seyn , bekommt nur seine Freiheit zur Anschauung[.] Dies ist der absolut reale Wille  ; in welchem das Daseyn der BegriV des Willens selbst ist . Der BegriV ist nur die Anlage , Möglichkeit des freyen Willens[.] Diese Idee des Willens Grundlage unsrer Wissenschaft der  . Bestimmung des Menschen  ?  absolute Freiheit

§ 8 . Der unmittelbare oder natürliche Wille , ist der nur erst a n s ich o d e r s e i ne m B e g r i f fe n a ch seyende Wille  ; der Inhalt seiner Bestimmung hat die Form für mich das meinige zu seyn | aber diese Form und jener Inhalt , welcher ein unmittelbarer ist , sind noch verschieden[.]

20 frey dabey , es ist nur eine Möglichkeit für mich , ich bleibe die Macht darüber . Nur erst insofern

ich gehandelt habe fällt die Möglichkeit weg . Der Wille in seinem BegriVe aber ist noch nicht der für sich seyende Wille , der Wille in der Idee . /   1–14 Was nur … Freiheit] Wa  : a d  . §  .  6 .  Der Wille ist dies , daß er in seiner Schranke bey sich bleibt . Dies ist der BegriV des Willens , aber dabey kann die Philosophie nicht stehen bleiben , der BegriV muß in seinem Daseyn vorhanden seyn . Die 25 Idee hat als Idee in der Natur kein Daseyn , die Gattung erscheint nicht in der Natur , sie bleibt das verborgene innwendige  ; die Macht der Gattung beweißt sich dadurch , daß die Individuen sterben , aber dadurch geht die Gattung nicht hervor . Der freye Wille hingegen ist dieses für welchen dieser BegriV ist . Ich muß gleich Ich seyn , wie Fichte sagt . Das Selbstbewustseyn indem es der an und für sich seyende freye Wille wird . Der Wille bestimmt sich , er legt sich in einen Gegenstand , aber dieser 30 Gegenstand ist er selbst , er ist bey sich in seinem Gegenstande , dies ist der absolut reale Wille . Das Kind hat erst | die Freyheit in ihrem BegriVe . An sich ist der Wille in dem er den BegriV zum Gegenstande hat . Das Freye muß aber in seiner weiteren Entwicklung nichts anderes zur Anschauung bekommen als seine Freyheit  ; dies ist das fernere der Wissenschaft . Die Bestimmung des Menschen kann nur die absolute Freyheit seyn . In der Natur ist Gott mit sich identisch , sie ist sein Spiegel , er 35 erkennt sich darin . /   7 daß] das   9–10 seyn , bekommt … Anschauung ] seyn . ( bekommt … Anschauung nachtr . am Zeilenende angeschlossen)   13 der  .] Satz bricht vor der Interpunktion ab   14 Menschen  ? ] Fragezeichen in Textlücke  

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18–19

Der natürliche Wille ist an sich auch bestimmt , setzt einen Unterschied in sich , giebt sich einen Inhalt . Dieser ist aber nur natürlich , es sind die Triebe , Neigungen , in denen ich noch nicht frey bin . Der Inhalt ist nemlich noch nicht als der meinige gesetzt sondern als ein gegebner , als eine Natur­bestimmung . Hingegen daß ich einen Inhalt will , die Form , ist das meinige . – (So kann man bey einer Neigung hartnäckig beharren ohne daß der Wille vernünftig , frey wäre[.])

5

§ 9 Der natürliche Wille oder der Wille in der Sphäre der Begierden , Triebe und Neigungen ist W i l l k ü h r  , insofern er vielerley innerlich oder aüßerlich ge­ gebnes in der Vorstellung vor sich haben , und als einfache Reflexion darüber sich zu einem oder dem andern bestimmen d . i . w ä h le n kann . Das gewählte kann er eben so aufgeben , weil es das seinige nur ist durch seine Bestimmung , aber der andre Inhalt , den solcher Wille an die Stelle setzt ist gleichfalls ein beschränkter  ; er kann daher solchen Inhalt ins unendliche fort aufheben , aber kommt damit für sich aus der Endlichkeit nicht heraus , weil sowohl seine Unbestimmtheit als seine Bestimmtheit endliche Momente sind . Das Thier kann nicht wählen , denn es ist unmittelbar in seine Besonderheit versenkt , kann sich nicht sich selbst gegenüberstellen . | W i l l k ü h r ist , daß ich als das unbestimmte mich zu etwas bestimme , beschließe  ; das Besondre und Allgemeine identisch mache , indem ich als frey über das Besondre gestanden habe , und dann es zu mir mache . Bei diesem Wählen gebe ich meine Unbestimmtheit nicht auf . – Das Ziel des reflektirenden Willens – Glückseligkeit[.] Sie ist nur der Schein einer Idee[.] Der reflektirende Wille hat nur das Hinübergehn von der Unbestimmtheit , zu einem endlich bestimmten , während der freye Wille eine unendliche Bestimmtheit hat .

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25

1–7 Der natürliche … wäre[.])] Wa  : a d  . §  .  7 .   Der abstracte Wille in sofern er ist , hat ein Seyn , aber nur ein abstractes Seyn . Jede Begierde ist daß wir etwas wollen , aber der Inhalt ist noch ein 30 natürlicher , nur , daß ich es will , ist mein , ich bin in diesem Inhalte , aber er ist noch nicht durch die Freyheit selbst gesetzt . /   18–28 Das Thier … hat .] Wa  : Der natürliche Wille ist der Wille in der Sphäre der Triebe und Neigungen . Zufälligkeit der Einbildung und Zufälligkeit der Phantasie kann bey ihm Einfluß haben . Keine von diesen Bestimmungen kein Trieb ist , wie beym Thiere absolut 2 es] 1 es   6 daß] dß daß   27 während] wahrend

35

19–20

einleitung247 § 10 .

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Der an und für sich seyende Wille hat aber seine unendliche Form zu seinem Inhalt , damit ist er w a h r  , weil er sich bestimmt in seinem Daseyn , oder als sich gegenüberstehendes zu seyn , was sein BegriV ist , oder der reine BegriV , die Anschauung seiner selbst zu seiner Realität hat , f r e y weil er sich auf nichts anders , als nur auf sich selbst bezieht , a l l g e me i n weil in ihm alle Beschränkung und individuelle Besonderung aufgehoben ist , die allein in dem Gegensatze des BegriVes und seines Gegenstandes oder Inhaltes liegt[.] Schlecht ist was seinem BegriVe nicht entspricht , obgleich es den BegriV noch an sich zeigt[.] Bös bin ich , insofern ich als Einzelnes für mich , nach besondern Zwecken handeln will . – Die Besonderung ist überhaupt nur der Gegensatz zwischen BegriV und Gegenstand[.] | Dieser Gegensatz ist im freyen Willen aufgehoben , denn das Subjektive , und das was er will ist eins . – Allgemeinheit ist hier nicht die aüßerliche , reflektirende oder das , was vielen gemeinschaftlich zukommt  ; sondern die wahrhafte , das mit sich identische . Der allgemeine Wille soll der Wille Aller Einzelnen seyn  ; wenn er es aber auch nicht ist , so bleibt er dennoch der allgemein vernünftige , der Wille an und für sich[.]

bey mir , ich kann wählen , ich bin das allgemeine gegen sie . Die Willkühr überhaupt ist dieses , daß ich als das unbestimmte mich bestimme zu etwas , daß ich beschließe , in diesem Beschluß sind meine Allgemeinheit und meine Besonderheit enthalten . | Indem ich mich bestimmt habe , bleibe ich doch zugleich allgemeines , ich kann es aufgeben . Ich kann in meinen Begierden , Trieben , von einem 25 zum anderen Zwecke übertreiben , aber der andere ist seiner Qualität nach ebenso ein Naturzweck , ich komme aus der Endlichkeit dadurch nicht heraus . Das Ziel dieses natürlichen Willens ist die Glückseligkeit , die aber nur der Schein einer Idee ist , wie sie die Reflexion macht . Nichts zu wollen ist ebenso ein abstractes Moment , wenn der Mensch an dieser Abstraction fest hielte , würde er in sich schwinden . Der natürliche Wille die Willkühr ist die Stufe der Reflexion .   9–20 Schlecht 30 ist … sich[.]] Wa  : Übereinstimmung des BegriVs und des Inhaltes ist Wahrheit  ; der an und für sich seyende Wille ist die Wahrheit . In einem guten Staate hat die Freyheit in der Idee Wirklichkeit . Ein unwahrer Gegenstand ist ein schlechter , er entspricht seinem BegriVe nicht . Der Standpunkt des an und für sich seyenden Willens ist der Standpunkt der Wahrheit . Der an und für sich seyende Wille ist allgemein , die individuelle Besonderung alle Subjectivität des Willens ist darin aufgelößt . Böß 35 bin ich nur insofern ich als einzelnes nach besonderem Grundsatze handeln will . In dem an und für sich seyenden Willen will die Freyheit sich selber . Allgemeinheit ist das mit sich identische in dem unter­schiedenen  ; dies ist die wahrhafte Allgemeinheit . Der allgemeine Wille soll seyn auch der Wille aller einzelnen  ; wenn er es aber auch nicht ist so bleibt er deßwegen doch allgemeiner Wille . Es ist des Verbrechers an und für sich seyender Wille daß er gestraft werde . /  

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20–21

§ 11 . Das Su bjek t ive des Willens heißt 1 ,  daß er die absolute Einheit des Selbstbewußtseyns mit sich ist 2 ,  die Besonderheit des Willens , als Willkühr im zufälligen Inhalte seiner Zwecke 3 ,  die einseitige Form insofern der gewollte Inhalt , wie er sonst auch be­schaf­ fen sey , nur erst dem denkenden Selbstbewußtseyn angehört . 1 ,  Wenn jemand als Sklave , aus Aberglauben usw . etwas thut fehlt die Subjektivität darin . – Es ist eine Seite darin die dem Handelnden etwas fremdes ist , es fehlt ihm die Einheit des Selbstbewußtseyns mit sich selbst[.] 2 ,  Hier ist subjektiv dem Allgemeinen entgegengesetzt und gleich mit dem natürlichen Willen . – In diesem Sinne ist der böse Wille der schlechthin subjektive[.] 3 ,  Hier ist das Subjektive im Gegensatz gegen das Objektive das Reale  ; wenn etwas , was wir wollen erst unsere Absicht , unser Zweck ist . Der BegriV ist hier noch in der Form der Unmittelbarkeit[.] |

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§ 12 . Der Wille insofern er sich selbst zu seiner Bestimmung hat , und so mit sich identisch ist , ist der schlechthin o bjek t i ve Wille , aber diese Identität und Allgemeinheit ist zugleich Form im Gegensatze gegen die Willensbestimmung , die nur erst im Selbstbewußtseyn ist  ; so ist die Objektivität die Unmittelbarkeit des Daseyns als aüßerliche Existenz . Das sinnliche Daseyn außer mir ist mir Objekt . In diese  . Der wahrhaft objektive Wille ist der an und für sich seyende Wille[.]

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8–16 1 ,  Wenn jemand … Unmittelbarkeit[.]] Wa  : Wenn ich gezwungen werde , so habe ich mich 25 nicht in dieser Thätig­keit , es ist nicht subjectiver Wille . Wenn Menschen als Sclaven , aus Aberglauben , aus Glauben etwas vollbringen , so ist es nicht das ihrige , das selbst liegt nicht darin . In der Handlung soll das Selbstbewustseyn mit sich idendisch seyn . Im zweyten Falle ist der böße Wille der subjective Wille , er ist dem allgemeinen Willen entgegengesetzt  ; die Subjectivität besteht in der Besonderheit des Inhalts . Im 3ten Falle macht das subjective den Gegensatz gegen die Objecti- 30 vität , die Realität . Im besonderen Willen ist sein BegriV noch in der Unmittelbarkeit . –   23–24 Das sinnliche … Wille[.]] Wa  : Das Objective hat 2 Bedeutungen . Es ist im einen Sinne ebenso einseitig als das ihm gegenüberstehende Subjective . Im anderen Sinne ist es der Wille in der Har23 diese  .] Satz bricht vor der Interpunktion ab  

21–22

einleitung249 § 13 .

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Der an und für sich seyende Wille ist die Idee , und an sich selbst die Einheit des Subjektiven und Objektiven , gegen welche die bloß subjektive Willensbestimmung ein Widerspruch ist . Jene Einheit ist gegen diese Form das ­S ol le n daß solche subjektive Bestimmung ihre Einseitigkeit verliere und objektiv werde . Diese ist insofern ein Zwe ck des Willens , und der Wille der Trieb und die Thätigkeit sich zu realisiren , Der absolute Trieb und die Bestimmung des freyen Willens ist , daß der allgemeine Wille geschehe oder daß die Freyheit wirklich sey[.] Der Begriff des an und für sich seyenden Willens ist die Grundlage von allem , was wir künftig zu betrachten haben . – 1 , Der bloße BegriV des ­Willens der natürliche Wille[.] 2 , Dieser BegriV macht sich zum Gegen­ stande , wird der freie Wille , bleibt aber nur Abstraktes[.] | Indem der an und für sich seyende Wille sich bestimmt , etwas will , ist dies zunächst nur sub­jektiv , das jener Einheit widerspricht[.] Die Schranke liegt hier darin , daß der Wille noch nicht realisirt ist , – Verhältniß jener Einheit und dieser Schranke ist , daß jene Einheit das an und für sich seyende sey , gegen welche die Beschränkung als etwas mangelhaftes nichtiges erscheint , indem jene Einheit die Grundlage , den Maaßstab abgiebt und als S ol le n auftritt . (Der Schmerz , daß etwas Negatives , eine Schranke in etwas Lebendigem gesetzt ist , so daß es doch es selbst bleibt .) Die Totalität des Willens die Idee bleibt in dieser Schranke , was sie ist  ; sie ist was seyn soll , die subjektive Beschränkung , was nicht seyn soll[.]

monie seines Be­g riVes .  –   10–250,16 Der BegriV … Geistes .] Wa  : Der Wille ist nur lebendig

416Wa

25 als Bewegung  ; alle Lebendigkeit besteht darin , daß das allgemeine einen Unterschied in sich setzt ,

aber diesen Unterschied immer wieder aufhebt . Das was seyn soll ist behaftet mit einem Mangel , es soll nur seyn , es ist noch nicht . Trieb ist wo ein Widerspruch ist  ; das vernünftige ist dieser Trieb die Einseitigkeit aufzuheben . Der Schmerz ist , daß das negative als ein Mangel für ein lebendes ist , das negative ist eine reine Schranke an demselben . Das Unorganische hat keinen Schmerz . Jedem 30 Triebe liegt ein Schmerz zu Grunde , dieser Widerspruch ist die Wurzel des Triebes . Das einseitige des Zweckes ist seine Form . Die Thätigkeit ist das Aufheben des negativen und das setzen des Subjectiven . Die Freyheit , die nähere Natur des allgemeinen Willens soll auch wirklich werden . Wie nun dieser allgemeine | Wille wirklich wird , ist das Geschäft unserer Wissenschaft . Der Grund der Intelligenz ist , daß sie eine Welt vorfinde  ; so ist es nicht mit dem Willen  ; er muß für die In35 telligenz vorhanden werden . Der objective Geist ist das letzte . Die Realisirung des Willens ist die Hervorbringung der Versöhnung der Intelligenz und des Willens . Die Idee muß sich realisiren , und was wir zu Betrachten haben ist die Entwicklung die Realisirung der Idee . Der Wille muß sich seyn der Gegenstand , ich = ich . Der Wille soll auch die Form gewinnen von sich unterschieden zu

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22–23

Das Bewußtseyn dieses Widerspruchs ist die Wurzel des Tr ie b e s , der darauf geht diese Schranke aufzuheben . Dem Triebe liegt immer ein Schmerz , ein Mangel zum Grunde . (Zweck ist der BegriV , aber in dem das Subjektive schon liegt .) Dem an sich Wahren soll auch zukommen , das Seyn die Freiheit . – Das Ziel des Willens  : die Identität desselben mit der Intelligenz her­zu­ stellen  ; das Einseitige der Intelligenz daß sie ihre Bestimmungen als un­ mittel­bar seyende vor sich hat , ihr Inhalt ist immer gegeben  ; ihr Streben ist ihren Gegenstand , die Welt zu dem ihrigen zu machen . Der Wille aber ist , daß alles durch ihn gesetzt sey . Will nun der Wille sich realisiren so wird er für die Intelligenz vorhanden . – Der Wille ist noch abstrakt , ist noch keine Welt für sich , die absolute Idee muß das Urtheil in sich setzen , es fehlt ihr noch der Unterschied . Bei dessen Entwicklung bleibt noch immer die Idee zum Grunde . In der Selbst­ ständigkeit beider Extreme muß sie noch ihre Einheit behalten . Dies die höchste Kraft des Geistes . |

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§ 14 Dies , daß ein Daseyn , Daseyn des an und für sich seyenden Willens ist , ist das Re cht , und die P f l icht ist ein solches Verhältniß , insofern es mir als wesentlich geltend ist , ich dasselbe anzuerkennen zu achten oder hervorzubringen habe . Es muß vorher deduzirt werden , daß ein BegriV eine Idee noth­wendig sey , so wie wir im Vorhergehenden die Idee des freien Willens deduzirt haben . Dann sieht man , was dieser Idee in der Vorstellung entspricht , und dieser an und für sich seiende Willen giebt sich seine Existenz im Re cht [.]

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25

seyn . Die absolute Idee muß sich unterscheiden . Die Idee ist concret , sie enthält das Moment des Unterschiedes in sich . In der Selbstständigkeit der unterschiedenen Momente muß die Idee ihre Einheit erhalten . Der Trieb der Idee ist sich wirklich zu machen , damit gibt sie ihren Momenten Selbstständigkeit  ; aber in dieser Äußerlichkeit muß sie idendisch mit sich bleiben . –   20 geltend 30 ist] Wa  : geltend   22–251,8 Es muß … an .] Wa  : Daß ein BegriV , eine Bestimmung gelte muß in der Philosophie erst deducirt werden . Der an und für sich seyende Wille muß daseyn . Im gemeinen 14–15 Selbstständigkeit] Selbst / ständigkeit   25–26 dieser an … Re c h t ] (1) dsen an u . sich seiend Willen finden wir als das R e c h t (2) dser (aus dsen) an u . sich seiend Willen (giebt sich seine Existz im über der Zeile) 〈〈finden wir als das〉〉 Re c h t 35

23–24

5

einleitung251

(Man nennt auch im gemeinen Leben recht , was einem Maaßstabe entspricht , was gemäß ist , der kann dann auch von aüßerlichen , sinnlichen Dingen gebraucht werden[.]) P f l icht ist das Correlat zum Recht  ; was für In der Pflicht liegt ein freier Wille , den ich zu respektiren habe , weil er als freyer Wille auch allgemeiner auch mein Wille ist . Wo kein Recht auch keine Pflicht  ; denn was nicht als freier Wille wirklich ist , erkennt den freien Willen in andern auch nicht an .

§ 15 . 10

15

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Das Recht ist etwas Heiliges , weil es das Daseyn des absoluten BegriVes , der selbstbewußten Freiheit ist  ; der Formalismus des Rechts und der Pflicht entsteht aber aus dem Unterschiede der Entwicklung des FreiheitsbegriVs . Gegen formelles d . i . abstraktes und darum beschränktes Recht hat der Geist , welcher die weitern | in der Freiheit enthaltenen Momente zum Bewußtseyn und zur ­Wirklichkeit gebracht hat , als der konkretere und allgemeinere , ein höheres Recht . In dem formellen Recht bin ich bloß als abstrakte Person . (Das Recht kann aus dem Gesetz als solchem nicht abgeleitet werden[.]) Das Heilige muß konkret seyn nicht formell . Die Identität giebt das Unverletzbare , Undurchbrechbare des Rechts . – Dies Heilige ist formell , insofern es in der Abstraktion seines BegriVs ist , oder wenigstens das Conkrete nicht zum vollständigen Bewußtseyn bringt[.]

Leben nennt man etwas recht gemacht was einem Maaßstabe einem BegriVe entspricht . Ich habe ein Recht als Person , denn ­d ieses ist die Existenz des Geistes die Freyheit . Pflicht ist das correlatum 25 zu Recht . Die Freyheit kann nicht verletzt werden , indem ich sie verletze , begehe ich etwas thörichtes . Das Daseyn ist ein Seyn für anderes , daher hat es eine Seite woran es von anderem gefaßt verletzt werden kann . Es ist Trieb des an und für sich seyenden Willens sich zu realisiren  ; daher auch Pflicht . Die Pflicht ist , daß ich ein solches worin der freye Wille der allgemeine also auch mein Wille ist , respectire . Daher hat der Mensch keine Pflichten der keine Rechte hat  ; denn er ist nicht 30 als freyer Wille wirklich . –   15 gebracht hat , ] Wa  : gebracht   17–252,17 In dem … fließt .] Wa  : Die selbstbewuste Freyheit ist das höchste , was auf Erden ist  ; die Betrachtung dieser Idee in ihrer einfachen Gestalt ist Gegenstand der Religion und der Philosophie . Recht ist alles , worin die Freyheit existirt . Ich habe ein Recht zu leben  ; die Thiere haben kein Recht zu leben . Das Gesetz hat nur dies uns auszusprechen , was das Recht enthält  ; das Recht können wir aus dem Gesetze nicht herleiten . 35 4 für] fur  ; Satz bricht ab  

§ 15 .

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252

§ 15 .16 Einleitung

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24–25

(Das Moralische ist auch nur formell , weil es nur ein Einzelnes ist , gegen den allgemeinen sittlichen konkretern Geist  ; denn was recht und sittlich ist , hat nicht bloß jene Gewißheit in mir , die das Gewissen angiebt , sondern ist auch außer dieser Gewißheit für mich , wahr , ist objektiv[.]) So hat der sittliche Geist eines Volkes ein höheres Recht als die Individuen , aber in Hinsicht auf den Geist eines andern Volkes kann dieser Volksgeist wieder ein formeller seyn , insofern der erstere ein höherer ist  ; dem der letztere bei näherer Berührung unterliegen wird . – So kann in einem und demselben Volke ein früheres rechtliches Daseyn formell werden gegen ein späteres entwickelteres . Der Weltgeist hat das höchste Recht  ; gegen ihn ist das Daseyn des FreiheitsbegriVs in den Einzelnen , auch den Völkern , wieder formell . Das Formelle des Rechts zeigt sich auch an demselben Verhältniß zugleich mit dem Konkreteren | Zb . in dem sittlichen Ganzen einer Familie . Was den Gliedern eines solchen Ganzen noch als einzelnen Personen zukommt , ist noch formell , gegen dasjenige was aus der substantiellen Einheit des ­Ganzen fließt  .

Das heilige als solches muß schlechthin concret seyn  ; das formelle ist nicht heilig . Das Recht seinem BegriVe nach ist die Idendität der Freyheit . In dem strengen Recht ist es nur die abstracte Freyheit meines Willens welche Daseyn hat  ; im Staate ist das freye ein allgemeiner concreter Geist . Das Recht des einzelnen ist deßwegen etwas untergeordnetes etwas formelles gegen das Recht des Staates . Im Staate ist auch das Daseyn des einzelnen enthalten , aber das Recht des einzelnen ist hier als aufgehobenes vorhanden . Das moralische Moment ist nur formell gegen den concreten Geist  ; was ich für Recht erkenne soll meinem Gewissen gemäß seyn  ; aber der sittliche Geist ist über das formelle Gewissen erhaben . Das rechtliche und moralische Moment sind nur Momente gegen die Sittlichkeit , die als Substanz über ihnen steht . | Das Volk , welches mehr ausgebildeten Freyheitsgeist hat steht über einem andern Volke , welches weniger gebildet ist , und die Sittlichkeit des letztern ist formell gegen den höheren Geist , der als Geist sich selbst geltend zu machen das Recht hat . Der Weltgeist hat das höchste Recht , weil er das concreteste ist , weil er Idee ist muß er sich Daseyn geben , und sein Daseyn zertrümmert , was bey einzelnen Völkern galt . Das formelle des Rechts kommt auch an einem und demselben Verhältnisse vor . Die Familie macht ein Ganzes , die Person als einzelne Person ist ein untergeordnetes , die Rechte der Persönlichkeit sind darin absorbirt  ; erst wenn das sittliche ganze der Familie getrennt wird , wenn die Ehe geschieden wird tritt das formelle Recht des einzelnen , das Eigenthum des einzelnen wieder hervor . Vom abstracteren Recht kommen wir immer zu einem höheren concreteren Geiste . Der Freye Wille als bloße Anlage als bloßer BegriV muß idendisch mit sich werden  ; diese Idee ist in ihrem Anfange nur der BegriV , er hat noch kein unmittelbares Daseyn , ist bloß noch abstractes Recht . –   11 ist] sind   13 Verhältniß] Verhaltniß 

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einleitung253 § 16 .

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Die Idee des Willens ist 1 ,  abstrakt und daher in unmittelbarem Daseyn , die S ph ä r e d e s a b s t r a kt e n Re cht s . Die 2 ,te ist die Reflexion des Willens in sich , und damit seine Entzweiung einer­seits in sich als subjektiven Willen , und eine aüßerliche Welt , andrerseits in die Idee des Guten welche Endzweck an und für sich seyn soll . S ph ä r e d e r ­Mor a l it ä t .  Die 3 ,te ist die Einheit und Wahrheit dieser beiden , worin die gedachte Idee des Guten in der subjektiven Freiheit und Existenz realisirt ist , so daß die Freiheit eben so sehr als Nothwendigkeit und Wirklichkeit existirt . Die S it t l ich ke it und der S t a a t  . Plato in der Republik über das δικαιον[.] Es ist nothwendig das Recht in seiner höchsten Wirklichkeit im Staate zu suchen[.] ad 1 ,  Der Wille existirt hier in einer einzelnen Person . – Indem ich als freye Person mir ein Daseyn gebe , etwas mein nenne , (Körper usw .) so lege ich meine Freiheit in etwas Aüßerliches . In dieser ersten Sphäre sind FreiheitsbegriV und Daseyn noch ganz identisch  ; | 2 ,  In der 2ten Sphäre tritt das Allgemeine und das Einzelne für sich auf . Die Idee soll hier nur realisirt seyn , ist es nicht  ; dem Allgemeinen steht das Einzelne gegenüber das dem erstern angemessen seyn soll .

12–254,10 Plato in … Noth­wen­d igkeit  .] Wa  : Plato in seiner Republick läßt den Sokrates sagen , es zeige sich die Gerechtigkeit am Staate besser als am einzelnen . Das Recht ist nur im Staate zur Wirklichkeit gekommen . Nicht z­ ufällig ist es , daß die Menschen in den Staat getreten sind , in dem allein 25 der FreyheitsbegriV zu seinem selbstständigen Daseyn kommt . Beym Anfange sehen wir die Idee in ihrer Abstraction . Die Idee ist noch in unmittelbarem Seyn , das Daseyn der Idee bin noch Ich , dieser besondere einzelne . Was die einzelne Person als freye Person thut , ist hier das Recht . Indem ich als einzelnes etwas mein nenne , habe ich meine Freyheit hineingelegt . Der FreyheitsbegriV und sein Daseyn sind hier noch unmittelbar idendisch . | Das 2te ist die Trennung des BegriVes von 30 seiner Realität , das allgemeine trennt sich vom einzelnen . Erst hier tritt die Idee des guten als Entzweck auf . Die Idee soll nur realisirt seyn . In der Sphäre der Moralität soll meine Willkühr sich zum Gegenstande das Gute geben . Mein Leben ist zunächst dies , worin die Freyheit ihre Existenz hat . Mein besonderes Daseyn soll gleichfalls seine Befriedigung haben . Die zweyte Sphäre enthält nur die Foderung dieser Ausgleichung , es ist nur ein Sollen . Die Freyheit ist in der 3ten Sphäre auch mit 35 meinem Wissen und meinem Wollen vorhanden . Das moralische Moment ist darin vorhanden . Die Sittlichkeit kann nur seyn als Sittlichkeit eines jeden  ; sie existirt in der Nothwendigkeit als Sitte . Das sittliche Daseyn ist der Staat überhaupt . / E n d e d e r E i n l e i t u n g  .  / Berlin den 10ten November . 1818 .   6 subjektiven] subjektivem  

Einleitung § 16 . Erste Abtheilung

421Wa

422Wa

254

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26

Idee des Guten gegen das Einzelne den subjektiven Willen und dieses theils das G e w i s s e n theils das Woh l [.] – In der Moralität Sphäre des Innern Idee des Guten – Willkühr  – – Natürlicher Wille Sphäre des Aüßern soll der innern Welt angemessen gemacht werden 3 ,  S it t l ich ke it  . Das Daseyn der Freiheit ist hier mit meinem Wissen und Wollen vorhanden . Im Sittlichen ist 1 , die Moralität , die Sittlichkeit des einzelnen , diese ist hier wirklich , hat allgemeine Realität existirt als Nothwendigkeit .

3 Sphäre] Sphare 

5

10

26–27

das abstrakte recht255

E r s t e A b t he i lu n g D a s a b s t r a k t e Re cht § 17

5

10

15

20

Der freye Wille , wie er zuerst in seinem abstrakten BegriVe ist , ist in der Bestimmtheit der Unmittelbarkeit , oder des u n m it t e l b a r e n D a s e y n s  . Nach dieser ist der Wille theils als die gegen die Realität ne g a t i ve nur sich auf sich beziehende Wirklichkeit , e i n z e l ne r und abstrakt freyer Wille eines Individuums , theils ist er auch nach seinem weitern Inhalte besondrer Wille , theils hat er als ausschließend diesen Inhalt als eine aüßere unmittelbar vorgefundne Welt sich gegenüber . | Die Grundlage , die noch nicht realisirt ist , ist daher einseitig und ein Besondres , indem es als Allgemeines das Besondre gegen sich über hat , von diesem unterschieden ist . – In dieser Unmittelbarkeit erscheinen die ein­zel­nen Momente des Willens , jedes an sich seyend , erscheinen neben ein­ ander[.] 1 ,  der freie Wille als der Wille des einzelnen Individuums . 2 ,  daß dieser Wille weitern Inhalt hat . Natürlicher Wille mit Bedürfnissen , Handlungen . – 3 ,  ausschließender Wille . Dem Leibe entsprechen aüßere Gegenstände . Beide haben dieselbe allgemeine Grundlage , und daß diese einmal in mir , einmal als aüßerliche Erscheinung ist . – (Der abstrakte freye Wille , ist wesentlich als Wille des Einzelnen . Die Einzelnheit ist darin , daß ich alles Andre als ein Nichtiges ansehe , mich bloß auf mich beziehe[.]) § 18 .

25

Der Einzelne als freyer Wille ist die Pe r s on [.] In der Persönlichkeit liegt , daß ich als d ie s e r vollkommen nach allen Seiten bestimmte und endliche , schlechthin reine Beziehung auf mich selbst , in dieser Endlichkeit das Un­end­ liche , Allgemeine , und Freye bin .

30 23 Andre] Andres  

Das abstrakte Recht § 17 . 18 .

256

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27–28

Als Person bin ich schlechthin allgemein aber nur abstrakt[.] Ich weiß in meiner Endlichkeit meine Freiheit , kann abstrahiren von meinen Be­ dürfnissen , von der Außenwelt  ; mich rein auf mich beziehen . – Das Bewußtseyn der Persönlichkeit ist zugleich die Rechtsfähigkeit . – Als Person bin ich deshalb absoluter Zweck für mich selbst . – Alles bloß Lebendige hat auch einen Zweck an sich , aber nicht absoluten , freyen Zweck , nicht solchen der sich selbst zu seiner Realität hat . Diese Persönlichkeit hat weiter noch keine Bestimmung in sich , und dieser Mangel macht ihre Abstraktion aus . |

Abtheilung I .

§ 19 . Das abstrakte Recht ist das Daseyn der abstrakten Persönlichkeit , und das Rechtsgebot daher überhaupt  : respektire die Menschen als Person . Obgleich das Rechtliche Verhältniß und Handlung als konkret , die Besonderheit des Willens gleichfalls enthält , das strenge Recht aber nur die abstrakte Persönlichkeit zum Prinzip hat , so kommt es bei demselben 1 , weder auf den Nutzen und das Wohl noch auf die Absicht der Willkühr an 2 , haben die Rechts g e b o t e nur die ne­ gative Grundlage , die Person nicht zu verletzen und sind Ve r b o t e 3 ,  Handlungen nach ihrem weitern besondern Inhalte sind nur rechtlich möglich , oder erlaubt . Darin daß eine Sache mein Eigenthum ist , schaue ich mich als frey an , und dies Eigenthum ist 1 , eine aüßere Sache 2 , mein Wille , den ich in die Sache gelegt habe . – Auf diese Weise giebt die Persönlichkeit sich selbst ein Daseyn . (In der abstrakten Persönlichkeit ist kein Inhalt , kein besondrer Zweck[.]) AngriV der Persönlichkeit ist erst möglich in dem Daseyn der Freiheit . – 1 ,  Fiat iustitia et pereat mundus (Eine rechtliche Handlung ist konkret[.]) In diesem Spruch liegt zugleich daß zum Bestehen der Welt noch mehr gehört als das abstrakte Recht[.] 1b , Die Absicht bei dem Recht mag gut oder bös seyn , so bleibt das ­abstrakte Recht doch , weil die Absicht dem b e s ond e r n Willen angehört[.] 2 , Bei der Verpflichtung zu handeln scheint das Rechtsgebot positiv zu seyn , allein die Grundlage bleibt doch negativ , daß ich das , worauf der andre schon ein Recht hat , für mich behalte . – Durch das Besondre erst komme ich in positivere Verhältnisse mit andern , die Person ist bloß für sich[.] |

5

10

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25

30

35

29–30

5

das abstrakte recht257

3 , Alles Besondre , außer der abstrakten Persönlichkeit , ist für das abstrakte Recht nur ein mögliches . Nach dem abstrakten Recht sind also unmoralische Handlungen erlaubt , sofern sie den abstrakten Willen meiner oder Andrer frei lassen . (Befugniß) Erlaubt ist dieses was meinen freien Willen nicht verletzt , Be­ fugniß ist daß andre dies anerkennen müssen[.]

§ 20 .

10

15

20

25

30

Die Bestimmung des abstrakten Rechtes ist , aus der unmittelbaren Einheit , in der es in seinem Daseyn ist zur Unterscheidung seiner als des allgemeinen , der Idee von seiner Besonderheit und Aüßerlichkeit zu kommen[.] Es enthält daher die 3 Verhältnisse 1 ,  seines unmittelbaren Daseyns , B e s it z welcher E i g e nt hu m ist 2 , Übergang meines Eigenthums an einen andern mit gemeinsamen Willen und mit Erhaltung des allgemeinen Rechtes – Ve r t r a g 3 , Entgegensetzung des besondern Wollens gegen den an und für sich seyenden – Re cht s ve r le t z u n g  . Durch die Betrachtung der Bestimmungen im abstrakten Recht gehen wir über die erste unmittelbare Abstraktion hinaus . 1 ,  unmittelbares Daseyn der Persönlichkeit , Ich nehme als freier Wille etwas in Besitz , ich schaue mich in meinem Eigenthum an , hier ist nicht nur der BegriV der innerlichen Rechtsfähigkeit sondern die Idee selbst . 2 , Das Allgemeine tritt dem Besondern gegenüber . erste Unterscheidung . – Etwas das das meinige ist geht auf einen andern über . – Die Willkühr des Gemeinsamen macht hier das Allgemeine aus . Das Recht wird nicht dadurch verletzt . – Hier sind also 2 Personen , also besondere Personen , und besondrer Wille , der aber auch gemeinsamer Wille , und Wille an und für sich seyn muß[.] 3 , Bestimmtere Entgegensetzung Trennung des allgemeinen Willens von dem besondren . Zurückgehn des Willens in sich[.] | Hier wird der Wille ein Inneres , Subjektives – Standpunkt der Moralität . Das Gemeinsame aller 3er daß die Freiheit in ihnen hervortritt , sich Daseyn giebt . (In der Familie bin ich nicht mehr so sehr Person als Glied einer substantiellen Einheit , dies fällt ins Gebiet der Sittlichkeit (eben so das Erbrecht)[.])

35 13 Übergang] Ubergang   18 über] uber  

258

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30–31

I  B e s it z u nd E i g e nt hu m § 21 . Die natürliche Existenz , welche die Person theils an ihr selbst hat , theils , zu welcher sie als einer Außenwelt in Beziehung steht ist überhaupt ein für sie und an sich aüßerliches eine S a che  , ein unfreyes unpersönliches und darum ­rechtloses  . – Die Dinge der Natur , mein Körper usw . erscheinen zwar selbstständig , erhalten von der Anschauung das Prädikat des Seyns  ; allein die Freiheit erkennt diese Selbstständigkeit gar nicht an , betrachtet sie gegen sich als nichtig . Dies ist der Idealismus der Freiheit . Diese Dinge sind aber 2 , auch an sich aüßerlich , es kommt ihnen nicht die Beziehung zu sich zu , die mir zukommt . Ich bin in mir und bey mir , sie aber sind nicht bey sich , ihr Be­ griV und Realität sind von einander verschieden[.] Sie sind nur ein Schein des Daseyns das keine Wahrheit an sich hat . – Man kann in ihnen daher in

§ 22 . Die Person muß sich , als Idee , eine aüßerliche Sphäre ihrer Freiheit geben und hat das Recht dieß in jeder Sache zu thun , welche dadurch die meinige wird , meinen Willen | zu ihrer Bestimmung und substantiellem Zweck , den sie nicht an ihr selbst hat , erhält . Ich mache etwas aus natürlichen Bedürfnissen Trieben und Willkühr zu dem meinigen , und habe es in meiner aüßern Gewalt  : dies macht den B e s it z aus , die Reflexion aber , daß ich darin als freyer Wille mir gegenständlich , hiemit auch erst Wille bin , macht die wahrhafte und rechtliche Seite , die Seite des E i g e n­t hu m s aus .

5

10

15

20

§ 23 . Als Person bin ich unmittelbar Einzelner d . h . ich habe einen o r g a n i s che n Kö r p e r  , welcher mein , dem Inhalte nach , allgemein ungetheiltes Daseyn ist , in der Einheit mit welchem ich mein Leben habe und in welchem ich zugleich als Empfindendes , Individuelles bin . Ich habe Leben und den Körper wie andere

25

4 überhaupt] uberhaupt   14 in] Satz bricht ab  26 ungetheiltes] unvereinzeltes   27 ­welchem] 30 welcher  

31–33

das abstrakte recht259

­Sachen , nur insofern es mein Wille ist , muß den Körper wie den Geist erst in Besitz nehmen durch die Bildung und bin nur in meinem Körper für andere als Freies . | § 24 . 5

10

Die Seite daß das Eigenthum ein Verhältniß zu aüßern Dingen ist , ist die Sphäre subjektiver Zwecke des Bedürfnisses , und der Willkühr , was und wieviel ich besitze ist eine Zu f ä l l i g ke it  , worin als solcher keine Gerechtigkeit , und in welcher Sphäre der Ungleichheit die G le ich he it nur eine aüßerliche Abstraktion ist . Aus demselben Grunde gehört die Sache dem in der Zeit zufällig E r s t e n  , der sie in Besitz nimmt[.]

§ 25 .

15

Zum Eigenthum ist mein innerer Wille und Vorstellung nicht hinreichend , sondern es wird dazu die B e s it z e r g r e i f u n g erfodert , wodurch die Bestimmung , daß die Sache die meinige sei , für andre erkennbar wird  : daß die Sache die ich in Besitz nehme , he r r e n lo s sey , ist die negative Bedingung oder bezieht sich vielmehr auf das antizipirte Verhältniß zu andern Personen[.] |

§ 26 .

20

Die Besitzergreifung macht die M a t e r ie der Sache zu der meinigen , da die Materie für sich nicht ihr eigen ist . Die Besitznahme ist theils die unmittelbare körperliche Ergreifung , theils die Formirung , theils die bloße Bezeichnung der Sache[.] § 27 .

25

E r s t e n s  .   Die körperliche Ergreifung ist zwar als sinnliches Besitzen und nach der Erkennbarkeit meines Willens die vollständigste Weise , aber überhaupt nur subjektiv , temporär , dem Umfange nach höchst eingeschränkt , der jedoch durch den Zusammenhang , in den etwas mit einer bereits mir eigenthümlichen Sache

15 h e r r e n l o s ] h e r r e n / l o s  

260

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33–36

kommt , sich ausdehnt . Ferner ist sie durch die qualitative Natur der Gegenstände beschränkt . Die körperliche Ergreifung kann auch durch Instrumente , mechanische Kräfte geschehn wie Zb . bei der Jagd etc . |

§ 28 . Zwe it e n s  durch die Formirung wird die Bestimmung , daß etwas das meinige sey , objektiv und erhält eine aüßere Allgemeinheit und Dauer . Es gehört hieher auch das Formiren des Organischen an welchem aber die Form nicht aüßer­l ich bleibt , sondern von dem sie assimilirt wird  : Bearbeitung der Erde , Cultur der Pflanzen , Bezähmung und Fütterung der Thiere , ferner Veranstaltungen zur Benutzung eines elementarischen StoVes oder einer elementarischen Kraft .

5

10

§ 29 Durch die Ausbildung seines eigenen Körpers und Geistes , wesentlich aber ­d adurch , daß das Selbstbewußtseyn sich als Freies erfaßt , nimmt der Mensch sich in Besitz und wird das Eigenthum seiner selbst | und gegen andre . Aber diese Formirung mit Allem , was zu ihr gerechnet werden kann , insofern sie durch andere geschieht macht ihn nicht zum Eigenthum des andern , sondern hat vielmehr die Bestimmung ihn als freie Person zu erhalten und dazu zu machen . | Durch die christliche Religion die Freiheit des Menschen ausgesprochen  ; daß das Göttliche und Menschliche eins sey Gott sich zum Menschen gemacht hat . Der Mensch ist nur frey an sich , nicht in der Existenz , – der Mensch soll also frey seyn . Die Freiheit also ist noch etwas Aüßerliches für ihn . Daß der Mensch frey werde , dazu gehört also eine freie Welt . Daß keine Sklaverey sey ist die sittliche Foderung . Diese Foderung wird nur so erfüllt , daß was er seyn soll als eine aüßerliche Welt erscheint , die er sich aneignet . Im Grunde macht er dadurch sich selbst zu eigen . – Die Formirung der Pflanzen der Thiere besteht nur darin daß ihr natürliches Seyn erhalten oder nur etwas modifizirt wird die des Menschen ihn von der natürlichen Abhängigkeit zu befreyen  ; ihn nicht zu lassen wie er ist , sondern zum Freyen zu erheben[.] 17 machen .] es folgen ca . zwei Drittel der Seite unbeschrieben gelassen  ; mit einer geschlängelten Linie nach unten ist angedeutet , daß kein Text fehlt   24 so] in so  

15

20

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30

36–38

das abstrakte recht261 § 30 .

5

10

15

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25

D r it t e n s Ein Z e iche n an eine Sache gemacht , um anzudeuten daß sie die meinige ist , ist eine Besitznahme , die theils für sich nicht wirklich und nur eine Vorstellung meines Willens , theils in Ansehung des gegenständlichen Umfangs , dann ihrer qualitativen Bedeutung nach unbestimmt ist . Eigentliches Beackern ein Formiren , bloßes Furchen nunmehr nur ein Zeichen – wie Dido – Ein Zeichen stellt nicht sich , sondern etwas anderes vor  : – ist aber doch unvollkommen , unbestimmt[.] Besitznahme von Amerika . |

§ 31 . Die B e nut z u n g einer Sache als unmittelbare körperliche Ergreifung ist eine einzelne Besitznahme , aber indem sie sich auf fortdauerndes Bedürfniß gründet , und immer wiederholte Benutzung eines sich erneuernden Erzeugnisses , ferner eine für die Erhaltung desselben sich beschränkende Abnutzung ist , wird sie auch Besitznahme der elementarischen oder organischen Grundlage solches Erzeugnisses , eine Besitznahme die aber unvollkommen und unbestimmt ist . Die Nomaden nehmen nicht den Boden sondern nur die Erzeugnisse des Bodens in Besitz  ; so die Fischervölker die Erzeugnisse des Meeres , des Flusses und ihrer Ufer . – Sie wollen aber eigentlich das Allgemeine die Grund­lage damit in Besitz nehmen , und alljährlich dieselbe Benutzung er ­neuern  . – Man darf nicht von einem Gebiet Besitz nehmen , wenn es auch von den Eigenthümern unbebaut gelassen wird , sobald diese es als ihr Gebiet be­ zeichnet haben . Bei den Collisionen der verschiednen Besitznahmen muß die Formirung den Vorzug haben . § 32

30

Die negative Natur der Materie macht die Benutzung einer Sache zu ihrer ­substantiellen Bestimmung und nicht das G a n z e der Benutzung das mir | zusteht , sondern nur eine theilweise oder temporäre Benutzung ist von dem

6 nunmehr] unsichere Lesung  8 Ein] links daneben die Zeichnung eines Strandes mit Fahne und Kreuz  

262

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38–39

Eigen­thume der Sache selbst unterschieden . Ich bin mir ferner im Eigenthume als ungetheiltes Freyes objektiv  ; das Eigenthum soll daher vol le s f r e ye s E i­g e n ­ t hu m ohne eine unüberwindliche Servitut oder Bedingung seyn oder werden können . Der Genuß Lebendiger als Lebendiger ist von der Benutzung ausgeschlossen  ; und Gebrauch ist hier von den Sachen zu verstehn insofern sie nichts Freyes , Lebendiges sind . – Nicht die Materie ist die Substanz der Sache , sondern das , daß sie benutzt werden kann . – Sache und das Ganze der Benutzung sind eins und dasselbe . – Daher kann die Sache von dem Ganzen der Benutzung nicht getrennt werden , sondern nur ein Theil der Benutzung . – Wenn das dominium utile sämtliche Benutzung umfaßt , so ist es das principale und das dominium directum eigentlich nichts . – Also die Unterscheidungen der positiven Rechte Zb . daß , nach jus utendi fruendi noch etwas übrig bleibe , sind leere VerstandesbegriVe[.] Der An­theil des dominus directus , der Canon etc . ist kein Antheil am Eigenthum der Sache – denn diese Abgabe ist eine bestimmte Zahl , nicht Erzeugniß eines Antheils der gemeinschaftlichen Benutzung . – Die AbschaVung der Bodenzinsen etc . ist gegen alle Entschädigung rechtlich , nur dann ist die Entschädigung gerecht , wenn der Herr sich einige Be­ nutzung vorbehalten . |

5

10

15

20

§ 33 . Im Eigenthume mache ich meinen Willen als E i n z e l ne r objektiv , und werde als Person wirklich . Das Eigenthum soll daher außer bei Gegenständen , die ihrer elementarischen Natur nach nicht einer Individualisirung fähig sind , nicht gemeinsam sondern P r iv a t­e i g e n­t hu m seyn[.] Das Meer etc[.] sind elementarische Dinge[.] In dem Prinzip der Sittlichkeit ist Persönlichkeit vorhanden , diese muß sich aber aufgehen lassen in dem Allgemeinen  ; damit sie aber dies könne muß sie eben Persönlichkeit vorher seyn , nicht ein selbstloses Seyn (wie bei den Lacedemoniern) wie bei den Orientalen wo die Persönlichkeit ein nichtiges ist . Die Sittlichkeit muß also nicht Vernichtung der Persönlichkeit seyn , sondern dem Selbstbewußtseyn sein Recht geben  ; aber dennoch muß ich im Allgemeinen bleiben . –

32 Persönlichkeit] Personlichkeit 

25

30

35

39–40

5

das abstrakte recht263

Soll die Persönlichkeit wirklich werden , so muß sie Eigenthum haben . – Daher ist das Privat­eigen­thum ein so großes Prinzip der bürgerlichen Gesellschaft[.] Delikatessen des römischen Rechts sucht Hegel sehr lächerlich zu machen[.] § 34 .

10

15

Die Objektivität des Besitzes nach der Seite der Zeit , in welche er als die Aüßerlichkeit des Eigenthumes fällt , ist die F o r t d a ue r d e r Aü ß e r u n g meines Willens . Ohne diese erscheint die Sache als herrenlos , ich verliere oder erwerbe | daher Eigenthum durch Ve r j ä h r u n g [.] Ein Je t z t als Allgemeines nennen wir Fortdauer . – Die Verjährung ist nicht bloß dem positiven Rechte gehörig[.] Auch die Heilighaltung und Unversehrbarkeit der Denkmale die dem Privat­gebrauch entnommen sind kann verjähren . Lord Elgins Collection § 35 .

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25

30

Meines Eigenthums kann ich mich insofern e n t a ü ß e r n als die Sache ihrer Natur nach ein aüßerliches ist  ; u nve r a ü ß e r l ich sind daher diejenigen Güter , so wie das Recht an sie u nve r j ä h r b a r , welche meine eigenste Person und das Allgemeine meines Selbstbewußtseyns ausmachen wie meine Persönlichkeit überhaupt , die Willensfreiheit , Sittlichkeit , Religion . – Wenn die unveraüßerlichen Güter auch veraüßert sind so können sie doch gleich wieder gefodert werden , denn sie sind unverjährbar . (droits de l’homme) (Man muß nicht bey der Abstraktion dieser Menschenrechte stehen bleiben) aber dieser Grundsatz ist an sich absolut , daß wenn auch eine Nation sich dieser Rechte veraüßert hat , sie sie unmittelbar wieder an sich nehmen kann . Mein Sittengesetz ist me i n Wesen , nicht ein mir fremdes . In der Re l i g ion schaue ich mein Wesen an , suche in mir das Bewußtseyn meiner Identität mit ihm hervorzubringen . – Dies Erkennen und Wesen muß mei­ nes seyn .

13 Unversehrbarkeit der] im Text in Klammern gesetzt   25 Menschenrechte] Menschen / rechte  

264

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40–42

Wie kann es geschehn daß eine Entaüßerung derselben statt findet , daß ein andrer Herr unserer Sittlichkeit u[.]s . w . wird ? Grund , daß solche ­Verhältnisse darin bestehn daß ich mich darin objektiv mache , daß ich eine Unterscheidung von mir als Besonderem und Allgemeinem setze . Bleibe ich bey dieser Trennung stehn bleibe ich bloß besonderes , so ist das Allge­meine eine Macht für mich , etwas fremdes , eine aüßerliche Gewalt[.] Weg des Aberglaubens , der Knechtschaft . – Ich muß also das Allgemeine , in steter Identität und Beziehung auf mich wissen , um wahrhaft existent zu bleiben[.] | Der Sklave , sobald er sagt er sey frey , ist von dem Augenblicke frey , und seinem Herren keine Entschädigung schuldig , ja kann noch Ausstattung von ihm fodern[.] So kann man sich auch von jedem Zwange der Sittlichkeit , des Glaubens losmachen .

5

10

§ 36 Von meinen besondern körperlichen und geistigen Kräften und Geschicklichkeiten kann ich einen i n d e r Z e it b e s ch r ä n k t e n Gebrauch und deren einzelne Produkte an andre veraüßern . Durch die Veraüßerung meiner g a n z e n durch Arbeit zu erfüllenden Zeit würde ich meine allgemeine Thätigkeit und Wirklichkeit , meine Persönlichkeit zum Eigenthum eines Andern machen . Habe ich das Recht mein Leben , den ganzen Umfang meiner Thätigkeit , aller Aüßerung meiner Freiheit aufzugeben ? (triVt das sittliche Verhältniß) ich setze mich dann als einzelnes Lebendiges gegen ein Höheres . Dieses Höhere haben wir hier im strengen Recht noch nicht[.] – Ich habe das absolute Recht mein Leben aufzugeben , aber das wofür ich es aufgebe muß ein Höheres seyn (Staat , Vaterland) woran ich nur ein Theil , Glied bin[.] – Der Tod muß aber als ein Aüßerliches kommen , nicht Selbstmord seyn denn dies ist die absolute , abstrakte Feindseligkeit , denn ich zerstöre durch den Selbstmord die abstrakte Idee , das Selbstbewußtseyn , gebe das Schauspiel der Zerrissenheit , der größten Entzweyung des Höchsten . | Die Entzweiung kann aber unter verschiedener sittlicher Form seyn – Selbstmord aus Verrücktheit , aus Verzweiflung , weil man sich des Lebens nicht mehr werth fühlt – umgekehrt wie Cato , wenn man sich zu erhaben fühlt , aus der Idee

15

20

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30

5 bleibe] Bleibe   7 Identität] Identitat   20 Thätigkeit] Thatigkt   21 Verhältniß] Verhaltniß   35 29 Selbstbewußtseyn] Selbst / bewßtsyn  

42–43

das abstrakte recht265

des Unüberwundenen . Römische Idee der Sittlichkeit – in einer bestimmten Republik zu leben – Beschränktheit ist immer darin[.]

§ 37 .

5

10

15

20

Im Eigenthum als Daseyn ist die Person für andre , und zwar nur für Personen[.] Dies reelle Daseyn und zwar zunächst als positive Beziehung ist das gegen­ seitige A ne r ke n ne n  , das Bewußtseyn seiner Persönlichkeit , in der Identität mit andern freien Personen zu haben . Der BegriV des Anerkennens und zwar als Eigenthum hat seine Realität im Ve r t r a g  . Das Eigenthum erhält erst Daseyn , wenn die Person , Person für andre wird d . h . anerkannt[.] Wer selbst frey ist , für den sind auch die andern frey . Der Despot , Skla­ venherr sind nicht frey , sondern Herr und Sklave sind in demselben Ver­ hältniß , das von ihnen Unterschiedene , Angeschaute ist kein Freyes[.] (Im sittlichen Verhältniß Freundschaft , Liebe) Durch das Aufgeben des Besondern , des für Sich seyns , kommt zu Stande das Wissen Meiner als Identischen mit Andern . Das Selbstbewußtseyn wird reicher , befriedigender , weil ich von meiner Sprödigkeit abgelassen  ; und indem ich mich zu verlieren scheine , mich selbst erst recht finde und besitze[.] | Diese Anerkennung fremden Eigenthums darf nicht in der Vorstellung bleiben , sondern Realität erhalten – im Ve r t r a g e  . – Ein solcher Akt ist der ve r nü n f t i g e BegriV des Anerkennens . – Innere und aüßerliche Nothwendigkeit des Vertrags – das thätige Anerkennen andren Eigenthums und das Bedürfniß . Zwe y t e n s  . D e r Ve r t r a g  .

25

30

§ 38 . Indem die Eigenthümer als unmittelbar einzelne Personen und als in einer aüßerlichen Sache für einander Personen sind , so fängt 1 ,  der Vertrag von der Willkühr an , und der identische Wille ist 2 ,  ein durch sie gesetzter , ein g e m e i n s a me r Wille , welcher 3 ,  durch die Vermittlung des Willens ein und zwar einzelnes Eigenthum auf­ zugeben und des Willens ein solches anzunehmen zu Stande kommt , und zwar so , daß das eine Wollen insofern zum Entschluß kommt , als das andre Wollen vorhanden ist[.]

266

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43–45

Vertrag ist nur eine aüßere Erscheinung , des Vernünftigen , aber dies Vernünftige hat noch Zwecke , Gegenstände , die noch nicht dem Vernünftigen gemäß sind , denn es treten hier noch Einzelne mit dem ganz natürlichen Willen , der Willkühr auf[.] – Ein gemeinsames ist ein allgemeines mit der Form der Zufälligkeit , weil es aus der | Willkühr entsteht (hingegen der Staat nicht ein bloß gesetztes , sondern ein wirkliches An und Für sich seyn .) Carl V Was mein Bruder Franz will , das will ich auch . Also kein Vertrag , wenn beide dasselbe positiv wollen[.] Das Verhältniß der Ehe , des Staats sieht man haüfig als Vertrag an , allein diese Verhältnisse fallen ins Gebiet der Sittlichkeit[.] Die Ehe hat nicht den Sinn , daß die , sie schließen über ein Einzelnes ein Gemeinsames wollen , sie machen sich nicht gegenseitig zum Eigenthum . – Beide sollen eine substantielle Person bilden  ; sie schließen den Bund in einer Sphäre , die etwas höheres ist als sie nach ihrer besondern Existenz . Daher das Religiöse der Ehe[.] Noch weniger ist der Staat ein Vertrag , denn es ist an und für sich Pflicht in einem Staate zu seyn . – Der Staat beruht nicht auf der Willkühr , ist über sie erhaben , etwas Göttliches , Heiliges , Allgemeines .

§ 39 Die Übereinkunft für sich ist als gemeinsamer W i l le zunächst ein Vorgestelltes , welches daher auch nach der eigenthümlichen Weise des Daseyns von Vorstellungen im Zeichen ein Daseyn hat . Der Ausdruck der Stipulation durch F ö r m l ich ke it e n der Geberden , insbesondre die bestimmte Erklärung durch die S pr a che  . Die Leistung ist das reelle , eigentliche Daseyn des Vertrags – giebt auch Verträge wo das erstere der Wille (wovon hier) sich gleich in der Leistung aüßert . Pactum re initum . | Die Stipulation ist auch ein Daseyn , aber ein Daseyn des Vorgestellten , das Z e iche n symbolische Handlungen .

10 sieht] sind   11 Verhältnisse] Verhaltnisse   12 über] uber  

5

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20

25

30

45–46

das abstrakte recht267 § 40 .

5

10

15

Der Vertrag enthält die Seite des Willens und daher das rechtliche und sub­ stantielle , gegen welches der noch bestehende Besitz , insofern der Vertrag noch nicht erfüllt ist , für sich nur das aüßerliche ist , das seine Bestimmung allein in jener Seite hat . Durch den Vertrag habe ich mein Eigenthum und besondre Willkühr darüber aufgegeben , und es ist bereits Eigenthum des andern geworden  ; ich bin daher durch den Vertrag unmittelbar zur L e i s t u n g rechtlich verbunden[.] Man hat wohl die Gültigkeit des Vertrags von dem Leisten abhängig ­machen wollen (auch Fichte) und man wisse bey dem bloßen Willen noch nicht , ob der andre Willens sey zu halten  ; dies entscheide sich erst durch die Leistung selbst  ; der Andre könne auch seinen Willen ändern . – Allein 1 , im Vertrage habe ich nicht nur meinen Willen e r k l ä r t , nicht bloß versprochen , sondern zugleich auf etwas Verzicht geleistet , und die Sache ist bereits Eigenthum des Andern geworden  ; denn aller Besitz , Eigen­ thum beruht auf dem Willen , sobald dieser sich erklärt hat , ist das andre nothwendige Folge[.] § 41 .

20

25

30

Der Vertrag ist formell , insofern die beiden Momente wodurch der ge­mein-| same Wille zu Stande kommt , eine Sache zu veraüßern und sie anzunehmen , an die beiden Contrahenten vertheilt sind  ; S che n k u n g s ve r t r a g  . Re e l l ist der Vertrag insofern beiden das Ganze dieser zwey Einwilligungen zukommt , und hiemit jedem auch sein an sich seyendes Eigenthum , der Werth desselben gleich , in welchem bei aller qualitativen Verschiedenheit die Vertragsgegenstände einander gleich seyn können und sollen . Ta u s chve r t r a g  . Sonst sind die Verträge nach den Unterschieden von Eigenthum und Besitz und Benutzung von spezi­ fischer Qualität des Eigenthums und von Werth unterschieden[.] Der Werth ist das Quantitativ Gleiche in zweyen – sofern von der qualitativen Verschiedenheit abgesehen wird , das Innere , Allgemeine . – Geld ein sicht und fühlbares Allgemeine[.] Testiren ist keine große Generosität . Daß mein Wille nach meinem Tode gelte kann eigentlich rechtlich nicht gefodert werden . Gilt er doch so ist es bloß durch die Meinung durch das Ehren der Andern[.] Eiserne Verträge , Erbpacht etc . unrechtlich .

12 1 ,] (1 ,  

268

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46–48

§ 42 . In dem Verhältnisse des Anerkennens und selbst indem im Vertrage ein gemeinsamer Wille zu Stande kommt , tritt | der Wille , der unmittelbaren Per­ sonen auch als ein b e s ond r e r von dem BegriVe des Willens verschiedner auf  ; In Willkühr und Zufälligkeit der Einsicht und des Wollens gegen das , was a n s ich recht ist – das Un r e cht . – Jedes positive Urtheil ist zugleich auch ein negatives . Das Nichtangemessen­ seyn des persönlichen Willens gegen den allgemeinen , ist auch dieser Sphäre nothwendig . – III  D a s Un r e cht .

5

10

§ 43 . Das Recht im Gegensatze gegen das Unrecht ist nicht nur die Freiheit in ei­nem Daseyn überhaupt , sondern aus einem bestimmten Rechtsgrund  ; die unmittelbare Besitznahme , und der Besitz aus Vertrag , sind für sich und dann weiter nach ihren besondern Arten die verschiedenen Re cht s g r ü nd e der gegenwärtigen Sphäre , da sie sich auf dieselbe Sache beziehn können , können und müssen sie in Collision kommen , und der eine kann sich an diesen , der andre an einen der andern Rechtsgründe halten . | Indem der Wille in die Aüßerlichkeit tritt , kommt er in Widerspruch mit sich . – Die Freiheit im Felde der Endlichkeit , daher sich hier das Besondre als solches , das Unrecht findet . Die Vernünftigkeit das Recht , ist hier nur das Ziel , es bleibt immer jenseits und nur unendliche Annäherung ist ­möglich[.] Soll das Ziel erreicht werden , so muß die Voraussetzung aufgegeben werden , daß das Endliche bleiben soll . – Daher Nothwendigkeit der Collisionen , daß es so seyn kann , und auch anders d . i . die Zufälligkeit . Die Advokaten dürfen kein Mistraun gegen die Vernunft haben .

15

20

25

§ 44 . E r s t e n s  .  Es entsteht hiedurch das Verhältniß , das die Sphäre des bü r g e r l iche n Re cht s s t r e it e s ausmacht  ; ein negatives Urtheil über ein Eigenthum , 6 ist] ist .  

30

48–50

5

das abstrakte recht269

so daß die Sache nur aus einem Rechtsgrunde angesprochen , gegenseitig die allgemeine Persönlichkeit und Rechtsfähigkeit anerkannt wird , und das Unrecht nur die Su b s u m t ion der Sache unter den Willen betriVt[.] Ich behaupte diese Sache ist mein , nicht die des andern . Dies negative Ur­theil , negirt nur das Besondre des Prädikats , nicht dasselbe in seinem ganzen Umfang . – Es greift nicht das Recht , als Recht an (wie im Verbrechen , Zwang) , negirt nur daß der andre richtig subsumirt habe .

§ 45

10

15

20

In beiden Partheien ist das Anerkanntseyn des Rechts mit besondrer Ansicht desselben und mit besonderm Interesse verbunden , und ein Wille nicht vorhanden , welcher als besondrer | nur den allgemeinen zum Zwecke hätte , und von den Partheien als ein solcher , gegen den sie auf ihre Ansicht und Willkühr Verzicht zu thun hätten , anerkannt wäre . Die Erkenntniß und Vollstreckung des Rechts bleibt daher noch der Zufälligkeit anheim gestellt . Der Richter soll das Recht als Recht wollen , solcher ist hier noch nicht vorhanden . – Hier hängt noch alles an der Zu f ä l l i g k e i t d . h . etwa der Anerkennung eines­theils , daß er Unrecht habe . Hieraus entsteht die Foderung der Gerichte , auf dem Standpunkte der Reflexion die freilich über das Endliche hinaussieht aber noch nicht daraus hinauskommt , es noch bestehen läßt . Ein Jenseits mit einem Diesseits behaftet . – Die besondre Ansicht , die Willkühr , ist hier noch nicht dem allgemeinen Willen aufgeopfert . –

§ 46 .

25

Zwe y t e n s  .   Im Vertrage erwerbe ich ein Eigenthum an einer Sache um ihrer besondern BeschaVenheit willen , und nach ihrem Werthe als aüßerliches Daseyn und als in verwickelter Beziehung auf Andres gegründet kann mir beides anders scheinen als es wirklich ist , auch solcher Schein durch die Willkühr des Andern her­vorgebracht werden – Unrecht durch | Ta ü s chu n g und B e t r u g [.]

9 Anerkanntseyn] Anerkanntseyen  

270

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50–51

§ 47 . D r it t e n s [.]  Indem mein Wille im Eigenthum sich in eine aüßerliche Sache legt , kann er an dieser ergriVen und unter die Nothwendigkeit gesetzt werden , theils G e w a lt leidend , theils kann ihm zur Bedingung eines Besitzes irgend eine Aufopferung oder Handlung gemacht , Zw a n g angethan werden . Die Natur thut kein Unrecht  ; man kann es nur ein Unglück nennen[.] Gewalt überhaupt daß meins sich zeigt nicht bloß mir angehörend , son­ dern auch etwas anderm . Zwang

5

§ 48 . Als Lebendiges kann der Mensch wohl b e z w u n g e n d . h . seine physische Seite wohl unter die Gewalt Anderer gebracht , aber der Wille , weil er frey ist , kann an und für sich nicht gezwungen werden , als nur insofern er sich selbst aus der Aüßerlichkeit , an der er festgehalten wird , nicht zurück zieht . Der Mensch wird nur gezwungen , wenn er will . Drohung , Abschreckungstheorien bei Strafen etwas unwürdiges . |

10

15

§ 49 . Weil der Wille Daseyn haben soll und nur in seinem Daseyn wirklich frei ist , so ist Gewalt oder Zwang abstrakt genommen unrechtlich . Er zerstört sich nach seinem Be­g riVe . Die Darstellung hievon , daß der Zwang durch Zwang aufgehoben wird . Er ist daher bedingt rechtlich insofern er nemlich ein Au f he b e n des Zw a n g s überhaupt auch in Beziehung auf positive rechtliche Pflichten das Aufheben einer Verletzung derselben ist . Gegen das Böse soll der Mensch böse seyn  ; das Üble soll er übel nehmen , dem Schädlichen Schaden zufügen[.] Das Unrecht des Bürgers im Ungehorsam gegen die Gesetze , ist auch eine Art Zwang . Der Zwang des Staats gegen ihn ist also nicht erster Zwang , sondern ein rechtlicher (Zb . wenn er Abgaben nicht bezahlt , und damit zurückbehält , was schon Eigenthum des Staats ist .)

10 b e z w u n g e n ] g e z w u n g e n   19 seinem Be­g riVe] seinen Be­g riVen  

20

25

51–53

das abstrakte recht271 § 50 .

5

10

Das abstrakte Recht wird in so fern als Zw a n g s r e cht angesehn , als das Unrecht gegen dasselbe eine Gewalt gegen das Daseyn meiner Freiheit in einer aüßer­lichen Sache ist  ; Die Erhaltung dieses Daseyns gegen diese Gewalt , hiemit selbst als eine aüßerliche Nothwendigkeit erscheint[.] | Auf dem Standpunkt der Moral findet kein Zwang statt , weil die Existenz des Rechts hier nicht ein Aüßerliches ist , sondern im innern Selbst­ bewußtseyn[.] Die Moralität gehört nicht in die Sphäre der aüßerlichen Nothwendigkeit , sie soll seyn , aber sie muß nicht seyn .

§ . 51 .

15

Das Verbrechen ist ein Zwang , welcher das Recht als Recht verletzt , ein unendliches Ur­theil , durch welches nicht nur die Subsumtion einer Sache unter meinen Willen , sondern das Allgemeine im Prädikate des Meinigen , die Rechtsfähigkeit negirt wird , die Sphäre d e s p e i n l iche n Re cht s . Unendliches Urtheil ist daß im Prädikat nicht nur der Inhalt des Prädikats , sondern die ganze Sphäre desselben negirt wird .

§ . 52 .

20

Insofern es nur der daseyende Wille ist , welcher verletzt werden kann , derselbe aber nach dem quantitativen Umfange , so wie das qualitative Verhältniß zu ihm verschieden ist , so macht dies einen Unterschied für die objektive Seite der Verbrechen , ob jenes Daseyn in seinem ganzen Umfange der Unendlichkeit , oder nur nach einer Seite desselben , so wie , in wiefern es nach dem qualitativen Verhältnisse verletzt ist . | § 53 .

25

Die Verletzung des Rechts als Rechts ist , ob zwar existirend , in sich nichtig  ; die Manifestation hievon ist das Vernichten der Verletzung . Diese ist zwar an

7 Aüßerliches] Aüßerlicher  

272

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53–54

einer aüßerlichen Sache , ferner dem an sich seyenden Willen des Verletzten , aller Übrigen und des Verbrechers selbst , widerfahren  ; ist aber hieran nur als ein Negatives . Als positive Existenz ist sie der Wille des Verbrechers und dieser ist es daher wesentlich , welcher als nichtig darzustellen ist . Das Verletzen desselben ist das Aufheben des Verbrechens und die Verwandlung des Unrechts in Recht . – (GrundbegriV der S t r a fe  . ) Der Verbrecher verletzt auch seinen an sich seyenden Willen[.] Das Aufheben des Verbrechens beschränkt sich nicht auf die objektive Seite (durch Schadensersatz , Vergeben) sondern es muß auch an dem Verbrecher selbst aufgehoben werden (als p o s it i ve Existenz) subjektive Seite , denn das Verbrechen ist auch Verletzung des Willens , und das wahrhaft Negative des Willens ist selbst im Willen . – Dieses Negative soll aufgehoben werden . Der Wille des Verbrechers muß in aüßerlicher Existenz angefaßt werden , um verletzt zu werden , um die Verletzung aufzuheben . – | Was der Wille thut , ist der Erscheinung nach ein Einzelnes , aber auch zugleich ein Allgemeines – etwas Zeitliches und etwas Zeitloses . – So bleiben die Folgen der Handlung , wenn die That auch selbst vorbey ist[.] So bleibt der stiehlt ewig ein Dieb , nicht bloß in der Erinnerung , sondern wirklich[.] Abstrakt ist die Verletzung des Verbrechers ein Unrecht , aber dies ist nicht der erste sondern der 2te Zwang , der das Unrecht zum Rechte macht[.]

5

10

15

20

§ 54 . Der Verbrecher hat die Verletzung die ihm widerfährt selbst anerkannt , denn in seiner als eines vernünftigen Handlung liegt , daß sie etwas Allgemeines und ein Gesetz durch sie aufgestellt ist , unter welches er also als unter sein Recht subsumirt werden darf[.] Beccarias Meinung , es könne nicht präsumirt werden , jemand sey den Vertrag eingegangen in gewissen Fällen sich tödten zu lassen . Hiegegen setzen ebensogut das Gegentheil , denn viele gaben sich selbst an , waren nicht ruhig , bis ihr Recht ihnen angethan war . – Hienach wäre es dann zufällig ob jemand gestraft werden solle oder nicht .

28 sey] habe  

25

30

54–56

5

das abstrakte recht273

Die Versicherung es sey jenem Menschen nicht damit Ernst , ist bloß Raisonnement das man ebenso gut umkehren kann[.] – Der wahrhafte Ernst ist – das Vernünftige im Menschen , wenn es auch nur formell ist  ; die That des Verbrechers ist nicht bloß etwas Vorüberziehendes , Einzelnes , sondern ­zugleich Allgemeines | ein Gesetz , – d a ß e s e r l a u b t s e y e i ne n z u ve r le t z e n   ; also indem man ihn wieder verletzt , erkennt man ihn als Vernünf­ tiges seinen Willen als Gesetz , man thut ihm also s e i n Re cht an . – Weil seine Handlung die eines Freyen ist , so ist darin seine Identität mit einem andren ausgesprochen , und was für ihn gültig ist , ist es auch für andere[.]

§ 55 .

10

15

20

25

30

Das Aufheben des Verbrechens ist in sofern W ie d e r ve r g e l t u n g , als es theils die Verletzung der Verletzung ist , theils einen bestimmten qualitativen und quantitativen Umfang , hiemit auch dessen Negation denselben hat . Diese Identität beider ist ferner Gleichheit , aber nicht wesentlich in der spezifischen sondern in der an sich seyenden BeschaVenheit der Verletzung , in dem Werthe , Ve r d ie n s t e derselben . Jus talionis ist ein natürlicher BegriV in der Empfindung , und wurde von jeher als Grundlage der Strafen angesehen . Nur die neuere Klügeley der Juristen hat es verworfen , weil es sich nicht deduziren ließe . Diese Schwierigkeit liegt darin , daß man sich theils das Verbrechen theils das Aufheben des­ selben , als 2 verschiedene Handlungen vorstellte , also nicht die nothwendige Identität beider erkannte , daß in dem Verbrechen schon seine Vernichtung liegt . – Für beide als 2 aüßerliche Handlungen gegeneinander , so müßte die 2te einen neuen innern Bestimmungsgrund haben . Als solche Sicherheit des Staats , Besserung des Verbrechers angegeben , die allerdings | außerhalb des Verbrechens liegen , eben deshalb aber sind sie unzulänglich . – Die Schwierigkeit liegt also darin daß man das Verbrechen selbst nicht begriVen hat . Schwierigkeit wie die Gleichheit der Wiedervergeltung hervorgebracht werden soll , denn die spezifische Gleichheit ist oft unmöglich oft absurd[.] Bei den andern Bestimmungsgründen würden sich aber noch größere Härten und Ungleichheiten zeigen . – Zb . bei r ohe n Verbrechen[.] Dem Verbrecher ist nicht dasselbe seiner spezifischen BeschaVenheit wieder zu vergelten , sondern nur seinem Werthe nach – Analogie des Ta u s che s .

1 jenem über versehentlich nicht gestr . dem  

– Stärke der ­sinnlichen Trieb­ feder Feuerbach

274

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56–57

Schwierigkeit der Aufsuchung der Gleichheit bei heterogenen Behand­ lungen . – Es ist nur Annäherung an den BegriV möglich , keine absolute Bestimmung . Die Strafen können nicht vollkommen gerecht seyn wie überall im Felde des Endlichen die unvollständige Gleichheit , Unangemessenheit sich finden[.]

5

§ 56 . Das Aufheben des Verbrechens ist zunächst R a che dem Inhalte nach gerecht , insofern sie Wiedervergeltung ist , aber der Form nach als von dem Verletzten Einzelnen ausgeübt ist sie zugleich die Handlung eines subjektiven Willens , welcher nur als ein besondrer anerkannt ist , und wird hiedurch eine neue Verletzung so daß sie als dieser Widerspruch in den Progreß ins Unendliche verfällt . – | Es giebt einen unvollkommenen Zustand wo die Gerechtigkeit nur durch Rache vollzogen wird . Die Aüßerung des allgemeinen Willens durch Strafen gehört in den Staat . In dieser Sphäre wird das Verbrechen unmittelbar auf­ gehoben . – (Manche Verbrechen werden nur auf Privatanfoderung zur Strafe gezogen . – Die Satisfaktion hat auch einiges von der Form der Privatrache beibehalten[.]) (Herkules übernahm aus seiner Willkühr , die rächende Gerechtigkeit[.] – Ideen über die griechischen Tragödien – Familie der Atriden – die Nemesis  – δικη –) Der subjektive Wille ist noch nicht als allgemeiner Wille , hat noch die Form des besondern , und tritt als solcher gegen den durch ihn Verletzten auf . – Sie ist die That des Zorns der Empfindlichkeit[.] Ewige Blutrache bei einigen Völkern[.] Progreß ins Unendliche kommt durch einen Widerspruch der aufgelöst werden soll , und das Abmühen dabey , ohne daß die wahrhafte Auflösung gefunden ist[.] Auch hier Foderung des Richters , dessen besondrer Wille sich in den all­ gemeinen versenkt hat[.]

10

15

20

25

§ 57 . Das Verbrechen und die rächende Gerechtigkeit stellen die in sich reflektirte Einzelnheit des Willens dar  ; die Person ist zum Subjekte bestimmt , zu dem in der Unterscheidung vom anderen Einzelnen und vom allgemeinen Willen , so wie von der aüßerlichen Existenz sich in sich bestimmenden Willen , welcher 11 den] dem   13 Aüßerung] Außerung   24–25 kommt durch über versehentlich nicht gestr . ist  

30

57–58

5

10

das abstrakte recht275

das innerliche | Daseyn der Freiheit und der wahrhafte Boden ihrer Existenz ist . Mo r a l i s che r S t a nd pu n k t [.] Im Verbrechen ist der Wille ein Einzelner , sowohl gegen Andere als gegen den allgemeinen . Wiederhergestelltes , in sich zurückgekehrtes Recht , wirkliche , für sich seyende Freiheit – Wille der sich sich selbst gleich gemacht hat , der einen andern Willen aufgehoben hat . – Diesen Willen haben wir als Subjekt zu behandeln . Damit das Ur­theil dessen was recht und gut , und dessen was subjektiver Natur ist , ein Der vorige Boden war , daß die Freiheit ein aüßerliches Seyn in Besitz nimmt , ein ihr Unangemessenes , ein Ding  ; auf dem jetzigen nimmt sie den Willen , ein sich Angemessenes in Besitz . –

10 ein] Satz bricht ab   12 sie] er  

276

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58–60

Zwe it e A b t he i lu n g D ie Mo r a l it ä t § 58 .

Witze

Das mor a l i s che Re cht ist das Daseyn des freien Willens als eines subjektiven . Dies Recht ist von der Seite absolut , als der Wille wesentlich das Wissen von sich ist , in seiner unterschiedenen Einzelnheit als Unendlichem . Aber wie das abstrakte Recht der Person | durch seine Unmittelbarkeit zufällig ist , so hat die Moralität ihre e nd l iche Seite an der Subjektivität des Willens und ist der Standpunkt des Ve r h ä l t n i s s e s  , und des Sollens des Allgemeinen und an und für sich Seyenden gegen das Besondre des Willens oder des Seyns . – Verbrechen im moralischen Sinne nur , wenn man weiß daß die Handlung unrecht[.] Unser Zeitalter in gewissem Sinne sehr moralisch , man will die Einsicht haben , die Gründe einer Einrichtung kennen und sie gebilligt haben . – So bleibt man in der Geschichte nicht bei dem Objektiven der Handlungen stehn , sondern betrachtet sie von der subjektiven innern Seite , nach der Absicht . – Diese Betrachtungsweise kann auch dem Neide , kleinlichen ­Geiste dienen[.] Die Schulmeister beweisen daß Caesar , Alexander indes ehrgeizige Menschen waren . Geheime Anekdotenspinnerei , geheime Triebfedern . – Es giebt für den Kammerdiener keinen Helden , nicht weil der Held kein Held , sondern weil er ein Kammerdiener ist . – Der Mensch will bei dem Bewunderungswürdigen Großen seyn , – entweder er erhebt sich dazu steigert seinen BegriV , oder man zieht das Große herab zu sich . Die Moralität ist auch ein Standpunkt der Endlichkeit , indem der Wille als ein subjektives ist , der noch in seiner Subjektivität sich geltend macht[.] – (Objektiv ist er nur als sittlicher , in dem seine Subjektivität der Idee angemessen ist[.] –) Das Objektive hat er sich gegenüber , steht im Verhältnisse damit[.] | Dies giebt dem Allgemeinen , die Form des Sollens , das Gute gilt – als das Wesentliche , das Subjektive als unwesentlich , zufällig . – Es s ol l eine

17 Diese über versehentlich nicht gestr . Nach dieser   29 Verhältnisse] Verhaltnisse  

5

10

15

20

25

30

60–61

5

10

die moralität277

Identität beider seyn , in der das Subjektive sich aufgeben , und das Gute zu seiner Regel machen soll[.] Auf der andern Seite soll das Entsprechen nicht zu Stande kommen , und der subjektive Wille gilt als wesentlicher . Es findet nur eine Annäherung , keine Versöhnung absoluter Frieden statt . – Postulate auf moralischem Standpunkt – Zb . Das Daseyn Gottes , das Moralisch seyn des Einzelnen . Belohnung des Guten , die Strafe des Bösen . Die Vernunftideen bleiben nur als ein Jenseits in diesem Verhältnisse stehn[.] Wir haben hier das Objektive an diesem subjektiven Willen zu betrachten .

§ 59

15

20

25

30

Das Daseyn , welches sich der subjektiv bestimmte Wille in der H a nd lu n g giebt , ist eine Beziehung auf den Willen Anderer und auf ihr Anerkennen . Der moralische Standpunkt enthält ferner die Form von Pflichten und von positiven Geboten , insofern das Vernünftige meine subjektive Bestimmung seyn , und solcher aber in diesem formellen Standpunkte nicht gegebner Inhalt durch meine Handlung hervorgebracht werden soll . – Die Thiere handeln nicht , auch handeln wir nicht gegen die Thiere , und unorganischen Körper . Insofern der subjektive Wille sich als solcher Daseyn giebt , ist er für ein anderes intellektuelles Wesen[.] | Der moralische Standpunkt enthält den subjektiven besondern , endlichen Willen , das Allgemeine ist ein Andres für ihn , ein Sollen für ihn[.] Der Inhalt der Pflichten ist auf dem moralischen Standpunkt nicht bestimmt[.] Besondere Beweggründe sollen den subjektiven Willen dahin bringen sich dem allgemeinen zu unterwerfen , zugleich das Allgemeine als Maxime anzunehmen[.] – Hat Widersprüche denn die Gründe sind ihrem Inhalt nach besondre , die sich im besondern Willen finden , zugleich will man , daß derselbe sich zum Allgemeinen erheben soll . Das moralische Gebot hat die positive Bedeutung daß etwas für die Willensbestimmung Anderer überhaupt gesetzt werden soll . Das Vernünftige hat hier Form von P f l icht e n [.]

278

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61–63

§ 60 Das Recht des subjektiven Willens enthält die drey Seiten 1 ,  die formelle der H a nd lu n g und des Vo r s a t z e s 2 , die besondern Zwecke des subjektiven I n h a l t s  , des Woh l s und der A b s icht 3 ,  den Zweck des Allgemeinen im Willen , des G ut e n und des G e w i s s e n s [.] Das erste Moment enthält auch den BegriV der Schuld und Zurechnung[.] |

5

I  D ie H a nd lu n g u n d d e r Vo r s a t z § 61 .

10

Die Handlung des subjektiven Willens hat unmittelbar einen vorausgesetzten Gegenstand und in seinem darauf gerichteten Zweck hat er die Vorstellung der Umstände derselben . Die T h a t setzt eine Veränderung in dem vorliegenden Daseyn , und der Wille ist insofern S chu ld  , überhaupt an dieser und an deren Folgen , als in diesen das abstrakte Moment des Meinigen liegt[.]

15

§ 62 . Meine That ist es zwar nicht , wenn aüßerliche Dinge , deren Eigenthümer ich bin , und die für sich in mannigfaltigem Zusammenhange stehn und wirken , Andern S ch a d e n an ihrem Eigenthum oder sonst verursachen  ; aber derselbe fällt mir zur Last , weil jene Dinge die meinigen sind , und mehr oder weniger , wie sie nach ihrer eigenthümlichen Natur nur mehr oder weniger meiner Herrschaft und so fort unterworfen sind[.] damnum von Freien noxa von Unterworfenen pauperies von Thieren |

§ 63 Bei der e i g ne n T h a t , ist für den Willen , der , als subjektiv , endlich ist , die gegenständliche Erscheinung zugleich z u f ä l l i g   ; sie kann für sich etwas ganz anders seyn , als in seiner Vorstellung . Er erkennt aber in seiner That nur dies

20

25

63–64

5

die moralität279

als seine Handlung , und hat nur Schuld an dem , was er von ihren Voraussetzungen in seinem Zwecke weiß , und läßt sie sich nur nach seinem Vorsatze zurechnen . Der subjektive Wille ist nicht Wissen , sondern nur Bewußtseyn und liegt im Endlichen . – Oedip Der Wille unterscheidet That und Handlung , und diese nicht jene ist ihm zuzurechnen . Auf dem Bewußtseyn beruht also die Zurechnungs­ fähigkeit[.] § 64 .

10

15

20

Die F ol g e n sind die als aüßerliches Daseyn nach allen Seiten sich manifestirende Natur der Handlung , welche zugleich nicht nur ein isolirter , einzelner , sondern ein in sich allgemeiner Inhalt ist . Als in die Aüßerlichkeit gesetzter Zweck ist die That den aüßerlichen Mächten preisgegeben , welche ganz Anderes daran knüpfen , als sie für sich ist , so daß sie sich in fremde entfernte Folgen fortwälzt . Der Wille läßt sich aber (eben so nur das Erstere davon) zurechnen , das in seinem Vorsatze lag , welcher jedoch als von einem Denkenden ausgehend , wesentlich jene a l l g e me i ne S e it e d e r T h a t , nicht bloß ihre E i n z e l n he it enthält[.] | Wenn der Wurf aus der Hand ist , ist er des Teufels . In einer wahrhaften Handlung , müssen die Folgen im Voraus aufgeopfert seyn . – Die Strafe hat als Folge nicht bloß die aüßere Bedeutung , sondern die der Rückwirkung gegen die Verletzung . Das Wesentliche in der Handlung ist das We r k .

II D a s Woh l u nd d ie A b s icht

25

§ 65 . Der subjektive Wille hat seine Besonderheit nicht nur im formellen Gegensatze seiner selbst und darum mittelbaren Umstände , sondern auch in seinem Inhalt und Zwecke . Dieser Zweck in seiner ganzen Ausdehnung ist das Woh l  .

15 Der] D e r   16 das] der   28 Umstände] 30 7–8 Zurechnungsfähigkeit] Zurechnngsfahigkeit   Umstande  

280

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64–66

Auf dem moralischen Standpunkte ist die Besonderheit als Inneres auf das Allgemeine bezogen und das Wohl für sich ist 1 ,  ein Re cht , als die Idee in ihrer Darstellung am subjektiven Willen 2 ,  eine P f l icht , als ein durch mich Hervorzubringendes 3 ,  ist nicht nur me i n Wohl , sondern nach dem nächsten Reflexe der Allgemeinheit an demselben , ist auch das Woh l A nd r e r meine Pflicht[.] |

5

§ 66 . Der Zweck des Wohls ist , da die Besonderheit seine Grundbestimmung ausmacht , z u f ä l l i g für das Recht , als das abstrakte Daseyn der Freiheit . Es kann daher mit diesem übereinstimmen oder nicht . Meine Besonderheit ist aber überhaupt nur ein Recht , insofern ich ein f r e ie s bin  ; sie kann daher nicht im Widerspruche mit dieser ihrer Grundlage sich behaupten , und eine moralische Absicht nicht eine unrechtliche Handlung rechtfertigen . Collision zwischen dem He r z e n und dem Recht . Die Menschen wollen lieber großmüthig seyn , als das Rechte thun . – Das Woh l a l le r ­Me n s che n ist eine leere Abstraktion[.] Im Gegensatz gegen das Recht tritt das Wohl immer zurück[.] – – (In modernen Monarchieen keine Tyranney möglich anders bei den Römern , Türken , früher bei den Russen . – Nothrecht gegen das strenge Recht .)

§ 67 . Dieselbe Besonderheit aber , in ihre einfache Totalität zusammengefaßt , ist das persönliche Daseyn als L e b e n  . Dieses in der letzten Gefahr und in Collision mit dem Eigenthume eines Andern spricht das No t h ­r e cht an , indem auf der einen Seite eine unendliche Verletzung und die totale Rechtlosigkeit , auf der andern nur die Verletzung eines besondern , beschränkten Daseyns der Freiheit steht . | Das Nothrecht ist auch der Gegensatz des Wohls gegen das Recht , aber des Wohls in der abstrakten Allgemeinheit , worin es das L e b e n selbst ist , der Umfang aller Weisen der Wirklichkeit[.] Dieses Leben hat dieses Recht gegen das Recht , weil die Freiheit nicht gegen das besondre Recht eines Einzelnen untergehn darf . 17 Recht] Wohl  

10

15

20

25

30

66–67

die moralität281 § 68 .

5

Die Noth oVen­bart sowohl die Zufälligkeit des Wohls als des Rechts , des abstrakten Daseyns der Freiheit ohne Inhaltsbestimmung und der Sphäre der Subjektivität ohne Allgemeinheit . Die Wahrheit jener beiden Momente ist daher einerseits das Allgemeine des Willens , als alle Erfüllung in sich enthaltend – das G ut e – und ihm gegenüber die Besonderheit der Subjektivität zu ihrer reinen Allgemeinheit in sich erhoben – das G e w i s s e n [.]

III D a s G ut e u nd d a s G e w i s s e n  . § 69 .

10

15

Das G ut e ist die Id e e des allgemeinen Willens , in welchem die besondern Zwecke des Wohles , die Subjektivität der Absichten , und die Zufälligkeit des aüßerlichen Daseyns , sowie das rechtliche Daseyn , als für sich selbstständig aufgehoben und darin enthalten sind , so daß sie von der Idee selbst unterschieden , nur als ihr g e m ä ß bestimmt sind  ; der | absolute Endzweck der Welt , der Gedanke des wahrhaften Rechts . § 70 .

20

25

30

Zu dieser abstrakten Idee ist die andre Seite das b e s t i m m e nd e und ve r w i r k l iche nd e Prinzip , die Subjektivität des Selbstbewußtseyns , welche sich 1 ,  als einfache Gewißheit ihrer selbst erfaßt , alle Bestimmtheit des Rechts , der Pflicht und des Daseyns eben so in sich verflüchtigt , als sie die Thätigkeit ist , aus sich zu bestimmen w a s gut ist , oder unter den verschiednen Bestimmungen desselben zu entscheiden – das G e w i s s e n  . 2 ,  allein die Macht ist durch Handeln das Gute zur W i r k l ich ke it zu bringen[.] Vor dem Gewissen ist Nichts fest , nichts unbedingt . Es ist der höchste Richterstuhl , der höchste Ort der Innerlichkeit , etwas Heiliges nie zu zwingendes . Überließe man alles der Entscheidung des Gewissens , so wäre die Objektivität aufgehoben . – Das Gewissen ist ein thätiges , es verwirklicht das Gute[.] 30 verwirklicht] ver / wirklicht  

282

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67–69

§ 71 . Das Selbstbewußtseyn in dieser Eitelkeit aller Bestimmungen und in der reinen Innerlichkeit des Willens ist | die Willkühr , die eigene Besonderheit gegen das Allgemeine zu seiner Bestimmung  ; und sie durch Handlung geltend zu machen – b ö s e zu seyn . Indem es eine positive Seite hieran heraushebt und um derselben willen die ganze Handlung als gut behauptet , ist das Böse die He uche le y [.] Die Eitelkeit ist noch nicht gerade böse , sie will das Subjektive geltend machen durch Etwas , was gelte vor den Andern , nicht durch die Sache . – Dieser Schein vor Andern ist noch der Zügel der Eitelkeit . Dem Bösen gilt die Sache , das An und für sich seyende auch nichts , es hat aber nicht einmal den Schein zum Prinzip , ist rein das Subjektive gegen das Allgemeine[.] Das Böse ist no t hwe nd i g  , s ol l aber nicht seyn . Sittlich seyn ist bis zu dem Gegensatz des Bösen fortzugehen , sonst ist das Gute nur ein natür­ liches[.] Insofern an der bösen Handlung eine positive Seite geltend gemacht wird , als Moment einer Totalität , als gut behandelt wird , ist dies He uche le y  , theils der Menschen gegen sich , theils gegen andre . – Es giebt jetzt mehr Heucheley als böse Handlungen . |

§ 72 . Das Recht des Gewissens ist das zwar formelle aber wesentliche Recht , daß das , was ich als gültig anerkennen soll , von mir als g ut eingesehen werde und daß mir eine Handlung nur nach der G e s i n nu n g und nach der Kenntniß ihres Werthes rechtlich oder unrechtlich , gut oder böse zu seyn zugerechnet werde . Die Verbrechen als Handlungen des Subjekts haben die Momente 1 , daß dem Verbrecher die aüßerlichen Umstände bekannt waren 2 , daß er wußte ob die Handlung gut oder böse war 3 , die Absicht[.] Jede böse Handlung hebt etwas auf , aber sie bringt auch etwas hervor , hat etwas positives (selbst bey denen aus bloßem Muthwillen wo das Müthchen gekühlt wird  ; aber um dessentwillen wird die Handlung nicht besser) . Herz bezeichnet das Subjektive die Absicht . – Gott sieht das Herz an , deshalb haben die Richter nicht das Herz anzusehen sondern das Objektive[.]

8 böse] bose   13 Böse] Bose  

5

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69–70

5

die moralität283

Milderungsgründe Feuerbach gebraucht sie (Zb . Trunkenheit) mehr zur Schärfung der Strafe – Herabwürdigung des Menschen dadurch[.] Der Richter soll möglichst nicht die Milderungsgründe berücksichtigen , sondern nur eine höhere Macht , die dann die Totalität des Menschen nicht die einzelne Handlung beschaut . |

§ 73

10

15

Das Gute als das Allgemeine der Freiheit , welches alle Bestimmungen in sich enthalten soll , und die Subjektivität als das allgemeine Prinzip des Bestimmens , sind ihrem BegriVe nach identisch  ; ihre Wahrheit ist daher diese Einheit , in welcher das an jedem gesetzt ist , was in ihm enthalten ist . Die Subjektivität wird in dem Allgemeinen objektiv , welches eben dadurch seine Besonderung erhält , die durch die freye Subjektivität , eben so als ideell in ihre Einheit zurückgeführt wird . – Substantielle Freiheit , die S it t l ich ke it [.] In dem Guten s ol l seyn , es bleibt ein Jenseits ein nicht erreichtes Ziel , enthält nicht die Wirklichkeit . – Abstrakt an sich seiende – G ut e Abstrakt für sich seiende – Su bjek t i v it ä t An und für sich seiende – Sit t l ich ke it  . |

2 Schärfung] Scharfung   4 Milderungsgründe] Milderung / gründe   5 Totalität] Totalitat  

284

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71–72

D r it t e r T he i l D ie Sit t l ich ke it § 74 . Die Sittlichkeit ist die Idee der Freiheit , welche in der subjektiven Gesinnung und durch das Handeln des Willens ihre Wirklichkeit hat und fortdauernd als das Werk der Individuen hervorgebracht wird . So wie der individuelle Wille dies allgemein zur an und für sich seyenden Grundlage und bewegendem Zwecke hat , Die zur Natur des Selbstbewußtseyns und vorhandnen Welt gewordne ­Freiheit  . Die Sittlichkeit ist objektive , reale Freiheit  ; diese hat hier die ihr ange­ messene Existenz im Selbstbewußtseyn . – Sphäre der Wahrheit , wo das Gute nicht ein Jenseits ist , sondern Wirklichkeit hat . Auf den vorigen Stufen entsprechen sich Realität und BegriV noch nicht . In der Existenz ist die sittliche Substanz zuerst vorhanden , und erst das Zerfallen derselben führt die unterschiedenen Momente der Moralität und des Rechts herbey . – Sie verfällt , wenn beide selbständig auftreten . | Sie müssen sich freilich entwickeln , aber immer unterworfen ihrer sittlichen Einheit [.] (Nachdem das sittliche Leben des römischen Volkes verloren ging , wurde das Recht gebildet . Die Männer galten nicht mehr als Bürger , sondern als Personen .) – Eben so wo das Selbstbewußtseyn in der Sitte , in dem Gesetz nicht mehr seine Befriedigung fand , mußte es in sich selbst das Rechte finden – Stoizismus . – Sokrates bei Verfall der Athener . In der Sittlichkeit i s t die Freiheit . – Die Gegensätze die der moralische Standpunkt besitzt sind so verschwunden[.]

§ 75 . Das Re cht dieser gediegenen Einheit , der sittlichen Substanz , ist daß in ihr die Eigenwilligkeit der Einzelnen , die einen Gegensatz gegen sie machte , verschwindet , und die Personen nur als Glieder in ihr sind , welche in ihrem

18 ging] ginng  

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die sittlichkeit285

sittlichen Charakter das unbewegte allgemeine des freien Willens als ihr eignes Wesen wissen  ; alles Bestehen ihrer besondrer Zwecke nur aus ihm schöpfen , und darauf gegründet erkennen . – Dies Daseyn ist das höchste weltliche Recht . – Gegen diese sittliche Substanz giebt es kein andres Recht . Alles besondre ist in ihrer Allgemeinheit verschwunden . | Wie das Organische im Leben , so giebt sich die Idee der Freiheit in den Individuen ihr Daseyn . Sie sind als Glieder des organischen Körpers , nur im Ganzen bestehend , aber doch das Ganze hervorbringend , erhaltend . Das Ganze ist ihre Grundlage und auch ihr Zweck , Kreis der in sich selbst wiederkehrenden Thätigkeit[.] Die Eigenwilligkeit die wir in der Moralität sahen verschwindet  ; das Gewissen gegen das Wahre . – Des ­Subjekts höchste Bestimmung ist hier ein Glied zu seyn[.] – Es hat nicht wie in der Moral für sich zu suchen was Recht ist , sondern es ist für es vorhanden in der sittlichen Ordnung des Ganzen . Der sittliche Charakter hat nicht das Selbstbewußtseyn seiner Besonderheit , sondern er hat sie nur im Allgemeinen[.] – Dies ist zu thun also will ich es[.] – Um der Sache willen , nicht um meiner willen , ist die Sache zu thun[.] Man kann das ganze Verhältniß als ein religiöses auffassen[.]

§ 76 . Die sittliche Substanz als der wirkliche Geist eines Volkes hat in seinem Daseyn mannigfache Sphären und in der Zeit und auf mancherley Weise bestimmte ­Interessen . Das ihn bethätigende Selbstbewußtseyn ist in diese besondern Geschäfte versenkt . | Dieser Geist in die Gestalt seiner einfachen und wahren Allgemeinheit herausgehoben , ist religiöser Gegenstand . Die Religiosität ist aber ein subjektives und einseitiges , insofern sie bei ihrer abstrakten Form gegen die Ausbreitung , Besonderung und wirkliche Bethätigung des sittlichen Lebens stehen bleibt[.] In der Vielheit der Individuen eines Volks , der mannigfaltigen Charaktere und Geschäfte , der Organisation der verschiednen Zweige und Stände , erkennen wir die Aüßerlichkeit eines Volksgeistes . Zur Erkennung seines Wesens muß diese Aüßerlichkeit bei Seite gesetzt werden  ; denn hier finden

7 ihr] sein   12–13 Es hat … Moral  ] Es hat wie in der Moral nicht   13 es2 über versehentlich nicht gestr . ihn  

286

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74–75

wir so manches schiefe Mangelhafte[.] (So sehen wir im Laufe der Planeten die größte Regellosigkeit[.]) Wir müssen uns darüber erheben und das Allgemeine zu erkennen suchen , das Einfache , wovon die aüßere Un­regel­ mäßigkeit nur der leere Schein ist , den wir aus einem zufälligen willkühr­ lichen aüßeren Standpunkt auffassen . – Den Geist eines Volks seiner Familien müssen wir uns nicht als abstracten denken , sondern er ist Substanz , wesentliche innere Totalität . Das sittliche Ganze ist kein bloß vorgestellter , gedachter , sondern ein wirklicher Gott . Der Geist eines Volks angeschaut in seiner Allgemeinheit , ist der Gott eines Volks , das Wissen von diesem Wesen – Religion (Gottesdienst , der nicht bey dem Wissen stehen bleibt , ) siehe Hausgötter der Alten und Volksgötter . – In der christlichen Religion wird dieser Geist nicht als Geist eines bestimmten beschränkten Volks sondern als der allgemeine Geist verehrt[.] – | Der christlichen Religion ist nicht der Bürger das höchste sondern der Mensch , daher der allgemeine Geist angeschaut wird . – In der Religion der Geist als Vorgestelltes , Empfundenes – der s it t l i c h e G e i s t als wirkliches , daseyendes . – Das Religiöse stellt sich auf der einen Seite als etwas Höheres , dem sittlichen Leben gegenüber , und die Philosophie zeigt den Übergang indem sie die Identität beider zeigt . – Was die Philosophie erkennt wird in der Religion nur vorgestellt gefühlt , sie hat eine subjektive , beschränkte Form gegen die Philosophie . – Daher fällt in der Religion als verschiedenes auseinander , was nur verschiedene Form desselben Geistes ist , – Religion und sittliches Leben als weltliches . – stellt Kirche – Staat als Pole gegeneinander . – Das aüßerliche Thun erscheint der Religion als ein unglückliches aüßeres Schicksal , aüßerliche Nothwendigkeit , zu dem man hinabsteige[.] – Geschäft als dem religiösen Leben zuwider , wenigstens von ihm getrennt . Verhalten der Mönche , Quäker . – Der Staat hat nicht mit dem Seelenheil , Inneren des Individuums zu thun , sondern mit seinem Thun . – Für eine Staatsregierung ist Gottseeligkeit nicht hinreichend . – Zurückziehen des Individuums in sich – haüsliches Glück – mehr an Tagesordnung gekommen . – Der Staat muß auf Religion gebaut seyn , dh . gegründet auf den Geist , der der wesentliche ist . – Auf der anderen Seite muß die Religion zugeben daß die andere Form ebenso wesentlich , nicht Degradation sondern Verwirklichung Lebendigung des Geistes ist . |

23 stellt] sc . Hegel  30 eine] eines  

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76–77

die sittlichkeit287 § 77 .

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Die sittliche Substanz ist 1 ,  die unmittelbare oder natürliche – die F a m i l ie  , welche 2 ,  in die bü r g e r l iche G e s e l l s ch a f t übergeht , eine Verbindung durch die Bedürfnisse der Einzelnen , welche die Sicherheit der Personen in ihrem Eigen­ thum und ihren Interessen zum Zwecke hat , aber 3 ,  in ein öVentliches Leben und Thätigkeit des allgemeinen Geistes , in eine S t a a t s ve r f a s s u n g sich zusammen nimmt[.] 1 , Familie ist ein sittliches Ganzes , worin die Einzelnen nur als Glieder sind . – Sie hat aber das Element der Natur in sich , vereinigt mit dem Moment des Sittlichen . 2 , Auseinandergehen der substantiellen Einheit . – Verbindung ist hier nur eine aüßerliche Verknüpfung . – Der Nutzen des Einzelnen ist hier sein wesentlicher Zweck . – Region wo das Recht als formales strenges Recht sich findet[.] – Der Einzelne soll in seiner Person , seines Eigenthums nach durch die bürgerliche Gesellschaft geschützt werden[.] – Man hat sie haüfig schon als Staat betrachtet – als einen Nothstaat , wo die Freiheit des Einzelnen durch die Freiheit Aller beschränkt wird[.] 3 ,  sittliche Substanz als Wirkliches – Einheit der beiden erstern Momente  ; die unmittelbare Einheit nicht durch das Band der Natur sondern so daß die Individuen als selbstständig es selbst sind , die sich in diese Einheit versenken mit Selbstbewußtseyn , nicht durch Gefühl , Empfindung , wie in der Familie[.] | Die erstern sind nur die ideellen Momente dieses 3ten . – Man hat das patriarchalische Verhältniß , das zwischen Eltern und Kindern als das wesentliche des Staats angesehen – ist ein einfaches Prinzip , so wie das des Nothstaates . – Man hat auch wohl bei dem 3ten angefangen , mit Vernichtung der erstern – Platonische Republik – welche die Familie und das Eigen­ thum aufhebt . Im wahrhaften Staate gelangen alle diese Momente zu ihrem Rechte im organischen Zusammenhange . Pflichten und Triebe auf den 3 Standpunkten

20 unmittelbare] unmittel / bare   27 erstern –] erstern – / –   

288

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77–78

E r s t e r T he i l D ie F a m i l ie § 78 Die Familie hat die u n m it t e l b a r e Substantialität des sittlichen Geistes zu ihrer Grundlage , also als sich empfindende Einheit – die L ie b e – und zwar als Gesinnung der einzelnen Person , ihr Selbstbewußtseyn in dieser Einheit , als an und für sich selbst seyender Wesentlichkeit , zu haben[.] Sittliche Einheit als sich empfindend – Liebe im allgemeinen Sinne , als Essenz dieses Verhältnisses . Die Familie ist die Entwickelung der Liebe , der Liebe in ihrer Totalität[.] – Die Liebe erscheint uns auch als etwas Subjektives , als Gesinnung des Einzelnen , die nicht Pflicht ist , nicht gefodert werden kann . Als substantielle Einheit ist sie nichts zufälliges  , sondern noth­wen­d iges , wesentliches , die seyn soll[.] |

5

10

§ 79 Die Familie ist nach 3 Seiten zu betrachten 1 ,  nach ihrem einfachen BegriVe d ie E he 2 ,  nach dem aüßerlichen Daseyn – das E i g e nt hu m u n d G ut d e r F a m i l ie 3 ,  die E r z iehu n g der Kinder und Au f lö s u n g der Familie[.] Die Auflösung der Familie , indem die Kinder in die bürgerliche Gesellschaft treten . Das förmliche Recht tritt hier immer nur ein , insofern die sub­ stantielle Einheit aufgelöst wird . – Zb . besonderes Vermögen der Frau .

15

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E r s t e n s – D ie E he § 80 Die Ehe hat nach der Unmittelbarkeit des substantiellen Verhältnisses 1 ,  das Moment der natürlichen Seite des Geschlechtstriebes und der Fortpflanzung der Gattung , aber 2 ,  im Selbstbewußtseyn wird die nur innerliche Einheit der natürlichen Geschlechter zu einem Bewußten und Geistigen[.]

5 L i e b e ] L i e b e .   11 Einzelnen] Einzelnes   19 Kinder über nicht gestr . Mitglieder  

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78–80

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die sittlichkeit289

Auf dem 1sten Verhältniß bleibt die Pflanze , das Thier stehen , diese eine Seite macht noch keine Ehe aus , sondern erst das Hinzutreten des Selbstbewußtseyns von der Identität beider Geschlechter und der Verwirklichung derselben . Das Leben ist wirklich als Einzelnes , dies hat mehrere Stufen seines Daseyns[.] Unterschiede der Gattung – verschiedene Geschlechter – Aufhebung des Unterschieds . Verwirklichung der an | sich seyenden Einheit . – Trieb den Widerspruch der Geschlechter aufzuheben , die Einheit zur Empfindung zu bringen = Geschlechtstrieb[.] Diese Einheit ist ein 3tes von ihnen verschiede­ nes , das e r z eu g t e , in dem sie ihre Identität , als eine aüßere natürliche Wirklichkeit anschauen . – Zurückgehn des Lebendigen in sich . – Kreislauf der Natur . – In der Natur ist aber das Erzeugte ein andres als das Erzeugende , der Existenz nach , und so fort nach dem Progreß ins Unendliche . – Das Erzeug­te fühlt seine Unmittelbarkeit als – Mangel , Abhängigkeit von den Eltern , Hülfsbedürftigkeit[.] Das Unentwickelte , Unschuldige der Kinder . – Diese unmittelbare Identität kann nicht bleiben , sondern durch Überwindung des Gegensatzes , des Schmerzes , muß die Identität selbst hervorgebracht werden . Das Individuum hat das Bewußtseyn als einzelne Person nicht das Wesentliche , sondern nur das Abstrakte zu seyn , damit den Trieb zum Allgemeinen , Wesentlichen  ; die geistige Einheit zu seiner Gesinnung zu machen .

§ 81 .

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30

Das Sittliche der Ehe besteht in dem Wissen der durch Aufgeben der individuellen Persönlichkeit hervorgebrachten Einheit als des wesentlichen Zweckes und der Gesinnung als der Wirklichkeit und der Verwirklichung desselben , in welcher der natürliche Trieb theils nur | ein aüßerliches Daseyn ist , theils in seiner Befriedigung selbst erlischt , so wie die besondre Einwilligung der beiden Pesonen nur der Ausgangspunkt ist , so daß Liebe , Zutrauen und Gemeinsamkeit der ganzen individuellen Existenz sich als das substantielle Band heraushebt , welches als ein an sich unauflösliches über die Zufälligkeit der Leidenschaft und der besondern Willkühr erhoben ist . Die Ehe geht von der Einwilligung beider Theile aus , indem sie ihre Per­sönlichkeit aufgeben , und ihre Einheit zu ihrem wesentlichen Zwecke ma­chen , so daß sie sie nicht nach ihrem Belieben wieder aufheben können .

6 Geschlechter –] Geschlechter /   32 Persönlichkeit] Prsonlchkt

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80–81

Die Wirklichkeit dieser Einheit ist ihre Gesinnung . – Durch diese Einheit erhalten sie erst ihren wahren Werth und Würde . – Das Ganze der subjektiven Zwecke , des zeitlichen Lebens ist in diese Einheit gelegt – Eigen­ thum , Geist und Freude , alles was in die Besonderheit der Person fällt , soll gemeinsam seyn . – (Das Hervorbringen dieses Bandes , die Formen der) (Das politische Staatsleben gehört nicht dazu .) Widerspruch ihrer Existenz und wesent­l ichen Bestimmung . – Trieb die Einheit beider hervorzubringen , die natürliche Freiheit aufzuheben . Was das Individuum will ist zunächst in seiner ­Vorstellung vorhanden , die Einbildungskraft wählt sich ein Ideal des Zustands der Einheit und des Gegenstands mit dem sie zu Stande kommen soll . Diese Schwär­me­rey muß kontrastiren mit der Wirklichkeit dieses ­Verhältnisses[.] | Wie im Kunstwerk nur das Wesentliche , Substantielle in seiner Freiheit sich zeigt , so auch in der Vorstellung die den Zustand nur in seiner Allgemeinheit nicht in seinem konkreten Daseyn erfaßt , – als ein Unendliches auch seinem Inhalt nach , wie das Gemüth sich vollkommen zu erfüllen glaubt . Die Liebe ist allerdings unendlich , schrankenlos , denn das andre weiß sich als mich , und ich als das andre , aber nur der Form nach , denn der Inhalt ist beschränkt , und der Geist durch diese einzelne Person nicht zur Allgemeinheit erhoben , er kennt noch eine höhere sittliche Sphäre im Staatsleben . – Die Jugend als Besondres verlangt etwas Besondres (Die Eltern wollen das Allgemeine) ihr Verlangen ist ausschließend[.] Wo die Reflexion noch nicht so ausgebildet ist , die Sitten einfacher , sorgen die Eltern für die Kinder , ohne daß diese vorher eine Wahl treVen . – Leidenschaft ist die Liebe insofern das ganze Bewußtseyn sich in dieses Verlangen beschränkt , das ganze Ge­müth sich hineinlegt , alle andern Zwecke und Interessen vergißt . Platonische Liebe – Verhältniß der Liebe , das sich an dem Geistigen der Individuen begnüge , (irriger Name)[.] Sie erschöpft es nicht[.] – Das Verhältniß umfaßt die ganze Totalität der Person nicht nur Gemüth , Empfindung , sondern auch das sinnliche Wesen . – Der natürliche Trieb tritt in der Ehe zu einem untergeordneten Verhältniß herunter . (Ehe – Conkubinat) er ist ein zeitlicher der in seiner Befriedigung sich selbst aufhebt . – Sekten die ihr folgen wollten durch beide Extreme , höchste Enthaltsamkeit , und höchste Ausschweifung . – Ersteres keine so hohe Tugend , der Mensch muß als Lebendiges den Trieb haben , befriedigen und sich darüber erheben[.] |

5 Formen der] Satz bricht ab  22 ihr] sein  

5

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die sittlichkeit291

Die Ehe ist kein bürgerlicher Contrakt , es ist kein Übereinkommen über eine einzelne Sache sie ist kein beliebiges Übereinkommen sondern etwas sittlich nothwendiges . Bürgerliche Förmlichkeit , nur zur Anerkennung der Übrigen nöthig . – Deshalb die Stiftung gewöhnlich als religiöse Sache behandelt , weil etwas Göttliches , Heiliges zum Grunde liegt . – Zweck der Ehe – Nicht einzelne Seiten anzugeben . Das Band ist unauflöslich . – Dieser Gedanke soll – Zucht seyn gegen das besondre Wollen , gegen andre Leidenschaften der Liebe . – Kant sieht die Ehe als bürgerlichen Vertrag an , nach einer sittlich schändlichen Ansicht[.] – Auflöslichkeit der Ehe muß zugegeben werden , weil das Innere die Ge­ sinnung der Zufälligkeit unterworfen ist[.] – Die Auflösung ist aber als etwas , was nicht seyn soll , darzustellen , und sehr zu erschweren[.]

§ 82 .

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Die natürliche Verschiedenheit der beyden Geschlechter erhält durch ihre Vernünftig­keit auch eine intellektuelle und sittliche Bedeutung . Das eine ist das Wissen und Wollen der freien Allgemeinheit , das Selbstbewußtseyn des Gedankens und Wollen des objektiven Endzwecks . Das andre dagegen Wissen und Wollen der Einzelnheit . Jenes ist daher im Verhältniß nach Außen das mächtige und bethätigende , dieses das subjektive und passive . Das substantielle wirkliche | Leben des Mannes ist daher vornemlich im Staate und sonst in der Arbeit und in Verhältnissen nach Außen . Die Seite der Empfindung und der Besonderheit des Lebens hat er in der Familie , in welcher die Frau ihre Bestimmung und sub­stantielles Leben hat . Intellektueller Charakter der Geschlechter . Ihre Unterschiede sind durch den BegriV gesetzt . Das Individuum ist e i n s von diesen Unterschiedenen . – Es findet wohl ein Hin und Übergehen statt , das bis auf einen gewissen Punkt gelangt etwas Verzerrtes giebt . – (Doktor der Hebammenkunst können die Frauen allenfalls werden . Ganz positive Wissenschaften passen auch noch für sie Kochkunst und Juris­ prudenz . Wer etwas Geniales in der Speisenbereitung will , hält sich einen Ko ch  . – Die Frauen bringen es im Denken nicht weit . Verbindung von Ursachen und Wirkungen ist weniger ihre Sache , auch nicht die Kunst in ihrer höhern Bestimmung , obwohl sie sie insofern sie ins Besondre übergeht wohl zu empfinden vermögen . Zierrathen , Blumenmalerey[.] Große Kunst1 Übereinkommen] Ubereinkommn   5 Göttliches] Gottliches   10 Auflöslichkeit] Aufloslich-

35 keit  

Diese Leidenschaft als Subjektives war in der alten Tragödie etwas untergeordnetes , erst in der neuern romantischen Periode ist sie gehoben . Mittel­ alter – wo nicht das Objektive , der Staat sondern die persönliche Empfindung das Überwiegende ist .

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83–84

werke hat noch keine Frau hervorgebracht . Peinliche Arbeiten Stickereyen . – Ungeheure Fertigkeit im Klavierspielen . – Die Frau verliere den klaren , sicheren Blick , besonnene Umsicht für alles was gegenwärtig ist , bekomme etwas dumpferes , verschlosseneres , durch die Ausdauer . Noch weniger ge­ hört der Frau der Kreis des Staats , der Politik . Beweis die Verfaulung des Staats wenn die Frauen die Herrschaft haben (diß Maitressen) , hier ist das Persönliche die Hauptrücksicht , der Geist dem es um die Sache zu thun ist , verschwunden . – Die Frau ist für das einzelne Wollen . Die Frau bleibt in dem konkreten I­ nnern , tritt nicht in den Gegensatz , aus welchem das Allgemeine hervorgeht[.] – Das ist das Schöne im weiblichen Charakter , Blumenartigkeit , Stille . | Die Frau bleibt in der Familie , und tritt bey Herausgehen in eine neue Familie über , nicht in den Zwiespalt der Welt , sondern in eine Welt des Stillebens Form der Empfindung , Reflexionslose , Kindliche . Eine Zeitlang die Frauen höher gestellt – weil das politische Leben untergegangen , haüsliche Glück­selig­keit  , Privatzustand als das höchste angesehen – (Andre nahmen eine ­höhere poetische Richtung (Schiller) – Zeitlang) Er schildert den Charakter der Unzerrissenheit Einheit in sich , Besonnenheit , der konkret empfindet und ausspricht , einen Zustand der gegen die unbefriedigte Unruhe , Wildheit des Mannes kontrastirt . – – wie in dem Höchsten steht über dem männlichsten Mann siegend das weiblichste Weib  ; Hegel deklamirt schlecht . – Das Privatganze , als dem allgemeinen Ganzen gegenüber , ist der Sitz der Frau (Antigone , schönste Schilderung der Weiblichkeit  ; sie hält das Band der Familie gegen das Gesetz fest[.])

§ 83 . Die Ehe ist 1 ,  wesentlich Monogamie , weil die Person als unmittelbare , die in ausschließender Einzelnheit ist , in dies Verhältniß eindringt , und dessen Innigkeit nur aus der gegenseitigen Hingebung dieser Persönlichkeit hervorgeht . Weil 2 ,  die Ehe aus dieser freien Hingebung e i g e n­t hü m ­l iche r Natürlichkeit und Persönlichkeit hervorgehn muß , muß das natürlich identische sich vielmehr trennen , und die Ehe unter den n ä ch s t e n B lut s ve r w a nd t e n ist daher ihrem BegriVe zuwider . Die Frau muß ebensowohl zu ihrem Rechte kommen als der Mann . Wo Polygynie – Sclaverey der Frauen – wo die Frauen herrschen – Unsittlichkeit 11 Stille .] Stille ,   21 Weib  ;] Weib)   23 Frau] Frau ,  

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die sittlichkeit293

– Auflösung der Ehe . Die Innigkeit der Ehe ist die Identität , als subjektive Empfindung ausgesprochen . | Sie kommt nur zu Stande wenn jedes der beiden Individuen seine ganze Persönlichkeit in das Verhältniß legt , und zurück empfängt . Wo das eine In­ dividuum etwas von seiner Person für sich behält , so ist nicht vollbracht was dem BegriV der Ehe angemessen ist . 2 ,  Die Ehe unter BlutsverWandten meist verboten , natürlicher Scheue ist das zugeschrieben . – In der Empfindung muß aber etwas Objektiv Wahres liegen . – Weil sie durch Natur eins sind müssen sie sich trennen , um mit andern eine Einheit zu bilden , die von Natur verschieden sind . Ein Ganzes muß hingegeben werden , dies kann nicht geschehn , wenn in beiden schon ein Gleiches ist[.] Episode veranlasst durch Philalethes Brief . Man darf nicht , wenn die Geschichte der Idee widerspricht , letztere für unrichtig halten . – Newtons vernunftwidrige VerstandesbegriVe[.] Das ist arg zum Katholisch-Werden[.] Musik sagt den Frauen am meisten zu , doch keine geniale Compositionen gehen von ihnen aus[.] Comoedie von Aristophanis Weiberstaat . Liebe , Religiosität , Mitleid (Krankenpflege) Tugenden der Frauen . Die Einheit in der Ehe muß nicht eine natürliche sondern eine hervorgebrachte seyn . – Die gleichnamigen Pole des Magneten stoßen sich ab . – Natürliche Gründe bedeuten hier nichts[.] Il faut croiser les races . – (Bourbonsche Dynastie) |

I I  D a s E i g e nt hu m d e r F a m i l ie § 84

30

In der Familie als einer allgemeinen und fortdauernden Person tritt das Bedürfniß eines sichern und bleibenden Eigenthums oder Erwerbes ein , und die Eigensucht der Begierde wird verändert in die Sorge für ein Gemeinsames und damit in ein Sittliches[.]

7 verboten ,] vboten .   13–20 Episode veranlasst … Frauen .] Text in lateinischer Schrift , in geschweifte Klammern eingeschlossen  24 croiser] croisser  

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86–87

§ 85 Der Mann hat als Haupt der Familie sie als rechtliche Person gegen Andre zu vertreten  ; ferner kommt ihm der Erwerb nach Außen , die Disposition und Verwaltung des Familiengutes zu , welches aber gemeinsames Eigenthum bleibt , so daß kein Glied der unmittelbaren Familie ein besondres Eigenthum , jedes aber ein Recht an das gemeinsame hat , welches Recht und jene Verwaltung die dem Haupte der Familie zusteht in Collision kommen können . Die Familie ist ein Geschlossenes Innre . Dessen Richtung nach Außen , dessen Vertretung , ihres Zusammenhangs mit der aüßerlichen Welt hat der Mann . Die Sorge der Frau beschränkt sich auf das Innre , das ZuRathe halten , worauf eben so viel ankommt . | Nach den Nationalökonomen , wird gemeines Gesellschaftsvermögen im­ mer schlechter verwaltet als das des Einzelnen . – Keine Privatperson kann das Recht haben , über ihr Vermögen auf ewig zu disponiren[.] Wer Fideikomisse macht , macht seinen Nachkommen ein schlechtes Compliment . – Immer eitler Versuch ein Vermögen ganz sicher stellen zu wollen . – Führt einen schlechten unfreyen Geist ein (altadlichen , patrizischen)[.] Im Bauernstande im engern Kreise ist etwas natürlicheres[.]

§ 86 . Die Gemeinsamkeit des Familien­eigen­thums begründet das Recht der Erbschaft , welche ihrem Wesen nach nur ein Eintreten in den eigenthümlichen Besitz des an sich gemeinsamen Gutes ist , ein Eintreten das mit den entferntern ­Graden der Verwandschaft um so unbestimmter wird , als die Gesinnung der Einheit sich damit verliert , und als jede Ehe das Aufheben voriger Familienverhältnisse und die Richtung einer neuen selbstständigen Familie wird[.] Fichte sagt  : beim Tode eines Eigenthümers wird die Sache herrenlos . Wer sie zuerst okkupirt hat sie . Also Blutsverwandte nicht gerade nächste Erben . Aber in der Familie hörte der Einzelne auf Einzelnes zu seyn , also ist die Sache auch nicht herrenlos wenn er tot[.] Je verwickelter die Lebensverhältnisse je gebildeter die Gesellschaft desto eher und leichter trennen sich die entfernten Familienglieder , und schließen neue Bande . ( Jede neu) Οικος der Griechen , dem Grade der Blutsverwandt­ 14 ihr] sn   30 tot] Kreuzsymbol  

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die sittlichkeit295

schaft nach konnten oft größere Entfernung enthalten , als andre nähere die nicht darin waren  ; Das Zusammenbleiben in 1 Hause gründet mehr den Familienzusammenhang . | Familienerhaltung . Dem Staat kann es gleich seyn welche Familie erhalten wird , die der Söhne oder die der Töchter . Daß ein besondrer Name etc[.] erhalten werde , ist ein ganz einzelner spezieller Zweck der den Staat nichts angeht . – Der – daß die Individuen e t w a s seyen , ist nur das Vermögen eine unter­ geordnete Rücksicht . Bey bonis vacantibus wäre es am besten , daß die Armen erbten  ; denn es schickt sich nicht daß das Gemeinwesen zufällige Einnahmen habe . – Der Wille des Todten braucht nicht respektirt zu werden  ! ! , Es ist mehr Pietät der Hinterbliebenen als Recht daß es geschieht . – Testamente von Monarchen werden selten respektirt[.]

III D ie E r z ie hu n g d e r K i nd e r u nd Au f lö s u n g d e r F a m i l ie § 87

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25

30

Die Kinder haben das Recht aus dem gemeinsamen Familien­eigen­thum ernährt und erzogen zu werden . Das Recht der Eltern auf die Dienste der Kinder gründet und beschränkt sich auf das Gemeinsame der Familiensorge überhaupt  ; eben so ist das Recht der Eltern über die Kinder in Ansehung ihrer Freiheit auf den Zweck eingeschränkt sie in Zucht zu halten und zu erziehen . Der Zweck der Bestrafungen ist hier wesentlich moralischer Natur , nicht nur Gerechtigkeit , sondern vornemlich Besserung und Abschreckung der noch in Natur befangenen Freiheit . | Die Kinder brauchen nicht als Knechte und Sklaven zu dienen . Die Freiheit das Leben der Kinder ist nur abhängig von den Eltern , weil sie natürlich unfrey sind . Diese Abhängigkeit hat den Zweck sie zur Unabhängigkeit zu erziehen[.] Eigentliche Strafe findet bei den Kindern nicht statt , denn sie sind noch nicht Personen , man kann ihnen nichts zurechnen – sondern nur Zucht[.] F u r cht  , wenn in meiner Vorstellung etwas wirkt was die Negation von mir ist[.] 1 nähere] nahere   10 erbten  ;] erbten .  ;   26 abhängig ] abhänngig   27 Unabhängig keit] Unabhangigkt  

296

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89–90

§ 88 Die Erziehung hat die Bestimmung , die substantielle Sittlichkeit zur Emp­ findung zu bringen und als subjektive Grundlage zu erzeugen , dann aber die Kinder über die natürliche Unmittelbarkeit , in der sie sich ursprünglich befinden , zur Selbstständigkeit und freien Persönlichkeit , und damit zur Fähigkeit , aus der natürlichen Einheit der Familie zu treten , zu erheben[.] Der Genuß der elterlichen Liebe bringt die Kinder noch nicht zur Vernünftigkeit , sondern zunächst zur Empfindung . – Nichts kann ihnen die Entbehrung dieser Einigkeit und Innigkeit ersetzen . Die Erstarkung des Sittlichen wird nicht dadurch erreicht daß man das Kind bald der Entzweiung hingiebt . – (Abhärtungsperiode) Das Sittliche kann aber nicht in dieser Unmittelbaren Natürlichkeit bleiben , im Glauben , Lieben , Zutrauen , sondern die Erziehung muß es zur Per­ sönlichkeit erheben[.] Trieb des Kindes , groß zu werden , zu werden was die Erwachsenen sind . Es sieht sein Treiben einerseits als Spiel andrerseits als bloßes Mittel an . – (Spielend beibringen) Turnen nicht Zweck sondern Mittel , nicht ein Letztes[.] | Campe wollte bloß zu Privatleuten erziehen stete Abschneidung von der Welt[.] – – Die Erziehung durch die Schule – durch die Welt gehört nicht eigentlich hieher , sondern in den Staat . – Die Schule steht zwischen Familie und Welt , zwischen Subjektivem und Objektivem . – Schon Allgemeinheit des Betragens wegen andrer in der Schule[.]

5

10

15

20

§ 89 Die Familie tritt auf natürliche Weise und noch mehr durch das Prinzip der Persönlichkeit in eine Vielheit von Familien auseinander , welche sich als selbstständige Personen und daher aüßerlich zu einander verhalten , weswegen das Band nur als formelle Allgemeinheit ist . Dies Reflexionsverhältniß macht d ie bü r g e r l iche G e s e l l s ch a f t aus[.] Das Sittliche ist in dieser Sphäre nicht mehr als Sittliches vorhanden  ; das Allgemeine scheint nur herein , in das Besondre der Zwecke[.]

12 Natürlichkeit] Naturlchkt   22 Subjektivem und Objektivem] Subjektives u . Objektives   27 ver­halten] verhaltend   31 in] und  

25

30

90–92

die sittlichkeit297 Zwe y t e n s D ie bü r g e r l iche G e s e l l s ch a f t . § 90 .

5

10

15

20

In dieser Sphäre macht der Einzelne als konkretes Ganzes seiner Besonderheit und seines Bedürfnisses sich zum Zwecke , welcher aber in die Subsistenz | und das Wohl aller Übrigen verflochten und dadurch vermittelt ist , so daß der Einzelne sein Bestehen , und sowohl aüßerliche als rechtliche Existenz in diesem gemeinsamen Systeme hat . Dies System macht nur den Ve r s t a nd e s ‑ oder No t h s t a a t aus . Große Völker die nicht aus natürlicher Einheit erwuchsen , und nicht in Beschränktheit blieben , sondern die aus verschiednen Elementen entstanden und gleich den Gegensatz in sich trugen . – Das Verderben der Staaten – wenn das Prinzip zum Vorschein kommt daß die Bürger nicht mehr im Allgemeinen leben , sondern nur das Ihrige suchen , auf Kosten des Allgemeinen . – Eigennutz , Willkühr haben hier ihren Boden . Rousseau . – – In der patriarchalischen Sittlichkeit (die wir auch zuweilen den Wilden zuschreiben) ist zwar Substantialität aber es fehlt , daß die Besonderheit der Individuen sich noch nicht ausgeglichen hat mit dem Allgemeinen , nicht zu diesem erhoben ist  ; und in dem Sittlichen bloß auf Autorität nicht durch Selbstüberzeugung ist[.]

§ 91 .

25

30

Die geistige Substanz ist in diesem Systeme der Prozeß , die Natürlichkeit und Einzelnheit der Individuen , durch ihre Naturnothwendigkeit und formelle Freiheit zur Allgemeinheit theils des subjektiven Wissens und Wollens theils der objektiven des Inhalts zu erheben , und die Stellung der Bürger , die in dieser | Sphäre Privatpersonen sind ist , ihren besondern Zwecken und ihrer Subjektivität überhaupt die Form der Allgemeinheit zu geben . Jede Befriedigung meiner Bedürfnisse ist eine vermittelte , geschieht durch den Willen unzähliger andrer . Zu diesem Zweck muß ich mir auch die Form

20 nicht] nicht nicht  

298

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92–93

der Allgemeinheit nach jeder Seite geben , auf meine Naturrohheit Verzicht leisten , – mich den andern auch als nützlich erweisen[.] Ich muß in meinem Nutzen auch den Nutzen anderer wollen . Das Höhere was dadurch herauskommt , ist das In mich gehn als Subjekt , mein Innres bildet sich in mir gegen die Unmittelbarkeit der Existenz  ; es entwickelt sich das Allgemeine des Denkens , ich erkenne nichts weil es Autorität hat an , sondern nur dasjenige , was mit meinem Denken , meiner Überzeugung übereinstimmt . – Es verschwindet der Glaube , die einfachen Sitten , das Religiöse , – was seinem Inhalt nach vortreV lich seyn kann , aber die Form der Unfreyheit für das Bewußtseyn hat . – Jenen Klagen über diesen Untergang muß das höhere Selbstbewußtseyn gegen über gestellt werden[.] Die vielen Zufälligkeiten und Einzelnheiten dieser Sphäre sammeln sich auch in Massen , – Es entstehn große Wirkungen und Gegenwirkungen Zb im Handel – Ackerbau , – Manufakturrechte welche aus lauter Einzelnheiten hervorkommen . – Die Bildung setzt eine Trennung von der Unmittelbarkeit des Seyns voraus . – Selbst die aüßere Bildung hat die Form der Allgemeinheit , daß man nichts thut als das einfache was zur Handlung erfoderlich , nichts überflüssiges , besondres – also das einfache abstrakte Benehmen , Zeichen dieser aüßerlichen Bildung . – AbgeschliVene Sitten , wo der Überfluß , Unbeholfen­ heit der Natürlichkeit nicht vorhanden[.] – Gebildete Menschen sehen sich gleich | wie Münzen die lange kursirt . – Vortheil Sie finden an der Aüßerlichkeit , an den Mitteln sich zu aüßern keinen Widerstand , können sich in ihnen frey bewegen . – Gebildete Sprache Die höchste Originalität wo das Subjekt völlig verschwunden , – Wo bey dem Kunstwerke noch der Künstler zu sehn , ist noch Manier (Fouqué)[.]

5

10

15

20

25

§ 92 . In der bürgerlichen Gesellschaft sind die 3 Momente enthalten 1 ,  die Vermittlung des Bedürfnisses und dessen Befriedigung in einem Sys t e me d e r B e d ü r f n i s s e und Genüsse aller Übrigen 2 ,  der Schutz des Eigenthums durch die Re cht s ve r f a s s u n g 3 ,  die allgemeine Vorsorge für das Wohl des Einzelnen und für das Daseyn des Rechts – die Pol i z e y [.]

20 Überfluß] Ubfluß   28 enthalten] erhalten   30 Übrigen] Ubrigen  

30

93–94

5

10

die sittlichkeit299

Keiner kann seine Bedürfnisse befriedigen ohne die Befriedigung der Bedürfnisse Anderer[.] Πολιτεια ist in neuern Zeiten heruntergekommen  ; zur Polizey , die man oft für den Staat selbst genommen . – Es stand nie schlimmer als wenn der Staat , die Regierung für das Wohl des Einzelnen sorgen wollten , und ihm diese Sorge nicht selbst überließen . – Aber von den Einzelnen bilden sich Massen , die die Einzelnen nicht übersehn können , sondern das Verhältniß dieser Massen gegen einander , von dem auch das Wohl des Einzelnen abhängt , muß von einer besondern Macht beaufsichtigt und nach dem Wohl des Einzelnen regulirt werden[.] |

I   Sy s t e m d e s B e d ü r f n i s s e s § 93 .

15

20

25

Das Thier hat einen bestimmten Kreis von Bedürfnissen , der Mensch beweist auch in dieser Abhängigkeit sein Hinausgehn darüber und seine Allgemeinheit , zunächst durch die Vervielfältigung derselben , und dann durch die Zerlegung und Unterscheidung des konkreten Bedürfnisses in einzelne Theile und Seiten , welche verschiedne partikularisirte und damit weniger konkrete a b s t r a k t e r e Bedürfnisse werden . Wenn durch die Vervielfältigung der Bedürfnisse die Noth größer wird so ist das Geistige darin das Versöhnende . – Verfeinerung , daher Unterscheidung , die Abstraktion der Bedürfnisse . Das Vervielfältigen ist schon ein Brechen der Rohheit des Bedürfnisses . Der Mensch erschwert sich die Befriedigung seiner Bedürfnisse , stellt sich ein Feindliches gegenüber , um durch dessen Überwindung sich das Gefühl der Kraft zu geben[.] Vervielfältigung der Mittel die Bedürfnisse zu befriedigen .

§ 94 . Die M it t e l der Befriedigung liegen theils in den spezifischen aüßerlichen Dingen , in der Nüt z l ich ke it der Natur , theils aber vornemlich in der Form 26 Vervielfältigung ] Vfelftigg   befriedigen .] folgt in neuer Zeile (vermutlich infolge eines 30 4 wenn] dr   Mißverständnisses) als Überschrift  : II  M i t t e l d e r B e f r i e d i g u n g  

300

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94–96

und Zubereitung , welche sie durch die A r b e it d e r Me n s che n erhalten . Jedes Mittel ist wieder ein relativer Zweck und Bedürfniß , | und ein durch die Arbeit Vieler unendlich vermitteltes , wodurch es seinen Werth erhält . Was somit verzehrt wird , ist vornemlich Menschenwerk . Bleibt man bloß in Anerkennung der Natur als eines Lebendigen stehn , so entsteht die Empfindsamkeit – die Natur drückt die Idee aus , aber die Idee ist nicht in der Form der Allgemeinheit des Denkens darin , sondern in der der Unmittelbarkeit des Einzelseyns . Der Mensch um sich zu zeigen erhebt seinen Be­g riV 1 seinen Fuß über die Erde , bleibt nicht bey der Natur stehn , damit er in dem was er gebraucht das Bewußtseyn des Seinigen habe . – Daher gebrauchen wir das wenigste roh . – Menschenfleisch essen wir nicht , weil wir darin das unmittelbare Gefühl der Identität haben – (wie Heirath unter nahen Verwandten) . – Iudaei non vescuntur carne suina[.]

§ 95 Das Bedürfniß und der Besitz der Mittel ist ferner eine theoretische Existenz für andre  ; das A ne r k a n n t we r d e n  , nach dieser Seite etwas zu seyn , enthält die Foderung der Gleichheit mit den andern . Die Nachahmung einerseits und andrerseits wieder die Besonderheit die sich als solche geltend macht , wird die weitere Quelle der Vervielfältigung von Bedürfnissen und ihrer Verbreitung . Das Vernünftige wie es erscheint , nicht wie es wirklich ist , ist das Verständige . – Mode – Geschmack in Ansehung der Befriedigung der Bedürf­ nisse . Foderung der Gleichheit will , daß man sich darin mit andern gleich stelle . – Sie ist in sich veränderlich . – Sie giebt den Genuß der Meinung hinter andern nicht zurück zu bleiben . – Die Foderung sich bloß auf noth­wen­d ige Bedürfnisse einzuschränken ist bloß abstrakt – | denn das Noth­wen­d ige in der Befriedigung derselben ist kein Bestimmter abgeschlossener Kreis[.] Jeder muß nach seinen Verhältnissen an den Bedürfnissen Theil nehmen , aber keinen Werth daruf legen . Diogenes eitler als irgend einer , weil er einen Werth auf seine Auszeichnung vor andern in dieser Hinsicht legte . – Die Besonderheit als solche macht das Eitle . – S a c he d e r We i b e r

9 seinen BegriV … seinen] sehr zweifelhafte Lesung  23 man] mnch   27 derselben] dsselben   30 legte] zeigte  

5

10

15

20

25

30

96–97

die sittlichkeit301 § 96

5

Die Richtung des gesellschaftlichen Zustandes auf diese unbestimmte Ver­ vielfältigung und Spezifizirung der Bedürfnisse , Genüsse und Mittel , welche keine Gränzen , eben so wenig als der Unterschied zwischen natürlichem und eingebildetem Bedürfnisse hat[.] – Der L u x u s – ist eine eben so unendliche Vermehrung der Noth , welche es mit einer einen unendlichen Widerstand leistenden Materie , nemlich mit einer Natur von Mitteln , die im Besitze des freien Willens ist , zu thun hat . Luxus . Genießen des Individuums über das , was es produzirt[.]

§ 97 .

10

15

20

Die unendliche Vervielfältigung der Bedürfnisse der andern ist für jeden ein allgemeines bleibendes Ve r mö g e n , an welchem er die Möglichkeit hat , durch seine Geschicklichkeit und Bildung Theil zu nehmen , und für sich zu erwerben , so wie diese seine | durch seine Arbeit vermittelte Theilnahme das allgemeine Vermögen erhält und vermehrt[.] Die Bedürfnisse Aller fodern etwas . Der einzelne hat in dieser Foderung Mittel für sich zu erwerben – wenn auch die Erde , die unmittelbaren Natur­ gegenstände schon in Besitz genommen sind . – Der Mensch muß aber dazu die Unmittelbarkeit seiner Natur gezogen haben , und ausgebildet zu besondern Geschicklichkeiten . – Staatshaushaltung – politische Ökonomie . Hier gilt das Individuum nur insofern es verzehrt und produzirt[.] – Wer nur verzehrt wird als unnützes Glied betrachtet[.] – (Wer bloß von seiner Rente lebt , ist nur unnützer Durchgangspunkt des Vermögens , der immer fehlen könnte[.])

25

§ 98 .

30

Dieselbe Abstraktion , welche die Spezifizirung der Bedürfnisse und Mittel bewirkt , spezifizirt die Produktion und bringt die T he i lu n g d e r A r b e it e n hervor , welche in derselben Zeit eine größere Quantität von Produkten erzeugen , durch ihre Einfachheit mechanisch und damit fähig werden daß der Mensch an seine Stelle die N a t u r k r a f t und die M a s ch i ne treten lassen kann[.]

15 vermehrt] ernährt  

302

nachschrift homeyer · 1818/19

97–99

Theilung der Arbeit ist , daß ein konkretes Produkt nicht von einem In­ dividuum nach seinem ganzen Umfang hervorgebracht wird , daß das Indivi­ duum nur eine und dieselbe Seite eines Produkts stets hervorbringt[.] – Beispiel von Stecknadelnfabrikation . – Je weiter die Theilung der Arbeit desto geistloser , mechanischer wird sie , desto mehr degradirt sie den ­Menschen  , und macht ihn abhängig von dieser einzelnen Seite der Arbeit[.] | Abstraktes Blasen der einzelnen russischen Hornbläser[.] Diese einfache Wirkungsweise kann der Mensch durch die elementarische Naturkraft verrichten lassen .

5

10

§ 99 . Die Verwicklung dieser Mannigfaltigkeit bringt für die Individuen eine unendliche Mannigfaltigkeit von aüßerlichen zufälligen Umständen , die Verschiedenheit der Entwicklung der für sich ungleichen natürlichen körperlichen und geistigen Anlagen , Ungleichheit der Geschicklichkeiten und des Vermögens hervor . Der wesentliche Unterschied aber bildet sich in diesem allgemeinen Systeme zu besondern Systemen der Bedürfnisse  ; ihrer Befriedigung und der Arbeit zu einem Unterschied der Stände aus . Die Ungleichheit des Vermögens ist ein Recht der Natur , der Besonderheit , denn diese ist die Verschiedenheit[.]

15

20

§ 100 . Die Stände bestimmen sich nach dem BegriVe als der s u b s t a n t ie l le fo r me l le und a l l g e me i ne S t a nd [.] 1 ,  der Ackerbauerstand , an einen festen | Punkt des Bodens und feste Zeiten geknüpft , hat eine wenig vermittelte Subsistenz aus der natürlichen Produktion , bleibt in substantieller Gesinnung und liefert das Material 2 ,  für den G e we r b s s t a nd , der überhaupt dessen Formirung und dann im H a nd e l den Tausch der für das allgemeine Bedürfniß bereiteten Mittel zu seinem Geschäfte und Grunde der Subsistenz hat , wie 3 ,  der dritte Stand die allgemeinen Interessen des gesellschaftlichen Zustandes selbst als allgemeine zu seinem Gegenstande hat .

25

30

99–101

die sittlichkeit303 § 101 .

5

Das Element , aus welchem der Unterschied der Stände hervorgeht , ist die menschliche Vorstellung Thätigkeit und Willkühr , von welcher das Bedürfniß mit seinen Mitteln in jene geistige Sphäre erhoben wird , welchem der besondren Stände daher das Individuum angehöre , darauf hat einerseits wohl die Natur und aüßerliche Umstände Einfluß , aber wesentlich muß diese von seiner eignen Willkühr bestimmt werden , die eben | in dieser Sphäre sich ihr Recht und ihre Ehre gegen die natürlichen Umstände giebt[.] § 102

10

Die sittliche Gesinnung in dieser Sphäre ist die RechtschaVenheit und Standesehre durch seine Thätigkeit , Bildung und RechtschaVenheit sich zum Gliede eines der Momente der bürgerlichen Gesellschaft zu machen , und nur durch diese Vermittlung mit dem Allgemeinen für sich zu sorgen[.]

§ 103 . 15

Das Prinzip des Systems der Bedürfnisse , die eigene Besonderheit und die ­subjektive Willkühr hat seine eigenthümliche Objektivität am Recht des Eigen­ thums , das seine allgemeine Wirklichkeit in der Rechtspflege hat .

II  D ie Re cht s p f le g e § 104 . 20

25

Was an sich Recht ist , muß zuerst für das Bewußtseyn vorhanden und bekannt gemacht seyn , das G e s e t z das eben so als an und für sich gültiges vorausgesetzt ist , als es nur gilt , insofern es als solches , welches allgemeine Macht hat , zur öVentlichen Kenntniß gebracht ist . | Gesetzbuch an und für sich schlechthin nothwendig[.] Beruf der Zeit zur Gesetzgebung – Es ist nicht möglich das Gesetz außer seines Volks und außer seiner Zeit zu machen .

18 II   D i e R e c h t s p f l e g e (Absatz) § 104 .] § 104 . (Absatz) II  D i e R e c h t s p f l e g e  21 und  ] nur  

304

nachschrift homeyer · 1818/19

101–103

§ 105 . Für die Gesetzgebung sind einerseits einfache allgemeine Bestimmungen zu fodern , andrerseits führt die Natur des endlichen StoVes eine endlose Fortbestimmung herbey , so wie ferner die Gesetzgebung ein fertiges geschlossnes und Bekanntes seyn soll , andrerseits immer von neuem besondre und Collisionsfälle weitere gesetzliche Bestimmungen erfodern . (Gesetze nur formell) . – Wie alle endlichen Dinge kann auch das Gesetzbuch nie fertig werden – Fehler . –

5

§ 106 . Die bürgerliche Gesellschaft bringt in die Gesetzgebung durch die Mannigfaltigkeit ihrer Verhältnisse eine Menge neuen StoVs . Sie führt vornemlich auch eine feste Bestimmung dessen herbey , was durch den BegriV unbestimmt ist und der Willkühr überlassen wäre  ; So wie die Gesetzgebung ferner in den Verhältnissen , die auf Liebe und Zutrauen | gegründet sind , die Seite des persönlichen Rechtes feststellt[.]

10

15

§ 107 . Die Unmittelbarkeit des Daseyns im Eigenthum geht in der bürgerlichen Gesellschaft in das A ne r k a n n t s e y n ein Daseyn in dem allgemeinen Willen der Andern über . Die Handlungen welche rechtskräftig seyn sollen , müssen daher mit diesen Formen ausgestattet und vorgenommen werden , und das Eigen­thum beruht nun wesentlich zugleich auf diesen Förmlichkeiten .

20

§ 108 . Indem Eigenthum und Persönlichkeit als allgemein anerkannt sind , so ist das Verbrechen nicht mehr bloß Verletzung eines subjektiv Unendlichen sondern eines allgemein gültigen . Zugleich aber ist die Handlung auch nach dieser Seite empirisch bestimmt und es tritt der Gesichtspunkt ihrer geringern oder größern Gefährlichkeit für die Gesellschaft ein , deren sich selbst bewußte Macht aber zugleich die Wichtigkeit der einzelnen Verletzung herabsetzt , | und größere Milde herbeyführt , so wie auch ein neues Moment in der Bestrafung – die Schande – hier eintritt .

25

30

103–104

5

die sittlichkeit305

Das Verbrechen in der bürgerlichen Gesellschaft verletzt ein objektives Daseyn , worin die Freiheit Aller liegt . Also höhere Verletzung als das Verbrechen unmittelbar . – Recht der bürgerlichen Gesellschaft gegen das Verbrechen aufzutreten . – Ist die bürgerliche Gesellschaft sicher , zu einer gewissen Vollkommenheit gediehen , so wird durch einzelnes Verbrechen weniger verletzt[.] – Daher bey der Fortbildung der Gesellschaft die Strafen milder , weil die Verfassung umso weniger durch ein einzelnes Verbrechen laedirt wird[.]

§ 109 .

10

Das Recht und die Gesetze haben ihre eigenthümliche Wirklichkeit , in der nur sie ohne subjektives Interesse und Leidenschaft der Zweck sind , in Ansehung der Erkenntniß des besondern Falles der Anwendung der Gesetze auf denselben und der Vollstreckung dieses allgemein gültigen Urtheils an dem G e­r ich­t e t e n  . Bei dem Eide soll ich mich in der substantiellen Wahrheit aüßern[.]

§ 110 . 15

20

Gegen Verbrechen tritt statt der verletzten Parthei das verletzte allgemeine auf , und übernimmt die Verfolgung und Ahndung | desselben , welche eine subjektive Wiedervergeltung durch Rache zu seyn aufhört , und sich in eine Versöhnung des Rechts mit sich selbst als des Allgemeinen , und für den Verbrecher selbst gültigen , und ihn eben so schützenden Gesetzes in S t r a fe verwandelt . Die Rache ist Recht an sich aber nicht in der Form Rechtens . – Bin müde . – Rache verletzt von neuem ins unendliche , Strafe versöhnt[.]

§ 111 .

25

Wenn die Kenntniß des Rechts und der Gesetze , ferner des Ganges der gerichtlichen Handlungen und der Möglichkeit sie vorzunehmen , endlich das Fällen der Urtheile , sey es durch die BeschaVenheit der Gesetzgebung oder auf sonstige Weise , in die Hände eines sich ausschließend machenden Standes kommt , so sind die Bürger unter Vormundschaft oder in eine Art der Leibeigenschaft gesetzt . Daß ihnen das Recht a l s i h r e i g ne s Re cht für ihre eigne Gewißheit , Einsicht 27–28 gesetzt . Daß] (1) gesetzt , daß (2) gesetzt〈〈,〉〉 . Daß  

306

nachschrift homeyer · 1818/19

104–106

und Zutrauen werde , so wie die Sicherung des wirklichen Rechts im konkreten Falle gegen die abstrakten | Möglichkeiten und die Aüßerlichkeit des Förmlichen wird nur durch ein gemeinverständliches Gesetzbuch , durch schiedsrichterliche und Billigkeitsgerichtshöfe , dann vornemlich durch Gerichte von ebenbürtigen Männern und die ÖVentlichkeit der Rechtspflege bewerk­stelligt[.] Daß dem förmlichen Beamten zugleich der Versuch der Entscheidung durch Vergleich , schiedsrichterliches Urtheil übertragen wird , mindert den Erfolg dieses Versuchs selbst . – Zutrauen ist hier , wo das subjektive berücksichtigt wird , durchaus erfoderlich . – Sporteln Collision zwischen dem Gesetzmäßigen und dem Recht . Das Gesetz spricht das Recht aus und schreibt zugleich die Aüßerlichkeiten vor , unter denen Zb . ein Eigenthum Vertrag etc[.] anerkannt wird , eben so die Förmlichkeiten in Ansehung des Rechtsgangs , die auch den Schutz des Rechts bezwecken . Nach dieser Seite enthalten die Gesetze das aüßerliche Daseyn des Rechts  ; diese Bestimmungen können allerdings dem Rechte n icht genügen – und es kann geschehn daß durch das Rechtsprechen nach den Förmlichkeiten , das Recht des Individu­ ums verletzt wird . Gegensatz zwischen Form und Materie , Buchstaben und Geist[.] So kann das Gericht , den Gesetzen genügend , das wahre Recht verletzen . – Sogenannte Moralische subjektive und juristische Überzeugung[.] Anekdote von Stryk Das erste ist daß das Rechte geschehe das 2te daß das Recht nach dem Zutrauen der Partheyen , für ihr Erkennen geschehe[.] Daß die Regierung Recht spreche , stammt aus der Feudalverfassung her .  – Gericht durch Ebenbürtige , weil der Richter meine Art zu denken und handeln , meine Motive und Interessen kennen muß | kurz , der Richter muß mich verstehn  ; meiner Bildung in Ansehung der Grundsätze des Han­ delns nach derselbe seyn . Das Recht muß mir nicht als ein UnbegriVenes als Schicksal erscheinen[.] Die feindselige Seite des Gesetzes , das Aussprechen der Strafe , muß nicht den Mitbürgern zufallen .

9–10 Gesetzmäßigen] Gesetzmaßigen  19 Überzeugung] Uberzeugung  25 Ebenbürtige] Ebenburtige  

5

10

15

20

25

30

106–107

die sittlichkeit307 III .  Pol i z e y § 112

5

10

15

20

25

30

Im Systeme der Bedürfnisse ist die Subsistenz und das Wohl der Einzelnen als eine Mö g l ich ke it  , deren Wirklichkeit durch ihre Willkühr und natür­ liche Besonderheit vermittelt ist  ; durch die Rechtspflege wird die Ve r ­l e t z u n g des Eigenthums und der Persönlichkeit getilgt  ; die höhere Foderung ist , daß die Zufälligkeit , die an diesen beiden Zwecken ist aufgehoben und die un­ gestörte Sicherheit des Eigen­thums und der Person eben so sehr als die Sicherung der Subsistenz der Einzelnen bewirkt werde . Indem beides durch die freye Will­kühr vermittelt ist , so bleibt die Macht dieses A l l g e m e i ne n theils auf den Kreis der ­Zu f ä l l i g ke it e n beschränkt , theils eine a ü ß e r e O r d nu n g  , deren Be­w irkung | allenthalben in Collision mit der Willkühr kommt – d e r ­Pol i z e y s t a a t  . Polizey hat den Zweck das Hervorgebrachte der Einzelnen von den Zufäl­ ligkeiten zu reinigen , was bewußtlos hervorgebracht wird , soll nach allgemei­ nen Zwecken und Nutzen erzeugt werden . – Sie hat eine Seite der Zufälligkeit . – Es ist die Foderung daß die Verletzungen nicht nur getilgt , sondern auch gehindert werden[.] Schildwache – Symbol der Macht des Allgemeinen . Man muß dem Staate eine gewisse aüßere Ordnung ansehn[.] Die Be­ dürfnisse sind vielfach . – Soll das Individuum bey jedem derselben untersuchen ob das Mittel der Befriedigung auch gehörig zweckmäßig sey , so wäre das unsägliche Mühe[.] – Diese vielfachen Bedürfnisse hat aber eine große Menge gemeinschaftlich . Die Aufsicht auf dieselben kann deswegen auch gemeinsam seyn – so hat die Polizey eine solche Aufsicht , sie ist mehr oder weniger unbestimmt[.] Eine Menge willkührlicher Handlungen im Gebrauch meines Eigenthums haben Beziehung auf das Wohl andrer , nähere oder entferntere . – Es muß ein Allgemeines seyn , das auf dieselben achtet , und schädlichen Einfluß auf Andre verhindert durch Modifizirung meiner Will­kühr . – Zwischen diesem Allgemeinen und der besondern Willkühr ist ein ewiger Kampf[.]

9 werde . Indem] (1) werde , indem (2) werde .〈〈,〉〉 Indem   22 sey] seyn  

308

nachschrift homeyer · 1818/19

107–109

§ 113 . Die Gesellschaft hat das Recht auf den Einzelnen daß er zu einem bestimmten Stande gebildet , und solchem zugetheilt sey , und er als gebornes Mitglied der­ selben hat auf sie , das Recht für seine Subsistenz , und für Schutz gegen die sie gefährdenden | Zufälligkeiten . Die verschiednen besondern Zweige der bürgerlichen Gesellschaft müssen , damit das an sich Gleiche der Bestimmung und des Geschäfts in Gestalt eines Gemeinsamen existire , für die Besorgung des gemeinschaftlichen Interesses , sowie für ihre Standesehre in Ko r p o r a t ione n gefaßt seyn , deren entgegengesetzte Interessen , so wie ihr allgemeinerer Zusammenhang wieder einer allgemeinen Leitung bedürfen . Der einzelne gilt in der bürgerlichen Gesellschaft nicht als isolirt , sondern als (Theil) des Ganzen . Er hat sein Vermögen in derselben , er hat keine unmittelbare Natur zu seiner Voraussetzung , sondern den gesellschaftlichen Zu­ stand  ; umgekehrt ist er selbst ein Moment desselben , nicht bloß Theil[.] – Dieses untergeordnete Moment kann er nur seyn als einem besondern Stande angehörig , zu einer besondern Geschicklichkeit gebildet . – Dies ist einerseits Sorge der Familie , und die Gesellschaft darf darauf sehn , daß diese Erziehung ihren Zwecken gemäß geschehe , so fern dies nicht schon in der Familie ge­ schieht[.] Bevormundschaftung der Kinder – Sorge für die Armen . – Denn der Einzelne ist Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft nach allen seinen Zufälligkeiten . – Die Masse des Pöbels gefährliches Übel , denn er hat weder Rechte noch Pflichten . – Der Zufälligkeit der Mildthätigkeit ist die Armensorge nicht zu überlassen[.] Wo es Mode geworden besonders für die gebildeten Stände zu predigen ist den Armen auch das Evangelium nicht gegönnt[.] | Die aüßere Gleichheit in den Gewerben muß auch als ein Gleiches gewußt und gewollt es muß ein Gemeinsames werden . – Zünfte – In neuern Zeiten ist man den Corporationen abhold geworden , als besondern Gemeinwesen in dem allgemeinen[.] Höhere Staatspolizey . – Colonisation bei Überzahl der Population[.]

21 Denn der] denn (nachtr . vor der Zeile) D .  

5

10

15

20

25

30

109–110

die sittlichkeit309 D r it t e A b t he i lu n g D e r S t a a t . § 114 .

5

10

Die sittliche Idee als in welcher ihre natürliche Empfindung wie die von ihrer Einheit sich losreißenden und sich in sich vertiefenden Zwecke der persönlichen Einzelnheit und Besonderheit als Ideelle sich versenken und nur als Momente dieses einen Geistes ihn hervorbringen , zum Zwecke haben , und auf ihm be­ ruhen , ist d e r S t a a t [.] Der Staat ist keine Familie , eine Einheit nicht des Blutes sondern des Geistes[.] Das Recht des Staates ist das höchste für das Individuum[.] |

§ 115 .

15

20

Die Idee des Staates ist 1 ,  als individueller Staat , der Organismus des Staates in Beziehung auf sich selbst – i n ne r e s S t a a t s r e cht 2 ,  das Verhältniß des einzelnen Staates zu andern – a ü ß e r e s S t a a t s r e cht 3 ,  die Idee , als allgemeine und absolute Macht gegen die individuellen Staaten in der We l t g e s ch icht e [.] Die Weltgeschichte kann nur begriVen werden , wenn sie mit der Idee aufgestellt wird[.]

I  D a s i n ne r e S t a a t s r e cht . § 116 .

25

Die konkrete Freiheit , deren Wirklichkeit der Staat ist , besteht darin , daß die persönliche Einzelnheit und Besonderheit sowohl ihre vollständige Entwickelung und Anerkennung ihres Rechtes für sich hat , als durch sich selbst in das Interesse des Allgemeinen theils übergeht , theils mit Wissen und Willen dasselbe anerkennt und dafür thätig ist , daß weder das Allgemeine ohne das besondere Interesse , Wissen und Wollen vollbracht werde , noch , daß die Privatpersonen bloß in und 26 dasselbe] desselben  

310

nachschrift homeyer · 1818/19

110–112

für dieses leben und nicht zugleich in dem und für das Allgemeine wollen und selbstbewußte Wirksamkeit haben[.] |

§ 117 . Gegen die Sphären der Familie , des Privatrechts und Privatwohls , ist der Staat eine a ü ß e r l iche No t hwe nd i g ke it  , deren Gerechtigkeit an ihnen , als Gleichheit sich bestimmt  ; ihre Gesetze sind einerseits der Natur des Staates untergeordnet und von ihr abhängig , aber er enthält die Freiheit in ihrer Realität , und seine wahrhafte Stärke , nur , in sofern diese Sphären selbstständig in ihm entwickelt sind und ihre besondern Interessen nur insofern P f l icht e n gegen ihn haben , als sie zugleich eigenthümliche durch den Staat anerkannte Re cht e sind . Gegen die welche sich in der Besonderheit halten erscheint das Allgemeine als eine aüßere Nothwendigkeit . – Montesquieu esprit des loix  : die Bestimmung der Gesetzgebung aus der Verfassung herzuleiten – Im Staate Pflicht und Recht identisch – in dem Allgemeinen für mich geltenden muß auch meine eigene Freiheit , mein eigenes Wollen seyn . – Der Staat ist nicht bloß als allgebietendes Gesetz , sondern ich als Freyer muß darin anerkannt seyn[.]

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§ 118 . Die einseitigen Extreme in welchen die Wirklichkeit der Freiheit gefaßt wird , sind die G e s i n nu n g und der Me ch a n i s mu s d e s S t a a t s  ; die wahrhafte | Wirklichkeit der Freiheit aber ist d e s s e n O r g a n i s mu s  , seine innere No t hwe nd i g ­k e it nemlich die Unterscheidung des Staats in seine konkreten Stände und abstrakte der Willkühr hiemit entnommene Geschäfte , so daß aus diesen durch die Idee bestimmten Arbeiten und Interessen das allgemeine ­Interesse und Werk , und damit eben so die allgemeine Gesinnung resultirt . – Die Ve r f a s s u n g  . Man sagt , wenn nur die Gesinnung der Bürger gut sey , so sey das Gerüste , die Vertheilung der Geschäfte , nicht nöthig  ; aber die Gesinnung ist immer nur subjektiv , willkührlich und zufällig , abstrahirt von der Willkührlichkeit nur ein allgemeines Wollen , Patriotismus , – sein Inhalt nur abstrakt . – Die Jugend[.] – Das Alter ist mehr für den Mechanismus , die Verknöcherung in der Vertheilung der Arbeit – mit dem Gedanken , durch den Mechanismus müsse das Ganze erwachsen , und die Gesinnung könne fehlen , wenn nur

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die sittlichkeit311

jeder das ihm zugetheilte vollbringe[.] – Mit der Gesinnung ist verbunden , daß sie das Individuelle ist , in der alle besondern Rücksichten , Arbeiten auf­ gelöst sind , weil sie nur allgemeinen Zweck hat . – Einerseits wird daher die Gesinnung Willkühr – wählende Reflexion , der alle Mittel gleich viel gelten und die Entscheidung vom subjektiven Willen abhängt , – denn im Allge­ meinen verschwindet selbst die Gerechtigkeit die für das Besondre gilt[.] – Theils ist also die Gesinnung das Unthätige , Unwirkliche , so lange sie in der Form der Gesinnung bleibt (Politische Quäker)[.] Wird sie thätig und bleibt das Abstrakte , so wird sie Willkühr . – (Fanatismus der französischen Revolution) | Entgegensetzung der Mechanismus , abstrakter Verstand der im besondern Geschäft als besondrem stehn bleibt . Die lebendige Wirklichkeit des Staats ist die Einheit beider . Das Ganze muß alle durchdringen , aber vertheilt seyn , die Einzelnen müssen wissen daß sie in ihrer besondern Arbeit für das Ganze thätig sind , und müssen dieses Ganze zu ihrem Zweck haben . – Dieses ist nur als O r g a n i s mu s [.] – Dies Auseinandergehn , so daß das Auseinandergegangene selbstständig werde , und durch das Ganze absolute Kraft behalte[.] – Die Momente , Glieder müssen ihre besondere Freiheit haben , und der Staat aus diesen hervorgebracht werden[.] Die Verfassung ist die Einheit der Gesinnung und des Mechanismus , der Innerlichkeit und Aüßerlichkeit[.] Die Sonderung in Stände und die Theilung der Gewalten ist wesent­ liche Bedingung in der Wirklichkeit des Staats , ist eine der Garantieen der Freiheit , – und beruht in der Idee der Lebendigkeit[.] So nur kann jedem Momente der Geschäfte sein Recht , und die Behandlung objektiv werden , – und es schwindet die subjektive Totalität der Willkühr . – Hierin geht die Organisation in die Seite des Mechanismus hinüber – Seite des Verstandes . – Diese besondere Sphäre läßt sich zu einer Totalität erheben , wenn das Geschäft richtig und wahrhaft betrieben wird , so daß es ein Widerschein der Idee wird[.] Aus dieser Vollführung des Einzelnen geht das Ganze hervor  ; die Gewißheit desselben , das Bewußtseyn daß die andern für dieselbe Idee arbeiten , giebt dem Einzelnen das Zutrauen . – So ist seine Sphäre für ihn gerecht­ fertigt , und erhält das wahre Interesse für ihn[.] |

35 21 Aüßerlichkeit] Außerlichkt   24 Freiheit , ] Freiheit .  So] (So   25 werden , ] werden .   28–29

das Geschäft über versehentlich nicht gestr . es  

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114–115

§ 119 . Der Geist des Staates scheidet sich 1 ,  in seine Endlichkeit aus  ; nemlich die Sphäre des Familienlebens und der bürgerlichen Gesellschaft und theilt ihnen einen Theil der Individuen – d ie Me n g e – zu , weil seine Freiheit nur als vermittelt durch den besondern Willen reell und wirklich ist  ; dessen Sphären die Allgemeinheit theils in sich selbst auf­ nehmen , theils als im allgemeinen Zwecke gegründet und berechtigt ihn als ihre Substanz anerkennen und bethätigen . – Es kann hart erscheinen , daß das Ganze der Sittlichkeit einen Theil seiner Individuen der Beschränktheit des Familien – oder der Noth des bürgerlichen Lebens hingiebt . Einerseits ist das Nothwendigkeit , andrerseits Versöhnung in dieser Nothwendigkeit . – Das Individuum ist in der Wirklichkeit des Staats nur ein materieller Punkt  ; die Substanz , der Geist ist berechtigt zu dessen Arbeiten  ; die Individuen haben kein Recht an den Staat  ; alle ihre Rechte haben sie nur durch ihn . – Anderntheils ist das Selbstbewußtseyn des Geistes nur reell durch die selbstständige Ausbildung des besondern Willens[.] – Der empfindende substantielle Wille erlange sein Recht im Familienleben . Freies Selbstbewußtseyn ist wesentlich als Einzelnes , mithin besondres . In dies Besondre scheint das Allgemeine hinein , und die Besonderheit des Geschäfts wird zur All|gemeinheit erhoben[.] – Dies begründet den Patriotismus der Engländer , wo jede Besonderheit in der Allgemeinheit geschützt ist , – Wohlfahrt Ruhm und Glück des Vaterlands .

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§ 120 . Die Garantie und Wirklichkeit des freien Ganzen liegt daher in den Institutionen der Freiheit der Person und des Eigenthums , öVentlicher Gesetze , schiedsrichterlicher ebenbürtiger und öVentlicher Gerichte  ; ferner in der Fassung der besondern Zweige der bürgerlichen Gesellschaft , so wie der vereinzelten Kreise des gesammten Zusammenlebens der Gemeinden und Provinzen in Korporationen , welche mit selbstständigem Rechte ihre eigenen Interessen , und ihr Vermögen verwalten , und den Individuen unmittelbar ein allgemeines Geschäft gewähren . Daß das freie Ganze existire , dazu gehört  : das wirkliche Selbstbewußtseyn in seiner Besonderheit als Unendlichkeit und Freiheit[.] – Hierin liegt 18 sein] ihr  Familienleben .] Familienleben ,  

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die sittlichkeit313

die freie Verfassung , die Garantie für die Stellung zwischen Regent und Volk . Ständische Verfassung alleine giebt sie nicht , sie ist nur ein Moment der verwirklichten Freiheit[.] (Fichtisches Ephorat – Interdikt .) . Die Freiheit der Individuen darf nichts Einzelnes seyn , sondern in Corporationen dargestellt und vertreten[.] | Zu den Institutionen gehören 1 , Freiheit der Person 2 , Freiheit des Eigen­thums  . (Die Franzosen haben durch die Revolution letztere schnell errungen – Code Napoléon bestätigt[.]) 3 , öVentliche Gesetzgebung de qua supra[.] Was ein ­Gemeinsames der Sache dem BegriVe nach ist , muß auch als ein Gemein­ sames existiren , für welches alle Mitglieder wirken[.] Der Mensch ist nur vernünftig , geistig , insofern er seinen besondern Zweck zu einem allgemeinen erhebt , für den er thätig seyn kann . – Der Despotismus suchte stets die Gemeinheiten zu zerstören . – Die Stadtmagistrate werden ihre Sache wenigstens erträglich gut machen , während die höheren Behörden oft aus Unkunde MißgriVe thun . Ein Gemeinwesen für sich ist stark[.] Das Volk als eine Menge von Individuen ist nur etwas unbestimmtes , un­ geordnetes[.] § 121 .

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2 ,  das Allgemeine , wie es als allgemeine Angelegenheit für sich , und in den besondern Sphären Zweck ist , theilt sich in das gedachte Allgemeine als solches – das G e s e t z – dann in die Subsumtion der besondern Fälle darunter und 3 , in die Subjektivität als letzte Willensentscheidung  ; Jedes Moment als ein für sich konkretes System und Gewalt , die daher alle 3 Momente in sich enthält , geht zugleich in die Einheit mit den andern zusammen . Sie sind die fürstliche Gewalt , die Regierungsgewalt und die gesetzgebende Gewalt , und bilden in ihrer Einheit die konstitutionelle Monarchie[.] Die Verfassung kann nicht gemacht werden , sondern macht sich selbst , ist ein göttliches Geschenk . Die aüßerliche Art wie sie wirklich wird , ist geschichtlich sehr verschieden . Monarchie ist die erste Form als unmittelbares Abbild der patriarchalischen Form . – Aristokrasie die 2te . Demokratie Beginnen des Selbstbewußtseyns der persönlichen Freiheit[.] | Aristokrasie hat das Prinzip einer natürlichen Erhabenheit gewisser Geschlechter , Heroengeschlechter . Sie war bei den Alten eben so religiös begründet wie die

35 15 thun .] thun . ,   25 den] dem  

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117–118

Monarchie . – Schlechteste der Verfassungen die vielen Privatzwecke der Familien – Mißtrauen Härte . – Demokratie hält alle Gewalten noch (in sich) verknüpft , daher ist sie kein Bild der realen Idee[.] Sie paßt nur auf ein kleines Volk , beruht hauptsäch­ lich auf Sitten , wo die Interessen des Allgemeinen und Besondern noch nicht auseinander gegangen sind . Geschieht dies , so tritt Verderbniß der Sitten , Privatleidenschaften hervor , und die Demokratie geht durch Sittenlosigkeit zu Grunde[.] – In der vernünftigen Verfassung hat die Besonderheit Raum sich zu bilden , aber stets für den allgemeinen Zweck . Das Prinzip der Einzelnheit das zur Sittenlosigkeit in der Demokratie wird , wird in der konstitu­ tionellen Monarchie selbst Prinzip der Sittlichkeit[.] Konstitutionelle Monarchie – Idee der Vernünftigkeit[.] Geschichte (und Erfahrung) verstehen sich erst , wenn man Idee mitbringt  ; man bekommt sie aus der Geschichte nicht , man erkennt sie nicht aus der bunten Ober­ fläche , wenn man nicht schon das Einfache , Allgemeine mitbringt . Man lernt nur aus Geschichte und Erfahrung daß kein Volk daraus gelernt hat . Jedes Volk hat seine Geschichte , führt seinen Geist aus , die nicht die eines fremden Volkes sind[.] Die Natur bewegt sich immer und dh . Geist , der Menschengeist aber ist fortschreitend , indem er weiß was er ist[.] – Ausfall gegen das Mittelalter[.] –

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E r s t e n s  . D ie f ü r s t l iche G e w a lt § 122 . Die BegriVsbestimmung der fürstlichen Gewalt macht das aus , wodurch das Ganze des Staates ein wirkliches Eins ist – das | abstrakte Selbst des Willens , die subjektive Gewißheit seiner Selbst , in welcher die letzte Entscheidung , und die eine Individuelle ist , daher einem Individuum als numerischem Eins dem ­Monarchen zukommt , welcher als jene letzte und damit u n m it t e l b a r e Einzelnheit , auf unmittelbare also natürliche Weise , somit durch die Geburt bestimmt ist[.] Man hat in der Neuzeit nicht gewußt , was mit den Fürsten anzufangen  ; hat sie als ein Erbstück früherer Zeiten betrachtet[.] – Verstand hat sie als höchste Beamte aufgefaßt . –

10 in der über 〈〈mit〉〉 〈der〉  

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die sittlichkeit315

Der Staat muß als eins seyn , das eine individuelle Spitze hat . Er kann nicht zwei selbstständige höchste Gewalten haben . – Französische Revolu­ tion . In der fürstlichen Gewalt ist die Einzelnheit die herrschende Bestimmung . – Durch sie wird ein Volk e i n Volk[.] Das Volk als Volk ist nur einzelnes gegen andre aber nicht in sich selbst . – Das als Auszeichnung des Fürsten daß in ihm als Individuum sich der Staat vollendet (zuspitzt)[.] Das leere letzte Entscheiden macht die fürstliche Gewalt aus , von objektiv Entscheiden nach Gründen ist noch nicht die Rede , (der Regent setzt den Namen darunter , unmittelbare letzte Bestimmtheit) . – (Bei den Alten war Zb . bey den griechischen Staaten die letzte Entscheidung in Ansehung des Handelns bey den Göttern , (Auspizien Augurien) (Kartenlegen)[.]) Es kommt oft nur darauf an , daß entschieden werde , nicht w ie – Sie waren noch nicht zu dieser ­Subjektivität gelangt[.] Erst mit Sokrates fing es an daß der Mensch das ­Entscheiden in sich setzte Sokrates nach seinem Dämon . Wendung in der Weltgeschichte daß der Mensch in sich die Unendlichkeit setzt – besonders christliche Religion nach der die göttliche und menschliche Natur dieselbe ist[.] Solch Entscheidender ist in dem Staat der Monarch[.] Erbrecht der Fürsten – Legitimität[.] | Das Recht der Thronnachfolger ist kein Privaterbrecht[.] (In Deutschland galt es mal so , wo das Land unter alle Kinder des Fürsten ge­theilt wurde[.]) Konstitutionelle Monarchieen sollen kein Wahlreich seyn . Denn die Spitze soll eine natürliche , unmittelbar keine gewählte , gesetzte seyn[.]

§ 123 . Das andre in der Fürstengewalt enthaltne Moment ist eine berathende Stelle , welche das Objektive , den Inhalt und die Gründe an den Monarchen bringt , theils ein M i n i s t e r iu m für die Entscheidung der Staatsangelegenheiten und für die Vollziehung theils ein damit vereinigter S t a a t s r a t h für die Berathung und Vorbereitung der Gesetze . Durch diese Unterscheidung des Objektiven und der Subjektivität in dem formellen Willen des persönlichen Monarchen als Individuums , ist das Ministerium allein für die Regierungsverhandlungen verantwortlich  ; der Monarch dagegen aller Verantwortlichkeit enthoben .

10 Bestimmtheit)] Bestimmtheit ,   14 Erst] (Erst  

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119–121

In einem konstituirten Staate kommt es auf die Persönlichkeit des Monarchen so sehr viel nicht an denn die objektive Seite im Regieren (in zwei Theilen) wird abgesondert von dem Monarchen[.] Dadurch daß nicht der Monarch sondern die Minister verantwortlich sind , ist die Willkühr gehindert , weil was der Monarch befiehlt , vom Minister unterzeichnet sein muß[.] Begnadigungsrecht des Fürsten in Ansehung der Verbrecher . Der Richter darf nicht auf die Subjektivität desselben sehn , sondern nur das Recht geltend machen . – Der Monarch kann aber die Strafe schenken , wegen subjektiver Verhältnisse[.] | Civilliste . Besser daß die Herrscher Privatvermögen haben , als diese jährliche Besoldung , die sie wie Beamte des Volks erscheinen läßt[.] Der aüßere Reichthum die Herrlichkeit und Schmuck sey in ihm als Mittelpunkt conzentrirt[.]

Zwe it e n s . Re g ie r u n g s g e w a lt

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§ 124 . Die Regierungsgewalt hat das Allgemeine in den besondern Sphären zu behaupten und sie darauf zurückzuführen , so wie die Veranstaltungen für die allgemeinen Zwecke zu besorgen . Dies bewerkstelligt das Ministerium durch die höhern kollegialischen Behörden und durch individuelle Beamte , deren objektive Seite die Befähigung von der Regierungsgewalt untersucht wird , die subjektive Seite aber als persönliche Ernennung der fürstlichen Gewalt zusteht[.] Die dem Dienste der Regierungsgewalt Angehörigen mit den Vorständen der Korporationen machen den Mittelstand in einem Staate aus , und in ihn fällt die Intelligenz und das gebildete Selbstbewußtseyn eines Volks[.] Die Regierungsgewalt hat gegen die fürstliche Gewalt die G r ü nd e vorzubereiten und geltend zu machen 1 , Gemeinden , Provinzen , die ihre eignen Angelegenheiten besorgen . | Schwierigkeit daß die besondern Angelegenheiten besondere Geschäfte fodern , also viele Ministerien und viele besondere Abtheilungen derselben . Auf der andern Seite sind diese Geschäfte konkreter Natur , mit vielerley Seiten

31 sind über versehentlich nicht gestr . ist  

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121–122

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die sittlichkeit317

deren jede eine besondre Behörde hat , so daß das Eine in viele einzelne Geschäfte zerspalten wird . Alles wichtiges ist kollegialischen Behörden zu übergeben[.] – Sie sind Garantieen der Freiheit der Bürger in ihren Angelegenheiten . Die eigne Willkühr des Referenten schon dadurch zurückgestellt , daß er dem ganzen Kollegium vortragen muß[.] Lebenslängliche Ernennung der Beamten[.] Der Mittelstand . – Er muß sich nicht isoliren , entfremde sich weder dem Volke noch der Regierung . Durch Institutionen die eine besonders künstliche Bildung verlangen , geschieht das letztere[.] Zb . Rechtsverfassung[.]

D r it t e n s . G e s e t z g e b e nd e G e w a l t § 125

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Die gesetzgebende Gewalt enthält mit dem fürstlichen als dem entscheiden­ den und der Regierungsgewalt als dem mit der Übersicht und Kenntniß des Ganzen berathenden vornemlich das s t ä nd i s che Element damit das , was die allgemeinste Angelegenheit ist , nicht nur a n s ich sondern auch f ü r s i c h das ist mit öVentlichem Zutrauen und Bewußtseyn bestimmt werde , und das Wollen des Allgemeinen auf eine allgemeine und substantielle Weise geschehe[.] | Die Entscheidung in der gesetzgebenden Gewalt gebührt der fürstlichen Gewalt – die Berathung dem Ministerium – die Minister nothwendige Theil­ nehmer an der Ständeversammlung als Erlaüterer Erklärer . – Drittes Element Ständisches – demokratisches Element . Man nimmt die Stellung der Stände gegen die Regierung gewöhnlich als eine feindselige an – aus Reizbarkeit und Unzufriedenheit der Zeit[.] Gute Fürsten die gut regieren , sind nicht hinreichend , sondern das Gute muß durch den allgemeinen Willen und Zutrauen geschehn . – Das ständische Element hat die Interessen der Besonderheit , und es ist nicht noth­wen­dig daß es das Beste vollbringt , es kann auch auf Willkühr gehn , wie die Regierung .  – Die gesetzgebende Gewalt hat nicht bloß die Verfassung sondern die allgemeinsten Regierungsangelegenheiten zum Gegenstand , wodurch die Verfassung näher bestimmt und ausgebildet wird . 15 Übersicht] Ubersicht  

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122–124

§ 126 Die Stände machen das ve r m it t e l nd e Organ aus zwischen der fürstlichen und Regierungsgewalt , einerseits , und dem in die besondern Sphären und einzelnen Bürger aufgelösten Volke , andrer Seits . Die garantirenden Eigenschaften ihrer Mitglieder liegen theils in einem unabhängigen Vermögen , womit das Interesse für Gesetzlichkeit und Erhaltung der bürgerlichen Ordnung verbunden ist , theils in einer durch Geschäftsführung erworbenen und durch die That erwiesenen Geschicklichkeit und Kenntniß der öVentlichen Interessen und dadurch gebildeten obrigkeitlichen | Sinn und Sinn des Staates[.] Das Interesse der Stände ist theils das der Bürger , theils das allgemeine Interesse gegen die besondern Bürger und deren Eigennutz . Die Garantie für die Gesinnung der Stände kann nicht dem bloßen Zutrauen und subjek­ tiver Meinung der Wählenden überlassen werden . – Eine objektive Garantie – Vermögen und Geschicklichkeit sind daher nöthig .

§ 127 . In der Ständeversammlung erscheint ferner das Volk zunächst der Regierung ohne Vermittlung gegenüber  ; sie geht aber wesentlich aus dem in sich organischen bürgerlichen Leben hervor , welches die doppelte Grundlage eines Grundbesitzes und eines durch die Bedürfnisse der Andern und die eigene Subjektivität bedingten Vermögens hat . Jener vom Staatsvermögen und der Gunst und eben so von dem Gewerbe , wie von der Willkühr des Eigenthümers unabhängig gemacht und zu einem u nve r a ü ß e r l iche m E r b g ut gesteigert , bildet die das besondre Interesse und die fürstliche Gewalt zurückhaltende vermittelnde Grundlage , welche das Prinzip der e i ne n K a m m e r der Stände ausmacht[.] | Bei zwei Kammern ist die Entscheidung durch Stimmenmehrheit weniger der Zufälligkeit ausgesetzt[.] Das vermittelnde Element geht aus den Ständen selbst hervor (zwischen Volk und Regierung)[.] Bonaparte machte den Senat conservateur dadurch zu seinem Werkzeug daß er ihm Besoldung gab . – Stände müssen keine Besoldung haben , unabhängig seyn von der Regierungsgewalt und von dem Volke[.] Die Regierung muß nicht dem Geiste des Volkes voraneilen , sondern fol­ gen[.] 25 zwei Kammern] (2 über Zwei)kammern  

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die sittlichkeit319 § 128

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Die z we it e K a m me r enthält die bewegliche Seite der bürgerlichen Gesellschaft in A b g e or d ne t e n welche von denen aber nicht atomistisch aufgelösten sondern in ihre Genossenschaften gegliederten Bürgern gewählt werden , welchen ohnehin vorhandenen und hiedurch in den politischen Zusammenhang tretenden Korporationen das Recht der Wahl übergeben ist und womit die Existenz der Ständeversammlungen eine eigenthümlich konstituirte Grantie hat . Die Wählenden müssen nicht als einzelne Individuen auftreten[.]

§ 129 10

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Die öf fe nt l i c h e Me i nu n g die Einsicht und das Mitsprechen des allgemeinen Publikums über die Staatsangelegenheiten erhält durch die ÖVentlichkeit der Ständeversammlung ihre feste Begründung und wahrhafte Richtung , so wie eben daraus die Unwichtigkeit schlechter Urtheile und die Gleichgültigkeit der Regierung und öVentlicher Personen dagegen hervorgeht . Die öVentliche Meinung hängt mit der Preßfreiheit unmittelbar zusammen . Die Stände Bildungsmittel der öVentlichen Meinung also auch Versammlung öVentlich . Ohnedem wenig Kenntniß des Staats und dessen Angelegenheiten . – sonst Geschwätz ins blaue oder doch ins Allgemeine  ; Preßfreiheit Ersatz für Theilnahme als Stand . Hauptsache 1 , Recht auch mitzusprechen 2 , die allge­ meinen Grundsätze zu allgemeiner Kenntniß . Die öffentliche Meinung kann sich taüschen und verführt werden . Die Regierung und Stände müssen die öffentliche Meinung sowohl achten als verachten können . Politische Unterrichtung hauptsächlich durch Ständeversammlung . – 60 S . über Wiener Stubenmädchen bei Joseph  II . I I   D a s a ü ß e r e S t a a t s r e cht § 130 Der Staat hat sein Bestehn als eine Nothwendigkeit in seinen Institutionen als berechtigten und befestigten besondern Sphären , an welche die einzelnen eben so ihr besondres Recht und Existenz knüpfen . Die unendliche Beziehung der

30 6 womit] damit   16 öVentlichen] oV l  

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124–125

Individualität auf sich selbst , hat er als die negative Macht des Bestehens der Besonderheiten , deren Untergang durch den Willen der Individuen für den Zweck der Selbsterhaltung des Ganzen vermittelt ist , welches die negative Rücksicht auf sich nur zugleich als Richtung nach Außen und in von daher drohender Gefahr seiner Selbstständigkeit hat . Der Staat kann an seine Kinder die Foderung des Aufopferns machen , wenn die aüßere Noth vorhanden (Contraktion des Staats)[.] Dies Ist nicht bloß aüßere Noth , nothwendiges Übel , sondern ist auch zugleich diese Negativität sein innres Moment , er bewährt sich dadurch als Eines . Im bloß friedlichen Zustand wurzeln die Besondern in ihren besondern Sphären , und diese verknöchern sich . – Also muß der Staat sich auch als Macht zeigen die diese besondern Interessen verzehre . | Der Staat kann nicht die Aufopferung der Individuen für sich fodern bloß zu seiner Ehre , in solam Dei gloriam . – Menschenopfer einiger Völker – der Untergang der Individuen muß durch den Willen des Einzelnen vermittelt seyn . – Des Staats Negativität kann nur die Form haben , daß sie es gegen Ne­ ga­tives wird  ; und aus dieser Negativität des Negativen geht die unendliche positive Einheit des Staats mit sich selbst hervor . Das Negative was aufgehoben werden soll ist eine Noth­wendig­keit von Außen , aüßere Gefahr des Staats  ; sie ist die Bedingung der Foderung der Aufopferung für den Staat[.] Diese Stellung die im Kriege zur Erscheinung kommt läßt die fürstliche Gewalt in ihrer vollen Kraft erscheinen[.]

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§ 131 . Die Richtung des Staats nach Außen ist seine Beziehung auf andre Völker und zwar als unmittelbar selbstständige , daher sie zunächst im Verhältniß des Naturzustandes gegen einander sind . Ihr Daseyn für einander als unabhängige ­Völker kommt theils durch den abstrakten Kampf der Freiheit , theils dadurch zum ­A ne r ke n ne n  , daß sie sich als in sich geordnete und gebildete Staaten und damit die Möglichkeit rechtlicher Verhältnisse nach Außen mit einander zeigen . – Das Selbstbewußtseyn des Volkes ist wesentlich dieses sich in andern Völkern anzuschauen . Dazu müssen sie beweisen daß sie selbstständige Völker

25

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1 selbst] folgt (in lat . Schrift)  : a , (vermutlich eine mißverstandene Übernahme aus der Vorlage , s . Editorischer 35 Bericht)  

125–127

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die sittlichkeit321

sind[.] | Der Geist zeigt sich erst in der Reaktion[.] – Abstrakter Kampf der Freiheit – bey den Wilden ist dieser Trieb bloß durch Krieg ihre Freiheit und Selbstständigkeit zu beweisen[.] Der höhere Beweis , dadurch daß ein Volk sich in seinem Wesen als gebildet zeigt  ; daß es nicht bey der natürlichen Unmittelbarkeit , der Wildheit geblieben sey , sondern seinen natürlichen Willen unterworfen und ihm die Form der Allgemeinheit gegeben habe . Diese Bildung ist verschieden , so daß ein Grad der Bildung von dem andern vielleicht nicht anerkannt wird[.] So erkannten die Europäer die Mexicaner und Peruaner nicht an . – Es muß die Möglichkeit da seyn , in rechtliche Verhältnisse treten zu können . –

§ 132

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Diese Verhältnisse der Staaten beruhen auf positiven Traktaten nur als Verträgen . Der erste Grundsatz des Völ ke r r e cht s als des allgemein an und für sich gültig seyn sollenden Rechtes zwischen ihnen ist daß die Traktaten gehalten ­werden s ol le n . Wegen des Prinzips der Selbstständigkeit der Staaten aber , haben ihre Rechte nur in dem besondern , nicht in einem konstituirten allgemeinen Willen ihre Wirklichkeit . Ihr Verhältniß bleibt daher ein Zustand von abwechselndem Traktatenmäßigen Frieden und Krieg[.] Durch das Anerkennen treten die Staaten in vielfache p o s it i ve Beziehungen , deren rechtliche Seite nur durch positive Traktaten bestimmt werden kann , und auf gegenseitiger Willkühr beruht . | Es bleibt nur bey dem S ol le n des Haltens der Verträge , weil das Grundverhältniß der Staaten immer die Selbstständigkeit derselben bleibt . – Die letzte Realität fehlt , denn kein Gericht macht das festgesetzte geltend . – Die Subjektivität macht allein hier die Garantie der Traktaten . – Also keine andre Entscheidung als Krieg und Frieden[.] Verletzungen des Staats . Der Staat kann seine Ehre auch in eine geringe Verletzung legen , und seine ganze Totalität in die Reaktion legen . – Die Kriege sind wesentliches Moment . – Ein ewiger Friedenszustand würde dem bürgerlichen Verhältniß den besondern Interessen das Übergewicht geben . Kriege erhalten das frische Leben  ; in ihnen wird dem besondern Interesse seine Nichtigkeit fühlbar . – Sie sind nicht an und für sich unmoralisch , sondern noth­wen­di­ges Moment in dem Ganzen der Sittlichkeit[.]

3 Selbstständigkeit] Selbst / ständigkeit   13 Vö l k e r r e c h t s ] Vö l k e r / r e c h t s  

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nachschrift homeyer · 1818/19

127–128

§ 133 Der Krieg zwischen Staaten , die sich als solche ankündigen , enthält nur dies Recht , daß darin die Möglichkeit des Friedens erhalten und daß er nicht gegen innere Institutionen des friedlichen Staatslebens , noch gegen Privatpersonen geführt werde , sonst beruht das gegenseitige Verhalten überhaupt auf den Sitten der Nation , als der innern unter allen Verhältnissen sich erhaltenden Allgemeinheit des Betragens . Möglichkeit des Friedens erhalten . Zb . Gesandten respektirt[.] Erkennengeben daß nicht die Unterwerfung bezweckt wird[.] Der (kriegende) Staat theilt seine Unterthanen in 2 Classen den Civil und Militärstaat . Freylich jeder ist zur Aufopferung verpflichtet , diese Verpflichtung wird aber nicht bey jedem geltend gemacht . | Was die Armee thut , thut das ganze Volk[.] Der Charakter der Kriege hat in Neuerer Zeit einen allgemeinern angenommen , seitdem die persönliche Tapferkeit nicht mehr viel gilt . –

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§ 134 . Im Kriege wird aber auch die Selbstständigkeit eines Volkes , welche zu behaupten seine höchste Ehre , der Zufälligkeit ausgesetzt , und die Prinzipien der besondern Volksgeister sind beschränkte  ; über sie übt daher der unbeschränkte Geist der Welt sein Recht in der Weltgeschichte als dem Weltgerichte aus . Hegel meint die abgetretenen Provinzen brauchen nicht um ihre Einwilligung befragt zu werden , wenn das Ganze der Theile die sie sind um seiner Erhaltung willen sie abschneidet[.] Weil die Volksgeister beschränkt sind , triVt sie das Loos des Endlichen . – Die Idee die sich über diese Besonderheiten als vergängliche darstellt . – Das Daseyn der Freiheit in der abstrakten Persönlichkeit ist das formelle Recht  ; die Sittlichkeit , das allgemeine Selbstbewußtseyn , in welchem das persönliche erfüllt ist[.] In der Weltgeschichte macht sich der allgemeine Geist als a l l g e m e i ne r wirklich in dem besondern Volk als b e s ond r e r [.] |

3 Möglichkeit] Moglichkeit   10 Unterthanen] unsichere Lesung  30 b e s o n d r e r [.]] folgt in mehr­ zeiligem Abstand darunter (vermutlich als Ansatz zu einer Überschrift)  : Weltgeschicht  

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129–130

die sittlichkeit323 III D ie We l t g e s ch icht e § 135 .

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Die Geschichte des Geistes ist seine That , wodurch er als Bewußtseyn sich selbst zum Gegenstande macht , und sich erfaßt , der das , was er ist , erfassende Geist , ist der Geist der höhern Stufe gegen den , der in dem bleibt , was er ist . (Die) Weltgeschichte ist nicht das Gericht der bloßen Macht des allgemeinen Geistes oder eines blinden Schicksals , sondern die ihm als der Vernunft gemäß fortschreitende Entwickelung seines Selbstbewußtseyns[.] Einerseits erscheint die Geschichte als Werk des Zufalls – aüßere Geschichte – wo Willkühr und aüßere Ursachen die Begebenheiten herbeyführen . – Trauer über untergegangne Völker – ihre Denkmäler – das Leben ver­ schwindet das todte Werk bleibt . – Die Dauer ist nicht ein Vo r recht der Natur , sondern nur dieses , daß immer dasselbe anfängt zur Existenz kommt . – In dem Geiste ist die Geschichte andrer Art , was ihm geschieht , dies thut er  ; seine Geschichte ist nur eine Reihe seiner Thaten , wie er sich in der Existenz darstellt . Sein Thun ist nicht das zu bleiben was er ist , sondern sich darüber zu erheben , indem er sich als das was er ist , faßt . Die Natur erhebt sich nicht über | das was sie ist , sie erfaßt sich nicht , sie ist unmittelbare ­Identität des Allgemeinen und Besondern , sie unterscheidet nicht die Besondern Geist und Leib . – Die Geschichte des Geistes ist immer seine Befreyung , das was er ist sich zum Gegenstand zu machen , es zu wissen , und dadurch sich von ihm zu be­ freyen , und somit eine höhere Stufe zu erreichen . Die Geschichte ist also nothwendig fortschreitende Entwicklung des Selbstbewußtseyns[.] – Thöricht eine Form die in der Geschichte dagewesen ist , zurückzurufen . – C’est vrai[.] Das Bewußtseyn wenn es sich als Bewußtseyn zum Gegenstand hat , ist es Selbstbewußtseyn . 1 ,  Der Geist wenn er sich eine Existenz giebt , bringt sich nur so hervor , wie er ist[.] – So das Individuum ist nur wozu es sich gebildet hat . 2 ,  In den Stufen seiner Existenz , erscheinen die verschiednen Wirklich­ keiten (seines Geistes)  ; sie sind Momente seiner Idee , sein ganzes Daseyn ist diese Reihe seiner Momente . – Die Gestaltung der Wirklichkeit in der Ge-

16 seine Geschichte ist über 〈〈er ist〉〉  seiner über 〈〈v .〉〉  19 Identität] Identitat  

NB .

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schichte zeigt also die ganze Idee  ; sie ist nicht abstrakt , sondern konkret . – Der spätere Geist ist , daß er weiß was der frühere ist[.]

§ 136 . Die Vollstreckung des einzelnen Momentes in diesem Fortgang ist einem einzelnen Volke , dem dasselbe als sein natürliches Prinzip zukommt über­tragen . Dieses Volk ist für die Epoche seines Prinzips das herrschende in der Welt­ geschichte , und gegen dies absolute Recht , Träger der itzigen Entwicklungsstufe des Weltgeistes zu seyn , sind die Prinzipien der | andern Völker rechtlos[.] Jedes Moment des Geistes stellt sich als natürliches Prinzip eines Volkes dar . – Kommt dies Prinzip in einem Volk zu seiner Reife , so erscheint es als ein ausgezeichnetes , und die übrigen treten zurück . Das welthistorische Volk hat das Vorrecht daß seine Geschichte das eigenthümliche Interesse für die Nachwelt behält auch in seinen kleinern Begebenheiten . – An den natürlichen Charakteren der Völker hat sich der Weltgeist seine Prinzipien schon vorher bereitet . – (Die Völker die welthistorisch sind) Einige Völker kommen nur in weitere Beziehung mit dem Weltgeist . – Das welthistorische Volk wird sich als erobernd darstellen , und in seinen Prinzipien siegen , durchdringen , glänzen[.] – Hier scheidet sich was für das gewöhnliche Bewußtseyn der Individuen im einzelnen Staat ist , – dem sein Staat und dessen Ehre das höchste ist und der Untergang desselben als ungerecht erscheint – von dem höhern Bewußtseyn in dem sich die Ungerechtigkeit versöhnt – (christliche Religion Prinzip der Vorsehung)

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§ 137 . Die welthistorischen Reiche sind die viere gewesen  : das o r ie n t a l i s che  , das g r ie ch i s che  , das r öm i s che und das germanische . – Ältere Weltgeschichte unterschied ähnlicherweise die 4 Monarchien , wo die letzte die römische und germanische befaßte . – In Neuerer Zeit hat man die Welthistorie als Aggregat von Spezialhistorien betrachtet und wenige der­ selben als besonders nützlich herausgehoben . Der Gesichtspunkt der Wichtigkeit muß hier der der Vernunft und deren Entwicklung seyn . |

9 Jedes Moment über 〈〈Jns〉〉 〈Prinzip〉  14 Völker] Volker   15 Völker] Volker   18 gewöhnliche] gwohnl   22 Vor­sehung)] folgt Der   26 Ältere] Altere   27 die] die die   29 nützlich] nutzlch  

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die sittlichkeit325

1 ,  Reich der Erhabenheit , des Unendlichen 2 , Reich der Schönheit , wo die Erhabenheit zur Individualität und Gegenwart wird , 3 , Reich des Verstands und Unglücks . 1 ,  Reich des Aufgangs , Bewegung des Ostens gegen den Westen , das sub­ stantielle , wo die Allgemeinheit überwiegt 2 ,  In der Unendlichkeit und Endlichkeit , der Form und des Formlosen – Gleichgewicht des Geistigen das sich das Wilde , fantastische , unterwirft 3 , Reich der Trennung – zwischen der abstrakten formellen Allgemeinheit , und abstrakten ihrer Allgemeinheit verlustigen Einzelnheit . Diese Einzelnheit als geistige Einzelnheit ist in unendlichen Schmerz und Unglück versenkt . 4 , Reich des Gemüths – Überwindung des Gegensatzes , Hervorgehen des Geistes aus diesem Schmerz und Wiederherstellung zu seiner Identität . Diese ist nicht mehr substantiell , sondern kommt aus dem Innern , ist sohin geistige Einheit , – die Freyes Ganzes zu ihrem Gebiete hat . Substantielle Einheit wo auch dem Unterschied sein Recht widerfährt[.] Abstrakte Ansicht daß das höhere Moment entsteht durch Wissen des erstern , kann hier auch angewandt werden[.] Charakter nach Verfassung 1 , Despotismus daß in einer Einheit alles aufgelöst ist , das Unterscheidende nur ­vor­übergehend nicht zur Selbstständigkeit kommend 2 , Demokratie Haupt­form des griechischen Staatslebens[.] – Sie setzt Sittlichkeit in ihrer Einfach­heit – Tugend , voraus[.] – Die Einzelnen haben hier für ihre Beson­ derheit keine besondere Organisation , wodurch sie in gewaltsamem Zusammen­ hang gehalten würden , sondern sie können als Einzelne gelten , die in ihrer Sittlichkeit zugleich identisch sind[.] 3 , Aristokratisches Prinzip – Ausgangspunkt der römischen Form nicht mehr das Naive der Demokratie[.] | Die Vollendung des Zwiespalts ist die Ausbildung des Gegensatzes der den Charakter des 3ten ausmacht . 4 , Monarchie überhaupt . – vide supra Vereinigung der vorhergehenden Prinzipien – Ausbildung des Individuums als selbstständigen , zugleich kann es nach dem , wozu es sich macht Vorzüge erlangen . Die andern Völker kommen theils nicht welthistorisch in Betracht , theils schließen sie sich an diese an . –

1 Schönheit] Shonht   6 In aus Prinz .   11 Überwindung] Uberwindg   12 Identität] Idntitat   35 19 vorübergehend] vorubrghd   32 Völker] Volker  

Verschiedenheit Zerreißung Gegensatz

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§ 138 I   D a s or ie nt a l i s che We lt r e ich ist die vom patriarchalischen Naturganzen ausgehende substantielle das Recht der einzelnen Persönlichkeit in sich versenkende Weltanschauung , worin die weltliche Regierung zugleich Theokratie , Staatsverfassung und Gesetzgebung zugleich Religion , wie die religiösen und moralischen Gesetze und Gebraüche eben so Staats und Rechtsgesetze sind . Der orientalische Staat ist daher nur lebendig in seiner aüßern Bewegung , die verwüstend ist , und die Ruhe nicht eine innerlich organische Ausbildung sondern Schwäche und Ermattung . Das Bewußtseyn hat sich noch nicht von der Substanz getrennt , ­sondern ist darin versenkt . – Identität des Geistes und der Natur in der Form un­ mittelbarer Einheit , in Naturform – Patriarchalisches Wesen[.] Araber . Chinesisches Reich[.] – Das Familienverhältniß ist nur zu einer formellen Ausbildung gekommen , die Individuen sind nicht frey aus demselben entlassen , sondern werden überhaupt als Kinder behandelt[.] | Auch die Staatsbeamten wie Kinder gezüchtigt , Formen der Höflichkeit , – Höflichkeitsbezeugungen gelten als bürgerliche Gesetze . – I nd ie n  – die Epochen der Geschichte erscheinen als Inkarnationen des göttlichen Wesens . Die Trennung des göttlichen und menschlichen Wesens ist hier nicht vorhanden . – Das menschliche wird zum Göttlichen durch die Büßungen , die in Abstraktion des Denkens bestehen[.] Der Monarch und seine Fürsten sind das Abbild des göttlichen Wesens . – In dieser Einheit sind die einzelnen Per­sonen nur Accidenzen . – Alle Gesetze Geschäfte in Ansehung aüßerlicher Gewohnheiten sind religiöse Gebote . – Freiheit des Eigenthums geht entweder unter , oder wenigstens höchst beschränkt . Im Allgemeinen der Monarch Grund­eigen­thü­mer – wie Joseph auch in Egypten dies bewirkte . Die wirkliche Geschichte des orientalischen Reichs höchst einfach . – Gebirgsvolk mit patriarchalischen Sitten steigt hinunter und überrennt ein schon kultivirtes , geht in ein glänzendes über , verweichlicht , und wird wieder erobert . – Die Bewegung des orientalischen Staats ist massenhaft und zertrümmernd – , zerstörend nach Außen oder nach innen[.] Der monarchische Punkt kann hier keine Festigkeit gewinnen . Die Person des Monarchen ist selbst den Zufällen der Leidenschaft hingegeben[.]

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26 bewirkte .] folgt im Text eine kleine Zeichnung  ; daneben am linken Rande ebenfalls eine Zeichnung, beide 35 nicht recht deutbar, s . Editorischer Bericht  

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die sittlichkeit327 § 139

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II  D a s g r ie ch i s che Re ich hat die Grundlage der substantiellen Einheit des Unendlichen und Endlichen aus dem Geiste zur Geistigen Individualität heraus geboren , und zur schönen und heitern Sittlichkeit verklärt , in welcher das Prinzip der Persönlichkeit hervortritt , aber noch als in die ideale Einheit verschmolzen , so daß einerseits | die letzte Entscheidung des Handelns nicht dem Selbst­ bewußtseyn sondern einem Aüßern als einem Höhern übertragen ist  ; andrerseits die dem Bedürfnisse dienende Subjektivität ausgeschlossen und in einen Sklaven­ stand verlegt ist . Der indische Bacchus , das taumelnde Naturleben wurde in Griechenland durch die Form gemildert[.] Das natürliche ist hier nur noch ein Anklang – Apollo die Sonne aber doch davon verschieden , die geistige , wissende Sonne . – Göttliche Individualität . – Die Griechen sind , indem das substanti­ elle aufgelöst ist , natürlich in viele Völkerindividualitäten vereinzelt[.] – Zwei Vereinigungen – Achill und Alexander – Beweis der Erhebung des grie­ chischen Geistes über den orientalischen durch den persischen Krieg[.] – A t he n – Culminationspunkt – B ö o t ie r lyrisches Prinzip , Gemüth – L a c e d ä mon ie r , starre Substantialität , worin das Prinzip der Besonderheit vertilgt werden sollte – war nicht mehr an der Zeit[.] Die 2 Extreme , abstrakte Momente der Idee fielen außer der Wirklichkeit dieses Volks , das die Mitte hielt – da die Individualität sich in der Einheit aufgab . – So die letzte Gewißheit , Abstraktion des Wollens übergab es den Orakeln etc . – Die reale Subjektivität Thätigkeit fürs Besondere noch nicht in das Staatsleben auf­genommen , sondern den Sklaven übergeben . |

§ 140 III .   D a s r öm i s che Re ich ist die sich vollbringende Zerreissung der sitt­ lichen Einheit in die Extreme abstrakter Allgemeinheit und des für sich seienden Selbstbewußtseyns . Die Entgegensetzung ausgegangen von der substantiellen Anschauung einer Aristokrasie gegen das demokratische Prinzip der freien ­Persönlichkeit endigt in allgemeines Unglück und den Tod des sittlichen ­Lebens , in welchem die Besondern Völkerindividualitäten ersterben , alle einzelne zu

8 Subjektivität] Subjektivi / tät   10 Bacchus] Bachhus    14 Völkerindividualitäten] Volkerindividualitätn  23 Thätigkeit] Thatgkt  

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136–137

Privat­personen und damit zu gleichen mit formellen Rechte hinabsinken , wel­ che nur eine abstrakte ins Ungeheure sich treibende Willkühr zusammenhält . Aüßerliches Zusammenfügen von verschiedenen Stämmen scheint Rom den Ursprung gegeben zu haben . Gleich Verschiedenheit in dem Prinzip . Die Aristokrasie mag zuerst priesterlich gewesen seyn , eines der Natur nach edlen Stammes , der zugleich mit dem Göttlichen vertraut war[.] – Es fand sich gleich eine von dem Heiligen ausgeschlossene Menge , – bald feindseliges Verhältniß , des Berechtigten Heiligen und des Unberechtigten[.] – Re­ ligion entwickelt sich zu starrem Aberglauben . – Die Zeichen göttlicher Ent­ scheidung durch Vogelflug etc . bald zu Mitteln der Mächtigen herabgesetzt – Prosaische Religion[.] | Die Menge erhielt auch politisch Bedeutung ohne lebendige Durch­d ringung des Ganzen zu einer Einheit – also Aberglaube und rechtlose Gewalt andrer­ seits Menge mit gewissen Rechten , die aber nachher zu einem Pöbel sank , der den Untergang des Ganzen bewirkte[.] – In dieser Zerreissung nur Individuen von gewaltigem Charakter . – Ende – das allgemeine Unglück das über die Welt gebracht wurde , indem die Eigenthümlichkeiten nicht bloß Besonder­heiten sondern das sittliche Leben anderer Völker zerstört wurde , in der eigenen Lebendigkeit aufgehoben[.] In dem Weltreich verflacht sich alles  ; vor dem Kaiser war alles gleich wenig  ; die Gleichheit war keine Erhöhung sondern Herabsetzung . – Der In diesem Prinzip Aufhebung der Sclaverey ihr aüßeres Beginnen . – Gegenüber die subjektive Willkühr – Individuum über dem nichts mehr , kein Gesetz ist (tritt an die orientalische Anschauung heran)[.] Person bloß mit Privatrecht – Ausbildung desselben – kein konkret allgemeines öVentliches Recht .

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§ 141 . IV. Aus diesem unendlichen Schmerz als dessen Volk der Weltgeist das israelitische Reich behalten hat , erfaßt das in sich zurückgedrängte Bewußtseyn die unendliche Positivität seines Innern , die absolute Einheit des Unendlichen und Endlichen , und damit das Prinzip der allgemeinen Freiheit und Versöhnung . Eine Innerlichkeit aus welcher die Weltgestalt auszubilden dem nordischen Prinzip d e r g e r m a n i s che n Völ ke r übertragen wird[.] |

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5 seyn] zu seyn   6 Göttlichen] Gottlichen   8 Verhältniß] Verhaltiß   15 den] die   17 wurde ,] 35 wurde , ,   21 Der] Satz bricht ab  29 zurückgedrängte] zurückgetrennte  

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die sittlichkeit329

Die Philosophien der römischen Zeit Stoizismus , Epikureismus , Skeptizismus machen schon einen Übergang . Im S t o izi s m u s das Ich frey durch sich selbst . S k e p t izi s m u s Ziel der unerschütterlichen Ruhe , Wissen daß alles aüßerlich , wankt . In der christlichen Religion das Prinzip der aus dem Geist hervorgehenden Einheit als gegenwärtig für alle dargestellt  ; israelitisches Volk Geburtsstätte dieses Prinzips – der Innerlichkeit , Liebe , Identität des Ge­müths mit seinen Gegenständen – Herstellung der 1sten Einheit indem gött­liche und menschliche Natur dieselbe – der Anthropomorphismus vollkommen vollendet , aus dem Geiste erzeugt , als das innere Freiheits-Prinzip der geistigen Religion überhaupt . In ihm ist der BegriV des Geistes erst dem Selbstbewußtseyn aufgegangen[.] Die Weltgestalt aus diesem Prinzip zu bilden , ist dem nordischen Volk anvertraut .

§ 142 .

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Die Innerlichkeit als noch abstrakte Lösung alles Gegensatzes erzeugt ihn zu einem von der aus dem Gemüthe ausgehenden Genossenschaft und Treue freyer Männer anfangenden weltlichen Reiche der Feudalverfassung und der rohen Willkühr der Besonderheit , gegenüber dem intellektuellen Reiche der Wahrheit . Indem in ihrem harten Kampfe dieses sich zum irdischen Diesseits herab­ versenkt , jenes sich zum Prinzip vernünftigen Wissens erhebt , ist an sich ihr Gegensatz überwunden , und ihre Versöhnung vollbracht , welche nun den Staat zum | Bilde und Wirklichkeit der entwickelten Vernunft auszubilden hat , worin das Selbstbewußtseyn , die Wirklichkeit seines wahrhaften Wissens und Wollens , wie in der Religion das Gefühl und die Vorstellung ihrer gedachten Wesenheit , in der Wissenschaft aber die freye Erkenntniß derselben als einer in ihren sich ergänzenden Manifestationen findet . – In der Liebe , der Innerlichkeit ist die Lösung aller Gegensätze aber sie ist nur abstrakt , der Gegensatz ist noch außer derselben vorhanden , und sein ­erstes Werk diesen Gegensatz in seiner Form auszubilden , und dann daraus die Rückkehr zu sich zu finden[.] Also 2 Formen Reich der Wirklichkeit und der Wahrheit , Weltlichkeit und Kirche[.] – An der Spitze des weltlichen Regimentes der Kaiser , und an der des kirchlichen der Pabst[.]

2 Übergang] Ubergang   6 Geburtsstätte] Geburtsstatte   Identität] Idetitat   10 ist] daneben am Rande eine schwer deutbare Zeichnung , s . Editorischer Bericht  29 Rückkehr] Ruckkehr  

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139–140

Nicht Genossenschaft durch Gewalt , Familie , Gebiet , sondern durch Gemüth , freien Willen – Ausbildung in Feudalverfassung . – Von der Sclaven­ haltung unterschieden , daß Herrscher und Beherrschte eine Nation sind – Reich des Unrechts gegen Freiheit überhaupt – der Barbarey[.] – Weil das geistige Prinzip gesondert drüben steht , und das weltliche der Laien allein läßt . – Kampf des Mittelalters – die Gewißheit des intellektuellen sucht ihren Gegenstand als einen wirklichen zu finden nicht nur in der Vorstellung – Kreuzzüge[.] | Der Kampf versöhnt sich indem jeder der Gegensätze das andre Prinzip in sich aufnimmt . Die Kirche wird weltlich , der Himmel der intellektuel­ len Welt nach der individuellen Vorstellung eingerichtet . – Das andre Reich nimmt das geistige Prinzip in sich auf . Beide also stehn einander in nichts mehr nach[.] Neue Periode – Vollendung des Prinzips der Versöhnung . – Der Mensch blickt nicht mehr bloß nach Jenseits , sondern nach der Erde , wendet sich an die Gegenwart und sucht diese sich zu realisiren – er will das Wahre in sich in seinem Bewußtseyn haben , schaut in seine Hände und greift in seinen Busen . Gegenwart nicht mehr verachtet und verschmäht sondern vernünftig ge­ staltet im Staate[.] Die Religion steht ihm nicht feindselig gegenüber , son­ dern als das Gefühl , Bewußtseyn derselben Vernunft , aber in der Form des Gedachtseyns . Die lezte Versöhnung die Erkenntniß des Vernünftigen die Wissenschaft , daß es eins ist als Staat und Religion – Realisirung der persönlichen Beson­ derheit aber zugleich Befriedigung der Vernünftigkeit . – Verwirklichung der Idee im Staate , unbekümmert wie das besondere Bewußtseyn dieselbe fasse . Tendenz unserer Zeit , daß das Selbstbewußtseyn die substantielle Einheit vor sich habe , aber entwickelt daß das besondere persönliche frey gelassen wird , daß es solchen Boden finde , daß sein Thun werde thätig seyn zu einer Hervorbringung des Lebens , Verwirklichung der Idee . –

5 drüben] drubn   7 intellektuellen] intel / lektuelln   17 realisiren] realisiren .   21 Gefühl] Gefuhl  29 wird ,] wird .  

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wintersem ester 1819/20 Nachsch rift

Joh a n n Ru dolf Ringi er MIT VARI ANTEN AUS DER NACHSCH RIFT

A non ymus ( Bloomington ) und Nachsch rift

A non ymus ( Bloomington ) MIT VARI ANTEN AUS DER NACHSCH RIFT

Joh a n n Ru dolf Ringi er



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Ph i lo s o ph ie d e s Re cht s .

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Das Recht für sich ist der abstrakte Begrif . Der Staat ist die realisirung des Rechts . Das abstrakte Recht für sich nannte man häuffig Natur Recht . In dieser Betrachtung sieht man den Stat nicht als Verwirklichung des Rechts an sondern als ein Un­ glük für das Recht  : Ein hartes Schiksal worinn das natürliche Recht des Menschen beschränkt , bevortheilt und gekränkt werde . Das Recht ist so angesehn , so daß jenes abstrakte Recht und der Zustand darinn als ein verlornes Paradies angesehn wird das aber das Ziel bleiben müße das vom State wieder herzustellen sei . Das Recht wird also 1 . als Abstraktes Allgemeines betrachtet . 2tens in seiner Realisirung . Das Recht ist wesentlich die Idee , der Begriff – das Allgemeine – aber nicht als subjectiv sondern auch als Verwirklichung als Staat . Das Recht ist das Heilige auf Erden , unverlezlich . Das Heilige wie es im Innern ist , ist unantastbar , in die Wirklichkeit gesezt kann es angetastet werden . Die Aufgabe der Wißenschaft ist die Seite des Daseins zu bestimen , daß das Recht zu seiner Wirklichkeit komme , zunächst aber zu erkennen was das wahrhafte Recht ist . Diese Erkentniß scheint jezt um so nöthiger da sich alle Welt dieses Gegenstands bemächtigt hat . Die meisten haben eine Meinung und feste Überzeugung davon und machen an die Wirkliche Welt den Anspruch daß das Recht im Gedanken – verwirklicht sei[ .] | Diese Forderung gilt als etwas absolutes  ; weil es wie es im Inneren ist ein heiliges ist . Die Philosophie ist es vornehmlich die den Begriff des Rechts bestimen soll und wie die Wirklichkeit sein soll dem Begriff zu entsprechen . Zur Erkentniß des Rechts gehören gedanken[ .] Das gewöhnlichste ist daß jeder ohne speculatives Nachdenken aus seiner Brust und Kopf die Erkenntniß des Rechts unmittelbar schöpfen könne[ .] Wenn also die Philosophie den Begriff geben soll so muß sie eine Rüstkammer von Gründen sein das wirkliche zu bestreiten und zu beßern . Sie ist also

1 Ph i l o s o p h i e d e s R e c h t s  .] A B  : R e c h t s - Ph i l o s o p h i e / u n d / Po l i t i k  . / Vorgetragen vom Professor Hegel / im Winterhalbjahr 18¹⁹⁄₂₀ zu / Berlin . | Re c h t s Ph i l o s o p h i e u n d Po l i t i k  11–13 Das Recht … werden .] A B  : Das Recht ist das Heilige auf Erden , das unverlezbar seyn soll  ; das Heilige wenn es im Himmel oder in Gedanken ist , ist es allein unverlezbar . Das Recht auf 30 Erden aber kann angetastet , an­ge­g riffen werden .   13–15 Die Aufgabe … ist .] A B  : Die Aufgabe unserer Wissenschaft ist zu erkennen , was wahrhaft das Recht sey .   1–455,15 Ph i l o s o p h i e d e s … konnte .] Bis zur Seite 228 Ri stellt die Nachschrift Ri den Leittext , und die Varianten sind der Nachschrift A B entnommen .  

1Ri

2Ri

[I] A B 1A B

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3Ri

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nachschrift ringier · anonymus (bloomington) · 1819/20

ein Ideal der Wirklichkeit wo alles Unrecht ausgeglichen sei und wie man meint sei dies ideal um so treff ­l icher je weiter abstehend von der Wirklichkeit[ .] Solche Abgeschmackten Ideale sind denn auch viele geliefert worden . Einerseits fordert man also die Erkenntniß des Begriffs des Rechts von der Philosophie und daß der Begriff Waffen gewähre den Begriff zu bekämpfen . Andererseits kann gesagt werden Recht und Stat gehören dem Geist an . Er ist ihr Boden seine Freiheit ist die Grundlage des Stats , der nur die Wirklichkeit des Geistes ist . Er ist so wie sich der Geist selbst weis  : das Bestehen des Staats beruht also auf Entwickelten oder Unentwikelten Gedanken  ; Auf dem Zutrauen der ihm angehörenden . Wenn ZB . alle Bürger ihre Vorstellungen von ihrer Rechtsverfaßung auf einmal änderten so wäre die Frage  : was bleibe ? nichts als ein seelenloses Gerüste das schon in sich zerfallen wäre[ .] | Es kann dem Staat also im Ganzen nicht gleichgültig sein welche Vorstellungen seine Angehörigen vom Recht und seiner Wirklichwerdung haben . Die Philosophie als Wißenschaft hat es also nicht mit Meinungen zu thun . Meinung ist nur das Meinige , bei einem anderen kann sie anders sein . Die Erkenntniß in der Philo­ sophie ist eine Absolute – Erkenntniß des Absoluten – Die Philosophie macht so scheint es also noch forderungen von einer Absoluten Autorität zur Wirklichkeit . Allerdings ist sie nicht die Wißenschaft des Wirklichen , daß sie aus dem Wirk­ lichen als solchem das Gegebene auf nimt , was das Recht ist . Die positive Rechts­ wißen­schaft hat zu ihrem Cryterium das was gilt[ .] Indem die Philosophie aus dem innern Begriffe ihre bestimungen schöpft kann sie scheinen der Wirklichkeit gegenüber absolute Prätensionen zu machen . Es kann sein daß die Wirklichkeit mit ihr übereinstimt oder auch nicht weil sie die Bestimung hat Gedanke Begriff zu sein so scheint sie allerdings zuerst der Wirklichkeit gegenüber zu stehen – ­insofern uns nothwendig eine Vergleichung mit der Wirklichkeit eintritt . Der erste Punkt zu betrachten ist also was Zweck der Philosophie des Rechts ist und in beziehung auf die Wirklichkeit damit die Natur und das Ziel in der Wißenschaft beßer hervor gehe . Wir fangen an mit der berüchtigten Stelle Platos (Πoliteia 5)[ :] | Wenn entweder nicht die Philosophen regieren oder die Könige nicht philosophieren und Regieren und Philosophie nicht in eins fallen so giebt es kein Ende des Übels für das menschliche Geschlecht . Die höchste praetension der Philosophie ist hier ausgesprochen weil die Philosophie das Wahre erkennt und das Regieren auf dem Gedanken – dem Wissen des Wohls des Staats beruht so müßte sie auch das leitende sein . Dies ist näher zu betrachten . Wir müßen uns auf einen noch höheren Standpunkt stellen in Ansehung des Verhältnißes der Philosophie und der Wirklichkeit , eine Voraussezung jener Platonischen Stelle ist daß die Philo36–335,3 eine Voraussezung … ausgeschloßen –] A B  : Wir betrachten in der platonischen Philosophie diese Voraussetzung  : 1 , daß die Philosophie die Wahrheit in der Form des Gedankens , des Begriffs

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sophie das Wahrhafte erkennt – bestimter in Form des Begriffes . Wenn sie das Wahrhafte begreift – so ist das Wahrhafte aus anderer erkannter Vorstellung und Geschichte nicht ausgeschloßen – Die Philosophie hat nicht das Monopol der Wahrheit . ­A llerdings erkennt sie die Wahrheit ist aber nicht die eigenthümliche Gestalt derselben . In neuern Zeiten kam es zwar dahin zu wißen  : man kann die Wahrheit nicht erkenen – eine Überzeugung die den Menschen um das Bewußtsein des Göttlichen und der Wahrheit bringen würde – wenn sie fester wurzeln könnte . Die erste Behauptung im Plato nehmen wir also mit dieser näheren bestimmung an  ; 2tens liegt darin die Voraussezung daß diese Wahrheit nur ein sollen ist . Der Wirklichkeit aber entgegen . Dagegen müssen wir die wahrhafte Idee der Philosophie ver­ thei­d i­gen und behaupten . Die Wahrhafte Idee ist substantiell | der innere Begriff selbst  ; keine leere Vorstellung sondern das stärkste das allein Macht habende . Es wäre eine leere irreligiöse Vorstellung  ; das Göttliche sei nicht mächtig genug sich Existenz zu ver­schaffen  : das Wahre sei nur jenseits des blauen Himmels , oder im subjektiven Gedanken bloß im Innern[ .] Der Natur giebt man Göttlichkeit zu , aber man meint daß die Idee Gott verlustig sei Überlaßen der Meinung Willkühr Zufälligkeit des Menschen . Die Idee ist schlechthin das Allgegenwärtige , Absolute – nicht als gleichgültiger Zuschauer , sondern in schlechthin Allkräftiger , belebender Gegenwart so daß die Wirklichkeit nur der Leib ist die Idee die Seele ohne die der Leib gar nicht existiren kann – indem wir in der Philosophie die Idee erkennen so erkennen wir das Wirkliche selbst , – das was ist nicht das was nicht ist . Wenn die Platonische Republik nicht ein Mangelhaftes in sich wäre so würde sie nothwendig zur Wirklichkeit gekommen sein . Nicht so unrecht haben daher die welche von der Wirklichkeit auf nichtigkeit der Ideeen schließen , aber darinn daß die Wirklichkeit der Spiegel des Wahren sei . Ihnen ist verborgen daß die Welt nur in der Idee aufgefaßt werden kann – wie der Mensch die Welt anschaut so sie ihn . Mit der Vernunft betrachtet ist sie vernünftig , der reflexion zeigt sie ein Zerrbild in der Philosophie des Rechts betrachten wir etwas das ist nicht etwas das nicht ist[ .] | In der Philosophie betrachten wir das Reich des Geistes und zugleich die Welt der äußeren Natur , die Philosophie betrachtet das Reich des Geistes und seine

b­ etrachtet . Ist das Begreifen , Denken , so ist die Wahrheit aus den andern Formen , z . B . a u s d e m G e f ü h l  , auch | Wahrheit .   4–5 Allerdings erkennt … derselben .] A B  : Die philosophische Wahrheit hat ihre eigenthümliche Form .   23–336,1 Nicht so … Wirklichkeit .] A B  : Diejenigen haben nicht ganz Unrecht , wenn sie von Wirklichkeit , Realität , Erfahrung reden , und dagegen das Ideal 35 ein leeres nennen  ; | nur haben sie den Spiegel der Wirklichkeit nicht recht gehalten , sie nicht mit der Vernunft betrachtet , denn so erscheint die Welt auch vernünftig . Das Recht und die Wirklichkeit , das ist das Reich des Geistes .   31 betrachtet] betrachten  

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nachschrift ringier · anonymus (bloomington) · 1819/20

Wirklichkeit . – Den Inhalt der Pl a t o n i s c h e n Idee be­treffend so hat er allerdings was anderes als die Idee der Wirklichkeit ausgesprochen  : Das Princip der griechischen Sittlichkeit bringt er zum Bewußtsein dies war der griechische Geist es war in Grie­ chenland so , was Plato als Wahrheit erfaßt hat . Überall kommt uns die Platonische Gestalt der Sittlichkeit entgegen . Handlung und Individuum sind Einzelheiten welche die Äußerlichkeit angehen und dem innern durchgehenden Geist untergeordnet sind sie befinden sich nur auf seiner Oberfläche und der Geist dieser Sittlichkeit ist die Seele , das innere Princip . Die Bewegung ist auf der Oberfläche da kommt es zu Schlägen zu den Leidenschaften , die etwas zerstören oder in die Existenz bringen – Spize der Existenz . Der Geist existirt nur unter bestimmten Umständen : hier muß er sich durchschlagen . Aber diese Sittlichkeit kann in der Entwicklung des Weltalls nicht bleiben , in dieser Schöne und Gediegenheit , sie müssen in die Entzweiung hinaustreten . Das Beginnen dieser Entzweiung fühlte Pl a t o  , zu seiner Zeit trat dies Moment der Weltgeschichte hervor[ .] Das weitere Princip höherer Entzweiung erschien in der höheren Idee der Sittlichkeit nothwendig nur als ein Verderben , weil es in ihr noch nicht ausgebildet war , und zurükgekommen zur Harmonie  : so wirkte es zerstörend und so kannte es Plato und suchte es zu überwältigen indem er das höhere Princip seinem Staate nicht wollte widerfahren laßen , sondern vertilgen wie die Spartaner die Leidenschaften zu unterdrücken das Geld verbothen , aber die Habsucht nur um so tückischer im Innern ausbrechen machten[ .] Das Princip ist das der Einzelnheit des subjectiven Bewußtseins  : es ist auch in der Sittlichkeit  ; aber noch eingehüllt . Plato hatte es schon geahndet wollte es aber nicht auflößen sondern vertilgen indem er das Bild der Familie auflößte und alles was consequent daraus folgt[ .] Deß­wegen schien er nicht eine Wirklichkeit zu haben sondern nur sie zum Ideal unwirklichen weil es nicht Form des griechischen Geistes war . Das Wahre ist nicht was anderes als

1–11 Den Inhalt … durchschlagen .] A B  : Platon hat die Wirklichkeit seiner Welt erkannt , das Princip der Sittlichkeit in der Form der Einfachheit , dies ist der griechische Geist , griechische Sittlichkeit  ; dies ist es in Wahrheit so gewesen wie es Homer , Herodot , Sophokles , die Bildner der griechischen Sittlichkeit darstellen .   12–13 Aber diese … hinaustreten .] A B  : Aber die Sittlichkeit als griechischer Geist konnte nicht in dieser Form bleiben  ; sie mußte nach den Forderungen der höheren Formen in die Entzweyung lenken .   13–24 Das Beginnen … folgt[ .]] A B  : Schon Platon fühlte dies , es erschien aber diese Entzweyung in der alten Idee der Sittlichkeit als Verderben , weil sie noch nicht zur Harmonie zurückgeführt war . Auf dieselbe Weise wie die Spartaner das Geld verboten , weil es böse Triebe veranlaßte und dann nur die Habsucht tückischer im Innern ausbrach , so wollte Platon das Princip des sittlichen Selbstbewußtseyns , das die Entzweyung schuf , auflösen  ; Kein Eigenthum keine Familie , sollte in seinem Staate gelten .   19 laßen , ] laßen .   20 Habsucht] sehr unsichere Lesung   29 Sophokles ,] Sophokles .   34 Harmonie] Admonie  

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der Lebendige gegenwärtige Geist . Darum stellt die Wißenschaft kein Ideal auf[ .] Es ist der Geist der Welt den die Philosophie erkennt , | daher steht jede Philosophie wesentlich in der Zeit – erkennt das an und für sich seiende , das Gegenwärtige ewig Wahre , das kein Zukünftiges ist noch ein Vergangenes , aber es ist kein abstraktes sondern eine Gestalt weil das Leben wirklich ist – eine bestimmte Weise die Weise des gegenwärtigen Geistes ist die höchste Weise des Geistes seines Begriffs , den er von sich aufgefaßt hat , seines Selbstbewußtseins . Diese Gestalt ist allerdings 2fach . 1 . so wie sie der Philosophie angehört und 2 . die äußere Gestalt der existirenden Wirklichkeit . In seinem wirklichen Dasein ist der Geist dieser bunte Teppich der diese und jene sich durchkreuzenden Zwecke hat . Diese Gestalt betrachtet die Philosophie nicht , sondern das bunte Gewühl zurükgekommen auf den einfachen Ge­ danken , wie es ohne Zweke der Einzelheit Intereßenloses , durch das System seines einfachen Lebens ist . Im Religiösen sagt man die Weltbegebenheiten sind Werkzeuge in Gottes Hand d . h . dieser bringt alles hervor , anders als jene wollen führt jener Zweke aus , indem sie die ihrigen auszuführen suchen und gerade in diesem Handeln . Der Wahrhafte Geist , der substantielle ist also einerseits das wesentlich allgemeine Princip , was bei den Thieren Gattung ist . Die Gattung handelt bei den Thieren  : d . h . der instinkt worin die Gattung sich kund thut . Außerdem daß diese innere Natur sich an ihnen offen­bart sind sie aber auch wieder Einzelne welche dieser Gattung angehören , auf der anderen Seite sind es die Einzelnen welche die Daseiende Wirklichkeit dieses Geistes ausmachen . Das Allgemeine des Geistes füllt sie aus und auch die Einzelheit hat ihre Rechte , macht sich ihre besonderen Zweke , die Gattung ist aber nur das Allgemeine darin , die allgemeinen Interessen gelten aber auch für etwas Wesentliches . Die Leidenschaften welche ihre Befriedigung suchen sind das Bethätigende des allgemeinen das Wahre an und für sich ist träge , führt sich nicht aus . Das Thätige ist erst das Subjektive , das Verwirklichende , welches dem Allgemeinen das Abstrakte benimmt . In dieses Subjektive gehört alles

1–3 Es ist … seiende , ] A B  : Nicht überfliegen soll die Philosophie ihre Zeit  ; sie steht in ihr , sie erkennt das Gegenwärtige .   16–17 Der Wahrhafte … ist .] A B  : Näher können wir das Verhältniß so 30 ausdrücken , daß der wahrhafte Geist des Substantiellen , das Wesentliche , die Grundlage ist , was | wir bey den Thieren die Gattung nennen  ;   21–24 Das Allgemeine … Wesentliches .] A B  : Der Mensch handelt nicht als Instinkt , daher macht sich die Einzelnheit geltend , diese treten zusammen , Gemeinwesen , sie haben ihre besondern Zwecke und eben diese Zwecke sind einestheils besondere , andererseits ist die Gattung das Allgemeine darin .   24–338,1 Die Leidenschaften … nennen .] A B  : 35 Hierher gehören die Leidenschaften die ihre Befriedigung suchen  ; sie zeigen daß die Menschen im Allgemeinen ihre Besonderheit suchen . Dieß ist die Bethätigung des Allgemeinen . Die Idee bloß allgemein , führt sich nicht aus , ist träg  ; das Thätige ist erst die Subjectivität , macht das Allgemeine zu einem wirklichen Concreten , vorhandenen .  

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13–14 Werkzeuge] Werkzeu- /   30 was] was | was  

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was wir Leidenschaft nennen . Die Wirkliche Welt ist das einfache Schauspiel , daß das Allgemeine alles durchdringt und ist die Zweke des Einzelnen das Wollen des Einzelnen als Einzelnen , die bethätigende sind , das ist nothwendig zur Verwirklichung der Idee andererseits fält darein die Verwirklichung der | Zweke die zuerst ihre eigenen Rechte haben aber 2tens erhält sich das allgemeine unüberwindlich darinn vollführt sich darin . Wenn die Philosophie das Wahre betrachtet so geht ihr also diese Seite nichts an nur das Einfache Substantielle hebt sie heraus führt das Mannig­faltige auf seine Einfachheit zurük . Sehen wir durch das Microscop den Umriß einer zarten Zeichnung so wird er uns uneben und mit unregelmäßigen Rauheiten erscheinen . Fürs bloße Auge ist er schön . Das we lt l iche B e w u ßt s e i n i s t e i n s olch e s M ic r o s c o p für welches nur einzelheiten vorhanden sind . Das Getummel der Wirklichkeit führt das bloße Auge auf die einfache Wirklichkeit zurük , frei von jenem bestimten Intereße . Einerseits also treibt die Philosophie ihre Geschäfte nicht jenseits der begebenheiten sondern sie betrachtet ihre substantielle Na t u r die Philosophie ist es die das bestehen der Wirklichkeit reflectirt das Reich des Rechts , das Reich des Geistes . Sie weis daß nur existiren kann was im allgemeinen B e w u ßt se i n Geist eines Volkes vorhanden ist – die Philosophie würde es für ungereimt halten wenn man einem Volke Institutionen geben wollte die nicht sich selbst herbeiführen , nicht an der Zeit sind . Sie giebt die Sicherheit daß was an der Z e it ist nothwendig geschieht . Der Geist ist der Boden des Rechts über das Recht des allgemeinen Geistes geht kein Recht aber es ist kein Abstraktes Denken was vernünftig ist ist wirklich und umgekehrt aber nicht in der

1–4 Die Wirkliche … Idee] A B  : Die wirkliche Welt bietet das Gedoppelte dar , daß Zwecke der Individuen darin erscheinen , das Wollen der Einzelnen , das das Verwirklichende und Allgemeine ist . Diese äußerliche Seite ist schlechthin nothwendig . |   4–6 andererseits fält … darin .] A B  : Aber die Verwikkelung der besonderen Interessen tritt ein  ; da verhält sich das Allgemeine substantiell , unüberwindlich .   6 Wenn die … betrachtet] A B  : Indem es also der wirkliche Welt-Geist ist , den die Philosophie betrachtet ,  10–13 Das we l t l i c h e … Intereße .] A B  : Eben so das weltliche Bewußtseyn , für dieses sind Einzelnheiten und Verwickelungen vorhanden  ; die Philosophie führt das Getümmel der Wirklichkeit auf seine Einfachheit zurück in die stillen Räume , die frey von jenen Interessen liegen .   13–15 Einerseits also … Na t u r ] A B  : Sie treibt also ihr Geschäft nicht jenseits der Weltgeschäfte , aber die substantielle Natur derselben ist's , die sie betrachtet , sie erkennt das Recht des Vorhandenen an , denn in dem buntesten Gewebe fremdartiger Interessen doch das Entheiligende , das Allgemeine ist .   20–22 Der Geist … Denken] A B  : Verfassung ist die Sache der Einrichtung dieses innern Geistes , er ist der Boden , keine Macht im Himmel und auf Erden gegen das Recht des Geistes . Dieß ist freylich etwas Anderes als Reflexion und Vorstellungen die man so aus abstraktem Denken oder aus wohlmeinendem gerührten Herzen hervorbringt .   22 was vernünftig … umgekehrt] A B  : Was vernünftig ist wird wirklich und das Wirkliche wird vernünftig .   13 bestimten Intereße .] bestimten . Interße   28 weltliche] willk .   32 Natur] Unlust  

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Einzelheit und besonderheit das sich verwirren kann . Ein einzelnes vorgefallenes imer stört das Recht der Vernunft nicht . Die vernünftige Betrachtung erhebt darüber , was im Einzelnen widersprechend ist für etwas so wichtiges zu halten . Der Zweck der Philosophie des Rechts ist also die Basis das innere der wirklichen Welt zu erkennen das systematische Gebäude des Geistes aber in seiner einfachen Weise im Elemente des Gedankens . Die Philosophie hat insofern dasselbe Verhältniß zum Staat als die Kirche , beider Gegenstand ist das Wahre aber in seiner einfachen Gestalt in der Form seiner Ewigkeit . Das Göttliche in dieser Form gefühlt | ist in der Welt als wirklicher Geist . Die Philosophie ist nichts als die gestaltung der Religion . Der Zwek ist in Ansehung der Religion näher  : die Religion hat das Wahre – die Form seiner Ewigkeit zum gegenstand[ .] | Hiergegen die Form der Philosophie wohl auch Form des Ewigen , aber Form des reinen Gedankens , des Ewigen im reinen Elemente . Insofern die Philosophie etwas betrachtet , was der Geist ist  : so ist sie | doch eine Trennung , da sie etwas Anderes ist als der wirkliche Geist . Die Trennung erhält diese nähere Bestimmung , daß wir darauf sehen , wann die Philosophie hervortrat . Es geschah wenn der Geist in der Form des Gedankens gegenübertrat der Form der äußerlichen Wirklichkeit  ; so sehen wir sie im Platon , Sokrates , Aristoteles hervortreten , zu den Zeiten wo das griechische Leben seinem Untergang zuging , und der Weltgeist zu einem höheren Bewußtseyn seiner selbst . Auf mattere Weise finden wir dies in Rom wiederholt , indem das eigenthümliche frühere römische Leben auf­ gehört , sich anders gestaltet hat . Descartes erschien da das Mittelalter ausgelebt war . Die Concentration des geistigen Lebens wird endlich geboren , wo Gedanke und Wirklichkeit noch nicht Eins waren . Wenn diese Concentration sich in den Unterschied entwickelt , wenn die Individuen frey wurden und dann das Leben des Staates auseinandergegangen ist , dann sind die großen Geister hervor­ getreten . Die Philosophie tritt als der sich abscheidende Geist hervor , wenn sie grau auf grau gemalt , dann ist die Scheidung an Leib und Seele | ergangen  ; nicht die Philosophie ist’s die den Bruch bringt  ; er ist schon geschehen  ; sie ist sein Zeichen . Wie ist dieser Bruch zu betrachten ? Wir könnten meynen , er sey nur ein ideeller , kein wahrhafter Bruch , daß der Geist die Wirklichkeit als todten 9 Die Philosophie … Religion .] A B  : Die Philosophie gehört von dieser Seite zur Kirche als gestaltete Religion .  

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1 vorgefallenes] unsichere Lesung  3 etwas] so (?) etwas   11 gegenstand[ .]] Der Text bricht oben auf 35 der Seite nach Beginn der vierten Zeile ab und setzt nach fünfzehn unbeschriebenen Seiten (mit einer Textlücke)

auf der Seite 25Ri wieder ein .  12–346,15 Hiergegen die … hinzu . –] Der Text folgt A B bis zum Wieder­ einsetzen von Ri .   16 sehen] sahen   wann] wenn   32 gestaltete] gesteigerte (vgl . Ri)  

9Ri

8A B 9A B

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Leichnam verläßt , ein Weltzustand , wo die freye Philosophie und die Ausbildung der Welt übereinstimmen . In dieser Ansicht gäbe die Philosophie die vermeintliche Opposition auf und das was ihr wahrhaftes Ziel ist  ; denn es liegt in ihr das ­Moment der Versöhnung , sie soll die Trennung in dem verschiedenen Bewußtseyn aufheben .

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Ue b e r s icht d e r W i s s e n s ch a f t

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12 A B

Unser Gegenstand ist das Recht  : dies gehört dem Geiste an und zwar der Seite , die wir Willen nennen . Wir fragen nach der Natur des Willens , des denkenden Willens , der den Ausgangspunkt für das Recht macht . Der wollende Geist in seinem ganzen Umfang will den Geist als Natur , als vorhandene Wirklichkeit schaffen . Das Recht ist dagegen des Willens . Der Wille heißt frey , weil er erst ein Inneres , sich zu etwas Anderen , | zur äußeren Wirklichkeit macht . Dieß seine Freyheit . System des Rechts ist nichts anders , als System der sich verwirklichenden Freyheit . Der Geist ist mehr oder weniger ein abstrakter Geist  ; der concrete ist der vielfache , mannigfaltige in sich . Das Concrete fällt in den Ausgang , nicht in den Anfang . Der Ausgang ist dieser , daß er in der höheren Bestimmung das was er früher ist , mit sich nimmt , er fängt vom Einfachen an , nicht so concret . Das Recht des Weltgeistes macht den Beschluß . Vergleichen wir unsere Wissenschaft mit der positiven Wissenschaft . Das positive Recht lehrt uns den Gesichtspunkt kennen , was in diesen und jenen Fällen Recht sey  ; ob dieses dem oder jenem gehöre , lehrt eine Handlung be­ur­thei­len . Dieser Gesichts-Punkt erscheint hier als Mittel für die einzelnen Fälle , daß für Jeden das Recht ausgemacht werde . Die Vernünftigkeit erscheint als Mittel , daß die Menschen zu ihren Sachen kommen . Das Wesentliche scheint die Sache zu seyn . Was hier als | Art und Weise bloß ausgesprochen wird , ist uns das Wesen  ; was dort im Zustande und Verhältnisse nur als vernünftig gilt , nicht aber daß der Geist seine Begriffe darin befriedigt . In dieser verschiedenen Stufe ist das ­Geistige , was uns hier allein beschäftigt zu Hause . Den Schein des Geistes , das Gelten des Allgemeinen betrachten wir darin  ; nicht suchen wir den Nutzen , nicht wie Ruhe , Ordnung , Besitz gesichert wird  ; – uns ist das Vernünftige der erste und wesentliche Zweck . In unserer Betrachtung , wo das Vernünftige der Zweck ist , treten die Zwecke der Besonderheit (das Advokatenwesen) zurück . Der Geist soll sich befriedigen . Hier haben wir dasselbe Interesse wie in der Religion , ein geistiges Leben zu leben . Den Geist in der Einrichtung der Welt zu finden , Versöhnung des Geistes mit der Welt , ist unser gottesdienstliches Werk . 14 Freyheit .] Freyheit ,   16 er] es  17 er1] es  26 nur] uns  

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Die unendliche Güte des göttlichen besteht darin , daß es den Individuen sich preis | giebt , und das Recht der Besonderheit gewähren läßt . – Darin finden wir die Nützlichkeit , wo etwas Mittel für den Zweck wird . Das Individuum macht sich selbst zum Zweck , dies soll nun absolute Grundlage der positiven Rechtswissenschaft seyn . Doch ist gewissermaßen Ton geworden daß diese positive Rechtswissenschaft herabschaut auf das Vernünftige . Wir stellen das Recht in seiner Totalität dar , dies zu entwickeln unser Fortgang . Die Anwendung für’s Besondere gehört nicht für unsere philosophische Rechtswissenschaft . Vollständig entwickelt würde sie denselben Umfang wie die positive Rechtswissenschaft gewinnen  ; aber Anwendung ist nur Sache des Verstandes , der das Einzelne unter das Allgemeine ordnet , nicht philosophische Untersuchung .

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E i n t he i lu n g

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1 ,  Der Wille , die Freyheit in der ersten Abstraktion , das ist  : die persönliche Freyheit . Person , nichts als abstractes Freyes ohne allen | Inhalt , ist Freyheit als Freyheit eines Einzelnen . Die Abstrakte erscheint in Form der Unmittelbarkeit . Dies ist die einzelne Person . Sie ist formell , weil die Freyheit noch in ganz formeller Weise vorkommt . 2 ,  Der moralische Standpunkt , nicht Ethik als Tugendlehre . Die Freyheit erscheint in ihrem ersten Anderswerden  ; die Reflexion der Wille als reflektirend , sich unterscheidend , die eben damit in sich ist , in der Unterscheidung , Stufe der Differenz . Der moralische Standpunkt hat den sich selbst gewissen Willen , das Innerliche zum Princip  ; Forderung der eigenen Einsicht  ; daher Standpunkt der Absicht , des Gewissens , zugleich Standpunkt der Entzweyung . – Die Moral spricht ein Sollen aus , macht sich zu einem Besonderen . Hier tritt das Woh l ein . So ist das Erste das Recht der abstracten Person , das 2te das Recht der besonderen Person  ; das 3te das Recht beyder zusammen . 3 , Standpunkt der Sittlichkeit . Die beyden | ersten Momente sind beyde einseitig , ideell  : ihre Wahrheit ist ein Drittes . Da ist der Willen als einfach unmittelbar , dem Begriff gemäß an und für sich . Vereinigung des Willens in seiner Subjectivität , dies der sittliche Standpunkt , der der Wahrheit . Dies ist der concrete Geist , im Anderen auch ideell . Was an und für sich Wille ist , daß dies ohne innere Wahl auch Sitte , immer die Natur ist , daß überhaupt die Freyheit eine Nothwendigkeit , wie die Natur sey , geht auch in diesem Standpunkt . Für diesen ist das Gewissen , die Moral nur Uebergang , nicht mehr wesentlicher Standpunkt  ; das

35 28 Wahrheit] Mehrheit  

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ist das Recht des wahrhaften Geistes , höher als das des Formellen . – Der sittliche Geist ist wieder  : a , Unmittelbar sittlicher Geist . Auf diesem Standpunkt haben wir den Begriff dieses Geistes . Aber er ist es nur , weiß nichts von sich , ist unser Gegenstand  ; aber keine Bestimmung soll in uns seyn , die nicht in dem ist , was Gegenstand ist  ; | er selbst soll sich der Gegenstand seyn . Die unmittelbare Sittlichkeit ist die na­ türliche in der Form der Empfindung  ; in ihr Geist der Familie , die Hausgötter , die Liebe . Diese ist dieses , daß ich nicht bloß in mir als Einzelnes bin , sondern mein Selbstbewußtseyn in dem eines Andern habe  : ich bin selbst und bin ein Anderes . Mein Selbstgefühl ist nicht beginnende Einzelnheit , enthält eben so unmittelbar ein Anderes . b ,  Das zweyte ist Standpunkt des Anderswerdens , Entfremdung des sittlichen Geistes  : er zerfällt in sich  ; die Individuen als Einzelne oder Familie haben Beziehung nach außen  : die Stufe der Abhängigkeit erscheint nach verschiedenen Seiten  : System der Bedürfnisse , bürgerliche Gesellschaft nach ihren drey Momenten  : α , Unmittelbare Arbeiten für das Bedürfniß mit Wechselbeziehung der Individuen , wo jeder zunächst für sich sorgt , aber nur indem er die Bedürfnisse der Einzelnen befriedigt .  | β ,  die RechtsVerfassung sorgt , daß die Sittlichkeit wirklich werde , daß das Allgemeine der Freyheit erhalten werde . γ ,  die allgemeine Ordnung der bürgerlichen Gesellschaft und das Anordnen dieser Ordnung  ; der Nothstaat , die Polizey entsprechen dieser Bestimmung die bürgerliche Gesellschaft in äußerer Ordnung zu erhalten . c ,  das dritte ist das sittliche Ganze , der Staat , der sich als solches Ganze der Zweck ist , der Geist des Volks , das höchste Recht . Hier unterscheiden sich ­w ieder  : α  der unmittelbare , sich auf sich beziehende Staat . Gliederung , Verfassung , inneres Leben in sich selbst . β , daß er das Besondre ist , verhält sich zu Andern , hat eine bestimmte Zeit , tritt auf gegen andere Staaten . Äußerliches Staatsrecht , Verhältniß des Volksgeistes zu Volksgeistern .  | γ ,  daß dies unmittelbare Verhältniß sich aufhebt  : die factische Beschränkung des VolksGeists . Weltgeschichte . Weltgericht . Daraus gehet der Geist als allgemeiner Geist hervor . Realisirung seines Selbstbewußtseyns die Welt­ geschichte Erzieherin des Geistes , daß er sich als das Allgmeine weiß , das Recht des allgemeinen Geistes ist das höchste Recht . 1 das] der   13 er] es   26 Volks] Vollks   31 Volksgeistern] Volks / geistern   32 factische] tactische   33 Weltgericht] Volksgericht   35 er] es  

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Die Wissenschaft des Rechts ist ein Theil der Philosophie ein Glied des Ganzen  ; als solches ein Nothwendiges , ein Ergebniß vom Vorhergehenden . Den Begriff des Rechts zu begründen , das fällt nicht in sie selbst , das ist das Vorhergegangene . In der aphilosophischen Wissenschaft treibt man es also  : Sie fragen was ist in den mannigfaltigen Vorstellungen von Recht die wir haben das Allgemeine . Da macht man sich eine Definition , die soll entsprechen dem was in unserer Vorstellung liegt . Freylich gesteht das positive Recht sich selbst ein  : omnis definitio juris est periculosa . Scheinbar fangen wir | einseitig an , die Philosophie zeigt aber daß ihr Ende im Anfange ist . Wir nehmen den Begriff des Rechts als Lehrsatz (Encyclopädie  : § 400) als eine Stufe des Geistes , die als Höheres hervorgeht . Der Geist in seiner Unmittelbarkeit ist das ganz Allgemeine , das sich in sich noch nicht Unterscheidende , die Wahrheit der Natur , Weltseele , reiner Aether in dem Alles aufgelößt ist , Allesdurchdringend . Da ist es der ganz natürliche Geist , ohne Freiheit , ohne Persönlichkeit . Der noch schlafende Geist , der zurückgehende aus seiner Besonderung , unterscheidet die Welt nicht mehr von sich , geht so in das Ganze zurück . Ein Gefühl , eine Annäherung zum Bewußtseyn , kommt im magnetischen Schlafe vor , einem Zustand den man den pyromantischen , nennt , denn der Besonnene hat keine Weissagung . – In diesem Schlafe finden wir keine Erholung , der Geist fällt in die niedere | Stufe der Einheit mit der Natur zurück . Diese Allgemeinheit ist dem Begriff des Geistes nicht angemessen , seine nächste Stufe ist in das Bewußtseyn zu treten  ; im Bewußtseyn ist die Natur als äußerliche Welt für mich . Es ist dieß der thierische , der paradiesische , der ungeistige Zustand . Die zweyte Stufe ist daher die Stufe des Verhältnisses gegen die Welt . Die wahrhafte Stufe ist die dritte  ; der Geist als Geist , wo er Vernunft ist , daß der Inhalt der Seinige ist . Diese Verwandlung macht den Prozeß der Intelligenz aus  ; das Denken ist die höchste Stufe der Intelligenz  ; jene hat sie vollbracht , wenn ich denke so ist es ganz das Meinige  ; denke ich die Welt , so habe ich sie durchdrungen  , be­g riffen . Dies ist der theoretische Geist (Intelligenz) . Im Denken wird der Gedanke frey  : wenn er nicht mehr in der Einfachheit des Denkens rein ideell , wo das Mannigfaltige verschwindet , | gehalten wird . Diese Vorstellung kann nicht zu ihrem Unterscheide dienen , ist nicht von mir unterschieden , sondern so ganz null . Der Geist macht diese Bestimmung , daß sie nur subjectiv sey  ; er hebt aber diesen Mangel wieder auf , macht diese Bestimmung zu einem mit sich .

8 fangen] fragen  10 § 400] § 900   Höheres] Rauheres   17 pyroman35 7 definitio] definitis   tischen] pirophalischen   22 ungeistige] ungünstige   27 die] der   28 theoretische] moralische   34 einem] eines  

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Der Wille ist die umgekehrte Bewegung , macht das Seinige zu einem Nichtseinigen , hebt die Subjektivität auf , giebt die Objektivität , doch so daß diese ­Objectivität zugleich die Meinige ist . Dieses die Stufe des Willens die wir auf­ zufassen haben . Wenn ich etwas will , habe ich einen Zweck , dieser ist etwas Gedachtes in mir , sein Mangel , daß er nur in mir ist  ; insofern ich den Zweck ausführe aus mir heraus gebe ich ihm Wirklichkeit . Da hat der Geist sich gemacht zur Einheit des Subjectiven und Objectiven , sein Zweck ist subjectiv , diesen führt er aus , dies sein Object . Der Geist ist Subject- |O   bject . So ist alle Wahrheit ein Widerspruch , die Auflösung des Widerspruchs ist darin enthalten , neutralisirt . Nicht soll man bey der Identität der Einheit stehen bleiben . Der aufgelöste Wider­spruch enthält beydes . (Satz) Der Willen ist also der Geist , dem die Bestimmungen zu den Seinigen geworden sind , der in sich Bestimmungen hat , die aus ihm kommen , die er bey dieser Einseitigkeit nennt . Der Wille ist ferner betrachtet worden 1) Wille in sich oder an und für sich . Darin enthaltene Momente . Zunächst findet jeder in seinem Selbstbewußtseyn diese Momente . Wir reflektiren auf den Willen , so merken wir , daß er ist das reine Abstrakte , das reine Denken  ; ich kann mich vollkommen leer machen , reinigen von allem Inhalte . Wir gehen von einem Gegenstande zu dem Andern über  ; ich kann Alles aufgeben , allen Banden entsagen , an die | ich geknüpft bin , kann den ganzen Umfang dieser Bande meiner Existenz , auch diese kann ich aufgeben (mit dem Tode) . Es ist das Moment der vollkommenen Unbestimmtheit , Allgemeinheit  ; sage ich zu mir  : ich  , so bin ich aus der Welt geflohen , zu diesem reinen Licht , wo aller Unterschied sich aufgezehrt hat . Dies ist das Moment der Freyheit , – regellos . Der Geist weiß sich frey daß er Alles aufgeben kann , sie mögen ihn greifen wie und wo sie wollen , er flieht in seine Innerlichkeit  ; es ist die Freyheit des Verstandes die an einem Moment festhält . Er kann zu nichts gezwungen werden . Nicht so das Thier  ; es ist eine subjective Lebendigkeit , kann sich aber nicht von der Besonderheit seiner Existenz unterscheiden . Aus jener VerstandesFreiheit gehet der Fanatismus der Freiheit hervor , der darauf ausgehet Alles Bestimmte zu vernichten , der Alles besondere ansieht als etwas Fremdes , will immer das Besondere verschieden von dem Allgemeinen setzen . Wo für ihn | eine Besonderheit wird , sieht er sie als verdächtig an . Jedes Einzelne wird verdächtig , obwohl es jezt so erscheint , könnte es auch anders seyn . Dieser Fanatismus war das Moment der französischen Revolution gewesen , da sie die Freyheit sich zum Ziele setzte  ; nur

1 Seinige] Sinnige   1–2 Nichtseinigen] Nichtsinnigen   12 Seinigen] Sinnigen   16 diese Momente] dieses Moment   18 reinigen] reingesehen   21 diese] diesen  

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im Vernichten Aufheben des Besondern , fand sie ihre Wirklichkeit . Sie wollte einen gewissen politischen Zustand  ; aber so wie ein Zustand seyn oder werden will , thun sich Unterschiede hervor . (Krystallisationen) . Da will der Fanatismus nichts wirklich werden lassen . Eben so kommt das Moment der Verstandes­ freiheit vor im Stoicismus , eben so bey den indischen Gymnosophisten , die in die Einheit mit der Gottheit , in leeres Speculiren sich in sich zurückziehen  ; alle äußerliche Gedanken und Daseyn in sich nehmen . So entstanden auch die Mönche im Mittelalter  ; sie fanden sich in der Wirklichkeit nicht , daher gingen sie in sich . 2) daß ich zum Unterschied , zum bestimmten gehe  ; mache mich zum Bestimmten . | Hier sind verschiedene Gegensätze zu lösen . Das Unendliche tritt erst hinaus in dies Endliche . Diese leere Allgemeinheit , diese Unbestimmtheit ist schon das Andere , das was sie zu seyn nicht meynt , eine endliche einseitige Abstraction , das Unbestimmte ist selbst das Bestimmte , da es dem Bestimmten entgegenstehet , so das Allgemeine dem Einzelnen , das Unendliche dem Endlichen gegenüber . (Logik) . Der Wille tritt heraus in die Besonderheit  ; dies ist das Moment der Endlichkeit . In dieser Besonderheit unterscheiden sich besondere Formen . Als Zweck , ganz äußeres Daseyn , hat die Besonderung des Willens die Form eines Subjectiven , diese Besonderung gehet uns hier nicht an , da er nur formeller Wille ist , gehört die Stufe dem Selbstbewußtseyn an , wo ich ein äußeres Daseyn gegenüber erkenne . Der Wille giebt sich eine Form . Wir nennen diesen Inhalt den Zweck . Er giebt sich Form , setzt Bestimmungen in sich , diese sind | Bestimmungen im Willen . Dadurch haben sie die Form dieses oder jenes Besondere zu seyn , in sich reflectirende Bestimmung . Daraus werden sie Inhalt . Dieser ist ihre Form vorgestellt als in sich reflectirt . Hier folgt der Uebergang zur Begränzung , d . h . er setzt sein erstes Moment als das , was es ist . Der exemplarische Wille hat nur besonderen Willen . 3 ,  Das Dritte ist die Wahrheit dieser Beyden , Einheit beyder Momente , Endlichkeit und Unendlichkeit identisch gesetzt , so daß die Besonderheit selbst als Allgemeinheit gesetzt ist , daß ich diese Besonderheit als die Meinige habe . Ich setze diese Bestimmtheit als identisch mit mir , schließe mit dieser Besonderheit mich zusammen , ich beschließe , ich entschließe mich , dies ist der concrete Begriff . Ich trete in das Daseyn , in die Wirklichkeit als ein mögliches , der ich von dem Inhalt abhängig bin , beschlossen habe , es ist mein Zweck . Dies ist ein speculativer Begriff  : sprechen wir philosophisch , so kann die Speculation nicht umgangen werden . Die | Folge war

9 2)] ?  19 er] es   20–21 gegenüber erkenne] gegenübererkenne  

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a , In der Begränzung unbegränzt zu bleiben b , In der Besonderung Allgemeines zu bleiben c , In der Negation zugleich positiv zu seyn . Dies ist die Negation der Negation , das Aufheben der Grenze  : dies ist die wahrhafte Unendlichkeit  ; Begriff des Willens , darin die Freyheit . Der speculative Begriff des Willens ist die Freyheit , dies der Anfang unserer ganzen Wissenschaft . Daß und ob wir frey seyen , hat man in der Philosophie abgehandelt , warum nicht auch , ob das Wasser naß sey . 1 , Allgemeinheit 2 , Besonderheit 3 , Einzelnheit . Diese Totalität des Begriffs , Subjectivität , Alles Vernünftige ist der Schluß . Ich beschließe etwas , fasse den Entschluß . Wille ist zunächst das Unbestimmte , ist | Totalität in sich , schließt sich auf , ist das Seinige , es tritt kein Anderes hinzu . – Beziehung der Negativität auf sich ist sich negieren – Das Negative ist das Unbestimte – Der freie Wille kann nichts anderes wollen als sich selbst . Denn er ist nur sich Inhalt Zwek und Gegenstand . Wenn wir nach dem Inhalt fragen so fragen wir nach einer Besonderung . Das Ich das mir Gegenstand und Zwek ist muß Besonderung in sich haben daß es inhalt sei . Dies eben ist , daß der Wille nicht das A b s t r a k t e sondern das C onc r e t e ist . Dieses ist denn also seine Substanz . Ferner ist also mein eigener Inhalt  : d a s Ich s e l b s t . diese Bestimmungen sind zunächst an sich oder unmittelbar , oder ich finde diese Bestimungen in mir es sind die meinigen . diese Substanz ists was sich von mir als Abstraktem unterscheidet . Der Geist ist selbst das Sistem deßen was er will  ; doch dieser Inhalt hat die Form von Unmittelbarkeit und deßwegen hat er nicht die Form die ihm zugehört . Diese Form ist der Natur des Geistes unangemeßen . Dieser Inhalt muß ihm entsprechend gemacht werden nicht nur dem Inhalt nach sondern auch der Form

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16–17 Beziehung der … Unbestimte –] A B  : Die Beziehung der Negativität auf sich ist negiren , 30 sich bestimmt sezzen .   20–26 Das Ic h … unterscheidet .] A B  : Das Ich das sich selbst will ist ganz abstract und einfach  : es muß besondere Unterschiede haben um ein Inhalt zu seyn . Dieses ist , daß der Geist nicht ein Abstractes ist , sondern ein Concretes . Der Begriff des Willens ist nur zunächst ein Inhalt . Diese Substanz ist es , die in mir will .   35 4 die Negation … Negation] d . Negative d . Negative   5 speculative] schf .   6 Anfang] Andem   35 7 frey seyen] fest stehen   16 Beziehung] Von hier an folgt der Text wieder der Nachschrift Ri .   25 Abstraktem] Abstrkts   25–26 unterscheidet] untr / scheidet  



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nach . Er muß die Form des Meinigen noch haben[ .] Diese Form des Meinigen ist das ­Allgemeine . Diese Form des Allgemeinen macht zunächst den Inhalt des Willens .  | Wenn wir sagen wir haben Triebe und Neigungen so ist dies nichts anderes . Diese Triebe sind natürliche Triebe . Der Inhalt dieser Triebe ist ganz der unsrige . In diesen Trieben wißen wir uns . dieser Inhalt diese Bestimungen sind es w ­ elche zunächst einzeln erscheinen[ .] Wir sagen sie sind uns eingepflanzt – d . h . sie sind unser eigenes immanentes auch heißt es sie kommen von außen her . Die Triebe heißen insofern Triebe als wir sie zunächst noch haben . Diese Triebe nun sind nicht Momente Eines Sistems sondern ve r s ch ie d e ne nebeneinander[ .] Der Mensch ist also die Samlung dieser Triebe ein bloßes Aggregat . Diese Triebe sind deßwegen die Mächte welche unser Leben regieren aber wir fühlen uns regiert dadurch daß sie für uns etwas fremdartiges haben . Ich finde mich im Triebe frei insofern es mein eigenstes Wesen ist , das will – aber ebenso auch unfrei und zwar jemehr es L e id e n schaft ist , (ich leide dabei)[ .] Leidenschaften sind eben so wie bei der Krankheit des Körpers wo sich die Lebenskraft auf e i n System hin­geworfen hat .  | Ich (das Abstrakte) will und ich will aber zwischen diesen beiden Ich ist noch eine Trübung . Dies Verhältniß ist nun kurz zu betrachten – Ich verhalte mich also zu meinem Wesen . Ich als das Allgemeine stehe zugleich formell darüber diese meine formelle Subjektivität – welche von dem Einen besonderen übergehen kann zu dem anderen dies ist der Standpunkt der Willkühr überhaupt[ .] Die Willkühr ist also dies  : wehlen zu könen und dies kann ich weil ich abstraktes Subjekt bin , als welches ich das Concrete nehmen oder laßen kann . – Dieser Wille ist der

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… nebeneinander[ .]] A B  : Die Triebe haben zu ihrer Grundlage Bestimmungen unseres Geistes . Sie heißen natürlich , insofern sie überhaupt die Form der Unmittelbarkeit haben .   10–11 Der Mensch … Aggregat .] A B  : Der Mensch erscheint so zuerst als eine Sammlung von verschiedenen Trieben , wie solches auch in der empirischen Psychologie dargestellt wird .   13–17 Ich finde … hat .] A B  : – Die Unterschiede der Ideen erscheinen zunächst als bloß verschiedene Triebe . – Im Triebe bin ich um so unfreyer , je mehr er zur Leidenschaft geworden ist . Die Leidenschaft ist insofern eine Krankheit , auf dieselbe Weise wie im Organismus , wo die Kraft des Lebens sich auf einen Theil der Organisation geworfen hat . –   18–20 Ich (das … Wesen .] A B  : Zwischen dem einfach Allgemeinen dem Ich , und dem Wesen steht noch etwas Trennendes , und dieses | ist die Form der Unmittelbarkeit .   24 als welches … kann .] A B  : Vornämlich heißt man Willkühr den Willen , insofern er wählt , etwas Besonderes überhaupt , nicht als das Gute , da dieses das an und für sich Allgemeine , Objective , ist .  

25 6–10 In diesen

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5 ist ganz … unsrige] sd gnz die unsrigen   10 nebeneinander am Rande mit Verweiszeichen   23 abstraktes] abbstrkt  

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nur wo ein System das andre voll­ kommen begränzt und so also keines ­vorherrscht  : nur da ist vollkommener ­Einklang völlige Gesundheit .

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natürliche Wille überhaupt , sein Sistem ist ein natürliches es ist von der Natur getrieben . Dieser geht uns hier nichts an . – Das System der Glükseeligkeit bleibt bei diesem bloß natürlichen Willen stehn  ; wo man durch Neigungen und Triebe zu wählen hat um Glükseelig zu sein . Es ist hier also ein Gegensaz vorhanden . Es ist noch eine Trennung da . Diese wird aufgehoben . daß die Form der Natürlichkeit aufgehoben wird . | Dadurch wird dies nun also ein vernünftiges Sistem . – Es ist darum zu thun daß die Triebe und Neigungen Momente des Einen nur sind . Diese Erhebung ist die Erhebung dem Begriffe nach[ .] In dem Individuum muß die Erhebung der Triebe als Momente erscheinen . Die Erziehung bildung Zucht ist dieses daß das Natürliche Wollen dem Individuum abgethan wird und diesem diese Triebe ihre Vernünftigen Begränzungen erhalten (man erinnere sich an den Körper und die Einzelnen Theile – Krankheiten deßelben)[ .] Die Zucht bringt zuerst also das Intereße hervor  ; sie streift den natürlichen Willen ab . Den Trieben wird die Form der Natürlichkeit abgethan . Dies geschieht zuerst durch Gehorsam . (Wer nicht gehorchen gelernt hat kann auch nicht befehlen[ .]) Der eigene Wille muß sich zum substantiellen erheben – Die Furcht des Herrn ist der Weisheit anfang – das natürliche in mir hat gezittert  ; dadurch ist die Natur in Flüßigkeit in Bewegung gekomen[ .] Die Carakterlosigkeit der Menschen komt dann eben daher daß sie nicht Gehorchen mußten . | Die Carakterlosigkeit der Menschen ist Folge der Zuchtlosigkeit . Im Triebe liegt es ein recht unmittelbares zu sein . Insoferne die Triebe nebeneinander sind so collidiren sie oft . Diese Collision kommt von ihrer Besonderheit her . Die Hauptsache ist daß die Wahrheit der Triebe ihr Wesentliches ist . Diesen Übergang kann man die Reinigung der Triebe nennen[ .]

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5–9 Diese wird … erscheinen .] A B  : Die Form der bloßen Natürlichkeit ist abzustreifen und der Inhalt des Willens zur Allgemeinheit zu erheben , so daß der einzelne Trieb zu einem ideellen Moment des Ganzen wird . Dies ist also die Erhebung dem Begriffe nach .   12–14 Die Zucht … abgethan .] A B  : Die Zucht hebt also einerseits die Trägheit auf , das dumpfe Ver­sunkenseyn der Natur in sich selbst  ; sie erweckt ein Interesse und einen Gegensatz  ; alsdann besteht die Bildung des Individui darin die Natürlichkeit abzuthun .   16–20 Die Furcht … Zuchtlosigkeit .] A B  : Hierdurch wird das natürliche Wollen gebändigt , die Furcht des Herrn , heißt es in diesem Sinn , ist der Weisheit Anfang . Die Furcht ist , daß ich die Negativität meiner , als eines Natürlichen in mir gefühlt habe , die Natürlichkeit ist in Anregung und Flüssigkeit gekommen dadurch daß sie durchrüttelt ist . – In der Periode wo man den Willen als natürlich gut betrachtete , ist die Ungezogenheit zum Princip gemacht worden .   20–23 Im Triebe … nennen[ .]] A B  : Die Bestimmungen des Triebes sind zu­f ällige | nicht solche die in seiner Natur liegen . Die Reinigung der Triebe ist der Uebergang derselben in die Form der Allgemeinheit .   7 nur] mir (unsichere Lesung)  8 muß] müßen  14 wird] rden   22 ihr] ihre   24 der2 ] den   32 durchrüttelt] durch ­r ittelt  

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Es sind 2 Ansichten[ .] Die Triebe sind wesentliche Bestimungen des Willens  ; Die Triebe und Neigungen sind nicht in ihrer Wahren Form da deßwegen müßen sie herausgerißen werden eben weil sie die Form der Unmittelbarkeit haben . Der Geist aber ist nicht ein Abstractum sondern ein in sich gliederndes System . Diesen Inhalt ausrotten hieße den Geist zu einem Abstractum machen – was man das Mönchische nennen möchte . – Man sagt wohl auch  : der Mensch ist von Natur gut – er habe eine Natürliche Neigung . Es hat ein Alter gesagt  : die Menschen hätten aus den Leidenschaften den Stoff zu den Göttern genommen . Aber in der Form von Trieben ist der Geist nicht in seiner wahren Form . Diese Form der Unmittelbarkeit ist es was die scheidung ausmacht zwischen dem f ü r   s i c h und dem a n s ich des Willens und dies ist dann dieser Begrif ist mein ganzer Zwek er ist für mich .  | Vom Eigenthum kann man sagen wir haben den Trieb , solches zu haben in der Familie zu leben – aber wenn man dies so faßt so sind diese Bestimmungen bloß g e f u nd e ne [ .] Es ist der Gegenstand dem Willen nicht von außen gege­ ben sondern was ihm gegeben ist ist nur das innere der Freiheit . Der freie Wille will nichts anderes als frei sein . Der Wille will also sich selbst . Oberflächlich betrachtet kann es als der Eigennuz betrachtet werden[ .] Aber der Wille will sein Wesen[ .] – Es ist ein Mißverstand noch zu bemerken  : Wenn man sagt der f r e ie Wille so ist es so zu sagen nur Ein Wille , aber wenn der Wille in seinem Begriff ist so ist er nur an sich . Erst in sofern er sich sein Gegenstand ist so ist er der f re i e Wille . Ist er nicht sich selbst freier Gegenstand so ist er der Abhängige Wille . Wenn man sagt was ist die Bestimmung des Menschen ? so ist die

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1–3 Es sind … haben .] A B  : Es giebt hinsichtlich der Triebe die doppelte Ansicht daß sie aufgehoben … mich .] A B  : Nach der andern Ansicht werden die Triebe als natürlich gut betrachtet . – Das a n sich des Willens ist der Begriff des Willens , und dieser Begriff des Willens ist dies für mich , ein Gegenstand . Das System der vernünftigen Bestimmungen des Willens sind die einzelnen Stufen , die wir in der Wissenschaft zu betrachten haben . Diese Stufen können in frey objectiver und in frey subjectiver Form behandelt werden . Die erste Betrachtung ist die Unsrige .   15–17 Es ist … selbst .] A B  : Der Wille hat zum Gegenstand die Freyheit , dies ist der Begriff der Idee die wir abzuhandeln haben .   18–19 Aber der … Wesen[ .]] A B  : der Wille ist indeß hier als nach seinem Begriff zu nehmen .   19–23 Es ist … Wille .] A B  : Wenn man sagt der freye Wille so ist dies scheinbar un­nöthig da der Begriff des Willens die Freyheit ist . Der unmittelbare Wille ist indeß noch nicht frey , sondern nur der Wille an sich .   23–350,4 Wenn man … gekomen .] A B  : Wenn man fragt was ist die Bestimmung des Menschen überhaupt , so ist diese Frage eine abstracte und die Antwort kann auch nur eine abstracte seyn . Dem gewöhnlichen Bewußtseyn erscheint die Freiheit als der Zustand wo man thun kann was man will  : Was man wolle das ist aber eben die Frage .  

25 und daß sie befriedigt werden sollen .   6–12 Man sagt

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10 f ü r s i c h ] anstelle einer Textlücke  

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Das Recht ist darum das Heilige weil es eine Substanz des Freien für das Freie ist .

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Antwort  : Daß er f r e i sei  ; aber dies ist von Willkühr unterschieden . – Subjekt ist der Freie Wille , Form ebenfalls Inhalt – dies ist also die Wahrheit | es ist aber die Abstrakte Wahrheit . Es ist hier der Unterschied nicht zu seinem Recht gekomen . Die Verwirklichung der Freiheit erst ist die Wahrheit . Als System von Bestimungen ist dies ein System der Nothwendigkeit . Die Freiheit wird darinn zur Nothwendigkeit und die Nothwendigkeit zur Freiheit . – Wodurch geschieht die Erhebung des besondern zum Allgemeinen ? diese ist noth­wendig . Dies geschieht durch denken[ .] Der Freie Wille hat seinen gegenstand (den freien Willen) nur durch denken . Man kann von dem Sklaven sagen er denkt sich nicht darum ist er Sklave . Er weis nur von sich als Endlichem[ .] Er lebt in der Abhängigkeit – in der Endlichkeit . Hieher fällt der Absolute Werth der Bildung der gebildete Mensch macht alles auf eine Allgemeine Weise . Die Originalität geht zugrunde und was zu Grunde geht ist nur die Roheit . Pflichten enthalten eben das was die Triebe enthalten . – Barbarische Völker für frei zu halten ist Irrthum – ebenso mit dem Mittelalter . Ebenso wenn der Mensch etwas durch seine besondere Meinung entscheidet blos aus dem Herzen . Es gehört hieher auch die Frömmelei welche durch bloße Empfindung das zu haben meint was allein durch das Denken herauskomt .  | Mit eben dem Recht sagt man daß ein schlauer und pfiffiger viel Verstand hat . Dieser hat die Endlichkeit zum Zwek . Ein Großer Geist hat auch einen großen Willen . – Unser allgemeiner Standpunkt ist  : das was der Freie Wille will ist die Freiheit . – Das dasein des an und für sich seienden Willens ist das Recht . – (Die erste Sphäre ist das formelle Recht . Die unmittelbare Idee ist der Wille den der freie Wille will . – ) Die Idee der Freiheit ist nur formell – sie hat sich zu bestimen . aber all diese Bestimungen haben nur Realität daß sie diese Bestimungen sind . (Der Mensch ist

4–6 Die Verwirklichung … Freiheit .] A B  : Die Realisirung des Willens ist die Verwirklichung der Freyheit , daß diese als eine Welt | gegenständlich wird . – Die Entwickelung des Begriffes der Freyheit giebt ein System vernünftiger Bestimmungen . Dieses ist eine Nothwendigkeit .   6–8 Wodurch geschieht … denken[ .]] A B  : Nach der gewöhnlichen Vorstellung erscheinen Wille und Intelligenz oft als zweyerley .   11–16 der gebildete … Herzen .] A B  : Die Bildung bringt es mit sich , daß die Besonderheit in die Allgemeinheit erhoben wird . Rohe Völker für frey zu halten , ist ein gewöhnlicher Irrthum der damit zusammenhängt , daß die Form der Allgemeinheit , die des Denkens ihre Achtung verloren hat . Man ist in unsern Zeiten darauf zurückgekommen , daß der Mensch unmittelbar aus sich selbst wisse , was gut ist .   17–18 welche durch … herauskomt .] A B  : die in unmittelbarer Empfindung zu haben meynt , was | allein in der Form der Allgemeinheit seine wahre Gestalt erhält .   25–26 Die Idee … sind .] A B  : Der Begriff der Freyheit ist das Denkende , 7 besondern zum Allgemeinen] Allgemen z . besondern   22 Freiheit . ] Freiheit  ;   28 Welt] nur als Reklamante  32 die2 ] der   34 ihre] seine  

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darum absoluter selbstzwek er ist an und für sich bestimt[ .] Er ist nicht ein solcher ausser welchem der Begriff seiner wäre . Alles andere ist Mittel es ist in sich ein Selbstloses .) Diese Idee ist zunächst also formell . Der Freie verhält sich zu sich selbst . Der Unterschied ist noch nicht darinn . Dies Sezen des Unterschieds hat eine doppelte Form . Nach außen und nach innen . Das Freie das für sich ist macht die Grundlage des Abstrakten Rechtes selbst aus . Das 2te ist , daß der Unterschied gesezt ist . | D . h .  die Aufhebung der ersten Unmittelbarkeit . Die Stufe dieses Verhältnisses ist der moralische Standpunkt . Die Beziehung des Willens auf sich ist dann der Subjektive Wille  ; was für uns ist ist eben der Wille selbst . Indem wir den Begriff denken so sind wir so zu sagen voraus[ .] Das 2te ist das Geseztsein dieses Unterschieds das ist eben der Moralische Standpunkt (Absicht – Einsicht)[ .] Im ersten im Rechte gilt die Absicht – Einsicht noch nicht[ .] Hier aber schon . – Was wir Triebe und Neigungen nennen komt auf dem Moralischen Standpunkt vor . Das Gute – die Idee überhaupt die realisirte Idee – das Gute was nur sein soll . – Das Gute als das Allgemeine ist über beide – Beim Moralischen Standpunkt komt es nur zum sollen . Das 3te ist daß dieser Subjektive Moralische Wille dies aufhebt und zum begriff zurückkehrt – dies ist dann die Sittlichkeit . Hier soll das Gute nicht nur sein sondern i s t – soll nicht bloß einen Inhalt haben sondern hat ihn auch . – Die andere Seite ist der Unterschied nach Außen – Nemlich der Wille ist Idee an sich[ .] | Der Begriff muß auch Realität haben – Jede Stufe die wir haben haben wir zugleich auch als Idee zu betrachten nicht nur als begriff sondern gestaltet wie er da ist . Wir haben also nicht nur eine Reihe von Begriffen sondern auch eine Reihe von Gestaltungen des Begriffes in diesen Gestaltungen stellen wir uns die Dinge erst vor . – Wenn man vom Begrif redet so kann es den Anschein haben daß es etwas Fernes sei . Aber die Ph il oso p h ie ist es was dieses Ferne aufhebt . Unser Leben und unser ­Dasein enthält diese Idee wirklich in sich  ; eben weil die Idee das Wahrhafte ist – wir bestehen allein in diesen Formen der Idee , es ist sehr falsch das gering zu achten worin man täglich lebt  ; denn dies enthält die

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34Ri Die höchste Idee macht den Schluß – Eigenthum Vertrag .

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… aus .] A B  : Der Unterschied nach innen ist die Ausbildung des Begriffs . Das erste ist , daß der Begriff frey für sich ist . Darin ist die Persönlichkeit ausgedrückt .   8–17 Die Stufe … sollen .] A B  : Diese Stufe ist nicht mehr so abstract als die erste . Es ist dieses der moralische Standpunkt . – Es ist hier der formelle Wille zu betrachten 35 und es handelt sich um Absicht , Einsicht und dergleichen . Der besondere Wille tritt hier hervor . 35 Es erscheint hier der abstract subjective Wille und das Gute als das | Allgemeine .   17–18 Das 3te … zurückkehrt –] A B  : Das dritte ist daß der moralische Wille seine Subjectivität aufhebt und zur Unmittelbarkeit seines ersten Begriffes zurückgeht .   20–25 Nemlich der … vor .] A B  : Alle die angegebenen Stufen sind in ihrer Existenz zu betrachten . Diese Existenzen oder Gestaltungen fallen in unser gewöhnliches Bewußtseyn .  

30 Allgemeine in dem alle andere Realität aufgelöset .   6–7 Das Freie

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Idee gerade . – Das Dasein was sich die Idee giebt ist das Dasein des Begrifs und als dasein ists ein verschiedenes des Begriffs , aber in diesem Dasein bestimt sich der Be­g rif . – Wenn man beim Be­g rif anfängt so ist das Dasein nicht anwendungen des Be­g riffs . | Das Besondere komt her nicht von außen[ .] Das Besondere überhaupt wird durch den Begriff selbst gesezt . Den ersten Theil macht also das Abstrakte Formelle Recht aus –

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1–5 Das Dasein … gesezt .] A B  : Das Daseyn , welches sich die Idee giebt , entspricht derselben , aber es ist ein Unterschiedenes daran und macht eine Bestimmung derselben aus . In | unserer Vorstellung haben wir eine Reihe solcher Gestalten , die Bestimmungen des Begriffs sind , an dem es sich selbst zu höheren Gestaltungen erhebt . – Das Besondere kommt hier nicht von außen her , sondern der 10 Begriff ist es selbst , der sich unterscheidet .  



erster theil · abstraktes recht353

1 Theil – F or m e l le s Re cht .

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Der Name Naturrecht ist zu verbannen weil er nicht bezeichnend ist . Die Abstrakten Rechte sagt man seien die Absoluten und man meint als ob die Realität derselben in einem Naturzustand zu finden sei . Zustand heißt überhaupt unmit­ telbare Realität . Die Wirklichkeit des Rechtes ist nicht ein unmittelbarer Zustand . Das Recht muß vernünftig sein d . h . durch den vernünftigen Geist hervorgebracht . Hieher gehören die schlechten Fictionen – d . h . für die Ph il oso p h ie – von einem goldenen Zeitalter von einem Paradiese , als ob dieser Zustand je einmal existirt habe . – Ebendeßwegen sind solche Zustände nicht solche wonach man sich zu sehnen hat . Es ist dies etwas kraftloses und mattes . Von einem solch natürlichen Zustand kann also gar nicht die Rede sein .  | Wir haben das abstrakte Recht als der Moral entgegengesezt zu erwägen . Der Wille der für sich frei ist – der Wille der sich unmittelbar in seiner Freiheit auf sich bezieht . In dieser Bestimung ist die Beziehung einfach . Deßwegen ist es die Beziehung des Seins oder der Unmittelbarkeit . Die rein sich auf sich beziehende Negativität ist der einzelne Wille . Der freie Wille welcher für sich frei ist ist was wir Person Persönlichkeit nennen . Person und Individuum sind von einander unter­ schieden . Die Person ist das Atom . Die Individualität ist freilich auch das Atom aber es enthält dieses noch daß die Unterschiede in ihm sind . Die Individuali-

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… hervorgebracht .] A B  : E r s t e r T h e i l / D a s a b s t r a c t e R e c h t  . / Das abstracte Recht ist der Theil der Wissenschaft der sonst Naturrecht genannt wird . Diese Benennung ist indeß aus den bereits angeführten Gründen aufzugeben . – Es ist eine irrige Meynung , als ob die natürlichen Rechte in einem NaturZustande geltend wären . – Die Wirklichkeit des Rechts ist nicht ein unmittelbarer Zustand , das Recht muß vernünftig seyn  ; das unmittelbare Natürlichseyn des 25 Willens muß reconstruirt seyn .   8–11 als ob … sein .] A B  : Es ist keine Bekräftigung des Substantiellen sich alle Noth und alle Spannung in eine allgemeine Ruhe versenkt zu denken . – Bey einem solchen Zustande mit seinen Gedanken zu verharren ist schwach und unwürdig , denn es ist Sache des Geistes in seinem Gegensatze bey sich zu seyn .   12–16 Der Wille … Wille .] A B  : Der Begriff 25 ist in dem abstracten Rechte in der Bestimmung der Unmittelbarkeit . Es ist hier der Wille , der sich 30 in seiner Reinheit auf sich beziehet . Diese einfache Beziehung ist die Beziehung des Seyns . Es ist hier die sich auf sich beziehende absolute Negativität . Der Wille ist als dieses Unmittelbare der einzelne Wille .  

20 1–7 1 Theil

7 [–] d . h . für … Ph i l o s o p h i e [–] am Rande mit Verweiszeichen  12 entgegengesezt] entggengeszet

30 aus entggengezet   21 § 17] im Ms einfach unterstrichen   28M 18] im Ms einfach unterstrichen   31 M 35 absolute Negativität nachträglich (von anderer Hand) in freigelassenen Raum eingefügt  

§ 17

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§ 18

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tät ist an sich das unendliche Bestimtsein . Die Person hingegen ist das Einzelne insofern es für sich frei ist . Persönlichkeit ist das höchste im Menschen es ist das daß ich d ie s e r bin . und daß ich in diesen Bestimungen mich verhalte als ein freies . ­Persönlichkeit ist seine höchste Würde . In der Persönlichkeit weis ich mich schlechthin als das Freie . | Das Recht überhaupt kann ausgedrückt werden  : es sei eine Person und die andern seien ihr Personen . Wer Rechte hat ist Person . Der Sklave selbst welcher keine Rechte hat ist keine Person . – Die Menschen sind sich von Natur ungleich . Die Gleichheit aller menschen liegt in der Persönlichkeit . Dieser Gedanke ist vorzüglich durch das Christenthum in der Welt allgemein geworden . Es ist Gott Mensch ­geworden dies ist die identität der beiden Daß der Mensch gestorben ist und dadurch die Menschen seelig werden . Es liegt hierin daß jedes Individuum fähigkeit hat antheil zunehmen an der Seeligkeit[ .] So wie diese Idee sich festsezt so muß die Sklaverei verschwinden . Im Kastenunterschied der Indier ists anders , die Natur­ bestimt­heit ist bey ihnen unüberwindlich[ .] Alles besondere das der Mensch hat alles dieses ist nur das Zweite gegen sein erstes[ .] Im Kastenunterschied ist dieser schlechthin das erste . Wenn man dies weis so kann man behaupten daß in indien weder Recht noch Sittlichkeit galt noch Wahre Wißenschaft blühte . Also die Natur­bestimt­heit ist für uns das untergeordnete – es gehört in die Sphäre , daß es so sein kann daß es aber auch anders sein kann . | Die Idee muß das Moment der Natürlichkeit selbst hervorbringen . Das Abstrakte ist die absolute Gleichheit . Wir gehen weiter[ .] Wir sagen wenn wir verächtlich von jemandem sprechen , diese „Person” es hat darinn seinen Grund daß dieser Ausdruk das Abstrakte bezeichnet . Das erste Recht ist daß ich als Person da sein kann . Aber Person und das Recht ist etwas abstraktes[ .] Aber ich bin nicht nur Person sondern auch individualität , concretes . Die Besonderheit geht nach allen Seiten – wir haben bedürfniße Triebe und Neigungen . Diese besonderheit ist nicht in diesem Formalen Recht enthal-

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2–4 es ist … Würde .] A B  : Daß ich in allen einzelnen Bestimmungen mich als ein Freyes verhalte , bildet meine Absolutheit , die jedoch noch abstract ist .   6–7 Das Recht … Personen .] A B  : Das 30 Recht kann überhaupt so ausgedrückt werden  : sey eine Person und behandle | Andere als Personen .   8–9 Die Menschen … Persönlichkeit .] A B  : Wenn man sagt es sey der erste Grundsatz der Frey­heit , daß die Menschen einander alle gleich seyen , so ist dieses allerdings ganz richtig , nur sind die Menschen einander nicht von Natur gleich , sondern lediglich in der Freyheit .   10–13 Es ist … Seelig­ keit[ .]] A B  : Das Christenthum enthält dieses daß Gott Mensch geworden ist , und daß die göttliche 35 und menschliche Natur eins sind . Darin liegt das Hohe , daß Gott die menschliche Natur als solche angenommen hat .   25 Das erste … kann .] A B  : Die Freyheit hat sich zunächst als Person zu 14–15 Naturbestimtheit] Nat .bestimt / heit   15 unüberwindlich] fr unüberwindlich   30 bildet] bindet  



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erster theil · abstraktes recht355

ten – Es komt nicht auf ein Interesse an – dies Recht macht keine Unterschiede der Person  ; sondern dies bleibt auf der Seite liegen  : “fiat justitia pereat mundus .” Das Strenge Recht hat keine Rücksicht auf das Wohl der Menschen zu nehmen . Weil der Zustand ein Concretes ist so ist insofern das Recht nur das Mögliche[ .] Zum Handeln gehört noch weiterer Inhalt . Insofern heißt das Rechtliche eine Erlaubniß Befugniß – es ist bloß die Möglichkeit . Man kann deßwegen sagen das Recht ist nur in einer Person . | Das Verhältniß gegen andere ist ein negatives Verhältniß es giebt keine Rechtsgebote sondern nur Rechts verbote  ; Oft ist der saz wohl positiv aber nur im ausdruk positiv , aber es ist immer das negative . Per­ sonen sind diese Abstrakten für sich seienden Einzelnen[ .] Vom Standpunkt der Persönlichkeit aus sind viele Lehren ausgegangen . Aber man hat vergessen daß dies nur das Abstrakte ist . Es ist nur diese Abstrakte Unmittelbarkeit . Deßwegen ist es auch falsch als man den Staat auf einen Urvertrag gründen wollte . Man versteht gewöhnlich unter allgemeiner Wille den Willen aller einzelnen – dies ist aber die schlechte Allgemeinheit und vielmehr die Allheit[ .] Der Standpunkt der Persönlichkeit ist also mit Recht geltend gemacht worden aber man vergeße nicht daß die Freiheit in der Form der Allgemeinheit ist . Es ist ein Grund­irthum der Verwirrungen verursacht hat und mit dem sich viele herumschlagen und daran das Wahrhafte zu haben meinen . – Das 2te ist die Besonderheit welche uns hier nichts angeht . Das 3te ist das moment der Einzelnen Die schließende Einzelnheit die ausschließende Einzelnheit . Die Person weil sie in sich den Unterschied nicht hat so fällt der Unterschied nach außen[ .] Dies ist denn die Sphäre der Erscheinung[ .] | Das Verhältniß ist das daß indem die Person das Absolute in sich ist alles andere außerhalb fällt . – Das erste ist  : die Person macht sich eine Sphäre ihrer Freiheit . Dies ist der Besiz Eigenthum . Das unmittelbare sich dasein geben ist das Erste – Eigenthum überhaupt . Das 2te . indem ich mir dasein gegeben habe so bin ich zugleich auch anderes . Ich habe wirklichkeit nur dadurch daß ich mir Gegenstand bin . Das Verhältniß von Person zu Person und zwar in Beziehung auf das Eigen­thum . Ich bin im Verhältniß

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… Person .] A B  : Das oben angedeutete Rechtsgebot kann auch so ausgedrückt werden  : Respektire die abstracte Freyheit Anderer .   17–24 Es ist … fällt . –] A B  : Es ist ein Grund­irrthum der zu ungeheuern Verwirrungen geführt hat , die abstrakte Persönlichkeit als das letzte und Höchste anzusehen . – Das fernere ist das Moment der 35 Einzelnheit zu einem unmittelbar Andern . Hier ist die Sphäre der Außenwelt , die Person giebt ihrer 35 Frey­heit Daseyn . Das Verhältniß zu einem Andern ist in der Freyheit aufgehoben .   27–29 Das 2te . … Eigen­thum  .] A B  : Das zweyte ist daß ich , indem ich mir Daseyn gegeben habe , für Andere bin , dieses ist die Stufe des Unterschiedes des Verhältnisses überhaupt . –  

30 bestimmen und ein Daseyn zu geben .   6–7 Man kann

3 nehmen] sehn   14 den] der  23 Absolute] Absolutes  

§ 19 . 41A B

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zu den Sachen welche im Eigenthum eines anderen sind welche einen Willen in sich haben – (Indem ich mich darinn verwirkliche) . Es geschieht das Eigen­thums­ aneignen nur durch Vermitlung des Willens des Anderen – Vertrag . Das 3te . Daß ich als Person für mich selbst bin und unterschieden von andern und zugleich auch identisch mit anderen . Hier tritt die Allgemeinheit ein und auf der anderen Seite eine Person . Diese doppelte Beziehung ist wesentlich meine Eigene , dies macht die Stufe des Unrechts überhaupt aus – nämlich auf der einen Seite das allgemeine und auf der anderen das Besondere . Damit ist Zwang Verbrechen und Unrecht gesezt .  | Dies ist historisch vor­ge­g riffen  ; eine vorherige Angabe dessen was die Sache selbst herbeiführen wird .

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E i g e n t hu m  . Die Person hat die Bestimung Eigenthum zu haben . Die Person wird deßwegen in einem gewißen status betrachtet . Hieher gehört der Status der Freiheit und Status der Sklaverei . In unserer Ansicht ist die Sklaverei schon weggefallen[ .] Die Sklaverei gehört dem barbarischen unrechtlichen Recht . Zu den Personen gehören auch die Verhältniße der Familie , die Familien Rechte sind kein rein rechtliches Verhältniß . – Freiheit überhaupt . Daß die Person eine einzelne ist entsteht aus dem Begriff der Freiheit – das freie das sich selbst frei will . Der Begriff hat sich wesentlich in das Dasein zu sezen . Der Begriff in der Realität ist das Recht . Diese Totalität fällt nicht nur in unsere Betrachtung sondern es ist die Grundlage daß das Freie frei ist . Es ist der Wille der die Subjektivität aufhebt und sich dasein giebt . Dies Dasein ist zuerst eben so abstrakt oder unmittelbar . Das Dasein ist ein vermittelndes es enthält in sich die Freiheit . Aber Eigenthum ist die Person welche sich ins Dasein sezt  ; sie ist sich gegenständlich – sie schaut sich in einem Gegenstand an . –

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5–9 Hier tritt … gesezt .] A B  : Es tritt hier die Allgemeinheit des Willens ein . Dieß ist die Stufe des Unrechts . Es findet hier überhaupt der Widerstreit des Allgemeinen und Besondern statt . –   13–16 Die Person … Recht .] A B  : Wenn näher vom Personenrecht gesprochen wird , wie z . B . bey Kant im Gegensatz gegen das Sachenrecht , so ist hier die Person in einem gewissen Status betrachtet . Nach unserer Betrachtung ist nun zunächst die Freyheit gar kein Status und | wir kennen keinen 30 Gegensatz von Freyheit und Sclaverey . Was das weitere betrift im Personenrechte , so gehören dahin Verhältnisse die sich auf die Familie beziehen . Allein das Familienverhältniß ist kein rein rechtliches Verhältniß . Es ist hier eine höhere Grundlage , das sittliche Verhältniß nähmlich . – / Die Freyheit zeigt sich zunächst unmittelbar in der Form der Einzelnheit . Der Begriff der Freyheit hat sich nun wesentlich ins Daseyn zu setzen .   24–25 Aber Eigenthum … an . –] A B  : Die Person wird sich 35 im Eigenthum gegenständlich und schaut sich in einem Gegenstand an . – / E r s t e s K a p i t e l  / 28 Kant] Funk   36 schaut] spinnt  



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Was ist das Intereße daß der Mensch sich Eigenthum giebt . Es ist das Intereße 2fach 1 . ein empirisches Intereße , um die Bedürfniße zu befriedigen[ .] | Es ist insofern das Eigenthum etwas untergeordnetes es ist verständig es zu haben – Die andere Seite ist die Vernünftige Seite . Der Mensch muß Eigenthum haben zunächst nicht um die Bedürfniße zu befriedigen . In dem Eigenthum giebt die Freiheit sich Dasein . – Dies intereße der Vernunft ists was für sich Werth hat . Wenn ich mir Dasein gebe  : so bin ich einerseits dieser Freie anderer Seits bin ich aber auch Person . Die Person steht in dieser Rüksicht in Beziehung zu anderen äußerlichen Dingen . Was die Art und Weise betrift die Sachen zu den unsrigen zu machen dies geht uns hier gar nichts an . Wir verhalten uns zu den Dingen als eine äußerliche Gewalt gegen sie . Es gehört zu diesem Äußerlichen daß wir auch unmittelbar äußerlich sind . Damit daß wir einen Cörper der Natur haben damit gehört er noch nicht unserer Freiheit an . Wir müßen erst Meister über ihn werden – ihn uns aneignen . Ebenso mit den Fertigkeiten des Geistes – erst durch die Bildung wird der Geist das Dasein unserer Freiheit . Unser Körper und unser Geist sind abstrakt schon das Dasein meiner Freiheit . – Das Freie hat als unmittelbares zum äußer­ lichen ein Verhältniß – | Das 2te ist , daß ich Freies bin . Indem ich mich als freies weis kann ich von allem anderen Abstrahieren . Alles andere hat kein Gelten mit mir[ .] Allein die ­Persönlichkeit hat noch eine weitere Bedeutung ich bin für mich ein Freies die Freiheit des Geistes ist die Allgemeinheit daß in ihr alles andere nichtig ist . Daß die Freiheit absolute Grundlage ist und alles andere nichtig gehört in die vorhergehende Ph il oso p h ie [ .] Indem ich mich als Freies weis als Freies will so ist alles andere nichtig . Wenn ich als Mensch mit äußeren Dingen in Berührung komme so verschwindet ihre Selbstständigkeit gegen meine Freiheit . Die Ausdehnung der Frei-

B e s i t z u n d E i g e n t h u m    6–9 Dies intereße … Dingen .] A B  : Der Begriff wird sonach Idee . Wenn wir gewohnt sind , das Recht nur als Mittel zu nehmen zum Schutz der Befriedigung unserer Bedürfnisse , so sprechen wir nicht nur aus dem Interesse der Vernunft . – Die Besonderheit einer Unmittelbarkeit ist zunächst äußeres Daseyn überhaupt . –   10–12 Wir verhalten … sind .] A B  : Die äußeren Dinge sind gewaltig gegen uns , und wir verhalten uns wieder als | Gewalt gegen sie . – Zu unserer Freyheit nach außen gehört zunächst eigene Unmittelbarkeit . So gehört unser Körper und freyer äußerer Geist zu der Äußerlichkeit unserer Freyheit .   16–18 Das Freie … bin .] A B  : Indem ich Freyes bin , so ist keine Äußerlichkeit als geltend gegen mich vorhanden .   19–25 Allein die … Freiheit .] A B  : Die Freyheit des Geistes ist der absolute Begriff selbst , in dem alles andere Bestehen untergegangen ist . Daß die Freyheit absolute Substanz ist , diese Betrachtung fällt in die vorhergehende Philosophie . Alle frühere Gestaltungen lösen sich auf in das Resultat des freyen Geistes . Wenn ich also als individuelles Subject mit äußern Dingen in Kampf | komme , so verschwindet dieses Verhältniß gänzlich in meiner Freyheit .   1 Es] davor 1 oder (  

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heit ist eine reine – in einen reinen Äther ohne widerstand . was uns Widerstand leistet ist die Seite der äußerlichen welche nichtig ist . Daß die äußerlichen Rechtlos sind beweist daß nur eine Person ihnen Widerstand leistet[ .] Die Materie ist für den Willen nicht undurchdringlich – sie ist’s nur für die Sinnlichkeit . Sie sind deßwegen Selbstlose gegen die Freiheit . Sie sind blos Stoff dem er erst dadurch Seele giebt daß er sie zu den seinigen macht . ihre Seele ist denn eben der Wille . | Daß die Sache in meinem Gebrauch ist macht den Besiz aus dadurch daß der freie Wille es zu seinem Gegenstand macht ist es Eigen­thum . In diesen besiz kommt denn das besondere Interesse – also Abstrakt ist Eigen­thum nicht ohne Besiz und Besiz nicht ohne Eigen­thum . Eigen­thum ist nicht nur das Wollen sondern auch das dasein geben Besiz ist wesentlich Eigen­thum . Die substanz ist nur eine Abstraktion wenn sie kein Accidenz hat . Das Accidenz ist ein leeres ohne jene . Eigenthum und Besiz kann auch getrennt sein[ .] Ich kann Eigenthümer sein und ein anderer kann es auf Recht oder Unrecht besizen . In so fern der Besiz getrennt ist so hat es Dasein aber nicht mehr das sinnliche unmittelbare Dasein[ .] Das Dasein muß ideell sein und es tritt dann ein neues Element des Daseins ein nämlich das Anerkennen der Andern . – Der besiz einer fremden Sache zeigt schon an daß der wirkliche Besiz wieder zum Eigen­thümer zurükkehren soll . In der positiven Wißenschaft wird auch vom Recht des Besizes überhaupt gesprochen  : Verjährung – Das Recht des Besizes erscheint hier neben den anderen Weisen Eigen­thum zu erwerben hier ist das Besizen ein Besonderes – Es ist aber eigentlich das Ganz allgemeine . Dieses muß eigentlich zuerst abgehandelt werden .  | (detenere quid animo dominii) . Andere Bestimungen des possessors gehören nicht hieher z . B . daß ihm interdicte zukommen oder daß der Dominus vindiciren könne . Eine S a che ist ein solches auf welches ich Macht habe sowohl physisch als moralisch . Es kommen in der Definition einer S a che auch schwierigkeiten vor . Denn nach dieser wären Wißenschaft und Gelehrten Talente auch S a che n  . Nun

4–9 Sie sind … Interesse –] A B  : Hierin liegt nun das absolute Zueignungsrecht des Menschen auf alle äußeren Dinge . – / Besitz und Eigenthum sind eigentlich nur Seiten eines und desselben  ; der Besitz ist die Äußerlichkeit des Eigenthums als eines Substantiellen .   12–14 Das Accidenz … besizen .] A B  : Die Substanz ist eine leere Abstraction ohne die Accidenzen und umgekehrt . – Eigenthum und Besitz sind nun auch trennbar und zwar mit Recht und mit Unrecht . Diese Trennbarkeit scheint der ausgesprochenen Identität zu widersprechen .   16–18 und es … soll .] A B  : Dieses ideelle Daseyn bestehet im Anerkanntseyn Anderer , so wie in der bürgerlichen Gesellschaft das Eigenthum überhaupt durch die Anerkenntniß Anderer vermittelt ist .   21–22 Dieses muß … werden .] A B  : Es muß der Wahrheit nach das Recht des Besitzes gleich zuerst abgehandelt werden , da der Besitz bey allen andern Arten der Eigenthumsverhältnisse vorkommt . –   25–27 Eine S a c h e … S a c h e n  .] A B  : 3 ihnen] ihm   4 undurchdringlich] undurch / dringlich   12 jene] jenes   26 kommen] kmmt   33 Identität] Idealität   36 der] die  

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aber heißt man dies doch keine Sache man sagt nur  : wir stellen uns unter Sachen bloß äußerliche Dinge vor . Die Zweideutigkeit ist darinn daß der Verstand die Bestimung nur als äußerliche Existenz vorstellt . Die Bestimung von Sachlichkeit ist ein Moment überhaupt  : so sind Künste und Wißenschaften allerdings Sachen d . h . ich kann sie zu S a c h e n machen , – ich kann sie mittheilen etc . – So ist umgekehrt was ich sonst Sache nenne durch meinen Willen auch keine Sache mehr . ZB . wenn ich etwas im Eigen­thum habe . – Daß etwas Sachlichkeit hat will sagen daß es eine Äußerliche Existenz hat . Wenn ich Besize so sind beide die äußerliche Seite und die innerliche dabei . So kann ich das ich selbst zur Sache machen wenn ich mich zum Sklaven mache . | Etwas das das Meinige ist ist Sache und zugleich daß es das Meinige ist ist es keine Sache[ .] Auch hier enthält der Begriff Gegensäze in sich . – Näheres Verhältniß von Besiz und Eigenthum – Weil das Eine äußerliche Seite ist so muß es scheinen daß es Sache der Person ist . Diese Bestimungen sind nun zu betrachten . 1   B e s i z n a h me  : d . h . das Hineinlegen meines Willens in etwas – Das 2te ist dieses  : diese Sache ist damit negativ gesezt . Der Besiz ist zugleich ­manifestation der Nichtigkeit der Sache . Dies ist dann der Gebrauch überhaupt . Der Process des Gebrauchs ist die 2te Seite inwiefern er sich bestimt daß es ein Persönliches ist was er gebraucht . Das 3te ist die Veräußerung des Eigen­thums[ .] Das 3te ist das unendliche Urtheil daß ich mich in mich selbst aus der S a c h e reflectire[ .] A .  Die Besiznahme sind diese 3 Bestimungen  : Ich bin Person – diese ist das Unmittelbar Freie der Entwiklung  ; daß sie 1 . unmittelbar ist ist ihre Lebendigkeit

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25 Dasjenige was besessen wird heißt nun eine S a c h e . Diese ist ein solches , das kein selbstständiges

Bestehen in sich hat . – Wenn man eine Sache in dieser Art definirt , so folgt daraus , daß Wissen-

25 schaften , Kenntnisse pp auch Sachen wären , denn sie sind unterscheidbar | von mir selbst .   5 ich

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kann … etc . –] A B  : Sache ist nicht ein Feststehendes , das bloß eine für sich bestehende Existenz bildet . –   9–12 So kann … sich . –] A B  : Ich ist das innerlichste und dennoch kann ich auch dieses zur Sache machen , wenn ich Sklave werde , und mich somit meiner Freyheit , meines Ich begebe . Eigentliche Sache ist somit zugleich ein Äußerliches und ein Innerliches . – /   13–15 Weil das … betrachten .] A B  : An der äußerlichen Seite muß die Seite der Persönlichkeit erscheinen . Dadurch erhält sie nur das Wesen . – Es ist in dieser Beziehung zu betrachten  :   21–360,8 Die Besiznahme … kann .] A B  : Bey der Besitznahme ergiebt sich folgendes  : die Person erschien als das unmittelbar Freye  : diese Person ist nicht nur das Abstrakte , sondern ein Erfülltes , ein Geist  ; das dritte ist die Äusserlichkeit . Als unmittelbare Person habe ich einen organischen Körper  : dieser ist unmittelbar mein und es scheint lächerlich zu seyn , nach dem Recht der Besitznahme am Körper zu fragen . – Ich habe den organischen Körper nur , weil ich ihn haben will , und wenn ich ihn nicht haben will , so habe ich ihn nicht . Das Thier kann sich nicht umbringen , sich nicht verstümmeln . In | unseren Körper legen wir insofern unsern Willen . – Daraus daß ich als Freyes in meinem Körper bin , folgt , daß mein Körper nicht als der Körper eines Thieres gebraucht werden kann .  

40 1 stellen] vstehn   37 In | unseren] In | In unserem  

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überhaupt . Das 2te ist daß der Geist dazu komt und Das 3te daß äußerliche Dinge in Besitz genommen werden . Als unmittelbare Person bin ich ein organisches und dies ist mein Allgemeines Dasein . Die Möglichkeit alles besonderen . Es kann gefragt | werden ob ich ihn in besiz nehme . Wenn ich Willen habe so will ich auch den Körper haben ich kann ihn auch nicht haben wollen . Ich habe meinen Ganzen umfang nur weil ich will . Der Körper macht mein unmittelbares Dasein aus[ .] ­Dasein ist Sein für anderes , ich bin für andere in meinem Körper da als Freies . Es folgt daraus daß ich nicht als Lastträger gebraucht werden kann . Ein Herr Rehberg hat behauptet wenn man jemanden körperlich zwinge so greife man die Freiheit nicht an , dem Übersinnlichen könne man nicht zukomen . Es ist eben diese Sophisterei des Verstandes welche begrif und dasein von einander trennt . Wer meinen Körper angreift greift mich an als Freies . Es wird deßwegen das was das Eigen­ thum angreift nicht so geahndet wie wenn man meinen Körper angreift . Das 2te ist denn daß der Geist sich besize – d . h[ .] daß er sich seiner mächtig ist . Der Geist ist nicht frei dadurch daß er frei bloß ist sondern dadurch daß er sich frei macht . Wenn ich etwas ausübe z . B . Musik so haben wir vorstellungen und der Körper exerzirt ohne daß man an den Körper denkt . Eben so mit dem Geist . Der Mensch ist geist an sich aber dies ist blos die (reale) Möglichkeit – es gehört dazu daß er sich dies zum Gegenstand macht . | Der Mensch muß wesentlich seinen Geist in Besiz nehmen . Plato hat gut gesagt  : der Mensch lernt nichts . Der Mensch muß sich als freies in Besiz nehmen . Das selbstbewußtsein muß sich als freies erfaßen . Auf dem Unterschied ob der Mensch sich im besiz habe oder nicht , beruht der Ganze Streit ob Sklaverei erlaubt ist oder nicht . Der Mensch muß sich zu dem machen was er sein soll er hat nicht Instinkt wie die Thiere – wer sich nicht als ein freies erfaßt existirt als unfreies . Die nun sklavisches Gemüth haben so wider-

13–17 Das 2te … Geist .] A B  : Der Geist ist dieses , daß er durch seine Thätigkeit das was er ist , aus sich heraussetzt , sich objectiv macht . Der reine Sprachgebrauch sagt schon von jemand der mit seinem Körper und seinen Anlagen nicht umzugehen weiß , er sey seiner nicht mächtig .   23–361,8 Der Mensch … wird .] A B  : Der Mensch insofern er nur unmittelbar frey ist , ist noch nicht frey . Dem Menschen der nur unmittelbar frey ist geschieht insofern kein Unrecht , wenn er zum Sklaven gemacht wird . Er existirt bloß als natürlicher Wille . Die Vertheidiger der Sklaverey beziehen sich alle darauf , daß die welche sich zu Sklaven machen lassen , nicht für sich frey sind . Ob die Menschen wirklich frey sind , das wissen sie von einander aus dem bloßen Anblick noch nicht . Um als Freyer anerkannt zu werden , muß ich mich auch in meinem Daseyn frey zeigen . – Die Kämpfe roher Völker gegen einander haben nur den Sinn zu zeigen in ihrem Daseyn frey zu seyn . Der Stand ist dann dieser , wo jeder als Freyer von dem Anderen anerkannt ist , ohne daß gefordert wird , erst | Beweise 1 daß] Der Satz bricht kurz vor dem Zeilenende mit Platz für allenfalls ein sehr kurzes Wort ab  ; es folgt eine knapp bemessene Leerzeile . Zur Ergänzung vgl . A B und die Bestimmung des dritten Einteilungsgliedes unten 49 Ri .   8 Rehberg] Rechberg   13 Das] Daß  

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fährt ihnen nach dem was sie sind . Das Gegenseitige Dasein ist zunächst äußerlich sinnlich überhaupt[ .] Wenn wir für dieses einen NaturZustand uns vorstellen so fällt das herein daß sich die Menschen gegenseitig zum anerkennen bringen . Die Kämpfe roher Völker gegeneinander ist eben dieses . Das Zeigen besteht darinn daß sie mit einander kämpfen jeder das Leben des anderen in Gefahr sezen[ .] Dadurch zeigt jeder daß er sich aus dem Leben nichts macht . Er bringt es zur erscheinung sein Dasein als ein negatives zu sezen . Dies fällt aber in jene Abstrakten Zeiten[ .] Der Staat ist dann dieses worinn jeder | als Freier anerkant wird . Aber es soll nicht blos darauf ankommen daß ich nicht Sklave sei im Ansehen der andern sondern ich soll es nicht sein durch mich selbst . Es liegt also imer etwas Rechtliches darinn daß ein anderer mich zum Sklaven macht . Er hätte sterben können . Es ist nur eine moralische Foderung  : man soll den anderen nicht zum Sklaven machen  : aber diese Forderung ist nur eine gedachte – Es ist gut aber nicht wirklich . Es ist der Staat in welchem anerkannt wird daß ich ein Freies bin . Nach dem Abstrakten Rechte ist es das  : insofern ich frei bin so soll ich auch als solcher angesehen werden . – Der Mensch muß also auch seinen Geist seine Freiheit erst in Besiz nehmen . Das 3te ist die Besiz nahme äußerlicher Dinge[ .] Dies ist die Absolute Zueignung . In dieser Hinsicht wären verschiedene bestimungen zu erwähnen welche sich hier­ auf beziehen . Es sind äußerliche Dinge . Diese äußerlichen Dinge gehören uns als besonderheit nicht an – Also wie es in besiz genomen wird hängt von der Natur ab (Zb . Elemente könen nicht in besiz genomen werden)[ .] Eine allgemeine bestimung wäre  : wieviel jemand in Besiz nehmen dürfe . Der Vorstellung fällt ein daß hierin Gleichheit sei[ .] | Das Vernünftige der Besiznahme ist  : d a ß ich in Besiz nehme . Das andere ist Besonderheit , diese Fälle sind unbestimt  : dies ist aber eben das Feld der ungleichheit es komen Fähigkeiten Kräfte Zufälle dazu  : hier ist Ungleichheit das Vernünftige der Natur . Es tritt dies schon hervor dabei  : wenn man die Erde theilen wollte so bekäme der eine den Stein der andere Verstand etc .

äußerer Freyheit zu geben .   12–14 aber diese … bin .] A B  : Der rechtliche Anspruch bezieht sich nur auf die Freyheit , wo sich dieselbe im Daseyn zeigt , und fällt somit weg , wo dieses Daseyn der 30 Freyheit sich nicht zeigt . – Nur erst im Staate ist das Anerkenntniß einer Freyheit vollständig .   22–24 Der Vorstellung … nehme .] A B  : Die Vorstellung fällt zunächst darauf , daß alle gleichviel besitzen müßten . – Die Gleichheit ist hier die abstrakte VerstandesEinheit . Das Vernünftige in der Besitznahme ist , daß ich meine Freyheit in äußere Dinge lege .   26–362,5 Es tritt … occupans)[ .]] A B  : Die Erde ist selbst etwas ganz Ungleiches und es zeigt sich hier gleich die Unthunlichkeit einer 35 ganz gleichen Vertheilung . Man kommt hier in den unendlichen Prozeß , und somit überhaupt in die Sphäre der Reflexion und des Verstandes , und außerhalb des Vernünftigen . – / Es ist ferner die Zeitbestimmung | hinsichtlich der Besitzergreifung zu erwähnen . Es liegt in der Natur der Sache daß die Priorität hier den Vorzug geben muß .  

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15 insofern] daß insofrn  33 äußere Dinge] äußeren Dingen  

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Es wäre dies ein unendlicher Progreß . Nun denke man sich vollends das Concrete der Verschiedenheiten der Individuen dann wäre die Besonderheit der Individuen der gemachten Gleichheit gegen über und dies machte alles wieder ungleich man sieht hierinn schon das leere einer solchen Verstandesbestimmung – Wer etwas zuerst in Besiz nimt der ist Eigen­thümer (Primus occupans)[ .] Die Besizergreifung hat einige Formen . Dadurch daß ich etwas will ist die Sache noch nicht mein ich muß mein Wollen wirklich machen . Wille muß ein Dasein haben dadurch ist mein Wille für andere erst erkennbar . Die Sache muß res nullius sein , sonst wäre | ja ein Wille darinn . Bei der Besizergreifung kann unterschieden ­werden die Form oder die Materie . Es ist gefragt worden wenn ich einer Sache Form gegeben habe ob ich die Materie auch in besiz nehmen kann . Man hat gesagt die Form ist die Meinige die Materie nicht . Allein die M a t e r i e ist ja nichts für sich sie ist gegen meine Freiheit nichts für sich . Wenn ich eine Sache will so will ich auch die Materie und die Form bezeichnet dann meinen Willen[ .] Was ich er­g reiffe mit der Hand worauf ich liege das besize ich . Aber dies ist imer nur temporär[ .] Diese besiznahme erhält durch Werkzeuge einen Umfang . ZB . das Meer wird von dem Schiff in besiz genommen wo das Schiff es berührt , Auch ist das Meer Eigenthum des landes deßen Küste es berührt . Es dehnt sich die besiznahme auch in sofern aus indem anderes an dem Meinigen anhangen sich verbinden kann (principale . accidens)[ .] In diesen Zusamenhang fällt das was als Accessio im positiven Recht vorkomt . Hieher gehört ZB . die Alluvio . – ZB . auch das Wild was auf meinem Grund ist . Aber das angeschoßen sein ist schon ein Anfang von Besiznehmen . Es ist nun die Sache des Verstandes wem dies gehört . | Steine und Metalle können als Accidentien betrachtet werden aber auch nicht . So auch Schäze – Dies auszumitteln ist Sache des Verstandes es muß abgewogen werden – hieher gehört auch das Strandrecht – welches mit Recht als widerrechtlich anerkannt wird . Zu diesen Accessionen gehört auch die Cura . Man nennt auch eine Accessio artificialis im Gegensaz von Accessio Naturalis . (Gemälde auf fremde Leinwand) In dem ich also etwas besize so ist die Hauptsache meine und das Accidentale . – Das umgekehrte ist  : daß eigentlich das Product in Anspruch genomen wird , daß ich aber das Producirende , auch in Anspruch nehme . Was

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9–14 Bei der … Willen[ .]] A B  : Form und Materien sind in der Besitzergreifung eines Gegenstandes 35 nicht getrennt zu betrachten , denn die Materie ist für sich allein nichts .   27–28 welches mit … wird .] A B  : Sachen die an einen Strand geschwemmt werden , hören der Natur der Sache nach nicht 35 auf mein Eigenthum zu seyn . –   32–363,8 Was in … Gegenwart .] A B  : Dieses leztere ist , weil die 4 Verstandesbestimmung] Verstandesbestimmgen   6 daß] Daß   11 habe] hat  



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in Besiz genomen wird ist nun das Product (Z[ .] B[ .] das Wild und Fisch etc[ .]) aber der Sinn ist  : er nimt zugleich auch das Dauernde in Besiz , das Allgemeine . (Man will das ausschließliche Recht) – Hieher gehören auch nähere bestimungen welche den Willen bezeichnen das Allgemeine zu besizen (ZB . wenn man seine Benuzungsweise so beschränkt daß man imer benuzen könne) . – Eine zweite Weise der Besiznahme ist die Formirung  : dadurch gebe ich dem Dinge das Praedicat der Sache  : Eine objektive Bleibende Form . Sie braucht nun nicht meiner Gegenwart . | Zu dieser Formirung gehören sehr viele Arten und weisen nach der Verschiedenheit der Gegenstände . (ZB[ .] das Zähmen der Thiere – Bebauen des Landes – Füttern der Thiere – Ziehen des Baumes) Die 3te Weise des Formirens ist  : die Bezeichnung daß etwas das meine sein soll  : Hier ist dies daß ich eine S a c h e zu der meinigen mache . Ich habe meine Form nicht an demselben – ich stelle das Meinige nur an ihm vor . Das Körperliche Greifen ist auch ein Zeichen – auch für andere da  ; aber es ist nicht bloß ein Zeichen – Hingegen das Zeichen ist bloß für die Vorstellung der anderen . – Zeichen ist ein Dasein , das eine andere Vorstellung in sich haben soll als es in sich hat (ZB . bei der Farbe . Cocarde) Z . B . neuentdekte Länder werden von dem Ersten besiz­nehmer mit einem Kreuz bezeichnet . – Das 2te ist daß sie das Me i n i g e ist . Indem sie dies ist so laße ich sie nicht mehr was sie ist sondern ich vernichte sie ich negiere sie . Es gehört also wesentlich dazu die Idealität der Sache . Dies ist die Seite des Gebrauchs der Nuzung überhaupt  : G e b ra u c h heißt sie mehr oder weniger verzehren – | was ich gebrauche reibe ich zum Theil auf . In diesem Gebrauch ist die Realität meines Besizes . Es folgt daraus  : daß wenn ich den ganzen Gebrauch der Sache habe so gehört die Sache mir – es ist mein Eigenthum . Es ist dies nur eine verschiedene Seite von einem und demselben . Der ganze Gebrauch ist die art und Weise wie mein Wille an der Sache manifestirt wird  ; wer den ganzen Gebrauch hat ist Eigenthümer . Wenn Gebrauch und Eigenthum verschieden sein sollen so kann die Nuznießung der Gebrauch nicht den ganzen Begriff erschöpfen[ .] Wenn ein Unterschied vorhanden ist so kann es nur dieser sein daß der gebrauch nur theil­weise ist oder nur temporär – Wenn ich jemandem den Gebrauch abtrete so versteht sich

Besitzergreifenden Vernünftige sind in der Regel anzunehmen , so daß das Allgemeine , die fortdauernde Möglichkeit zugleich mit dem Produkt in Besitz genommen wird . / Die Formirung ist eine ideellere , höhere Weise der Besitznahme . Es ist dieses eine objective , bleibende Form der Besitz35 ergreifung .   19–23 Es gehört … Besizes .] A B  : Es gehört deshalb zur Realität der Besitznahme , 35 daß die Nichtigkeit der Sache dargethan wird . Dies ist überhaupt der Gebrauch meiner Sache . Der Gebrauch vervollständigt also die Realität meines Besitzes und gehört wesentlich zum Besitz .   1 genomen] ge / nomen   18 sie] es   33–34 Besitzergreifung] Besitz / ergreifung   35 meiner] seiner  

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nur jener temporäre oder theilweise Gebrauch . Es wird ein Unterschied gemacht zwischen usus‑fructus und Eigenthum – . Dominus utilis und Dominus directus gehört hieher . Am Ende entsteht eine leere Herrenschaft  : Z . B . im Lehnverhältniß ist eine solche leere Herrschaft gewöhnlich  : die Domini haben ihr Dominium zu geld angeschlagen . d . h . der Sache nach ist die Bedeutung dieses Dominii | wesentlich daß sie ein Dominium utile ist . – Es giebt viele Verhältniße wo das Dominium utile und Dominium directum getrennt sind . Herrenschaft ist in dieser Beziehung das wo der andere sich auf diese Sache bezöge , aber nicht auf die Sache als Sache sondern er hat blos ein dasein in beziehung auf meinen Willen . Das wäre eine leere Herren­ schaft . In den Besonderen Verhältnißen welche zum Theil hieher gehören  : z . B . die benuzung der Superficies – Der Superficiar hat gegen ein Salär eine Oberfläche zu benuzen – der Emphyteutische Vertrag i . e . das Recht einen boden zu pflanzen und zu Benuzen[ .] Ein solches Verhältniß kann nicht aufgelöst werden[ .] Wenn ich etwas im Ganzen Umfang zu benuzen habe bin ich Eigenthümer . – Die Sache ist ferner eine Einzelne  : ich besize als dieser und die Sache ist eine diese . Aber es muß auch noch unterschieden werden die innere Allgemeinheit der Sache diese ist dann die Sache abstrahirt von ihrer specifischen Qualität[ .] Dieses zu befriedigen macht ihren allgemeinen Charakter aus . Nach diesem allgemeinen Sinn  : das be­dürfniß zu befriedigen dies nennen wir ihren Werth und in Ansehung deßen kann sie ver­ glichen werden , sie kann vertauscht werden . Hieher gehört das Geld , es drükt den allgemeinen Werth der Dinge aus . In dem Begriff des Eigenthums einer Sache gehört sie mir als Einzelnem , aber sie ist nicht nur | Einzelne sondern sie ist auch Ausdruck des Allgemeinen und dies ist der Werth und insofern bin ich Eigen­thümer des Werthes . Aber beim Leihvertrag tritt dies nicht ein . Die Benuzung ist nur an meine Person gebunden ich habe also nicht anspruch auf den Werth . Ist aber die benuzung unbestimt die Meinige so daß es auf meiner Familie bleibt so bin ich mit meiner Familie als einzeln zu betrachten – also bin ich der Besizer nach ihrem Werth . Wenn ein Individuum mit einem Lehn belehnt wird so kann man sagen es habe in seiner Gewalt gestanden es anzunehmen oder nicht . Aber das ist nicht der

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16–21 diese ist … aus .] A B  : Nach dieser Seite kann die Sache mit anderen in Vergleichung gebracht 30 werden . Es wird hierbey nur überhaupt betrachtet , daß die Sache zur Befriedigung eines Bedürf­ nisses dient . Nach dieser allgemeinen Seite nennen wir die Fähigkeit einer Sache , zu Befriedigung eines Bedürfnißes zu dienen , den We r t h der Sache . Den Werth haben wir auch als ein wirkliches Ding , als das G e l d .   24–25 Aber beim … Werth .] A B  : Ich kann jedoch auch Besitzer der Sache 35 als Einzelnheit seyn , nicht nach ihrem Werth . Dies ist besonders der Fall bey den Lehnsverhältnissen . 35 Ist die Benutzung unbestimmt mein , so gehört die Sache mir auch ihrem Werthe nach zu .   6 ist] sind   19 dies nennen wir] nnn wr dis   21–22 Sache gehört] Sache , so gehört   27 ich] ch nicht (als Kürzel)  



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Fall es wird dem Ganzen gegeben  : ich bin nur ein einzelner derselben . Deßwegen darf ein Lehnsbesizer sein Lehn nicht wegschenken . – Solche Verhältniße könen wohl existiren  : aber wenn die Familie ausstirbt so kehrt das Gut an den Lehns­ herrn zurük . Der Lehnsherr hat also in sofern eine Art Eigenthum[ .] Aber die Art seiner Benuzung ist ganz etwas zufälliges . Das andere aber ist dieses – dem begriff der Sache gemäß  : was ich als Einzelnes besize ist auch seinem begriffe (Werth) nach das meinige[ .]  | Diese bestimungen machen das volle Eigenthum aus und diese Herrlichkeiten enthalten nichts als daß für mich darinn noch ein undurchdringlicher Knoten ist . Mein Eigen­thum ist in sofern unfrei . Der Mensch fühlt sich dann frei wenn die S a c h e vernünftig ist wenn sie dem Begriff gemäß ist – Indem das Moment der bloßen Herrenschaft wegfällt dann wird es gemeinsames Eigen­thum – das Moment der Herrenschaft ist dann bloß Eigenthums Recht . – Erst in neuen Zeiten ist der begriff des freien Eigenthums erst recht ausgebildet worden . Die Christliche Religion hat die Sklaven verbannt  ; in Europa dürfen keine Sklaven sein[ .] Die ­Freiheit des Eigenthums ist aber erst kürzlich aufgekomen  ; Indem wir nun das Recht der bloßen Herrenschaft als concretes nehmen . Dann haben wir 2 Eigen­ thümer an einer Sache . – Es kann sein daß diese Gemeinschaft herrscht in ansehung der Dinge kann es auch Willkühr sein ob sie gemeinschaftlich beseßen werden . Es kann gefragt werden ob Gütergemeinschaft etwas vernünftiges ist  : Man könnte auch sagen es sollte die Gütergemeinschaft stattfinden[ .] | In der Ehe ist es ein anderes wo der eine gegen den andern nicht person ist – Aber wo einer gegen den andern Person ist steht es anders . Das bestimte ist  : daß schlechthin Privat­eigen­ thum statt finden müße . Was die Sache der brüderlichkeit betrift so komt es hier nicht in betracht  ; sondern es geht uns das andere an . Das Recht ist das höhere als die Gesinung d . h . das Recht ist der Ernst – ich habe keine Anforderungen an die ­Gesinungen zu machen[ .] Wir haben gesehen ich habe dasein als Person[ .] Als Person bin ich aber Einzelner  ; bin ich dies so soll das Eigenthum mein sein als einzelnen . Ich als Einzelner soll in meinem Dasein frei sein[ .] Plato hat hier einen Mangel . Besonderheiten komen hier nicht zu ihrem Recht . Weitere Gründe gehören nicht hieher z . B . daß die Industrie befördert werde  ; oder Freude an ihren Sachen haben und daß so das Vermögen und betriebsamkeit zunehmen . Alles dies betrifft nur äußerliche Umstände der Mensch selbst ist nicht darinn befriedigt[ .]

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… befriedigt[ .]] A B  : Durch die christliche Religion ist vornämlich das Princip der

35 Freyheit etablirt worden . Die Freyheit des Eigenthums ist erst kürzlich allgemein anerkannt worden .

– Es kann gefragt werden ob die Gütergemeinschaft an und für sich vernünftig sey . Diese Frage muß verneint werden , weil | die Darstellung der freyen Persönlichkeit damit unvereinbar ist . –   9 undurchdringlicher] undurch / dringlicher   15 in] im   33 be­t rifft] be­t reffen  

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Auf diesem Princip beruht was in neuer Zeit von Auflösung der Servituten gesagt worden sei[ .] | In sofern dieses Moment der Herrenschaft wegfält so reduciren sich alle diese bestimungen auf die Gemeinschaftlichkeit des Besizes . Insofern es eine Gemeinschaftlichkeit des Eigenthums ist so liegt das darinn daß diese Gemeinschaften auflösbar sind . Dies schließt nicht aus daß man nicht einen Societätsvertrag 1gehen kann nur muß dieser Societäts Vertrag auf eine bestimte Zeit beschränkt sein , sonst werde ich meine Persönlichkeit als einzelner aufgegeben haben . Eine solche Theilnahme ist nicht wohl möglich , wenn man auch schon sagt es könne ja auf einem Vertrag beruhen . Wir unterscheiden was dem Begriffe gemäß ist[ .] Dadurch daß ich privat Eigenthum habe erst dadurch ist der Gebrauch des Eigen­ thums in meiner macht . Es ist in Ansehung des Lehnsverhältnißes bemerkt worden daß es der Besiz der Sache ist – Der Zehende ist auch ein solches Verhältniß . Der Zehent Herr hat einen gewißen Zehenden zu empfangen welcher hervorgeht aus einer gewißen Art der Cultur . Oft ist es sogar verboten willkührlich die Cultur zu verändern wo der Zinsherr verlieren könnte .  | Wenn ich den Ertrag des Bodens vergrößere so muß ich mehr abgeben als ich dem Herrn schuldig bin weil ich zu dieser bebauung sehr viel Kosten habe . In England hat man versucht der Geistlichkeit den Zehnden abzunehmen . Allein die Pächter haben sich dagegen gewehrt weil sie mit den Geistlichen übereingekomen seien wonach sie weniger gaben d . h . etwas bestimtes und so konnten sie im Feld verbeßern und brauchten doch nicht mehr zu geben als sonst . Schon für die Vernunft fällt es auf so etwas auf ewige Zeiten zu bestimen[ .] Wir sehen dies auch als einen Fortschrit der Gesellschaft daß er viel der Art abgeschaft . Die Agrarischen Geseze in Rom sind eben dieser Kampf von Gemeinschaftlichem Eigen­thum und Einzelnem Eigen­thum  . So unrechtlich auch jene besiz­nahme gewesen sein mag so hat doch das höhere Intereße daß es PrivatEigen­thum sei sich behauptet . Es ist noch ein Umstand zu betrachten . – Der Gebrauch | ist die äußere Erscheinung

9–15 Wir unterscheiden … könnte .] A B  : Die Willkühr kann nun allerdings dem entgegenlaufend , Verträge schließen  ; allein solche be­g riffs­w idrige Verträge sind hier überhaupt nicht zu beachten . – / Bey Zehnten ist häufig für die Zehentpflichtigen die Verpflichtung die Genehmigung des Zehent­ herren einzuholen , wenn die bisherige Culturart geändert werden soll . Es ist einleuchtend , daß diese Bestimmung gleichfalls eine sehr beschränkende und mit der Freyheit des Eigenthums und der Industrie unverträgliche ist . –   21–23 Schon für … abgeschaft .] A B  : Es hat schon etwas gegen die Vorstellung laufendes , wenn man in | äußerlichen sinnlichen Dingen etwas auf ewige Zeiten bestimmen will . Wir sehen dieß auch im Fortgang der Gesellschaft , sowie der Gedanke sich ent­ wickelt , man sich bey Bestimmungen der Art nicht mehr beruhigt . –   25 So unrechtlich … mag] A B  : So unrechtlich auch die erste Erwerbung der Patrizier hierbey war ,   27–367,1 Der Gebrauch … besizes[ .]] A B  : Der Gebrauch ist also das ganz äußerlich werdende , die Manifestation des Besitzes  .   6 beschränkt] be schrkt   38M § 34] im Ms einfach unterstrichen  

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meines besizes[ .] Der Besiz tritt damit in die Zeit . Der Gebrauch ist das Zeichen meines besizes[ .] Er erscheint in der Zeit . Das objektive überhaupt an der Zeit ist die Fortdauer – es folgt also daß der besiz als Fortdauer gelte . ohne dies hat mein Wille nicht dasein in dieser Sache er zeigt sich nicht dadurch wird die S a c h e für die andern herrenlos . Dies ist der Grund der Verjährung . Sie hat diese begrifsbestimung zu ihrem Grund . ich muß zeigen daß die Sache mein sein soll . Dies Zeichen ist nicht blos der Gebrauch . Das 3te Moment ist daß ich mich meines Eigen­thums entäußern kann . Der besiz ist das negative . Ich kann das Eigen­thum entäußern . Die Sache ist nur mein weil ich mich entäußern kann . Der glebae adscriptus kann es nicht . Ich kann mich der Sache nur entäußern sofern die Sache ihrer Natur nach äußerlich ist[ .] – Auch meine Fähigkeit Thätigkeit Geschiklichkeit ist in meinem Besiz . Es giebt bestimungen von Sachen die unveräußerlichkeit haben | solche Bestimungen sind wesentlich solche welche zu unserer Person gehören  : Sittlichkeit Religion Ge­w ißen etc[ .] kann nicht veräußert werden . Der Geist ist erst Geist wenn er für sich ist . Insofern der Geist auf dieser Stufe stehen bleibt ist er ein äußerlicher Geist ein na­türlicher Geist weil er nur ein an sich seiender ist . sein Innerlichsein ist eine Abstrakte Äußerlichkeit . Insofern kann man seine Freiheit verkaufen – Eine solche Ent­äuße­rung ist aber gegen die Idee des Geistes , der Geist soll für sich sein was er ist .  Der Mensch welcher zum Sklaven gemacht ist und dies durch einen Vertrag machte so ist dies ein Vertrag welcher null und nichtig ist . So auch mit der Sittlichkeit  : auch die wurde schon entäußert aber die Schuld fällt nicht hinweg . Ein solcher Vertrag ist an und für sich null und nichtig[ .] So auch mit der Religion – ich kann mich also zum leidenden machen welcher nur nimt was ein anderer bestimte daß er das oder das glauben soll . Insofern ich selbst denken will so habe ich das absolute Göttliche Recht unmittelbar dazu  ; diese Rechte sind unverjährbar[ .] | Ich kann sowohl von meinen Geistigen als Körperlichen Geschiklichkeiten entäußern . Ich kann mich engagiren für einen zu arbeiten . Wenn wir es Kraft nenen wollen so ist die Äußerung verschieden aber sie ist in sofern nicht verschieden von der Kraft insofern es nach dem Ganzen Umfang des Handelns geht . Engagirte ich mich für mein Ganzes Leben für einen anderen zu arbeiten so habe ich etwas ge­than

2–3 Er erscheint … gelte .] A B  : Das Objective in Ansehung der Zeit ist die Fortdauer  ; es folgt also daraus daß mein Besitz als fortdauernd erscheinen muß .   6–11 ich muß … ist[ .] –] A B  : Der Ge35 brauch erschien also das Negative an der Sache . Ich kann nun ferner aus dem Eigen­thum mich in 35 mich reflektiren und mich desselben entäußern .   12–15 Es giebt … werden .] A B  : Es giebt Bestimmungen meiner die unveräußerlich sind und auf welche , wenn sie äußerlicher Weise veräußert sind , mein Recht unverjährbar bleibt . Dahin gehört zunächst meine Persönlichkeit überhaupt .   34M § 35] im Ms einfach unterstrichen  

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was ich nicht darf ich habe schon etwas inerliches veräußert[ .] Wenn ich so alle meine Production veräußerte so bliebe mir nichts für mich übrig . Ich kann mich also nur temporär veräußern – nach einem Quantum – Wenn ich alles besondere veräußere so veräußere ich das Allgemeine . – Ein Sklave oder Leibeigener oder Domestique muß daßselbe thun aber sie unterscheiden sich eben dadurch . Das macht also den wesentlichen Unterschied aus . Hieher gehört die Frage über den Büchernachdruk – Indem ich etwas geistiges pro­­ducire so kann ich es veräußern , und nun wird das Eigen­thum des andern . | Man kann denken daß der Andere der es besizt es auch vervielfältigen kann . Wenn ich eine Sache producire so gebe ich derselben Form . Die Form ist imer das Meine . Ist das was ich producire etwas mechanisches so ist ein solches mir nicht eigen­thüm­lich das kann jeder machen . Mechanische Art der Arbeit ist eine ganz allgemeine Art – Nun ist ein Buch auch so etwas äußerliches – jeder kann es abschreiben – jeder nachdrucken . Aber deßungeachtet ist doch mein Eigen­thum bleibend . Bei einem Wahrhaften Kunstwerk ist dies nicht der Fall – Es ist das Eigen­ thüm­liche Talent was es gemacht hat . Es bleibt aber nur in der Vorstellung – es ist der Ruhm der ihm bleibt . Bei solchen Kunstwerken versteht es sich von selbst daß ein anderer es nicht machen kann es kann einer so etwas copiren aber sein Eignes dazu fügen dann ist es ein eignes Kunstwerk . Und die Copie läßt imer das Original weit vor sich . Das Nachdruken ist etwas ganz mechanisches und doch soll die Sache mein Eigenthum bleiben und zwar als Sache . Die Gedanken sind allgemeine Gedanken aller Geworden . Indem ich sie mittheile so hören sie auf die Meinigen zu sein . Der andere kann sagen er habe dies auch so gedacht | und er gebe sie wieder . Sind es aber nicht seine Gedanken so nannte man dies plagiat – gelehrten Diebstahl . Das Plagiat ist mehr eine Sache der Ehre als des Diebstahls . In Beziehung auf die Bücher so ist es vornehmlich das Plagiat was das Buch theuer macht . Es kämen alle halbjahre 6 Geometrien etc . heraus . Es würde aus 9 Büchern das 10te gemacht . Die Geseze helfen einem Übel ab . aber sie werden es nur im geringen Maße thun solange nicht die Ehre hergestellt wird man auch das Eine das andere Buch überflüßig macht . In ansehung der schriftstellerischen Werke wenn Exemplare verkauft sind , so hat jeder welcher das Exemplar hat die Möglichkeit das Buch zu

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7–9 Hieher gehört … kann .] A B  : Es gehört hierher die Frage über geistiges Eigen­thum . Es scheint zunächst ein Widerspruch daß Jemand mit seinem an einer Schrift erworbenen Eigen­thum nicht 35 solle thun können was er will .   25–28 Das Plagiat … gemacht .] A B  : Das Plagiat ist mehr eine Sache der Ehre als des Eigen­thums , heut zu Tage wird vom Plagiat wenig mehr gesprochen , aber 35 die Sache ist deshalb nur um so häufiger geworden . –   15 Wahrhaften] Wahrhftes  29 man auch] sehr unsichere Lesung  



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vervielfältigen . Wer ein buch las hat nur das Product erworben aber die Production nicht , und in sofern ist die Art und Weise die Sache des Authors . So auch in anderen Erfin­dungen  ; oft bleibt der Erfinder der Eigenthümer . Wer der Erfinder ist ist gleichsam der 1te Besiznehmer und in sofern ist es sein Eigenthum . Indem er den Besiz enthält so theilt er die einzelnen Producte mit . Aber die Möglichkeit es weiter mitzutheilen ist es was das seinige ist . Ist etwas schon lange vorhanden so komt die Verjährung hier in Anwendung . – | So lang der Schriftsteller lebt hat er das Recht noch – er kann es verbessern . Aber nach dem Tode fällt dies Recht weg und daß es Eigen­thum der Familie imer fort sein soll dies fällt uns auf . Ein Hauptmoment ist auch hier das Intereße des Publicums . Jeder , wenn er e t w a s äußerlich macht so muß er sich nach etwas richten , was alle angeht . Wenn ein Buch zu theuer ist so hat das Publicum das Recht sich zu beklagen weil sein bedürfniß wesentlich auch in Rechnung dabei komt . Nationaldenkmäler gehören dem Volk – es ist der Geist wodurch sie das Eigen­thum des Volkes bleiben – So hat man gesagt  : man habe aus Griechenland die Alter­thümer im   weggeschleppt . Aber indem dieser Geist nicht mehr lebt so sind diese Sachen veräußerbare geworden . Es könnte noch von der Entäußerung des Lebens die Rede sein . Habe ich ein Recht mir das Leben zu nehmen – der Hauptgesichtspunkt ist der Moralische . In Ansehung des Rechts könnte man sagen daß die Totalität meines Lebens meine Äußerlichkeit nicht mein Äußerliches ist – so daß ich das Leben also nicht als veräußerlich betrachten kann . | Alles Recht ist nur ein Dasein aller Freiheit . Insoferne ich mir das Leben entäußere so entäußere ich mich meines Rechts . Indem ich aber andererseits mein Leben aufhebe so hebe ich die Seite der Idee auf – aber dies Aufheben ist selbst ein dasein – diese Negation ist zugleich ein Dasein für andere und es ist die möglichkeit .

2 und in … Authors .] A B  : Die besondere Form des Buchs | ist das dem Verfasser zustehende Sub­ jective . –   3–10 Wer der … auf .] A B  : Die besondere Verbindung von Gedanken , die den Inhalt eines Buchs ausmachen , wird gleichsam durch den Schriftsteller zuerst in Besitz genommen und ist 30 deshalb Eigenthum desselben . Durch den Gebrauch tritt hier eine Art von Verjährung ein , so daß eine Erfindung , ein Buch , mit der Zeit das Eigenthum Aller wird . Die meisten Gesetze bestimmen noch eine Reihe von Jahren innerhalb deren das Verlagsrecht eines Werks Eigenthum der Nachkommen eines Schriftstellers bleibt . –   18–370,25 Es könnte … Vertrag . –] A B  : Es kann noch von 35 der Entäußerung des Lebens geredet werden , insofern wir das Leben als etwas von uns getrenntes 35 betrachten können . In Ansehung des Rechts , | müßten wir sagen , daß das Leben als die Totalität

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3 Erfinder] Empfder  11 e t w a s am Rande mit Verweiszeichen , versehentlich vor macht eingewiesen  15 bleiben] bleibt   16 im   ] ein Wort nicht lesbar  19 Hauptgesichtspunkt] Hpt / geschtspkt   21–22 das Leben … veräußerlich] es also nicht als veräußerlich das Leben   29 wird] werden  

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Der Muth ist eben das das davon Abstrahiren kan . Aber formell ist dieser Muth dann wenn diese Abstraktion nur Abstraktion ist . Es komt auf den Inhalt an – der positive Inhalt müßte eine Idee sein , der Inhalt der das erste formelle Moment vervollständigen muß – Insofern die Veräußerung des Lebens nichts zugleich als dieser formelle Muth bloß ist . Der Inhalt wird verlezt indem sich jenes formelle für sich constituirt . Das Leben aufzuopfern (überhaupt) das allgemeine Recht hierüber hiervon kann erst im Sittlichen gesprochen werden . Daß der Mensch die Pflicht hat sein Leben der Idee der Sittlichkeit aufzuopfern ist gewiß . Aber beim Selbst­mord vollbringt es die eigene Person . Dies ist ein absoluter widerspruch denn man fragt hier nach etwas wodurch alles Recht aufgehoben . Man sieht es als ein Un­g lük an das gegen das Recht ist[ .] | Indem der Mensch durch eine Sittliche Idee getrieben wird sein Leben aufzu­ opfern so sezt er sein Leben der Gefahr aus und es muß die Aufhebung des Lebens außer ihm liegen[ .] Indem ich als unmittelbare Person bin so bin ich der Ausdruck von sittlichen Ideen so muß ich solchen sittlichen Ideen mein Leben opfern . Die Gewalt aber muß nicht ich selbst sein aber eine äußere Gewalt . Ve r t r a g  .  Der Übergang liegt darin  : ich bin wesentlich Eigen­thümer , ich habe Dasein aber ich seze das Dasein als anderes im Gebrauch – ich verzehre die S a c h e aber ich muß mich sezen als solcher Sachen mich entäußernd ich muß die Sache auch als äußerliche sezen – Eigen­thum entäußern und Eigen­thümer bleiben in der Entäußerung  ; ich soll die Sache in der ich Eigenthümer bin auch äußerlich sezen . Die Entäußerung des Eigenthums ist Vermitlung deßen daß ich Eigen­thümer bin und das macht den abstrakten begriff des Vertrags aus . Der Process deßen daß ich Eigen­thümer bin ich bleibe es im Aufhören und deßwegen werde ich es . Das ist der Übergang zum Vertrag . – Es ist bleibendes moment daß ich Eigen­thümer bin . Die

meiner Äußerungen nichts Äusserliches ist , und ich in sofern nicht das Recht es zu veräußern habe . Die hauptsächliche Erörterung dieser Frage gehört übrigens in das Sittliche und Moralische . Indem ich mein Leben aufgebe , so hebe ich die Seite der Idee auf , die überhaupt Daseyn und Wirklichkeit betrifft  ; dieses Aufgeben ist aber selbst ein Daseyn , und ich beweise dadurch meine Freyheit . Dies bezieht sich , wovon später die Rede seyn wird , auf den Formalismus der Tapferkeit . Der positive Inhalt der Tapferkeit müßte die Idee seyn . Insofern also die Tapferkeit einen Inhalt hat , so bestimmt dieser ihren Werth . Als eine bloß formelle Tapferkeit ist die Entäußerung in moralischer , sittlicher Beziehung nur ein Unvollständiges . – Das Leben überhaupt aufzuopfern , davon kann erst gesprochen werden im Sittlichen , wo nicht die un ­m it ­tel |b  are Person , wie hier der Zweck ist . – Das Bewußtseyn des Menschen , daß er von allem abstrahiren kann , ist nur Ein Moment der Freyheit . Weil das Leben immer Unmittelbarkeit ist , so muß das Negative immer auch die Gestalt einer äußerlichen Gewalt seyn . – / 2 . D e r Ve r t r a g / Es ist hier der Uebergang zum Vertrag . Ich habe als 6 aufzuopfern] aufzu / opfern   22 daß] ds  32 Entäußerung] Entziehung  moralischer] mo-  /  mo­ra­l ischer   34 unmittel |b  are] ohne Trennungsstrich  

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Allgemeinheit dieser bestimung stellt sich dar daß es allgemeiner Wille ist ein Willen von mehreren[ .] Es kann auch von der Seite gefaßt werden  : im Eigen­thum habe ich Dasein mir gegeben aber dies daß ich nur die Anschauung meiner | Einzelnheit habe dies moment ist bloße Äußerlichkeit . Die Wahrhafte Realität einer positiven Freiheit ist daß ich das Dasein meiner Freiheit anschaue in einem Willen – es ist dies mit meiner Wesenheit identisches – die positive Identität meiner indem ich mich ­anschaue . Das ist nun der Boden und das Element das Dasein für meinen Willen – Das Weitere ist dann daß ich Eigenthum habe aber vermittelt durch den Willen eines anderen . Diese Vermittlung ist näher zu betrachten  : Es ist nicht mehr das isolirte Verhältniß sondern daß ich in dem Willen eines anderen Eigenthum habe . Ver­ trag ist also ein Vernünftiges Moment . Ich sehe daß der andere einwilligt damit es mein Eigenthum ist . Es komt darauf an daß es das Bedürfniß ist von welchem ich ausgehe . Wir nehmen etwas in Besiz wegen d ie s e s Intereßes aber das Vernünftige erfodert es – und so ist es auch hier nothwendigkeit der Vernunft daß ich in einem anderen Eigenthum habe . Die Menschen treten durch bedürfniß in Vertrag – aber sie tauschen wieder , schenken etc[ .] und das ist die Erfüllung des Vernünftigen . Ich Entäußere mich des Eigenthums und zwar so daß es Eigenthum des anderen werde – dazu gehört auch sein Wille[ .] | Es ist hier ein doppelter Wille . Beim Tausch ist dies noch vermehrt und doppelt , anders als beim Zweck der Schenkung . – Es kann ein Vertrag gemacht werden  : und es kann davon das wirkliche Leisten unterschieden sein . – Personen sind selbstständig  : der Vertrag geht als solcher von ihrer Willkühr aus es ist ein besonderer Wille daß sie den Vertrag eingehen . Es sind überhaupt nur zwei Personen welche in Vertrag gehen – wenn es auch moralische Personen sind . Es sind besondere Gegeneinander . Die bestimte besonderheit sind imer nur 2 . – Der Vertrag geht von der Willkühr aus . Was durch diese Will­kühr ausgeht ist gemeinsamer Wille . Was zu Stande komt ist imer gemeinsamer Wille

freyes Einzelnes ein Daseyn , aber dieses Daseyn ist zugleich ein Anderes . Ich muß mich auch setzen als dieses Daseyns mich entäußernd , eben weil es ein Äußerliches ist . Die Einheit der Entäußerung des Eigen­thums und des Eigen­thü­mer­blei­bens ist der abstrakte Begriff des Vertrages . –   2–7 Es kann … anschaue .] A B  : Das Daseyn meiner Freyheit ist zu betrachten , als meinem Begriff nicht entsprechend , | denn ich habe nur die Anschauung meiner , in meiner Äußerlichkeit , einer Sache . Die Realität ist diese , daß ich das Daseyn meiner Freyheit erschaue im Willen eines Andern . Die positivere Identität ist , daß das Andere immer mein freier Wille ist .   12–18 Es komt … Wille[ .]] A B  : Zunächst pflegt man denselben zu betrachten als vom Bedürfniß ausgehend . – So erscheint er auch allerdings unserm Bewußtseyn  ; es ist dies mit dem Eigenthum und dessen Besitznahme derselbe Fall . –   25–372,2 Was durch … Wille . –] A B  : Ein sittliches Verhältniß findet hierbey noch nicht statt . – Was durch die Willkühr zu Stande kommt ist ein gemeinsamer Wille . –   13 Intereßes] Intereßen   20 davon] folgt durch Einklammerung als getilgt gekennzeichnet  : v . ds . ideellen Dasein untrschden sein ,   33 Identität] Idealität   freier] fester  

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welcher in der Willkühr seinen Grund hat . Es ist ein nur durch sie gesezter allge­ meiner Wille . – Auch bezieht sich der Vertrag nur auf besondere Sachen – als besondere selbstständige Person ist es willkühr welche den Vertrag macht und deßwegen ist es nur eine besondere Sache – Einige Anwendungen könen hier betrachtet werden  : Es wird fälschlich die Ehe als ein Vertrag angesehen – so auch der Staat . aber dies ist falsch[ .] | Es ist dies lezte allgemeine Vorstellung gewesen[ .] Bei der Ehe könen allerdings Ehepakten statt finden . Die Ehe geht allerdings von der Einzelnheit aus . Aber die Ehe ist ein sittliches Verhältniß die Personen hören auf Personen zu sein . Es ist die Ehe also kein Vertrag[ .] Kant hat dies als einen Vertrag angesehen daß die Eine Person die andere besizen soll in Hinsicht auf das Geschlechtsver­ hältniß – Dies ist eine schändliche Ansicht . jeder unbefangene wird davor zurükschaudern . – Eben so der Staat ist das an und für sich allgemeine Wollen nicht durch die Willkühr der Individuen entstanden sondern es ist Pflicht und Nothwendigkeit der allgemeinen vernünftigen Natur . Und der Wille des Staates ist ein allgemeiner Wille – Es ist höhere Nothwendigkeit welche als Gewalt angesehen werden kann . Oft ist die Gewalt physisch gewesen . Aber darinn ist imer etwas Vernünftiges gewesen – Rousseau ist bekanntlich von dieser Vorstellung ausgegangen  : Hier werden die individuen betrachtet als selbstständige Personen . Eben diese Atome machen das Allgemeine Grundlage des States aus . Auch muß der Gegenstand des Vertrags etwas äußerliches sein  : der Staat ist durchaus nichts äußerliches | sondern das an und für sich allgemeine Nothwendige . Aber wenn ja Noth an Mann geht so wird ja auf den Einzelnen gar nicht gesehen . – Das an und für sich Vernünftige ist hier nur das Accidentelle . Das Gelübde ist auch kein Vertragen es ist Sache des Gewißens – ein anderes ist wenn ich körperlich geschenkt habe – Was Sache meines Gewißens ist kann ich wieder zurüknehmen . Dies ist schlechthin das Meinige – Es komt auf mich an es anhalten zu wollen . Wenn ich einem Gelübde gemäß gelebt habe so habe ich doch absolut das Recht es zurük zu nehmen . Der Vertrag ist formell seinem abstrakten Begriff nach wo nemlich die beiden Seiten verschiedene bestimungen haben . Es gehören zum Vertrag 2 Willen . Willige

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2–17 als besondere … gewesen –] A B  : Eine Gleichstellung der Besonderheit unter Personen gehört 30 schon ins sittliche Verhältniß . – / In die Gesetzgebungen über die Ehe sind sehr schiefe und gefährliche Ansichten gekommen , dadurch daß man die Ehe als Vertrag betrachtet hat . – / Der an und für sich seyende , vernünftige Wille ist es was im Staat zu seiner Realität kommt . Dies ist gar nicht in der Willkühr der Individuen begründet sondern diese ist es gerade die darin untergehen 35 soll . – Die Staaten sind | vielmehr als durch die Gewalt der Vernunft entstanden zu betrachten . –   35 19–23 Auch muß … Accidentelle .] A B  : Dieser ist gerade jenes Substantielle , in dem diese Atomistik 10–11 Geschlechtsverhältniß] Geschl .vhltnißs   14 ein] kein   22 Vernünftige] Ver / nnftige   26 anhalten] an / halten   36 ist] ist das  



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ich ein etwas zu veräußern und ein anderer willigt ein es anzunehmen so ist das ein formeller Vertrag – Dieß ist die Schenkung . Der reelle Vertrag ist wo noch etwas dazu kommt wo ich nemlich noch Eigenthümer werden will oder bleiben will . | ich höre auf Eigenthümer zu sein und doch bleibe ich es und deßwegen werde ich es . Dies ist die Vernünftige Seite des Vertrages die allgemeine bleibende . Dies allgemeine bleibende ist der Werth  : dieser Werth bleibt mir nur verändert sich die Qualität be­schaffen­heit des Besizes . Dies daß ich Eigenthümer des Werthes bleibe dies ist überhaupt bestimung des Vertrages – Wenn man denselben Werth nicht erhält so ist es eine Laesio welche auch gesezlich bestimt ist . Das Gesez nimmt die Laesio ultra dimidium an (Zb . Gold für Kupfer)[ .] Es liegt in der Natur des Vertrages daß die Qualität der Sache auch den Werth habe deßen was ich dafür gab . Dieser mein Wille muß auch noch in der Sache erhalten sein . – Der Besiz ist nicht für sich und ist vom Eigenthum unterschieden . Der Vertrag ist gemeinsamer Wille die andere Seite ist daß dieser Gemeinsame Wille existenz erhalte dies ist die Leistung . Beides kann getrennt werden . Die Leistung  : d . h . die Verwirklichung kann geschieden sein[ .] Den Vertrag als solchen machen heißt stipuliren[ .] | Die stipulation gilt als ein Contractus uni lateralis[ .] Die stipulation ist nur die Form des aufsezens – Der Inhalt der Gegenstände des Contracts kann sehr weit­läuffig sein . Diese besonderen punkte werden besonderes Festsezen dieses heißt denn stipu­ lieren . Ob die besonderen Seiten das wesentliche be­treffen oder nicht dies sind Seiten welche den Inhalt be­treffen[ .] Die Stipulation für sich ist das Festsezen des Vertrages überhaupt . Es ist die Frage ob der Vertrag an und für sich das Vollkommene sei und ob ich durch denselben gebunden sei zur Leistung[ .] Es scheint in dem Römischen Begriff des Vertrages das unmittelbare Leisten wesentlich nothwendig . (Realcontract) Unter diese wird nun das mutuum commodatum pignus und depositum gerechnet . Aber der Vertrag ist vollkommen bevor ich die Sache in die Hände gebe – Vor der Leistung kann der Vertrag als vollkommen statt finden . Beim De­ positum versteht es sich von selbst . Aber wenn ich etwas schenke was hier der Fall ist d . h[ .] daß ich die Sache aufbewahren wolle so ist der Vertrag schon vorher da .

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30 30 zerflossen ist . /   2–8 Der reelle … Vertrages –] A B  : Im Tauschvertrag bleibt einmal das Eigen­t hum

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mein und zweitens hebe ich es auf . Das erstere ist die allgemeine Seite des Vertrags . Dies Allgemeine , Bleibende , wonach die in die Veränderung eintretenden Gegenstände bestimmt werden , ist der We r t h . Diese Bestimmung liegt überhaupt im Tauschvertrag , daß man den Werth der Sache 35 bekomme .   17–23 Die stipulation … Leistung[ .]] A B  : Die Stipulation ist überhaupt nur die Form 35 des Vertrages . Sodann auch die Festsetzung eines einzelnen Punktes . Durch die Stipulation wird der Vertrag nur überhaupt für die Vorstellung festgesezt . –   25 (Realcontract)] A B  : Es findet sich hier der Unterschied zwischen Real und Consensual Vertrage . –  

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4 sein] wrden  

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Die Stipulationen sind mit Gebehrden begleitet worden  : man giebt sich die Hand . Bei den Römern gab es eine symbol Tradition – ein Zeichen . Die Stipulation für sich ist | das substantielle und die Leistung ist nur Folge . Fichte behauptete daß erst mit der Leistung meine Verbindlichkeit anfange . Es sei mir dann erst ernst mit dem Wollen . Man kann dann leicht diesen Gedanken für seicht halten  : wie wenn nun keiner anfängt so ginge es ins unendliche , so auch käme es darauf an wie viel der andere Geleistet habe . Bei einer Leistung sofern sie eine Geistige ist  : diese auszumitteln wäre etwas ganz bestimungsloses . Was die Sache selbst betrifft daß der Vertrag durch die stipulation die vollkommene Verbindlichkeit zu leisten enthält . Der Vertrag ist ein Actus des Willens indem wir stipuliren so hat der andere den Willen ausgesprochen und er hat ihn auch ausgesprochen . Die äußerung des Willens ist in der Sprache oder nur irgend ein anderes Zeichen – dies ist die Form durch welche er dem Willen dasein giebt wodurch er intelligibel wird . Die Übereinkunft als Sache des willens ist nun das substantielle die Leistung ist nur ein accidens gegen die Substanz – es ist nichts für sich . In der stipulation ist das substantielle schon geschehen , der Wille hat schon ein Zeichen in welchem er sein Dasein hat . Der Vertrag ist vom Versprechen unterschieden – Wenn ich etwas verspreche | so äußere ich auch meinen Willen aber dies hat mehr den Sinn des subjektiven Willens[ .] Es ist Hauptsache daß je z t ich die Sache veräußert habe . Im Versprechen soll erst in der Zukunft etwas Eigenthum des anderen werden . Es ist also die substantielle Seite wenn die Stipulation schon geschehen . 1seitig kann ich meinen Willen nicht ändern , denn die Sache ist bereits Eigenthum des anderen geworden will ich nicht leisten so verleze ich sein Eigen­thum . Das Wesentliche ist daß man diese Äuße­ rung des Willens unterscheidet . Das substantielle ist schon darinn enthalten . Die Leistung ist nur die äußere Folge . – Angeführt kann noch werden welche ist die Eintheilung der Verträge , diese können wir anführen weil die bestimungen nach welchen sich die Verträge unterscheiden schon in den vorigen Bestimmungen liegen . – Gewöhnliche Eintheilungen der Verträge sind real und consensual , Concrete etc . Das sind aber unwesentliche Seiten[ .] Die gewöhnliche Abhandlung der Verträge ist nur ein Schlendrian aus dem Römischen Recht . – Die Bestimungen in Ansehung der Verträge sind die von Formell und Reell (Formeller Vertrag  : Schenkungs Vertrag) d . h . wo der Begriff | beide Seiten in sich enthält . Hauptunterschied ist zwischen

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11–12 Die äußerung … wird .] A B  : Dem Willen als einem Intelligibelen geben wir überhaupt ein Da­ 35 seyn durch Zeichen oder Sprache .   25–27 Angeführt kann … liegen . –] A B  : Die Bestimmungen , nach welchen sich die Verträge eintheilen liegen schon in dem Vorhergehenden  ; und dieß ist eine 35 wahre Eintheilung die sich aus dem Begriff der Sache ergiebt . |   25 welche] wnn   33 Intelligibelen] Intelligenzbaren  



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Formellem und reellem Vertrag . Weitere unterschiede sind vom Eigenthum und vom Gebrauch her genomen – Das erste sind also Schenkungs Verträge und zwar über eine Sache überhaupt d . h . eine eigentliche Schenkung – das zweite ist dann das Leihen einer Sache das ist auch ein Verschenken aber nur ein beschränktes nur zu einem bestimten Theil – Hiebei komt die besondere unterscheidung vor daß der andere mir die specifische Sache zurükgiebt und zwar die Individuelle Sache oder Sache von der gleichen Art . (die art der Sache ist eigentlich individuell aber ich sehe sie als allgemeine an) . Ich kann 3tens eine Dienstleistung schenken (Gebrauch von meinen Kräften) solche Dienstleistung ist dann auch das Depositum (ich leiste ihm den Dienst daß ich es aufbewahre)[ .] Das Testament könnte auch als Schenkung betrachtet werden aber es hat noch andere Beziehungen da komen Familien ver­ hältniße und bürgerliche in Anwendung – – Das 2te ist der Tausch vertrag und der Tausch überhaupt und zwar einer Sache überhaupt[ .] | Eine Sache ist 1erseits specifische Sache andererseits ein Allgemeines ein Gedanke – der Werth – dieser Gedanke zur Sache gemacht ist das Geld . Das Geld kann Metall sein (Muscheln Papier) aber begriff des Geldes ist nichts anderes als es ist der Werth der Sachen als solcher . Das Geld stellt alle anderen Sachen vor – es enthält alle ­Sachen . Man kann durch daßelbe alles bekommen . – Tausch einer specifischen Sache oder Waare gegen Waare oder Geld gegen Waare . Das 2te ist Ver­m iethung wo ich den Gebrauch gebe und daher etwas anderes bekome einen Miethzins – Es ist auch ein Tausch . Gebrauch einer Sache ist ein unterschied im Begriffe . Ich kann nun wieder eine specifische Sache vermiethen (Haus und dergleichen)[ .] Diese bleibt also mein Eigen­thum  : oder die Sache kann eine allgemeine Sache sein ZB . Geld[ .] Wenn ich Geld ausleihe so ist es eine allgemeine Sache ich bin eigenthümer des Werthes – Das 3te ist der Lohnvertrag . Locatio operae d . h . daß ich dienstleiste wesentlich nur inwiefern es äußerlich ist , es geht nur auf eine bestimte Zeit , oder auch auf bestimte Dienste . Das sind die 3 . | Arten von Tauschverträgen . – Das Mandatum ist wo die Leistung von Geistiger Natur ist nicht von bestimbarer Natur ist – wo keine Commensurabilität eintrit . Man heißt den Lohn daher Honorar . – Es komt noch etwas 3tes hinzu  : der Verfollständigungs Vertrag  : Cautio . Das Allgemeine ist

2–8 Das erste … an) .] A B  : Die erste HauptGattung der Verträge ist die der SchenkungsVerträge . Hieher gehört 1 , der eigentliche SchenkungsVertrag 2 , der Leihvertrag  ; hierbey kommt der Unterschied vor , ob die specifische Sache zurückgegeben wird oder die individuelle .   10–13 Das 35 Testament … überhaupt[ .]] A B  : 4 , Das Testament liegt eigentlich nicht im unmittelbaren Vertrag , 35 daß ein solcher Uebergang des Eigenthums statt findet , liegt nicht in der Natur der Sache . / Die zweite Hauptgattung des Vertrages ist der Tauschvertrag im Allgemeinen . –   18–19 Tausch einer … Waare .] A B  : 1 , Verkauf ,   24 es] s es   25 operae] operam   31 ist] ist / ist  

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das Pfandverhältniß . Indem ich jemandem den Gebrauch schenke (gegen oder ohne Zins) so bin ich Eigen­thümer der Sache . Er hat die Sache nur zur benuzung . Indem ich ihm das Überlaße so seze ich ihn in besiz der Sache selbst ich bin aber nicht mehr eigen­thümer . Daß ich auch im wirklichen besiz des Eigen­thums bleibe dadurch trit das Verhältniß ein . Ich kann nicht im besiz des wirklichen Eigen­ thums bleiben denn ich habe es ihm überlaßen ich kann nur im besiz des Werthes bleiben dies geschieht durch das Pfand . Ich bleibe dadurch besizer des Werthes . Das Pfand ist dem Werthe nach das meinige . Es ist nur eine specifische Sache selbst und als solche nicht mein Eigen­thum . Also die Hypothek und Bürgschaft sind besondere weisen  : es ist nichts anderes als eine Vervollständigung des Vertrages .  | Un r e cht   ; dies macht den 3ten Theil des ersten Theils aus . Das Leisten ist ein besonderes Thun . Sache meines besonderen Willens  ; ob soll geleistet werden ist nothwendig ob ich will es thun hängt von meiner Willkühr ab . Diese Trennung ist es wodurch das Unrecht gesezt wird . Daß ich ZB[ .] etwas besize ist die Seite des besonderen Willens . Diesem besonderen Willen ist äußere Rüksicht gelaßen[ .] Dieser besondere Wille ist ein wesentliches Moment . Ich bin das verwirklichende des Begriffs[ .] Die besonderheit als solche muß nicht nur noth­wendig hervortreten und in beziehung auf das Recht gesezt werden sondern es ist auch wesentliches Moment in Beziehung auf das Recht . Es sind hier 2 Unmittelbare Personen welche sich zu 1ander verhalten . Der besondere Wille kann übereinstimmend sein mit dem was Recht ist aber er kann auch für sich besonderer Wille sein  : es kann eben so gut n icht geleistet werden . Es ist das Verzichtthun auf den besonderen Willen früher nicht da gewesen . – Also was hier der Standpunkt ist ist eben die besonderheit des Willens der noch ein unmittelbarer ist in seinem Begriffe (das Recht als Begriff ) . Was die Existenz des Rechts betrifft so liegt diese im besonderen Willen . Daß das Recht wirklich ist dies gehört in den besonderen Willen | darin verhalte ich mich zum besonderen Willen . Der besondere Wille drükt ein Verhältniß aus gegen den Willen an sich . Der Wille an und für sich ist nicht Sache des besonderen Willens . Indem es so gesezt so ist es als Schein gesezt und das Recht als Schein ist eben das Unrecht . Es sind hier 3erlei Schein . Der erste Schein ist daß mein besonderer Wille das Recht

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11–15 Un r e c h t  ; dies … gelaßen[ .]] A B  : 3 , D a s Un r e c h t / Wir sehen , beym Eigenthum ist das Wesentliche dies , daß meine Freyheit ein Daseyn hat  ; und beym Vertrag ist das | Wesentliche daß ich veräußere . Das Besondere ist hier überall vorhanden , aber es ist noch zur Seite gelassen .   20–24 Der besondere … Begriff ) .] A B  : Der besondere Wille kann unmittelbar in Uebereinstimmung seyn 35 mit dem was an und für sich wahr ist , aber er kann es auch nicht . Das Verzichtthun des besonderen 35 Willens auf sich ist noch nicht vorhanden . – Die Besonderheit des Willens ist , jezt zu zeigen in ihrem Unterschiede von dem , was Recht an sich ist .   14 besize] im beszen  



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auch will aber indem er es an sich will daß er im Unrecht ist in ansehung der subsumption des Falles unter den begriff des Rechts . – Aber das Recht an sich ist der begriff – das Recht ist wesentlich Dasein – die Negation fällt in die Subsumption das ist der bürgerliche Rechtsstreit . (diese 3 Stufen können mit dem Urtheil ver­ glichen werden , im schlechtweg negativen Urtheil negire ich daß es etwas anderes ist was ich sage . Zb .  : die Blume ist nicht gelb . ich laße ihr daß sie eine Farbe hat . ich negire nur das besondere . So im ersten Schein) Der 2te Schein ist daß der besondere Wille das Recht nicht an sich will und daß er nur den Schein des Rechts will dies ist das Unrecht des Betruges (So auch beim urtheil hier wird das Allgemeine negirt es ist das unendliche Urtheil in seiner Positiven Form – das identische Ur­ theil  : was sagt das einzelne ist das einzelne) | das 3te . ist das Verbrechen (das negativ unendliche Urtheil oder das widersinnige Urtheil Zb . wenn ich sage  : der Elephant ist keine Licht kerze .) In dem Verbrechen wird das Einzelne verlezt und auch das Allgemeine , das Recht als – Recht . Das 3te negirt auch den Schein – Das erste ist das bürgerliche Unrecht , das unbefangene Unrecht  : Es ist Unrecht hier vorhanden aber nur ein Unrecht der subsumption . Das Recht an sich wird gefodert . nur wird verneint der besondere Fall sei nicht unter das allgemeine Recht zu subsumiren . Das Recht an sich diese Rechtsbestimungen machen das Vermittelnde aus die Rechts gründe . Die Rechtsbestimungen sind aber mehrere es können mehrere Collisionen entstehen – wo nach dem und dem Gesichtspunkt es anders wird . Es ist ein Rechtsgrund auf welchen man Anspruch macht . Sie wollen nicht das Unrecht – Es ist ein Schein vorhanden der dann beseitigt werden muß aber hier habe er durchaus die Macht nicht – Der Natur zustand ist der Zustand des Unrechts – Daß das Recht dasei dazu gehört ein Richter , der über Recht und Unrecht entscheidet . Das Recht an sich hat sich dort noch nicht verwirklicht – beide Partheien fordern das Recht . Sie haben nur Unrecht in Ansehung | der Sub­ sumption . Der Allgemeine Wille für sich der nicht zugleich besonderer Wille ist , ist hier nicht vorhanden[ .] 3 die Negation … Subsumption] A B  : Das Negative fällt so auch in die besondere Weise des

30 Rechts .   11–28 das 3te . … vorhanden[ .]] A B  : Die dritte ist das eigentliche Verbrechen , wo der be-

sondere Wille weder das Recht an sich will noch auch den Schein , dies ist das negativ unendliche Ur­ theil . / Das Recht an sich wird in bürgerlichen Rechtsstreiten nicht verletzt , sondern gefordert . Daß ein solcher Rechtsstreit entstehen kann , liegt darin , daß das Recht nicht ein AbstractAllgemeines ist , | sondern auch ein Concretes von mannigfaltigen Bestimmungen . Die Rechtsgründe machen das 35 Vermittelnde aus , wodurch das Besondre unter dem Allgemeinen subsumirt wird . – Daß das Unrecht nicht gelte , dazu gehört ein Höheres , ein Richter , von dem aber noch nicht hier die Rede ist . –   1 auch] auf   4–7 (diese 3 Stufen … daß] D . 2te Schin ist dann (ds . 3 St . … besondre) So … Schein) D . 2te Schein ist dß   8 Schein] Scchin   29 auch] aus   32 verletzt] verlangt   32M § 44] im Ms einfach unterstrichen  

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Das 2te Unrecht ist dieser 2te Schein  : daß der besondere Wille nicht das Recht an sich will sondern nur den Schein des Rechts nur die äußerliche Einzelnheit . Zwar die Sache ist nicht nur Einzelne sondern sie ist auch allgemein , sie hat auch Werth das Einzelne will man nicht sondern man will damit das Allgemeine und das Allgemeine wird von dem betrügenden nicht gewollt – Der 3te Schein , das 3te Unrecht ist die Verlezung des Rechts an sich als des Rechts in seiner Einzelnheit , Unrecht nach beiden Seiten[ .] Die Bestimung des Zwanges ist hier zu betrachten – es ist dies eine Verlezung – sie tritt hier ein . Der begriff ist  : daß es ein Unrecht ist was sowohl den Gegenstand überhaupt sowol nach seiner äußerlichen Seite verlezt als nach seiner an und für sich seienden Seite – Das erste ist daß es als unmittelbar daseiend verlezt wird . Ein rechtlicher Gegenstand wird also nach seiner unmittelbar daseienden Seite verlezt , ich kann darum verlezt werden weil ich Eigenthum habe – weil mein Wille äußerlich ist  : dasein hat . An dieser äußerlichen Seite | kann ich er­g riffen werden . Diese Sache kann Gewalt leiden  ; und indem in dieses äußere Dasein mein Wille gelegt ist so wird dadurch auch mein Wille er­g riffen – Dies ist das daß ich Zwang erleide[ .] Ich kann nicht nur gezwungen werden sondern auch bezwungen werden . Meine körperliche Persön­ lichkeit kann in die Gewalt gebracht werden . Auf der anderen Seite aber kann ich eben so gut nicht gezwungen werden weil ich von allem Abstrahiren kann . In jeder Äußerlichen Existenz kann ich ergriffen werden , aus allem diesem kann ich abstrahiren – wer mich daran faßen will der bekommt nur die leere Hülse[ .] Ich kann gezwungen werden aber nur wenn ich will – Die unrechtlichkeit des Zwanges besteht darinn daß das Freie soll gezwungen werden – das ist also ein Widerspruch . Das Recht des Zwanges ist daß der Widerspruch sei als der Widerspruch für sich selbst[ .] Das Zerstören seiner durch sich selbst ist nichts anderes als daß der Zwang aufgehoben wird und zwar wieder durch Zwang  : Es liegt in dem Begriff des Zwan­ ges daß der Zwang durch den Zwang aufgehoben wird . Das Rechtliche des Zwanges ist  : daß es ein Zweiter Zwang ist welcher den ersten aufhebt , der 2te Zwang ist das | rechtliche überhaupt – was später sich als Strafe bestimt ist Zwang und zwar ein zweiter welcher einen ersten aufhebt . Das Verlezen von Pflichten erscheint nicht als Zwang z . b . Pflichten gegen den Staat – wenn ich aber einen Vertrag verleze so ist das allerdings ein Zwang und so ist es auch mit jenen . Daß ich angehalten werde zur leistung des Vertrags und der Pflichten , so ist dies nur der 2te Zwang . Es heißt das vornehmlich Zwang insofern was verlezt wird als Eigene Wirklichkeit erscheint . In dem Natürlichen Willen , wenn er Rohheit ausübt . Wenn der Wille in seiner Rohheit bleibt so übt er keinen Zwang aus er thut etwas nicht was in der Idee liegt . Wird das Recht als existirend verlezt so ist das ein Zwang – Zwang in seiner nähe­ ren Be­stimung übt sich gegen etwas aus was schon existirt . Auf der Anderen Seite ist ein Beharren in einem NaturZustand der Idee nicht angemeßen . Ein solcher

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NaturZustand geht uns nichts an wir sind auf einem höheren Standpunkt[ .] Es sind in diesem Zustand die die Herren welche die Idee übernehmen und die anderen anhalten das zu thun was sie gegen die Idee schuldig sind . Jener Zustand ist ein | Unrecht gegen die Idee . Der Zwang im Allgemeinen überhaupt ist als zweiter Zwang wesentlich . – Das Abstrakte Recht ist ein ZwangsRecht es wird auch ge­ wöhnlich so definirt – es ist ein Zwangs Recht deßwegen weil das Unrecht eine Gewalt ist gegen das Dasein . Ein verlezen dieses Daseins ist also eine äußerliche Handlung eine äußerliche Gewalt und dies ist dan auch der Zwang . Der Zwang als erster Zwang überhaupt als Verlezung eines Daseins ist überhaupt unrecht . bloße beschädigung betrift bloß das äußerliche . Dieses ist überhaupt das Verbrechen – das unendliche Ur­theil was wir gesehen haben . – Wir haben noch hier keinen Unterschied zwischen der Handlung und Willen sondern wir haben beides in seiner identität . Wir haben eine Verlezung , sie geschieht durch einen Willen die äußere That und der Wille werden noch ganz identisch angesehen . – Heutzutage giebt es nicht mehr so viele böse Menschen wie vorhin , weil die Menschen gebildeter sind | sondern sie wißen sich innerlich allerhand Zweke und absichten vorzunehmen und sie halten vieles für gut was Verbrechen was bös ist . sondern sie sind heuchler d . h .  solche die sich aus dem Bösen etwas Gutes zu machen wißen . Dies macht das System des peinlichen Rechts überhaupt aus[ .] Das Verbrechen ist die Verlezung – diese verlezt das System meiner Freiheit – meines daseins , weil das System äußerliches Dasein ist und das Verbrechen das negiren ist so ist das negiren allerdings auch äußeres dasein . Das Verbrechen ist als eine äußerliche Handlung nicht nur einfache Gedankenbestimung sondern es muß eine wesentliche Seite der äußerlichen Seite sein  ; diese hat einen verschiedenen Umfang deßwegen die Verbrechen nothwendig verschieden sind . Diebstahl z . B . Mord – Religions zwang etc[ .] sind allerdings ein Verbrechen aber indem das Dasein qualität ist so muß das Verbrechen noth­wendig als verschiedenes angesehen werden[ .] Qualitative Verschiedenheit trit ein in Ansehung des Diebstahls und des Raubes – Dieser verlezt noch die persönliche Ge­ genwart des Willens . | ein Diebstahl mit Einbruch ist allerdings ein schwereres Verbrechen als der bloße Diebstahl – Er hat sich vergangen gegen meine Sicherungen gegen meine Vertheidigung (meine Schlößer)[ .] Die Verbrechen sind also wesentlich

1–5 Es sind … wesentlich . –] A B  : Indem einer auftritt und die im Naturstande Lebenden mit Gewalt dazu anhält , in ein sittliches Verhältniß zu treten , so erscheint zwar hier ein Zwang allerdings , 35 allein nicht in dem angegebenen Sinn . – /   8–11 Der Zwang … haben . –] A B  : Der Zwang nun als 35 erster Zwang überhaupt ist das Verbrechen , dessen Natur näher zu betrachten ist . – /   19–27 Das Verbrechen … werden[ .]] A B  : Mit dem äußerlichen Daseyn des Verbrechens treten quantitative und qualitative Unterschiede ein . Eine wesentliche Seite am Verbrechen ist die Äußerliche . –   17 heuchler] heuch / ler   20 meiner] unsichere Lesung  

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verschiedene weil sie äußerliche sind . Zunächst müßen diese Unterschiede hier festgehalten werden[ .] Einen Unterschied macht noch große oder geringe gefährlichkeit für öffent­l iche Sicherheit[ .] Die nothwendigen Folgen sind schon in der Natur des Verbrechens , und die Manifestation der Natur des Ve r b r e c h e n s  . Das Gefährliche ist aber ein weiterer Gesichtspunkt welcher aber nicht zum allgemeinen erhoben zu werden verdient . Es ist das gefährlichere eine an und für sich schwerere Verlezung . Diese Verlezung nun als Verlezung des Rechts soll nicht sein und das Recht das ihr widerfährt ist eben dies daß die Natur in sich manifestirt werden soll die Natur ist Verlezung der Freiheit und deßwegen etwas nichtiges und dies muß aufgehoben werden . Es soll das Verbrechen aufgehoben werden weil es ein nichtiges ist mit dem bloßen Schein[ .] | Durch die Civil­genug­thuung wird nur der Schaden aufgehoben aber es ist nicht nur der Schaden geschehen sondern es ist die Verlezung geschehen welche aufgehoben werden muß . Die Form der Strafe kann die Vernichtung noch nicht haben sondern die Form der Vernichtung wird sich zuerst als Rache zeigen . Die Verlezung des Freien ist aufzuheben  : wo existirt diese Verlezung ? Fürs erste ist der an sich seiende Wille das Recht an sich nicht zu verlezen die Idee als bloße Idee ist nicht ein Dasein sie ist Erhaben über alle Vorstellung von Verlezung . Die Idee ist das unverlezbare[ .] Eben so hat die Verlezung auch nicht ihre Existenz an dem der Verlezt worden ist , aber die positive Existenz ist nicht in den anderen welche durch das Verbrechen verlezt werden – das Ver­ brechen hat ein Recht verlezt , hat etwas negatives an sich . Also diese Verlezung ist etwas negatives mit der Form der Äußerlichkeit . Die Äußerliche Seite ist nicht gut zu machen . Die positive Existenz des Verbrechens ist allein in dem Willen des Ver­ brechers , und es ist sich an den positiven Willen des Verbrechers zu halten – sein Wille ist aber sein äußeres Dasein also wird er an diesem gefaßt . | Es komt darauf an wo das Nichtige seinen Siz hat – Das Recht an sich ist es nicht , sondern das Recht ist dieses  : zu existiren . Der Wille des Verlezten enthält das Negative auch nicht , er verwirft es vielmehr sondern die Positive Existenz ist nur im Willen des Verbrechers .

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4–15 Das Gefährliche … zeigen .] A B  : Dieser GesichtsPunkt wird später auch erwogen werden , – hier haben wir es nur mit der unmittelbaren Natur des Verbrechens zu thun . – / Die Manifestation 30 der Natur des Verbrechens ist es wodurch die geschehene Verletzung wieder vernichtet wird . Die Aufhebung des Verbrechens hat zweyerley Seiten . Einmal den CivilErsatz , durch diesen wird das Verbrechen nicht als solches aufgehoben  ; zweitens die Strafe . / Die Form der Strafe ist indeß hier noch uneigentlich , da dieselbe erst im Staate vorkommen kann . Die Manifestation des Strafens erscheint zunächst noch als Rache .   23–25 allein in … gefaßt .] A B  : im Willen des Verbrechers . 35 Dessen besonderer Wille macht das Negative gegen | das Allgemeine . Der zweyte Zwang der auf­ zuheben ist , muß deshalb den Verbrecher treffen und da dessen Wille nur im Daseyn seiner Freiheit zu treffen ist , so wird er von dieser Seite gefaßt . –   10 aufgehoben] unsichere Lesung  29 werden , –] werden . – ,   34 Strafens] Verbrechens  



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Sein Wille ists der das Verbrechen gethan . Sein besonderer Wille der dem Allgemei­ nen entgegengesezt ist macht das besondere aus . Hier hat dies nichtige seine positive Existenz . Was aufzuheben ist ist der Wille des Verbrechers – Wenn der Verlezte entschädigt wird so ist das Recht nicht wiederhergestellt  : Hingegen durch Negation der vorigen Negation . Dieses ist der wesentliche Begrif . Die Rechtsgelehrten haben viel darüber gedacht aber man muß sagen daß diese Versuche auf Abwege geführt haben  ; was selbst in die Gesezgebung übergegangen ist . Die Hauptsache ist daß man die Strafe nur als ein Übel ansieht . Es ist überfluß daß das 2te Übel hinzu­ kommt , es ist am ersten schon zuviel . Das 2te Übel kommt hinzu und man betrachtet es als das Zweite als das nachfolgende . Aber man sollte es als das Übel des Übels betrachten[ .] Indem man eben dies als ein bloß äußeres Übel betrachtete so sagte man man müße etwas positives im Übel noch suchen . Dieses hat man einen Zwek geheißen . Das positive liegt darinn daß das negative des negativen das Affirmative ist – | Indem man so nichts in diesem Begrif hat finden könen so hat man positive Zwecke gesucht , man sagte daß das Recht die positive Absicht habe , das positive zu verbieten[ .] Das positive sollte zum Zwek der beßerung des Verbre­ chers sein , andere sagen Abschreken . Aber Abschreken sind allerdings Zweke positive Seiten aber etwas ganz anderes ist eine Seite , und der Begriff selbst . Als Seiten können sie fehlen oder nicht . Die bloß sinnliche Vorstellung  : solches folgt aus dem Verbrechen also will ich es unterlaßen . Aber so wird der Mensch welcher bestraft wird zum Mittel gemacht – er wird nicht als ein Freies behandelt . Das Vernünftige muß darin sein . und dann erst wird er als ein Freies betrachtet . Viele könen diesen Gang nehmen . Aber 1tens ist dies keine Moralische Wirkung . Aber man kann sich abschrecken laßen oder auch nicht  ; aber dies gehört eben zu der schlechten Psychologie  : nur das Vernünftige wirkt . Je mehr man die Strafen abschrekend machen will desto mehr empört sich das Gemüth . Aber diese Strafen machen das Vorstellen und die Folge daß das Gemüth daran gewöhnt wird . Solche schauderhaften Strafen haben die Menschen nur desto bitterer gemacht . Montesquieu führt es von den Japanesen an | daß die Strafen sehr scheuslich gemacht wurden , aber desto scheus-

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… Abschreken .] A B  : Dies ist der Begriff der der Theorie der Strafe zum Grunde liegt . – Die Hauptsache in den falschen Ansichten über die Strafrechtstheorie , ist die daß nun das Verbrechen und die Strafe nur als ein Uebel betrachtet werden , die neben einander stehen , und nicht als solche die einander aufheben . Man hat in diesem zweyten Uebel , das man als abstrakt negativ 35 ansah , ein Positives gesucht und dies als Zweck der Strafe bezeichnet . Das wahrhaft Positive in der 35 Strafe ist indeß die Negation der Negation selbst . – /   20–22 Aber so … betrachtet .] A B  : Da wo die Strafe als Mittel der Abschreckung betrachtet wird , da wird | der Mensch zum Mittel gemacht und nicht nach seiner ersten substantiellen Natur , als Freyer behandelt . –  

30 5–17 Dieses ist

11 betrachten] betrhtt   30 der2 ] die   31 über] übt   32 werden] wird  

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lichere Verbrechen sind begangen worden . Die Androhungstheorie ist ebenfalls Mangelhaft . Das ist aus der Kant’schen Philosophie hervorgekommen . Man wollte die sinnlichen Triebfedern unterdrüken . Man sagt die Androhung sei die sinnlichen Triebfedern unterdrückend . Aber so könte man sagen man müße desto stärker drohen um so schlimmer das Verbrechen ist . aber man kann auch das Gegen­theil sagen – Der Staat macht die Drohung um abzuschrecken aber die Menschen können sich abschreken laßen oder nicht . Der Staat ist berechtigt die Drohung auszuführen , und den Menschen ist auch ihr Recht geschehen . Aber wenn die Drohung das Mittel wäre so müßte man bei der Drohung stehen bleiben . Aber wenn man sagt das Recht die Drohung auszuführen liege eben in der Drohung selbst . Aber der Staat darf am allerwenigsten etwas drohen was nicht rechtlich ist . Was er droht muß für sich recht sein nicht weil er es gedroht hat . Sagt man das Recht liege darinn daß der Verbrecher gewußt habe daß diese drohung ausgesprochen worden sei . Es läge darinn daß das Drohen überhaupt das Recht gebe zu thun was gedroht sei . – Was die beßerung des Verbrechers betrift so ist es eine wesentliche Seite . Aber das Ve r b r e c h e n als solches im | äußerlichen Dasein muß aufgehoben sein . Aber was die Beßerung betrift so ist dies auch etwas zweideutiges . – Der Zusamenhang der Strafe mit dem Verbrechen ist nur dan gerechtfertigt wenn er mit dem Begriff identisch ist . Der Geist kann das Geschehene ungeschehen machen . Der Wille ist nicht die absolute bestimtheit des Geistes . Dadurch kann das Verbrechen unschädlich gemacht werden – der Staat kann das Verbrechen ansehen als nicht geschehen . Er kann begnadigen dies ist aber nicht mehr die Sphäre der Gerechtigkeit . Wenn aber ein Gericht aus Rüksichten der Gnade urtheilt so hört es auf Gericht zu sein . – Dies ist also das Allgemeine dieser Umkehrung . Das Verbrechen kehrt sich gegen den Verbrecher selbst um (In Geistergeschichten hört man dies oft) . Es ist zunächst bei dem Verbrechen zu betrachten die Gerechtigkeit im Verbrechen an und für sich

1–2 Die Androhungstheorie … Mangelhaft .] A B  : Die Androhungstheorie hat besonders durch Feuer­bach ihre Anempfehlung gefunden .   8–15 Aber wenn … sei . –] A B  : Wenn die Androhung für sich selbst Mittel seyn soll , so müßte bey der Drohung stehen geblieben werden . Der Staat darf demnächst am Allerwenigsten etwas drohen , was nicht an und für sich recht ist , und es ist somit durch diese geschraubte Wendung nichts zur Begründung des Rechts der Bestrafung geschehen . – / |   16–19 Aber was … machen .] A B  : Die Besserung bleibt gleichfalls etwas Problematisches . Gleichwohl kann der Mensch sich bessern und der Geist kann das Geschehene ungeschehen machen . – /   24– 383,4 Das Verbrechen … todtgeschlagen .] A B  : Das Verbrechen kehrt sich seiner Natur nach gegen sich selbst um . Gegen einen Verbrecher macht sich in der Strafe nur dessen eigener an und für sich seyender Wille geltend . –   11 allerwenigsten] allrwngstns   18 der] des   20 Dadurch kann … Verbrechen] Dadurch Vn knn d . Vn   22 begnadigen] be / gnadigen   25 Geistergeschichten] Geistergstn / geschten   26 die] ist d .   34M § 54] im Ms einfach unterstrichen  

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selbst . Das Andere Moment ist daß das Verbrechen auch gegen den Verbrecher als solchen gerichtet sei . Dies ist das an und für sich vernünftige . Es ist in ansehung der Religion wesentlich den Verbrecher von seinem Verbrechen zu überzeugen . Damit er nicht glaube er werde wie ein Thier blos wie ein Thier todtgeschlagen .  | Der Wille des Verbrechers ist auch als Besonderer bestimt[ .] Die Besonderheit muß zu ihrem Recht komen . Das tilgen des Verbrechens ist mit der Vernunft des Verbrechens eins . Aber es ist auch die besonderheit seines Willens welche in dieser Verkehrung enthalten ist . Der Verbrecher in dem er die Handlung begeht thut diese als eine einzelne – Er hat es gethan , seine besondere Meinung ist eben daß Er es nun gethan hat aber indem er als besonderes auch ein Allgemeines ist so hat er in seiner Einzelnen bestimung etwas Allgemeines gethan . Dies ist die Seite eben daß er ein vernünftiges ist . Sein besonderes Handeln hat theils den Sinn eines Einzelnen aber auch ein Gesez aufgestellt . Ein Gesez worunter er sich subsumirt[ .] Er hat verlezt also ist es erlaubt ihn auch zu verlezen . Daß ihm das Gleiche widerfahre was er gethan hat dies liegt in der That . Die anderen erkennen es nicht an für sich , aber von ihm ist es anerkannt – auf ihn darf es angewandt werden[ .] Dies ist die 2te ­unmittelbare mit der ersten verbundene Seite . Beccaria hat dies besonders gefaßt  : und gesagt man dürfe nicht am Leben bestrafen . Die antwort liegt im gesagten .  | Man hat gegen das Recht des States zum Tode zu strafen angeführt den prae­ sumtiven Willen . Das Vernünftige muß praesumirt werden . Auch ist der Staat nicht ein Vertrag , daß jeder etwa in die Geseze einwilligen müßte es ist eines jeden Pflicht in den Stat zu treten . Der Wille bringt eine Handlung hervor welche einen anderen verlezt – das ist eine einfache Handlung . Die Handlung drükt zugleich ein Gesez aus[ .] Ich mache dadurch mich allgemein äußerlich[ .] Wenn ich sage ich  , so sind alle gesagt  ; ich habe mich deßwegen als Allgemeines geäußert weil ich formell das Vernünftige bin . Ich habe also durch eine solche Handlung ein Gesez aufgestellt das aber nur mich angeht . Das ist die formelle Seite[ .] Es kann von dem

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8–9 Der Verbrecher … einzelne –] A B  : Der Verbrecher der die Handlung begehet thut zunächst etwas 30 Einzelnes und seine That ist die Verletzung der Freyheit eines Anderen .   13–384,4 Ein Gesez

… widerfährt .] A B  : Das Thier als solches thut nur Besonderes . Der Mensch aber mag thun was er will , hat darin zugleich ein Allgemeines gethan . – / | In einer That , die ein Verbrechen begründet , liegt auch die Einwilligung als solches betrachtet zu werden . Es braucht somit die ausdrückliche 35 Einwilligung des Einzelnen nicht , um als Verbrecher behandelt zu werden . Es wird nun ferner das 35 Verbrechen in der Strafe gerächt , einmal in sofern es als Vernünftiges betrachtet wird , und sodann insofern es nach der Vorstellung die es von sich selbst giebt behandelt wird . Es widerfährt dem Verbrecher sein eigenes Recht in der Strafe .   6 tilgen] unsichere Lesung   23 welche] ist welche  

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prae­sumtiven Willen sich tödten zu laßen nicht die Rede sein . In dieser Rük­sicht wird der Verbrecher in der Strafe geehrt – denn die Handlung ist dann so wie er es als Gesez aufgestellt hat – er erhält in der Strafe sein eigenes Recht . Eben dies ist die Ehre die ihm widerfährt . Alle anderen Ansichten enthalten nicht die Ehre des Verbrechers – er wird als mittel behandelt . – Dadurch daß das Individuum unter sein Recht subsumirt wird so wird er verlezt und das ist was man Züchtigung heißt . Züchtigung ist von der besserung zu unterscheiden . | In der Züchtigung ist sein Willen in seinem dasein verlezt[ .] Diese Züchtigung kann allerdings zur Beßerung dienen , er kommt dadurch zum Gefühl der Nichtigkeit seines besonderen Willens – in der Züchtigung wird er als Negativ gesezt . Es kommt ihm zum besonderen bewußtsein daß sein besonderer Wille nur wenn er dem Begriff gemäß ist geachtet wird sonst Aber nicht . Das ist moralisch ausgedrückt dadurch  : was du willt daß dir die Leute thun sollen das thue du ihnen . Doch geht dies darauf was ich nach dem an und für sich seienden Willen wollen soll . Die Züchtigung kann nicht zum zwek gemacht werden – beim Kind ist es mehr Zwek aber doch nicht ganz – Bei der beßerung wird das in sich gehen des Willens zum Zwek gemacht . Das ist sein absoluter actus selbst . Die Beßerung ist wesentlich Sache meines eigenen Willens und es kann nicht directer Zweck eines anderen sein – Die bestimtere Form ist die die Wiedervergeltung heißt  : das Jus talionis es ist dies ein Verlezen des Verlezers in beidem liegt eine bestimng der Wiedervergeltung . Es ist früher gesagt worden das Verbrechen hat Qualitative bestimtheit und Quantitative bestimtheit . Das aufheben der Verlezung hat in beiden Rüksichten seine bestimtheit  ; diese Identität ist näher was wiedervergeltung heißt[ .] | Dies ist also das Wahre , und ist die Alte Ansicht . Es ist Allgemein die Regel daß dem Verbrecher das Gleiche widerfahre was er ge­than aber nicht diese Gleichheit welche die Äußerliche ist sondern die innerliche . So wie beim Tausche ich doch Eigenthümer der Sache bleibe und doch verschiedene Sachen bekommen habe eben so hier . Man muß den Werth nehmen[ .] Dem Werthe

12–14 Das ist … soll .] A B  : In einer allgemein moralischen Form ist diese zweite Seite so ausgedrückt  : Was du willst das dir die Leute thun sollen , das thue du ihnen auch . – Dieser Ausdruck ist unbestimmt , insofern er nur formell ist . Es muß immer an und für sich vorher bestimmt seyn , was ich dem Menschen thun soll und was er mir . –   20–21 Es ist … bestimtheit .] A B  : Es wurde gezeigt wie das Verbrechen auch einen abstracten Charakter hat . Das Verbrechen ist bestimmt nach Qualität und Quantität .   27–385,2 Man muß … werden .] A B  : Ohnehin geht hier die Sache in der Sphäre des Willens vor . Diese ideelle Sphäre die über der qualitativen überhaupt stehet , läßt um so mehr eine Vertauschung des Einen mit dem Andern zu . Bey dem qualitativ ganz bestimmten Morde , ist die wahrhafte Wiedervergeltung nur die Todesstrafe , nach dem Spruche , wer Blut ver |g  ießt deß Blut soll wieder vergossen werden . –   7 Züchtigung] Züchttgg   8 verlezt] so auch A B  allerdings] allrdgis   19 talionis] tationis   29 das] daß   36 ver |g  ießt] ver nur als Reklamante | gießt  

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nach muß mir das Unrecht wiedervergolten werden . Beim Mord ist die Wiedervergeltung das Qualitative , sein Blut muß auch vergoßen werden . Aber bei anderen Sachen besteht die Wiedervergeltung in einem Werth , Gefängniß etc . Wenn man sagt Aug um Aug Zahn um Zahn so ist dies das was formell ist . Und man hat das mit Abgeschmaktheiten widerlegen wollen . Wie man beim Tausch auf die Qualitative Gleichheit verzicht thut so ist bei dieser Verlezung des Verbrechers nicht stehen zu bleiben[ .] Jede Handlung in ihrer Unmittelbaren Existenz ist in sich auch ein Allgemeines . Wie der Werth bestimt werden soll hängt von den Sitten ab auch von den Ständen der Personen . Es muß in dieser Verlezung nichts Grausendes liegen . Das Ausgleichen ist die Sache der Vorstellung – In der Vorstellung eines Volkes kann dies oder jenes seinen Werth haben .  | In diesem Sinne ist also der richtigste Gesichtspunkt die Wiedervergeltung . Aber nicht das Individuum hat wiederzuvergelten . Auf unserem Standpunkt haben wir noch keine Gerichte sondern es ist der Begriff des Willens einerseits[ .] Indem es nur der besondere Wille ist so ist es ihm überlaßen das Recht auszuüben . Aber insofern ist dann die Aufhebung des Verbrechens nur Rache – aber diese Form der Rache ist nicht wesentlich sondern nur eine Form welche aufzuheben ist . Die Rache kann gerecht sein[ .] Im sogenannten Natur Zustand ist die Rache die Gerechtigkeit . Die Ausübung der Gerechtigkeit nach der Rache ist überhaupt etwas zufälliges nur deßwegen daß sie die Handlung eines subjektiven Willens ist . Der Subjektive Wille kann in diese Ausübung die besonderheit hineinlegen[ .] Durch diese Modification

5–8 Wie man … Allgemeines .] A B  : Die Aufhebung des Verbrechens ist also überhaupt nur durch Verletzung zu bewirken , weil jede Handlung in frey unmittelbarer Existenz auch ein Allgemeines ist .   9–11 Es muß … haben .] A B  : In roheren Zeiten sind die Wiederverletzungen auch roherer , grausamerer Natur . Ein genauer Maaßstaab ist hier überall nicht anzuführen . /   13–386,8 Auf unserem … Unrecht –] A B  : Auf dem Standpunkte auf dem wir hier stehen ist die Wiedervergeltung noch als Rache bestimmt . Wir haben den an und für sich bestimmen Willen noch nicht als ein Recht , eine Autorität . – Insofern es dem besonderen Willen | überlassen ist das Recht auszuüben , so erscheint diese Form noch mangelhaft . Die Rache kann nun vollkommen gerecht seyn , ihrem Inhalte nach . In einem sogenannten Naturzustande können es Heroen seyn , abentheuerliche Ritter , die die Ausübung der Gerechtigkeit sich zu ihrem besondern Willen machen . Dieser substantielle Wille kann nun in die Ausübung der Gerechtigkeit auch seine besondere Empfindung legen und die Ausübung der Gerechtigkeit kann so das Maaß überschreiten und ungerecht werden . Der subjective Wille kann so in jede Verletzung seine ganze Unendlichkeit , seinen ganzen Eifer legen . Indem das Individuum ferner als ein Besonderes auftritt , so macht die Rache , der besondere Wille gehässig  ; es sind zwey Besondere die gegeneinander auftreten . – Dies ist der Natur des Verhältnisses zuwider . | Die Umkehrung des Verbrechens müßte nicht in der Form des Besondern , Zufälligen , sondern in der des Nothwendigen erscheinen .  

2 Qualitative] Qualittative   3 Gefängniß] Gefäng / niß   13 wiederzuvergelten] widerzuvrgltung   40 21 Modification] Modif cation   28 auszuüben] aufzuheben (vgl . Ri)  

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kann die Gerechtigkeit ungerecht werden . Indem der Subjektive Wille verlezt ist so wird seine Ganze Persönlichkeit hineingelegt . Er verfährt ganz ungerecht . Dieses Wiedervergelten ist also etwas zufälliges – zufällig soll es aber nicht sein sondern etwas nothwendiges  ; sonst ist es Rache . Weil es der besondere Wille ist so sind 2 besondere Willen gegen1ander die erste Verlezung hat in dem besonderen Willen den Grund hingegen die Umkehrung des Verbrechens hat etwas nothwendiges[ .] | Der besondere welcher auftrit dies zu vergleichen so trägt er diese besonderheit hinein . Aber der andere steht auf demselben Fuß und dies ist das Unrecht – Zweikampf ist dieses ungehörige Verhältniß daß der Verlezte mit gleichem Rechte auftritt . Es ist in dem Rechtlosen Zustand gewöhnlich , es ist ein Rest von Barbarei , das wenn es noch existirt noch Barbarei ist . Nur bei dem Militair ists aus anderen Gründen zuzulassen . Ich habe unrecht gethan aber trete mit dem gleichen Fuße dagegen auf . Die Gerechtigkeit in ihrer Verwirklichung ist nur etwas zufälliges – Es ist der besondere Wille der gegen den anderen auftrit , und dieser soll es doch nicht . Es wird eine zufällige Handlung – eine neue Verlezung  ; stat das Unrecht getilgt zu haben . Dadurch entsteht der Progreß ins unendliche . Es ist dies noch bei vielen Völkern

16–387,11 Es ist … ist .] A B  : Es findet sich unter rohen Völkern eine solche von Geschlecht zu Geschlecht sich forterbende Rache . – In Gesetzgebungen die sich jener Sphäre noch nicht ganz entrissen haben , finden sich noch Spuren der Privatrache in der Verfolgung der Verbrechen . – Es ergiebt sich aus dem Angeführten die Forderung eines an und für sich seyenden Willens , das heißt in diesem Falle eines Gerichts . Zu dieser Erhebung des unmittelbar besonderen Willens in die Allgemeinheit desselben , sind wir | noch nicht gekommen . – / Zwe y t e r T h e i l / D i e M o r a l i t ä t / Es ist hier der Uebergang auf den moralischen Standpunkt . In der rächenden Gerechtigkeit liegt , daß der unmittelbare besondere Wille aufgehoben wird . Das Recht als solches setzt sich geltend gegen den , blos unmittelbar , besonderen Willen . Darin liegt überhaupt daß die Freyheit nicht mehr ein bloß Unmittelbares ist . Der Wille ist zunächst unmittelbar , besonderer Wille , dies widerspricht aber seinem Wesen , ein allgemeiner zu seyn . Die Gestalten , die wir betrachteten , sind nichts als Darstellungen des Fortgangs des abstracten Begriffs . Der Wille ist moralisches , nur dadurch daß die Unmittelbarkeit aufgehoben wird[ .] – / Das erste war also die Freyheit in | ihrem Begriff d . h . in der Unmittelbarkeit . – Wir betrachten nun den Willen als Subject , daß die Freyheit da sey , ist nur zunächst ein Unmittelbares , eine Naturexistenz . Jetzt soll der Wille sich selbst zu seinem Daseyn haben . Dies ist der moralische Standpunkt . Hier ist wesentliche Forderung , daß das was ich thue , mit meinem besondern Wissen und Willen geschehe . Der besondere Wille als solcher macht überhaupt das Daseyn des allgemeinen Willens aus . Der moralische Standpunkt kann überhaupt als die Seite der Realität gegen den ersten Standpunkt , als den der Idealität betrachtet werden . – Das Moralische als wesentliches Moment , muß gleichfalls ein Daseyn haben . Moralisch ist hier im allgemeinen Sinn genommen , nicht als das dem Unmoralischen Gegenüberstehende . Es handelt sich | also überhaupt um meine innere Bestimmung , um den subjectiven Willen . Der Mensch fordert und hat das Recht zu fordern , daß er das was er gethan hat , gewußt hat als etwas das nicht Pflicht ist . /  

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15 Unrecht] Rt .   18 sich forterbende] forteilende (vgl . Ri)  37 nicht] nichts   38 Bestimmung] 40 Bestimm / mung  



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der Fall – die Feindschaft erbt sich fort[ .] Die Rache wird Jahre lang verfolgt und wenn sie befriedigt ist so fängt es von neuem an . In den Römischen Gesezen sind viele Verbrechen nicht als crimina publica angesehen worden  ; sogar Raub und Diebstahl[ .] Auch in England ist das der Fall . Da es ein besonderer Wille ist der die Gerechtigkeit vollführt so ist dies ein Wiederspruch | denn sie ist etwas nothwendiges . Zu der Erhebung des unmittelbaren Willens in den Allgemeinen dazu sind wir nicht gekomen . Es ist ein Übergang gemacht worden – dieser Übergang liegt in der Versöhnung des Verbrechens so – in der Nemesis wird der unmittelbare besondere Wille in der Strafe aufgehoben . Das Recht wird darin für mich würdig – durch seine nothwendigkeit[ .] In dieser Verwirk­ lichung liegt dieses daß das Recht etwas unmittelbares ist . Die Vermittlung ist ein Aufheben der Unmittelbarkeit . – Die Gestaltungen welche wir gehabt haben sind nichts anderes als Darstellungen dieses Abstrakten Willens . Der Moralische Standpunkt enthält überhaupt dieses , daß der Besondere Wille zugleich allgemeiner sei . So ist er nicht allgemein er wird nur allgemein durch diese Vermittlung[ .] Der Wille ist nicht unmittelbar moralischer Wille . Der Moralische Wille ist daß diese in sich gehen . Das macht den moralischen Standpunkt aus –

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Zweiter Theil Die Moralität

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Das erste das wir gehabt haben ist die Freiheit in ihrer Unmittelbarkeit . Jezt haben wir den Willen nicht mehr als Person , sondern als Subject[ .] Das Dasein war zuerst unmittelbare Existenz[ .] Die Idee muß nicht mehr unmittelbares Dasein haben sondern sie muß den Willen selbst zu ihrem Dasein haben – | Im Morali­ schen Standpunkt kommt es wesentlich darauf an daß ich es mit meinem besonderen Wißen und Wollen des Guten gethan habe[ .] Die Person ist die Idee und der Wille ist allgemeiner und besonderer . Ich bin nicht mehr Person sondern in mir bin ich das unterscheiden meines Zwekes . Ich habe einen Zweck in mir das ist das be­ sondere – das allgemeine komt selbst für mich zum bewußt sein das allgemeine ist das was dann Später das Gute heißt  ; die andere Seite ist selbst die subjective Seite[ .] Die andere Seite ist die Besonderheit für sich dazu gehört theils die innerlichkeit – der Umfang meines besonderen Daseins – das Wohl[ .] Es ist der Moralische Wille den wir betrachten das moralische muß gleichfalls wie der Wille ein dasein haben . Moral ist hier in einem ganz allgemeinen Sinn . Moralisch ist der der dem Guten angemeßen handelt . Moral ist daß ich als besonderer Wille in dem was ich thue als Wißen und Wollen überhaupt bin . Es wird von der Absicht von der Schuld die Rede sein . Daß mir etwas zugerechnet werde heißt soviel daß es mein Zwek gewesen sei . Es ist in dieser Seite enthalten daß was ich thue mein besonderer Wile sei[ .] | Die beziehung auf das Gute gehört diesem Standpunkt an . Das Recht des subjektiven Willens überhaupt , ists was wir zu betrachten haben – der Mensch hat das Recht zu fodern daß das was er gethan habe , er gewußt habe daß es gegen die Pflicht ist . Das nehere ist folgendes . 1 . Die Unmittelbare identität meines Willens in dem was ich thue – daß eine Handlung mein Vorsaz gewesen sei . Das erste ist also diese formelle identität das 2te ist das besondere der Handlung – dieses besondere der Handlung (hier erst trit der begriff von Handlung ein) . Diese besondere Seite hat 1erseits die bestimung der Absicht und auf der anderen Seite die Bestimung des Wohls . Ich bin das bestimende , ich seze in dem bestimen das Meinige . Der Inhalt der Handlung in sofern er der 26–28 das 2te … ein) .] A B  : Das zweite ist der Inhalt , das Besondere der Handlung .   21 an] nicht an   25 1 .] im Ms einfach unterstrichen  

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Meinige ist in so fern betrift dieses die Absicht das 2te ist eine besonderheit als solche diese hat das Recht in der Handlung zu sein[ .] Hieher gehört daß mit meiner Absicht mein Wohl sein muß – , das 3te ist mich als Handelnd in beziehung auf das Gute zu betrachten mich als Gewißen . | Der Moralische standpunkt ist der Standpunkt der Endlichkeit[ .] In dem Morali­ schen Standpunkt tritt der Unterschied ein des an und für sich seienden Willens und des besonderen Willens . Dieser Unterschied ist das zu Grunde liegende . Die Un­ mittelbare Einzelnheit ist aufgehoben – der Wille ist in sich reflektirt . Es ist da etwas über das er hinausgegangen ist . Dies enthält in ihrer Abstrakten bedeutung selbst zwei . Besonderes gegen Besonderes . Dieser Standpunkt ist das Verhältniß des Sollens – wo das Wahre Rükkehr ist zu der Einfachheit . Der besondere Wille soll angemeßen sein dem allgemeinen aber es ist hier nur ein sollen – Philosophien welche auf diesem Punkt stehen bleiben schließen nur mit dem Sollen – Moralischer Standpunkt steht dem Rechtlichen gegenüber . Moralischer Standpunkt ist der Wille auf einen Inhalt mit einem Zwek im Recht ist auch ein Inhalt aber dieser ist das gleichgültige[ .] Der Zwek ist meine abstrakte Freiheit , diese besondere Seite ist gleichgültig[ .] Das Recht ist der Standpunkt der Abstrakten Freiheit . Der Moralische standpunkt ist der Standpunkt der Concreten Freiheit . Der Zweck ist , daß ich wiße daß ich frei bin . Auf diesem Standpunkt , dem Rechtlichen kommen keine Handlungen vor – wohl auf dem Moralischen . Das Verbrechen ist eine Handlung , die innere Seite wird erst hier betrachtet – Im Recht sind keine Gebothe sondern nur Verbothe – | Durch die Veränderung in meinen Handlungen gebe ich mir ein Inhaltsvolles Dasein . Das Nähere sind die 3 angegebenen Gesichtspunkte . 1 Das Recht des besonderen Willens – 2 . Das Recht des besonderen Willens auf einen Inhalt das 3te ist das Recht des besonderen Willens aber so daß der besondere Zweck sich hebt zu einem allge­ meinen Zwek . Das Recht des Gewißens – Böse – Das hat sich zusamenzufaßen und

3–4 das 3te … Gewißen .] A B  : Das dritte ist der absolute Zweck des Willens , einerseits das Gute der Zweck als abstractes , und ich gegenüber als Gewissen . –   8–9 Es ist … ist .] A B  : er ist über seine Unmittelbarkeit hinausgegangen .   10–12 Dieser Standpunkt … sollen –] A B  : Der mo­ralische Standpunkt ist noch nicht der sittliche Standpunkt , wo kein Sollen mehr ist . Er ist hier nur ein Sollen .   13–18 Moralischer Standpunkt … bin .] A B  : Der moralische Standpunkt steht dem abstrakt-Rechtlichen gegenüber . Er ist reicher erfüllter , als der rechtliche Standpunkt . – / 1 . Kapitel H a n d l u n g u n d Vo r s a t z    21–390,12 Durch die … darinn[ .]] A B  : Der Wille hat hier einen besondern , bestimmten Inhalt  ; es ist somit ein positives Verhältniß meines Thuns begründet . Die Besonderheit ist überhaupt Form des Daseyns  ; in ihr ist schon die Allgemeinheit enthalten . – Es ist also zu betrachten 1 , das Recht des besondern Willens ganz abstrakt , 2 , das Recht des besonderen Willens mit einem Inhalt und 3 , das Recht des besondern Willens in seiner Erhebung zum Allgemeinen , das Gute und das Gewissen . – / Der moralische Standpunkt ist der Durchgangspunkt zur 8 reflektirt] reflextirt   28 Gewissen] Genosse (vgl . Ri)  34 es] er  

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dadurch wird der Übergang gemacht zur Sittlichkeit . Der Moralische Standpunkt kann erst dann eintreten wenn der Wille an und für sich da ist . – Das Recht des Subjektiven Willens überhaupt be­treffend kommt hier der Begriff von Schuld zu betrachten . Wenn ich was thue so bringe ich eine Veränderung in einem dasein hervor . Die Sache hat also dadurch das Praedicat des Meinigen . Das ist die Schuld im Allgemeinen . wir sagen er ist schuld dann – nach diesem Sinn wenn einem was begegnet so giebt man Zb . dem Stein die Schuld daß man sich gestoßen hat . Wenn man die Ursache der begebenheit erklären will so sagt man dies hat Schuld an dieser Veränderung . Alle Umstände welche in der begebenheit enthalten sind sind die Schuld . In der Französischen Revolution findet man daß Louis XVI Schuld war – der Hof – die Philosophie . Schuld heißt nichts anderes als das Moment findet sich darinn[ .] | Hier ist der Fall daß das Meinige eintritt auf eine nähere oder entferntere Weise . Ich bin Eigenthümer und indem ich es bin so ist was mein Eigenthum ist äußerliche Sache . Zb . Thiere sind mein Ei­gen­thum – was durch ein solches Eigenthum geschieht dafür habe ich zu stehen – es ist das Meinige deßwegen ist es von mir verschuldet . Aber die eigentliche Schuld fängt bestimter da an daß ich Schuld an dem , in der That schuld habe in so fern diese in meinem Vorsaz liegt insofern ich es gewollt habe . Ich bringe eine That hervor – insofern ich es gewollt habe in sofern ist es in meinem Vorsaz gewesen[ .] Es ist nicht mehr bloß meine That , sondern meine Handlung und ich erkenne nur das für meine Handlung an daß ich gewollt was ich gethan . nach dieser Seite handelt man g e g e n ein Dasein das Dasein ist ein äußerliches man kann sich täuschen in der Hinsicht was es ist worauf man handelt , diese umstände auf die ich handle bestimen die Natur meiner Handlung ich erkenne aber nur das davon als meine Handlung an was ich gewußt habe[ .] | So mit der Geschichte von Oedip – seine That war Vater­ mord , die Handlung aber nur ein bloßer Kampf wies damals Sitte war . Er hat es aber ganz auf sich genommen , er hat sich als Vatermörder betrachtet . Aber das liegt darin daß der unterschied nicht so in seinem bewußtsein war wie er es uns ist . In der Totalität des Bewußtseins lag das Ganze , oder sollte alles liegen nach dem begriff damaliger Zeit . Leidet jemand unschuldig so hat er etwas unvernünftiges

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Sittlichkeit . – / Eine That ist überhaupt etwas Concretes , das eine Menge Bedingungen | in sich enthält . Schuld ist zunächst etwas ganz Formelles . Von großen Weltbegebenheiten werden oft die verschiedensten Umstände als Schuld angeführt .   25–391,1 So mit … sich –] A B  : Oedip – Sein Vatermord ist ihm nach unserer Ansicht nicht zuzurechnen  ; gleichwohl sehen wir in den tragischen 35 Darstellungen der Alten , wie Oedip sich als Vatermörder ansah und somit die ganze Schuld der 35 Handlung auf sich nahm . Es liegt hierin das Heroische daß der Mensch sich zumuthet den ganzen Umfang der Erscheinung die | vor ihm liegt zu umfassen . Daß der Unschuldige leide , ist immer ein 3 überhaupt] übhbt   8 begebenheit] begeben / ht   11 Louis XVI] Louis XVIII  



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gegen sich – er hat das hohe Wißen gehabt das Räthsel der Sphinx zu lösen und dies wußte er nicht . Das Tragische eben ist daß er unschuldig leidet – es ist eine höhere Rache deßen daß er alles wißen wollte . – Ich laße mir nur zurechnen was ich wußte . Ferner hat die Handlung auch Folgen . Hier kann wieder gefragt werden inwieferne sind sie zuzurechnen oder nicht . Ist eine Handlung noch ohne Folgen zu beurtheilen oder nicht . Die Handlung ist ein äußeres concretes Dasein was mannigfaltigen Zusamenhang hat  ; Dies sind dann eben die Folgen . Einerseits ist diese Äußerlichkeit die Entwiklung der Handlung selbst  : Die Handlung die Seele des Ganzen und die | Gestaltung ist die Handlung mit ihren Folgen . Das sind die nothwendigen Folgen – nach dieser Seite kann die Handlung und muß die Handlung aus den Folgen beurtheilt werden . Es ist in soferne recht wenn man die Folgen den Menschen anrechnet[ .] Die Folgen expliciren die Natur der Handlung[ .] Man muß unterscheiden daß man die Handlung nicht für unrecht ausgiebt bloß von der Seite des Übels . – Die Folgen haben zugleich eine andere Seite indem die Handlung zugleich die Meinige ist aber zugleich äußerliches Dasein so verändern sich die Handlungen . Es kann sich eine Handlung in entfernte Folgen wegwälzen die mir nicht mehr angehören – Es gehört nur das mir an was darin liegt was durch mich gesezt ist . Wir können sagen man soll auf die Folgen sehen und eben sogut kann man sagen man muß bloß auf die Handlung sehen . Aber eben es zeigt sich in den Folgen oft was die Handlung für eine Handlung war . Die Handlung trägt das Wesentliche der Folgen in sich – es läßt sich in sofern in der Handlung schon erkennen . Wenn aus einer Handlung fürchterliches entspringt so muß es einen aufmerksam machen doppelt zu achten darauf was die Handlung eigentlich für sich sei . Aus der natur muß ich erkennen lernen ob die Handlungen recht oder unrecht sind . Es entsteht diese Collision überhaupt indem ich handle vertraue ich das Meinige der | Äußerlichkeit an . Die anderen können machen daraus was sie wollen – aber ich bin es doch der es gesezt hat . Dadurch geschieht es daß wenn die Handlung eines Verbrechers keine wichtigen Folgen hat , man es ihm nicht so anrechnet als eine solche welche sich ganz entwickelte . Der Brandstifter wo das Feuer nicht ausbrach wird nicht so

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30 schlechter Anblick  : wenn der Schuldige leidet , so ist dies seine Sache und er ist darin . –   12 Die

Folgen … Handlung[ .]] A B  : Zugerechnet können mir die Folgen werden , wenn sie nichts sind als die Entwickelung der Handlung selbst .   14–16 indem die … Handlungen .] A B  : Indem die Handlung äußerliches Daseyn ist , so knüpft sich von außen mancherley daran .   24–27 Es entsteht … hat .] 35 A B  : Es entsteht nun hier allerdings Collision , wie auf dem ganzen Standpunkt der Moralität . Indem 35 ich handele , so gebe ich das Meinige fremden Mächten preis die aus dem Meinigen viel anderes machen können , als ich bezwecke . –   3 zurechnen] zu / rechnn   13 unrecht] unsichere Lesung  18 können] kann   24 ich] sich   27 Handlung] Handlungen   28 als] als ,  

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hart gestraft als der wo das Feuer das Gebäude zerstörte und dies ist nicht ungerecht . Dieses faßt sich aber näher zusamen in den Unterschied von allgemeinen und einzelnen Folgen . Das Dasein , das einzelne steht im manigfachen Zusamenhang . Ich habe bloß das einzelne gethan und nicht das was das einzelne veränderte dasein weiter verursacht hat . Der Mordbrenner könnte sonst sagen wollen ich habe nur Stroh oder nur einen einzelnen Punkt berührt . Aber der einzelne Punkt ist zusamen­hängend mit anderen  ; und er hat in dem Einzelnen das Allgemeine verlezt . Es wird dem Individuum zugemuthet , daß weil es ein denkendes ist , es wiße was es thue daß es den Zusamenhang kenne deßen was es thut . Ebendeßwegen werden den Kindern den blödsinnigen ihre Handlungen nicht zugerechnet .  | Dies ist die Forderung der Objektivität . Diesem Rechte der Objektivität steht entgegen das Recht der Subjektivität[ .] Hier entsteht eine Collision welche furchtbar werden kann . Es giebt umstände die einen entschuldigen – Erziehung etc[ .] aber diesem gegen über steht die Forderung der Objektivität – Es ist dies eine Collision die perennirend ist und die sich nicht abweisen läßt . Hier ist eine Annäherung möglich – das ganze ist nur ein sollen . Das ist das Moment des Selbstbewußtseins in Ansehung des Vorsazes . Das 2te Moment ist daß das Selbstbewußtsein nicht nur sich überhaupt habe in seiner Handlung sondern daß es 2 . sich in seiner Handlung auch habe nach seinem besonderen Inhalt . Das Subjekt ist ein besonderes – Sein besonderes soll in seiner Handlung sein – Seine Handlung soll nicht bloß eine allgemeine sein  : das Subjekt hat das Recht daß es sich in seiner Handlung befriedigt finde . Der Mensch der bloß als zwek gebraucht wird ist nicht befriedigt in seinen Handlungen . Das Subjekt weil es besonderes ist so hat es auch besonderen Inhalt[ .] Dies ist das was die Absicht in Ansehung der Handlung heißt – zunächst haben wir für die bestimung der Absicht keinen näheren Inhalt | als den Inhalt der besonderheit des subjekts selbst dieser besondere ist der natürliche , denn der natürliche Wille ist

2–9 Dieses faßt … thut .] A B  : Der Unterschied von Handlung und ihren Folgen , faßt sich näher ­zusammen in dem Unterschied zwischen Einzelnen und Allgemeinen . Die Handlung ist zunächst ein Allgemeines . Wenn nun das Subject das Recht hat daß es wisse was es wolle , und wenn behauptet wird , daß es bloß ein Einzelnes bewirkt habe , so wird ihm ebendeswegen weil es ein Denkendes ist , zugemuthet , daß es im Einzelnen zugleich das Allgemeine wisse .   11–12 Dies ist … Subjekti­ vität[ .]] A B  : Wenn nun das Subject das Recht seines besondern Wissens hat , so hat umgekehrt das Objective sein Recht | und besonderes Bewußtseyn , daß dieses nämlich , indem es handelt , wisse was es thut .   13–17 Es giebt … Vorsazes .] A B  : Das Sollen und das Seyn stehen hier einander gegenüber . Die bemerkte Collision läßt sich nicht absolut beseitigen , sondern sie ist perennirend . Es kann hier nur eine Annäherung eintreten[ .] / 2 . K a p i t e l Wo h l u n d A b s i c h t . /   21 das Subjekt … finde .] A B  : Das Subject hat das Recht , daß es sich in seiner Handlung befriedigt , daß es zur Anschauung seiner als dieses Besondern gelangt .   26–393,1 dieser besondere … Wille .] A B  : 10 zugerechnet] zugerechnet wird   18 2 .] (2 im Ms einfach unterstrichen) .   25 Inhalt] Inhalt .  

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der besondere Wille . Indem sich der freie Wille realisirt so ist das eigen­thüm­l iche ­Dasein seiner der besondere Wille selbst – der Eigenthümliche Boden der Freiheit ist der besondere Wille als solcher – In dem die besonderheit des Willens wesent­ liches Moment ist so hat der besondere Wille jezt sein Recht – der Natürliche Wille kann hier herein aber er trit nicht auf als besonderer[ .] Der Natürliche Wille ist Neigung . Aber im Bewußtsein erhält er unmittelbare Beziehung auf das Allgemeine nach dieser Beziehung gilt der natürliche Wille der Wille als besonderheit . – Das was Bedürfniß überhaupt ist mit dem reflexe daß es bezogen wird auf das ganze , dies macht das Wohl aus . Aber die Allgemeinheit durchdringt den besonderen Willen noch nicht ganz sondern das Allgemeine kann nur an dem besonderen s che i ne n und dies ist sein Wohl . Das Individuum hat das Recht sein Wohl zu seinem Zweke zu machen aber nur im reflex mit dem Ganzen[ .] Diese besonderheit macht zunächst den Inhalt aus  : | Das Individuum hat also das Recht das Wohl zu fordern – Es hat das Recht daß es mit seinem Intereße in seiner Handlung sei . Das ist ein Recht das in der besonderheit liegt , dies ist für sich abstrakt genomen nicht für etwas schlechtes anzu­ sehen es komt dann erst darauf an ob es auf Kosten des Allgemeinen geschieht oder nicht . Die subjektive befriedigung überhaupt genomen ist ein Recht des subjektiven Selbstbewußtseins[ .] Daß das Subjekt seine befriedigung darin findet macht die Handlung zu keiner schlechten . Dies ist was in der Beurtheilung der Geschichte auch fest ­zuhalten ist . Große Individuen haben großes gethan . Wenn man aber sagt dies macht kein Verdienst der Individuen aus sondern sie haben aus Ruhmsucht gehandelt , so ist dies eben diese Verkehrung die die Handlung in Rük­sicht auf das Individuum zu etwas schlechtem macht . Das ist im allgemeinen eine falsche Trennung es ist ein bloß verständiges abstraktes beurtheilen . Die Geschichtliche be­­urthei ­­lung bringt dann die allgemeine Möglichkeit hervor alle großen Männer herunter zu machen wo nur die eine Seite betrachtet wird[ .] Ein Volk kann nicht handeln , dies müßen einzelne thun – aber die Handlung ist nicht darum etwas schlechtes weil in dem Allgemeinen die besonderheit lag . |

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30 30 Diese Besonderheit gehört dem natürlichen Willen an . Von diesem wurde bey dem Rechte abstra-

hirt .   4–9 der Natürliche … aus .] A B  : Der natürliche Wille tritt hier ein , aber nicht als unmittelbar natürlicher Wille , sondern als solcher , der Zweck ist , der vom reflectirenden Bewußtseyn gewußt und gewollt wird , und somit in das Element des Allgemeinen eintritt . So als gedachte allgemeine Besonderheit , ist er das Wo h l überhaupt , nicht als einzelne , besondere Neigung .   12–13 aber 35 nur … aus  :] A B  : Dagegen hat es nicht das Recht , diese oder jene Neigung , Leidenschaft pp weil es die Seinige ist , zu vollführen , sondern nur der Reflex des Ganzen kommt ihm hier zu . Wir haben zunächst noch keine Bestimmung für den Inhalt . –   2 besondere] be / sondre   5 Natürliche] Na / trliche   12 machen] mcht   13 aus] ist   20 was] ws sich   34 er] sie  

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In der Entwiklung der Idee muß jedes Moment zu seinem Rechte komen – es muß sich selbständige Gestalt geben . – Der Algemeine für sich seiende Wille ist ein Abstractum[ .] Die Concrete besonderheit ist der besondere Wille und dieser als solcher ist ein wesentliches Moment[ .] Meine besonderheit hat wesentlich mein Recht – und wenn ich handle so hat mein besonderes als solches gehandelt . Nur der besondere als solcher kann handeln . Die Besonderheit hat überhaupt also ihr Recht dieses Besondere hat verschiedene Form – wenn ich etwas thue so muß ich mein Intereße darin haben . Ich habe es auf verschiedene Art – Wenn meine Einsicht durch das handeln hervortritt Das ist die subjektive Freiheit als solche . Daß meine Einsicht dabei ist dies gehört der subjektiven Freiheit an[ .] In Ansehung der Religion gilt etwas als wahr auf göttliche Autorität – man hat es in der Vorstellung bloß als ein seiendes – sondern im Gegentheil  : ich habe meine Einsichten dabei auf die Seite zu legen – es ist – es will ohne Rüksicht auf meine Einsichten gelten – wie beim Rechtsstreit ob es den Partheien scheint oder nicht – so bleibts beim Spruch . Die subjektive Freiheit soll sich darein zu finden suchen – es sollen eigene Gründe sein – oder wenn es auch nicht m e i ne Gründe sind so soll es wenigstens das Zutrauen sein[ .] | Das Zutrauen , ist das wenn ich auf die Einsicht des anderen so traue als wenn es meine Einsicht wäre . Im Zutrauen sehe ich mich selbst – In Rüksicht aufs theoretische befinden wir uns auch in diesem unmittelbaren an­ nehmen – ZB . daß es dinge außer uns gebe – Jakobi sagt wir g l a u b e n es – wir w i ß e n es nicht aus gründen . Aber selbst g l a u b e n wäre etwas zu viel . denn auch dies sezt eine reflexion voraus . Das Recht der besonderheit ist das Recht dieses unter­scheidens – alles muß vermittelt sein durch meine Einsicht – wenn auch meine Einsicht nicht dabei ist wenn mir nur die Ehre geschieht j a dazu zu sagen . Eine weitere Form davon ist dann unsere Thätigkeit d . h . wenn wir dazu beitragen unsere Thätigkeit liegt in sofern näher unserem Inter­eße denn das Thun ist das Übersezen der Subjectivität in das Objektive – und das Geschehene nennen wir als das unsrige oder wenigstens einen Theil davon . Dies trit besonders ein , diese

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2–7 Der Algemeine … Form –] A B  : Indem ich handle , so handle ich als von der Äusserlichkeit Gesondertes . Der abstract allgemeine Zweck , insofern er gethan wird , indem er in die Wirklich- 30 keit tritt , wird ein bestimmter .   8–10 Wenn meine … an[ .]] A B  : Das Recht meiner subjectiven Freyheit ist | überhaupt daß ich mich in dem was ich thue als Besonderes finde . –   21–22 Aber selbst … voraus .] A B  : allein auch dieses ist schon zuviel , denn der Glaube erscheint schon als etwas Beschränktes , Begränztes .   28–395,11 Dies trit … überhaupt .] A B  : Wenn die Menschen sich für 35 etwas interessiren sollen , so ist dies auch ein Moment daß sie selbst etwas dabey thun . – (kleine 35 Städte mit ihren Magistraten) . – Bey Thucydides kömmt es einigemal vor , daß im peloponnesischen Kriege jeder meint es gehe nicht von statten wo er nicht dabey sey . – Das Interesse heißt nun näher 22 reflexion] reflextion  



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Weise der reflexion , jeder will auch dabei gewesen sein . Bei Thucydides komt dies häuffig vor – so daß jeder glaubte wo er nicht sei da gehe es nicht gut[ .] | Hat das intereße seinen Inhalt so heißt es Absicht[ .] Die A b s i cht ist eben der noch besondere Inhalt den man hineinlegt noch außer der That . Die Absicht gilt in mir für eigentlich das Wesentliche . Daß ich etwas gewußt gewolt habe heißt Vor­saz überhaupt . – Der Inhalt muß mein Inhalt sein . Die Handlung wird also gegen diese Absicht nur ein Mittel und der andere Inhalt wird als mein eigener betrachtet . Hieher gehören die Abweichungen in ansehung der moralischen beurtheilung . Wir sprechen hier von der B e s ond e r e n A b s i cht ü b e r h a up t  . Die Absicht überhaupt , und näher die Absicht des Wohls drükt hier nur den Gegensaz aus g e g e n das Recht überhaupt . Diese Besonderheit also ist wesentlich ich habe zu dem nahen Inhalte des Wohls vollkommenes Recht . Daß mein Wohl zugleich meine Absicht ist macht den concreten Umfang der Besonderheit aus . Hier zeigen sich sogleich diese Gegen­seze . Eben dieses Princip der Besonderheit ist das Große Princip der Modernen Zeit im Gegensaz gegen die Antique Zeit . Das tritt überall | hervor – Die Aesthetik ist plastisch , d . h . objektiv – gegen das plastische sehen wir das Romantische – das ist die Besonderheit das Ritterwesen , die Abentheurerei – Die Leidenschaft der Liebe hat eine viel höhere berechtigung erhalten als sie im Antiquen erschienen ist . – Diese Besonderheit ist also jezt das Hervortretende . Wir haben den Staat als ein solches Totum zu betrachten in welchem sich das Princip der Besonder­ heit ausbilden kann und doch nur in beziehung auf das Ganze – Es komt häuffig das Ur­theil vor  : Man sucht geheime Motive d . h . Histörchen der besonderheit . In dieser Beurtheilung wird das vorzüglich herausgehoben  : daß wenn ein Großer Mensch etwas großes vollbracht hat – daß in diesem zugleich die Besonderheit handelte – Er komt zu Ruhm und Ehre durch diese Handlungen , Er ists der es

Absicht , insofern es einen besonderen Inhalt hat . Beym Verbrechen reicht es hin , wenn erwiesen wird , daß jemand den Vorsatz zu einer gewissen Handlung gehabt hat . – In diesem Gegensatz von Absicht , als dem besondern Inhalt einer Handlung und deren objectiver Natur , fallen die moralischen | Beurtheilungen überhaupt . – Vom Guten ist hier noch nicht die Rede . Diese Betrachtung bildet das dritte Moment dieser Sphäre . –   15–19 Das tritt … ist . –] A B  : Dieses gilt von allen Lebensrichtungen , von der Wissenschaft , dem Staat und der Religion . Das Princip des Al­ter­thums ist plastisch im Denken und im Handeln  : das Princip der neuern Zeit ist romantisch . Das Princip der Liebe als der Besonderheit angehörig hat deshalb in der neuern Zeit diese viel höhere Bedeutung als in der antiken . – |   21–396,2 Es komt … angesehen  :] A B  : In der Geschichts­be­u rthei ­lung kommen oft solche psychologische und pragmatische Untersuchungen vor . Man giebt hier viel auf angebliche geheime Beweggründe und auf besondere Anecdötchen .   21 ausbilden] aus / blden   28 deren] dessen   31 Wissenschaft ,] in engerer Schrift von anderer Hand nachträglich in einen frei gelassenen Raum eingefügt   32 im1] in   Denken] in engerer Schrift von anderer Hand nachträglich in einen frei gelassenen Raum eingefügt  

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gethan hat  ; In der Geschichtlichen Beurtheilung wird dies häuffig nach dieser manier angesehen  : Z . B . Caesar hat aus Herrschsucht gehandelt  : er habe die Sucht gehabt zu dieser Ehre und dies sei | nicht moralisch gehandelt – diese Leute wollen daß ein Feldherr siegen soll aber nicht daß Er Sieger sei . Die Mönchischen Tugenden sind nicht Tugenden der wirklichen Welt , und da trit die besonderheit auch nicht ein . Wo er in die Welt trit da ist die Besonderheit auch in den Handlungen dies ist der Weg alle Großen Menschen klein zu machen . Man hält sich an die Besonderheit welche auch in der Handlung ist – und man macht diese Besonderheit nu r zur Besonderheit . Für den Kamerdiener giebt es keine Helden , aber nicht weil sie nicht Helden sind sondern weil sie Kamerdiener sind – Es giebt auch solche psychologischen K a m e r d ie n e r welche eben keine Helden annehmen weil sie K a m m e r d i e n e r sind . Es ist dies der Neid der nichts großes Leiden kann – aber der Neid hat das Kleid der Moralität an – Man hält dann eben das besondere darin fest . – die großen Männer haben vollführt was sie gewollt haben nun sagt man die Tugend soll uneigennüzig sein und nicht Die befriedigung suchen in der Handlung aber das heißt eben so viel als man soll nicht handeln – | man verkennt die Be­ sonderheit und sie machen daß das Große als etwas verächtliches angesehen wird . Man sagt aber auch , der Staat soll für das Wohl der Unterthanen sorgen d . h . die besonderheit der Individuen soll er befriedigen – die einen wollen dem Volke Religion lehren die anderen wollen Rechtsprechen und wollen sie heilen – aber hier erkennt man es ja für Recht diese besonderheit zu befriedigen . Das Individuum glaubt unrecht erlitten zu haben wenn die Besonderheit nicht befriedigt wird . – Die Anecdoten krämerei glaubt Wunders was sie gethan hat wenn sie große Thaten und Geschichten auf kleine Geringe Gründe knüpfen – Wo etwas durch und durch faul ist und es komt ein Windstoß von geringer bedeutung oder ein kleiner Stein so wird das Gebäude zusamenfallen . Nie kann aus kleinen Ursachen etwas Großes entstehen . Das Ganze der Handlungen ist das Wahrhafte der Handlungen einer

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3–16 diese Leute … handeln –] A B  : Es wird verlangt es solle ein Fürst , ein Feldherr siegen aber nicht Sieger seyn , große Thaten thun aber nicht berühmt werden . Wenn man bey solchem Tadel sogenannte mönchische Tugenden im Sinn hat , so sind dies Tugenden , wo nicht gehandelt wird , nicht 30 Tugenden , der politischen , wirklichen Welt . – Jener ist nur der Weg aller großen Individuen und Thaten recht klein zu machen  ; die neidische Beurtheilung hält sich in diesen großen Thaten nur an die Besonderheit . Es | ist dies der Neid der auch beym atheniensischen Volke sich zeigte , namentlich bey der Verbannung des Aristides . – Dieser Neid weiß sich in unseren gebildeteren Zeiten die Form 35 der Moralität zu geben . Große Männer haben in ihren großen Thaten ihren Willen vollbracht und 35 somit ihre Befriedigung darin gefunden . –   27–397,5 Das Ganze … Seite .] A B  : Wenn die Ursache einer Begebenheit als deren Begriff gefaßt wird , so ergiebt sich daß der Begriff seinem Gegenstand 13 Moralität] Mo / ralitt  



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Person und die Persönlichkeiten sind neben sachen . Man sagt dann man müße die Geheimen Falten des Herzens ausspüren , dann werde es ganz anders ausfallen | so geht es auch mit Schriftstellern . Man glaubt man lerne die Schriftsteller erst recht kennen wenn man sie im gemeinen Gespräch höre , aber das ist gerade die un­ bedeutendste Seite . Der Mensch welcher Früchte hervorgebracht hat der hat das Recht zu fordern aus diesen Früchten beurtheilt zu werden . Ein Heuchler kann unmöglich etwas sein – etwas großes Thun . Die besonderheit ist nicht die Wurzel des Substantiellen – daß ich dieses oder jenes gewollt habe dadurch bin ich etwas substantielles . Die Besonderheit überhaupt fällt in die Seite des Daseins der Wirklichkeit . In der Art und Weise es hervorzubringen da hat die Wirklichkeit vielen Einfluß . Das substantielle Werk ist der Maaßstab . Die Besonderheit hat ihr Recht . Dies betrift nun überhaupt das Verhältniß von der Besonderheit zur Substantiellen Allgemeinheit – Das Besondere in seinem Inhalt betrachtet kann als das Wohl betrachtet werden . Was das Wohl ist läßt sich näher nicht bestimmen . Es steht also Recht und Wohl gegen 1ander – Beide können übereinstimen , aber sie könen auch in Collision komen , – | Welches muß dem anderen weichen ? Das Recht überhaupt indem es das Dasein der Persönlichkeit betrift so ist es das zu Grunde liegende . Das besondere hat nur erst substantialität in dem es der Freiheit gemäß ist . Das Wohl auf Kosten des Rechts zu befördern ist durchaus etwas unrechtliches . Die weitere Ausführung , das Moralische . Es trit eine höhere Collision ein – die besonderheit überhaupt . Das Wohl ist ein Abstrakter Ausdruck – das Wohl in der Wirklichkeit ist bald dieses bald jenes  ; diese bestimte Weisen sind imer etwas vereinzeltes , aber nur der Wille in seiner wirklichen bestimtheit ist das Leben überhaupt  ; hier hat diese Seite der besonderheit eine höhere berechtigung gegen das Abstrakte Recht das Recht was das Leben gewint ist was man das Nothrecht nennt . Das Leben spricht ein Nothrecht an – nicht eine Billigkeit und dieses Recht des Lebens überhaupt muß

immer adäquat seyn muß . – Das wahrhaft Substantielle im Thun eines Menschen ist das Objective  ; der Mensch ist überhaupt die Reihe seiner Thaten . Man meynt aber oft , dies sey der Mensch noch nicht , man müsse die geheimen Stellen seines Herzens ausspüren . – Wer nur das Kleine will der hat nichts Großes zu Stande gebracht . Bey Schriftstellern die große Werke hervorgebracht haben , wird oft die verkehrte Meinung gesezt , das Wesentlichste sey in ihrer besondern Unterhaltung , in ihrem näheren Umgang zu finden .   7–14 Die besonderheit … bestimmen .] A B  : Die Identität des Innern und Äußern ist das Wichtigste . – Die Besonderheit ist nun also nicht die Wurzel des Substantiellen , sie fällt überhaupt in die Seite des Daseyns und der Verwirklichung  ; daß etwas Tüchtiges beschlossen und hervorgebracht wird . Dabey hat die Besonderheit allerdings ihren Einfluß . – / Das Besondere kann nun also als Wohl überhaupt gefaßt werden und der Mensch hat das Recht dieses zu befördern . Er hat damit nicht das Recht dieses oder jenes Besondere zu thun , sondern das Wohl überhaupt zu suchen .   19–24 Die weitere … Recht1] A B  : Nun ist jedoch das Recht des besonderen Willens auf die Spitze gestellt , das besondere Daseyn , als Leben . Hier hat nun die Seite der Besonderheit eine höhere Berechtigung als nur das Wohl zunächst hat .  

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(Benef . comp .)

auf der einen Seite das Gute auf der anderen das Gewißen .

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als den Zwek der Welt

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allerdings als ein NothRecht angesehen werden gegen das übrige Recht . Zb . das Leben auf der einen Seite und das Eigenthum auf der anderen Seite . Geht das Leben verlohren so ist damit Rechtlosigkeit gesezt . Was auf der anderen Seite steht ist zwar ein Recht , aber | es ist das bloße vereinzelte Dasein und es ist das nicht ein vol­zug der Rechtsfähigkeit überhaupt dies Einzelne muß also dem Recht in der Allgemeinheit nachgeben . Wenn das Leben also nur durch verlezung des Eigen­thums des anderen gerettet werden kann so geht es vor – Das Nothrecht kommt nicht nur in den Extremen Fällen vor  : aber es ist ja auch ein Rechtssaz  : daß ein Schuldner das beneficium competentiae haben soll . Einem Handwerker wird insofern das Handwerkszeug gelaßen etc[ .] diese bestimungen haben im Nothrecht ihren Grund . – Die besonderheit hat also ihr Recht insofern es mit dem Abstrakten in Collision komt so muß es zurükstehen – aber im Nothrecht geht die Persönlichkeit vor . – Das 3te ist die Stufe die eigentlich die Moralische sphäre ausmacht . In der Noth erscheint der Widerspruch von dem besonderen Willen und dem Abstrakten Willen – beide sind gleichwesentliche Momente . Die besonderheit macht das Wesent­ liche Dasein des Abstrakten Willens aus – Der Begriff wird durch die Besonderheit ergänzt und zur Idee gemacht[ .] In ihrem Widerspruch hebt sich das Eine und das andere auf – jedes für sich isolirt ist ein Abstraktes | oder ein Thierisches . Im Rechte ist wesentliches Moment die besonderheit . Die Wahrheit beider ist ihre Einheit  : daß die Allgemeinheit des Willens durch die besonderheit dasein erhalte und umgekehrt daß das besondere durch das Allgemeine seine substantialität erhält . Die Wahrheit beider ist das Gute überhaupt  : daß sowohl das Recht sei daß der besondere Wille ihm gemäß sei und daß der besondere Wille ebenso vollführt werde aber beide in ihrer Übereinstimung . Wenn wir das Gute überhaupt sagen so stellen wir uns darunter vor daß die Abstrakte Freiheit in dem besonderen Willen vollführt sei – wir stellen uns darunter vor daß es nicht bloß etwas gedachtes sei ein gewolltes sondern etwas ausgeführtes – Es liegt also darin der an und für sich seiende Wille , dieser so daß der besondere Wille der Allgemeinheit gemäß sei und daß

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1–399,11 Zb . das … bestimungen  :] A B  : Nur da ist ein Nothrecht anzusprechen , wenn die ganze Totalität der Rechtsfähigkeit in Gefahr kommt . Man findet das Noth­recht auch in den bürgerlichen 30 Gesetzgebungen sanctionirt . Es gehört hieher die Bestimmung , daß einem Schuldner von seinen Gläubigern eine Competenz ausgesezt werden muß . Einem Handwerker wird in diesem | Sinn sein HandwerksZeug , einem Bauer sein Ackergeräth gelassen . / 3 . Kapitel D a s G u t e u n d d a s G e w i s s e n / In der Noth erscheint der Widerspruch vom Rechte der Besonderheit und dem des abstracten , allgemeinen Willens . Beydes sind wesentliche Momente . Durch Verwirklichung des be- 35 sonderen Willens wird der Wille an sich wirklich . Insofern diese beyden im Widerspruch stehen , so heben sie einander auf . Die Wahrheit beyder Momente ist ihre Einheit , die concrete Allgemeinheit . 4 aber] aber | aber   bloße vereinzelte] bloße . veinzeltes   27 sondern etwas ausgeführtes am Rande mit Einfügungszeichen  



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das Wohl des Individuums erreicht sei[ .] Die besonderheit kann sich nur realisiren in Verbindung mit dem Allgemeinen – es muß in sich selbst objectiv sein . Diese Sphäre des Guten hat nun verschiedene bestimungen in sich – die Idee des Guten ist auch die Idee des Wahren auch hier ist die durchdringung des subjectiven und objektiven Willens überhaupt .  | Die Besonderheit des Willens faßt die Wirklichkeit auch in sich . – Es ist gleichgültig was man das Subjektive oder das Objective nennen will . Der Wille in dem er das an und für sich seiende will so ist er das Gute – Er ist eben damit ein gedachtes . In dem an und für sich seienden Guten ist eben sowohl das Wahre als solches – Das Wahre als solches ist eben so gut die Seite des denkens . Dieses Gute hat nun nähere bestimungen  : – Das Gute ist zunächst was man Idee heißt  : d . h . ein Abstrakter Gedanke – das Gute soll erst gethan werden erst vollbracht werden . beim besonderen Willen ist das Gute nicht unmittelbar enthalten . Das Gute ist zunächst gedanke er erhält seine Verwirklichung durch den besonderen Willen . Was zu betrachten übrig bleibt ist das Gute in beziehung auf den Willen . – Das Wohl an sich ist die Realisirung der Freiheit[ .] Das Gute ist in sofern die Idee aber es ist noch die Abstrakte die subjektive Idee . Deßwegen ist es die Idee selbst noch im Ge­ gensaz der gegen­saz des Guten ist die Subjektivität selbst die Abstrakte subjektivität . Der Wille als reine Form . Das Gute es soll die Totalität sein , aber es ist noch das Abstrakte[ .] | Es ist also die Idee ohne bestimung – die Bestimung fällt außerhalb – das reine bestimen ist eben das Subjektive . Indem so das Gute für sich ist so ist es also der Gedanke des Guten überhaupt – es soll insofern nur sein[ .] Wenn das Gute 1erseits das Substantielle ist so soll die besonderheit auch darin sein[ .] Das Wohl soll ebenso wohl allgemein sein – das Gute ist in sofern der Lezte Zweck – lezter Gedanke . Bleibt man bei dem Guten stehen so komt nur das Leere heraus , das bloße Reden darüber . Das wird darum zum erweken – erbauen . Das Erwekende

Diese Wahrheit ist nun das Gute überhaupt , die Identität des allgemeinen und besonderen Willens . – Wenn wir das Gute fassen als den Entzweck der Welt , so fordern wir daß die abstracte Freyheit im besonderen Willen vollführt sey . Unter dem Guten denken wir uns | etwas Wesentlich Wirk­ liches , nicht bloß ein beabsichtigtes , Subjectives . – Die Idee des Guten ist auch die Idee des Wahren , dessen Wesen die Uebereinstimmung des Objectiven und Subjectiven ist . Das Gute ist so das Wahre in Beziehung auf den Willen . Der Wille der das Allgemeine will , ist denkender Wille .   17–22 Deßwegen ist … überhaupt –] A B  : Der Gegensatz des Guten ist die Subjectivität selbst , die reine Form , das reine Beschließen und Entschließen . Das Gute hat die Bestimmung noch nicht in sich selbst . Indem wir das Gute betrachten so haben wir es auch im Gegensatze gegen die Gewißheit seiner selbst . – |   26–400,2 Das wird … Guten] A B  : Einerseits ist es erwecklich und erbaulich durchzuführen , wie der besondere Wille das Allgemeine zu seiner Bestimmung haben soll  ;   9 Guten am Rande mit Einfügungszeichen   19 Totalität] unsichere Lesung   20 Abstrakte[ .]] anstelle einer Textlücke  ; der Satz bricht kurz nach der Hälfte der letzten Zeile ab  

es bringt sonst das Nichtige hervor

122Ri die Wahrheit ist durchdringung des Subjektiven und Objektiven

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und erbauende hat die eigentliche belehrung nicht[ .] Es ist keine befriedigung in der Menge von Declamationen machen und schönen Reden von dem Guten aber man bleibt unbefriedigt[ .] Die nächste Frage ist dann was ist das Gute ? Diese bestimtheit ist im Guten als solchem nicht vorhanden aber es ist nothwendig dem­ selben und es muß zu dieser bestimtheit übergehen – es ist die Concrete Identität , der Freiheit für sich und des Wohls . Die Form muß eben das substantielle enthalten . Diese bestimungen sind nun also das Besondere . Das Gute muß sich ­besondern  : in Rüksicht auf das Handeln muß ich eben in Rüksicht | auf das besondere nach dem Handeln fragen . Wer handeln will muß etwas bestimtes wollen[ .] Wer Großes will muß sich beschränken können[ .] Wer bei dem Guten als solchem bloß stehen bleibt ist ein formeller Mensch . Die Reinheit ist dann die Abstraktion des Wirklichen . Solche Menschen sind dann eitel . Dieses wollen kann eine Form annehmen welche allerdings etwas schönes hat[ .] Wo die menschen glauben sich zu besudeln mit der Außen welt . Aber diese Leute gehen in die Unwirklichkeit über , sie löschen aus in dieser Sehnsucht – Ihr Wollen muß eine Sehnsucht bleiben , aber sie können diese Sehnsucht nie erhalten . In Neueren Zeiten ist das auch erschienen in der ­Fichteschen Philosophie . Das Gute muß sich überhaupt bestimen – Inso fern das Gute im handelnden ist eben so hat die bestimtheit diese Nähere Form[ .] Das besondere Gute hat die Nähere bestimung daß es heißt – Pflichten Tugenden diese drüken das besondere Gute aus . Die Tugenden sind nichts anderes als das Gute aber wie es ist in der Persönlichkeit[ .] | Zu der Tugend als Tugend gehört deßwegen weil es das Gute ist in Reflexion der Individualität , das Naturell . Pflichten laßen sich gebieten denn sie sind das Allgemeine überhaupt was für jeden eine Substantialität sein soll . Aber Tugenden laßen sich nicht gebieten – sie enthalten zugleich das besondere Naturell . Indem es der Moralische Wille ist welcher sich zum Guten bestimt so hat er pflichten nicht Tugenden – was hingegen Sache des Naturells ist so ist dies nicht Sache des in sich selbst bestimenden Willens . Z[.] B . Tapferkeit ist Tugend und

6–16 Die Form … erhalten .] A B  : Es muß somit dies Substantielle in die Bestimmung und den Unterschied gesetzt werden . Die Verwirklichung , die Handlung , ist immer ein Eintreten in die Bestimmtheit . Göthe sagt so mit Recht , wer etwas Großes will muß sich beschränken können . Wer | nur beym Gedanken im Guten stehen bleibt , ist ein leerer unwürdiger Mensch . Diese Stimmung kann eine Form annehmen die allerdings etwas schönes an sich hat  ; man spricht in diesem Sinn von schönen Seelen . Solche meinen im Umgang mit dem Besonderen und Wirklichen sich zu besudeln . Sie verglimmen und löschen aus in ihrer Sehnsucht . Es bleibt bey einem bloßen Sehnen , weil die Wirklichkeit fehlt . –   17–18 Das Gute … Form[ .]] A B  : Insofern das Gute im Handelnden ist , so muß dasselbe sich also immer besondern .   22–24 Pflichten laßen … soll .] A B  : Die Tugend im Allgemeinen ist Pflicht , diese läßt sich gebieten , denn sie soll für jeden ein Substantiel­ les  seyn .   34 Sehnsucht] Selbstsucht  

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Pflicht[ .] Aber Tapferkeit ist nicht imer Tugend  : Zb . Alexander und Caesar hatten die Tugenden der Tapferkeit – dazu gehörte eine eigene Genialität . Ebenso Gerechtigkeit ist eine Pflicht  : wo sie als Tugend erscheint so ist es imer in der Form der Besonderheit . (Die Tugend eines solchen Plastischen Willens) So Moralität ist was jedem zugemuthet werden kann – Tugend ist Sache der Individualität . Die Andere Seite  : die Form was das besondere Gute hat ist die Pflicht . | doch sind Pflicht und das Gute von 1ander verschieden[ .] Wenn wir von der Pflicht sprechen so sagen wir der Mensch soll seine Pflicht thun und sich damit begnügen  ; was erfolgt durch die Pflicht davon soll er Abstrahiren . Pflicht macht die Ganz allgemeine Seite aus , ohne Rüksicht auf die besonderheit . In dem Guten ist das Moment der besonderheit auch enthalten . Zum Guten fodern wir daß mit der Pflicht erfüllung noch der besondere Wille hinzukommt . Es komt noch die Seite der besonderen Subjektivität dazu . Indem das Gute sich besondert und so in seiner bestimtheit bestimungs Grund für den ­Willen sein soll eben so hat der Wille sich an das zu halten was im begriff als solchem enthalten ist . (Es ist also in Rüksicht deßen was die besonderheit ist – dieser Wille macht die besonderheit aus –) Die Pflicht ist nun allso der substantielle Wille überhaupt in sofern er Gegenstand des besonderen Willens ist und insofern dieser Wille als der substantielle gilt[ .] Man braucht den Ausdruck vernünftig . Vernünftig­ keit ist nichts anderes als der Begriff .  | der Wil l e überhaupt als substantieller ist die Pflicht – Pflicht kann auch der Gute Wille heißen[ .] Dieser Wille ist wesentlich der denkende – die Pflicht ist das substantielle . Das Gute ist das Wahre  : Wenn man sagt , der Mensch kann das Wahre nicht erkennen so nimt man ihm dadurch das Gute auch[ .] Das allerleerste Reden ist daß man sagt daß zu dem Guten Willen kein denken gehöre . Die bestimung der Pflicht würde die Moral überhaupt ausmachen  : Ethik doch unter Ethik versteht man mehr Tugendlehre eine Naturgeschichte der Tugend  ; sofern die Tugend etwas allgemeines ist ebenso ist es in der Pflicht . – Ethik in bestimtem Sinn ist gleich Pflichtenlehre . Man hat das Wort Ethik für ein vornehmeres Wort gehalten als

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1–10 Aber Tapferkeit … besonderheit .] A B  : Die Tapferkeit eines Alexander und Cäsar läßt sich nicht

30 gebieten , dazu gehört die eigene Genialität jener Männer . Gerechtigkeit ist so überhaupt eine

Pflicht  ; aber sie erscheint auch als Tugend , so z . B . bey Aristides , die Tugend einer solchen plastischen Natur . Indem das Gute sich besondert , so verliert es seine allgemeine Bestimmung . Es gilt die allgemeine Forderung daß Einer seine Pflicht thue und auf die Besonderheit keine Rücksicht nehme .   16–19 Die Pflicht … Begriff .] A B  : Die Pflicht ist nun also der substantielle Wille über35 haupt . Wenn mir etwas Pflicht ist , so weiß ich davon als von meinem Wesen . Das Vernünftige ist daß das Allgemeine in meinem Willen seine Realität hat .   27–402,3 Ethik in … gekomen .] A B  : Es kann eigentlich nur eine Naturgeschichte der Tugenden geben . Das moralische Reden ist häufig zu einem Saalbadern geworden .   8 begnügen] be / gnügen   15 ist 2 ] snd   23 auch] auh dadurh  

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Moral . (es ist griechisch) Das Moralische Reden sofern es bei dieser Allgemeinheit stehen bleibt so ist es langweilig und leeres Gerede . Das Moralische Reden ist in Mißcredit deßwegen gekomen . Welches sind die Pflichten ? Von der Moral wird gefordert diese Pflichten anzu­ geben  ; | was Pflichten sein sollen ist nichts anderes als der Wille an und für sich in seiner bestimtheit . Es ist wichtig daß solche Pflichten den Menschen vorgestellt werden – eine wißenschaftliche Abhandlung der Pflichten ist daß man ihre Nothwendigkeit zeigt . Diese bestimtheiten nun was den Inhalt der Pflichten ausmacht sind nichts ­anderes als die wesentlichen Verhältniße überhaupt die aus dem Willen hervor gehen . Die bestimtheiten sind beziehungen Verhältniße – beziehungen des Willens in so fern er allgemein ist . Diese Verhältniße sind substantielle Verhältniße sie ma­ chen das Objektive aus und die Pflicht hat näher die bedeutung daß man sich diesem Verhältniß gemäß betragen verhalten soll . – Man stellt sich diese beziehung so vor daß man sagt  : es ist ein Verhältniß und daß man fragt  : was habe ich in diesem Ver­ hältniße zu thun – Das wesentliche ist  : es sind Verhältniße des Wahrhaften dieses Verhältniß ist meine Pflicht . (Zb . Wenn ich Vater bin) Wenn ich den Begriff dieser Verhältniße habe so habe ich den begriff von Pflicht darinn . – Eine Pflicht ist nicht einzeln sondern Besonderheit des substantiellen Willens | nicht nebeneinander wie in der Vorstellung sondern ein Moment des Ganzen  : Verhältniße als allgemeine Momente des Objektiven Willens , indem der Handelnde sich in diesem objekti­ ven Willen verhält so haben die einzelnen Verhältniße gegen 1ander – Pflichten[ .] Eine Pflichten Lehre ist daher nichts anderes als die Entwiklung dieser substantiellen Verhältniße als Pflicht komt nur der Zusaz in die Individuen , du als besonderes Bewußtsein hast dieses substantielle Verhältniß als das deinige anzusehen dies ist d e i ne Substanz dies bist du selbst – darinn weist du dich , darinn soll dein wahrhaftes Wollen und handeln sein[ .] In dieser Form daß sie für das besondere Indivi­ duum sein sollen sind sie substantielle . In beziehungen auf die Individuen sind es dann die Pflichten[ .] Diese Pflichten können auf dem moralischen Standpunkt nicht entwikelt werden . Es würde überflüßig sein . Wenn eine Ethik überhaupt als eine Foderung aufgestellt wird so wird sie es erst wenn der sittliche Geist betrachtet wird . Es ist überflüßig zu sagen das und das sei Pflicht – es wäre auch hier überflüßig die Pflichten zu deduciren[ .] Die Pflichten haben auf dem moralischen Standpunkt keine Realität denn der moralische Wille ist der Wille als bewußtsein so daß das wovon

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12–13 und die … soll .] A B  : und die Pflicht hat die nähere | Bedeutung was mir nach meinem besondern Willen als das Substantielle gelten soll .   17–21 Eine Pflicht … Pflichten[ .]] A B  : Die Pflichten 35 machen ein System aus , eine Pflicht ist nicht einzeln .   23–26 du als … sein am Rande mit Einfügungszeichen   27 sind] ist  



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er weis ein ideelles nur in ihm geseztes ist . Indem der Wille in sich ist so ist er das ­Einfache Wesen indem er Unterschiede machen kann . Es sind aber diese Unter­ schiede nur ideell . In den Pflichten liegt zunächst dieses , auch nach unserer Vorstellung  : daß sie etwas schlechthin bindendes sind  ; daß sie ein unbewegtes sind . | es ist von dem Individuum unantastbar , aber zugleich sein Wesen . Die Unterschiede im Moralischen Willen sind im Moralischen Willen als solchem – sie sind also nur gesezt nicht für sich selbst seiend . Moralischer Wille anerkennt die Pflicht  : daß mein besonderes sei als besonderes aber das Allgemeine enthalte[ .] Dieses Allgemeine ist in seiner Beziehung auf sich selbst das denkende[ .] Wißender Wille enthält diese Beziehung . Sein selbst ist nur diese Einfache Allgemeinheit – Er ist sein begrif sein Wesen was Pflicht ist hat nur die Form dieser Allgemeinen beziehung . Der Moralische Wille komt nicht zu Pflichten . Daß eine Wahrhafte Pflicht sei dazu gehört daß man von dem subjektiven Willen als solchem abläßt . Ein System von Pflichten kann es für den Moralischen Standpunkt nicht geben – Das komt näher in dieser Form vor welche die Pflichten und das Verhalten des bewußtseins enthält – wie es in der Kantischen Philosophie ist . Der Vernünftige Wille – welcher deßwegen vernünftig ist weil er sich nicht auf anderes bezieht ist frei und unendlich . Indem er dies sein Wesen zu seinem Zweke macht eben dann ist er der Wille der Pflichten vollbringt  : | was soll denn als Pflicht gelten ? – Indem wir Pflicht sagen so denken wir uns dieses dabei daß die Pflicht einen Inhalt habe . Es ist die Frage  : wie in der praktischen Vernunft eine bestimung liege wodurch ein Inhalt als Pflicht erkannt werden soll . Es liegt in diesem Willen nichts als die identische beziehung auf sich das Criterium ist das daß der Wille in seinem Inhalt mit sich identisch sei und daß der Inhalt des Willens sich nicht widerspreche . Das hat die Kantische Philosophie als Cryterium angegeben . Das Moralische bewußtsein hat kein anderes Cryterium als das identisch sein mit sich . Der Inhalt so wie er diesen Carakter zeigt so zeigt er sich dadurch als Recht . Wenn ich etwas thun will so soll ich mich fragen ob wenn ich diese Handlungsweise im Allgemeinen vorstelle dies denn bestehen könne ? Wenn ich einem ein Depositum gebe – wenn er das Depositum behielte so würde dies ein Widerspruch sein ebenso der Diebstahl ist ein solcher Widerspruch – | Wenn alle

3–7 auch nach … seiend .] A B  : daß sie etwas schlechthin Anderes sind , über unserm besonderen Willen erhaben . Die Unterschiede im moralischen Willen sind noch in die Subjectivität eingeschlossen und deswegen nur Gesetztes .   12–19 dazu gehört … gelten ? –] A B  : für den besondern 35 Willen , dazu gehört , daß er eben nicht das Besondere sey , sondern sich in die Sache versenkt habe . 35 / Wir wissen von der kantischen | Philosophie , daß das Große in ihr ist die Art und Weise wie der vernünftige Wille betrachtet wird , als frey und sich unendlich auf sich beziehend . Nun kommt aber nothwendig die Frage vor für den Willen selbst , was denn als Pflicht gelten soll . –   28 vorstelle] vrstlle ob   34 er] es  

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das zur Maxime machten so würde dies ebenfalls ein Widerspruch sein . – Es ist eine Logische Betrachtung daß der Saz der Identität ein bloß leeres sei . Es kommt bei jenem Cryterium darauf an von welchem Standpunkt ich ausgehe . Wenn ich etwas zu meinem Eigenthum mache was nicht mein Eigenthum ist so ist kein Widerspruch dabei . Ebenso mit dem Diebstahl bei den Spartanern – wenn man davon ausgeht daß sie nur so besaßen insofern es nicht gestohlen wurde . Nach dieser bloßen betrachtung findet man durchaus keinen Widerspruch . Alles absurde kann ich mir vorstellen als sich nicht widersprechend . Das ist etwas vollkommen formelles – Durch diese Vorstellung daß etwas heraus komt was recht ist könnte man alles Zb . das Davon­lauffen einer ganzen Armee rechtfertigen . Es ist nichts vorhanden als dieses Princip – Es ist schlechthin wesentlich daß das bewußtsein bei sich ist  ; dies ist aber nur erst die ganz allgemeine Gesinung , eben darum kein | Handeln – indem diese Abstraktion aufgegeben wird so ist die nächste beziehung diese daß das Substantielle nicht nur als das Abstrakte Substantielle sondern als die Allgemeinheit des besonderen ist  ; so ist das wesentliche erfüllt . Diese Einheit ist zunächst das Gute aber in beziehung auf den Willen – Das Gute – ist das wie sich der Zweck des Willens bestimt es enthält allgemein die Idee[ .] Indem darauf reflektirt wird daß das Gute nur sein soll so trit der Gegensaz hervor[ .] Der freie Wille muß realisirt sein in dem Ganzen der Welt . Indem diese Idee selbst in dieser Abstrakten Gestalt ist so ist diese Idee selbst wieder ein nicht ausgeführtes , sie ist nur eine subjektive Idee . Auf dem Standpunkt dieser Reflexion treten die so genannten Postulate hervor daß das Gute ausgeführt sein soll daß der Weltlauf dem Zweck der Freiheit angemeßen sei  : daß der besondere Wille dem Allgemeinen gemäß sei . Dies trit als Postulat her­ vor . In dem moralischen Standpunkt als Standpunkt des in sich reflectirten[ .] Dieser Unterschied erscheint in der Idee . Die Kantische Philosophie ist deßwegen nur bis zu dem Postulat gekommen[ .] | das Handelnde Bewußtsein kann dabei nicht stehen bleiben . Es ist zugleich als handeln das hervorbringen des Guten , das handelnde Bewußtsein schaut den Gegensaz nicht als einen perennirenden an . Es ist selbst die widerlegung dieses Gegensazes  ; – das handelnde Bewußtsein erscheint zunächst als einzelnes bewußtsein in der Idee soll das Allgemeine sein . Der Einzelne handelnde

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8–15 Das ist … erfüllt .] A B  : Es wird also durch Aufstellung jenes formellen Princips in der Sache selbst durchaus nichts ausgemacht . (Tapferkeit ob die Soldaten stehen bleiben oder davon laufen  ; das letztere enthält keinen Widerspruch) . – Es ist einerseits schlechthin wesentlich daß das Bewußtseyn es sich zur Pflicht macht die Pflicht zu thun  ; andererseits ist dies aber nur die ganz allgemeine 35 Gesinnung . Indem die Abstraction aufgegeben wird , so ist die nächste Bestimmung diese , daß der 35 Wille bestimmt sey als Einheit der Pflicht und der Besonderheit , d . h . der Besonderheit überhaupt , des Wohls .   23–25 Dies trit … Idee .] A B  : Es kommt hier nur zu einem Sollen , denn der moralische Standpunkt ist überhaupt der subjective , unterschieden von dem Objectiven . –   27–405,2 Es ist … sein . –] A B  : das Subjective muß in das Objective übersetzt werden . Das handelnde Bewußtseyn



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Wille vermag diesen Gegensaz aufzuheben um wie viel mehr muß er für den Willen an und für sich nichts wahres sein . – Das Recht des Moralischen Bewußtseins – ist das was mir Zwek sein soll . die Handlung soll gut sein d . h . sie soll ausdrücken daß sie von einem Willen herkam und der Wille als frei soll den Caracter des Allgemeinen haben und somit überhaupt gut sein . Das was er thut soll das seinige sein und es soll sein wesentliches sein . Es kann mir eine Handlung nicht zugerechnet werden wenn ich sie nicht weis daß sie Verbrechen ist[ .] Die Handlung wie sie da ist muß zuerst ein Vorsaz sein – ebenso weiter insofern es Folgen hat , 3tens daß diese Allgemeinheit in dem Äußerlichen Dasein meines Willens sei und daß sie für mich als Gut erkannt sei . Eben Kinder sind in sofern keiner Zurechnung | fähig . Es fehlt ihnen das bewußtsein – Eben so ein Verrükter und Blödsinniger es können die innerlichen Beziehungen der Handlung nicht in seinem bewußtsein seien  : In Ansehung dieser treten aber andere Collisionen ein  : es ist nämlich vorausgesezt  : das Nichtbewußtsein des Vernünfti­ gen  : dies kann auch eintreten im Augenblick der Leidenschaft – Sie kann aber nicht als Rechtfertigung gelten . Wenn die Handlung als Ausbruch jenes Augen­ blicks angesehen würde so würde ihm die Ehre der Vernünftigkeit nicht an­ge­than  . Er muß vernünftig sein und es muß praesumirt werden daß er vernünftig sei – er soll solchen Zuständen ausweichen . Zorn etc[ .] könen es nicht enthalten daß dadurch die Zurechnung wegfalle aber indem diese Handlung überhaupt unter der Bestimmung von mir gewußt sein soll ob sie gut ist oder böse . Das Gute ist was an und für sich gilt  : Dieses Gelten hat vielerlei bestimungen 1 . Die bestimung des Gesezmäßigen , ein geltendes das objektive des Willens ist zugleich damit ausgespro­ chen . Aber das Gute hat noch | weitere concretere Form . Daß ich wisse ob etwas Gut oder nicht gut ist – ist daß ich das aus Gründen wiße in diesem Falle sagen wir dann wir seien überzeugt von der Sache . – 1 Ich weis es aus Gründen über­ haupt . Ein höheres ist daß ich diese bestimung aus dem begriff erkenne . Indem mein Recht ist zu bestimmen ob die Handlung gut sei oder nicht so kann ich die ist überhaupt | die Widerlegung des aufgestellten b l o ß subjectiven Zwecks . –   6–10 Es kann …

30 sei .] A B  : Es kann mir eben deswegen eine Handlung nicht zugerechnet werden , insofern ich nicht

weiß ob sie gut oder böse ist . Dies ist die höchste Bestimmung in Rücksicht auf die Zurechnung für den subjectiven Willen .   11–16 Es fehlt … gelten .] A B  : denn einmal kennen sie nur das Unmittelbare ihrer Handlung und zweytens entgeht ihnen die Kenntniß des innern Werthes der Handlung . Wahnsinnige und Blödsinnige sind insofern gleichfalls der Zurechnung nicht unterworfen . Es ist 35 bey der Zurechnung auch | ferner der Zustand der Leidenschaft zu erwähnen . Diese Rücksicht kann indeß kaum als MilderungsGrund gelten , noch viel weniger als Rechtfertigung .   21–24 Das Gute … ausgesprochen .] A B  : Das Gute hat nun weiter vielerley Formen . Zunächst hat es die Bestimmung des Gesetzmäßigen , dessen , was gesetzlich erlaubt oder geboten ist . Von dem Gesetzlichen kann ich wissen , und mein Wissen davon ist nur dieses Wissen überhaupt , daß es gilt .   27–406,3 40 Indem mein … Foderungen .] A B  : Ich kann in Folge meines moralischen Rechts nun etwa die

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Foderung machen etwas sei verbindlich für mich oder ich kann die Foderung ma­ chen ich müße aus Gründen überzeugt sein . Es komt darauf an in wiefern das Moralische bewußtsein berechtigt ist zu solchen Foderungen . Wenn ich handeln will so verändere ich ein dasein aber nicht nur äußerlich sondern meine Handlung hat beziehung auf den Willen . Indem ich handle in diesem Sinne so seze ich eine Veränderung in dem Dasein in das Element der Objektivität seze ich etwas hinein – dieses Element ist der geltende Wille . Dieser geltende Wille ist durch das Gesez ausgesprochen . Wenn ich handle so seze ich ein Dasein was gesezlich bedingt ist . | Handle ich gegen das Gesez so bringe ich etwas entgegengeseztes hervor . Damit meine Handlung überhaupt eine Handlung sei  : sie soll etwas hervorbringen  : das bestehen von meiner handlung ist eben jene Objektivität welche der ausgesprochene Wille ist , auf mich komt es an zu wißen ob es dem Gesez gemäß ist . Aber ich kann höhere Foderungen an mich machen  ; ich kann wohl einsehen damit ein etwas hervorgebracht werden soll daß es dem Gesez gemäß sei aber es kann sein daß ich mich inerlich nicht verpflichtet halte . Dies ist mir überlaßen ob ich damit befriedigt bin , oder ob ich weiter gehen will . Allein es tritt dann die Collision ein daß indem ich mich nicht befriedige mit dem was Gesezlich ist , so kann das besondere in mir anderes sein als das was Gesezlich überhaupt ist und so kann ich die Foderung ma­ chen daß ich nicht ohne überzeugung handeln wolle aber noch mehr  : nicht g e g e n meine Überzeugung[ .] Ich kann noch weiter gehen  : und kann sagen daß meine überzeugung als solche und mein Wollen dieses Guten die gute Absicht das sei was meine Handlung rechtfertigt[ .] | die Form der Überzeugung ist meine Sache die Autorität des Gesezes steht gegen meine Überzeugung ich muß wenigstens soviel bescheidenheit haben einzusehen ihm soviel Autorität zu zutrauen als mir . Von mir wird nur das Rechtliche gefodert , ob ichs mit oder ohne Überzeugung thue das ist meine Sache[ .] Aber wenn ich fodere ich wolle nicht g e g e n meine Überzeugung handeln , so mache ich die Foderung daß das nicht von mir gefodert werde , (dies ist gegen das G e w i ß e n ) (Quäker) . Meine Überzeugung mein Gewißen ist mein besonderes Denken dies kann sehr verschieden sein . Es fällt in die Sphäre der Besonderheit überhaupt  : wo positive Pflichten zu erfüllen sind im Staat kann man nicht fragen ob es m e i ne Überzeugung ist  : es ist Toleranz des Stats

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Forderung machen , es solle etwas mir nicht bloß als gesetzlich überhaupt und als auf bestimmten Gründen beruhend gelten , sondern es solle die Sache aus ihrem Begriff als vernünftig dar­ge­than werden . –   8–9 Wenn ich … hervor .] A B  : Meine Handlung hat also immer wesentlich Beziehung 35 auf das Gesetz . Handle ich gegen das Gesetz , so thue ich das Gegentheil vom Handeln , ich bringe 35 etwas Negatives , Nichtiges hervor . |   26–31 Aber wenn … ist  :] A B  : Die Quäcker leisten keinen Eid , weil es gegen ihre Ueberzeugung ist , eben so tragen sie aus diesem Grunde keine Waffen und 13 ein etwas] unsichere Lesung  



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wenn er Quäker in sich duldet , Es kann sein daß er solche Privat Personen in sich wohl duldet aber für sich genomen soll man nicht blos Bourgeois sondern Cytoyen sein . Wie jemand die Vortheile des Staates genießen will , d . h[ .] das Positive  : sein Ganzes bestehen hat er im Stat | so soll er auch die Pflichten erfüllen . Wenn die Quäker nicht Krieg führen wollen so hat man sie beim Fuhrwesen angestellt , oder ließ sie Geld bezahlen  : so wirken sie also doch mit . In ansehung solcher Pflichten die mir überlaßen sind da kann ich nach meinem Gewißen gehen aber bei objektiven Pflichten kann diesem nicht nachgegeben werden das 3te kann auch nicht geschehen in dem Fall etwas zu thun was nach meiner Überzeugung was Ge­sez­lich verboten ist . Man sagt Got sieht das Herz an , aber eben darum weil die Richter nicht Gott sind so haben sie die Objektive Handlung anzusehen und nicht das Herz . – Die Absicht als das lezte und die Handlung stehen unter dem was nach seinem Wissen und Wollen gut ist  : was von mir als das Gute bestimt ist soll als allgemein gelten . Die Subjektivität des Wißens und der Überzeugung steht dem gegen­über was an und für sich recht ist . Nach jenem Standpunkt ist es nöthig daß es aus mir genomen ist – und das sollte die Lezte berechtigung sein – Und man sagt daß eine Moralische Absicht welche zeige daß ich ein Allgemeines wolle recht­ fertigen soll die unrechtliche Handlung in diesem Sinne ist die Heiligkeit vieler  : Z . B . Crispinus | der heilige Crispinus stahl um zu schenken[ .] In solchem Handeln ist fürs erste etwas besonderes das sie thun  ; 2 etwas was nur s ie thun – Solches Wohlgemeinte sezt sich dem Rechtlichen gegenüber die erste bedingung ist daß das Handeln dem Begriff gemäß ist  : die e r s t e Pflicht ist die Rechtlichkeit[ .] Das andere als das besondere kann erst diesem nachfolgen  : für sich hat es keinen Halt wenn es nicht diesen Stüzpunkt hat . Aber man meint  : daß es überhaupt die gute Absicht

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25 25 ziehen sie den Hut vor Niemand ab . Es kommt dabey darauf an was der Inhalt ist der gegen meine

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Ueberzeugung ist . Der Staat also , das objective rechtliche Handeln gehet durchaus vor und es kann hier nicht gefragt werden , was meine Besonderheit dagegen sagt .   3–4 Wie jemand … erfüllen .] A B  : Es kann indeß ein Staat in soweit in sich erstarkt seyn , daß er Abnormitäten der | Art in sich ­duldet  .   10–16 Man sagt … sein –] A B  : Ich kann nun ferner , wie erwähnt worden , meine Handlung durch die gute Absicht rechtfertigen . Es kann die Forderung soweit getrieben werden daß die gute Absicht mich nicht bloß vor Gott , sondern auch vor dem Gesetz rechtfertigen soll . – Dasjenige , was von m i r hiernach als das Gute , als das Wesentliche bestimmt wird , soll hiernach auch an sich als das Gute gelten . – Eben die Idee ist nun aber , daß das Gute nicht bloß subjectiv , sondern an und für sich seyn soll . Nach dem subjectiven Standpunkt ist | was gut ist , bloß aus m i r zu nehmen , aus meinem Herzen , meiner Begeisterung und sofort .   18–19 in diesem … schenken[ .]] A B  : Diese Vorstellung sieht man häufig unter den Menschen . Hieher gehört die Legende vom heiligen Crispinus . – Die Menschen wollen überhaupt häufig lieber edel und großmüthig als gerecht seyn .   21–24 die erste … hat .] A B  : Alles Handeln hat zur ersten Grundlage den Begriff des Willens . Das erste ist immer die Gerechtigkeit  ; | alles andere findet sich leicht von selbst .  

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sei welche die Handlung rechtfertige es sei nun in welcher Art von Collision die Handlung erscheint . Es ist also die Frage was hat das Gute für eine bestimung ? Gut hat hier durchaus keine weitere bestimmung sie ist ganz allgemein – und sie soll auch keine andere haben . Gut als das inhaltslose überhaupt heißt weiter nichts als was ein positiver Zwek des Willens sein kann – Z . B . der Zwek den Armen gutes zu thun das Schlechte haßen , das schlechte ausrotten – alles dieses sind momente in bezie­ hung auf mich für das besondere Wohl , daraus folgt aber  : alles ist ein positives denn alles sind momente des entwikelten menschlichen Willens . In diesem Sinne hat man gesagt es gebe keinen Bösen , der Verbrecher wolle nicht das Böse um des bösen Willen , imer ist | ein positives darinn . Haß und Rache  : darinn ist imer ein Wollen von Nichtverlezung . Wer sich in Genüßen ruinirt der will die Lebendigkeit des Selbstgefühls . Daraus folgt daß zu allem weil es ein positives ist ein guter Grund zu finden ist – d . h . er kann etwas positives darinn zeigen – Eine Handlung hat eine Menge von Seiten  ; Z . B . einer der sich in dem Schlechten schlecht beträgt hat sich wesentliche Pflichten dadurch erfüllt . Alles was in der Welt verdorben worden ist  : alles hat Gründe gehabt – Regierungen etc[ .] haben deßen ungeachtet das Gemeinwesen ruinirt . Alles Gute ist darum schlecht und alles schlechte gut . Positiv ist auf eine Weise alles – Das ist dieser lezte innerste und schwerste Punkt welcher die Täuschung in den Menschen macht – indem sie das Gute wollen , so bleiben sie im formellen . – Das ist ein subjektives – es ist das g e m e i n t e Gute , das bloß besondere Gute aber ist das böse . Dieser Gute Wille eben insofern er nur das Gute will der bei dem abstrakten Guten stehen bleibt ist ebenso unmittelbar ein böser . Der Allgemeine Begrif des | Willens ist dadurch das Gegentheil des Willens – So

4–11 Gut als … Nichtverlezung .] A B  : denn eine Handlung , eine Absicht soll schon durch das Gute überhaupt sich rechtfertigen . Gut soll also überhaupt nur irgend etwas Positives seyn . Also den Armen Almosen geben , für meine Familie sorgen , das Schlechte ausrotten , das Alles kann als das Gute erscheinen . Es zeigt sich so , daß Alles als ein Positives gefaßt , und somit als Gutes bezeichnet werden kann . In diesem Sinn hat man gesagt , es gebe überhaupt | keinen bösen Willen und keine böse Handlung . Allerdings will jeder Verbrecher immer noch etwas Positives , und keiner will das Böse als solches schlechthin . In Haß und Rache ist so immer ein Wollen der Nichtverletzung pp .  –   12–18 Daraus folgt … alles –] A B  : Ein Wille der will , will immer etwas und nach dieser positiven Seite wird immer ein Gutes gewollt . Es folgt daraus daß sich zu aller Schlechtigkeit und Schändlichkeit immer ein guter Grund finden läßt . Eine Handlung ist immer ein Concretes und es läßt sich so immer eine Seite daran auffinden durch die sie entschuldigt wird . – / Was in der Welt verdorben worden ist , das ist alles aus guten Gründen | verdorben worden . Menschen und Regierungen haben für alles gute Gründe anzuführen . Es bleibt also im abstrakten Guten bloß das Positive , und es ist somit aller Gegensatz von Gutem und Bösem aufgehoben . Alles Schlechte ist so gut und alles gute schlecht .   21–409,3 Dieser Gute … will .] A B  : Gut und böse gehen hier un­m ittel­bar in einander über . Jener gute , ehrliche Wille der bey dieser Abstraktion stehen bleibt , 16 gehabt] gehalt  

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ist das wollen des Guten Gute Absicht unmittelbar das Böse  : – Gut ist das Eine – das Allgemeine 1fache was noch keinen Unterschied hat  : eben darinn entsteht ihm der Unterschied – und ich bin das Subjekt das das Gute will . Das Herz glaubt am concretesten zu sein wenn es gerade das Abstrakteste ist . So das Gute Wollen – heißt man auch Lebendigkeit unter dieser Lebendigkeit steht eben das Gefühl – die Begeisterung die Hize . Wenn das Gefühl das Gute will so ist es der Willkühr unterworfen[ .] Man hält eben dieses Abstrakte Gute für das Wahre aber eben weil es das Abstrakte ist so ist es das Unwahre – Man sagte in dieser Beziehung man könne nur das Endliche Erkennen . Die bestimung deßen was Pflicht ist mein subjektives Wollen – dies ist das Verderben der Philosophie unserer Zeit daß man sagte das Erkennen sei bloß etwas subjectives das Wahre ebenso etwas subjectives – Was ist denn das Gute ? darauf bekomt man die Antwort  : das was ich nach meiner besten Überzeugung dafür halte dadurch ist ausgesprochen was subjectiv ist | aber dies ist eben das Böse was so ein gemeintes ist . In dem ich es ausspreche spreche ich das Abstrakte aus . – Der Ausdruck daß der Zweck die Mittel heilige verdient deßwegen bloß bemerkt zu werden weil er einst celebrirt gewesen . Dieser Ausdruck ist durchaus ohne Sinn und leer – ist der Zweck recht so sind auch die Mittel recht – Mittel haben ja ihren Zweck nur in einem anderen . Aber die Frage ist nur ob dies andere Mittel sind , ob es rechtlich sei diese als Mittel zu gebrauchen . Sind die Zwecke heilig so heiligen sie allerdings die Mittel . Aber es drükt das dies aus  : wenn die Zweke gut sind (alle sind es) so soll daraus folgen daß ich etwas thun soll welches Verbrechen ist . Verbrechen heißt Verlezung von etwas das Pflicht ist , was auch Gut ist und es heißt das nichts als  : um ein Gutes zu thun bin ich berechtigt ein Gutes zu verlezen

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25 25 ist ganz formell , subjectiv und somit eben so unmittelbar böse . | Es ist schon oben bemerkt , der

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einfache Begriff des Willens , der noch nicht dialektisch vermittelt ist , ist auch n i c h t der Begriff , sondern das Unmittelbare , das n i c h t des Begriffs . Jene Einfachheit ist selbst unmittelbar das Böse . – Eben weil das Gute zunächst dies Ununterschiedene ist , so steht der Unterschied , die Form , zunächst außer ihm  ; dies ist die Subjectivität  ; Inhalt und Form liegen sonach außereinander . Das Gute ist noch nicht das Gute , da die Form noch außer ihm liegt .   5–7 heißt man … unterworfen[ .]] A B  : Man nennt dieses Abstrakte auch Lebendigkeit , so wie überhaupt | das Leerste und Dürftigste in neuerer Zeit oft als Lebendiges gepriesen wird . –   11–15 Was ist … aus . –] A B  : Indem ich zum Criterium des Inhalts meines Thuns bloß mein Gefühl mache , so habe ich alle Willkühr zum ­Gesetz gemacht . Dieß Subjective aber , insofern es nur in uns liegt , ist | eben so gut das Böse und das Unwahre , nur ein Gemeintes . Es tritt in solcher Zeit die Rückkehr des Bewußtseyns in sich auf . Sokrates wurde von den Atheniensern am Leben gestraft , weil er das was Pflicht und Religiosität sey , bloß auf das innere Wissen zurückgeführt hat . –   18–19 ist der … anderen .] A B  : Daß der Zweck und die Mittel einander entsprechen müssen versteht sich von selbst , und wenn der Zweck recht ist , so sind auch die Mittel recht .  

40 25 bemerkt , ] bemerkt , daß  

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überhaupt ist immer die hohe Autorität des Ich’s im Spiel – Es gelten dabei auch andere Vorstellungen  : wenn mein Zweck wirklich ein guter ist  : ein umfaßender und ich stelle diesen meinen ohngeachtet dessen und meine Absicht als Rechte hin . Von einem Weitumfaßenden Zweck glaubt man daß er ein guter aber eben ein solcher ist es am wenigsten der ein schlechtes Mittel erforderte . | Wenn das Verbrechen also Verlezung ist von etwas Gutem so kann man nicht sagen , das Gute zu thun dürfe man das Gute Verlezen . Aber das Verbrechen ist weiter nicht nur etwas auch gutes sondern es ist die Verlezung von etwas objektivem und diesem kann man nicht entgegensezen die gute Absicht . Denn indem in ihm eine subjektive ist so liegt in ihm keine Bestimung . Es ist nicht das was an und für sich als Recht gelten darf . – Wenn das Nothwendige ist daß was als Recht erscheint  : dem anderen was auch Recht ist untergeordnet ist , so ist es hier das Meinige welches unterordnet[ .] Ein Recht dazu kann die Subjektive Vorstellung darin zu haben glauben wenn der Zweck u m f a ß e nd ist – Als umfaßend ist er ein höherer gegen 1 anderes allein wenn wir Freiheit Wohl eines Volkes Z . B . als umfaßenden Zweck sezen so ist er nicht der Zweck des Einzelnen sondern das Substantielle einer eben so umfaßenden Wirklichkeit . Es ist der Völker Eigenthum – ihre Sache worüber u m f a ß e nd gehan­ delt werden soll es soll gesezt werden vollführt werden durch ein Ganzes . Goethe sagt  : die Ermordung Caesars durch Brutus und Cassius sei die dummste That die je gethan worden die Sache dieser Wille hat sollen ausgemacht werden was durch die Welt geschehen ist haben einige Individuen gethan – Es ist die bloße einzelne blanke Handlung das Verbrechen geblieben – und eine bloß einzelne handlung | geblieben und darum das bloße gemeine Verbrechen eben weil es ohne Folge war . Was von dem Willen jener Welt umfaßt wurde hat auch nur durch den Willen jener Welt vollführt werden können . Man glaubt dann  : man habe sich nur in Ansehung des besonderen geirrt – irren sei etwas leichtes – das Gute sei gewollt worden . Es

1–5 Es gelten … erforderte .] A B  : Man sagt aber , wenn ein Zweck ein wirklich gutes ist , so ist es doch immer meine subjective Meynung die ich darin verfolge . Wenn der Zweck weit umfassend ist so glaubt man mehr ein Recht zu haben ihn geltend | zu machen .   11–12 Wenn das … unterordnet[ .]] A B  : Es tritt wohl hierbey die Vorstellung ein , daß ein Gutes dem Andern unterzuordnen sey . Dies ist nun allerdings der Fall , wie sich später zeigen soll , und es ist diese Unterordnung nothwendig , wenn es ein System von Pflichten geben soll . Wenn ich indeß erkläre , daß meine Absicht und Einsicht es ist , welche diese Unterordnung bestimmt , so fehlt hierbey immer wieder die Objectivität .   20–26 die Sache … worden .] A B  : Die Form der römischen Welt ist durch den Tod eines einzelnen Individui , wie Cäsar war , ganz und gar nicht geändert worden . Indem es die gute Absicht ist , wodurch man sich rechtfertigt , so scheint es , daß der Fehler nur darin bestehe daß man sich geirrt habe in Ansehung dessen was | gut ist . Irren sagt man , sey etwas leichtes und das Verzeihlichste was man begehen kann .   12 untergeordnet] untrgeorndt   22 blanke] unsichere Lesung  

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wird dies dadurch auf das Minimum gesezt . Man kann sich über vieles irren , ob da ein Jota gesezt werden soll oder nicht . Aber wenn das irren gemeinschaftlich ist so ist es etwas anderes . Aber gerade das irren ad hominem ist gerade das Größte Vergehen . Wie er sich etwas vorstellt macht er es zum höchsten in Ansehung der Handlung . Er sagt dadurch daß er das aus sich wiße gewollt hat gegen die ganze Welt und hier ist das irren nicht etwas gleichgültiges . Vorher sagt er das wißen wie ich es weis giebt den Ausschlag – und nachher sagt er irren könne man ja dies widerspricht sich . – Hier ist eben dieser innerste tiefste Punkt wo das Gute und böse sich berührt – der Punkt wo das böse entspringt der innerste Mittelpunkt des bösen – Es ist dieses dieser Punkt  : die höchste Abstraktion diese Speculative Spize . Das Böse muß nicht vorgestellt werden daß es auf eine zufällige Weise entsprungen sei sondern auf eine ewige Weise geschieht und entspringt[ .] | Das Böse ist in der Natur des Geistes – Es ist seine bestimung sich gegen seine Natürlichkeit zu rükzu ziehen – als Ich – als Willen und Wißen . Hier ist er das Böse , indem er seine Be­ girde will so ist er das Böse und er hat den Standpunkt sich zu wählen  : Er weis daß er in dieser Begirde ist insofern er seine Trennung ist . Erst durch die Reflexion erhebt der Geist sich aus der Natürlichkeit und erst dadurch wird diese zur Sünde . Das Gute weil es sein Subjektives ist so ist es nicht die unmittelbare Begirde der er sich überläßt , daß er Böse ist sondern er ist es durch Gründe er ist aus Gründen Böse . In das Gute legt er den Inhalt der Willkühr der Begirde hinein . Der Standpunkt der Trenung des Geistes ist also nothwendiger Standpunkt . Eben so ist es auch Standpunkt daß er das gute will aber daß er das besondere will oder daß er auf dem Standpunkt stehen bleibt daß er nur das Abstrakte will und nur das individuelle hineinlegt das ist seine Sache und seine Schuld . – Der Mensch muß das Allgemeine

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… nicht .] A B  : Irren kann man sich nun allerdings über Geschichtliches und Einzelnes überhaupt .   4–5 Wie er … Handlung .] A B  : Wer nicht nach dem objectiven Rechte handelt , sondern nach dem , wie er es weiß , der macht sein eigenes Wissen und Wollen zum höchsten Entscheidungsgrund in Ansehung der Handlung .   6 und hier … gleichgültiges .] A B  : Das Irren ist also hier das allerunverzeihlichste . –   8–17 Hier ist … Sünde .] A B  : Wir stehen hier am höchsten Punkte der Innerlichkeit , am Gewissen  : | man sagt , daß dieses ein Heiliges sey , aber eben so kann es auch das Böse seyn . Weil aber hier die Extreme unmittelbar in einander übergehen , so ist es diese speculative Spitze , wo Böses und Gutes nur im Uebergang in einander gefaßt werden können . Vom Bösen ist überhaupt nicht anzunehmen , daß es nur zufällig in die Welt gekommen sey , sondern es ist wesentlich im Begriffe des Geistes . Der Geist soll nicht in der Unmittelbarkeit bleiben , sondern sich dirimiren , sich als unmittelbar bestimmt gegenüber treten . Insofern er nur seine Begierde will , so ist hier das Böse . Der Geist hat gleichwohl auf diesen Standpunkt sich zu begeben . Es ist mit Recht gesagt , daß erst das Gesetz d . h . diese Reflexion über das | Allgemeine erst die Sünde macht .  

25 1–2 Man kann

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4 Wie] anstelle einer unleserlichen Buchstabenfolge  14 Ich] Iich   33 die] der  

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Gute wollen aber daß er dabei stehen bleibt , oder daß er in dieses Gute beliebigen Inhalt legt , oder daß er seinem Willen seiner Wirklichkeit gehorcht – dabei stehen zu bleiben ist seine | Besonderheit . Das bleiben in der Besonderheit ist die S chu ld des besonderen . Böse kam also im Geist nur als Moment vor  : aber als Moment das zu überwinden ist , aber als Moment komt es auch im Guten vor . Ein Mensch welcher handeln will der muß „böse” sein (d . h . ein böser Mann) d . h . ein solcher , welcher vieles aufopfern kniken will und ein verlezen eines Solchen – was man sonst wohl gelten laßen kann muß er verlezen zu können den Caracter haben . (Z . B . ein General etc[ .]) Auf diesem Standpunkt ist also der Wille gesezt der für sich abstrakter Wille ist und der sich als die Macht der Abstraktion weis und eine Macht die eben allen inhalt aufgeben kann – die sich als eine solche weis daß sie es thun kann und nicht . Gut und Bös ist hier völlig etwas unentschiedenes – Das Gewißen  : dieses Wißen des Willens in sich überhaupt als diese Allgemeine Unendliche Macht die über allen Inhalt hinweg sein soll  ; dieser Standpunkt ist zuerst darin ausgesprochen in dem was Jakobi gesagt  : daß der Mensch in sich wiße , in dem er die wahrheit thut , daß für ihn alle Gebote gelten können und nicht gelten[ .] | Er sagt rauben stehlen betrügen lügen alles dieses kann der Mensch . – Es ist ein Ausdruk der Gerechte hat kein Gesez . – Die Stoiker sagten Der Weise kann alles thun Er kann rauben morden stehlen . In diesem liegt daß in der Macht des Selbstbewußtseins alles bestimte nur ein aufgehobenes ist . Der Gerechte wenn er der Gerechte ist thut das Gesez . Hieher gehört die angeführte Stelle von Jakobi  : Ich bin der Atheist der morden betrügen etc[ .] will wie Desdemona lügt . Ich will Lügen und betrügen wie der für Orest sich darstellende Pylades – will morden wie Timoleon (Brudermord) Selbstmord beschließen wie Otho (römischer Kaiser der sich den Todesstoß gab um den Krieg zu enden) Tempel raub begehen wie David – Ehren ausreißen am Sabbat – auch nur darum weil mich hungert  : weil das Gesez um des Menschen willen gemacht wurde nicht der Mensch um des Gesezes

4–6 Böse kam … Mann)] A B  : aber das Böse überhaupt ist Moment des Geistes , welches zu über­ winden ist und über das hin­aus |z  u­gehen ist . Aber auch im Wahrhaft Guten kommt das Böse immer vor , ein Mensch der im concreten und erfüllten Leben zu handeln hat , muß auch wissen können böse zu seyn .   9–18 Auf diesem … Gesez . –] A B  : So ist das Böse einmal ein Moment , sodann kömmt es aber auch immer in der Wirklichkeit vor . Auf diesem Standpunkt ist also gut und böse durchaus unentschieden . Es kömmt allein auf den Inhalt an und gleichwohl ist dieser Standpunkt noch der Inhaltslose . Das Wissen des Willens überhaupt , das Gewissen , diese allgemeine Macht , ist zuerst darin ausgesprochen , daß Jacobi sagt | daß der Mensch sich in seinem Gewissen als die absolute Macht wisse . (Brief an Fichte .) – / Hier ist ausgesprochen daß alle bestimmten Gebote eben so gut nicht gelten können als sie gelten . Er sagt , es giebt kein absolutes Gebot . –   2 Wirklichkeit] Wrklich / kt   11 sie] sich (Kürzel)   28 welches] welcher   29 das1] den   hinaus |z  ugehen] ohne Trennungsstrich  

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willen . Der Mensch ist als Mensch er ist die Weise der realisirung des Gesezten – er ist das Bethätigende – das wodurch das Gesez wirklich wird . Das Gesez i s t wesentlich nicht , es hat keine Existenz ohne den Menschen . – Das Practische Gesez ist für sich ein bloß formelles das inhaltslose – das Verstandesgesez . Dieses befiehlt auch nichts bestimtes es komt auch zu keinen Pflichten – Er nennt das allgemeine Gesez im Menschen – das Majestäts-Recht das Denken  : hierinn liegt allerdings das Majestäts-Recht . Damit ist allerdings das sich selbst bestimende | Selbstbewußtsein ausgesprochen – aber es ist voraus gesezt daß dieser der Gerechte ist – Dieser Inhalt zu sagen daß er der Gerechte sei ist selbst wieder unbestimt . Diese Idealität überhaupt ist der begriff der Subjektivität aber die noch nicht zur Substantialität gekomen ist . Die 2te Form ist dann die Form des Gewißens – es ist das Heilige – was über Handlungen und Pflichten entscheidet[ .] Gewißenhaft ist der der Recht und Pflicht sich zum Gesez macht . Was Recht und Pflicht ist ist in diesem Gewißen nicht bestimt gesezt . So fern das Gewißen ein formelles ist so ist das das 2seitige und es komt auf den Inhalt an bei dem was ich gethan – das Gewißen hat keinen Inhalt . – Eine 3te formellere Gestalt ist die welche in neuen Zeiten in der Form der Ironie vorgekomen ist[ .] Ironie schreibt sich von Socrates her . Es war bei ihm allerdings eine Art verstellung daß er ihnen die Säze gelten ließ die sie behaupteten , aber sie fortführte daß sie das was sie ausgesagt entwikelten . Dadurch führten sie sich auf das Gegentheil . Es ist also diese Dialectik die sich auf eine unbefangene Weise geltend macht . Ihre Grenze macht ihre Bestimtheit aus . besonders Schlegel ists gewesen  : hat die Ironie als das Göttliche genommen[ .] Darinn liegt die Ahndung eines tiefen | aber es ist ein Zweideutiges . Die Ironie ist überhaupt das Hervor­

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… wird .] A B  : Wenn Gesetz und Mensch getrennt werden , so ist der Mensch allerdings höher als das Gesetz .   3–4 Das Practische … Verstandesgesez .] A B  : Das praktische Vernunftgesetz der kantischen und fichtischen Philosophie , wogegen Jacobi spricht , hat keinen eigenen Inhalt und ist bloß formell .   5–7 Er nennt … Majestäts-Recht .] A B  : Jacobi nennt jene Macht im Menschen , durch die er beschließt | das Majestätsrecht des Menschen . Das Denken ist nun allerdings ein solches Majestätsrecht . –   15–17 So fern … Inhalt . –] A B  : Wenn einer sich nur auf sein Gewissen beruft , und die Handlung objective Bestimmungen enthält , so hat er nicht bloß nach seinem Gewissen gehandelt .   18–414,2 Es war … hinaus .] A B  : Sie besteht zunächst darin , daß eine falsche , einseitige Behauptung zugegeben wird , und daß dann der welcher eine solche Behauptung aufstellt , dahin geführt wird , durch deren Entwickelung ihre Nichtigkeit darzuthun . – Es ist besonders Friedrich von Schlegel gewesen , der die Ironie als ein Moment des Göttlichen überhaupt dargestellt hat  ; es liegt darin allerdings eine Ahndung des Vernünftigen , allein auch zugleich das Beginnen einer verkehrten Ansicht . Die Ironie ist überhaupt die Erscheinung der Idealität , das Drüberhinausseyn über das Bestimmte , also auch über den Ernst .  

25 1–2 Der Mensch

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1 Der] (D .   7 Majestäts-Recht] Majest-Rechts   Damit] Ds   24 tiefen] folgt ein knapper freier Raum am Zeilenende   37 Idealität] Identität (vgl  . Ri)   40

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treten der Idealität das darüberhinaus sein über das bestimte . Aber das darüberhinaus indem es sich weis als darüber hinaus . Das darüberhinaussein hat allerdings etwas schönes . Die Götter erscheinen im Homer in dieser Ironie . In ihrer Gestaltung erscheint zugleich der duft ihrer Endlichkeit und ihres hinausseins über sie . Auch das kann ironie heißen indem sie den Göttern geopfert hatten , Sie haben das schlechte verbrannt und das beste haben sie selber gegeßen – Eine barbarische Ironie ist das Übergehen zu gegensäzen wenn sich der Mensch am Morgen ganz zerknirscht , und wenn er alles selbstgefühl als nichtig ausgesprochen hat und sich nachmittags in allen Lüsten herumwälzt . In der Ironie liegt das Hervortreten des Gegensazes[ .] Die schönste Gestalt der Ironie ist die heiterkeit der Griechischen ­Götter und darinn zu sein in der Sache aber zugleich auch bei sich zu sein Heiterkeit und Bei sich selbst sein . Das Selbstvergeßen tritt in der Muter hervor die sich in dem Kind weis es anschaut und mit dieser Heiterkeit übergoßen ist . – Dieser Ton der Heiterkeit überhaupt ist die schönste Seite die die Ironie hat . Die Italienische Musik findet im tiefsten Schmerz gerade das seeligste selbstgefühl[ .] | trit das gefühl des Negativen hervor so ist das nicht mehr Heiterkeit – Dann ist das Selbstbewußtsein zugleich ein eitles . hier fehlt daß der Wille nicht auf seine Subjektivität Verzicht thut sondern daß das Selbstbewußtsein die Sache von sich hält . Ironie ist dieses Bewußtsein mit allem nur zu spielen auch über das Edle und Treff liche Meister zu sein und dies gewähren Laßen . Was in dieser Ironie das positive ist ist die Eitelkeit Eitelkeit in allem was ich treibe – Ich bin das Eitle . Diese Ironie ist eben die Form diese Spize welche so oder so ist die Form der leere . – In neuen Zeiten ist es auch wohl vorgekomen . Mehr Verwandt ist hiemit eine ehemalige Vorstellung . Vormals ist viel von der heuchelei die Rede gewesen . Heuchler ist der welcher unter dem Vorwand des Guten das böse thut , der das böse also kennt . Indem die Vorstellung die Beschuldigung des Heuchelns hat so legt man dabei zu Grunde daß es Handlungen gebe die an und für sich Laster sind , und die von

3–4 Die Götter … sie .] A B  : Bey Homer erscheinen die olympischen Götter mit dieser Ironie (unauslöschliches Gelächter über Hephästos , Aphrodite einen Backenstreich , Mars schreit wie 10 000) .   10–13 Die schönste … ist . –] A B  : Ihre schönste Gestalt ist die Heiterkeit , wie sie an den griechischen Göttern erscheint . Heiterkeit und Selbstvergessenheit können als Temperamente der höchsten Tugend angesehen werden . Eine Mutter , die ihr Kind ansieht , und sich darin selbst weiß . –   14–15 Die Italienische … selbstgefühl[ .]] A B  : Italiänische Melodien | die den tiefsten Schmerz ausdrücken und worin zugleich das Selbstgefühl der Seeligkeit enthalten ist . –   20 und dies … Laßen .] A B  : so daß es meine Willkühr nur ist , die sich herabläßt , sich damit zu beschäftigen .   21–23 Diese Ironie … vorgekomen .] A B  : Die Ironie ist so die Form der Spitze . Es sind Erscheinungen der Zeit vorgekommen , wo Individuen dahin gekommen waren , daß sie nur an dieser Ironie hielten . |   27–415,3 und die … Bösen .] A B  : und daß es nicht Ernst damit seyn könne , sie als etwas Gutes zu betrachten .   33 ausdrücken] ausdrückt  

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jenem auch als laster gewußt werden , und daß der gute Grund bloßer Vorwand sei . Indem daß der Heuchler das Laster will gebraucht er das Gute und braucht es zum Mittel zum Bösen . Diese Vorstellung der Heuchelei verliert sich mit der ansicht des moralischen Standpunktes[ .] | Was Recht und Gut ist dies liegt in meiner bestimung – und der Werth der Handlung überhaupt jene Voraussezung ist also nicht mehr vorhanden daß etwas an und für sich Verbrechen sei . Nach dieser Seite ist es imer etwas Gutes was gewollt wird – was wir in neuer Darstellung gesehen haben was mit vieler Beredsamkeit durchgeführt ist  : soferne der Mensch nach seinen trieben handle handle er gut . Indem man das so darstellt räumt man dem Herzen dieses Recht gegen die Geseze ein . Dieses gute der Absicht gegen das was auf der anderen Seite als Laster steht würde nach der früheren Ansicht als Heuchelei angegeben sein , weil diese annehmen es gebe Verbrechen für sich . Sie besteht darinn daß das was gethan worden für gut ausgegeben sei und das Individuum sei in sich selbst der Widerspruch und so daß also das von ihm gewollte nicht das Gute sei . In dieser Darstellung wo das Bewußtsein alles als gut bestimen kan fällt die Heuchelei eigentlich weg und die Darstellung welche nach dieser Voraussezung , als intereßante Darstellung als Collision des Guten mit Gutem bloß als Collision des subjekts gelten könnte würde als bloße Heuchelei erscheinen . Wenn wir auf dem Theater Stehlen sehen so daß diese Sachen gewußt werden so daß gute Absichten nicht etwas seien was wahrhaft Ernst war . Ebenso fällt die frühere Ansicht über die Sprache und die Laster und Sünden | weg . Er sezt diese Ansicht voraus daß es Handlungsweisen gebe welche von Gott verboten seien in der Gewohnheit des bösen Lebens sei der Widerspruch seine Wirklichkeit eine solche Weise der Sitte – eine inere Gewalt die der Böse Willen dem Gewißen anthut . Wenn aber er die gute Absicht ist – das unbefangene Wollen wenn dieses das ist was den Werth der Handlung ausmacht so fällt jener Unwerth weg – in die­ ser guten Absicht findet sich der Gegensaz nicht eines bösen gegen das Gute – weil ich bin und mein herz mich treibt will ich das Gute . Wenn der Lasterhafte ohne Scham in Sünden lebt so kann er keine Gewißensbisse haben . Diese Ansicht des Lasters fällt auf diese Weise überhaupt weg . Das sind Formen welche unmittelbar hervorgehen aus dieser Stufe des Bewußtseins[ .] Der Inhalt die bestimtheit ist darin nicht vorhanden es ist Zufälligkeit wer diesen Inhalt hineinlegt . Von allem solchen Inhalt kann das Praedicat des Guten sein[ .] Aber dadurch daß man das Abstrakte Gute will so kann alles als Gut gelten . Der Inhalt erscheint zugleich als zufällig und

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… gut .] A B  : In neuern Darstellungen ist oft eine große Beredsamkeit aufgeboten um zu zeigen , daß was der Mensch nach seinen Trieben thut , gut ist , da diese in den Menschen von Gott gelegt seyen .   21–23 Er sezt … seien] A B  : so liegt dabey auch die Absicht zu Grunde , daß es Handlungsweisen gebe , die an und für sich göttlichem und menschlichen Rechte widersprechen .  

35 8–9 was wir

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willkührlich . Dies erscheint zugleich nicht dabei , oder es wird sich verderben weil der Inhalt nicht ein äußerlicher sei gegen den Allgemeinen . – Das Praedicat Gut ist nicht ein äußerliches sondern in ihm selbst . – | Es ist noch eine Seite zu berühren . Nämlich der Wille der Ironie oder Heuchelei ist hat das Bewußtsein daß er mit jedem Inhalt spielen kann . Aber dieser Inhalt ist hier zufällig und willkührlich auf diesem Standpunkt weis das Bewußtsein was es ist und was es will , aber der Wille der den Inhalt nicht für etwas gleichgültiges hält geräth in Verlegenheit über den Inhalt – aber der Wille der das bewußtsein hat  : es komt auf diesen Inhalt an ge­räth in Collision . Es bietet sich ihm ein Inhalt dar aber dabei noch ein anderer . Man ist nun getrieben jenen Unterschied auf zu suchen . Es trit also wesentlich ein daß ein solches Individuum in solcher unentschloßenheit herangeht – die Moral muß diese Entscheidung leisten . Es bietet sich vielfach solcher Inhalt dar – dann ist der Widerspruch da . – Diese Stufe der reflexion hat nun viele besondere Formen diese reflexion kann eine art Furcht sein gegen das Handeln – ein Mißtrauen gegen die Wirklichkeit daß es möglich sei daß ein Gutes noch etwas anderes enthalte was ihm widerspreche[ .] Wenn das Gemüth überhaupt eine solche Richtung nimt so geräth es in die Scrupulosität – Diese Unentschloßenheit fürchtet etwas anzugreifen . Diese reflexion erschwert sich das Handeln – es ist dieser Trieb in Allem auch ein | Bedenken zu haben . Recht hat diese Reflexion allerdings . Indem Pflichten ausgeübt werden berühren sie viele Individuen . Die bestimungen dieser Verschiedenen Verhältniße werden wieder durch andere gewürdigt – es ist imer etwas was man wünschen könnte daß nichts verlezt werde[ .] Je gebildeter ein Gemüth ist desto mehr findet es solche Seiten und wieviel da etwa nicht befriedigt wird oder verlezt wird . Auf der Anderen Seite erleichtert sich diese Reflexion Besonders wenn sie diese Wendung nimt daß sie sich einen allgemeinen Zweck vorsezt . So wie sie diesen Zweck ergreift so enthält er wieder vieles besonderes in sich . ZB . wenn sich ein Mensch zum Zweck

5–13 Aber dieser … da . –] A B  : das Subject weiß sich als das welches über Allem steht . Der Wille der aber nicht jenes | Bewußtseyn hat , sondern der den Inhalt nicht für etwas Gleichgültiges hält , geräth in Verlegenheit mit seinem Inhalt , er hat kein Criterium zur Entscheidung . Es findet sich die Collision zwischen Verschiedenem zu wählen . Ein solcher Wille ist getrieben den Unterschied des Guten im Objectiven aufzusuchen . Es ist eine Hauptforderung an die Moral , die Entscheidung der Collisionen zu leisten . Die Pflichten bieten sich zugleich als ein vielfacher Inhalt dar , zwischen dem sich ein Widerspruch hervorthut .   15–16 daß es … widerspreche[ .]] A B  : Es entsteht hier die Bedenklichkeit auch bey einem gutscheinenden doch noch inne zu halten .   27–417,4 ZB . wenn … Wahl .] A B  : Wenn jemand sich vorsetzt , er wolle seine Bestimmung als Mensch erfüllen , und begiebt sich um sich zu unterrichten etwa an die Niemeyersche Pädagogik , so ist ihm ein großes Feld eröfnet und es bleibt ihm eine sehr freye Wahl zu treiben was ihm zusagt .   17 es] s .   31 solcher Wille] solches Wissen  

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macht  : er wolle das Leben gut benuzen  ; er soll alles bilden das Wohl wollen , das Mitleid das Ohr . Wenn er sich daran macht so kann er jezt das Wohlwollen üben etc[ .] und er mag gethan haben was er will so wird er etwas ausgebildet haben . Es ist dann alles erleichtert . Diese Gewißenhaftigkeit hat vollkomen die Wahl . Der Grund ist eben weil der Zwek so ein Allgemeines ist . Der Mensch wird dadurch gebildet daß er sich mit den Sachen abgiebt , dadurch reibt er seine Subjektivität ab , bilden kann er sich allein wenn er sich vergißt , wenn er die Sachen will zu den seinigen machen . Indem | er sich die Sachen zu eigen macht so ist das kein subjektives sondern Objektives Intereße . Das ist es überhaupt was zunächst davon gesprochen werden soll . – Wenn es um das Substantielle zu thun ist so fallen alle anderen Nebenrüksichten weg . Wenn das Individuum sich auf so vielerlei Seiten mit diesem Wählen einläßt und sieht zugleich daß es etwas aufgeben muß , dies schlägt es als ein opfer an  : solcher Opfer kann man imer eine Menge finden . Die einzeln betrachtet auch Zwecke sein können . Indem es ihm um die Sache selbst zu thun ist vergißt er das Opfer und die Wichtigkeit seiner Subjektivität . Wenn die Sache festgehalten wird damit fallen eine Menge Scrupeln weg . Der Mensch von Erfahrung und bildung kann allerdings neben der Hauptsache andere berüksich­ tigen . Der Richter kann neben der Hauptsache des Richters zu strafen auch noch viel schonen – aber indem er nur an das schonen denkt dadurch vergißt er das Richter amt . – Es ist eine Zeitlang viel von den Kleinigkeiten gesprochen welche Wichtigkeiten sie für den Geist haben . Es ist gesagt worden es giebt keine gleichgültigen Dinge in der Moral . Zum Moralischen Handeln gehört eben dieses , eine Menge Rüksichten als Kleinigkeiten zu betrachten[ .] | Einerseits fällt also die Scrupulosität von selbst weg . Wenn ein wahrhafter Zweck in einem Subjekt vor­ handen ist so hält es daran fest . Es fallen dadurch eine Menge Collisionen weg . Collisionen in Hinsicht des Wesens be­treffend  : so ist die Entscheidung der Collision durch die absolute Unterordnung schon bestimt . Für das Individuum bleiben nur wenige Collisionen übrig Collisionen die nur das besondere be­treffen – In der Alten Tragödie sehen wir große Collisionen wir sehen in der Antigone die Pietät auf der einen Seite – auf der Anderen Seite sehen wir die andere sittliche Substan­ tialität den Staat – diese 2 Großen Verhältniße sehen wir in Collision gegen 1ander wir sehen sie in so ferne in Collision gegen 1ander insoferne sie frei gegen 1ander 28–418,2 In der … Gestalten[ .]] A B  : In den alten Tragödien sehen wir Collisionen der wahrhaft

35 substantiellen Verhältnisse . So sehen wir die Antigone auf der einen Seite die Pflichten der Pietät 35 gegen ihren Bruder erfüllend  ; auf der andern Seite sehen wir dagegen den Staat , die πολις . Diese

beyden Potenzen treten frey gegeneinander , und sie erscheinen dramatisch , insofern es Individuen sind , in denen diese Potenzen ihre Wirklichkeit haben .   7 er1] m .   8 machen] zu mahen   27 bestimt] bestimt ist  

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sind und indem sie plastische Individuen sind , diese einfachen großen Plastischen Gestalten[ .] Wir sehen gleichsam Götter im Kampf . In der Orestie sehen wir eben so große Collisionen  : wir sehen die Idee daß der Mord gerächt werde und wir sehen auch die Pietät des Sohnes zu der Muter deßwegen das Strafen dieses Verbrechens – wir sehen deßwegen die Collision hervortreten weil diese beiden Verhältniße einander so zusagen beigeordnet sind – deß wegen muß das Verbrechen nicht gestraft werden sondern es ist die Form der Rache da – | derselbe der die Pflicht der Rache auf sich hat ist der Verbrecher der Sohn . Das ist die Heroenzeit wo es dem Individuum als solchem anheimfällt das sittliche Moment geltend zu machen . Wir sehen in den Tragödien deßwegen fürstliche Individuen auftreten – Die neueren Bürgerlichen Tragödien haben etwas unbedeutendes – weil sie schon umschloßen sind von der substantiellen idee und die Collision kann nur selten eintreten – Und in diesen Collisionen ist schon das Unsittliche gesezt . Es bleiben noch viele Collisionen allerdings für das Individuum und es ist das Gewißen was diese Collisionen zu entscheiden hat – man erwartet von einer Moral daß sie diese Collisionsfälle hervorhebt . Sie wird dadurch eine Casuistik , die die besonderen Fälle betrachtet  ; die Subjekte erwarten von einer solchen Wißenschaft daß die Entscheidung fertig vorgelegt werde . So ist ein solcher Fall ZB . daß man supponirt 2 Menschen sind in einem Schiff ­bruch auf Einem Balken etc . Es komt hier viel in Sprache , Sie | können Kinder haben , die Kinder können Mütter haben , die anderen nicht , der Eine kann Mediciner sein der andere Jurist etc . hier müßte man viel berechnen . Es fällt sogleich auf daß es eine unnüze Erwartung ist wenn solche Fälle sollten combinirt werden – Es ist die Noth des Augenbliks die Fälle sind unendlich verschieden – wenn man diese Fälle entscheiden wollte so verfällt man in eine unendliche Manigfaltigkeit man wird nicht Fertig . Man befindet sich in einem Felde des Widerspruches . Hier muß in diesem ganz besonderen Fall entschieden werden in diesem Einen Fall dem Einen Augenblick . Hier ist das Moment wo der Zufal

8–9 Das ist … machen .] A B  : Es ist also in der Heroenzeit wo diese großen Collisionen vorkommen , wo es dem Individuum als solchem anheimfällt , das sittliche Moment geltend zu machen und zu wollen .   10–12 Die neueren … eintreten –] A B  : In einer objectiven Organisation des sub­stantiellen Willens fallen solche Collisionen weg  ; bürgerliche Tragödien haben um deswillen nicht die Be­ deutung , weil es hier Bürger sind , welche sich umschlossen finden von einer objectiven Organisation für deren Entscheidung wenig übrigbleibt . –   17–419,16 daß die … vergeben[ .]] A B  : daß sie ihnen die Entscheidung für alle Fälle fertig , gleichsam von dem Brette , vorlegt . – Zwey Menschen , die im Schiff b­ ruch sich auf einem Brette befinden , das nur Einen zu tragen vermag  ; der eine hat Kinder , der andre keine  ; der eine viel , der andre wenig  ; der eine ist Jurist , der andere Mediciner . – Es zeigt sich sogleich , daß es eine unnütze Erwartung ist , solche Fälle in einer Moral entschieden wissen zu wollen . In solchen besonderen Fällen muß auch das Besondere entscheiden , d . h . das 11 Tragödien am Rande mit Verweiszeichen   19 Sprache  ,] etwas unsichere Lesung  35 das] daß  

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herrscht[ .] Hier ist das besondere das Entscheidende hier ist nicht das Allgemeine das Entscheidende man kann es also auch nicht allgemein entscheiden[ .] Gerade das Einzelne einzig in seiner Art bestimte ist eben das Einzelne , nicht das Allgemeine . In anderen Fällen kann man bei einem Abstrakten Grundsaz stehen bleiben und ­diesen Abstrakten Grundsaz als fest ansehen – ZB ein anderer Fall . Wo jemand herein trit in der Wuth um jemanden zu ermorden soll ich ihm antworten wo er ist oder nicht ? | Es ist bald gesagt man soll die Wahrheit sagen . Aber es kommen da viele Rüksichten . Solche Wahrhaftigkeit ist dann eben eine solche wo nichts dahinter ist . Wahrheit sagen in Rüksicht auf die Endlichen dinge da ist großentheils nichts darinn . Jeder Augenblick tödtet 1000 Wahrheiten . Das Äußerliche soll dem innerlichen entsprechen – aber in einem solchen sprechen daß jemand in dem oder dem Schrank ist , ist das sprechen ein handeln . Wenn ich es sage so tödte ich ihn  ; und ich habe nichts Gott anheim zu stellen – es ist wie wenn ich ihm den dolch gäbe es ist die Handlung daß ich ihm die Möglichkeit unmittelbar gebe – Was ich thue ist daß ich dazu helfe . Es wäre weiter nichts als eine Heuchelei hochmüthige Treue sich nichts zu vergeben[ .] Solche Collisionen fälle können leicht entschie­ den werden – aber die wahrhafte Entscheidung fällt ganz in den Concreten Fall . Es ist die Besonderheit welche entscheiden muß diese entscheidende Besonderheit ist es was wir Caracter heißen  : Man kann also in | der Moral keine solchen Fälle suchen[ .] Wenn es also zuerst scheint daß es so viele moralische Collisionen gebe so muß gefodert werden in großen Collisionen welches Verhältniß in Collision vorkomt . Die Bedenklichkeit , die Unentschloßenheit des Menschen ist der Anfang viele Collisionen zu machen . Der Anfang dieser Weichlichkeit . Gediegenes substantiel-

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­Individuum , und es kann hier keine objective Entscheidung erwartet werden . – Es giebt eine Weise

25 des Entscheidens | daß man überhaupt bey einem Abstracten Grundsatze stehen bleibt und diesen

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als das Eine Entscheidende festhält . – Fichte in seiner Moral stellt den Fall auf , daß einer wüthend mit dem Dolche in ein Zimmer dringt und Jemand ermorden will , der sich verborgen hat  ; es frägt sich hier ob ein Anderer der mit im Zimmer ist und um den Verborgenen weiß , schlechthin gehalten seyn soll die Wahrheit zu sagen . Ueberhaupt ist es schwer die rechte Wahrheit zu sagen und es giebt wenige die sie sagen . Der gewöhnlichen , gemeinen Wahrheiten verschwinden in jedem Augenblick Tausende . Im Allgemeinen soll allerdings der Mensch mit sich identisch seyn und somit die Idee darstellen . In | dem angeführten Fall ist jedoch das Sprechen nicht bloß ein Sprechen , sondern ein Handeln und zwar ein eben solches als ob ich einem Andern der jemand ermorden will und keinen Dolch hat , den Dolch dazu in die Hand gebe . – Diese Gleichheit mit mir die ich durch das Sagen der Wahrheit erreicht habe , wäre nichts als eine hochmüthige läppische Treue gegen die Wahrheit , ich hätte bloß mich als dieses Uebereinstimmende gesezt . –   19–23 Man kann … Weichlichkeit .] A B  : der Mensch kann nur handeln insofern er ein Besonderes ist . Die Forderung einer Ca­ suistik der Art enthält den Ausspruch daß der Mensch der Mühe enthoben seyn will , Charakter zu haben .  | Dieser Mühe kann der Mensch allerdings durch einen Gewissensrath , einen Beichtvater

40 28 den] dem   32 In] In | In   34 das Sagen] den Segen  

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les Handeln fodert Selbstvergeßenheit darinn vergeht die besonderheit . Hiergegen diese Reflexionen welche imer wißen wollen ob man da vortreflich Handle führt sie eben zu dieser Weichlichkeit . – Der Moralische Standpunkt ist also dieser . Freiheit ist das Recht . Freiheit im besonderen hat nur im Ding sein Dasein . Freiheit im besonderen Willen ist der boden des Begrifs das giebt eben das Recht des besonderen Willens dieses Recht des besonderen Willens ist Moment der Idee – Sein Recht ist daß Er in dem sei was er thut , daß es das seinige sei , daß die Handlung sein Vorsaz sei – daß auch das Wohl sein Moment habe und 3tens daß er Wiße daß er Gut ist oder nicht . Aber zugleich ist der Moralische Wille nur dieses Formelle Wenn er von seinem Standpunkt aus bestimen will , daß das bestimende die Willkühr ist . | Der subjective Willen hat das absolute und unendliche Recht zu wißen was gut ist . Die­ ses Wißen für sich und das Wollen des Gewußten ist etwas subjektives überhaupt . Es ist seine bestimung sich zum gegenstand zu haben – nicht eben so objektiv in seinem Denken zu sein als es Subjektiv ist[ .] Es ist nur das Abstrakte allgemeine welches es weis das abstrakte Gute was es weis – es kann eine menge Guter Gründe und Absichten haben – aber von dem Standpunkt geht es von einer Voraus­sezung aus – Das Moralische bewußtsein ist eben nicht philosophisches Bewußtsein . Das philosophische Bewußtsein ist vernünftiges Bewußtsein und dadurch hört es auf formelles bewußtsein zu sein . Wenn also gute Absichten behauptet werden auf moralischem Standpunkt – alle diese Formen sind Formen der Unmittelbarkeit[ .] Das moralische bewußtsein ist in sofern ehrlich . Das Moralische Bewußtsein indem

(der Zucker und Kaffe bekommt) enthoben werden , und ein solcher Gewissensrath weiß dann für Alles gute und fromme Gründe anzugeben .   1–17 Hiergegen diese … aus –] A B  : die Reflexion die immer wissen will , ob man da und dort vortreflich handle , führt zur Weichlichkeit und zum Eigendünkel . / Der moralische Standpunkt ist also überhaupt die Freyheit im besonderen Willen . Die Freiheit als Recht hat nur ein Ding zu ihrem Daseyn . Der besondere Wille , die Subjectivität ist der wahre Boden | der Freyheit . Das Recht des besondern Willens ist also nothwendiges Moment der Idee , sein Recht ist daß e r in dem sey was er thut , daß es das Seinige , daß die Handlung sein Vorsatz sey , daß sein Wohl als Moment erscheine und daß das was er thut , die Bestimmung des Guten habe , und als solches von ihm gewußt werde . – Zugleich ist der moralische Wille nur dieses formelle und der Inhalt fällt außer dasselbe . / Der subjective Willen hat das absolute und unendliche Recht zu wissen was gut ist . Dieses Wissen für sich und als Wollen dieses Gewußten , ist eben damit ein Abstractes , Besonderes und Subjectives überhaupt . Weil dies | der Standpunkt des subjectiven Willens ist , so ist es nur das Abstractallgemeine , wovon das Subject weiß . Es treibt sich nothwendig unendlich in der Reflexion herum , und hat viele gute Zwecke und Gründe , aber es ist kein immanenter Inhalt , den es aus sich producirt . –   19–20 Wenn also … Unmittelbarkeit[ .]] A B  : wenn also auf den moralischen Standpunkte noch so wohl gemeinte Absichten verfolgt werden , aus dem Gefühl oder aus der Begeisterung , so tragen diese doch immer den Mangel der Unmittelbarkeit an sich . –  

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11 Der subjective … ist .] Ergänzung nach A B  ; zu Beginn der Seite findet sich ein freier Raum von drei Zeilen   40



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zweiter theil · moralität421

es nicht philosophisches bewußtsein ist so ist dies der Standpunkt der reflexion – Das Moralische Bewußtsein giebt sich auch dafür aus nicht das philosophische zu sein . In allen diesen Formen bekennt es sich unmittelbar ein nicht vernünftiges zu sein , damit hat es auf alle vernunft des Wißens Verzicht gethan wenn es sagt man könne das Wahre nicht erkennen deßwegen müße man sich dem Gefühl | überlaßen . Das Vernünftige Bewußtsein ist nicht das Schöpfen aus dem Gefühl . Das subjektive Wißen – weil es das Subjektive ist so kann es keinen Objektiven Inhalt haben – es kann nur bei sich selbst sein überzeugt sein[ .] Dieser Inhalt ist ein unmittel­barer . Das Vernünftige ist nicht das unmittelbare Wißen . Der Moralische Standpunkt wenn er für sich sein will ist ein einseitiger Standpunkt . – Überhaupt in einer Zeit der Auflösung trit das Moralische Selbstbewußtsein hervor weil das anerkannte Ge­ sez nicht mehr in voller Kraft gilt . Es ist hier diese Zerrißenheit vorhanden . Diese Scheidung ist das worinn eben die Auflösung besteht . Dieser Standpunkt ist also Einseitig ebenso als der Standpunkt des Rechts – Dieser Standpunkt für sich genomen fällt er in sich selbst zusamen , diese Vergleichung fällt in ein 3tes außerhalb dieses Princips . Diese Mangelhaftigkeit ist seine eigene – es ist in sich selbst der Widerspruch daß das was diesem gilt nur das Allgemeine Gute ist . Das Gewißen (die reine Gewißheit seiner in sich selbst) ist eben dies . Das Gute ist selbst das Leere , das Unbestimte , wie ich – indem ich von mir weis das unbestimmte bin[ .] | die Einfachste Vollendung dieses ist eben dieses Verglimmen des Geistes welcher in der Wirklichkeit in sich zusamengeht . Das sind nichts als consequenzen der Kantischen Philosophie . Der Anfangspunkt ist nicht in seiner Stärke festgehalten worden . In

… sein ,] A B  : selbst nicht für philosophisch aus und es erkennt selbst an , daß es bloß subjectiv ist . Wenn vom moralischen Standpunkt , als dem Formalismus des abstracten Guten gesprochen wird , so muß man diesen Standpunkt nicht mit dem vernünftigen Erkennen verwechseln .   7–422,8 es kann … selbst –] A B  : der Inhalt den es sich giebt , Glaube , Begeisterung , Offen­ barung , ist immer ein Unmittelbares . – Die Moralität ist immer nur ein Moment des Ganzen . – Es wurde bereits an Sokrates erinnert  : es zeige sich in jener Zeit eine Zerrissenheit des Innern und des Äussern . – Die Wahrheit ist nur die Wahrheit des Standpunkts der Moralität und des abstracten Rechts . Für sich genommen fällt dieses Princip in sich selbst | zusammen  ; es ist der Widerspruch an sich selbst . Es erfordert Bestimmung von Pflichten und Zwecken und doch gilt ihm nur die Form des Allgemeinen . Die reine Gewißheit seiner in sich selbst ist das Abstracte , in sich Unterschiedslose . Die consequente Vollendung dieses Standpunkts ist das Verkümmern des Geistes in sich . / Indem dieser Standpunkt in der kantischen Philosophie weiter ausgebildet worden und als ein letztes fest­ gehalten worden ist , so ist der Widerspruch desselben immer mehr hervorgetreten . Dieser Standpunkt ist zugleich als ein Endliches ausgesprochen worden und das wahrhaft Vernünftige hat man in ein fernes Jenseits gelegt . – Die moralische Weltordnung kommt vor als die Idee , die aber n u r seyn s o l l   ; das subjective Selbstbewußtseyn ist dabey fälschlich als | ein Absolutes ausgesprochen worden . Diese Subjectivität ist nun vielmehr der Widerspruch in sich selbst . –  

25 2–3 dafür aus 25

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40 2–3 In allen] Allen   3 bekennt] be / kennt   unmittelbar] nmttbl  

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dem an der Kantischen Philosophie festgehalten worden ist so ist das Wahre ausgesprochen worden als ein postulat ein Jenseits das Dießeits ist die Zufälligkeit daß das Gute wirklich sei . Das Jenseits ist eben die Harmonie daß auch der besondere Wille gut – Daß eine moralische Weltordnung sei . Daß dieser gemäß sei dem was das Allgemeine Gute ist . Diese Moralische Weltordnung ist das Gute was sein soll – es beharrt als ein jenseits . Aber die Endlichkeit ist nicht das Wahrhafte nicht das absolute sondern diese Subjektivität ist eben das unwahre – der Widerspruch in sich selbst – Das Gute soll doch nur eine allgemeine Abstraktion bleiben . Das soll für sich bleiben und beide sollen harmoniren das ist also ein Widerspruch also nicht das Wahre . Das macht den Übergang aus daß weder das | Gute noch das subjektive das Wahre ist – sondern das Allgemeine in der Identität mit der Subjektivität mit der Form – Das ist das Wahre[ .] Es erfüllt seine Subjektivität seine reine beziehung auf sich . Aber zugleich bestimt und unterschieden in sich . –

1 dem] denn (ein Buchstabenelement zu viel)   an] in  

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dritter theil · sittlichkeit423

Dritter Theil Die Sittlichkeit

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Das Abstrakte Recht ist das Dasein der abstrakten Freiheit – der moralische Standpunkt ist erst das subjektive , ihre identität ist das Wahre das ist das was das ­S it t l iche heißt . Das S it tl i c h e ist nur das Wahre und als solches ist das nothwen­ dige das erste und erst auf diesem boden muß sich das Abstrakte und das Subjektive sich entwikeln – sie für sich können nicht existiren sie müßen eine solche Grundlage haben . Es kann weder einen Zustand des A b s t ra k t e n R e c h t s noch einen Zustand des mo r a l i s ch e n S t a n d pu n k t s geben . Der Sittliche Zustand liegt imer zu Grunde . Wenn der eine oder der andere Standpunkt vorherrschte so war es nur ein übergewicht eines dieser beiden auf der Grundlage – F a m i l ie ist ein älteres als der Staat – ein sittliches Stats wesen überhaupt ein gediegenes substan­ tielles Zusamenleben . In der Wißenschaft müßen die Abstrakten Momente vorher betrachtet werden[ .] | Dieses 3te was erst das Wahre ist ist also die Sit t l ich k e i t  . Es ist das Gute das sich in die Subjektivität integrirt . Es ist das Allgemeine im Subjektiven – die integration des Einen in dem Andern – Diese identität ists die wir zu betrachten haben[ .] Diese Eitelkeit des Subjekts ist Verschwunden ebenso das Abstrakte und das Concrete ist die Wahrheit beider . Sit t l ich ist also 1tens die Idee der Freiheit – aber so daß diese Freiheit lebendig ist – Das Gute nicht als ein jenseits . Die Wahrheit die ist nicht nur die welche nur sein soll . Was wirklich ist ist das Lebendige Gute[ .] Das Gute also oder die Freiheit die das Selbstbewußtsein zu seinem Dasein hat – Das Selbstbewußtsein hat das Substantielle zu seiner Grundlage

3–18 Das Abstrakte … Abstrakte] A B  : Das abstracte Recht ist das Daseyn der abstrakten Freyheit , die Moralität das Daseyn des besonderen Willens . Die Einheit beyder ist das S i t t l i c h e . Dies ist 25 der Zeit nach das E r s t e  , und es ist erst auf dem Boden dieser Sittlichkeit daß seine Momente sich entwickeln . Diese Momente für sich können gar nicht existiren , sondern sie müssen nothwendig eine Grundlage haben , wenn diese auch als zertrümmert erscheint . – Die Familie ist ein Aelteres in der Zeit als der Staat . In der Wissenschaft müssen | die abstracten Momente vorher betrachtet werden , weil das Wahre erst aus ihnen be­g riffen werden kann . Dieses Wahre ist als Begriff eine 30 Einheit Unterschiedener . / D r i t t e r T h e i l . / D i e S i t t l i c h k e i t / Die Sittlichkeit ist die Integration der beyden ersten Standpunkte , des einen durch den Andern . Die Eitelkeit der subjectiven Gewißheit , und die abstracte Allgemeinheit sind jezt verschwunden .   19–22 Das Gute … hat –] A B  : Das Gute ist hier nicht in ein Jenseits , in eine moralische Weltordnung versetzt , sondern es ist

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9 Zustand 2 ] Zustde   16 integration] integra / tion  

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es weis jenes als ein Wesentliches seines Eigenen Willens – nicht als ein Joch – Das s it t l iche ist also eben sowohl das an sich sein – objektiv – als für sich sein oder subjektiv . Es wird von dem Subjekt gewußt als das Objektive aber es ist das sein Eigenes worin es lebt (Fisch im Waßer – Lunge in der Luft)[ .] | Das moment muß wesentlich erhalten sein in der Objektivität der Sittlichkeit . Dieses Sittliche ist also nicht das Abstrakte Allgemeine an sich sondern es ist ein System der Willens­ bestimung – weil es gesezt ist als identisch mit der Subjektivität  ; daß die Subjektivität diese Sprödigkeit abgelegt hat[ .] Das Subjekt muß aufgeben für sich ein subjektives zu sein so hat das Gute die unendliche Form in sich . Es ist damit also das in sich unterschiedene und was den Unterschied in ihm macht ist der Begriff – ist die Reine Form selbst diese reine Form ist das bestimende , das Gute – diese unterschiede sind darin die wesentlichen unterschiede – die wesentlichen Momente – Das Objektive Gute indem es die Form in sich hat so sind seine bestimungen durch die Form selbst gesezt und dadurch sind sie vernünftig[ .] Dieser Inhalt ist dann erst etwas wahrhaft objektives – es ist fest gegen das subjektive bewußtsein eben weil diese bestimungen das Vernünftige sind . Diese Willens bestimmungen sind das was wir früher Pflichten geheißen haben  ; sie sind der Wesentliche Inhalt[ .] | Das Gute ist erst dann das reale Allgemeine – Gute das wahrhaft objektive . Das Abstrakte ist das subjektive . Das Abstrakte ist ein Chaos und ist für sich schwach so wie die Regierung stark ist gegen das Schwache aber dadurch selbst schwach ist . Eben so mit der Religion . Als bestimte hat sie den Gegensaz nur an dem anderen . Erst sofern eine Religion in sich Partheien hat erst dann hat sie sich fest constituirt[ .] Die Stände erst in sofern sie Opposition in sich selbst haben haben Kraft und wirklichkeit . Beim Größten hat das seine Anwendung . Man hat dies auf den Protestantismus angewendet als ein Unglück betrachtet . Aber erst so ist es ein Vernünftiges[ .] Dieses Vernünftige ist dann  : an und für sich es ist das was Gesez ist – wirklich und gegenwärtig .   3–4 Es wird … Luft)[ .]] A B  : Das Subject ist im Objectiven in seiner Heimath , in seinem Element . –   13–16 Das Objektive … sind .] A B  : Die Sittlichkeit ist überhaupt das Objective der Freiheit . Die Bestimmungen sind hier durch die absolute Form der Subjectivität gesetzt . Wir haben es nicht mit einer bloßen | Abstraction zu thun  ; das System des allgemeinen Willens ist fest gegen die Willkühr und Meinung des besondern Bewußtseyns . –   18–20 Das Gute … ist .] A B  : Das Gute ist erst als ein in sich Entfaltetes und Bestimmtes , das Reale , das Abstracte ist nur subjectiv . Ein Allgemeines hat erst dadurch wahrhafte Festigkeit , daß es sich in sich bestimmt . – Wenn der Staat nicht ein in sich Unterschiedenes ist , so ist er bloß ein Massenhaftes . Die Regierung eines solchen Staates ist auf der einen Seite starr gegen die Schwäche eines solchen Staats und auf der anderen Seite selbst schwach .   22–23 Erst sofern … constituirt[ .]] A B  : Eine Religionsparthey ist erst fest , wenn sie sich in sich | unterschieden hat .   24–26 Man hat … Vernünftiges[ .]] A B  : Man hält es für ein Unglück daß der Protestantismus in sich zerfallen ist , aber diese Ansicht erscheint nach dem Vorhergesagten , als unbegründet .   4 in der] unsichere Lesung   5 Sittlichkeit] Sintlichkt   9 Gute] Gu / te  

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Einrichtungen . Daß es in Worten ausgesprochen sei das gehört nicht dazu[ .] Es ist an und für sich – das Vernünftige an und für sich – deßwegen haben es die alten das Göttliche genant . Es hat keinen Ursprung ist nicht in die Zeit gesezt – die Geseze sind nur das äußerliche hervortreten . Man sagt es sei Göttlich  : es ist ge­offen­bart worden – ein Orakel hat es ausgesprochen . | Das andere ist nun daß das an und für sich seiende Ewige gegen über steht – es ist das subjektive selbstbewußtsein das Göttliche ist sein Wille sein Geistiges wahrhaftes Wesen das Verhältniß zu diesem ist nun die Wirklichkeit deßelben auszumachen . Daß das an und für sich seiende Ewige ein gewolltes ein wirkliches ist[ .] Es hat sein Wollen und Vollbringen in ihm . – Ohne diese Wirklichkeit wäre die Gattung der Thiere nur das Abstrakte nur das Innere[ .] Dieses Dasein also ist die Verwirklichung des an und für sich seienden . Das Intereße ist daß es das Vernünftige sei . Die Individuen müßen es hervorbringen[ .] Sie sind die Accidenzen bei denen es zur Erfahrung komt . Es ist das Wesen das in ihnen wirkt und das sich dadurch in ihnen äußert . Man hat gesagt alles was man thue sei zur Ehre Gottes . Sie sind das Bethätigende des Allgemeinen . Sie sind aber in demselben nicht sich ein unmittelbares wesen wie es bei dem Thier der Fall ist daß das Thier die Gattung nicht zu seinem Gegenstand hat . Hingegen das Selbstbewußtsein ist eben dieses daß man sich Zwek ist von sich weis . Indem man den Zweck hat so sind die Individuen es selbst die es zur Vor­ stellung bringen – indem sie es zum Gegenstand haben so ist in dieser 1heit der Idee dies Verhältniß das Wesentliche . | Es gehört zu den Formen des Wißens  : die Form des Glaubens , des Zutrauens . Der Mensch we i s das Gesez . aber nicht als ein fremdes , sondern als ein eigenes . Es ist auch nicht 1 mal ein Verhältniß des Glaubens – denn wir sezen darin schon eine Art reflexion – sondern es ist dieses daß die Individuen darin ihr Selbstgefühl haben , sich darin wißen . Dadurch haben wir Würde , daß wir das vollbringen .

1–5 Daß es … ausgesprochen .] A B  : Die Völker haben dieses Vernünftige oft als göttliche Einrichtung und Anordnung betrachtet . Es liegt darin daß es ein über die Willkühr des Einzelnen Erhabenes ist . –   9–10 Daß das … ihm . –] A B  : Das allgemeine Ewige hat sein Bewußtseyn , sein Wollen und sein Bewußtseyn an dem besonderen Bewußtseyn .   12–26 Das Intereße … wißen .] A B  : Das absolute Interesse ist das Vernünftige . Die Individuen sind an der allgemeinen Substanz die Accidenzen . Diese allgemeine Substanz kann den Völkern zunächst als ein Gegebenes erscheinen . Was die Individuen thun , wurde sonst gesagt , das solle zur Ehre Gottes geschehen . – Die Individuen leben , weben und sind im Allgemeinen . Das Verhältniß des Selbstbewußtseyns ist , um sein Wesen zu wissen und es als Zweck zu haben und zu verwirklichen . – In der Einheit der Idee ist das Verhältniß des Wesentlichen , daß die Einrichtungen , Sitten und Gesetze des Allgemeinen dem Subjecte nicht ein fremdes seyen . Es können hier mannigfaltige Stufen statt finden . Die nächste Stufe ist | die des Glaubens . Der sittliche Mensch erkennt das Allgemeine nicht als eine ihm fremde Macht . –   16 unmittelbares] unmtlbrn   20 bringen] brgt  

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Es kann dies das Zeugniß des Geistes genannt werden von diesem ihrem Gesez . Giebt der Geist kein Zeugniß so ist der Gegensaz da . Im sittlichen Verhältniß ist diese Trennung nicht vorhanden – Das Subjekt weis es weis das als s e i n Wesen . Die Entwiklung dieses Wißens kann weiter gehen – dieses gesez kann dann aus ­Gründen 1gesehen werden[ .] Die Erkenntniß aus Gründen ist die Endliche Erkentniß – diese Endliche Erkenntniß hat imer Voraussezungen welche dann als der Grund gelten . Das sittliche Bewußtsein kann hierdurch wohl raisoniren  : wie die Zweke die die Gründe enthalten selbst enthalten sind in der Wahrheit so ist diese bewegung der reflexion rechter Art . Macht aber das Bewußtsein sich zum Grund eines solchen raisonnements dann ist die Grundlage aufgehoben . Diese kann die Form dieses Verhältnißes des Bewußtseins erhalten sie mag | Glaube oder reflexion sein dann trit es nicht in die Erscheinung nur wenn das Böse – der Eigendünkel sich 1mischt dann ist die Trennung da . Daß man die Gründe des daseienden sucht so ist das das Wahre . aber es macht sich von sich selbst ohne sie . Es wahrhaft zu erkennen ist das begreifen . Sittliches Verhältniß ist die Identität des anund für sich seienden  : ein wesentliches Sein zu haben – Die Form welche das Wißen hat kann von ver­schiedener Art sein . Indem die Individuen so in der sittlichen Einheit sind so erlangen sie dadurch ihr wahrhaftes Recht . Das Recht der Substanz ist das Eine ­d asein . Sie hat ihr Dasein in dem Wißen und Wollen der Individuen[ .] Die Individuen ihrerseits erlangen unmittelbar darin ihr Recht . Es ist ihr Wesen was sie dadurch erhalten . Sie erfüllen damit ihre bestimung Indem nun die sittliche 1heit so ist . Die 1heit des an und für sich seienden substantiellen und des selbstbewußtseins ist wesentlich . Das Sittliche Individuum ist der repraesentant der Substanz[ .] Indem so das Sittliche in den Individuen wirklich ist so ist es die Seele überhaupt die Allgemeine Weise ihres Thuns . Einerseits kan es als Gesez ausgesprochen werden aber was Gesez ist ist die Weise | der Wirklichkeit es ist die 2te Natur – nicht die erste Natur . Es ist damit also ihre Seele ihre Natur – Freiheit welche Nothwendigkeit geworden ist . Überhaupt erscheint der Geist der wirklich da ist . Erscheinend

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5–13 Die Erkenntniß … da .] A B  : Gründe haben Voraussetzungen , die als unmittelbar gelten . Das sittliche Bewußtseyn bleibt noch unerschüttert insofern solche Voraussetzungen an und für sich 30 wahrhaft sind . Diese Bewegung des Erkennens ist sonach rechter Art . Wenn aber das Bewußtseyn seine Besonderheit , und insbesondere seine Eitelkeit zum Grunde | macht , so ist das sittliche Bewußtseyn aufgehoben . –   14–16 Es wahrhaft … haben –] A B  : Die speculative Erkenntniß ist demnächst die des Begriffs überhaupt . Das sittliche Verhältniß ist also überhaupt diese Identität des besonderen Willens und des Allgemeinen .   24–28 Indem so … ist 2 .] A B  : Indem das Sittliche so an 35 den Individuen wirklich ist , so ist es ihre Seele überhaupt , die allgemeine Weise ihrer Wirklichkeit . Sitte und Gesetz scheinen hier als identisch . Die Freyheit ist zur Noth­wen |d  ig ­keit geworden , zur 8 Zweke] Zweken   10–13 Diese kann … da .] die Syntax dieses Satzes ist defekt   12 in] aus   24 wirklich] so wrkl .   35 Willens] Wissens   37 Nothwen |d  igkeit] ohne Trennungsstrich  



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ist er sofern sein dasein die Manigfaltigkeit der Individuen ist[ .] Ebenso sind es eine menge von Verhältnißen fortgehender Wechsel in dieser unendlichen Buntheit des Lebens ist die Erscheinung das Wesen darin erscheint der Geist selbst . In allem Einzelnen wie darin die Gattung vorhanden ist so ist es das allgemeine was sich im besonderen manifestirt . So ist dieser Geist erst Geist . Mit Selbstbewußtsein angethan – das lebendige Gesez Sittliche Substanz ist wirklicher Geist . – Es ist gesagt worden daß in dieser Wirklichkeit des Geistes das Selbstbewußtsein repraesentant des Allgemeinen ist . Das Individuum als natürlicher Wille ist dem Allgemeinen nicht unmittelbar gemäß . Dieser Übergang liegt nun unmittelbar darinn daß es eine Sittliche Welt ist die das Individuum umgiebt – der einzelne Mensch trit einer Welt gegenüber  : das ist aber die sittliche Welt . Er zieht sich an derselben an – Die Dinge s i nd für uns unmittelbar weil sie nur sind so nennen wir sie gar nicht – So auch das Sittliche – | in dem es i s t ist es ein geltendes . Sein Verhalten dazu ist eben das dies gelten zu laßen – das Individuum weis dieselben[ .] Wir haben gesehen daß es zufällig ist ob das bewußtsein weis ob etwas gut ist oder nicht . Diese Zufälligkeit fällt eben so weg und daß das Individuum diesem Gemäß wird so liegt das darin daß das Individuum dies nun als ein geltendes vor sich hat . Ohne diese Reflexion ist dies und gilt dies unmittelbar und deßwegen ist es ein allgemein geltendes und ihm auch zugleich das geltende . Indem es ein bloß natürliches Bewußtsein ist so hat es sich dieses Abzuthun und dieses Abthun fällt 1erseits in die Disciplin in die Zucht die Erziehung es hat daßelbe unmittelbar vor sich . Das negative betrifft dann bloß die Form seines Verhältnißes es hat sich nicht etwas positives ab­zu­thun sondern was es sich abzuthun hat ist gleichsam die Rinde , die oberfläche . Seine erziehung ist nur daß man sich der Welt gemäß macht doch so daß man mit seinem Inern dies faßt . man gewöhnt sich an dies und jenes man empfängt nur[ .] Es ist damit seine umbildung zu den Sitten keine beschränkung des Individuums . Es ist eine befreiung seiner[ .] | Eine beschränkung würde das nur dann sein wenn ich etwas anderes wolte . Hier in diesem Verhältniß ist das was ich bin nicht ein anderes gegen das zu dem ich mich verhalte sondern indem ich will in einem wesentlichen Verhältniß indem ich mich diesem Verhältniß gemäß betrage so bin ich darin in meinem eigenen begriffe der zugleich ein äußerlich Vorhandenes ist was ich dem gemäß thue so erhalte ich in der Wirklichkeit die Anschauung meiner selbst – Der Mensch findet

35 zweiten Natur . Es ist der erscheinende Geist , welcher da ist .   3–6 In allem

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… Geist . –] A B  : Die

35 sittliche Substanz ist also wirklicher Geist , in einer Familie , in einem Volke .   9–14 Dieser Über­

gang … laßen –] A B  : Es muß erst dazu gebildet werden . – / Das Sittliche hat als Unmittelbares dieselbe Autorität , die das Seyende überhaupt (Sonne , Mond und Sterne) hat . Das Verhalten des Individui ist eben , es gelten zu lassen .   21 es hat … sich .] A B  : auf der anderen Seite hat aber auch das Individuum das Allgemeine , Geltende immer vor sich .  

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sich nur 1gezwängt und gedrükt so fern er ein besonderes Sollen in sich hat so ist das eine Subjektivität gegen die die Objektivität sich nicht verhält . Dieses bedrükt sein fällt weg wenn sein besonderes Wollen sich danach richtet . Das sittliche zusa­ menleben des Menschen ist nicht eine beschränkung[ .] Die Anschauung seiner , das positive der Freiheit ist vorhanden daß ich als Person bin . Das Individuum indem es so dem sittlichen gemäß ist so kann es recht­schaffen heißen oder Tugendhaft es hat seine bestimung an den Vorhandenen Sitten denen es selbst angehört , von denen es selbst abhängt[ .] | Es ist eine alte Frage daß jemand Gefragt hat wie er seinen Sohn sittlich erziehen solle ? die antwort war  : wenn du ihn zum bürger machst . Dann ist er recht­schaffen – er schaft das Rechte – er bringt die Verhältniße nur hervor . Die Recht­schaffen­ heit ist das erste also was von dem Sittlichen Menschen zu fodern ist – insofern die individuen noch ein besonderes Naturell haben  : in diese Zeit fällt die Tugend in Alten etc . Jezt ist es die Zeit der Recht­schaffen­heit . Von Herkules ist die Tugend vornehmlich gedacht worden – weil er als ein Heros erschienen ist dieses oder das andere Ungethüm weggeräumt hat . Es war das sein besonderer Heroismus – wo das bloß vorhanden war als Willkühr des Individuums . Bei den Griechen und Römern ist vorzüglich von den Tugenden der ausgezeichneten Männer gesprochen worden . Es gehörte dazu was allgemeine Angelegenheit des Staates war in solchen Ver­faßungen mehr der Willkür zu überlaßen[ .] | In der Verfaßung der Griechen und Römer war es nicht wie jezt daß alles auf die Einrichtungen ankam – Es kam auf eine Individuelle gestalt welche dies oder jenes nöthige thut an . Sie haben deßwegen eben nicht als Recht­schaffene Männer gehandelt sondern mehr auf besondere Weise . Weil es gerade die Individuelle Seite der ­Tugend enthält so ist das ein unbestimbares – Das Allgemeine kann bestimt werden[ .] Hingegen das besondere ist einer näheren bestimung nicht fähig . Im

2–5 Dieses bedrückt … bin .] A B  : Indem er sich als Sittliches verhält , so befreyt er sich . Das sitt­ liche Zusammenleben der Menschen ist deren Befreyung , sie kommen darin zur Anschauung ihrer selbst .  –   9–10 Es ist … machst .] A B  : Es ist eine alte Erzählung , daß ein Vater gefragt habe , wie er seinen Sohn am besten zu einem sittlichen Menschen zu machen habe , und daß ihm vom Sokrates geantwortet worden sey  : wenn du ihn zum Bürger eines vernünftigen Staates erziehst . –   12–24 insofern die … Weise .] A B  : Die Zeit der eigentlichen Tugenden ist die alte Zeit gewesen , | unsere Zeit ist mehr eine Zeit der Recht­schaffen­heit . Herkules wird im Alterthum besonders um seiner Tugend Willen gerühmt , weil er das Rechte und Vernünfige in einer Zeit that , wo dasselbe noch nicht als das Allgemeine vorhanden war . In einer Democratie findet das Zusammenfassen des Ganzen auf einen Brennpunkt nicht so statt , wie es erforderlich ist für das Handeln . Indem das Individuelle nicht unmittelbar aus der Einrichtung des Staats hervorging , so war es an den Willen besonderer Individuen gebunden . –   2 die] das   17 als] alls   20 überlaßen] übrlaßen werden   22 kam] hbe  

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Aristoteles heißts von den Tugenden  : daß sie Mitten sind zwischen 2 Extremen sie fallen in das Quantitative . Das Absolute ist das Allgemeine . W ie die Pflicht gethan wird ist der unmittelbaren Weise des Individuums anheim fallend . Tugenden hängen dann auch von den verschiedenen Umständen ab – z . B . die Tugend der Freigiebigkeit – Nach seinem Stande ist dies verschieden so die Sparsamkeit . Indem die Tugend sich auf besondere Umstände bezieht so läßt sich eben darüber nur das Allgemeine so sagen daß es unbestimt bleibt[ .] | Tapferkeit muß die besonnen­ heit der Furchtsamkeit haben und den Muth der Tollkühnheit aber welche dies kann man nicht bestimen – Das Sittliche ist zugleich Selbstbewußtsein Wirklichkeit Thätigkeit . Es ist in sofern ein Geist – der erscheinende Geist . Der Geist der Wirklichkeit – Der Geist einer Familie eines Volkes ist ein wirklich existirendes[ .] Unter Geist verstehen wir die Form des Inneren . Aber der wirkliche Geist ist wesentlich ein innerer er hat in seiner Wirklichkeit eine Menge von einzelnen Intereßen . Er ist das Allgemeine das gewähren läßt und zugleich das Allgemeine das die Substanz dieser Äußerlichkeit ist . Wenn der Geist für sich heraus gehoben wird so ist er Gegenstand der Religion . – Und es ist nothwendig daß in dem der wirkliche Geist durch Raum und Z e it bedingt ist so ist sein selbstbewußtsein vornehmlich in der Endlichkeit ist . Der Wirkliche Geist ist in sofern in die Weise der Endlichkeit versenkt . Das Allgemeine Selbst als sich verwirklichend ist in der Form des Geistes – Das Selbstbewußtsein muß sein concretes Wesen als Geist sich vorstellen . | Die Stadt hieß Athen und die Göttin hieß Athene , das ist der Geist der allge­ meine Geist . Sie sagen nicht die Göttin Athens die Alten haben die Sonne und den Gott nicht von einander getrennt . Das Meer , die Sonne , ist ihnen der Gott . Athene war ihnen so auch nicht die Göttin der Stadt Athen . Das Göttliche ist die unmittelbare Wirklichkeit des Ganzen nur der Form nach unterschieden nicht der Substantialität nach . Das Religiöse bezieht sich auf die Vorstellung deßen was die sittliche Wirklichkeit ist aber in Allgemeiner Form . Weil das Gute das Allgemeine ist

2 sie fallen … Allgemeine .] A B  : Das absolute Maaß derselben ist die Pflicht . Sie selbst fallen dann weiter ins Quantitative .   9–11 Das Sittliche … Wirklichkeit –] A B  : Das sittliche ist also wesentlich 30 ein Geistiges  ; das Allgemeine und Vernünftige , der erscheinende wirkliche Geist . –   11–22 Unter Geist … Geist .] A B  : Er ist das Allgemeine in welches alle Interessen , alle besonderen Thätigkeiten wieder zurückgehen . Wenn der Geist für sich herausgehoben und vorgestellt ist , so ist er religiöser Gegenstand . Es ist nothwendig daß | der wirkliche Geist , der sich in den Individuen und ihrem Thun in seiner Endlichkeit zeigt , auch als allgemeines dargestellt werde . Das Moment der Religio35 sität ist insofern ein Inneres . Athene ist zugleich die Göttin und der wirkliche Geist des atheniensischen Volkes .   24–27 Das Göttliche … Form .] A B  : Das Göttliche ist die unmittelbare innere Wirklichkeit des Ganzen . Vom Verhältniß der Religion und des Staats ist später bey der Form des Sittlichen als Staat näher zu sprechen[ .] –  

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22 Göttin] Göttin d .  

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so enthält es keine besondere bestimung . Ebenso das Religiöse ist auch das Ideelle in dem alles besondere ist . Sagt man der Geist macht lebendig , der buchstabe todt so kann das den Sinn haben daß indem man nur den Geist ausüben will man eben das besondere verfehlt – – Es ist in dem Staat der Geist nicht nur in der Form des Inneren sondern der | Geist als Wirklichkeit . Indem man sich an den Geist hält so wird das bestimte der Pflichten damit aufgehoben werden . Indem man die Religion als die Basis des Sittlichen nimt so hat man einerseits Recht aber es kann ebenso die Wendung nehmen daß das bestimte schwinden gelaßen wird was dann alles zertrümert . – Im sitlichen ist Pflicht und Recht . Das Sittliche hat ein Absolutes Recht an das Individuum . Das Subjekt ist gegen daßelbe nur ein Accidentelles – Das Sittliche ist insofern Pflicht für das Individuum . Zugleich hat das Individuum in der Pflicht zugleich sein Recht . Die Wirklichkeit ist daß das Individuum sein Wahrhaftes Dasein erreicht . Pflicht und R e c h t fallen also in Eins zusamen[ .] In dem Abstrakten Rechte ist das Verhältniß das daß meine Freiheit ihr Dasein in etwas hat – Pflicht und Recht sind an 2 Personen ver­theilt[ .] Im Moralischen habe ich Pflichten gegen das Gute ich mache mich aber zu demselben selbst verbindlich . Mein Recht in Hinsicht auf die Moral ist überhaupt formell[ .] Beide sollen eins sein aber es s ol l nur sein eben weil ich auf Moralischem Standpunkt subjektives Bewußtsein und subjektiver Wille bin . | Das soll auch das Dasein meiner Freiheit ausmachen im Sittlichen ist Recht und Pflicht in einem . Wenn ich sittlich bin so erfülle ich meine Pflicht und diese Pflicht ist auch mein Recht . Dieses Sittliche ist also mein wahrhaftes Dasein . Das Sittliche an und für sich ist das Lezte unbewegte . Aber es hat ein Recht gegen mich denn ich bin sein Dasein aber es ist nicht ein Recht gegen mich sondern das ist meine Wesent­lichkeit . Die Menschen haben das absolute Gefühl des sitlichen . Der Mensch anerkennt nur die Pflichten insofern er Rechte hat der Sklave hat keine Pflichten weil er keine Rechte hat . Das Absolute Recht ist Re cht e zu haben – daß die Freiheit

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1–4 Ebenso das … verfehlt – –] A B  : eben so ist das Religiöse auch dies Ideelle in dem alles besondere aufgelößt ist . Wenn man die Gesetze , die Pflichten nur dem Geiste nach beobachten will , 30 so kann es geschehen , daß man das Besondere derselben wieder aufhebt . –   7–9 Indem man … zertrümert .  –] A B  : Wenn man die Religion zur | Basis der sittlichen Verhältnisse macht , so hat man insofern Recht , insofern in dem Besondern das Substantielle , Wesentliche erkannt wird , auf der anderen Seite kann aber auch das Geltendmachen des Religiösen zur Zerstörung aller Form , zum Fanatismus führen .   17–22 Mein Recht … einem .] A B  : mein Recht ist hier formell , das Recht 35 meines subjectiven Wissens , meiner Freiheit . Im Sittlichen fällt diese Trennung hinweg .   23–26 Dieses Sittliche … Wesentlichkeit .] A B  : Das Sittliche hat keine Pflichten | ist nicht wieder verbindlich gegen etwas anderes , es ist das Unbewegte welches bewegt .   1 bestimung] bestimg hben   15 ihr] s .   32 zur] nur als Reklamante  



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erhalten wirklich vorhanden sei . Wenn man den Menschen also keine Rechte einräumt so anerkennen sie keine Pflichten . Aber dieser Saz muß nicht formell genomen werden – wer in einer Einzelnen Sache sich gekränkt sieht der glaube nicht daß er nun keine Pflichten zu erfüllen habe . Im einzelnen Recht liegt formell die Freiheit als solche aber darum ist nicht das übrige Dasein seiner Freiheit gefährdet . Seine Freiheit kann im übrigen | noch erhalten sein . Wir gehen nun an das Nähere . Das Sittliche ist nur Vernünftig – Vernünftigkeit ist nur eine Concrete – insofern es sich in die bestimungen seines begriffs sezt . Abstrakter und besonderer Wille sind die beiden Momente der Sittlichkeit . Für sich haben sie nur Formelle Wahrheit . Die Unterscheidung des Sittlichen in die Begriffs momente ist nicht die unterscheidung in die Abstrakten Momente , sondern sie ist jezt das Wahre und seine Abstrakten Momente treten nur hervor als ideele Momente des Sittlichen[ .] Das Sittliche sezt sich in seine Form – es sezt dadurch besondere Sphären in denen es als in der Grund lage ist . Es bestimt sich beschränkt sich insofern – Aber das heißt es giebt sich die Form und so macht es sich zur Totalität . Bei diesem Abstrakten – bei dem Ideal – würden wir ruhen . Die Beschränkung als Moment der Totalität ist kein Mangel sondern es ist die Form . Wenn wir unterschiede des Sittlichen sezen so sind es be­ stimun­gen in denen es Grundlage ist . Es ist eben die Falsche ansicht wenn man das be­stimte nur unter der Form des Endlichen nimt . | Es ist richtig daß der Mensch seine bestimung nicht erreicht wenn er Fami­ lienVater etc[ .] ist . Das Wahre ist nicht ohne diese Unterschiede . Man bleibt dann dabei stehen so was sei eine Schranke[ .] Beim menschen sieht man es auch  : wer sich gewöhnlich für den Gescheidesten hält , der zeigt vor allem daß er schlicht ist . Aber diese Leute gehen immer darüber hinaus und deßwegen sind sie darüber

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… Pflichten .] A B  : Die Menschen haben das Gefühl , daß wenn ihnen ihre Rechte nicht eingeräumt werden , sie auch ihre Pflichten nicht anerkennen müssen .   4–6 Im einzelnen … sein .] A B  : Es muß hier der Unterschied des Quantitativen und Qualitativen ins Auge gefaßt werden .  /   7–8 Das Sittliche … sezt .] A B  : Das Sittliche ist nur vernünftig | insofern es sich in sich unterscheidet , insofern es seinen Begriff auslegt .   12–432,2 Das Sittliche … auszusprechen . –] A B  : Wenn wir beim abstracten Sittlichen stehen blieben , so wären wir wieder im Bestimmungslosen Guten , das man auch wohl Ideal nennt . Die Begränzung ist im Vernünftigen keine äußere Schranke . Es ist eine falsche Ansicht das Bestimmte nur unter der Form des Negativen zu fassen . Es ist so ganz richtig daß der Mensch seine Bestimmung nicht erreicht , | wenn er nur Familienvater , nur Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft pp ist  ; allein einmal ist jede dieser Sphären in sich selbst Totalität , und sodann ist das Wahre nur durch jene Unterschiede . Die abstracte Reflexion meint Wunder , wieviel zu thun , wenn sie die Schranken von etwas aufzeigt  ; aber sie ist damit über die Sache hinaus , und hat diese nicht selbst aufgefaßt . Es ist unendlich schwer diese Position aufzufassen und diese zu rechtfertigen . /  

25 1–2 Wenn man

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5 gefährdet] nicht gefhrdt  23 er] es   29 unterscheidet] bescheidet   30 Wenn] Wann   blie40 ben] bleiben  

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hinaus[ .] Es ist unendlich schwerer das positive aufzufaßen als das bloß negative auszusprechen . – Der Mensch der Alles wollte wollte eben damit gar nichts[ .] die erste Form ist als die erste die unmittelbare . Diese Unmitelbarkeit in der Sittlichkeit ist nun also die F a m i l ie die erste Sittliche substantialität das 2te ist imer die Stufe des unterschieds der Differenz – das Auseinandergehen der sittlichen Einheit – das 2te ist das andere ihrer selbst zu sein dies 2te ist also der Verlust ihrer Einheit ihre Entzweiung – der Standpunkt des Relativen – das ist also dies daß in ihm das besondere gesezt ist daß das besondere für sich hervortrit | daß die Familien als besondere gegen 1ander sind aber selbstständig . Wesentlich bezogen aber so daß diese beziehung äußerliche Nothwendigkeit ist[ .] Das ist das Verhältniß überhaupt in welchem die Individuen äußerlich sich aufeinander beziehen – Die Rechtsver­ faßung hat hier ihre Stelle . – Das Allgemeine ist eine Äußere Ordnung – die bürgerliche Gesellschaft als solche – wo jeder in seinem Intereße für sich zugleich an die anderen geknüpft ist . Das Abstrakte Allgemeine macht das Recht aus . – Das 3te ist dann die Rükkehr der sittlichen substanz zu sich selbst durch diese Rükkehr ist sie erst ein Geistiges dadurch hat sie an sich genomen die Momente des 2ten [ .] Sie ist also hier sich bewußt es ist der Tag der Sittlichkeit . Das 3te macht den Staat aus – den sittlichen Staat  ; Das 3te hat das Ganze zu seinem bewußten Zwek und ist für diesen thätig[ .]

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Die erste Stufe ist also die F a m i l ie , die unmittelbare sittliche Substantialität . Ein unmittelbares Wißen – Gefühl empfindung – die sittliche Substantialität als empfunden ist die L ie b e . Die Substantialität hat zum Elemente ihres daseins das Einzelne Selbstbewußtsein . Es ist das Verhältniß des Einzelnen daß es sich weis als ein Glied des Ganzen – daß es sich weis nicht mehr als Einzelnes für sich sondern daß es sich weis in der Einheit . 2–4 die erste … substantialität] A B  : Es ist also die Sittlichkeit in ihrer näheren Form zu betrachten . Die erste Form der Sittlichkeit ist die unmittelbare . Dieses ist  : / I , D i e F a m i l i e ,   6–11 dies 2te … beziehen –] A B  : Dieß ist der Standpunkt des Relativen überhaupt , die Beziehung des Unter­ schiedenen . Die Familie und das Individuum treten als selbstständig und zugleich als wesentlich auf einander bezogen auf .   15–17 durch diese … Sittlichkeit .] A B  : Hierdurch ist sie erst ein wahrhaft Geistiges . Sie ist in diesem dritten von sich unterschieden  ; es ist der Tag der Sittlichkeit , der hier aufgehet .   21–23 Ein unmittelbares … Selbstbewußtsein .] A B  : Eine wesentliche Einheit  ; das Wissen darum ist ein unmittelbares Wissen . Somit ist dies ein Empfinden , und dies ist überhaupt die Liebe . Die Substantialität hat zum Elemente ihres Daseyns das einzelne Selbstbewußtseyn , und dieses in der Empfindung der Liebe .   17 Sittlichkeit] Sintlchkt  

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Es ist darinn enthalten also die Aufgabe der Besonderheit  ; das Individuum giebt seine Persönlichkeit als solche auf und hat sie nur in dieser Identität . Die Familie ist also ein Geist – das Eine in dem sich die Individuen finden – durch den Verlust der besonderheit gewinen sie ihre Wesentlichkeit . Das Individuum beschränkt sich nicht in der Liebe , indem es seine Persönlichkeit aufgiebt so giebt es seine Schranke auf oder existirt als Idee . Die Familie ist also hier dieses Göttliche , das heilige – In der Alten | Zeit zeigte sich dieser Geist unter sinlicher Anschauung , die Familie enthält solche Penaten . Das bloße R e c h t enthält keine Penaten so auch die Moralität wo ich in mich reflectirte Besonderheit bin . Das Gewißen ist ein Göttliches und Heiliges aber in sofern es nicht die Abstrakte Gewißheit ist sondern nur als sittliches Gewißen . Als solches hat es seine Abstrakte Idealität aufgegeben . In der Familie giebt es also insofern kein Recht weil die Persönlichkeit verschwunden ist . Das Recht hat hier die Bedeutung nicht als Recht zu sein – nicht das Abstrakte Persönliche zu sein . Das formelle Recht trit in der Familie nur dann hervor wenn die Familie in die Auflösung übergeht erst dann können die Individuen mit einander rechten . – Das Recht glied der Familie zu sein ist dann nur das Abstrakte Recht . Es trit eine Auflösung hervor – ein Widerspruch , wenn jemand z . B . stirbt , oder jemand im Gemüth gekränkt wird und das bringt | dann erst die Form Rechtens hervor – Das erste ist Familie in unmittelbarem Begriff dies ist die E he [ .] Das zweite ist Familie nach dem Äußeren – Dasein , Existenz derselben das 3te ist die Erziehung der Kinder , zurükkehren in sich selbst einerseits zu der Unmittelbarkeit in dem Kinde und andererseits das Zerfallen derselben – Auflösung – Das sich zum Zwek haben ist Geist der Familie genannt worden . Die Form des Verhältnißes wurde näher bestimt daß es die 1heit im Gefühl sei – Es ist hier das Verhältniß der liebe des Zutrauens – und zwar nicht nur so daß eines das andere liebt , sondern die Gegenseitigkeit ist es selbst welche von ihnen gewußt wird[ .] Eines hat sein bewußtsein in sich selbst . Aber es ist nicht nur dies daß es sich weis und anschaut in dem anderen – sondern dies daß es weis daß das andere für sich nur

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2–8 Die Familie … Penaten .] A B  : Die Familie ist ein Geist , dies Eine , in dem die Individuen sich

30 empfinden . Die Individuen verlieren sich , aber in diesem Verlust gewinnen sie ihre Wesentlichkeit ,

ihre Substantialität . Das Individuum wird in der Sittlichkeit , wie gesagt , nicht beschränkt , sondern befreyet . Der Geist einer Familie | wurde in den älteren Zeiten der Vorstellung dargestellt , als die Laren , als die Penaten , d . h . eines Stammes .   9–11 Das Gewißen … aufgegeben .] A B  : Das Gewissen ist ein Göttliches und Heiliges aber nur als sittliches Gewissen , nicht als eine bloß abstracte 35 Idealität .   19–22 Das erste … Auflösung –] A B  : In der Familie sind gleichfalls drei Stufen zu betrachten , 1 , Ehe , 2 , Familiengut , 3 , Erziehung der Kinder .   27–434,5 Eines hat … dieses[ .]] A B  : Einer ist im Andern seiner selbst bewußt (Göthe) . Es weiß aber nicht nur s i c h im Andern  ; 17 Widerspruch] Widr / spruch   21 zurükkehren] zu / rükkhren   24 daß] ds  35 Idealität] Identität (vgl . Ri)  

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ist indem es auf das erste sich bezieht – Ich weis und fühle in dem anderen auch diese Harmonie . Es weis daß sich das andere im ersten weis . In diesem sieht es zugleich das aufgeben der Persönlichkeit des anderen und insoferne die Erhaltung derselben . Dieses wie Schakespeare die Julia sprechen läßt  : je mehr ich gebe je mehr habe ich  : ist eben dieses[ .] | Eine nähere Form der Liebe ist das Zutrauen was sich mehr bezieht auf die besonderen Zweke . In der Liebe ist das Zutrauen zugleich denn hier sind meine besonderen Zwecke auch die des anderen , indem es für sich sorgt , ebenso besorgt es das Meinige . Ich habe also Zutrauen zu dem anderen indem ich weis daß es dem anderen ebenso am Herzen liegt . Das ist der Caracter dieser substantiellen 1heit – Als Liebe ist diese substantielle 1heit in der Form der Empfindung es ist noch nicht gedacht – es ist nicht ein Allgemeines als solches  ; das 3te ist die Auflösung der Familie das Heraustreten aus dieser 1heit[ .] 1[ .] Verhältniß der Ehe – das ist das substantielle Verhältniß überhaupt . Als dieses Substantielle Verhältniß ist es concretes und ist deßwegen reich an momenten und keines dieser Momente macht für sich die bestimung oder Zweck der Ehe aus – Die befriedigung des Geschlechts kann als ein Moment der Ehe angesehen werden – auch die Fortpflanzung des Geschlechts . Das Mutuum adjutorium ist allerdings auch ein moment – es hat seine nüzlichkeit . Solche nüzlichkeiten sind nur einzelne Seiten . Macht man sie zu grundbestimmungen so bekommt man was 1seitiges , eben so irrig als wenn der Mangel eines momentes als hinreichend angesehen wird zur Auflösung[ .] | der Begriff der Ehe ist die Substantialität Sittlichkeit . Das Natur Verhältniß des Geschlechts hat seinem Begriff nach diese Stellung  : daß das Animalische hier nicht für sich ist als innerer Organismus noch 2 . zur unorganischen Natur sondern daß er 3tens ist ein Verhältniß zu sich selbst – Der Organismus in seiner Totalität . Beide Mo-

sondern es weiß auch eben so , daß das Andere für sich nur ist , insofern es seiner bewußt ist , als im Andern . Indem jedes so seine Persönlichkeit im Andern aufgegeben hat , so schaut es auch an das Aufgeben der Persönlichkeit im Andern . Es entsteht so eine concrete , hergestellte Einheit . Julie sagt bey Shakspeare , je mehr ich gebe , je mehr ich habe , denn beydes ist Eines .   7–13 In der … 1[ .]] A B  : Die Liebe ist das Allgemeine  ; das Zutrauen ist dasselbe , nur daß sich dasselbe bezieht auf die Identität in Ansehung der besonderen Zwecke und Interessen . – Als Liebe ist die substantielle Einheit in der Form der Empfindung , des Glaubens , des Zutrauens , und so fort , noch nicht in der Form des Denkens . – Die Familie hat nun also die drey bereits angeführten Stufen[ .] / a , Die Ehe   22 der Begriff … Sittlichkeit .] A B  : Der Begriff der Ehe ist also das sittliche Verhältniß , welches eben bezeichnet wurde  ; sie ist die unmittelbare sittliche Substanz . Somit hat die Ehe ein Moment der Natürlichkeit , dies ist das Verhältniß der natürlichen Geschlechter zu einander .   24–25 noch 2 . … Totalität .] A B  : noch im Verhältniß zu der äußerlichen , unorganischen Natur , sondern im Verhältniß zu sich selbst , so daß die Beziehung auf sich zugleich im organischen Individuum ist . – |   12 das] daß 〈ds .〉  23 diese] ht ds .   32 der3] die  

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mente sind darinn Vereinigt . Es ist hier auch beziehung auf sich selbst[ .] Was in der Totalität näher vorhanden ist , ist daß es 1 als Gattung ist und fürs andere als Gattung existirt . Im Animalischen ist die Gattung als Gattung nicht wirklich , das Allgemeine existirt nicht als Allgemeines wie im Geist . Die Gattung ist in der Na t u r nur in unmittelbarer Einzelnheit – ein einzelner Organismus überhaupt . Die Gattung trit nur darin hervor daß sie die macht ist  : daß das Eine die Einzelnheit aufgiebt und sich in das Andere sezt – das sein der Gattung fällt unmittelbar in die Einzelnheit herab . So komt es nur als ein Wechsel vor – die Begattung ist der Proceß der Gattung wodurch das was unmittelbar gesezt ist als Erzeugtes gesezt ist . In dem Erzeugten kommt den Erzeugenden die Einheit zur anschauung aber selbst wieder nur in Weise der Einzelnheit . Das ist also das Moment der Natürlichkeit | im geistigen gewint dies Verhältniß eine andere Form . In dem Geistigen als selbstbewußtsein ist die Gattung gewußte 1heit . Gewußt und gewolt als wesentliches Verhältniß . Als solches Verhältniß ist es das Verhältniß der geistigen Liebe  ; dies macht das Verhältniß zum sittlichen . Es ist eben dies daß das Individuum seine Persönlichkeit – die Gewißheit seiner selbst seines für sich seins aufgegeben hat und daß sie aus der Negation dieser Persönlichkeit hervorgeht[ .] Auf diese Weise ist das Natürliche ein Moment darin aber nur ein Moment es ist nicht die natürliche Gattung sondern es ist diese gewußte Gattung und als solche ist es die substantielle 1heit welche gewollt ist von der das Natürliche nur ein Moment ist . Das ist also die Grundlage und bestimung dieses Verhältnißes – Es ist 1seitig – unsittlich unrecht wenn diese Seite des Geschlechts­ triebs zur Hauptsache gemacht wird sondern das Verhältniß ist dieses daß die Gattung es ist welche sich verwirklicht die Gattung bleibt nicht bloß bewußtlos sondern sie wird die sittliche Allgemeinheit , damit ist das natürliche Verhältniß in ein Geistiges verklärt ohne daß es selbst verschwindet – Die Geistige 1heit als empfunden und

1–3 Was in … existirt .] A B  : Es ist hier der Prozeß der Gattung .   4–8 Die Gattung … vor –] A B  : Die Gattung erscheint im bloß Thierischen als dessen Macht . Das Individuum giebt seine Einzelnheit auf , und so wird die Gattung hervorgebracht . Aber sie kommt nur auf scheinende Weise hervor  ;   9–11 In dem … Einzelnheit .] A B  : Im Erzeugten kommen die Erzeugenden zur Anschauung ihrer selbst , aber nicht in Weise der Gattung , sondern nur als Einzelne . –   12–17 In dem … hervorgeht[ .]] A B  : die Gattung ist hier nicht | bloß lebendige , sondern gewußte Einheit , gewußte Substantialität . Als solches gewußtes und gewolltes , wesentliches Verhältniß , zeigt sich die geistige Liebe . – Im Sittlichen hat die Persönlichkeit sich als unmittelbare aufgegeben und geht aus dieser Negation als vermittelt und gewollt hervor . –   18–20 es ist1 … ist .] A B  : es ist die gewußte und gewollte Gattung und somit die geistige , substantielle Einheit . –   21–22 Es ist … wird] A B  : Es ist einseitig , unrecht und unsittlich , wenn die Seite des Geschlechtstriebes als das Wesentliche und Einzige in der Ehe festgestellt wird , wie dies Kant in seinem Naturrecht thut .   16 hat] rd .   27 Macht] Recht (vgl . Ri)   36 Geschlechtstriebes] Geschlechts / triebes  

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zugleich als unmittelbar[ .] | Von dem geschlechtlichen Verhältniß muß mit Scham gesprochen werden (der jungfräuliche Zorn) die Scham bedekt das ganze Verhältniß . Man muß nicht sagen – es sei etwas Natürliches und deßwegen könne wie von anderem gesprochen werden . Im Medicinischen geht es freilich weil das nothwendig ist , sonst muß man das nicht sagen  ; sondern es ist wesentlich das sittliche Moment festzuhalten und das bloß natürliche ist nicht hervorzuholen – Auf der anderen Seite ist das natürliche nicht zu betrachten als etwas sündliches – erniedrigendes als ein Makel . Es ist Roheit das Verhältniß von bloß natürlicher Seite zu nehmen anderer­ seits ist es falsche Delicatesse es als bloß erniedrigend und unrecht anzusehen – Das sind die beiden Extreme – Das erste ist die ungeistige Seite – und es ist unsittlich von dem Menschen wenn er sich diesem Trieb bloß überlaßen hat weil sie natürlich ist , und er sie nicht zur sittlichkeit erhoben hat . Die andere frömmlerische Ansicht ist ebenso thöricht . Man nante auch eine Platonische liebe mit unrecht – er hat von einer körperlosen Liebe gesprochen – der Liebe zu dem | wahren – Schönen – Man hat aber die bloß Abstrakte Liebe der Seele darunter verstanden . Wenn man bei dem bloß Geistigen stehen bleibt man hat sie die Ideale Liebe genant . Sie so zu fixiren ist ein einseitiges die Platonische Liebe geht weiter als eine vollkommene Ansicht der Liebe[ .] Nach frömlerischer Ansicht soll ein Gemüth von der Liebe des Geschlechts fern sein und nur Platonische Liebe pflegen . Das Verhältniß ist ein einseitiges . Wieland wollte dieses lächerlich machen in allen Romanen der Übergang ist als ein herabfallen zum sinnlichen gefaßt – Aber so muß man es nicht nehmen nicht nehmen als einen Widerspruch des sittlichen . Es ist keinesweges für sich ein unsittliches und erniedrigendes . |

1–2 Von dem … Verhältniß .] A B  : Wenn von der Ehe gesprochen wird , so muß einerseits mit Schaam davon gesprochen werden  ; die Scham ist überhaupt der jungfräuliche Zorn über das bloß natürliche und deshalb widrige und unsittliche .   4–9 Im Medicinischen … anzusehen –] A B  : Dies kann nur in medicinischer , naturwissenschaftlicher Hinsicht gelten . Das sittliche Moment ist , daß die Natürlichkeit überwunden wird . Auf der andern Seite ist aber dieses natürliche Verhältniß nicht zu betrachten als etwas unrechtes und Erniedrigendes , nicht als ein Mangel , dem man bloß durch Unvollkommenheit der menschlichen | Natur unterworfen wäre .   13–16 Man nante … genant .] A B  : Die letztere Ansicht ist vorgekommen unter dem Namen der platonischen Liebe , Platon hat indeß von dieser Liebe nicht gesprochen . Allerdings spricht er von einer körperlosen Liebe , die eine andere ist als die wovon wir hier sprechen , die Sphäre der Wissenschaft . – Unter platonischer Liebe hat man das bloße Stehenbleiben bey dem Gefallen verstanden , und dieses auch die ideale Liebe genannt .   20–21 Wieland wollte … gefaßt –] A B  : Wieland hat es sich zum Geschäft gemacht , die Einseitigkeit jener Liebe lächerlich zu machen . Alle | seine Romane fangen mit einer sogenannten platonischen Liebe an , und stellen diese dann in einem Herabsinken zum Gemeinen dar . – /  

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19–20 einseitiges] einsches   23 erniedrigendes .] Das untere Drittel dieser und die ganze folgende Seite 192Ri sind (vermutlich ohne Textlücke) unbeschrieben  ; die Seite 193Ri enthält bis auf ca . viereinhalb Zeilen am Ende Text aus der von Ringier gleichfalls besuchten und mitgeschriebenen Vorlesung Hegels über die Philosophie 40



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Es ist die Na t u r des Begriffs auf eine ganz sinnliche Weise dargestellt wenn nur auf die Thierische Wollust gesehen wird . Diese Seite erscheint als ein Trieb für sich als ein feindseliges – Es wird aber | nur zu einem Feind seligen gemacht . Die Gei­ stige Seite für sich in dem sie sich zum sein macht , dann ist das Verhältniß auf dem rechten Standpunkte . – Dadurch daß sie sich als natürliche Gattung verhalten ist es die höchste hingabe , es ist im Ganzen daßelbe Verhältniß wie beim Recht . Freiheit ist der Grund , das dasein ist nur Folge davon , der Inhalt einer bestimung im Vertrag ist das Wesentliche . Die Natürliche Seite ist gleichsam der Beschluß der Geistigen Einheit . Das lezte Aufheben der Vermittlung ist eben dies daß es zur natürlichen Einheit übergeht[ .] Die Sittliche Einheit ist das Begirde lose . Die Begirde erstirbt in dem Genuße . In dem das Geistige Verhältniß zur Natürlichen Einheit wird so ist es nichts als daß das Unmittelbare noch als Moment hinzukomt . Das Moment wird gefodert einerseits , aber zugleich muß sie nur dieses moment sein . Ebenso im Rechte – Die natürliche Seite hat nur Würde indem sie in die sittliche Einheit aufgenomen wird . Die bloß natürliche Einheit ist des Menschen nicht würdig . Die Geistige Einheit ist ebenfalls etwas 1seitiges[ .] Ein Vertrag ohne Leistung . Die bestimung des Menschen ist also Mittglied einer Familie zu sein . Dies Verhältniß der Ehe überhaupt macht dann die Ehe zu dem wie sie angesehen worden ist , daß sie etwas heiliges religiöses – Wenn man sich die Ehe Vorstellt so stellt man sich das Sittliche Moment allein vor – das sinnliche Moment | ist zurükgedrängt . Diese religiöse Seite macht das Mystische aus . Einheit der Ganzen Persönlichkeit . Diese Einheit ist der Geist – das heilige , an und für sich Heiliger als das Gewißen – die bloß abstrakte Gewißheit . Die Ehe ist also von jeher als etwas kirchliches angesehen worden . Die Ehe hat die Seite eines bürgerlichen Vertrages aber das ist nur eine unter

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… hingabe ,] A B  : Das Natürliche wird zu einem Sittlichen , indem es als ein Moment der Einheit der beyden Geschlechter aufgefaßt wird . Das Geistige ist immer das Wesentliche und Substantielle . Die geistige Einheit enthält dieses in sich selbst , daß sie die Form der unmittelbaren Natürlichkeit des Fürsichseyns der Persönlichkeit , in die Einheit versenkt und diese zur Gattung macht .   6–7 Freiheit ist … davon , ] A B  : Das Recht wird zu einem Daseyn , und dieses 30 15 Die bloß … würdig .] A B  : für sich ist sie 30 Daseyn ist nur eine Folge | des Daseyns der Freyheit .   das blos Animalische und des Menschen nicht würdig .   16–24 Die bestimung … worden .] A B  : Die Bestimmung des Individuums ist also Mitglied einer Familie zu seyn und das sinnliche Verhältniß zu heiligen , dadurch daß es zu einem sittlichen Moment heruntergesetzt wird . / Wenn man sich die Ehe vorstellt , so kommt wohl das sinnliche Moment dabey vor , aber es ist zurückgedrängt . – | 35 Die Ehe ist mit Recht als ein religiöses Institut behandelt worden . Diese Einheit der ganzen Persön25 3–6 Die Geistige

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der Natur (s . GW 24 ,1 . 91 ,18–30 und den Editorischen Bericht zum vorliegenden Band) , der nachträglich getilgt wurde . Der die Passage aus der Naturphilosophievorlesung abschließende Satz und der die Mitschrift der Rechtsphilosophievorlesung fortsetzende Hauptsatz sind nahezu gleichlautend formuliert  ; vermutlich ist er darum in die Tilgung mit einbezogen , s . dazu die folgende Apparatnotiz .  1 Es ist … dargestellt] (wohl 6 höchste] unsichere Lesung   40 versehentlich) getilgt , s . die vorangehende Apparatnotiz  

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geordnete Seite . Die wesentliche ist die religiöse Seite . In der Ehe ist dieses daß die Abstrakte Persönlichkeit aufgegeben wurde . Aber die Persönlichkeit wird nur aufgegeben in die substantielle Einheit  ; deßwegen indem nun die Persönlichkeit in diese substantielle Einheit gelegt ist so ist die Ehe etwas das über mein belieben , Laune etc[ .] steht ich habe alles dieses aufgegeben – Daraus folgt daß die Ehe an sich unauflöslich ist . Das auflösliche der Ehe entspringt aus Leidenschaft des einen ­Theils – aus besonderem Willen und Zwek . Aber gerade das besondere soll ge­ bunden sein . Ich habe alles dieses aufgegeben dieses ist auch was Christus gesagt  : was Gott zusamengefügt hat soll der mensch nicht trennen . In sofern man sich in die Ehe begeben hat damit hat man der Zufälligkeit entsagt . Die Einheit ist es die das höchste Recht über sie hat – was Gott zusamengefügt hat soll der Mensch nicht trennen . | Es kann sein daß es z . B . für Monarchen höhere zweke giebt – Es kann Pflicht für sie sein sich scheiden zu laßen und wenn die Scheidung bei den gewöhnlichen Menschen erlaubt ist so ist es um  : eurer Härtigkeit des Herzens willen . Die Ehe im Römischen Recht ist höchst unsittlich . Deßwegen muß zur Ehe scheidung die Geistlichkeit gezogen werden[ .] Die Herzenshärtigkeit ist es warum die Schei­ dung erlaubt ist . Das ist die Eigenheit die durch die Selbstständigkeit höhere Kraft bekommt[ .] Es ist die Ausbildung welche diese Ehescheidung häuffig machte . Der Unterschied der Stände trit hier auch ein  ; in der äußeren Erscheinung – Der Einfache Stand welcher nicht zu dieser reflexion zu dieser Sprödigkeit gekommen ist , da ist die Ehe heilig gehalten worden . Die Besonderung wird dort leichter Überwunden[ .] In den höheren Ständen wird wegen der Bildung , des Verstandes , die Ehescheidung häuffiger gefodert , auch muß es eher zugegeben werden . Die Ehe

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lichkeit giebt der Ehe diesen mystischen , oder religiösen Charakter . Der substantielle Geist hat in der Ehe eine Wirklichkeit . Die Ehe ist von jeher angesehen worden als etwas das einer kirchlichen Einsegnung bedarf .   1–16 In der … unsittlich .] A B  : Das Aufgeben der Persönlichkeit in der Ehe ist ein anderes als in der Sklaverey , denn die entstehende substantielle Einheit ist die Meinige . – / Die Ehe als göttliche , substantielle Verbindung ist etwas über mein Belieben und Willkühr Erha­ benes . Es folgt daraus , daß die Ehe an sich | unauflöslich ist . Was Gott zusammen gefügt hat , das soll der Mensch nicht trennen . Das Göttliche in der Ehe ist das Bindende , das ein absolutes Recht hat gegen das besondere Belieben . Christus sagt weiter , die Scheidung der Ehe sey von Moses bloß um der Herzenshärtigkeit willen gestattet worden , aber von Anfang an , d . h . der Idee nach , sey es nicht so gewesen . Nur etwa bey Monarchen kann um höherer Zwecke willen , die den Staat be­ treffen , die Scheidung der Ehe entschuldigt werden . Durch die christliche Religion ist erst die Ehe in ihr wahres Recht eingesetzt worden .   17–19 Die Herzenshärtigkeit … machte .] A B  : In Zeiten der Bildung werden Ehescheidungen häufiger gefordert , durch die Reflexion vermehrt sich die Härte des Menschen , sich in einem substantiellen Verhältniß zu erhalten . –   24–439,6 Die Ehe … Ausgang .] A B  : Der Gesetzgebung liegt es überhaupt ob , die Ehescheidungen zu erschweren . /

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11 die] ds   16 muß] müßen   22 ist 2 ] wrd  

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scheidungen können durch das Recht erschwert werden dadurch finden die besonderen Zweke Hinderniße , das Ausführen einzelner Zweke giebt sich auf und das sittliche Verhältniß wird mehr erhalten werden wenn man weis daß es nicht ein leicht trennbares ist[ .] | Die Ehe muß aus dem Willen beider eingegangen werden . Ebenso auch beim Ausgang . Es war früher Sitte , den Kindern für Mann und Weib zu sorgen[ .] Sie sorgten für einen recht­schaffe­nen Mann und Frau die Grundbedingung ist nothwendig Sorge der Eltern . Die beiden welche für 1ander bestimt waren die haben sich dann geliebet eben darum weil sie in die Ehe treten sollten . Der Andere Anfang ist mehr der Moderne Anfang , der Anfang mit der Neigung . Wenn sie Majorenne sind muß allerdings Ihr Wille der hauptsächlichste sein . Dieser Andere Anfang ist daß die Individuen von ihrer Neigung anfangen eben weil sie besondere sind – das Mädchen sagt so und so muß der Mann sein . Ebenso kann sich der Mann auch ein Ideal machen . Je mehr sich die reflexion bildet desto mehr kann diese besonder­ heit gebildet sein . Man kann sagen daß das erste verhältniß wo die Eltern für die Kinder sorgen – d . h . wenn die Eltern sittliche sind , dieser Ausgangspunkt kann als der s­ ittlichere angesehen werden[ .] Der 2te Anfang ist ein Anfang der besonderen Willkühr . Es ist sittlicher wenn ein Mann sagt er wolle eine Frau haben – weil es eine Frau ist eben so bei dem Mädchen[ .] | Die Liebe als Leidenschaft ist nicht Eheliche Liebe – In der Modernen Zeit hält sich die Leidenschaft die sich für die hohe Göttliche hält dazu hat sie recht . Aber nur nicht aus schließend daß das Eine was es will nur für das andere will und daß das andere was es thut nur im Bewußtsein thut für das andere . Alles was ihn umgiebt bezieht sich auf das Gefühl[ .] Dieser Leidenschaft muß allerdings der Name schön beigelegt werden und in einer

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25 25 Es ist der Wille überhaupt , der concrete Wille als Neigung pp der Individuen , wodurch die Ehe

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begründet wird . Die Ehe kann nicht erzwungen | werden . Der Wille kann nun in Ansehung des Ausgangspunktes auch eine eigenwilligere Form haben . Die höhere Bildung macht hier größere Ansprüche .   10–14 Wenn sie … machen .] A B  : Im sittlichen Verhältniß ist beydes , die Einwilligung der Eltern und die derer , welche in die Ehe treten , gleich wünschenswerth . – Die Besonderheit der | Neigung kann nun eine große Ausdehnung haben und es können hier große Prätensionen statt finden .   19–440,8 Die Liebe … ist  ;] A B  : In vielen Schilderungen erscheint die Liebe als Leidenschaft , als die ausschließende , göttliche , die in der Ehe herabgestimmt wird . Daß die Liebe überhaupt sich als das | Hohe , Göttliche ansieht , dazu hat sie volles Recht . Als deren Wesen war nun überhaupt das Aufgeben der Persönlichkeit angegeben , so daß die eigene Persönlichkeit in dem geliebten Gegenstande wiedergefunden wird . In einer edeln Natur nimmt die Liebe jenen hohen Charakter an . Die Ueberwindung des Gefühls ist nun aber weiter sich in diesem Zustande ausgefüllt zu finden , keinen weiteren Zweck zu kennen . Die Liebe ist nun zugleich eine Leidenschaft , weil diese Unendlichkeit , diese Versenkung in ein Anderes , zugleich ein Endliches ist , an eine bestimmte Form gebunden

4 ist[ .]] Es folgen zwei unbeschriebene Seiten (197 , 198) ohne Textlücke .  22 andere] and –   29 der2 ] 40 der | der   34 angegeben] aufzugeben  

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schönen Na t u r nimt die Liebe diese Geste an . Man erkennt weiter keinen höheren Zweck – man wünscht ewig so zu leben man glaubt im Leben vollkomen Glüklich zu sein und so ist man Tugendhaft weil man das Persönliche ablegt[ .] Aber auf der anderen Seite ist es zugleich Leidenschaft weil diese Versenkung in ein anderes zugleich ein begrenztes ist . Wir haben gesehen daß die Liebe sittlich Göttlicher Geist ist . Der Mensch als Geist hat noch andere Zweke[ .] Eheliche Liebe wird das Leidenschaftslose[ .] Sie sind in diesem Element[ .] Diese Leidenschaft ist darum nicht mehr weil das Scheidende nicht vorhanden ist  ; die Liebe füllt das Ge­müth | ganz aus weil sie beschränktes ist und darum ist sie Leidenschaft . Der Liebende meint sich in ihr vollkommen befriedigt . Es ist in ihr zugleich die Form des Unterschiedes . Die Einheit ist nicht ganz aus geglichen – und deßwegen ist nicht nur die Einheit vorhanden sondern auch von dem Unterschied kommt die Spanung her[ .] In der ehelichen Liebe hingegen sind diese Hinderniße weggefallen . Die darin leben leben ohne Hinderniß – weil diese Harmonie ausgefüllt ist so erwacht zugleich das Bedürfniß der Trennung nach anderen Zweken . In der Ehelichen Liebe erzeugt sich ein Trieb nach handeln . In der Ehelichen Liebe in welcher die Harmonie ist von dieser geht die Thätigkeit nach weiteren Zweken . Der Mann hat vornemlich diese Zwecke nach außen[ .] Er ist nicht mehr als ein bloß Einzelner sondern er hat in der Ehe einen Boden für seine Einzelnheit gewonen seine Einzelnheit ist so zu sagen eine wahrhaft berechtigte , weil sie ausgeHt [sic] von einem Ganzen . Das Recht des In­ dividuums als solches ist formelles Recht sein Wohl ist besonderes wohl[ .] Das Wohl der Familie ist nicht mehr das Selbstsüchtige sondern | das Wohl eines sittlichen Ganzen – Eheliche liebe ist also das Vollkomene Bewußtsein der Identität  ; daß es in seinem Handeln nicht die Abstrakte Einzelnheit ist darin hat es seinen Beruf –

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erscheint . Der Mensch hat als Geist nun noch weitere Zwecke für den Staat , die | Wissenschaft , und das Allgemeine überhaupt als solches . Die eheliche Liebe wird nun zu dem leidenschaftslosen Element  ; das wesentliche des sittlichen Verhältnisses ist beybehalten . Die Leidenschaft ist darum nicht mehr als solche vorhanden , weil die Hindernisse die früher entgegenstanden , hinweggefallen sind .   9–10 Der Liebende … befriedigt .] A B  : Weil sie beschränkt ist so ist in ihr die ganze Totalität , wenigstens der Form nach , enthalten  ;   14–17 weil diese … Zweken .] A B  : Es erwacht wieder | das Bedürfniß der Trennung , das Bedürfniß , andere Zwecke nach außen zu haben . Das Moment des Unterschiedes hat die leidenschaftliche Liebe noch in sich selbst . Gerade das Unbefriedigte ist es , wodurch die Liebe Leidenschaft ist . Von der ehelichen Liebe geht die Thätigkeit nach anderen , weiteren Zwecken aus .   18–21 Er ist … wohl[ .]] A B  : In der Ehe hat er einen substantiellen Boden für seine Einzelnheit gefunden . Es ist hier eine reale , substantielle Einzelnheit , das Recht des Individuums und dessen Wohl beziehen sich nur auf dessen Besonderheit . –   23–24 Eheliche liebe … Beruf –] A B  : In der ehelichen Liebe ist also das Bewußtseyn der vollkommenen Identität , von wo aus das Individuum sich für Zwecke einer höheren | Substantialität bestimmen kann .   3 man1] er   man 2 ] er   26 leidenschaftslosen] leidenschafts / losen  

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Der Mann ist erst als Individuum begründet in sofern er in der Ehe lebt[ .] Diese ­Beschränkung macht zugleich die Vorstellung der Befriedigung in diesem Zustand aus . – Indem es die Liebe als Leidenschaft ist die das Intereße erweckt so macht es einen Unterschied aus g e g e n die Darstellung der Liebe in antiquer Form . In neueren Zeiten ist es besonders wo das Intereße der Leidenschaft der Liebe besonders auf­trit in alten Zeiten trit dies nicht hervor – dies macht den Unterschied des an­ tiquen und des romantischen aus . In moderner Zeit (Z . B . Schakespeare) ist es die Energie der besonderheit in welche das Intereße gelegt wird – wenn im Antiquen die Liebe vorkomt ist es die eheliche Liebe (Hector und Andromache) . In unseren Tra |g  ödien wird die Leidenschaft der Liebe in Collisionen gestellt mit Pflichten etc[ .] Aber darinn ist imer eine Besonderheit es ist wenn sie verloren worden kein an und für sich seiendes . Stellen sich der Leidenschaft der Liebe Hinderniße entgegen so be­treffen die Hinderniße das besondere Intereße . In der Verlezung des Rechts überhaupt wird das Allgemeine verlezt hier nur das Besondere . Es ist eine Willkühr eine Zufälligkeit – daß es sein Glück nur in diesem Individuum findet . In allen Romanen und Tragödien mischt sich immer dieses frostige hinein . Es ist von einer Heldin und helden die Rede hätten sie nicht gerade dies gewollt so brauchte es nicht so vieler Declamationen . In den Antiquen ist es das Sittliche als solches das sich an einander schlägt und an dem anderen aufreibt . Wenn die Leidenschaft der Liebe auch in der Antigone vorkomt so ist es untergeordnet (in diesem Erhabensten Kunstwerk)[ .] | Die Personen die in die Ehe treten sind verschiedenen Geschlechts – es ist ein realer Unterschied . Sie sind darum von ein ander verschieden – es ist die Sittliche Substantialität in der ein realer unterschied ist sowohl nach der natürlichen Seite als nach der Geistigen Seite weil es substantieller Geist ist der sich in sich unterscheidet – es ist ein wesentlicher Unterschied . – Die Geistige und Sittliche bedeutung des Natürlichen und Geistigen Unterschieds ist es von welcher gesprochen wird – Der Unterschied ist der Unterschied des Begriffs . Das Eine Geschlecht ist das ­Männliche

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6–12 in alten … seiendes .] A B  : Bey den Alten tritt eigentlich Leidenschaft der Liebe erst bey Euri-

30 pides auf . In dem Romantischen ist überhaupt das Princip der Subjectivität so stark hervortretend  ;

in der alten Welt hingegen ist die Subjectivität nur Form eines allgemeinen Inhalts . Wo die Liebe bey den Alten behandelt wird , da ist es meistens | noch die eheliche Liebe  : Hector und Andro­ mache . – Die Liebe hat nun allerdings ihr Recht  ; aber insofern sie als Leidenschaft auftritt , so mischt sich immer eine Besonderheit hinein .   14–18 Es ist … Declamationen .] A B  : Ein Allgemeines 35 würde verlezt , wenn ein Individuum gezwungen würde , im ehelosen Stande zu leben .   22–28 Die Personen … Begriffs .] A B  : Die Personen , welche in die Ehe treten , sind nicht verschieden überhaupt , sondern ihr Unterschied ist ein realer , und bestimmter  ; Mann und Frau . Weil es hier substantieller Geist ist der sich in sich unterscheidet , so ist sein Unterschied auch ein wesentlicher , 9 Andromache] Andromeda   10 Tra |g  ödien] ohne Trennungsstrich  27 welcher] welchem  

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das andere das Weibliche[ .] Das eine ist das zerißene getrennte aber auch die Kraft sich in dieser Zerrißenheit sich zu erhalten . Dem Einen Geschlecht kommt Kraft des für sich seins und seine Abstrakte Energie zu . Der Mann ist es der sich am Einseitigen selten befriedigen kann . Zu dem Allgemeinen gehört die Objektivität überhaupt – Die Stellung des Manes ist daß er sich herum | schlage – Kampf – Feindschaft Haß muß er übernehmen – das Erwerben  ; ebenfalls Ebenso die Objektivität in der allgemeinen Form  : Zwecke des States der Kunst der Wißen­schafft  ; diese sind es die dem Mann als solchem zukomen – Die andere Seite ist die Seite der Frau  : Character ist Geistige und Sittliche Harmonie zu bewahren man muß hierbei nicht an die Zersplitterung des Geistes nach der gewöhnlichen Psychologie denken – denn wenn so gesprochen wird so kann man etwa meinen  : Es würde der Frau das andere abgesprochen als ob die Vermögen des Geistes vereinzelt existiren könnten an solches muß man gar nicht denken[ .] Von der Frau muß das sittliche Geistige zu Grunde liegen . In so was wie Vermögen ist der Geist nicht getheilt sondern der Geist hat alle Vermögen . Der Einen Form bleibt also die Harmonie die andere Arbeitet sich in den Extremen herum die Seite des Gegensazes stellt der Mann dar er ist das was deßwegen Kraft äußert[ .] Dem Mann kommt also diese Einzelnheit – Spanung thätigkeit Kampf zu , auf der anderen | Seite die Abstrakte Allgemein­ heit – überhaupt die Zerrißenheit . Er ist das Verständige als solches – Verständige Wißenschaften sind mehr Sache des Mannes – Saure Arbeiten . Studium sowohl in Hinsicht der Erkentniß als im Praktischen . Kenntniße bloß zu haben bloß sie zu wißen ohne sie zu üben Vollständigkeit um der Vollständigkeit willen , ist alles Sache des Mannes . Die Frauen begnügen sich nicht mit solchen – so die Franzosen die mehr was weibliches an sich haben . Es sind also die Verstandes­wißen­schaften  :

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wahrhafter . Es ist die sittliche , geistige Bedeutung des Unterschiedes des Geschlechts aufzufassen . Der Unterschied kann kein Anderer seyn als der des Begriffs , so daß das Eine Geschlecht der Unterschied in sich selbst ist , während das Andere die neutrale Einheit darstellt .   3–9 Der Mann … bewahren] A B  : der Mann kann sich im Abstracten , Verständigen befriedigen , herumschlagen  ; auf der andern Seite kommt dem Mann die Allgemeinheit zu , die Objectivität überhaupt . Kampf , Feindschaft , Haß hat der Mann zu übernehmen , und ihren Widerstreit auszumachen . So kommt dem Mann ferner der Erwerb wesentlich zu  ; und denn die Objectivität in ihrer eigentlichen Gestalt , die Arbeiten im Staat und in der Wissenschaft und die Zwecke der Kunst . – Die andere Seite ist die der Frau , deren Charakter überhaupt ist die innere Harmonie des Geistigen und Sittlichen überhaupt zu bewahren .   13–19 Von der … Zerrißenheit .] A B  : Der Unterschied kann nur die Art und Weise der Äußerung be­t reffen . – Das eine Geschlecht stellt die geistige Form in ihrer einfachen Gediegenheit dar , während das andere Geschlecht den Gegensatz , das Auseinandergehen der Einheit darstellt . Dem Manne kommt der Kampf , die Spannung gegen die organische Natur und gegen die Welt überhaupt zu . Eben so gehört ihm mehr die abstracte Allgemeinheit[ .] | Der Mann kann so überhaupt einseitiger seyn als die Frau .   23–24 Die Frauen … haben .] A B  : Wir Teutschen sind

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8 zukomen] zukomt   35 Äußerung] Äuße / rung  

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Jurisprudenz sind sache des Mannes . Die Frauen sind auch fähig dies zu thun aber man muß gott danken daß sie sich nicht darauf einlaßen . – Das Geniale in der Kunst und Wißenschaft ist Eigenthum des Mannes der Staat ist das Eigen­thüm­l iche des Mannes – der Staat ist ein Ganzes , es ist das Element des Mannes . Alles Große was in der Welt hervorgegangen ist  : was Epoche machte in allem diesem sind die Individuen welche an der Spize standen Männer nothwendig gewesen . Es ist hier nämlich das Allgemeine was für sich festgehalten werden muß , dazu gehört aber eben dan die Große Entzweiung , das besondere muß bezwungen werden . Ein großer Carakter | besteht eben darinn daß er einen Großen Kampf bestanden hat . Es ist falsch wenn man sagt die Menschen wenn sie am natürlichsten seien können am ersten solche Werke vollbringen . Alle großen Werke sezen eine Entzweiung voraus eine Entzweiung gleich einer Abscheidung von sich selbst eine Abscheidung die dem Einfachen harmonischen Caracter der Frauen nicht zukomt . Durch die Gewalt des Gegensazes und durch die Gewalt die dem Gegensaz angethan worden ist geschieht dieser Kampf . In Ansehung des Staates gehört auch diese Concentration dazu  : Zweke Pläne zu bestimen Entwürfe zu machen – die sich auf die Wirklichkeit beziehen . Zum herrschen gehört eben dieses Concrete des Caracters . Der Weibliche Caracter ist das ruhige Entfalten , ohne Kampf wie die Blume – Die Frau ist dem Mann eben diese Anschauung seiner selbst , der Harmonie seines Geistes . Indem der Mann zu dieser Harmonie kommt so ist es in ihm eine Rükkehr . Der Mann fängt mit dem Entgegengesezten an . Der Jüngling meint es habe

besonders darin groß , vollständige Sammlungen zu machen , die Frauen begnügen sich dagegen nicht mit solchen abstracten Kenntnissen . Dasselbe gilt von den Franzosen , die überhaupt mehr weibliches in ihrem Charakter haben als die Teutschen . –   2–9 Das Geniale … hat .] A B  : Was nun das eigentlich Geniale in der Kunst und in der Wissenschaft , und | eben so in der Wirklichkeit der Welt , dem Staat betrift , so ist dies vorzüglich Eigenthum des Mannes . Es handelt sich hier überall um ein Allgemeines . Alles Große was in der Welt hervorgebracht worden ist , alle Epochen in der äußern wie in der innern Weltgeschichte , sind wesentlich durch Männer hervorgebracht worden  ; es kann im Ganzen von keiner Frau gesagt werden daß sie Epoche in der Weltgeschichte gemacht habe . Zu solchen großen Erzeugnissen gehört aber eben jene ungeheure Kraft sich im Gegensatz zu halten . Der große Charakter ist der , welcher einen großen Kampf einen großen Schmerz , eine unendliche Zerreißung in sich überwunden hat .   13–17 die dem … Caracters .] A B  : die dem einfachen , im Frieden mit sich selbst bleibenden Charakter der Frauen nicht zukommt . Das Vor­ treff ­l iche bietet dann allerdings wieder den Anblick der Harmonie dar , aber nicht einer unmittelbaren , sondern einer hervorgebrachten . Zum Herrschen , zum Befehlen gehört diese Concentration der Kraft in sich , diese Concentration des Characters der festhält an seinem Zweck , und das Ent­ gegenstehende nicht achtet .   21–444,6 Der Mann … Weiber .] A B  : Der Mann fängt mit dem Gegensatz an , der macht sich Ideale , geht auf Abentheuer aus  ; der Jüngling meint Anfangs , wenn

13 dem] der   15 dieser] durch dsen   17 Concrete] Concrete .   18 Weibliche] Welbl .   19 40 Harmonie] Har / monie  

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nichts gefehlt als bis er komme – und wenn er die Hörner abgestoßen so komt er zurük[ .] | Der Sinn für das Ganze ist in dem Weibe größer , der Sinn für das Schikliche etc . Es ist diese Sittlichkeit in Form der Liebe welches ihr Element ist . Die Frau hat deßwegen diese Gedult , diese Pflege sie hat diese Ergebung . Es ist die Reflexion welche der Gedult entgegensteht[ .] Die Männer sind viel verdrießlicher als die Weiber . Den Schmerz halten die Frauen beßer aus . Im Cyd ist das größte Weib merkwürdig 1  : ihr Herz sei so verworren daß Gott am Ende nicht recht wiße ob sie strafwürdig oder strafbar seien . Die Frauen haben damit überhaupt im allgemeinen  : mehr Ähnlichkeit mit 1ander – mehr als die Männer sie sind in sofern viel besonderer . Bei den Teutschen ist die Originalität eben der Satansengel der uns mit Fäusten schlägt . Die Form und der Kreis der Frauen ist die Familie[ .] Zwei Sphären sind überhaupt im Menschlichen Leben  : öffent­l iches und häusliches Leben . Das Häusliche Leben ist nicht nur sondern es ist das öffent­l iche Leben auch bestimmung des Mannes . Die Frau hat in dem Haus ihre Sphäre . In ihrem Denken offen­bart sich auch dies – das Gegen |w   ärtig­sein des Geistes – das Wißen des Einzelnen . Wenn sich auch Frauen in solche Künste einlaßen welche nachdenken erfodern so ist es leicht daß dieser Gegenwärtige Geist dadurch leidet . Man wirft den Frauen Gern Eitelkeit vor . Darinn ist es aber nicht Eigendünkel und Selbstsucht . Die Frau sucht das Eigene der Mann auch . Die befriedigung der Frau hat mehr die Seite der Eitelkeit . Es ist nicht besonderer Zwek – sondern es ist ihre Person welche gelten soll . Beim Mann ist mehr Selbstsucht und Eigendünkel zu Hause wo man nicht sowohl sich im Sin hat . Weil die Frauen so auf das Einzelne gerichtet sind so ist wie sie in Staatssachen einfluß haben so ist es nicht das Allgemeine das sie zu verfolgen geneigt sind sondern mehr das Persönliche – Es zeigt sich häuffig in dieser Hinsicht die Intrigue – rüksicht auf Personen . Komt es in einem Stat zur

er in die Welt komme , so müsse es ganz anders werden , e r habe bisher nur gefehlt , und fällt dann oft zu dem ganz Gewöhnlichen , ja Gemeinen zurück . Bey der Frau ist mehr der Sinn für das Ganze , das Schickliche und Beständige vorherrschend , und hierin ist zugleich eine gemüthliche Sorge für das Besondere . Die Frau ist so concreter als der Mann , an ihr ist die substantielle Sittlichkeit dar­ gestellt . Die Frau hat diese Geduld und diese | Ergebung , die durch die Reflexion verlorengehet . Die Männer sind deshalb mehr verdrießlich als die Frauen , welche überhaupt in der Schönheit des sittlichen Geistes stehen bleiben .   11 Die Form … Familie[ .]] A B  : Der eigenthümliche Kreis der Frau ist überhaupt die Familie und das Privatleben , die Frau thront in der Familie .   14–17 Die Frau … leidet .] A B  : Wenn Frauen sich auf studirte Arbeiten einlassen , so geschieht es leicht , daß jener gegenwärtige | Geist , jenes Wachseyn für das was in jedem Augenblick da ist , wodurch die Frauen geziert werden , leidet . –   21–22 Beim Mann … hat .] A B  : Die Männer trift mehr der Vor­ wurf des Eigendünkels , die etwas besonderes verfolgen und dieses für etwas Allgemeines ausgeben wollen .  –   25–445,2 Komt es … Ungestalte . –] A B  : Wenn in einem Staate die Frauen zur Regie26 müsse] müsses  

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Staatsherschaft der Frau oder der Jugend so will die erste das besondere – die andere das Formlose – das Ungestalte . – Das Hohe – das Wahre – substantielle so fern es die Frau in sich hat so ist das vorzüglich | die Form der Religion was an sie komt . Frauen sind religiöser als die Männer . Die Verwirklichung des Kräftigen , das Erobern ist des Mannes – das schöne sittliche Einssein , das ruhige , ist den Frauen überlaßen  :

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Tugenden brauchet der Mann , er stürzt sich ins Leben Eine Tugend genüget dem Weib sie Ist sie Erscheinet

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Das sind die Hauptmomente im Unterschiede dieser beiden Subjekte . Von Barbaren werden die Frauen als Sclavinnen gehalten , in übercultivirten Ländern sind die Frauen oben auf – das Wahre steht auch hier in der Mitte . – Die Institutionen der Völker in Hinsicht der Menge sind verschieden  : Monogamie polygamie Vielmännerei . Man hat viel abgeleitet und zwar von der Zahl der Männer und Weiber , die Zahl ist gleich  : Wo Vielmännerei herscht da sind mehr Männer und umgekehrt aber das betrift bloß das Natürliche Verhältniß und daraus folgt für die Na t u r der Ehe durchaus nichts . In sittlicher Rüksicht und das ist das Wesentliche muß die Ehe Monogamie sein , denn sie ist das Verhältniß daß die Person ihre Persönlichkeit auf­ giebt | und die ganze Person hingiebt und sie nur gewint wenn das andere es auch thut . Aus diesem Begriff folgt unmittelbar daß die Ehe Monogamie sein muß weil das Eine Unrecht bekäme . Es wäre also ein Unrecht vorhanden . Die Innigkeit dieses Verhältnißes ist die empfundene Substantialität sie kann nur aus der völligen Hingebung hervorkomen . Das 2te Moment betrift die Ehe mit Bluts verwandten . Die Ehe mit nahen Blutsverwandten ist bei Völkern erlaubt gewesen . Im Christlichen ist das ganz verboten . Man hat das auf die Scheue der N a t u r gegründet . Man giebt ein Gefühl an , etwas dunkles – Es ist das Gefühl nicht aber das Unbestimte bloß[ .] Es muß auch die Form des Gedankens haben .

rung | kommen , oder die Jugend , so ist der Staat krank und geht leicht zu Grunde . Die Jugend will das Formlose , Ungestaltete , und es wird dabey leicht die Seite des Einzelnen vernachläßigt , deren 30 sich dann die Intrigue bemächtigt . –   4–8 Frauen sind … Erscheinet] A B  : Die Frauen sind im 30 Ganzen religiöser als die Männer . – Schiller bemerkt , daß das Daseyn , das Erscheinen der Frauen überhaupt ihre Tugend ist , während der Mann sich in den Kampf , in den Zwiespalt begeben , den Frieden mit sich und der Welt brechen muß , um ihn sodann erst wieder zu erobern . – / |   9–11 Von Barbaren … Mitte . –] A B  : Die Frauen sind verschiedentlich behandelt worden , zu verschiedenen Zeiten von verschiedenen Völkern . Zwischen beyden Extremen die würdige Behandlung .   35 24–446,8 Man hat … sein .] A B  : Man hat das Verbot der Ehe in diesem Grade auf eine Scheu der 35 Natur im Allgemeinen begründet . Das hier zum Grunde liegende Gefühl ist aber nicht bloß etwas Instinkt Artiges , das nicht in die Form des Gedankens erhoben werden könnte . Wir sehen , daß das 21 Substantialität] Substtalltt  

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Die E h e ist dieses  : daß Personen 2erlei Geschlechts ihre Person einander hinge­ ben , und das Auslöschen der Persönlichkeit muß in freier Hingebung statt finden . Damit ist unverträglich die Ehe mit nahen Blutsverwandten . Es sollen solche Zusa­ menkommen welche vorher getrennt waren – Bluts verwandte sind durch die Natur vereinigt . Sie sind schon natürlich Identisch . Die in die Ehe treten müssen nicht schon in dieser Identität sein[ .] Das ist der Grund dieser Scheue . Es soll eine Ehe von ihnen erst g e s t i f t e t werden[ .] | Das Vernünftige , der Begriff enthält eben dieses – das Unterschiedene soll identisch sein . Der Magnet zeigt dies  : Was sich vereinigen soll muß ursprünglich getrennt sein . – Diese Bestimungen enthalten das was als Trieb erschien was in Form von Pflichten ausgesprochen werden kann so in Form des Rechts und auch in Form der Tugend . Es ist überflüßig diese Formen zu wiederholen[ .] Daß die Ehe geschieden werden kann davon ist schon gespro­ chen worden . Es ist ein Verhältniß der Gesinnung . Es ist eine Möglichkeit ihrer Willkühr – Gefühls Neigung daß das sittliche Verhältniß in ihnen sich schwächt . Die Ehe ohne Gesinnung ist leere Äußerlichkeit was sie nicht sein soll , das Wahre Sittlichkeit ist einerseits die Unauflöslichkeit der Ehe . Es sind die Individuen die das Gemeinwesen Verwirklichen , diese Individuen als Individuen sind das unstäte unbestimte das so sein kann oder anders . Für sich ist das Individuelle das unzu­ verläßige . Erst in dieser Sittlichkeit hat das Individuum substantiellen | Grund . dieses ist also ein gegründetes befestigtes . Das Gewißen ist die Spize zu der das Individuum die Subjektivität treibt[ .] In der Ehe ist die Wurzel der Individuen so zu sagen etwas sittlich breites[ .] Das dunkle Innere ist durch die Ehe als solche ein Objektives befestigtes – Das Allgemeine hat also das Intereße daß das Einzelne nicht ein bloß Gewißes sondern auch ein wahrhaftes sei . Die Ehe soll also durch die öffent­l iche Autorität geehrt und geschüzt werden . In der Ältesten Geschichte haben sich revolutionen angesponnen durch die Verlezung der Ehe (Trojanischer Krieg – Vertreibung der Tarquinier) Wenn das innere verlezt ist so trit es auf und stemt sich gegen die Gewalt die es verlezt . – Indem die Ehe eine moralische Person ist so muß diese Moralische Person Eigen­ thum haben – Familie muß Eigenthum haben wie die Person selbst . Es trit dieses

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in der Ehe stattfindende Auslöschen der Person , eine freye hingebung ist , eine Art der Freyheit überhaupt . Es soll also die eheliche | Verbindung Sache des freyen Willens seyn  ; Blutsverwandten sind dagegen durch die Natur schon vereinigt , natürlich identisch . Nach der Natur des Begriffs sollen sich solche verbinden die vorher getrennt waren , eine Ehe soll gestiftet werden durch den 35 völlig freyen Willen . Der Begriff enthält überhaupt dies , daß das ursprünglich Ungleiche identisch 35 gesetzt wird . / Die über die Ehe vorgetragenen Bestimmungen könnten nun auch in anderer Form ausgesprochen werden , wie dieß bey einem jeden Kapitel bemerkt werden könnte .   16–447,2 Es sind … soll .] A B  : Die Ehe macht überhaupt die substantielle Grundlage des Staats in Beziehung auf die Individuen aus . Auf diese kann der Staat sich eigentlich nur verlassen insofern sie in dem



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ein daß weil die Familie nicht bloß eine abstrakte zufällige Person ist . so trit die bestimung ein daß das ein bleibendes Eigenthum sein soll . das bedürfniß ist hier nicht bloß | abstraktes , es ist vielmehr ein sittlich Ganzes für welches gesorgt werden muß – Die Sorge dafür ist nun ein gemeinsames nicht mehr ein selbstsüchtiges und dadurch enthält es einen sittlichen Caracter . Wir sehen dann in der Geschichte der Staaten diese beiden Momente heraus gehoben  : daß die Ehe gestiftet worden ist . Den Griechischen Heroen wird zugeschrieben daß sie die Ehe gestiftet haben und damit festes Eigenthum . Die Einzelne Person respectirt man auch in Der Vorstellung nicht , aber daß für meine Familie als Familie gesorgt werde das wird sittliches Erforderniß . Das Vermögen kann doppelter Art sein  : Grundbesiz (festes Vermögen) und das  : daß er die Bedürfniße anderer befriedigt . Verwaltung und Disposition des Familien Vermögens überhaupt gehört hieher . Eigentlich hat kein besonderes Glied der Familie ein besonderes Eigenthum gegen 1 .ander sondern sie hat ein Recht zum Gemeinsamen . Beides kann in Collision kommen  : der Familien Vater kann Verschwender sein  ; es ist dann in den Staaten wesentliches Gesez daß wenn der Vater ein Verschwender ist daß ihm die Verwaltung des Vermögens abgenommen wird[ .] | In dem nun eigentlich kein Familien Glied ein besonderes Eigen­thum hat so fällt das weg was in vielen Gesezgebungen aufgestellt ist daß jeder von den

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Verhältniß einer solchen sittlichen Einheit stehen , wie die Familie ist . Als vereinzelte Individuen 20 sind sie unstät und unzuverläßig . Das Innere der Persönlichkeit erscheint durch die Ehe als ein

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Befestigtes . In der | Familie ist die Gewißheit , die reine Einzelnheit , nicht mehr dieses Unstäte und Abstrakte . Die Seite der Empfindung ist durch die Ehe zu einem Objectiven , Befestigten und Sittlichen geworden . Der Staat hat also das Interesse , daß seine Organe nicht ein so Schwankendes und Willkührliches sind , wie die ehelosen Individuen . In der älteren Geschichte kommt es oft vor , daß Staatsrevolutionen durch Verletzung des Verhältnisses der Ehe entstanden sind . Trojanischer Krieg  : Helena  ; Vertreibung der Könige aus Rom  : Lucretia . – Es muß eine sittliche Autorität vorhanden seyn , die das Recht der Ehe behauptet gegen die Willkührlichkeit und die Meinung der Individuen . Diese Autorität hat indeß zu unterscheiden zwischen | der bloßen Willkührlichkeit und Verän­ derlichkeit und der totalen Entfremdung der Gemüther . Im letzteren Fall muß allerdings eine Tren­ nung statt finden können . / b , E i g e n t h u m d e r F a m i l i e / Die Familie muß im Allgemeinen Ei­gen­thum haben , wie die Person . Weil aber die Familie nicht eine abstracte Person ist , so tritt auch für das Eigenthum die Bestimmung ein , daß es ein sicherer , fortdauernder Besitz seyn soll .   6–9 daß die … nicht , ] A B  : daß die Ehe eingeführt worden ist , und mit der Ehe festes Eigenthum , besonders Grundbesitz . Die bloß einzelne Personen respectirt man schon in der Vorstellung weniger  ;   11–448,6 Verwaltung und … werden[ .]] A B  : Daß dem Mann die Verwaltung des FamilienVermögens hauptsächlich zukommt , gehet aus dem Früheren hervor . Die Glieder der Familie sind nicht Personen gegen einander und sie sollen also | deshalb auch eigentlich kein besonderes Eigen­thum haben . – In der römischen Gesetzgebung war die Bestimmung besonders herrschend daß das Vermögen der Eheleute getrennt blieb  ; das Vermögen der verstorbenen Frau fiel nicht allein dem überbliebenen Mann nicht zu , sondern selbst den Kindern nicht  ; es fiel vielmehr an die Familie der 17 ein] kein   19 stehen] steht   25 Krieg  :] Krieg  ;  

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Beiden einzelnes Vermögen hat . Ein solches Verhältniß ist durchaus ein unsittliches Verhältniß aus mehreren Gründen . Das Erste ist die durch die neue Familie entstandene Verbindung und nicht die Früheren Verhältniße[ .] Den Umstand einer gens stirps anzusehen ist gegen die Ehe das Entferntere . Die Neue Ehe ist eine Familie für sich . Dies daß die Töchter keinen An­theil haben an der Familie sollte nicht gestattet werden[ .] Das 3te Moment ist die Auflösung der Familie überhaupt und die Erziehung der Kinder . Die Kinder sind Glieder der Familie in den Kindern wird den Ältern ihre Sittliche einheit zur Anschauung . In den Kindern trit die in ihnen wohnende Einheit hervor . Die Individuen welche die Ehe stiften sind grundlose Voraussezungen , unmittelbare Personen . Sie haben die Bestimung ein erzeugtes zu sein . In der Sphäre der Natürlichkeit ist es der Fall daß der Begriff welcher in sich zurükgeht , der Kreis ist welcher sich in die Linie verwandelt . Die Kinder haben | Nahrung und Erziehung , die Ältern von den Kindern Gehorsam Dienste . Sie haben aber kein Recht an sie als an Knechte vielweniger als an Sclaven . Die Ältern haben ferner das Recht auf den Gehorsam der Kinder – Kinder sind Kinder d . h . sie haben den Beschließenden Willen nicht in sich dieser fällt in die Familie . Die Eltern haben das Recht gegen die Willkühr der Kinder aber nicht unbestimt sondern in soferne es den Zwek hat daß die Kinder in Zucht gehalten werden . Die Strafen haben bei

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Frau zurück . Es ist nun ein durchaus unsittliches Verhältniß daß die Frau ein eigenes Vermögen behalten soll . Das Eigenthum der Familie zu einem festen und bleibenden zu machen , hat eine politische Bedeutung die später betrachtet werden wird . Bey der Festmachung eines Vermögens ist es eine natürliche Folge daß die Töchter entweder | von der Erbschaft ausgeschlossen werden oder nur einen geringen Theil bekommen . Dies ist eine Willkühr die der Staat nicht zu garantiren braucht . Ihm ist es nicht um diese oder jene Familie sondern nur um die Familie überhaupt zu thun . Bey dem Bestreben dem Vermögen eine solche äußerliche Festigkeit zu geben , wird auf die eigene Thätigkeit und Regsamkeit der Individuen Verzicht gethan  ; Diese werden gewissermaßen glebae adscripti . Die Nichtverschuldbarkeit , welche in einer Rücksicht als vortheilhaft erscheint , ergiebt sich in anderer Hinsicht wieder als durchaus nachtheilig .   7–11 Das 3te … sein .] A B  : c . A u f ­ l ö s u n g d e r F a m i l i e ü b e r h a u p t , E r z i e h u n g d e r K i n d e r / | In den Kindern wird den Eltern ihre sittliche Einheit wirklich , die Kinder sind zunächst ein Geschlechtsloses indem die Differenz noch nicht hervorgetreten ist , die Kinder sind Mitglieder der Familie  13–15 Die Kinder … ­Sclaven  .] A B  : und sie haben so das Recht ernährt und erzogen zu werden . Ihre Eltern haben nun Gehorsam von ihnen zu fordern und auch Dienste , aber nur so wie sie das Verhältniß der Familie mit sich bringt . Allein die Eltern haben kein Recht , ihre Kinder als Sklaven zu betrachten , wie dies nach dem Römischen Rechte der Fall ist .   17–449,4 Die Eltern … hervorgehen .] A B  : Das Recht der Eltern gegen die Willkühr der Kinder hat nur den Zweck , diese Willkühr | als ein Un‑Vernünftiges zu brechen und in Zucht zu nehmen . Die Strafen der Kinder haben gleichfalls nicht die

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2 Gründen .] Gründen  ; .   3 Den] Der   4 anzusehen] anzugehen   6 werden[ .]] Im Ms folgen vier Leerzeilen , die einen Textausfall anzeigen , der mit dem Variantentext Dies ist … nachtheilig  . (s . 40 448,24–29 ) ausgefüllt sein dürfte .  27 glebae] plebae  



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den Kindern auch nicht die Rüksicht der Gerechtigkeit . Strafen müßen die Kinder verdienthaben aber sie müßen dadurch gezogen werden . Es giebt ein Negatives g e g e n ihre Willkühr . Strafen haben wesentlich den Zwek der Zucht . Aus der Negativität der Willkühr soll diese Strafe hervorgehen . Der Zwek der Erziehung ist daß sie selbstständige Personen werden  : sie sind an sich frei , aber sie sind es nur an sich . Die Erziehung hat den Zwek daß sie freie werden . Sie leben 1erseits in der Familie haben darin ihre positive Heimath . Das positive ist dieses daß sie in dem Element der Liebe und des Zutrauens leben , daß diese sittliche Einheit in ihnen zum Gefühl kommt , und daß dieses sittliche als eine Grundempfindung in ihnen hervorgebracht und fest werde[ .] | Es ist ein unglük für einen Menschen wenn er früh aus dem Kreis der Familie gerißen wurde und er hat es durch seine Energie zu ersezen . Man kann fragen , wenn ein Kind schlechte Eltern hat ob es nicht beßer sei es in ein Erziehungs haus zu thun ? Was auf der einen Seite gewonnen ist das verlieren sie auf der anderen . Sie leben dann nicht in dieser GrundEmpfindung . Ein Kind das seinen Vater früh verliert verliert viel – aber wenn es seine Muter früh verliert so hat es viel mehr verloren – Es muß das Kind in dem Element der sittlichen Liebe gelebt haben . Die Bestimung der Erziehung ist die andere Seite die die Auflösung der Familie in sich hat . Das Kind hat die doppelte Empfindung in sich  : einmal die­ ses Zutrauen , diese Liebe auf der anderen Seite hat es den trieb groß zu werden , Es hat eine Ahndung von einer höheren Sphäre , von Nichtbefriedigen . Das Kind hat selbst den Wunsch groß zu werden – man muß also nicht glauben daß dieser Zustand der Glüklichste sei . Es ist pädagogischer Irrthum gewesen – man solle das Glük der Kinder nicht stören . Das Gefühl der Nichtbefriedigung ists das die Kinder groß zieht . Die spielende Pädagogik ist es die | dies thut . Man muß den Kindern

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25 25 Bedeutung , daß an ihnen das Recht wirklich werde , sondern es ist dabey nur auf die Zucht des

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Kindes abgesehen . Das Bestrafen ist hier wesentlich subjectiver , moralischer Natur . –   6–10 Die Erziehung … werde[ .]] A B  : das was sie an sich sind , frey , das sollen die Kinder ferner auch f ü r sich werden . So haben die Kinder einerseits ihre positive Heimath in der Familie , aber andererseits haben sie dagegen auch eine negative Richtung , indem | sie zur Selbstständigkeit bestimmt sind . Im Leben in der Familie soll das Sittliche als eine Grundempfindung in den Kindern hervorgebracht und befestigt werden . Es ist wesentlich , daß Jemand die Sittlichkeit zuerst als unbefangene Liebe und Zutrauen erkenne .   17–21 Die Bestimung … werden –] A B  : Die negative Seite ist nun , daß das Kind aus dieser Form der blos unmittelbaren | Sittlichkeit treten , daß es für sich werden muß . Das Kind soll selbstständig werden , eine freye Persönlichkeit . Das Kind hat selbst das Gefühl des Contrastes an sich , auf der einen Seite hat es das unbegränzte Zutrauen zu seinen Eltern , auf der andern Seite aber will es groß werden und ist nicht befriedigt in seiner Kinderwelt .   23–450,3 Das Gefühl … sein .] A B  : Dieß ist die spielende , kindische Pädagogik  ; die Erwachsenen werden den Kindern verächtlich , die nur immer kindisch mit ihnen sich benehmen . Jene Pädagogik verunreinigt den

11 ersezen] er / sezen   12 es] sie  23 das] dr   27 sind , frey] frey sind   31 Sittlichkeit] Sittlich / 32 negative] nega / tive   40 keit  

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sagen daß sie für sich nichts sind . Die spielende Pädagogik die dies entfernen will verunreinigt diesen eigenen Trieb der Kinder der sie treibt weiter zu kommen[ .] So wird dieser Eigendünkel mit dem Zustand in dem sie sind zufrieden zu sein . Das sind die 2 Seiten 1 . sittliche Liebe zu genießen , die andere aus dieser Sphäre herauszutreten (die negative Seite) . Die neue Familie die die Kinder dann stiften wird dann die substantielle Bestimung ihrer . Das sittliche Auflösen der Familie besteht darin daß die Kinder selbst Personen werden . – Nach den Römern waren die Kinder unpersönlich . Das gehört zu den unsittlichen bestimungen des Römischen Familien Rechts . Es ist consequent verfolgt worden (das 3malige Ver­kauffen etc . Es ist eine saure Mühe daß dieser plunder noch hochgeachtet werden soll) . Diese Veränderung hat die Erbschaft zur Folge , die Veränderung durch Absterben eines Gliedes  ; das Vermögen ist an sich ein Gemeinsames , der Vater hat die Disposition . Indem er mit Tod abgeht  : so aquiriren die Kinder durch die Erbschaft nicht ein neues | Eigen­thum – Es wird durch das Sterben nur das hervorgebracht daß der Gestorbene nun keinen Theil mehr hat an dem Vermögen . – Fichte und einige andere haben nach dem Grund der Erbschaft auf eine andere Weise gesucht . Sie sagten nach dem Tode ist das Gut ein herrenloses , jeder darf es in Besiz nehmen . Indem die Verwandten zunächst bei dem Verstorbenen sind so greifen sie zuerst zu und das ist nun zufälliger Weise Regel geworden – Das Widerlegt sich durch das Obige . Wenn die Familie zersplittert ist so wird sehr oft ein sterbender bei keinem Verwandten sich befinden . Das ist aber wie wir gesehen nicht zufällig – Das ist nun der allgemeine Grund  : aber es ist auch nur der allgemeine Grund[ .] In der Bürgerlichen Gesellschaft wo der Standpunkt der Besonderen Person die wesentliche be­stimung ist , da treten die Geschwister bald auseinander die Liebe freilich bleibt . Aber jedes trit für sich in besonderen Stand . Das Geistige Band schwächt sich , jedes Familien mitglied existirt für sich und mit seinen Intereßen . Bei Entfernteren

eigenen Trieb der Kinder , | der sie treibt , weiter zu kommen . Das Andere ist dann , daß die Kinder durch eine solche Behandlung das Interesse verlieren an etwas Höherem , Substantiellen .   5–7 Die neue … werden .  –] A B  : Dies ist die sittliche Auflösung der Familie , daß die Kinder selbstständig werden und fähig , eine eigene Familie zu stiften . Die neue Familie die sie stiften , wird dann das aus ihrer sittlichen Freiheit hervorgehende Erzeugniß .   10–12 Diese Veränderung … Gliedes  ;] A B  : Eine natürliche Auflösung der Familie führt der Todt der Eltern herbey . Dieß begründet das Erbschaftsverhältniß .   16–22 Sie sagten … Grund[ .]] A B  : Es wurde so gesagt , das Eigenthum eines Verstorbenen werde eigentlich herrenlos und es sey die positive Gesetzgebung , die den gewöhnlichen Zufall , daß die Verwandten das hinterlassene Gut eines Verstorbenen | in Besitz nehmen , zur Regel mache . Dies ist eine nur äußerliche Darstellung . – Der allgemeine Grund des Verhältnisses ist der oben angegebene .   25–26 Aber jedes … Intereßen .] A B  : die Geschwister werden Häupter der Familie und es sind eine Menge von Interessen nach denen jedes Mitglied der Familie sich jezt fixirt .   1 sind] ist   9 etc .] etc .)   38 denen] dem  

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Graden kann sogar Unkenntniß eintreten darüber ob jemand zu unserer Familie gehört . | Mit dem Moment der Selbstständigkeit trit das Moment der Willkühr ein . So trit die Willkühr in bestimtem Sinne ein über sein Vermögen[ .] Es ist also in solchen Verhältnißen wo der patriarchalische Zusamenhang sich auflößt trit das andere Moment um so mehr ein . Folge von dieser Willkühr ist daß die Willkühr so weit anerkannt wird daß die Bestimung für den Todes fall geltend wird . Man sieht also daß man Testamente machen kann – Dieses Testament derogirt den ersten Zustand . Die Willkühr wird darinn anerkannt . Doch muß sie beschränkt werden durch die erste Bestimung . Die Enterbung wird den Eltern nur zum Theil gestattet – den Kindern wird ein Pflichttheil zugesichert . Bei Geschwistern schon trit die freie Willkühr ein . Man kann eigentlich diese Befugniß so ansehen daß ein solches Individuum sich eine Geistige Familie macht einen Kreis von Freunden und bekanten eine Familie die nicht Familie im eigentlichen Sinne ist . Die Testamentarische Disposition ist nichts anderes als  : dies ist meine Familie . Und so treten sie dann in den Besiz des Vermögens welches nach dem Sinn der Freundschaft eigentlich schon | gemeinschaftlich war . Daß ich über mein Vermögen disponire in Bezug auf den Todesfall hat eigentlich streng genomen keinen Sinn . Wenn das Testament verlezt wird so ist gar kein Unrecht geschehen – man kann es bloß als pietät an sehen . Die rechtliche Seite ist bloß die  : wenn ich einen Kreis von Freunden habe so war dieser meine Familie und hatte sofern Anspruch auf mein Vermögen[ .] Diese Willkühr hat überhaupt nichts sittliches in sich . Daß ich einem mein Vermögen überlaße um ihm dadurch meine Zuneigung zu zeigen , ein Vermögen das ich ohne dies nicht besize dies ist nichts sittliches . Die Große Ausdehnung der Befugniß Testamente zu machen ist Verlezung der sittlichen Verhältniße[ .] Es entsteht schmähliger Dienst , Erbschleicherei . Aus Lucian kann man das genugsam erfahren . Auf der anderen Seite erhalten sie die anderen in Abhängigkeit . – Oft mischt sich auch noch die heimtüke ein – es ist dies hauptsächlich der Fall daß die Willkühr das verursacht . Diese Zugestandene Willkühr ist es die Gelegenheit von vielen Schlechtigkeiten

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5–10 Folge von … zugesichert .] A B  : Eine Folge dieser Willkühr ist denn daß dieselbe so weit an-

30 erkannt wird , daß auch die auf den Fall | des Todes ge­t roffe­nen Bestimmungen anerkannt werden .

Zugleich muß diese Willkühr auch durch die erste Grundlage des Erbschaftsrechts beschränkt werden . Dieß ist die Bestimmung , daß die Eltern den Kindern ein Pflichttheil machen müssen .   16–20 Daß ich … Vermögen[ .]] A B  : Nur so betrachtet , gewinnt die Befugniß | zu testiren , einen vernünftigen Sinn .   26–452,1 Oft mischt … ein .] A B  : Die weite Ausdehnung die diese Befugniß zu 35 testiren , im römischen Recht hat , muß sonach verderblich genannt werden . – Vermächtniß eines Kaufmanns zufolge dessen der Erbe täglich die Londoner Börse besuchen mußte . Diese Bedingung wurde dem Erben so lästig , daß er das große Vermögen , das | ihm anheimgefallen war , aufgab . –   7 den] dem  16 disponire] dis / ponire   25 Erbschleicherei] Erbschlei / cherei   35 Vermächtniß] Ver / mächtniß  

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giebt – Oft auch in Fromen Stiftungen schleicht sich das ein . Das Erbschafts ver­ hältniß ist überhaupt eine der schmuzigsten Seiten des Menschlichen Lebens | noch mehr ist es mit den Testamenten . Wir sehen daß die Familien sich auf eine natürliche Weise in eine Menge von Individuen auflösen – das nächste Verhältniß ist das Äu ß e r l iche Au s e i n a n d e r­ g e he n d e r F a m i l ie   : Eine Nation heißt eben dieses daß sie durch Natur und Geburt von einem Stamm aus ging und dieser von einer Familie – Es sind in der Nation viele selbstständige Familien . Auch durch herrische Gewalt oder durch freien Willen kann sie sich verbinden . Eine solche Menge von Familien macht die bürgerliche Gesellschaft aus , aber das muß man von dem Staat unterscheiden – es ist dies der bloße verstandes staat . Nothstaat . Es komt darauf an ob das Substantielle der wesentliche Substantielle Zwek ist . –

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B ü r g e r l iche G e s e l l s ch a f t –

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Familien entstehen verbinden sich das macht den Übergang zur bürgerlichen Gesellschaft aus . Der innere Übergang ist der Übergang des Begriffs das ist etwas anderes . Die Familie ist die Substantielle Einheit die noch keinen Gegensaz hat . Die Ganze Sittlichkeit die die Einheit des Willens ist ist in der Familie auf eine ungetrente substantielle Weise in sich enthalten . Aber das weitere ist  : daß der Begriff seine momente realisirt in | den Gegensaz trit – daß die Sittlichkeit sich verliert . Die Concrete Person ist für sich – Ihr gegenüber steht die Allgemeinheit  : die Beziehung derselben überhaupt . Was in der Familie eins ist ist hier zerrißen . In der Bürgerlichen Gesellschaft ist Zwek  : die Person es ist damit das Princip des Eigen­nuzes durchgesezt . Jeder für sich . Zweitens sind diese Differenten an sich identisch . Die an sich seiende Identität ist nicht in ihrem Bewußtsein sondern sie sind für sich . Ihre Einheit ist eine innere – verborgene  ; So stehen sie im Verhältniß zu 1ander

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4–6 Wir sehen … F a m i l i e   :] A B  : Die Familie lößt sich also auf , sie gehet auf Natürliche Weise in eine Menge von Familien auseinander . Diese Familien verhalten sich zu einander als selbstständige Personen . Das Nächste ist also , daß wir das Verhältniß solcher Personen zu einander betrachten .   10–13 aber das … G e s e l l s c h a f t –] A B  : 2 . Die bürgerliche Gesellschaft / Man kann die bürgerliche 30 Gesellschaft auch als Staat betrachten , aber dies ist bloß der Nothstaat . –   16–18 Die Familie … 30 enthalten .] A B  : Die Familie erschien als substantielle Einheit , die in sich noch nicht zum Gegensatz übergegangen war . Die in der Familie statt findenden Unterschiede sind noch nicht Unterschiede des Gedankens .   19–21 Die Concrete … überhaupt .] A B  : Die concrete Person erscheint jezt als Besonderer Zweck für sich und die Allgemeinheit ist von ihr verschieden , steht ihr gegenüber[ .] |   23–25 Die an … verborgene  ;] A B  : jedoch sind sie dieser Identität sich nicht bewußt . 35 35

14 verbinden] vrbnten  



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aber das ist nicht ein Verhältniß der Freiheit sondern der Nothwendigkeit . Sie sind zugleich an sich identisch[ .] Freiheit ist dies sich im anderen zu sich selbst zu verhalten . Die Besonderheit vertieft sich in sich – weil sie ihrem Begriff nach sich nicht ein selbstständiges ist so ist diese Beziehung nur eine äußerliche . Das zeigt sich so daß ich als besonderes einen Zwek habe – für meine Intereßen Bedürfniße sorge dadurch komme ich aber auf andere . Ich kann sie nur durch a nd e r e befriedigen . Diese Beziehung auf andere ist für sich eine beziehung der Nothwendigkeit eben weil es nicht eine beziehung der Freiheit ist – Indem ich als besonderer auf andere mich beziehe so ist das eine Sache der Noth der ich mich 1× unterziehen muß – ich bin dadurch | in der Abhängigkeit – das ist die Sphäre der Noth – Dieses andere sind wieder besondere Intereßen etc[ .] ein von mir unabhängiges . In dieser Abhängigkeit ferner liegt zu Grunde die an und für sich seiende Identität derer die sich so zu einander verhalten  : sie sind sich im Allgemeinen gleich . Wären alle absolut besondere gegen 1ander so verhielten sie sich wie die Thiere . Es trit ferner die daseiende Allgemeinheit ein – indem Meine befriedigung vermitelt ist durch die Befriedigung der anderen  : ich muß sein was die anderen wollen wenn ich meine Bedürfniße befriedigen will . Ich muß also nicht als besonderer gegen andere sondern ich muß mich sezen in eine Weise der Übereinstimung – dadurch muß ich mir überhaupt die Form der Allgemeinheit geben – Ich muß mich für die anderen zu etwas machen eben dadurch daß das gegenseitig ist stumpft die besonderheit g e g e n 1ander ab und es ist die Form der Allgemeinheit wodurch ich für die anderen etwas bin gelte anerkannt werde – Es ist also nicht wie in der Familie wo ich gelte was ich un­mittel­ bar bin , es ist das Band der Liebe was die Familie bindet[ .] | Die Eltern lieben die Kinder und umgekehrt wenn sie auch noch so schlecht sind . In dieser Sphäre der Besonderheit trit die Sphäre der Allgemeinheit ein . Hier verwirklicht sich die Allgemeinheit . Es ist die Form der Allgemeinheit die diesem Stoffe gegeben wird sie ist es die eintrit . Der Verstand ist die Form in der die Allgemeinheit hier erscheint . Es ist dies die Stufe wo das natürliche abgearbeitet wird – die Stufe der Bildung .

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– Denn Einheit und Allgemeinheit ist nur eine innere  ;   1–4 Sie sind … äußerliche .] A B  : Sie sind

30 aufeinander bezogen wider ihr Wissen und wider ihren Willen . Die Besonderheit verliert sich so

in sich .   7–8 Diese Beziehung … ist –] A B  : Die Anderen sind für mich ein Undurchdringliches . Diese | Beziehung auf Andere ist eine Beziehung der Nothwendigkeit .   20 eben dadurch … ab] A B  : Dadurch stumpft sich die Zufälligkeit , das bloß besondere Belieben , gegenseitig ab .   23– 454,14 es ist … Verderben .] A B  : In der Familie ist es das Band der Liebe welches die Individuen auf 35 ganz subjective Weise verbindet[ .] Hier tritt also in diese Sphäre der Besonderheit wesentlich das Moment der Allgemeinheit ein , diese wird hier in einem Daseyn verwirklicht . Diese Allgemeinheit ist indeß nur noch die formelle und es ist der Verstand , der hier geltend ist . Das bloß Unmittelbare , die | Empfindung , die Subjectivität wird hier abgearbeitet . Dieses ist daher überhaupt die Stufe der 10 in] u   16 die] ds  

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Es ist in sofern das S che i ne n der Vernunft das wir hier betrachten – nicht die Vernünftigkeit selbst . Dieses Scheinen der Vernunft ist der Verstand . In dieser Vermitlung sind 2 Momente  : ich sorge für mein Wohl durch Vermitlung mit anderen , die auch für sich ein Wollen sind – ein in sich unendliches – ich verhalte mich so zu einem ganz fremden und selbstständigen aber das Abstreifen der besonderheit das sich hier zeigt ist das hervortreten der Vernünftigkeit . Die Vermittlung hat das zu ihrer Mitte – ich kehre so in mich selbst zurük – ich werde für die anderen ein All­gemeines – und diese Anderen für mich ein Allgemeines , dadurch befreien sie sich von ihren gegenseitigen besonderheiten und sie sind dadurch bei sich selbst das macht das moment der Rükkehr aus – das ist die Versöhnende Seite[ .] | Es ist dies die Sphäre des Zufälligen Wohlwollens Übel wollens , des Bösen , der Zufälligkeit und damit die Sphäre der Noth . Alle Willkühr alles Glük und Unglük mischt sich hier in der vollkommenen Verderbniß , es hat hierinn alles sein freies Spiel , die Noth Elend Verderben . In dieser Sphäre der äußerlichen Nothwendigkeit des Zufalls der das härteste ist für die Freiheit ist das Versöhnende der Schein der Vernünftigkeit . Es ist die Sphäre der harten Arbeit , die Sphäre wo man die Besonderheit abarbeitet – So ist dies auch die Sphäre des guten herzens etc[ .] Aber aus dieser Zufälligkeit resultirt die Form der Allgemeinheit . Diese Sphäre ist die Sphäre der Entfremdeten Sittlichkeit , der Nothwendigkeit . Es ist das Moment dem man den Naturzustand entgegensezt als einen sittlichen glüklichen . Wenn man die fürchterliche Verworfenheit in großen Städten sieht so muß man das allerdings beklagen daß so etwas hervorgehen kann – So etwas kann im patriarchalischen Verhältniß ganz und gar nicht zum Vorschein kommen . | Das Princip der Entzweiung war es eben warum jene alten patriarchalischen Staten zu grunde

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Bildung , die darin besteht , daß das Besondere in die Form der Allgemeinheit umgewandelt wird . Es sind in dieser Vermittelung zwey Momente  ; ich sorge für mein Wohl , erreiche mein Interesse in Vermittelung mit Andern , die eben so für ihr Wohl sorgen  ; zugleich tritt aber auch das Moment der Allgemeinheit ein , als Schein der Vernünftigkeit . Diese Allgemeinheit macht so das Moment der Rückkehr , der scheinenden Freyheit aus  ; dies ist die versöhnende Seite dieser Sphäre . Nach der Seite der Besonderheit ist sie überhaupt die Sphäre der Willkühr und der Zufälligkeit der sittlichen , moralischen , wie der | äußerlichen Zufälligkeit . Damit ist dieses zugleich die Sphäre der Noth , indem ein jedes Individuum abhängig ist vom Andern . Es ist hier die Sphäre , worin alles Besondere sein Ergehen und sein freyes Spiel hat , wohlwollende und übelwollende Neigungen finden hier auf gleiche Weise ihren Platz . Es kann hier das Elend und das Verderben hervorbrechen .   19–22 Es ist … kann –] A B  : Es sind gegen diese Sphäre theils gerechte Klagen und mehr noch Deklamationen gerichtet worden über das Verderben und die Noth , die über die Menschen hereingebrochen sind , dadurch daß sie in Gesellschaft getreten sind . Edle und große Gemüther , wie Rousseau , | haben durch den Anblick des vielfältigen Elends zu dem die bürgerliche Gesellschaft sich steigern kann , wohl allerdings zu Klagen über die bürgerliche Gesellschaft aufgefordert werden können .  

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1 das] die  7 ihrer] seiner   31 äußerlichen] äußer | äußerlichen  

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gingen . So wie der Luxus erschien (so nennt man eben jenen zustand) so fielen jene Staten . In solchen Fällen der Isolirung zeigt sich eben diese Entzweiung diese Trennung und da jene Staten auf dem Zutrauen beruhten so konnten sie diese Entzweiung nicht aus halten . Weil die höhere Form fehlte daß beide Verbunden waren so mußten sie untergehen . Das ist es was dem Platonischen Staate zugrunde liegt[ .] Er hat das eingesehen . Er hat seine Zeit erkannt . Aber indem er das Princip des negativen auch sah es aber nur als ein negatives auffaßte als feindliches so hat er sich nicht anders zu helfen gewußt als es abzuschneiden . Er hat deßwegen kein Privat Eigenthum in seinem Staate geduldet . Ebenso hat er keine Familie statuirt aus demselben Grunde – eben weil sie auch ein kleines Ganzes sind . Platon ist in Rüksicht dieser Seite einseitig[ .] Insofern ist dieser Staat nur ein Ideal daß dieser Staat nicht Wirklichkeit hat . Das Selbe Princip was in der Familie ist ist auch das Princip des States[ .] | Erst in der christlichen Religion ist das princip des allgemeinen Geltens der Persönlichkeit ausgesprochen worden und dadurch der Grund gelegt daß sich die Freiheit selbst tiefer erfaßen konnte . Was das Princip der griechischen Welt ausmachte , hat Platon richtig gefaßt  ; den weiteren Fortschritt dieses Princips erkannte er nur als Verderben , und dieses suchte er zu entfernen . Die Individuen erscheinen auf | dieser Stufe nur als Privatpersonen , als Bourgeois . Das Recht des besondern Willens ist es was die Menschen besonders unter der Freiheit zu verstehen pflegen . Bürgerliche Freiheit soll so seyn , nicht beschränkt werden in seiner Neigung , seiner Willkühr , der Ausübung seiner Geschicklichkeit und sofort . Dieses Recht der Besonderheit ist nun das was im patriarchalischen Verhältnisse nicht statt findet . Dem orientalischen Leben ist diese Besonderheit überhaupt fremd . Vorzüglich in den modernen Staaten tritt

1–4 So wie … halten .] A B  : Die alten Staaten , welche auf der sittlichen Einheit des Glaubens und des Zutrauens beruhten , konnten eine solche Entzweyung nicht ertragen und mußten darunter zu Grunde gehen .   5–8 Das ist … abzuschneiden .] A B  : Es ist bereits früher bemerkt worden , daß es dieses Moment ist was in der platonischen Darstellung des Staats fehlt . Platon hat das | Wesen des 30 30 Staats erkannt , aber nur unter der Form seiner Zeit . Er sucht das Princip der einzelnen Persönlichkeit deshalb ganz aus dem Staate zu entfernen .   10–15 Platon ist … konnte .] A B  : Der platonische Staat ist insofern allerdings einseitig zu nennen . Er hat nicht diese Wirklichkeit , welche das Princip der unendlichen Persönlichkeit vereinigen kann mit der substantiellen Einheit des Ganzen . Diese substantielle Einheit ist überhaupt die Grundlage des Staats .   35 3 Zutrauen] Zutruens   konnten sie] konnte er   8 abzuschneiden] abzu / schneiden   10 Grunde] 35

Grunden  15 konnte .] Der Text bricht oben auf der Seite mit Beginn der fünften Zeile ab und setzt nach vier weiteren unbeschriebenen Seiten (mit einer Textlücke) oben auf der Seite 233 Ri mit dem Satz Das 2te Moment … Unterschiede . (s . unten 457,33–34) wieder ein .  16–590,30 Was das … 575 .] Der Leittext folgt für den Rest der Vorlesung der Nachschrift A B  ; er setzt im Ms im fortlaufenden Text ein .  

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diese Sphäre hervor . Indem man jenes Freiheit nennt , so hat man einer Seits Recht , denn es ist Freyheit , aber nur Freiheit der Besonderheit , andererseits weiß man aber nicht , daß diese Freiheit auch zugleich die höchste Abhängigkeit ist . Die Besonderheit | ist ein Inhalt der nicht ein Inhalt der Freiheit ist . Nothwendigkeit und Freiheit sind hier im Kampfe mit einander  ; eins schlägt immer um in das Andere . Die Freiheit wird zur Nothwendigkeit und Abhängigkeit , und diese wieder zur Freyheit . Diese Freiheit ist aber eben deshalb nicht wahre Freyheit . Die Selbstsucht , die sich befriedigt , giebt sich zugleich auf und bewirkt das Gegentheil ihrer selbst , die Allgemeinheit . Dieses Umschlagen , diese Dialektik ist das Vernünftige , das Uebergehen des Einen in das Andere . Indem die Privat­ personen ihren Zweck suchen , so ist dies zugleich vermittelt durch das Umschlagen in das Allgemeine , und die Individuen sind dadurch genöthigt , sich um das Allgemeine zu bekümmern . Es tritt das Bewußtseyn auf diese Weise hervor daß nur durch das Allgemeine das Besondere erhalten und befriedigt | werden kann . Für das Bewußtseyn der besonderen Zwecke ist nun die Bestimmung des Verhältnisses anders als für das vernünftige Erkennen . Das Besondere ist hier Zweck , und das Allgemeine ist nur Mittel . Die Form der Allgemeinheit wird nicht als solche erstrebt . In der vernünftigen Erkenntniß ist das Allgemeine der Zweck , und die Besonderheit nur das Mittel . Es zeigt sich hier das Scheinen der Vernünftigkeit in dieser Sphäre . Im Allgemeinen geht das Abthun der Besonderheit als eine nothwendige Wirkung hervor . Dies ist überhaupt das Versöhnende in dieser Sphäre . Wenn man die Verächtlichkeit oder wenigstens die Gleichgültigkeit der besondern Zwecke auf der einen Seite betrachtet als etwas Unwürdiges , so liegt doch auf der andern Seite darin , daß auch das Allgemeine dadurch | hervorgebracht wird . Es ist dies überhaupt der Prozeß , wodurch das Besondere dem Allgemeinen eingebildet , wodurch dem sittlichen Zweck der Boden bereitet wird . Damit der an und für sich seyende Zweck nicht bloß ein Gedachtes sey , so muß er die Besonderheit zu seinem Boden haben . Dieser Boden muß , so gut er kann , in die Form des Allgemeinen erhoben werden . Diese zweite Sphäre ist überhaupt die Sphäre der äußerlichen Wirklichkeit . Es ist also hier die Stufe der Objectivirung . Es ist hier einerseits die Wirklichkeit als solche , und diese ist nur der Wille und die Meinung der Individuen . Daß nun dieses ein angemessenes Element sey für das Daseyn der sittlichen Freyheit dazu muß der Wille nicht ein natürlicher bleiben , sondern er muß ein allgemeiner werden . Es sind nun hier folgende drey | Stufen zu betrachten  : 1 ,  Das System der Bedürfnisse und ihre Befriedigung , so daß diese vermittelt sind durch die Arbeit des Einzelnen und die Arbeit aller Uebrigen , und die 24 andern] einen  

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Befriedigung ihrer Bedürfnisse . Die Individuen müssen sich so die Form der Allgemeinheit geben . 2 ,  Das Hervortreten des substantiell Allgemeinen darin . Beym System der Bedürfnisse thut das Allgemeine sich nur als eine Form hervor , es geht aber weiter auch auf seinen Grund zurück , und dieser ist das Recht und zwar nicht mehr das bloß abstracte Recht sondern das sich objectivirende Recht , oder die Rechtspflege . 3 ,  Die Totalität der beyden ersten Momente  ; die umfassende Vorsorge für das Besondere . Dies kann nur eine äußerliche Sorge seyn , eine äußere Ordnung , das was von Fichte | und andern als der Nothstaat ist dargestellt worden , auch der Polizey­staat  .

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Das System der Bedürfnisse geht von der Person in ihrer ganzen Besonderheit aus . Dies ist eigentlich erst das was wir Mensch nennen . Es ist also hier im Grunde zuerst vom Menschen die Rede . Die Befriedigung des Individui ist hier vermittelt , seine Thätigkeit ist es , die die Subjectivität in die Objectivität übersetzt . Indem der Mensch sich so auf Andere bezieht so ist er einerseits abhängig von denselben  ; die Befriedigung der Bedürfnisse systematisirt sich nun weiter . Die Bedürfnisse und die Mittel sie zu befriedigen bilden Massen , die eine Wirkung auf einander haben . Es thut sich hier eine Nothwendigkeit und ein Syste |m   atisiren hervor . Die Betrachtung von alle diesem ist Gegenstand einer besondern Wissenschaft , der Staats-Oekonomie . Dies ist eine zwar äußerlich empirische Wissenschaft auf der einen Seite aber zugleich ist auch ein Höheres darin , und die Gesetze des Verkehrs anzugeben ist eine wichtige Wissenschaft die erst in neuern Zeiten ihre Entstehung erhalten hat . Wir haben also als Menschen Bedürfnisse überhaupt , Bedürfnisse wie das Thier . Zugleich unterscheidet sich aber der Mensch vom Thiere . Dieses hat nur einen ganz beschränkten Kreis von Bedürfnissen und von Mitteln sie zu befriedigen . Die Menge von Bedürfnissen ist nicht ein Uebel , nicht ein Unglück , sondern sie kömmt nur aus der Vernünftigkeit her . – Die Unterscheidung der Bedürfnisse beruht nun auf dem | Fixiren der Unterschiede in ihrer Bestimmtheit , dies ist überhaupt das Verständige . Mit der Vervielfältigung der Bedürfnisse vervielfäl-

29–32 Die Menge … Verständige .] Ri  : Das 2te Moment ist dann die Unterscheidung der Bedürfniße und das ist dann eine Aufmerksamkeit auf diese Unterschiede .     atisiren] ohne Trennungsstrich   35 16 die3 ] der   21 Syste |m

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tigen sich auch die Mittel der Befriedigung . Es tritt hier die Reflexion des Verhältnisses von Mittel und Zweck ein . Die Mittel selbst werden dann wieder zu Bedürfnissen . So vervielfältigen sich Mittel und Bedürfnisse gegenseitig . Dies ist überhaupt der Charakter der Vervielfältigung . Das Nähere der Bedürfnisse geht uns hier nichts an . Zu den Bedürfnissen gehört auch das was man Bequemlichkeiten des Lebens nennt . Diese sind nicht unmittelbar Bedürfnisse . Man kann es zum Gegenstand der Declamation machen gegen die unendlich vielen Bedürf­ nisse zu sprechen . Es ist hier keine immanente Grenze . Ueberhaupt ist es sehr ungeschickt | wenn man gegen die Bequemlichkeiten des Lebens declamirt . Die höheren Stände , die geistigen Bedürfnissen sich widmen , müssen über die Unbequemlichkeiten des Lebens sich leichter hinweghelfen können . Eine Uhr kann man einen Luxus Artikel nennen , und in einfachen Verhältnissen kann solche sehr wohl entbehrt werden  ; nicht aber im verwickeltern Verhältnisse . Es giebt so eine Menge von Bedürfnissen und Bequemlichkeiten , die das geistige Leben unendlich erleichtern . Eine Menge Bedürfnisse entstehen dadurch , daß man sich von den physikalischen Verhältnissen unabhängig macht . So verwahrt man sich gegen den Einfluß der Jahreszeiten , dem die Thiere unmittelbar unterworfen sind . Der Mensch ist überhaupt von Natur hülfloser gemacht als das Thier , viele | Thiere haben den scharfen Geruch , wodurch sie sich ihre spezifischen Nahrungsmittel leicht auffinden . pp Es ist dieß nun nicht eine Zurücksetzung , sondern weil der Mensch auf das Geistige angewiesen ist , so muß auch alles , was mit ihm in Beziehung kömmt , mehr den Charakter des durch ihn Erzeugten haben . Der Mensch schläft nicht auf dem Boden  ; wenn es auch nicht das unmittelbare Bedürfniß erheischt , so macht er sich doch ein Lager . So genießt der Mensch seine Speisen nicht roh , sondern er muß sie erst zubereiten . Menschen die einer härteren Lebensweise angehören , können sich auch mit roheren Speisen begnügen . Wer an ein geistiges Leben gewiesen ist , der muß die körperliche Bildung bis auf einen gewissen Grad nachsetzen . Viele Bedürfnisse liegen nun in einer 3–4 So vervielfältigen … Vervielfältigung .] Ri  : es spaltet sich dies in eine Kette von befriedigungen . Es ist ein Caracter der Verfeinerung dies so zu theilen und die rechten Mittel zu den Bedürfnißen zu finden .   6–8 Diese sind … Grenze .] Ri  : was nur dient etwas abzukürzen , oder eine unangenehme Seite haben und diese wegdrängen . Das treibt sich hin und her , auf unbestimte Weise .   12–18 und in … sind .] Ri  : aber es ist unter den Menschen von unendlichem Dienst  : wo Geschäfte ZB . gemeinschaftlich getrieben werden sollen etc . Was eine menge Zeitversäumniße und Verlegenheiten zuziehen würde hebt die einzige Uhr – Eine Menge bedürfniße der Menschen besteht auch darin sich von den Jahres zeiten unabhängig zu machen . Kleidung und Wohnung .   20–22 sondern weil … haben .] Ri  : Der Geist muß das machen , er muß sich hinein mischen .   25–28 Menschen die … nachsetzen .] Ri  : Der welcher Geistig sehr thätig ist kann sich nicht mit solcher Speise behelfen die eine Große Thätigkeit des Organismus in Anspruch nimt sondern es muß die Speise schon assimilirt werden schon zum Theil verdaut . Es ist also dies nicht so sehr zu verwerfen  

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höheren Weise der | Cultur . Gewöhnlich haben solche Bedürfnisse einen weiteren , allgemeinen Grund , nicht bloß die persönliche Annehmlichkeit . So ist es mit dem Thee- und Kaffe­trinken , wogegen Aerzte , Finanziers , Geistliche sich vielfältig aufgelehnt haben . Man kann nun allerdings von solchen Bedürfnissen sich befreyen (wie z . B . jezt eine gewisse Klasse von Menschen in England sich des Bieres und dergleichen enthalten) und man kann moralische und öconomische Gründe dafür haben . Dies ist die Sache der Einzelnen . Bey den Bemühungen , so etwas abzustellen ist immer die Täuschung vorhanden  : durch den Willen aller Einzelner könne so etwas beseitigt werden . A l le Einzelnen , das Collective , ist aber etwas Anderes als die Einzelnen selbst . In der Allgemeinheit liegt , daß ein | Moment der Nothwendigkeit vorhanden ist . Daß nun Bedürfnisse entbehrt werden können , dies ist allerdings der Fall . Man hat in Teutschland zu einer Zeit gelernt den Kaffee entbehren , und dies geht mit solchen Bedürfnissen immer hin und her . Man meint wohl , es werde durch Entsagung des Kaffees viel erspart , gleichwohl hat es sich gefunden , daß gerade der Kaffe für das gemeine Volk viel wohlthätiges hat und verhältnißmäßig kein so theurer Genuß ist . Die Bedürf­ nisse beziehen sich nun zunächst auf das Individuum als solches , jeder ißt und trinkt für sich . In die besonderen Weisen die Bedürfnisse zu befriedigen mischt sich aber sofort die Reflexion ein , in wie fern man dem andern gleich ist oder nicht . So haben die Bedürfnisse etwas Gesellschaftliches und es | tritt hier gleich die Allgemeinheit hervor . Hier zeigt sich die Mode . So sehr man nun gegen die Modesucht sprechen kann , so ist nicht zu verkennen daß das Moment der Allgemeinheit darin enthalten ist . Bey einer Menge von Bedürfnissen und deren Befriedigung giebt es keine bessere Bestimmung als es so zu machen wie die Andern . Es ist vielfältig nicht der Mühe werth über solche Dinge nachzudenken . 4–7 Man kann … Einzelnen .] Ri  : Viele laßen es – und glauben sie erparen viel dadurch , besonders in den Campe schen Geschichten – Es kann nun dieses jeder halten wie er will[ .]  9–11 A l l e Ein­ zelnen , … ist .] Ri  : aber Alle Einzelnen ist das Collective  : nimt man das von der Seite der Einzelnheit so meint man es sei die Willkühr , betrachtet | man es nicht so so kann man es als nothwendig an­ sehen . Die Noth hat gemacht daß man Zuker Caffe etc[ .] weniger getrunken hat , nach der Kostbarkeit – Man sucht hülfe dagegen  : durch Surrogate – und man sah viele Höflichkeiten zum Vorschein komen . Man hat gefunden daß es kein wohlfeileres Getränke fürs Volk giebt – mit Brod giebt es eine volle Speise  ; es macht auch eine leichte Erregung . –   17–18 jeder ißt … sich .] Ri  : es ist etwas ganz eigen­nüziges .   20–23 So haben … ist .] Ri  : und so werden sie an sich etwas gesellschaftliches . Diese Gesellschaftlichkeit der Bedürfniße ist das was die Mode hervorbringt . Es ist das sich gleich zu sezen mit den anderen . So sehr man auch gegen die Mode sprechen muß so ist doch jenes Moment nicht zu verkennen  ;   25 Es ist … nachzudenken .] Ri  : In ansehung der art und Weise ist es unbestimt . Und es ist nicht der Mühe werth daß man ein Wort darüber verliere , man muß es dem anderen über­laßen  | es so oder so zu machen – dem Schneider .  

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Gerade dadurch daß man es in solchen Dingen macht wie die anderen , so beweißt man seine Gleichgültigkeit dagegen . Es giebt schon Leute , Schneider und dergleichen die um ihrer Subsistenz willen , es sich zur Angelegenheit machen über solche Dinge nachzudenken . Der Mensch bekommt nun so allerdings eine Menge von Bedürfnissen , die ein Moment | der Meinung in sich haben , damit ist eben dies vorhanden , daß der Mensch nicht mehr von der Naturnothwendigkeit als solcher abhängt , sondern er hat ein Verhältniß zu einer selbst gemachten Nothwendigkeit und hierin liegt ein Fortgang zur Befreyung . Alles dieses zusammen ist es nun , was wir den Luxus nennen , dieser begreift überhaupt eine Seite des äußerlichen Verhaltens , wo die Zufälligkeit und Willkühr , Meinung und dergleichen ihr Spiel hat und sich herumtreibt . Das Hervortreten des Luxus ist eine nothwendige Erscheinung  ; er hat das Moment der Befreiung in sich , daß der Mensch sich auf eine allgemeine Weise und überdies nicht zur unmittelbaren Naturnothwendigkeit verhält . Das Individuum hat durch das Bedürfniß die Abhängigkeit von | andern Selbstständigen . Das Bedürfniß befriedigen heißt es sich zu einem Wirklichen machen . Das Individuum muß also die Aussenwelt seinem Bedürfniß angemessen machen . Die Particularisation der Bedürfnisse führt auch eine Partikularisation der Arbeit mit sich . Die Mittel sind nicht vorhanden als unmittelbare Naturdinge , sondern sie sind Eigenthum Anderer und müssen von diesen erworben werden . Dadurch verhält sich der Mensch überhaupt zum Menschlichen , die Mittel zur Befriedigung der Bedürfnisse sind ein Geformtes , Bearbeitetes . Der Mensch ist so nicht bey einem unmittelbar natürlichen . Diese Vermittelungen spinnen sich sehr ins Weite aus . In seinen Kleidern consumirt jeder die unmittelbare Arbeit einer großen Menge von Menschen , Diese Arbeit hat wieder zu ihrer Voraus­ set |z  ung viele Arbeiten ganz anderer Art . Was in unserer Consumtion den meisten Werth hat , das ist menschliche Arbeit . Der unmittelbare Stoff ist nur ein

7–9 sondern er … nennen , ] Ri  : Diese Vervielfältigung der Bedürfniße , ist zusamen was man den Luxus nennt .   12–16 er hat … Selbstständigen .] Ri  : Der Luxus gehört zur bildung einerseits , er hat dieses daß er sich nicht zur Naturnothwendigkeit sondern zum Geistigen Verhält – Die Vermehrung der Bequemlichkeit enthält auch eine Vermehrung der Noth – der Abhängigkeit und wenn das eine zunimt so nimt auch das andere zu . –   19–20 Die Mittel … werden .] Ri  : Diese Mittel sind zugleich Eigen­thum anderer – und können nur erworben werden durch Tausch  :   22–23 Der Mensch … natürlichen .] Ri  : Was er consumirt ist menschliche Arbeit .   24–26 In seinen … Art .] Ri  : In dem was einer | consumirt consumirt er die unmittelbare Arbeit von vielen Menschen und diese haben wieder viele Arbeiten gebraucht . Diese Arbeit hat zu ihrer Voraussezung die Arbeit anderer[ .] Für den der Kleider macht muß es Wohnung Speise Werkzeug Stoff etc[ .] geben – kurz diese Arbeiten verschränken sich in 1ander .   15 andern] anderm   37 geben] hben  

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Geringes dagegen . Dieses Arbeiten überhaupt ist nun eine Noth . Die Noth , sagt man , lehrt beten , das geht uns hier nichts an . Aber was die Noth gleichfalls lehrt , das ist das Arbeiten . Der Mensch wird so aus sich herausgerissen . Die Noth ist zunächst nur ein Subjectives , ein innerer Gegensatz , daß ich das , was an sich in mir ist , nicht in seinem Daseyn habe und besitze . Dieser innere Gegensatz wird nun zu einem Äußern . Die Noth ist es also die mich in den Gegensatz gegen die Außenwelt überhaupt bringt . Als Noth ist dieses zunächst eine blinde Macht , die mich treibt . Auf diesen Gegensatz muß sich nun das Interesse | richten . Ich muß denselben zu dem Meinigen machen , ich muß den Geist darauf wenden , und dieser tritt damit in den Gegensatz ein . Um mir den Gegensatz zu erwerben , muß ich mich zunächst auch theoretisch damit beschäftigen . Es ist also überhaupt durch die Noth daß wir in den Gegensatz gerissen werden . Dies heißen wir einerseits Noth , betrachten es als etwas , das nicht seyn soll , und wir haben ganz Recht daran , denn der Gegensatz soll aufgehoben werden , aber in der gewöhnlichen , nicht denkenden Vorstellung nimmt man es so daß die Noth überhaupt nicht seyn sollte . Die Noth ist indeß nicht nur äußerlich nothwendig , sondern auch innerlich . Durch die Noth und die Bedürfnisse wird der Mensch aus der dumpfen | Gegensatzlosigkeit gerissen . Je natürlicher der Mensch ist , desto mehr ist er dem thierischen Zustande nahe . Der Gegensatz ist nothwendiges Moment des Bewußtseyns . Näher müssen nun die Mittel , die Bedürfnisse zu befriedigen dargestellt werden , und das Denken wird so zu einem verständigen Denken , das die Mittel in Beziehung auf diesen bestimmten Zweck denkt . Dies ist die nächste Seite der Bildung die in der Arbeit liegt  ; Festhalten der Unterschiede , Bestimmung des allgemeinen Vorstellens überhaupt . Erst insofern der Mensch einen bestimmten Zweck hat , verwirklicht er sich , die Bestimmtheit ist die Seite des Daseyns . Unmittelbar damit verbunden ist wieder die Uebersicht über diese Mannigfaltigkeit der Unterschiede . Der Mensch lernt so | verwickelte , man-

1 Dieses Arbeiten … Noth .] Ri  : Das Arbeiten ist eine Noth überhaupt – eine Abhängigkeit –   3 Der Mensch … herausgerissen .] Ri  : Sie ist es die den Menschen aus sich heraus reißt und ihn zwingt sich mit der Außenwelt zu beschäftigen .   5–6 Dieser innere … Äußern .] Ri  : Aber das Negative dieses – der innere Gegensaz wird zu einem äußeren zu einem Gegensaz zu einem äußeren – den ich brauche um die Bedürfniße daran zu befriedigen[ .]   7–8 Als Noth … treibt .] Ri  : Die Noth ist eine Gewalt welche sich äußert , sich hervorthut –   10–11 und dieser … beschäftigen .] Ri  : – Befriedi­ gung des Bedürfnißes . Um die Gegenstände mir zu erwerben muß ich mich auch theoretisch einlaßen wie ich mich zu den anderen verhalten soll etc .   20–22 Näher müssen … denkt .] Ri  : Diese Art und Weise die Bedürfniße zu befriedigen muß gedacht werden und so komt das denken dazu und so wird das denken ein Verständiges denken .   26–462,11 Unmittelbar damit … Gegenständen .] Ri  : Sich entschließen heißt eben einen bestimten Zwek faßen . Durch das bestimen treten wir erst in die Wirk ­l ichkeit . – Was dadurch hervortrit ist diese Bildung er bekommt dadurch eine beweglichkeit des Geistes . Man braucht nur Menschen zu nehmen die von wenigen Bedürfnißen leben  : In den

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nigfaltige Unterschiede auffassen und überblicken . Man braucht nur auf Menschen zu sehen die in einfachen Verhältnissen leben , der Kreis von Vorstellungen die diese Menschen haben ist sehr geringfügig . Sinnliche Vorstellungen sind hier das Meiste , wenig Combinationen die Verbindungen ausdrücken von einer Mannig­faltigkeit von Verhältnissen . Solche Menschen haben große Mühe , von einer Vorstellung zur andern überzugehen . Die Vorstellungen klingen bey ihnen gewissermaßen lange nach . Bey gebildeten Menschen , in verwickelten Lebensverhältnissen findet es sich ganz Anders . Das Heimweh , welches zum Theil seinen physikalischen Grund hat , hat auch wesentlich den geistigen Grund , daß die Menschen gleichsam unterdrückt werden durch die Mannigfaltigkeit von Gegen­ständen . | Die formelle Bildung , die der tiefern geistigen Bildung vorausgehen muß , geht also aus jener Mannigfaltigkeit von Bedürfnissen hervor . Die Bildung zur Arbeit besteht zunächst im Allgemeinen überhaupt in dem Verlangen zur Thätigkeit . Die Wilden sind faul  ; so lagen die alten Teutschen viel auf der Bärenhaut . Wenn man den Gebildeten vergleicht mit dem Ungebildeten in Ansehung seiner Thätigkeit , so kann man wohl sagen , jener erlebt in einem Tage mehr als dieser in seinem ganzen Leben . – Das Individuum indem es sich zu den Naturgegenständen verhält , muß sich danach richten , es muß seine Besonderheit geltend machen . Die widerstreitende Natur des Materials , das Belieben Anderer und ihre Willkühr nöthigen uns das eigene , natürliche Wollen zu überwinden und wir werden so befreit . Indem der Mensch seine Besonderheit | so nach dem gegebenen Zwecke abarbeitet , so liegt darin seine Befreyung , dies ist überhaupt die Zucht des Menschengeschlechts , daß es durch die Arbeit unterworfen wird . Es kommt dem Menschen sauer an , aber eben dadurch gewinnt das Geistige die Oberhand . So enthält das Bedürf­ niß einerseits den Gegensatz aber anderer Seits zugleich die Ueberwindung des Gegensatzes . – Der Mensch erwirbt sich nach dieser Seite Gewohnheiten und

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Ge­birgs­thälern sind es nur wenige Vorstellungen die sich herumtreiben sie wären leicht zu zählen . Wenn man sich mit einem solchen Menschen unterhält so klingt das lang nach sie sind fast nicht 30 fähig auf die anderen Vorstellungen überzugehen . Vergleicht man damit einen Ge |s  chäft­smann – einen Wirth – Er muß alle Augenblicke von Einem zum anderen übergehen und zugleich unmittelbar die andere Sache – die erste vergeßen . Das H e i m we h hat vornehmlich den Grund  : solche Leute wenn aus so einfachem Land heraus mitten ins gewühl geraten das können sie nicht körperlich und Geistig aushalten .  –   15–28 Wenn man … Gegensatzes . –] Ri  : Es komt dazu die Gewohnheit der Beschäf­ 35 tigung . In einem Tag eines Gebildeten Menschen ist mehr Thätigkeit des Geistes als bei den Wilden in dem ganzen Leben . Das specifischere ist  : daß das individuum indem es sich auf die Naturgegenstände wendet es sich mit dem allem einlassen muß . Es muß die Willkühr bändigen es muß sich allen Arten 24 Menschengeschlechts] Menschen / geschlechts   38 wendet] anstelle einer Textlücke  



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Geschicklichkeiten , die ein allgemein Gültiges sind und durch die er erst Meister über sich selbst wird . Die Arbeiten werden nun nach der Particularisirung der Bedürfnisse ein im­ mer mehr Vereinzeltes , damit werden sie zugleich ein immer Abstracteres und Einfacheres . – Das Arbeiten wird immermehr specificirt , theilt sich immermehr . Weil es der denkende Mensch ist , der | in diese Arbeiten verwickelt ist , so sucht er sie abstrakter zu machen . Indem die Arbeiten einfacher werden , so kann der Mensch derselben mehr hervorbringen . Er braucht sich nicht zu besinnen , um in der Arbeit fortzuschreiten . S m it h in seinem Werke über den NationalReich­ thum hat zuerst vornämlich auf diese Theilung der Arbeit aufmerksam gemacht . Es ist der Gedanke , der sich in dieser Art und Weise der Arbeit geltend macht , obschon es zunächst die Noth zu seyn scheint , die sie hervorbringt . Beyspiel von S m it h , wonach ein Arbeiter der Stecknadeln allein machen wollte , deren kaum zwanzig in einem Tage vollenden würde , während , wenn die Arbeit in ihre verschiedenen Operationen vertheilt wird (deren zu Smiths Zeiten ungefähr 10 waren) eine Person im Durchschnitte 4600 Stecknadeln vollenden kann . In dieser Sphäre | der Erscheinung ist nun aber dieses vorhanden , daß was auf der einen Seite gewonnen wird , auf der andern wieder verloren geht . Bey der Theilung der Arbeit werden die Arbeiter immer stumpfer und abhängiger . Wenn der Artikel der Industrie , der ein solcher Arbeiter angehört , ins Stocken gerät , so findet sich der Arbeiter in Noth . Indem nun aber die Arbeit so einfach wird , so ist kein concreter Geist dafür mehr nothwendig . Der Mensch kann selbst davon abtreten und eine Maschine an seine Stelle setzen . Die letzte Spitze des höchst Mechanischen enthält so gleich wieder das Umschlagen . Maschine und Werkzeug sind von einander unterschieden , bey der Maschine wird das Princip der Bewegung in einer von Vorstellungen anpaßen . Die natürliche Roheit (Unbestimtheit des Denkens und handelns) wird abgethan . Der ungebildete Mensch ist seiner nicht mächtig nicht seines Körpers nicht seines Geistes . Das ist die Zucht des Menschen geschlechts der es sich unterwerfen muß . Es komt der Menschlichen Natur sauer an . Durch die Gewalt die er ihr anthut dadurch gewint der Geist die Freiheit[ .] | Der Gegensaz den man überwindet ist der Gegensaz gegen die Freiheit .   5 Das Arbeiten … immermehr .] Ri  : Das Concrete Bedürfniß spaltet sich in eine Menge von Seiten . Das Arbeiten theilt sich imer mehr und wird dadurch imer abstrakter .   8–12 Er braucht … hervorbringt .] Ri  : Der Mensch braucht sich nicht zu besinnen , braucht nicht überzu gehen . / Durch diese Trennung wird also an Zeit und Mühe unendlich gewonnen – Dieses hat Adam Smith mit seinem National Reich­thum bezwekt . Es ist hier nicht nur die Nüzlichkeit sondern auch der Gedanke der hierin waltet .   14–16 während , wenn … kann .] Ri  : Diese beschäftigung machten 18 Operationen – Eine Fabrik von 10 Personen macht des Tags 12  oder zusamen 48 000 Stek­nadeln jede Einzelne mache 4800 . –   19–21 Wenn der … Noth .] Ri  : Aller Wechsel hört auf und wird Wiederholung desselben damit folgt Stumpfheit . Auch wird der Mensch abhängiger . Er findet sich in manchen Fällen verlaßen so fleißig auch er sonst sein will .  

27 abgethan] (aber als Kürzel) / gethan   40 20 der2 ] dem  

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bewegenden Naturkraft und nicht im thätigen | Geiste gesucht . Das Werkzeug ist dagegen nur ein Mittel , dessen sich der Mensch , der das Thätige ist , zu seiner Arbeit bedient . Der Mensch hat Ursache auf seine Werkzeuge stolz zu seyn , denn die Vernünftigkeit ist darin ausgedrückt . Das Werkzeug bildet den medius terminus , wodurch die Thätigkeit des Menschen mit der äußern Natur vermittelt wird . Es ist dies der Geist der Vernunft , daß der Mensch , indem er ein Anderes nach Außen kehrt und abreiben läßt , sich selbst erhält . Der Pflug und dergleichen Werkzeuge sind eine uralte Tradition . Die Menschen , die diese Werkzeuge zuerst gebraucht haben , sind gestorben und vergessen aber das ­Objective erhält sich durch alle Generationen . Die Arbeit erscheint insofern , als sie zur Befriedigung der Bedürfnisse | geschieht , als Mittel , in der vernünftigen Betrachtung kehrt sich dieß indeß um . Das Wesentliche , der eigentlich höhere Zweck der Arbeit ist die Bildung die für den Menschen daraus hervorgeht . Im trojanischen Kriege ist es das Ringen und Kämpfen der Menschen worin das Interesse liegt  ; das erreichte Ziel läßt uns gleichgültig[ .] Der Zweck hat nun wieder zwey Seiten , vor’s erste das Selbst­ süchtige , Subjective , aber zugleich tritt auch das Gegentheil ein , daß indem jeder sich zum Zweck hat , die Befriedigung seines Bedürfnisses durchaus umschlägt in die Befriedigung des Bedürfnisses Aller . Was ein jeder durch seine Arbeit erzeugt , das braucht er entweder gar nicht , oder nur zum kleinen Theil für sich selbst . Er bringt die Dinge nur hervor in | Beziehung auf ihren Werth . So geschieht es , daß indem das Individuum durchaus nur selbstsüchtige Zwecke hat , dasselbe zugleich die Bedürfnisse Aller befriedigt . Dies ist in jeder Hinsicht etwas sehr wichtiges . Ein Mann von Reichthum in alten Zeiten unterstützte Andere direct  ; er speiste Arme und tränkte sie , kleidete die Nackten . Die andere Verwendung des Reichthums ist , wenn derselbe zum Luxus verwendet wird . Diese

4–9 denn die … vergessen] Ri  : es ist das der Medius terminus . Im Werkzeuge vermittelt der Mensch sich mit der Äußerlichen thätigkeit . Es ist auch hier die List der Vernunft  : daß er ein anderes für sich preis giebt . Die Menschen sind deßwegen imer stolz gewesen auf diese Werkzeuge Z[.] B . den Pflug – den Erfinder weis man nicht mehr  11–17 Die Arbeit … Subjective , ] Ri  : Zwek der Arbeit ist  : bedürfniße zu befriedigen . Die Arbeit erscheint in sofern als Mittel . Es ist die Arbeit die Mitte ­z wischen ihm und der Objektivirung der Bedürfniße . Es ist die Arbeit aber der höhere Zwek[ .] | Ist der Zwek befriedigt so geht es uns nichts an . Daß Troja zerstört ist daran liegt uns nichts aber die Arbeit die Kämpfe vorher . Die Arbeit also ist der Zwek . – Hierbei ist das Selbstsüchtige jeder ist 1 nur für sich –   21–23 So geschieht … befriedigt .] Ri  : Durch diese Vermitlung und Verschränkung der Bedürfniße geschieht es daß alles so verschränkt ist – daß durch die befriedigung meines Bedürfnißes ich die anderen bedürfniße befriedige[ .]  24–25 Ein Mann … Nackten .] Ri  : das hat unsere Ansichten von den früheren verändert . Die eine Verwendung des Reichthums ist das Speisen und Tränken  .   12 vernünftigen] vernünf / tigen   38 von] vor  

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Verwendung hat die höhere Wirkung , daß die Andern die Befriedigung ihrer Bedürfnisse nur erhalten unter der Bedingung , daß sie thätig sind . Den reichen Mann , der viel auf sich und seinen Genuß verwendet , kann man vom moralischen Standpunkt aus tadeln , und sagen , er solle seinen Ueberfluß den | Armen zu gute kommen lassen , dies thut er auch , aber auf eine vermittelte , vernünftige Weise . Es giebt allerdings auch einen Luxus , der barbarisch und unbedingt zu tadeln ist . – Es macht sich für die unterschiedenen Stände eine gewisse Weise des äußern Lebens , eine gewisse Weise des Aufwandes , und diese Weise richtet sich nach der Einnahme und nach der Stellung des Individui in der bürgerlichen Gesellschaft . Die Klagen über den Luxus erscheinen so von einer Seite als eine leere , moralische Declamation . Die Geschicklichkeit des Individui bringt so also Arbeiten hervor , die für die Andern Bedürfniß sind  ; es entsteht so eine Gegenseitigkeit , dies bringt die Möglichkeit hervor , daß jeder | an der Fähigkeit , Bedürfnisse zu befriedigen ein Vermögen hat . Der Mensch hat also dadurch , daß er in der bürgerlichen Gesellschaft ist unmittelbar Vermögen , die Möglichkeit das was er braucht aus dem allgemeinen Schatze gewissermaßen zu erhalten . Die Bedingung hierzu ist aber , daß er sich gebildet , daß er Geschicklichkeit sich erworben habe . Der Mensch tritt so in eine ganz andere Sphäre ein . Die Möglichkeit der Theil­ nahme am allgemeinen Vermögen ist nun ferner bestimmt durch manche andere Umstände . Es gehört zur Erwerbung der Geschicklichkeit ein Kapital und mancherley günstige Umstände . Der ganze Zusammenhang ist ein Nothwendiger , aber wie das Individuum daran Theil | nehmen will , das ist seine besondre Sache . Die Besonderheit und Ungleichheit hat hier ihr ganzes Spiel  ; das wodurch ich die Individuen nicht von einander unterscheide ist ihre Vernünftigkeit überhaupt  ;

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… Weise .] Ri  : Es ist also eine weit sittlichere Art des Reichthums als das bloße Verschenken .   9–16 und nach … erhalten .] Ri  : Man erwartet von dem Individuum daß es auch Auf­ wand macht . Steigert er damit so thut er um so mehr für andere . Was aus diesem Zustand unmittelbar folgt ist  : daß die Geschiklichkeit Arbeitet – die Arbeit g e g e n andere Arbeiten eintauscht – Es ist g e g e n seitiges Bedürfniß daß sie die arbeiten anbringen . Das bringt nun die Möglichkeit hervor daß jeder an diesem Verhältniß ein Vermögen hat an dem er theil nehmen kann das unmittelbare Vermögen ist zunächst Grund und Boden . Das 2te Vermögen ist dann diese beschränkung dieser Arbeit . Dadurch daß ein Mensch in der bürgerlichen Gesellschaft ist dadurch hat er Vermögen – gleichsam wie eine Casse .   18 Der Mensch … ein .] Ri  : Der Mensch trit damit in eine neue Weise des Vermögens ein . Es ist nicht mehr die bloße Natur sondern dies sind die Productionen von Menschen .   20–466,3 Es gehört … kann .] Ri  : Zur Ausübung der Geschiklichkeit gehört ein Capital . Diese Geschicklichkeit hängt von weiteren bedingungen ab – dieses bezieht sich auf die besonderheit der Individuen – wie das Individuum in diesen Schaz eingreifen will , das ist seine besondere Sache[ .] Indem die Art und Weise von der Besonderheit der Individuen Abhängen so hat die Naturseite ihre Unmittelbarkeit – ihr Recht und Bedeutung . Hier ist es die Naturanlage überhaupt die hier wichtig ist – es komt hier darauf an

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allein der Unterschied fällt in die Besonderheit der Geburt , der Erziehung , der Talente , des Vaterlandes und dergleichen . Im Talent ist ein Naturmoment welches sich das Individuum nicht geben kann . Es tritt also nothwendig die Ungleichheit der Individuen hier ein . Es ist schon früher bemerkt , daß die Gleichheit auf die der Verstand fällt , bloß abstrakte Identität ist und daß es gerade die Besonderheit der Individuen ist , die die Wirklichkeit der Freyheit macht . Die Ungleichheit ist damit unmittelbar | sanktionirt . Die besondere Thätigkeit der Individuen tritt nun auch in bestimmte Massen zusammen . Die Betrachtung des Verhältnisses dieser Massen ist nun hauptsächlich Gegenstand der NationalOekonomie . Es sind Bedürfnisse die befriedigt werden sollen , und Mittel zu ihrer Befriedigung . Dieses giebt die allgemeinen Gegensätze von Consumtion und Produktion . Der Werth der Mittel bestimmt sich nun auch hiernach . Die Mittel die der Arbeiter hervorbringt müssen zusammen den Werth dessen ausmachen , was er consumirt , und außerdem soll auch noch mehr erworben werden , als unmittelbar verzehrt wird . Die Consumtion soll überhaupt nicht bloß ein Negatives bleiben , sondern selbst wieder | zur Produktion führen . Handarbeit überhaupt , Tagelohn , dies sind die letzten Elemente des Preises der Dinge gegen einander . Es setzt sich hierin nun auch ein Mittelmaaß dessen fest , was ein Individuum nothwendig braucht . Bey einem Volke ist dies nun allerdings anders als bey einem andern . Gold und Silber gewinnen ist nicht andere Arbeit , auch die Bergwerke von Peru und Chili werfen nicht mehr ab , als jeder andere Arbeiter sich durch fleißige Arbeit verdienen kann . – Es giebt nun allerdings eine Consumtion , die ein leztes ist , der größte Consument der Art ist der Staat .

wo man geboren ist – Vaterland Eltern Stand – Tugend der Eltern etc . Es ist die ungleichheit der Individuen in ansehung des Caracters des Talentes (das ist Naturmoment) an dieser Stelle .   4–6 Es ist … macht .] Ri  : – eine Ungleichheit in Ansehung der Besonderheit . Die Besonderheit als solche ist wesentliches Moment – gerade diese Besonderheit ist es die vornehmlich auch auf die Freiheit ihre Anwendung hat .   8–15 Die besondere … wird .] Ri  : Das nimmt sich auch in Allgemeine Maßen zusamen (Stände) . Das Nähere verhältniß und die nähere Nothwendigkeit ist die Sache der National  Oeco­nomie[ .] | Diese 2 Seiten sind aber das Allgemeine .   17–467,4 Handarbeit überhaupt , … erheben .] Ri  : In der National Oeconomie wird nach dieser Seite das Thun und treiben der Individuen betrachtet . Der Werth dieser Mittel hängt ebenfalls hiervon ab . Die Arbeiten die er hervor bringt müßen den Werth zusamen machen deßen was er consumirt . Das Individuum soll sich einerseits nur erwerben und das aufzehren . Die Consumtion ist nicht das lezte womit die Sache aufhört . Soviel zu einer Subsistenz nöthig ist soviel muß man an einem Tage erarbeiten . Verschieden ist das nach dem Volk – Durch das Allgemeine daß ich mein Product so theuer geben muß daß ich kann subsistiren Davon hängt der Werth der Sachen ab  : von Gold und Silber etc . Gold und Silber zu gewinnen ist nicht ein profit für sich sondern es ist die Arbeit die den Werth macht . Die Consumtion und production

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Dieser hat eine Menge Arbeiten die eine letzte Consumtion bewirken . Die höheren Staats Anstalten sind | alle von dieser Art , daß sie nicht unmittelbar weiter in den Kreis des Producirens eingreifen . Der Staat muß das , was er verbraucht , durch Abgaben erheben . Die Wirkung der Abgaben auf den Werth der Dinge ist nun wieder ein wichtiger Gegenstand der NationalOekonomie . Das Verhältniß des Geldes oder des Werthes zu den qualitativ bestimmten Produkten macht ferner ein Verhältniß aus , dessen Wechselwirkung zu betrachten ist . Der Staat , welcher Abgaben fordert , steigert dadurch den Preis der Dinge . Wenn das Mittel der Circulation abnimmt gegen die Production und diese gegen das Geld so ent­ stehen dadurch eigene Verwickelungen und Verhältnisse , die auf Noth­wendig­keit begründet | sind . Die Willkühr selbst ist ein Moment das bey Berechnungen über nationalökonomische Verhältnisse berücksichtigt werden muß  ; durch Verdoppelung einer Abgabe , verdoppelt sich keinesweges der Ertrag derselben . Das Wollen der Menschen bringt bey manchen abstract ganz richtigen Berechnungen bedeutende Veränderungen hervor . Nach einer andern Seite faßt sich nun das bunte Getreibe gleichfalls in allgemeine Massen . Solche Massen , die sich zu einem System bilden , sind das was zunächst Stände genannt wird . Stände haben dann noch eine später zu erwähnende Bedeutung . Es ist schon über die Seichtigkeit der Forderung einer allgemeinen Gleichheit der Menschen untereinander gesprochen worden . Ein Unterschied | der Stände ist überhaupt nothwendig , der Unterschied gründet sich hier darauf daß die Bedürfnisse und die Art ihrer Befriedigung sich gegeneinander spezi­ fiziren . Der erste Stand ist nun der unmittelbare , der Stand des substantiellen Lebens . Der zweite Stand ist dann der formelle Stand überhaupt , oder der reflektirende , der Stand der Besonderheit  ; der dritte ist dann der allgemeine Stand , der das Substantielle ebenfalls zu seinem Zwecke hat , aber nicht mehr auf unmittelbare Weise . Dem allgemeinen Stand fällt die Arbeit im Staate vorzüglich anheim . – Was nun den ersten Stand betrift , so sehen wir den Unterschied überall in der

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stehen sich so entgegen . Der Größte Consument ist der Staat[ .] Er consumirt vieles ohne daß er etwas

30 der Art hervorbringt  : ZB . das Schießpulfer wird verschoßen es ist eine lezte Consumtion wie er deren

sehr vieles hat . / | Das Recht – die Sicherheit etc[ .] sind producirend und consumirend . Diese Consumtion muß vornemlich durch Abgaben gedekt werden .   16–18 Nach einer … wird .] Ri  : Nach einer anderen Seite faßt sich dieses bunte Treiben in allgemeine Maßen , die an sich einen ganzen Zu­ samenhang bilden . Diese Sisteme – die so ein allgemeines ausmachen sind das was S t ä n d e genant 35 wird .   19–20 Es ist … worden .] Ri  : Man kann es nicht 1× eine Absurdität nennen , wenn man es hierin gleich machen will .   21–23 der Unterschied … spezifiziren .] Ri  : Die Unterschiede gründen sich darauf daß die Art und Weise der bedürfniße und damit die Art der Arbeit und bildung sich g e g e n 1ander specificiren .   28–468,2 Was nun … zugetheilt  ;] Ri  : Diese unterschiede sehen wir in der 20 Gleichheit] Gleich / heit   28 betrift , ] betrift .   30 wird] wirt   32 Abgaben] Abggben  

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Wirklichkeit nothwendig hervortreten . Eben so die beyden anderen Stände . Die Individuen sind nun denjenigen Ständen , die sich selbst machen , zu­ge­theilt  ; sie  | handeln dabey nach ihrem Zwecke und ihrer Besonderheit , und schließen sich diesem oder jenem Stande an . Die Freyheit ist hier immer nur ein Formelles . Das Individuum wählt seinen Stand einerseits , andererseits hängt diese Bestimmung aber auch eben so sehr von äußern Umständen ab . Nirgends ist indeß hier eine schlechthin unübersteigliche Naturnothwendigkeit . Die Bestimmungs Gründe einen oder den andern Stand zu ergreifen können nur sehr zufällige seyn . Was ein Stand ist und was die Beschäftigungen desselben sind , das erfährt man eigentlich erst , wenn man demselben schon angehört . Es ist überhaupt nur die Form der Freyheit , die sich so bey der Wahl des Standes zeigt . Das härteste Verhältniß | kann nun der Mensch finden , wenn er durch die bloße Geburt zu einem Stande bestimmt ist , wie dies bey der Kasteneintheilung der Fall ist . Man braucht nur dieses von den alten Aegyptiern und von den Indiern zu wissen , um einzusehen , daß diese es in freyer Bildung durchaus nicht weit können gebracht haben . Daß die Geburt im Staate auch ein nothwendiges Moment ist werden wir späterhin beym Staate sehen . – In Indien muß jeder eine große Anzahl von Dienern halten , weil ein jeder eine eigne Sphäre der Beschäftigung hat , aus der er nicht herauskann . – Der erste Stand wurde als der unmittelbare oder der substantielle bezeichnet . Der Stand bezieht | sich hier wesentlich auf die Bedürfnisse und die Befriedigung derselben . Dies ist der ackerbauende Stand . Man kann sagen , der Bauer hat nicht sowohl Vermögen , sondern die substantielle Familie hat ein Gut . Es ist ein Boden überhaupt , den dieser Stand bearbeitet ein Festes und Sicheres , wo die Form die dem Material gegeben wird , das Wenigste ist . Die eigene Reflexion ist also bey dieser Production überhaupt die untergeordnete , die Mittel werden empfangen wie das organische Leben der Natur sie an die Hand giebt . Pflanzen ,

Wirklichkeit  : In jedem Staat ist der Akerbau – dann sind Städte[ .] Diese Stände theilen sich in die Individuen[ .]  5–10 andererseits hängt … angehört .] Ri  : Diese bestimung hängt andererseits auch von äußerlichen Umständen ab  : ob man tauglich sei  : so hängt es vom Vermögen ab , von dem Wunsch der Eltern – zufällig hat man es in seiner Jugend gethan und gekonnt Vorliebe dafür . Die Vorher­ gehende Vorstellung ist eine allgemeine unbestimte .   11–13 Das härteste … ist .] Ri  : Das Härteste Verhältniß kann der Mensch finden indem er reflectirenden Verstand zeigt und man ist gezwungen das oder das zu thun . Man erinere sich nur an den Kasten Geist der Indier .   17–19 In Indien … herauskann . –] Ri  : Auf jeden Fall muß die Wahl dazukommen , um ihm die Form zu geben –   22 Dies ist … Stand .] Ri  : der Erste Stand | ist der Akerbauende , dieser hat es mit der Natur bloß zu thun .   25–27 Die eigene … giebt .] Ri  : Die bäume etc[ .] das Vieh muß auch gepflegt werden aber das Formieren macht das geringste aus . Was die Natur giebt ist das Hauptmoment – Die erste Weise 12 einem] einen   14 zu] zu zu   29 hängt] hgt ab   32 unbestimte] un / bestimte   33 er] s .  

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Säen und dergleichen sind allerdings auch Weisen , die dem Verstande angehören , aber sie sind das weniger wesentliche . Diese Cultur kann | nun auch auf künstlichere Weise getrieben werden , so daß der Ackerbau mehr als Fabriksache getrieben wird  : Demohngeachtet bleibt das Geschäft immer einfacher Art . Der Ackerbau ist hier überhaupt die wesentliche Weise  ; der wilde Jäger führt sein schweifendes Leben  ; er hat kein freies Leben und er hat von der Natur nur die allgemeine Möglichkeit , sie in Besitz zu nehmen . So auch zum großen Theil bey der Viehzucht . Erst durch Ackerbau kommt der Mensch zur Ruhe und es tritt hier erst das wahre Eigenthum ein . Nomadenvölker geben dem Boden noch keine Form , daß er das Ihrige ist , wird nicht objectiv . Bey dem Ackerbau sind die vollen Charaktere | des Eigen­­thums vorhanden . Der Ackerbau macht die vernünftige , vollständige Weise aus , in der der Begriff des Eigenthums realisirt ist . Es haben deshalb mit Recht die Völker die Stiftung des Ackerbaues in ihren Traditionen als eine göttliche Stiftung bewahrt . Creuzer im 4ten Bande seiner Mÿthologie hat diese Seite der Mythen besonders behandelt . Bey der Ehe wurde erwähnt , daß diese überhaupt erfordert ein dauerndes , sicheres Eigenthum , dieses ist vornemlich vorhanden im Besitz von Grund und Boden . Die Veränderungen , welche beym Besitz des Grundeigenthums stattfinden , sind im Vergleich dessen was bleibt , unbedeutend . Es ist überhaupt die eigne Reflexion weniger | die beym Ackerbau die Vermittelnde ist  ; die Grundlage der Gesinnung ist da­ mit bestimmt  : es ist so und man muß sich nach dem in seiner Beschäftigung richten , was sich ohne den Willen als eine äußere Nothwendigkeit darbietet . Die Gesinnung ist damit eine substantiellere , Liebe , Zutrauen , Glauben , machen hier den HauptCharakter aus . – In Ansehung dessen , was zu vollbringen ist , ist es vornämlich das Verhältniß des Zutrauens und des Gehorsams in dem sich dieser

betrift ihre bedürfniße – diese haben ihren Ort an dem Boden – Naturprodukte –   3–7 so daß … nehmen .] Ri  : Bei dieser Vergrößerung des künstlichen trägt das ganze Geschäfte doch ein 1faches überhaupt an sich – es giebt andere Weisen als den bloßen Akerbau[ .] Es giebt Jäger Völker – Fischervölker – Der Akerbau ist aber die wesentliche Weise . Der Jäger hat ein schweifendes Leben – kein festes Eigenthum das Eine mal Überfluß das andere mal bitteren Mangel .   9–13 Nomadenvölker geben … ist .] Ri  : Die Nomaden Völker ebenfalls – diese Weise ist ebenfalls eine unbestimte . Der Boden ist ein Allgemeines Vermögen er enthält die bloße möglichkeit . Als dies | feste und sichere ist er ein bestimbares und unterscheidbares . Das Eigenthum bestimt sich genau hieran , und es kann eben so zugleich formirt werden . Es ist hier Privat Eigenthum gesezt , deßwegen macht der Akerbau dieses vernünftige Eigenthum aus .   17–22 Die Veränderungen , … darbietet .] Ri  : Der Akerbau ist auch an die Epochen der Natur gewiesen so auch auf die Vorsorge für die Naturepochen die bevorstehen . Es ist die eigene Reflexion die weniger mit bestimt ist . Es ist die einfache Gesinung daß man 7 in] im   14 Creuzer] Krüger   19 weniger] nur als Reklamante   22 darbietet] anstelle einer Text­ lücke  

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Stand behauptet . Da wo die Reflexion bey diesem Stande eintritt , da zeigt sie sich als eine gewisse unnütze Pfiffig­keit , als Mißtrauen wo gar kein Grund dazu da ist . – Das fein ausgebildete Privatrecht ist nicht für diesen Stand , er | bedarf eine einfachere , sich mehr auf Glauben und Zutrauen gründende Rechtspflege . In Rücksicht der religieusen Bildung hat dieser Stand den Anspruch zu machen , daß nicht eine breite Gelehrsam­keit vor ihm ausgelegt wird . – Der weitere Stand ist der Stand der Reflexion . Er steht in der Sphäre wo die Formirung der Naturprodukte die Hauptsache ist . Dieser Stand kann im Allgemeinen der Stand des Gewerbes genannt werden . Die Arbeit dieses Standes ist eine weniger concrete , und es hängt mehr von seinem eigenen Willen , seinem eigenen Fleiße und seiner Arbeitsamkeit ab . Das Vermögen , aus dem dieser Stand seine Subsistenz bezieht ist hauptsächlich die Geschicklichkeit | der Individuen und die ganze Verschränkung der bürgerlichen Gesellschaft nach ihren Bedürf­ nissen , dieser Stand ist im Felde des Beweglichen überhaupt . Dies giebt nun also dem Stand , seiner Gesinnung , seiner Art und Weise eine andere Gestalt als die beym ersten Stande bemerkt wurde . Das Individuum kommt zur Reflexion in sich  ; einerseits ist dasselbe abhängig von außen , aber andererseits macht dasselbe sich unabhängig . Das Bewußtseyn der Freyheit tritt hier entscheidend hervor . Die Rechtspflege wird hier zusammengesetzter . Zunächst ist der gemeine Handwerker zu erwähnen  ; dieser ist noch auf eine concretere Weise beschäftigt . Er arbeitet für die Bedürfnisse anderer Einzelner  ; der Fabrikant macht die zweite Stufe  ; seine Arbeit ist abstracter und er arbeitet nicht für Einzelne . Die dritte Stufe | ist denn die des Handelstandes . Das Geld , das allgemeine Tauschmittel , hat hier seine vorzüglichste Bedeutung . Bey diesem zweiten Stande ist es über-

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sich richten muß nach dem was ist .   1–3 Da wo … ist .] Ri  : Trit dieser Verstand mehr zum Gedanken heraus so wird dieser Verstand etwas täppisches , unnüze Pfiffig­keit – Mißtrauen . Indem dieser Verstand innerhalb der substantiellen Gesinnung stehen bleibt so muß auch darauf Rüksicht genomen werden   9–20 Die Arbeit … erwähnen  ;] Ri  : von dem was er arbeitet braucht dieser das wenigste für sich[ .] Es ist die Stufe der Vermitlung – Seine arbeit ist also nicht eine substantielle – er hängt mehr von seiner eigenen Geschiklichkeit ab . Das Vermögen aus welchem dieser Stand seine existenz zieht ist die Geschiklichkeit und die ganze Verschränkung der bürgerlichen Gesellschaft . Das ist der Grund und boden aus dem dieser seine Subsistenz zieht[ .] Sein Verstand ist auf höhere Bildung angewiesen . Seine Bildung muß eine andere Form haben – Er selbst ist es der gebildet werden soll[ .] Die Reflexion in sich – das Wißen von sich selbst das Wißen von seinem Zwek[ .] Das Bewußtsein des Rechts wird ein starkes Moment . Der erste Stand vergißt das Unrecht eher – es vernarbt die Ver­ lezung der persönlichkeit leichter[ .] | Hier wird die beleidigung stärker empfunden – Es wird hier auf die Unterscheidungen größeres Gewicht gelegt[ .] Die erste Stufe ist das eigentliche Handwerk .   22–471,4 Die dritte … widmet .] Ri  : Die 3te Stufe ist dann den Tausch zu vermitteln – Kaufmannsstand[ .] Das Geld ist denn auch dieses was hier nothwendig eintrit – – Dem ersten Stand ist es nur

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9 dieses] dieser   13 ihren] ihrem  

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haupt auf Gewinn abgesehen , während es beym ersten Stande nur darauf ankam zu leben . Das dritte Geschäft ist dann das Allgemeine  ; dieß ist der Stand der sich den Interessen des Gemeinwesens und des Staats als solchen widmet . Dieser Stand muß der directen Arbeit für die Bedürfnisse überhoben seyn  ; entweder durch Privatvermögen oder durch Schadloshaltung vom Staate . – Dies sind nun die Weisen der Beschäftigung , die sich für sich selbst einfinden , und die in der Natur der Sache liegen . Die im Begriff vorhandenen Unterschiede treten auch in die Wirklichkeit heraus . Der | hier statt findende Unterschied ist nicht als ein Unglück , noch als eine Anmaßung anzusehen , die sich die Einen gegen die Andern herausgenommen haben . Die Individuen sind übrigens gar nicht die Hauptsache , sondern die Vernunft ist es , deren Unterscheidungen sich dann geltend machen und die sich die Individuen zutheilen . Alle sollen ja nicht alles treiben . – Die sittliche Gesinnung im Individuo ist überhaupt die Recht­schaffen­heit , das zu thun , was die Stellung auf die das Schicksal und die eigene Wahl das Individuum gestellt haben , mit sich bringt . Das weitere ist dann die Standesehre , die darin besteht , das zu erfüllen was dem Stande eines jeden zukommt  ; das Individuum kann nur etwas seyn , indem es von | den Andern anerkannt ist . Nur dadurch kann das Individuum seine Stelle ausfüllen . Ein Jeder ist das was er ist nur insofern er es in der Vorstellung der Andern ist . Erst durch dieses Moment der Anerkennung in der Vorstellung der Andern hat das Individuum sein Daseyn . Die Ehre des Individuums ist , einem Stande anzugehören , und darin anerkannt zu werden . Der Stand selbst hat für sich seine Ehre . – Das System der Bedürfnisse bleibt so überhaupt eine Vereinigung von Freiheit und Abhängigkeit . Beyde schlagen in einander über .

darum zu Thun zu leben und zu haben – Der 2te will reich werden das hat an und für sich weiter keine Grenzen[ .] Der 3te Stand ist der Allgemeine Stand  : der intereßen der Gesellschaft überhaupt sofern es allgemeine sind – Der Stand welcher sich dem Gemeinwesen wiedmet –   6–8 Dies sind … liegen .] Ri  : Er muß die befriedigung seines Intereßes das er als besonderer hat finden[ .] Dieses sind also diese Verhältniße die sich in der Natur selbst finden –   12–13 sondern die … zu­thei­len  .] Ri  : sondern die Unterscheidungen des Begriffes die Individuen theilen sich dies dann erst zu .   16–17 Das weitere … zukommt  ;] Ri  : das 2te moment ist die S t a n d e s e h r e . / Man ist nicht ein Mitglied an und für sich sondern man muß sich zu einem Mitglied machen – Dadurch daß die Arbeiten unterschieden werden erhalten sie die Form der Allgemeinheit . So auch das Individuum muß seine besonderheit zur Allgemeinheit erheben .   20–472,4 Erst durch … Rechts .] Ri  : Das ist das Nothwendige Moment der Standesehre – erst durch dieses Moment hat er erst sein Dasein , und erreicht seinen Zwek . Der Standessinn hat eine Ehre er hat ein Gelten in der Vorstellung jeder ist ein Glied des Ganzen – dadurch 4 solchen] solcher  5 für] für / für  16 haben] hat  Standesehre] Standes / ehre   18 von] von | von   27 intereßen] in / treßen   37 Ganzen] Ganzes  

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In das System der Bedürfnisse scheint nur die Freiheit hinein  ; das Freye ist mit dem Stoff vermischt . Die Reflexion des Freyen in sich ist | das Setzen und Wollen seiner als eines Freyen . Insofern die Freyheit ein Daseyn hat als freye Persönlichkeit , so ist dies die Stufe des Rechts . Von jener nur scheinenden Freyheit und Allgemeinheit , ist die nächste Wahrheit die sich auf sich beziehende Freyheit . Die substantielle Grundlage des Ganzen ist das Recht des Eigen­thums . Das System der Bedürfnisse und dessen Verwickelung kann gar nicht bestehen ohne das Recht . Die größte Beförderung , die man der Industrie zu Theil werden lassen kann , ist eine stricte und feste Rechtspflege . Dazu gehört weiter als Grundlage , daß das Eigenthum in seiner vollständigen Wirklichkeit vorhanden sey . In einem Lande , wo Sclaven und Leibeigene sind , kann deshalb nichts gedeihen . – Wir haben es aber auf dieser zweiten Stufe nicht mehr mit | dem Rechte als solchem bloß zu thun sondern mit der Verwirklichung des Rechts . Zum Rechte für sich kommt jezt das Daseyn hinzu . Diese zweite ganze Sphäre der Sittlichkeit ist das Auseinandertreten der Sittlichkeit . Es erheben sich durch die Arbeit die Individuen zur Allgemeinheit . Damit das Recht wirklich ist , dazu muß der Boden dadurch geebnet seyn , daß die Individuen dafür empfänglich sind . Dies geschieht nur durch das Thun des besondern Willens , dieser ist durch das System der Bedürfnisse dargestellt . Durch dieses System der Bedürfnisse ist erst überhaupt das unbestimmte Bedürfniß des Rechts vorhanden . Wenn in einem Volke die Sorge für das Bedürfniß erwacht , so liegt darin auch zugleich der Wille , | ist es etwas wahrhaftes – / Freiheit in dieser Sphäre ist zugleich Abhängigkeit aber | durch diese bildung ist sie wieder Frei – / Die 2te Sphäre ist die Sphäre der Rechtspflege da scheint die Freiheit nur hinein . Die reflexion des Freien in sich ist das Sezen des Freien als eines Freien . Die Freiheit in sofern sie dasein hat aber nicht das scheinende Dasein sondern als freie Beziehung auf sich selbst ist die Stufe des Rechts –   6 Die substantielle … Eigenthums .] Ri  : Die ganze Vermittlung daß die Individuen die Bedürfniße durch arbeit befriedigen – dazu ist die substantielle Grundlage das Eigenthum .   8–9 Die größte … Rechtspflege .] Ri  : Die Größte beförderung der Freiheit ist eine stricte unpartheiische Rechtspflege  ; ohne das ist alles schwach .   10–19 In einem … dargestellt .] Ri  : An einem Ort wo Sklaven gelten wird die Industrie stets zurükbleiben – was allem zugrunde liegt daß ich als besonderer mich verwirkliche , weil das fehlt . Das Recht des Eigenthums ist was die Grundlage der 2ten Stufe ausmacht . Aber wir haben es hier nicht bloß mit dem Recht als Recht zu thun sondern hier ist die Verwirklichung an der Stelle die Rechtspflege – Zu dem Rechte für sich | kommt hier noch der begriff deß Daseins[ .] Die Sittlichkeit hat die Momente in sich – Freiheit als solche und 2 . Verwirklichung . Seine Verwirklichung besteht mehr darinn , die Bildung des besonderen Willens zum allgemeinen zu dem sich die Indi­ viduen erheben . Daß das Recht wirklich ist dazu muß die Sphäre der Wirklichkeit so be­schaffen sein daß es empfänglich ist für das Recht und 2tens daß es das Recht will . Das ist nun nichts anderes als das besondere Wollen wo das Recht zu seiner Wirklichkeit komt – das Bedürfniß ist also der besondere Wille und der Boden also auch des Rechts überhaupt .   20–473,1 Wenn in … sey .] Ri  : Indem in einer Familie die Sorge erwacht für die Zukunft darinn liegt unmittelbar daß was ich habe das Meinige bleibe .   1 das1] dem   3 freye] feste  13 solchem] solchen  36 sein] ist  

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daß das Erworbene ein Gesichertes sey . Die eigentliche Rechtpflege tritt erst auf einer gewissen Stufe der Ausbildung des Gemeinwesens hervor , wie dies auch geschichtlich zu zeigen ist . Im patriarchalischen Zustande hat das Recht noch nicht seine eigentliche Bedeutung . Im orientalischen Despotismus ist das Recht noch etwas ganz untergeordnetes . Das System der Bedürfnisse ist so eine wesentliche Bedingung zum Hervorgehen des Rechts . Dafür müssen es sich die Menschen sauer werden lassen , daß das Recht auf diesem zerarbeiteten Boden hervorgehe . Die Bildung macht , daß das Individuum als Person aufgefaßt wird , nach seiner Allgemeinheit . – Die unmittelbare empirische Anschauung betrachtet den Andern nicht als Person . Dies geschieht erst durch das | Denken . Die Individuen wissen sich jezt nach ihrer Persönlichkeit . Es ist dies ein großer wichtiger Schritt , daß die Menschen dahin kommen , sich in einer großen allgemeinen Bestimmung zu betrachten . Man hat so gegen den Kosmopolitismus zwar auf der einen Seite mit Recht losgezogen , insofern der Einzelne bey der allgemeinen Abstraktion stehen bleibt  : aber es ist auch von der höchsten Wichtigkeit , daß der Mensch sich seiner nach seiner substantiellen Seite bewußt wird . Bey den Griechen und Römern war es nicht der Fall , daß man daran dachte daß der Mensch schlechthin als solcher Anerkennung verdiene . Später ist wieder der Unterschied zur Ungebühr hervorgehoben worden , und man hat nach Juden und Christen , | Engländern und Franzosen gefragt , mehr als nach dem Menschen . Indem also der besondere Wille es ist der das Allgemeine denkt , das Allgemeine will , so erhält hiermit das Recht sein Daseyn . Was Recht an sich ist , wird hiermit verwirklicht . – Insofern nun Collisionen entstehen so ist das Recht herzustellen und zu behaupten , und dies ist die Rechtspflege überhaupt . Das Recht soll jezt zum Gelten kommen , eine Macht haben als Wirklichkeit . Dieses Wissen vom Gelten des Rechts ist dann wieder ein Bestimmendes daß es gilt . –

3–5 Im patriarchalischen … untergeordnetes .] Ri  : Im patriarchalischen Zustand ist das Eigenthum auch alleine man rechtet nicht mit ein ander sondern fürchtet sich vor 1ander . Ebenso im Orientalismus . In dieser substantiellen Einheit ist das Gelten des Rechts untergeordnet – das | Eigenthum wird dem Individuum nur g e l a ß e n  .   8–10 Die Bildung … Denken .] Ri  : Es ist was wir im Begriff gesehen haben  : Ich bin als Person da – die Bildung macht es daß das Individuum als person aufgefaßt wird . Erst indem das Einzelne bewußtsein dazu gekomen ist das Allgemeine aufzufaßen ist es möglich daß es gedacht ist daß es also für ein anderes gilt . In Der unmittelbaren empirischen Anschauung (im Sistem der Liebe etc[ .]) ist die Person nicht als Person betrachtet –   15–18 aber es … verdiene .] Ri  : aber man muß nicht aufs andere Extrem fallen . Es ist dies ein ungeheurer Schritt der bildung , daß man einen als Menschen schon als Person betrachtet . Bei den Griechen und Römern war das nicht[ .] | Es ist großer Fortschritt daß man das daß man Mensch ist zum höchsten gemacht hat .   20–24 In­dem also … überhaupt .] Ri  : Die Form der Bildung  : das Allgemeine überhaupt aufzufaßen ist ein 11 nach] noch   28–29 Orientalismus] Orientalis / mus  

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Es soll also überhaupt g e w u ßt werden , was Recht ist . Das was Recht ist , soll gesetzt werden , d . h . es sollen G e s e t z e vorhanden seyn . | Das Recht soll ein positives werden , das an sich Rechte soll überhaupt wirklich seyn . Die erste Form dieser Wirklichkeit ist , daß es für das Bewußtseyn vorhanden sey . Was an sich Recht ist , soll als Gesetz vorhanden seyn , als Gegenstand des Bewußtseyns . Ohne Denken geht es auch hier nicht ab . Indem das Rechte gedacht wird , so erhält es die Form seiner Allgemeinheit[ .] Man unterscheidet bey den Gesetzen , inwiefern sie Gewohnheitsrecht sind oder anderweit vorhanden . Unter Gewohnheit ist jedoch nicht an ein Instinctmäßiges zu denken wie bey den Thieren . Bleibt es bey dem bloßen GewohnheitsRecht , und ist es nicht ein geschriebenes Recht , und als System in sich | ausgebildet , so bleibt die Allgemeinheit des Gedankens noch ein Getrübtes . Das Gewohnheitsrecht ist auch ein geschriebenes , und unterscheidet sich vom eigentlich geschriebenen nur dadurch , daß es eine inconsequente Sammlung ist . Daß das Recht als Gedanke bestimmt , daß es objectiv gemacht und zum Gegenstand des Wissens wird , ist das Recht des Geistes überhaupt . Das Recht erhält dadurch daß es zum Gedanken wird , erst seine wahrhafte Bestimmtheit . Insofern er nur ein Inneres ist , so ist es mit der subjectiven Besonderheit behaftet . Sogenannte Gewohnheitsrechte sind selbst ein Gewußtes , nicht bloß ein Instinkt­ artiges . Was Gewohnheit ist , hat indeß nicht sowohl den Charakter eines vorgeschriebenen , als eines von | Allen Gethanen . Das Allgemeine an und für sich ist das Allgemeine des Gedankens . Die Form des Gewohnheitsrechts kommt aus einer ungebildeten Zeit her , wo man das Allgemeine nur so nahm als etwas das

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­Wesentliches Resultat dafür daß der besondere Wille , das Recht Person zu sein geltend machen kann . Das Wißen und Wollen des besonderen Willens ist das Dasein des Allgemeinen . Die Rechtspflege hat zu ihrer Grundlage daß das Recht durch den besonderen Willen gewolt wird . Natürlich entsteht der Schein eines Unrechts in Collisions fällen .   1–2 b , D i e … ist .] Ri  : Es ist durch den besonderen Willen nur diese Macht . / Das erste Moment ist  : daß das was Recht ist überhaupt gewußt werde und ausgeprochen sei .   5–10 Was an … Thieren .] Ri  : sie müßen gesezt sein , sie müßen bekannt gemacht werden . Die Geseze im allgemeinen sind nothwendig – Geseze machen heißt was an sich recht ist denken , zum bewußtsein bringen – eben damit erhält das was Recht ist die Form seiner Allgemein­ heit erst dadurch ist es fähig seine wahrhafte bestimtheit zu erhalten . Das ist die Nothwendigkeit eines Gesezes oder Gesezliches[ .] Man unterscheidet Gewohnheits Recht  : es ist nicht wie ein Instinkt bei den Thieren es muß gewußt sein[ .]   18–19 Insofern er … behaftet .] Ri  : Ist es nur ein inneres so ist es eine subjektive Besonderheit – natürlicher Wille , Trieb – Herz . Erst in dem es gedacht wird wird es befreit von diesem bloß zufälligen[ .]  23–475,3 Die Form … Abweichungen .] Ri  : wenn es auch 17 überhaupt] über / haupt   23 Gewohnheitsrechts] Gewohnheitsrechts ,   28 fällen] fällen ent­ stht  30 sie1] sc . die Gesetze  

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Alle thun , noch nicht als etwas an und für sich vorhandenes . Bey einem ­bloßen Gewohnheitsrecht entstehen wegen der Zufälligkeit des Wissens vielfältige Abweichungen . Sonst ist das , was bey gebildeten Nationen Gewohnheitsrecht genannt wird , auch ein Aufgeschriebenes und Gesammeltes . Droit coutumier bey den Franzosen . Der Unterschied ist nun der , daß so etwas eine unförmliche Sammlung ist , unförmlich besonders dadurch , daß das Allgemeine nicht herausgehoben , und das Besondere nicht in seiner Unterordnung | unter dasselbe und unter einander gesetzt ist . Auf diese Weise entsteht eine große Verwirrung . So machen die 12 Tafeln , die Senatusconsulte , die responsa juris consultorum pp ein buntes Gemenge , das in Teutschland noch viel ärger geworden ist . So hat es sich gemacht , daß man bald diesen , bald jenen großen Glossator citiren konnte . In England ist auch so eine Art von Gewohnheitsrecht , das das ungeschriebene Gesetz heißt , es ist indessen studirt . Blackstone sagt , man brauche , um sich in dasselbe hineinzustudiren , wenigstens 20 Jahre . Kein Gericht ist eigentlich an die Entscheidung vorhergehender Gerichte gebunden , sondern es ist die Autorität , welche nach dem ungeschriebenen Gesetze entscheidet . Kenner | der englischen Rechtswissenschaft können die Verwirrung , die aus dem dortigen Zustande der Gesetze entsteht nicht groß genug schildern . Wenn in einer Nation kein Gesetzbuch vorhanden ist , so ist weiter nichts zu thun , als daß sie eines macht . Man kann dabey nun wohl zunächst die Vorstellung haben , es solle etwas ganz Neues erfunden und entdeckt werden , allein es ist nur darum zu thun , das Vorhandene und bereits Geltende auf eine bestimmte und verständige Weise zu ordnen . Neues dem Inhalte nach braucht in ein solches Gesetzbuch gar nicht zu kommen . Einer gebildeten Nation die Fähigkeit zu einem solchen Gesetzbuch zu gelangen abzusprechen , heißt dieselbe aufs äußerste beschimpfen . – Die | Gesetze müssen nun viele nicht so nehmen so ist es doch das Gehörige . Seinem Inhalt nach ist das Gewohnheits Recht auch ein solches gewußtes – als Gewohnheits Recht ist es aber ein getrübt gewußtes[ .] Daß man es so weis  : die Älteren z . B . das ist eine unvollkomene Art der Existenz .   6–8 unförmlich besonders … ist .] Ri  : so daß die principien in Concreten Fällen mehr ausgedrükt und enthalten sind und so ist es oft unvollkommen . Aus dieser Weise entsteht große Verwirrung in Ansehung der Gesezgebung . In Rom hat das ein Kayser sinreich gemacht .   12–18 In England … schildern .] Ri  : In England ist auch ein solches Gewohnheits Recht das das ungeschriebene Gesez heißt , das aber doch geschrieben ist[ .] / | Es sind dann decisionen verschiedener Gerichts höfe etc . Es ist kein gericht an die Autorität vorher entscheidender gebunden – es hat nach jenen Principien zu sprechen – Es ist das Gericht ebensowohl ein souveraines . Kenner können diese Verwirrung nicht genug schildern . Es ist das der traurigste Zustand in welchem sich rechtliche und gerichtliche Verfaßung befinden könen .   25–476,8 Die | Gesetze … gepriesen .] Ri  : Das Recht des bewußtseins eines solchen Gesezbuchs ist , daß jeder das Recht kennt . Wenn die Sprache fremd ist – oder die folianten zu stark sind etc[ .] so ist dies der Fall

1 einem] einen   13 heißt ,] heißt .   14 die] der   29 sind] ist   30 entsteht] untstht   34 Principien] Prin / cipien   40

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ferner bekannt gemacht werden . Erzählung vom Dyonisius dem Tyrannen , der nach Gesetzen strafen ließ die auf Tafeln geschrieben waren , die so hoch hingen , daß sie niemand lesen konnte . Wenn ein Gesetzbuch in einer fremden Sprache geschrieben ist , oder wenn eine Menge von Glossatoren und Rechtsgelehrten nachgeschlagen werden müssen , so ist dies derselbe Fall wie beym Dionysius , de te narratur fabula . Fürsten die ihren Völkern Gesetzbücher gegeben haben , und wenn es auch nur wenige vollständige Compilationen sind , wie die des Justinians , werden mit Recht als Wohlthäter ihrer Völker gepriesen . Ja es ist ein absolutes Recht , das Gesetz auf eine solche Weise | zu erhalten . Wo die Gesetzeskunde nur in den Händen der Gelehrten ist , da sind diese Gelehrten die Herrn der Uebrigen , die einem Schicksal das ihnen fremd ist , und das sie nicht kennen , unter­worfen sind . Die Gelehrten mögten wohl wünschen , daß alle die Schriften der alten römischen Juristen aufbewahrt wären  ; allein dem Leben liegt nichts daran . Der Code Napoléon wird da , wo er eingeführt ist , immer noch als eine Wohlthat anerkannt , daß dieses Gesetzbuch fertig geworden ist , ist wenigstens das Werk Napoleons , wenn auch schon dessen materieller Inhalt ihm nicht angehört . Dazu daß ein Gesetzbuch fertig wird , gehört ein Regent | die Juristen allein würden nicht fertig . Es ist überhaupt die üble Gewohnheit der Teutschen , niemals fertig werden zu können . Schlechtes Wetter ist immer besser als gar kein Wetter . Daß man bey einer feyerlichen Gelegenheit den Code Napoléon verbrannt hat , kann als eine traurige Erscheinung unter unserer Jugend betrachtet werden . Wie Luther die römische Bulle verbrannte , da galt diese noch in Teutschland und deshalb war dies eine muthige Handlung . Es kann einem die Fabel vom Esel einfallen , der den todten Löwen trat . – Ein großer Theil derer die gegen den Code Napoléon geschrieben und geschrieen haben , haben wohl gewußt , was ihnen gefährlich ist . Der Code Napoléon enthält jene großen Principien der Freyheit | des Eigen­thums , und der Beseitigung alles dessen , was aus der Feudalzeit herrührt . Die Form daß das Recht Gesetz ist , ist eine wesentliche Form . Wenn man also fragt , was ist jezt Recht , nach welchem Recht kann ich behandelt werden , so ist

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wie bei Dionysios der die Tafel zu hoch hängte so daß es niemand lesen konte . | Überall wird ein Fürst als Großer Wohlthäter betrachtet der seinem Volk ein gesezbuch giebt . So Justinian so Friedrich der Große .   12–19 Die Gelehrten … können .] Ri  : Die Universität ist nichts anderes als daß das Instrument zur Herrschaft von anderen auch erworben werde . Der Code Napoleon so sehr das Individuum haßenswerth erscheint so sehr war dieser eine Wohlthat und das Buch hat man verbrannt . 35 Man wird imer etwas daran zu tadeln finden – Es muß recensirt werden – recensiren heißt nichts anderes als nun zu zeigen daß man noch gescheider sei als die anderen und das zu zeigen zerarbeitet sich der Recensent . – Es kann einem die antwort der Frau einfallen  24–29 Ein großer … Form .] Ri  : Es wäre eine Art | von Tapferkeit gewesen wenn man das corpus Juris verbrannt hätte . Im Code Na­poleon ist alle Leibeigenschaft abgeschaft etc . und daraus kann man abnehmen warum so viel dage­ 40



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die Antwort  : das was Gesetz ist . Es kann nun allerdings in dem , was als Gesetz besteht , auch die Besonderheit ihren Einfluß üben , und somit das was Recht ist an sich , verschieden vom Gesetz seyn . In der Philosophie haben wir aus dem Be­ griff der Freyheit zu entwickeln was Recht ist  ; die positive Rechtswissenschaft aber hat die Autorität zu ihrem Princip und sie hat sich an das zu halten was historisch vorhanden ist . Sprechen | solche positiven Gesetze mehr das Concrete aus , so kann es ein Geschäft seyn , das Allgemeine herauszuheben , und eben so kann es Geschäft des Juristen seyn , aus den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen das Besondere zu entwickeln , so daß es hier immer genug zu thun giebt . Das Recht wie es wirklich in einem Volke ist , kann so auf den Zustand seiner Gesetzgebung vielen Einfluß gehabt haben  ; besonders ist es der Zustand der Bildung der hier wichtig ist . Der Begriff des Rechts bleibt in seiner Allgemeinheit stehen , aber es wird ­weiter eine letzte Bestimmung dabey erfordert . Die qualitativen und quantitativen Bestimmungen des Besondern gehen schon dem Begriff nichts mehr an . Das positive Gesetz muß in seinen Bestimmungen diese | letzten Entscheidungen enthalten . So muß ein Termin für die Majorennität festgesetzt werden und ist die Bestimmung eines solchen Termins nicht vom Begriff zu verlangen . Eben so ist es mit der Dauer einer Strafe , daß auf ein solches Verbrechen z . B . zwanzig Jahre Gefängniß gesetzt sind , ist eine Bestimmung die nicht unmittelbar aus dem Begriff hergeleitet werden kann .

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gen erschienen und geschrieen wurde . – Das Recht muß also gesezt sein , was als Recht verbindlichkeit hat hat es in so fern als es Gesezt ist –   1–3 Es kann … seyn .] Ri  : Es kann sein daß das was an sich Recht ist und das Gesezte verschieden ist[ .] Das Recht als Geseztes überhaupt ist das positive Recht . Im positiven Recht ist das Rechte das Gesezmäßige .   6–17 Sprechen | solche … enthalten .] Ri  : Man kann doch noch Thätig dabei sein . Man kann aus dem Concreten das Allgemeine heraus heben – so auch – das besondere zu deduciren  : zu zeigen daß es erschöpft – das besondere noch mehr zu vereinzeln[ .] | Den Inhalt des positiven Rechts kennen heißt es verstehen  : wißen was Rechtens ist . Das 262Ri Recht wie es wirklich noch in einem Volk ist so können nun viele auf diesen Zustand Einfluß gehabt haben – Das Volk kann ursprünglich schlechte Institutionen gehabt haben (Römer)[ .] Die Verfaßung ist der Mächtigste Grund wovon es abhängig werden kann . – Der Begrif für sich deßen was Recht ist bleibt in seiner Allgemeinheit stehen die Anwendung fordert eine Zuspizung bis auf die äußerste Bestimtheit . Daß z . B . eine Strafe angekündigt wird das erfordert eine Menge anderer Bestimungen . Das besondere geht die Begriffs bestimung nicht an . – Für Die Anwendung soll das Gesez bestimt sein – nach Zeit und Raum[ .] Das Positive Recht muß diese lezte Entscheidung ausdrüken , diese lezte Entscheidung liegt nicht in beiden .   17–18 und ist … verlangen .] Ri  : Der begriff kann die 25 Jahre nicht angeben das gehört dem positiven an . Für das Eine Individuum trit diese zu früh ein für das andere zu spät . Das Gesez bedarf einer bestimten Entscheidung[ .] | Es muß einen termin festsezen , es 263Ri kann sich nicht auf Examina einlaßen . Bei Fürstlichen Häusern ist das noch viel heruntergesezt[ .]  

40 10 einem] einen   kann so] kann über der Zeile mit Einfügungszeichen , versehentlich hinter so eingewiesen  

26 heben] z . heben  

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300A B

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Indem das Gesetz das Allgemeine ist , das auf die besonderen Fälle angewendet werden soll , so ist hier zugleich ein doppeltes mit einander im Verhältniß , das Allgemeine und das Besondere . Indem man die Allgemeinheit vom Gesetzbuch fordert , so liegt darin daß die Gesetze einfach seyn sollen , so daß sie leicht | gewußt werden können . Insofern nun die Gesetze nach der Seite des Daseyns gerichtet sind , so müssen sie auch das Besondere umfassen . Das Endliche ist das besondere Verhältniß , dieser endliche Stoff , eben weil er ein endlicher ist , vervielfältigt sich immer mehr , wie wir dies bey der Vervielfältigung der Bedürfnisse schon sehen . Für sich geht dieser endliche Stoff und somit auch die Forderung seiner Gesetzlichen Fortbestimmung ins Unendliche fort . Es ist hier wie bey aller Anwendung von etwas Allgemeinem . Es ist insofern ein leeres Ideal , wenn man von einem schlechthin fertigen Gesetzbuche spricht , welches alle besondern Fälle umfassen sollte . An und für sich geltend ist , | daß ein Gesetzbuch vorhanden , daß es den Bedürfnissen eines Volks gemäß sey . Bey einem Volke , dessen Handelsverhältnisse einfach sind , können auch die Gesetze über den Handel nur einfach seyn . Es heißt die Sache auf die lange Bank des unendlichen Prozesses schieben , wenn man verlangt , daß ein Gesetzbuch in jenem Sinn fertig seyn soll . Je mehr sich das Gesetz specialisirt , um so vollkommener wird es  ; aber es bricht dabey auch nach einer anderen Seite ein Uebelstand heraus , wie dies bey allen endlichen Dingen der Fall ist . Je mehr concrete Seiten an dem Verhältnisse durch die Bildung unterschieden worden sind , um so mehr giebt | es auch Rechtsgründe die zur Chikane gebraucht werden können . Es tritt damit vornämlich der Unterschied zwischen dem Buchstaben des Gesetzes und dem Geist des Gesetzes ein . Verbindlich ist in der Gesellschaft wie bemerkt wurde , wesentlich nur dieses was als Gesetz ausgesprochen ist , das Gesetz muß also zum Buchstaben werden . Als Buchstabe nun , d . h . als einzelne Bestimmung kann das Gesetz nun

5–7 Insofern nun … Verhältniß , ] Ri  : Der Stoff der Geseze ist die Besonderheit des Endlichen . Die Natur des Endlichen in der Bürgerlichen Gesellschaft sind diese Verhältniße[ .]  8–17 wie wir … soll .] Ri  : So ist in ansehung der Rechtlichen Verhältniße dies eben so der Fall . Die Gränze ist nicht zu ziehen – sie könen also nicht einfach sein[ .] Es ist hier ein Widerspruch vorhanden  : das Endliche ist seiner Natur nach nicht angemeßen dem Allgemeinen . Das Endliche läßt sich in sofern nicht erschöpfen . Ein Gesezbuch kann nicht ein s c h l e c h t h i n f e r t i g e s sein , um seines Stoffes willen – Es ist hier ein Incommensurables vorhanden . Es muß den Verhältnißen angemeßen sein[ .] | Das Gesez­buch muß also den Forderungen und der Bildung angemeßen sein . Aber Absolut fertig kann es nicht sein . Es ist das Feld einer Annäherung überhaupt .   20–22 Je mehr … können .] Ri  : Wenn der Verstand subsumiren will je mehr Unterschiedene Seiten bestimt sind nach desto mehr Seiten giebt es auch Rechts gründe nach der einen und der anderen Seite hin .   24–25 Verbindlich ist … ist ,] Ri  : Es giebt solche Seiten die dem buchstaben nach gebraucht werden können gegen das wesentliche des Falles .   1 Fälle] Falle  

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wieder geltend gemacht werden gegen das substantielle Recht . Die Sache des Richters ist es , die besondern und untergeordneten Seiten von den wesentlichen zu unterscheiden . Man meynt nun zunächst das , was man den Geist des Gesetzes nennt , sey vor­treff ­licher als der Buchstabe  ; | darin hat man Recht wenn man das W ­ esentliche unter dem Geiste versteht . Aber dieser Geist muß auch zum Buchstaben werden , sonst fällt alle Entscheidung der individuellen Einsicht und der Subjectivität des Richters anheim . Montesquieu hat unter dem Geist der Gesetze nichts anderes verstanden als die allgemeinen Bestimmungen , auf denen die besondern Gesetze der Völker beruhen . Er hat so den Geist auch als Buchstaben bestimmt . Es ist eine wesentliche Garantie der bürgerlichen Freiheit , daß der Geist des Gesetzes bestimmt als Gesetz ausgesprochen sey . Nun giebt es aber auch einen leeren Formalismus des Buchstabens  : dies ist besonders bey den Engländern | der Fall . Dort wird zum Beyspiel einem Angeklagten die Anklage­acte nicht ehe er die Taxe bezahlt hat , ausgehändigt . Ein Bartholomäus Thompson wurde freygesprochen , nachdem ihm das Verbrechen sonst ganz bewiesen war , weil in der AnklageActe bloß B . Thompson geschrieben war . Die leere Förmlichkeit ist bey den Engländern bis zum äußersten getrieben . Wir haben in Ansehung des Eigenthums gesehen , daß es die Seite des Daseyns hat . Das Prädikat des Meinigen , das ich einer Sache gebe , muß zugleich ein Objectives seyn . Das Daseyn in Ansehung des Eigen­thums war dort noch unmittelbar . In der bürgerlichen Gesellschaft ist nun das Daseyn überhaupt das Anerkanntseyn und das Gelten . | Es geschieht dadurch , daß die Äußerungen des Daseyns meines Willens wie sie oben betrachtet wurden , jetzt etwas Unbedeutendes werden und zurücktreten . In der bürgerlichen Gesellschaft erweitern sich die Mittel , wodurch ich etwas zum Anerkenntniß bringe , daß es das Mei1–11 Die Sache … sey .] Ri  : Jede Parthei bringt Rechtsgründe[ .] Sache des Richters ist es diese gegen die wesentlichen Seiten des Falles ungültig zu machen[ .] Man meint zunächst der Geist des Gesezes sei vor­t reff ­licher als der Buchstabe . Die wesentlichen Bestimungen | müßen nicht als Geist da sein sondern ausgesprochen . So wäre aller Willkühr der Gerichte der Größte Spielraum gegeben . – Mon­tes­ quieu hat ein Buch geschrieben der Geist der Geseze . darunter hat er das Allgemeine gefaßt – er hat ihn aber auch beschreiben müßen . Es ist die Garantie der Freiheit daß das Gesez einen Buchstaben hat – es ist eine Unvernunft wenn man von dem Buchstaben schlecht spricht .   13–16 Dort wird … war .] Ri  : In vielen Fällen sind ungerechtigkeiten daraus entstanden . (cf . Fälle  : B Thomson – stat Bartholomaeus Thomson oder bynight statt by–night .)   19–21 Das Prädikat … unmittelbar .] Ri  : Mein Willen hat darin ein Dasein für andere  ; andere sollen diese Sache respectiren weil sie darin meinen Willen sehen .   22–480,3 Es geschieht … aufgehoben .] Ri  : Das Moment daß ich wo l l e daß es mein sei trit in | der bürgerlichen Gesellschaft zurük . In der bürgerlichen Gesellschaft bedarf es des anerkant seins überhaupt von anderen nicht gerade einer besonderen Form eines Zeichens . Die Form die ich meinem Aker durch die Arbeit gebe ist gleich der Form die die anderen Äker haben . Diese

40 14 ehe er

… hat] eher die Taxe zu bezahlen  

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nige ist . Indem in der öffent­lichen Autorität etwas als das Meinige anerkannt ist , (ein Grundstück in das Hypothekenbuch eingetragen) so ist die Unbestimmtheit der Formirung damit aufgehoben . Es tritt in der bürgerlichen Gesellschaft die Forderung ein , daß Handlungen über Eigenthum mit einer Form vorgenommen werden , die sich auf das Anerkennen der öffent­l ichen Autorität bezieht . Dies sind die Förmlichkeiten überhaupt , mit denen dergleichen Er­wer |b  un­gen vorgenommen werden müssen . Das Eigen­thum in der bürgerlichen Gesellschaft beruht nun vorzüglich auf Vertrag , die unmittelbaren Erwerbungen sind verhältnißmäßig nur weniger bedeutend . – Die Förmlichkeiten sind durchaus nichts überflüssiges , sondern die vernünftige Weise , wodurch etwas ein Daseyn hat , daß es das Meinige wird  : Indem die Förmlichkeiten etwas Äußerliches sind , so können dieselben sich nun wieder sehr weit verlaufen . So gehörte zumal sonst zu einem sogenannten zierlichen Testament sehr viel . Von Stryk erzählt man er habe 30 Jahr darauf gesonnen ein Testament zu machen und sey doch noch ohne Testament verstorben , weil er auf keine Form habe kommen können , die ihm völlig unumstößlich erschienen . Das Verbrechen ist in der bürgerlichen | Gesellschaft der That nach nicht bloß Verletzung einer individuellen Sache oder eines Individuums überhaupt . Das Verbrechen verlezt überhaupt das anerkannte Daseyn der Freiheit , das Gelten der Gesetze . Wer ein Verbrechen begeht , der spricht damit aus , die Gesetze gelten nichts , dem allgemein Anerkannten spreche ich Hohn . Das Verbrechen wird insofern schwerer , da nicht nur die an sich seyende , sondern die daseyende Unendlichkeit verlezt wird . Darin liegt das , was unter der Gefährlichkeit des Verbrechens verstanden wird . Man sagt  : wenn dieses gilt , so giebt es überhaupt keine Sicherheit mehr und dergleichen . Die Natur des Verbrechens verändert sich also nicht , aber dessen Bedeutung wird verändert . Durch | das Verbrechen fühlen

Unbestimtheit verschwindet aber .   6–21 Dies sind … Hohn .] Ri  : Diese Formen sind die Förmlichkeiten  : die die Absicht haben daß mein Eigenthum von anderen als das Meinige anerkannt werde . Das Anerkenen daß etwas das Meine ist beruht auf dem bestimten Allgemeinen Anerkennen . Das Anerkennen oder diese Förmlichkeiten sind es die den Beweis enthalten . Indem die Förmlichkeiten ein Äußerliches sind so können sie vermehrt und vermindert werden  : ins unendliche ausgesponen werden . Durch diese bestimung enthält die Form des Verbrechens und die Aufhebung eine besondere Form . Das Verbrechen ist nicht nur Verlezung eines Individuums überhaupt . Durch das Verbrechen wird die Gültigkeit des Daseins auch verlezt – es wird das g e l t e n verlezt[ .] Wer ein Verbrechen begeht spricht das Dasein aus | als für ihn nicht vorhanden . Eine Allgemeine Sache also – .   24–25 Man sagt  : … dergleichen .] Ri  : Es liegt in ihr eine weitere reale möglichkeit .   26–481,10 aber dessen … angeht .] Ri  : Diese Seite des Daseins ist es welche verlezt wird – es verlezt also in so ferne ein Größe­ res Dasein . In dem Verbrechen finden sich alle verlezt  ; insofern geht das Verbrechen das Allgemeine 5 bezieht] beziehen   26 Bedeutung] Andeutung  

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sich jezt alle verlezt  ; es wird nicht nur mein individueller Wille im Verbrechen verlezt , sondern der allgemeine Wille . Da wo die bürgerliche Gesellschaft noch nicht auf diese bestimmte Weise hervorgetreten ist , da sehen es die Uebrigen nicht als Verletzung ihrer an , wenn gegen Jemand ein Verbrechen begangen wird . Da wo die Stände der Gesellschaft einander entfremdeter sind , da bekümmern sich wenigstens die Mitglieder des einen Standes nicht um die Verletzung des Mitgliedes des Andern . Indische Kasten  ; gemordete Juden . Bey den Griechen sehen wird gleichfalls , wie in ihren Tragödien der Chor die Verbrechen die von den handelnden Personen , welche den Königsgeschlechtern angehören , begangen | werden , als etwas ansieht , was ihm zunächst nichts angeht . Man sollte nach dem Angeführten meinen , die Ahndungen der Verbrechen müßten in der bürgerlichen Gesellschaft viel strenger seyn , als in frühern Zuständen . Allein es zeigt sich gerade das Umgekehrte . Wenn die bürgerliche Gesellschaft verlezt wird , so ist sie dagegen etwas so Festes daß die Verlezzung zu etwas unbedeutendem heruntersinkt . Es kann Zustände der bürgerlichen Gesellschaft geben , wo ein kleines sehr gefährlich ist und hier muß auch dessen Bestrafung verhältnißmäßig seyn . Die Ahndung wird sich überhaupt immer nach dem Zustand der bürgerlichen Gesellschaft | richten müssen . Die bürgerliche Gesellschaft ist immer vollkommen berechtigt , die Strafe des Verbrechens zu bestimmen . Nach vieljährigen Kriegen ist es früher geschehen , wo die Heere unmittelbar nach dem Kriege entlassen wurden , daß die Verbrechen sich sehr häuften  ; in solchen Zuständen ist eine Schärfung der gesetzlichen Strafen ganz angemessen . In einem Zustand der befestigten Gesellschaft hingegen werden die Strafen unmittelbar mild . Es findet so ein ungeheurer Unterschied statt zwischen ehemaligen Strafbestimmungen und den jezzigen . Das Fernere ist nun die Verwirklichung des Rechts selbst , die Gerichte . Das Gesetz , als allgemein gültiges Recht , steht dem besonderen Meinen vom Recht ,

an . In den Kasten staten wird es angesehen  : als wenn es diesem Einzelnen widerfahren wäre – den anderen geht es nichts an . In den Alten Tragödien sehen wir Verbrechen auf Verbrechen sich häuffen  : 30 der Chor die Bürger nehmen keinen Antheil daran[ .] In der bürgerlichen Gesellschaft als solcher ist das Allgemeine Anerkant sein durch den Willen aller gesezt . Es wäre diese Verlezung als ein erlaubtes gesezt wenn es nicht gestraft würde .   15–26 Es kann … Gerichte .] Ri  : Wir sehen zustände der bürgerlichen Gesellschaft wo ein geringer Diebstahl mit dem Todt bestraft wird . In Frankreich war auf einen ­Diebstahl von 5 Sous der Todt gesezt . In england auf 40 . Schilling . Das Dasein des Rechtes 35 ist selbst ein unendliches  ; die Gesellschaft ist berechtigt auf kleine verschuldungen wenn es nöthig ist die härteste Ahndung zu sezen . Im Geregelten bürgerlichen leben werden die Strafen mild nach einem langen Kriege werden die Strafen stärker sein müßen (namentlich für den Diebstahl) – Das 3te Moment das zu betrachten ist , ist die Ve r w i r k l i c h u n g d e s R e c h t s – die G e r i c h t e [ .]  

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8 die1] der   10 ansieht] ansehen  

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und dem | besondern Wollen gegenüber , und hat sich dagegen geltend zu machen und zu behaupten . Das Gesetz ist das Recht , insofern es i s t und sich verwirklicht . Die Gerichte sind also etwas an und für sich Vernünftiges , etwas an und für sich Nothwendiges . Es tritt darin das reine Wollen des Rechts als solches hervor . Es ist früher von der rächenden Gerechtigkeit gesprochen worden , diese kann gerecht seyn aber sie ist ihrer Form nach nicht die Thätigkeit des Allgemeinen , welches hier wesentlich ist . Das Gericht muß vorhanden seyn , nicht als ein besonderes Belieben dieses oder jenes Individui . Es ist so überhaupt die Verwirklichung des Rechts . Die Gerichte nun ihrer geschichtlichen Entstehung nach , mögen nun diese oder jene | Form gehabt haben , es kann der Ursprung derselben ein patriarchalisches Verhältniß gewesen seyn , oder auch eine eigentliche Herrschaft , so daß es als ein besonderes Recht angesehen wird zu richten und Richter zu bestellen . Herr von Haller , der ein großes Werk über die Restauration der Staatswissenschaft geschrieben hat , sieht die Rechtspflege nicht als etwas nothwendiges an , sondern als eine bloße Gnade und Gefälligkeit der Regierenden . In der Zeit des Faustrechts war es die herrschende Ansicht , daß jeder für sich Recht zu schaffen habe , die Macht der Gerichte wurde als eine ungehörige Gewaltthätigkeit angesehen . Die Entwickelung der Rechtspflege ist eine wichtige Seite der Geschichte , einerseits nur die Privatrache , und andererseits nur | das Verhältniß wo jeder meinte , er dürfe nicht vor Gericht gezogen werden sondern der Verletzte und dessen Familie habe es mit ihm auszumachen . Die Einsicht des Gerichts ist es nun , nicht die Einsicht der Partheyen , welche zu entscheiden hat was Recht ist , sowohl beym bloßen Civilrechtsstreit als auch beym Verbrechen . Es verliert sich damit die Form der Rache unmittelbar , erst in der bürgerlichen Gesellschaft tritt Strafe ein . Durch die Strafe wird überhaupt nur das Verbrechen negirt , als das gesetzt was es ist . Durch die Strafe versöhnt sich also wahrhaft

2–8 Das Gesetz … Individui .] Ri  : Das Recht ist das Recht in soferne es ist und behauptet wird . Das Gericht ist etwas anund für sich nothwendiges – bethätigendes , der individuelle Wille und das individuelle Bewußtsein muß das Recht als solches wollen . Die Private Rache kann gerecht sein | aber sie ist ihrer Form nach nicht die Thätigkeit des Allgemeinen sondern das Wollen des besonderen Willens . Das soll aber nicht wie Zb . in dem Ritterwesen und Don Quixotte , bloßes belieben des Einzelnen sein .   13–18 Herr von … angesehen .] Ri  : Herr von Haller (restauration) betrachtet das Recht nicht als etwas nothwendiges sondern als bloße gefälligkeit – die die Fürsten etc[ .] aus Gnade gewährten – Die entgegengesezte Ansicht ist in der Zeit des Faustrechtes das Herrschende gewesen . Die Macht eines Gerichtes ist für eine ungehörige unterdrükung der Freiheit als dann gehalten worden[ .]   21–23 Die Einsicht … Verbrechen .] Ri  : Indem Gericht überhaupt auftrit so hat es die Pflicht auszusprechen was Rechtens ist . Die Einsicht des Gerichts ist es was das zu entscheiden hat – Gericht ist das Organ des Gesezes . Das Gericht trit ebenfalls bei verbrechen auf . Es ist nicht die 14 Staatswissenschaft] Staatswissen / schaft  33 nothwendiges] nothwdgk . an  

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das Gesetz mit sich selbst , es stellt sich durch dieselbe wieder her , und zeigt sich dadurch als ein Wichtiges , Geltendes . Eben so wird das Gesetz in subjectiver | Rücksicht , in Rücksicht auf die Verbrecher , eine Versöhnung . Es muß nun Jeder das Recht haben vor Gericht zu stehen (jus standi in ju­d icio) und nur vom Gericht Recht zu nehmen . Wenn ich nicht vor Gericht stehen darf , so ist es nicht anerkannt , daß ich selbstständig bin , ich bin überhaupt unter Vormundschaft gesetzt . Auf einem solchen Verhältniß beruhte die Clientschaft in Rom . So waren in früheren Zeiten in Teutschland die Leibeigenen und Hörigen nicht berechtigt , selbst vor Gericht zu erscheinen und ihre Rechte wahr zu nehmen . – Das andere Moment ist , daß jeder vor Gericht sich stellen muß , und nicht Selbstrache nehmen darf . In den Zeiten des Faustrechts suchte jeder sein Recht durch seine eigene Faust , und wer ein Unrecht | begangen hatte , behauptete oft , er habe dieselben Rechte wie der Verletzte , und das Objective und die Macht des Objectiven habe kein Recht über ihn , es müsse also persönlich an ihm Recht gesucht werden . Diese Bestimmung liegt zum Theil noch beym Duell zum Grunde . Indem die Partheien vor Gericht stehen , so haben sie ihre Rechte darzustellen . Vor Gericht habe ich nun kein Recht , das ich nicht erweisen kann . Durch den Rechtsgang werden nun die Partheien in den Stand gesetzt , ihr Recht geltend zu machen . Daß dieser Rechtsgang bestimmt sey , ist etwas sehr wesentliches . Der ganze Rechtsgang besteht aus einer Reihe von Handlungen und fällt somit wieder der Endlichkeit anheim . Der Gerichtsgang kann nun wieder so verwickelt werden , daß es den | Partheien verleidet wird ihr Recht zu suchen . Der Reichsgerichtliche Prozeß war so schleppend , daß es als eine Wohlthat angesehen wurde , wenn ein Land das jus de non appelando erlangte .

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25 25 Verlezte Parthei welche auftrit sondern es ist | das Gericht .   1–3 und zeigt … Versöhnung .] Ri  : und

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zeigt sich hierinn als ein würdiges , mächtiges – ebenso wird das Gesez auch in subjektiver Rük ­sicht durch die Strafe versöhnt . Es ist nicht ein fremdes Schiksal das über den bestraften kommt sondern er ist als ein freier darinn betrachtet –   5 und nur … nehmen .] Ri  : aber auch die Pflicht vor Gericht zu erscheinen .   6–7 daß ich … gesetzt .] Ri  : daß ich objektives Recht habe und daß ich es nicht bin der vor Gericht erscheinen kann . Man ist dann unter Vormundschaft .   8–10 So waren … nehmen .  –] Ri  : Die Advocaten sind aber Beauftragte von den Partheien und dann ist es nicht dasselbe .   11 und nicht … darf .] Ri  : daß er nicht selbst rache nimmt und das Gericht ist  : das Recht auszuprechen  ; ebenso hat jeder die Pflicht sich zu stellen , wenn g e g e n ihn Recht gesucht wird .   12–15 und wer … werden .] Ri  : und deßwegen wurde es als das goldene Zeitalter angepriesen .   16–17 Indem die … darzustellen .] Ri  : Die Partheien haben ihr Recht darzustellen sie haben es zu beweisen  .   18–20 Durch den … wesentliches .] Ri  : Es kann sehr schmerzlich sein . Aber das ist nicht anders zu machen . Die weitere Entwiklung ist der Rechts gang . Es ist ein wesentliches daß dieser Gang gesezlich bestimt sei .   21–24 Der Gerichtsgang … erlangte .] Ri  : Er kann mehr oder weniger verwikelt werden und zwar so daß man es für ein Glük oft hielt wenn man nicht zu seinem Recht kam .  

40 32 ist  :] ist  :  ;  

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Es müssen nun überhaupt Veranstaltungen vorhanden seyn , wodurch es den Partheien überlassen wird den weitläuftigen Prozeßgang zu verfolgen oder nicht . Es tritt so die Forderung der BilligkeitsGerichtshöfe ein . Dies sind SchiedsGerichte , Friedensgerichte . Es ist eine löbliche Anstalt , daß Gerichte der Art vorhanden sind , von denen immer erst erkannt werden muß , bevor das förmliche Gericht einen Rechtshandel annehmen darf . Besonders muß dieser Unterschied vorhanden seyn in Ansehung des Unterschiedes der Stände . Der substantielle Stand | hat überhaupt einfachere Sitten  ; die Reflexion , das Selbstwollen und Selbstseyn ist bey ihm nicht so fix geworden und er begnügt sich deshalb mit einem einfacheren Rechts Gang . Die Engländer haben auch solche Billigkeitsgerichte wo die Richter überhaupt nach der allgemeinen Lage der Umstände entscheiden , die sonst vorgeschriebenen Förmlichkeiten mögen nun vorhanden seyn oder nicht . Beym Rechtsprechen sind es immer die zwey Seiten , daß entweder der Fall genommen wird , wie er in seiner Besonderheit ist , oder daß das intérêt de la loi , das Interesse des Gesetzes besonders herausgehoben wird . – Vor den englischen Billig­keitsgerichtshöfen findet es z . B . statt , daß wenn außer einem Testament auch noch ein anderer Aufsatz des | Erblassers beygebracht wird , der nicht vollendet , oder sonst unvollständig ist , ein solcher gleichwohl als gültig betrachtet wird , wenn nur überhaupt erhellet , daß der Aufsatz später entworfen worden ist als das Testament . Wenn in einem wirklichen Falle Förmlichkeiten fehlen , so kann man im Interesse des Gesetzes sprechend verlangen , daß ein dergleichen mangelhaftes Instrument nicht gelten solle . Es ist eine der größten Krankheiten in Ansehung des Rechtsprechens , wie in Ansehung des Handelns überhaupt , wenn von einem einzelnen Falle sogleich auf das Ganze übergesprungen wird . Es wird dadurch der Formalismus begründet , und es ist eine anscheinende Weisheit , die sich in Aufzählung allgemeiner Möglichkeiten gefällt . Ein Gegenstand , der in neuern Zeiten | besonders zur Sprache gekommen ist , ist die Oeffent­lich­keit der Rechtspflege und die Geschwornen Gerichte . Der Rechtsgang muß überhaupt eben so etwas bekanntes seyn , als die Gesetze selbst .

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2–4 Es tritt … Friedensgerichte .] Ri  : Man kann den Gerichtshof um Billigkeit ersuchen , es müßen 30 Veranstaltungen sein wo dies auch kann gebraucht werden[ .] Dieses sind dann Schiedsgerichte . Billigkeits Gerichte .   20–26 Wenn in … gefällt .] Ri  : Man kann sagen  : ja wenn solche Förmlichkeiten ausbleiben könen so würden große Unsicherheiten daraus folgen – Aber wie gesagt man muß sich überzeugt haben daß dieser Mangel ungeachtet der Sache sich constatirt . Es ist ein großer Fehler wenn man von einem einzelnen Fall zu solchen Möglichkeiten übergeht und sagt ja das geht ins un- 35 sichere . Und da wird denn aus übergroßer Weisheit oft das Große unrecht verübt . –   28–29 Der Rechtsgang … selbst .] Ri  : Wir sahen daß die Geseze so bekannt sind und so abgefaßt daß sie jeder kann kennen[ .]   9 ihm] ihnen  14 intérêt] intêret   35 übergeht und sagt] überzugehn u sagen  

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Je verwickelter der Rechtsgang ist desto weniger hat er die Fähigkeit bekannt zu seyn . Es wird ein sehr verwickelter Rechtsgang zu einer Art von Mysterium , dem die Partheyen sich blind unterwerfen müssen . Es ist nun ferner der wirkliche Verlauf des Rechtsganges etwas , das dem Einzelnen ebenfalls bekannt werden muß , indem das Recht und die rechtliche Entscheidung das Interesse Aller ist , so ist es auch das Interesse Aller , daß die Rechtspflege öffent­lich sey . Man kann nicht gerade sagen , daß das Recht durch die Oeffent­lich­keit | besser verwaltet werde . Es sind überhaupt zweierlei Interessen , einmal daß a n sich das Recht geschehe , und sodann , daß es auf eine andre Weise geschehe , daß darum gewußt wird . Das Recht des Selbstbewußtseyns die eigene Einsicht soll überhaupt auf dieser Stufe gewährt werden . Daß das Recht an sich gesprochen wird , gehört zunächst zur bürgerlichen Freiheit  ; bei höherer Ausbildung der bürgerlichen Gesellschaft tritt aber dann die weitere Forderung ein , daß dem Selbstbewußtseyn sein Recht durch die Oeffent­lich­keit der Rechtspflege widerfahre . Man kann vielerlei Gründe für das Eine und für das Andere beybringen , allein es ist immer nicht das Wesen der Sache , welches dabey geltend gemacht wird . Der Ausdruck , GeschwornenGerichte | ist aus der englischen RechtsVerfassung genommen . An einem Rechtsspruch sind zwei Seiten , die eine ist die Erkenntniß des Falles nach seiner Besonderheit . Der Civilstreit sowohl als das Verbrechen bieten eine solche unmittelbare besondere Seite dar . Bey einer solchen Handlung wie einem Verbrechen ist nicht nur die äußere Wirklichkeit zu qualificiren sondern auch das innere der Handlung , ob etwas ein Mord oder ein Todtschlag sey und dergleichen . Ein solcher Ausspruch ist immer noch kein Urtheilsspruch . Die andere Seite ist nun aber , daß die Handlung subsumirt wird unter das Gesetz . Die Richter sind als die welche das Gesetz anwenden Organe des Gesetzes , aber nicht Maschienen desselben denn es gehört ihrerseits | eine Erkenntniß dazu ,

3–8 Es ist … werde .] Ri  : Was meine Sache betrift so habe ich das Recht des Selbstbewußtseins[ .] Es ist das Intereße das mich betrift auch das intereße der anderen .   10–16 Das Recht … wird .] Ri  : In Ländern wo das Zutrauen zu dem Gericht noch da ist kann es des Rechts wegen gleichgültig sein , aber es ist nöthig daß man es weis daß das Recht gesprochen sei nicht nur daß man es glaubt[ .] | Wenn man sagt  : sie sprechen beßer Recht wenn sie öffent­lich sei so verfällt man in ein anderes Extrem – nein – der Begriff fordert daß man es w i ß e .   18–26 An einem … desselben] Ri  : Das Rechtssprechen hat einen besonderen Fall unter einen Allgemeinen zu subsumiren . 1 . ist die Besonderheit zu be­u r ­thei­len . Zb . ob Verträge vorhanden sind ob Leistungen geschehen sind . Verbrechen hat eben so diese äußer­l iche Seite  : die That mit den Umständen , welche Umgebungen ob der Verlezte beraubt ? – wo ? Ferner ist die äußerliche Wirklichkeit zu qualificiren ZB . ob der Tod ein Todschlag ist oder ein Mord . Diese Qualifikation ist noch kein Urtheil wenigstens kein Urtheil in Ansehung eines Rechts[ .] Die andere Seite ist , daß der Fall subsumirt wird unter das Gesez . Diese 2 Functionen 31 sie2 ] sc . die Rechtsprechung  

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welches die wesentliche Seite an einer Handlung ist , und unter welches Gesetz eine solche deshalb zu fassen ist . In der römischen Gerichtsverfassung fand sich der angegebene Unterschied auch . So ernannte der Prätor der über das Recht entschied , noch einen Judex um über die Wirklichkeit der Handlung zu entscheiden . Die Charakterisirung des Verbrechens kann nun nicht dem Belieben überlassen werden . In England ist es so dem Kläger gewisser maaßen überlassen , ob er den Rechtshandel unter dem schwersten Charakter anhängig machen will oder unter einem milderen . Wenn der Kläger die schwerere Qualification wählt , und der Richter das Verbrechen nicht begründet findet , so kann der Richter oder der Kläger dann | nicht zu der geringern Qualification heruntersteigen . Dies ist nun eine große Unvollkommenheit im gerichtlichen Verfahren . Was nun die eigentliche Sache des Richters ist , so ist diese wesentlich dieses , daß er den ganzen Gang des Rechtshandels leitet . Sodann liegt es unmittelbar in der Funktion des Gerichts , daß es den Fall , wenn er feststehet unter das Gesetz subsumirt . Was nun das Erkennen des Falles in seiner unmittelbaren Einzelnheit angehet , so ist dies keine richterliche Funktion , sondern eine solche die jedem gebildeten Menschen überhaupt zukommt . Es können nun hierüber auch gesetzliche Bestimmungen gemacht werden , aber diese bleiben ganz im Allgemeinen . So kann zum Beispiel bestimmt seyn daß | das corpus delicti soll herbeigebracht werden , es können Bestimmungen über die Zeugen festgestellt werden und dergleichen . Bey allen dem bleibt es immer noch eine Ungewißheit und man mag Bestimmungen feststellen so viel man will , darüber , wann etwas für bewiesen erachtet werden soll , so wird doch die Sache dadurch nicht im Allgemeinen erkannt . Weil es so eine äußerliche Sache ist , die constituirt werden soll , so fällt sie der allgemeinen Erkenntniß überhaupt anheim . Das Erkennen dieses Äusserlichen ist es denn nicht allein , worauf es ankommt , sondern es ist zumal beym Verbrechen , die Seite der

komen in der gerichtlichen Entscheidung vor die Anwendung des Gesezes ist die Bethätigung desselben durch die Richter . Sie sind die Organe des Gesezes  ; aber nicht Machinen .   3–10 So ernannte … heruntersteigen .] Ri  : Der Prätor hat einen Iudex ernannt und instruirt  : die Untersuchung hat er dem Iudex aufgetragen . / | Beim Verbrechen ist zuerst das Wichtigste zu caracterisiren was das Verbrechen sei – Beim öffent ­l ichen Verfahren komt das mehr oder weniger auf den Willen des Anklägers an , ob er die Schwerere oder nicht so schwere Qualification antragen wolle . Findet das Gericht daß diese schwerere Qualification nicht durchgeht so wird er frei gesprochen und man kann ihn wegen derselben Handlung nicht wieder fodern .   14–15 daß es … angehet , ] Ri  : daß es den Verbrecher auf das Gesez bezieht und bestraft . Was den ersten Punkt betrift  : den Punkt der besonderheit der Handlung  : so muß man alle Umstände erkennen etc[ .]  19–25 es können … anheim .] Ri  : Zeugen  : Instrumente | diese bestimungen laßen die Sache imer noch in der Unbestimtheit stehen . Die Art und Weise kann nicht näher bestimt werden[ .] Wenn 2 Zeugen sind so trit schon eine gewiße Allgemein­ 34 fodern] gefdert wrden   36 Handlung] Hdlgs  

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Einsicht und der Absicht ein wesentliches Moment . Hier tritt also eine subjective Seite hervor . Darüber können nun zwar gleichfalls | allgemeine Vorschriften angegeben werden , aber die letzte Entscheidung fällt auch hier der subjectiven Ueberzeugung , dem Gewissen , anheim . Das Wissen in Ansehung äußerlicher Dinge ist überhaupt die Gewißheit nicht Wahrheit  ; eben so ist das Wissen über die Einsicht und das Wollen eines Individui nur subjective Gewißheit . Auch das Gericht hat so , wo ihm nähere Bestimmungen , objective Beweismittel fehlen , seine Zuflucht zum Eid zu nehmen . Dieser ist ebenfalls nichts Anderes als eine subjective Berechnung , eine Versicherung daß der Eid wahrhaft sey , dafür bürgt das Gewissen dessen , der ihn ablegt . Im Eide wird die Vorstellung von Gott , diesem absolut Substantiellen zu Hülfe gerufen , in dem alle | Nichtigkeit und alle besonderen Interessen verschwinden . Der Eid muß um dieser Ursache willen feyerlich seyn , die Hauptsache ist die Vorstellung , die das absolut Wahre , Substantielle hervorbringen soll . Bey alle dem kann nun die Subjectivität sich gegen Alles was der Eid enthält verhärten , und einen spröden undurchdringlichen Punkt dagegen bilden . Die Funktion der Erkenntniß des äußern Thatbestandes und der so eben bezeichneten Innerlichkeit ist nun gar nicht juristischer Art , sondern sie fällt der allgemeinen Erkenntniß anheim . Die rechtsprechende Seite ist wesentlich durch den Richter dargestellt , das Recht des Selbstbewußtseyns nach dieser objectiven Seite ist darin berechnet , daß das Gesetz bekannt ist , und daß das | Rechtsprechen öffent­l ich geschieht . Es ist aber noch die andere Seite an dem Fall , daß das Besondere entschieden wird . Nach dieser besonderen Seite hat das Selbstbewußtseyn auch das Recht , überzeugt zu seyn , daß richtig ge­urtheilt wird , hier ist es , daß ich weiß daß der Fall , den ich vor dem Gerichte habe auch

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25 25 heit ein  ; Aber alle Umstände laßen sich nicht angeben  : auch nicht über die Art der Umstände . Das

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ist eine ganz allgemeine Erkentniß . Der Richter in seiner Qualität als Richter kann keinen Anspruch darauf machen .   1–6 Hier tritt … Gewißheit .] Ri  : Das Individuum muß gewußt und gewollt haben was es thäte . Hier könen auch allgemeine Umstände und Vorschriften gegeben werden aber das lezte läßt sich nur im besonderen Fall bestimen[ .] In dieser Hinsicht ist das Gewißen der Urtheilenden das Lezte . Das Wißen der Äußerlichen Dinge , von äußerlichen Umständen ist subjektives Wißen . Es beruht auf Außagen und Versicherungen und Zutrauen .   8–11 Dieser ist … gerufen , ] Ri  : das ist eine Versicherung welche als bewährend gilt aber er ist doch nur subjektiv . Man ruft die Vorstellung von Gott zu Hülfe sowahr mir Gott helfe –   13–18 die Hauptsache … anheim .] Ri  : Das andere ist daß er sein Wohl knüpft an diese Aussage – über dieses kann er Gewalt haben – Die haupt sache ist die imposante Vorstellung von Gott sie ist ein inneres Sache des Gewißens aber auch dieser Vorstellung kann man undurchdringlich sein . – An dieser Seite sind also die 2 Seiten  : 1 . den Fall zu erkennen  ; solche Erkenntniß ist die Erkenntniß jedes gebildeten . Das lezte dabei ist die subjektive Entscheidung animi  sententia .   19–21 das Recht … geschieht .] Ri  : Das Recht des Selbstbewußtseins ist darin bewährt daß man die Geseze | kennt , daß man das Urtheil und die Gründe desselben weis .  

40 11 Substantiellen] Substantiel / len   29 ist] sind  

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auf dieser Seite richtig entschieden worden ist . Dies beruht vorzüglich auf dem Zutrauen , welches vornämlich dann vorhanden seyn wird , wenn die welche zu bestimmen haben , mit mir auf gleicher Stufe stehen . Denn es handelt sich hier um die Besonderheit , die alle besonderen Verhältnisse der Person umfaßt  ; dies besondere läßt sich nicht objectiv bestimmen , sondern man muß selbst darin gelebt haben , um sich dasselbe zu | eigen gemacht zu haben . Man kann sich wohl im Allgemeinen eine Vorstellung von dem Besondern machen , aber die Wichtigkeit desselben kann man sich nicht so zu eigen machen . Dies ist nun also der Hauptgesichtspunkt bey dem Institut , welches man in neuern Zeiten besonders Geschwornengericht genannt hat . Es ist überhaupt wesentlich , daß das , was dem Begriff nach unterschieden ist , auch von verschiedenen Individuen ausgeübt werde , an verschiedene Behörden vertheilt werde . Da nun im Rechtsprechen sich zweierley so verschiedene Funktionen zeigen , so ist es nothwendig , daß dieselben auch auf die angedeutete Weise an verschiedene Personen vertheilt sind . Das Weitere ist das Recht des Selbstbewußtseyns . Diese Seite ist es vornämlich , welche die | GeschwornenGerichte zu einer so wichtigen politischen Institution macht . Es ist bereits erwähnt , daß beym Beweis im gerichtlichen Verfahren die Subjectivität ein wesentliches Moment ist . Die Gewißheit , daß mir Recht wiederfahren sey , bezieht sich auf die Subjectivität derer , die über die Sache entscheiden . Es kommt hier also besonders das Zutrauen zur Sprache . Es müssen sonach über diesen Theil des Rechtshandels Männer zu sprechen haben , die mir nicht als Richter gegenüberstehen , sondern solche , die mit mir in gleichen Verhältnissen stehen . Bey den Engländern wird die Einrichtung der Geschwornengerichte für ein Palladium der Freiheit angesehen . In die besondere Subjectivität finden sich nur Männer hinein , die | mir näher stehen . Das Gericht als solches steht meiner Besonderheit immer gegenüber . Zum Richteramt gehört eine Weise der Ansicht , die das Objective , das Recht an sich zu ihren Gegenstand macht . Wir trauen den Richtern deshalb mit Recht nicht die Einsicht in jene zweite wesentliche Seite des Rechtsspruches zu .

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1–3 Dies beruht … stehen .] Ri  : Das aber ist ein urtheil der subjektivität . Daß ich weis daß das richtig 30 entschieden ist  : das ist das Zutrauen zu den Leuten die darüber sprechen . Das Zutrauen werde ich dann haben wenn die darüber sprechen von meinem Stand aus meiner Sphäre sind . Ich kann Zutrauen haben wenn die Entscheidenden in meinem Verhältniß sind .   8–10 Dies ist … hat .] Ri  : Das ist der Hauptgesichts punkt in ansehung der Einrichtung der Geschworenen gerichte von pairs (Gleichen) gerichtet zu werden . –   23–489,21 Bey den … seyn .] Ri  : Die andere Seite der Besonderheit ist die 35 die man empfunden haben muß – diesem Zutrauen ist in Ansehung der Einen Seite in vielen Ländern genüge gethan . Namentlich in England die Geschworenen Gerichte wo es als palladium der Freiheit angesehen wird . Das Gericht steht mir gegenüber aber ist auf meiner Seite . – Die Richtung der 12 an verschiedene] von verschiedenen   34 pairs] paires  



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Indem hiermit nun der wesentliche Gesichtspunkt der Sache ausgesprochen ist , so können wir uns der Anführung der mancherley besonderen Gründe für und wider die Geschwornengerichte enthalten . Dergleichen einzelne Gründe können über die Sache nichts entscheiden . Man kann namentlich gerade nicht sagen , daß das Recht an sich nicht durch bloße Richter ohne Geschworne eben so gut könne gefunden werden , als durch | Gerichte mit Geschwornen . Der aus dem Institut der Geschwornen fließende Vortheil würde wenigstens immer nur ein indirecter seyn . Eben so mag man auch Fälle anführen , daß Geschworne unpassend und schlecht Recht gesprochen haben , – so etwas kann aber nicht entscheiden . Uebrigens werden schlechte Urtheilssprüche der Geschwornen , wegen der größern Publicität des Instituts leichter bekannt , und es können dieselben schon um deswillen nicht mit den gewöhnlichen Gerichten verglichen werden . Wenn man Beyspiele anführt , so muß dieselben man nicht aus Zeiten nehmen , deren Sitten von den unsrigen wesentlich abweichen . Geschwornengerichte mögen vor hundert Jahren allerdings manche harte und übereilte Urtheile gefällt haben , | aber auch die Urtheile der anderen Gerichte waren damals oft barbarisch . Im Mittelalter sind Hunderte , ja Tausende wegen Zauberey durch die teutschen Gerichte , wobey nach römischem Rechte und nach römischem Verfahren gesprochen wurde , zum Tode verurtheilt worden . Es ist wohl anzunehmen , daß vor Geschwornen Gerichten weniger Gräuel der Art oder wenigstens nicht so lange würden vorgekommen seyn . Es müssen also zuerst verständliche und öffent­lich zugängliche Gesetzbücher vorhanden seyn , damit das Recht gekannt werden kann  ; Ferner muß der Rechtsgang bekannt seyn , um deswillen ist öffent­liche Rechtspflege erforderlich und

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25 25 ­Bildung des Willens des Richters muß nur auf das Allgemeine gehen . Ich traue diesen Richtern welche

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mir näher stehen vielmehr zu als den anderen . Es ist das Recht des Selbstbewußtseins . Indem das die wesentliche Seite ist so können wir uns der anderen Gründe überheben – Diese Gründe be­t reffen den Nuzen die Folgerungen . Die Natur einer Sache muß aus dem Verhältniß geschöpft werden . Durch die Geschworenen Gerichte muß das Recht an sich mehr gesichert werden – das kann man von den anderen Gerichten nicht sagen . Auf redliche Recht­schaffene Richter wird die Öffent ­l ich ­keit wenig Einfluß haben . Man kann Beispiele anführen von falschen Sprüchen der Geschworenen Gerichte[ .] | Diese möglichkeit bleibt auch für die anderen übrig bei den Geschworenen Gerichten da sie öffent­l ich sind kann man auch sagen daß unrechte sprüche leichter bekant werden , von den anderen weis man vieles nicht . Von den Englischen Geschworenen Gerichten hat man mehrere Beispiele von ungerechtigkeiten . – Man muß bei solchen Beispielen die Zeiten unterscheiden . Ein Geschworenengericht vor 100 Jahren hat vielleicht oft falsch gesprochen aber man muß es nicht mit der jezigen Zeit sondern mit den Ordentlichen Gerichten damaliger Zeit vergleichen damals galt ja in den ordentlichen Gerichten die Tortur – mit den Aussagen auf der Tortur waren die ordentlichen Gerichte zufrieden , aber in den Geschworenen Gerichten ist eher die Möglichkeit da daß eine Hexe nicht verbrannt wurde –  

40 27 Gründe2 ] Gründen  

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ferner ist zu wünschen , daß die Rechtspflege zwischen Richter und Geschwornen getheilt | wird . – Wenn die Gesetze unvollständig sind , und der Rechtsgang verwickelt , so stehen die Bürger in einer Art von Vormundschaft und wenn es ein besonderer Stand ist , in dessen Händen sich die Rechtspflege befindet , so übt ein solcher Stand ein HerrenRecht gegen die Bürger aus , und diese sind gewisser­ maßen dessen Leibeigene .

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c .  Die Polizey

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Das Erste in dieser Sphäre war also die Erhaltung der Besonderheit als solcher , das zweite war daß diese Besonderheit zu einem Substantiellen erhoben würde , die Seite der Freiheit in dem besonderen Daseyn  ; dies ist aber nur das abstrakte Recht , diesem gegenüber steht das Wohl . Es ist also ein drittes , welches das | Allgemeine und das Besondere vereinigt , dieses wäre insofern Sache der Idee . Vereinigung des besonderen Willens mit dem an und für sich Allgemeinen . Dieses dritte kann nun überhaupt die Polizey genannt werden , der Staat insofern er sich auf die bürgerliche Gesellschaft bezieht . Die Zufälligkeit bleibt hier noch auf mancherley Weise . Wir haben gesehen , wie die Besonderheit des Einzelnen durch seine natürlichen Verhältnisse bedingt ist . Der Einzelne kann zur Arbeit unfähig seyn , der Zweig der Industrie dem er sich gewidmet hat , kann durch die öffent­lichen Verhältnisse in Abnahme kommen , und es kann so eine große Menge von Menschen in Bedrängniß gerathen , eben so ist in der Rechtspflege der Fall daß dieselbe zwar das geschehene Unrecht durch die | Strafe aufhebt , daß dabey aber die Zufälligkeit der Beleidigung noch nicht aufgehoben ist . Alle diese Zufälligkeiten sind zu entfernen . Das Aufheben der Zufälligkeiten , kann nun auch selbst durch eine zufällige Weise geschehen , nämlich durch den besonderen Willen der Individuen . Das zweite ist , daß dies Aufheben der Zufälligkeit

2–7 Wenn die … Polizey] Ri  : sonst wenn der Zugang zu diesen Gesezen erschwert ist so sind die rechtlichen Bestimungen etwas fremdes und die Bürger stehen in einer Art Vormundschaft . Die Bürger sind Leibeigene des Standes . Bürger haben können wohl vor Gericht stehen aber sie haben nur Ohren um zu hören und verstehen nichts . Der Rechts gang verhält sich gegen sie wie ein fremdes Schiksal[ .]  / | D r i t t e r T h e i l (des zweiten Theils)  9–13 das zweite … Allgemeinen .] Ri  : Der Zweite Theil betrachtete das Recht – aber dieses als solches ist nur etwas Abstraktes – ihm gegenüber steht die besonderheit – das Wohl – Das 3te ist dann das höhere welches beides vereinigt dies wäre insofern die Stufe der Idee – Vereinigung des besonderen Willens mit dem Allgemeinen . Beides ins Gleichgewicht zu sezen um dem besonderen als solchem sein Recht widerfahren zu lassen –   15–491,7 Die Zufälligkeit … Wirklichkeit .] Ri  : Sie hat das Wohl der Individuen mit dem Recht in Harmonie zu bringen . Die Zufälligkeit bleibt hier als Zufälligkeit zurük . Wir sahen in dem vorigen daß in der Arbeit man vermögen habe . Aber man kann zur Arbeit unfähig werden – man kann unfälle haben . Daß dieser Zweig blüht das hängt von einem größeren Zusammenhange ab . Es ist ebenso in der Rechtspflege diese

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auf eine allgemeine Weise geschieht , welche zunächst eine äußere Gewalt ist . Das dritte ist , daß dies auf eine wahrhaft innerliche Weise geschieht . Durch die Rechtspflege wird nicht die Besonderheit verwirklicht . Die Noth­ wen­d ig­keit in Rücksicht auf die Besonderheit ist eine äußere Nothwendigkeit , die aber in Beziehung auf das Individuum nur eine Möglichkeit ist . Das Vermögen der bürgerlichen | Gesellschaft ist für das Individuum nur eine Möglichkeit  ; das Recht ist dagegen durch die Rechtspflege eine Wirklichkeit . Es handelt sich jetzt auf dieser Stufe darum , daß das Individuum auch nach seiner Besonderheit als Person betrachtet wird . – Die Zufälligkeit im Besondern kann nun beseitigt werden unmittelbar durch das Besondre selbst . Dies ist die moralische Seite . Dem moralischen Individuo ist sein eignes Wohl und das Wohl anderer Zweck . Die Menschen helfen so einander in ihrer Noth und befördern ihr Wohl gegenseitig . Die Beseitigung des Zufälligen durch das Besondere ist selbst Zufälligkeit , diese Weise der Beseitigung ist ein bloßes Sollen . Bey diesem Sollen kann die Philosophie sich nicht aufhalten  ; eben so | wenig kann eine vernünftige Wirklichkeit dabey stehen bleiben . Die bloße ReflexionsPhilosophie hat zum lezten Resultat das Sollen , ein Bemühen und dergleichen . Die Philosophie als Schulweisheit mag sich nun mit einem solchen Sollen begnügen , allein in der Wahrheit kann man dabey nicht stehen bleiben . Man hört von diesem Standpunkt aus vielerley sprechen , und je mehr man sich im we n n und s ol le n ergehet , um so mehr meint man gesagt zu haben . Zufälligkeit . Sie kann zum Theil den Schaden nicht gut machen der geschehen ist . Eben so ist es zufällig ob die Verbrecher vor Gericht gebracht werden . Zufälligkeiten die hier geschehen , hat das 3te zu entfernen . Es sind in dieser Rüksicht mehrere bestimungen zu betrachten  : daß Zufälligkeiten aufgehoben werden kann 1 . auf eine Zufällige Weise geschehen . 2 . ist diese Zufällige Weise nichts Allgemeines und Nothwendiges . 3 . daß dies wegräumen auf eine wahre inere weise geschehe – Das 1te ist die M o r a l i t ä t des Einzelnen . 2 . die E i g e n t h ü m l i c h e Po l i z e i und das 3te ist die Sorge der Korporation für ihre Mitglieder . | Das Individuum ist nach seiner besonderen Seite in der Möglichkeit aber es bleibt eine Zufälligkeit .   13–17 Die Beseitigung … dergleichen .] Ri  : Es bleibt dem Indivi­ duum überhaupt eine Menge zu thun übrig . Diese Beseitigung ist aber eben selbst eine Zufälligkeit , sie ist ein bloßes Sollen , worinn das Sollen liegt ist etwas zufälliges . Was sein soll von diesem Gedanken muß fortgegangen werden zu dem was Nothwendig ist und wirklich . Die Menschen s o l l e n 1ander lieben – Es ist dieses ihrem Besonderen Willen überlaßen . Die Bloße reflexions‑Philosophie hat es bloß mit dem Sollen zu thun mit dem Annähern .   20–21 Man hört … haben .] Ri  : Man kann sich vorstellen wenn man die Menschen bildete so würden sie gegenseitig sich helfen – aber es ist eben nur Vorstellung man sagt „we n n” das so wäre , aber eben es ist ein bloßes „wenn”[ .] Oft meint man was man gelehrtes gesagt hat wenn man viele „We n n” anbringt – so Fries .  

13–14 Die Beseitigung … Sollen .] Die Beseitigung des Zufälligen durch das Besondere ist selbst Zufälligkeit , diese Weise der Beseitigung des Zufälligen durch das Besondre ist selbst Zufälligkeit , 40 diese Weise der Beseitigung ist ein bloßes Sollen .   23 zufällig] unfähg   vor Gericht] vor Gericht vr Gercht  

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Je mehr man überhaupt von Geist sprechen hört , um so geistloser ist es gewöhnlich . Der Geist ist dies , daß das bloß Innere zu einem Objectiven wird . Auf die Gesinnung , den Geist , die Freundschaft und dergleichen das Vernünftige ankommen zu lassen , ist gerade geistlos . Der Geist soll als Nothwendigkeit der Freyheit sich | darstellen , nicht als eine Zufälligkeit die im Gemüthe bleibt . – Bey dem Zufälligen der Gesinnung , so weit es im Einzelnen Werth haben mag kann nicht stehen geblieben werden . Man kann nun wohl sagen man wolle sich durch andere , äußere Mittel helfen , weil man dem Geiste in der Gesinnung nicht traue und doch komme auf diesen Alles an . Es giebt indessen ohne wahrhafte Einrichtungen und Gesetze in einem Staate gar keine wahrhafte Gesinnung . Wenn man im Ganzen betrachtet , was das Individuum als solches gegen das Individuum thun kann , so erscheint dies als sehr unbedeutend gegen das , was vernünftige Staatseinrichtungen , eine vernünftige Constitution dem Individuo gewähren können . Für sich selbst sind in den Verwickelungen | der bürgerlichen Gesellschaft viele gemeinschaftliche Bedürfnisse für deren Befriedigung also auch auf eine gemeinschaftliche oder allgemeine Weise gesorgt werden muß . Diese Sorge für das Allgemeine als solches kömmt also der allgemeinen Regulirung zu . – Das Besondere soll also auf eine allgemeine Weise geschehen , d . h . das Wohl Aller Einzelnen soll zu seiner Befriedigung kommen . Die Vorsorge dieser Stufe ist zugleich auch eine äußerliche Vereinigung , eine äußerliche Ordnung . Es sind zunächst Zwecke die sich selbst auf die Äußerlichkeit beziehen und in dieser erreicht werden . Das Allgemeine scheint nur noch in das Besondere , und die Macht , welche diese Allgemeinheit bethätigt , ist darum auch | nur eine äußere Macht . Der nähere Gegenstand dieser Vorsorge ist in der speziellen Wissenschaft der Polizey zu betrachten . – Der Zufälligkeit in Ansehung des Rechts wurde schon erwähnt  ; es hängt vom Besondern ab daß die Verbrecher vor Gericht gebracht werden , und dieses liegt der Polizey ob . Indem nun ferner die Verhütung der Verbrechen Gegenstand dieser Vorsorge seyn muß , so sind zu diesem Ende

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4–5 Der Geist … bleibt . –] Ri  : Das Vernünftige muß nicht sein eine Sache bloßer Gesinnung sondern diese Gesinnung muß sich gestalten muß Objektiv vorhanden sein – objektiv eingerichtet sein .   30 9–14 Es giebt … können .] Ri  : Ein Geist ohne Einrichtungen | ohne Objektivität ist ein leerer Klang . Was das Individuum für sich zufällig thun kann ist unendlich klein gegen die Wirksamkeit des States . – Hierbei muß man aber nicht stehen bleiben . –   18–20 Das Besondere … Ordnung .] Ri  : Die Natur dieser Stufe betrefend ist der Zwek daß das Besondere auf eine Allgemeine Weise geschehe und daß das besondere Wohl auf eine allgemeine Weise befördert werde . Die Vorsorge vereinigt das Allgemeine und 35 besondere – daß das besondere als Zwek für sich gesezt werde . Die Vereinigung ist zunächst nur eine äußerliche Verbindung . –   21–22 und in … werden .] Ri  : das Allgemeine ist noch nicht in das Besondere gesezt –   25–28 Der Zufälligkeit … muß ,] Ri  : Einiges daraus  : Es ist Sorge der Polizei daß 16 allgemeine] allgemei / ne  



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Beschränkungen nöthig bey Handlungen die sonst als ganz rechtlich betrachtet werden können . Handlungen der Art treten überhaupt in die Aussenwelt heraus , sie verwickeln sich in einem äußern Zusammenhang , und es kann Anderen dadurch Schaden oder Unrecht geschehen . Dies ist zunächst nur eine Möglichkeit . Die Seite der Zufälligkeit von erlaubten | Handlungen hinweg zu nehmen , wird eben so ein Gegenstand polizeylicher Vorsorge . Es liegt darin auch ein Grund polizeylicher Strafgerechtigkeit . Wegen der Möglichkeit weiter reichender Beziehungen in der Ausübung meines Rechts ist es zufällig , ob ich Andern Schaden thue oder nicht  ; die Polizey hat also dafür zu sorgen , daß ich Rücksicht nehmen muß auf die Möglichkeit , Andere zu verletzen . Eine Gränze ist hierin nicht zu setzen . Man kann bey Allem was geschieht , einen Schaden aufzeigen der daraus erfolgen kann . Hier sind es die Sitten überhaupt , die Gefahr des Augenblicks und eine gewisse Billigkeit , welche nähere Bestimmungen macht . In der Befriedigung der Bedürfniße finden sich gemeinschaftliche | Interessen , für diese zu sorgen , reichen Einige hin und Allen Andern wird dadurch die Mühe gleichfalls dafür zu sorgen , erspart . Wer etwas einkauft hat das Interesse , solide Waaren und zu einem guten Preise zu erhalten , eben so haben die Individuen das Interesse , daß gewisse Mittel immer in gehöriger Quantität vorhanden sind . Es ergiebt sich daraus , daß gemeinsame Anstalten für alle solche Mühen und Geschäfte ge­troffen werden . Die Einzelnen ersparen so unendlich viel Zeit und Mühe . Zugleich wird aber denen , die sich mit so etwas beschäftigen die Zeit genommen , für ihre übrigen Bedürfnisse zu sorgen . Brücken und Straßen sind ferner solche gemeinschaftliche Bedürfnisse . Die Erleichterungen durch das Gemeinschaftliche sind gar nicht zu berechnen . Die Vortheile | gehen hier ganz ins Ungemessene .

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25 25 die Verbrecher vor Gericht komen – auch daß Verbrechen verhütet werden .   2–4 Handlungen der …

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Möglichkeit .] Ri  : Was ich gethan habe ist meine Sache – die Handlung kann nach dieser Seite rechtlich sein aber weil sie äußerlich ist so kann sie anderen schaden oder unrechtthun – daß sie den anderen nicht schadet ist auch nur eine Möglichkeit –   9–10 die Polizey … verletzen .] Ri  : Diese Seite des unrechts wenn ich das Verboth nicht achte ist der Grund des Polizeilichen Strafrechts .   11–12 Man kann … kann .] Ri  : Man kann von allem Nuzen oder Schaden aufzählen – Das Beaufsichtigen kann daher ins unendliche fortgehen .   16–22 Wer etwas … sorgen .] Ri  : Z . B . Wenn jedes Individuum sich die Mühe nehmen sollte selbst zu untersuchen ob die waare Gut ist die ins Land komt – ob die arznei wirklich die bestimten Ingredienzien habe etc[ .] etc[ .] dazu gehörte Arbeit und erforderte Geschiklichkeit . Das übernehmen einzelne[ .]  23–494,4 Die Erleichterungen … Polizeistaat .] Ri  : Die Erleichterungen nach dieser Seite sind unermeßlich und durch die bloße Gemeinschaftlichkeit solcher anstalten ist es möglich daß ein höheres Leben und höhere Bildung gedeihen und sich ent­ wikeln kann . – / Diese Ordnung ist eine äußerliche und wird in diesem Sinne der Staat erfaßt so wird es ein Polizei Staat ein Nothstaat .  

23 gemeinschaftliche] gemein / schaftliche  33–34 erforderte Geschiklichkeit] Geschiklichkt . erfrderte   35 sind] ist   40

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Unter Polizey sind hier auch überhaupt die Verwaltungsbehörden verstanden . Die ganze Sphäre der bürgerlichen Gesellschaft ist die Stufe des Verhältnisses überhaupt . Wenn der Staat in diesem Sinne gefaßt wird , so entsteht der bloße Polizeistaat . Fichte hat vornämlich den Staat so gefaßt  ; der Staat hat nach Fichte’s Darstellung das Ansehen einer großen Galeere . Nach Fichte’s Staat soll jeder immer einen Paß bey sich führen , bey verdächtigen Personen aber solle das Portrait auch im Passe befindlich seyn . Es ist der Staat hier überhaupt im Sinne einer äußerlichen Ordnung gefaßt . Wenn das Allgemeine sich auf eine so äußerliche Weise gegen die Einzelnen geltend macht , so wird dasselbe leicht hart ­empfunden[ .] | Es ist bey dieser Parthie viel in die Art und Weise der Ausführung gelegt , und es kommen also hier die Sitten und der Culturzustand eines Volks besonders in Betracht . Wenn die Thätigkeit der Polizey sich in das Innere der Familie mischt , so wird sie hier am empfindlichsten gefühlt . Das Ge­müth­lose der Römer zeigt sich auch auf dieser Seite in der Wirksamkeit der Censoren , deren Wirksamkeit sich tief in das Innere der Familienverhälltnisse erstreckte . Das harte Uebel der Familienknechtschaft sollte so durch ein zweites Uebel gemildert werden . Die allgemeinen Veranstaltungen gehören zu dem großen Vermögen , das jeder an der bürgerlichen Gesellschaft hat , aber sie sind darum eben nur für das Individuum eine Möglichkeit . Es bleibt so noch die Seite übrig daß das Individuum nur die Möglichkeit | hat seine Bedürfnisse zu befriedigen daß aber die Befriedigung noch nicht als Wirklichkeit erscheint . Es entsteht hier die Frage , ob das Individuum von der bürgerlichen Gesellschaft mit Recht verlangen kann , daß sie für seine Besonderheit sorge ? das Individuum hat ein Recht an die Rechtspflege eben so an die Theilnahme an den öffent­l ichen Anstalten  ; aber es hat auch dieses

5–24 Nach Fichte’s … sorge ? ] Ri  : In seinem Staat z . B . soll jeder imer einen Paß bei sich führen – mit dem Portrait . Die Polizei solle wißen was jeder Bürger in jeder Stunde thue . In dem diese ordnung nur äußere ist so liegt darinn viel unbestimtes[ .] In dem die Ausführung sich eben so auf das besondere bezieht so sind es die Sitten welche vieles verbeßern[ .] | Der Staat insofern er Polizei haben muß so ist er in Gefahr nach dieser Seite hin . Die Aufsicht muß nicht zu weit gehen und wenn sie sich in das Inere der Familie mischt so scheint sie das Inere der Person anzugreifen . Das Gemüthslose fällt den Römern anheim . Es galt dort Familien Knechtschaft und dieser gegenüber standen die Censoren , aber das ist ein gleichgroßes Übel in das Innere so einzugreifen[ .] / Es ist damit nur das Allgemeine regulirt – was allen nüzen kann – aber diese Allgemeinen Anstalten könen gebraucht werden von jedem . Sie gehören zu dem Großen Vermögen das jeder benuzen kann . Es bleibt dabei wesentlich diese Seite übrig daß das Individuum nur die M ö g l i c h k e i t hat seine Subsistenz Mittel zu verdienen . Hat das Individuum das Recht an die Bürgerliche Gesellschaft hat diese die Pflicht für die besonderheit zu sorgen ? Hat er Recht so hat sie die Pflicht so daß seine Versorgung nicht etwas zufälliges bleibe .   8 sich] sich / sich   36 verdienen] vbinden  

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Recht nur bedingt , nämlich unter der Bedingung seiner Geschicklichkeit . Nach dieser Seite hat zunächst die bürgerliche Gesellschaft die Möglichkeit der Be­ friedigung der Bedürfnisse des Individui  ; in der Familie ist es anders , hier wird die eigene Thätigkeit des Kindes nicht als die erste Bedingung der Theil­nahme an den Vor­thei­len der Familie in Anspruch genommen . Das Individuum , indem es in die bürgerliche | Gesellschaft getreten ist , ist in das Verhältniß zu einem Ganzen getreten , das die Stelle der Familie für dasselbe übernimmt . Im patriarchalischen Verhältniß bleibt die Familie fortwährend das alle einzelnen Glieder umfassende . – In der bürgerlichen Gesellschaft wird dies Verhältniß ein Anderes . Indem sie das Vermögen des Individui ausmacht , so hat sie zuerst die Pflicht dafür zu sorgen , daß demselben diese Möglichkeit erhalten wird . Dies ist die höhere Sorge , welche der Verwaltung obliegt . Sie hat so dafür zu sorgen , daß den Individuen Möglichkeit gegeben ist durch Arbeit das Ihrige zu verdienen . Wenn Arbeitlose vorhanden sind , so haben diese ein Recht zu fordern daß ihnen Arbeit ver­schafft wird . Die bürgerliche Gesellschaft | hat aber dann ferner die unbedingte Pflicht für das Individuum , welches unfähig ist , sich zu erhalten Sorge zu tragen , denn sie ist der wesentliche Grund und Boden , auf welchen das Individuum nach der Seite seiner Besonderheit ruht . Die bürgerliche Gesellschaft ist so objective Totalität , und indem sie die Substanz ausmacht für diese Sphäre der Besonderheit , so steht das Individuum in Beziehung zu ihr als dem substantiellen Ganzen . In diesem Wesen hat also das Individuum nicht nur Beziehungen der Einzelnheit , sondern es bezieht sich darauf wesentlich . Das besondere Indivi-

1 nämlich unter … Geschicklichkeit .] Ri  : nämlich von der Bedingtheit seiner Geschiklichkeit  : daß es diese selbst erwerbe . Das ist sein Recht und es ist bedingt durch seine Geschiklichkeit .   3–9 in der … Anderes .] Ri  : In der Familie ist es nicht so – es wird nicht die Geschiklichkeit erfordert dafür daß man sorgt für das Kind . Hat die bürgerliche Gesellschaft eben solche Pflicht gegen das Individuum ? | Dieses Verhältniß diese Frage beantwortet sich daraus  : daß das Individuum in ein Verhältniß getreten ist zu einem Ganzen  ; er wird aus der Familie gerißen und an diese Stelle trit die bürgerliche Gesellschaft . Das Band ist ein lokeres – Die Individuen werden 1ander entfremdet . Es erhält also überhaupt das Familien band hier eine andere Gestalt wie es in seiner substantialität hat . Die Familie hat einen väterlichen boden als Grund der subsistenz . Das Verhältniß wird ein anderes .   11–13 Dies ist … verdienen .] Ri  : daß er imer Arbeit habe – Das ist die höhere Sorge einer höheren Polizei . Das Ganze hat also zu sorgen daß die Gewerbe vorhanden sind .   15–21 Die bürgerliche … Ganzen .] Ri  : Aber die Fähigkeit zur Arbeit ist die Bedingung . Die bürgerliche Gesellschaft hat aber die Unbedingte Pflicht zu sorgen daß das Individuum diese Geschiklichkeit erwerbe , und wenn es nicht kann so muß sonst gesorgt werden . Es sind nicht diese oder jene Einzelheiten der besonderen Bedürfniße welche in der bürgerlichen Gesellschaft sollen befriedigt werden könen sondern sie selbst ist die Totalität . Indem | die bürgerliche Gesellschaft die substanz ausmacht zu dem besonderen so steht das Individuum in beziehung zu diesem Allgemeinen substantiellen . Das Individuum hat die Allgemeine bestimung seiner substanz und seiner bildung . Die bürgerliche Gesellschaft ist also für diese Seite das Wesen überhaupt  

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duum steht mit einer Menge anderer besonderen Individuen im Verhältniß , aber dieses Verhältniß | ist immer nur ein einzelnes und vorübergehendes . So kann man sich zunächst auch das Verhältniß der bürgerlichen Gesellschaft zum Individuo vorstellen . Es würde hier nur ein Verhältniß der Besonderheit zur Besonderheit vorgestellt . Das Verhältniß ist indeß ein Verhältniß der Besonderheit zum allgemeinen Wesen . Die bürgerliche Gesellschaft wenn sie bloß für das Allgemeine sorgt , so bleibt der Gebrauch desselben nur eine Möglichkeit . Die Individuen sind einzelne Individuen und es muß für sie als Einzelne gesorgt werden . Die Individuen müssen zuerst also die Geschicklichkeit erwerben durch Theil­ nahme an dem allgemeinen Vermögen ihre Bedürfnisse zu befriedigen . Es folgt daraus die Befugniß der bürgerlichen Gesellschaft | die Eltern anzuhalten , ihren Kindern eine dem entsprechende Erziehung zu geben . Die Kinder sind einmal Kinder der Familie und sodann auch Kinder der bürgerlichen Gesellschaft in dem angeführten Sinn . Elternlose Kinder fallen von Rechtswegen der Sorge der bürgerlichen Gesellschaft anheim . Verschwender die sich unfähig machen , sich und ihre Familie zu erhalten , müssen von der bürgerlichen Gesellschaft beschränkt und in Zucht genommen werden . Die bürgerliche Gesellschaft hat nun vornämlich die Pflicht für die Erhaltung des öffent­lichen Vermögens zu sorgen . Sie hat in dieser Hinsicht zunächst für die Armen zu sorgen , und eben so liegt es ihr ob , ihre Wirksamkeit auf den Pöbel zu erstrecken . – Die | Entstehung der Ar­muth ist überhaupt eine Folge der bürgerlichen Gesellschaft , und sie ergiebt sich im Ganzen nothwendig aus derselben . Es häuft sich so Reichthum ohne Maaß und Gränze an der einen , und Noth und Elend an der anderen Seite . Die Vermehrung

1–2 aber dieses … vorübergehendes .] Ri  : ZB . Das Individuum kauft etwas ist das Verhältniß be­ richtigt so ist man quitt ,   4–7 Es würde … Möglichkeit .] Ri  : Es würde das Verhältniß zur bürger­ lichen Gesellschaft nur vorgestellt als ein Verhältniß von einzelnen zu einzelnen . Welches die einzelnen Bedürftigkeiten seien so habe ich das Recht die befriedigung derselben in der bürgerlichen Gesellschaft zu haben . Bin ich unfähig es zu erarbeiten so habe ich das Recht daß ich diese bedingung in meinem Wesen finde . Das Individuum hat also ein Recht gegen die b ü r g e r l i c h e G e s e l l s c h a f t und diese hat eine Pflicht gegen jenes . Die b ü r g e r l i c h e G e s e l l s c h a f t hat nicht nur für das Allgemeine zu sorgen[ .] Sorgt sie nur für die i n d i v i d u e n ü b e r h a u p t so ist das etwas Abstraktes –   9–23 Die Individuen … Seite .] Ri  : Es folgt daraus –  : daß die Individuen die gehörige Geschiklichkeit erwerben so folgt  : daß Anstalten da seien , dafür zu sorgen – Die Polizei hat aber das Recht hierfür anzuhalten ZB . die Eltern , daß das Kind diese Geschiklichkeit erhalte . Das Kind ist Sohn der Familie aber dann auch Sohn der bürgerlichen Gesellschaft . Insofern das Kind die Sorge verlohren hat von seinen Eltern (Zb . daß es eine Waise wurde) so hat die b ü r g e r l i c h e G e s e l l s c h a f t einzutreten an die Stelle der Eltern – eben so hat sie das Recht  : Die Individuen die durch Verschwendung der Unmöglichkeit der subsistenz entgegengehen einzu schränken . Ein Hausvater hat das Recht einspruch zu machen daß das Allgemeine

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16 Gesellschaft] Familie   28 Bin] Bnn (ein Buchstabenelement zu viel)   35 bürgerlichen Gesellschaft .] Famil .   37 Unmöglichkeit] Unmög / lichkt   40



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des Reichthums und der Armuth hält gleichen Schritt . Die Nothwendigkeit ­d ieser Erscheinung besteht darin , daß die Arbeiten zur Befriedigung der Be­ dürfnisse abstracter werden . Sie können so leichter hervorgebracht werden , wie bereits erwähnt wurde . Der Kreis des Erwerbes dehnt sich damit aus , und so auch der Kreis des Gewinnes . Das concrete Gewerbe hat einen beschränkten Kreis von Individuen , den es befriedigt . An die Stelle der abstrakten Arbeit tritt wie wir sehen , die Maschine . Dadurch werden die Wirkungen der abstracten | Arbeit noch vermehrt , die concreten Gewerbe werden so heruntergebracht . Die Reich­ thümer häufen sich bey den Inhabern der Fabriken . Wird vollends für den Staat gearbeitet , so ist jene Anhäufung von Reich­thümern noch bedeutender durch die Geschäfte der Lieferanten und der Fabrikunternehmer . Indem sich hier Reich­ thümer sammeln , so wird durch die gesammelten Kapitalien die Möglichkeit zur Ausdehnung des Geschäfts noch vermehrt . Die Besitzer großer Capitalien können mit einem geringern Gewinn zufrieden seyn als die deren Capitalien geringer sind . Es ist dies ein Hauptgrund des großen Reichthums der Engländer . Mit der Anhäufung der Reichthümer entsteht das andere Extrem , Armuth , Noth und Elend . In | England wird die Arbeit von vielen hunderttausend Menschen durch Maschinen vollbracht . Indem ferner die Industrie eines Landes sich mit ihren

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seine Kinder erziehe wenn er es nicht kann aber zugleich hat die Polizei das Recht zu fordern daß 20 der Vater sein Vermögen gehörig verwalte . Die b ü r g e r l i c h e G e s e l l s c h a f t hat nun vornemlich die

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Pflicht für die erhaltung des öffent­l ichen Vermögens (Gewerbe) zu fordern . – Sie hat aber eben so das Recht der Entstehung des Pöbels entgegen zu arbeiten das ist der Wurm der bürgerlichen Gesellschaft . Armuth ist nämlich eine allgemeine Wirkung der | bürgerlichen Gesellschaft überhaupt . Die nöthigen Fähigkeiten zu erwerben dazu gehört ein Kapital – Gesundheit . Diese Umstände , als natürliche sind zufällig – der Mangel macht es unmöglich die nöthigen Fertigkeiten sich zu erwerben . Ich bin in der b ü r g e r l i c h e n G e s e l l s c h a f t als ein Moment  ; Es trit aber hier ein Mißverhältniß und Zufälligkeit ein  : es kann der Fall sein daß ich an diesem Vermögen nicht Theil nehmen kann daß ich die bedingun­ gen der Vermitlung nicht bewirken kan . Außerdem ist es Produkt der b ü r g e r l i c h e n G e s e l l s c h a f t selbst daß an einem Ort Reichthum ohne Maaß ist , an dem anderen Ort Armuth und Elend .   3–4 wie bereits … wurde .] Ri  : sie werden Allgemeine dem Gebrauch nach .   5–11 Das concrete … Fabrik­u nternehmer  .] Ri  : Das Concrete Gewerbe (Handwerk) hat einen sehr beschränkten Kreis . Je Abstrakter das wird je mehr erweitert sich der Kreis und zulezt wird durch den Mechanismus geholfen . Durch Fabriken werden also concrete Gewerbe herunter gebracht . Hier ist es wo die Reich­thümer sich häuffen . Der lieferant in Kriegszeiten samelt sich viele Reichthümer – Der Fabrikant auch . Der Kreis des Handelsmanns wird auch größer[ .]  13–15 Die Besitzer … Engländer .] Ri  : Er gewinnt z . B . wenn er wenig hat nicht verhältnißmäßig so viel wie wenn er viel hat . – Die Engländer die einen Großen Welthandel haben große Capitalien haben – da häuffen sich Reichthümer an –   17–498,21 In | England … betrachten . –] Ri  : Die Concreten Arbeiter verlieren ihre Arbeiten und die Geringen Capitalisten werden ruinirt durch die Großen . Die Maschinen in England machen viele 100 000 Menschen entbehrlich . Auch haben die Engländer auch Beziehung nach außen – Handel – da ist das 4 dehnt] dreht (vgl . Ri)   15 Hauptgrund] Haupt / grund   34 Fabrikant] Fa / brikant  

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Erzeugnissen weit auf das Ausland erstreckt , so wird das Gedeihen einzelner Zweige der Industrie dadurch vielen Zufällen preisgegeben . Auf alle diese Weise häuft sich die Noth und die Armuth . Zugleich werden die Individuen durch die Theilung der Arbeit immer abhängiger . – Die Armuth ist nun ein Zustand in der bürgerlichen Gesellschaft der nach jeder Seite hin unglücklich und verlassen ist . Nicht nur die äußere Noth ist es die auf dem Armen lastet , sondern es gesellt sich dazu auch moralische Degradation . Den Armen fehlt so größtentheils der Trost der Religion , sie können die Kirchen oft nicht besuchen weil es ihnen an Kleidern | fehlt , oder weil sie auch an dem Sonntage arbeiten müssen . Die Armen nehmen ferner Theil an einem Gottesdienst , der für ein gebildetes Publikum hauptsächlich berechnet ist . Christus sagt dagegen  : den Armen werde das Evangelium gepredigt . Die Universitätsbildung der Geistlichen ist selbst großen­theils von der Art , daß die Lehrer der Religion mehr gelahrt reden , als fähig sind zum Herzen zu sprechen und das Innere zu offen­baren . – Eben so wird ferner den Armen auch der Genuß der Rechtspflege oft sehr erschwert . In Ansehung seiner Gesundheitspflege ist er eben so übel daran . Wenn auch für ihn bey eigentlicher Krankheit gesorgt ist , so fehlt es ihm doch meist an dem , was sonst zur Erhaltung und Pflege | der Gesundheit erforderlich ist . Wollte man den Armen an den Ge­ nuß , an die Hervorbringungen der Kunst verweisen , so fehlen ihm gleichfalls die Mittel zu solchem Genuß und er müsste eine solche Verweisung als Verhöhnung betrachten . – Noch ein ganz anderer Zwiespalt tritt beym Armen ein , der Zwiespalt des Gemüths mit der bürgerlichen Gesellschaft . Der Arme fühlt sich von Allem ausgeschlossen und verhöhnt , und es entsteht nothwendig eine innere Empörung  ; er hat das Bewußtseyn seiner als eines Unendlichen , Freyen , und

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Feld der Möglichkeit – der Ungewißheit und daher der Nothwendigkeit derselben  ; so verlieren auch die Anderen (ZB . durch die Englischen Machinen – die Weber in DeutschLand)[ .] Auch werden durch die Particularisirung der Arbeit die Arbeiter Abhängiger – und sie sind genöthigt mit dem Wenigsten Vorlieb zu nehmen und darinn können sie auch oft das nicht haben so entstehen die Extreme . Die Armuth hat Anspruch daß die b ü r g e r l i c h e G e s e l l s c h a f t ihr Abhilft[ .] Es ist nicht nur das heruntergesezt sein | in Ansehung der bequemlichkeit  ; sondern damit ist auch die Moralische Degradation herbeigeführt . Sie entbehren den Trost der Religion – sie haben dazu keine Kleider , wenn man Wochen Gottesdienst einrichtet so versäumen sie die Arbeiten . Es ist auch der Fall daß in der Stadt Lehrer der Religion für ein gebildetes Publikum predigen und den Armen wird das Evangelium nicht gepredigt . Die Universität hat es über sich den Gottes gelehrten zum Gelehrten zu machen – aber es ist noch etwas ganz anderes nöthig . Den Armen wird nicht ans Herz geredet die inere Stimme spricht nicht zu ihnen – So auch im Recht . Wenn diese Anstalten so viel kosten so kann er nicht hinzutreten und läßt sich lieber unrecht thun . So auch in Hinsicht der Gesundheit ist der Arme auch verlaßen . Aller genuß ist ihm versagt . Auch an die Kunstschäze der Stadt kann man sie nicht ver ­weisen –   23–499,4 und es … Wille .] Ri  : Um ihn alle die Befriedigung und er hat nichts er muß hungern . Das bewußtsein

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8 besuchen] be / suchen   19 die1] den   27 Wenigsten] Menigst   38 verweisen] vwden  

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damit entsteht die Forderung , daß das äußere Daseyn diesem Bewußtseyn entspreche . Es ist in der bürgerlichen Gesellschaft nicht eine bloße Natur­noth mit der der Arme zu kämpfen hat , die Natur , welche der Arme | sich gegenüber hat , ist nicht ein bloßes Seyn , sondern mein Wille . Der Arme fühlt sich also als sich verhaltend zur Willkühr , zur menschlichen Zufälligkeit und dies ist das Empörende in der letzten Analyse , daß er durch die Willkühr in diesen Zwiespalt gesetzt ist . Das Selbstbewustseyn erscheint zu dieser Spitze getrieben , wo es keine Rechte mehr hat , wo die Freiheit kein Daseyn hat  ; auf diesem Standpunkte wo das Daseyn der Freyheit etwas ganz zufälliges wird , ist die innere Empörung nothwendig . Weil die Freiheit des Einzelnen kein Daseyn hat , so verschwindet damit das Anerkennen der allgemeinen Freiheit . Aus diesem Zustande geht jene Schaamlosigkeit hervor , wie wir sie im Pöbel finden . Der Pöbel entsteht vor­ nämlich in der aus |g  ebildeten bürgerlichen Gesellschaft . Wenn die Individuen nicht bis zum Selbstbewußtseyn ihres Rechts fortgegangen sind , so bleiben sie in der unbefangenen Armuth stehen . Diese unbefangene Armuth geht wenigstens zu der Arbeitslosigkeit fort , die gewohnt ist , herum zu lummern . Damit gehen die Modifikationen des Selbstgefühls überhaupt verloren . Neid und Haß entsteht so bey den Armen gegen die so etwas haben . Wir haben früher das Nothrecht betrachtet als sich auf ein momentanes Bedürfniß beziehend . Hier hat die Noth nicht mehr bloß diesen momentanen Charakter . In dieser Entstehung der Armuth kommt die Macht des Besonderen gegen das gerade in der bürgerlichen Gesellschaft erhoben wird | wird hier unterdrükt . Es ist hier nicht eine Natur noth – es ist nicht die Natur die ihm feindlich ist – Unglük das die Natur ihm zufügt da kann er doch sagen es i s t so – es ist ein Geschik – Aber hier ist das Feindliche ein Willen , überhaupt ein Vermittelndes .   7–13 Das Selbstbewustseyn … Gesellschaft .] Ri  : Es tritt hier ein was wir ­ge­sehen haben in der sittlichen Einheit des Allgemeinen und besonderen . So daß nur Pflichten sind wo Rechte sind . Das Individuum wo das Recht kein Dasein hat – Sein dasein ist Willkühr – steht als ein Rechtloses da  : damit hat er auch keine Pflichten[ .] Dieser Zustand ist nothwendig  : Es verschwindet in ihm das Bewußtsein und Gefühl der Pflicht . Aus diesem Gefühl geht dieses Verderben hervor , dieses Schamlose – was man mit dem namen Pöbel umfaßt[ .] Der Pöbel entsteht denn vornehmlich in der ausgebildeten b ü r g e r l i c h e n G e s e l l s c h a f t da diese sich so in Extreme dirimirt .   15–18 Diese unbefangene … haben .] Ri  : Sie geht wenigstens zu der Gewohnheit der Arbeits losigkeit fort – dem Müßiggang – In dem das Selbstgefühl erstorben ist so gehen auch die Folgen hervor – Odysseus sagt selbst der Bettler muß unverschämt sein von Neid Haß , gesellt sich auch dazu . Es ist überhaupt nicht nur die Seite der Armuth zu beseitigen sondern eben auch die Seite der Faulheit . Göthe sagt in dieser Beziehung  : Wer nicht sein brod mit Thränen aß erkennt auch nicht ihr himlischen Mächte  : Ihr läßt den Armen schuldig werden und führt ihn fort zu seiner Pein .  

13 aus |g  e­bil­de­ten] ohne Trennungsstrich   22 erhoben] erhebt   23 das] daß   25 was] wie   31 ausgebildeten] ausgblideten   37 Pein .] Der Text bricht in der Zeile in Seitenmitte ab und wird nach drei 40 unbeschriebenen Seiten (mit Textlücke) auf der Seite 297Ri mit Das Mittel … erwirbt . (s . unten 501,32–33 ) fortgesetzt .  

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die Realität des Freyen zum Daseyn . Es liegt darin , daß das unendliche Ur­theil des Verbrechers herbeygeführt ist . Das Verbrechen kann wohl | bestraft werden , aber diese Bestrafung ist zufällig . In der Vereinigung der Substanz in ihrem ganzen Umfange , liegt eine Vereinigung des objectiven Rechts überhaupt . Wie nun auch die eine Seite in der Armuth zum Grunde liegt zur Pöbelhaftigkeit , der Nichtanerkennung des Rechts , so tritt auf der andern Seite in dem Reich­thum eben so die Gesinnung der Pöbelhaftigkeit ein . Der Reiche betrachtet alles als käuflich für sich , weil er sich als die Macht der Besonderheit des Selbstbewußtseyns weiß . Der Reichthum kann so zu derselben Verhöhnung und Scham­losig­ keit führen , zu der der arme Pöbel geht . Die Gesinnung des Herrn über den Sklaven ist dieselbe wie die des Sklaven . Der Herr weiß sich als die Macht , so wie der Sklave sich weiß als die Verwirklichung der Freiheit , der Idee . Indem der Herr | sich als Herr über die Freiheit des Andern weiß , so ist damit das Substantielle der Gesinnung verschwunden . Es ist hier das schlechte Gewissen nicht nur als innerliches , sondern als eine Wirklichkeit die anerkannt ist . Diese beyden Seiten Armuth und Reichthum machen so das Verderben der bürgerlichen Gesellschaft aus . Es ist die Forderung , daß Allen ihre Existenz ge­ sichert sey . Die nächste Hülfe ist direct den physisch Unfähigen zu gewähren . Was die Hülfe gegen die eigentlichen Armen be­trifft , so kann man zunächst glauben , dieselbe müsse auch direct gereicht werden , durch eine Abgabe der Reichen an die Armen . So wird in England eine Armentaxe von 9 bis 10 Millionen Pfund bezahlt . Diese Hülfe macht indeß das Uebel nur ärger . Was den Pöbel als solchen be­trifft , so | könnte man glauben , dieser müsse auf disciplinarische Weise gebändigt werden , allein dadurch würden die wesentlichen Rechte der Bürger gekränkt werden . Der Mangel an Arbeit ist , wie bemerkt wurde , ein HauptUmstand der die Armuth herbeiführt . Es tritt bey einem gedeihlichen Zustande der Cultur immer eine Uebervölkerung ein . Wenn der Armuth Gelegenheit zur Arbeit gegeben wird , so wird dadurch nur die Menge der Waaren vermehrt  ; nun aber ist es gerade der Ueberfluß von Waaren , der den Mangel an Arbeit herbeigeführt hat . Wenn die Waaren wohlfeiler gegeben werden , so werden dadurch die Gewerbe ruinirt . Geben die Reichen den Armen direkt Unterstützung , so können sie weniger auf Bedürfnisse verwenden und es leidet dadurch wieder eine andre Classe . | Eben so entsteht durch eine direkte Unterstützung der Armen die völlige Degeneration derselben . Es wird so nothwendig zu einem Recht , daß derjenige der nichts hat unterstützt wird  ; so verschwindet das Selbstgefühl durch seinen Fleiß und seine Arbeit leben zu wollen . Durch dieses Recht tritt 3 Substanz] im Ms von anderer Hand in Subsistenz geändert   20 dieselbe] dasselbe  29 Waaren] Arbeit  

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jene Schamlosigkeit ein , die wir in England sehen . Da wo in England keine Armentaxen sind , da sind die Armen immer noch gesitteter und zur Arbeit geneigter . In Rücksicht auf die Armuth ist es überhaupt das Vermögen , welches der bürger­lichen Gesellschaft fehlt  ; vom directen Vermögen und von directer Unterstützung wurde so eben gesprochen  ; die andere Art von Vermögen ist die Gelegenheit zu arbeiten , allein auch diese hat die bürgerliche Gesellschaft den Armen nicht zu bieten[ .] | Was im Großen bewirkt wird , und was die Hülfe in großen Massen betrift , das muß da studirt werden wo sich Massen zeigen wie in England . Um dem Uebel der Armuth abzuhelfen kann von religiösen Anstalten nicht unmittelbar die Rede seyn . Die religiöse Wirksamkeit vermag nichts gegen die unmittelbare Natur und Nothwendigkeit der Sache . Es muß also den Menschen zu den dringendsten Bedürfnissen geholfen werden . Der bürgerlichen Gesellschaft fehlt also im Allgemeinen das Vermögen , der Armuth abzuhelfen . Sie kann nur Hülfe finden in einem Vermögen , das nicht ihr eigenes ist  ; dies andere Vermögen ist das Grundeigenthum . Dies hat sie nicht in sich selbst , sondern sie muß sich nach einem Andern umsehen . So ist die Noth |w   endig­keit der Colonisation gegeben . In allen Völkern , auf verschiednen Stufen , findet das Bedürfniß der Colonisation statt . Man findet dies Bedürfniß selbst bey ackerbauenden , Viehzucht treibenden Völkern . Solche Völker sehnen sich zum Theil nur nach den Genüssen gebildeterer Völker . So sind die Völkerwanderungen aus dem mittlern Asien nach Indien , eben so wie die Wanderungen in Europa . Das allgemeine , höhere Princip ist , daß die Völker einen Zustand erreichen , wo die Bürger nicht mehr auf eine genügende Weise leben können . Colonien müssen auf einem freyen Fuß gebildet werden , wie bey den Griechen . Es muß ihnen wenigstens der Anfang eines freyen , bürgerlichen Zustandes gegeben werden . In neuern Zeiten | sind die Colonien vorzüglich in dies Verhältniß zum Mutterlande gesetzt worden , daß sie mit keinem Lande als mit diesem , Handel treiben durften . Durch Colonisationen wird das doppelte erreicht , daß die Verarmten Eigen­ thum erhalten , und daß durch diese zugleich für das Mutterland ein neuer Markt gebildet wird . England hat so Colonien in Amerika angelegt , die noch immer im entschiedenen Zunehmen sind . Daß Amerika unabhängig von England ge-

28–502,3 Durch Colonisationen … ist . –] Ri  : Das Mittel der Armuth abzuhelfen ist , daß die Gesellschaft neuen Boden zu gewinnen sucht – Colonien anlegt – und wieder Grund und boden erwirbt . 35 Es erwirbt sich jene Classe neues Eigenthum und einen neuen Markt . So wandert man imer noch 35 nach Neu England aus . Daß Nord America sich unabhängig gemacht hat wurde zuerst für schaden betrachtet . Aber es ist vielmehr ein ungeheurer Nuzen und England hat da einen ungeheuern Markt erhalten[ .] England hat seit der lezten Zeit ungeheuren Absaz dorthin .   16 sie muß] sie muß sie muß   34 neuen] neuer  

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worden ist , wurde vormals als ein Unglück für England betrachtet , allein es hat sich gezeigt , daß dieses Ereigniß für Englands Handel und Gewerbe höchst wohlthätig geworden ist . – Die Frage ist nun wo Boden für Colonien zu finden | ist , dies ist im Allgemeinen eine empirische Frage . Es ist nur zu sagen , daß der Boden jenseits des Meeres zu suchen ist . Das Meer ist überhaupt das Naturelement der Industrie zu dem die bürgerliche Gesellschaft in ihrer Ausbildung hinstreben muß . – Die bürgerliche Gesellschaft ist einerseits zu arm um ihre Armen zu erhalten  ; dies hat auf der andern Seite die Bedeutung , daß die bürgerliche Gesellschaft zu reich ist  ; eben die Armuth der Arbeitenden besteht darin daß das was sie produciren , keine Abnehmer findet . Es ist so zuviel Kapital vorhanden und es wird mehr producirt , als die Nation verzehren kann . Um dieses Ueberflusses willen muß die bürgerliche Gesellschaft suchen , daß sie ihren Handel ausbreite , damit kommen die Armen | wieder zur Arbeit und zur Möglichkeit ihre Subsistenz zu gewinnen . Die bürgerliche Gesellschaft strebt so überhaupt über sich hinaus , zunächst auf diese äußerliche Weise in Anlegung von Colonien . Diesem Uebersichhinausgehen liegt nun unmittelbar die Gewinnsucht zum Grunde  ; das Höhere ist indeß , daß der Handel der Weg ist , die rechtliche Weise , wie Nationen in Beziehung mit einander kommen . Barbaren sind zunächst im feindlichen Verhältniß gegeneinander  ; sie sind für sich und bilden so einen , das Andere von sich ausschließenden Punkt . Die in Handelsbeziehung mit einander kommenden erkennen einander zuerst als rechtliche Personen , als Eigenthümer an . So kommen die Menschen auf eine | äußerliche , empirische Weise zur Allgemeinheit und Anerkennung . Das Bekanntwerden mit andern Nationen ist eines der wichtigsten Momente in der Bildung der neuern Welt . Die Menschen kommen dadurch aus ihren bornirten Vorstellungen heraus . Das Reisen ist daher schon von jeher als

5–7 Das Meer … muß . –] Ri  : Das Meer ist das Element der Beweglichkeit und ist das lezte Streben der Gesellschaft .   9–25 eben die … heraus .] Ri  : Die Armuth besteht darinn daß zu viel producirt ist . Z u r e i c h . Es sind die Arbeiter die zu arm sind – doch produciren sie . Es ist zu viel Capital vorhan­ den d . h . Productivität . Deßwegen ist es Politik daß diese Nation den Handel ausbreitet . Das geschieht schon durch Colonien . So komen die Armen wieder zur Arbeit  : diese müßen also suchen den Handel auszubreiten[ .] | Sie strebt damit über sich hinaus . Diesem liegt einerseits das Interesse , der Gewinn zu Grunde . Das höhere ist aber schon jezt darinn , daß die arbeitenden Mittel zur subsistenz haben . Wilde Barbaren sind zunächst in feindlichem Verhältniß gegen 1ander . Sie sind f ü r s i c h . Der Handel aber ist zwischen den Völkern die Rechtliche beziehung . Sie müßen sich gegen 1ander anerkenen als rechtliche Personen – als Eigenthümer , die nur mit ihrer Willkühr etwas von dem je Meinigen aufgeben[ .] Durch diese Verbindung komen diese Menschen zur Allgemeinheit des Anerkennens – Sie treten damit aus dieser Stumpfheit heraus , auf Empirische Weise[ .] Es komt durch die Anschauung die Vorstellung auf daß man doch ein Mensch sein könne ohne so zu thun wie wir  ; oder diese Farbe zu haben  .   25 ihren] ihrem   28 produciren] produ / ciren  

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Bildungsmittel betrachtet worden . Das größte äußerliche Mittel der Verbindung ist das NaturElement des Meeres , dieses ist die breite ungeheure Straße , wodurch die Menschen in Verbindung mit einander treten . Es hat eine Zeitlang , besonders bey den Franzosen , der oberflächliche Gedanke geherrscht , daß Flüsse natürliche Grenzen wären . Flüsse und Meere sind gerade das die Menschen Verbindende . Land und Gebirge scheiden weit | mehr . Dännemark und Norwegen waren verbunden  ; Liefland und Schweden  ; England und Frankreich , Griechenland und Kleinasien  ; Ein jedes Volk , das zu einer gewissen Stufe der Bildung kömmt , muß sich nothwendig an das Meer drängen . Ein Volk , das im Binnenlande bleibt , kann zu keiner freien Kultur gelangen . Die Aegyptier und die Indier sind in einer innern Verdumpfung geblieben , weil sie den Seehandel entbehrten . Beyde haben den Thierdienst und die Kasteneintheilung mit einander gemein . Sodann haben diese Völker ungeheure Werke der Kunst hervorgebracht , aber nicht als freye Erzeugungen , sondern als Werke des Despotismus . Das Meer ist | für den Handel das Höchste , es erweitert die Brust und in der Sucht nach dem Gewinn entsagt der , der ihm nachgehet zugleich dem eigennützigen Zweck . Das Meer und die Befahrung desselben machen gleichsam die Poesie des Handels aus , es entsteht hier eine Tapferkeit zu der der Handel in sich selbst fortschreitet . Es entsteht durch den Handel die Vorstellung von der Allgemeinheit der Menschen , die Besonderheit der Nationen , ihrer Sitten und ihrer Kultur pp verschwinden . Es bleibt der allgemeine Gedanke daß alle Fremden Menschen sind . Der Trieb , über das Meer hinüber zu gehen und die Grenzen zu überschreiten entsteht durch den Handel . Der Mensch geht darauf aus dadrüben nicht ein Anderes zu lassen und dieses ungeheure unindividualisirte Element des Meeres sich zu | unterwerfen . Dazu führt

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… lassen] Ri  : Die Flüße und das Meer sind das Größte bindungsmittel – Gebirge sind das Trennende Flüße das vereinigende . Nach diesem sind es imer die beiden Ufer bewohner die am Nächsten in Verbindung mit 1ander sind . Norvegen war lange mit Schweden nicht verbunden | wohl aber mit Dänemark etc . Das Meer ist also zunächst das communications Mittel zu welchem sich ein Volk hinarbeiten soll . Ein Volk das innerlich in sich verschloßen bleibt kann zu keiner freien Cultur komen . In der Alten Zeit sehen wir es von den Aegyptern[ .] So die Indier . Diese Völker wollten nicht schiff­f ahren . Diese Völker haben sich sehr ausgebildet aber sie sind doch in sich verdumpft . Sie haben beide mit 1ander den Viehdienst – Sie ehren diese Thiere mehr als die Menschen . Bei Hungersnoth fristeten sie zuerst das Leben der Thiere und ließen die Leute Verhungern . – Das andere ist  : daß sie ungeheure Werke – Kunstwerke – vollendet aber die Leute dazu wurden nur als Hände gebraucht . Das Meer ist für den Handel wie der boden für den Akerbau . Das Meer ist gleichsam die Poesie des Handels und der Industrie . Das Meer zu befahren ist das Resultat der b ü r g e r l i c h e n G e s e l l s c h a f t selbst . Es entsteht dadurch die Vorstellung von der Allgemeinheit des Menschen als Menschen  : Diese Allgemeinheit des Denkens liegt darinn . – Es ist dem Menschen unerträglich zu denken daß noch etwas da drüben sei – Dadurch gedrängt geht er | hinaus .  

25 5–23 Flüsse und

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40 16 Meer] Mehr   27 mit 2 ] nicht mit  

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nachschrift anonymus (bloomington) · ringier · 1819/20

die einfache Bemerkung , daß das Holz specifisch leichter ist als das Wasser . Früher sind die Europäer , die Spanier und Portugiesen , und eben so die Holländer zu den fremden Völkern noch mit der Bornirtheit gekommen , daß jene Völker ein Schlechteres wären als sie . Erst durch die Engländer , die vom Menschen als Gedanken ausgegangen sind , ist die ganze Welt in allgemeine Beziehung gesetzt worden . Das Binnenland das mit keinem Meere in Beziehung steht , bleibt in sich dumpf und verschlossen . Es entsteht durch die Bedürfnisse und den Handel ein Weltinteresse , die Weltgeschichte zeigt die Seiten des sittlichen Ganzen , der Welthandel zeigt die Seiten des Verhältnisses als solche . Zugleich | geht die bürgerliche Gesellschaft , indem sie ihren Gewinn , ihr Eigenthum der Gefahr aussezt , über ihr Princip hinaus . Der Trieb des Gewinns schlägt in sein Gegentheil , die Tapferkeit , um . Wenn die Moral ein Geschrey darüber erhebt , daß die Menschen aus Gewinnsucht sich den Gefahren des Meeres ausgesetzt haben so ist es dagegen die höhere moralische Nothwendigkeit , die die Menschen zur Verachtung ihrer Subsistenz bringt . Der Mangel der bürgerlichen Gesellschaft , dessen eben erwähnt wurde , ist ein höherer Mangel in ihrem Begriff . Die bürgerliche Gesellschaft haben wir überhaupt erkannt als das Auseinandergehen des Sittlichen , worin die beyden Momente desselben , das subjective Selbstbewußtseyn und das Allgemeine , jedes für sich , zu ihrem | Recht gelangen . Ihre Einheit ist eine relative , und beyde Momente gehen in einander über . Wir haben gesehen wie in der bürgerlichen Gesellschaft Jeder zunächst sich selbst Zweck ist . Die Besonderheit ist also hier überhaupt Zweck  ; diese Thätigkeit schlägt , aber auch in das Allgemeine um , so daß indem ein Jeder sich selbst befriedigt er auch für das Allgemeine wirkt . Dieses Allgemeine ist auf diesem Standpunkt nur das abstracte oder äußerlich Allgemeine , es bezieht sich nur auf Bedürfnisse , äußerliche Ordnung und dergleichen . Eben so hat auf der andern Seite die Besonderheit nur sich zum Zweck .

1–12 Früher sind … um .] Ri  : Die früheren Europäer kamen zu den anderen Völkern hin noch mit den niederen Ansichten , – Bei den Portugiesen und Spaniern war es unbefangen – bei den holländern war es der Geiz . Erst durch die Engländer ist so die ganze Welt in beziehung gekomen – d[ .] h . nur das Küsten land . Das BinnenLand – ist das Verschloßene Land , das Verdumpfte – entweder Wüsten , oder Wildniß . Das alles ist ein Welt intereße – der Welthandel zeigt die Seite der Verbindung der bürger­ lichen Gesellschaft . Zugleich schlägt in der bürgerlichen Gesellschaft das um in das Gegentheil  : einerseits den Geiz und andererseits das alles an diesen zu sezen .   16–27 Der Mangel … Zweck .] Ri  : Das höhere hinausgehen der bürgerlichen Gesellschaft liegt darin daß ihr begriff ein beschränkter Endlicher ist[ .] Eine Stufe die erst zu ihrer Wahrheit überzugehen hat . – Die b ü r g e r l i c h e G e s e l l s c h a f t ist die Stufe der Erscheinung das aus1einander gehen des sittlichen . / | In der bürgerlichen Gesellschaft ist jeder sich selbst Zwek – es ist sein Verstand der sich um die Mittel umsieht . Seine besonderheit ist Zwek . 11 die] der   33 schlägt] ght  

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dritter theil · sittlichkeit505

Diese beyden Extreme sind für sich nichtig , ihre Wahrheit ist erst ihre Einheit . Das Besondere hat sein integrirendes | Moment am Allgemeinen , und eben so umgekehrt . Der Begriff gehet also über die bürgerliche Gesellschaft hinaus . Das Interesse der Besonderheit soll nicht ein Interesse des selbstsüchtigen Zweckes seyn , sondern es soll ein Gesichertes , allgemein Gültiges werden , es soll Objectivität in sich haben . Was die Sicherung der Subsistenz anbetrift , daß sie nicht der Zufälligkeit preisgegeben sey , so scheint die Sorge dafür der Polizey als solcher anheim zu fallen . Allein wir haben gesehen , daß diese nur für das Allgemeine als solches sorgt . Insofern für die Besonderheit gesorgt werden soll , so ist dazu erforderlich besonderes Interesse , besondere Kenntniß , besondere Einsicht . Nur solche die in der Besonderheit leben , können die Besorgung der | Besonderheit über sich nehmen . Diese sorgen für die Besonderheit in ihrem ganzen Umfange , und zugleich wissen und wollen sie dieselbe . Das Sittliche kehrt somit in die bürgerliche Gesellschaft zurück , innerhalb ihrer Zwecke der Besonderheit . Die welche zunächst das Interesse der Besonderheit haben , sorgen hier nicht mehr für sich als Einzelne . Es tritt somit der Begriff der Genossenschaft , der Corporation pp ein , und dies ist die zweite Stufe der Sittlichkeit . Die Familie ist die erste Stufe der Sittlichkeit in substantieller Form . Die Corporation ist eben so eine sittliche Gesellschaft , aber eine solche , die nicht mehr wie die Familie , die Natur zur Grundlage hat . Die Mitglieder einer Genossenschaft bestehen in und durch dieselbe  ; sie | sind einerseits für sich thätig , und andererseits befördern sie in Dieses sich selbst zum Zwek machen schlägt um in das Allgemeine . Das Allgemeine darinn wie es denn auch Zweck ist ist nur das Abstrakte oder das Äußerlich Allgemeine . Die äußerliche Ordnung der Polizei . Auf der einen Seite das Allgemeine das sich selbst Zweck ist und die besonderheit sind hier getrennt .   2–6 Das Besondere … haben .] Ri  : Der Begriff geht also in sein außersich sein hinaus . Zunächst ist es diese Einheit wie sie noch innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft als solcher hervor­ trit . Es ist ein Intereße der besonderheit , das nicht ein ungewißes bleiben soll – ein bloßes Intereße der besonderheit sein soll – Ein Ungewißes . – Es soll ein Gesichertes sein . Der Ungewißheit ent­ nomenes[ .]   8–14 Allein wir … Besonderheit .] Ri  : Sie ist aber nur ein Intereße des Allgemeinen . Es muß aber wenn das besondere Intereße soll gesichert sein der besonderheit nachgegangen sein . Zu dieser besorgung gehört wesentlich ein Zutrauen – der Arme hat eine Scheue gegen solche die nicht Arm sind – / | In dem nun die Natur der besonderen Sorge etc[ .] nöthig ist um dieses bewirken zu könen so müßen die darinn eingeschloßenen nothwendig diese Sorge übernehmen[ .] Sie sorgen dann für diese besonderheit in ihrem ganzen Umfange . In dem jezt eintrit , daß jezt nicht mehr das Besondere in das Allgemeine umschlägt so kehrt damit und auf diesem Punkt das sittliche in die b ü r g e r l i c h e G e s e l l s c h a f t zurük .   17–506,4 Die Familie … Gesellschaft .] Ri  : Familie ist das erste in Form der Liebe . Das 2te hat aber nicht mehr die Liebe nur sondern sie hat die Selbstständigkeit der Subjekte als Princip . / Einerseits sind es selbstständige Personen und andererseits haben sie ein gemeinsames Intereße das befreit sie von der Selbstsucht . Dadurch ist ein gemeinsames in dem sie ihr bestehen haben durch

40 13 Das] Der   30 der] so muß der   33 darinn] da / rinn   35 sittliche] sintlich (unklare Buch­sta­

ben­elemente)  

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372 A B

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Zweck und Absicht ein Allgemeines , die Genossenschaft . Dies ist die Rückkehr der Einheit als gewußter Zweck und zwar innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft selbst . Von selbst theilen sich nun die Geschäfte , das große weitläuftige Werk der bürgerlichen Gesellschaft . Der Zweck der Corporation ist von der einen Seite die Sicherung der Subsistenz aller ihrer Mitglieder , der Einzelne soll zwar durch seine Tüchtigkeit zunächst für seine Subsistenz sorgen  ; aber seine Thätigkeit und Rechtlichkeit bleibt immer nur eine Möglichkeit und ist noch keine Wirklichkeit . Indem die Corporation in Rücksicht der bürgerlichen Gesellschaft an die Stelle der Familie tritt , so fällt derselben auch die Sorge für die Individuen anheim , da | wo und insoweit die Kräfte der Familie nicht ausreichen . Ihr liegt es zunächst ob , für die Bildung der Kinder ihrer Mitglieder zu sorgen und eben so hat sie sich solidarisch zu verbinden für diejenigen , welche zufälliger Weise in Armuth gerathen . Auf der andern Seite hat die bürgerliche Gesellschaft den Anspruch an die Genossenschaften daß diese ihrem Bedürfniß Genüge leisten , in der Art daß die Productionen derselben von der gehörigen Be­schaffen­heit und dergleichen sind . Ferner muß die Genossenschaft das Recht haben über die Auf­ nahme in ihren Verband zunächst zu entscheiden , die Aufzunehmenden hinsichtlich ihrer Tüchtigkeit zu prüfen und die Zahl ihrer Mitglieder zu bestimmen . Gegen diese | Rechte der Corporationen hat sich nun in neuern Zeiten erhoben das Zutrauen eines Jeden zu sich selbst , so daß ein Jeder glaubt sich besser auf sich verlassen zu können als auf die Corporation . Man sieht es als ein absolutes Unrecht an , Jemand zu hindern das zu treiben was ihm beliebt , und seine Kräfte die ihm die Natur gegeben hat , nach Gefallen anzuwenden . Dabey ist vergessen ,

das sie ihr bestehen haben . Sie sind für sich Thätig aber ohne Selbstsucht . Das ist also die Familie die aus1ander geht , diese 1heit kehrt jezt als Gewußter Zwek zurük . Diese 1heit ist aber die höhere Stufe – die Stufe des Gewußten . Von selbst spaltet sich das Große Werk der b ü r g e r l i c h e n G e s e l l s c h a f t in besondere Zweige | die sich unterscheiden und in ihren Zweken ein gemeinsames bilden .   8–13 Indem die … gerathen .] Ri  : Indem die Korporation an die Stelle der Familie trit und indem das besondere als solches der Nächste Zwek ist so hat man zuerst für die bildung der Individuen zu sorgen . Die Genoßenschaft hat für die Kinder zu sorgen die ihre Ältern verlohren haben . Die Genoßenschaft soll auch für die sorgen die zufälliger Weise in Armuth gerathen –   16–21 Ferner muß … Cor­ poration .] Ri  : Die Übrigen Glieder können dies nicht untersuchen . Es ist Pflicht der Genoßenschaft zu sorgen für Güte der Arbeit und Untadelhaftigkeit . Ferner hat die Genoßenschaft dafür zu sorgen daß die welche die Arbeit gelernt gesichert werden so hat sie die befugniß die Zahl die nöthigen Glieder und die Aufnahme zu sichern . / | Da ein Gewißes Quantum nur gebraucht werden kann so gehört der Corporation die Zahl zu bestimen[ .] Gegen dieses hat sich in neueren Zeiten gehoben das zutrauen zu sich , das Zutrauen der besonderheit . Jeder wollte nur auf seinen eigenen Beinen stehen  .   23–507,2 Dabey ist … hat .] Ri  : In diesem Gesichtspunkt ist vergeßen  : daß die Subsistenz der Erwerb nicht etwas bloß einzelnes ist sondern daß sie sich auf das weitere der Gesellschaft bezieht –   17 ihren] ihrem   24 Selbstsucht] (Selbst als Kürzel)stsuht  

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daß der Erwerb wesentlich etwas nicht nur Persönliches ist , sondern daß derselbe auch einen weiteren Zusammenhang hat . Jeder Einzelne , wenn er sich nur auf sich selbst verläßt , giebt sich damit der Zufälligkeit hin . Das Vernünftige besteht darin daß die Existenz des Einzelnen nicht ein Zufälliges sey , sondern ein Festgemachtes , so daß wenn auch die Umstände | das Individuum zurückbringen , diesem doch sein Recht verbleibt . Dieses wird nun in der Genossenschaft auf eine wahrhaft zweckmäßige Weise erreicht . Das Individuum soll in der bürgerlichen Gesellschaft nicht nur die Möglichkeit , sondern auch die Wirklichkeit haben . Sodann ist es das Interesse der Sittlichkeit daß das Individuum nicht bleibt in dieser Selbstsucht , sondern daß dasselbe zugleich die Sorge für ein Gemeinsames übernehme . Es tritt hier das Substantielle , Wahrhafte der Sittlichkeit , die Ver­ einigung des besondern und allgemeinen Zwecks hervor . – Weiter zeigt sich hier diese besondere Form in der bürgerlichen Gesellschaft , die wir Ehre nennen . Das was das Individuum in der Familie ist , das ist es . | Es ist hier ungetrennte , unmittelbare Sittlichkeit . In der bürgerlichen Gesellschaft ist zugleich Reflexion in mich und in ein anderes  ; was ich bin , das bin ich nicht für mich , sondern es hat seine Realität wesentlich durch Andre . Ich bin nicht nur natürlicher Weise von Andern abhängig , sondern eben so auch von der Vorstellung Anderer . Diese Vorstellung soll ein Festes und Bestimmtes seyn . Die Ehre ist ein Begriff , der in der alten Welt nicht auf diese Weise vorhanden war , wie in der neuen . Daß das Individuum in der bürgerlichen Gesellschaft seinen Zweck erreicht , dazu gehört daß es anerkannt ist , und dieses Anerkannt­seyn ist ein wesentliches Moment seiner Realität . Das was Jemand ist und was er seyn

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3–8 Das Vernünftige … haben .] Ri  : Die Vernünftigkeit besteht dann darinn daß diese nicht ein

25 zufälliges bleibe sondern daß sie fürs erste ein fortdauerndes sei und nicht ein zufälliges sondern als

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ein festgemachtes , so daß wenn jemand durch Krankheit etc[ .] zurükkomt daß ihm doch geholfen werde . Jeder hat anspruch daß die b ü r g e r l i c h e G e s e l l s c h a f t für ihn sorgt wenn er sagt er wolle sich auf sich selbst verlaßen so hat er einerseits Recht anderer Seits unrecht – Alles dies ist imer von äußeren umständen Abhängend . Alles ist ein Zufälliges . Es ist also unbegründet daß er nur auf sich beruhen wolle[ .]   11–13 Es tritt … nennen .] Ri  : In diesem sittlichen Ganzen – in | dieser Sphäre ist er dann weiter wie in der bloßen Einzelnheit . Das ist für ihn dann das substantielle . Näher trit hier in rüksicht des Sittlichen die besondere Form hervor die wir Ehre heißen . Sie entsteht eben deßwegen weil  :   15–508,5 In der … Betrachtung .] Ri  : In der bürgerlichen Gesellschaft ist reflexion in mich zugleich reflexion in anderes . Was ich bin – (geschikt reich talentvoll) bin ich nicht nur für mich selbst sondern es hat seine realität wesentlich durch die anderen . Ich bin von den anderen abhängig – Was ich für mich bin – bin ich wesentlich durch die reflexion und die Vorstellung der Anderen , diese Vor­ stellung soll ein festes ein Objektives sein – das ist die Ehre . Die Ehre in unserem Begriff ist in der Alten Welt nicht vorgekomen . Die Ehre ist eine Vorstellung . In der bürgerlichen Gesellschaft ist das was er ist , auch in der Vorstellung der Anderen (Theils durch die Arbeit theils die Vorstellung)[ .] Es gehört

40 32 Sittlichen] Sintlchen (unklare Buchstabenelemente)  

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soll , dies ist | in der bürgerlichen Gesellschaft nicht unmittelbar in einer Bestimmung zusammen . Alle die einzelnen Beschäftigungen in der bürgerlichen Gesellschaft erhalten erst ihren Sinn als Glieder einer Kette . Das worin einer tüchtig ist , hat in seiner Unmittelbarkeit nicht unmittelbar seinen Sinn  ; es gehört dazu eine vermittelnde Betrachtung . Die Ehre ist nun eben erst eine solche Vorstellung die aus der Vermittelung kommt . Bey den Alten war Jemand unmittelbar geehrt , um seines Reichthums um seiner Thaten , um seiner Vorfahren willen . Was der Gegenstand ist das kann nur geachtet werden als Mittel , als Glied einer großen Kette . Der allgemeine Zusammenhang in dem ein Geschäft , ein Gewerbe seine Bedeutung hat , | liegt ausserhalb desselben . Deshalb ist die Seite der Allgemeinheit an einem Geschäft durch die Vorstellung gesetzt . Wir haben nach der einen Seite gesagt , daß die Bildung in Ansehung des Geistes Resultat der Gesellschaft ist , die bürgerliche Gesellschaft ist Reflexion des Verstandes , wie das Bewußtseyn thätig ist . Die Bildung ist nun überhaupt daß in dem Besondern unmittelbar das Allgemeine sich zeigt . Der Mensch zeigt so einen Unterschied von den Thieren in jedem Zug , in Allem was er thut , einen Zug von Menschlichkeit . Das Allgemeine muß zur Gewohnheit werden  ; der gebildetste Mensch ist der Einfachste . Der Ungebildete braucht zu Allem Umwege , und thut oft etwas ganz Anderes als er will . Die Ehre ist nun der Reflex der Bildung , daß ich ein Anerkanntes bin , und daß in dem besonderen Verhalten der Individuen gegeneinander | dies Anerkennen ausgesprochen sey . Ich behandle so den Einzelnen in aller Besonderheit nicht als Einzelnen , sondern als Allgemeinen . Dies ist das Moderne der Ehre . Es kann scheinen , daß indem ich einen Anderen nach der Ehre behandle , dies ein Verhalten der Falschheit sey . Darin liegt aber überhaupt nur das Allgemeine

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­a nerkennung dazu . Bei der Ehre ist eine unterscheidung vorangegangen von dem was jemand ist und sein soll . Was in der bürgerlichen G e s e l l s c h a f t einer treibt ist ein vereinzeltes Geschäft . Die Gewerbe sind particularisirt , jeder hat seine besonderen[ .] | Erst durch die bürgerliche Gesellschaft hat das Gewerbe einen Sinn[ .]   7–10 Was der … desselben .] Ri  : Es ist wesentlich in der Vorstellung[ .] Der Gegenstand ist weiter nicht zu achten[ .] Das was jemand treibt ist wesentlich erkennbar in der Betrachtung es ist in der Vorstellung .   14–22 Die Bildung … Allgemeinen .] Ri  : Was ich thue ist zu­ nächst ein besonderes – ich muß ihm den Stempel der Allgemeinheit aufdrüken . Daß in dem was wir thun nicht nur ein instinkt artiges ist sondern ein geformtes , Das Allgemeine muß gewohnheit werden , auf die einfachste Weise , das macht die Sphäre der bildung aus , die Ehre ist die Reflexion der bil­ dung . Ich erkene den den ich ehre nicht als ein besonderes sondern als ein Allgemeines .   23–509,2 Es kann … Allgemeinem .] Ri  : und ist ein nothwendiges Moment . Es kann dann scheinen wenn ich einen Menschen nach seinem S t a n d e behandle , als etwas unredliches oder lügenerisches (Zb . Gehorsamer Diener)[ .] Aber es ist weder etwas beleidigendes noch ehrendes sondern nur dieses Anerkenen . Es ist die Grundlage das , daß ich mich zu dem Einzelnen als Allgemeines verhalte[ .]   29 Das] Dß das  

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dritter theil · sittlichkeit509

Verhalten . Es ist die Grundlage dieses Verhaltens immer dieses Höhere , daß ich mich zum Einzelnen verhalte , als Allgemeinem . Die Sitte und die Höflichkeit unter den Menschen hat also hierin ihren Grund überhaupt . Im Rechte ist das Individuum nur abstracte Person , in der bürgerlichen Gesellschaft ist dagegen das Individuum eine besondere Person , und gehört irgend einer Genossenschaft an  : Indem nun in der Corporation das Besondere zugleich als Allgemeines sich | verhält , so ist dieses die letzte Bestimmung der bürgerlichen Gesellschaft überhaupt . Jedes Glied der bürgerlichen Gesellschaft hat seine Ehre und ist anerkannt . Derjenige der einer Genossenschaft angehört , hat seine Ehre in derselben . Daß sein besonderes Geschäft ein solches ist , das im Ganzen seinen Sinn hat und daß er nicht bloß für seinen Zweck sorgt , sondern zugleich für eine Gemeinschaft , dies macht seine Ehre aus . Der ackerbauende Stand als solcher formirt eigentlich keine Corporation , diese setzt wesentlich ein besonderes Geschäft voraus . Im ackerbauenden Stande ist die Familie das Hauptmoment , in Ansehung der Subsistenz ist jeder mehr auf sein PrivatEigenthum beschränkt , zu dem sein Verhalten ein unmittelbares ist . Es sind also die verschiedenen | Gewerbe vorzüglich , welche die Corporation bilden . Die Gemeinde macht demnächst selbst wieder eine Corporation aus . – Die Corporation macht also wie bemerkt , wesentlich das sittliche Moment in der Gesellschaft aus . England leidet bekanntlich am Ueberflusse des Reichthums und der Armuth  ; man kann dafür halten daß ein Hauptmoment dabey ist , daß daselbst die Corporationen nicht in einer organischen geordneten Form existiren . Wenn ein Jeder nur für sich thätig ist , so fehlt hiermit das sittliche Element . Schlechthin Privatperson kann der Mensch nicht seyn  ; erst indem er einen allgemeinen Zweck hat , stellt er sich als ein Substantielles und Wesentliches dar . Wenn die Individuen darauf reducirt sind , als Besondre zu leben , so müssen sie nothwendig | das Streben haben , in ihrer besondern Bethätigung auch anerkannt zu werden von Andern . Zunächst verfallen sie auf den Genuß und dann 3–8 Im Rechte … überhaupt .] Ri  : Im Rechte ist der Mensch bloß abstrakte Person und in der b ü r ­

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30 g e r l i c h e n G e s e l l s c h a f t ist der Mensch eine concrete Person zugleich aber ein Allgemeines . Indem der

Mensch in der Corporation zugleich ein Allgemeines ist und die Corporation zugleich für allgemeines nur sorgt so ist das die lezte bedingung der b ü r g e r l i c h e n G e s e l l s c h a f t  .   16–22 Es sind … existiren .] Ri  : Der Akerbau hat die Größere Selbstständigkeit der Individuen . Die Gemeinden machen dann auch wieder ein Gemeinsames aus , Die Corporation enthält also das sittliche Moment und das Mo35 ment der Ehre . In England ist ein größerer Reichthum neben der großen Armuth und Pöbel , und das ist die Folge großentheils von dem losen Band ihrer Corporationen –   26–28 Wenn die … Andern .] Ri  : Wenn die Individuen in einem Staat darauf gewiesen sind bloß für sich zu leben – so komt es bei ihnen nicht viel darauf | an so anerkannt zu werden , Ehre trit also hier nicht so ein .   17 Gewerbe] Ge-| Gewerbe   21 Hauptmoment] Haupt / moment   38 darauf] drf | drf  

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zweitens müssen sie sich nach Außen zeigen , und dies führt zu dem Luxus der Gewerbstände , eine nothwendige Folge davon , daß sie nicht eine sittliche Beschäftigung für etwas Allgemeines haben . In der Corporation hat das Individuum sein wahrhaftes Bewußtseyn  : es hat hier eine wahrhafte edle Gelegenheit sich Ehre zu erwerben . In der Corporation ist das Verderben des Reich­thums beseitigt , hier hat er das Feld auf dem er sich zeigen kann . In diesem Zusammenhange ist der Reiche nicht mehr ein Einzelnes für sich . Zugleich hat er Pflichten in diesem Kreise , außerhalb hat er nur die ganz allgemeinen Pflichten der Rechtlichkeit . Hier ist er etwas durch die Art und Weise , wie er | seinen Reich­thum für seine Genossenschaft anwendet . Die Athenienser hatten Institutionen die in dieses hineinspielen . Die Reichsten hatten religiöse Feste zu veranstalten und dergleichen . Hier war ihnen ein Feld angewiesen , wo sie ihren Reich­thum auf eine gemeinnützige Weise anzuwenden hatten . Die Familie einerseits , die Heiligkeit der Ehe , und andererseits die Ehre der Corporation sind die 2 Momente , von denen das Wohl der bürgerlichen Gesellschaft abhängt . Die Corporation macht den Ueber­g ang zum Staate aus . Sie ist schon ein Gemeinwesen , nur hat sie noch einen besondern Zweck . Die Wahrheit des Besonderen überhaupt ist nur das concrete Allgemeine .

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3 .e Kapitel  D e r S t a a t 385A B

Der Uebergang zum Staat gründet sich | überhaupt auf den logischen Ueber­ gang der Besonderheit zur Allgemeinheit . Viele , bloß äußerlich verbundene Corporationen machen noch keinen Staat aus . Daß das Allgemeine als solches gewollt wird charakterisirt den Staat als solchen . Aus den Korporationen sind häufig Staaten hervorgegangen . Die Erweiterung des Zwecks zu dem an und für sich Allgemeinen ist die Wahrheit des beschränkten Zwecks der Corporation

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7–16 Zugleich hat … abhängt .] Ri  : Erstens muß er denken habe er seinen Gewinn der Genoßenschaft zu verdanken er wird nicht so stolz sein auf das was er hat . Auch hat er Pflichten zu sorgen für die Corporation . Bei den Atheniensern hatte der Reichste die Pflicht die Spiele zu bezahlen – und 30 das ist seine Ehre[ .] Die Familie einerseits , und die Ehre in der Corporation sind die 2 Momente um die sich die bürgerliche Gesellschaft dreht . Wo dieses nicht ist da ist der Keim der Desorganisation –   30 21–24 Viele , bloß … hervorgegangen .] Ri  : Viele Corporationen zusamen verbunden machen noch keinen Staat aus  : Das besondere beschränkte Intereße bleibt imer das wesentliche . Aus den Gemeinden sind häuffig Staaten hervorgegangen[ .] In unseren modernen Zeiten ist in den bürgerlichen Ge­ meinden Rechtlichkeit und Ehre Grundlage gewesen .   35

13 anzuwenden] anzu / wenden  

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dritter theil · sittlichkeit511

und ist das was den Staat überhaupt ausmacht . Die besondern Zwecke und Interessen erscheinen gegen das Substantielle des Staats nur als ein Untergeordnetes . Zugleich hat dieses Substantielle nur sein wahrhaftes Bestehen in der völligen Durchbildung der Besonderheit . Der Staat hat die substantielle geistige Einheit zu seinem Inhalt und zugleich enthält er die völlig ausgebildete Form . Der Staat ist in seinem Begriffe ein Resultat der angegebenen | beyden Momente . Der Begriff des Staats kann nur aus seinen Momenten gefaßt werden , diese sind das frühere in der Betrachtung , aber in der Existenz sind sie das Spätere . Die Einheit beyder Momente ist in der Geschichte immer das Anfängliche . Der Staat als solcher ist immer etwas früheres als die bürgerliche Gesellschaft , diese bildet sich nur im Staat aus , und sie kann nur innerhalb der ganzen Einheit , die der Staat ist , hervortreten . Der Staat hat zu seinem Zweck überhaupt das Sittliche . Er ist die Wirklichkeit der sittlichen Idee , die zugleich zur vollkommenen Ausbildung ihrer Form gekommen ist . Der Staat ist der sittliche Geist als sich wissend . Die Sittlichkeit der Familie ist das sich noch nicht | Wissende , sondern das sich Empfindende . Die Penaten sind das Innere  ; die politische Tugend ist nicht Tugend der Empfindung , sondern ein Wollen des allgemeinen Zwecks insofern er gedacht wird und gewußt . In der Antigone des Sophokles sehen wir diesen höchsten Gegensatz des Staats und der Familie  ; die Sittlichkeit in der Form der Empfindung und des Bewußtseyns . Diese höchsten sittlichen Mächte müssen in Collision mit einander kommen . Weil dies die höchsten sittlichen Mächte sind , so ist ihre Bewegung gegeneinander das höchste Tragische . – Die Antigone beruft sich dem Kreon gegenüber auf ein ewiges Gesetz , von dem man nicht weiß , von wem es kommt . Kreon nennt die Götter der Antigone die untern Götter . Es ist damit das in­

4–6 Der Staat … Momente .] Ri  : Der Staat hat also zu seinem Zwek – Inhalt – bestimung die substantielle geistige Einheit – zugleich enthält er die volkomene bildung der Form . Das substantielle hat die Familie zunächst in sich . Der Staat geht dem begriff nach aus diesen beiden Momenten hervor .   10–12 diese bildet … hervortreten .] Ri  : und seine Entwiklung ist die Fortbildung zu seiner höheren Nothwendigkeit . Die bürgerliche Gesellschaft muß sich in ihm ausbilden . / S t a a t a l s s o l c h e r  . /   13–15 Er ist … wissend .] Ri  : Er ist die Wirklichkeit der Idee . Die Sittliche Idee die zu der Ausbildung ihrer Form gekomen ist[ .] Er ist das Sittliche als das sich offen­bare .   17–21 Die Penaten … Bewußtseyns .] Ri  : Die Penaten sind die unteren Götter . Der | Volksgeist ist das Höhere – das sich wüßende . In der Antigone des Sophocles sehen wir diesen Gegensaz von Pietät , und von dieser Idee des Staates .   22–23 Weil dies … Tragische . –] Ri  : Die Collision ist die Offen­barung der Endlichkeit gegen 1ander . In dieser Tragödie ist Antigone die die Pietät – Creon der die Staatsgewalt übt .  –   25–512,7 Kreon nennt … Objectives .] Ri  : Das Staatsgesez soll aber gewußt werden . Creon nennt die Familie die unteren Götter . – Es ist ihr Vater und Bruder denen sie es recht machen 36 die] der   38 denen] der  

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wendig | bleibende subjective ausgesprochen . Das offen­bare sich Wissende steht dem gegenüber , die Form des sittlichen Geistes , welche den Staat ausmacht . – Es ist thörigt zu meinen , daß man das Rechte wollen könne , ohne viel zu denken . Der Staat ist gerade dieser , der das Höchste nicht bloß als ein Instinctartiges hat , sondern der dieses weiß , nur auf diese Weise ist er wahrhaft vorhanden . – Dieses daß der Geist sich weiß zeigt sich dann darin , daß der Staat seine Einrichtungen , seine Verfassung , seine Gesetze austheilt als ein bestimmt Objectives . Weil das Wissen die wesentliche Form des Geistes ist , wie es im Staate ist so ist damit die Weise des patriarchalischen Staats ausgeschlossen . In diesem sind es Gefühle , Ge­ wohn |h   ei­ten , oder auch Orakel und göttliche Autoritäten , wodurch das Staats­ leben regirt wird . Auch ist es im Staate nicht etwa einem Individuo überlassen in Begeisterung ein Volk zu bewegen . Eben so können es nicht bloß starre angeerbte Rechte seyn , wodurch das Ganze zusammengehalten wird . Dies sind historische feudalische Staaten . Die Gründe welche hier gelten , sind ganz positiver Art  ; es hat so gegolten und darum gilt es . Erst indem die bürgerliche Gesellschaft sich in den Feudalstaaten ausbildete , hat sich das Allgemeine als solches geltend gemacht . Es ist der allgemeine Geist als solcher der gewußt wird , und der sich die Wirklichkeit giebt . Der allgemeine Geist in Rücksicht auf die Individuen betrachtet , kann als ein Gemeinsames betrachtet werden  ; | hieher gehört das was von den Zwecken der bürgerlichen Gesellschaft als Schutz , gegenseitige Unterstützung und der­ gleichen gesagt zu werden pflegt . Bey alledem wird von selbstsüchtigen Ansichten ausgegangen . Das Individuelle , Besondere ist dabey immer zum Zweck gemacht . Wenn man frägt wie die Individualität zu ihrem höchsten Rechte gelangt , so

will . Es ist das unter ­i rrdische – das offen­bare macht aber die Form des nothwendigen Geistes die er als Stat ist überhaupt aus . Der Stat ist also das sittliche als ein gedachtes und gewußtes . Es ist thörricht zu sagen man wiße nicht alles – Der Stat ist eben dies daß er das Einzig wahre ist und daß er es weis . Das Denken macht als Allgemeines das Wesentliche des Geistes aus . / | daß sich der Geist weis ist eben daß er seine Geseze also ein Gewußtes – gedachtes vor sich hat – Wie er sein Gesez ausspricht so ist der Staat als lebendiges durch Zustände gehend – wo geschloßen gehandelt werden muß . Das ist ein überlegtes – ein gedachtes .   9–12 In diesem … bewegen .] Ri  : Es ist ein befehlen Angeerbte Gewohnheiten – Orakel wodurch er regiert . Orakel hat Göttliche Autorität – nicht das Wißen – auch nicht Natur impuls . – Es ist nicht etwa einem Individuum überlaßen sondern , es sind bewußte Handlungen die das Ganze regieren[ .]  13–14 Dies sind … Staaten .] Ri  : dies sind bloß historische Staaten (Feudalstaaten)[ .]   15–16 Erst indem … gemacht .] Ri  : Erst indem die bürgerliche Gesell­ schaft aus dem Feudalstaat sich herausgebildet hat  : erst mit dieser bildung der bürgerlichen Gesellschaft ist das Alte nur starres – todtes –   18–513,3 Der allgemeine … vorhanden .] Ri  : Dies kann als ein Gemeinsames betrachtet werden  ; – eine Vereinigung von Individuen zu dem Zwek daß ihre besonder­ heit erhalten werde | so ist das noch kein Staat . Fragt man weiter was die höchste Ausbildung der Geistigen Individualität ist so ist ihr höchstes Recht dieses  : in objektiver Freiheit zu sein . – in geistiger 31 er] s .   35 aus] z .   herausgebildet] hersglbdet  

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ist dies die geistige Allgemeinheit , welche der Staat selbst ist . Im Staate hat erst das Individuum objective Freyheit . Was das Individuum an sich ist , das ist im Staate als eine wirkliche , objective Welt für dasselbe vorhanden . Die Vereinigung geschieht also nicht zu besondern Zwecken sondern um der Vereinigung selbst willen . Dies macht erst die Sittlichkeit aus . Der sittliche Geist ist also das Wesen eines Staats , der | von den alten Völkern als ihr Gott ausgesprochen wird . Dieser Geist ist wieder das welches lebendig ist im Volke , welches in seiner Gemeinde lebt . Sein Selbstbewußtseyn hat es in den Einzelnen , diese sind sein Wissen und seine Thätigkeit . Die Sitten eines Volks stellen den Geist dar , als eine Gewohnheit , als ein dem Volk zur Natur Gewordenes . Die Individuen haben von ihrer Seite ihr Wesen und ihren Zweck am Geiste . Dieser ist nicht ein ruhendes Todtes , sondern er wird immer wieder von Neuem erzeugt und in die Wirklichkeit gesetzt . Das Recht des Staats ist das absolute Recht , einerseits gegen die Individuen und andererseits das , wodurch die Individuen zu ihrem Recht gelangen . Es ist nichts im Himmel und auf Erden was für das Individuum ein höheres wäre als dieses Recht . In ihm ist die Substanz , die geistige Natur des Individui | zum Daseyn gekommen . Sie sind zur höchsten Weise ihrer Existenz darin gediehen . Es ist nicht ein Belieben der Menschen , ob sie in einen Staat treten wollen oder nicht , sondern dies ist ihre absolute Pflicht . Aristoteles hat gesagt , „Der Mensch der einsam seyn könnte , wäre ein Thier oder ein Gott .” – Pflicht des Individui ist es auf wesentliche Weise zu existiren  ; dies kann es nur im Staate . Auf welche Weise die Staaten entstanden sind , dies gehet uns hier ganz und gar nichts an . Ob ein Staat aus patriarchalischen Verhältnissen hervorgegangen ist , oder durch äußere Gewalt und Noth ist eine gleichgültige Sache . Es kann Gewalt und Unrecht seyn , wodurch ein Staat begründet wird , dies ist

Allgemeinheit zu handeln[ .] Dieses ist eben der Staat selbst .   5–11 Der sittliche … Geiste .] Ri  : Das Allgemeine nun  : der sittliche Geist ist das Wesen des Staates . Die alten hatten diesen Geist in ihrem Gotte ihr Wesen schauten sie an als sein Wesen . Dieser Geist weil er Geist ist , hat das Selbstbe­ wußtsein in den Einzelnen – sie sind die Seite seines Wißens ihr Wollen und ihre Vermittlung ist worin der Geist wirklich ist . – die Individuen haben von ihrer Seite ihr Wesen ihren Zwek das was ihr Resultat ist –   14–16 Es ist … Recht .] Ri  : Es ist nichts im himel und auf Erden was höher ist als dieser Geist . In ihm haben sie denn auch ihr höchstes Recht .   21–514,5 Pflicht des … zusammen . –] Ri  : Pflicht ist was für das Individuum das objektivste , das nothwendige für das Individuum ist und der Staat ist das Wesen des Individuums – deßwegen hat das Individuum Pflicht im Staate zu sein . Das besondere Wollen des Individuums ist ein Wißen des wahrhaften Wollens – Es weis die Wahrheit und es will die Wahrheit . In so fern ist es ein Sittliches . Auf welche weise die Staaten entstanden sind dies 8 den] dem   17 Sie] sc . die Individuen  19 „Der] Das Anführungszeichen ist vermutlich von der gleichen (späten) Hand eingefügt worden , von der auch die Unterstreichungen im Text stammen , s . den Editorischen Bericht  .  28 sein] ihr  

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für die Idee gleichgültig . Der Staat mag so unvollkommen seyn wie er | will , so hat er doch dies Göttliche , Substantielle in sich , daß die Individuen sich darin verhalten , als einem objectiven Ganzen angehörig . Wenn bey den Einzelnen in einem Staate sich auch noch soviel Mißvergnügen zeigt , so hält denselben doch immer eine innere Macht zusammen . – Man hat nun einerseits gesagt , der Staat besteht durch göttliche Autorität  : Obrigkeiten sind von Gott eingesetzt . Auf der andern Seite hat man gesagt , der Staat ist Einrichtung menschlicher Willkühr . Beydes ist einseitig . Die Idee des Staats vereiniget beyde Principien in sich . Allerdings kann man sagen , daß die Könige von Gott eingesezt sind und eben so die Obrigkeit , denn es ist der objective Geist , der das Thätige und Wirkende im Staat aus macht . Dieser Geist ist der Göttliche . Indem der Staat an sich ein | Vernünftiges ist , so ist er ein Göttliches . Erst in neuern Zeiten , wo man gesagt hat , man könne das Wahre nicht erkennen , ist es gekommen , daß man das Göttliche aus der Gegenwart vertrieben , und die Wirklichkeit als ein Aggregat von Endlichkeiten betrachtet hat . – Gott ist in einem Volke wesentlich gegenwärtig , und seine Gegenwart ist die , daß er gewußt wird . Wenn man sagte die Autorität der Könige und der Obrigkeit sey eine Göttliche , so hat man damit oft den falschen Sinn verbunden , es sey dies die Autorität eines Schicksals , das nicht erkannt werden könne . Dies ist das System der passiven Obedienz , worüber man in England in einer Zeit lange gestritten hat . Der Staat ist eine göttliche Autorität nicht als Unvernünftiges , sondern als Vernünftiges . Was über der | Vernunft wäre , das wäre das Unvernünftige .

betrift die Äußerliche Existenz , ob der Staat aus dem Patriarchalischen Zustand hervor gegangen ist , ob Furcht ob Zutrauen die Leute zusamen zog dies gehört der Geschichte . Das Vernünftige ist darum unbekannt – wenn nur das was in diesem Staat herauskommt die Idee enthält[ .] Der unvollkomenste Staat hat das Göttliche in sich daß man weis daß man diesem Einen | angehört . Es kann sein daß man in einem Staat unzufrieden ist und doch hält der Staat zusamen . Dies betrift aber einzelne Einrichtungen und wider ihr Bewußtsein hält sie diese innere Macht zusamen . Es würde zu weit­läuffig sein die verschiedenen Theorien anzuführen[ .]   10–15 denn es … hat . –] Ri  : denn es ist der Geist der das thätige des Staates ausmacht . Dieses ist ein Göttliches . Dieser Geist macht sich objektiv in Form von Einrichtungen – daß Individuen dies thun , ist Eben so nöthig . Das Allgemeine im Staat ist allerdings Göttlicher Natur . Es kam daher daß man sagte , das Göttliche | kann man nicht faßen , daß man das Göttliche aus der Gegenwart verbannte . Daß man es als ein jenseits betrachtet .   17–22 Wenn man … Vernünftiges .] Ri  : Der Staat und die Autorität ist autorität sobald das substantielle sich dem Einzelnen gegenüber stellt . Der Stat und die Staatseinrichtung sind göttlich aber das Mißverständniß ist das  : daß man sagt  : weil dies Göttlich sei so sei es eine Autorität wie eines Schiksals d . h . eines un­ begriffe­nen . So hat man ehemals die Göttliche Autorität der Könige verstanden  : Daß was sie befehlen nicht zu sein brauche ein vernünftiges sondern ein unverstandenes dem man blind glaubt und gehorcht . System der Passiven Obedienz  : wie man Gott als ein jenseits über der Vernunft denkt so denkt man 1 er] nur als Reklamante   10 es] er   14 daß] wo   30 Staates] Verstandes (vgl . A B )  

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Auf der anderen Seite hat man dargestellt , daß der Staat bloß in menschlicher Willkühr seinen Grund habe . Man hat so einen Trieb zur Geselligkeit angenommen , und dieser sey es , der die Menschen zur Vereinigung geführt habe . Wenn man von einem solchen Triebe spricht , so wird darunter ein Instinktartiges verstanden . Der Mensch , als Geistiges , geht wesentlich auf das Wissen und Wollen des Allgemeinen . Was die Menschen zum Staate gebracht hat , dies ist allerdings in ihnen ein Immanentes , aber dies muß nicht in der Weise des Triebes bleiben . – Es ist also die Natur der Allgemeinheit überhaupt , die das Individuum treibt , auf allgemeine Weise zu existiren . – Eine abstraktere | Form ist denn , daß man vorgestellt hat , daß der Staat beruhe auf dem Willen der Einzelnen . Das Wahre darin ist  : daß es ein Immanentes im Menschen ist , wodurch der Staat besteht , daß es dessen eignes Wesen ist , welches hier auf eine o bje c t i ve Weise wirklich wird . Wenn die Menschen aus Furcht vor einem höhern Charakter , vor einem Heros , in den Staat zusammengebracht sind , so scheint es , daß ihnen äußerliche Gewalt angethan worden ist . Allein auch das , was den Schein hat einer ganz äußerlichen Nöthigung ist gleichwohl das eigene Innere welches uns treibt und zwingt derselben zu gehorchen . Rousseau hat in neuern Zeiten die so eben erwähnte Ansicht vorzüglich durchgeführt . Er hat das Staats­­ver­­hält |n   iß deshalb gefaßt , als auf einem Vertrag beruhend . Von dieser Form des Vertrages wurde schon früher gesprochen . Im Vertrage beschließen zunächst zwey , von ihrer Willkühr aus , mit einander ein Gemeinschaftliches . Rousseau hat das große Ver-

sich dies auch hier ebenfalls . / | Er ist nicht darum ein göttliches weil er ü b e r der Vernunft sei –   1–2 Auf der … habe .] Ri  : Man hat dann auch einen sozialitäts Trieb der Menschen annehmen wol­ len – das ist eine triviale Ansicht .   5–9 Der Mensch , … existiren .] Ri  : Was der vernünftige Inhalt davon ist ist daß der Mensch als Geistiges sich weis und das Allgemeine will , nicht der Trieb sondern die Vernünftigkeit hat die Menschen zusamengebracht  : Dies ist allerdings ein immanentes in ihnen , aber es muß nicht in der Weise des Immanenten bleiben . Es liegt darinn dieses – daß es die Natur der Allgemeinheit ist  : auch an den Individuen auf eine Allgemeine Weise zu existiren .   10–13 Das Wahre … wird .] Ri  : Es ist darum fürs 1te | das wahre – daß ein immanentes im Menschen ist  : das ist aber sein eigenes Wesen das auf eine objektive Weise in dem Menschen wirksam ist . Ein anderes ist aber der Staat beruhe auf dem Einzelnen Willen . Allerdings ist der Staat nichts äußerliches für die Individuen sondern das eigene Wesen liegt darinn .   15–19 Allein auch … beruhend .] Ri  : aber von dem Men­ schen wird nichts gefodert was nicht in ihm liegt . Es ist also nur der Schein der Staats Gewalt es ist das Innere welches sie treibt zu gehorchen[ .] Rousseau hat vornehmlich die Ansicht aufgestellt daß der Staat seinen Grund habe in dem Willen der Einzelnen . Daß wenn die Einzelnen es anders wollen so haben sie vollkomen Recht dazu[ .] Ihr Wille als Einzelne sei das Lezte . Er hat den Staat gefaßt als contract social[ .]  20–21 Im Vertrage … Gemeinschaftliches .] Ri  : Wenn 2 . von ihrer Will­kühr aus etwas Gemeinschaftliches wollen so ist diese der Grund des Vertrages .  

12 eine o b j e c t i ve ] einer o b j e c t i ve n   17 derselben] denselben  18 Staats­verhält |n   iß] ohne Trennungsstrich   40

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dienst gehabt , daß indem er den Willen der Einzelnen zum Princip des Staats gemacht hat , er damit einen Gedanken , und zwar den Gedanken des Willens zum Princip gemacht hat . Der Socialitätstrieb ist kein Gedanke . Rousseau hat so überhaupt den Grund gelegt , daß über den Staat gedacht worden ist . Von ihm an hat das Denken über den Staat begonnen . Das Schiefe an Rousseaus Theorie ist , daß er nicht den Willen als solchen , als Grundlage des Staats gefaßt hat , sondern den Willen als Einzelnen in seiner | Punktualisirung . Es ist der Begriff der Freyheit , das Vernünftige , Allgemeine welches das Wesen des Staats ausmacht . Das Einzelne für sich hat nur Recht und Gültigkeit , in wiefern es dem an und für sich Allgemeinen angemessen ist . Es ist so also nicht die Willkühr des Einzelnen , die hier das Entscheidende ist . Rousseau hat also einerseits dem wahrhaften Denken über den Staat den Impuls gegeben , auf der andern Seite hat er aber die Verwirrung hereingeführt , daß das Einzelne als das erste betrachtet wurde , und nicht das Allgemeine . Für sich ist das Einzelne nur ein Leeres , Formelles und wenn es sich für sich seinen Inhalt giebt , so ist es Willkühr . Das Inhaltsbestimmende ist die Idee in ihrer Entwickelung , und diese ist unabhängig von dem Meinen und der Willkühr des Einzelnen . Wenn dieses | Einzelne anders meynte als das Substantielle , Allgemeine , so hat dieses dasselbe wider seinen besondern Willen und gegen seine Meinung zu seiner Pflicht anzuhalten . – Das Wesen des Staats ist somit durchaus über die Willkühr erhoben  ; der Einzelne bildet sich zum Staate , insofern er sich seiner Besonderheit begiebt , und sich zu einem Allgemeinen , vernünftig Wissenden und Wollenden macht . In neuern Zeiten hat man nun auch gesagt , die Religion müsse als der Grund des Staats angesehen werden . Die Re-

1–5 der Einzelnen … begonnen .] Ri  : zum princip gemacht hat – und damit den G e d a n k e n den Begriff der Freiheit . Der Wille ist die Geistige Welt – das produciren geht aus dem Willen hervor . Wenn wir sagen der socialitäts trieb ist grund des Staates so ist dies Instinkt nicht Wille . Der Begrif ist nun so als Begriff thätig – der Staat kann nur etwas begrifliches sein wenn er selbst auf dem Begriff ruht –   7–15 Es ist … Willkühr .] Ri  : den Willen wie er im Vertrag hervortrit – dadurch sind diese consequenzen entstanden die so fürchterlich waren . – Das Allgemeine Vernünftige ist das Be­sondere – Das | Einzelne als solches ist nicht das Vernünftige . Indem das An und für sich Allgemeine das Wesen des Staates ist so ist es nicht die Willkühr des Einzelnen die das lezte ist . Daher kam die große Verirrung . Der Concrete Geist ist die Durchdringung des Allgemeinen und Einzelnen . Die ­Einzelnheit ist die bloße subjektivität , für sich ein leeres – Die Willkühr (des Einzelnen) ist es welche das Regellose ist .   18–23 so hat … werden .] Ri  : so hat sich dieses Allgemeine nichts um den Einzelnen zu bekümmern sondern ihn zu seiner Pflicht anzuhalten . Der Wille (Freiheit) ist allerdings das Princip des Handelns im Stat aber nicht das Princip des Willens als einzelnen . Man hat dann gesagt wer in Vertrag trit so ist das etwas willkührliches es kann so oder so sein . Aber das Wesen des Staates ist das | vor dem die Willkühr verschwindet – Insofern sich der Mensch zu einem vernünftig wißenden und wollenden macht so ist er nicht ein einzelner . In neueren Zeiten sagte man auch der 7 Punktualisirung] Punk- | Punktualisirung   25 Geistige] Gstliche  

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ligion ist in einem Volke ein Nothwendiges . Insofern man in der Weise der Gründe raisonnirt , so kann man alles Nothwendige zu einem Grunde machen . In der Philosophie suchen wir überhaupt nicht die Gründe der Dinge , sondern den einen substantiellen Grund . Man kann eben so gut sagen die Familie ist der Grund des | Staats , oder das Recht , oder die Subsistenz der Individuen . Alles dieses sind wesentliche Momente , ohne die der Staat nicht bestehen kann . Wenn von der Religion als Grund des Staats gesprochen wird , so meint man das letzte gesagt zu haben , aber dies ist nur ein Letztes des Verstandes . – Die Religion ist die Anschauung des Absoluten Geistes , der in jeder Rücksicht die alles umfassende Idee ist . Der Geist wie er im Staate ist , ist ein bestimmter Geist . Indem der Mensch , als individueller Geist zur Anschauung seines absoluten Wesens kommen mußte , insofern ist die Religion ein schlechter dings Nothwendiges an und für sich , ohne alle Beziehung auf den Staat . Aber die Religion ist auch weiter nothwendig in Beziehung auf den Staat . Der Staat hat in Rücksicht auf die Subjectivität | die letzte und höchste Bestätigung an der Religion . Das Subjective kann sich , wie wir gesehen haben , stellen gegen das Allgemeine , es kann gegen alles eine Ausrede finden , kann alles betrachten in der Form , im Beschränkten , und sich darüber setzen . In der Religion legt dagegen das Individuum alle diese Ausflüchte ab , weil es sich in seinem Selbstbewußtseyn verhält zu dem Allbe­fassenden . Wenn Staatseinrichtungen pp betrachtet werden als in diesem Allbefassenden begründet , so sind sie gegen die Willkühr des Subjects geschützt . Das Subject hat einer solchen Autorität nichts mehr entgegen zu setzen . Im Staat , als solchem , ist die Religion ebenfalls ein Nothwendiges  ; in den Staatseinrichtungen soll der göttliche , der vernünftige Geist seine Offen­barung haben . Was | der Staat unternimmt , das soll im Geiste der Wahrheit geschehen und bestimmt seyn . – Der Geist ist nun aber nicht bloß ein Inneres , sondern es kommt auf dessen Offen­ barung an . Nach dieser Seite ist das religiöse Princip vom StaatsPrincip verschieden , nicht sowohl dem Inhalte , als vielmehr der Form nach . Wenn wir die Erscheinung in Ansehung des Verhältnisses von Religion und Staat betrachten , so

30 30 Stat solle auf der Religion basirt sein  ; dies sei das Oberste richtende Princip des Staates . Wenn man

sagt Religion sei der Grund des Staates so wird also das Verhältniß des Grundes herein gebracht[ .]  2 so kann … machen .] Ri  : dann kann man alles Grund nennen bei einer Rechtlichen oder jeder anderen betrachtung kann eine Seite die auch wirklich eine Wesentliche ist zum Grund gemacht werden und so kann man dann beliebig irgend was an der Handlung oder am Gegenstand als wesentlich auffaßen und 35 als Grund bestimen[ .]   4–5 Man kann … Individuen .] Ri  : und dieser ist nicht nur ein wesentliches Moment[ .] Die Familie ist dann eben so gut ein Grund des Staates eben so das Intereße des   20 Allbefassenden] Allbefaßten  22 solchem] solchen  36 des] Der Text bricht vor dem Seitenwechsel ab und wird nach acht unbeschriebenen Seiten (mit Textlücke) auf Seite 329 Ri mit Es hat … eigenthum[ .] (s . unten 521,34 ) fortgesetzt .  

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kann es gleich verdächtig erscheinen , daß es sowohl die Unterdrücker sind als die Unterdrückten die die Religion vorzüglich empfehlen . Man hat Tyrannen ge­ sehen , die die Völker an die Religion verwiesen haben . Da erscheint das Verhältniß so  : im Staate mag es zugehen , wie es will , in der Religion hat man die Entschädigung . Man wird hier an einen | Himmel , an ein Jenseits verwiesen . In Zeiten des Elends und der Noth wird so oft auf die Religion verwiesen . Von der Religion hört man sagen , daß die Frömmigkeit sich mit weltlichen Geschäften wenig abgeben solle , sie solle den anderen Backen reichen , wenn sie auf den einen einen Streich erhalten hat . Es wird so Gleichgültigkeit und Passivität gegen die Willkühr gefordert . Man hat ferner gesehen , daß indem die Religion sich auf das absolute Wesen bezieht , die Form in der dasselbe Gegenstand der Religion ist , die Form der Empfindung ist , und in Ansehung des Wissens die Form des Glaubens . Vernünftiges Wissen und Wissen aus dem Begriff , ist damit entfernt und sogar bestimmt ausgeschlossen . Es begründet sich da mit ein Glaube , der sich in Alles | ergiebt und ein Glaube , der alles dahin nimmt als eine Schickung Gottes . Das ist eine Disposition , die denen die mit Unrecht , Willkühr und Gewalt im Staate herrschen wollen , ganz erwünscht seyn kann . – Die Religion hat ferner eine äußerliche Existenz . Der Kultus ist mit einer äußerlichen Ausübung verknüpft , er bedarf dafür eines Regiments . Dieses Regiment ist nothwendig in den Händen von Menschen . Es giebt Gebote in Ansehung dessen , was geglaubt werden soll . Was sich dahin bezieht , das geschieht also für das Göttliche und stammt aus dem Göttlichen . Es hat die höchste Autorität und nichts soll sich derselben wiedersetzen . Menschliche Autorität ist davon schlechterdings verbannt . Jede Abweichung | in der Gesinnung , in der Vorstellung , im Meinen und Handeln ist eine Abweichung vom Unendlichen , ist ein unendliches Verbrechen . Indem es das Göttliche ist , welches befiehlt , und für welches gehandelt werden soll , so ist das Verhältniß zu demselben entweder ein Verhältniß der Furcht für die Einzelnheit , und dieser Furcht kann nichts entgegengehalten werden , oder es ist ein Verhältniß der Liebe , in deren Seyn eben so eine , alles Selbstbewußtseyn , alles Urtheil und alle Freiheit in Anspruch nehmende , Hingebung gefordert werden . Insofern die religiösen und kirchlichen Gebote göttliche Autorität haben , so hat auch nach dieser Seite die Kirche den Charakter einer Autorität gegen die nichts bestehen kann . Die Religion ist so in den Händen von | Menschen , die im Namen Gottes anordnen , was sie verlangen , mit der fürchterlichsten , alles nieder­ drückenden Gewalt . Eigner Wille , eigne Freiheit soll sich einer solchen Theokratie nicht entgegensetzen . Es hat so dahin kommen können , daß die Menschen so erniedrigt wurden , daß sie von der moralischen Seite durchaus degradirt wor5 einen] einem  

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den sind . Man hat die Menschen auf diese Weise härter und ärger erniedrigen sehen , als es je vom Staate geschehen ist . Dies sind Seiten , die der religiöse Standpunkt zu seinen Consequenzen gehabt hat , wenn er zur letzten befehlenden Autorität gemacht worden ist . Diese Consequenzen müssen zunächst aufmerksam darauf machen mehr zu betrachten , welchen Sinn die Forderung hat , daß die Religion dem Staate zum Grunde liegen solle . | Die Religiosität wurde bezeichnet als das Bewußtseyn des Absoluten . In diesem Bewußtseyn liegt die höchste Freyheit  ; das Individuum ist hier bey seinem Wesen , es ist zu seiner wahrhaften Substantialität zurückgekehrt . Aber jene Erhebung ist nur eine Erhebung im Gemüthe , in der Subjectivität . Der Staat ist nun selbst dieser Geist , aber ein sich in der Wirklichkeit entfaltender , nicht bloß ein subjectiver , er ist so das Heraustreten aus dem blos Innerlichen , aus der Subjecti­v ität[ .] Zu diesem Heraustreten gehört Unterschied , und sodann müssen diese Unterschiede auf ihre Allgemeinheit zurückgeführt werden , d . h . sie müssen als Gesetz ausgesprochen seyn . Wenn wir Gott als den concentrirten Geist annehmen , und die Endlichkeit als das Zerfallen desselben | so ist das Vermittelnde zwischen beyden das Gesetz , das Allgemeine das Gedachte . Dies ist die Offen­barung Gottes , es giebt auch noch andere Offen­barun­gen Gottes . Dies ist aber das Treten in die Wirklichkeit . Der Staat hat seine Idee in Glieder auszulegen , die besondere Sphären sind , und deren Bestimmung im Gesetz , das heißt im Allgemeinen anfgefaßt ist . Die Religion bleibt in der Subjectivität stehen . Wenn der Inhalt der Religion entwickelt wird , so ist dies selbst die Organisation des Staats . Bestehen kann die Wirklichkeit nur durch das Allgemeine , durch das Gesetz . Man kann nun nicht wünschen , daß statt des Staats nur Religiosität unter den Menschen sey . Das | hieße soviel , als wenn man sagt , die Gallerte , die animalische Lymphe enthält die ganze Animalität also braucht es der Entwickelung derselben nicht[ .] Das Vernünftige , die Idee zeigt sich in der Religion und im Staate in verschiedenen Formen . In der Religion auf subjective Weise . Die Religion bleibt bey der Andacht stehen , sie geht nur beym Denken hin  ; was im Staate geschieht , ist ein Gedachtes , ein Allgemeines . Im Physikalischen geht der Mensch in den Schlaf über , in diese Einheit mit dem Naturgeist  ; eben so ist es im Geistigen , die Concentration des Geistes im Gemüth , in der Empfindung ist das Religiöse . Der re­ligiöse Standpunkt hat nun überhaupt die Form der Einhüllung , der | Subjectivität gegen die entfaltete Idee , die objective Welt . Wenn das Religiöse sich in seiner Form geltend machen will gegen die Objectivität , gegen den Staat , so treten jene verkehrten Erscheinungen hervor . Zuerst zeigt sich das Religiöse hier als ein Negatives , es ist idealistisch gegen die Systematisation der unterschiedenen Sphären und Bestimmungen . Wenn das religiöse Princip sich so geltend macht , so wird dasselbe so Fanatismus , dieser kann einen hohen Inhalt in sich enthalten ,

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aber das Fanatische besteht in jener negativen Richtung . Aller bestehende Unterschied geht hierin unter . Diese Richtung hat man in der Geschichte zu verschiedenen Zeiten auftreten sehen , noch im | 16ten Jahrhundert zeigt sich dieselbe in den Wiedertäufern in Münster . Dort wurde ungefähr derselbe Zustand eingeführt wie der abstracte Fanatismus der Freiheit unter Robespierre in Frankreich hervorzubringen sich bestrebte . Eben so waren es fromme Presbyterianer , welche in dem Parlamente saßen welches Carl den Ersten auf das Schaffot führen ließ . Cromwell hat dann dieses Parlament auseinandergejagt und wenigstens einen Anfang rechtlichen Lebens wieder begründet . – Wir suchen den Herrn , meinen sie , der Herr ist noch niemals hier gewesen und wird auch nicht herkommen . – Es muß nun also über das bloß negative hinausgegangen werden , wenn es nicht bloß | bey einer müssigen Beschauung stehen bleiben soll . Der Wille , indem er etwas will , muß sich als Gesetz bestimmen . Wer ist es nun , der diese Bestimmungen zu fassen hat , das sind die welche den Herrn suchen , jene frommen Leute , die subjectiv Meinenden , die besonderen Meinenden und Wollenden . Es tritt hier der ungeheure Ueberschritt zum Bewußtseyn ein , zur Objectivität  ; die welche sich nun so in der Subjectivität halten , haben sich damit auch des Denkens abgethan . Sie können und wissen nicht in der Form der Allgemeinheit auszusprechen und zu bestimmen . Dazu gehört die ungeheure Arbeit des denkenden Geistes . Die | nur innerliche Subjectivität , wenn sie auch noch so schön ist , bleibt auf die Willkühr und die Meinung beschränkt und gelangt nicht zur Wahrheit . Wenn nun aus solchem Wissen entschieden wird , so ist es die Willkühr , welche entscheidet , die Nichtallgemeinheit des Denkens und des Wollens , Albernheit und Abscheulichkeit . Wenn man sagt , man müsse Gott mehr gehorchen , als den Menschen , so ist eben die Frage  : was befiehlt Gott , wer weiß es ? Der bloß subjectiv sich verhaltende weiß es nicht . Das Göttliche offen­bart sich allerdings , aber auf allgemeine , geistige Weise . Was Gott wahrhaft offen­bart und befiehlt , wird menschlich aufgefaßt , und damit es wahrhaft aufgefaßt werde , | muß es die Form der Allgemeinheit annehmen , so aber ist es das Gesetz . Diese Bestimmung vom religiösen Standpunkt aus geht nun auch fort zu allgemeinen Principien  ; es wird von Gerechtigkeit und von Gesetzen gesprochen , aber es bleibt bey einer oberflächlichen Allgemeinheit . Wenn fortgegangen würde zur weiteren Bestimmung , so ginge man eben damit in das Gebiet des Staats über . Die Aussprüche der Religion haben in ihrer Allgemeinheit die Bestimmtheit nicht , mit welcher die Welt regiert werden kann . So enthalten die zehn Gebote allerdings wahre Vernunftgebote , aber sie reichen nicht hin in einem CriminalCodex . Mit den Sprüchwörtern Salomonis , die allerdings Vor­treff ­l iches enthalten , kann man die 18 der1] die  

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Welt nicht regieren . | Man muß sich über dieses Alles ein genaues Bewußtseyn machen , wenn man über das Verhältniß des Staats zur Religion sprechen will . Es ist die Kraftlosigkeit der Zeit , welche zu der Frömmigkeit zurückgeflohen ist , diese Frömmigkeit ist nicht die unbefangene einfache Frömmigkeit , sondern sie charakterisiert sich feindseelig und polemisch . Es ist das Bedürfniß eingetreten , mit seiner Einsicht , mit seinem Wissen bey dem zu seyn , was als ein Objectives respektirt werden soll . Dazu ist nicht der Weg eine solche Weise der Frömmigkeit . Um den Staat zu begreifen muß man es übernehmen , durch die Arbeit des Studiums , des Nachdenkens seine Meinung zu bezwingen . Aber mit biblischen Sprüchen ist es nicht abgethan , die Gottseeligkeit ist wohl zu allen Dingen nütze , aber sie ist nicht statt Allem nütze . | Indem man das Denken aufgegeben hat , da gerade der Staat das Allgemeine in sich enthält , so hat man sich mit seiner Seichtigkeit hinter die Religion gesteckt , und den Unwillen darüber , daß man nicht gehört worden ist . Man hat der Autorität nichts entgegenzustellen gewußt , als eine andere Autorität des subjectiven Willens . Indem die Religion einseitig geltend gemacht wird gegen den Staat , so wird sie selbst verkannt . Sie muß nun allerdings ihre Stelle im Staat haben und ihre Tempel sie muß eine Kirche seyn . Sie ist eine wesentliche Weise des Geistes . Die Religion bedarf unmittelbar auch einer Äusserung , sie hat einen Cultus , eine Lehre und dergleichen . Es müssen Arbeiten | abgebrochen werden , die sich auf das andere bürgerliche Leben beziehen . Der Sonntag ist so eine der größten Institutionen , die wir dem Christenthum verdanken . Die Religion , indem sie Lehrer haben muß , Vermögen und dergleichen tritt in das Gebiet des Staats , und hier ist es also wo das Regulieren desselben vornämlich eintritt . Eine andere Weise der Äußerung zeigt sich dann so  : der Staat hat Gesetze und die Religion äußert sich auf allgemeine Weise . Wenn beyde auf rechten Wegen sind , so müssen sie sich einander begegnen . Aber es kann auch seyn , daß die Bestimmungen die die Religion aufstellt , dem Princip des Staats widersprechen . Dieses Princip ist im | Allgemeinen das Princip des Vernünftigen und es kann dagegen ein Widerspruch der Religion entstehen , indem sie auf ihrer subjectiven Form beharret . – Die Äußerungen Lehren eines religiösen Inhalts , besonders in so fern Grundsätze des Willens , des Handelns darin ausgesprochen werden , treffen mit dem Staat unmittelbar zusammen . Es treten so Bestimmungen hervor , die das Allgemeine

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22–33 Die Religion , … zusammen .] Ri  : Es hat ferner die Gesellschaft als religiöse auch eigenthum[ .]

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35 35 So trit sie in das Gebiet des Staates ein , noch mehr von der Seite der Lehre  ; besonders insofern es

Grundsäze des Handelns des Willens giebt[ .]   13 den] der   28 im] nur als Reklamante  35 Lehre] Leere  

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als solches treffen . Der Staat insofern er Gesetze hat die sich auf Wirklichkeit der Freiheit beziehen , und insofern es sein Interesse ist , daß das Allgemeine in das Bewußtseyn und den Willen der Einzelnen falle , hat somit auch das Lehrgeschäft in seinem Gebiet . Die Religion , wenn sie ächter Art bleibt , | kann sich nicht mit dem Staat widersprechen . Die Religion kann aber ihr Princip nach seiner einseitigen Form festhalten und die Form der Subjectivität zum Wesentlichen machen . Sie tritt damit im Gegensatz und im Widerspruch mit dem Staat . Wenn also auf jenem einseitigen Standpunkt stehengeblieben wird , so kann man wohl meinen und behaupten , der bloße Glaube und Ueber­zeugt­seyn sey das Criterium für das Rechthandeln  ; man könne nur gerichtet werden nach seinem Glauben und über diesen gehe nichts . Dies geht aber dahin als wenn gesagt wird , man könne das Wahre nicht erkennen , die individuelle Weltanschauung sey für jeden das Höchste und vom Staate als solches zu respectiren . Es tritt hier | eine Autorität gegen die andere . Man kann fragen , wer hat zu entscheiden , und man kann sagen  : die Religion ist das Höhere , denn sie hat einen höheren Inhalt , sie hat es mit dem allbefassenden Geiste zu thun . Nun aber ist , wo die Religion bloß der Subjectivität anheimfällt , durchaus etwas endliches , der Staat ist deshalb hier das Entscheidende , denn er ist das Denkende und das Wissende . Im Staate ist das Wahre in der Form des Gedankens , der Allgemeinheit . Die Religion insofern sie sich in ihrer Sphäre hält , hat der Staat zu respektiren , so wie sie sich aber gegen die Wirklichkeit wendet , so muß sie ihre Form der Subjectivität aufgeben , und die Form der Allgemeinheit , des Denkens annehmen . | Gegen

4–11 Die Religion , … nichts .] Ri  : In dem sie hierinn herüber trit so begegnet sie dem Stat und wie beides recht ist können sie sich in ihren Principien nicht widersprechen . Die religion hält ihr Princip nach ihrer einseitigen Form Fest . Wenn also auf diesem einseitigen Standpunkt die Form zum Wesen wird so kann man dahin komen daß die Subjektivität nur hinreiche – er kann nur gerichtet werden nach seiner Überzeugung .   12–14 die individuelle … andere .] Ri  : die besondere Weltanschauung sei das höchste und für absolut zu respectiren . In dieser Collision widerspricht die Kirche dem Staat . Die Autorität des Gewißens ist gegen die Autorität des Staates . –   16–523,13 Nun aber … auftreten .] Ri  : aber das ist nicht dieser Allumfaßende Geist der dies lehrt . Der Staat aber ist das denkende und das wißende die Wahrheit in der Religion ist in Form der Empfindung[ .] | Der Staat ist in Form des Wißens . Wenn die Religion gegen die Wirklichkeit heraus trit so muß sie weichen sie muß die Form der Allgemeinheit annehmen , des States – der Staat ist das Gedachte das Wißende , das Entscheidende . Man kann sagen  : ich habe eine Wahrheit und der Stat hat seine Wahrheit und so die Frömigkeit – Nein es giebt nur eine Wahrheit . Es ist des States Wahrheit daß nicht gemeuchelt etc[ .] werden soll und das ist die Eine Wahrheit . Was Religion als Wahrheit erkennt kann nicht der Wahrheit des Staates widerstehen . Schulweisheit – daß das Licht aus 7 Farben besteht , ob der früher oder später gelebt etc[ .] – das kann der Staat gehen laßen – auch das kann er gehen laßen daß man kein Schweinefleisch eßen soll – ob Fische nicht auch zum Fleisch gehören etc[ .] alles das kann er gehen laßen – nur muß 2 in] durch  

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die Wahrheit des Staats giebt es nicht eine besondere Wahrheit . Die Wahrheit ist nur eine und diese ist ausschließend , das andere ist Irrthum . Diese Wahrheit ist , daß der Geist frey ist , daß das Leben und die persönliche Freyheit nicht verlezt werden soll pp . Wenn Widerspruch vorhanden ist , so ist der Staat das Entscheidende . – Er kann es deshalb wohl geschehen lassen , daß man sich in Ansehung des Lehrens in mancherley Schulweisheit herumtreibt . Eben so kann es der Staat wohl ansehen , ob Fleisch gegessen werden soll , und an welchem Tage pp[ .] Ein Anderes aber ist es , wenn es auf die Wahrheit als solche ankommt . In einem so concreten Ganzen wie der Staat ist , können nun in Ansehung der Subsumtion des | Besondern mancherley Controversen vorkommen , ein Anderes ist es aber mit allgemeinen Grundsätzen , worauf Alles beruht . Wenn Grundsätze aufgestellt werden , wie die oben angegebenen , so hat der Staat kein Federlesen zu machen , sondern er muß gebietend auftreten . Auch kann man nicht einwenden , solche Grundsätze wären bloß Meinungen , solche Grundsätze machen zugleich die Basis des Handelns . Es kommt darauf an , daß der Staat sich überzeugt , ob es sich um ein bloßes Meinen handelt . Die Äußerungen der Wahrheit , welche den Staat unmittelbar be­treffen hat der Staat zu behaupten , denn es ist ihm darum zu thun , daß nicht bloß blind seiner Macht gehorcht wird , sondern daß auch die Ueberzeugung der Individuen | seinen Geboten entspricht . Ohnehin hat in einem gebildeten Volke dies noch eine höhere Bedeutung , da hier mit einem bloßen Befehlen nicht auszukommen ist . Alle Verbesserungen sind vom Staate in der Religion gehoben worden . Christus hat gesagt , mein Reich ist nicht von dieser Welt . Dies ist in dem Sinn zu nehmen , daß die religiöse Wahrheit für sich ist , unmittelbare Consequenz ist das weiter , daß der Staat nicht in seinem Wesen an­ge­g riffen werden soll . Uebrigens hat sich die christliche Religion allerdings auch auf diese Welt bezogen , das Reich Christi hat die Welt umgestaltet und die

die religion nicht seinen Principien widersprechen . Auch kann man darüber streiten ob Steuern auf dies oder auf jenes gelegt werden sollen – im Staat giebt es ewig controversen dies alles sind particulare Einrichtungen ein anderes ist das worauf alles beruht , weil es an und für sich wahr ist . Hier berührt der Staat die Kirche und da er das Wißen und denken ist so hat er zu | entscheiden . Und er hat kein Federlesens zu machen wenn einer so und anders meint .   15–17 Es kommt … behaupten ,] Ri  : Es kommt darauf an ob es der Staat so ansehen kann , oder ob es bloß als eine Ausrede zu betrachten sei . Der Staat hat sich also so gegen die Kirche zu halten – seine Wahrheiten sind nicht besondere Wahr­ heiten sie sind die göttlichen .   19–22 Ohnehin hat … worden .] Ri  : Der Staat hat darauf zu sehen daß das Wißen der Wahrheit nicht corrumpirt werde . Dagegen hat der Staat die Idee zu behaupten – er ist das wüßende deßwegen das entscheidende . Die Geschichte zeigt daß alle Verbeßerungen der Religion durch den Stat verursacht wurden – weil auf seiner Seite das bedürfniß des denkens und ­w ißens auftrat .   25–524,4 Uebrigens hat … ist .] Ri  : Aber das Reich Christi ist doch von dieser Welt . Das 8 die] der  28 particulare] particu / lare  

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Principien der christlichen Religion sind Principien des Staats geworden  ; diese Prinzipien sind in die Form des Denkens erhoben | worden , und so sind sie im Staate . Es ist bornirt , nicht zu erkennen , daß die Wahrheit in der Religion der Substanz nach dasselbe ist , was im Staate ist . Die Welt wird oft als das bloß Zeitliche und Vergängliche genommen  ; der Staat ist so als eine Art von Usurpation gegen die Kirche betrachtet . Es schleicht sich leicht die Gewohnheit ein , gegen die Welt zu declamiren . Es wird oft gegen die Verdorbenheit der Welt deklamirt ehe man sie kennt . Der Staat ist selbst die Offen­barung Gottes in der Gegenwart und in der Wirklichkeit . Seine Grundsätze sind die Wahrheit . In der Religion hat die Wahrheit die Form des Geschichtlichen und der Empfindung . Indem wir den Staat kennen lernen , | so haben wir zuerst das Vorurtheil zu bekämpfen , dieses Alltägliche welches uns umgiebt sey es , worauf es ankommt . Solche Individualitäten machen es nicht aus , und das PrivatDaseyn derselben ist nicht das Substantielle . Christus sagt auch  : Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes , so wird Euch Alles Andere zufallen . Dies ist ein hohes Wort , das Substantielle soll vor Allem erstrebt werden . Wenn man das Substantielle nicht hat , so ist alles ein tönendes Erz und eine klingende Schelle . Um im Religiösen etwas zu seyn und zu haben , dazu gehört die Festigkeit des Geistes und des Denkens um über die Zufälligkeit und Subjectivität hinauszukommen . Das Blut und der Schweiß der Nationen | hat dazu gehört , das Vernünftige , das Substantielle zur Wirklichkeit zu bringen . Wenn es um das Reich Gottes zu thun ist , so ist es nicht um das Meinige zu thun , nicht um meine Seichtigkeit und meine oberflächlichen Gedanken , wenn sie etwa auch mit biblischen Sprüchen aufgestutzt sind . – Indem der Staat die Kirche gewähren läßt , so erfüllt er eine Pflicht , die er gegen seine Mitglieder hat . Der Staat kann nun ferner auch das Bewußtseyn haben , daß seine Existenz und seine Zwecke durch die Religion gefördert werden . Das I­ ndividuum , indem es religiös ist , betrachtet den Staat als im höchsten

Princip der Christlichen Religion hat allerdings die Welt reformirt[ .] | Daß die persönliche Freiheit gelte etc[ .] das hat die Welt umgestaltet – diese Principien sind die Principien des States und deßwegen die Wahrheit . Sie sind durch das Wißen im State da – und es ist die Bornirtheit daß man nicht glaubt daß die Wahrheit des Staates und Religion eins ist[ .] Wenn man sich dem Staate widersezt so widersezt man sich auch der Religion .  –   7–8 Es wird … kennt .] Ri  : Ein englischer Bischof erzählt von einem Kind welches so viel gewußt – und die Bibel auswendig gelernt hat , sprach gegen die Eitelkeit der Welt ehe es sie gesehen hat – eine solche Sprache hat schon oft statt gefunden –   9–10 Seine Grundsätze … Empfindung .] Ri  : Die Religion hat die Form der Empfindung im Staat ist dies in Gedanken .   12 dieses Alltägliche … ankommt .] Ri  : weil wir Individuen kennen und ihre Familien Weise so bilden wir uns leicht ein wir haben ein Recht gegen dieses   13–14 und das … Substantielle .] Ri  : es sind ewige geseze . Was diese im Stat zu thun haben geschieht nach Institutionen .   15–27 Dies ist … 4 nach] nach nach   13 das2 ] der  

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wurzelnd und es hat Recht daran . Der Staat hat nun aber nothwendig | die Auf­ sicht auf das Religiöse . Das Princip der Religion darf nicht zu einer polemischen Subjectivität werden , welche die Form dieser Subjectivität zum Wesen macht und gegen die Form des Objectiven geltend machen will . Die Kirche indem sie ein Daseyn hat , tritt in die Sphäre der Äußerlichkeit . Sie hat Eigen­thum , ihre Individuen können Verbrechen begehen . Ueber beydes hat der Staat zu entscheiden . Durch Schenkungen an die Kirche kann auch das Interesse der bürgerlichen Gesellschaft berührt werden . Durch großes Eigenthum in der ­todten Hand kann das Interesse der bürgerlichen Gesellschaft wesentlich gefährdet werden  ; den Individuen wird es so erschwert , Eigen­thümer | zu seyn . Der Staat hat daher auch in dieser H ­ insicht Regulative zu erlassen . Auch des Interesses der Familie hat sich der Staat in dieser Hinsicht anzunehmen . Wo die Kirche in den Lehren hinaustritt , da bleibt sie nicht mehr beym Cultus stehen , sondern sie tritt in das Gebiet des Denkens . Dieses als das Allgemeine fällt wesentlich dem Staate anheim . Die Kirche bringt nothwendig die Wahrheit in bestimmte Formen  ; der Begriff erfordert hingegen die Bewegung des freyen Erkennens . Das Wahre soll erkannt werden , und was erkannt werden soll ist das Wahre . Das Denken ist , wie bemerkt worden , vorzüglich von der weltlichen Seite in die Kirche gekommen . Die Universitäten haben sich so erst in protestantischen Ländern unabhängig von der Kirche zu dem , was | sie sind , gebildet . Die bloße Unabhängigkeit von Kirche und Staat festsetzen zu wollen ist eine leere Abstraction , hinter der sich werden .] Ri  : man muß das tüchtig festhalten – spielt man außen herum und man hat das Substantielle nicht so ist es tönendes Erz . Man muß das zufallen nicht verstehen als ob man träge sein müße . Ein Zufall ist es dann nicht sondern zu dem anderen gehört eine Festigkeit des Geistes und denkens über die Subjektivität des Wollens Meister zu werden[ .] Um diese Institutionen zu gründen dazu hat es Jahrhunderte lang Blut gekostet[ .] Das Substantielle – das Reich Gottes in religiöser Form und daßelbe in Form des Gedankens , an das hat man sich zu halten . Und es ist nicht daß meine subjektiven Einfälle gelten sollen – alles fällt weg vor dem Reich Gottes – Das ist das Allgemeine von dem Verhältniß des Staates und der Kirche . – / Der Staat hat also die Kirche gewähren zu laßen[ .] Auch hat er dafür zu sorgen daß die Religion dem Staate nüzlich sei . Es ist die Erfüllung dieser Pflicht | der Pflicht g e g e n die Untergebenen .   4–9 Die Kirche … werden  ;] Ri  : Die Kirche trit selbst in die Sphäre des Staates – Sie hat Eigenthum – Sie gehört so in die Gerichtsbarkeit des Staates – Überall greift sie in den Staat ein . Es kann die Kirche auch dem Staat schaden – Zb . wenn sie zu viel Grundbesiz hat –   11–12 Auch des … anzunehmen .] Ri  : Der Staat hat auch des Intereßes der Familie sich anzunehmen so daß sie nicht zu viel der Kirche zu wende zum schaden der Familie .   14–17 Dieses als … Wahre .] Ri  : Oft sieht man ja daß es zeiten gab daß gar nicht gelehrt wurde . Das Lehren fodert durchaus bestimte Freiheit  : vom Begriff auszugehen  : nicht an Geschichtliche Formen gebunden zu sein . Freiheit ist einerseits Formelles Princip  ; a b e r es ist andererseits das Wahre in dem Inhalt . Das Wahre ist ein bestimtes ausschließendes .   19–20 Die Universitäten … gebildet .] Ri  : Seit der Reformation und von hohen Schulen her erst hat dies seinen Schwung bekomen .   10 Individuen] Individu / en   34 auch] ch sich   36 gelehrt] geleert  Lehren] Leeren  

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häufig ­unredliche Absichten verbergen . Kirche und Staat haben wesentliche Beziehungen auf einander , und diese Beziehungen bestimmen sich durch die Natur beyder . In unseren Staaten kann die kirchliche Meinung eine größere Würde haben als in den alten , unsere Staaten haben diese große Kraft das Besondere sich so weit ergehen zu lassen , und doch das Ganze zusammen zu halten . Wir haben an den Quäkern und an den Mennoniten Secten , die eigentlich unverträglich sind mit dem Princip des Staats , allein der Staat kann bey seiner großen Festigkeit wohl zugeben , daß | es Sekten in ihm giebt , die sich darauf beschränken ­bourgeois zu seyn . Durch zu große Ausbreitung würde eine solche Sekte dem Staate wohl allerdings gefährlich werden . Der Staat kann allerdings mehrere Sekten in sich befassen , christliche Sekten nicht nur , sondern auch Juden . Der Staat ist erst als Staat constituirt , der sich so von der Kirche losgerissen hat daß verschiedene Confessionen in ihm bestehen . Das Vernünftige im Staate ist erst in den Zeiten aufgekommen , wo eine Trennung in der Kirche geschehen ist . Man sieht es oft noch so an , als ob die Bürger eines Staats nothwendig auch von einer Religion seyn müssen , allein der Staat erhält erst seine wahre Ausbildung , in dem er sich von der Form des Geglaubten , des Empfundenen | losreißt . In Despotien ist Staat und Kirche eines . Der Staat hat das Allgemeine als solches zu seinem Gegenstand , er hat nicht das Wohl der Individuen , als Besondere , zu befördern . Die allgemeinen Anordnungen , die um des öffent­lichen Wohls willen nothwendig sind , gehören seiner Aufsicht an . Eben so hat der Staat nicht das Eigenthum des Einzelnen zu erhalten  ; dies kommt den Gerichten zu , der Staat hat für die Gesetzgebung zu sorgen , und für Bestellung von Gerichten . Ferner hat der Staat das allgemeine Vermögen zu verwalten  ; als ein wirkliches Individuum hat er besondere Zustände in der Zeit , und diese wahrzunehmen , ist gleichfalls Sache des Staats .

3–4 In unseren … alten ,] Ri  : In unseren Staaten hat die Kirche zugleich eine größere | Breite als in den alten Orientalischen .   5–11 Wir haben … Juden .] Ri  : Wir sahen in unseren Zeiten  : Quäker etc[ .] die nicht Krieg führen wollen etc[ .] dies ist eigentlich unverträglich mit dem Staat – aber doch kann man sie dulden . Sie könen bloß Bourgeois sein nicht Citoyens . So können auch verschiedene Secten und Religionen im Staat stehen . So die Juden –   16–18 allein der … eines .] Ri  : Allein indem die Natur des Staates dies ist  : das Vernünftige , das Allgemeine als solches geltend zu machen so kann sich der Stat von der Form der Liebe des Glaubens etc[ .] Los sagen – In den Orientalischen Staaten ist Stat und Kirche eins .   19–24 er hat … Gerichten .] Ri  : Er hat nicht das Wo h l d e r E i n z e l n e n zum Gegenstand sondern das Wohl aller als alle , d a s Wo h l d e r E i n ze l n e n steht den Corporationen zu . Eben so hat er nicht das Eigenthum als Rechte Einzelner zu verfechten – dies Ge­ hört den Gerichten . Das Allgemeine als solches hat er zu thun  : er stellt Gerichte auf etc . Der Staat hat vermögen  : Ausgaben zu machen –   25–26 als ein … Staats .] Ri  : Nach allen Seiten ist das Allgemeine Intereße auszudehnen zu bestimen zu bethätigen zu verwirklichen . Die Idee des Staates haben wir nun in 3erlei Stufen betrachtet  :  

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Wir betrachten zuerst den Staat als Organismus in sich selbst , der sich auf sich bezieht . Dies ist Gegen |s  tand des innern Staatsrechts . Das zweite ist denn , daß der Staat sich als ein besonderer Staat zu andern besondern Staaten verhält , dies ist Gegenstand des äußern Staatsrechts . Das dritte ist , daß der Staat nicht mehr betrachtet wird als unmittelbare Wirklichkeit , sondern in seiner allgemeinen Idee , oder als Gattung . So ist der Staat der allgemeine Geist , dies ist die absolute Macht gegen die individuellen Staaten . Dieser Prozeß des allgemeinen Geistes ist die Weltgeschichte[ .]

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a .  Das innere Staatsrecht . 10

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Im Staate ist die concrete Freyheit vorhanden , das was im Begriffe des Willens an und für sich ist . Dieses ist dann das Objective und ihm gegenüber ist der einzelne ,  | besondere Wille . Dieser ist insofern substantiell als er dem allgemeinen Willen angemessen ist , insofern er denselben weiß und will . So ist das Individuum zu seinem höchsten Recht gekommen , zu einem Daseyn seines substan­ tiellen Wesens . Was das Individuum noch nach seiner Besonderheit seyn mag , das steht ihm völlig frey . Es ist häufig , daß die Menschen nur ihr besonderes Meinen und Treiben , für ihr Eigenstes und Bestes halten . Ihre wahre Würde haben die Menschen nur in ihrer allgemeinen vernünftigen Natur . Eine Bewußtlosigkeit ist es zu meynen , das Verharren in solchem besondern Treiben sey ein Wesentliches und Substantielles und dasselbe könne bestehen ohne das Allgemeine . Die Freyheit der | Besonderheit ist nur formell . Denn der Inhalt derselben entspricht dem Begriff nicht . Die höchste Freiheit hat der Mensch im Staate , weil ihm der Begriff derselben hier Gegenstand ist . Weiß der Mensch dies nicht , so muß er als

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2–3 Das zweite … verhält , ] Ri  : 2 . Der Staat ist ein Einzelner und verhält sich nach Außen –   7–8 25 Dieser Prozeß … Weltgeschichte[ .]] Ri  : Das Leben des Allgemeinen Geistes stellt sich dar in der Welt

geschichte – /   10–20 Im Staate … Allgemeine .] Ri  : In dem Stat sahen wir daß hier die concrete Freiheit vorhanden ist  : der vernünftige Wille . Dieses vernünftige Allgemeine ist dann das objektive das an und für sich ist  : gegenüber ist der Einzelne besondere Wille dieser gehört diesem an . Er soll 30 gebildet sein es zu erkennen und willens sein es zu vollbringen . So ist der Stat zu seinem höchsten 30 Rechte gekomen – es ist sein substantielles . Was das Individuum sonst noch sein will steht ihm frei aber seine Würde hat er hierinn . Es kann sich einer legen auf was er will (Insekten sammeln etc[ .])[ .] Er kann auch meinen dies sei sein bestes – dies gehört ihm zu dies ist seine Sache . Es ist freilich eine be­schränkt |h   eit . Es ist bestimung des philosophischen Denkens dies zu erkennen .   21–22 Denn der … nicht .] Ri  : Im Stat ist die Freiheit in ihrer Wahrheit .   23–528,2 Weiß der … überlassen .] Ri  : 35

12 besondere] be- | besondere   35 2 Gegen |s  tand] ohne Trennungsstrich  

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Knecht dem Gesetze gehorchen . Was der Staat von ihm fordert , kann er als einen äußern Zwang ansehen und die Zähne knirschen , dies ist ihm überlassen . Es ist seine Schuld und sein Unglück , daß er sich so fühlt , er kann auch zur Frömmigkeit und zur vollkommenen Resignation seine Zuflucht nehmen , aber er bleibt immer in der vollkommenen Abhängigkeit . Die persönliche Einzelnheit und das persönliche Interesse finden in den Sphären der Familie und der | bürgerlichen Gesellschaft ihr vollständiges Ergehen . Wir sahen auch , wie jene Sphären in das Allgemeine übergingen . Zur Verfassung gehört zunächst die Organisation der StaatsGewalt die das ­Allgemeine als solches will  ; sodann gehören dazu aber auch die Institutionen des besonderen . Wenn man von Verfassung spricht , so meint man häufig darunter bloß die Organisation , wie das Allgemeine als solches thätig ist . Dieses Allgemeine ist aber nicht etwas für sich , es setzt voraus die Familie und die bürgerliche Gesellschaft . Diese Institutionen gehören wesentlich auch zum Ganzen einer Verfassung  ; wenn man von Verfassung spricht so meint man oft nur daß oben herum , in der oberen Etage , eingerichtet wird . Wenn dies der Fall | ist , so steht das Besondere dem Allgemeinen als ein roher Haufen entgegen . Die politische Gesinnung hat wesentlich das Moment , daß die Einzelnen wissen daß ihr Bestehen wesentlich abhängt vom Allgemeinen . Diese patriotische Gesinnung hat näher die Bestimmung , daß das Individuum weiß , daß die Zwecke seiner Besonderheit nur seyn können durch das Allgemeine . In diesem Sinne zeigt sich besonders oft der englische Patriotismus . Die politische Gesinnung ist in sofern ein Vermittelndes . Sie hat zu ihrem Inhalt das Besondere und das Allgemeine erscheint als das feste Band , wodurch die besonderen Sphären bestehen . Durch diese Vermittelung wird aber das Allgemeine selbst zum Zweck .

Der Unterschied ist nur ob er es weis  : weis er es so weis er daß er darinn frei ist  ; weis er es nicht so gehorcht er als Knecht . Er kann es als einen äußeren Zwang ansehen – Ingrim dagegen haben  6–14 Die persönliche … Gesellschaft .] Ri  : Schon früher sahen wir die Stufe der bürgerlichen Gesellschaft . Hier hat das b e s o n d e r e Intereße seine völlige Entwiklung gehabt . / Das Stats Recht ist nichts anderes als daß das Recht zu dem Dasein komme . Zur Verfaßung gehört zunächst diese Organisation des Staates an sich aber dazu gehört auch nothwendig die Institution des besonderen . Wenn man von Verfaßung spricht so meint man häuffig die Organisation des Allgemeinen für sich . Aber das Allgemeine für sich ist nicht etwas das nur für sich stehen muß . Persönliche Freiheit das ist ein wesentlicher Punkt  .   16–17 Wenn dies … entgegen .] Ri  : aber das besondere ist etwas wesentliches und die Grundlage  .   22–529,3 Die politische … einander . –] Ri  : Jeder hat diese Ehre daß das Ganze sei . Diese Politische Gesinnung ist das Vermittelnde – sie hat zu ihrem inhalt eben dieses . Jeder weis daß indem er das Allgemeine bezwekt er das besondere auch bezwekt . In der Gesinnung kann es herüber und hinüber schwanken . Er kann mehr die Form der Selbstsüchtichkeit haben – aber beides verfließt in einander . –   37 bezwekt1] erzwkt  

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Der | Patriotismus kann nun mehr die Form der Selbstsucht haben , oder es kann dabey mehr um das Allgemeine zu thun seyn , überhaupt verschmilzt beydes in einander . – Die Verfassung besteht also darin , daß der an und für sich vernünf­ tige Wille ein Daseyn habe , dies Daseyn besteht aber in der Bestimmung . Die StaatsOrganisation soll so nichts seyn , als ein Bild der vernünftigen Unterschiede des Begriffs . Das Objective , Allgemeine , welches der Staat heißt , muß sich in sich unterscheiden wie der Begriff . Dadurch wird das Daseyn des Vernünftigen begründet . Wenn man von Verfassung spricht , so muß man nicht einen Zweck zum Grunde legen , wie die Freiheit und dergleichen , und dann sehen wie dieser Zweck zu fassen sey . Man | kommt wohl so auf den Gedanken einer allgemeinen Macht , und findet dann diese allgemeine Macht müsse abgehalten werden durch Beschränkungen , Willkühr zu werden . Die ganze Vorstellung schließt ein Mißtrauen in sich , allgemeiner geht sie aus von der Form des Negativen . Eine Bestimmung wird nöthig gefunden , so das Allgemeine  ; diesem setzt man ein Besonderes gegenüber als ein Negatives , Äußerliches gegen dasselbe . Man ist hier in der Sphäre des Raisonnements , es können Einen hier diese und jene Möglichkeiten aufhalten und man kann dabey allerhand ausklügeln . Dies ist eine gewöhnliche Verfahrungsweise , die sich auch practisch oft hervorgethan hat . Es kann in der Erscheinung allerdings vorgekommen seyn , daß eine Macht | vorhanden war , der etwas entgegengesetzt werden mußte[ .] Die Hauptsache ist die , daß die Idee des Staats vorhanden seyn muß  ; die Unterschiede und Bestimmungen , die sich ergeben , sind Momente einer Idee , die nicht ein Feindseeliges gegeneinander sind . Im lebendigen Organismus haben so alle Organe ihre besondern Funktionen ohne einander feind zu seyn . Es kann nun die Frage aufgeworfen werden , wer die Verfassung zu machen habe . Diese Frage scheint ganz deutlich und höchst wichtig zu seyn . Näher betrachtet ist diese Frage aber etwas sinnloses . Man geht dabey aus von der Mey-

4 dies Daseyn … Bestimmung .] Ri  : Dies muß auf eine bestimte Weise geordnet und bestimt sein .   7–8 Dadurch wird … begründet .] Ri  : Dieses sich unterscheiden ist eben dann das Dasein des Vernünftigen .   9–12 wie die … werden .] Ri  : Z . B . Freiheit der Einzelnen  : Wohl des Volkes etc[ .] Darauf komt man zu erst  : daß eine Allgemeine Macht müsse constituirt werden – Diese kan mißbraucht werden  : wir müßen beschränkungen ersinnen , man sieht sich um nach garantien[ .]  14–15 diesem setzt … dasselbe .] Ri  : Diesem sezt man ein anderes g e g e n ü b e r a u s e i n e m G r u n d e und zwar als ein äußerliches als ein negatives  16–18 es können … hat .] Ri  : Es könen einem Möglichkeiten einfallen und klügeleien den Schaden abzuwenden . Es ist der Ve r s t a n d der so verfährt .   20–26 Die Hauptsache … habe .] Ri  : In der Existenz kann es so gegangen sein , aber die Hauptsache ist dieses , daß die Idee des Staates allein vorhanden sein muß und nicht als ein feindseeliges gegen 1ander sondern Einem angehörend[ .] Im Lebendigen Organismus hat die Leber und Lunge und Magen jedes seine besondere Wirkung aber sie sind nicht feindliche gegen 1ander . Eines besteht gegen das andere . Es kann die Frage gemacht werden  : wer hat das Recht eine Verfaßung zu machen –  

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nung es gebe ein Volk ohne Verfassung . So wäre ein Volk bloß eine abstracte Vielheit . Aber so etwas existirt gar nicht . Die Menschen sind nicht ein abstrakter Verstand , und ihr Verhalten zu einander ist nicht von | der Art  ; die Menschen sind vielmehr immer ein Organisirtes . Mit einem Haufen hat es also der Begriff ganz und gar nicht zu thun  ; wie ein solcher mit sich zurechtkommt , das ist seine Sache . Bey jener Frage wird nun näher dies verstanden , daß eine Veränderung in der Verfassung zu machen sey . Die einfache Antwort darauf ist , daß eben weil eine Verfassung vorhanden ist , die Veränderung auf verfassungsmäßige Weise geschehen muß . Eine Verfassung ist überhaupt gar nicht als ein Gemachtes an­ zusehen . Die Verfassung muß seyn als das an und für sich seyende , welches über die Sphäre des Gemachtwerdens hinaus ist[ .] Weil ein Volk ein geistiges ist und nicht ein Natürliches , so ist der | Geist immer fortschreitend  ; in der Natur findet kein Fortschreiten statt . Ein Volk , das dem Weltgeist angehört bildet seine Verfassung fort . Was dem Bewußtseyn vorliegt ist eine einzelne Noth die Abhülfe erfordert  ; was nach und nach sich einschleicht und zur Gewohnheit wird , wird später zum Gesetz gemacht und anderes kommt in Verfall und wird aufgehoben . Die Verfassung ist das substantielle Leben eines Volks und alle seine Verhältnisse sind darin versenkt . Daß das Bewußtseyn des Volks sich ändere , daß ein neues höheres Bewußtseyn entsteht , dies ist nicht so plötzlich zu machen . Wenn ein neuer Begriff im Leben eines Volkes eingeführt , wenn so zu sagen eine Verfassung a priori gegeben werden soll , so ist dies ein ganz oberflächlicher | Gedanke . Napoleon sagt so von sich selbst er habe den Spaniern eine Verfassung a priori geben wollen . Damit ein Volk eine neue Constitution vertrage , dazu gehört daß das Volk schon auf einem Standpunkt der Bildung stehe , der dieser Constitution angemessen ist . Eine Verfassung als das Substantielle eines Volks ist das Heilige 1–4 So wäre … Organisirtes .] Ri  : so bald die Menschen vernünftig sind so existiren sie gar nicht in einer solchen Vielheit . Die Menschen sind nicht der Abstrakte Verstand sondern vernünftiger Geist  .   11–16 Weil ein … aufgehoben .] Ri  : Es vergingen so viele Verfaßungen eben weil sie bloßes Machwerk sind . Weil ein Volk ein Geistiges ist so bildet sich der Geist imer fort . In der Natur sind nur langweilige Wiederholungen aber der Geist im Ganzen ist ein sich fortbildendes . Betrachtet man eine verfaßung in Zeiträumen von 25 – 50 – 100 Jahren so sieht man daß sie verändert ist . Was imer darinn festgesezt ist ist die einzelne noth . Das höhere zeigt sich imer nach und nach mehr zuerst als Ausnahme dann als Gewohnheit .   17–19 und alle … machen .] Ri  : es läßt sich dies nicht so ändern wie man etwa denken mögte . Es Gehört der Zeit an . Wenn der Begriff alle Vorstellungen so durchdrungen hat so ist das alte eine todte Hülle geworden – das sich ohne großen | Kampf abstreift .   22–531,3 Napoleon sagt … begiebt . –] Ri  : Napoleon wollte Spanien eine neue Verfaßung a priori geben aber dies läßt sich nicht thun , wäre sie auch so viel beßer – daß nämlich etwas so gelte dazu gehört noch mehr – jene Verfaßung war etwas zu Fremdes . Die Verfaßung ist das worinn das Volk weiß , will daß sich dies nach und nach verwirkliche dies ist langsamen Ganges .   21 a] a a  

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des Volks . Daß das Allgemeine in einem so großen Reichthum sich geltend mache , ist eine langsame Wirkung , die sich gewissermaßen auf eine , dem Einzelnen bewußtlose Weise begiebt . – Die oberflächliche und leere Ansicht und Auffassung des Begriffes einer Verfassung hat in neuern Zeiten viel Unheil an­ gestiftet . Wenn man in den einzelnen teutschen Ländern nachfrägt , ob | die Bürger und Bauern alle zu einem Teutschland gehören wollen , so wird diese Frage von den Meisten gar nicht verstanden werden . Die Idee der Verfassung ist also , aus dem Begriff zu erkennen . Ein Volk , ein Staat ist ein Ganzes  ; dies enthält vors erste , daß in diesem einem Ganzen des Staats , wo das Allgemeine als solches befestigt und bethätigt werden soll , seine Momente sich entwickeln und daß die untergeordneten Sphären eben so ihre Ausbreitung haben , dies ist der friedliche Staat . Das zweite ist denn , daß die unterschiedenen Sphären schlechthin ideell gesetzt werden , und daß der Staat sich als eine Individualität darstellt . – Diese beyden Seiten sind es die jezt zu be­ trachten sind . Es liegt in | der Idee , daß jedes Moment des Begriffs frey für sich ist , als eine eigne Sphäre , eine eigene Gewalt , und daß dieses Moment zugleich aber nur als durch das Ganze bestehend erscheint . Im System der Sonne sehen wir so die Planeten als freye Individualitäten die sich zugleich um die Sonne bewegen , deren Gesetz zugleich das freie ist . Daß der Staat sich in sich unterscheidet , bewirkt erst , daß er ein in sich selbst Ruhendes , in sich selbst Unendliches ist . Was nicht so in sich unterschieden ist , das ist in der Weise der Unmittelbarkeit und damit abhängig von außen . Das Chemische ist nicht eine solche Totalität in sich . Indem solche Unterschiede bestehen , so müssen sie für sich Totalität seyn . So kommt das Ganze zu seiner | Vollkommenheit und ist in sich befriedigt . Indem jedes Moment so ein Ganzes ist , so hat es damit die Seele des Ganzen in sich , ist sich so selbst recht und dem Begriffe gemäß . Jedes Organ im Lebendigen ist so ein System in sich selbst , im Anderen hat es den Spiegel seiner selbst . Bey der Thei­ lung der Arbeit sehen wir wie das Ganze ein vollkommenes wird , indem jeder Theil der Arbeit für sich vollbracht wird . – Die verschiedenen Gewalten müssen

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… erkennen .] Ri  : Es haben z . B . viele den Gedanken von der Einheit DeutschLands haben wollen – Aber wenn man einen Würtemberger , einen Baiern fragt ob er wolle Einheit des Ganzen er würde es nicht verstanden haben . Was so a priori aufgestellt werden soll das ist nur oberflächlich . – Im Begriff sind 2 . Seiten zu unterscheiden .   12–14 Das zweite … darstellt . –] Ri  : Der 35 Staat stellt sich als Ein Individuum dar  : gestellt nach Außen[ .] In dieser Individualität wird der Staat 35 dann als Ideelles gesezt .  

30 5–8 Wenn man

32 er würde … haben am Rande mit Verweiszeichen  35 gesezt .] Der Text bricht vor dem Seitenwechsel ab  ; Fortsetzung nach vier unbeschriebenen Seiten (mit Textlücke) auf Seite 346 Ri mit Wenn man … aus . (s . unten 533,32–34 ) .  

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im Staate getrennt seyn , dies ist in dem so eben entwickelten Sinn zu verstehen . Man hat in der Trennung der Gewalten in neuern Zeiten die Garantie der Freiheit erblickt . Dies ist die Idee der modernen Zeit überhaupt , der Staat ist erst reale Geistigkeit wenn er sich in sich selbst unter­schei |d  et , so daß die Unter­schiede nicht beschränkt in sich sind , sondern sich vollkommen ausbilden . So wissen wir wie in der griechischen Kunst , der eine Künstler ein Dichter war , der andere Maler , der dritte ein Bildhauer . Die Idee in diese verschiedene Elemente getaucht , macht einen Kreis von Göttern aus , jeder ist in sich vollendet und in allen ist ein und derselbe Geist zu erkennen . Dies ist die große Freiheit des modernen Geistes , zu seinem vollkommenen Gegensatze zu kommen , und seinen Gegensatz vollkommen frey zu entlassen ohne Neid . Auf empirische Weise wie dies behandelt wurde , hat man darin mit Recht eine Garantie der Freiheit ge­f unden  ; es ist indeß mehr als | Garantie , denn die Idee ist sich auf diese Weise wirklich . In Frankreich hat man diese Theorie besonders ausgebildet , aber mehr auf verständige Weise . Man hat nun gesagt , daß ohne solche Trennung der Gewalten die Willkühr herrschen würde , daß dies begründet ist , läßt sich leicht einsehen . Die Vereinigung der richterlichen und gesetzgebenden Gewalt würde zu einer bloßen Willkühr führen . Es wäre somit keine Gerechtigkeit vorhanden . Denn Gerechtigkeit nennen wir , wenigstens formell , daß das Individuum nach einer allgemeinen Bestimmung behandelt wird . – Im Richterlichen selbst kommen eben solche Unterschiede vor  ; das eigentliche Rechtsprechen und die Beurtheilung des einzelnen Falls erscheinen als verschiedene Momente . Wenn polizeiliche und richterliche Gewalt in einer Hand sind , so kann | man gleichfalls sagen , daß die Freiheit gefährdet werde . Weiterhin hat man administrative und richterliche Gewalt von einander getrennt . Diese Trennung ist nun mehr oder weniger allgemeine Einsicht geworden , so wie es denn Be­g riffsBe­stim­mun­gen giebt  , die allmählich als nothwendig in das Bewußtseyn eintreten . Diese Unterscheidung hat sich auch in der Geschichte gemacht , aber hier mehr auf eine äußerliche , zufällige Weise . So wissen wir daß der Kaiser sonst in Teutschland herumzog , hier und da seinen Sitz aufschlug und selbst Recht sprach . Daß der Kaiser in der Folge nicht mehr selbst Recht sprach , dies machte sich zunächst auf eine ganz äußerliche Weise . Es wurde indeß zur Gewohnheit , daß besondere Richter | Recht sprachen und diese Gewohnheit wurde denn als etwas Nothwendiges erkannt . Jetzt sieht man es als eine Tyrannei an , wenn der Fürst selbst über einen Verbrecher Recht sprechen , wenn er in Privatsachen sich mischen wollte . Gleichwohl liegt es im Begriff des Fürsten daß er die oberste richterliche Gewalt hat , wovon später gesprochen werden wird . 4 unterschei |d  et] ohne Trennungsstrich   24 gefährdet] gefährte  

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Die Fürsten theilten im MittelAlter ihre Länder unter ihre Söhne  ; dies ist dem Begriff , des Staats , der so als PrivatEigenthum erscheint , ganz unangemessen . Diese Gewohnheit ist abgekommen , nicht weil sie als begriffs­w idrig erkannt wurde , sondern zunächst nur um der regierenden Familie willen . Ein weiterer wichtiger Fortschritt ist der , daß das , was anfänglich | als PrivatEigenthum des Fürsten erschien , zu StaatsEigenthum geworden ist . Bey der Trennung der Gewalten ist nun die schiefe Ansicht entstanden , daß man sie bloß als etwas beschränkendes angesehen hat . So sagte man , die fürstliche Gewalt strebt immer nach Despotismus , die Richter mögten gerne Gesetzgeber seyn pp . Es scheint sonach , daß man eine Trennung festsetzen müsse , damit die welche gern mögten , nicht könnten . Es ist damit eine gewisse Schadenfreude verbunden und zugleich eine Selbstbefriedigung über die Klugheit , die das so gut eingerichtet hat . Die Gewalten erscheinen so als Dämme gegen Ströme , überhaupt aber bloß als etwas das da ist , um einem größern Uebel vorzubeugen . Man kann bey solcher | subjectiven Betrachtungsweise im Einzelnen oft Recht gehabt haben , denn das Mögen kann gut seyn aber auch böse . Bey solchen Vorstellungen ist das Bewußtseyn immer mit Negativem erfüllt . Es ist dies eine Gesinnung , die zum Theil zum Pöbelhaften gehört . – Die wahrhafte Ansicht ist , daß jedes Glied für sich ein nothwendiges ist , ein unterscheidendes Moment , welches nach der Natur des Begriffs so unterschieden ist . Wenn jede Sphäre sich in sich ausbildet , so befriedigt sie sich in sich selbst , und es fällt dann das weitere Mögen ganz hinweg . Ein gutorganisirtes Gericht würde sich sehr beschwert finden , wenn es zugleich verwaltende Funktionen üben sollte . | Indem man den Grundsatz der Theilung der Gewalt aufstellt , so treten die ­Gewalten äußerlich gegeneinander , die sich einander balanciren sollten . Wenn dies so dargestellt wird , so fehlt die Einheit des Ganzen . Das Lebendige und noch weit mehr der Geist muß nun als eine subjective Einheit , als Identität erscheinen , worin die Gegensätze aufgelöst sind . Wenn die Gegensätze so zu einander gesetzt werden , so kann die Folge nur seyn , daß der Staatsorganismus nicht geht . Dieser muß aber gehen , und wenn er gehemmt wird , so stellt er sich her  ; die Nothwendigkeit der Sache macht sich Platz gegen alle Förmlichkeiten . Es geschieht sonächst

24–31 Indem man … Förmlichkeiten .] Ri  : Wenn man ferner sagt die Gewalten müßen sich die Stange halten – so kommen sie äußerlich gegen 1ander – aber es fehlt die Einheit des Ganzen und 35 dies macht eben das Wesen des States aus . Der Geist eines Vollkes ist in einer Wirklichkeit , wenn 35 diese Gewalten nun so gegen1ander sind ohne 1heit so geht der Staatsorganismus nicht – aber er m u ß gehen[ .] Diese Noth­wendig­keit bringt mit sich daß diese Einheit wird hergestellt werden . Da hilft alles formelle nicht – noch das beschwören  :   14 einem] einen  

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aber , daß eine Gewalt die andere über den Haufen rennt . Die Geschichte der französischen Revolution liefert | das entscheidendste Beispiel dafür . Die NationalVersammlung machte sich so zum Gouvernement , und ver­einigte alle Gewalt in sich . Es entstand so die SchreckensPeriode . Späterhin traten die fünf Direktoren an die Spitze der ausübenden Gewalt . Die gesetzgebende Gewalt setzte sich dem Direktorium entgegen , und es geschah das Umgekehrte . Die gesetzgebende Gewalt wurde so ausgereinigt und die Einheit hergestellt . Wo so ein Kunststück ersonnen wird , da ist das Ende immer dies , daß eine Gewalt die andere umstürzt . Fichte hat auch so eine Erfindung gemacht  ; er hat eine vollziehende Gewalt angenommen , und dieser ein Ephorat gegenübergestellt . In einfachen , kleinen Staaten kann mancherley der Art unentschieden bleiben und da kommt nichts darauf an . Spinoza | sagt , Gott habe den Juden , als einem widerborstigen , eigensinnigen Volke ihre Verfassung zur Strafe gegeben . Bey Fichte scheint es nun gleichgültig , ob die ausübende Gewalt monarchisch , aristokratisch , oder democratisch ist . Das Ephorat , welches er vorschlägt , soll , wenn es eine Ueber­schreitung der GesetzesGränzen von Seiten der ausübenden Gewalt bemerkt , sogleich ein Inter­ dict über das Land aussprechen . Das ist so ein hausbackener Verstand , der sich so etwas ausklügelt . Gerichte müssen in einem Lande seyn , und diese werden sich um ein solches Interdikt nicht bekümmern[ .] Das Einfachste würde seyn daß ein solches Ephorat zusammengepackt und fortgeschickt würde . Die Theilung der Gewalten darf ferner nicht so seyn wie sie etwa in der Türkey ist , oder wie sie zum | Theil in der Lehnsverfassung war . Die Theilung welche dort statt findet , ist nur eine äußerliche , die Paschen vereinigen in ihrer Sphäre alle verschiedene Gewalten .

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2–4 Die NationalVersammlung … SchreckensPeriode .] Ri  : das Corps Legislatif machte sich zum Gouvernement und ein Ausschuß verwaltete alles – das ist die Robespierr’sche Schrekenszeit .   5–8 Die gesetzgebende … umstürzt .] Ri  : Nachher ist das Umgekehrte eingetreten . Der Erfolg war anders – Die Gesezgebende Gewalt hat sich dem Gouvernement entgegengesezt . Das Gouvernement hat die gesezgebende Gewalt ausgereinigt und die Einheit hergestellt . So geht es mit solchen Erfindungen .   10–17 In einfachen , … aussprechen .] Ri  : Bei einfachen Staaten kann es gleichgültig sein ob ein Monarch da sei oder nicht zB . im Mosaischen Staat . Es ist aber diesem Volk schlecht gegangen . | Spinoza hat gesagt er habe diese Verfaßung zur Strafe gegen ihre Sünde gegeben , um sie zu züchtigen . Fichte nimt es gleichgültig ob die Verfaßung monarchisch – democratisch – aristocratisch sei – Das Ephorat sollte diesem entgegenstehen und Aufsicht halten[ .] Das Ephorat soll alles suspendiren und so soll die ausübende Gewalt gezwungen sein zu Kreuze zu kriegen .   18–24 Gerichte müssen … Gewalten .] Ri  : Die Executive Gewalt muß nothwendig dieses Ephorat zusamenpaken und aus1ander jagen – / Der Ganze Staat muß nothwendig eine Einheit haben . – Man kann auch bemerken , daß in der Türkei etc[ .] der Sultan Paschahs habe und diese wieder untergeordnete . Diese Paschen haben richterliche und militärische Gewalt in ihrer Sphäre vereinigen sie auch die verschiedenen Gewalten .

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31 gegangen .] ggen – es ist ihm   32 er] sc . Gott  ihre] sc . der Juden  

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Die nächste Frage , welche einem einfallen kann , ist die welche Verfassung die beste sey ? Darüber ist ein großes Gerede gemacht worden  ; man kann die Vor­ theile und die Nach­theile der verschiedenen Verfassungen gegeneinander abwägen . Die Hauptsache ist , daß die Eintheilung in verschiedene Verfassungen , als Monarchien , Demokratien und Aristokratien , jezt ganz und gar nicht mehr paßt , und gar keinen Sinn mehr hat . Sie hat nur einen Sinn , wenn der Staat noch nicht so gefaßt ist , daß jedes Moment der Idee desselben Wirklichkeit wird . Jener Unterschied paßt bloß für den Zustand , wo die Gewalten noch nicht getrennt sind . Es ist hier | nur der Unterschied von Einem , von Mehreren , und von Allen , in deren Händen die oberste Gewalt ist . In Griechenland und auch noch bis auf andere Zeiten , konnte jene Frage wohl aufgeworfen werden . Montesquieu hat besonders über den Unterschied jener Verfassungen gesprochen . Er sagt , das Princip der Demokratie ist die Tugend , das der Monarchie die Ehre . Daß das Princip der Demokratie die Tugend ist , ist insofern ganz richtig , als in einem solchen Staate Einfachheit der Sitten und die Weise des Lebens , daß nur für das Allgemeine gelebt wird , das Erste seyn muß . So war bey den Römern der Sinn für ihr Vaterland das einzig Herrschende , dem Alles Andere nachstand . In solchen Staaten , wo die bürgerliche | Gesellschaft ihre Ausbildung hat , und wo die Individualität als solche sich nach allen Seiten ausbildet , in diesem Zustand der höheren Kräftigkeit ist die Tugend gleichsam eine Möglichkeit . Es kann Einer tugendhaft seyn und kann es auch nicht seyn , dies ist mehr Sache des Einzelnen . Bey den Alten sehen wir die großen und herrlichen Individualitäten erst hervortreten , wenn der Staat sich auflöset . In einem anderen Staate kommt die Individualität zu ihrem vollen Rechte . Unter Monarchie versteht Montesquieu vornämlich die FeudalMonarchie und von dieser Monarchie sagt er , daß die Ehre das Princip derselben sey . Hier ist es der Adel der eine Monarchie erhält , und Montesquieu hat Recht , wenn er sagt , daß die Ehre hier das den Staat erhaltende Princip sey . In der Feudalmonarchie ist | der Ritter nicht objectiv etwas Diese miß verständniße müßen verdrängt werden .   4–6 daß die … hat .] Ri  : daß diese 1theilungen

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30 für diese neuen Staten keinen Sinn haben .   10–11 In Griechenland … werden .] Ri  : Hier hat diese

Frage einen Sinn das konnte man in Griechenland noch fragen  ;   13–20 Daß das … Möglichkeit .] Ri  : Es ist insofern wahr , daß einfachheit der Sitte das erste ist noch in der Weise der Familie daß die besonderheiten nur im Sinn des Allgemeinen und des Ganzen leben[ .] Das ist was in der Römischen Republik Tugend geheißen hat . Man kann sagen auch in der monarchie Aristocratie ist Tugend noth­ 35 wen­d ig aber ein anderes ist , ob es Princip ist . – In dieser Hinsicht schrieb Montesquieu  : es ist hier absolutes Princip (in der Democratie) daß das wollen des Allgemeinen die Hauptsache bleibe[ .] / | Im Monarchischen ist die Tugend bloß Möglichkeit .   24–28 Unter Monarchie … sey .] Ri  : Von der Monarchie hat Montesquieu nur die Feudalmonarchie im Sinn – er kannte keine anderen . Die Vasallen die Leibeigenen haben ohne hin keinen Antheil[ .] Der Adel ist’s der den Stat ausmacht . Auch 40 hier hat Montesquieu recht gehabt  : daß der Einzelne sich geltend macht .  

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dadurch , daß er einem besonderen organischen Momente des Staats angehört , er ist unmittelbar was er ist , zunächst durch die Geburt und sodann um für sich etwas zu seyn muß er sich in der Vorstellung Anderer geltend machen . An und für sich wäre er , wenn er in der vernünftigen Organisation des Staats seine Ehre hätte . – Das Ritter ­thum zeigt sich im Mittelalter in Spanien in seiner schönsten Blüthe . Von der Aristokratie sagt Montesquieu , daß sie die schlechteste aller Verfassungen sey . Dies kann man allerdings sagen , denn in einer Aristokratie ist eine Anzahl von Familien , die die Regierung in den Händen haben , welche dem Bürger in ihren übrigen Verhältnissen so nahe stehen  ; was ihnen die Regierung in die Hände giebt , ist nur der | Vorzug der Geburt . Ein Monarch ist nur durch die äußere Nothwendigkeit veranlaßt viele Geschäfte aus der Hand zu geben , eine Aristocratie vereinigt dagegen alle Gewalten und alle öffent­l ichen Funktionen in sich . Sodann zeigt sich in einer Aristokratie besonders das Mißtrauen , sowohl gegen die Bürger als gegen die eigenen Mitglieder . Nichts ist so thörigt , als verschiedene Völker in Rücksicht ihrer Verfassung miteinander zu vergleichen . Jedes Volk ist ein Individuum  ; die neuern Völker sind von den alten Völkern durch einen ungeheuren Zwischenraum der Zeit und Bildung getrennt . Bey Verfassungen kommt es weiter darauf an , daß ein Volk vollkommen selbstständig ist , so daß es seine | Selbstständigkeit durch sich erhalten kann . Es kann verschiedene Arten der Combinationen geben , wodurch ein Staat der nicht die Macht hat sich selbstständig zu erhalten , doch besteht  ; in solchen schwachen Staaten , die das politische Gnadenbrod essen , können nun solche mangelhafte Verfassungen bestehen . Es kann namentlich ein solcher Staat sich auf die Stufe

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2–3 und sodann … machen .] Ri  : Daß er es auch durch sich sei , das muß er zu Stande bringen – zeigt er sich so so macht er sich geachtet  ; und das ist eben die Ehre .   5–6 Das Ritterthum … Blüthe .] Ri  : Wir haben das schöne große Ritterthum gesehen – besonders in Spanien[ .] In deutschland ist es in seiner Barbarey Rohheit etc[ .] gewesen –   7–9 denn in … stehen  ;] Ri  : Die Patricier stehen den übrigen Bürgern sonst so nahe in Erziehung und Reichthum .   10–14 Ein Monarch … Mitglieder .] Ri  : Indem die Zahl imer groß ist  : so ist in der Monarchie veranlaßt seine Gewalt von anderen verwalten zu laßen . In dem | Aristokratischen Staat können die Patricier alles verwalten – alle Ämter besezen – es erzeugt dies Mißtrauen und haß aller Art .   16–18 Jedes Volk … getrennt .] Ri  : – besonders Alte und Neue ein solches Raisonnement ist so oberflächlich als möglich . Das Selbstbewußtsein ist bei verschie­ denen Völkern sehr verschieden . Viele Begriffe hat Griechenland nicht gehabt was wir haben – daß der Mensch deßwegen Werth hat weil er Mensch ist etc . /   20–22 so daß … besteht  ;] Ri  : daß es nicht nur souverain nach außen sei sondern daß es diese souverainetät erhalten kann . Es kann verschiedene Arten Combinationen Tractate geben wodurch ein Staat doch auch bestehen kann .   24–537,3 Es kann … Staaten .] Ri  : Wir haben besondere Verfaßungen in den Staaten Hamburg Frankfurt – Schweiz  : Daß sich dieser Stat durch solche Verfaßungen erhält das ist nicht seine Schuld , es ist die der

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13 Mißtrauen] Vertrauen (vgl . Ri)  

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der bürgerlichen Gesellschaft halten , daß der Staat sich wirklich bey solchen Ver­fassungen zusammenhält kann man nicht sagen  ; er hält sich nur durch die anderen Staaten . Die Hauptsache ist , daß in solchen Staaten eine ordentliche und gerechte Privathaushaltung geführt wird . Von einem äußerlichen Verhalten der verschiedenen Gewalten gegen­einander kann , wie gesagt , also | gar nicht die Rede seyn . Man muß sich auf dem Standpunkt der Idee erhalten und das Vernünftige betrachten , wie es an und für sich ist . Auf den Gedanken , auf die Idee kommt es an . Vorgefaßte Meinungen können hier nicht entscheiden , sondern man muß den vernünftigen Gedanken sich gewähren lassen . Die Momente der Vernünftigkeit treten nun also auseinander , bilden sich selbstständig für sich aus , und werden demnächst in eine Einheit wie­ der zusammen genommen . Der Staat hat das Allgemeine zum Zwecke und ist das Ideelle seiner verschiedenen Sphären überhaupt . In diesem Allgemeinen können keine andern Bestimmungen seyn , als seine eigene . Das erste ist die Consti­tu­ irung des Allgemeinen als Allgemeines , dies ist die gesetzgebende Gewalt . Das zweite ist das Eintreten des Besondern , so daß dieses | dem Allgemeinen identisch gemacht wird . Dies ist die RegierungsGewalt . Das dritte ist die Einzelnheit ganz abstrakt , die Subjectivität als solche , dieses ist die fürstliche Gewalt . Dies sind die drei Momente , und ist ein Abbild derselben . In der gesetzgebenden Gewalt ist also eben so die Regierungs Gewalt und die fürstliche Gewalt wirkend . Eben so ist es mit der Regierungsgewalt und der fürstlichen Gewalt . Die besonderen Geschäfte des Staats sind die Institutionen und Geschäfte der vorhergehenden Sphäre . Diese Verfassung ist nun diejenige , welche die constitutionelle Monarchie genannt wird . Wenn von Monarchie geredet wird , so muß man wohl bemerken , von welcher Monarchie die Rede ist . An eine Monarchie der alten Zeiten , | der Aristokratie und Demokratie entgegenstehen , ist hier nicht

Umgebungen daß sie selbstständig bleiben –   5–13 Von einem … überhaupt .] Ri  : Was das Nähere betrift von einer solchen Verfaßung | so sahen wir daß der Gesichtspunkt der reflexion nicht passt der zwei Gewalten gegen1ander sezt . Wir müßen uns auf den Standpunkt der Idee erheben und nicht mit vorgefaßten Meinungen hinken[ .] Die Momente der vernünftigkeit müßen aus1ander treten und in wirkliche 1heit zusamengefaßt sein[ .] Das Aus1andertreten in einem Vernünftigen Staate haben wir in Familie Bürgerlicher Gesellschaft und Staat gesehen – Der Staat ist das Allgemeine das Ideelle in dem Ganzen .   15–19 Das zweite … derselben .] Ri  : Das besondere ist nichts anderes als daß das Allgemeine angewandt werde auf das besondere[ .] Das 2te ist überhaupt die Regierungsgewalt – . Das 3te ist die einzelnheit als solche , die subjektivität , das ist die Fürstlichkeit – dies ist der Schluß . Das 2te ist daß jedes dieser Momente in sich jedes der anderen Momente enthält ein Abbild der Totalität ist in seiner bestimung[ .]   21 Eben so … Gewalt .] Ri  : In der Fürstlichen Gewalt ist das fürstliche als solches entscheidend und die Regierungs gewalt . Das sind die 3 Gewalten die den Staat ausmachen .   28 Verfaßung] Vfaßgen  

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zu denken . Weder in patriarchalischen , noch in asiatischen Monarchien findet eine Unterscheidung der Gewalten statt , eben so wenig findet sich dies bey der Feudal­monarchie  , welche einen Zustand darstellt , den einige thörigte Menschen zurück­w ünschen , während der Kampf der ganzen neuern Zeiten darin besteht , das politische Leben von den FeudalVerhältnissen zu reinigen . – Die Idee erfordert nun die einzelnen unterschiedenen Momente . Die constitutionelle Monarchie ist die Erfindung und das Werk der neuen Welt . Die substantielle Idee hat hierin ihre unendliche Form gefunden . In allen anderen Verfassungen ist die Wahrhafte Freyheit noch nicht zu ihrer Wirklichkeit gekommen . – |

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α  D ie f ü r s t l iche G e w a lt

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Die fürstliche Gewalt wird zuerst betrachtet , weil in ihr die Existenz des Be­ griffs als solcher , als Subjectivität ihren Sitz hat . Das erste Moment in dieser Bestimmung ist die Souverainetät des Staats überhaupt . Hierunter versteht man einerseits Souverainetät nach außen , sodann aber auch Souverainetät nach innen . Man hat heut zu Tage soviel von Volk sprechen hören  ; Volk heißt das Allgemeine , noch ohne nähere Bestimmung , was der Vorstellung vorschwebt . So wie man von Verfassung anfängt zu sprechen , so kann nicht mehr vom Volk die Rede seyn . Hier ist von Bestimmungen und von Unterscheidungen in sich die Rede  : aber | diese Bestimmungen sind innerhalb des Volks . Ein Volk ohne fürstliche Gewalt , ohne Regierung und ohne Organisation , wäre bloß ein leerer Haufe . Wenn so in Büchern vom Volk im Allgemeinen die Rede ist , so kann man so-

1–9 Weder in … gekommen . –] Ri  : Weder in der patriarchalischen noch in der Asiatischen , noch in der des Dionysios von Syracus , noch in der Monarchie des Mittelalters , Feudalmonarchie – der Zustand welcher es allein ist aus dem sich der heutige Zustand entwikelt hat – ist die Constitutionelle Monarchie . Diese ist die welche die Vernünftigkeit erheischt . Mag man schwäzen von Republik , von Feudalstat wie man will so ist es nicht die vernünftige Idee . Diese Constitutionelle Monarchie ist es was die neuere Zeit vorzüglich caracterisirt – In allen anderen Verfaßungen ist die Freiheit nicht zu ihrem Recht gekomen . Dies ist die wahrhafte Gestaltung des sittlichen Lebens – Es ist wie wenn Männer sich in das Kindes Alter wünschen – wenn man jenen Feudalstaat zurükwünscht .   11–12 Die fürst­ liche … hat .] Ri  : Das ist das erste was wir betrachten – darum weil der Begrif in seiner Einheit in der subjektivität seinen Siz hat .   15 Man hat … hören  ;] Ri  : Man hat | so viel von Volk sagen hören , von Volksthümlichkeit .   17–18 so kann … seyn .] Ri  : so hat man nicht mehr diese Gesamtheit vor sich[ .]  21–539,3 Wenn so … fassen .] Ri  : Wenn man so von Volk sprechen hört so kann man schon zum voraus wißen daß man unverdautes Zeug zu hören bekömt . Es kann nun das Wort Volk nicht mehr gebraucht werden – jezt hat dieser Begriff bestimtheit . –   3 welche] welches  

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gleich darauf rechnen , daß man ungewaschenes Zeug hören wird . Das vernünf­ tige Erkennen ist eben das in der Vorstellung unbestimmte in seiner Bestimmtheit zu fassen . Von der Souverainetät nach außen wird später die Rede seyn . Souve­ rai­ne­tät nach innen ist das Moment der substantiellen Idealität  ; alle die verschiedenen Sphären und Gewalten des bürgerlichen , politischen und sittlichen Lebens , erscheinen in jener substantiellen Idealität wurzelnd . Sie sind | nur bestimmt von der Idee des Ganzen und nur dadurch haben sie ihr Recht , daß sie Glieder jenes Ganzen sind . Zur Souverainetät gehört ferner , daß die verschiedenen Geschäfte , die verschiedenen Gewalten des Staats nicht Privateigenthum sind  : sie müssen bethätigt werden durch Individuen , aber sie treten ganz aus dem Verhältniß von Privateigenthum heraus . Wenn sie dies wären , so wären sie ein Recht nach der Weise des Privatrechts . Die Gewalten werden den Individuen nur zu­ge­theilt und das Individuum hat seinen Werth und seine Würde nur , insofern er sein Amt und sein Geschäft gehörig verrichtet . Dies Moment der Souverainetät fehlte besonders der Feudalmonarchie , nicht nur der | Monarch war nicht souverain nach innen , sondern der Staat selbst war es nicht . Die besonderen Staatsgewalten und Staatsgeschäfte waren FamilienEigenthum oder PrivatEigenthum . Die Gewalt die ein jeder ausübte , übte er aus nicht als ausgehend von der Idee des Staats , sondern er übte sie aus als sein Privateigenthum . – Das zweite Moment im Begriff der fürstlichen Gewalt ist , daß die Identität welche die Souverainetät ist , die Subjectivität wirklich ist  ; die Subjectivität in der höchsten Weise existirt nur als Ich  ; Ich ist die reine Idealität  ; in diesem ist alle Besonderung aufgehoben . Diese Idealität ist ein formelles Moment  ; zur

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3–8 Souverainetät nach 2 … sind .] Ri  : Die Souverainetät nach inen ist das was wir gesehen . Das 25 Moment der substantiellen Idealität , daß die Unterschiedenen Gewalten und Sphären des bürgerlichen

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Lebens nicht ein selbstständiges für sich sind sondern daß sie in dem Allgemeinen sich gründen – in demselben ihre Wurzel haben – sie sind flüßige Glieder in dem Ganzen – dadurch haben sie ihr Recht ihre Vernünftigkeit –   11–16 Wenn sie … nicht .] Ri  : So wären sie also ein Recht , sie wären ein besonderes[ .] Es gehört dem Ganzen . Sie werden dem Individuum beauftragt  ; Es wirkt nicht für sich und gilt nicht für sich sondern im Ganzen[ .] Das ist das Moment der neuen Staten das ist das Moment welches dem Feudalstat gefehlt hat . Man kann sagen in Staten wo keine Constitution ist da ist der Monarch auch nicht souverain – der Staat nicht 1mal .   17–19 Die Gewalt … Privat­eigen­thum  .  –] Ri  : Man hatte das zu thuende als ein Privat Eigenthum auszuüben und nicht aus dem Begriffe des Staates . Das andere Moment ist also daß diese Gewalten nicht privat Eigenthum sind .   21–23 die Subjectivität 2 … Moment  ;] Ri  : Subjektivität existirt nur für sich . Die Subjektivität als solche ist eben das Ich . Ich ist die reine Idealität darinn ist alle Unterscheidung aufgehoben[ .] Diese Idealität in ihrer Wirklichkeit ist subjektivität – sie ist ein formelles Moment .   4 Idealität] Identität (vgl . Ri)  6 Idealität] Identität (vgl . Ri)  22 Idealität] Identität (vgl . Ri)  23 Idealität] Identität (vgl . Ri)   25 daß] das  

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Wahrheit der Idee gehört nicht nur Subjectivität , sondern eben | so Objectivität . Die Einzelnheit des Ich ist ein abstraktes Moment gegen das Allgemeine . – Jene Subjectivität ist nun nothwendig Individualität und zwar Individualität des Geistes . Die Souverainität des Staats hat die Seite ihrer Existenz in einem Subject , in einem Individuum , und dies ist der Monarch . Die constitutionelle Monarchie enthält die verschiedenen Momente des Begriffs frey ausgelegt . Das Leben besteht wesentlich in der Identität dieser Unterschiede . Es zeigt sich so die abstracte , einfache Gewißheit , die noch ohne Wahrheit seyn kann , als diese letzte Spitze , welche der Monarch ist . Die allgemeine Qualität des Begriffs der fürstlichen Gewalt wurde darin gesetzt , daß der Staat , weil | er ein Geist ist , weil er Eines ist , alle Unterschiede in sich verflüchtigt , enthalten muß . Ich ist reine Identität . Das Correlatum in der Natur ist das Licht . In dieser Identität sind alle Staatsgeschäfte und Staatsgewalten in ihrer einfachen Quelle aufgelöst , sie sind flüssige Glieder , nicht bestehende , harte , feste . Die Individuen durch welche jene Staatsgeschäfte bethätigt werden , haben dieselben , wie bereits bemerkt wurde , nicht nach der Weise des Eigen­ thums inne , das Individuum ist nur ein Objectives , insofern es sich einer solchen Sphäre zugetheilt hat , und darin thätig ist . In der Feudalmonarchie war der Staat nicht souverain , da die einzelnen Geschäfte und Gewalten in derselben Ei­gen­ thum der Individuen waren . Daß die Souverainität als | Souverain existirt , dieser Uebergang ist derselbe , den wir überall gesehen haben . So ist die Freiheit nur als Person , das Schwere nur als Körper pp[ .] Jene Identität ist das unendliche Fürsichseyn des Ich  ; die Subjectivität ist als solche unmittelbar als Subject . Subject ist nur als dieses Subject  ; diese Negativität die sich unendlich auf sich selbst bezieht ist eben Persönlichkeit . Die Subjectivität ist so ausschließendes Eines , ausschließende Person . Indem nun die Souverainetät als dieses ist , so ist sie souverain , sie ist Monarch . Man

2–4 Die Einzelnheit … Geistes .] Ri  : Indem dieses 2te Moment zur Existenz komt so ist sie nothwen­ dig Individualität , und zwar Existirende Individualität .   6–7 Das Leben … Unterschiede .] Ri  : Das Organische besteht wesentlich in der Einheit von diesen[ .] Die Subjektivität ist d i e s e s als Ich und das ist der Monarch . Das ist nun ein speculativer Gedanke .   13 Licht .] Ri  : Licht – indem keine Trübung noch vorhanden ist .   15–18 Die Individuen … ist .] Ri  : Die Individuen durch welche diese Gewalten bethätigt werden haben hier Werth und bestehen durch das was sie bekleiden . Durch die Idee sind die Geschäfte festgesezt und das Individuum gilt nur | indem es einem solchen angehört . Diese Idealität , daß die Gewalten auf eine Einheit bezogen sind , nicht für sich stehen sondern abhängige – flüßige glieder dies macht die Souverainetät im Stat aus .   21–23 Daß die … pp[ .]] Ri  : Das 3te ist daß diese Souverainetät nur existirt als Souverain – Freiheit existirt nur als freier Wille nur als Person – Schwere existirt nicht als Schwere sondern nur als Körper .   23–27 die Subjectivität … 37 freier] Freiht  

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spricht von der Souverainität des Volkes , dies kann nur gelten von der Totalität der Völker gegeneinander , so sind die Franzosen und Engländer gegeneinander souverain . Man versteht indeß | unter VolksSouverainetät auch , daß das Volk als diese Gesammtheit souverain sey . Nun ist aber von der Vorstellung vom Volk als einer allgemeinen Gesammtheit , hier nicht mehr die Rede , sondern von einer bestimmten Gliederung und Organisation . Das Massenhafte , das Gesammt­seyn hört hier auf und die verschiedenen Momente des Begriffs kommen zu einer eigenen Existenz . So haben in der thierischen Welt die verschiedenen Sphären der Irritabilität und Sensibilität und Reproduktion , jede für sich ihre eigene Existenz . – Jene Sonderung muß nun um so mehr eintreten in Ansehung der Subjectivität , da diese selbst das Sondernde ist . Der Monarch ist so die Persönlichkeit als solche im Staate , er ist so dasselbe , was das Gewissen ist , diese reine Gewißheit seiner selbst . Dies ist zunächst bloß ein Formelles und als solches | das letzte Entscheidende . Alles Aufschließen von noch nicht Daseyenden und Aufgeschlossenen fängt von dieser Gewißheit an , und eben so ist sie das letzte . – Das Abwägen von Gründen gegeneinander enthält noch nicht die Wirklichkeit , diese Vielheit muß vernichtet werden , damit das Schwanken , hinüber und herüber aufhört . Wenn der Monarch seinen Namen unterschreibt , so liegt darin bloß das einfache  : Ich will . Daß der Monarch nur μονος ist , Einer , dies liegt unmittelbar in dem Gesagten . Der Begriff des Monarchen ist ein schwerer Begriff  ; daß die Identität schlechthin als Subject , als Eines erscheine , darauf kommt es an . Weil das Subject so als Eines ist , so ist es das sich Sondernde , schlechthin für

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25 Monarch .] Ri  : Wie die Schwere unmitelbar als Körper ist so ist die Souverainetät unmittelbar als Sub25

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jekt das ist also das 3te daß die Souverainetät sich n u r als dieses ausschließt , als dieses . Das ist also die wahre Existenz der Subjektivität im Staat[ .] Dieses macht die 3te bestimung aus in dem Begriff der Souverainetät des Fürsten – so ist die Souverainetät als der Monarch –   3–4 Man versteht … sey .] Ri  : Man spricht aber in einem anderen Sinn davon  : man sagt das Volk als Volk ist der Souverain[ .]  6–14 Das Massenhafte … Entscheidende .] Ri  : Wenn man von der Thierischen Organisation spricht so komt man nothwendig auf ein gegliedertes | es hat Kopf , Bauch , Brust . In dem Schleimthiere kann man sagen ist auch eine Sensibilität etc[ .] Aber sie existirt nicht darin nur im Muskelsystem des ausgebildeten Thieres existirt’s . So wie man von Volk spricht so hört das Moment des Maßenhaften auf . In der Vernünftigen Organisation trit diese Sonderung ein . Wenn ich sage  : Ich so ist das Ich selbst das Sondernde . – Das ist also das Moment der reinen Subjektivität welches dem Monarchen zukommt . Als das Formelle seiner selbst gewiße ist es die lezte Spize der Entscheidung .   17–19 diese Vielheit … will .] Ri  : Dieses fängt noch nicht an – diese Vielheit muß vernichtet sein – bestimt sein – beschloßen werden . Die Unterschrift des Monarchen ist weiter nichts als daß es zur existenz komme  : ich will .   20–22 Der Begriff … an .] Ri  : es ist das ausschließende[ .] Der Begriff des Monarchen ist ein schwerer Begriff . –  

4 von der] die   6 Organisation] Orig- / nisation   9 Irritabilität] Inritabilität  24 3te] 2te  25 te 3 ] 2t   32 sage] sache   40

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sich . Als ein solches sich Sonderndes | muß es nun überall vorhanden seyn , auch in solchen Staaten , wo die verschiedenen Gewalten sich noch nicht besonders ausgebildet haben . Es kann hier an die Staaten des Alterthums erinnert werden , in diesen Staaten , namentlich in den griechischen , welches nun auch ihre Verfassung war , hatte das Moment der Subjectivität noch nicht eine freye Existenz für sich . Dasselbe fiel somit außerhalb dieser Staaten außerhalb der Sphäre der menschlichen Freiheit . Der letzte entscheidende Wille trat so in der freyesten Demokratie , in Athen , so wie in anderen Staaten , außerhalb des Staates auf . Die Privatpersonen und der Staat beyde nahmen zu solchen letzten Entscheidungen , wie die Orakel und der Vögelflug waren , ihre Zuflucht . Der Feldherr , nachdem er sein Terrain nach seiner besten | Einsicht gewählt , und Alles angeordnet hatte , befragte um die letzte Entscheidung zu erhalten , die Orakel , die Eingeweide der Thiere . P ­ ausanias mühte sich so vor der Schlacht von Platäa einen ganzen halben Tag mit der Erforschung der Eingeweide der Thiere ab . Eben so wurden die Orakel befragt , wenn eine Colonie angelegt werden sollte . Die Entscheidung wurde so immer von Außen geholt . In den älteren Zeiten hatte das menschliche Selbstbewußt­seyn seine Tiefe noch nicht erfaßt , es war sich noch nicht als Gewißheit und als Gewissen , erst in neueren Zeiten hat der menschliche Geist seine Unendlichkeit erfaßt , und so wurde denn auch jene entscheidende Spitze innerhalb des Staats verlegt . Dieses letzte Selbst nun des Willens , | das Selbst des ganzen Staats , ist eben als dieses unmittelbare Einzelnheit . Das Moment der Unmittelbarkeit liegt darin , daß diese Identität , diese Identität mit sich , indem sie alles Besondere aufgehoben hat , unendliche Vermittelung ist mit sich , die für sich ist durch diese Abstraction von Allem . Die einfache Gewißheit meiner selbst ist so das Unmittelbare , welches sich nicht unterscheidet . Die Natur ist unmittelbar . Dem Geiste kommt

1–6 Als ein … sich .] Ri  : Indem dies Moment noch nicht innerhalb des Ganzen herausgebildet ist so ist es auch vorhanden als besonderes – aber eines das außer ihm ist – Man erinere sich an die Alten ­Staaten sie mögen Democratie etc[ .] sein so war das Moment noch nicht durchgedrungen[ .] Wir sehen bei den Alten Staaten in diesen war dieser lezte Wille nicht ein eigen­thüm ­l iches Moment im Stat .   8–13 Die Privatpersonen … Thiere .] Ri  : Aus diesem floß das Bedürfniß von Orakeln[ .] Das Fliegen freßen der Thiere zu beobachten . Dazu nahm man seine Zuflucht[ .] Ein Feldherr welcher einen Marsch hat machen wollen schlachtete vorher . Er hatte alles gehörig eingerichtet dann maßte er sich die Entscheidung nicht an .   15–26 Die Entscheidung … unmittelbar .] Ri  : Dieses lezte „ich will” fehlte noch und wurde irgend woher genomen aus einem ganz niedrigen – Sie fiel darum nicht in die Sphäre der Menschen weil sie das sich sondernde ist und dieses seinen Plaz dort noch nicht gefunden hat . In neuen Zeiten wo der Menschliche Geist sich unendlich erfaßt hat daß er sich die lezte Ent ­scheidung auch zueignete , so mußte auch diese lezte spize inerhalb der Sphäre der Freiheit sich 17 es] er   35 darum] da / rum   37 erfaßt] er / faßt  er] es  

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die Unmittelbarkeit nur zu als zurückgekehrt zu sich selbst . Die Unmittelbarkeit muß so nach der Weise der Unmittelbarkeit seyn und dies ist diese Bestimmung die wir die Natürlichkeit heißen . So ist der Monarch durch die Natur das was er ist , durch die Geburt . | Der angeführte Begriff ist durchaus speculativ , es ist hier die Idealität , welche unmittelbar das Gegentheil ihrer selbst ist , das heißt unmittelbar . Hier ist derselbe Uebergang , welcher vorkommt in dem sogenannten ontologischen Beweise vom Daseyn Gottes , wobey vom Begriff Gottes ausgegangen wird . Die Schwierigkeit den Uebergang des Subjects zum Objecte zu fassen , macht immer nur die Mauer aus , wo die Ochsen am Berge stehen . Auf jenen Uebergang beruht überhaupt alles Fassen , alles Begreifen . Weil der Begriff des Monarchen so speculativ ist , so macht dies das Mystische im Begriff des Monarchen aus , das welches vom Verstand nicht gefaßt werden kann . Hierin ist die Majestät begründet , welche | das Innerlichste ist und gerade deswegen unmittelbar das Äußere . Der Verstand kann so die Majestät nicht begreifen und man kann so mit Recht sagen , der Monarch soll nicht be­g riffen werden , das heißt nicht mit dem Verstande . Indem nun dies be­g riffen wird , so ist das Verhältniß der Philosophie ein freyes Verhältniß zum Monarchen , indem sie diese Stufe , diese Stelle begreift . Das Verhältniß des ­Verstandes ist ein unfreyes Verhältniß zum Monarchen . Das Verhältniß der Unter­thanen kann seyn ein Verhältniß des Zutrauens , der Achtung , der Liebe und auch der Furcht . So wie der Verstand hinter dieses Verhältniß kommt , so

stellen[ .] / Das 3te Moment ist daß das Selbst des Ganzen Staates Eines ist 1 und als leztes Selbst | unmittelbare Einzelnheit ist . Die Unendliche Vermitlung die von allem Abstrahirt hebt in dieser Ver­ mittlung sich selbst auf . Das Unmittelbare das sich 1fach auf sich selbst bezieht . Die Natur i s t . Das S e i n komt ihr zu – hier ist die Vermittlung noch nicht –   6–11 das heißt … Begreifen .] Ri  : nämlich natürlich . Es ist der Übergang vom Begrif zu dem Sein . Derselbe der uns vorkam als wir sagten daß die Freiheit Dasein haben müße und Persönliches Eigenthum der ferner in dem so genannten ontho­ logischen Beweis von dem Dasein Gottes vorkomt wo man ausgeht vom Begrif Gottes daß er ist dieses Abstrakte das ist die Schwierigkeit – daher hat man in Neueren Zeiten wo der Begrif der Philosophie unterging diesen Übergang nicht faßen könen  : hier stehen die Ochsen am Berge – Darauf beruht aber alles Begreifen des Unendlichen so ist im Monarchen der Begriff als selbstgewußtes Wollen 1fache Gewißheit unmittelbare Gewißheit eben deßhalb durch die natur zu demselben bestimt[ .]   13–14 Hierin ist … Äußere .] Ri  : die Mayestät . Diese entscheidende Grundlose das Abstrakte „Ich will” . Das Innerste und deßhalb das Äußerlichste als Person sind durch die Natur durch Geburt .   16–21 Indem nun … Furcht .] Ri  : Nur die Philosophie hat das Recht dazu[ .] Alles andere raisoniren erreicht ihn nicht weil es den Begriff nicht faßt nicht speculativ ist . Indem er so begrifen wird so ist es ein freies Verhältniß zum Monarchen als zu einem wesentlichen Moment des Ganzen  ; Alles andere ein unfreies . Es kann Verhältniß der Liebe des Zutrauens sein daß sie ihn ehren Lieben achten fürchten – in Formen der Empfindung  

18 sie] es   29 Schwierigkeit] Schwie / rigkt   40 5 Idealität] Identität (vgl . Ri)  

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macht er einen Bruch in dasselbe . Im Zutrauen , in der Liebe , ist das Vernünftige enthalten , allein auf die Weise der Empfindung . Man | kann sich auf das Rai­ sonnement aus Gründen einlassen und zeigen , wie wichtig es für ein Volk sey , einen Monarchen zu haben . Man kann hier mancherley medios terminos annehmen und von einem solchen Grunde aus darüber raisonniren , ob es vor­theil­hafter sey , diese oder jene Verfassung zu haben . Man befindet sich auf dem Boden des Raisonnements und man kann auf diese Weise zu mancherley Resultaten gelangen . Man kann dann etwa finden , daß es für das Volk das Gerathenste sey , für seine Ruhe , für sein Wohl , daß die Verfassung eine monarchische sey , und man kann zeigen , daß auch in einer Monarchie für die Freiheit gesorgt sey , allein dies geschieht immer vom StandPunkt | des Raisonnements aus . Das Nächste , worauf der Verstand kommt , ist  : der Monarch ist ein Individuum wie ich , ein Mensch , der nicht mehr ist , als ich , und ungeachtet dessen soll dieser Eine im Staate diesen ungeheuern Vorzug vor allen Anderen haben an Macht und Gewalt , wie an äu­ßerer Ehre und Herrlichkeit . Und diesen Vorzug soll er durch den bloßen Zufall der Natur haben , da doch der Mensch nicht ein natürlicher seyn soll , sondern durch das Denken das seyn soll , was er ist . Hier steht der Monarch als unmittelbare Person gegenüber . Wenn nun der Verstand weiter geht , so erwägt er wie durch den Zufall der Geburt über so Wichtiges entschieden wird . Das Resultat dieses Raisonnements ist immer ein Individuum welches so große Vorzüge haben | sollte als der Monarch , müsse auch an Geist und Zustand der Vorzüglichste seyn  ; das Bestehen der erblichen Monarchie erscheint so bloß als etwas Angeerbtes und nicht in der Vernunft begründet . Der Monarch ist so nur

1–11 Im Zutrauen , … aus .] Ri  : Er geht über das Zutrauen und die Liebe heraus in welcher eigentlich der vernünftige Begriff aber nur in Form der Empfindung enthalten ist wie wenn der Mensch Glauben an Gott hat . Mit dem bloßen Verstand entsteht eine Scheidewand | man kann sich hier allerdings auf raisonnement einlaßen wie wesentlich es für das Wohl eines Volkes sei daß es einen Monarchen habe . Irgend ein Medius terminus wird als das Lezte dabei angenommen . Wohl des Volkes Ruhe Freiheit der Individuen und von diesen Zwecken aus raisonirt man dann weiter  ; kann so zu diesem und jenem Resultat gelangen , dies und jenes darunter verstehen – weil die Gesichtspunkte von denen man ausgeht selbst sehr unbestimt sind – Man kann solche Beweise führen die aber bloß Verstandes beweise sind und neben welchen imer noch andere offen stehen . Die Hauptsache ist aber daß der Verstand entscheidet gegen die Monarchie –   12–23 ein Mensch , … begründet .] Ri  : Habe keine Vorzüge vor mir sei vielleicht noch schlechter  ; oder andere hätten wenigstens dazu weit mehr taugliche Eigenschaften , und dennoch solle er diesen ungeheuren Vorzug haben – bloß durch die Geburt eine bloße Zufälligkeit der Natur , die der Mensch als Geistiges gerade nicht leiden will und dagegen ankämpft , daß der Wille nicht Begirde sondern durch das Denken | das sei was er sein solle , und hier solle der Monarch doch diesen Carakter haben – Also sei das Glük des Ganzen Volkes zufällig es sei ein unvernünftiges  ; daß der höchste im Staat nicht der beste sei , und so noch weitere Möglichkeiten . 4 kann] hat   20–21 große Vorzüge] großes Vergnügen (vgl . Ri)  

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betrachtet als ein Natürliches unmittelbar Persönliches , was er auch ist , aber wieder als ein Negatives gegen das was er seyn soll . Die Natürlichkeit ist es so , was der Verstand festhält als ein Negatives . Nun muß freylich zugestanden werden daß im Monarchen das Moment des Natürlichen ist und man kann dagegen sagen daß der Beste , der Vernünftige regieren soll . Der Verstand kann nun leicht noch mit bösem Willen , mit Neid und Hochmuth verknüpft seyn , und dann weiß er seine | Gründe noch durch vieles zu unterstützen . Allerdings soll der Vernünftige herrschen und die Verfassung ist die Vernünf­ tigkeit selbst , aber in dieser Vernünftigkeit ist das eine Moment jene Idealität , jene Subjectivität , dieses Natürliche . Der Begriff muß das Andere in sich fassen , und als das Seinige wissen sonst ist er bloß abstracter Verstand . Wenn nun über StaatsVer­fassungen überhaupt raisonnirt wird , so hat immer der Begriff dabey ­gefehlt , das speculative Denken , die welche über Verfassung reden wollen , müssen also zunächst philosophiren , sie müssen begreifen lernen . Es ist nur die speculative Philosophie , welche das Recht hat das was dem Verstande ein Geheimniß ist , das Speculative , welches im Begriff | des Monarchen liegt , zu erfassen . Wenn man zunächst darauf kömmt , daß es das Natürlichste und das Billigste wäre , den Monarchen zu wählen , so ist hier zu erwähnen , daß wenn auf solche Weise der Tapferste , der Weiseste und dergleichen gemeint wird , dieß nach Art der Stoiker gesprochen ist , welche , wenn vom Weisen die Rede ist , auch immer nur ein Subject beschreiben . Es ist nun nichts langweiliger als so einen Stoiker Das ist das raisonnement des Verstandes , daß der Monarch ein Persönliches Individuum sei wie andere und doch diesen Vorzug habe den ihm nur Geist und Caracter geben sollten . Damit glaubt sich der Verstand berechtigt die Monarchie als eine Sache des Zufalls und der Gewalt an zu sehen .   2 was er … soll .] Ri  : was sein soll – nämlich daß der weiseste und beste regiere[ .]  4–5 daß im … soll .] Ri  : daß der Monarch natürlich sei und der vernünftige regieren müße und so scheint es widerspre­ chend daß ein Individuum nur durch Zufall dazu bestimt werde – In diesem negativen Verhältniß hält sich so der Verstand –   8–11 Allerdings soll … Verstand .] Ri  : Die Auflösung liegt im Gesagten . Das Vernünftige s o l l herrschen . Die Ganze Verfaßung ist aber die Wirklichkeit der Vernünftigkeit selbst  ; und darum ist zugleich das Eine Moment wesentlich nothwendig diese Idealität Subjektivität , dieses , und damit das Moment der Natürlichkeit . Das muß das Vernünftige gerade in sich haben . Der Begriff als das mächtige faßt wenn er begreift zugleich auch das Gegentheil seiner selbst nur dadurch ist er der Concrete wenn er das andere nicht so faßt und als das seinige weis ist er nur A b s t ra k t e r Verstand , der sezt Weisheit etc[ .] gegenüber dem Natürlichen und bleibt bei diesem Gegensaz stehen  ; der Begriff erkennt es aber nicht als das Negative sondern zugleich als moment des begrifs .   17–21 Wenn man … beschreiben .] Ri  : Wenn man so sagt  : der Weiseste | solle regieren und dies als das Natürlichste erscheint daß man einen Fürsten wähle zu dem man zutrauen habe so spricht man von einem Subjekt wie die Stoiker und Epicuraeer  : wenn sie sagen sollten was das Vernünftige Recht sei so blieben sie bloß bei dem formellen stehen und sagten nur was der Weise thue  : so spricht man auch hier von der Weisheit und Vernünftigkeit so daß sie in einem Subjekt ihren Siz habe .   9 Idealität] Identität (vgl . Ri)  

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vom Weisen sprechen zu hören , so wie es auch langweilig ist , immer nur vom weisen König Salomon zu hören  ; die Vernünftigkeit soll aber als ausgebildetes System der Institutionen eines Volkes bestehen und nicht bloß in einem Subject . Im | Staate ist die Vernünftigkeit auf eine objective Weise wirklich ­vorhanden . Das , was dem Monarchen zukommt ist das Grundlose , Ich w i l l   ; dies ist zunächst bloß das formelle Moment , noch ohne die Objectivität . Es ist eine oberflächliche Ansicht wenn man declamirt , daß das Wohl eines ganzen Volkes von der Persönlichkeit des Fürsten abhänge , und man hat so große Fürsten-Erziehungspläne gemacht . Wenn die Institutionen eines Volkes vernünftig sind , so macht sich das von selbst , und die Persönlichkeit ist es keinesweges von der Alles abhängt . Ohnehin ist der Monarch selbst ein Sohn seiner Zeit , und seines Volks . Er ist gar nicht so etwas vom Monde herabgefallenes , sondern es lebt in ihm der Geist seines Volks . Wenn in einem Volke mancherley Gedanken aufkommen , so | giebt es nichts mehr , wo es nicht eine Menge Menschen giebt , die be­weisen , daß das Alles besser seyn müsse  ; die Regierung muß immer die letzte seyn , welche solche Gedanken des Bessermachens aufnimmt . Denn wenn ein Gedanke wirklich an und für sich begründet ist , so gehört noch dazu , daß er zuvor die Individuen eines Volkes durchdrungen habe , und daß die übrigen Einrichtungen damit im Zusammenhang gesetzt werden . Dies ist aber nicht gleich im Anfange geschehen , die Regierung muß so die Sache ganz frey walten lassen , damit , ohne anderen Zweigen die damit zusammenhängen Gewalt zu thun , dieselben geändert werden können . Daß das Erbrecht den Monarchen zum Monarchen macht , ist das , was | man Legitimität nennt . Hierbei ist nun einerseits die Weise des positiven Rechts , daß aber die natürliche Geburt wesentlicher Grund des Rechts ist , dies muß vorher be­g riffen seyn . Daß der Monarch auf diese Weise zum Throne kommt , ist eine der wichtigsten Bestimmungen der Staatsverfassung . In orientalischen , despotischen Reichen kommt es nicht dazu . Indem die Succession durch die Natur

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2–6 die Vernünftigkeit … Objectivität .] Ri  : gegen welchen alle anderen unweise sind . Die Hauptsache ist  : daß die Vernünftigkeit in den Institutionen herrsche nicht in einem Weisen  : das ist die Allgemeine 30 Objektive Vernünftigkeit . In Ansehung des Monarchen ist was ihm zukommt die Subjektivität die lezte Entscheidung und das ist für sich zunächst das formelle Moment noch ohne die objektivität ohne Weisheit und Vernünftigkeit[ .] | Es gehört dazu bloß diesen Namen zu haben zu unterschreiben als das Moment der lezten Entscheidung welches die Alten Völker von Orakeln her holten   9–13 Wenn die … Volks .] Ri  : Ist die Constitution eines Volkes und seine Geseze vernünftig so macht dieses sich für 35 sich selbst – was der Monarch hinzu thut ist dem Inhalt nach gar nicht so viel . Ohne hin ist der Fürst Kind seiner Zeit seines Volkes repraesentant deßelben es lebt in ihm – sein Geist seine vorstellungen und Be­g riffe .   28–547,3 Indem die … gegenüber .] Ri  : Eine vernünftige Verfaßung kann nur dann 15 die2 ] das  



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bestimmt ist , so erscheint die höchste Spitze der Zusammenhaltung des Staats der Zufälligkeit und Besonderheit entnommen . In einem despotischen Staate steht der Regent immer als Besonderheit der Masse des Volks gegenüber . Jeder kann sich hier eben sogut als ein Besonderes ansehen und die Zufälligkeit ist es , die sich hier geltend macht . – Man kann , wie | bemerkt wurde , es für sehr nahe liegend halten , daß die Wahlform die angemessenste sey , da es dem Volk überlassen bleiben müsse , wem es die Besorgung seines Wohls auftragen will . So erscheint das Wahlreich als das Vernünftigste und Rechtlichste . Der Regent erscheint in diesem Falle als derjenige , dem das Volk den Auftrag für sein Amt er­theilt hat , der Fürst hat so den Charakter eines Mandatars . Wenn wir die Geschichte um Rath fragen , so finden wir , daß bey einfachen Völkern so etwas wohl statt finden kann . Das teutsche Reich hat demnächst seinen Untergang gefunden und eben so Polen . Nun geht zwar ein jedes Reich unter , und es ist gerade nicht die lange Dauer eines Reichs , die für die Güte der Verfassung entscheidet . Allein das teutsche Reich | hat nie einen vernünftigen Zustand dargeboten , sobald die alte Einfachheit der Sitten , und somit die Barbarei aufhörte und das Selbst­ bewußtseyn eintrat , so hat sich gezeigt , daß keine Verfassung hat schlechter seyn können als die des teutschen Reichs . Polen bietet dasselbe Schauspiel dar . In Wahlreichen finden Capitulationen statt , die WahlCapitulation drückt aus , daß der Kaiser , oder die oberste Staatsgewalt sich auf gewisse Bedingungen ergiebt . – Die ­Meinung , die Ansicht und die Willkühr der Besonderheit ist unmittelbar losgelassen in einem Wahlreich . In jeder WahlCapitulation haben die Fürsten sich neue Rechte und Vortheile ausbedungen , bis daß am Ende vom Staatsvermögen und von der Staatsgewalt nichts übrig geblieben ist . Man hat es mit Recht für die Erblichkeit der Monarchie geltend gemacht , daß | den Partheyen dadurch gesteuert wird . Solche Partheyzerrüttungen müssen bey Thronerledigungen eintreexistiren wenn die Legitimität rechtlich bestimt ist . Nur dann ist diese höchste Spize der Zufälligkeit der Besonderheit entnomen – In den orientalischen Staten ist der Fürst gegen die Maße .   7–8 So erscheint … Rechtlichste .] Ri  : Das Ganze hat für sein Eigenes Intereße zu bestimen wer für diese Angelegenheit sorgt –   14–18 Allein das … Reichs .] Ri  : Aber Deutschland war kein Staat es war halt ein Reich – etwas unbestimtes[ .] Das Selbstbewußtsein und die Freiheit des Menschen wie das herein kam so hat sich gezeigt daß keine Verfaßung schlechter sein kann .   18–23 In Wahlreichen … ausbedungen ,] Ri  : Ein Wahlreich hatte das Schiksal  : daß eine Wahl capitulation gemacht wurde – Capitulation wodurch man sich ergeben hat , auf Discretion . Insofern Wahl statt findet so ist zum Princip gemacht  : die meinung Ansichten der Besonderheit . Dann ist die Besonderheit los gelaßen . In den Wahlcapitulationen | haben sich Churfürsten – Erz­bischöffe imer mehr ausbedungen –   24–548,1 Man hat … Spiel .] Ri  : Es ist dann das Besondere das bestimend ist . Man hat mit Recht entgegengesezt , daß durch das Erb Reich den Partheiungen Zerrüttungen des Staates gesteuert werde . Dies ist fast nothwendig .  

40 7 müsse] müssen   36 mehr] sich mehr  

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ten , denn die besonderen Meinungen haben dann freyes Spiel . Wenn eine Nation groß ist , so sind der Stimmgebenden immer eine große Menge . In Frankreich , da es Democratie war , sollten fünf Millionen active Bürger über das Wohl des Staats entscheiden . Die Betrachtung daß die Stimme des Einzelnen auf ein höchst Unbedeutendes verschwindet , bringt es hier mit sich , daß nur wenige in den Versammlungen erscheinen . Wer noch darin erscheint , hat ein besonderes Interesse , sey es ein wirkliches Privatinteresse , oder auch ein mehr patriotisches Interesse . Es sind so Meinungen die gegeneinander auftreten . In | der Meinung welche abgegeben wird , empfinde ich die Zufälligkeit und die Willkühr , und da liegt es denn ganz nahe , daß zur Gewalt geschritten wird , denn diese ist eben so ein Zufälliges , als die Meinung der Anderen . So tritt die Zufälligkeit der physischen Kräfte unmittelbar gegen die innere Zufälligkeit auf . Es kommt so nothwendig zur Gewalt , wenn Partheien gegeneinander auftreten . Diese Partheien , indem sie in Ansehung der höchsten Staatsgewalt von einander unterschieden sind , machen unmittelbar fremde Staaten gegen einander aus , wenn sie schon zu einem Volke gehören . Dies führt zu Kriegen , die das Innerste angreifen , die Partheien suchen deshalb bey Auswärtigen Hülfe und ziehen diese in ihre | Angelegenheiten hinein . Dieses Resultat hat sich immer in Wahlreichen gezeigt . In Teutschland ist es zwar nicht so gegangen daß der Staat in fremde Hände gekommen ist , das Ganze hat sich durch göttliche Providenz hingeschleppt bis daß die lezte hole Hülse so zu sagen , durch einen Fußtritt über den Haufen geworfen worden ist , ohne Ehre und ohne Ruhm . Der Fürst erscheint bey der Erblichkeit der Monarchie erst in der Qualität die ihm zukommt , als die lezte unmittelbare Subjectivität . Es ist also unmittelbar ein Widerspruch , wenn diese Macht zu entscheiden ein Uebertragenes wäre von ­Andern . Friedrich der Große hat sich den ersten Diener des Staats genannt , und dieß gereicht ihm | zwar persönlich zur Ehre , aber seine Qualität hat er damit nicht ausgesprochen . In der Souverainität , in der Majestät des Fürsten liegt gerade

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4–6 Die Betrachtung … erscheinen .] Ri  : Die nächste Folge ist – daß meine Stimme gegen die 5 Millionen nichts gilt . – Auch hatten viele dies Gefühl .   8 Es sind … auftreten .] Ri  : Es sind Partheien 30 – Meinungen g e g e n 1ander .   12–13 Es kommt … auftreten .] Ri  : Indem die Besonderheiten sich entgegen sind so fällt diese Besonderheit der Gewalt auch hieher . das liegt 1ander gleich nah . Es kommt nothwendig zur Gewalt[ .] Es tritt dann noch weiter hinein .   16–18 Dies führt … hinein .] Ri  : Sie beginnen entgegengesetzte Staten zu bilden – Es giebt bürgerliche Kriege . So kommt es auch daß Ausländer zu Hülfe müßen , denn sie sind nun schon 2 Staten gegen 1ander .   23–28 Der Fürst 35 … ausgesprochen .] Ri  : In dem die Thronbesteigung der Natur anheim gegeben ist so ist es dem Ehrgeiz entnomen und so trit das Moment ein das Nothwendig ist  : das Grundlose der Entscheidung „ich will”[ .] Es ist Widerspruch wenn die Macht durch Wahl vergabet wird . Wenn man sagt der Fürst 35 Ausländer] Aus / länder  



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das lezte , grundlose Entscheiden , und dieses ist nicht ein Uebertragenes , von einem Andern Herkommendes . – Man hat früher gesagt , die fürstliche Gewalt beruhe auf göttlicher Autorität , dieß hat insofern seinen Sinn als darin ausgesprochen ist , daß hier etwas der Willkühr und Besonderheit Entnommenes ist . So schreiben sich die Fürsten auch ”von G o t t e s G n a d e n” . An eine vollkommene Willkühr in Ansehung des Inhalts ist hierbey jedoch nicht zu denken , wie dies in England von einer Parthei besonders geltend gemacht wurde . | Wenn die fürstliche Gewalt in der bezeichneten Art besonders festgestellt ist , so hat damit dieselbe ihr vollkommenes Recht , und die anderen Momente der Idee entwickeln sich auf eine eben so freye Weise . Eine jede Gewalt hat zu ihrer eigenen Haltung die andern nothwendig . Nur indem das Moment der fürstlichen Gewalt zu seinem vollkommenen Rechte kommt , können auch die anderen StaatsGewalten ihrem Begriffe gemäß sie erhalten . – Hierin liegt auf der einen Seite die Sicherheit der bürgerlichen Gesellschaft , und auf der anderen Seite die Sicherheit der Throne und der Dynastien . Die Festigkeit liegt überhaupt nicht im Massenhaften , dies ist gerade das Unsicherste . Es ist einer der größten Fortschritte in Ansehung | der Verfassung daß die Succession auf die bezeichnete Art befestigt und daß der Begriff damit erfüllt worden ist . Man hat oft sagen hören , die Sicherheit des Thrones beruhe darauf , daß der Fürst sich die Liebe seiner Unterthanen ver­schaffe . Darin liegt überhaupt etwas Unbestimmtes . – Wir haben in neuern Zeiten Ludwig den 16n einen durchaus wohlwollenden Mann , von seinen Unterthanen auf das Schaffot bringen sehen . – Wenn man so spricht der Fürst müsse sich durch die Liebe der Unterthanen auf seinem Thron befestigen , so reducirt man das Gute auf das Subjective . In

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25 25 ist der höchste Beamte im Staat – so ist es wie wenn man sagt  : diese Rose ist roth – damit ist es nicht

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erschöpft .   8–18 Wenn die … ist .] Ri  : Es ist überhaupt in einem Stat eine vernünftige Verfaßung erst dann vorhanden  : wenn dies Moment der Idee festgesezt ist . Die Anderen Momente haben dann eben so ihre Berechtigung . Im organischen erhält ein Eingeweide dadurch die anderen daß es sich erhält – In einer Alten Feudal monarchie – in der Türkei – ist eine Theilung  : indem der Paschah sich erhält so erhält er die anderen nicht sondern er erhält nur sich . Aber hier hat der eine die anderen so nöthig zu seiner Erhaltung . Der Richtige Gang in jeder Sphäre ist dadurch beschränkt daß die Ge­ walten ihrem Begriff gemäß sich verhalten . Es ist dieses Gefühl eben dies  : indem eines sich in seiner Sphäre befriedigt so kann es sich nur befriedigen wenn die anderen befriedigt sind . Fest ist nicht das Maßenhafte sondern fest ist nur das was das Gegenstreben in sich hat wie eine Brüke , Gewölbe . Es ist das einer der großen Fortschritte die Festigkeit der Succession , und das daß das Reich nicht ver­theilt werden kan unter die Söhne .  20–24 Darin liegt … Subjective .] Ri  : Das ist etwas unbestimtes – und nicht 1× wahr man denke nur an Louis XVI . Daß das Gute bewirkt wird ist von objektiver Natur  .  

4 Besonderheit] Besonnenheit   8 Wenn] Wann   13 sie] sc . ihre Rechte   21 Unbestimmtes] Be­ stimmtes (vgl . Ri)   28 Im] In   33 befriedigt] sich befriedgt  34–36 nur das … Söhne . auf dem 37 Louis XVI .] Louis XVII .   40 linken Seitenrande , quer zur sonstigen Beschreibrichtung  

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Despotieen ist das Gute und das Schlechte ein solches Subjectives . Im vernünftigen Staate hingegen sind es wesentlich die Institutionen , | von denen das Glück des Staats abhängt  ; in Democratien ist es die Subjectivität des Volks als solche , von der das Gute abhängt . In der vernünftigen Verfassung ist die Subjectivität mehr oder weniger etwas Gleichgültiges  ; die schlechten Institutionen , d . h . ihre Un­angemessenheit zu dem Geiste der sich hervorgebildet hatte , haben Ludwig dem 16n das Leben gekostet . – Es ist übrigens hier nicht die Meinung , daß eine Verfassung so be­schaffen seyn müsse , daß der Staat bestehen müsse , wenn auch alle Subjecte nichts taugten  ; wo eine vernünftige Verfassung vorhanden ist , da haben es die ihr Angehörigen mit Vernünftigem zu thun , und durch solche Institutionen werden jene auch vernünftig . Die Tugend des Subjects hat hier das Eigen­thüm­liche , daß sie allerdings von dem freyen Willen der Individuen | abhängt , und sie ist dann etwas höheres als die Tugend in dem Sinn , wie sie Mon­ tes­quieu zum Princip der Demokratie macht . Die Tugend erscheint dann als ein Erzeugniß des freyen Willens , so daß das Subject durch die Negativität erst zu dem wirklich Substantiellen gelangt ist . – Furcht also und Liebe sind es nicht , auf denen wesentlich die Sicherheit der Staaten beruht . Es ist eine schlechte Ansicht , wenn man den Völkern zuschreibt daß sie nur aus Furcht und knechtischem Sinn Respect vor ihren Monarchen haben , sondern es ist die Vernunft des Ver­hält­ nisses , welches hier seine wesentliche Gewalt übt . Nähere , bestimmtere Ausflüsse kommen der Souverainetät eigentlich nicht zu . Sie ist überhaupt das letzte Entscheidende . Alles was in | einem Staate geschieht , geschieht im Namen und kraft des Monarchen . Der Nahme enthält so die letzte Bestimmtheit  ; er ist das Zeichen der Vorstellung , wodurch sie es erreicht das Einzelne als Einzelnes auf zu nehmen . – Die Richter sprechen im Nahmen des

3–9 in Democratien … taugten  ;] Ri  : Ebenso hängt es in einer Demokratie davon ab ob nicht Ungerechtigkeiten gegen große Individuen auch aber von dem Volke geschehen . In der vernünftigen Ver­ faßung ist das Gute nicht das Gute in der Volksstimung und die Subjektivität ist etwas Gleichgültiges . In der Vernünftigen Verfaßung ist es nicht das Subjektive als solches in welchem das Gute seinen siz habe . Es ist damit nicht gesagt daß es gleichgültig sei ob die Subjekte gut oder schlecht seien . Das Gute ist in den Institutionen wo es seinen lezten Siz hat .   11–17 Die Tugend … beruht .] Ri  : Die Tugend hat das Eigenthümliche daß sie allerdings von der Willkühr abhängt . Sie hat das höhere von der Monarchie daß sie nicht unmittelbare Gewohnheit nur ist . Es ist die Tugend überhaupt und den Gesezen gemäß zu sein ist ein Erzeugniß des freien Willens , der reflexion[ .] | Die Sicherheit der Krone beruht auf der Vernünftigkeit der Verfaßung . Weil sie ein Vernünftiges ist so ehren das die Personen . Aber das Volk fühlt Instinktmäßig daß es so gehörig ist .   19–20 sondern es … übt .] Ri  : sowas wäre Furcht und knechtischer Sinn nicht im Stande –   23–25 Der Nahme … nehmen . –] Ri  : Durch den namen unterscheide ich mich von anderen – wenn ich sage ich bin dieser – so ist das etwas allgemei­ 35 Vernünftigkeit] Vernnftig / keit  

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Monarchen obschon sie völlig unabhängig sind . Der Monarch hat ferner zu allen Hauptstellen zu ernennen . Daß das Individuum an die Staatsgewalt angeknüpft wird , dies ist etwas Zufälliges , es hat kein unmittelbares Recht dazu . Würdig muß das Individuum sein , dies ist die objective Bedingung . Zu den meisten Staatsstellen kann sich nun eine große Menge würdig machen  ; der Staat wartet nicht auf dieses oder jenes Individuum . Daß das Individuum seine Zwecke | durch ein öffent­l iches Geschäft erreicht , dies ist ein äußerliches und somit etwas der subjectiven Entscheidung des Monarchen zufallendes . Im friedlichen Leben des Staats hat die Souverainetät wenig einzugreifen  ; wo sie vorzüglich einzugreifen hat , das ist in der Noth . Der Souverainetät als dieser innersten Einheit und Identität kömmt es hauptsächlich zu , vor dem Riß zu stehen . Wenn Alles im Staat seinen geordneten , vernünftigen Gang geht , so ist nicht einzugreifen . Es kann aber Fälle geben , wo innere Mängel der Verfassung sich hervorthun und hier ist der Fall , wo die Souverainität einschreiten muß . Eben so ist es in äußern Nöthen des Staats . Der Regent , das Gewissen des Staats , kann sich in Fällen befinden , wo alle Formen nichts | entscheiden können . Eine Gränze läßt sich hier nicht angeben und dies ist etwas das sich selbst legitimiren muß . – Das Begnadigungsrecht ist auch ein Moment das dem Monarchen zukommt . Es wird hier eine Strafe erlassen oder gemildert , die das Gericht gesprochen hat . Es liegt überhaupt in der Macht des Geistes das Geschehene ungeschehen zu machen . Die höchste Macht des Staats kann so gewissermaßen in das Innere des Verbrechens sehen , und anerkennen , daß das Wesentliche der That , welches

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25 nes . Der Name ist ein Zeichen der Vorstellung . Es ist der Name des Monarchen der diese subjekti­

vität bezeichnet .   3–5 Würdig muß … machen  ;] Ri  : Diese Anknüpfung ist das Entscheidende[ .]

25 Objektive Bedingung ist Würdigkeit . Würdige giebt es viele zu den meisten Staatsstellen kann sich

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eine große Menge von Individuen Würdig machen[ .]   6–8 Daß das … zufallendes .] Ri  : daß das Individuum seine Zweke durch diese | ernennung erreicht ist ein Zufälliges ein subjektives dieses komt dem Monarchen zu .   10–12 Der Souverainetät … stehen .] Ri  : entweder gegen die Einheimischen oder die Aus wärtigen . Der Souverainetät als dieser lezten 1heit ist das Ganze wesentlich anvertraut . Diese 1heit ist es die vor dem Riß zu stehen hat .   13–14 Es kann … muß .] Ri  : Es kann aber der Monarch nothwendig 1greifen müßen . Der Souverain muß eingreifen wenn schlecht gerichtet wird . Friedrich der 2te hat eine Menge Räthe fortgejagt und nach Spandau geschikt . Es wurde partheiisch gehandelt gegen einen Bauer für einen Edelmann dann wurde gesagt es sei alles beobachtet worden – aber das Gericht spricht es hätte – anders sprechen können[ .] Hier hätte es aber nicht sprechen sollen – daher die Erbitterung . Es ist nicht um das Formelle sondern um die Sache zu thun . Es kommt dem Monarchen allerdings die Macht zu hier und da einzugreifen und das verrieth den Großen Geist Friedrichs .   19–20 Es wird … Es] Ri  : es ist g e g e n das Recht . Also etwas unrechtliches . Aber es   21–552,3 Die höchste … kann .] Ri  : So der Monarch kann auch auf das Persönliche des Verbrechers sehen . Die Majestät des Monarchen kann verzeihen und das Geschehene ungeschehen machen .  

23 der2 ] die   30 vor dem Riß] für den risque   40 11 dem] den  

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dem Willen zukommt , vernichtet sey . Diese Kraft des Geistes , welche sich im Vernichten des Verbrechens zeigt , kann so auch im Monarchen hervortreten , so daß dieser das Geschehene ungeschehen machen kann . Dem Ge |w   issen des ­Monarchen ist es überlassen mit den Begnadigungen sparsam umzugehen , und nicht die Gerechtigkeit dadurch in ihrem Laufe zu hemmen . Die Idealität des Staats als solche kommt zur Wirklichkeit im Verhältniß des Staats nach außen , da wo es sich um dessen Erhaltung überhaupt handelt . Die Vernünftigkeit überhaupt läßt das Extrem des Willens , welches als die fürstliche Gewalt erscheint , zum für sich Bestehen gelangen . Es kann noch gefragt werden , ob denn im Menschen etwas sey , was ihn nöthige sich so zu unterwerfen oder ob es bloß äußere Nothwendigkeit sey und man kann sagen , der Mensch müsse nur dem Gesetze gehorchen , nicht dem subjectiven Willen des Individui . | Die Antwort hat diese Form , daß zum Begriffe des Menschen recurrirt werden muß . Kent sagt zum König Lear  : es ist etwas in deinem Gesicht , das ich gern meinen Herrn nenne . Die Frage ist also , ob überhaupt etwas im Menschen sey , welches gern einen Herrn anerkennt . Dem Begriff nach ist der Mensch frey , als Reales ist er ein Existirendes , somit ein Besonderes , ein Abhängiges . Er geht als solches mit Andern Verträge ein und so fort  ; der Zusammenhang mit Andern überhaupt ist etwas Nothwendiges . Die Entscheidung hiezu liegt nicht in ihm und diese Entscheidung ist eine weltliche , eine menschliche . Es wird hier nothwendig eine subjective Entscheidung erfordert .  | Gesetze und Institutionen sind etwas an und für sich , und darüber entscheidet der Monarch nicht . Dieser entscheidet aber über das Besondere . Das Entscheidende in seiner wahrhaften , begriff­gemäßen Form ist dieses Subject . Das bloß Formelle ist zunächst inhaltsleer  ; die Seite des Inhalts gehört nun einer besonderen Stelle an , einer obersten berathenden Stelle , welche vor dem

4–13 und nicht … muß .] Ri  : und nicht aus Schwäche zu viel zu begnadigen . Das Hauptmoment ist diese Idealität diese Subjektivität . / Wenn sich der Staat nach außen kehrt so ist es dann wo diese Subjektivität des Monarchen hervortritt . Der Haupt­begriff in der fürstlichen Gewalt ist die Idealität die damit als natürliches vorhanden ist[ .] Es ist der Geist des Volkes der sich so unterscheidet[ .] Es kann der Reflexion 1fallen  : zu fragen Ob dann im Menschen etwas sei was ihn nöthige sich einem Fürsten zu unterwerfen . Oder gar das als ein Nothwendiges Übel zu betrachten . Die Antwort ist in dem Gesagten . Zum Begriffe des Menschen wird recurrirt . Er soll unterthan sein des Gesezes[ .]  17–19 Er geht … Nothwendiges .] Ri  : der Zusamenhang der besonderen Intereßen ist etwas anderes das außer ihm liegt –   21–23 Gesetze und … Besondere .] Ri  : Der Monarch entscheidet nur über das vorkommende nicht über das was Recht ist[ .]  25 Das bloß … inhaltsleer  ;] Ri  : Das formelle des 3 Ge |w   issen] ohne Trennungsstrich   4 mit] bey (so auch Ri)  5 Idealität] Identität (vgl . Ri)   26– 553,1 welche vor … hat] sc . welche dem Monarchen das Vorkommende vor zu bringen hat   27 begnadigen] begnadgt   33 recurrirt] retirirt (vgl . A B )  

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Monarchen das Vorkommende zu bringen hat . Diese Stelle hat zugleich das Objective , Allgemeine vor dem Monarchen zu bringen . Dies ist das was man das Ministerium überhaupt nennt . Insofern diese Individuen es mit der unmittelbaren Persönlichkeit des Monarchen zu thun haben , so liegt darin daß | ihre Ernennung und Entlassung ganz dem Monarchen überlassen bleiben muß . Es kann nun seyn , daß der Fürst selbst mehr regiert , oder mehr den Rath derer befolgt , die dazu berufen sind . Für wesentlich kann man es ansehen , daß der Fürst selbst regiere , eben so ist aber auch das Selbstregieren des Monarchen etwas sehr Gefährliches . Der türkische Kaiser regiert sehr viel selbst . Hier ist es immer die Subjectivität des Individui , welche sich geltend macht . Das Sicherste ist immer daß die Minister um Rath gefragt werden . Man sieht es deshalb mit Unrecht als Schwäche an , wenn ein Fürst seinen Ministern folgt . Die Verantwortlichkeit kann allein auf die Minister | fallen . Verantworten heißt , daß eine Handlung gemäß ist der Verfassung , dem was Recht ist und dergleichen . Den Ministern kommt diese Seite des Objectiven zu . Die Majestät des Monarchen ist für Regierungshandlungen durchaus unverantwortlich . In vielen Staaten ist die Art der Verantwortlichkeit der Minister förmlich bestimmt . Die Trennung des Subjectiven und Objectiven zeigt sich im Fürsten und dem Ministerio . Das dritte Moment in der fürstlichen Gewalt ist das an und für sich Allgemeine . Dies sind die Gesetze und die Verfassung . Der Fürst macht diese nicht , sondern sie sind an und für sich vorhanden . Die fürstliche Gewalt setzt die anderen verschiedenen Gewalten im Staate | voraus , so wie alle andere dieselbe

Entscheidens hat keinen Inhalt es muß aber einen Inhalt haben .   1–11 Diese Stelle … werden .] Ri  : Diesen Inhalt hat die berathende Stelle vor den Monarchen zu bringen und hat das objektive ebenfalls vorzulegen , die gesezlich berathenden – Dies ist das Ministerium – es hat beizubringen was das rathsamste – was das gesezliche ist . Insofern diese Individuen es mit der subjektivität des Monarchen zu thun haben so liegt darin daß die Wahl derselben ganz in seiner Subjektivität liegt . Es ist also hier das Unbestimte vorhanden indem der Monarch mehr oder weniger dem Rathe dieser gehorcht . Es hängt dies von dem Carracter des Monarchen ab . Der Monarch kann in dieser Hinsicht mehr oder weniger selbst regieren . Die reflexion hat darüber sonderbare vorstellungen . Sie nimt es einerseits übel wenn die Fürsten nicht selbst regieren , und wenn sie das thun so ist | es auch gefährlich . Das sicherste ist daß die Minister die davon unterrichtet sind und sein müßen und könen den Fürsten berathen[ .]  12–16 Die Verantwortlichkeit … unverantwortlich .] Ri  : Die Verantwortung fällt denn auch nothwendig ausschließend auf das Ministerium[ .] In ansehung des Subjektiven , des „ich will” ist keine Verantwortung . Das lezte entscheiden ist das Subjektive und nur das objektive ist verantwortlich .   17–18 Die Trennung … Ministerio .] Ri  : Diese Trennung dieses Subjektiven von dem Objectiven dies ist ein Umstand von einer weiteren Ausbildung und entwiklung –   2 vor dem … bringen] sc . dem Monarchen vor zu bringen  12 Verantwortlichkeit] Verantwort / lichkeit  

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wiederum voraussetzen . In despotischen Staaten ist das an und für sich Geltende vornämlich als Religion vorhanden . In gebildeten Staaten hingegen ist es in der Form des Vernünftig Gedachten .

β  D ie Re g ie r u n g s G e w a l t  .

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Diese hat das Allgemeine der Gesetze und die Verfassung im Besonderen geltend zu machen , und die Kreise des besonderen Lebens auf das Allgemeine zurückzuführen . In dieser Sphäre stößt das Allgemeine und Besondere zusammen . Der Trieb des Besonderen ist sich in sich zu vertiefen , selbstständig zu werden gegen das Allgemeine . In dieser Sphäre sind nun die besonderen Interessen der bürgerlichen Gesellschaft überhaupt vorhanden . | Als solche haben sie ihre ei­ gen­thüm­liche Verwaltung . Es können so Corporationen , Gemeinden und Provinzen besondere Interessen haben , und ihre eigene Obrigkeiten und Vorsteher dazu bestellen . Das Besondere kann hier eben so zu seinem Rechte kommen , aber über das Allgemeine des Staats kommt ihm nicht die lezte Entscheidung zu . Diese besondere Angelegenheiten haben also ihre besondere Verwaltung . Die Vorsteher können von den Genossen der Corporation , des Standes pp gewählt werden . Die Autorität beruht hier vorzüglich auf dem besonderen Zutrauen . Der Trieb der Menschen für etwas Allgemeines zu handeln und zu wirken kann sich hier ergehen  ; die Kenntniß und die | Einsicht des Besondern reicht hier hin . Zugleich ist hierbey die Einwirkung des Staats als solchen nothwendig . Es gehört deshalb dazu daß , indem diese Sphären sich für sich bewegen , auch Abgeordnete der RegierungsGewalt hier eine Einwirkung haben . Das Besondere ist geneigt

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1–7 In despotischen … zurückzuführen .] Ri  : denn in einem organischen Ganzen ist nichts isolirt – In Despotischen Verfaßungen ist die Form der Religion statt des an und für sich bestimten in der Türkei – und in dem alten DeutschLand . / Die 2te gewalt im State ist die / R e g i e r u n g s g e w a l t   : / d . h . die Regierungsgewalt – die Sphäre der subsumtion . Diese hat die Kreise des bürgerlichen Lebens auf das Allgemeine zurükzuführen[ .]   8–9 Der Trieb … Allgemeine .] Ri  : Die Action von oben herunter ist  : sie zu erhalten in dem Zusamenhang mit dem Allgemeinen – daß sie flüßig werden gegen 1ander und nicht isolirt da stehen .   13–14 Das Besondere … zu .] Ri  : Das besondere kann hier auch zu dem Recht kommen zu entscheiden – Es will auch entscheiden aber es kommt ihm nur nicht die Ent ­scheidung des Allgemeinen zu .   15–17 Die Vorsteher … werden .] Ri  : Die Behörden in Bürgerschaften könen von den genoßenschaften erwählt werden .   17–20 Der Trieb … nothwendig .] Ri  : Es hat damit dieser Trieb des Menschen zu etwas allgemeinem einen Spielraum – es hat hier seinen Kreis wo es einheimisch ist . Indem so diese ihre Geschäfte treiben und die Verwaltung besorgen so muß das Allgemeine gesezlich auch hier gehandhabt werden .   22–555,5 Das Besondere … Interesse]

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eigennützigen Interessen zu folgen . Hier sind es also Beamte der obersten RegierungsGewalt , die die Interessen des Allgemeinen festhalten[ .] Diese verschiedenen Beamten und die höheren Behörden laufen dann in die Ministerien und den Monarch zusammen . In der bürgerlichen Gesellschaft sucht zunächst jeder sein Interesse und so hat hier der Conflikt des Interesses der besondern Sphären | gegeneinander und gegen das Allgemeine seinen Sitz . Der CorporationsGeist hat die Richtung sich in seiner Sphäre zu verlieren  ; daß dieser Geist nicht zum Extrem des Fürsichseyns gelangen kann , dafür müssen Institutionen seyn . Der Geist der Corporationen ist es gewesen , worin der Geist der bürgerlichen Freyheit im Mittelalter einerseits angefangen hat aufzublühen , aber zugleich haben sie sich verknöchert und wo es dem Allgemeinen nicht gelungen ist , darüber Herr zu werden , da ist dasselbe mehr oder weniger zerfallen . Machiavell , dieser große Geist , hat in seinem Buch vom Fürsten , von dem man vielfältig meynt , daß es Geheimnisse und Maximen | der Despotie enthalte , jene Seite besonders herausgehoben . Wenn man besonders den Schluß jenes Buchs lieset , so erhält man den Aufschluß über das Ganze  ; dieser Schluß enthält einen Aufruf , der aus einem tief patriotischen Gefühl hervorgegangen ist . Machiavell spricht darin das Elend seines Vaterlandes aus , welches in so viele Herrschaften und Gemeinden zerfallen ist , die beständig unter sich im Streite sind , und dann vornämlich einen Tummelplatz für die Auswärtigen abgeben . Machiavell stellt so als Princip auf , daß der Einheit des Staats als dem höchsten Gesetz alles Andere weichen muß und er giebt dann Maßregeln an , wie dieses zu erreichen ist . Man verkennt den Machiavell | sehr , wenn man glaubt , daß er dem Despotismus zu Liebe geschrieben habe , sondern es ist rein das tiefe Gefühl eines großen Geistes , über das Unglück und das Elend seines Vaterlandes , welches ihn getrieben hat . Man muß die Geschichte Italiens Ri  : beschränkte Einsichten nisten sich in dieser Sphäre leicht ein hier sind es beamte die das Gesezliche | und allgemeine handhaben . Das ist die Sphäre wo das Allgemeine und das besondere 1ander berühren . Es ist der Kampf aller gegen alle   6–7 Der CorporationsGeist … verlieren  ;] Ri  : Dem Corporations Geist wird leicht den Allgemeinen Geist in seiner Sphäre fest zu halten .   8–556,1 Der Geist … hat .] Ri  : Es geht hieraus eben dieser Patriotismus der bürger für das Gemeinwesen hervor . Aber wie gesagt die Rük sicht auf das besondere muß nicht zur Sucht werden[ .] Der Korporations Geist war es der hauptsächlich half die Freiheit empor zu richten , aber sie haben sich verknöchert  ; deßwegen sind sie zerfallen . So z . B . in der Schweiz haben sich Städte von einander abgesondert und in Italien hat das den Grund gegeben des Verfalls der Abhängigkeit . Macchiavelli enthält für alle Verfaßungen Regeln – wie der Fürst zu der Gewalt komen könne – und so die Gewalt der Regierung zur vollkomenen Despotie zu machen . Liest man aber den Schluß so sieht man die Auflösung , es ist der Ausspruch eines hohen Patriotismus . Er spricht das Elend seines Vaterlandes aus , der Entzweiung seines Vaterlandes . In diesem tiefen | Gefühle daß wenn aus Italien etwas werden soll , daß es eins werden müße so ist das das höchste Gesez .  

16 Aufruf] Beruf  28 berühren] berührt   40 5 der1] das   14 jene] hat jene   15 erhält] enthält  

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bis zu Machiavells Zeiten lesen um zu begreifen , warum er so geschrieben hat . Die meisten Herrschaften in Italien waren dadurch entstanden , daß glückliche Capitani eine Stadt oder einen Distrikt zu ihrem Eigen­thum machten . Ein großer Theil von jenen waren Räuber und Banditen , denen kein Mittel zu schlecht war , um zur Herrschaft zu gelangen . Wenn Machiavell also in Ansehung der Mittel die er vorschlägt , auch zu weit geht , | so muß man bedenken , was es für Leute waren , gegen die er zu solchen Mitteln räth . In der französischen Revolution hat die öffent­liche Meynung ihren Haß besonders auf die Corporationen geworfen . Bey Corporationen fehlt es nun nicht , daß viel Ungeschicktes gemacht wird  ; je geringfügiger die Sache ist , desto mehr kann man der Tendenz selbst etwas zu machen , ihr Ergehen zugestehen . Was nun die Organisation der eigentlichen Regierungsbehörden an­betrifft , so ist dies theils Sache des Verstandes und gehört insofern nicht hierher . – Ein wesentliches Moment ist es in der Organisation der RegierungsGewalt , daß die höheren Behörden collegialisch constituirt sind . Die collegialische Form | ist in den teutschen Verfassungen von jeher üblich gewesen . Es stumpft sich die subjective Form durch die collegialische Verfassung immer ab . – Die Schwierigkeit bey der Organisation der RegierungsBehörde liegt darin , daß da , wo die Sache ausgeführt werden soll , sie concret ist . In der Mitte muß sodann das Geschäft in seine abstracten Zweige auseinandergelegt werden  ; nach oben ist dasselbe sodann wieder zusammen zu fassen . Zu den verschiedenen Geschäften der RegierungsGewalt bedarf es nun Individuen . Das objective Moment dabey ist , daß diese Individuen ihre Befähigung nachweisen . Unter dieser Bedingung muß einem jeden Bürger der Weg zu den öffent­lichen Aemtern aufstehen . Die subjective | Seite ist , daß von mehreren gleich fähigen ein besonderes Individuum berufen wird . Zu den meisten Staats-

2–21 Die meisten … fassen .] Ri  : Er beklagt sich sehr darüber daß so viele kleine Herren in seinem Vaterland seien[ .] Wenn Macchiavelli Listen angiebt der Verrätherei etc[ .] so muß man denken daß es solche Banditi etc[ .] sind g e g e n welche er sie brauchen will . Der Corporations Geist ist dann eben das Gefürchtete geworden die Französische Revolution hat die Corporationen zertrümert . Es fehlt nicht daß in so kleinen Corporationen viel Ungeschiktes gemacht wird – aber auch dieser Tendenz kann man ihr Ergehen erlauben – – / Höhere Behörden  : / Die Individuelle Regierung ist die wirksamste aber da es auf das b e s c h l i e ß e n ankomt so ist das Collegialische nöthig . Es stumpft sich das In­d ividuelle – die Willkühr so ab[ .] / | Die Geschäfte der Regierung sind so manigfaltig daß sie in mehrere Zweige zerfallen – , 1 . muß man irgendwo zu­samen­t reffen , das macht eine große Schwierigkeit und Verwiklung in der Ausübung . Es kann leicht geschehen wenn etwas temporäres ist wo etwa schnell gehandelt werden muß , daß wegen der Zeit man kürzere Wege zu wählen hat . Es ist mancher Nach­theil bei dieser Zersplitterung aber auf der anderen Seite sind diese etwas unbedeutendes[ .]   3 eine] einen  

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geschäften gehört keine besondere Genialität , und es können sich viele Individuen die Befähigung dazu geben . Daß nun gerade dieses und nicht ein anderes Individuum gewählt wird , ist etwas Äußerliches . Es ist hier immer mehr oder weniger Zufälligkeit und subjective Ansicht in welche die Entscheidung fällt . Es ist sonach die fürstliche Gewalt welcher die Ernennung zu den Staatsämtern überhaupt zukommt . Das Amtsverhältniß hat etwas von der Natur des Vertrags an sich , es ist ein Leisten und Gegenleisten vorhanden . Gleichwohl fällt dieses Verhältniß nicht förmlich unter | das Vertragsverhältniß . Das Geschäft ist etwas das an und für sich seyn muß , und der Inhalt des Verhältnisses fällt deshalb nicht in die Willkühr . Durch schlechte Besorgung der Staatsverhältnisse wird nicht bloß ein Vertrag , sondern es wird eine wesentliche Pflicht verlezt . Es muß mithin hier Bestrafung eintreten . Das Individuum das zu seinem Berufe durch den sou­verainen Act der Ernennung berufen ist , ist auf seine Pflichterfüllung angewiesen  ; das Individuum , indem es sein besonderes Interesse in dieses Verhältniß legt , hat an den Staat den Anspruch , daß dieser die Sorge für seine Subsistenz übernimmt . Der Staatsdiener ist nicht Staatsbedienter . Er geht | ein wesentliches Verhältniß ein und die Pflichterfüllung ist die wesentliche Bedingung unter der er sein Amt behalten kann . – Ob die Entlassung des Staatsdieners bloß Sache der Willkühr seyn soll oder nicht , darüber hat die Entscheidung ihre besonderen Schwierig­keiten . Ein Staatsdiener kann sein Amt wohl insofern als sein Eigen­ thum betrachten als er seine ganze Thätigkeit in dieses Verhältniß gelegt hat , allein der Staat und dessen Dienst bleibt dabey immer das Substantielle . Dieser muß daher das Recht behalten über die Beybehaltung des Amtes zu entscheiden . Wenn er sieht daß er sich in der Bestellung eines Staatsdieners getäuscht hat , so ist er dem Individuo immer | eine Art von Ersatz schuldig . – Ein Anderes ists , wenn ein Individuum in seinem Amte Verbrechen begeht . Ueber die Art der

5–7 Es ist … vorhanden .] Ri  : Diese Zufälligkeit kommt der Fürstlichen Gewalt zu sofern die Be­ fähigung dargethan ist . Es ist ein doppeltes 1willigen vorhanden  : auf der einen Seite eine Einwilligung und von der anderen Seite die Wahl –   10–11 Durch schlechte … verlezt .] Ri  : Wenn es das Stats geschäft schlecht besorgt so bricht es nicht bloß einen Vertrag so daß es bloß einen Ersaz zu leisten hätte sondern es verlezt eine wesentliche Pflicht   16–17 Er geht … ein] Ri  : oder StaatsLacquai – er leistet einen Eid   18–22 Ob die … Substantielle .] Ri  : Es muß in der Willkühr des Staates liegen sie von dem Amt zu entfernen . Nach dieser Ansicht würden die Staatsdiener temporär von dem Staat angenomen sein . Auf der anderen Seite erfüllt der Beamte eine Pflicht – sofern er sie erfüllt so macht er Anspruch daß seine Person für sein ganzes Leben gesichert sey . Er hat Verzicht gethan | auf Erwerbung von anderer Art[ .]   24–558,2 Wenn er … Verbrechen . –] Ri  : Aber indem er berufen ist so hat er Hoff­nung daß ihm dies gelaßen werde . Wenn der Staat sieht daß er sich getäuscht so ist es einerseits Fehler des Staates daß er sich getäuscht hat  : Er muß dafür leiden und man muß für ihn sorgen . Ein 12 zu] mit   16 ist] ist / ist   35 gethan] gethan | gethan   

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Amtsführung kann ein Gericht nicht entscheiden , wohl aber über ein eigentliches Verbrechen . – Die Beamten müssen überhaupt in Ansehung dessen , was ihren Unterhalt be­ trifft , so gesetzt seyn , daß sie dabey bestehen können . In Ansehung des individuellen Benehmens der Beamten gehört hieher , daß sie keine Privatleidenschaften üben , und daß umgekehrt , die Individuen keine Privatleidenschaften bey ihnen suchen . Ein Hauptmoment für die Leidenschaftslosigkeit der Beamten ist die Grösse des Staats überhaupt . In einem großen Staate können persönliche Leidenschaften überhaupt nicht solchen Einfluß auf | die Verhältnisse der Beamten üben als in einem kleinem Staate . Die Mitglieder der Regierung überhaupt und was damit zusammenhängt , bedürfen überhaupt einer allgemeinern Bildung und insofern dies Bedingung ihrer besondern Existenz wird , so macht diese Masse überhaupt das aus , was man den Mittelstand nennt . Dieser Stand lebt nothwendig darin , daß er sich allgemeinen Kenntnissen , allgemeinen Ansichten , widmet . Auf der Fortbildung und auf den Begriff dieses Standes beruht überhaupt die wesentliche Intelligenz eines Staats . Die Institutionen müssen es bewirken daß dieser Stand nicht durch seine Macht die Mittel zur Bildung einer Aristokratie gewinnt . Es ist dieses oft der Fall gewesen . So findet man | namentlich Advokaten , welche durch ihre Kenntniß des Rechts sich zu großem Mißbrauch verleiten lassen . Die Controlle von oben herunter ist nicht immer ausreichend . Die Institutionen müssen eine hinlängliche Festigkeit haben , und so eine feste Mauer gegen die Willkühr und die Nachläßigkeit der Beamten bilden .

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anderes ist wenn er ein Verbrechen gethan hat – die Beurtheilung fällt den höheren Behörden anheim[ .] In Ansehung der Individuen die zum Staatsdienst berufen sind ist bedingung ihre Befähigung und auf der anderen Seite Privatvortheil sofern es das anvertraute geschäft gehörig vollbringt .   7–12 Ein Hauptmoment … Bildung] Ri  : Es hängt dies von der Allgemeinen Bildung überhaupt ab und dann von der Organisation der Beamten . Ein beweis von der Leidenschaftslosigkeit eines Beamten ist die Größe des Staates . Es haben die Beamten keine Familien von so | großer Wichtigkeit . Die Familien sind in größeren Absichten und Rüksichten und Abhängigkeit gegen einander . Es ist ZB . in Reichsstädten leicht daß durch die Finger gesehen wird oder aus haß zu arg mitgenomen wird . In einem großen Stat ist dies nicht so leicht möglich . Die Mitglieder der Staatsgewalt und die welche auf den Staatsdienst aspiriren – für diese ist eine Allgemeinere Bildung nöthig .   15–17 Auf der … bewirken] Ri  : Auf diesem Stande auf den Begriffen derselben beruht die wesentliche Intelligenz in einem State – Die Organisation muß es denn bewirken   19–20 So findet … lassen .] Ri  : Man hat es oft gefunden , daß die Beamten und Advocaten durch die Kentniß des Rechtsganges etc[ .] ein Übergewicht bekomen und Mißbrauch damit treiben .  

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dritter theil · sittlichkeit559 γ .  D ie g e s e t z g e b e nd e G e w a lt  .

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Die gesetzgebende Gewalt hat das Allgemeine als solches festzusetzen . Die Gesetze sind die allgemeinen Verhältnisse in einem Staat . Außer diesen giebt es auch noch so allgemeine Regierungshandlungen , daß die Bestimmung derselben auch den Charakter der Gesetzgebung annimmt . | Die Verfassung selbst liegt außerhalb der gesetzgebenden Gewalt  ; in der Fortbildung der Gesetze liegt indeß auch eine Fortbildung der Verfassung . Die Gesetzgebende Gewalt ist nun für sich gleichfalls Totalität wie die andern Gewalten . Sie enthält das monarchische Moment in sich , in welches die höchste Entscheidung fällt , eben so muß die ­Regierungs Gewalt bey derselben thätig seyn diese ist das berathende Moment[ .] Das dritte ist dann das ständische Element , daß dieses nicht selbstständig und abstract für sich bestehen kann , wurde oben schon bemerkt . Die Nothwendigkeit von Ständen in der Verfassung kann auf mannigfaltige Weise gefaßt werden . Am häufigsten werden die Stände | dargestellt , als ein noth­wen­d i­ges Gegengewicht gegen die höchste Gewalt . Das Dürftige dieser Ansicht wurde bereits oben bemerkt . Allerdings soll ein jedes Moment sein selbstständiges Daseyn haben und insofern verhält sich immer das Eine beschränkend gegen das Andere . Sehr gewöhnlich ist die Voraussetzung als ob an und für sich die höchste Gewalt den Trieb hätte , zu unterdrücken , während man das Volk als das Höhere und Vor­treff ­l iche darstellt . Das Volk überhaupt hat als Menge , vielmehr den Charakter , daß Jeder seinen besondern Zweck hat , den er verfolgt . Ein anderer Gesichtspunkt ist der daß es um deswillen der Concurrenz von Abgeordneten des Volks bedürfe , weil diese am besten wissen was | ihm Noth thut . Das Volk abgetrennt von der Regierung , weiß vielmehr nicht was es will .

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… annimmt .] Ri  : Dies ist die Gewalt die Geseze fest zu sezen welche als Regel der Entscheidung gelten sollen – Die Geseze sind das Allgemeine der Verhältniße im Staate . Außer diesen giebt es auch concretere Regierungs angelegenheiten und handlungen . Dies ist ein Theil der Verfaßung .   7–12 Die Gesetzgebende … bemerkt .] Ri  : Wo keine Verfaßung ist da ist 30 auch keine Gesezgebende Gewalt diese ist für sich auch Totalität – Die Regierungs Gewalt hat ihre Spize 30 in dem Fürsten – Dem Monarchischen Element welchem die höchste Entscheidung zu fällt – Regie­ rungs ­Gewalt welche die Übersicht des Ganzen hat – alles dieses trifft in die Gesezgebende Gewalt – das ist das berathende Moment . Das 3te Moment ist die ständische Gewalt[ .]  16–18 Allerdings soll … Andere .] Ri  : Allerdings ist jedes Organ im Körper ein beschränkendes und beschränktes .   20–21 Das Volk … verfolgt .] Ri  : Die Korporationen und Gemeinden haben eben so eine Tendenz sich 35 in sich zu vertiefen . Es ist ein leeres Gerede daß das Volk so vor­t reff ­l ich sei  ; jeder sucht darin sein 35 ­Intereße .  –   24–560,3 Das Volk … will .] Ri  : Das Volk von dem Mittelstand getrennt gehört zu der Klaße von Menschen die nicht wißen was sie wollen dem Volke fehlt die Erfahrung .   25 2–5 Die gesetzgebende

9 welches] welchem   23 ihm] ihnen  

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Dazu gehört tiefe Einsicht zu wissen was man will  ; einerseits gehört dazu wissenschaftliche Einsicht und andererseits große praktische Bildung . Es ist überhaupt das Größte , was ein Mensch kann , daß er wisse was er will . In der französischen Revolution waren es nur wenige einfache Bestimmungen die als der wahre Inhalt des öffent­l ichen Wollens genannt werden können  ; dies ist die Abstellung der Feudal-Gewalt und die Herrschaft des Gesetzes . Was die Nothwendigkeit der Stände dem Begriff nach betrifft , so liegt sie darin , daß das Allgemeine auch auf eine allgemeine Weise hervorgebracht werden muß . Dieses Allgemeine kann nun von einer Regierung wohl geschehen ohne | Stände , und es kann eine Monarchie sich in einem gedeihlichen Zustande befinden , aber weil es das Allgemeine ist so liegt darin daß es auf eine totale Weise hervorgebracht werde und zur Existenz komme . Dies geschieht nun durch die besondere Concurrenz von Vielen aus dem Volke überhaupt . – Es ist keine Frage , daß Männer , die sich immer mit Staatsgeschäften abgegeben haben , das worauf es ankommt besser verstehen , als solche , die gewöhnlich besonderen Zwecken nachgehen . Es ist übrigens Moment der neuern Zeit hauptsächlich , daß das Wahre nicht überhaupt gelte , sondern daß es mit der Einwilligung und mit dem Wissen des Einzelnen geschehe . Zur Religion verhalten sich die Menschen zunächst als einem Ge­offen­barten , | dabey kann die Menschheit auf einer gewissen Stufe ihrer Bildung sich beruhigen , allein es wird darüber hinausgegangen , und es tritt die Forderung der eigenen Einsicht und des Selbstbewußtseyns ein . Dies Moment ist es , welches in den Ständen zu seinem Rechte kommt . Die Athenienser , das freiste Volk der alten Welt , trugen es dem Solon auf Gesetze zu machen . Ein solches Empfangen und Annehmen ist indeß in spätern Zeiten nicht mehr vorhanden . Das Vortrefliche und Wahrhafte kann allerdings an sich vorhanden seyn , aber die Forderung des Selbstbewußtseyns ist nicht dabey befriedigt . – Die Forderung der Stände gründet sich auf dieses | Verhältniß und sie liegt so in der Idee selbst . Es ist also nicht die Rede davon , daß die Gesetzgebung durch die Stände besser besorgt werde , und eben so wenig

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3–6 In der … Gesetzes .] Ri  : Frankreich hat bald das zu wollen gemeint bald etwas anderes – aber es 30 zeigte sich bald daß es nie wahr war .   9–11 Dieses Allgemeine … befinden ,] Ri  : Das an und für sich allgemeine – das Vernünftige – das nüzlichste etc[ .] kann in Monarchien ohne Stände geschehen  ,   12–16 Dies geschieht … nachgehen .] Ri  : Das ist die bestimung die in der Idee liegt . Man kann nicht sagen die leute verstehen es beßer | das ist nicht wahr . Die Ministerien haben was die Einsicht betrift 35 noch immer das beste gethan .   22–23 Dies Moment … kommt .] Ri  : Das formelle Moment ist 35 es welches in den Ständen an den Tag treten soll .   24–25 Ein solches … vorhanden .] Ri  : Aber später fodert das Selbstbewußtsein sein Recht und glaubt nicht mehr ganz .   29–561,2 und eben … 26 aber] als   29 werde] werden  



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läßt sich das bessere Wollen der Stände zu ihren Gunsten geltend machen . Ob sie guten Willen haben oder nicht , darüber läßt sich im Allgemeinen nichts sagen . Daß die Regierungshandlungen einer Censur der Stände unterworfen werden , dies ist allerdings ein großes und richtiges Moment . Es wird auf diese Weise das Allgemeine geltend gemacht . Gegenstand der ständischen Wirksamkeit überhaupt sind die ganz allgemeine Angelegenheiten | des Staats . Besondere Gränzen lassen sich hier nicht feststellen . Gesetz und Maßregel der Execution sind nicht scharf zu unterscheiden . Solche allgemeine Angelegenheiten sind z . B . die Berechtigungen der Gemeinden und Corporationen , die bürgerliche und CriminalGesetzgebung insofern diese sich fortbildet , öffent­l iche Anstalten von allgemeinem Interesse pp . Straßen , Brücken , Höfe , Colonien sind zum Theil allgemeine Angelegenheiten , zum Theil gehören sie mehr zur Wirksamkeit der Regierung . Ein Gegenstand von dem häufig die Rede ist , ist der Krieg und Friede , das Verhältniß mit auswärtigen Mächten überhaupt . Dies ist eine | Angelegenheit die den ganzen Staat betrift , ihrem Inhalte nach ist sie gleichwohl eine ganz einzelne Angelegenheit . Krieg oder Friede ist eine Sache die von besonderen Umständen abhängt , und je ausgebildeter die Verhältnisse der Staaten sind , je mannigfaltiger sind diese Umstände . Es ist dies so eine Sache , welche nicht sowohl nach allgemeinen Grundsätzen zu bestimmen ist , als nach der Klugheit  : Das Allgemeine welches hier hinein spielt hat für die einzelne Fälle nichts Entscheidendes . Der Beschluß über jene Angelegenheiten kommt ihrer Natur nach der Individualität des Staates zu , also der fürstlichen ­Gewalt  . Man glaubt etwa es würde weniger Kriege geben , wenn | Stände darüber beschließen , dies ist aber gerade das Gegentheil . Es ist damit eben so wenn die Verfassung eines Volks so ist , daß das Kriegerische darin überwiegend ist . Hier zeigt es sich , daß ein solches Volk gerade am meisten in Kriegen sich verwickelt . Kriege an denen ganze Völker Theil nehmen , werden in der Regel zu Eroberungs Kriegen . Insofern Stände bey den Finanzangelegenheiten concurriren , so liegt darin ein indirecter Einfluß derselben auf die Angelegenheiten

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30 30 sagen .] Ri  : und was den Guten Willen betrift so ist das auch eben so etwas Allgemein hingeworfenes

und sehr oft ist auch Eigennuz vorhanden .   8–18 Solche allgemeine … Umstände .] Ri  : ZB  : Berechtigung der Gemeinden , der Corporationen – Corporationen sind etwas selbstständiges[ .] Sie sind 1erseits von der Regierung beaufsichtigt um dem Rechte des Ganzen gemäß zu sein . Das Criminal Recht ist auch Gegenstand ständischer Berathung . Auch in Ansehung der Organisation der Regierungs 35 Behörden[ .] | Ein Gegenstand könnte wie viele sagen auch gegenstand der Berathung sein  : Krieg und Frieden – Verhältniß mit den Auswärtigen – Das ist die Allgemeinste Angelegenheit – Allein sie ist eine ganz einzelne Angelegenheit – es hängt diese von einzelnen zufälligkeiten ab –   23–24 Man glaubt … Gegentheil .] Ri  : Eine Ständeversamlung ist am ungeschiktesten für etwas einzelnes . Dazu gehört ganz ruhige beschließung , dazu muß ein Fürst sich entschließen . Man würde sich sehr irren 40 wenn man sagen wollte es gäbe weniger Kriege wenn die Stände darüber beriethen[ .]  

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des Kriegs und des Friedens . Die Erhebung der öffent­lichen Abgaben und deren Verwendung ist nun eine Angelegenheit die ihrer Natur nach ganz allgemeiner Bestimmungen | fähig ist . Das System der Finanzen ist somit von der Art , Gegen­stand der gesetzgebenden Gewalt zu seyn[ .] In Ansehung nun der Abgaben kann man sagen , daß durch Verwilligung ­derselben die Stände es in den Händen haben die Regierungen zu zwingen . Dieser GesichtsPunkt sieht zuvörderst sehr plausibel aus . An sich aber ist er vollkommen abgeschmakt . Der Staat muß bestehen und die Stände können im All­ gemeinen die Verwilligung der Abgaben nicht verweigern . Ordentlichen Ständen kann es gar nicht einfallen , die Steuern überhaupt verweigern zu wollen  ; die Reichsstände in Teutschland verweigerten wohl bisweilen dem Kaiser ihre Beyträge , aber das waren auch Stände danach , und ein Reich . – Man kann nun | ferner sagen , daß weil in den Staaten das PrivatEigenthum in Anspruch genommen wird , die Privateigenthümer auch dazu einwilligen müssen . Es liegt der Mißverstand darin , daß es beym Privateigenthum allerdings meine Willkühr ist , ob ich etwas hinweggeben will , während es dagegen in Absicht auf den Staat an und für sich seyende Pflicht für mich ist , dem Staate zu steuern . Dieses ist nicht bloß eine positive Pflicht , sondern an und für sich vernünftig . Abgaben haben keinen anderen Zweck , als die Bedürfnisse des Staats zu bestreiten . Die Erhaltung des Staats ist eine an und für sich nothwendige Sache . – Ein Hauptgegenstand ist nun also für die ständische Wirksamkeit die Concurrenz bey Bestimmung | der Abgaben . Damit hängt zusammen die Prüfung des öffent­l ichen Bedürfnisses und die Controlle über die gesetzliche Verwendung der öffent­l ichen Abgaben  . In neuern Zeiten bilden die Finanzen überhaupt einen höchst wichtigen Ge­ genstand , um den sich das ganze äußere Leben des Staats dreht . Dies sieht dem ersten Augenblick nach schmutzig aus . Im Kriege ist der Einfluß des Geldes

1–7 Die Erhebung … aus .] Ri  : Ein Hauptgegenstand der Stände sind die Abgaben – das ist eine Allgemeine Regierungsangelegenheit und beruht auf allgemeinen Grundsäzen und gehört vor die Stände . – Es gehört viel Kenntniß dazu die Abgaben gehörig zu vertheilen . Man kann den Grund anführen weil die Stände ein Mittel haben die Regierung zu zwingen – dieses wird in neuen Zeiten besonders Geltend ­gemacht –   9–12 Ordentlichen Ständen … Reich . –] Ri  : und wenn sie es thun so hat die | Regierung das Recht sie auseinander zu jagen .    20–25 Ein Hauptgegenstand … dreht .] Ri  : Die Einwilligung der Stände gehört dahin was früher gesagt wurde  : daß das allgemeine auch in Form des Bewußtseins hervor trete . Das formelle ihrer 1willigung muß auch dabei sein . Es ist eine allgemeine Pflicht die damit festgesezt ist . Ein Haupt gegenstand ist daß das Bedürfniß auch untersucht wird . Es dreht sich vornehmlich alles um die Finanzen – wenn die Finanzen übel be­schaffen sind so ist der Stat in der Größten gefahr[ .]  26–563,1 Im Kriege … Wichtigkeit .] Ri  : Im Krieg hält es gewöhnlich der am besten aus der am meisten Geld hat . Auch ist der Krieg , oft Streit der Finanzen gegen Finanzen . – / |   21 Wirksamkeit] Wirk / samkeit   31–32 die | Regierung] d . | d . Reg .  

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gleichfalls von solcher Wichtigkeit . Es frägt sich , warum das HauptInteresse des Staats die Form des Geldes angenommen hat . Dabey ist zuerst zu unterscheiden daß die Wirksamkeit des Staats überhaupt allgemeine Bestimmungen betrifft , nach denen jeder sich zu richten hat . Dabey handelt es sich zunächst nicht um öffent­l iche Leistungen . Die zweite | Seite ist dagegen , daß auch geleistet wird . Dieses Leisten nimmt nun überhaupt die Form des Geldes an . Man könnte sagen , es könnte nun von den Einzelnen nicht viel besseres geleistet werden als Geld . Die Bürger können so ihre mannigfaltige Geschicklichkeiten oder ihren Patriotismus überhaupt anbieten . Der Patriotismus ist zunächst nur Gesinnung  ; es bedarf aber nun wirklicher Leistungen . Das was geleistet wird , ist zunächst etwas Besonderes . Dieses Besondere könnte nun zunächst direkt gefordert werden  ; Einer sollte Straßen bauen , der andere Richter seyn und so fort . Statt dessen fordert der Staat überhaupt Geld . Bey den Russen findet es sich wohl , daß wenn bey einem Regiment | Schuster Schneider pp erforderlich sind gewisse Einzelne dazu bestimmt werden . Durch die ganze moderne Zeit geht daß die Besonderheit thätig seyn will , der Staat nimmt die Besonderheit auf eine freye Weise in Anspruch , indem er im Allgemeinen bloß Geld fordert , und nun seine Leistungen denen überträgt , die sich dazu bereit finden . Das was ich dem Staat borge , wird so ganz durch andre Willkühr vermittelt . Der Staat kauft und bedingt das Besondere , was er braucht . Die Leistungen können so auf eine vollkommen gerechte und gleichförmige Weise geleistet werden . Es kann nun weiter gefragt werden , welche Qualität die Stände haben sollen . Sie sind die Seite des besonderen Staats , oder das , was man Volk | nennen kann . Diese Besonderheit tritt aber herein in das Allgemeine . Der Sinn der Stände

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… Leistungen .] Ri  : Die erste Seite betrift was man zu genießen hat – Schulen Gerichtsgang etc[ .]   6 Dieses Leisten … an .] Ri  : und das Geld ist das hauptsächlichste worum sich dies dreht .   9–13 Der Patriotismus … Geld .] Ri  : aber das ist eine Gesinnung und mit der Gesinnung kann man nichts anfangen . Es muß würklich geleistet werden und was geleistet wird ist etwas besonderes . Dies könnte nun so noch die besonderheit fordern  : du baust die Straße – du bist Lehrer , du sei Richter . – Die Abstrakte Möglichkeit für alles ist das Geld .   15–564,8 Durch die … Gesetzgebung . –] Ri  : Der Staat fragt wer will dies thun etc[ .] so wird der Willkühr ein Spiel raum gelaßen . Der besondere Werth macht sich für sich selbst  ; und der Staat indem er den einen braucht und den anderen so kauft er es und man fordert deßwegen gerechte Leistungen . Was man dem Stat leistet ist so durch meine Willkühr vermittelt . Das ist diese Weise wodurch die Leistungen geschehen . Durch das Geld können die Leistungen auf eine völlig gerechte Weise geschehen und dadurch sind diese Leistungen vermittelt durch meine Willkühr . Es kann ferner die Frage sein was sollen und müßen | die Stände für eine Qualität haben?  : die Stände sollen im Allgemeinen für das Allgemeine bestimen . Die Stände müßen hauptsächlich mit dem Sinn der Regierung handeln . Im

25 4–5 Dabey handelt

30 30

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23 Volk] nur als Reklamante   25 betrift] betrffen  37 Stände1] Der Satz bricht ab , und der Rest der Zeile ist frei gelassen  .    40

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muß überhaupt seyn der Sinn des Allgemeinen  ; die Stände müssen wesentlich zum Sinne der Regierung kommen . In den alten FeudalVerfassungen war der Fürst mehr nur Feudalherr mit seinem PrivatEigenthum aus dem er den größten Theil der öffent­l ichen Bedürfnisse zu bestreiten hatte . Die Stände traten gegen den Fürsten gleichfalls als PrivatEigenthümer auf , mit dem Sinne , zu geben so wenig als möglich . Dies ist eine Vorstellung , die sich noch jezt vielfältig zeigt . Das Moment der Qualität der Stände ist der Sinn der Besonderheit . Sie kommen mit | solchen Kenntnissen des Besondern zur Gesetzgebung . – Es kann nun weiter gefragt werden , wer die Stände ausmacht . Die einfache Antwort ist , die bürgerliche Gesellschaft überhaupt , das was den Privatstand ausmacht , der Regierung gegenüber . Die Vorstellung könnte zunächst darauf kommen , daß es die ganze Vielheit der Einzelnen sey , die zum Privatstand gehört , und man kann dann meinen es sey in einem großen Staate zu beschwerlich , wenn alle Einzelnen zusammenkommen sollten . Kurz man geht von den Einzelnen als Einzelnen aus . Nun aber ist die Menge von Einzelnen ein Haufe , eine in sich selber unorganisirte Masse . Dies ist die atomistische Ansicht . Die Vorstellung eines | Haufens ist eine Vorstellung ohne Würde . Die Menge als Menge hat auch keinen Gefallen an sich und kann dies auch nicht . Es zeigt sich so daß dem Einzelnen als Einzelnem nichts daran liegt , seine Stimme zu geben . Dies zeigt sich gegenwärtig z . B . in Frankreich . Eben weil es Viele sind , so ist die Stimme des Einzelnen etwas sehr Unbedeutendes , und es zeigt sich , daß immer ein besonderes Interesse dazu gehört , damit Einer jener Art der Wahl beywohnt . Auf dem sittlichen Standpunkt gilt der Einzelne als solcher überhaupt nicht . Die bürgerliche Gesellschaft muß also überhaupt als ein in sich Organisirtes erscheinen . Die organische Bestimmtheit , wenn wir | sie sehen , hat die zwey Hauptformen des ackerbauenden Standes , und des Standes der Gewerbe . Wir gebrauchen den Ausdruck Stände in der doppelten Bedeutung , einmal als Stand

Alten ­DeutschLand war es anders der Feudal Herr hatte da die Qualität von Privat Eigenthümer – und er trat als Privat Eigenthümer in die Versamlung mit dem Sinn so wenig als möglich zu geben . Es ist wesentlich daß die Stände mit dem Sinn des Allgemeinen wie der Regierung zusammen sind . Es ist das Band der Einheit[ .] Das 2te ist auch der Sinn der besonderheit . Mit diesen Kentnißen und diesem Sinn komen sie auch aber dieser muß auch mit dem Sinn des Allgemeinen verbunden sein .   12–16 und man … Masse .] Ri  : Man stellt sich dabei vor daß man den Einzelnen als Einzelnen Theil­ nahme ver ­schaffen wolle an der berathung[ .] | Aber die Menge von Einzelnen ist ein Hauffen Menge οι πολλοι .   16–18 Die Vorstellung … nicht .] Ri  : Die Vorstellung eines Hauffens ist ohne Wirkung – ein Volk muß nie als Haufen erscheinen .   22–23 Auf dem … nicht .] Ri  : Das Allgemeine ist überhaupt  : daß das Volk nicht als ein Haufen erscheinen muß so wie wir in das sittliche hinein sind so ist der einzelne als einzeln verschwunden der Einzelne gilt nur im Abstrakten Recht . In der Familie  schon .   25–26 Die organische … Gewerbe .] Ri  : Die Bürgerliche Gesellschaft ist Akerbauender Stand (Familie) und Stand des Gewerbes .  

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der bürgerlichen Gesellschaft und sodann als Theil der gesetzgebenden Gewalt . Ehemals waren Adel , Geistlichkeit und Bürgerstand die politischen Stände . Vom geistlichen Stande kann man zunächst meinen , dieser sey nothwendig , damit das Wahre , Göttliche und Freye im Staate geltend gemacht werde . Die Kirche hat indeß im Staate keine politische Existenz , so wie sie als Kirche stimmgebend wäre , so wäre ihre Stimme apodiktisch , Stimme Gottes , Stimme des Gewissens . Da wo die Kirche nicht entscheidend auftritt , hat sie ihre Stelle nicht . Das , worüber von den | Ständen im Staate berathen wird sind die allgemeinen Angelegenheiten , welche dem Denken angehören , also einer Form , die nicht das Eigenthümliche der Kirche ausmacht . – Es bleiben überhaupt zwey Stände . Der erste ist der Stand der natürlichen Sittlichkeit indem die Familie die Haupt­ bestimmung ausmacht und der wesentlich auf Grund und Boden angewiesen ist . Daß nun der auf den Ackerbau angewiesene Stand nicht unmittelbar die Einsicht und Geschicklichkeit hat , die zur Berathung der Staatsangelegenheiten gehört , dies ist eine Bestimmung , die der Zufälligkeit dieses Stands angehört . In Rücksicht auf die politische Constitution kommen nun einige Bestimmungen hinzu , wodurch die ursprünglichen Bestimmungen dieses Standes dem politischen | Zweck desselben angemessen werden . Dieser Stand macht das Feste , Gleichbleibende überhaupt aus . Damit die Unabhängigkeit dieses Standes vollständig sey , dazu gehört daß der Besitz vom StaatsVermögen unabhängig sey . Eben so muß das Vermögen unabhängig seyn von der Unsicherheit des Gewerbes und eben so muß dieser Stand entfernt seyn von der Sucht des Gewinns . Ein Vermögen das in die Gewerbs Verhältnisse gerissen ist , bleibt immer abhängig von äußerlichen Umständen und von dem Benehmen Anderer . Das Gewerbe und die Sucht des Gewinns , sind entfernt von einem sichern und festen Grundbesitz .

2–7 Vom geistlichen … nicht .] Ri  : Daß die Geistlichkeit als Stand mehr oder weniger verschwunden ist ist einleuchtend . Die Geistlichkeit wäre im Stat als Stand wie das 5te Rad am wagen . Die Kirche kann nur Rath geben , nicht Stimme geben sonst wäre sie das Apodictische .   11 Der erste … Sittlichkeit] Ri  : Den Einen Stand haben wir als akerbauenden Stand aufgestelt  ; den Stand der natürlichen Sittlichkeit  :   13–15 Daß nun … angehört .] Ri  : Daß der Akerbauende , der unmittelbar sich mit dem Akerbau beschäftigt nicht fähig ist , das ist zufällig . Das Familien leben macht die Hauptbestimung und der Grundbesiz . / Das ist der Eine Stand . Dieser Stand ist auf das Familien leben und Grund­besiz basirt .   18–19 Dieser Stand … aus .] Ri  : Er macht damit das Feste Gleichbleibende Moment aus . Dieses Element das der Beweglichkeit entnomen ist[ .]  20 daß der … sey .] Ri  : daß dieser Stand von dem Staatsvermögen unabhängig sei – daß er eigenen festen Besiz habe – wodurch er die Geschenke der Gunst und Sold entbehren kan .   22–24 Ein Vermögen … Anderer .] Ri  : Der Kaufmann kann durch Andere um das Seinige kommen .   13 nicht] nicht nicht   14 Staatsangelegenheiten] Staats / angelegenheiten   26 die Geistlichkeit] (1) d . Adels / stand (2) d . (Gstlchkt . am Rande) / 〈〈stand〉〉  

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Dieser Stand muß gleichfalls von der Gunst der Menge unabhängig seyn . Das Vermögen muß aus allen diesen Gründen | ein unveräußerliches Erbgut seyn . Indem das Vermögen so ein festes und unveräußerliches ist , wird es der eigenen Willkühr gleichfalls entnommen . Diesem Stande , indem so ein festes Vermögen für denselben sich bestimmt , ist die harte Aufopferung für den politischen Zweck zu­ge­muthet , daß sein Vermögen sich nicht auf gleiche Weise unter seine Kinder vertheilt . Das Eigen­­thum der Familie ist , wie wir früher sahen , Eigen­thum der ganzen Familie und insofern eine Ver­thei­lung statt findet , so muß diese gleich seyn . Nun aber legt die politische Nothwendigkeit diese Härte auf , daß der Vater nicht der natürlichen Eingebung seines Herzens folgen und sein | Vermögen zu gleichen Theilen unter seine Kinder theilen soll . Das Vermögen macht diese Seite der Besonderheit und damit die Seite der Objectivität aus , welche bestimmt werden kann . Die Gesinnung kann nicht bestimmt werden , und Einrichtungen und gesetzliche Bestimmungen können die Gesinnung nicht treffen . In der ­äußern Unabhängigkeit liegt die absolute Möglichkeit der innern Unabhängigkeit , alle die Abhängigkeiten und Gesinnungen welche mit der äußern Abhängigkeit zusammenhängen , sind auf solche Weise abgeschnitten . In Frankreich wurde den Senatoren der lebenslängliche Genuß eines großen Gutes eingeräumt  ; allein dies fällt immer in die Zufälligkeit und indem die Regierung bey | Ver­­thei­­lung der Senatorien nothwendigen Einfluß hat , so fällt damit die Möglichkeit aller jener Abhängigkeit wieder herein . Es scheint nun , daß es auf solche Weise dem Zufall der Geburt überlassen sey , wer zu einer so wichtigen Funktion , wie die Theil­ nahme an der Gesetzgebung ist , berufen wird , allein gerade die Nothwendigkeit ist dadurch gesetzt , indem alle die erwähnten Zufälligkeiten abgeschnitten sind . Die Menschen müssen so auch in dieser Rücksicht zur Natur ihre Zuflucht nehmen , um etwas unmittelbar fest zu machen . Das andere ständische Element macht

1–2 Das Vermögen … seyn .] Ri  : Es muß ein Erbgut sein ein Majorat , damit auch der Zufall der Vertheilung unter Erben weg fällt .   7–11 Das Eigenthum … soll .] Ri  : wenn er sie auch gleich liebt sondern daß es dem erstgebohrenen bleibt . Es ist ein unrecht gegen die übrigen  ; und ein Familien­ vater der seine Kinder liebt der muß die Gleiche Liebe haben – Es ist diese Härte gegen das Herz des Vaters[ .] Das ergiebt sich alles aus dem Saz  : daß das Vermögen etwas festes sei – von äußerlichen Zufälligkeiten entnomen –   13–14 und Einrichtungen … treffen .] Ri  : In Ansehung dieser Besonderheiten müßen diese Bestimungen gefaßt werden .   17–18 In Frankreich … eingeräumt  ;] Ri  : Man kann in Ansehung dieser Unabhängigkeit sich das auch vorstellen – daß diesen der Lebenslängliche Genuß von einem Großen Gut eingeräumt wird[ .]   19–21 und indem … herein .] Ri  : Es ist der Stand in den Also diese Festigkeit bestimt ist  :   23–24 allein gerade … sind .] Ri  : aber gerade die Absicht liegt in der Nothwendigkeit , und alle andere Zufälligkeit ist abgeschnitten[ .]   22 überlassen] über / lassen  

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die bewegliche Seite der bürgerlichen Gesellschaft aus . Diese kann | nicht nach der ganzen Menge ihrer Glieder unmittelbar eintreten in die unmittelbare Theil­ nahme . Der innere Grund hiervon ist , daß indem die bürgerliche Gesellschaft ausgebildet ist , ihre Arbeiten sich in unendlich viele abstracte Zweige theilen und die Individuen welche darin befangen sind , sich in der höchsten Abhängigkeit befinden , und zugleich die Einsicht entbehren , welcher es zur Behandlung von Staats Geschäften bedarf . Eben so fehlt ihnen diese Rücksichtslosigkeit , deren es bedarf in Rücksicht des Berufs , um den es sich handelt . Dagegen kann man nicht anführen , daß auch Arme und äußerlich Abhängige die Fähigkeit und den Willen haben | können , deren es bedarf , um politisch thätig zu seyn . – Sodann tritt die bürgerliche Gesellschaft überhaupt nicht als eine Menge auf , sondern in ihren Sphären und Kreisen , in Gemeinden und Genossenschaften . Es ist hin­ reichend wenn Einzelne von den verschiedenen Genossenschaften und Gemeinden in das politische Element eintreten . Diese treten ein nicht als Stellvertreter , denn sie sind nicht Mandatarien  ; ihr Corps , ihre Genossenschaft ist in ihnen selbst vorhanden . Eben so erkennt man in einem einzelnen Mitgliede einer Nation die ganze Nation . In den Repräsentanten der Corporation ist diese selbst vorhanden . Ein solches Individuum ist selbst die Gattung . Solche Stände | haben die gedoppelte Seite , einmal daß sie im Sinn des Allgemeinen sind , und sodann , daß die besonderen Interessen beachtet werden . Wenn in Ansehung der Abgeordneten die Einrichtung ist , daß die Einzelnen überhaupt wählen , so ist es ganz der Zufälligkeit überlassen ob jedes Interesse seine besondere Stimme erhält . Es ist zum Theil eine allgemeine Bestimmung , daß auch hier auf ein allgemeines

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1–3 Diese kann … Theilnahme .] Ri  : diese kann nicht in der Ganzen Menge 1treten in die Be… seyn . –] Ri  : In Ansehung der Gewohnheit fehlt ihnen diese Rüksichtslosigkeit der Existenz . Man kann nicht von Möglichkeiten sprechen daß Individuen die noch so arm oder abhängig gebohren sind sich herauf schwingen könen zur größten Unabhängigkeit des Caracters . Das ist bloße Möglichkeit .   11–18 sondern in … Gattung .] Ri  : sondern als ein Organisirtes – Indem es diese sind welche eintreten so muß die Arbeit doch fort gehen . Es braucht nicht das Ganze der Corporation aufzutreten – es ist genug wenn einige auftreten – Und diese treten nicht als Stände vertreter , sondern als die repraesentanten auf , als der welcher das Corps vorstellt – | Ebenso als ein einzelnes Glied einer Corporation[ .] So ein Individuum ist selbst die Gattung , das Allgemeine[ .] Es ist das Intereße  :   20–568,2 Wenn in … hat .] Ri  : Ist es der Handelsstand etc[ .] der seine Abgeordneten abschikt so hat jedes intereße seine Stime . Das Recht ist daß jedes Intereße seine Stime hat . Damit dieses geschehe so muß dafür gesorgt werden daß jedes Intereße dieselbe erhalte . – Über das Nähere laßen sich noch viele betrachtungen machen . Für die Abordnung sieht man auf das Vermögen[ .] Der Eigenthümer hat das Große Intereße an der bürger­ lichen Ordnung – wer nichts hat dem ist mit der Unordnung mehr gedient .  

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25 rathung  ; der äußere Grund ist die Vielheit –   7–10 Eben so

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1 bewegliche] bürgerliche (so auch Ri)   bürgerlichen] bürger / lichen  Gesellschaft] Verfassung (so auch Ri)  16 Mitgliede] Mitglieder   40

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Vermögen gesehen wird . Man sagt so , die Eigenthümer haben das unmittelbarste Interesse , daß Ordnung , Recht und Gesetz seine Gültigkeit hat . Allein es kann auch noch andere Garantien geben . Eine solche Garantie wäre besonders die , daß Männer , die sich schon in ihren Genossenschaften und Gemeinden in Verwaltung öffent­licher Aemter bewährt haben , vorzugs | weise ein Recht erhalten , zu Abgeordneten erwählt zu werden . Hier ist die Tüchtigkeit auf objective Weise enthalten . Die beyden Stände sind so nach ihrem Princip verschieden . Der erste Stand stellt überhaupt das Beharrliche , das Seyn dar . Die Glieder dieses ersten Standes sind , indem ihr Eigen­thum zu einem festen unveräußerlichen gemacht ist , fest an das Land gebunden , dem sie angehören . Sie bringen auch dadurch ihrer poli­ tischen Stellung ein hartes Opfer . Der andere Stand ist der Stand des Prozesses , der Veränderlichkeit überhaupt . Hier ist es immer das Princip einer besondern Persönlichkeit welches sich bethätigt . Der erste Stand entspricht dem , was der Adel heißt , im politischen Sinn . Die | Bestimmung dieses Standes ist die durch die Art und Weise seines Verhältnisses dem Staate gewidmet zu seyn[ .] Der Adel braucht in politischer Hinsicht keine andere Bezeichnungen und Vorrechte . Wenn er noch andere Rechte hat , so ist dies etwas , was dem positiven , besondern Staatsrechte angehört . In dem Begriff ihres politischen Verhältnißes liegen dergleichen Vorzüge nicht . Indem diese Stände die Gesammtheit vorstellen , so treten sie dem Staate gegenüber auf . Dies ist ein unvernünftiges Verhältniß . Das vernünftige Verhältniß ist der Schluß . Die Einheit muß somit immer vorhanden seyn und nicht erst durch Kampf zu Stande kommen . Es gehört somit zum vernünftigen Verhältniß der Stände und der Regierung , daß das Moment ihrer | Vermittelung vorhanden sey .

6–22 Hier ist … auf .] Ri  : Dann haben sie kenntniße und Praktische Geschiklichkeit  : vornemlich haben sie sich durch die That gezeigt . – Die beiden Stände sind verschieden wie festes und bewegliches . Damit das Princip des festen der Veränderlichkeit entnommen werde deßwegen sind diese Institute gemacht . Auch ist das | abgeschnitten daß man nicht aus wandern kann denn der Liebe muß man nicht alles überlaßen diese ist Gesinnung und kann so und anders sein . – Es ist imer das Verdienst Tüchtigkeit imer ausgegangen von einer besonderheit – willkühr . Damit der erste Stand also zu dieser Volkomenheit seiner bestimung kome so muß er sich also jenem Überlaßen . Dieser Stand ist der Stand des Adels . Der Adel in Politischer Rüksicht braucht keine anderen Privilegien zu haben  : er theilt dies mit den anderen . Hat er Privilegien so beruht das auf dem Geschichtlichen eines jeden Staates . Im Politischen Begriff liegt es nicht . – / Indem diese Stände die Gesamtheit vorstellen so treten sie eigentlich der Regierung gegenüber auf .   23–25 Schluß . Die … sey .] Ri  : Schluß daß dieser ihre Einheit nicht durch den Kampf Process erscheine – sondern daß zugleich ihre Vereinigung besteht und zugleich unterschieden sind[ .]   27 gezeigt] vornämlich gezeigt  

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Die fürstliche Gewalt schickt von ihrer Seite aus ein Element zur Vermittelung . Dies ist die RegierungsGewalt . Die Stände müssen von der andern Seite her , eben so ein Moment der Vermittelung hereinschicken . Dieses Moment kann nun nichts anders seyn als ein Moment , das in ihnen selbst enthalten ist , und dies ist das Moment der Allgemeinheit , der erste Stand . Es entsteht so das vernünftige Verhältniß , daß die Stände zwey Kammern ausmachen . Die eine Kammer bleibt so als Extrem , die andere Kammer bildet das Element der Vermittelung . Einerseits theilen ihre Mitglieder alle Rechte und Lasten mit den übrigen Bürgern , ja sie bringen , wie gezeigt wurde | durch ihre politische Stellung harte Opfer . In Gegenwart eines englischen Pairs wurde bemerkt , daß sich die Pairskammer mehr nach der Seite des Fürsten als des Volks neige , dieser Pair auf seine Kinder deutend , bemerkte , er habe an diesen immer ein Unterhaus um sich herum . Auf der anderen Seite steht dieser Stand , der das Feste und Beharrliche zum Princip hat , dem Staat als solchem näher . Dieser Stand macht so das Vermittelnde aus zwischen dem was Volk heißt und der fürstlichen Gewalt . In politischer Bedeutung hat also der Adel seine nothwendige Stelle und da hilft alles Declamiren nichts . Zu wünschen ist überhaupt daß die welche zu diesem politischen Stande berufen sind , mit den | Bestimmungen , die demselben zu kommen , zufrieden sind . Eine Nebenbetrachtung ist dann , daß durch diese Theilung ein solches Verhältniß eintritt wie bey den verschiedenen Instanzen der Gerichte oder auch der administrirenden Behörden . Indem dieselbe allgemeine Staatsangelegenheit von zwey Kammern überlegt wird , so erhält die Entschließung dadurch noth­ wendig eine große Sicherheit . Eine zahlreiche Versammlung ist weit mehr fähig als das einzelne Individuum , durch die Zufälligkeit des Augenblicks bestimmt zu werden . Eben in dieser Rücksicht sind auch Förmlichkeiten von der allergrößten Wichtigkeit , besonders die Bestimmung daß ein Antrag in mehreren Sitzungen nach einander | vorgenommen wird . Das Wichtigste ist immer daß auf solche Weise der Gegensatz vermittelt wird . Steht nun eine Kammer der fürstlichen

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3–7 Dieses Moment … Vermittelung .] Ri  : Die Verhandlung komt dem Ministerium zu welches ver-

30 antwortlich | ist , der Fürst entscheidet . Was die Stände hinein schiken dies kann nichts anderes sein

als der erste Stand – Das Vernünftige ist daß 2 Kamern gemacht werden – Der erste Stand qualificirt sich zum Moment der Vermitlung .   12–19 Auf der … sind .] Ri  : Auf der anderen Seite aber weil er das bestehen , das beharren das bleiben deßen was ist erhält so steht er auch so auf der anderen Seite . Staat ist das an und für sich allgemeine – das Princip der Bürger ist das Princip der Einzelnheit . So steht 35 er auf beiden Seiten  : er macht daher das Vermittelnde aus zwischen dem Volk und Adel . Durch diese Theilung in 2 Kamern ist das Vernünftige Verhältniß hergestelt . Das ist das Wesentliche .   22–23 so erhält … Sicherheit .] Ri  : so enthält die Entschließung mehr Reife .   13 Feste] Erste   14 solchem] solchen  16 und] und / und   18 demselben] denselben   37 Entschließung] Reife der Entschließ- / sung  

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Gewalt entgegen , so ist der Staat immer den größten Gefahren aus gesetzt . In Frankreich hat sich das Verderbliche dieses Verhältnisses aufs deutlichste gezeigt . Die Oeffent­l ich­keit einer Ständeversammlung kann einerseits nach­thei­lige Wirkungen haben . Sie kann sich durch die welche zugegen sind , imponiren und influiren lassen . Auf der anderen Seite aber werden durch die Oeffent­l ich­keit die Bürger in nähere Kenntniß gesetzt von dem , was verhandelt ist . Die Bürger haben auf solche Weise Gelegenheit sich von den öffent­lichen Verhältnissen zu unterrichten und sie werden mit den Gesichts | Punkten vertrauter , um die es sich handelt . Durch die Oeffent­lich­keit der ständischen Verhandlungen wird überhaupt das bewirkt , daß die Leute zu Gedanken über öffent­l iche Dinge kommen . Gott giebt das einem nicht in den Schlaf , und auf der Bierbank wird viel Verkehrtes und Unnützes raisonnirt . Besonders lernen auch die Bürger auf diese Weise die Regierung und die öffent­lichen Beamten schätzen . Große Staatsmänner erhalten auf diese Weise einen Schauplatz der höchsten Ehre . Daß sie zu einer öffent­lichen Schätzung , zu einer wahrhaften äußerlichen Ehre gelangen , dies geschieht besonders durch die Oeffent­l ich­keit der Verhandlungen . Man kann noch die Unvollständigkeit | finden , daß auf solche Weise nicht jeder sein eigenes Meinen und Rathen über die Angelegenheiten des Staats aussprechen kann . Es ist schon bemerkt worden , daß die Einzelnen als solche nicht zur Sprache kommen , um so mehr , da die Repräsentanten nicht deren Mandatare sind . Die Äußerung und das Urtheil Aller überhaupt , ist nun das , was man die öffent­liche Meinung überhaupt nennt . Diese ist gleichsam eine Ergänzung zu dem wie die Gesammtheit sich in der Versammlung der Stände ausspricht . Die öffent­liche Meinung ist überhaupt etwas von großem Gewicht und von großer

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3–16 Die Oeffent ­l ich ­keit … Verhandlungen .] Ri  : Die Öffent­l ich­keit der Stände versamlung ist auch oft zur Sprache gekomen – Sie hat eine Gefährliche Seite – diese Seite muß genomen werden – Die andere Seite ist daß durch diese Öffent ­l ich ­keit die menge der bürger zur Einsicht gelangt . Sie kann Kenntniß über den Zustand des Staates erlangen[ .] Sie wird mit den Gesichtspunkten die genomen werden müßen bekannt und lernt die Individuen kennen die von ihr abgeschikt werden . Auch werden viele mit den Gesichtspunkten vertraut die der Staat hat . Sie erhalten die Fähigkeit vernünftig über den Stat etc[ .] zu urtheilen[ .] Erst dann kommen die Bürger zur Einsicht welche große Talente zu einem solchen Posten gehören . Die Deputirten erhalten hier zugleich einen Schauplaz der höchsten Ehre . Denn es ist etwas sehr belehrendes – aber dadurch können sie am | ersten geschäzt werden – es sind ihre Intereßen welche sie be­t reffen die sie dabei hören .   19–22 Es ist … nennt .] Ri  : Dem Ausdruk Stellvertreter liegt zu grunde als wenn sie an Stelle der einzelnen wären – aber das ist eine leere Vorstellung . Nimt man diese an so ist imer nicht vorhanden daß die Einzelnen als solche ihr Ur­theil über die Intereßen geäußert . – Was die einzelnen dazu nun meinen das ist die öffent ­l iche Meinung  : die Einzelnen als einzelne haben hier ihr Ur­theil .   29 ihr] ihnen   33 belehrendes] ein- / belehrendes  

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Wirksamkeit . Alle stehen in dieser öffent­lichen Meynung , die Stände , die Regierung und der Fürst . Die öffent­l iche Meinung enthält nun | einmal in sich die substantiellen Principien der Gerechtigkeit , sie ist so die Gesinnung des Staats , des Volks überhaupt , und enthält so das Resultat des ganzen öffent­l ichen Zustandes . Sie ist von dieser Seite das , was man den gesunden MenschenVerstand in einem Volk nennt . Die Chinesen haben einen ganz anderen gesunden Menschen­ verstand als die Engländer und die Teutschen . Vor fünfzig Jahren fand es ein Franzose , dem man von der Stellung des Königs in England erzählte , ganz gegen den gesunden Menschenverstand , daß ein König nicht mehr Gewalt haben sollte . In der öffent­lichen Meinung sind es nun ferner die Einzelnen als solche , welche in ihrer Eigen­thüm |l ich­keit und Besonderheit zur Sprache kommen  ; weil es so die Einzelnen sind nach ihrer Besonderheit , welche sich äußert , so ist damit die öffent­liche Meinung in dieser ungeheuern Masse von Äußerungen und Vor­stellungen sovieler Einzelner , der vollkommene Widerspruch in sich selbst . Wenn die welche sich äußern nicht meinten sie wüßten es besser als die Sache liegt , so würden sie schweigen . Die öffent­liche Meinung ist insofern eine der am schwersten zu begreifenden Erscheinungen , weil sie die Gegensätze unmittelbar in sich enthält . Die öffent­liche Meynung ist so das vollkommen Nichtige und Eitle und zugleich das durchaus Substantielle . Das Allgemeine des Bewußtseyns eines Volks | ist die Stimme seines Gottes , und so ist der Spruch vox populi vox dei ganz richtig . Eben so wird aber auch über das Urtheil und die Stimme des Volks das Entgegengesetzte mit Grund gesagt . Man kann so sagen , man müsse die öffent­liche Meinung auf der einen Seite ehren , dieselbe aber auf der anderen Seite verachten . Das letztere haben besonders die Philosophen zu allen Zeiten gethan  ; eben so hat kein großer Staatsmann , kein großer Fürst etwas Großes hervorgebracht , der nicht gewußt hat , die öffent­liche Meinung zu verachten . – Je eigen­thüm­l icher die Meinung ist , um so mehr bildet sich der , von dem sie ausgeht , darauf ein , weil dies ihm etwas ganz Eigenthümliches ist . Je schlechtere Gedichte | Jemand macht , um so vor­treff l­icher erscheinen sie ihm . Dasselbe hat man in der Philosophie gesehen . So sind die Philosophen darauf gekommen zu

2–5 Die öffent ­l iche … Zustandes .] Ri  : Die öffent ­l iche Meinung enthält 1[ .] in sich die Gesinnung des States – sie enthält das Wahrhafteste – das Resultat von der Ganzen Verfaßung – Es ist das was man den gesunden Menschen verstand   27–572,12 Je eigenthümlicher … wird .] Ri  : Je eigen­ 35 thüm ­l i­cher jemand etwas macht desto mehr hält er es für vor­t reff ­l ich . So in der Philosophie so auch 35 in der Dichtkunst . So der Saz  : daß was man unmittelbar wahrnimt sei das Allein wahre das ist auch was originelles . In Rük­sicht auf den Staat haben wir in den neuesten Zeiten dies auch gesehen – es 33 verstand] Textabbruch vor dem Seitenwechsel und Fortsetzung nach einer unbeschriebenen Seite mit Text­ lücke auf Seite 399 Ri mit Je eigenthümlicher … vor­t reff ­l ich . (s . 571,33–34 )  36 Zeiten] Seiten  

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sagen , die unmittelbare Wahrnehmung sey das Wahre  ; kein Bauer ist so dumm der nicht wissen sollte , daß man in der unmittelbaren Anschauung irren kann und daß überhaupt das unmittelbar sich Darbietende ein Vergängliches ist . Mit Ansichten über den Staat geht es eben nicht besser , man hat so das platteste Zeug gehört . Dergleichen Dinge sind allerdings ganz originell , weil es vernünftigen Menschen nicht einfällt solches Zeug zu schwatzen . Was in der öffent­lichen Meinung | wahrhaft enthalten ist zu erkennen , dazu gehört tiefe Einsicht . Wenn z . B . in einem Volke eine allgemeine Unzufriedenheit herrscht , so kann man annehmen , daß ein Bedürfniß vorhanden ist , dem abgeholfen werden muß  ; fragt man aber die öffent­liche Meinung darüber , so ergiebt es sich leicht , daß gerade das Umgekehrte gemeint und vorgeschlagen wird . Auf Dank muß übrigens kein Staatsmann rechnen , noch überhaupt Jemand der etwas Wahrhaftes leistet . Aber das Wahrhafte macht sich geltend . Mit allem Wider­streben des Bewußtseyns fängt man sich denn am Ende . Mit der öffent­lichen Meinung hängt das zusammen , was man Preßfreiheit nennt . Insofern | im Staate Stände vorhanden sind , so wurde schon erinnert , daß man hier aus der allgemeinen Masse , Gedanken und Belehrung zu schöpfen hat . Das Uebrige ist dann weniger bedeutend . Schwer ist es Gesetze zu geben die hinsichtlich der Preßfreiheit vollkommen bestimmt sind . Die Preßfreyheit ist zunächst ein formelles Recht , seine Gedanken , seine Meinungen aussprechen zu dürfen . Die Presse ist das ungeheure Mittel durch weite Entfernungen mit der ganzen Menge zu sprechen . Das formelle Recht , auszusprechen was man will , enthält zugleich einen Anspruch auf Handlungen . Es müssen also Gesetze gegen Verläumdungen , gegen Aufrufe zu Verbrechen und dergleichen vorhanden | seyn . Ein Weiteres ist dann , daß durch die Lehren , und namentlich auch durch die Presse die Grundsätze vergiftet werden können . Der schlechte Pöbel läßt sich leicht überreden , und solche Gründe , die sich an die Empfindung wenden , sind leicht aufzufinden . Durch giftiges Schimpfen , durch Vorwürfe ohne Unterlaß war auch der dünkel dabei daß alles andere im Sumpf stehe . Es ist so also wahr daß die öffent ­l iche Meinung eben so verachtet werden muß als auch angesehen . So wenn man unzufriedenheit sieht so ist hier ein Mangel – aber untersucht man die Urtheile genauer so nimt man wahr daß diese ganz verkehrt war . Männer die etwas großes ge­than haben haben es imer gegen die öffent­l iche Meinung ge­than  ;   18–19 Schwer ist … sind .] Ri  : Die Preß Freiheit ist nun an sich ein höchst schwieriger gegenstand .   22–26 Das formelle … können .] Ri  : Wenn man unter Preßfreiheit das denkt | daß man sagen könne was man wolle so ist es eben so wie  : die Handlungsfreiheit das sei was man thun wolle thun zu können . Nur die Oberflächlichkeit des Vorstellens will ein solches Recht . Die Geseze können Verleumdungen gegen Individuen nicht ungestraft laßen – ebenso Verbrechen gegen den Staat – Aufruhr alles dies kann er nicht zugeben . Durch das lehren werden dann auch die Grundsäze vergiftet – das heilige Band .   27–28 und solche … aufzufinden .] Ri  : ZB . daß der Mensch nicht Steuern zu bezahlen habe[ .]  

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kann ferner die Regierung wankend gemacht und untergraben werden . Die Gesinnung ist nun aber im Staate ein Wesentliches , welches einerseits durch die Institutionen hervorgebracht wird , andererseits aber auch wankend gemacht werden kann durch böses Raisonnement . Die Wissenschaften bleiben bey der Frage nach der PreßFrey­heit überhaupt ungefährdet . Ihr | Element und das Element des Staats sind eines und dasselbe . In Rom mögen allerdings auch die Wissenschaften durch die Censur gefährdet werden  ; die Kirche beruht in der Form des Glaubens und in der Form der Unterwerfung der Vernunft unter dem Glauben . Es können so von der Kirche an diesen Gehorsam eine Menge Leistungen und dergleichen geknüpft werden , die die Beleuchtung durch den Gedanken nicht ertragen können . Die größte Sicherheit hat die Presse in ihrer Verachtung , in England kommen täglich eine Menge Zeitungen heraus , die meisten sind gegen die Regierung gerichtet  ; sie bringen alle Tage eine Menge von Spott und Gründe gegen die Regierung hervor , allein die Regierung hat dies verachtet . Uebrigens sind die englischen Gesetze keinesweges so gelind | gegen Preßvergehen , als man gewöhnlich zu meinen pflegt . Auch in England hat sich denn durch das tägliche Schimpfen auf die Regierung unter dem Pöbel ein böser Sinn erzeugt , und die Regierung hat sich genöthigt gesehen , dagegen einzuschreiten . Eine absolute Gränzlinie läßt sich hinsichtlich dessen was als verbrecherisch betrachtet werden soll oder nicht , durchaus nicht angeben . Der Gedanke ist etwas so biegsames , daß man etwas gar nicht direct zu sagen braucht , und dennoch durch die Combination die bezweckte Wirkung hervorbringen kann . Es löst sich alles Bestehende in der urtheilenden , meinenden Subjectivität auf . Der Staat ist in seiner Auflösung be­g riffen , wenn die | subjective Meynung das Substantielle wird . In

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… Raisonnement .] Ri  : Nun ist das Allgemeine der Gesinnung das Subjektive was im Staat Moment ist was aber leicht wankend gemacht werden kann . Diese Seite ist überhaupt schwierig .   5–18 Ihr | Element … einzuschreiten .] Ri  : Wißenschaft ist ein element worinn auch der Staat steht – das Element des Staates ist auch das Gedachte . Von Seiten des Staates müßen den Wißen­ schaften keine Hinderniße gelegt werden wohl von der Kirche , diese ist in der Form des | Glaubens . Aber gegen die Broschüren geht das Verboth mit Recht . Die größte Straffe solcher Schriften ist die Verachtung . In England hat man dies so gethan , obschon dagegen die größten und schwersten Geseze existiren[ .] Aber wenn solche Meinung zu thaten anlaß giebt so haben sie es auch beschränkt . Man sagte freilich es sind bloße Meinungen , aber solche Meinungen vergiften Gesinnungen .   20–574,2 Der Gedanke … selbst .] Ri  : denn der Gedanken ist so etwas schmiegsames daß mit anderen Worten doch etwas schädliches heraus komen kann mit den unschuldigsten Worten . Die Gesezgebungen richten sich hierin nach den Zeiten . – In Demokratien wie in Athen wo die M e i n u n g Princip ist wenn hier das Meinen durchdringender Zustand wird so ist der Staat aufgelöst und geht in Monarchie oder Aristokratie über . Denn hier ist das Substantielle nur in Form der Subjektiven Gesinnung . Fällt diese ins meinen so bleibt nichts mehr übrig .  

25 1–4 Die Gesinnung

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32 Meinung] Meingen   36 Demokratien] Demorkrtien   40 27 Wißenschaft] Wften  

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solchen Verfassungen wie die Demokratie ist ist das Substantielle nicht als eine objective Organisation für sich selbst . In einer Organisation dagegen , wo das Vernünftige substantielle , auf objective Weise vorhanden ist , da ist dieses Meinen mehr ein Äußeres und Zufälliges . Im Staate überhaupt ist die Idealität des Be­ stehenden , und dies ist ein wesentliches Moment . Daß dieses Bestehende auch nur ein momentanes Ideelles ist , dies ist selbst eine wesentliche Bestimmung des Staats . Dieser wurde bisher betrachtet in seinem friedlichen Bestehen . Die Idealität ist im friedlichen Zustande nur eine Form der besondern Sphären welche als solche die Hauptsache sind . Das Moment der fürstlichen Gewalt | ist im fried­ lichen Staate mehr nur ein Formelles . Die Vernünftigkeit des Staats hat ihr Bestehen nicht nur auf diese eine Weise , auch die Idealität selbst muß zur Wirklichkeit kommen . Diese Idealität ist im friedlichen Staate nur äußerliche Form  ; das Selbstbewußtseyn des Staats muß auch in der Form der Negativität zum Vorschein kommen . Der Staat muß sich in die Idealität auflösen , so wie die Eingeweide der Körper im Blute als aufgelöset erscheinen . Im ruhigen Staate ist das Besondere wirklich , und das Allgemeine ist nur der innere an sich seyende Be­ griff . Daß der Geist in seiner einfachen Freiheit zur Wirklichkeit komme , deshalb muß er sich als die Macht gegen das Eigenthum , das Leben und die Be |s  onder­­heit der Individuen überhaupt zeigen . Indem so der Staat sich in sich zusammennimmt , sich in seine negative Einheit concentrirt , so hat er den Unterschied in sich selber aufgehoben und ist damit ein nach Außen gekehrtes . Er ist so als

4–10 Im Staate … Formelles .] Ri  : und zugleich ist ein wesentliches Moment darinn das Freiwerden des be | son­de­ren die Idealität des bestehenden . Im Meinen wird alles bestehende ein Aufgehobenes ideelles wie wir den Staat betrachtet haben in seiner Vernünftigkeit so ist er das Friedliche Bestehen der besonderen Sphären neben 1ander  : die Idealität ist so nur die Form , die ihren Zusamenhang betrift , das bestehen der besonderen Sphären ist das Hauptmoment . Das Fürstliche Moment ist in einem friedlichen Stat mehr ein friedliches einwirken und Entscheiden –   11–15 auch die … erscheinen .] Ri  : indem der Staat Volks Geist ist so ist nothwendig daß diese Idealität in Form des Meinens zur wirklichkeit komme die negativität der besonderen Sphären der Selbsttischen 1heit des Ganzen . der Geist des sub­jektiven selbsttischen Bewußtseins muß auch in der entgegengesezten Form der Form der Negativität des besonderen zum Vorschein kommen . wie im Organismus jedes Glied sein Geschäft hat so das Blut ist das centrum der Irritabilität worinn alle unterschiedenheit der Glieder aufgelößt ist , so lößt sich auch der Staat in diese Idealität auf  ; so wie er die realität seiner Momente darstellt muß auch die Idealität des Ganzen zur wirklichkeit kommen  ;   17–19 Daß der … zeigen .] Ri  : das äußerliche | ordnende – Es muß aber auch diese Negativität beziehung des Geistes auf sich in seiner 1fachen Freiheit zur Wirklichkeit kommen und so muß er existiren gegen das Leben Rechte und Eigenthum der Indivi­ duen und eben so als die Macht worin die Bestimmten Kreise als nichtig erscheinen[ .]  21–575,2 und ist … auf .] Ri  : und ist nun eben damit ein Individuum gegen ein anderes Individuum 1fache Idealität . – Eben dadurch daß er in sich ist reflectirt er nach Außen   16 wirklich] wirk / lich   32 Glieder] Glldr   39 reflectirt] reflexirt  

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I­ ndividuum gegen andere Individuen . In diesem Moment tritt der Staat erst als wahrhafte Idealität auf . Dies ist das Moment der Selbstständigkeit des Staats , dessen Souverainetät nach Außen . In seiner Selbstständigkeit hat er seine Ehre und diese Selbstständigkeit ist sein höchstes Gesetz . Nur in dem absoluten Zusammenhalten seiner mit sich selbst ist der Staat als Geist . Die Selbstständigkeit ist für die Völker das höchste Gebot , und sie dem Staate zu erhalten | ist für jeden Einzelnen höchste absolute Pflicht . Daß das besondere Eigenthum , das besondere Leben und die besonderen Geschäfte , aber nichtige sind , dies kömmt hier zur Existenz . Dieses Moment der Selbstständigkeit des Staats zu vertheidigen ist also Pflicht für einen Jeden und diese sittliche Pflicht macht das Moment des Krieges aus . Es ist eine Verstandesansicht , wenn man sagt , daß die Bürger den Staat zu vertheidigen haben , weil sie darin ihr Eigenthum und ihr Leben vertheidigen . Es ist ein Widerspruch darin daß das Leben durch Aufopferung des Eigen­thums gesichert werden solle . Die Unmittelbarkeit , die das Leben ist , und die Äußerlichkeit der Freyheit , die | als Eigen­thum ist , alle diese sind ein Zufälliges , Äuße­ res , worin nicht an und für sich die Vernünftigkeit ist . Dies kommt im Kriege und in der Aufopferung , die derselbe mit sich führt , zur Existenz . Was also sonst Redensart zu seyn pflegt , und was man von der Kanzel hört über die Nichtigkeit des Lebens und der zeitlichen Güter , dies kommt hier zur Existenz , die Abstraktion von allen selbstsüchtigen Zwecken , von seinem Meinen und Ur­thei­len . Es gehört so zur sittlichen Gesundheit der Völker daß alles ihr Besonderes als nichtig , als ideell gesetzt wird  ; die Individuen würden sich sonst einhausen in ihrer Selbstsüchtigkeit und Besonderheit . Was schon durch die Natur geschieht , das wird hier mit Freiheit zur | Wirklichkeit gebracht . Wie die Einrichtungen in Ansehung dieses Moments be­schaffen seyn müssen , näher zu betrachten , würde 4–11 Nur in … aus .] Ri  : wie ein Geist Freiheit für sich sein sich zu sich selbst verhalten das höchste ist und nur in diesem Zusamenhalt der Geist ist darum ist diese selbstständigkeit das höchste Geboth der Ehre der Völker sie zu erhalten für jeden absolute Pflicht jeder muß zur vertheidigung beitragen und das ist eben eine Aufopferung worinn die Idealität zur Existenz komt , daß das besondere Leben Geschäft in dieser Concentration des Geistes als nichtiges erscheint[ .] Das Moment der selbstständigkeit komt der Fürstlichen Gewalt zu . Es macht ihre realität aus[ .] Die Pflicht der Vertheidigung macht das sittliche Moment | des Krieges aus .   12–14 Es ist … solle .] Ri  : betrachtet man den Staat nur als bürgerliche Gesellschaft so ist es eine schlechte berechnung – es ist ein Widerspruch das sittliche des Krieges liegt in dem Gesagten  :   16–19 Dies kommt … Güter ,] Ri  : Diese Äußerlichkeit komt zur Existenz im Krieg in dieser Aufopferung und Verpflichtung zu demselben was also sonst Redensarten sind – oder auf Kanzeln gesagt wird  : was man sich wohl sagen läßt es gelte nicht ernst (Nichtigkeit der Güter)   22–24 die Individuen … gebracht .] Ri  : Es bewahrt diese bewegung die Seelen vor Fäulniß in welche sie in dauernder Ruhe und ewigem Frieden übergehen , es komt diese Idealität auch schon durch die Natur zur Existenz , aber das ist Sache der Natur[ .] | Hier ist es aber Zwek des Individuums Freiheit[ .]  

40 1 Individuum] In / dividuum   35 Redensarten] Redensarden  

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zu weit führen . Das Allgemeine ist , daß Jeder verpflichtet ist , das Vaterland zu vertheidigen , diese Aufopferung liegt im Begriff des Staats und sie ist ein Gewolltes . Indem dies ein allgemeines Verhältniß aller Bürger eines Staats ist , so ist dies einerseits eine allgemeine Pflicht , anderer Seits aber auch ein besonderes Geschäft gegen die ruhigen Verhältniße des Lebens . Es ist dieses besondere Geschäft nun auch einem besondern Stande anvertraut , dem Stande der Tapferkeit . Dieser Stand hat sich denn zur Ausübung seines Geschäfts besonders | auszubilden . So lange die Selbstständigkeit des Staats nicht in Gefahr kommt , so bleibt dessen Vertheidigung jenem besonderen Stande überlassen , wenn aber die Selbstständigkeit des Ganzen gefährdet wird , so tritt jene allgemeine Pflicht ein . Das ganze innere Leben des Staats hängt sich nach Innen zusammen , und kehrt sich nach außen . So wird der Krieg nothwendig Eroberungskrieg . Dies ist eine wichtige Betrachtung . Wenn bey jedem Zwiste der Staaten untereinander das ganze Volk unter die Waffen gerufen wird , so ist damit der Friede des Staats unterdrückt und das Volk wird zu einem erobernden . Es muß somit ein besondrer Stand für den Krieg seyn und ein stehendes Heer . Dies ist ein Nothwendiges | und viel vernünftiger , als wenn das Volk immer in ganzer Masse unter den Waffen gehalten wird . Hier hat nun also die Tugend der Tapferkeit ihre Stelle . Diese Tugend ist eine formelle Tugend , und es kommt auf den Zweck an , für welchen man tapfer ist . Der Räuber ist auch tapfer , aber seine Tapferkeit ist deshalb kein Tugendhaf­ tes Verhalten . Im Zweykampfe ist dies derselbe Fall , denn wahre Tapferkeit hat zu ihrem Zwecke die Selbstständigkeit des Staats , somit einen absolut sittlichen Endzweck . Jene höchste Negativität ist die höchste Positivität in Ansehung des Inhalts der Gesinnung . Hier ist das Gesetz der vollkommenen Entäußerung seiner selbst | und zugleich die höchste Selbstständigkeit . Auch in dem Mechanischen der äußern Ordnung zeigt sich so ein vollkommenes Abthun des eigenen Meinens und Willens , und auf der anderen Seite bedarf es der höchsten Intensität

2–3 diese Aufopferung … Gewolltes .] Ri  : Unabhängigkeit des Staates lezter Zwek sei und daß das geschieht in der Aufopferung für diese Idealität .   7–9 So lange … überlassen ,] Ri  : Aber wenn es noth thut so muß jeder dazu beitragen . Besonderes Geschäft ist es wo die Staten in besonderen Verhältnißen stehen und besonderes Verfechten .   10–12 Das ganze … Eroberungskrieg .] Ri  : Dann werden die anderen Geschäfte des Staates zurükgestellt  ; und indem sich das ganze innere zusamenfaßt und nach außen kehrt wird der Krieg nothwendig Eroberungskrieg (so die Franzosen in den 90er jahren)[ .]   16–18 Dies ist … wird .] Ri  : Es ist ein nothwendiges Moment des Staates muß auch für sich existiren , ein besonderer Stand sein und nicht der Zufäligkeit überlaßen .   19–21 und es … denn] Ri  : das  : sich Gefahren auszusezen Leben Verlust des Eigenthums . Der Wahre Zweck ist Vertheidigung der Selbstständigkeit des Staates[ .] | Der Räuber ist auch tapfer – so im Duell wegen Gering fügigen Ursachen .   24–577,2 Hier ist … Feindseeliges ,] Ri  : so ist darinn der Widerspruch . Edle Freie Große 6 einem] einen   24 vollkommenen] vollkom / menen  

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des Geistes und des höchsten Bewußtseyns . Eben so ist auf der einen Seite die Gesinnung ein durchaus Feindseeliges , und zugleich vollkommene Gleichgültigkeit gegen den , der feindseelig behandelt wird . In der modernen Art des Kriegs zeigt sich dies besonders , man schießt in das Allgemeine hinein , und aus dem Allgemeinen heraus trift wieder die Kugel das Herz . Zur ächten Form gehören eben diese Gegensätze , die Jugend will sich selbst wissen und | geltend machen , dient deshalb gern in der Cavallerie und in Freicorps . Der Staat ist überhaupt als Objectivität der Freiheit zu betrachten  ; die Subjectivität hat darin auch ihr Spiel . Der Staat ist so ein Tempel der Vernunft , das Kunstwerk des Geistes und somit ein viel höheres als die Natur . Man stellt sich zunächst wohl vor der Staat sey nur ein vom Belieben der Einzelnen Gesetztes  ; es ist allerdings Recht des Selbstbewußtseyns das zu begreifen was man als Autorität anerkennen soll , allein das zu Begreifende kann nur durch den Begriff gefaßt werden .

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Die Idealität der besonderen Sphären des Staats kommt zur Erscheinung im Verhältniß zu andern Staaten . Dies ist der Standpunkt des äußern Staatsrechts . Jeder Staat ist zunächst ein Besonderes gegen andere Besondere . Der Staat ist vollkommen selbstständig und diese Selbstständigkeit ist das Erste . Damit ist das Verhältniß der Staaten zu einander nur eine Einheit des Sollens[ .] Die Bezie-

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gesinnung und diese Nichtigkeit dieses Lebens Bewußtseins welche diese Gesinnung ist der Gegensaz vollkommener entäußerung seiner selbst volkomener unselbstständigkeit und höchster selbstständigkeit des für sich seins . Unselbstständigkeit die sich auch schon in der Subordination Zeigt . wobei der eigene Geist ganz aufgegeben werden muß und andererseits die höchste Intension und schnellste Geistesgegenwart – ebenso auch der Gegensaz daß die Handlung vollkomen feindseelig ist ganz persönliches Handeln   3–4 In der … besonders , ] Ri  : In der modernen Form des Krieg führens ist dann eben dies daß man bei der Feindseeligkeit doch nicht persönlich handelt   5–7 Zur ächten … Freicorps .] Ri  : Wie es die Alten hatten und wie die Jugend besonders als Reiter und Freischüzen ist nicht die ächte Form sondern die ist der angegebene Gegen saz  ; auch ist dabei auf Ehre verzicht zu leisten nicht persönlich zu handeln nicht diesen auf das Korn zu nehmen sondern ganz gegen ein allgemeines zu verfahren . Ein Heer ist gut organisirt wenn jeder das Gefühl seiner besonderen Pläne nicht hat sondern nur als Glied des Regiments des Ganzen wo der Einzelne nichts besonderes für sich will thut und darstellt . /   9–14 Der Staat … werden .] Ri  : Der Staat ist das kunstwerk des Geistes aber ein größeres als die Natur . Was man respektiren soll muß man auch begreifen aber es muß der be­g rif sein der das wahrhafte Recht faßt . Es ist ein großes Studium den Staat zu erkennen . Das Einfache für sich ist als Gewalt vorhanden . /   15–20 b . D a s … Sollens[ .]] Ri  : Der nächste Standpunkt ist daß der Staat als Individualität sich in seinem Verhältniß nach außen äußert . Das Verhältniß von Staat zu 16 Idealität] Identität   17 Staatsrechts] Staats / rechts   20 Sollens] Volkes (vgl . Ri)  

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hungen in denen die Staaten stehen sind Verträge und diese sollen gehalten werden , aber wie gesagt , es bleibt bey dem Sollen . Der Zustand der Staaten ist eine Abwechselung des Verhältnisses , welches den Traktaten gemäß ist , und eines | solchen , welches denselben nicht gemäß ist . Es giebt zwischen den Staaten keinen Prätor . Kant in seinem ewigen Frieden stellt es als ein Vernunftgebot dar , einen Staatenbund zu schließen . Ein solcher Bund beruht aber immer nur auf die besondere Gesinnung derer die ihn bilden , und ist insofern etwas Subjectives . Es ist überhaupt die Forderung , daß die Idealität des Staats zur Wirklichkeit komme . Daß das Verhältniß von Staaten zu einander der fürstlichen Gewalt zukommt , davon wurde bereits gesprochen . Die fürstliche Gewalt hat so die diplomatischen Verhältnisse zu leiten , Krieg und Frieden zu | beschließen . Einen indirecten Einfluß üben die Stände immer durch ihre Concurrenz bey der Steuerverwilligung und dergleichen . In einem entwickelten Staate kann es der RegierungsGewalt überhaupt nicht einfallen , einen unpopulairen Krieg zu führen . Das Einzelne in den Verhältnissen der Staaten zu einander , und der einzelnen Unter­thanen zu fremden Staaten , beruht überhaupt auf der Sitte und auf besondern Traktaten . In den griechischen Republiken war es noch Sitte , die Gefangenen zu tödten , nach unseren Sitten ist dies ganz anders , und im Ent­waffne­ten wird immer der Mensch anerkannt . Der Krieg | muß demnächst so geführt werden daß die Möglichkeit des Friedens noch zugelassen wird . Gesandte werden deshalb respektirt , und eben so Abgeordnete , welche zur Abschließung des Friedens abgeschickt werden . Gesandtenmord gilt so mit Recht für eines der größten völkerrechtlichen Verbrechen . Der Krieg wird demnächst nicht gegen die friedlichen , allgemeinen Institutionen geführt , also soll die Rechtspflege , der Unterricht und der Gottesdienst nicht unterbrochen werden . Handel und Gewerbe liegen schon mehr in der Mitte , insofern sie die unmittelbaren Mittel zur Kriegführung darbieten . Im Verhältniß der Staaten zu einander kommt nun auch das Verhältniß der Besonder­heit | in seiner Größe zum Vorschein , große Leidenschaften , große Tugenden und Talente . Der Krieg ist in diesem Verhältniß der Zufälligkeit das

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Staat begründet nun ein Äußeres Stats Recht . / | Äußeres Staats Recht / Jeder Staat ist eine besondere 30 Totalität des Volks-Geistes . Die Selbstständigkeit ist das erste . Damit ist keine Sittliche Einheit vor­ handen sondern die Einheit s o l l nur sein .   2–4 Der Zustand … ist .] Ri  : Die Staaten stehen in einem Naturzustand zu 1ander . Es ist darinn die Abwechslung eines Verhältnißes wo die Traktate gehalten werden und wo sie nicht gehalten werden .   7–8 Es ist … komme .] Ri  : Es ist die Individualität der Staten überhaupt nach außen gekehrt zu sein .   10–11 davon wurde … beschließen .] Ri  : dies liegt in 35 der Natur – Der Fürst hat Krieg und Frieden zu beschließen – das ist nicht Sache der Stände .   13–14 In einem … führen .] Ri  : denn es kann in einem ausgebildeten Staate nicht einfalen einen antinationalen Krieg anzufangen .   27–29 Im Verhältniß … Talente .] Ri  : Das Verhältniß der Völker beruht 23 Verbrechen .] Verbrechen ,  



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Moment , wo die Selbstständigkeit der Staaten selbst der Zufälligkeit ausgesetzt ist . Ueber der Besonderheit der einzelnen Staaten ist der von aller Besonderheit freye Weltgeist . Die besonderen Staaten bringen ihre Particularisation mit der anderer Staaten in Vergleichung . Es zeigt sich so die allgemeine Dialektik der besonderen Staaten , der allgemeine Geist hat absolutes Recht gegen die besonderen Geister , und dieses macht er geltend in der WeltGeschichte .

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Diese ist das Weltgericht , welches der allgemeine Geist über die Geschichte | hält . Der Geist ist nicht ein Unmittelbares , sondern es ist seine Handlung , und seine That ist es , sich selbst zum Bewußtseyn zu bringen . Die Selbstproduktion des allgemeinen Geistes ist so die Weltgeschichte , in der sich die Macht des allgemeinen Weltgeistes zeigt . Diese Macht ist nicht ein Schicksal , nicht eine vernunftlose Nothwendigkeit , was der Geist thut , das ist vernünftig . Hier entwickelt sich die Vernunft des allgemeinen Geistes . Dieser indem er eine besondere Weise erfaßt , macht er sich dieselbe zum Gegenstand , und indem er dieses thut , so ist er darüber erhoben . Indem der Geist das , was er ist , erfaßt so ist er nicht mehr darin , sondern es ist ihm Gegenstand geworden . E r ist jetzt E r ,  | und das Wissen von diesem Gegenstande . Dieses Wissen wird selbst dann wieder zum Gegenstande . Der Geist schreitet so fort und ist nicht jene langweilige Wiederholung eines und desselben Gesetzes wie die Natur darstellt . Man hat darüber gestritten , ob dem Menschengeschlechte Perfektibilität zuzuschreiben sey , der Gedanken einer Perfektibilität ist überhaupt im Fortschreiten des Geistes ausgesprochen . Es

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25 also auf traktaten . Das Verhältniß unter Staten , daß sie besondere gegen 1ander sind , giebt nun auch 25

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dem Spiel Plaz  : von großen Intereßen Großen Zweken – großen Tugenden – Talenten .  –   2–3 Ueber der … Weltgeist .] Ri  : Der Geist eines Volkes ist ein bestimter Geist ,   4–9 Es zeigt … hält .] Ri  : Aus dieser Dialektik des Geistes komt es dann daß | die Weltgeschichte hervor trit . / Die We l t g e s c h i c h t e ist eben das Gericht des Allgemeinen Geistes unter dem Besonderen .   10–16 Die Selbstproduktion … erhoben .] Ri  : Weltgeschichte ist also das 3te womit wir schließen . / Welt­ geschichte ist 1 . das Gericht der Macht des Allgemeinen Weltgeistes – Aber diese Macht ist nicht ein Schiksal sondern der Geist ist Vernunft was er thut , dies ist Vernünftig was er thut ist  : zum selbstbewußtsein seiner Freiheit zu komen . In der Weltgeschichte entwickelt sich der allgemeine Geist so . Er erfaßt diese Weise und indem er sich erfaßt so macht er sich selbst zum gegenstand  : und indem er sich zum Gegenstand macht so hat er sich über sich erhoben[ .]   17–19 E r ist … Gegenstande .] Ri  : Er ist dies Er und das Wissen von Sich dies ist aber eine höhere | Stufe ,   21–580,3 der Gedanken … wird .] Ri  : Ob man Erziehung darinn sehe . Das enthält das eben gesagte in sich . Sein Fortschreiten ist 2 der1] die  8 die] der  16 er2 ] es aus er  

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ist dies dasselbe , was man in einem anderen Sinn Plan der Vorsehung nennt , nur daß unter diesem Plan der Vorsehung zugleich etwas Unbegreifliches gemeint wird . Der Geist ist frey insofern er sich weiß , insofern er seine Unmittelbarkeit überwindet .  | Die verschiedenen Stufen die der Weltgeist durchgeht in seiner Entwickelung sind durch die verschiedenen Völker bezeichnet . Jedes Welthistorische Volk drückt ein Moment der geistigen Entwickelung überhaupt aus . Es selbst hat kein Bewußtseyn von seinem Thun und die Völker zerschlagen sich so einander . Die Interessen welche das Höchste eines jeden Volks sind , sind Besondere gegen das Allgemeine des Weltgeists . In dieses Allgemeine treten nun alle Besonderheiten zu bloßen Momenten zurück  ; Auf der Stufe des allgemeinen Geistes ist alles Besondere , Tugend und Talent , Glück und Leidenschaft , durchaus ein Untergeordnetes . Alle Betrachtungen | welche auf anderen Standpunkten gelten , verlieren hier ihre eigenthümliche Bedeutung . Indem das welthistorische Volk eine besondere Stufe des Weltgeistes ausdrückt , so ist dies das Herrschende , es macht sich geltend gegen das Recht der andern Völker , die einer früheren Stufe angehören , und diese werden überwunden , sie mögen sich benommen haben wie sie wollen . – Die wirklichen Völker überhaupt haben nun eine Seite auf der sie der Natur angehören , sie sind so in der äußern Wirklichkeit , sind so geboren (Nationen) und dies Princip welches sie im Geschäft des allgemeinen Weltgeistes übernehmen , ist in ihnen zugleich | vorhanden als Naturprincip , als eine geographische , anthropologische Existenz . Dieses Princip macht überhaupt das Bestimmende in der ganzen Geschichte , im Leben und in der Ausbildung eines Volkes aus . Alle diese verschiedene Seiten sind nur der Ausdruck e i ne s Princips . Weil dieses Princip zugleich ein natürliches Princip ist , so kann ein Volk nur einmal in der Geschichte Epoche machen , denn es ist an e i n Princip gebunden . Ein welthistorisches Volk hat seine Geschichte bevor es in die Weltgeschichte eintritt , und eben so hat es auch nachher noch seine Geschichte . Es beginnt nichts anderes als  : seiner Vernünftigkeit sich bewußt zu werden – es heißt im Gewöhnlichen Leben  : Plan der Vorsehung – Diese ist nichts anderes als daß der Geist sich erfaße , das ist sein Sein[ .]   6 Völker] Ri  : Völker und Staten   7–8 Es selbst … einander .] Ri  : Das Volk hat sein besonderes Intereße – Sie zerschlagen sich um ihr besonderes Intereße .   11–13 Auf der … Untergeordnetes .] Ri  : alles  : Große Geister Herrliche Völker sind ein untergeordnetes .   18–19 Die wirklichen … (Nationen)] Ri  : Dies wird das herrschende . Es sind die b e s o n d e r e n Völker an denen der Geist sich offen­bart  . Das wird in der Äußerlichen Wirklichkeit vollbracht – Sie sind somit natürliche – Nationen natürlich .   21–23 Naturprincip , als … aus .] Ri  : von der Natur gesezt . Das Princip des Weltgeistes macht überhaupt das bestimende in der Ganzen Ausbildung | aus , die Seele von allen diesen verschiedenen Seiten .   24–28 Weil dieses … eintritt , ] Ri  : Es kann deßwegen ein Volk nur Einmal Epoche machen[ .] Es kann aber auch andere Principien aufnehmen – aber es ist dies etwas fremdartiges – Es geht dann der Weltgeist von einem Volk zum anderen über als den Trägern seines Princips . – In dem dieses

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mit einem kindlichen Zustande , und bildet sich dann hinauf zum freyen Selbst­ bewußt |s  eyn . Die spätere Geschichte eines solchen Volks zeigt das Herunter­ kommen und Verderben desselben . Es kann auch die einem späteren Volke zur freyern Entwickelung übertragenen höheren Principien noch aufnehmen , aber diese sind ihm nicht eigenthümlich . Das höhere Princip erscheint in einem solchen Volke als das Verderben und geschieht demselben Gewalt von anderen Völkern . In der SpezialGeschichte sowohl als auch in der Weltgeschichte ist nun keine Zufälligkeit vorhanden , so sehr auch die Besonderheit aller Art darin ihr Ergehen hat . Um die Weltgeschichte zu fassen , oder auch die besondere Geschichte eines Volks , muß man die Idee mitbringen  ; der Weltgeist offen­bart | sich in der Geschichte und legt seine Momente darin aus . Wie man die Welt anschaut , so schaut sie einen wieder an  ; geht man an ihre Betrachtung mit zufälligen , abstracten Gedanken , so findet man darin auch nur Zufälliges und Abstraktes . Das Feld worauf der Weltgeist seine Idee entwickelt , bilden die menschlichen Interessen , wir sehen so ein buntes Gewühl von mancherley Zwecken , von edeln und unedeln Bestrebungen , ein Spiel von Leidenschaften aller Art , worin die Kräfte mitunter sich prüfen und zerschlagen . Das Geheimniß der Weltgeschichte ist aber denn die Umkehrung der besonderen Zwecke . Diese Umkehrung ist dieselbe die wir auch in der bürgerlichen Gesellschaft gesehen haben . Indem das Individuum | seine besonderen Zwecke vollbringt macht es sie objectiv . In der gewöhnlichen Geschichte betrachtet man das Schicksal der Staaten nach dieser äußern Nothwendigkeit und erklärt die geschichtlichen Begebenheiten aus sol-

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25 Princip als selbstbewußtes hervortrit so ist das das herrschende Volk sein Recht ist das höchste – Es hat

vorher eine Geschichte sich heraufzu bilden zu der höchsten blüthe –   5–9 Das höhere … hat .] Ri  :

25 Indem es die Höhe erreicht hat so thut sich das höhere auch an ihm kund aber es trit an ihm nur in

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der negativität hervor , aber nur als Verderben und Fall . Nun wird es das Spiel fremder Völker . Dies daß es herunter kommt ist  : überhaupt keine Zufälligkeit so sehr daß die besonderheit und Zufälligkeit auch ihr Recht aus übt – Das Wesentliche der bestimung eines Volkes | ist in seinem Inneren gegründet .   10–11 der Weltgeist … aus .] Ri  : In der Weltgeschichte offen­bart sich der Geist aber um ihn zu erkennen muß man die vernünftigen Augen mit bringen .   12–13 geht man … Abstraktes .] Ri  : Sieht man sie zufällig an so erscheint sie einem auch in der großen Zufälligkeit .  –   15–22 wir sehen … Begebenheiten] Ri  : deßwegen es uns so gering erscheint . Einerseits sehen wir ein buntes Gewühl von mancherlei Zweken – einen Spiegel der nothwendigkeit worinn sich die Zweke an 1ander meßen und sich zerschlagen . Das geheimniß der Weltgeschichte ist dann eben die Umkehrung des nothwendigen in den Zwek des Begriffes . Wir sehen das auch sonst schon – wo ein besonderes thun sich umkehrt in ein thun für das Allgemeine . Indem sich das Individuum objektiv macht so wird es Allgemeines . In der gewöhnlichen Geschichte betrachtet man die begebenheiten nach dieser Äußerlichen Nothwendigkeit . Dieser liegen zu Grunde das Wohl des Volkes des States – Man erklärt den Erfolg  

19 gesehen] ge / sehen   28 Inneren] unsichere Lesung   40 1–2 Selbstbewußt |s  eyn] ohne Trennungsstrich  

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chen einzelnen Umständen und aus den Leidenschaften , dem Talent und dem Genie der Individuen . Diese Art die Geschichte zu betrachten , ist indeß nicht hinreichend um das Vernünftige darin zu erkennen . Dazu gehört daß man weiß , worin die Vernunft besteht . Es sind nun in der Weltgeschichte Staaten überhaupt , wirkliche Volksgeister die im Verhältniß zu einander stehen . Das Sittliche und Vernünftige ist bey ihnen als das Gewußte und Vollbrachte . Diese allgemeinen Gesetze sind die Gesetze gegen das bloß subjective Meinen , gegen die Zu |f  ällig­keit der Individualität . Die wahre Bedingung für die Weltgeschichte ist , daß Staaten sind . Das Werden dieser Staaten liegt vor der Weltgeschichte und fällt in eine Sagen- und Mythenzeit . Jenen früheren Zustand der noch nicht sich wissenden und setzenden Sittlichkeit , haben die Völker als einen paradiesischen aufgefaßt , weil das Allgemeine des ­Gedachten , die Objectivität des Gesetzes und die Wirklichkeit des Handelns und des Gemüths , noch in unmittelbarer Einheit sind . Diese Einheit ist nun allerdings der Ausgangspunkt und sie ist auch das Ziel . Jener erste Zustand ist in­deß nur noch ein Zustand des unmittelbaren Naturlebens , der Geist ist nur , indem er jene Identität die er an sich ist , hervorgebracht hat . Der Aus­gangsPunkt | ist also d­ asjenige , was durchaus zu verlassen ist . Wenn man hört , es sey etwas höher , als daß es sich sagen lasse , es müsse nur empfunden werden , so soll damit etwas Großes gesagt werden  ; indeß ist dies gerade nur etwas Subjectives , das wahrhaft Vernünf­ tige muß sich aussprechen lassen . Schelling selbst hat den frühern Natur­zustand des Menschengeschlechts zum Theil als einen solchen vor­treff ­l ichen ­d argestellt  . Jener Zustand ist aber durchaus nur dem Zustande des Somnambulismus und der Krankheit überhaupt , wo der Mensch zur unmittelbaren Einheit mit der Natur herabfällt , zu vergleichen . 2–4 Diese Art … besteht .] Ri  : Dieses Be­g reiffen ist auch hinreichend für diesen | Zweck aber nicht hinreichend um die vernünftige Idee zu erfaßen . Man muß wißen was Vernunft ist und was ihr Zwek  ist .   6–8 stehen . Das … Individualität .] Ri  : kommen  ; die den Gedanken in ihrem Thun und Gesezen ausdrüken . Es sind sittliche Ganze – die das sittliche als Geseze in sich enthalten .   9–18 Das Werden … ist .] Ri  : das Werden der Staten fällt vor die Weltgeschichte daß bloße Familien zu einem Staat komen ist das erste – was überhaupt in eine Mythische Zeit fällt . Diesen ganzen Zustand hat man als einen Paradiesischen , unschuldigen göttlichen aufgefaßt . Deßwegen weil das Allgemeine , und auf der anderen Seite die Wirklichkeit des Wollens und Handelns wie bei dem Kinde in der Voll­ kommenen Einheit sind . Diese Einheit ist auch das Ziel aber es ist diese Einheit zu e r r e i c h e n nicht bloß auf eine natürliche Weise ihn zu haben[ .] Der natürliche Zustand steht dem thierischen Wesen nahe . Der mensch ist was er ist in dem er es aus sich hervorgebracht hat[ .] Der Geist ist das Wißende – das bloß Empfindende ist das Thier .   23–25 Jener Zustand … vergleichen .] Ri  : Das Thier ist auch in der Einheit mit der Natur . Der Somnambule auch aber das ist der Tiefere Zustand .  

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7 Gesetze2 ] Ge 〈g〉 sätze (vermutlich nachträglich in einen frei gelassenen Raum eingefügt)  10 eine] einer   23 Somnambulismus] Sonnambulismus   40



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dritter theil · sittlichkeit583

Das Erste in der Geschichte ist also das , was vor der Weltgeschichte liegt . Die Individualität muß zuerst befestigt werden , vornämlich | durch Einführung der Ehe und des Ackerbaues . Das Weitere ist dann die innere Gliederung . Die Stifter der Staaten sind jene Heroen vornämlich gewesen , welche die Ehe und den Ackerbau eingeführt haben . Solchen Staaten nun , die jene Elemente in sich haben , kömmt ein höheres Recht zu , als dem wo dieselben noch fehlen . – Wenn wir die Idee des Geistes betrachten , wie sie sich in der Weltgeschichte darstellt , so erkennen wir darin vier Momente . Das erste ist die Form des Substantiellen Geistes , wo die Einzelnheit noch in das Substantielle versenkt ist . Das zweite ist das Wissen des substantiellen Geistes . Dies ist eben das sich Herausziehen aus demselben und somit das für sich seyn demselben gegen |ü   ber , zunächst so daß dieses Verhältniß etwas Positives ist und daß dieser substantielle Geist durch die Individualität dargestellt wird . Das dritte ist sodann das Erfassen dieses Fürsichseyns , das Erfassen daß das Substantielle im menschlichen Geiste selbst ist . Dies ist das Umschlagen , sich zu wissen als die Wesenheit , als die Idealität . Dies ist zunächst die Stufe des abstrakten Denkens  ; der Inhalt tritt so in ein einzelnes ­Verhältniß mit dem Fürsichseyn . Das Weitere ist denn jene Idealität objectiv machen , und damit die Realität wieder herstellen . Hier ist eine Innerlichkeit , die aus sich selbst ihre Welt hervorbringt und zwar eine Welt als an und für sich seyend[ .] | Dies ist der höchste Punkt . Diese vierte Stufe ist dann das Wissen seiner selbst . Es heißt Gott im Geiste und in der Wahrheit verehren damit ist Gott als ein Denkendes und Substantielles ausgesprochen . – Es sind so der welthistorischen Reiche vier  : das orientalische , das griechische , das römische , und das Reich , dem das Christenthum zum Grunde liegt , das wo Gott sich offen­bar gemacht hat , das germanische Reich . 3–6 Das Weitere … fehlen . –] Ri  : dies sind die beiden Grundlagen . Auf diese Weise muß die Particularität wenigstens gegründet werden . Diese Staaten haben in der Weltgeschichte ein höheres Recht als andere Völker , Nomaden  ; Viehzucht treibende in der Weltgeschichte hat dieses ein höheres Recht und verwirklicht das höhere Recht . –    9 wo die … ist .] Ri  : wo das Wißen noch in die Einzelnheit versenkt ist .   11–13 zunächst so … wird .] Ri  : nicht wie ein Tropfen im Meere und zwar so daß das Verhältniß ein Positives ist . Sie bleibt in dem Substantiellen Geist , aber zugleich individualität – dies ist das | Reich der Schönheit .   15–22 Dies ist … ausgesprochen . –] Ri  : das ist das Reich des Allgemeinen Denkens – das Erfaßen der Wesenheit als seiner selbst . wo der Inhalt in negatives Verhältniß trit mit diesem Fürsich sein . Das 4 te ist das die erste Realität herstellt  : daß der Geist in seinem für sich sein Denkendes Selbstbewußtseins ist – das Göttliche Selbstbewußtsein[ .] Das bewußtsein daß diese welt ihre Welt und aber zugleich vernünftige Welt ist[ .] Das ist der höchste Punkt . Der an und für sich seiende Gott – das ist das Wißen seiner – das Sein seiner . Gott im Geist und in der Wahrheit erkennen –   23–25 und das … Reich .] Ri  : dann das Reich des An und für sich seienden Geistes Germanisches Reich . – Dies sind die Stufen der Weltgeschichte .  

34 4] im Ms einfach unterstrichen   40 6 dem] sc . Staat  

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Zur Verwirklichung des Geistes gehören nun Individuen , diese an der Spitze stehenden Individuen sind die welthistorischen Individuen . Die wahrhafte Darstellung wäre eigentlich ohne alle Individuen , aber auch in | den welthistorischen Individuen und in ihren Schicksalen charakterisirt sich die Weise ihrer Zeit und ihres Volks . So zeigt sich besonders das Ende ihrer Laufbahn charakteristisch . Cyrus ist gefallen durch seine Feinde  ; den schönsten Tod hat Alexander gehabt  : nachdem er die griechische Welt gerächt hatte an der orientalischen , ist er durch die Natur gestorben , in der Blüthe seiner Jahre und im vollen Bewußtseyn , im Kreise seiner Freunde und im Angesicht seines Heeres . Cäsar ist durch die Absicht gestorben , nicht durch äußere Feinde und nicht durch die Natur . Karl der Große ist ruhig im hohen Alter auf christliche | Weise gestorben . Wenn wir uns die Ehre anthun eine welthistorische Epoche erlebt zu haben , so würde Napoleon als das Individuum zu bezeichnen seyn , in dem der Gedanke dieser Epoche sich eine Wirklichkeit gegeben hat . Dieser hat auch auf eine eigen­thüm­liche Weise ein Ende genommen , daß er vornämlich sich selbst heruntergesetzt hat . Die Feindschaft ist so in ihm selbst gewesen und man sagte das bedeutende Wort  : je suis l’ennemi de moi même . Das orientalische Reich geht vom patriarchalischen Naturganzen aus  : So sehr solche Reiche sich auch ausgebreitet und befestigt haben so sind sie doch immer auf dieser Stufe stehen geblieben . | So ist das chinesische Reich noch jezt , das man vornämlich in neuern Zeiten näher kennen gelernt hat . Es ist dies eine un­geheure Völkermasse die sich zum mindesten auf 150 Millionen zu belaufen scheint , und die zu regieren eine hohe Ausbildung in Künsten und Wissenschaften erforderlich ist . Gleichwohl ist jenes Reich über das patriarchalische Verhältniß nicht hinausgekommen . Die Weise der Regierungsform ist ganz disciplinarisch . Der erste Mandarin erhält Schläge mit dem Bambusrohr , und so geht es herunter . Ihre religiöse Verehrung hat zum großen Theil denselben patriarchalischen Cha-

6 Cyrus ist … Feinde  ;] Ri  : Cyrus ist im Persischen Reich an der Spize gewesen – Er ist Gestorben durch seine Feinde[ .]   9–10 Cäsar ist … Natur .] Ri  : Caesar der Römer ist durch die Absicht gestorben durch denken – große Absicht – die aber nichts hervorgebracht hat als einen schlag ins Waßer , eine Handlung ohne Folge .   11–18 Wenn wir … aus  :] Ri  : Für uns werde Napoleon das Individuum sein der den Gedanken in dem wir leben in die äußerliche Weise gebracht hat – Dieser ist auch nicht durch die Absicht durch die Feinde – durch die Natur durch alles zusamen gestorben  ; sondern dadurch daß er sich selbst Hinaus gesezt hat  : er sagte je suis l’ennemi de moi meme . – / Die näheren Carractere haben wir nur im Allgemeinen zu betrachten[ .] / Das Orientalische Reich geht vom Patriarchalischen Naturzustand aus –   23–24 und die … ist .] Ri  : Es gehört überhaupt noch eine hohe Ausbildung dazu das zusamenzuhalten –   27–585,5 Ihre religiöse … zusammen  ;] Ri  : Ihre Hauptreligion ist die Verehrung der Voreltern . Ihre Hauptbemühung ist das Studium nach­komen 18 Naturganzen] Naturgange   35M 1] im Ms einfach unterstrichen  

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dritter theil · sittlichkeit585

racter . Das HauptInteresse der Individuen ist , daß sie Nachkommen bekommen und diese beten bey den Gräbern ihrer Vorväter . | Der Mensch ist in der orientalischen Ansicht noch nicht zur selbstständigen , rechtlichen Persönlichkeit gekommen . Die weltliche Regierung und die Religion fallen noch zusammen  ; der oberste Herrscher ist zugleich der Gott , oder wenigstens der oberste Priester . Die Geschichte ist hier noch Poesie . Der orientalische Staat hat in dieser seiner Gediegenheit nicht die Unterschiede des Lebens in sich . Eben deswegen ist in ihm nichts festes und starkes , weder im Innern noch im Äussern . Sturz der Dynastien , Eroberungen die nur Zertrümmerungen sind . Ist unendliche Ruhe vorhanden , so entsteht Versinken in Schwäche und Ermattung , wodurch sodann | wieder ein anderes Volk angereizt wird zur Unterjochung desselben . Im persischen Reiche ist die orientalische Verfassung zur schönsten Ausbildung gekommen  : der Fürst ist das Licht , die Sonne des Staats und die Fürsten stehen um ihn als Sterne . Die Indier zählen an 333 000 Götter . Bey ihnen ist die Vermischung des Geistlichen und Natürlichen zu einem so hohen Grade gestiegen , daß sie zu keiner vernünftigen Organisation gediehen sind  : Sie haben einen Brahma oder Brahman , aber dieser hat keine Tempel . In den Juden und in dem Muhamedismus hat sich der Orientalismus auf die höchste Stufe erhoben . Die folgende Stufe ist das Erfassen , das Wissen der Substan |t  ialität . Das lärmende tobende asiatische Leben ist gemildert , aus der Erhabenheit zur Schönheit gefestigt  : Dies ist das griechische Reich . Die Griechen haben auch von Natur­ erscheinungen angefangen , aber die neuen Götter , die geistigen Götter haben die Titanen als die Naturgewalten gestürzt . Auf der anderen Seite haben die

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25 zu haben . Der Mensch ist hier nicht zu der Selbstständigkeit gegen die Thiere gekomen – ebenso

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wenig zur Selbstständigkeit der Individuen . Statsverfaßung und Religion sind nicht aus1ander –   6 Die Geschichte … Poesie .] Ri  : In dieser 1heit geht die Individuelle Persönlichkeit überhaupt unter . Die Natur ist nicht gegen ihn das Feste . Ihre Geschichte ist Poesie –   8–10 Eben deswegen … sind .] Ri  : Es ist deßwegen nichts stetes nichts festes – sein Leben nach Außen ist Verwüstung – Eroberungen wie Überschwemmungen .   12–17 Im persischen … sind  :] Ri  : In den Orientalischen Reichen – in Persien – ist die Schöne Naturanschauung zur Erscheinung gekommen[ .] | In diesem Zustand hat der Orientalismus das Griechenthum bereichert . In Indien sind 33 333 Götter . Es ist das Blumenvolk – Das erniedrigte Volk .   19–24 auf die … gestürzt .] Ri  : auf seine höchste Spize gehoben . / 2 . Griechisches Leben / Wißen der Substantialität Substantielles Leben als Grundlage – aber aus der Erhabenheit zur Schönheit befestigt . Die Griechen haben auch mit dem Naturdienst angefangen[ .] Sie haben die Titanen aber an die Grenze gestelt . Die Neuen Götter haben aber die Titanen gestürzt (die Götter des Bewußtseins)[ .]   6 wenigstens] wenig / stens   7 seiner Gediegenheit nicht] seine Gediegenheit , nicht  17–18 Brahman] BaraBrahma ,   20 Substan |t  ialität] ohne Trennungsstrich  

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Griechen jene alte Anschauungen aufbewahrt in Mysterien . Man hat so wohl auch vor Karl dem Großen und dem Mittel Alter einen großen Respekt , aber man lebt nach ganz anderer Weise[ .] So ist es auch den Griechen mit den Mysterien nicht wahrhaft Ernst . Der Unterschied , die Besonderheit tritt im griechischen Leben auf diese unbefangene Weise hervor , daß der griechische Geist in diese vielen besonderen Individualitäten | und ihre Götter zerfällt . Das innere letzte Beschließen ist den Orakeln anheimgestellt , und auf der anderen Seite ist die Sorge für die Bedürfnisse einem Sclavenstand übergeben . Das griechische Leben ist überhaupt das Leben der Schönheit , dieses schöne Leben hat vergehen müssen , weil es nicht den unendlichen Gegensatz in sich hatte . Das griechische Reich hat den höchsten Punkt in Athen erreicht . Demnächst erscheint es als Individualität in Alexander . Mit dem Tode Alexanders ist sein Reich nicht zerfallen , denn seinen Zweck hat es erreicht , das griechische Leben nämlich über Asien herrschend zu machen . Alexander ist der zweite Achill , der das zerfallene griechische Wesen noch einmal vereinigt hat . Vom ersten Achill heißt es , daß seine Mutter ihn in den | Lethe getaucht habe  : Alexander wurde vom Aristoteles in das reine Element des Gedankens getaucht . Das dritte Reich ist das römische Reich . Dieses ist die zweite Seite des Gegensatzes . Der griechische Geist hat der Form der Entgegensetzung weichen müssen . Das Besondere muß sich als Negatives entgegenstellen und das Bewußtseyn der Besonderheit muß hervortreten . Wir sehen in der römischen Welt gleich vom Anfang an eine Vereinigung edler Geschlechter , Priesterfamilien , und auf der anderen Seite eine Plebs . Auch bey den Griechen waren Eumolpiden , die aber mit dem übrigen Volke verschmolzen waren . Nach der Geschichte ist der Anfang des römischen Reichs eine Ver­ mischung mehrerer Völker gewesen . Ein | welthistorisches Volk muß gleich von 1–5 Man hat … hervor ,] Ri  : geheimnißvoll – aber verehrungswürdig . Sie sind aber ganz was anderes gewesen[ .] Im Griechischen Geiste ist es also daß das Princip der Persönlichen Individualität hervortrat[ .] Es trat der Unterschied darinn hervor aber auf diese unbefangene Weise   6–8 Das innere … Bedürfnisse] Ri  : Auch ist die höchste Entscheidung ein Orakel , Das Bedürfniß ist nicht der Freiheit angewiesen sondern  9–10 dieses schöne … hatte .] Ri  : Es konte sich aber nothwendig nicht halten und sein Fall ist als Verfall über es gekomen .   11–14 Demnächst erscheint … machen .] Ri  : Und alexander , indem er gegen die Orientalen gezogen  : man glaubt daß dadurch das Orientalische Reich seine Wißenschaften den Griechen Übergeben hat . –   16–18 Alexander wurde … Reich .] Ri  : so Alexander von Aristoteles ist auch in diesen Lethe der Speculation getaucht worden[ .] / | 3te Reich . Römisches Reich /   18–20 Der griechische … hervortreten .] Ri  : Der Griechische Geist hat der Entzweiung weichen müßen . Das besondere muß sich als besonderes dem besonderen entgegen stellen .   22–25 Auch bey … gewesen .] Ri  : Bei den Römern sehen wir solche edlen frommen Geschlechter andererseits bürgerliche Persönlichkeit . Nach der Geschichte ist der Anfang des Römischen Reiches aus mehreren Familien entstanden –  

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4 Besonderheit] Besonder / heit   6 ihre] ihrer   22 eine] einen   33 den] dem   39 Reiches] 40



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dritter theil · sittlichkeit587

vorn herein das Princip des Gegensatzes in sich haben . Die germanischen Völker erscheinen bey ihrem Auftreten auch als eine Mannigfaltigkeit von Völkern . Bey den Römern zeigte sich also sogleich der innere Gegensatz , von Fremden , höheren Geschlechtern und von Bürgern überhaupt . Wir finden hier schon den Gegensatz von Ständen . Die Geschichte Roms zeigt das Umschlagen des Ge­ gensatzes und das Freywerden des plebejischen Princips , daß nicht die Natur­ penaten das Wesentliche , Bestimmende und Herrschende sind , sondern die freye Persönlichkeit . Dieser Gegensatz war nur verknüpft in der Abstraction des Staats und dies macht die römische Tugend | aus , nur den Gesetzen dieses Staates zu gehorchen . Das Familienleben der Römer erscheint als ein in sich hartes und zerstörtes und die Familienpietät ist dem Staatsleben aufgeopfert . Zugleich tritt aber in der Weiblichkeit die hohe Würde hervor , wie wir an den Matronen sehen und an den vestalischen Jungfrauen[ .] Was Religiosität war , und die sittliche Gewalt der Aristokratie , ist demnächst zum Aberglauben geworden und zur rechtlosen Gewalt . Die freye Persönlichkeit ist zur Verworfenheit des Pöbels ausgegangen . Das Ganze hat sich geendigt in eine abstracte Allgemeinheit , wo die VolksGötter der verschiedenen Nationen in ein Pantheon zusammengebracht und damit zu besonderen Göttern heruntergesetzt | wurden . Die Individuen wurden eben so zu bloßen PrivatPersonen zusammengehalten durch einen Kaiser von ganz vollkommen ausgelassener wilder Gewalt . In diesem Unglück und allgemeinen Schmerz der Welt ist das Selbstbewußtseyn in sich zurückgedrängt worden . Es hat in der Wirklichkeit seine Idee nicht mehr ausgedrückt gefunden . Das

… Völkern .] Ri  : so auch die Germanischen Völker – es treten viele Namen auf von Völkern die sich vermischt haben –   3–6 von Fremden … Gegensatzes] Ri  : Wir sehen hier den Gegensaz von Ständen[ .] | Bei den Orientalen Kasten – bei den Griechen nur Freie und Sklaven . Die geschichte der Römischen Republik ist eben das Gegenseitige Zerschlagen des gegensazes  9–10 und dies … gehorchen .] Ri  : nicht in ein freies Leben – und eben dies macht die Römische virtus aus . Wir sehen in Rom den harten dienst der Bürger –   11–15 und die … Gewalt .] Ri  : und das inere Leben dem Statsdienst aufgeopfert . In den Römern trit die Weiblichkeit auf – der Adel der Matronen der Vestalinnen – diese sittlichkeit war nur auf das Weibliche beschränkt – nicht in der Familie vorhanden . Die Abstraktion des Staates ist es die sich durch den Römischen Stat überhaupt ausgebildet hatte . Einerseits Aristokratie und Plebejer andererseits – religiöse Anschauung und persönliche Freiheit – Was religiöse Anschauung war ist eben in Rom Aberglauben geworden und auf der anderen Seite ist | Persönliche Freiheit ausgeartet in einen Pöbel . Es hat sich so zerschlagen . – Die Individuen sind heruntergesezt worden zu bloßen Privat Personen wodurch das Privat Recht eine solche Ausbildung erhielt – Es ist ein Keiser unter ihnen – aber ein Willkührliches – und Aus gelaßenes –   22–588,1 Es hat … erfaßt .] Ri  : es hat in der Wirklichen Welt keine Ausbildung gefunden . Es hat sich erfaßt indem es in sich zurükgedrängt wurde .  

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25 1–2 Die germanischen 25

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Reicht  6 das Freywerden] des Freywerdens   12 Weiblichkeit] Wirklichkeit (vgl . Ri)  32 aus40 gebildet] sich ausgebldt   36 Willkührliches] Willkühr / lches  

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Selbstbewußtseyn hat so sich selbst erfaßt . Dies sehen wir in den Systemen des Stoicismus , des Epikuräismus und des Scepticismus . In diesem Schmerz hat das Bewußtseyn sich selbst erfaßt und sich gewußt als dasjenige , in welchem der ­Gegensatz enthalten ist , und in welchem somit die Totalität ist . Es ist so die Idee der Menschwerdung Gottes unter den Völkern erschienen und die Einheit der göttlichen und menschlichen Natur in ihnen zur An­schau |u   ng gekommen . Das Selbstbewußtseyn indem es die Entgegensetzung weiß , ist das sich Zusammenhalten , und sich somit als Totalität erfassen . Dieses Bewußtseyn nun , daß das Göttliche wirklich und gegenwärtig ist , macht den Menschen selbst zu einem Göttlichen . Dies Bewußtseyn zu welchem die Zerrüttung der römischen Welt den Boden bereitet hat , war nicht ihr zur Ausführung übertragen , sondern dem nordischen Princip des germanischen Volkes . Das Kreuz ist so zum Princip der Welt erhöht worden , das Zeichen der Verachtung und der Niedrigkeit . Das Selbstbewußtseyn ist so zur Anschauung gekommen , daß das Jenseits auch das Diesseits ist . Das Verachtete , das Menschliche überhaupt hat sich so erfaßt in seiner Unendlichkeit . Das | germanische Volk hat das Princip der Welt durchzuführen . Dies ist das Princip der Versöhnung Gottes und der Welt . Diese Versöhnung war jezt bestimmt zur Gestalt der Welt . Dieses Princip ist das Princip der Wahrheit  ; daß die Realität dem Begriff entspricht , dies ist die Wahrheit , und diese ist die Freyheit . Gott wird nicht als Geist gefaßt , wenn er nicht als die Dreiheit gefaßt wird , als das aus der Entgegensetzung in sich Zurückkehrende . Die Wahrheit ist noch nicht realisirt . Die Wirklichkeit ist erst für sich als ein weltliches Reich aufgestanden . Damit die Wahrheit verwirklicht werde , dazu gehört großer Kampf und Arbeit . Auf der einen Seite stand das Reich der Kirche , auf der anderen das weltliche Reich . Dieses weltliche Reich ist aus dem Gemüth als solchem | entstanden . Das 2–4 In diesem … ist .] Ri  : In diesem Schmerz hat es sich selbst erfaßt – es hat seinen Schmerz erfaßt  : oder es hat sich gewußt als das in dem der Gegensaz selbst ist und hat ihn erfaßt .   6–13 Das Selbstbewußtseyn … Niedrigkeit .] Ri  : Das Selbstbewußtsein indem | es seinen Gegensaz faßt indem es sich weis so ist es damit eben das sich selbst erfaßen . Das Bewußtsein daß das Göttliche Selbst eines ist mit dem Menschlichen ist in den Menschen gekomen – indem der Mensch das ergreift so ist er selbst ein Göttliches[ .] Dies ist nothwendig einem anderen Volk übertragen worden dem  : / Germanischen . / Das Kreuz der Schmerz ist nun als das Verehrteste geworden – Was das Verachtetste war ist das höchste geworden .   16–18 Dies ist … Welt .] Ri  : Das Princip ist die Versöhnung Gottes mit der Welt sie sind nicht fremde gegen 1ander –   19–21 dies ist … Zurückkehrende .] Ri  : Diese Wahrheit ist dem menschen ge­offen |b  art – der Sohn ist herausgetreten und hat sich mit Got vereint und ist so Geist geworden .   23 Damit die … werde ,] Ri  : Die Welt ist der Wahrheit nicht angemeßen  25 Dieses weltliche … entstanden .] Ri  : Der Zwek war beide zu vereinen . Das Weltliche Reich ist aus dem Norden entsprungen und zwar aus dem gemüth –  

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1 Selbstbewußtseyn] Selbstbewußt / seyn   4 welchem] welchen   6 Anschau |u   ng] Anschau- |  schauung  11 ihr] ihm   25 solchem] solchen  30 ist 2 ] ist ist   40



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dritter theil · sittlichkeit589

Reich ist ursprünglich gebaut auf die Treue , auf freye Genossenschaften . Dies Verhältniß des Gemüths hat nicht ein so Gemüthliches bleiben können , denn die Vernünftigkeit muß in der Form des Gedankens , der Allgemeinheit , des Gesetzes hervortreten . In diesem weltlichen Reiche sind nach der Be­g riffs­bestim­mung die verschiedenen Stände hervorgegangen . Es hat sich die besondere Subjectivität aus jenem Gemüthlichen entwickelt , aber zugleich als ein Gemeinschaftliches als Genossenschaft . Dasjenige , was Platon in seiner Republik fordert , Unterschied der Stände ist wirklich geworden im germanischen Reiche . Die Entwickelung ist nun einerseits diese , daß die besondern | Genossenschaften sich unabhängig gemacht , und die Einheit des Staats zertrümmert ha­ ben , während auf der andern Seite , die Staatsgewalt das Uebergewicht über die Besonderheit erhalten hat . Das Erstere sehen wir an Italien und auch an Teutschland , das Letztere an Spanien und Frankreich . Sodann haben sich das Reich der Kirche und das weltliche Reich an einander zerschlagen . Das kirchliche Reich hat sich selbst zu einem Reiche der Selbstsucht und der Laster degradirt . Dagegen hat auf der anderen Seite das weltliche Reich den Gedanken in sich ausgebildet . Der Gedanke hat im weltlichen Reiche entstehen müssen . Das weitere Schicksal ist gewesen daß , was an sich vorhanden war , der Unterschied von politischen Ständen , nun auch durch den Gedanken bestimmt wurde . Die Unterschiede | überhaupt waren im positiven Rechte zum Theil verknöchert . Die neuere Zeit hat das an sich Vernünftige und Vollbrachte durch den Gedanken bestimmt , und zugleich das Positive von seinem Staub und Rost entkleidet . Dies ist nichts anderes als das Grundprincip der Philosophie , das freye Erkennen der Wahrheit , entkleidet von der Zufälligkeit . – Die Zeit hat gegenwärtig nichts anderes zu thun , als das was vorhanden ist , zu erkennen und somit dem Gedanken gemäß zu machen . Dies ist der Weg der Philosophie .  |

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5–7 Es hat … Genossenschaft .] Ri  : diese machen die Grundprincipien des | Germanischen Princips . Die Einzelnheit hat die Form der Allgemeinheit angenomen .   14–15 Das kirchliche … degra­ dirt .] Ri  : Das Reich der Kirche ist weltlich geworden und hat sich so heruntergesezt .   20–26 Die 30 neuere … Philosophie .] Ri  : Die Neue Zeit ist nichts als daß was das Germanische Princip ist den 35 Gedanken aufgenommen hat . Das ist eben die neue | Zeit gewesen . Vernünftige Organisation die erfodert daß der Gedanke sich erfaßt . Es ist nun nichts anderes zu thun als das was vorhanden ist zu erfaßen und damit dem Gedanken gemäß zu machen . Dies ist auch der Weg der Philosophie . / Finitum den 17ten März 1820 35 4 die] der

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nachschrift ringier anonymus · 1819/20

Inhalts Anzeige Seite Einleitung  1 . Uebersicht der Wissenschaft  10 . Erster Theil . Das abstracte Recht .  37 . 1stes Kapitel . Das Eigenthum  43 . 2tes Kapitel . Der Vertrag  66 . 3tes Kapitel . Das Unrecht  71 . Zweyter Theil . Die Moralität  86 . 1stes Kapitel . Handlung und Vorsatz .  89 . 2tes Kapitel . Wohl und Absicht  95 . 3tes Kapitel . Das Gute und das Gewissen .  107 . Dritter Theil . Die Sittlichkeit  162 . 1stes Kapitel . Die Familie  178 . a , Die Ehe  183 . b , Eigenthum der Familie  216 . c  , Auflösung der Familie .  219 . tes 2 Kapitel Die bürgerliche | Seite  : Gesellschaft  230 . a , Das System der Bedürfnisse  243 . b , Die Rechtspflege  287 . c , Die Polizey  332 . 3tes Kapitel . Der Staat .  384 . a , Das innere Staatsrecht .  432 . α Die fürstliche Gewalt  464 . β , Die RegierungsGewalt  504 . γ . Die gesetzgebende Gewalt  517 . b , Das äußere Staatsrecht .  570 . c  , Die Weltgeschichte 575 .

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Bei den Seitenangaben in margine , im Variantenapparat sowie im Textkritischen Apparat werden folgende Siglen verwandt  : A B  ; AB Ri  ; Ri Wa  ; Wa

Nachschrift Anonymus (Bloomington) Nachschrift Ringier Nachschrift Wannenmann

* Verantwortlich für die abschließende Textredaktion dieses Bandes ist Klaus Grotsch .