Vetternwirtschaft: Briefwechsel zwischen Friedrich II. und Luise Dorothea von Sachsen-Gotha. Aus dem Französischen übersetzt [1 ed.] 9783428535859, 9783428135851

»Vetternwirtschaft« – der Titel unserer Auswahl erstmals übersetzter Briefe von Friedrich II. und Luise Dorothea von Sac

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Vetternwirtschaft: Briefwechsel zwischen Friedrich II. und Luise Dorothea von Sachsen-Gotha. Aus dem Französischen übersetzt [1 ed.]
 9783428535859, 9783428135851

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Vetternwirtschaft Briefwechsel zwischen Friedrich II. und Luise Dorothea von Sachsen-Gotha

Herausgegeben von Günter Berger und Julia Wassermann

Duncker & Humblot . Berlin

Vetternwirtschaft

Vetternwirtschaft Briefwechsel zwischen Friedrich II. und Luise Dorothea von Sachsen-Gotha Aus dem Französischen übersetzt

Herausgegeben von Günter Berger und Julia Wassermann

Duncker & Humblot · Berlin

Die Veröffentlichung wurde gefördert durch die Stiftung Preußische Seehandlung, Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagbild: Brief von Friedrich II. an Luise Dorothea von Sachsen-Gotha vom 26. 4. 1764 (im Band Brief Nr. 94) # Thüringisches Staatsarchiv Gotha, Geheimes Archiv E XIIIa Nr. 15 Bl. 68 Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten # 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISBN 978-3-428-13585-1 (Print) ISBN 978-3-428-53585-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-83585-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 * ∞ Internet: http://www.duncker-humblot.de

Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Briefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240

Einleitung Schreibanlässe Als im Sommer des Jahres 1740 der briefliche Austausch zwischen dem 27-jährigen Preußenkönig Friedrich II. und der zwei Jahre älteren Luise Dorothea einsetzt, ist es nicht etwa die Herzogin des kleinen Fürstentums von Sachsen-Gotha-Altenburg, von der die Initiative ausgeht, obwohl es dazu durchaus Anlass gegeben hätte: Immerhin war die aus Sachsen-Meiningen stammende Luise Dorothea nach dem frühen Tod ihrer Mutter von ihrer Stiefmutter Elisabeth Sophie aus dem Hause Brandenburg erzogen worden,1 so dass sie schon aus dieser Nähe zu Brandenburg-Preußen einigen Grund gehabt hätte, dem ‚Salomon des Nordens‘ zu seinem Regierungsantritt im Mai dieses Jahres zu gratulieren. Stattdessen ist es der vermeintliche Friedensfürst auf dem Preußenthron, der – schließlich ist ja, wie wir spätestens seit Heraklit wissen, der Krieg der Vater aller Dinge – in einem nicht erhaltenen Brief die Initiative ergreift und die Herzogin auffordert, ihm Soldaten zu stellen.2 Dass die Reaktion auf diese erste Aufforderung, Truppen zu stellen, ebenso wenig enthusiastisch ausfällt wie diejenigen auf spätere Maßnahmen des Königs zur Rekrutierung Gothaer Landeskinder, ist verständlich, soll aber hier nicht weiter diskutiert werden. Nichts weist zunächst auf einen intensiven Briefwechsel und vielfältigen, ausgedehnten Meinungsaustausch zwischen den beiden Korrespondenten hin, stammt doch der nächste erhaltene Brief erst vom 26. 2. 1746 (unser Brief 2), in dem die Herzogin – nach mehr als fünf Jahren zäher Verhandlungen – die Stellung von Rekruten bestätigt. Nach Raschke, Französische Aufklärung bei Hofe, S. 24. Dieser Brief wird von Cotoni, S. 93 auf Grundlage der Antwort der Herzogin vom 25. 8. 1740, vgl. unseren Brief 1, rekonstruiert. 1 2

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Mehr als zwei Jahre später sind es die Interessen ihres Herzogtums im Erbfolgestreit um Weimar nach dem Tod des Herzogs Ernst August im Januar 1748,3 die Luise Dorothea dazu veranlassen, den Briefwechsel neu anzuknüpfen und den mächtigen Preußenkönig um Beistand in diesem Konflikt zu bitten (Brief 3 vom 4. 4. 1748). Auch im Fall dieses Hilfeersuchens kommt die Reaktion nicht gerade euphorisch daher – aller auf der Textoberfläche bekundeten Hilfsbereitschaft und herausgestellten Hilfeleistung zum Trotz.4 Bis zur endgültigen Beilegung dieses Streits Ende des Jahres 1749 folgen nur noch wenige Briefe und danach ein langes Schweigen, das nun wiederum Friedrich bricht, als er 1756 die Gothaer Herzogin um Unterstützung seines in einen Prozess verwickelten Ministers Gotter ersucht (Brief 8 vom 27. 4. 1756). Dass die Korrespondenz erst im September 1757 so recht in Gang kommt – wiederum auf Initiative Friedrichs – nach seinem Besuch in Gotha anlässlich der Befreiung der Stadt von ihren ungebetenen Gästen aus Frankreich und Österreich,5 lässt sich möglicherweise auch damit erklären, dass die Herzogin Voltaire nach dessen unrühmlichen Abgang aus Berlin Ende März 1753 gastfreundlich aufgenommen hatte.6 Und diese freundschaftliche Geste gegenüber dem aus Friedrichs Sicht flüchtigen Dieb und Betrüger dürfte ihr längeren Groll seitens des mächtigen Herrschers eingetragen haben. Auch nach Ende des Siebenjährigen Krieges und dem damit verbundenen Ende der militärisch-politischen Interessengemeinschaft der beiden Briefpartner dauert ihr Austausch, mit verändertem Themenschwerpunkt, zunächst fort, um erst mit Beginn des Jahres 1765 drastisch nachzulassen – vielleicht wegen der fortschreitenVgl. Cotoni, Introduction, S. 17. Vgl. Brief 4 vom 20. 4. 1748 mit Anm. 2, aus der erhellt, in welchen Grenzen Friedrich seine Unterstützungsbereitschaft aus reichspolitischen und strategischen Gesichtspunkten heraus zu halten gedenkt. 5 Vgl. Cotoni, S. 106, Anm. 2 zum Brief vom 16. 9. 1757. 6 Voltaire hielt sich nach einer Zwischenstation in Leipzig vom 22. 4. – 25. 5. 1753 in Gotha auf (vgl. Raschke, Französische Aufklärung bei Hofe, S. 36) und preist sein dortiges Asyl im Rückblick als „Tempel der Grazien, der Vernunft, des Geistes, der Wohltätigkeit und des Friedens“ in seinem Brief aus Wabern bei Kassel vom 28. 5. 1753, zit. nach Raschke (Hrsg.), Der Briefwechsel, S. 6. 3 4

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den Krankheit Luise Dorotheas, von der von diesem Zeitpunkt an bis zu ihrem Tode am 22. Oktober 1767 nur noch eine Handvoll Briefe an den Cousin überliefert sind.

Schreibformen Wie stark der briefliche Austausch von ihren jeweiligen durchaus unterschiedlichen Interessen geprägt ist, bleibt unter der glatten Oberfläche der Normen und Konventionen des Briefschreibens im höfisch-höflichen Zeitalter eher verborgen. Das Besondere dieser Korrespondenz zwischen ‚Cousin‘ und ‚Cousine‘ – insbesondere Friedrich verzichtet ganz selten auf diesen verwandtschaftliche Nähe signalisierenden Titel – ist ihr Zwischenstatus: Es handelt sich weder um einen offiziellen politischen Briefverkehr zwischen Amtsträgern oder Reichsfürsten noch um rein privat-familiäre Briefe zwischen Freunden, Verwandten, Gleichgesinnten. Zwar ist Friedrich immer „Sire“, immer „Majestät“ als König von Brandenburg-Preußen,7 ist Luise Dorothea immer „Hoheit“ als Herzogin von Sachsen-Gotha-Altenburg, aber diese höfisch-höfliche Distanz wird auch immer wieder besonders von Friedrich als dem Ranghöheren überbrückt von Signalen der Nähe wie „meine liebenswerte Herzogin“ (Briefe 54, 56 usw.), oder auch „meine liebe Herzogin“ (Briefe 56, 61 usw.) bis hin zur Inszenierung von Freundschaft (z. B. Brief 61). Als die Rangniedere kann Luise Dorothea derart deutliche Nähesignale nicht aussenden, muss den Abstand immer in gebührender Form wahren, kann ihn allenfalls leicht verringern und übertünchen, indem sie ihn als „unseren besten Freund“ (Brief 32) preist; aber natürlich heißt dies nicht bedingungslose Freundschaft um der Freundschaft willen, sondern steht in engster Nachbarschaft zu der Schutzfunktion des mächtigen Preußenkönigs als „Befreier“, als „mächtige Stütze der deutschen Freiheit“ (ebd.). Und auch dann, wenn sie Friedrich in einer immer wiederkehrenden Schlussformel ihrer „unverbrüchlichen Verbundenheit“ versichert, ist diese Verbun7 Dieser Tatsache ist sich Friedrich auch in seiner Korrespondenz mit den Literaten seiner Zeit immer bewusst, vgl. Wehinger, Zur literarischen Korrespondenz Friedrichs II., S. 70.

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denheit von Interesse geleitet, ist gebunden an die Gewährung des Schutzes durch Friedrich. Andererseits präsentiert sich diese Korrespondenz durchaus entlastet von den Zwängen und Grenzen diplomatischen und politischen Briefverkehrs, stellt sich als Fortsetzung scherzhaft-plaudernder Konversation dar: So schreibt Friedrich am 12. 3. 1760 (Brief 25): „Ich schäme mich meiner Plauderei und aller Kindereien, die ich Ihnen mitteile […] ich glaubte, Konversation mit Ihnen zu betreiben […]“ Und diese launige Bemerkung schließt ganz ernsthafte Reflexionen des Königs über die Rolle des Zufalls im Geschichtsverlauf im Allgemeinen und die aktuelle politische Lage im Besonderen ab. Doch wie die höfische Konversation, so schließt auch der privat-familiäre Brief als ihre schriftliche Verlängerung Ernsthaftigkeit, Systematik, Gelehrsamkeit aus. Wenn einmal, wie angesichts dieser Reflexionen, ein solcher Verdacht auf Pedanterie aufkommen könnte, gilt es, ihn umgehend über den Plauderton zu entkräften.8 Dieser Entlastung von Ernsthaftigkeit dienen vor allem auch Anekdoten, die beide Briefpartner, mit besonderer Meisterschaft aber Friedrich, immer wieder einflechten. Geradezu als running gag dient ihnen der strenge Glaubenseifer des Vizepräsidenten des Gothaer Oberkonsistoriums Cyprianus, der in zahlreichen Briefen (35, 86 – 88, 94, 95, 97, 99, 100) als Spottfigur herhalten muss. Aber Luise Dorothea spielt mit Friedrich nicht nur dieses boshaft-scherzhafte Spiel mit: Gelegentlich greift sie wie in Brief 74 – bezeichnenderweise unmittelbar nach Ende des Siebenjährigen Krieges – Friedrichs „reizenden Ton des Scherzens“ auf, wenn er sie als „Jungfrau Maria“ apostrophiert, um ihn ihrerseits als ihre „Schutzgottheit“ zu preisen. Doch insgesamt kann oder will die Gothaer Herzogin angesichts ihrer Position der Inferiorität in Variation, Bandbreite und Häufigkeit des Plaudertons mit Friedrich nicht mithalten. Dies gilt insbesondere für eine sehr spezifische Form der Verlängerung mündlicher Konversation in den Brief hinein, wie er dies in Form der Inszenierung eines fiktiven Dialogs mit der eng mit der Herzogin befreundeten Frau von Buchwald (Brief 72) oder in höchst spöttischem Ton mit Melchior Grimm (Brief 85) betreibt – mit dem bezeichnenden Un8 Aus dieser ästhetischen Position heraus macht er sich über Gelehrte vom Schlage eines Gottsched lustig (Brief 41).

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terschied freilich, dass er Frau von Buchwald, nicht aber Grimm zu Worte kommen lässt. Lassen wir nochmals Friedrich selbst sein Hohelied auf ideale höfische Konversation singen, wie er sie am Hof von Gotha verwirklicht sieht (Brief 63): […] wo Freiheit mit Zurückhaltung einhergeht, wo Gelehrsamkeit ohne Auftrumpfen aufscheint, die Würze des Scherzens ohne üble Nachrede, Höflichkeit ohne Geziertheit und der Hof ohne lärmendes Treiben.

Schreibthemen Wie schon die Anlässe zum Schreiben gezeigt haben, ist der Krieg – und hier vor allem der Siebenjährige Krieg – Auslöser und Motor des schriftlichen Meinungsaustauschs und damit selbstverständlich auch der zentrale Gegenstand des Schreibens beider Briefpartner von 1757 – 1763. Indirekt ist aber, wie schon gesehen, der Krieg mit der Aufforderung des Preußenkönigs an die Herzogin, Rekruten zu stellen und der zögerlichen, hinhaltenden Reaktion der ‚Cousine‘ (Brief 1 vom 25. 8. 1740) sowie – nach mehr als fünf Jahren – der endgültigen Erfüllung dieser Zusage (Brief 2 vom 26. 2. 1746) von Anfang an im Fokus dieser zweckorientierten Brieffreundschaft. Noch am Ende des Siebenjährigen Krieges erweist sich Friedrich als nicht gerade zimperlich im Umgang mit seinem Gothaer Bündnispartner, wenn er Zwangsrekrutierungen in Altenburg vornehmen lässt, über deren rüde, erpresserische Formen, deren Exzesse bis zu Erschießungsandrohungen reichen, sich Luise Dorothea beschwert (Brief 46 vom 25. 11. 1762). In geradezu klassischer Manier entschuldigt sich Friedrich für die Exzesse, schiebt die Verantwortung dafür auf untere Chargen ab, bleibt jedoch in der Sache hart, im klaren Wissen darum, dass bei seiner menschenverachtenden Form der Kriegsführung9 „keine Ware oder Münze unbedingt notwendiger ist als die der Menschen“ (Brief 47 vom 9 Allein in der Schlacht bei Zorndorf am 25. 8. 1758 betrugen die preußischen Verluste mit 12.800 Mann fast ein Drittel der Truppen, vgl. Kunisch, Friedrich der Große, S. 391.

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29. 11. 1762). Wenn Friedrich dann im Folgenden seiner „Frau Cousine“ empfiehlt, sich doch beim Reichstag in Regensburg über das brutale Vorgehen seiner Untergebenen zu beschweren, kann ihr das nur als blanker Zynismus vorkommen, auch wenn aus ihren folgenden Briefen keinerlei Beschwerden oder Misshelligkeiten mehr herauszulesen sind, sondern ganz im Gegenteil intensive Bemühungen aufscheinen, bei der Vermittlung von Friedensvorbereitungen eine aktive Rolle zu spielen (Briefe 49 / 50 vom Dezember 1762). Diese aktive Rolle hatte Luise Dorothea, als Schwägerin der Prinzessin von Wales, schon seit März 1760 zu spielen versucht (Brief 29 vom 28. 3. 1760),10 war aber von Friedrich mit höflichen Worten vertröstet worden (Brief 31 vom 1. 4. 1760). Erst am 8. Dezember 1762 darf Luise Dorothea ihren heißersehnten Vermittlungsbrief (Brief 49) nach London schreiben, muss aber dem Preußenkönig den entsprechenden Entwurf vorlegen, bittet schließlich in ihrer demütigen Verzweiflung ihn darum, ihr diesen Entwurf selbst zu diktieren (Brief 50 vom 13. 12. 1762); doch am Ende scheinen all ihre Offerten und Mühen fruchtlos: Höflich, aber mit fadenscheinigen Begründungen weist der König ihr Vermittlungsangebot von der Warte höherer politischer Einsicht zurück (Brief 51 vom 15. 12. 1762). Dann aber (Brief 54 vom 27. 12. 1762) stimmt er plötzlich ihrem Vermittlungsversuch zu – aber da war der Präliminarfrieden mit England am 3. 11. 1762 längst geschlossen und die am 30. 12. 1762 begonnenen Verhandlungen in Hubertusburg standen unmittelbar vor der Tür. Von daher gab es nichts mehr zu vermitteln.11 Anders steht es mit Luise Dorotheas Rolle als Vermittlerin zwischen Preußen und Frankreich, die darin von Voltaire aktiv unterstützt wird. Besser gesagt: Sie unterstützt als eine Art Briefkasten und Relaisstation die über Voltaire laufende Geheimdiplomatie zwischen Berlin und Paris, deren Bedeutung etliche Briefe über einen langen Zeitraum vom September 1759 bis März 1760 unter10 Im Grunde hatte sich Luise Dorothea schon im Januar 1758 (Brief 12) als mögliche Vermittlerin ins Spiel gebracht, insofern sie Friedrich ihr Insiderwissen über Geheimverhandlungen zwischen England und Frankreich andient. 11 Vgl. Füssel, Der Siebenjährige Krieg, S. 85, 88.

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streichen. Auch wenn Friedrich in diesem Zusammenhang gegenüber der Herzogin von Anfang an (so im Brief 18 vom 18. 12. 1759) seinen Friedenswillen betont und den geheimen Briefverkehr als ein probates Mittel preist, um dieses hehre Ziel zu erreichen, so dient ihm diese Form der Geheimdiplomatie letztlich dazu, die jeweilige Stimmung im feindlichen Lager zu sondieren und seine eigenen Intentionen zu verschleiern, die im Grunde auf die Vernichtung seiner Feinde auf dem Schlachtfeld und einen ruhmreichen Frieden abzielen, der möglichst viele seiner Eroberungen seit den beiden Schlesienkriegen bestätigt.12 Wie gegenüber der gesamten Öffentlichkeit inszeniert sich Friedrich auch gegenüber Luise Dorothea als Befreier Deutschlands (Briefe 10, 25), die ihn nach Kriegsende entsprechend als providentiellen Retter Deutschlands vor Aberglauben und Despotismus feiert (Brief 84 vom 6. 8. 1763). Damit erhält Friedrichs Krieg, in dem es ihm im Wesentlichen um Macht, Machterhaltung und Größe geht,13 eine ideologische Überhöhung und Rechtfertigung seiner eigentlichen Intentionen. Dieser Rechtfertigung dienen natürlich ebenfalls seine auch in dieser Korrespondenz an die Adresse seiner Feinde gerichteten Schuldzuweisungen mit Blick auf brutale Kriegsführung (Brief 42 vom 23. 2. 1761) und Ausplünderung des eigenen Landes (Brief 72 vom 19. 2. 1763). Größe aber schreibt ihm die Herzogin immer wieder zu, sei es im Sinne politisch-militärischer (vgl. Briefe 24, 43, 55 usw.), sei es im Sinne moralischer (vgl. Briefe 26, 38 usw.) Größe. Größe, das heißt in der politisch-militärischen Auseinandersetzung neben raffiniertem politischem Kalkül und genialer Schlachtenführung persönlicher Einsatz, persönliches Risiko im Kampf selbst, die der Preußenkönig als Roi-Connétable, als König, der zugleich sein eigener Feldherr ist, auch propagandistisch nutzt. So etwa seine leichte Verletzung, in der Schlacht bei Torgau am 3. 11. 1760, von der Luise 12 Dem steht auch seine in Brief 45 am 2. 11. 1762 geäußerte Überzeugung nur scheinbar entgegen, nur solche Siege seien zu begrüßen, die zum Frieden führten, alles andere sei nur Abschlachten. Denn seine Strategie zielte über weite Strecken des Krieges im Gegensatz zur damals herrschenden Defensivstrategie auf Offensive in – dann notwendig verlustreichen – Schlachten, in denen bewusst auch hohe eigene Verluste einkalkuliert waren, vgl. Kunisch, Friedrich der Große, S. 406 f. 13 Hierzu jetzt Luh, Friedrichs Wille zur Größe.

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Dorothea aus den Magdeburger Nachrichten erfährt, deren Bericht gewiss nicht ohne Friedrichs Zutun zustande kam. Für die Herzogin kommt dieser Sieg bei Torgau angesichts der Besetzung des eigenen Landes durch französische Truppen nicht nur zur rechten Zeit, sondern erscheint ihr geradezu als ein Werk göttlicher Providenz (Brief 84 vom 6. 8. 1763). Und überhaupt sieht Luise Dorothea bei Friedrichs Siegen und Erfolgen prinzipiell die göttliche Providenz am Werk, sieht ihn geradezu als Werkzeug Gottes an (Brief 52 vom 18. 12. 1762). Friedrich selbst sieht freilich, dass in solch „verzweifelten Situationen“ allenfalls „ein glücklicher Zufall“ waltet (Brief 39 vom 4. 12. 1760). Das Schlachtenglück, die militärische Fortune, die der König immer wieder herausfordert, hat nach seiner Überzeugung nichts mit der Vorsehung eines Gottes zu tun, dem die irdischen Belange gleichgültig sind, der nicht in irdisches Geschehen eingreift, das demgemäß auch nicht nach den Gesetzen göttlicher Gerechtigkeit abläuft (Briefe 25, 31 und insbesondere Brief 33). Der Siebenjährige Krieg ist nicht nur – in zuvor unvorstellbarer Form – ein Krieg der Schlachten, sondern ebenso ein Krieg der Worte und der Schriften, wie jüngst Manfred Schort gezeigt hat.14 In diesem Propagandakrieg setzt der Preußenkönig anders als seine Gegner nicht auf Pamphletisten, sondern greift selbst mit spitzer Feder ein, um den österreichischen Feldmarschall Daun lächerlich zu machen. Neben diesem Pamphlet zur angeblichen Segnung des Schwertes Dauns in einem dem Papst untergeschobenen Breve, auf das Luise Dorothea im 34. Brief vom 2. 5. 1760 anspielt, bestätigt sie dort ebenfalls die Lektüre seiner „Relation de Phihihu“, die ihr Friedrich zwei Monate vorher geschickt hatte (Brief 23).15 Ihre Begeisterung über die Lektüre dieser im Gewand eines Briefromans daherkommenden Spottschrift über den Papst und den katholischen Glauben, der Friedrich selbst durchaus eine Langzeitwirkung zutraute,16 dürfte die österreichische Seite kaum In seiner Dissertation Politik und Propaganda. Den Erhalt der Schrift mit einer ersten, positiven Kurzeinschätzung hatte Luise Dorothea schon am 9. März, vier Tage nach Friedrichs Sendedatum bestätigt (Brief 24). 16 Wie er in diesem Brief selbst formuliert: „Diese Saat geht nicht sofort auf; manchmal trägt sie mit der Zeit Früchte.“ 14 15

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geteilt haben. Dasselbe gilt, in diesem Fall speziell für Maria Theresia, für die „Lettre de la Marquise de Pompadour“, die Friedrich, ermuntert durch die freundliche Aufnahme seiner „Chinesischen Briefe“ (die „Relation de Phihihu“), seiner Gothaer Korrespondentin nur wenige Tage später am 8. Mai 1760 (Brief 35) schickt. Die bekanntlich hochmoralische, kinderreiche Maria Theresia dürfte recht wenig von einem solchen Brief gehalten haben, der in den Mund der Mätresse die Aufforderung legt, sie möge angesichts der Toleranz des Papsttums gegenüber der allbekannten Sittenlosigkeit in Rom ihrerseits Toleranz gegenüber einer nicht durch das Sakrament der Ehe geheiligen Verbindung üben.17 Was bezweckte Friedrich mit der Verteilung dieser Propagandaschriften an die Fürstin aus Gotha? Um sie bei der Stange zu halten, verfügte er über ganz andere politisch-militärische Druckmittel; das Urteil einer hochgebildeten Herrscherin auch über solche Produkte seines Geistes war ihm gewiss nicht gleichgültig. Entscheidend aber dürfte gewesen sein, sich im Gegensatz zu seinen politischen Kontrahenten nicht allein als ein Mann der Macht, sondern auch als ein Mann des Geistes zu zeigen. In diesen Schriften kommt Friedrichs Esprit zwar eine gegenüber der Macht dienende Funktion zu, aber bloß schmückendes Beiwerk ist er deswegen nicht.18 Der Kontrolle ihres Esprit, ihrer Urteilskraft im Sinne der Aufklärung, ihrer Bildung und ihres Geschmacks unterwerfen Friedrich wie seine Gothaer Cousine auch die Schriften der Aufklärer aus Frankreich. Über geistige Produkte aus Deutschland sehen sie von der hohen Warte höfischer frankophoner und frankophiler Kultur selbstverständlich hinweg.19 Zwar konzentriert sich ihr Meinungsaustausch über Aufklärungsliteratur verständlicherweise auf die Zeit nach Ende des Siebenjährigen Krieges. Doch ausnahmsweise findet Friedrich einmal 17 Vgl. Schort, Politik und Propaganda, S. 273 f. Zur Verbreitung des Pamphlets vgl. Knoll (Hrsg.), Friedrich II. König von Preußen. Totengespräch, S. 40 – 42. 18 Hier ist nochmals zu verweisen auf den von Brunhilde Wehinger herausgegebenen Band Geist und Macht, der freilich im Titel symbolisch dem Geist den Primat zuspricht. 19 Von einer spöttischen Bemerkung über Gottsched abgesehen (Brief 41 vom 12. 1. 1761).

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mitten im Krieg, nicht lange vor der in der europäischen Öffentlichkeit heftig kritisierten Belagerung und Beschießung von Dresden, die Muße, sich ausführlich negativ zu David Humes „Natural History of Religion“ zu äußern (Brief 35 vom 8. 5. 1760), wonach ihn die Herzogin Ende März (Brief 27) gefragt hatte. Was Friedrich dem englischen Philosophen, dessen Werk er natürlich in französischer Sprache gelesen hat,20 vorwirft, ist neben Widersprüchen in der Argumentation seine Abhängigkeit von Positionen des Frühaufklärers John Locke (1632 – 1704), mangelnde Originalität also. In dieselbe Kerbe haut er erstaunlicherweise auch in seiner Kritik an Rousseaus „Emile“ (1762), dessen Erziehungsprinzipien auch ein halbes Jahr nach seinem Erscheinen natürlich noch keinesfalls gängige Münze waren (Brief 67 vom 10. 2. 1763), wie Luise Dorotheas Antwort zwei Tage später (Brief 68) indirekt bezeugt, die einzig die im vierten Band des Werkes mit der „Profession de foi du vicaire savoyard“ formulierte Kritik an orthodoxen Glaubenspositionen halbwegs goutiert. Ästhetisch stark von den Stilnormen der Klassik geprägt, die sie noch bei Montesquieu und Voltaire (geboren 1689 bzw. 1694) vorfinden, ideologisch noch an Positionen der Frühaufklärung orientiert, wie sie von Pierre Bayle und John Locke repräsentiert werden, hindert diese Sozialisierung beide daran, Vertretern der Spätaufklärung gerecht zu werden. Wie stark er dem Skeptizismus eines Pierre Bayle verpflichtet ist, zeigt seine Ankündigung Anfang Oktober 1764 (Brief 99), dessen Dictionnaire historique et critique (1696 / 97) in Form von Auszügen, die sich auf dessen philosophische Artikel beschränken, neu herauszubringen.21 Voltaire ist zwar im Wesentlichen als Friedensvermittler in ihrer Korrespondenz präsent; doch immerhin diskutieren beide ein 1763 erschienenes Werk dieses „Apostels des Unglaubens“, wie ihn Friedrich anerkennend nennt (Brief 86 vom 14. 8. 1763), den „Catéchisme de l’honnête homme“, der aus Sicht des Philosophen 20 Eine französische Übersetzung des Werks war unter dem Titel „Histoire naturelle de la religion“ 1759 in Amsterdam erschienen. 21 Der hier angekündigte Auszug erscheint 1765 in Berlin, vgl. Baillot / Wehinger (Hrsg.), Friedrich der Große: Philosophische Schriften, S. 496, die das Vorwort Friedrichs zu diesem Auszug hier S. 305 – 313 zweisprachig neu herausgeben.

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auf dem Königsthron gar das Zeug hätte, „ein richtiger Klassiker“ zu werden – falls er denn unter seiner Aufsicht mit ein paar Korrekturen historischer Fehler in Berlin nachgedruckt würde. Von einem solchen Nachdruck ist zwar nichts bekannt. Doch schon die Absicht zeugt von einer auch nach ihrer Entzweiung ungebrochenen Wertschätzung Friedrichs für die kirchen- und glaubenskritischen Werke Voltaires, eine Wertschätzung, die Luise Dorothea uneingeschränkt teilt. In ihrem Dankesbrief an Voltaire für die Zusendung des „Catéchisme“ vom 6. 8. 1763 bekennt sie jedenfalls: „[…] es gibt kein größeres Stärkungsmittel für den Glauben als den kleinen Katechismus, den Sie, Monsieur, mir zuzuschicken die Güte hatten.“22 Und in demselben Dankesbrief stellt die Herzogin aus Gotha auch einen bezeichnenden Vergleich zwischen dem „Catéchisme“ und Rousseaus „Profession de foi du vicaire savoyard“ an, der natürlich in Sachen ideologischer Sprengkraft eindeutig zu Gunsten des Alten aus Ferney ausfällt.23 Dieser offene Meinungsaustausch im Plauderton, in dem heikle Glaubensangelegenheiten salopp-leger von aufgeklärten gekrönten Häuptern von oben herab verhandelt, Grundüberzeugungen nicht nur des katholischen Glaubens lässig abgetan, kanonische Schriften der Bibel mit Mythenerzählungen der Antike oder Märchen der Neuzeit verglichen werden,24 darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es Friedrich und Luise Dorothea mitnichten bezweckten, auch ihren Untertanen zu solch fortschrittlich-aufgeklärten Einsichten zu verhelfen. Das Gegenteil ist der Fall, wie ihr Verdammungsurteil über die 1761 publizierten „Recherches sur l’origine du despotisme oriental“ von Boulanger mehr als deutlich macht.25 Uns sollen hier weniger die Argumente der heftigen Attacken, die insbesondere Friedrich im Brief 64 vom 4. 2. 1763 gegen das Werk reitet, interessieren, als seine von Luise Dorothea geteilte Grundüberzeugung, es gebe „[…] keine überspanntere Idee als die, den Aberglauben zerstören zu wollen. Vorurteile bilden die Vernunft des Volkes, und dieses dumme Volk verdient es, aufgeZitiert nach Raschke (Hrsg.), Der Briefwechsel, S. 229. Ebd. S. 230. 24 So Friedrich in Brief 101 vom 31. 10. 1764. 25 Luise Dorothea erhält das Buch wohl von Grimm aus Paris und will es an Friedrich weiterleiten, vgl. Brief 60 vom 21. 1. 1763 mit Anm. 4. 22 23

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klärt zu werden?“ Eine Frage, die sich für die aufgeklärte Fürstin von Gotha erübrigt, wie aus ihrer Antwort auf des Königs schon rhetorische Frage hervorgeht: „Ich bin überzeugt, dass derartige Lektüren für die Jugend und das Volk schädlich sind […]“, heißt es da ganz prägnant und eindeutig (Brief 66 vom 9. 2. 1763). Damit haben die beiden Herrscher die Grenzen ihrer Vorstellung ganz klar und eng gesteckt: Aufklärung heißt danach offener Dialog, freimütiger Gedankenaustausch, kontroverse Diskussion bereits aufgeklärter Teilhaber einer „République des Lettres“, einer transnationalen unpedantischen Gelehrtenrepublik, über die heikelsten politischen, insbesondere aber religiösen Fragen. Das „dumme Volk“ aber steht weit jenseits dieser Grenzen, darf staunen und gaffen. Aufklärung im Sinne von Volksbildung findet in Preußen erst im 19. Jahrhundert statt, in Gotha ansatzweise schon etwas früher – unter Luise Dorotheas Sohn Ernst II. (1745 – 1804), der als Nachfolger ihres Gatten Friedrich mit seinem Regierungsantritt im Jahre 1772 eine neue Ära einläutet.26

Zu dieser Ausgabe Wir sind in dieser Ausgabe der Korrespondenz zwischen Friedrich II. und Luise Dorothea der sorgfältigen Edition der französischen Originalbriefe von Marie-Hélène Cotoni gefolgt und haben von den dort publizierten 157 Briefen 106 Briefe ausgewählt. Hier nicht berücksichtigt sind im Wesentlichen Briefe, die von Cotoni nur erschlossen worden, nicht aber erhalten sind, Briefentwürfe oder aber aus inhaltlichen Gründen als weniger bedeutend erachtete Briefe. Mit unserer Auswahl wollen wir all diejenigen ansprechen, die an der Geschichte, Literatur und Philosophie der von Frankreich geprägten Aufklärungsepoche in Deutschland interessiert sind.27 26 Vgl. Greiling / Klinger / Köhler (Hrsg.), Ernst II. von Sachsen-GothaAltenburg und hier besonders die Aufsätze von Brachmann und Schaubs über den Philantrophen Salzmann und dessen Gründung der Erziehungsanstalt in Schnepfenthal, S. 279 – 293 bzw. 295 – 309. 27 Die von Peter-Michael Hahn, Friedrich der Große und die deutsche Nation, S. 282 erhobene Forderung nach „einer sorgfältigen und umfassenden Neubearbeitung der friderizianischen Familien- und Fürstenkorrespon-

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Für die Genehmigung, die Ausgabe von Cotoni zur Grundlage unserer Übersetzungen benutzen zu dürfen, danken wir Liz Hancock von der Voltaire Foundation. Herrn Dr. Frank Althoff und Frau Rosemarie Barthel danken wir ebenfalls für die Konsultation und Druckerlaubnis der im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin bzw. im Thüringischen Staatsarchiv in Gotha befindlichen Briefbestände Friedrichs II. und der Herzogin Luise Dorothea.28 Bei der Literaturbeschaffung haben uns die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zentralbibliothek der Universitätsbibliothek Bayreuth wie schon so häufig mehr als hilfreich unterstützt. Für die kompetente Herstellung des Manuskripts danken wir Carmen Diwisch, für ihre unschätzbaren Dienste, ihre Tatkraft und Initiative bei der Manuskriptvorbereitung und bei der undankbaren Aufgabe des Korrekturlesens Manuela Hertz, Julia Mannagottera und Franz Löbling, der überdies die Briefe 96 – 106 übersetzt und die Bibliographie erstellt hat. Schließlich gilt unser Dank Herrn Dr. Florian Simon, der uns wiederum eine Briefpublikation in seinem Verlag ermöglicht hat, sowie Arlett Günther und Heike Frank, die von Seiten des Verlags unser Projekt in enger Abstimmung und hervorragender Zusammenarbeit begleitet und betreut haben. Ohne die großzügige Unterstützung durch die Stiftung Preußische Seehandlung wäre diese Publikation nicht möglich gewesen: Ihr widmen wir unseren besonderen Dank.

denz […] für ein abgewogenes Friedrich-Bild […]“ kann hier nur unterstrichen werden. Unsere Auswahl macht einmal mehr deutlich, wie berechtigt diese Forderung ist. 28 Eine Überprüfung einiger sprachlich problematischer Passagen der Originale im Staatsarchiv Gotha hat in jedem Fall den Text von Cotoni bestätigt.

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Brief 1 [2]* Sire, der gnädige Brief Ihrer Majestät schmeichelt meiner Eigenliebe ungemein, und ich gebe zu, dass man nicht gleichgültig sein kann gegenüber Lobpreisungen eines Königs wie Ihrer Majestät, der umso besser das wahre Verdienst erkennt, als er es selbst in unendlichem Maße besitzt, und der weniger durch den Glanz, der ihn umgibt, als durch die Vollkommenheit seines Geistes Größe hat und dadurch eine wahre Wonne für sein Volk ist und von ganz Europa bewundert wird. Dennoch, Sire, trotz all dieser Erwägungen wage ich, Ihrer Majestät zu versichern, dass es nur recht und billig ist, wenn ich das, was Sie mir gerade gesagt haben, einzig der Güte und der Höflichkeit, die Ihnen eigen ist, zuspreche. Ihre Majestät wird durch den Brief des Herzogs erkennen, wie sehr er voller Beflissenheit Gelegenheiten sucht, um Ihnen zu gefallen. Zu diesem Zweck wird er jemanden nach Berlin schicken, sobald Ihre Majestät zurück sein wird,1 um dort die passenden Maßnahmen zu ergreifen, mit denen Ihre Majestät zufrieden sein kann, ohne dass die hiesigen Untertanen jedoch darunter leiden müssen. Wie glücklich wären wir, Sire, wenn wir uns durch diese Gesten Ihres hohen Wohlwollens würdig erweisen könnten und ich Ihnen die Verehrung ohnegleichen bezeugen könnte, die ich für Ihre außerordentlichen Qualitäten hege und die mich mit Inbrunst die

* Die eckigen Klammern enthalten die Nummern der betreffenden Briefe bei Cotoni, auf deren Anmerkungen mit (Cot.) verwiesen wird. 1 Nach der Thronbesteigung reist Friedrich durch Deutschland. Am 11. September trifft er Voltaire in der Nähe von Kleve und kommt Ende September nach Potsdam zurück. Während dieser Zeit unternimmt Gotter, sein Minister, Verhandlungen am Hof von Gotha, um Rekruten zu erhalten. Gustav Adolf Reichsgraf von Gotter (1692 – 1762) wird 1740 von Friedrich zum Oberhofmarschall und geheimen Staats- und Kriegsrat ernannt. (Cot.)

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Ehre begehren lassen, Ihre Majestät der respektvollen Achtung persönlich versichern zu können, mit der ich verbleibe, Sire, Ihrer Majestät, ergebenste, gehorsamste Dienerin und Cousine Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 25. August 1740

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Brief 2 [4] Sire, obgleich ich den gnädigen Brief Ihrer Majestät nur als Ausfluss jener Güte betrachte, die Ihnen ebenso viele Herzen zufliegen lässt, wie Ihre Weisheit Ihnen an Bewunderern einbringt, so bin ich trotzdem entzückt, dass die Zusendung der Rekruten, mit denen der Herzog Ihrer Majestät soeben gehuldigt hat, mir die Gelegenheit verschafft, Ihnen, Sire, die lebhafte und aufrichtige Dankbarkeit zu bezeugen, die mir das kostbare Wohlwollen Ihrer Majestät und die Gunst einflößen, die Sie meinem jüngsten Sohn so wohlwollend entgegen gebracht haben.1 Ich wage es noch, eben diese Gelegenheit zu nutzen, um die Interessen unseres Hauses dem mächtigen Schutz Ihrer Majestät zu empfehlen und um Ihnen meinen unendlichen Respekt und die unverbrüchliche Verbundenheit zu versichern, mit der ich es mir zur Ehre rechne, ein Leben lang zu verbleiben, Sire, Ihrer Majestät, ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 26. Februar 1746

1 Gotter hatte für den Prinzen Ernst Ludwig den Titel Oberst sowie ein Regiment vorgeschlagen, sobald er das notwendige Alter erreicht hätte. Ernst II. Ludwig von Sachsen-Gotha-Altenburg (1745 – 1804) war von 1772 bis zu seinem Tod Landesfürst des Herzogtums Sachsen-Gotha-Altenburg. (Cot.) Zu diesem Vertreter eines im vollen Wortsinn aufgeklärten Absolutismus vgl. Greiling / Klinger / Köhler (Hrsg.), Ernst II. von Sachsen-GothaAltenburg.

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Brief 3 [5] Sire, Ihre Majestät weiß, sowohl durch die Vergangenheit als auch durch das Zeugnis, das Herr von Grumbkow1 gewiss von uns ablegen wird, wie sehr der Herzog und ich bemüht sind, zu der Zufriedenheit Ihrer Majestät beizutragen und Ihnen diese aufrichtige Zuneigung zu beweisen, die uns mit Ihrer erhabenen Person verbindet. Aufgrund dieser Gefühle haben wir mit allen Mitteln versucht, Ihnen, Sire, die Anzahl der Männer, die Ihre Majestät verlangt, bereitzustellen; aber zu unserem großen Bedauern und trotz all unserer Bemühungen haben wir nur ganz wenige bekommen können, die uns sogar noch etliche Probleme bereitet und das Vertrauen unserer hiesigen Untertanen aufs Spiel gesetzt haben, welches freilich unendlich wichtig ist, vor allem in der gegenwärtigen Krise, wo der Reichshofrat gerade erst ein Urteil verkündet hat, das uns verurteilt, ohne uns vorher die Beschwerde unserer Gegenpartei mitzuteilen.2 Der Graf Raab, der uns von Seiten des Kaisers geschickt wurde, kann noch so sehr versuchen, diese Umstände durch schöne Worte zu versüßen; wir fühlen deswegen nicht weniger die Bitterkeit und die versteckten Machenschaften, die uns dieses Urteil eingetragen haben.3 Einerseits, Sire, sind es die starken, drängenden Klagen eines gewissen Hofes, der nicht ganz bei Trost ist und uns fast genauso hasst, wie er Sie fürchtet,4 und andererseits ist es die Verbunden1 Es handelt sich hier vermutlich um Philipp Otto von Grumbkow (1684 – 1752), den Bruder von Friedrich Wilhelm von Grumbkow (1678 – 1739), preußischer Staatsmann in Pommern und Oberstleutnant, der von Friedrich geschickt wurde, um Rekruten zu werben. 2 Hier beginnt der lange Streit um die Vormundschaft über Weimar. Der Reichshofrat, neben dem Reichskammergericht eines der beiden höchsten Gerichte im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, fungiert hier als Instanz beim Kampf um die Vormundschaft über Weimar zwischen dem Herzog von Sachsen-Coburg und dem Herzog von Gotha. (Cot.) 3 Möglicherweise Franz Anton Raab, ab 1755 Raab zu Ravenheim (1722 – 1783), österreichischer Hofbeamter.

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heit zu Ihrer Majestät, für die wir bekannt sind und die man uns nicht vergeben kann. Unser Schicksal liegt also in Ihren Händen, Sire, wenn Sie so gütig wären, die Ausführung des Urteils, von dem wir bedroht sind, zu verhindern, auch wenn sie noch so fern ist, so haben wir nichts zu befürchten, aber alles, wenn Ihre Majestät nicht durch ein Machtwort den erhobenen Arm aufhält, der nur auf ein Zeichen aus Wien wartet, um uns zu treffen. Bitte, Sire, lassen Sie uns nicht allein in einer solch schlimmen Situation! Verwirklichen Sie die wiederholten Versprechen, die Sie uns gegeben haben, uns in einer Notlage zur Hilfe zu kommen! Die Zeit dafür ist nun gekommen, zeigen Sie sich als Beschützer der Unschuld, als Verteidiger eines unterdrückten Fürsten, der nur noch zu Ihnen und Ihrer großzügigen Unterstützung Vertrauen hegt und dessen Kinder auch niemals einen solchen Gefallen vergessen werden! In dieser angenehmen Hoffnung beruhige ich meine Sorgen und nehme mir die Freiheit, Ihrer Majestät die respektvolle Verehrung zu versichern, mit der ich verbleibe, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin und Cousine Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Weimar, den 4. April 1748

4 Gemeint ist der sächsische Hof in Dresden. Sachsen könnte damit beauftragt werden, gegen Gotha gewaltsam die Entscheidungen des Reichshofrats durchzusetzen. (Cot.)

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Brief 4 [6] Meine Frau Cousine, der Oberstleutnant von Grumbkow1 hat mich über die Güte unterrichtet, die Ihre Hoheit und der Herzog von Gotha ihm haben zuteil werden lassen; ich empfinde sie gebührend und bin nicht weniger empfänglich für all Ihre Bemühungen, die Sie bereitwillig für den Erfolg seines Auftrages auf sich genommen haben. Ich bin ganz betrübt über die Unannehmlichkeit, die Ihr guter Wille für mich in dieser Gelegenheit Ihnen eingetragen hat.2 Ich entnehme das dem Brief, den Ihre Hoheit mir am 4. dieses Monats geschrieben hat. Ich habe ihn erst gestern erhalten. Bestimmt war er in irgendeiner Poststelle in Sachsen abgefangen worden und man hat es wohl für angebracht gehalten, ihn so lange wie möglich zurückzuhalten. Ich antworte prompt darauf und bin nur allzu entzückt, Ihrer Hoheit dieses Zeichen meiner Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Ich rechne damit, Madame, dass der Ausgang der Angelegenheit, die Sie betrifft, Ihnen Grund zur Überzeugung geben wird, dass der Beistand des Grafen von Podewils, meines Gesandten in Wien, nicht ohne Wirkung geblieben ist.3 Ich hoffe, dass die Dinge viel besser gelingen, als Sie denken, und ich denke, dass die Sachsen, wie man so sagt, es sich zwei Mal überlegen werden, bevor sie sich in diese Angelegenheit einmischen. Ich habe von meiner Seite aus alles getan, was mir möglich war, und ich werde Ihrem Haus bereitwillig weiter all die Unterstützung gewähren, die Sie aufgrund meiner Gefühle zu Ihnen erwarten können. Aber ich glaube, Grund zur Annahme zu haben, dass Ihre Hoheit in dieser Angelegenheit beruhigt sein und die Ängste, die Sie zu quälen scheinen, ablegen kann.

Siehe Brief 3, Anm. 1. Friedrich hatte zwar Gotter zu Gunsten von Gotha intervenieren lassen, war aber nicht bereit, deswegen einen europäischen Flächenbrand auszulösen, wie er Gotter kurz darauf schreibt. (Cot.) 3 Heinrich Graf von Podewils (1696 – 1760) wurde 1740 Kriegsminister in Preußen. 1 2

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Der Reichshofrat hat, wie ich weiß, ein Dekret gegen den Herrn Herzog erlassen, aber ich schätze, dass man sich nicht beeilen wird, es auszuführen, sondern eher versuchen wird, diese Geschichte in die Länge zu ziehen, und die Angelegenheiten wohl schlussendlich in eine gütliche Einigung mit dem Hause Coburg münden werden, wobei der Herr Herzog, Ihr Gatte, die Vormundschaft behalten und sich im übrigen mit seinen Rivalen arrangieren wird. Dies ist meine Ansicht, Madame; es ist die Folge unserer Überlegungen über all das, was Ihre Hoheit mir mitteilt, und die Folge meiner Sympathie für den Erfolg Ihrer Interessen. Ich bitte Sie, von der Aufrichtigkeit meiner Gefühle und der besonderen Wertschätzung vollkommen überzeugt zu sein, mit der ich, meine Frau Cousine, verbleibe, Ihr Ergebener. PS Von der eigenen Hand des Königs. Soweit ich den Stand Ihrer Angelegenheiten beurteilen kann, Madame, brauchen Sie nichts Unerfreuliches zu befürchten. Die Neuigkeiten, die ich aus Wien erhalte, sind alle zu Ihrer Zufriedenheit. Der einzige Unterschied, den ich dabei sehe, ist die Tatsache, dass man der Sache eine ganz andere Wendung gibt, aber grundsätzlich bleibt Ihnen die Vormundschaft erhalten und Ihre Streitigkeiten mit dem Hause Coburg werden in eine Übereinkunft mit dem Herzog von Coburg münden, mit der er sich zufrieden geben muss. Ich wünsche mir, dass meine Unterstützung, die ich Ihnen in dieser Angelegenheit habe zukommen lassen, Ihnen genehm ist, und dass Sie sie, Madame, als Unterpfand meiner vollkommenen Wertschätzung für Sie verstehen. Abschrift an die Frau Herzogin von Gotha. Potsdam, den 20. April 1748

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Brief 5 [7] Sire, in der Hilflosigkeit, in der ich mich befinde, Sire, habe ich keine andere Zuflucht als in dem mächtigen Schutz Ihrer Majestät, den ich mit jenem vollen Vertrauen, das uns die gewisse Erfüllung unserer Wünsche vorhersagt, zu erflehen wage. Ihre Majestät ist zu großzügig, zu gerecht und sie hat uns zu häufig Ihre Güte gezeigt, um zu dulden, dass man uns zugrunde richtet, uns zermalmt und uns an das Kaiserreich verkauft und all dies nur, weil man will, dass wir im Unrecht sind. Der Brief meines Gatten wird, besser als ich es vermag, die berechtigte Aufregung erläutern, in der wir uns befinden. Ich bin zu bewegt, Sire, um etwas anderes sagen zu können außer: Kommen Sie uns zu Hilfe und lassen Sie uns in einer derart akuten Krise nicht im Stich! Leihen Sie uns Ihren starken Arm, um den Schlag zu verhindern, der uns bedroht! Unsere Dankbarkeit wird genauso lebhaft und vollkommen sein wie die respektvolle Verbundenheit und die unerschütterliche Verehrung, mit der ich verbleibe, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin und Cousine Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Weimar, den 14. Mai 1748

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Brief 6 [9] Sire, die Güte, die Ihre Majestät mir hat immer zukommen lassen, lässt mich hoffen, dass Sie erlauben wollen, dass ich, auch wenn der Brief, den der Herzog heute an Sie adressiert hat, recht weitschweifig und ziemlich ausführlich ist, ihm dennoch einige Zeilen von mir beifüge. Damit will ich Ihre Majestät inständig und ergebenst darum bitten, unabhängig vom Ergebnis der Demarchen, die der Herzog riskiert, um eine aufrichtige Einigung mit seinem stolzen Cousin aus Coburg zu erreichen,1 uns nicht Ihre weisen Ratschläge zu entziehen und uns weiterhin Ihre mächtige Unterstützung zukommen zu lassen, die allein uns für die Voreingenommenheit der einen und die lasche Unterstützung der anderen entschädigen kann und wird. Wenn ich jemals, Sire, die Gabe der Überredungskunst angestrebt hätte, die Ihre Majestät mir in Ihrem reizenden Brief vom 16. letzten Monats2 schmeichelhafterweise zugeschrieben hat, so hätte ich diese Gabe am liebsten genau jetzt, um einen Monarchen, wie Sie es sind, Sire, von der Lauterkeit unserer Absichten zu überzeugen, von unserer respektvollen Verbundenheit mit Ihrer erhabenen Person und von der Beflissenheit, mit der wir Ihren großzügigen Schutz verdienen wollen. Mit diesen Gefühlen, Sire, und vollkommenster Verehrung verbleibe ich ein Leben lang, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Weimar, den 20. August 1748

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Franz Josias, Herzog von Sachsen-Coburg (1697 – 1764). Der von uns nicht berücksichtigte Brief vom 16. 7. bei Cotoni, S. 99.

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Brief 7 [11] Sire, die Warnungen, die uns von überall her erreichen und die uns mit einem nahen niederschmetternden Gewitter von Seiten des Reichshofrats drohen, veranlassen mich, schon wieder bei der Güte Ihrer Majestät als dem Asyl der Unglücklichen Zuflucht zu suchen, und obgleich die Furcht, Sire, Ihnen mit meinen ewigen Klagen zur Last zufallen, für einige Zeit meine Feder angehalten hat, so lässt das Vertrauen, welches Sie mit solchem Recht einzuflößen verstehen, mich ganz schnell über diese Überlegungen hinweggehen, um erneut inständig um Ihre großzügige und allmächtige Unterstützung in einer solch misslichen Situation zu bitten. Ihre Majestät wird dem ausführlichen Brief, den mein Gatte so frei war, heute an Sie zu adressieren, entnehmen, wie sehr die durch den Reichshofrat etablierten Prinzipien, um die höchste Vormachtstellung des Kaisers zu erweitern, alle Fürsten und Staaten des Reiches interessieren sollten, um deren Konsequenzen zu fürchten. Die Standhaftigkeit des Hofes von Württemberg in einem ähnlichen Fall hat gezeigt, wie weit man eine gute Sache behaupten kann, insbesondere, wenn man mächtige Freunde hat, auf die man zählen kann; wir wagen auf denselben Ausgang zu hoffen, Sire, wenn Sie die Güte haben, uns zu beschützen. Wir fordern nichts, was Ihre Majestät in Verlegenheit bringen könnte; wir nehmen uns nur die Freiheit heraus, Sie um lebhafte und energische Einwendungen zu bitten, um inständige und wiederholte Fürsprachen in Wien, Dresden und Regensburg;1 unschuldige, aber nötige Mittel, um unsere Rechte zu unterstützen, und ganz konform mit der Reichsverfassung. Wir erwarten nicht weniger, Sire, von Ihrem huldvollen Wohlwollen uns gegenüber als von Ihrer Großmut. Es wäre unendlich ehrenvoll für uns, in unserem Beschützer die Stütze und den Neubegründer von Freiheit und Privilegien der Fürsten zu finden.

1 Der Immerwährende Reichstag hat seit 1663 seinen dauerhaften Sitz in Regensburg.

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Was die Rekruten angeht, die Ihre Majestät in ihrem letzten Brief erwähnt hat,2 so wird es meinem Gatten, dem Herzog, ein wahres Vergnügen sein, Ihrer Majestät seine Dienste zu beweisen, indem er die Besten aus seinen Regimentern auswählt, sobald sie aus den Niederlanden zurückkehren.3 Lassen Sie mich, Sire, nochmals meine inständigen Bitten wiederholen und Ihre Majestät beschwören, bei allem, was Ihnen lieb ist, uns in der gegenwärtigen Krise nicht allein zu lassen und uns mit einem Wort des Trostes zu beruhigen. Meine Dankbarkeit wird unendlich sein und damit den Gefühlen der Bewunderung und des Respekts gleichkommen, mit denen ich die Ehre habe, für immer zu verbleiben, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 18. Oktober 1748

Der Brief ist nicht erhalten. (Cot.) Gemeint sind wohl die Österreichischen Niederlande, auch Südliche Niederlande genannt (heute ungefähr das Gebiet von Belgien und Luxemburg), die von 1714 bis 1795 (Anschluss an die Französische Republik) bestanden. Die Habsburger boten sie anderen Mächten mehrmals als Tauschobjekt an. Im Siebenjährigen Krieg sollte Frankreich sie für seine Hilfe bei der Rückgewinnung Schlesiens erhalten. Am 18. 10. 1748, an dem die Herzogin diesen Brief schreibt, wurde der Frieden von Aachen geschlossen, mit dem der Österreichische Erbfolgekrieg endete, Frankreich die besetzten Österreichischen Niederlande herausgeben musste und Schlesien an Preußen ging. 2 3

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Brief 8 [15] Berlin, 27. April 1756 Meine Frau Cousine, mein Staatsminister und Oberpostmeister, der Graf von Gotter,1 ist leider in einen ungerechten Prozess mit dem Oberstallmeister, Herrn von Röder,2 verwickelt. Ich war entzückt, von meinem oben genannten Minister von der freundlichen Unterstützung zu erfahren, die Ihre Hoheit ihm bereitwillig geben möchte, in einer Angelegenheit, in der alles Recht auf seiner Seite zu sein scheint, um ihm unverzügliche und volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. In der Tat handelt es sich hier nicht um eine Bagatelle, sondern darum, ein recht bedeutendes Landgut vor seinem Ruin zu retten, welches einem Mann anvertraut ist, der allem Anschein nach das Vertrauen des Besitzers missbraucht hat. Herr von Röder möge einen genauen und getreuen Bericht über die Verwaltung des Landgutes Molsdorf,3 für die er zuständig ist, an meinen oben genannten Minister geben. Er möge es wieder in den Zustand versetzen, in dem es, gemäß seinen diesbezüglichen Verpflichtungen sein sollte. Dies ist alles, was wir wünschen, und was die peinlichste Gerechtigkeit verlangt. Da diese Angelegenheit meine Interessen empfindlich berührt, in Bezug auf das Wohl meiner Staatsverwaltung, die unbedingt verlangt, dass der Graf von Gotter, der seinem besagten Landgut einen Besuch abstatten wird, so schnell wie möglich auf seinen Posten zurückkehrt, habe ich entschieden, dass er nach Ostfriesland geht, um dort einige Postvereinbarungen zu treffen; und so wäre ich sehr froh, wenn dieser Prozess so schnell wie möglich zu Siehe Brief 1, Anm. 1. Es handelt sich möglicherweise um Friedrich Wilhelm von Röder (? – 1781), der unter Friedrich als Generalmajor und Kommandeur des 1. Kürassier-Regiments gedient hatte. 3 Molsdorf ist ein Ortsteil von Erfurt. Reichsgraf Gustav Adolf von Gotter ließ die ursprüngliche Wasserburg zu einem Barockschloss umbauen (1734 – 1740) und von Antoine Pesne (1683 – 1757), dem preußischen Hofmaler, ausgestalten. Es kann noch heute besichtigt werden. 1 2

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seiner Zufriedenheit beendet würde; ich kann daher nicht umhin, mich über den weiteren Verlauf dieser Angelegenheit und die Beschleunigung ihrer Entscheidung zu informieren. Ihre Hoheit wird mir einen ganz bedeutenden Gefallen tun, wenn Sie hierzu durch Ihre Hilfe und Unterstützung beitragen wollen. Sie können darauf zählen, dass ich die großzügigen Gefälligkeiten, die Sie so gütigst einem Minister erweisen, dessen Eifer und Dienste, die er mir geleistet hat, ich unendlich wertschätze, als einen angenehmen Beweis Ihrer Freundschaft zu mir ansehen werde. Ich bitte Ihre Hoheit, völlig von einem getreuen Erweis meiner Dankbarkeit überzeugt zu sein, wie auch von den Gefühlen der Hochachtung, mit denen ich für immer verbleibe, meine Frau Cousine, Ihrer Hoheit ergebenster Cousin Friedrich An Ihre Hoheit, die regierende Herzogin von Sachsen-Gotha.

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Brief 9 [16] Madame, ich werde niemals den gestrigen Tag1 vergessen, an dem sich ein berechtigter Wunsch erfüllt hat, den ich schon seit längerem hege – eine Prinzessin zu sehen und zu hören, die ganz Europa bewundert. Ich bin nicht überrascht, Madame, dass Sie die Herzen fesseln; Sie sind zweifelsohne dafür gemacht, die Wertschätzung und Ehrerbietung all derer anzuziehen, die das Glück haben, Sie zu kennen. Aber es ist mir unbegreiflich, wie Sie Feinde haben können und wie Völker, die partout nicht als Barbaren gelten wollen, so unwürdig Ihnen den Respekt versagen, den sie Ihnen schulden, und die Hochachtung, die man allen Herrschern schuldet. Hätte ich doch herbeifliegen können, um so viel Durcheinander und so viel Unanständigkeit zu verhindern! So kann ich Ihnen nur viel guten Willen anbieten, aber ich spüre sehr wohl, dass man unter den gegenwärtigen Umständen Ergebnisse und Tatsachen braucht. Könnte ich doch so glücklich sein, Ihnen einen Dienst zu erweisen! Könnte doch Ihr Schicksal Ihrer Tugend gleichen! Ich verbleibe mit der höchsten Achtung, Madame, Ihrer Hoheit treuer Cousin Friedrich [Dittelstedt],2 den 16. September 1757

1 Friedrich trifft bei Erfurt auf den Prinzen von Soubise (Charles de Rohan, prince de Soubise, 1715 – 1787), der sich mit der deutschen Reichsarmee unter Herzog Joseph Friedrich von Sachsen-Hildburghausen vereinigt hatte, um Sachsen von den Preußen zu befreien. In Gotha wurde er im September von den Truppen des Generals Friedrich Wilhelm von Seydlitz beim Abendessen im Schloss überfallen und ergriff die Flucht. Kurze Zeit später, am 5. November 1757, gewann Friedrich in der Schlacht bei Roßbach endgültig gegen die Franzosen unter dem Prinzen von Soubise und die Reichsarmee unter dem Prinzen von Sachsen-Hildburghausen, vgl. Duffy, Friedrich der Große, S. 198 – 208. 2 Ortsteil von Erfurt.

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Brief 10 [19] Bei Erfurt, den 20. September 1757 Madame, meinen Truppen kann nichts Glorreicheres geschehen, als vor Ihren Augen und zu Ihrer Verteidigung1 zu kämpfen, Madame. Ich würde wünschen, dass ihre Hilfe Ihnen nützlich war, aber ich ahne das Gegenteil. Wenn ich mich darauf versteifen würde, den Posten von Gotha durch die Infanterie unterstützen zu wollen, würde ich Ihnen die Stadt ruinieren, Madame, indem ich sie zum Kriegsschauplatz von Dauer machte; stattdessen haben Sie derzeit nur unter Streiftruppen zu leiden, die nicht lange da sein werden. Ich bedanke mich vielmals, dass Sie während des Durcheinanders eines Tages wie des gestrigen, trotzdem noch die Zeit gefunden haben, an Ihre Freunde zu denken und sich für sie einzusetzen. Ich werde nichts von dem unberücksichtigt lassen, was Sie mir gütigerweise gesagt haben. Ich werde von den Hinweisen profitieren; möge der Himmel bewirken, dass es für die Befreiung und das Wohl Deutschlands geschieht! Der größte Beweis des Gehorsams, den ich Ihnen geben kann, besteht sicherlich in dem mir von Ihnen vorgeschriebenen Umgang mit Ihrem Brief. Ich hätte ihn als Zeugen Ihrer Großzügigkeit und Standhaftigkeit aufgehoben. Aber, Madame, da Sie anders darüber verfügen, werden Ihre Anweisungen ausgeführt werden; in der Überzeugung, dass man, wenn man seinen Freunden nicht dienen kann, man zumindest verhindern muss, ihnen zu schaden, dass man weniger umsichtig mit seinen eigenen Interessen umgehen kann, dass man aber vorsichtig und sogar ängstlich mit dem umgehen muss, was die Freunde betreffen kann, verbleibe ich mit der höchsten Wertschätzung und der vollkommensten Hochachtung, Madame, Ihrer Hoheit treuester und ergebenster Cousin Friedrich 1 In Gotha gegen die Alliierten, s. Friedrichs Brief vom 16. 9. mit Anm. 1.

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Brief 11 [21] Breslau, den 2. Januar 1758 Madame, wenn es etwas Schmeichelhaftes für mich auf der Welt gibt, so ist es, die Zustimmung einer Prinzessin Ihres Charakters zu verdienen. Ich hätte mir gewünscht, dass unsere Siege Ihnen merklichere Vorteile verschafft hätten; aber gegenwärtig bin ich zuversichtlich, wenn es dem Schicksal gefällt, Ihnen wichtigere Dienste leisten zu können als in der Vergangenheit. Madame, bedenken Sie bitte die vielen Feinde, die mich bis jetzt daran gehindert haben, ein kontinuierliches Vorhaben an einem Ort verfolgen zu können! Ich habe allen Grund zur Hoffnung, dass die Schweden die ersten sein werden, die von ihrer Verirrung zurückkehren,1 und dann werden wir ein wenig mehr Ellbogenfreiheit haben, was den Dingen zwangsläufig eine andere Gestalt geben wird. Ich gestehe, dass diese weit entfernten Abhilfen kaum tröstlich sind für die, die leiden; aber da der Frühling in nicht allzu langer Zeit vor der Tür steht, hoffe ich, dass Sie dann Grund haben, mit meiner Treue und meinem Diensteifer zufrieden zu sein. In der Tat, Madame, ist die Verhaltensweise, die die Franzosen Ihnen gegenüber an den Tag gelegt haben, eine ewige Schande für ihre ganze Nation und ihre eloquentesten Autoren werden sie niemals in ihren Werken reinwaschen können.2 Ich spreche nicht von den Österreichern – man ist so an ihre übliche Unverschämtheit gewöhnt, dass nur eine gute Vorgehensweise bei ihnen seltsam erscheinen würde. Erlauben Sie mir, Madame, Ihnen zu erklären, dass ich zum Neuen Jahr meine guten Wünsche denjenigen all derer hinzuge1 Friedrich bezieht sich auf die Siege bei Roßbach (siehe Brief 9, Anm. 1) und Lissa (die Schlacht von Leuthen bei Lissa, Schlesien, fand am 5. Dezember 1757 statt. Friedrich besiegte das österreichische Heer unter Führung des Prinzen Karl Alexander von Lothringen), vgl. hierzu Duffy, Friedrich der Große, S. 213 – 221. 2 Der Hof von Gotha beschwerte sich über die immensen Verwüstungen, die die Franzosen hinterließen und über die hohen Kosten ihrer Anwesenheit. Soubise versichert, dass man dafür aufkommen werde, was 1763 noch immer nicht der Fall ist. (Cot.)

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selle, die das Glück haben, Sie zu kennen. Madame, niemand interessiert sich leidenschaftlicher für Ihr Wohlergehen und Ihre Gesundheit als Ihr treuer Cousin und Diener Friedrich

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Brief 12 [22] Sire, wenn man nicht glücklich genug ist, um Ihrer Majestät durch aufsehenerregende Schritte die lebhafte und immerwährende Verbundenheit mit Ihnen bezeugen zu können, so ergreift man zumindest begierig die günstige Gelegenheit, um seinen Diensteifer darzulegen. So ist es in meinem Fall, Sire: Aufmerksam gegenüber allem, was Ihre Majestät tangieren könnte, wage ich es, mir die Freiheit zu nehmen, Sie zu warnen: Ich weiß ohne jeden Zweifel, dass Frankreich dem König von England Vorschläge zur Neutralität seiner deutschen Staaten macht, unter weitaus vorteilhafteren Bedingungen als je zuvor. Eine solch gütliche Einigung ist ein sehr verführerischer Köder und könnte den Minister von Hannover in Versuchung bringen, zumal er dadurch die Ruhe in einem Land wiederhergestellt sieht, das so sehr gelitten hat und sich auf einmal den Grausamkeiten eines Krieges ausgeliefert finden würde, dessen Ausgang ihm vielleicht immer noch unsicher und zweifelhaft erscheint.1 Ich bin sicher, dass Ihre Majestät durch das Ergreifen von Maßnahmen, die Ihnen Ihre Weisheit eingeben, verhindern wird, dass man demjenigen auf die Spur kommt, von dem Sie diese Neuigkeiten erfahren haben. Ich hoffe auch hier auf die Güte Ihrer Majestät, dass Sie das Motiv, das mich so handeln lässt, nicht geringschätzen und meine Vorsicht verzeihen werden, mit der ich wage, an Sie diese Zeilen zu richten, ohne meinen Namen darauf zu setzen.2 Mein Respekt und meine Bewunderung enden erst mit meinem Leben, Sire,

Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Den 25. Januar 1758

1 William August, Duke of Cumberland, (1721 – 1765), britisch-hannoverscher Heerführer. Am 26. Juli 1757 verlor die hannoversch-britische Observationsarmee unter dem Herzog von Cumberland bei Hastenbeck im Weserbergland gegen die Franzosen unter d’Estrées. Kurz darauf vermittelte Dänemark zwischen beiden Parteien und im September 1757 unterschrieb Cumberland eine Neutralitätserklärung gegenüber den Franzosen (die Konvention von Kloster Zeven), vgl. Kunisch, Friedrich der Große, S. 369 f. 2 Wegen der unsicheren Postwege. (Cot.)

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Brief 13 [24] Sire, je kritischer unsere Situation wird, umso mehr sind wir zu bemitleiden. Möge Ihre Majestät so gütig sein, ein mitfühlendes Auge auf unseren armseligen Staat zu werfen und uns durch Ihre Güte zu beruhigen. In einer Zeit, in der wir 40.000 Männer vor unseren Pforten stehen hatten, und der Prinz von Hildburghausen1 uns damit drohte, alles zu verwüsten, alles abzufackeln, und es darum ging, eine Abgabe von 700.000 Talern zu zahlen, die uns auch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht erlassen worden ist, und der Fiskus des Reiches nun angestachelt wurde, den Prozess der Reichsacht gegen uns zu organisieren: Unter diesen gewaltsamen Umständen, Sire, waren wir gezwungen, uns an das Reichsconclusum vom 17. Januar des vergangenen Jahres zu halten und folglich unser Kontingent zu versprechen und die Römischen Monate zu zahlen.2 Jetzt, Sire, fordert man uns auf, unsere Verpflichtungen zu erfüllen: Wir werden wohl Wort halten müssen, wie hart auch immer der Zwang dazu sein mag. Nur die Großmut Ihrer Majestät kann uns beruhigen; ich nehme bei ihr meine Zuflucht mit dem vollsten Vertrauen, das Ihr großes Herz allein erwecken kann. Haben Sie Erbarmen, Sire, mit unserem Unglück, lassen Sie uns nicht Ihre Ungehaltenheit spüren, verzeihen Sie unserer Schwäche, die keine andere Quelle hat als die unserer Umstände, und an denen das Herz keinen Anteil hat! Sie kennen unsere Verbundenheit, die genauso vollkommen und unverletzlich ist wie die Bewunderung und der Respekt, die

1 Marschall Joseph Friedrich von Hildburghausen (1702 – 1787) hat die kaiserliche Armee unter Befehl, aber nicht genügend Männer, Geld und Material. Nach der Schlacht bei Roßbach bat er den Kaiser, ihn seines Amtes zu entheben. (Cot.) 2 Die Römermonate waren eine Sondersteuer, die im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation erhoben wurde. Das Conclusum imperii war ein Beschluss des Reichstags in Regensburg.

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ich für Ihre Majestät hege, unveränderliche Gefühle, mit denen ich die Ehre habe, für immer zu verbleiben, Sire,

Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise-Dorothea, Herzogin von Sachsen Den 15. März 1758

PS Für den Fall, dass es Ihrer Majestät gefällt, mich mit einem Worte der Antwort zu beehren, so wage ich, Sie inständig zu bitten, mit Vorsicht vorzugehen, da die Briefe nur allzu große Gefahr laufen, abgefangen zu werden. Es sind andauernd Husaren auf dem Feldzug, die um uns herum schwirren, und es sind sogar einige Regimenter der Reichsarmee ganz in unserer Nähe und Nachbarschaft.

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Brief 14 [26] Sire, Ihre Majestät gibt uns mit den gnädigen Zeilen, mit denen Sie uns am 15. dieses Monats so gütig beehrt haben, das Leben zurück. Wir brauchten, Sire, einen derartigen Trost für unsere sterbenden Seelen. Ich wagte nicht, damit zu rechnen, aber ich beteuere Ihrer Majestät, dass ich wahrlich durchdrungen bin von Ihrer Güte. Meine Dankbarkeit, Sire, erfüllt mein ganzes Herz und würde, wenn es denn möglich wäre, die Bewunderung, den Respekt und den Eifer, die mich ein Leben lang an Ihre Majestät binden, noch steigern. Mit diesen Gefühlen habe ich die Ehre, Sire, mich die Ihrer Majestät ergebenste und gehorsamste Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen, zu nennen. Gotha, den 23. April 1758 Der Herzog wagt es, Ihrer Majestät seinen Respekt zu zeigen. Wir erwarten mit der größten Ungeduld die glücklichen Erfolge Ihrer Waffen. Unser Lichtenstein, der seit einigen Tagen wieder aus Paris zurück ist, versichert uns, dass der Herr Herzog von Belle-Isle wieder mehr Einfluss hat; dass er seine Gefühle der Bewunderung für Ihre Majestät nicht versteckt und dass, wenn die dominierende Partei sich nicht dagegen stellte, die Dinge sehr schnell eine andere Wendung nehmen würden.1 Die gesamte Öffentlichkeit in Paris spricht von Ihrer Majestät nur mit Enthusiasmus, aber nichts, Sire, kommt dem lebhaften und aufrichtigen Anteil gleich, welchen wir an Ihrem Ruhm und Ihrem Wohlergehen nehmen.

1 Charles Louis Auguste Fouquet Graf von Belle-Isle (1684 – 1761) wird 1741 Marschall von Frankreich und 1758 Kriegsminister. Im Österreichischen Erbfolgekrieg favorisiert er die Verbindung mit Friedrich und bekämpft Maria Theresia. (Cot.) Zum Minister Friedrich Carl von Lichtenstein vgl. Raschke (Hrsg.), Der Briefwechsel zwischen Luise Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg und Friederike von Montmartin, S. 153.

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Brief 15 [29] Sire, ich wage es, Ihrer Majestät zu versichern, dass ich mit unendlicher Beflissenheit von der durch Voltaire verschafften Gelegenheit profitiere, Sire, Ihnen meine ergebenste Ehrerbietung darzubringen. Ich weiß absolut nichts über den Inhalt des beiliegenden Schreibens, aber die von Voltaire unternommenen Vorsichtsmaßnahmen und sein starkes Drängen darauf, dass ich Ihrer Majestät seinen Brief zukommen lasse, lassen mich annehmen, dass er seinen Inhalt für sehr wichtig hält.1 All das, was Ihre Majestät betreffen könnte, vermag mir nicht gleichgültig zu sein; jedermann weiß dies, und das Vorgehen Voltaires beweist es mir wieder. Ich bin für Eitelkeit wenig empfänglich, aber ich gestehe, dass die Anerkennung, die uns für die Verbundenheit des Herzogs und mir zu Ihnen widerfährt, und der sogar Ihre Feinde uns nur allzu sehr beschuldigen, meinen schönsten Ruhm und meine grenzenlose Hoffnung bedeutet. Möge der Himmel die großen und weisen Unternehmungen Ihrer Majestät segnen und Ihnen, Sire, die Erfolge schenken, die Sie verdienen: Das sind die inbrünstigen und aufrichtigen Wünsche, die der Herzog und ich täglich an das Höchste Wesen richten, von dem unser Glück abhängt und welches unser Haus erhält. Bleiben Sie weiterhin unser Beschützer und unsere Stütze, Sire; ich wage es, Sie inständig mit Vertrauen darum zu bitten, angesichts der Gefühle der Bewunderung und des Respekts, die ich Ihnen mein Leben lang gewidmet habe, Sire,

Ihrer Majestät ergebenste und gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 15. September 1759

1 Voltaire ließ Luise Dorothea am 1. 9. einen Brief zukommen (D8464), der an Friedrich adressiert war (D8463, nicht vorhanden). Am 4. unterstrich er in seiner Korrespondenz die Nützlichkeit, die diese für den König haben könnte (D8469). Am 5. 10. schreibt Friedrich seinem Minister Finckenstein (Karl Wilhelm Graf Finck von Finckenstein (1714 – 1800)), dass er den Brief der Herzogin von Sachsen-Gotha mit dem beiliegenden Schreiben bekommen habe. (Cot.)

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PS Ich nehme mir die Freiheit, einen Kurier zu Ihrer Majestät zu schicken, weil Voltaire sagt, dass das Thema, um das es geht, möglicherweise nicht ganz unnütz für die Interessen Ihrer Majestät sein könnte. In diesem Fall hätte ich gerne Flügel, aber der Brief von Voltaire schien mir älteren Datums und unterwegs angehalten worden zu sein: Trotzdem habe ich an dem Siegel nicht feststellen können, dass er geöffnet wurde. Der Überbringer dieses Briefes ist der junge Bechtolsheim, ein Schwiegersohn unseres Ministers und Kammerherr des Herzogs, der so intelligent ist, dass man ihm einen solchen Auftrag gefahrlos anvertrauen kann.2

2 Es handelt sich um Johann Ludwig Freiherr von Mauckenheim, genannt von Bechtolsheim (vermutlich 1739 – 1806), Geheimrat, Kanzler der Landesregierung in Eisenach und Konsistorial-Präsident. Er fungierte mehrmals als Kurier für Friedrich und Luise Dorothea.

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Brief 16 [31] Sire, in der schönen Hoffnung darauf, dass Ihre Majestät derzeit in Sachsen verweilt, um dort ruhig Ihr Winterquartier zu beziehen, hoffe ich, nichts zu riskieren, wenn ich Ihnen den beiliegenden Brief schicke,1 von einigen Zeilen der Respektsbekundung meinerseits begleitet. Ich habe den jungen Bechtolsheim, den Schwiegersohn unseres Ministers, mit dem ganzen Paket betraut, und er wird die Ehre haben, Ihnen die Depesche auszuhändigen und Ihrer Majestät die respektvolle Ehrerbietung unserer Herzen darzubringen. Allem Anschein nach wird Ihre Majestät dem beiliegenden Schreiben entnehmen, dass die Zeilen, die Sie so gütig waren, vor einigen Wochen an mich zu richten, wohlbehalten angekommen sind. Meine berechtigte Befürchtung, Ihnen zur Last zu fallen, hat mich selbst daran gehindert, Sire, Sie früher zu benachrichtigen. Aber ich wage es zu gestehen, dass ich mit unendlicher Freude von dem gegenwärtigen Anlass profitiere, um Ihrer Majestät die lebhafte und aufrichtige Anteilnahme zu bekunden, die der Herzog und ich für den glorreichen Ausgang Ihrer Feldzüge hegen. Möge das Schicksal unseren Wünschen gnädig sein, indem es Ihren Mut und Ihre Weisheit belohnt. Mögen Sie die Früchte Ihrer Anstrengungen ernten und Ihren Palmenzweigen und Lorbeeren auch Olivenzweige hinzufügen. Ihre Majestät möge nicht zögern, mich mit Befehlen zu beauftragen, die Sie unserem Autor geben wollten: er rechnet damit, Sire, und ich fühle mich zu geschmeichelt, dass ich Ihnen meinen Eifer beweisen kann, um nicht die Gelegenheiten dazu mit Begeisterung und Beflissenheit zu suchen. Gewähren Sie mir, Sire, weiterhin Ihre Güte, von der der Reiz meines Lebens und das Glück meines ganzen Hauses abhängen.

1 Es handelt sich um einen Brief von Voltaire vom 6. November (D8578), der einen Brief an Friedrich enthält (D8577), dessen Empfang Luise Dorothea am 15. bestätigt (D8596) und den sie am gleichen Tag an den König weiterleitet. (Cot.)

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Ich habe die Ehre, mit vollkommenster Verbundenheit, Sire, zu verbleiben, Ihrer Majestät ergebenste und gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Den 15. November 1759

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Brief 17 [32] Wildsruf, den 21. November 1759 Madame, nur Ihre Güte und Ihre Nachsicht vermögen meine Ungehörigkeit zu rechtfertigen. Sie möchten, Madame, dass ich diese Güte, dir mir so wertvoll ist, weiterhin missbrauche. Erinnern Sie sich zumindest daran, dass ich, um Ihnen zu gehorchen, einen Brief über Sie weiterleiten lasse, der diese Ehre nicht verdient.1 Der Zufall, der sich so unverschämt über die Pläne der Menschen lustig macht, und der sich dabei gefällt, zu erheben und zu zerstören, hat uns bis hierhin am Ende des Feldzugs geführt. Die Österreicher sind von hier aus von der Elbe umringt; ich habe ihnen zwei wichtige Magazine in Böhmen verbrennen lassen. Es gab einige Dinge, die sich völlig zu unseren Gunsten gewendet haben, so dass ich mir einbilde, Herrn Daun2 zu zwingen, wieder über die Elbe zu setzen, Dresden aufzugeben und den Weg nach Zittau und Böhmen zu nehmen. Ich halte Sie über Neuigkeiten auf dem Laufenden und über Dinge, die mich tagtäglich verblüffen und die durch die Nähe zu Ihnen vielleicht Ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen können. Ich würde mich noch länger auslassen, wenn mein Herz es wagte, die Gefühle der Bewunderung, der Dankbarkeit und der Wertschätzung auszusprechen, mit denen ich verbleibe, meine Frau Cousine, Ihr treuester Cousin, Freund und Diener Friedrich

1 Es handelt sich um den Brief an Voltaire vom 19. 11. 1759 (D8605). Dort erklärt er, dass es an der Zeit sei, den Kriegsgräueln ein Ende zu setzen, um zu verhindern, dass Europa zurück in die Barbarei fällt. Voltaire lässt diesen sowie zwei weitere Briefe weiterleiten, doch Choiseul lässt sich auf nichts ein. (Cot.) Zu Choiseul s. Brief 28, Anm. 1. 2 Josef Leopold Graf von Daun (1705 – 1766); der österreichische Feldmarschall hatte Friedrich in Kolin besiegt (18. 6. 1757), wurde aber von ihm in Leuthen geschlagen (5. 12. 1757). (Cot.)

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Brief 18 [34] Freiberg, den 18. Dezember 1759 Madame, Sie verwöhnen mich so sehr mit Ihrer Nachsicht; Sie gewöhnen mich so gut daran, Ihnen gegenüber Verpflichtungen zu haben, dass ich mir hundert Mal vorwerfe, sie missbrauchen zu können. Ich würde Ihnen sicherlich nicht weiterhin Briefe schicken, wenn ich nicht die Hoffnung hätte, dass dieser Briefverkehr von einigem Nutzen für England und selbst für Europa sein könnte, denn ohne Zweifel ist der Frieden der wünschenswerteste, der natürlichste und der glücklichste Zustand für alle Nationen. Um ihn zu beschleunigen, Madame, missbrauche ich Ihre Güte und in meinen Augen entschuldigt dieses Motiv mein ungehöriges Vorgehen. Sie tun sehr gut daran, Madame, nichts zu unterschreiben und Briefe nicht mit Ihrem Wappen zu versiegeln, die, wenn sie abgefangen würden, Ihnen einige Unannehmlichkeiten bereiten könnten. Ihre Güte, an meiner Situation Anteil zu nehmen, verpflichtet mich, Ihnen darüber Rechenschaft abzulegen. Wir haben hier jede Art von Unglücken über uns ergehen lassen müssen, in Momenten, in denen wir am wenigsten damit rechnen mussten.1 Indessen bleiben uns Mut und Hoffnung erhalten; Hilfe erreicht uns bald und es gibt Anlass zu glauben, dass das Ende unseres Feldzuges weniger schrecklich sein wird, als wir noch vor drei Wochen annehmen mussten: Mögen Sie sich erfreuen, Madame, an all dem Glück, das ich Ihnen wünsche; möge die ganze Welt Ihre Tugenden erkennen, ihnen nacheifern und Sie bewundern, so wie ich es tue.

1 In der Schlacht von Maxen (bei Pirna und Dresden), wegen der Gefangennahme von 13.000 Preußen auch bekannt als Finckenfang von Maxen, schlugen 32.000 Österreicher unter Daun (siehe Brief 17, Anm. 2) am 20. 11. 1759 ein Heer von 15.000 Preußen unter Generalleutnant Friedrich August von Finck (1718 – 1766), die von drei Seiten gleichzeitig attackiert wurden. Wegen der für den Preußenkönig unerhörten Kapitulation seines Generals wurde dieser zu zwei Jahren Arrest verurteilt, vgl. Duffy, Friedrich der Große, S. 278 – 282.

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Seien Sie davon überzeugt, dass nichts den Gefühlen der Hochachtung gleichkommt, die ich für immer bewahren werde, indem ich verbleibe, meine Frau Cousine, Ihrer Hoheit treuer Cousin und Diener Friedrich

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Brief 19 [35] Sire, seitdem Ihre Majestät die Güte hatte, mir das anzuvertrauen, um das es in der Korrespondenz geht, die ich die Ehre habe, durch meine Hände gehen zu sehen, verstärkt sich, wenn mein Diensteifer nicht dadurch vergrößert wird, zumindest die Dankbarkeit unendlich in meinem Herzen, genauso wie die Beflissenheit, Ihnen umgehend die Briefe zukommen lassen, die an mich adressiert sind. Der Brief, den ich mir erlaube, diesen Zeilen beizulegen, ist gerade erst angekommen.1 Ich wünsche inständig, Sire, dass sein Inhalt zur vollkommenen Zufriedenheit Ihrer Majestät ist und zum Heil bringenden Ziel führt, das Sie so glorreich verfolgen. Durchdrungen von Ihrer Güte, Sire, halte ich es für überflüssig, Ihnen in dieser Angelegenheit die Interessen meines Hauses zu empfehlen. Sie kennen den Hass des Wiener und des sächsischen Hofes auf uns, und Sie wissen genau, woraus er sich speist und wie sehr er zugenommen haben muss während dieses Krieges und vor allem seit dem Abfangen dieses gnädigen Briefes Ihrer Majestät.2 Ich überlasse also unsere ganze Zukunft Ihrer Weisheit und Ihren Bemühungen. Ihre Majestät wird besser wissen als wir, wann und wie es Zeit wird, für uns zu sprechen und zu handeln. Möge der Himmel die Unternehmungen Ihrer Majestät segnen und unterstützen und Sie zum Glück der menschlichen Gattung erhalten. Nehmen Sie, Sire, meine ehrerbietige Verbundenheit und meine unverbrüchliche Bewunderung huldvoll entgegen, Sire,

Ihrer Majestät ergebenste und gehorsamste Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Den 17. Januar 1760

1 Um welchen Brief aus dieser über Luise Dorothea und Voltaire laufenden Geheimkorrespondenz es sich handelt, lässt sich nicht bestimmen. 2 Vom 9. September 1758.

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Brief 20 [37] Freiberg, den 16. Februar 1760 Madame, mit großem Bedauern falle ich Ihrer Hoheit so oft mit meinen Briefen zur Last. Ihre Güte, Madame, hat mich verwöhnt; das wird Sie lehren, sparsamer gegenüber anderen damit umzugehen. Ich betrachte Sie als eine ehrbare Freundin, an deren Freundschaft ich mich in der Not wenden kann. Es geht immer noch um den Frieden, Madame, und wenn der Gegenstand meiner Aufdringlichkeit nicht so schön wäre, Madame, so wäre ich Ihnen gegenüber unentschuldbar. Cocceji,1 den ich mit diesem Brief an Ihren Hof geschickt habe, soll Sie darum bitten, so gut zu sein, mir einen Untertanen, einen vorsichtigen und umsichtigen Mann, zur Verfügung zu stellen, der nach Frankreich reist, um einen Brief an den Komtur de Froulay zu geben, ein rechter Ehrenmann, den ich kenne, und der seinem Hof die beiliegenden Friedensvorschläge nahebringen könnte.2 Um Ihnen in wenigen Worten den Knackpunkt der Sache zu erklären, so wissen Sie, Madame, dass nach dem Vorschlag des Kongresses, der unseren Feinden gemacht wurde, wir von gut unterrichteter Quelle informiert wurden, dass die Kaiserin-Königin und die Zarin der Barbaren sich auf keinen Fall darauf einlassen wollten, dass sie, ganz im Gegenteil, in Paris daran arbeiten, den König von Frankreich von seinen Friedensneigungen abzubringen, derer man ihn beschuldigt.3 Sie werden an den Vorschlägen, die man ihm unterbreitet, sehen, dass man ihm die Möglichkeit liefert, sich von seinen Verbündeten zu trennen und Europa ihnen zum Trotz den Frieden zu bringen. Es geht darum, die Stimmung 1 Carl Friedrich Ernst von Cocceji (1725 – 1780), Hauptmann und Adjutant des Königs. 2 Louis-Gabriel de Froulay, Botschafter des Maltesischen Ordens (1694 – 1766). Er wurde 1741 bevollmächtigter Botschafter und war bis etwa 1753 am Hofe Friedrichs II., der sich während des Siebenjährigen Krieges dieses Freundes als Mittelsmann bei Ludwig XV. bediente. (Cot.) 3 Maria Theresia von Österreich (1717 – 1780, Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn und Böhmen) und Zarin Elisabeth von Russland (1709 – 1762) waren die unerbittlichsten Kriegsgegner Preußens.

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auszuloten und, mit einem Wort, zu erfahren, woran man sich halten soll. Wenn diese Vorschläge in Frankreich Gefallen finden, werden die Präliminarverhandlungen kurz darauf folgen; wenn nicht, wissen wir zumindest, woran wir uns zu halten haben; denn Sie wissen, Madame, dass Ungewissheit der Seele schlimmste Pein ist. Sie werden aus all dem ersehen, worum es geht, und da ich keinen Schritt mache, ohne mit dem englischen Ministerium zu einer Übereinkunft gekommen zu sein, hoffe ich, dass dieses Vorgehen, wenn Sie die Güte haben zuzustimmen, uns zu einem glücklichen und wünschenswerten Ende vor allem für Deutschland und auch für ganz Europa führen kann. Dies wird die Verpflichtungen und folglich die Dankbarkeit, die ich Ihnen schulde, ungeheuer erhöhen, aber den Gefühlen der Hochachtung und der vollkommenen Verbundenheit, mit denen ich verbleibe, nichts hinzufügen, Madame,

Ihr ergebenster Cousin und Diener Friedrich

Da Sie sich der Wichtigkeit für uns alle bewusst sind, dass dieser Vorgang vor dem Wiener Hof verborgen bleiben muss, zweifle ich in keinster Weise daran, Madame, dass Sie Ihr Bestes tun werden, um ihn vor ihm zu verschleiern. Man wird vor allem Frankreich zu verstehen geben müssen, dass es, wenn es den Ansichten Großbritanniens hinsichtlich des Abschlusses eines Separatfriedens zwischen ihm, England und dessen Verbündeten in Deutschland beitreten und dann gemeinsame Sache machen will, um die anderen Mächte zu zwingen, dem zuzustimmen, in seiner Macht liege, den Krieg recht schnell zu beenden, das Gleichgewicht Deutschlands und sogar das ganz Europas zu wahren und weitaus günstigere Konditionen zu erhalten, als es auf jede andere Art und Weise erhoffen könnte.

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Brief 21 [38] Sire, durchdrungen von der Güte Ihrer Majestät und den Zeichen des Vertrauens, mit denen Sie mich so gütig erneut in einer so schmeichelhaften Art und Weise beehrt haben, begehre ich nichts so inbrünstig, wie Ihrer Majestät das Ausmaß meiner Dankbarkeit und des Eifers, der mich zu Ihrem Dienste beseelt, beweisen zu können. Herr von Cocceji1 wird, da bin ich mir sicher, die Beflissenheit bezeugen, mit der ich den Absichten Ihrer Majestät beipflichte. Mich hat nur die Schwierigkeit in Verlegenheit gebracht, einen geeigneten Untertanen zu finden, den man mit dieser wichtigen Angelegenheit, um die es geht, beauftragen kann. Nach reiflicher Überlegung kam ich darauf, dass das derzeitige Hauptziel dieser Sendung Sicherheit und Schnelligkeit sein müssen, um einerseits den Brief Ihrer Majestät an den Komtur Froulay2 zustellen zu lassen und andererseits zu erfahren, ob Herr von Froulay gerne seine guten Dienste zur Verfügung stellen möchte und Ihrer Majestät eine unmissverständliche Antwort des französischen Hofes verschaffen kann. Dazu genügt es, einen umsichtigen und diskreten Mann nach Paris zu schicken, den ich glaube in der Person des jungen Edelsheim3 gefunden zu haben, der als Kammerherr in Diensten des Herzogs steht. Um sich noch mehr zu bilden, hatte er ohnehin die Absicht, eine Reise durch Frankreich zu machen; und angesichts seines jugendlichen Alters ist er vor dem Verdacht sicher, mit solch wichtigen Geschäften betraut zu sein. Wenn er eine positive Antwort erhält, kann der Gegenstand seines Auftrags sofort ausgeführt werden, und Ihre Majestät kann ihm, wenn Sie es für richtig

s. Brief 20, Anm. 1. s. Brief 20, Anm. 2. 3 Der Baron Georg Ludwig Edelsheim (1740 – 1814) wurde später badischer Staatsminister und Minister des Auswärtigen. Am 1. 3. informiert Friedrich seinen Botschafter Heinrich von Knyphausen (1729 – 1789) in London, dass sein Bote Gotha mit Instruktionen gemäß den Wünschen der englischen Minister verlassen hat. (Cot.) 1 2

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halten, einen erfahreneren Untertanen nachfolgen lassen, um die Verhandlungen voranzutreiben. Vielleicht kann der beiliegende Brief von Voltaire, den ich gerade erst erhalten habe, mehr Klarheit über die Verhandlung dieser wichtigen Angelegenheit bringen.4 Möge der Himmel die weisen und heilbringenden Pläne Ihrer Majestät bei dem Ziel unterstützen, das Sie sich zum Glück Europas vornehmen, und all Ihre Unternehmungen mit Ruhm überschütten. Ich habe die Ehre, mit der respektvollsten, vollkommensten und unverbrüchlichen Verbundenheit zu verbleiben, Sire, Ihrer Majestät ergebenste und gehorsamste Dienerin Luise Dorothea Den 25. Februar 1760 Von meinem Eifer und von der lebhaften Anteilnahme, die mich an Ihre Majestät bindet, überwältigt, riskiere ich vielleicht zu viel, Ihnen zu sagen, dass meines Erachtens ein vorzeigbarer, an Herrn von Froulay adressierter Brief etliche Schritte vielleicht beschleunigen und etliche Schwierigkeiten für das wichtige Ziel, das Ihre Majestät sich setzt, aus dem Wege räumen könnte. Der vertrauliche Brief, den Ihre Majestät an Herrn Froulay verfasst hat, ist göttlich und kann seinem Selbstwertgefühl nur unendlich schmeicheln; aber vielleicht wird er gar nicht den Mut haben, ihn dem Minister zu zeigen. Die Franzosen, die immer eitel und von einer oft falsch verstandenen Feinfühligkeit sind, werden vielleicht einige Passagen nicht ganz nach Ihrem Geschmack finden; zum Beispiel die, in der es um die ständigen Wechsel geht, die sich im Ministerium abspielen. Herr Froulay würde es vermutlich bevorzugen, wenn man darin nicht so bestimmt von dem Verlust Martiniques sprechen würde und Frankreich sich gezwungen sehen werde, sich zu unterwer4 Voltaires Brief vom 15. 2. 1760 (D8758) mit einer erneuten Aufforderung zum Frieden. (Cot.)

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fen.5 Herr Froulay könnte es eventuell auch vorziehen, anstatt wie im derzeitigen Vorschlag zu verlangen, dass Frankreich seine Verbündeten verpflichtet, denselben Friedensvertrag zu unterschreiben oder gemeinsame Sache mit England zu machen, dass Ihre Majestät sich damit zufriedengeben möge, Frankreich zu einem Separatfrieden aufzufordern und seine guten Dienste dafür zu verwenden, diesen Frieden zu einem Universalfrieden zu machen und im Falle einer Weigerung der Verbündeten Frankreichs, sich zu verpflichten, sich nicht mehr in den gegenwärtigen Krieg zu ihren Gunsten einzumischen. All meine Befürchtungen, Sire, und meine ewigen Zweifel gründen sich zu großen Teilen auf die extreme Schüchternheit, die man dem Komtur Froulay nachsagt, genauso wie auf die Verschiedenheit der Meinungen, die im Kronrat des französischen Königs vorherrschen. Man behauptet, dass es da nur wenige gibt, die den Frieden wünschen und diese könnten sich dafür begeistern, Vorwände zu finden, um ihre Ideen durchzusetzen. Das Übermaß meines Eifers könnte Ihnen missfallen; ich wage zu hoffen, dass Ihre Majestät meine Kühnheit angesichts meines Motivs entschuldigen wird. Der junge Edelsheim reist heute Nacht ab, um seine Reise zu unternehmen; aber er wird einige Tage in Hanau und Frankfurt anhalten müssen, um einige Arrangements an dem ersten Ort zu treffen, wo sein Vater sich befindet, und um die Pässe vom Marschall de Broglie zu erhalten.6 Wenn es Ihrer Majestät beliebte, diesen vorzeigbaren Brief an Froulay als Depesche zu schicken, so könnte er gewiss gerade noch im rechten Augenblick ankommen, um rechtzeitig von Edelsheim ausgehändigt zu werden. Im Fall, dass Ihre Majestät den Brief an mich adressieren wollte, so werde ich mein Möglichstes tun, den Brief zustellen zu lassen. 5 Die Engländer waren zwar am 16. 1. auf Martinique gelandet, dann aber wieder zum Abzug gezwungen worden, um sich der Insel erst drei Jahre später zu bemächtigen, vgl. Füssel, Der Siebenjährige Krieg, S. 77 f. 6 Victor-François de Broglie, 2. Herzog von Broglie (1718 – 1804) wurde abkommandiert, um dem Prinzen von Soubise (siehe Brief 9, Anm. 1) in Sachsen Unterstützung zu leisten. Er nahm dort an der Schlacht von Roßbach teil.

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PS Ermutigt durch Ihre Güte, wage ich es noch einmal ergebenst, dem hohen Schutz Ihrer Majestät unsere armen Untertanen zu empfehlen, die die Verpflegung transportiert haben und dem Truppenkorps des Erbprinzen von Braunschweig gefolgt sind.7

7 Karl Wilhelm Ferdinand, Prinz, später Herzog von Braunschweig (1735 – 1806), Friedrichs Neffe, Sohn seiner Schwester Charlotte (1716 – 1801, durch Heirat Herzogin von Braunschweig-Wolfenbüttel) und des Herzogs Karl von Braunschweig-Wolfenbüttel. Er zeichnete sich während des Siebenjährigen Krieges aus und hatte die Armee des Prinzen Ferdinand (Herzog Ferdinand von Braunschweig-Bevern (1721 – 1792), Friedrichs Schwager und Kommandeur der preußischen Truppen im Westen, wieder versammelt, die dieser nach Sachsen abkommandiert hatte, um den König von Preußen zu unterstützen. (Cot.)

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Brief 22 [39] [Freiberg], den 28. Februar 1760 Madame, die Bemerkungen, die Sie über meinen Brief zu machen belieben, sind sehr richtig; aber seien Sie so gütig zu bemerken, dass man, wenn man gemeinsam mit seinen Verbündeten handelt, genau so sprechen muss. Sie spüren die Wichtigkeit dieses Faktums zweifelsohne, Madame; wenn ich andere Maßnahmen ergreifen würde, würden mir die Engländer widersprechen, und ich würde mich in großen Schwierigkeiten gegenüber den Franzosen befinden. Das also zwingt mich, auf diese Art und Weise zu handeln. Immerhin brauchen die Franzosen Geld, und ich zähle mehr auf den Mangel an Geld, an dem die Regierung leidet, als auf ihre Zurückhaltung; letztendlich muss man sich gut davor hüten, der Bittsteller gegenüber von Natur aus stolzen und eitlen Leuten zu sein; und diese Art, mit ihnen umzugehen, ist die Einzige, die sie umgänglich macht. Ich bedanke mich tausend Mal bei Ihnen dafür, dass Sie die Güte hatten, diesen Versuch zu unterstützen. Vielleicht glückt er ja; das wäre ein großes Gut, wenn nicht, sehe ich nicht, wie dieser unglückliche Krieg enden soll. Ich verbleibe mit der höchsten Wertschätzung, Madame, Ihrer Hoheit treuer Cousin und Diener Friedrich

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Brief 23 [41] Den 5. März 1760 Madame, Sie interpretieren die Erklärungen, die ich versucht habe, so positiv, dass ich dies nur der Unterstützung, die Sie so gütigst für meine Schwächen haben, zuschreiben kann. Ich gebe zu, Madame, dass es nicht wenige Dinge gibt, die man gegen diesen Brief einwenden kann, aber bedenken Sie, dass man ihn hat absprechen müssen und ich nur das Organ derer bin, die zu diesem gemeinsamen Vorgehen bereit waren. Dies wird immerhin Anlass zu einigen Vorschlägen geben; die größte Schwierigkeit wird sein, diese Leute zum Reden zu bringen. Was sie mir über V.1 ausrichten lassen, ist eine Art Rätsel; ich bin nicht Ödipus und fürchte einige Missverständnisse, die uns zu sehr von unserer Rechnung abbringen könnten. Er ist sicher, dass der Frieden sehr wünschenswert ist: Ich habe eine Perspektive vor Augen, die nicht gerade erfreulich ist, und ich würde genauso gerne die Augiasställe ausmisten2 wie von einem Ende Deutschlands zum anderen zu rennen, um mich der Vielzahl meiner Feinde entgegenzustellen und vielleicht noch weiteres Unheil zu erfahren; aber es gibt eine gewisse unbegreifliche Fatalität, die die Menschen treibt und die, indem sie die Nebengründe kombiniert, sie in einer unwiderstehlichen Art mitreißt. Sie bringt alles hervor: Wenn wir Frieden wollen, will sie Krieg, sie führt den Blinden und den Aufgeklärten in die Irre; es gilt also, für das Wohl so viel zu tun, wie man kann, ohne sich indes zu wundern, wenn etwas völlig anderes passiert, als man vorausgesehen hat; denn in Wahrheit, Madame, wissen die tiefgründigsten Politiker nicht mehr über die Zukunft als der dümmste Mensch. Ich nehme mir die Freiheit, Ihnen eine kleine Broschüre über die derzeitigen Verhältnisse zu schicken;3 es ist das Bellen eines Voltaire. Eine der Aufgaben des Herkules. 3 Gemeint ist Friedrichs gerade erschienenes Werk „Relation de Phihihu, émissaire de l’empereur de la Chine en Europe“, ein Briefroman nach dem 1 2

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Spaniels, während ein großer Donner grollt, der verhindert, ihn zu verstehen. Dennoch muss man von Zeit zu Zeit das Publikum aus seiner Lethargie wecken und zum Nachdenken zwingen. Diese Saat geht nicht sofort auf; manchmal trägt sie mit der Zeit Früchte. Man muss zugeben, dass der Boden schlecht vorbereitet ist, um sie aufzunehmen, aber es bringt immer einen kleinen Effekt. Sie finden mich vielleicht genauso impertinent wie Milord Bolingbroke.4 Man sagte über ihn, dass er Madame de Villette5, die danach seine Frau wurde, nur mit politischen Papieren, die er im Craft Men6 drucken ließ, eine Freude machte. Ich danke Ihnen, Madame, erneut tausend Mal für die Güte, die Höflichkeit und die Großzügigkeit, mit der Sie so gütig all meine Pläne unterstützt haben. Wenn ich im Himmel etwas zu sagen hätte, so wären Sie die glücklichste Fürstin Deutschlands. Begnügen Sie sich mit meinen Wünschen und den Gefühlen der größten Hochachtung, mit der ich verbleibe, Madame, Ihrer Hoheit treuester Cousin und Diener Friedrich

Vorbild von Montesquieus „Lettres persanes“; in sechs Briefen macht er sich in Voltaireschem Stil über Rom, den Papst und den katholischen Glauben lustig. 4 Henry Saint John Bolingbroke (1678 – 1751), Außenminister Englands. 5 Marie Claire Deschamps de Marcilly (1675 – 1750), Witwe des Marquis de Villette (Philippe Levieux Valois, Marquis de Villette-Mursay (1627– 1707)) heiratet 1720 Henry Saint John Bolingbroke in Aachen. Die Ehe bleibt kinderlos. 6 Gemeint ist „The Craftsman“, eine politische Wochenzeitschrift, erstmalig herausgegeben am 5. 12. 1726 von Nicholas Amhurst (1697 – 1742) unter dem Pseudonym Caleb d’Anvers, und mit einer Auflage von 10.000 eines der größten Blätter der damaligen Zeit. Bolingbroke veröffentlichte darin eine Reihe von Aufsätzen, u. a. gegen den damaligen Premierminister Robert Walpole (1676 – 1745), der kurze Zeit später abdankte.

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Brief 24 [43] Sire, Ihre Majestät bleibt sich in allem treu: Ihre Großmut kommt all Ihren anderen großen und schönen Eigenschaften gleich, die die Welt an Ihnen bewundert. Ich habe das soeben wieder auf entzückende Art und Weise erfahren. Ihre Majestät gibt sich nicht damit zufrieden, mir bereits Ihre holde Nachsicht bewiesen zu haben, Sie möchten mir gerne noch meine Besorgnis bis zum letzten Bedenken abnehmen. Warum haben Sie mit Ihrer Güte nicht soviel Glück, Sire, wie mit Ihrer Größe? Ihr Schicksal berührt mich weit mehr, als ich sagen könnte. Es stimmt, wenn ich die Anzahl Ihrer Feinde in Erwägung ziehe, so erzittere ich; aber wenn ich betrachte, was für eine gute Sache Ihre Majestät zu verteidigen hat, nämlich die Freiheit Deutschlands,1 wenn ich an Ihren Mut denke, Ihre Standhaftigkeit, Ihre Findigkeit, so kehrt all meine Hoffnung zu mir zurück, und ich sage mir, dass es unmöglich ist, dass der gerechte Himmel so viele Tugenden im Stich lassen kann. Es stimmt auch, dass der Frieden ein Gut ist, nach dem ganz Europa sich sehnt, aber die Menge, die ihn ängstlich herbeisehnt, kann ihn uns nicht verschaffen. Frankreich bräuchte ihn noch mehr als alle anderen: seine Misere ist greifbar und vergrößert sich minütlich. Aber seine Belange kümmert nicht diejenigen, die über sein Schicksal entscheiden. Wir haben gerade aus recht guter Quelle erfahren, dass General Serbelloni erklärt haben soll, aufgrund eines besonderen Befehls seines Hofes an die Reichsarmee, dass Spanien Sachsen zum Unterhalt von 30.000 Mann finanzielle Unterstützung zugebilligt hat.2 Der gedruckte Brief, den Ihre Majestät mir gütigst übermittelt hat, ist exzellent; mir scheint, dass ich daran seinen göttlichen Au1 Seit Beginn des Krieges wiederholt Friedrich, dass die Freiheit Deutschlands und die protestantische Religion auf dem Spiel stünden und möglicherweise der „tyrannischen Dominanz des Hauses Österreichs“ zum Opfer fallen könnten. Zu diesem Konzept vgl. Brief 32, Anm. 1. 2 Johann Baptist Graf von Serbelloni (? – 1778), diente unter Karl VI. 1745 war er Regimentsinhaber des Oberösterreichisch-Salzburgischen Dragoner-Regiments „Kaiser Ferdinand I.“ Nr. 4. (Kürassier-Regiment Serbelloni) und wird 1761 zum Feldmarschalleutnant ernannt.

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tor erkenne.3 Ich wünsche mir ganz inständig das Wohlergehen Ihrer Majestät. Ich wage es zu hoffen, Sire, dass Sie diese Wahrheit nicht bezweifeln. Lassen Sie mir weiterhin Ihre Güte zukommen, die den Reiz meines Lebens ausmacht. Ich habe die Ehre, mit respektvollster und unverbrüchlichster Verbundenheit zu verbleiben, Sire, Ihrer Majestät ergebenste und gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Den 9. März 1760 Ich hoffe, dass Ihre Majestät meinen Brief vom 5. dieses Monats mit dem beiliegenden Schreiben von Edelsheim4 bekommen hat. Ich wollte den befehlshabenden Offizier in Langensalza damit beauftragen, aber da er sich dort nicht mehr befand, habe ich es dem Kommissar Ihrer Majestät geben lassen. Ich kann es kaum erwarten, von der Ankunft unseres jungen Mannes an seinem Bestimmungsort zu erfahren und von der Wirkung, die der Brief erzielt hat, als er geöffnet wurde.

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Die „Relation de Phihihu“ (vgl. Brief 23, Anm. 3). Zu Edelsheim vgl. Brief 21, Anm. 3.

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Brief 25 [45] Freiberg, den 12. März 1760 Madame, der Brief Ihrer Hoheit ist mir in aller Sicherheit zugestellt worden und ich glaube, dass Sie jetzt bereits meine Antwort haben müssen. Ich bin beschämt über den, den ich gerade bekommen habe: Wie begierig auch immer ich darauf bin, Ihrer hohen Meinung von mir, Madame, würdig zu sein, fühle ich mich doch noch weit davon entfernt; aber es ist ein Ansporn mehr, der meine Bemühungen erhöhen soll, um Ihre Anerkennung zu verdienen. Dass ich eine gute Sache vertrete, bewahrt mich nicht, das gebe ich zu, vor Schicksalsschlägen. Die meisten Annalen der Antike sind mit Geschichten von Usurpatoren gefüllt; man sieht überall, wie das glückliche Verbrechen frech über die Unschuld triumphiert; was die Reiche umstürzt, ist das Werk eines Moments, und es braucht manchmal nur einen Wirrkopf, der in einem entscheidenden Moment verrückt wird, damit sie stürzen. Ich könnte zu alldem hinzufügen, dass man, wenn man über die ursprünglichen Gesetze der Welt nachdenkt, bemerkt, dass eins ihrer ersten Prinzipien die Veränderung ist; von daher all diese Revolutionen, diese Zeiten des Wohlstands, diese Unglücke und diese verschiedenen Spiele des Zufalls, die unaufhörlich neue Szenen mitbringen. Vielleicht ist für Preußen die fatale Zeit gekommen; vielleicht wird man eine neue despotische Monarchie von Cäsaren sehen; ich weiß es nicht; all das ist möglich, aber ich antworte darauf, dass es erst dann dazu kommen wird, nachdem man Ströme von Blut vergossen hat, und dass ich bestimmt nicht Zuschauer der Ketten meines Vaterlandes und der unwürdigen Versklavung der Deutschen sein werde.1 Dies, Madame, ist mein fester Vorsatz, er ist unverrückbar, unantastbar. Die Interessen, um die es geht, sind so groß, so nobel, dass sie einen Automaten beleben würden. Die Liebe zur Freiheit und der Hass auf jede Tyrannei sind so natürlich für die Menschen, dass sie, es sei denn, sie sind unwürdig, freiwillig ihr Leben für diese Freiheit opfern. 1 Zu Friedrichs Selbstverständnis als Verteidiger der deutschen Freiheit vgl. Brief 32, Anm. 1.

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Die Zukunft ist uns von einem undurchdringlichen Schleier verborgen; das so sprunghafte Schicksal wechselt oft von einer Seite zur anderen. Vielleicht habe ich bei diesem Feldzug so viel Glück, wie ich während des letzten an Widrigkeiten erfahren musste. Mit der Schlacht bei Denain macht Frankreich die großen Verluste wett, die es in zehn aufeinanderfolgenden Jahren des Unglücks erlitten hat.2 Ich sehe die Gefahren, die mich umzingeln, sie entmutigen mich nicht, und indem ich mir das Ziel setze, mit aller möglichen Standhaftigkeit zu handeln, überlasse ich mich der Flut der Ereignisse, die mich gegen meinen Willen mitreißt. Ich sehe, Madame, dass Sie nicht auf Frieden hoffen; Sie glauben, dass die Personen, die vom neuen System Frankreichs Vorteile haben, sich dem widersetzen werden. Ich muss Ihnen trotzdem sagen, dass das Elend des Königreichs an seinem Gipfel angekommen ist und einen generellen Ruf nach Frieden im Land verursacht, dem weder Minister noch Favoritin lange widerstehen können. Ein alles überragender Grund, der Friedensgedanken inspirieren muss, ist die Zerrüttung der Finanzen; dies ist gewiss, und Sie können sicher sein, dass die Mittel für den nächsten Feldzug nicht gefunden werden, und dass die Franzosen weit davon entfernt sind, in diesem Jahr große Anstrengungen zu unternehmen. Dies sind die wichtigsten Argumente für diese harten, arroganten und unmenschlichen Politiker. Ich bin gleichermaßen vollkommen überzeugt, dass Herr Serbelloni3 sich irrt in dem, was er zum Thema Spanien verzapft hat. Gestern habe ich einen Brief von Milord Maréchal4 aus Madrid erhalten, der mir signalisiert, dass der König von Spanien äußerst schlecht auf das Haus Österreich zu sprechen ist, dass er auf den 2 Entscheidender Sieg für die Franzosen am 24. 7. 1712 durch den Marschall de Villars (Claude-Louis-Hector de Villars, prince de Martigues, marquis et duc de Villars et vicomte de Melun, 1653 – 1734) über den Prinzen Franz Eugen, Prinz von Savoyen-Carignan (1663 – 1736)), der das Ende des spanischen Erbfolgekrieges (1701 – 1713) zur Folge hat. (Cot.) 3 Zu Serbelloni vgl. Brief 24, Anm. 2. 4 George Keith, genannt Lord Marschall (1686? – 1778), schottischer Offizier, kommt in die Dienste Friedrichs. Er wird sein Botschafter in Versailles (1751), dann Gouverneur des Fürstentums Neuchâtel (1754), wo er Rousseau Asyl gewährt (Cot.), vgl. auch Brief 34, Anm. 7.

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Frieden hinarbeitet und ich dabei auf meine Kosten kommen werde.5 Man wird kaum finanzielle Unterstützung für die Unterhaltung von 30.000 Mann zahlen. Spanien wird dem König von Polen vielleicht etwas Hilfe gegeben haben, aber sicherlich kann es nicht viel gewesen sein, und Herr Serbelloni hat diese Wichtigtuerei für richtig befunden, um seinen Reichskreisen Mut einzuflößen.6 Dies, Madame, ist ein Brief, der kein Ende nimmt. Ich schäme mich meiner Plauderei und aller Kindereien, die ich Ihnen mitteile; ich bin meinem Vergnügen gefolgt und ich habe nicht an das Ihre gedacht; ich glaubte, Konversation mit Ihnen zu betreiben und diese schmeichelhafte Illusion hat mich Ihre Zeit und Geduld missbrauchen lassen. Kurz, Madame, Sie verwöhnen mich ganz und gar. Ich werde aufdringlich, unangenehm, meinen Freunden lästig und unerträglich für alle: Da Sie das Übel verursacht haben, so müssen Sie es heilen. Ich werde Ihre Vorhaltungen und Tadel, die Sie mir gern machen können, als Zeugnis Ihrer Güte auffassen. Sie werden nur zu der Hochachtung und der Bewunderung beitragen, mit der ich verbleibe, Madame, Ihrer Hoheit treuer Cousin und Diener Friedrich

5 Karl III. (1706 – 1788) ist seit 1759 spanischer König als Nachfolger seines Halbbruders Ferdinand VI. 6 Die Reichskreise waren verpflichtet, dem Reich Truppen zu stellen.

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Brief 26 [46] Sire, man müsste wahrlich ein Automat sein, um nicht unendlich empfänglich für die Güte Ihrer Majestät zu sein; ich bin so durchdrungen davon, Sire, dass ich all meine Kräfte benötige, um sie nicht zu missbrauchen und nicht deswegen eitel zu werden. Je mehr man die Gelegenheit und das Glück hat, Ihre schöne Seele kennenzulernen, umso mehr bindet man sich und nimmt Anteil an Ihrem Schicksal. Wie es auch sein mag, Sire, und egal was passiert, Sie werden immer gleichermaßen groß und bewunderungswürdig sein. Das ist ein sicheres Horoskop, das man Ihnen geben kann, ohne auf die Kunst der Astrologie zurückzugreifen. Dies ist meine Schlussfolgerung, nachdem ich gerade die gnädigen Zeilen gelesen habe, mit denen Ihre Majestät mich erneut beehrt. Ich fordere Platon und Sokrates und alle Philosophen zusammen heraus, den Reflexionen Ihrer Majestät etwas hinzufügen zu können: Sie kennen das Nichts der Größe und der Wechselfälle dieser Welt besser, als sie jemals ein Philosoph hat ergründen können. Und was Sie unendlich über all diese Leute stellt, ist die Tatsache, dass Ihre Majestät mit diesem Wissen die Standhaftigkeit und den Mut eines Helden vereint. Solange Sie existieren, Sire, kann Deutschland nicht seine ganze Freiheit verlieren. Sie dienen dem Land unaufhörlich als Unterstützung und Hilfe. Bleiben Sie gesund, Sire, und schonen Sie Ihr heiliges Leben, denn von Ihnen, von ihm, hängt unser Heil ab. Was den Frieden angeht, gestehe ich, auch wenn ich ihn inbrünstig wünsche, bin ich mir seiner nicht sehr sicher. Zwar hat die Misere Frankreichs ein enormes Maß erreicht, aber wenn einem sein Zustand so unbekannt ist, dass man sagt, dass der König ihn nicht kennt, so ist es schwierig, um nicht zu sagen, unmöglich, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen. Nach dem, was Ihre Majestät die Güte hat, mir zu erzählen, glaube ich selbst, dass die Erklärung von General Serbelloni reine Wichtigtuerei ist. Ich rechne damit, dass Ihre Majestät in wenigen Tagen Neuigkeiten unseres kleinen Mannes erhalten könnte.1

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Seien Sie überzeugt, Sire, dass ich meine ganze Aufmerksamkeit darauf richten werde, weiterhin Ihr kostbares Wohlwollen zu verdienen und Ihnen die Aufrichtigkeit meines Eifers zu beweisen, genauso wie die Gefühle des Respekts, mit denen ich unverbrüchlich verbleibe, Sire, Ihrer Majestät ergebenste und gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Ich zähle darauf, dass Ihre Majestät mir den Weg angeben wird, über den ich Ihnen das zukommen lassen kann, was ich für Sie erhalte. Den 18. März 1760 Ich hatte bereits meinen Brief versiegelt, als ich das beiliegende Schreiben des jungen Mannes per Kurier erhielt. Dieser Kurier kommt nicht direkt von ihm, aber er hatte sein Paket an einen vertrauten Freund adressiert, der an der Grenze wohnt und der absolut nicht weiß, worum es geht. Der Kurier ist noch hier, um Befehle Ihrer Majestät zu erwarten, für den Fall, dass Sie ihm antworten wollten. Wolle die gute Vorsehung, dass die Nachricht, die das Paket enthält, den Wünschen Ihrer Majestät entspricht!

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Edelsheim, vgl. Brief 21, Anm. 3.

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Brief 27 [47] Sire, voller Angst habe ich die Ehre, Ihrer Majestät heute diese Zeilen zu senden: Man sagt, dass hier und da Husaren um uns herumschwirren. Ich fürchte um meinen Brief und das beiliegende Schreiben, das ich gerade erhalten habe. Ich wage also, Sire, wiederum meinen üblichen Merkur1 zu schicken, und ich hoffe, dass Ihre Majestät so gütig ist, mein Vorgehen zu billigen. Seitdem ich in Besitz des bewundernswerten Briefes Ihrer Majestät vom 12. dieses Monats bin, kann ich mich nur damit befassen. Ich lese und lese ihn immer wieder; er hat dermaßen meine Seele ergriffen, dass er dort jede andere Idee absorbiert hat, jedes andere Gefühl. Da ich von dem Gegenstand, der mich dermaßen frappiert hat, so erfüllt war, habe ich all das, von dem ich so lebhaft durchdrungen war, nur schwach wiedergegeben. Ich schäme mich noch immer dafür; ich wage Ihre Majestät inständig zu bitten, meinen Brief von damals als den Mantel Agamemnons zu betrachten, unter dem ich all meine Sensibilität versteckt habe.2 Die Art, wie Ihre Majestät mir Ihre derzeitige Situation geschildert hat, die Unsicherheit einer unseren Augen verborgenen Zukunft, Ihre unerschütterliche Standhaftigkeit, die Anstrengungen, die Ihr Mut noch zu unternehmen bereit ist, um die unwürdigen Ketten zu sprengen, die uns drohen: All dies ergibt ein solch großes und so rührendes Bild, dass man keinerlei Empfindung haben dürfte, um nicht gern alle Interessen zu teilen und sich bereitwillig all Ihren Gefahren auszusetzen. Warum kann ich nicht das Unwetter beschwören, kann ich nicht meinen Eifer deutlich machen? Ihre Seele ist der lebendige Abdruck der Gottheit, die ich bewundere; sollte sie Ihnen so viele Talente vergeblich gegeben haben? Sollte sie Sie der Grausamkeit Ihrer unerbittlichen Feinde ausgeliefert lassen? Edelsheim, vgl. Brief 21, Anm. 3. Anspielung auf eine Szene (vv. 1549 f.) aus Iphigenie in Aulis (Euripides, nach 406 v. Chr.), in der Agamemnon seine Gefühle verbirgt. Bekannt geworden ist diese Szene durch die Beschreibung einer nicht erhaltenen bildlichen Darstellung des Malers Timanthes (5. Jh. v. Chr.) durch Plinius den Älteren (23 / 24 – 79 n. Chr.), vgl. Jessica Popp, Sprechende Bilder, S. 201. 1 2

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Nein, dies ist nicht möglich. Es scheint mir sogar, dass man den gegebenen Umständen Quellen der Hoffnung entnehmen kann; Ihre Feinde werden sich am Ende entzweien; England wird Ihre Interessen nicht im Stich lassen; ein einziger Sieg Ihrer Majestät kann mit einem Schlag die Lage der Dinge ändern. Was sage ich? Mein beiliegendes Schreiben kann Gründe zur Freude und Hoffnung enthalten. Zumindest, Sire, wünsche ich das inbrünstig; möge der Himmel Ihre Unternehmungen segnen; mein Glück, Sire, das meines Hauses, das ganz Deutschlands, hängt von Ihren Erfolgen ab. Gewähren Sie mir weiterhin Ihre Güte, die mein ganzer Trost ist. Meine Bewunderung steigt mit meiner Dankbarkeit. Ich habe die Ehre, unverbrüchlich mit aller denkbaren Verehrung zu verbleiben, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen 21. März 1760 Kennt Ihre Majestät die philosophischen Werke eines englischen Autors namens Hume?3

3 Es handelt sich um „The Natural History of Religion“, den ersten, 1757 publizierten Essay der Sammlung „Four Dissertations“ von David Hume (1711 – 1776), der die Entstehung der Religion aus der menschlichen Furcht und Zukunftssorge erklärt.

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Brief 28 [48] Den 26. März 1760 Madame, dieser Tag war glücklich für mich: Er hat mir drei Ihrer Briefe gebracht, einer zuvorkommender als der andere. Das beiliegende Schreiben aus Paris kündigt die Ankunft an, und dass der Komtur de Froulay seinen Auftrag übernommen hatte und sofort das Eisen geschmiedet hatte und dass er ihm einen Weg verschaffen wird, die Antwort zukommen zu lassen. Es scheint klar, dass es dort zwei Parteien gibt, die jeweils von sehr unterschiedlichen Prinzipien ausgehen;1 aber trotz dieser Intrigen glaube ich nicht, dass man die Hoffnung auf Frieden aufgeben muss, ich habe Briefe aus Holland, die mich hoffen lassen und vielleicht werden wir im Juni die Früchte ernten. Sie haben die Güte, mir die Verlegenheit zu signalisieren, Madame, in der Sie sich hinsichtlich der Briefe befinden. Ich sehe keine andere Route als die über Leipzig, dort ist ein Preußenkorps erneut auf Zeitz vorgerückt, das Lusinsky aus Gera verjagen wird.2 So lange diese kleine Expedition dauert, ist die Korrespondenz sicher; wenn sie beendet ist, sehe ich nur die Route über Leipzig, die uns offen bleibt. Hier eine Antwort an Voltaire,3 mit der ich schon wieder die Ungehörigkeit besitze, Sie zu beauftragen. Wenn dieses Buch des englischen Philosophen mir beibringt, mich besser aufzuführen, so bitte ich Sie inständig, Madame, es mir anzuzeigen. Ich kenne es nicht, aber ich halte es für gut, wenn es Ihre Zustimmung erhält.

1 Eine Friedenspartei, repräsentiert durch den Grafen von Saint-Germain (? – 1787), und eine Kriegspartei, angeführt von Choiseul (Étienne-François de Choiseul d’Amboise, 1719 – 1785, seit 1758 Außenminister und 1761 Kriegsminister). 2 Friedrich signalisiert Heinrich von Preußen (Prinz Friedrich Heinrich Ludwig von Preußen, 1726 – 1802, jüngerer Bruder Friedrichs II.) am 11. 12. 1759, dass Feldmarschall Gabriel von Lusinsky in Gera einmarschiert ist. (Cot.) Laut Tessin, Die Regimenter, Teil 3, S. 202 ist Lusinsky von 1762 – 1769 Befehlshaber der Anton-Esterhazy-Husaren. 3 D 8820 mit ironischen Versen an die Adresse Frankreichs. (Cot.)

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Es sind Unglücke, Madame, die Menschen zu Philosophen machen. Meine Jugend war eine Schule der Widrigkeiten, und seitdem ich in einer so beneideten Position bin und dem Volk durch aufgeblasene Größe imponiere, hat es mir nicht an Rückschlägen und Unglücken gemangelt. Fast nur mir ist es passiert, dass ich all meine intimen Freunde und meine alten Bekannten verloren habe.4 Das sind Wunden, die das Herz lange bluten lassen, die die Philosophie besänftigt, aber nicht zu heilen vermag. Das Unglück macht einen weise, es öffnet einem die Augen vor Vorurteilen, die sie blendeten, und klärt uns über wertlose Dinge auf. Es ist ein Gut für die anderen, aber ein Übel für uns selbst, da es nur Illusionen auf der Welt gibt, und die, die sich darüber lustig machen, sind tatsächlich glücklicher als diejenigen, die ihren Unwert erkennen und sie verachten. Man könnte der Philosophie das sagen, was der Verrückte, der sich im Paradies wähnte, dem Arzt sagte, der ihn geheilt hatte und ihn nach seinem Lohn fragte: „Du Elender, willst du, dass ich dich bezahle für das Übel, das du mir angetan hast? Ich war im Paradies, und du hast mich herausgeholt“.5 Dies, Madame, ist ein Geständnis, das der Vernunft kaum Ehre macht, aber es ist die reinste Wahrheit. Der Stoizismus ist die letzte Anstrengung, die der menschliche Geist erreichen kann, aber um uns glücklich zu machen, macht er uns fühllos, und der Mensch ist eher ein Wesen des Gefühls als ein solches der Vernunft. Seine Sinne, die die Natur ihm gegeben hat und welche er oft missbraucht, beherrschen ihn, und der Krieg, den die Vernunft mit ihnen unaufhörlich führt, ähnelt dem, den ich mit meinen Feinden führe, deren große Anzahl mich oft quält. Ich fürchte sehr wohl, dass diese Dunstschwaden der Moral Ihnen tiefe Langeweile verursachen, Madame; vorausgesetzt, dass sie Ihren Schlaf verbessern, könnten Sie sie zumindest als Schlafmittel verwenden und mir gegenüber so verfahren wie der Abt Terrasson 4 Friedrich denkt hier wohl vor allem an seine am 14. 10. 1758 verstorbene Schwester Wilhelmine und an den in der Schlacht von Hochkirch gleichzeitig gefallenen Marschall Keith. (Cot.), zu Keith vgl. auch Brief 25, Anm. 4. 5 Diese Anekdote erzählt Friedrich nach Nicolas Boileau (1636 – 1711), Satire IV, v. 103. (Cot.)

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mit einem Priester seiner Gemeinde.6 Der Abt Terrasson litt unter Schlaflosigkeit, die ihn zermürbte und ihn langsam, aber stetig Richtung Grab brachte. Eines Tages, als er übermannt von diesem Übel war, ließ er einen Pfarrer holen. Der Tonsurmensch kam voller Stolz an, um eine so schöne Konversion zu bewerkstelligen. Er triumphierte bereits in den Tiefen seines Herzens, als der sterbende Abt ihm sagte: „Herr Pfarrer, könnten Sie mir nicht eine der Predigten wiederholen, die ich von Ihnen gehört habe. Ich erinnere mich, dass ich in Ihrer Kirche so gut geschlafen habe. Die Ärzte haben mich aufgegeben, aber predigen Sie und geben Sie mir das Leben zurück!“ Könnten Sie, Madame, noch lange Zeit zu Ihrer Gesundheit weder seine Predigten noch meine Briefe brauchen! Könnten Sie so sehr, wie ich es gern hätte, von der Dankbarkeit und der Hochachtung, mit der ich verbleibe, überzeugt sein, Madame, Ihrer Hoheit treuester Cousin und Diener Friedrich

6 Jean Terrasson, französischer Abt und Literat (1670 – 1750), Professor für lateinische und griechische Philosophie am Collège de France. (Cot.)

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Brief 29 [49] Sire, um das Geheimnis Ihrer Majestät nicht den neugierigen Blicken indiskreter Personen auszusetzen, habe ich nicht den Mut gehabt, den mit den Befehlen Ihrer Majestät beauftragten jungen Mann zu treffen,1 als er unerwartet in unsere Gegend zurückkehrte; aber unser Minister hat zwei Meilen von hier mit ihm gesprochen, und nach seinem Rapport wage ich zu hoffen, Sire, dass Sie mit dem Benehmen des jungen Mannes und der Art und Weise, wie er sich bis jetzt angestellt hat, zufrieden sein werden. Ich habe jetzt sogar große Hoffnung auf den glücklichen Ausgang seiner Mission. In dieser günstigen Annahme und für den Fall, dass Sie, Sire, gemeinsam mit England, um dieses von Ihnen angestrebte Ziel zu erreichen, früher in diese Materie eintreten wollten, wäre es da an der Zeit, frage ich Sie, mit diesem völligen Vertrauen, welches Sie so gut einzuflößen wissen, dass wir für die Interessen unseres Hauses in England vorstellig werden? Und glauben Sie, Sire, dass wir von nun an gemäß dem beiliegenden Memorandum handeln sollen?2 Ihre Majestät kann überzeugt sein, dass wir niemals einen Schritt ohne die Einwilligung und Zustimmung Ihrer Majestät wagen werden. Erinnern Sie sich bitte daran, dass ich mir vor einiger Zeit bereits die Freiheit genommen habe, mit Ihnen darüber zu sprechen, was uns anbelangt, und Sie damals so gütig waren, mir zu sagen, dass es noch zu früh für uns sei, Schritte einzuleiten. Und Sie haben noch hinzugefügt, wenn der richtige Zeitpunkt zum Handeln komme, dann sollten wir uns an England wenden und dann habe Ihre Majestät die Güte, unsere Bitten zu unterstützen und zu fördern. Wir stellen uns vor, Sire, dass es sogar im Präliminarfrieden, wenn auch vielleicht indirekt, um Kursachsen gehen wird, und wir wagen zu hoffen, dass wir unter dem Dach Ihres Schutzes bei diesem Treffen nicht vergessen werden, sei es in einem gesonderten Edelsheim, vgl. Brief 21, Anm. 3. Der Text findet sich als Anhang der Antwort Friedrichs vom 1. 4. 1760: „Es ist offenkundig, wie sehr die Höfe in Wien und Dresden den Gothaer Hof hassen aufgrund der Hingabe, die dieser zu allen Zeiten Ihren Majestäten, den beiden alliierten Königen, bekundet hat.“ (Cot.) 1 2

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Artikel, oder wie Sie es auch immer für richtig halten. Wir sind vielleicht zu eitel, aber unsere Befürchtung ist auch nicht völlig aus der Luft gegriffen, um nicht den inbrünstigen Wunsch zu haben, uns vor dem Hass und der Ressentiments der Höfe Sachsens und Wiens in Sicherheit zu bringen. Wir sehen dazu kein effizienteres Mittel, um allen Ärger zu vermeiden, als das, was ich anzugeben wage. Blutsverbindungen sind unendlich zu respektieren, aber nichts steht über der Verbundenheit, die wir Ihrer Majestät gewidmet haben, und den Gefühlen des Vertrauens und der Bewunderung, mit denen ich für immer verbleibe, Sire, Ihrer Majestät ergebenste und gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Den 28. März 1760

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Brief 30 [50] [Freiberg], den 30. März 1760 1

Der Kranke ist hier angekommen; ihm geht es besser als zuvor, aber die Ärzte schicken ihn aus Eigensinn nach England, wo er noch einige Medikamente nehmen muss, durch die seine Gesundheit wieder völlig hergestellt werden kann. Er ist Ihnen für die Anteilnahme, die Sie für seine Situation empfinden, sehr verbunden und er spürt, dass seine Heilung eher Ihr Werk als das der Ärzte ist. Ein anderer Doktor der Medizin mit großem Hut gibt auch Anlass zur Hoffnung;2 er möchte sich in die Heilung einmischen, aber er wird den Kranken durch Sympathie heilen, indem er denen Arme und Beine abtrennt, die den Kranken nicht mögen und sich seiner Heilung widersetzt haben. Das alles ist schöner Schein, er kann sich verwirklichen. Trotzdem muss man weiterhin sagen: „Schwimm und traue niemandem!“

Edelsheim, vgl. Brief 21, Anm. 3. Der Sultan. Zu dieser Zeit also schon hegt Friedrich die – eher illusorische – Hoffnung auf eine Intervention des Osmanischen Reiches, wodurch Truppen der Österreicher und Russen gebunden würden und so das ‚kranke‘ Preußen gerettet werden könnte, vgl. Duffy, Friedrich der Große, S. 325 f., der solche Hoffnungen für das Jahr 1761 erwähnt. 1 2

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Brief 31 [51] Freiberg, den 1. April 1760 Madame, Sie tragen mir auf, Ihnen meine Meinung über den Inhalt des beigefügten Schreibens zu sagen. Ich werde sie Ihnen also sagen, Madame, mit all der Wahrhaftigkeit, die ich Ihnen schulde, wobei ich Sie indessen beschwöre, sie nicht als Orakel aufzufassen. Und mir scheint, dass die Dinge noch nicht weit genug fortgeschritten sind, um dahin zu gelangen, weil bis jetzt kaum jemand seine Ansicht kundgetan hat, und es ist uns geboten zu warten, inwieweit Frankreich und England sich hinsichtlich ihrer eigenen Interessen, die ihnen wahrscheinlich am nächsten liegen, werden verständigen können. Danach ist Zeit, dass jeder seine Ansicht kundtut, und aller Wahrscheinlichkeit nach werden diese Diskussionen den Kongress beschäftigen. Sicher ist, dass die Kaiserinnen sich in keiner Weise auf Frieden einlassen wollen und folglich dieser Feldzug stattfinden wird, was immer dabei herauskommen mag.1 Auch wenn ich allein die Last trage und den Norden und Süden Europas am Hals habe, muss man da hindurch und sich auf Fortuna verlassen, falls man sich freilich ohne Anmaßung ihrer Unbeständigkeit anvertrauen kann. Wenn Sie sich also meinen bescheidenen Einsichten anvertrauen wollen, so glaube ich, Madame, es wird erst dann Zeit zum Reden sein, wenn wir Nachrichten aus England haben, die anzeigen, dass die Denkweisen sich annähern und es wahrscheinlich ist, dass man sich auf Frieden einigt. Sobald meine Nachrichten mir das anzeigen, schreibe ich Ihnen einfach, es heiße, dass Sie seit langer Zeit der Prinzessin von Wales eine Antwort schuldeten und ich glaubte, dass es ihr eine Freude machte, wenn Sie ihr schrieben.2 Das ist also meine wahrhaftige Meinung, Madame, so wie ich sie mir selbst riete, wenn ich an Ihrer Stelle wäre. Der Bote kann in zwei Tagen in London sein, von wo er gut nochmals nach Paris kommen kann.3 Sie sehen, dass das

1 2 3

Maria Theresia und die Zarin Elisabeth. Luise Dorotheas Schwägerin Augusta (1719 – 1772), Princess of Wales. Edelsheim trifft am 14. April in London ein. (Cot.)

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alles nicht so schnell geht, wie man es sich wünscht, aber es bedeutet immer noch viel, wenn man Erfolg hat. Ich verbleibe mit höchster Wertschätzung, Madame, Ihrer Hoheit treuester Cousin und Diener Friedrich

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Brief 32 [52] Sire, mit ebenso großer Freude wie Dankbarkeit, das darf ich Ihrer Majestät versichern, nehmen wir die gnädigen weisen Ratschläge entgegen, die Sie uns gütigst geben. Wir respektieren und schätzen sie wie Orakel, aus all den Beweggründen, die uns mit Ihrer Majestät verbunden sein lassen, und wir werden sie beachten und peinlich genau befolgen. Wir warten in aller Ruhe das Signal ab, das Sie uns geben, und unternehmen bis dahin nichts. Wir betrachten Sie, Sire, als unseren großmütigen Beschützer, und wenn es nicht zu prahlerisch wäre, würde ich sagen, als unseren besten Freund. Hoffentlich werden Sie, Sire, unser Befreier, und die mächtige Stütze der deutschen Freiheit.1 Ich bin entzückt, den Briefen Ihrer Majestät zu entnehmen, dass der junge Merkur2 Gnade vor Ihren Augen gefunden hat, so dass Sie ihn für würdig befunden haben, ihn weiter fliegen zu lassen: Möge der Himmel seine Schritte leiten und ihn zum Erfolg führen lassen, ganz nach dem Belieben Ihrer Majestät. Ich hoffe es fast ebenso sehr, wie ich es wünsche, und das eine wie das andere mit heißem Herzen. Ich habe noch den Brief in meinen Händen, den Sie, Sire, mir ohne Adresse geschickt haben und der meiner Ansicht nach für den Merkur bestimmt ist.3 Ich hatte angenommen, dass er auf seinem Rückweg hier vorbeikommen würde; weil er aber einen anderen Weg gewählt hat, konnte ich ihn ihm nicht aushändigen und warte gegenwärtig darauf, wie Ihre Majestät mir nun damit umzugehen befiehlt. Was den Brief mit der Chiffre V angeht, so habe ich ihn noch an demselben Tag, an dem ich das ganze Paket erhalten habe, losgeschickt.4 Warum bin ich nicht fähig, meinen Wünschen entsprechend auf diesen liebenswürdigen Brief Ihrer Majestät zu antworten? Es mangelt mir gewiss an Beredsamkeit, keineswegs aber an Gefühl. Ich fühle die Kostbarkeit Ihrer Güte in all ihrem Ausmaß. Ihre Überlegungen sind sämtlich Ihrer Geisteskräfte und Ihres 1 2 3 4

Zu diesem Konzept vgl. Schmidt, Die Idee „deutsche Freiheit“. Edelsheim, vgl. Brief 21, Anm. 3. Brief 30. Friedrichs Brief an Voltaire vom 26. März, vgl. Besterman, D 8820. (Cot.)

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großen Mutes würdig. Ich leide mit Ihnen, Sire, über die Verluste an Menschen, die Sie mit dem ehrenhaften und schmeichelhaften Titel Freund beehrt haben. Ich fühle Ihre Leiden und teile sie; ich sehe die Gefahren, denen Sie sich weiterhin mutig aussetzen, und mir wird darüber angst und bange. Doch wenn ich all Ihre Leistungen und Eroberungen betrachte, die in die Ruhmesbücher eingegangen sind und die in künftigen Zeiten unsterblich bleiben werden, dann kann ich, das bekenne ich, den Lauf der Ereignisse nicht einem blinden Zufall zuschreiben. Ich glaube mit Freude und Zuversicht, dass all das, was Ihrer Majestät widerfahren ist, verschiedene Wege sind, mit denen die Vorsehung all Ihre Tugenden prüft und belohnt. Noch ist nicht alles getan, aber ich zweifle nicht, dass Ihre Taten am Ende von Ruhm gekrönt sein werden und Ihr Los ein glückliches sein wird. Das ist zumindest das, Sire, was ich mir brennend wünsche. Unser Glück und unser Los liegen in Ihren Händen und hängen einzig von Ihrer Glückseligkeit ab. Ich müsste einen völlig verdorbenen Geschmack haben, wenn ich mich über Ihre Überlegungen und Ihre Briefe langweilen würde. Ganz das Gegenteil ist der Fall: Ihre Majestät, ich wage es wohl zu sagen, verwöhnt mich mit ihrer Güte und ich missbrauche sie in einem Maße, dass ich mich dessen schäme. Ich bitte darum ebenso ergebenst um Verzeihung wie um die Freiheit, die ich mir herausnehme, Ihnen meinen Philosophen Hume zu schicken.5 Er wird Ihnen nichts beibringen können, könnte Sie aber für einen Moment unterhalten. Nehmen Sie meine Huldigung gütig entgegen und bewahren Sie mir, ich wage es, Ihre Majestät darum anzuflehen, Ihr gnädiges Wohlwollen angesichts der respektvollen und unverbrüchlichen Verbundenheit, mit der ich die Ehre habe zu verbleiben, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin, Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Den 8. April 1760

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Vgl. Brief 27, Anm. 3.

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Brief 33 [53] Den 17. [April 1760] Madame, ich habe heute den Brief vom 8. erhalten, den Sie mir gütigst geschrieben haben.1 Wenn Sie auf meine Ehrlichkeit vertrauen, dann kann ich Ihnen dafür garantieren, wenn aber auf meine Geschicklichkeit, dann könnten Sie sich darin täuschen. Ich gebe Ihnen, Madame, dieselben Ratschläge, die ich mir selbst geben würde; das ist alles, was ich tun kann. Sie wissen, dass die Pläne der Menschen und die Ereignisse nur selten im Einklang miteinander stehen und dass unsere eng begrenzte Voraussicht kaum Auswirkungen auf die Zukunft hat. Diese Zukunft ist gegenwärtig unseren Augen verschlossener denn je. Ich weiß nicht, ob der junge Merkur sie mit einem Schlag seines Heroldsstabes zu durchdringen vermag. Es ist immerhin eine Hoffnung wert.2 Die Pakete an ihn, die in Ihren Händen sind, Madame, sind an sicherem Ort. Sie bezogen sich auf seine erste Mission, und wenn Sie sie bis zu seiner Rückkehr aufbewahren, werden sie ihm immer noch früh genug ausgehändigt. Erlauben Sie mir, Ihnen nicht auf den Punkt mit dem Zufall zu antworten. Das ist eine metaphysische Frage, die mich zu weit führen würde. Es ist gewiss, dass es das Gute auf Erden gibt, aber unglücklicherweise gibt es da auch das Böse. Wenn also die Providenz alles hervorbringt, dann bringt sie auch das Böse hervor und Gott, den man sich nur im Bild der Güte selbst vorstellen kann, würde damit zu einem tyrannischen, böswilligen und unserer Verehrung unwürdigen Wesen. Gemäß meiner Art zu räsonieren versuche ich so konsequent wie möglich zu schlussfolgern, und das entfernt mich notwendig von der feigen und schwächlichen Art des Argumentierens der Schulmetaphysiker. Glauben Sie indessen nicht, Madame, dass ich unter dem Zufall Brief 32. Voltaire äußert sich in seinem Brief an den König vom 3. 6. 1760 (Besterman, D 8931) mehr als skeptisch über die Erfolgsaussichten der Mission Edelsheims (= Merkur) beim französischen Minister Choiseul, der darin ein preußisches Betrugsmanöver wittert. (Cot.) 1 2

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ein unabhängiges Wesen verstehe und derart, wie es sich die Heiden ausgedacht haben. Ich verbinde mit diesem Wort keine andere Vorstellung als die der Nebengründe, deren Wirken wir erst nach den Ereignissen erkennen. Aber alles, was daraus resultiert, entspricht der Ordnung der Dinge, weil es nur die notwendigen Folgen der Leidenschaften sind, die den Menschen gegeben sind und die ebenso zu ihrem Glück wie zu ihrem Unglück beitragen. Das Höchste Wesen hat all diese unterschiedlichen Charaktere auf der Oberfläche der Erde verteilt, in etwa wie ein Gärtner in einem Beet nach dem Zufallsprinzip Narzissen, Jasmin, Nelken, Ringelblumen und Veilchen säen würde. Sie wachsen zufällig an der Stelle, wohin ihr Samen gefallen ist, und bringen notwendig die Blume hervor, deren Keim sie enthalten. Derart agieren die Leidenschaften immer entsprechend ihrem Charakter und der Große Architekt kümmert sich ebenso wenig darum wie Sie, Madame, um einen Maulwurfshügel, der sich in ihren Gärten befinden mag.3 Ich lasse eine ganze Menge von Argumenten In barbara et Celarent, die geeignet sind, in einem Straußenmagen Beschwerden hervorzurufen.4 Aber grob gesagt, bin ich felsenfest überzeugt, dass sich der Himmel um unsere elenden Auseinandersetzungen nicht kümmert, noch um all die Armseligkeiten, die uns quälen, bis unser letztes Stündlein schlägt und wir uns davon machen müssen. Mit den Beispielen, die meine Ansicht bestärken, könnte man ein dickes Buch machen. Aber keine Angst, Madame, ich werde mich auf die Grenzen der Gattung Brief beschränken und verweise auf die Herren Professoren mit dem -us auf ihren Wälzern. Diese Herren schonen weder das Publikum, noch die Buchhändler. Wenn die selige Monade Wolffs noch existierte, würde er Sie mit einem kleinen Essay in 24 Foliobänden beschenken, wo nach etlichen Zitaten aus seiner Kosmologie und seiner Theodizee usw., usw., usw. er Ihnen beweisen würde, dass diese Welt hier die beste aller möglichen Welten ist.5 Ich für meinen Teil, der ich nichts davon plante und 3 Friedrich teilt in seiner – impliziten – Kritik an den Ideen zur Gottesgerechtigkeit von Leibniz und Wolff in etwa die Position Voltaires in dessen satirischem Roman „Candide“, der ein Jahr zuvor erschienen war. 4 Begriffe aus der in der Aufklärung als pedantisch verschrienen Scholastik, die zwei Typen von Syllogismen kennzeichnen.

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unglücklicherweise viele Übel empfinde, ich könnte ihm wie jener Stoiker antworten, gegenüber dem ein Peripatetiker die Existenz der Bewegung leugnete. Der Stoiker widerlegte ihn, indem er ihm voranschritt.6 Die Fakten tragen eine Art Evidenz in sich, der sich die Spitzfindigkeit der Sophismen beugen muss. Aber das ist nun wirklich genug über eine abstrakte Materie. Seien Sie überzeugt, Madame, dass ich den für den glücklichsten Zufall meines Lebens halte, der mich so seltsam an Ihren Hof geführt hat. Das Glück meines Lebens hat nur einen Augenblick lang angedauert. Ich hoffe, ich werde, wenn ich das Ende dieses Krieges erlebe, dieselbe Gunst mit weniger Unterbrechung genießen können. Dies sind die Wünsche und die Hoffnung dessen, der auf ewig verbleibt, Madame, Ihrer Hoheit treuester Cousin und Diener Friedrich

5 Anspielung auf Christian Wolffs (1679 – 1754) „Cosmologia generalis“ (1731) und „Theologia naturalis“ (1736), während der Titel „Theodizee“ eher an Leibniz’ gleichnamige Essays von 1710 denken lässt. (Cot.) 6 Zenon von Elea (ca. 490 – 430 v. Chr.) ist für seine spitzfindigen Beweisführungen, u. a. gegen die Existenz der Bewegung, berühmt, während sich um den Kyniker Diogenes von Sinope (nach 400 – ca. 323 v. Chr.) zahllose Anekdoten, etwa seine Begegnung mit Alexander dem Großen ranken.

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Brief 34 [54] Sire, wieviel Dank bin ich Ihrer Majestät nicht schuldig für all die neuerlichen Zeichen des Wohlwollens, mit denen Sie mich glücklich machen! Sie geben sich nicht damit zufrieden, mir die schmeichelhaftesten Briefe von der Welt zu schreiben. Sie sind auch so gut, Nachsicht gegenüber meinen Schwächen zu üben und meine Zweifel zu beheben. Sie sind so gütig, mir die reizenden Lettres chinoises zu schicken,1 und Sie geben den Befehl, mir die Poésies diverses zukommen zu lassen. Womit habe ich mir, Sire, diese Aufmerksamkeiten, diese Gewogenheit verdient, die mich so ehren? Ich habe kein anderes Verdienst, als Sie zu bewundern, Sire, von Ihrer Güte lebhaft berührt zu sein und unendlich an Ihrem Schicksal Anteil zu nehmen: Das ist alles, was ich vermag und wozu ich tauge. Ich lese mit höchstem Vergnügen die interessanten Berichte des ehrwürdigen chinesischen Reisenden. Diese Briefe enthalten im Gewand subtilen und höchst reizvollen Scherzes große Wahrheiten, aber die Poésies diverses sind unvergleichlich.2 Alles ist da lebendig; Schönheit und Kraft der Begabung finden sich vereint mit Seelengröße und Menschlichkeit, der kühne Pinselstrich des Malers mit der Harmonie und dem Reiz der Dichtung, die Tiefe des Philosophen mit dem Mut und der Furchtlosigkeit des Helden. Es scheint, als ob in der Ode über die Standhaftigkeit ihr erhabener Autor sich selbst in seinem Werk habe darstellen wollen.3 Die Epistel A son esprit4 und die, welche die Verteidigung der Könige 1 Gemeint ist Friedrichs gerade erschienenes Werk „Relation de Phihihu“, wie die Titelangabe von Luise Dorothea zeigt, vgl. Brief 23, Anm. 3. 2 Wie Friedrichs Reaktion in seinem Antwortbrief vom 8. Mai zeigt, war der König über die zur Unzeit in Lyon und Amsterdam im Frühjahr 1760 als Raubdrucke auf den Markt gekommenen „Œuvres du philosophe de Sans-Souci“ nicht begeistert, weil sie angesichts ihrer religiösen und politischen Brisanz die Position Friedrichs bei Verhandlungen mit seinen Gegnern untergraben konnten, vgl. Ziechmann, Panorama, S. 252 – 259. 3 In dieser Ode mit stoizistischer Tendenz werden antike Herrscher als Modelle für Standhaftigkeit aufgerufen, vermischt mit Anspielungen auf die eigene Situation. (Cot.)

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enthält,5 sind beide Meisterwerke. Le temple de Mars ist ein wunderbares Stück Dichtung.6 Jede Epistel, jeder Gesang, jede Ode bietet hinreißende Schönheiten. Immer wieder kehre ich zu den beiden an Keith7 und Maupertuis8 gerichteten Episteln zurück und halte bei ihnen inne. Doch sei es meine begrenzte Einsicht, seien es tief verwurzelte Vorurteile, sei es vielleicht Eigenliebe: Ich gestehe mit der Offenheit, die meinen Charakter ausmacht, dass ich trotz der darin festzustellenden gedanklichen Kraft den dort dargestellten Ansichten nicht beizustimmen vermag. Ich kann nicht zu der Überzeugung gelangen, dass die Vorsehung nicht über unser Leben wacht und das Los Ihrer Majestät mit Gleichgültigkeit betrachten könnte. Nein, nein, Sire, Ihre schöne Seele wird nicht vergehen. Ich wollte sie ewig bewundern können. Diese Überlegung ist kaum philosophisch, gebe ich zu, aber meine Handlungsweisen brauchen einen Lenker und meine Tugend braucht Antriebe und Hoffnungen. Ich missbrauche die Zeit und die Geduld Ihrer Majestät; ich bitte Sie tausendmal um Verzeihung dafür. Die Metaphysik hat für mich tausend verführerische Anziehungspunkte, aber mir scheint, dass sie uns genauso wenig Gewissheit verschafft wie die heilige Theologie. Wie begeistert wäre ich, die Fortsetzung der Lettres chinoises zu sehen! Aber ich wäre es noch mehr, wenn ich das gesegnete

4 Friedrich macht sich in dieser 20. Epistel nicht zuletzt über sich selbst als König lustig, der besser seinen Herrscherpflichten nachkommen, als den Gelehrten spielen solle. (Cot.) 5 In dieser 19. seinem Sekretär und Vorleser Claude Etienne Darget (1712 – 1778) gewidmeten Epistel geht es ebenfalls um Herrscherpflichten. (Cot.) 6 Der 3. Gesang seines Epos in sechs Gesängen über die Kriegskunst ist dem Marstempel gewidmet. 7 Die dem Marschall George Keith gewidmete 18. Epistel über die Schrecken des Todes und des Höllenfeuers war besonders kritisch gegenüber dem Christentum und wurde dementsprechend von Friedrich entschärft, vgl. Ziechmann, Panorama, S. 258. 8 In der an den Vorsitzenden seiner Akademie, Pierre Louis Moreau de Maupertuis (1698 – 1759) gerichteten 7. Epistel negiert Friedrich mit ähnlichen Argumenten wie etwa in seinem Brief vom 17. 4. 1760 die Existenz einer göttlichen Vorsehung. (Cot.)

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Schwert aus den Händen dieses Barbaren fallen und ihn auf der Flucht sähe, ihn und all seine Truppen und all seine Verbündeten. Der Siegesgott kämpfe für Ihren Erfolg!9 Dies sind die brennenden, aufrichtigen Wunschgebete, die ich an jedem Tag meines Lebens ausstoße, oder ein stabiler und ruhmreicher Frieden. Gewähren Sie mir bitte, Sire, weiterhin Ihre Güte und Ihren großherzigen Schutz angesichts der respektvollen und unverbrüchlichen Verbundenheit, mit der ich auf ewig verbleibe, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin, Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Den 2. Mai 1760

9 Zum österreichischen Feldmarschall Daun s. Anm. 2 zu Brief 17. Anspielung auf das angeblich in einem „Bref De N.S.P. Le Pape“ vom Papst persönlich gesegnete Schwert Dauns. Zu diesem von Friedrich zu Propagandazwecken gefälschten päpstlichen Breve und einem gleichfalls von ihm gefälschten Glückwunschbrief von Soubise an Daun zu dieser Auszeichnung vgl. Schort, Politik und Propaganda, S. 268 – 271.

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Brief 35 [55] Meißen, den 8. Mai 1760 Madame, ich bin zu der Überzeugung gelangt, es sei meinerseits eine Art Verpflichtung, Ihnen diesen Haufen Verse zu schicken, den man mir gestohlen hat und der mit mindestens ebenso vielen Unkorrektheiten publiziert ist wie in dem Raubdruck von Lyon, den die holländischen Verleger nachgedruckt haben.1 Diese Verse, Madame, sind für einen kleinen Personenkreis verfasst worden, der mir gegenüber eine ebensolche Nachsicht übte, wie Sie es gütigst getan haben. Ich gestehe Ihnen, laut gedacht und keinerlei Furcht gehabt zu haben, verraten zu werden. Ich weiß noch nicht einmal jetzt, wen ich des Diebstahls bezichtigen soll, den man an mir begangen hat. Ich kann nachempfinden, dass es etliche Gegenstände in diesem Buch gibt, die wenig für die Öffentlichkeit geeignet sind; aber in Wahrheit ist das Werk nicht für sie geschaffen worden. Ich kenne den Zeitgeschmack gut genug, um zu wissen, was er gutheißt, und meine Verse sind zu sehr argumentierend, zu ernsthaft und zu bar jener Form der Annehmlichkeit, die man hierfür verlangt. Ich fürchte sogar, dass man mich verdächtigt, reimen zu können, und Gefahr zu laufen, mir das sprichwörtliche Ansehen zu erwerben, das besagt, verrückt wie ein Dichter zu sein. Doch all meine Vorsichtsmaßnahmen waren vergeblich: Nun bin ich Dichter wider Willen. Und ich wollte mich Ihnen als solcher vorstellen, weil ich denke, dass man vor seinen Freunden nichts zu verbergen hat.2 Phihihu hatte das Glück, vor Ihren Augen Gnade zu finden, was mich dazu ermutigt, Madame, Ihnen einen recht eigenartigen Brief zu schicken.3 Ich verteidige mich mit Klauen und Zähnen, und wenn Ihnen das ein wenig zu heftig Vgl. Anm. 2 zum Brief 34 vom 2. 5. 1760. Diese besonders herausgestellte Vertraulichkeit verpflichtet die Herzogin zu noch stärkerer Bindung an den Preußenkönig. 3 Es handelt sich um ein 1759 als Raubdruck in Amsterdam publiziertes Pamphlet Friedrichs gegen seine Erzfeindin Maria Theresia in Form eines fiktiven Briefes der Mätresse Ludwigs XV., der Marquise de Pompadour (1722 – 1764), welche die hochmoralische Kaiserin mit der Liebesgöttin Venus versöhnen will. (Cot.) 1 2

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erscheint, dann bitte ich Sie darum, für mich Absolution bei Herrn Cyprianus oder seinem Nachfolger zu erwirken.4 Jeder arme Sünder braucht sie und ich ganz besonders, der sich von den ausschweifenden Sitten der Welt mitreißen lässt und oft der Versuchung des alten Dämons verfällt, der unaufhörlich auf der Seelenjagd umherstreift. Ich habe keinerlei Briefe aus London, seitdem wir vom 18. an Gegenwind hatten. Um Ihnen offen zu sagen, was ich denke: Ich merke, dass die Engländer den Frieden nicht wollen. Man musste dennoch den Versuch dazu machen, zum Wohl der Menschheit und um sich nichts vorwerfen zu müssen. Und wenn ich mich auch schäme, Madame, hinsichtlich des Wirkens der Providenz nicht Ihrer Ansicht zu sein, so vermag ich mich nicht von meinem Vorurteil zu lösen, dass im Krieg Gott es mit den stärkeren Bataillonen hält. Bis jetzt befinden sich diese stärkeren Bataillone auf Seiten unserer Feinde. Ich habe meine metaphysischen Träume zu diesem Thema in dichterische Form gekleidet. Ich habe die bedeutendsten historischen Beispiele von glücklichen und unglücklichen Zufällen herausgesucht, und wenn das nicht heißt, mit Ihrer Nachsicht Missbrauch zu treiben, dann will ich mir die Freiheit nehmen, Ihnen eines Tages dieses Stück zu schicken.5 Ich habe Hume gelesen, und um Ihnen in aller Offenheit meine Ansicht zu sagen: Mir scheint, dass er zu sehr nach Paradoxen hascht, was ihn manchmal vom rechten Weg abbringt und in Widerspruch zu sich selbst geraten lässt. Er peitscht die christliche Religion auf dem Hintern des Islam aus und sagt überall zuviel oder zuwenig. Meinen schwachen Einsichten zufolge will die Metaphysik mit Umsicht traktiert werden, und man darf hierbei ausschließlich strenges Argumentieren zulassen. Entweder ist die Evidenz allgemein überzeugend oder, wenn man Rücksichten nehmen muss, ist es besser zu schweigen. Das Beste im Buch des Herrn Hume ist von Locke bezogen; aber der moderne Autor übertrifft den alten nicht, im Gegenteil: Locke scheint Herrn 4 Zur Zeit der Abfassung dieses Briefes ist der strenge Lutheraner und ehemalige Vizepräsident des Oberkonsistoriums in Gotha Ernst Salomon Cyprianus (1673 – 1745) längst tot, aber immer noch häufige Zielscheibe des Spotts Friedrichs und der Herzogin. 5 Anspielung auf seine Epistel über den Zufall.

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Hume Krücken zu liefern, um ihm zu helfen, sich in einem Gebiet vorwärts zu schleppen, wo der Boden andauernd unter seinen Füßen nachzugeben scheint.6 Ich bitte Sie nochmals tausendmal um Verzeihung für dieses Geschwätz, Madame. Ich mische mich da in Dinge ein, die Sie tausendmal besser wissen und empfinden als ich, der ich Ihr verwöhntes Kind bin. Wenn ich Sie langweile, dann ist das eigentlich Ihre Schuld. Vielleicht lehre ich Sie, mit Ihrer Güte weniger verschwenderisch umzugehen, wenn ich Sie dazu veranlasse, all das Geschreibsel zu bereuen, zu dem Sie mich ermutigen. Der Gesegnete ist immer noch mit seinem Schwert, seinem Barett und seiner Armee in der Vorstadt von Dresden.7 Allem Anschein nach wird dieser Monat bis zum Ende vergehen, ohne dass es großes Blutvergießen gibt. Ich verbürge mich nicht für das Übrige, ich, der ich kaum über meine Nasenspitze hinausblicke. Seien Sie bitte, Madame, überzeugt von all den Gefühlen, die Sie mir einflößen, ganz besonders von der Dankbarkeit, mit der ich für immer verbleibe, Madame, Ihrer Hoheit treuester Cousin und Diener Friedrich

6 Zu Hume vgl. Anm. 3 zu Brief 27. Unter dem Einfluss Voltaires wird Friedrich schon als Kronprinz zum Anhänger deistischer Positionen, wie sie John Locke (1632 – 1704) vertritt. 7 Gemeint ist Daun, vgl. Brief 34, Anm. 9. Zehn Wochen später belagert und beschießt der König Dresden – mit schlimmen Folgen für das Zentrum der Stadt, vgl. Kunisch, Friedrich der Große, S. 417.

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Brief 36 [56] Sire, Ihre Majestät möge bitte erlauben, dass ich nach mehrmonatigem Schweigen, nach so viel Kummer und Schrecken endlich aufatme, um es zu wagen, Ihnen den lebhaften Anteil zu bekunden, den der Herzog und ich an dem Ruhmestag vom 3. dieses Monats nehmen.1 Ich hätte mich gewiss einer ebenso angenehmen wie schmeichelhaften Pflicht eher entledigt; aber neben so vielen anderen Schicksalsschlägen, die wir zu erdulden hatten, fehlte uns noch der, von diesem glücklichen Sieg so spät zu erfahren. Nie ist ein Ereignis mit größerer Sorge herbeigesehnt worden und hat sich passender und pünktlicher eingestellt. Da liegt nun also dieses stolze Schwert, dieses gesegnete Schwert von Ihren Lorbeeren bedeckt zu Ihren Füßen:2 Ich danke der göttlichen Vorsehung dafür, die allen den rechten Platz zuweist. Dennoch gestehe ich, Sire, dass meine Freude nicht vollständig ist. Es gibt bei diesem Ereignis einen Umstand, der mich bangen lässt: Es handelt sich um diese Prellung, die Ihre Majestät bei dieser Schlacht davongetragen hat und von der uns die Magdeburger Zeitungen berichten. Ich will gern glauben, dass sie nicht gefährlich ist; doch trotz dieser teuren Hoffnung beunruhigt dieses Unglück mich schrecklich.3 Ihre Majestät setzt sich allzu sehr der Gefahr aus; dieses Wissen lässt mich bange zittern. Wenn ich es wagte, Sire, würde ich Sie auf Knien mit gefalteten Händen anflehen, sich mehr zu schonen. Ihre Existenz ist für uns so bedeutend, dass sie untrennbar mit unserem Glück verbunden ist. Sie können sich nicht vorstellen, Sire, in welcher Anspannung wir während dieses ganzen Feldzuges gewesen sind. Zu schwach, 1 Tatsächlich war der ‚Sieg‘ bei Torgau für Preußen ebenso außerordentlich verlustreich wie für Österreich, vgl. Kunisch, Friedrich der Große, S. 422. 2 Gemeint ist wieder Daun, der sich allerdings nach Dresden zurückziehen und dort festsetzen kann, womit der König laut Kunisch, Friedrich der Große, S. 422 sein eigentliches Kriegsziel verfehlte. 3 In seinem Brief an den Marquis d’Argens vom 5. November spricht Friedrich von einer Prellung. (Cot.)

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um Ihnen auch den geringsten Nutzen zu bieten, konnten wir Ihr Los nur teilen. Dieses Gefühl ist zu stark, um es vor Ihren Feinden zu verbergen, und sie sind zu gerecht, um davon absehen zu können, uns harten Prüfungen auszusetzen. Wir haben schon oft bemerkt, dass, je mehr die Hoffnung, Sie zu besiegen, steigt, sich auch ihr Hass und ihre Empörung uns gegenüber verdoppelt. Die Armee des Herrn von Broglie nagt uns bis auf die Knochen ab. Wir müssen unser gesamtes Heu und unseren ganzen Hafer nach Hirschfeld karren. Man misshandelt unsere Bauern, man behält unsere Pferde, man ruiniert unser Land.4 Dasselbe passiert in Altenburg durch die Kaiserlichen und die Reichsarmee. Und schließlich befinden wir uns auch noch in der erniedrigenden Zwangslage, sogar die Erpressungen des Herzogs von Württemberg zu erdulden.5 Doch alles ist vergessen, Sire, sobald Sie eine Schlacht gewinnen. Ich hoffe, dass Ihre Majestät den Winter in Dresden verbringen wird und Sie uns bald einen stabilen und dauerhaften Frieden verschaffen. Nehmen Sie, Sire, mit Ihrer gewohnten Güte die Darbringung meines Respekts und meiner unverbrüchlichen Verbundenheit entgegen, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Den 17. November 1760 Darf ich Ihre Majestät fragen, ob Sie mit dem Verhalten des jungen Merkur zufrieden sind, und was aus ihm geworden ist?6 Ich höre überhaupt nichts mehr über ihn.

4 Zur notorischen Rücksichtslosigkeit der französischen Truppen, die gezwungen waren, sich auf Kosten der besetzten Gebiete zu versorgen, vgl. Schilling, Kaunitz, S. 239. 5 Karl Eugen, Herzog von Württemberg (1728 – 1793) ist seit 1757 aktiv an der Seite Wiens mit Truppen beteiligt, die sich zu dieser Zeit in Weimar befinden. (Cot.) 6 Zu Edelsheim s. Brief 21, Anm. 3.

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Brief 37 [57] Neustadt, den 22. November 1760 Madame, nachdem mein Irrleben mich seit etwa fünf Monaten von Provinz zu Provinz umhergeführt hat, ist es mir, Madame, ein wahrhafter Trost, von Ihnen Neuigkeiten zu erhalten und von Ihnen selbst den Anteil zu erfahren, den Sie gütigst an einigen Erfolgen nehmen, die unsere Unternehmungen begleitet haben. Es ist sicher, dass der gegenwärtige Krieg sich von allen anderen unterscheidet durch eine hartnäckige, grässliche Erbitterung, die den Geist unserer modernen Politiker charakterisiert. Dieser Feldzug war für mich der schlimmste von allen. Es war nicht möglich, den Feind von vorteilhaften Posten bei Dresden zu vertreiben.1 Wir werden unser Winterquartier aufsuchen. Die Umstände werden mich dazu zwingen, eine Heeresspitze in Altenburg zu haben. Ich werde dabei jedoch das Land als Heiligtum ansehen. Ich habe Ihren Reiter, Madame, mit einem Vorschlag beauftragt. Ich weiß nicht, ob er akzeptabel ist. Ich darf Sie um eine kurze Antwort bitten. Der Merkur hat ein seltsames Schicksal gehabt: Von England ist er nach Paris zurückgekehrt, wo man ihn in die Bastille gesteckt, dann wieder freigelassen und gezwungen hat, das Königreich zu verlassen und den Weg über Turin zu nehmen. Vor vier Monaten hat er mir einen Bericht darüber geliefert, der es wegen der einzigartigen Absonderlichkeit und Lächerlichkeit des Vorgehens gegen ihn verdient hätte, gedruckt zu werden.2 Seit der Zeit hat er kein 1 Nach der Niederlage eines preußischen Armeekorps am 23. 6. 1760 im schlesischen Landeshut stößt Friedrich Anfang Juli selbst nach Schlesien vor, weicht dann aber unter österreichischem Druck nach Sachsen zurück, beschießt Dresden zwei Wochen lang zur Empörung der Öffentlichkeit, muss die Belagerung unter erneutem Druck Dauns aufgeben, zieht wiederum nach Schlesien, wo er am 15. 8. bei Liegnitz das österreichische Heer unter dem Kommando Dauns besiegt, vgl. Kunisch, Friedrich der Große, S. 417 – 420. 2 Zur Verhaftung Edelsheims, ergebnislosen Durchsuchung seiner Papiere nach Geheiminstruktionen Friedrichs und anschließenden Freilassung des Emissärs vgl. Cot.

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Lebenszeichen mehr von sich gegeben, so dass ich, falls er nicht mehr in Turin ist, Ihnen keine Neuigkeiten über ihn mitteilen kann. Alle Maßnahmen, die ich treffe, und auch die des Prinzen Ferdinand zielen darauf ab, Madame, Sie von den Belästigungen Ihrer Nachbarn zu befreien.3 Ich hoffe, dass Sie bald deren Wirkungen erkennen werden. Doch geht es nächstes Jahr wieder damit weiter? Ich hoffe, Madame, dass Sie mir erlauben, Ihnen in Momenten zu schreiben, wenn ich den Kopf freier habe als jetzt, und behalte mir vor, dann die Versicherung meiner Hochachtung, Wertschätzung und Freundschaft zu wiederholen, mit der ich verbleibe, Madame, Ihr treuer Freund und Cousin Friedrich

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Zu Herzog Ferdinand von Braunschweig-Bevern vgl. Brief 21, Anm. 7.

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Brief 38 [58] Sire, wie traurig ist unser Schicksal, wie sehr sind wir zu bedauern! Es ist sicher, dass der Herzog und ich, wenn wir nur auf unsere Eilfertigkeit hören würden, nach Altenburg eilen würden, um Ihrer Majestät unsere Aufwartung zu machen, und wir wären entzückt, Ihnen mündlich die Gefühle des Respekts zu bekennen, die uns mit Ihnen verbinden. Doch leider, Sire, ist uns soviel Glück nicht beschieden. Wir wagen nicht den kleinsten Schritt, der unser armes Land noch mehr der Gefahr aussetzen würde. Wir haben stark gelitten, und wir leiden auch jetzt noch unter den Drangsalen der Truppen, die einen Teil unseres Territoriums besetzt halten, unter den Lieferungen und allen möglichen Übergriffen, welche diese Truppen begehen. Der Herzog von Württemberg hat unsere Umgebung noch nicht verlassen; er hat sein Hauptquartier immer noch in Arnstadt. Der Prinz Xaver von Sachsen ist in Kreuzburg und seine Sachsen halten mehrere unserer Dörfer besetzt.1 Herr von Stainville, der Bruder des Herzogs von Choiseul ist ganz in der Nähe von hier in Langensalza mit einer Abteilung.2 Wir werden unaufhörlich vom Herzog von Broglie mit gewaltsamer Eintreibung bedroht, um ihm die Gesamtmenge der riesig großen Rationen zu liefern, die er von uns gefordert hat und die wir ihm großenteils schon liefern mussten. All diese Überlegungen erlauben uns nicht, uns von hier zu entfernen. Und selbst wenn Sie, Sire, uns gütigst in diesem Winter von unseren Verfolgern befreien würden, hätten wir trotzdem noch weitere Ängste und Schrecken zu befürchten. Alle Angst würde schwinden, wenn es sich darum handelte, unser Leben im Dienst für Ihre Majestät aufs Spiel zu setzen. Doch leider können wir Ihre Nöte nur teilen. Man muss zugeben, Sire, dass Ihre Aufgaben die des Herkules übertreffen und das wahrmachen, was jene an Fabelhaftem an sich haben. Es 1 Xaver von Sachsen (1730 – 1806), zweitgeborener Sohn des Kurfürsten August III. von Sachsen. 2 Jacques-Philippe de Choiseul-Stainville (1727 – 1789) ist Generalleutnant unter de Broglie.

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ist furchtbar, dass Ihre Majestät nach so vielen herrlichen Heldentaten sich immer wieder in der Notlage befindet, jedes Jahr wieder neu anzufangen. Das aber ist die Absicht Ihrer Feinde: mit der Zeit das zu bekommen, was ihr Hass ausbrütet. Wolle der Himmel Ihre weisen Unternehmungen segnen und endlich Ihre furchtlose Tapferkeit mit einem stabilen und dauerhaften Frieden belohnen. Ich bin davon überzeugt, dass der junge Monarch, der nun auf dem Thron Britanniens sitzt, alles Menschenmögliche für die gute Sache und die Fortschritte Ihrer Majestät tun wird. Ich weiß aus sicherer Quelle und seit langem, dass dieser junge Fürst von Bewunderung für Ihre Majestät erfüllt ist.3 Es heißt, dass Größe und Gutes sein Gemüt besonders beeindrucken. Ich würde mich unendlich geschmeichelt fühlen, wenn Ihre Majestät mich weiterhin mit Ihren gnädigen, wunderbaren Briefen beehren würde. Der Herzog nimmt sich die Freiheit heraus, Ihrer Majestät seinen Respekt zu bekunden. Er wird vertrauensvoll die Truppen empfangen, die Sie zur Verlegung nach Altenburg bestimmt haben. Ihre Majestät verzeihe uns, dass wir nicht von einem Glück profitieren können, das uns ein Monarch wie Sie bot, um uns über die bitteren Erfahrungen, die wir durchmachen, hinwegzutrösten und uns mit Freude zu erfüllen. Bewahren Sie uns bitte, Sire, diese Gnade für glücklichere Zeiten auf! Seien Sie weiterhin unser Beschützer und unsere Stütze, wie Sie immer das Ziel all unserer Wünsche sein werden! Ich habe die Ehre, mein ganzes Leben lang mit vollkommenster Verehrung zu verbleiben, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Den 28. November 1760

3 Georg III. (1738 – 1820), Sohn der Prinzessin Augusta von Gotha, Luise Dorotheas Schwägerin, folgt seinem im Oktober verstorbenen Großvater auf dem Thron Großbritanniens. Er galt als ausgesprochener Bewunderer des Preußenkönigs.

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Solange Ihre Majestät mit dem Verhalten des jungen Merkur zufrieden ist, läuft alles für ihn nach meinen Wünschen. Seit langer Zeit habe ich nichts mehr von ihm gehört. Ich füge mit Erlaubnis Ihrer Majestät, den Auszug des Briefes aus England bei, den ein gewisser Schrüder4 mir vor zwei Jahren über den heutigen König von England schrieb, und der das beweist, was ich in meinem Brief vorbringe.

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Nicht identifiziert.

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Brief 39 [59] Meißen, den 4. Dezember 1760 Madame, ich verstehe, dass etliche Gründe Sie daran hindern, mir die Gunst zu gewähren, um die ich Sie vielleicht allzu unbedacht gebeten hatte. Ich hasse unsere Feinde darum nur umso mehr, weil sie so tyrannisch handeln, und wenn sie schon nicht die Herzen gewinnen können, so doch mindestens den Willen aufzwingen und die Gefühle des Wohlwollens und der Freundschaft stören wollen. Ich weiß, dass Prinz Ferdinand handeln muss, und weiß nicht, was ihn davon abhält, und ich wundere mich, dass er die Franzosen und die Sachsen so lange in einer Stellung geduldet hat, deren Folgen vorauszusehen waren.1 Doch, Madame, was sagen Sie mir für das kommende Jahr voraus? Immer noch Krieg und dieselben verzweifelten Situationen, aus denen mich ein glücklicher Zufall dieses Jahr gerettet hat? Ich gestehe Ihnen, diese Situation ist unerträglich und ich vermag dieser Zukunft nur mit Bangen ins Auge zu sehen. Das ist so, als ob man jemandem sagte: „Sie sind zweimal ins Meer gefallen, ohne zu ertrinken, stürzen Sie sich noch einmal hinein!“ Würde er darauf nicht antworten: „Ich danke meinem Schicksal, mich zweimal vor zwei riesigen Gefahren, denen ich ausgesetzt war, bewahrt zu haben. Wenn ich dieses Schicksal zu oft herausfordere, wird es mich als unverbesserlichen Tollkopf im Stich lassen.“ Das ist, unter uns gesagt, Madame, das, was ich über all das denke. Ich komme auf das alte Sprichwort zurück, das, wie trivial es auch immer ist, deswegen nicht weniger wahr ist: Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Ein unglücklicher Moment kann alles umstürzen, und wie können wir im Übrigen auf Fortuna hoffen trotz dieser bestürzenden Menge von Feinden, die sich zu meinem Untergang verschworen hat? Ihr Londoner Korrespondent tut mir viel Ehre an; doch, Madame, wenn er nur eine dieser Schlachten mit eigenen Augen ge1 Friedrich beklagt dieses Zaudern Ferdinands zu dieser Zeit auch mehrfach in seiner Politischen Korrespondenz. (Cot.)

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sehen hätte, würde er sie mit Recht in schrecklicher Erinnerung bewahren und zugeben, dass von allen menschlichen Leidenschaften der Ehrgeiz die für das Menschengeschlecht schlimmste ist. Versichern Sie bitte, Madame, dem Herrn Herzog meine Wertschätzung. Ich werde in einigen Tagen nach Leipzig aufbrechen, wo ich einige Änderungen zu bewirken gedenke, die darauf abzielen, das Herzogtum Altenburg zu schonen und womöglich mit der Hilfe des Prinzen Ferdinand Sie von Ihrer lästigen, unangenehmen Nachbarschaft zu befreien. Ich verbleibe mit allen Gefühlen der vollkommensten Hochachtung und Wertschätzung, Madame, Ihr treuer Cousin und Diener Friedrich

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Brief 40 [60] Sire, in der bedrückenden Lage, in der sich der Herzog und seine armen Untertanen seit mehreren Wochen befinden, erleichtert uns nichts wirksamer als die Hoffnung und Zuversicht, dass Ihre Majestät uns gütigst bedauert, uns weiterhin beschützen will und vielleicht sogar unsere Leiden von einigem Nutzen für das Gemeinwohl und die Sache Ihrer Majestät sind. Das sind zumindest die brennenden und sehnlichen Wünsche, die wir ohne Unterlass an den Himmel richten. Möge das soeben angefangene Jahr fruchtbar an angenehmen Ereignissen werden und die Mühen und den unerschütterlichen Mut Ihrer Majestät mit einem stabilen und soliden Frieden belohnen! Die Furcht, bei unseren Gästen Verdacht zu erregen, hat bis jetzt meine Feder zurückgehalten und mir nicht gestattet, einen der Unseren zu Ihrer Majestät zu schicken. Aus dem Bedürfnis heraus, Ihre Majestät über die Lage der Dinge hier auf dem Laufenden zu halten, hielt ich es für besser, auf einen zuverlässigen und ehrenwerten Fremden zurückzugreifen, als es daran fehlen zu lassen, Ihre Majestät darüber zu informieren, was sich in unserer Gegend ereignet. Ich darf also mit ebenso viel Zuversicht wie Respekt Ihrer Majestät meine ergebenste Ehrerbietung darbringen und Sie bitten, dem Überbringer dieser Zeilen zu erlauben, Ihnen ein wahrheitsgetreues Bild unserer Leiden und der Umstände zu geben, unter denen wir leben. Derjenige, den ich mit diesem Brief beauftragt habe, ist der Bruder des jungen Merkur, Regentschaftsrat des Markgrafen von Durlach und Verwandter unseres Ministers Baron von Keller.1 Er ist in ganz passendem Moment hierher gekommen; denn ohne sein unerwartetes Erscheinen wäre ich lange Zeit in der harten Zwangslage geblieben zu schweigen.

1 Der ältere Bruder des Emissärs Edelsheim, Wilhelm von Edelsheim (1737 – 1793), fungiert für seinen Herrn ebenfalls als Geheimbote. Christoph Dietrich von Keller (1699 – 1766) ist seit 1751 Geheimer Rat des Herzogs von Gotha.

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Leider habe ich nur allzu gut unser Los vorausgesehen, als ich Ihrer Majestät sagte, wir würden uns nicht von hier weg wagen, noch von der gnädigen Erlaubnis zu profitieren, Ihnen unsere Aufwartung zu machen. Die Alternative ist schrecklich und bestürzend für unsere Eigenliebe: Unsere Gäste denken allen Ernstes daran, hier zu überwintern; doch ich hoffe immer noch, dass Ihre Majestät im Verein mit dem Prinzen Ferdinand uns von einer ebenso schweren wie ruinösen Last befreien wird.2 Dass man uns versichert, dass Ihre Majestät bei vollkommener Gesundheit ist, stellt einen weiteren sehr wirksamen Grund zum Trost dar und ein sicheres Mittel, um geduldig und mutig allen Schimpf zu ertragen, den man uns antut. Nehmen Sie gütigst, Sire, die Versicherung meiner unerschütterlichen Verbundenheit und vollkommenen Verehrung entgegen, mit der ich verbleibe, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 7. Januar 1761

2 Diese ‚Gäste‘, die ihre ‚Gastgeber‘ mit ihren Winterquartieren ausplündern, sind die Sachsen und die Franzosen, vgl. Von der Osten, Luise Dorothee, S. 214 f.

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Brief 41 [61] Leipzig, den 12. Januar 1761 Madame, die Furcht, meine Briefe könnten abgefangen werden, hat mich bis jetzt veranlasst, meine Gefühle zu unterdrücken, als unversehens der Bruder des Merkur ankommt und mir den Brief aushändigt, mit dem Sie, Madame, ihn gütigst beauftragt haben. Ich danke Ihnen für die Warmherzigkeit Ihrer guten Wünsche für das Wohl der Zukunftsaussichten und für meine Angelegenheiten. Ich versichere Ihnen, Madame, dass ich, ohne es Ihnen selbst zu sagen, Ihnen an jedem Tag meines Lebens alles Glück, das Ihre besondere Tugend und Ihre großen Vorzüge verdienen, gewünscht habe und weiter wünsche. Das sind die Gefühle, die ich mein Leben lang bewahren werde, weil es mir unmöglich ist, Menschen nur halbherzig zu schätzen und zu lieben. Sie können folglich glauben, dass ich von mir aus alles getan hätte, um zu dem beizutragen, was Ihnen dienlich und angenehm sein kann; da aber diese Sache mir zu heikel erscheint, um zu Papier gebracht zu werden, beauftrage ich damit Ihren Boten, der Ihnen nach Ihrem Belieben mündlich berichten kann, was diesen Punkt betrifft. Ich bin seit vier Wochen im Land der Lateiner: Ich habe, um mich zu amüsieren, alle Professoren dieser Universität Revue passieren lassen. Drei oder vier verdienstvolle und kenntnisreiche habe ich darunter gefunden, unter anderen einen Griechischprofessor, der mir mehr Urteilskraft und Geschmack zu haben schien, als man sie für gewöhnlich bei den Gelehrten unserer Nation antrifft. Aber in der Menge habe ich einen entdeckt, der Molière nicht entgangen wäre, hätte er zu seiner Zeit gelebt. Dieser erstaunliche Mann hat mir mit schulmeisterlichem Ernst erklärt, er habe sechzig Foliobände zur Welt gebracht und zwei alle drei Monate publiziert. Ich sagte zu ihm: „Aber Monsieur, Sie sind wohl im Besitz universalen Wissens?“ „So ist es“, antwortete er. „Aber Monsieur, alle drei Monate zwei Foliobände, überlegen Sie mal, ich hätte nicht genug Zeit, um sie zu schreiben, und wie haben Sie sie da verfassen können?“ „Das ist von dort gekommen“, sagte er zu mir und tippte mit einem Finger an seine Stirn. Einer seiner wohlwollenden Mitbrüder fügte hinzu: „Und aus den Wörterbü-

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chern von Bayle, Moréri, Chambers und allen Wörterbüchern, die man nur kennt, die der Herr verschmolzen hat.“ „Ja, ich habe Sie umgeschmolzen“, sagte der Gelehrte, „aber ich habe aus ihnen Hervorragendes gemacht, denn ich habe sie ganz durchkorrigiert.“1 Möge der Himmel, Madame, Sie und mich dieses Jahr und alle weiteren Jahre unseres Lebens vor Autoren bewahren, die Väter von sechzig Foliobänden sind. Ich bin bis zu diesem Augenblick immer noch so davon beeindruckt, dass ich im Angesicht eines Buches zusammenzucke, es sei denn, es ist im Duodezformat. Ich bitte Sie um Ihre gewohnte Nachsicht für die Albernheiten, die Ich Ihnen schicke. Ich habe gedacht, dass dies angesichts der Zeitläufe die einzigen Neuigkeiten seien, die man senden und empfangen kann, ohne unangenehme Empfindungen hervorzurufen. Lassen Sie mir bitte die Geschichte mit den Professoren durchgehen zugunsten der aufrichtigen Verbundenheit, mit der ich auf ewig verbleibe, Madame, Ihr treuer Cousin, Freund und Diener Friedrich

1 Möglicherweise wird hier Johann Christoph Gottsched (1700 – 1766) verspottet, der in Leipzig seit 1734 eine ordentliche Professur für Logik und Metaphysik innehatte, neben zahllosen Buchpublikationen auch Zeitschriften herausgab, aber auch Pierre Bayles (1647 – 1706) berühmtes „Dictionnaire“ von 1697 als „Historisches und Critisches Wörterbuch“ 1741 – 1744 auf Deutsch herausgebracht hatte, den der König in der Tat bei dieser Gelegenheit in Leipzig getroffen und als Pedanten verspottet hat, wie Friedrich noch Jahre später gegenüber dem österreichischen Gesandten bekennt, vgl. Friedrich der Große, De la littérature allemande, S. 35 f. Louis Moréri (1643 – 1680) veröffentlichte 1674 sein vielfach nachgedrucktes Wörterbuch, Ephraim Chambers (1680 – 1740) seine Enzyklopädie 1728.

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Brief 42 [63] Den 23. Februar 1761 Madame, ich bin überglücklich, wenn ich irgendwie dazu beitragen konnte, Sie von der französischen und sächsischen Tyrannei zu befreien.1 Wenigstens sind Sie gerächt, Madame. Ich wollte, es läge an mir, ebenso leicht die Schäden zu reparieren, unter denen das Land Gotha gelitten hat. Zumindest werde ich das Maß nicht voll machen. Meine Truppen haben Befehl, sich umsichtig und uneigennützig zu verhalten; aber zur größeren Sicherheit werden sie jetzt erst die Kreise aus der Ecke von Sachsen vertreiben, in der sie noch sind, so dass ich hoffe, Madame, dass sie Ihnen keinerlei Unannehmlichkeiten bereiten.2 Die ganze Geschichte ist nicht ganz so schnell erledigt worden, wie ich es gewünscht hätte, aber es galt so viele Köpfe unter einen Hut zu bringen, dass ich überzeugt bin, dass Sie mir nicht die Schuld dafür geben. Wie dem auch sei: Es ist wahrscheinlich, dass dieses Ereignis wesentlich zum Frieden beiträgt. Er ist wünschenswert zum Wohle Deutschlands, zu dem der Menschheit und in Wahrheit für alle Kriegsparteien, deren Ehrgeiz sich bis jetzt lediglich aus Hirngespinsten gespeist hat und die ihre Länder heruntergewirtschaftet haben, um diesen unglücklichen, schlimmen Krieg aufrecht zu erhalten. Der glücklichste Moment meines Lebens wird der sein, an dem ich Ihnen, Madame, dieses glückliche Ereignis verkünden kann. Einstweilen seien Sie überzeugt, dass niemand Sie mehr liebt, Sie schätzt und ehrt, wie ich es zu tun bekenne, indem ich mit der höchsten Wertschätzung und Hochachtung verbleibe, Madame, Ihrer Hoheit treuester Cousin und Diener Friedrich

1 An demselben Tag berichtet Friedrich dem englischen Gesandten Andrew Mitchell (1708 – 1771) von diesem für Gotha so wichtigen Ereignis. (Cot.) 2 Die Truppen der Reichskreise.

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Brief 43 [64] Sire, nichts Größeres, nichts Schöneres, nichts Wunderbareres gibt es als den Operationsplan, der gerade ausgeführt wurde! Er wird Gegenstand der Bewunderung künftiger Jahrhunderte sein, wie er es für dieses auf dem ganzen Erdkreis ist. Wer könnte, Sire, seinen göttlichen Urheber verkennen? Wieso vermag ich, die ich von Freude, Bewunderung und Dankbarkeit durchdrungen bin, es nicht, Ihrer Majestät die ganze Lebhaftigkeit dieser Gefühle und die ganzen Empfindungen meiner Seele auszudrücken? Wie entzückt sind wir, Ihnen, Sire, unser Heil zu verdanken! Wie hoffnungsfroh sind wir, Sie als unseren Befreier zu erkennen! Es sind die mutigen Preußen, die uns auf wundersame Art von unseren Unterdrückern erlöst haben. Niemals, Sire, werden wir diese Wohltat vergessen. Unsere Dankbarkeit gegenüber Ihrer Majestät wird ewig dauern. Wir teilen überschwänglich diese Gefühle mit Ihren Verbündeten. Der Kurier des Prinzen Ferdinand, mit dem ich selbst gesprochen habe, setzt unserer Freude die Krone auf. Er sagte, dass die gesamte Armee von Marschall de Broglie auf 20.000 Mann zusammengeschrumpft ist; dass Kassel, Marburg und Göttingen so eingekesselt sind, dass er gezwungen ist, sich zu ergeben; dass Monsieur de Mobous1 mit 1100 Mann gefangen genommen ist; dass Prinz Ferdinand den Marschall von Frankreich auf allen Seiten bedrängt; dass der Prinz in Eilmärschen auf Hirschfeld vorrückt; dass die Vorratslager entweder verbrannt oder in Händen der Verbündeten sind.2 Kurz, Sire, ich hoffe, dass dieses große Ereignis uns einen stabilen und soliden Frieden verschaffen wird, den wir Ihrer Majestät verdanken. Erlauben Sie, Sire, dass ich Ihrer Majestät zu all diesen glücklichen Erfolgen gratuliere, deren Triebfeder und treibende Nicht identifiziert. Zur Bedeutung dieser Erfolge des Herzogs von Braunschweig-Bevern vgl. den Kommentar von Cotoni zum Briefentwurf Luise Dorotheas vom 21. 2. 1761, der fast wortwörtlich mit ihrem hier abgedruckten Brief vom 27. 2. übereinstimmt. 1 2

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Kraft Sie sind, und Sie brennend um die Fortsetzung Ihres gnädigen Schutzes bitte, angesichts all der Gefühle, die uns ewig mit Ihnen und Ihren Interessen verbinden! Ich habe die Ehre, mit dem vollkommensten Respekt zu verbleiben, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 27. Februar 1761

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Brief 44 [66] Sire, das gnädige Schreiben Ihrer Majestät erfüllt mich mit lebhaftester Freude und vollkommenster Dankbarkeit. Welche Güte, welche Großherzigkeit Ihrerseits, Sire! Womit habe ich so viel Aufmerksamkeit verdient? Gott ähnlich berücksichtigt und belohnt Ihre Majestät nur die Absicht. Vor allem ist Ihre schöne Seele ebenso großherzig, ebenso gütig wie groß und heldenmütig. Ihre Majestät erinnert sich also gnädigst, dass Sie mir versprochen haben, mich benachrichtigen zu wollen, wann es an der Zeit sei, nach England zu schreiben. Vor mehr als 18 Monaten hatten Sie die Güte, es mir zu schreiben,1 und heute beliebt es Ihnen, sich daran zu erinnern.2 Was für ein Anlass zur Freude und Hoffnung! Wir werden es bestimmt nicht daran fehlen lassen, Sire, uns die gnädigen Aufträge Ihrer Majestät zunutze zu machen. Sie würden aber Ihren Wohltaten und unserer Dankbarkeit die Krone aufsetzen, wenn Sie Ihren Botschafter in London beauftragen wollten, unsere Bemühungen und Interessen am britischen Hof zu unterstützen.3 Wir werden niemals, Sire, Ihren Schutz missbrauchen, sondern all unsere Anstrengungen unternehmen, um uns seiner würdig zu erweisen. Der Himmel wolle Ihren Friedensabsichten beistehen; aber der Himmel wolle auch Ihre Tugenden belohnen, Ihre Unternehmungen segnen, Sie weiterhin über all Ihre Feinde triumphieren lassen und Ihnen damit einen ruhmreichen, dauerhaften Frieden verschaffen! Seien Sie überzeugt, Sire, von unseren brennendsten Wünschen für Ihre vollkommene Glückseligkeit und davon, dass nichts unserem Eifer, unserer Verbundenheit und unserer Bewunderung gleichkommt. Das sind die Gefühle, welche das Herz des Herzogs und das meine bewegen und, wenn ich es sagen darf, die Herzen meiner ganzen Familie. In Friedrichs Brief vom 1. 4. 1760, also 13 Monate zuvor. Diese ganz kurze Notiz Friedrichs bildet den gesamten Inhalt von Brief 65 bei Cot. 3 Zu Heinrich von Knyphausen, Friedrichs Botschafter in London, s. Brief 21, Anm. 3. 1 2

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Ich habe die Ehre, mit allem erdenklichen Respekt zu verbleiben, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Den 1. Mai 1761

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Brief 45 [72] Löwenberg, den 2. November 1762 Madame, der Brief und Ihre darin gegebenen Versicherungen Ihrer gütigen Anteilnahme an unseren Siegen haben mir fast mehr Freude gemacht als diese Siege selbst.1 Erfolge schmeicheln nur dem Ehrgeiz und Interesse, aber Freundschaft rührt das Herz und ich kann unmöglich dafür unempfänglich sein, da ich, Madame, den Adel Ihres Herzens und die Aufrichtigkeit Ihrer Gefühle kenne. Ich erfahre heute von einem kleinen Sieg, den mein Bruder gerade über die Österreicher bei Freiberg errungen hat.2 Es scheint, dass Fortuna endlich müde ist, uns zu verfolgen und, nachdem wir sieben Feldzüge lang ihre Schläge ausgehalten haben, uns von nun an weniger streng behandeln will. Vielleicht wird das die Dinge zum Frieden führen und unsere Feinde werden ihre Böswilligkeit unzulänglich finden und sich mäßigen und menschlicher werden. Ich schätze sehr, Madame, die Siege, die zum Frieden führen, der Rest ist nichts als Blutvergießen und nutzloses Abschlachten. Der Himmel wolle, dass es bald dazu kommt!3 Vielleicht bin ich bald in Ihrer Nachbarschaft, Madame, und ich hoffe, dass mich eine günstige Entwicklung in die Lage versetzt, Ihnen persönlich zu bezeugen, wie sehr ich mit den Gefühlen höchster Wertschätzung verbleibe, Madame, Ihr treuer Cousin und Diener Friedrich

Die Rückeroberung von Schweidnitz am 9. 10. 1762. Zum Sieg des Prinzen Heinrich am 29. Oktober bei Freiberg über die von Truppen des Reiches unterstützten Österreicher vgl. Kunisch, Friedrich der Große, S. 428. 3 Nach dem zwischen Frankreich, Großbritannien und Spanien am 3. November abgeschlossenen Präliminarfrieden von Fontainebleau treten auch in Österreich alle wesentlichen Kräfte für den Frieden ein, vgl. Schilling, Kaunitz, S. 284 f. 1 2

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Brief 46 [75] Sire, ich wollte, ich könnte Ihrer Majestät all das schildern, was mein Gemüt seit 24 Stunden erduldet hat; ohne Zweifel, Sire, wäre das Ihre davon berührt. Doch ich will eiligst auf den gnädigen Brief Ihrer Majestät antworten. Dieser wunderbare Brief ist eine wahre Tröstung, deren mein Herz so sehr bedarf: Er flößt ihm Zuversicht ein. Ich versichere Ihrer Majestät, dass ich überhaupt keine Unannehmlichkeiten befürchte und Ihre Gegenwart, weit davon entfernt, uns zu schaden, uns sogar nur Ansehen in den Augen Ihrer und unserer Feinde verschaffen kann und uns mit lebhaftester Freude und vollkommenster Befriedigung erfüllt. Wir wagen es also, Sie mit gefalteten Händen zu beschwören, sich nicht von dem Weg abzuwenden, der hierhin führt. Ihre Gegenwart wird uns zu unserem Ruhm und unserer Glückseligkeit gereichen. Was uns aber schaden und uns wirklich übel mitspielen könnte, das ist, ich darf es offen bekennen, der unerwartete Befehl Ihres Kriegskommissars an die Adresse der Regentschaft von Altenburg, dreihundert Rekruten nach Leipzig zu liefern, mit der Drohung standrechtlicher Erschießung im Fall der Nichtbefolgung. Dieser Befehl kam einige Stunden vor dem huldvollen Brief, mit dem Ihre Majestät den Herrn von Bechtolsheim gütigst für mich betraut hat.1 Ich kann, ich bekenne es, diese beiden Dinge in meinem Herzen nicht zusammenbringen. Ich will mir gern vorstellen, dass diese Forderung des Kommissars ein Missverständnis ist; doch ich kann nicht anders, als Ihrer Majestät davon zu erzählen, und ich hoffe, dass Sie die Freiheit nicht missbilligen wollen, die ich mir herausnehme, Ihnen mein ganzes Herz zu öffnen. Es mag sein, dass diese dreihundert Rekruten als etwas ganz Unbedeutendes erscheinen, und das wären sie auch in einem größeren Land als dem unseren, vielleicht sogar für uns unter anderen Umständen. Aber im gegenwärtigen Fall würde der Wiener Hof für uns schreckliche Konsequenzen ziehen. Entweder würde er diesen Schritt als Absprache zwischen Ihrer Majestät und uns ansehen und uns als Verbrecher und widerwärtige Subjekte bestrafen wol1

Zu diesem Kurier des Herzogs von Gotha s. Brief 15, Anm. 2.

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len oder er würde uns als von der Gnade Ihrer Majestät Abgefallene betrachten und uns zur Klasse eines Kurfürsten von Mainz, eines Herzogs von Mecklenburg und der Prinzen von Schwarzburg zählen.2 Beide Unterstellungen wären unheilvoll, aber die zweite wäre, gestehe ich, die für uns schlimmste und würde uns dem Gespött dieses Hofes und dem vieler anderer aussetzen. Ich kann und will nicht glauben, dass dieser Befehl von Ihrer Majestät ausgeht. Sie waren zu allen Zeiten unser mächtiger, großmütiger Beschützer: Beruhigen Sie uns bitte, verhindern Sie bitte, dass dieser Befehl ausgeführt wird, trösten Sie uns bitte! Haben Sie die Gnade, Sire, unser Beschützer zu sein! Unsere Herzen gehören Ihnen. Wir würden Ihnen gern anstatt der dreihundert Rekruten 30.000 Mann anbieten können; aber sie kennen unsere Schwäche und unsere Gefahren. Retten Sie uns vor diesem gefahrbringenden Schritt! Unsere Herzen fliegen Ihnen zu. Sie würden Ihren Weg am liebsten mit Blumen und Lorbeeren streuen. Sie werden mit Begeisterungsrufen und offenen Armen empfangen werden, zwar nicht Ihrer Größe angemessen, aber unserer Zuneigung, unserer Verbundenheit, unserer Bewunderung gemäß. Wir erwarten Ihre Majestät mit Ungeduld und Respekt, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 25. November 1762

2 Cotoni verweist auf die Weigerung des Herzogs von MecklenburgSchwerin, trotz alter familiärer Bindungen im Jahre 1755 preußische Truppenrekrutierungen zuzulassen. Luise Dorothea ist natürlich auch bewusst, welche brutalen Zwangsrekrutierungen der Preußenkönig 1758 in Mecklenburg hatte durchführen lassen, nachdem Herzog Friedrich der Fromme (1717 – 1785) zu den Gegnern Friedrichs II. übergegangen war.

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Brief 47 [76] Meißen, den 29. November 1762 Madame, mit Ihrer Erlaubnis werde ich die unendliche Freude haben, Ihnen am 3. Dezember meine Aufwartung zu machen und Ihnen, Madame, wiederum die lebhaftesten und aufrichtigsten Versicherungen der Wertschätzung und Freundschaft auszusprechen. Die Herren des Kommissariats haben sich ihrer Aufgabe etwas unbeholfen und grobschlächtig entledigt, wofür ich mich bei Ihnen entschuldige. Aber bedenken Sie bitte, Madame, dass in Kriegszeiten keine Ware oder Münze unbedingt notwendiger ist als die der Menschen! Überlegen Sie bitte, dass ohne die Schlacht von Freiberg die Länder des Herzogs wie im Vorjahr den harten Erpressungen meiner Feinde ausgesetzt wären, dass diese Schlacht unendlich viel mehr Leute gekostet hat, als man heute abverlangt, dass all meine Provinzen von meinen Feinden überfallen oder völlig ausgeplündert und verwüstet worden sind, dass die Leute, die man in Sachsen aushebt, unzuverlässig und sogar geneigt sind, uns zu verraten,1 dass man wenigstens unter denen, auf die wir nicht verzichten können, einige Leute braucht, auf deren Verlässlichkeit wir zählen können, dass schließlich die geringe abverlangte Anzahl in keinem Verhältnis zu der steht, die andere Fürsten liefern, und wir, wenn wir auf Hunderte verzichten, nicht Tausende schaffen können, die wir aufstellen müssen! Dies sind, Madame, alles sehr dringliche Beweggründe für jene, die zu kämpfen gezwungen sind, wobei gewiss die Anzahl nicht zu verachten ist. Wenn ich mich nicht in einer so schlimmen Notlage befände, hätte ich bestimmt Bedenken, Sie wegen einer Kleinigkeit zu behelligen, aber angesichts des brutalen Vorgehens des Kommissariats kann das als Akt der Gewalt gelten, und man braucht sich nur in Regensburg zu beschweren.2 Ich lege Ihnen all meine Be1 Schon im Frühjahr 1757 waren sächsische Soldaten desertiert, die Friedrich zwangsweise in seine eigenen Verbände eingegliedert hatte, vgl. Kunisch, Friedrich der Große, S. 353 und zuletzt Salisch, Treue Deserteure. 2 Mit diesem Ratschlag empfiehlt Friedrich seiner Cousine ironisch, so vorzugehen wie der Herzog von Mecklenburg mit seiner Beschwerde beim

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weggründe dar, indem ich sie, Madame, Ihrem gerechten Urteil vorlege und anführe, dass die Not oft stärker ist als die Gesetze. Ich genieße schon im vorhinein die Freude, die achtbare Freundin wieder zu sehen, die mein Herz für sich eingenommen hat, sobald ich das Glück hatte, sie kennen zu lernen. Ich bitte Sie, Madame, seien Sie ganz überzeugt, dass ich in aller möglichen Aufrichtigkeit spreche und mein Herz meinem Mund nicht widerspricht, wenn ich Ihnen versichere, dass ich mit aller erdenklichen Wertschätzung und Hochachtung verbleibe, meine Frau Cousine, Ihrer Hoheit treuer Freund und Diener Friedrich

Reichstag von 1755, vgl. Cotoni zum Brief der Herzogin vom 25. 11. Zum Herzog von Mecklenburg s. Brief 46, Anm. 2.

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Brief 48 [77] Leipzig, den 6. Dezember 1762 Madame, ich könnte überhaupt nicht mehr mit dem Erzählen aufhören, meine liebenswürdige Herzogin, wenn ich Ihnen den ganzen Eindruck schildern würde, den Ihre mir erwiesene Freundlichkeit auf mein Herz gemacht hat.1 Ich wollte, ich könnte darauf reagieren, indem ich auf alles einginge, was Ihnen angenehm sein kann. Ich erlaube mir, Ihnen die Antworten auf die beiden Memoranden zu schicken, die Sie mir übergeben haben.2 Ich bin untröstlich, Madame, wenn ich Ihre Wünsche nicht vollständig habe erfüllen können; aber wenn Sie die Lage, in der ich mich befinde, kennen würden, hätten Sie dafür, so hoffe ich, einiges Verständnis: Ich war hier mit Staatsgeschäften konfrontiert, und zwar mit noch mehr, als ich vorausgesehen hatte. Wenn ich jedoch jemals die Möglichkeit finde, Ihnen persönlich die Huldigung eines Herzens darzubringen, das Ihnen mehr verbunden ist als Ihre nächsten Verwandten, werde ich die erste Gelegenheit, die sich dafür bietet, gewiss nutzen. Die Herren Engländer lassen mich ganz und gar im Stich.3 Den armen Herrn Mitchell hat deswegen der Schlag getroffen, das ist eine schreckliche Geschichte, doch ich will nicht mehr davon sprechen.4 Ich wollte, Sie genössen, Madame, all das Wohlergehen, das ich Ihnen wünsche, und vergäßen niemals einen Freund, der bis zu 1 Eine detaillierte Schilderung von Friedrichs Kurzbesuch am Gothaer Hof am 3. / 4. Dezember bei Von der Osten, Luise Dorothee, S. 227 – 229. 2 Memoranden zur preußischen Zwangsrekrutierung. (Cot.) 3 Seitdem im Herbst 1761 John Stuart Bute (1713 – 1792) als Nachfolger des preußenfreundlichen William Pitt (1708 – 1778) als Minister für die englische Politik verantwortlich ist, drängt der Bündnispartner Friedrich immer stärker zum Frieden und Gebietsverzichten, vgl. Schieder, Friedrich der Große, S. 201 f., 238 f.; das daraus folgende Misstrauen des Preußenkönigs gipfelt in Verratsvorwürfen gegenüber Bute (Cot.), die erst in der Forschung des 20. Jahrhunderts relativiert wurden, vgl. Duchhardt, Gleichgewicht der Kräfte, S. 115 – 117. 4 Zu Mitchell s. Brief 42, Anm. 1.

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seinem Tode mit dem Gefühl der höchsten Wertschätzung und vollkommensten Hochachtung verbleibt, Madame, Ihrer Hoheit treuester Cousin und Diener Friedrich

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Brief 49 [78] Sire, ich war gerade im Begriff, nach Ihrer Majestät zu schicken, um Ihnen die Freude und unendliche Dankbarkeit zu bekunden, die Ihre teure Anwesenheit in uns geweckt haben, und um die erfreuliche Nachricht von Ihrer glücklichen Rückkehr nach Leipzig zu erfahren; mein Brief1 und mein Merkur2 waren bereit, sich untertänigst zu Ihrer Majestät zu begeben, als es Ihnen gefiel, mir auf die gnädigste, rührendste und unerwartetste Art und Weise zuvorzukommen. Ich bin beschämt und verwirrt von dem Ausmaß Ihrer Wohltaten. Sie sind es, der liebenswürdig, ja der liebenswürdigste aller Erdenmenschen ist. Wir lieben Sie mit allem, was wir haben, und wir würden mit Vergnügen unser Leben hingeben in Ihrem Dienst und für Ihr Wohlergehen. Ich kann Ihrer Majestät gegenüber nicht in Worte fassen, wie sehr mich Ihre Lage betroffen macht und wie empört ich über diese Engländer bin. Ich habe mich seit der Abreise Ihrer Majestät damit befasst, einen Brief an die Prinzessin von Wales zu verfassen, der den erwünschten Effekt erzielen könnte;3 doch so bedeutsam und kritisch der Gegenstand ist, so wenig zufrieden war ich mit meinem Werk. Ich habe mindestens zehn Entwürfe zerrissen. Dennoch bestehe ich darauf, ihr zu schreiben. Ich bitte Ihre Majestät um die Gnade, mir den Tenor dieses Briefes vorzuschreiben und zu diktieren. Sie können sich auf meine Diskretion verlassen. Ich wäre Ihnen gern von Nutzen, Sire, und ich fürchte, ich gebe es zu, zu viel oder zu wenig zu sagen. Das hält meine Feder auf. Verzeihen Sie mir gnädigst meinen Leichtsinn! Es sind Ihre Wohltaten, Sire, die mich verwöhnen und mir zu viel Selbstvertrauen einflößen. Manchmal hoffe ich, dass die Absichten des Hofes von England Ihrer Majestät gegenüber nicht so böse sind, wie es den Anschein hat, oder dass man ihn auf Umwegen wieder auf das erwünschte Wegziel zurückführen könnte. Ihre Majestät möge geDer Entwurf zu diesem Brief ist abgedruckt bei Cotoni, S. 204 f. Edelsheim, s. Brief 21, Anm. 3. 3 Der Entwurf des Briefes an ihre Schwägerin findet sich bei Cotoni, S. 322. 1 2

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wiss sein, dass es weder Bluts- noch verwandtschaftliche Bande mit dem aufnehmen können, das uns so eng an Ihre Majestät bindet. Befehlen Sie gnädigst, was ich schreiben soll, und schicken Sie mir ein Konzept! Ihre Interessen sind die unseren und es gibt keine, die uns teurer sind und auf die wir mehr Rücksicht nähmen. Meine ganze Familie verehrt Sie, bewundert Sie, liebt Sie. Unsere guten Wünsche begleiten Sie überall hin, Sire. Möge Ihre Majestät so vollkommen glücklich sein, wie Sie es verdienen und ich es von ganzem Herzen ersehne! Ich habe die Ehre, Sire, mein ganzes Leben lang mit der respektvollsten Verbundenheit zu verbleiben. Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin, Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 8. Dezember 1762

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Brief 50 [80] Sire, ich bin derart erfüllt von der Güte Ihrer Majestät, dass ich Ihnen meine ganze Dankbarkeit nicht bekunden kann und den brennenden Wunsch, den ich in mir fühle, mich Ihres kostbaren Vertrauens würdig zu erweisen. Ihre Majestät möge keinesfalls das Wort, das Sie mir gütigst gesagt haben, bedauern, sondern mir die Gnade erweisen, mir den Weg zu weisen, um es wirksam werden zu lassen. Ich bin außer mir über das unerhörte Vorgehen des britischen Ministeriums. Das heißt, die königliche Würde sehr wenig zu respektieren, wenn man seinen Herrn gegen Treu und Glauben seiner Verpflichtungen zu handeln veranlasst. Es ist unmöglich, dass es dabei bleibt, ohne dass daraus die schlimmsten Auswirkungen erwüchsen. Meines Erachtens müsste man alles versuchen, was die politische Klugheit einzugeben vermag, um rechtzeitig die beiden größten protestantischen Herrscher, die es in Deutschland gibt, zu versöhnen. Von ihrer Einigkeit allein hängt das Wohl unseres armen Vaterlands ab. Wenn Ihre Majestät es erlauben wollte, dass ich an die Prinzessin schreibe, nicht so, wie ich es zunächst vorgehabt hatte, sondern so, wie es Ihrer Majestät mir zu diktieren gefiele.1 Oder würden Sie es für angebrachter halten, Sire, wenn der Herzog diesen Schritt unternähme, weil ein Brief von seiner Seite bestimmt dem König und Mylord Bute ausgehändigt würde und man als Bruder mit noch größerer Offenheit zu reden wagt, obwohl es im Grunde vollkommen auf dasselbe hinausliefe? In diesem wie im ersten Fall riskierte Ihre Majestät bestimmt nichts, weder hinsichtlich der Geheimhaltung noch der Diskretion. Wir sind Ihnen unverbrüchlich mit Leib und Seele verbunden. Ihr Interesse liegt uns ebenso am Herzen wie das unsere. Befehlen Sie uns, was wir machen sollen; geben Sie uns den Entwurf dieses Briefes; wir werden genauestens Ihre Vorgaben befolgen, wenn Sie uns instruieren wollen. Wenn der Erhalt der protestantischen Religion und der germanischen Freiheit in ihren Augen kein Gegenstand von Bedeutung sind, um sie zur Einkehr zu bringen, dann könnte man ihnen wenigstens klarmachen, dass eben jenes natio-

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Die problematische Syntax des Originals ist hier beibehalten.

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nale Interesse, dem sie Vertrauen und Billigkeit opfern, es verlangt, dass sie den Wiener Hof sich weder an Macht noch Besitz vergrößern lassen.2 Ich bin es, die Ihre Majestät ergebenst um Verzeihung für die Länge dieses Briefes bitten muss. Ihre Briefe, Sire, sind bewundernswert, voller Anteilnahme und Güte. Großer Gott, wie liebe ich sie und wie schmeicheln sie mir! Wie lebhaft mich Ihr Schicksal berührt, kann ich nicht deutlich genug ausdrücken. Dennoch bin ich gewiss nicht verzweifelt. Ich gebe zu, dass die gegenwärtige Lage Ihrer Majestät eine harte Prüfung darstellt. Aber ich setze alles auf Ihr Genie, auf Ihre Weisheit, auf Ihren Mut. Das sind fruchtbringende Helfer, die Sie schon so oft aus den schlimmsten Notlagen herausgeholt haben. Im übrigen verlasse ich mich auf die gütige Vorsehung, welche die gerechte Sache Ihrer Majestät nicht im Stich lassen wollen wird. Achten Sie bitte, Sire, auf Ihre Gesundheit und Ihr Leben, die uns so am Herzen liegen! Wenn wir Sie verlören, dann wäre für uns alles verloren. Aber so lange Ihre Majestät existiert, haben wir immer noch Grund zur Hoffnung. Ich habe die Ehre, mit der respektvollsten und vollkommensten Verbundenheit zu verbleiben, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin, Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 13. Dezember 1762

2 Dass für Friedrich selbst der Begriff der deutschen Freiheit nur propagandistische Zwecke erfüllt, betont Schmidt, Die Idee „deutsche Freiheit“, S. 181.

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Brief 51 [81] Leipzig, den 16. Dezember 1762 Madame, wenn die Spuren der Tugend und der Freundschaft auf der Welt verwischt wären, würde man in Ihrem verehrungswürdigen Herzen, Madame, einen unauslöschlichen Abdruck davon finden. Kann es mehr Gefälligkeit und Dienstfertigkeit geben als die Vorschläge, die Sie mir gütigst machen? Ach, Madame, Sie sind gemacht, um Reiche zu regieren und durch Ihr bewundernswertes Vorbild die Handlungsweise der Herrscher zu verändern, die sich fast alle von einer feigen Politik leiten lassen, die ihre Ehrfurcht gebietende, gekrönte Stellung beschmutzt. Sie wollen mir beistehen, Sie schlagen mir die Wege hierzu vor; doch dulden Sie es, dass ich meinerseits Ihre mutigen Vorhaben nicht missbrauche! Die Materie, meine liebe Herzogin, ist so sensibel und die großen Herrscher sind so kleinlich und empfindlich in der Beurteilung ihrer Handlungen, dass ich fürchte, dass selbst der gemäßigste Brief seitens des Herzogs die Beziehungen der Prinzessin von Wales, seiner Schwester, zu ihm abkühlen könnte. Und die Früchte Ihres guten Willens würden belohnt mit Scherereien Englands oder Erkalten im Verhalten der Prinzessin von Wales, das notwendig Ihren Interessen schaden würde. Dies sind die Gründe, meine verehrte Herzogin, die mich daran hindern, Ihre freundlichen Offerten zu nutzen. Man soll nicht behaupten können, ich hätte Ihnen Nachteile und noch weniger, ich hätte Ihnen Streit mit Verwandten eingebracht, deren anhaltende Freundschaft für Sie so bedeutsam ist wie der Prinzessin von Wales. Ich werde geduldig darauf warten, dass das englische Ministerium wieder zur Vernunft kommt und die Unangemessenheit seines Verhaltens spürt. Das wird bestimmt eintreten, sobald die erste ungestüme Aufwallung, die es den Frieden herbeisehnen ließ, gebremst ist. Vielleicht erreichen wir diesen Winter den Frieden. Die Herren Kreise wollen ihre Truppen zurückziehen. Schon haben sich der Herr von Bamberg, der Kurfürst von Bayern und der von Mainz dazu entschlossen. Die anderen werden ihnen ohne Zweifel folgen. Es gilt diese Brandherde aus der Feuersbrunst herauszureißen, dann wird vielleicht das Feuer erlöschen. Die Österreicher werden

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als letzte Kämpen in der Arena bleiben, wie es ihnen in allen Kriegen ergangen ist.1 Vielleicht kommt für sie dabei ein schlechterer Frieden heraus. Kurz, Madame, es ist zu hoffen, dass so wie alles auf der Welt auch dieser verfluchte Krieg ein Ende haben wird. Was mich angeht, so bewahre ich auf dem Grund meines Herzens die Gefühle der Dankbarkeit und Bewunderung eingraviert, die Sie mir eingeflößt haben. Sie haben mir beistehen wollen: Das genügt mir, meine verehrte Herzogin. Sie hätten es gewiss getan, wenn es möglich gewesen wäre, und man muss den Willen für die Tat selbst nehmen. Ich versichere Ihnen, dass ich es so damit halte und ich in meinem ganzen weiteren Leben nach Gelegenheiten suchen werde, Ihnen die Verbundenheit, Zuneigung und Achtung zu bekunden, mit denen ich verbleibe, Madame, Ihrer Hoheit treuester Freund, Cousin und Diener Friedrich

1 Um nicht das Gesicht zu verlieren, ergreift Kaunitz nicht von sich aus die Initiative zum Frieden, willigt aber sofort in das sächsische Vermittlungsangebot ein, vgl. Schilling, Kaunitz, S. 285.

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Brief 52 [82] Sire, wenn man das Glück hat, Ihre Majestät zu kennen, ist der brennende Wunsch, Ihnen dienen zu dürfen, ebenso natürlich, Sire, wie Sie zu bewundern und Ihnen verbunden zu sein; doch Ihre Majestät ist in Ihrer Großherzigkeit so gütig, meine Schwäche zu adeln und das in den Rang von Tugenden zu erheben, was nur auf meine Zuneigung zurückgeht. Sie wollen also nicht erlauben, Sire, dass wir bei der Prinzessin von Wales vorstellig werden, weil Sie in Ihrem Feingefühl Kummer für uns befürchten. Wie gerührt bin ich von diesen neuen Zeichen Ihrer Güte und wie gern würde ich sie verdienen können! Dennoch können wir uns vorstellen, dass wir ohne uns als Zensoren aufspielen zu wollen und ohne Ihre Majestät einer Gefahr auszusetzen, noch uns zu kompromittieren, selbst an die Prinzessin schreiben, ihr Fragen hinsichtlich unserer eigenen kritischen Situation stellen und sie um Rat bitten können. Auf diesem Weg könnte sie uns vielleicht eine Gelegenheit geben, sich uns in der Folge offener zu äußern, um Andeutungen einfließen zu lassen, die für niemanden abträglich wären. Ich gebe zu, dass man in der gegenwärtigen Krise nicht genügend Vorsicht und Rücksicht walten lassen kann, um, wie es Ihre Majestät sehr weise ausdrückt, die kleinliche Empfindlichkeit der großen Herrscher nicht zu schockieren. Man muss so groß sein wie Sie, Sire, um diesen Nachteil zu spüren und sich wie Sie ganz darüber hinwegzusetzen. Das ist der einzige Punkt, der mich ganz zuversichtlich macht und ein Motiv mehr für meine Bewunderung darstellt. Ich bin überzeugt, dass das englische Ministerium wieder zur Vernunft kommt und die Weisheit und Sanftmut Ihrer Majestät es unfehlbar auf den rechten Weg zurückbringt. Das allgemeine Interesse gebietet diese Mäßigung und es ist allzu wichtig für Deutschland und für ganz Europa, dass sich die Verbindung Ihrer Majestät mit England mehr und mehr stärkt. Ich bedauere von ganzem Herzen den armen jungen König von England, der mangels Erfahrung die Gefahr, die er läuft, nicht erkennt und die bösen Folgen der schlechten Ratschläge, die er bekommt. Ich hoffe immer noch, dass Mylord Bute den für das Allgemeinwohl so notwendigen Sturz hinlegt und man, wenn er gestürzt ist, die Verhal-

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tensweise ändert. Man versichert, er sei äußerst verhasst und dass es noch etliche Debatten im Unterhaus geben werde. Endlich haben wir authentische Präliminarien dieses Friedens erhalten. Der 13. Artikel erscheint uns zweideutig und verfänglich. Dennoch scheint es mir, als sei dieser Artikel als solcher nicht dazu geeignet, die Kaiserin zu berechtigen, sich Provinzen Ihrer Majestät anzueignen.1 Verzeihen Sie mir mein Geschwätz. Ich vergesse alles, wenn ich die Ehre habe, mit Ihnen zu reden. Ich bin entzückt zu erfahren, dass die Kurfürsten von Bayern und von Mainz und desgleichen der Bischof von Bamberg endlich Vernunft annehmen. Der Himmel möge die Schritte Ihrer Majestät segnen und uns durch Sie einen soliden und dauerhaften Frieden gewähren. Sie sind dazu ausersehen, Sire, für das Glück der Menschheit zu sorgen. Warum kann ich mich nicht Ihrer Güte würdig erweisen und Ihnen nicht meinen Diensteifer, meine Verbundenheit, meinen Respekt erweisen? Das sind die Gefühle, auf die ich stolz bin und die ich mein ganzes Leben Ihrer Majestät gewidmet habe, Sire, Ihrer Majestät, ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 18. Dezember 1762 PS Man hält mich wohl für eine hochbedeutende und einflussreiche Persönlichkeit: Hier ist nochmals der Graf von Gersdorff, dem es einfällt, aus Frankfurt eine Bittschrift für Ihre Majestät an mich zu richten.2 Ich habe gezögert, ob ich sie schicken solle; doch am Ende ermutigt mich die Großherzigkeit Ihrer Majestät und überwiegt alle anderen Überlegungen. Verzeihen Sie mir gütigst meine Aufdringlichkeit; drei Monate Urlaub würden den Grafen 1 Österreich hatte es insbesondere auf die Grafschaft Glatz abgesehen und drängte überdies auf einen preußischen Verzicht „auf ein etwaiges Sukzessionsrecht in Bayreuth und Ansbach“, so Duchhardt, Gleichgewicht der Kräfte, S. 98. 2 Karl August, Graf von Gersdorff (?).

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von Werthern glücklich machen und Ihre Majestät würde dabei nichts riskieren, dessen bin ich sicher.3

3 Die Herzogin hatte sich schon in ihrem Brief vom 8. 12. 1761 für den Grafen Georg von Werthern (1700 – 1768) eingesetzt, der von den Preußen in Magdeburg in Geiselhaft genommen worden war. Sein Sohn Johann Georg Heinrich von Werthern (1735 – 1790) heiratet 1762 die Tochter Franziska von Buchwalds. (Cot.) Zu Frau von Buchwald vgl. Brief 72, Anm. 4.

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Brief 53 [83] Leipzig, den 22. Dezember 1762 Meine Frau Cousine, eine Menge Staatsgeschäfte, die sich, weit davon entfernt sich zu verringern, tagtäglich anhäufen, haben mich, meine liebenswürdige Herzogin, daran gehindert, Ihnen früher zu antworten. Ich danke Ihnen tausendmal für den Kniff, den Sie anwenden wollen, um die Denkweise von Leuten, die mich im Stich lassen, zurechtzurücken. Ich habe keine Hoffnung, dass diese Vorhaltungen großen Eindruck machen. Dennoch kann daraus Nutzen erwachsen und das Positive, das daraus resultieren wird, ist mir umso angenehmer, als ich es Ihrer Güte, Madame, und Ihrer Freundschaft verdanke. Vier Parteien haben sich gegen diesen Bute, über den ich mich so zu beklagen habe, vereint: Die Herzöge von Cumberland, von Newcastle und von Devonshire haben sich zusammen mit Herrn Pitt an die Spitze der Opposition gesetzt.1 Aber wenn ich auch voraussehe, dass sich dieser Bute nicht als Minister hält, wird er dennoch dem Parlament in seiner Eigenschaft als Favorit entwischen und trotz allem das Königreich regieren. Kurzum, Madame, es wird aus alldem herauskommen, was die Vorsehung nach ihrem Gutdünken befiehlt; denn gewiss sieht keiner die Zukunft voraus noch verfügt jemand über sie.2 Ich bitte Sie tausendmal um Verzeihung, Madame, dass ich Sie verlassen muss. Ich erspare Ihnen eine politische Erörterung, die Sie bestimmt gelangweilt hätte. Man unterbricht mich: Man will 1 William August, Herzog von Cumberland (1721 – 1765), der dritte Sohn König Georgs II.; Thomas Pelham-Holles, Herzog von Newcastle (1693 – 1768), von 1757 – 1762 als Vertreter der Whigs Vorgänger von Bute im Amt des Premierministers; William Cavendish, Herzog von Devonshire (1720 – 1764), für kurze Zeit 1756 / 57 Premierminister, ist er unter dem Herzog von Newcastle Great Chamberlain; William Pitt (1708 – 1778) war nach seinem Rücktritt als Premierminister 1761 führender Gegner Butes. 2 Freilich verlässt sich der Preußenkönig nicht allein auf die Vorsehung, sondern lässt sogar Propagandaschriften in England verbreiten, um die Öffentlichkeit gegen Bute aufzuwiegeln und ihn zu stürzen, was Luise Dorothea im vorigen Brief mit dem unübersetzbaren Wortspiel Bute – culbuter (drastischer Ausdruck für stürzen) ebenfalls herbeigesehnt hatte. (Cot.)

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lediglich sechs oder sieben Dinge zugleich von mir. Ich würde meinen Störenfrieden und Nervensägen verzeihen, wenn sie nicht die Konversation stören würden, die Sie mir von Zeit zu Zeit mit Ihnen zu führen gestatten, Madame. Ich bitte tausendmal um Entschuldigung für die Tinte, die meinen Brief bekleckst, für meine Ungereimtheiten und meine Albernheiten, indem ich Sie anflehe, mir zu glauben, dass ich mit einem von Wertschätzung und Dankbarkeit erfüllten Herzen verbleibe, meine Frau Cousine, Ihrer Hoheit treuer Cousin, Freund und Diener Friedrich

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Brief 54 [85] Leipzig, den 27. Dezember 1762 Meine Frau Cousine, ich bin, meine göttliche Herzogin, tief durchdrungen von Ihren edlen und großzügigen Vorgehensweisen. Ich danke Ihnen tausendmal für das Konzept, das Sie mir gütigst übermitteln. Sei es, dass es die Wirkung zeitigt, die wir uns erhoffen, sei es, dass es nichts nützt, so empfinde ich in jedem Fall den Wert Ihrer dienstfertigen Freundschaft und Ihrer lobenswerten Absichten und preise den Himmel, der einerseits Feinde aufhetzt, um mich zu verfolgen, und andererseits mich jene himmlischen Seelen finden lässt, deren großzügige Freundschaft und Tugenden der Welt auf ewig als Vorbilder und Exempel dienen müssten. Wenn das Verhalten eines Bute mir Gefühle der Abneigung gegenüber dem Menschengeschlecht einflößt, dann versöhnen Ihre Tugenden, meine liebenswerte Herzogin, mich wieder mit einer Spezies, die Sie zu schaffen vermochte. Aber warum haben nicht alle Menschen das Herz und die Gefühle der Herzogin von Gotha? In diesen Zügen könnte ich das Ebenbild des Schöpfers erkennen, der sie ihm ähnlich hatte erschaffen wollen. Der gesellige Umgang damit wäre reizvoller. Die reine Freundschaft würde sein Wesen ausmachen und wechselseitige Hilfe würde die Bindungen enger machen. Ich gebe mich diesen angenehmen Träumereien hin; leider wird man Sie, meine liebenswerte Herzogin, eher bewundern, als Ihr Beispiel nachahmen. Ich jedenfalls zähle zu den größten Glücksfällen meines Lebens, in einer Welt gelebt zu haben, die Sie hervorgebracht hat, besonders aber, Ihre kostbare Freundschaft besessen und so deutliche Beweise dieser Freundschaft empfangen zu haben. Warum kann ich, Madame, Ihnen nicht das ganze Ausmaß meiner Dankbarkeit bezeugen? Sie endet erst mit meinem Leben, das bis jetzt nutzlos und allen meinen Freunden eine Last ist. Ich hatte keine Gelegenheit, ihnen meine Gefühle durch Taten zu beweisen. Dennoch bitte ich Sie, Madame, auf mich zu zählen wie auf Ihren Ritter, der sich Ihrem Dienst geweiht hat, und wie auf ein dankerfülltes Herz, das Ihnen auf immer all das Wohl schuldet, das Sie ihm haben angedeihen lassen. Ihre Bescheidenheit allein hindert mich daran, Ihnen all das zu sagen, was ich von Ihnen denke.

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Mein Kopf ist so voll davon, dass es mir bestimmt passiert, dass ich, wenn man mit mir über Krieg, Politik und Finanzen redet, anstatt darauf zu antworten, wieder das Loblied auf jene Herzogin anstimme, die den ersten Platz im Gedächtnis eines jeden denkenden Wesens einnehmen muss, sofern es die Tugend liebt. Sie haben mich für Sie begeistert, Madame, ich finde so viel Angenehmes darin, mich dieser Gefühlsregung hinzugeben, dass ich keinerlei Anstrengung unternehme, ihre Fortschritte aufzuhalten. Doch man darf die, welche ein solches Anrecht auf unsere Wertschätzung erworben haben, nicht langweilen. Ich erspare Ihnen also, Madame, was ich Anderen gegenüber verbreiten muss. Ich erspare Ihnen alle guten Wünsche, die ich für Sie zum Neuen Jahr habe; nicht dass ich sie unterdrücke, sondern weil gute Wünsche Ihnen nicht weiterhelfen und ich Ihnen meine Gefühle durch Taten unter Beweis stellen wollte. Das sind keine bloßen Grüße, sondern das ist wörtlich zu nehmen, wenn ich mit der aufrichtigen Freundschaft und höchsten Wertschätzung verbleibe, meine Frau Cousine, Ihrer Hoheit treuester Cousin und Diener Friedrich

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Brief 55 [86] Sire, der göttliche Brief Ihrer Majestät hat meine Seele in einen nur schwer zu beschreibenden Zustand versetzt. Ich bin zugleich erfüllt von Freude, Dankbarkeit, Ihrer unermesslichen Güte. Ich wollte, ich könnte mich über mich selbst aufschwingen, um der vorteilhaften Vorstellung zu entsprechen, die Sie, Sire, gütigst von mir Ärmsten haben; und ich empfinde zugleich nur in aller Demut meine Schwäche. Wenn die unverbrüchliche Verbundenheit, wenn meine lebhafteste Anteilnahme am Schicksal Ihrer Majestät mir zum Verdienst gereichen würden, dann wäre es ganz gewiss groß. Aber man braucht nur das Glück zu haben, Ihre Majestät zu kennen, um Ihnen eilfertig zu dienen und Sie zu bewundern. Wenn Ihre Feinde diesen Vorzug hätten, würden sie bald jede Feindseligkeit sein lassen. Aber sie kennen von Ihnen nur diese Größe, die sie bedroht, die ihnen imponiert und die sie neidisch macht. Wenn dieser Bute zum Beispiel sich Ihnen nähern, Sie sehen und Sie reden hören könnte, würde er augenblicklich sein Verhalten gegenüber Ihrer Majestät ändern. Ich bin immer noch mit Freuden der Überzeugung, dass man diesen Menschen noch gewinnen kann; und wenn ein Erfolg möglich wäre, wäre es wichtig, es zu versuchen. Der Herzog hat vor, in Regensburg vorstellig zu werden, was im Erfolgsfall, wie ich zu hoffen wage, Ihrer Majestät nicht missfallen wird. Hierzu hat er gerade an den Kurfürsten von Mainz und gleichzeitig an die gesamte Kreisversammlung geschrieben; und er legt in seinem Brief dar, dass er nicht mehr in der Lage ist, sein Kontingent zu unterhalten, und er bittet um Vermittlung des gesamten Reiches bei Ihrer Kaiserlichen Majestät, damit sie ihm gestattet, seine Leute aus dieser Reichsarmee zurückzuziehen. Was dazu Anlass gibt, ist die aus guter Quelle stammende Nachricht, dass mehrere sowohl katholische als auch protestantische Fürsten kriegsmüde sind und es nur die Furcht ist, die ihnen der kaiserliche Hof einflößt, der sie noch zögern lässt, dieselbe Bitte wie wir zu machen. Der Herzog hat gedacht, von dieser Meinungslage profitieren zu müssen und diesen günstigen Zeitpunkt, der vielleicht

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bald verloren gehen würde, zu nutzen, um den Anstoß zu geben und sie alle zu derselben Erklärung zu veranlassen. Diese Bitte ist für uns nichts Neues; wir hatten letztes Jahr dieselben Ersuchen gestellt, zu einer Zeit, als wir unter dem Kommissariat und den Truppen der Kaiserin und der Franzosen so sehr gelitten hatten. Aber damals waren nicht alle so wie wir der Kriegskosten überdrüssig. Von daher erhoffen wir jetzt einen glücklicheren Ausgang. Wir haben auch ein Wort der Beschwerde über Ihre Majestät einfließen lassen, weil Sie uns aufgetragen hatten, uns zu beschweren, und weil wir denken, so umso besser das Motiv zu verbergen, das uns zu dieser Demarche veranlasst.1 Wie glücklich wären wir, wenn sie Ihnen von einigem Nutzen wäre und Sie von dieser Armee der Kreise befreien würde! Ihre Wohltaten, Sire, und Ihr Schutz werden immer Gegenstand all unserer Wünsche, unseres Ruhmes und unseres Glückes sein. Seien Sie ebenso erfolgreich, Sire, in dem nun beginnenden Jahr, wie Sie groß und bewundernswert sind! Werden Sie so alt wie Nestor und möge Ihr gesamtes glanzvolles Leben eine Folge von Annehmlichkeiten und Wohlgedeihen bilden! Nehmen Sie in Ihrer gewohnten Güte den Ausdruck meines Respekts und meiner Bewunderung entgegen, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea Herzogin von Sachsen Den 30. Dezember 1762 PS Das Anwerben der Rekruten verläuft ganz gut; aber es ist völlig unmöglich, die Anzahl ausschließlich mit Untertanen des Herzogs zu erfüllen. Ihre Majestät wird von diesen alle bekommen, die gern und bereitwillig dienen. Aber die Leute, die gezwungen sind, werden Ihnen nicht gut dienen. Es gibt im Übrigen einen großen Mangel an Menschen in unserem Land, und es fehlen oft Leute für die Landarbeit. Ich hoffe, dass Ihre Majestät dem Herrn von An1 Diesen Ratschlag zur Beschwerde beim Regensburger Reichstag hatte Friedrich ihr in Brief 47 vom 29. 11. 1762 gegeben.

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halt Befehl erteilen wird, uns keine Schwierigkeiten wegen der Ausländer zu machen.2

2 Heinrich Wilhelm von Anhalt (1734 – 1801), zu dieser Zeit Oberstleutnant in Friedrichs Armee.

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Brief 56 [87] Leipzig, den 3. Januar 1763 Meine Frau Cousine, jeder Ihrer Briefe, meine liebenswerte Herzogin, steigert meine Bewunderung und Dankbarkeit für Sie. Sie übertreffen, Madame, all meine Hoffnungen und geben der Welt ein wirklich schönes Beispiel für Freundschaft und weit gespannte Dankesverpflichtungen. Ich wollte meinerseits darauf reagieren können, indem ich Ihnen zu Diensten, Ihnen von Nutzen bin und die Gelegenheit finde, Ihnen zu beweisen, dass Sie keinen Undankbaren zu Dank verpflichtet haben. Ich gestehe, Madame, dass ich diesem Herrn Bute ein Herz aus Stahl und Erz unterstelle. Eher könnte man den Lauf der Donau umkehren, eher könnte man die Felsen Thüringens zum Schmelzen bringen, als ihn zu einer Meinungsänderung zu veranlassen. Dennoch ist es ein schönes Unternehmen; wenn Sie damit Erfolg haben, Madame, dann müssen Sie es gestatten, dass ich Ihr Unternehmen über die Arbeiten des Herkules stelle. Ich hoffe, dass der Reichstag zugänglicher sein wird. Die Fürsten fangen alle an zu begreifen, dass der Krieg, zu dem man sie veranlasste, nicht ihr Krieg war. Auch der Wiener Hof lässt mehr Anwandlungen zum Frieden erkennen, als er bislang bekundet hat, was mir einige Hoffnung gibt, dass wir ans Ende unserer Leiden und Verwicklungen gelangt sind. Das wurde wirklich Zeit; es gibt nichts so Lächerliches, wie sich zu bekriegen, vor allem wenn man nicht weiß warum. Kurz, Madame, Sie werden zu diesem Frieden beitragen, der mir umso lieber sein wird, als Sie daran teilhaben. Ich habe auch dringliche Befehle an den Offizier erteilt,1 der in Gotha ist, dass er seinen Auftrag langsamer ausführt, denn ich will nur, Madame, Ihnen bei jeder Gelegenheit meinen brennenden Wunsch bezeugen, Ihnen bei allem, was in meiner Macht steht, gefällig zu sein. Nehmen Sie gütigst diese Vorboten meiner guten Absichten als Pfand für die Zukunft entgegen und halten Sie mich, meine liebe 1

Heinrich Wilhelm von Anhalt, s. Brief 55, Anm. 2.

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Herzogin, für den eifrigsten Ihrer Freunde und Bewunderer. Dies sind die Gefühle, die bis zu meinem Tode zu bewahren ich die Ehre habe, indem ich verbleibe, meine Frau Cousine, Ihrer Hoheit treuester Cousin und Diener Friedrich

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Brief 57 [88] Sire, wie glücklich bin ich, wie beneidenswert, die Hoffnung wagen zu können, am gnädigen Wohlwollen des größten und bewundernswertesten Monarchen der Erde teilzuhaben! Ihre Majestät hat die Güte, mir das so oft und so energisch zu versichern, dass mich das zutiefst anrühren und immer mehr dazu bewegen muss, alle Anstrengungen zu unternehmen, um ein so teures und mir im Innersten so kostbares Gut zu verdienen. Sie haben uns soeben ein erneutes Zeichen Ihrer Güte geschenkt mit den Befehlen, die Sie gnädigst an den Offizier gerichtet haben, dem Sie mit der Sorge für unsere Rekruten betraut haben.1 Diese weitere Gunst erfüllt uns mit Dankbarkeit und Respekt und lässt uns mit Hingabe darauf hinzuarbeiten, Ihrer Majestät das ganze Ausmaß unseres Diensteifers und unserer Verbundenheit unter Beweis stellen zu können. Ich wage Ihrer Majestät zu bekennen, dass wir uns Ihr Schicksal so sehr zu Herzen nehmen, dass je nach den Nachrichten, die wir dazu erhalten, unsere Freude und Zufriedenheit so sichtbar wächst oder abnimmt, dass jeder das bemerken kann und unser Gesichtsausdruck hierfür als Maßstab dienen kann. Neulich habe ich von einem der bedeutendsten französischen Generäle, der bei Hofe in Gunst steht und in der Lage ist, die Dinge ganz genau zu erfahren, etwas gehört. Er schrieb unter dem Datum des 21. des vergangenen Monats aus Paris, er sei sicher, dass Ihre Majestät alle Ihre Provinzen behalten würde. Diese Nachricht hat meine Seele so entzückt, dass ich es nicht verhehlen konnte und ich drauf und dran war, Ihre Majestät ergebenst zu beglückwünschen. Aber am Tag darauf erhielten wir Briefe aus Frankfurt, die genau das Gegenteil meldeten und mich in Kummer stürzten, denn darin hieß es, dass die Kaiserin Wesel und alle Staaten Ihrer Majestät im Westfälischen Kreis in Besitz genommen habe.2 Allein der huldvolle Brief, den ich soeben von Ihrer MajesHeinrich Wilhelm von Anhalt, s. Brief 55, Anm. 2. Vor dem Friedensschluss von Hubertusburg am 15. 2. 1763 der bekanntlich den status quo ante wiederherstellte, versuchten alle Kriegsparteien, möglichst viele Gebiete als Faustpfänder in ihrer Gewalt zu haben. 1 2

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tät erhalten habe, war geeignet, meine Trauer auszulöschen, und die Hoffnung auf einen nahen Frieden bereitet mir unendliche Freude. Dieser Ihrer Weisheit geschuldete Frieden kann nur dauerhaft werden, Sie mit Ruhm überschütten und uns für unsere Leiden entschädigen. Bleiben Sie unser Beschützer, Sire, wie Sie es allzeit gewesen sind, unser Held und Ziel all unserer guten Wünsche! Nehmen Sie überdies mit Ihrer gewohnten Güte unsere aufrichtige Huldigung entgegen wie auch die Versicherung meines Respekts und meiner vollkommenen, unverbrüchlichen Verbundenheit, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 4. Januar 1763 PS Ich bin weit davon entfernt, Sire, mir vorstellen zu können, die Denkweise von Mylord Bute ändern zu können. Wenn es jemanden auf der Welt gibt, der dieses Wunder bewirken könnte, dann wäre es Ihre Majestät, Sie, der so viel Einfluss auf das menschliche Herz besitzt. Meines Erachtens wäre es ungeheuer wichtig, zum Vorteil Deutschland und im Interesse Ihrer Majestät diese wilde Bestie zu zähmen. Verzeihen Sie mir bitte, Sire, mein lästiges Insistieren, wenn ich allzu oft darauf zurückkomme, Ihnen den Grafen von Werthern zu empfehlen; aber da sein Sohn Schwiegersohn meiner lieben Freundin Buchwald geworden ist, muss ich Anteil an dieser unglücklichen Familie nehmen, die ihren Trost allein in Ihrer Milde sucht.3 Wenn Ihre Majestät einen mitleidigen Blick auf ihr trauriges Schicksal werfen wollte, würden Sie, da bin ich sicher, meinen ergebensten Bitten nachgeben. Und diese verzweifelte Familie würde diese Gunst gewiss nicht missbrauchen; dafür könnte ich garantieren und meine Dankbarkeit dafür, Sire, würde ewig anhalten.

3 Zu dieser Familie vgl. Anm. 3 zu Brief 52, zu Frau von Buchwald Brief 72, Anm. 4.

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Brief 58 [89] Leipzig, den 10. Januar 1763 Meine Frau Cousine, Sie haben eine so große Macht über meinen Willen und Ihre Eloquenz ist so lebhaft, dass ich meine Niederlage einsehe und mich verpflichtet sehe, Ihrem Wunsch nachzukommen. Dieser Graf Werthern, der Ihre Protektion möglicherweise nicht verdient, für den Sie sich jedoch einsetzen zugunsten einer Person, die Sie verdientermaßen mit Ihrer Freundschaft beehren, dieser Graf Werthern also, obwohl er eine Geisel ist, obwohl er schuldig ist, seinen aus Wechseln herrührenden Verpflichtungen gegenüber Magdeburger Kaufleuten nicht nachgekommen zu sein, wird freigelassen gegen gewisse Teilzahlungen, die man ihm vorschlagen wird. Ich habe zuviel Respekt vor der Freundschaft, jener Leidenschaft der schönen Seelen, um nicht, meine liebe Herzogin, Ihrer Ansicht beizutreten und zu Ihrer Zufriedenheit beizutragen. Ich weiß nicht, wie es mir ergehen wird, aber ich blicke ein wenig optimistischer in die Zukunft als zuvor und hoffe, mich aus der Klemme zu ziehen, in der ich mich bis jetzt befunden habe. Kurz, Madame, man hat immer Hoffnung, denn Sie wissen, dass die Götter die Hoffnung auf dem Boden der Büchse der Pandora platziert haben.1 Ich erinnere mich, in Gotha einen kleinen Porzellantempel gesehen zu haben, in den man mich jedoch nicht hineingelassen hat. Meine Verehrung für die Göttin, die ihn bewohnt, hat mich zu der Absicht inspiriert, ihr ein kleines Opfer darzubringen. Aber weil die Götter sich eher mit der Absicht der Menschen zufrieden zeigen als mit den Kleinigkeiten, die sie ihnen darbringen, nehme ich an, dass die Göttin dieses Ortes ähnlich denkt. Das hat mich ermutigt, ihr das erste Stück Porzellan zu widmen, das in Berlin hergestellt wird.2 Wenn meine Huldigung sich als der Göttin allzu un1 Die Büchse der Pandora enthielt dem antiken Mythos nach alle Übel dieser Welt – aber zuletzt auch die Hoffnung. 2 Sachsen wurde in ganz Europa um die 1710 gegründete Porzellanmanufaktur beneidet, nicht zuletzt in Preußen, wo Friedrich noch im September 1763 eine eigene Manufaktur gründet, nachdem er aus dem besetzten

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würdig erweist, braucht sie das Porzellan nur zu zerbrechen und zu vergessen. Sie kennen, meine göttliche Herzogin, meine Ungeschicklichkeit, meine Albernheit, meine Ungehörigkeit; tadeln Sie mich, wenn ich es verdient habe, aber lassen Sie mich nicht Ihre unschätzbare Freundschaft verlieren, das kostbarste Gut, das ich besitze, und halten es bitte nicht für den Ausdruck von Unbesonnenheit, dass ich mit der größten Hochachtung, Freundschaft, Wertschätzung und Dankbarkeit verbleibe, meine Frau Cousine, Ihrer Hoheit treuer Cousin und Diener Friedrich

Meißen in das eifrig gehütete Geheimnis eingeweihte Fachkräfte hatte abwerben oder entführen lassen. In Gotha hingegen war man der Berliner Gründung um sechs Jahre voraus, hatte allerdings anfangs Qualitätsprobleme bei der Porzellanherstellung, vgl. Scheurmann / Frank, Neu entdeckt, Bd. I, S. 249.

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Brief 59 [90] Majestät, wie bewundernswert, wie göttlich, wie zauberhaft Sie sind! Ihre Majestät möge mir diese Beiwörter verzeihen, die sämtlich wahr sind und die Sie in jeder Hinsicht verdienen, die aber vielleicht nicht der strengen Etikette zu Beginn eines an Ihre Majestät gerichteten Briefes entsprechen. Von Freude und Dankbarkeit für Ihre Wohltaten durchdrungen, vergessen mein Herz und meine Feder, Majestät, alle Usancen und wissen allein das Gefühl auszudrücken, von dem ich beseelt bin. Ja, Majestät, meine empfindsame und von Bewunderung für Sie erfüllte Seele fühlt den ganzen Wert der Gunst, die Sie mir erweisen. Diejenige, die Ihre Majestät gütigst dem Grafen von Werthern so großzügig auf meine Bitten hin gewährt, wird niemals aus meinem Gedächtnis gelöscht. Ich wäre untröstlich, wenn er Missbrauch damit triebe, aber daran zweifle ich umso mehr, als seine Ehre und sein Interesse ihn gleichermaßen verpflichten, sich den Wohltaten Ihrer Majestät würdig zu erweisen. Ich für meinen Teil wünsche es mit Bangen, um mir keinen Vorwurf machen zu müssen, und erhoffe es aus Liebe zu dieser ganzen Familie und zu meinem eigenen Trost. Ihre Majestät, die so genau die Gesetze der Freundschaft kennt, die Sie so gut einzuflößen verstehen und wovon Sie mir gütigst so schmeichelhafte echte Beweise geben, kann sich besser vorstellen, als ich es auszudrücken vermag, wie sehr ich in diesem Moment gerührt und aufgewühlt bin. Dieses reizende Porzellan hat mir, Sire, eine unfassbare Freude gemacht. Ich habe mich den ganzen gestrigen Tag damit beschäftigt; ich habe es so genau wie möglich untersucht, ich habe es allen Leuten gezeigt, ich habe damit gespielt wie ein Kind. Alle haben meine Fröhlichkeit geteilt, aber niemand hat sich getraut, es anzufassen. Ich bin weit davon entfernt, es zu zerbrechen; lieber würde ich mir einen Finger brechen. Ich werde, so hoffe ich, dieses schöne Stück, diesen schönen Boten als ein Monument der Güte Ihrer Majestät der Nachwelt überliefern. Ich widme ihm eine Heiligennische und einen kleinen Altar, den ich extra herstellen lassen werde, um da an jedem Tag meines Lebens dankbar der göttlichen Freundschaft zu huldigen, dem Helden, der sie ziert, der sie lie-

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benswert und der sie bewundernswert macht. Ihre Briefe, Sire, mit denen Sie mich gütigst beehren und deren letzter mir die früheren noch zu übertreffen scheint, werden mit noch größerer Sorgfalt, wenn das möglich ist, aufbewahrt werden. Ich lese sie wieder und wieder mit unendlichem Vergnügen. Aber vielleicht stelle ich ja, indem ich meine Dankbarkeit bezeugen will, meine Eitelkeit unter Beweis. Was ich aber genau weiß, Sire: Ich empfinde all Ihr Verdienst und bin davon begeistert. Möge dieser so heiß ersehnte Frieden sich bald bestätigen, der von dem größten und besten aller Menschenwesen geschaffen wurde! Dann, Sire, werden Sie über alle Herzen herrschen, wie Sie über das meine und die meiner ganzen Familie herrschen. Ich habe die Ehre, mit allem erdenklichen Respekt zu verbleiben, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 20. Januar 1763 PS Erst gestern habe ich den huldvollen Brief Ihrer Majestät erhalten und die Schachtel mit dem schönen Porzellan.

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Brief 60 [91] Majestät, da ich immer an die Güte Ihrer Majestät denke, kann ich unmöglich den Glück verheißenden Moment Ihrer Geburt mit Schweigen übergehen.1 Sie hat der Menschheit zu viel Ehre und meinem Herzen zu viel Freude gemacht, um Ihrer Majestät nicht meine lebhafte Anteilnahme daran zu bekunden. Und obwohl ich sehr wohl weiß, Majestät, dass Sie weder Prunk noch Zeremoniell noch Glückwünsche bei diesen Gelegenheiten mögen, wage ich dennoch zu hoffen, dass Sie es nicht ablehnen werden, wenn ich Ihnen meine aufrichtigste und lebhafteste Zuneigung versichere. Während unsere Jugend diesen Freudentag mit Spielen und Tanz feiern wird, werde ich den Himmel um das Wohlergehen Ihrer Majestät und um Ihr vollkommenes Glück anflehen. Nach den Briefen, die wir aus Regensburg erhalten haben, ist die Sache der Neutralität beantragt worden, und wir haben allen Anlass zu der Hoffnung, dass der Antrag die Mehrheit der Stimmen erhalten wird.2 Noch mehr Freude macht es mir, dass der Herzog dort seinen Gesandten mit Nachdruck und Würde hat sprechen lassen, Majestät, so dass ich zu hoffen wage, dass Ihre Majestät damit zufrieden sein wird.3 Mein Pariser Korrespondent hat mir gerade ein ganz neues Buch geschickt, dass von der Entstehung des Despotismus und des Aberglaubens handelt, die nach Ansicht des Autors zu allen Zeiten einhergegangen sind und denselben Ursprung haben.4 Falls Friedrich hat am 24. Januar Geburtstag. Zu den Bemühungen des Reichstages um Neutralität zur Zeit des Friedenskongresses von Hubertusburg vgl., Duchhardt, Gleichgewicht der Kräfte, S. 100 f. Der Neutralitätsbeschluss wurde erst am 11. 2. 1763 gefasst, vgl. Aretin, Das Alte Reich, Bd. III., S. 107. 3 Gesandter des Gothaer Hofs beim Regensburger Reichstag ist Heinrich von Bünau (? – ?) von 1756 – 1778, vgl. Richter, Die Vertretung der thüringischen Staaten, S. 152 f. 4 Es handelt sich um die posthum in Genf 1761 publizierten „Recherches sur l’origine du despotisme oriental“ von Nicolas-Antoine Boulanger (1722 – 1759), die im übrigen auch von dem Berliner Buchhändler Nicolai auf der Michaelismesse 1762 angeboten wurden, vgl. Fontius, Voltaire in Berlin, S. 12. 1 2

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Ihre Majestät diese Schrift noch nicht kennt und darauf neugierig wäre, wäre es mir eine Ehre, sie Ihnen zu schicken. Seit ich dieses schöne Porzellan besitze, vergnüge ich mit andauernd damit; und je mehr ich es untersuche, desto genialer kommt mir seine Erfindung vor. Kurzum, Majestät, ich bin entzückt davon und kann Ihrer Majestät nur immer wieder tausendmal untertänigst dafür danken. Nehmen Sie mit Ihrer gewohnten Güte die Versicherung meiner respektvollen, unverbrüchlichen Verbundenheit entgegen, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 21. Januar 1763

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Brief 61 [92] Leipzig, den 25. Januar 1763 Madame, mein Leben, an dem Sie gütigst Anteil nehmen, beschert Ihnen, Madame, einen Ihnen ganz ergebenen Freund, der recht versucht wäre, an die Spitze aller seiner Titel die ihm von Ihnen erwiesenen Wohltaten zu setzen, weil sie ihm die meiste Ehre einbringen. Ich habe immer neue Gründe, Ihnen gegenüber, meine liebenswürdige Herzogin, und dem Herzog, Ihrem Gemahl, dankbar zu sein. Wenn alle Welt Ihnen ähnelte, wäre es für die Gesellschaft nur von größtem Glück: Sie bestünde ausschließlich aus wechselseitigen Wohltaten, aus Diensten, die man erweist und dankbar anerkennt. Es wäre das von den Dichtern besungene Goldene Zeitalter. Sie lassen mich, meine liebe Herzogin, die Glückseligkeiten dieser glücklichen Epoche kosten. Ich glaube mich dahin versetzt, wenn ich nur an Sie denke, an Ihre edle Handlungsweise und an diesen so reinen Boden der Tugend, die mich zu Ihrem begeisterten Anhänger macht. Ich kenne das Buch, das Sie, Madame, die Güte haben zu erwähnen, nicht. Was mich angeht, so sehe ich den Aberglauben als eine überkommene Krankheit schwacher Seelen an, die von Furcht und Unwissen verursacht wird; und ich sehe in dem Übermaß an Ehrgeiz, der zum Despotismus treibt, nur eine entfesselte Gier des Hochmuts und der Macht. Wenn man die despotische Herrschaft mit Blick auf die Untertanen des Tyrannen betrachtet, dann sehe ich freilich nicht, dass man in jeder Hinsicht diesen politischen Kult, den sie ihrem Despoten widmen, mit dem abergläubischen Kult der Völker vergleichen könnte. Es ist dem Aberglauben eigen, den Menschen zum Fanatismus zu treiben, und es ist einer harten Unterdrückung eigen, das Herz gegen den Unterdrücker der Freiheit aufzubringen. Von daher ist es nicht üblich, dass die Abergläubischen den Gegenstand ihrer Anbetung wechseln, während man erlebt, wie unterdrückte Nationen ihre Tyrannen entthronen oder gegen sie konspirieren. Das liegt daran, dass der Aberglaube freiwillig und jede Sklaverei erzwungen ist. Der einzige Punkt der Übereinstimmung, dem man bei dieser Parallele

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begegnet, ist das Prinzip, das heißt, die Angst vor Strafen, die dem Sklaven und dem Abergläubischen gemein ist. Ach, meine liebe Herzogin, Sie werden sich über mich lustig machen: Sie erzählen mir von einer neuen Broschüre und mein Brief wird fast zu einem Buch über denselben Gegenstand. Aber Sie sind so gut zu mir; ich werde Ihr verwöhntes Kind und ich als Bruder Leichtfuß von 51 Jahren, ich begehe Leichtsinnigkeiten und missbrauche Ihre außergewöhnliche Nachsicht. Bestrafen Sie mich und schreiben mir die Grenzen vor, die Sie meinem Geschwätz gegenüber für angemessen halten! Ich wäre Ihnen zu einem weiteren Dank verpflichtet, wenn ich durch meine liebe Herzogin gebessert und erzogen worden wäre. Ich habe zwei Neffen hier bei mir, die ich sehr gern mit meinen ehrwürdigen Freunden bekannt machen würde.1 Wenn Sie nichts dagegen haben, kommen sie bei ihrer Weimarer Cousine vorbei, die sie bei Ihnen besuchen werden. Sie mögen von Ihrem Vorbild profitieren und von allem, was Sie, Madame, aus meiner Sicht haushoch allen Kaiserinnen auf der Welt überlegen macht. Bewahren Sie mir bitte diese Gefühle der Güte, auf die ich so versessen bin, und ich versichere Ihnen, Madame, dass ich keine Gelegenheit in meinem Leben verpassen werde, Ihnen die Hochachtung und liebevolle Freundschaft zu beweisen, mit der ich verbleibe, meine Frau Cousine, Ihrer Hoheit treuer Cousin, Freund und Diener Friedrich

1 Die beiden Söhne von Friedrichs Bruder August Wilhelm (1722 – 1758), Friedrich Wilhelm (1744 – 1797), Friedrichs Nachfolger auf den preußischen Thron, und Heinrich (1747 – 1767), die wenige Tage später in Gotha eintreffen, s. Brief 65 vom 7. 2. 1763.

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Brief 62 [93] Sire, welche Todesängste ich ausstehe! Ich fürchte, dass mein Brief vom 20., den ich so frei war, Ihrer Majestät zu schreiben, verloren gegangen ist. Mich treibt die Angst um, Sire, in Ihren Augen als undankbar zu gelten. Das würde mich untröstlich machen. Dieser Brief sollte Ihrer Majestät meine lebhafte Freude, meine unendliche Dankbarkeit für dieses schöne, reizende Porzellan bekunden, das mir ein solches Vergnügen bereitet hat; und allem Anschein nach hat dieser Brief Sie nicht erreicht. Warum können Sie nicht in meiner Seele lesen? Da würden Sie sehen, wie ich von Dankbarkeit für alle Ihre Wohltaten durchdrungen bin. Da würden Sie meine Verbundenheit und alle die Gefühle sehen, die Ihre Majestät mit so viel Recht einflößt. Befreien Sie mich gütigst aus der Sorge, Sire! Verdächtigen Sie mich bitte nicht der Undankbarkeit! Ich habe eine große Dummheit begangen, der kaiserlichen Post meinen Brief anvertraut zu haben. Das Bedürfnis, schnellstmöglich zu antworten, hat mich dazu gebracht. Ich hatte mir vorgestellt, es genüge, einen zweiten Umschlag hineinzulegen und ihn an den preußischen Postmeister in Erfurt zu adressieren, damit er auf jeden Fall in die Hände Ihrer Majestät gelange. Mitten in meinen Ängsten habe ich gerade den reizenden Brief erhalten, mit dem Ihre Majestät den Herrn von Bechtolsheim gnädigst beauftragt hat.1 Ich bin ganz verlegen, darin wiederum Zeichen des Wohlwollens zu finden, mit denen Sie mich bislang beehrt haben. Könnte ich es doch verdienen! Ich habe mit Vergnügen die Gedanken Ihrer Majestät zum Despotismus und Aberglauben gelesen. Sie wären es wert, gedruckt und in die Herzen all derer eingraviert zu werden, die eines Tages dazu bestimmt sind, Völker zu regieren. Das Goldene Zeitalter würde bald wieder entstehen, wenn die Souveräne sich von solchen Prinzipien leiten ließen. Derart würde jeder Despotismus aufhören wie auch jeder Aberglaube, und die Monarchen würden über die Herzen herrschen und ausschließlich als Väter und Beschützer der Nationen angesehen werden. Meine Broschüre steht 1

Zu diesem Kurier des Gothaer Hofes s. Brief 15, Anm. 2.

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weit unter den Überlegungen Ihrer Majestät. Ich habe sie nur erwähnt, weil sie in Paris viel Aufsehen erregt hat. Das ist der Grund, der es mich wagen lässt, sie diesen Zeilen beizulegen. Wir sind von der inständigen Hoffnung erfüllt, dass Ihre Majestät die beiden Prinzen, Ihre Neffen, zu uns schicken will. Alles, was das Glück hat, zu Ihnen zu gehören, Sire, ist uns willkommen und kann nicht anders als mit offenen Armen und aller erdenklichen Bereitwilligkeit empfangen werden. Seien Sie gütigst davon überzeugt, Sire, wie auch von dem unverbrüchlichen Respekt, mit dem ich die Ehre habe, auf ewig zu verbleiben, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea Herzogin von Sachsen Gotha, den 28. Januar 1763

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Brief 63 [94] Leipzig, den 31. Januar 1763 Meine Frau Cousine, nicht genug, dass Sie meine leichtsinnigen Einfälle mit Güte ertragen: Ich bitte Sie, meine liebe Herzogin, Ihre Nachsicht auch gegenüber meinen Neffen zu üben. Es wird ihnen eine Freude sein, Sie zu grüßen. Wenn sie Ihnen, Madame, meine Gefühle mitteilen, werden Sie überzeugt sein, dass ich von Ihnen dasselbe sage und der grenzenlose Überschwang des Herzens die Gefühle der Bewunderung verbreitet, die Sie denen einflößen, die das Glück haben, Sie zu kennen. Ich habe zu meinen Neffen gesagt: „Sie müssen meine ehrwürdige Freundin sehen und ihr die Dankbarkeit bekunden, die mein Herz ihr ewig bewahren wird.“ Wenn ich es gekonnt hätte, meine liebenswürdige Herzogin, dann wäre ich mit von der Partie gewesen und hätte Ihnen persönlich meine Aufwartung gemacht. Aber mich hält hier ein Grund zurück, den Sie nur gutheißen können: Wir schließen tatsächlich Frieden. Das heißt Verhandlungen, das heißt einen Haufen von Schriften, von Gaunereien, die es zu vereiteln, von Zweideutigkeiten, die es zu klären, von Schlichen, denen es zuvorzukommen gilt.1 Kurzum, diese Beschäftigung, so notwendig sie ist, macht keinen Spaß und ermüdet unglaublich. Wie anders ist es, die Nachmittage mit jenen lehrreichen Gesprächen im Schoße der Freundschaft und Tugend bei einer gewissen Herzogin zu verbringen, die ich nicht beim Namen zu nennen wage, aus Furcht, ihr Zartgefühl zu verletzen; wo Freiheit mit Zurückhaltung einhergeht, wo Gelehrsamkeit ohne Auftrumpfen aufscheint, die Würze des Scherzens ohne üble Nachrede, Höflichkeit ohne Geziertheit und der Hof ohne lärmendes Treiben. Diese Erinnerung ruft von neuem meine Sehnsucht hervor, und die Herren Collenbach und Fritsch trösten mich nicht darüber hinweg.2 1 Bei diesen Verhandlungen, die auf preußischer Seite Ewald Friedrich von Hertzberg (1725 – 1795) führte, mangelte es auch Friedrich, der daraus durchaus erfolgreich hervorging, nicht an Schlichen, vgl. Duchhardt, Gleichgewicht der Kräfte, S. 97 f. Jedenfalls war die preußische Verhandlungsposition günstig, so Bein, Schlesien, S. 368 – 372.

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Jeder muss sein Los tragen. Ich habe keinerlei Vorliebe für das, welches mir zugefallen ist. Es hindert mich daran, meinen Wünschen nachzukommen und verpflichtet mich oft zu tun, was mir zuwider ist. Ich werde mein Los erst dann günstig finden, wenn es mir die Freude verschafft, Sie wiederzusehen, Madame. Lassen Sie bitte diesen hoffnungsvollen Gedanken in meiner Vorstellung herrschen, der sich, so hoffe ich, eines Tages noch realisieren lassen wird! Und glauben Sie gütigst, dass nichts, ob ich abwesend oder anwesend bin, ob Frieden oder Krieg ist, ob Ruhe oder Aufruhr herrscht, die Gefühle der Bewunderung und Dankbarkeit, die ich Ihnen, Madame, schulde, mindern wird! Sie sind allzu tief in meinem Herzen eingraviert, um daraus zu entschwinden. Ich verbleibe, meine Frau Cousine, Ihrer Hoheit treuester Freund, Cousin und Diener Friedrich

2 Für Österreich führt Gabriel von Collenbach (1706 – 1790) in Hubertusburg die Verhandlungen, die der kursächsische Diplomat Thomas von Fritsch (1700 – 1775) eingefädelt hatte.

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Brief 64 [95] Leipzig, den 4. Februar 1763 Meine Frau Cousine, Sie schulden mir gewiss keinerlei Dankbarkeit, im Gegenteil, Madame, ich bin es, der Anlass hat, Ihnen dafür zu danken, dass Sie gütigst eine Kleinigkeit angenommen haben, die es kaum wert war, Ihnen angeboten zu werden. Sie haben das Herz, die Absicht berücksichtigt, und dies hat zweifellos Ihre übergroße Nachsicht verursacht. Ich wäre fast versteinert bei der Lektüre des Werkes, das Sie mir gütigst geschickt haben: Es ist das Produkt eines Verrückten mit viel Esprit, eines Philosophen, der aus seinem Rausch nicht herauskommt und der infolge seiner Begeisterung fortwährend seine Einbildungskraft für Vernunft hält. Er bildet sich ein System ein, er beweist nichts, sein Kopf ist nur von dem frappiert und erfüllt, was er sich eingebildet hat. Es ist der Hauptfehler des Werkes, dass der Autor hier jede Dialektik vollkommen vermissen lässt. Nichts ist leichter, als sein Systemgebäude von Grund auf umzustürzen; alle, die das in Angriff nehmen, werden dabei Erfolg haben. Wenn das Werk einen Aufschrei ausgelöst hat, dann mit Recht, denn es kommt niemandem zu, die Ansichten der Öffentlichkeit zu schockieren. Aber binnen kurzem wird das alles vergessen sein, weil es so schlecht ist. Ich bitte Sie um Verzeihung, meine liebe Herzogin, wegen meines Rechenschaftsberichts über diese Lektüre. Sie sind ohne Zweifel besser in der Lage, darüber zu urteilen als jeder Andere. Ich weiß, dass man mich in der Gesellschaft beschuldigt, mit Vorliebe die zu protegieren, deren Glaube nicht ganz mit der Orthodoxie konform geht. Freilich sind es nicht diejenigen, welche aus Oberflächlichkeit, aus geistigem Missbrauch oder der Mode wegen ungläubig sind, die meine Stimme bekommen können. Es braucht gute, handfeste Vernunftgründe; das Werk muss mit durchschlagender Beweisführung geschrieben sein und mit der Zurückhaltung, die jedem geziemt, der sein Wort an die Öffentlichkeit richtet. Es gibt keine überspanntere Idee als die, den Aberglauben zerstören zu wollen. Vorurteile bilden die Vernunft des Volkes, und dieses dumme Volk verdient es, aufgeklärt zu werden? Ist es nicht evident, dass Aberglauben

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einer der Bestandteile ist, den die Natur bei der Erschaffung des Menschen beigegeben hat? Wie soll man gegen die Natur kämpfen, wie soll man ein so weit verbreitetes, althergebrachtes Übel ganz zerstören? Jeder soll seine Ansichten für sich behalten und die der Anderen respektieren. Das ist der einzige Weg, um während unserer kurzen Wanderschaft auf dieser Welt in Frieden zu leben. Und Ruhe und Gelassenheit, Madame, ist vielleicht das einzige Stückchen Glück, dessen wir fähig sind. Warum sie stören, indem wir in der Finsternis der Metaphysik Wüteriche wild bekämpfen, die nach einer Niederlage sich an ihrem siegreichen Gegner rächen, indem sie ihn dem Hass des Volkes preisgeben? Ich überlasse den anonymen Verfasser seinem Schicksal; ich wünsche ihm, er möge lange Zeit anonym bleiben, oder er riskiert, dass man ihm übel mitspielt. Die Tyrannen in Tonsur, mit denen er es zu tun hat, verstehen keinen Spaß und würden ihn auf den Galgen dafür schicken, dass er schlecht argumentiert und allzu kühn die Gegenstände der Verehrung des Publikums attackiert hat.1 Während man nach ihm in Frankreich forscht und glaubenseifrige Prälaten seine Hinrichtung vorbereiten, bringen wir hier, Madame, das Friedenswerk voran, so dass die Präliminarien am 11. dieses Monats unterzeichnet werden können.2 Ich bin überzeugt, meine liebe Herzogin, dass Sie daran Anteil nehmen und Freude empfinden, wenn Sie sehen, wie das Elend, das Deutschland sieben Jahre lang getroffen hat, zu Ende geht. Ich denke, dass meine Neffen nun den Vorzug Ihrer Gegenwart genießen und von Ihren Gesprächen profitieren. Ich beneide sie um dieses Glück, aber ich tröste mich damit, dass auch meine Zeit eines Tages kommen wird. Gestatten Sie mir die Hoffnung darauf und seien Sie wohlgesonnen gegenüber der Bewunderung, der

1 Ähnlich negativ äußert sich Voltaire zu Boulangers Werk, das er auf der Titelseite seines eigenen Exemplars als „obskuren, unsinnigen Plunder voller Irrtümer und Sprachverstöße“ bezeichnet und etliche Seiten mit sarkastisch-abfälligen Randnotizen garniert, vgl. Corpus des notes marginales de Voltaire, Bd. I., S. 498 – 502. Friedrichs Position zum Aberglauben verharrt letztlich auf der schon von den Freigeistern des 17. Jahrhunderts verfochtenen These der Gedankenfreiheit einer begrenzten Elite und bleibt damit weit entfernt vom Konzept einer Volksaufklärung. 2 Der Friedensschluss erfolgt am 15. Februar.

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Verbundenheit und der hohen Wertschätzung, mit der ich verbleibe, meine Frau Cousine, Ihrer Hoheit treuester Cousin Friedrich

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Brief 65 [96] Sire, seit zwei Tagen erfüllen uns, Sire, Freude und Entzücken: Vorgestern sind Ihre Königlichen Hoheiten hier eingetroffen. Wie liebenswürdig diese Prinzen sind, wie charmant, wie würdig der Wohltaten und Sorgen Ihrer Majestät! Es sind wahre Engel und ihre Mentoren dürfen nur von der Weisheit selbst ausgewählt werden. Was aber über jedes Lob von mir und jeden Ausdruck erhaben ist, das sind zwei huldvolle Briefe Ihrer Majestät, von denen der eine mich über den Prinzen von Preußen und der andere gestern über den Jäger erreicht hat. Es ist unbegreiflich, wie in einer Zeit, wo Ihre Majestät nur mit den wichtigsten, bedeutendsten, Sie und ganz Europa in höchstem Maße betreffenden Gegenständen beschäftigt sein kann und muss, Sie auch nur einen Augenblick finden können, an mich zu denken, und mir die Ehre zu erweisen, mich Ihres kostbaren Wohlwollens zu versichern und mir äußerst kluge und bewundernswerte Überlegungen mitteilen. Ich bin überzeugt, Sire, dass nichts Ihnen ähnlich und vergleichbar ist. Ich bin weder des Anhimmelns noch elenden Schmeichelns fähig. Von daher schweige ich hundertmal lieber, als mich einem solchen Verdacht auszusetzen. Ihre Majestät wird uns also den Frieden schenken. Wie glücklich schätzt sich die Menschheit, ihn aus Ihren Händen zu empfangen! So kann er nur stabil und haltbar werden. Wir werden mit Freuden unsere früheren Leiden und unser gegenwärtiges Elend vergessen, vorausgesetzt Sie, Sire, haben keine Feinde mehr und Ihre Majestät bewahrt uns gütigst Ihr Wohlwollen. Während Ihre Majestät daran arbeitet, uns die so ersehnte friedliche Ruhe zu verschaffen, befinden wir uns in der traurigen Zwangslage, eine sehr unangenehme kleine Farce zu spielen: Mein Onkel aus Meiningen ist gerade in Frankfurt gestorben. Aber bevor er diesen großen entscheidenden Schritt getan hat, ist es ihm eingefallen, ein Testament zu machen, in das er einige Dinge zugunsten seiner Kinder aus erster Ehe und folglich in eklatantem Widerspruch zu den Interessen des Hauses und den Entscheidun-

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gen zweier Kaiser und des gesamten Reiches hat einfließen lassen. Wir sind also gezwungen, vorstellig zu werden und uns in Übereinstimmung mit den Herzögen von Hildburghausen und Coburg dem Nachteil, der uns aus dieser Anordnung des Herzogs von Meiningen erwächst, entgegen zu stellen.1 Das Ganze wird allem Anschein nach rasch und komisch enden; anders kann es nicht sein. Wir würden gern auf diese lächerlichen Szenen verzichten, können sie aber nicht vermeiden. Ihre Majestät würde uns einen großen Gefallen tun, wenn Sie den Prinzen, Ihren Neffen, die Erlaubnis geben würden, noch einige Tage länger bei uns zu bleiben. Sie sind zu liebenswürdig, als dass wir auf den Wunsch verzichten könnten, sie noch länger behalten zu können. Sie sind Zeugen für die Gefühle, die uns mit Ihrer Majestät verbinden. Sie haben die Freude, die mir dieses schöne Porzellanstück macht, mit angesehen, und ich zweifle nicht, dass sie mein Herz bei Ihrer Majestät ins rechte Licht setzen werden. Nehmen Sie mit Ihrer gewohnten Güte die respektvolle Huldigung dieses Herzens entgegen und seien Sie überzeugt, dass meine Bewunderung und meine Dankbarkeit erst mit meinem Leben enden wird, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin, Luise Dorothea Herzogin von Sachsen Gotha, den 7. Februar 1763

1 Der am 27. 1. verstorbene Herzog Anton Ulrich von Sachsen-Meiningen hatte seine Gattin testamentarisch als Landesregentin und seine beiden Söhne aus erster Ehe als Vormünder der aus der zweiten Ehe hervorgegangenen Söhne eingesetzt und damit die Vettern aus Hildburghausen, Coburg-Saalfeld und Gotha auf den Plan gerufen, die mit Truppen in Meiningen einfallen, um ihre Erbschaftsansprüche gewaltsam durchzusetzen. Durch Intervention Kaiser Franz I. (1708 – 1765) kam im März eine Einigung zustande, vgl. Patze / Schlesinger, Geschichte Thüringens, Bd. V 1, S. 435, 488 f.

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Brief 66 [97] Sire, unsere lieben Prinzen wollen uns unbedingt verlassen trotz all der inständigen Bitten, die wir an sie gerichtet haben, um sie bei uns zu behalten. Wir sind gezwungen, sie ziehen zu lassen, aber unsere guten Wünsche und unser Bedauern werden sie überall hin begleiten. Ich wage zu hoffen, Sire, dass Ihre Majestät es mir wohl gestatten wird, an Sie noch diese Zeilen zu richten, um Ihnen ergebenst für die gnädige Erlaubnis zu danken, die Sie Ihren Königlichen Hoheiten gütigst erteilt haben, hierher zu kommen. Wir betrachten mit Freude und Dankbarkeit diese Gunst als ein Zeichen des Wohlwollens seitens Ihrer Majestät und wir wünschen uns nichts sehnlicher auf der Welt, als uns Ihrer Güte weiterhin würdig zu erweisen. Ich wage es zu wiederholen, Sire: Ich habe die Prinzen, Ihre Neffen, äußerst liebenswürdig und von einer charmanten Höflichkeit gefunden. Von daher sind ihnen alle Herzen und Ehrerbietungen zugeflogen. Doch welchem Vorbild und Beispiel konnten sie auch folgen! Mit solcher Unterstützung fällt der Erfolg leicht. Das sage ich gewiss nicht, um das Verdienst dieser lieben Prinzen zu schmälern; sie sind es wert, dass Sie sich um sie kümmern und ihnen Gutes tun. Aber in der Lage zu sein, jeden Tag große, herrliche Taten zu sehen und zu vernehmen und Überlegungen von dem Geschmack und der Überzeugungskraft zu lesen wie in den Briefen, die zu besitzen ich das Glück habe, das heißt unauslöschliche Eindrücke in Hirn und Herz zu empfangen, deren Wirkungen ausgezeichnet sein müssen. Ich habe bestimmt nicht angenommen, dass die Broschüre über den Despotismus und den Aberglauben von Ihrer Majestät gutgeheißen werden würde, aber ich habe mir gedacht, dass die verrückten Ideen des Autors Sie amüsieren und für ein paar Augenblicke zum Lachen bringen könnten. Ich bin überzeugt, dass derartige Lektüren für die Jugend und das Volk schädlich sind, obwohl das wenige Handfeste, was sich darin befindet, sofort wieder verschwimmt. Es gibt derzeit so wenig gute Bücher, dass man oft gezwungen ist, sich an das Neue zu halten und mit dem Stil zu begnügen.

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Wir haben noch keine Antwort aus England auf den Brief, den wir uns erlaubt haben, Ihrer Majestät mitzuteilen. Aber wir haben welche auf unsere früheren Briefe erhalten, die voll sind mit Bekundungen von Freundschaft und Zuneigung und Lamentieren darüber, nicht alles für uns tun zu können, was man wolle. Wir trösten uns, Sire, mit dem ruhmreichen Frieden, den Sie verkünden werden, und dem Vertrauen, dass wir in Ihren mächtigen Schutz setzen, ich wage hinzuzufügen: in Ihre kostbare Freundschaft. Die Hoffnung, Sire, auf die Aussicht, die Ihre Majestät mir gütigst auf ein Wiedersehen eines Tages macht, entzückt meine Seele und erfüllt mich mit Freude. Bewahren Sie mir, Sire, Ihr gnädiges Wohlwollen; es ist der Gegenstand all meiner Wünsche und vollkommenen Glückseligkeit, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den [9.] Februar 1763

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Brief 67 [98] Leipzig, den 10. Februar 1763 Meine Frau Cousine, meine Neffen kommen gerade in diesem Augenblick an, begeistert von dem Empfang, den Sie ihnen wohlwollend gewährt haben. Sie haben von Ihnen, meine liebe Herzogin, dieselbe Meinung wie ihr Onkel und alle, die das Glück haben, Ihnen nahe zu sein. Sie haben mich an ihrer Freude, Sie zu grüßen, teilhaben lassen, indem sie mir den Brief übergaben, den Sie die Güte hatten, mir zu schreiben: Das ist die Nachahmung einer Unterhaltung, die ich genieße und die mich darüber hinweg tröstet, Madame, Sie weder sehen noch hören zu können. Zu gleicher Zeit habe ich den Brief erhalten, in dem Sie mir gütigst die Ankunft der jungen Leute melden.1 Es hätte mich sehr gefreut, wenn sie ihren Aufenthalt in Gotha verlängert hätten, wo sie in so guten Händen waren, von denen sie nur hätten profitieren können. Ich hoffe, Madame, dass Ihre kleinen Auseinandersetzungen mit dem Hof von Meiningen keinerlei Folgen haben werden: Wie glücklich sind die Streitereien unter Herrschern, die mit Gelächter enden – die unseren haben nur allzu viel Blut gekostet und werden noch lang andauernde Schmerzen und Schäden, die zu reparieren sind, hinterlassen. Ich hoffe, dass die Präliminarien am 15. unterzeichnet werden können, wonach ein jeder abziehen und nach Hause zurückkehren wird, wo er vernünftigerweise geblieben wäre. Während des Wartens auf diesen Frieden habe ich ein Werk des Genfers Rousseau angefangen. Das Buch trägt den Titel „Emile“ und in der Tat, Madame, es bringt mich ziemlich zu Ihrer Ansicht: All diese neuen Werke taugen nicht viel. Das ist ein Wiederkäuen von längst bekannten Dingen, garniert mit ein paar kühnen Gedanken und geschrieben in einem recht eleganten Stil, aber nichts Originelles, wenig handfeste Argumentation und viel Unverschämtheit von Seiten der Autoren; und diese Kühnheit, die aus Frechheit resultiert, macht den Leser unleidlich, so dass ihm das Buch unerträglich wird und er es aus Überdruss wegwirft.2 1

Den Brief 65 vom 7. 2. 1763.

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Wenn die Herren Schriftsteller die schöne Kunst des Druckens unserer Gedanken weniger missbrauchen würden, wenn sie doch daran denken würden, dass ein jeder, der ein schlechtes Buch fabriziert, seine Verrücktheit verewigt, statt sein Ansehen zu etablieren, dann würden nur Werke von der Sorte erscheinen, die zur Belehrung oder Unterhaltung des Lesers geeignet sind. In der Tat, warum muss das Publikum seine Zeit verschwenden, weil es einem Verrückten eingefallen ist, Schriftsteller zu werden und seine albernen Hirngespinste zu verbreiten? Man wird vielleicht einwenden: Aber muss man es denn lesen? Man würde es nicht lesen, wenn man wüsste, was es enthält, und man fällt auf den Titel oder einen Namen herein, der einiges Aufsehen erregt hat. Die Epochen der Unwissenheit litten unter der Armut an gelehrtem Wissen, wir dagegen, wir haben uns über den verschwenderischen Reichtum und den Missbrauch der Literatur zu beklagen. Dennoch, alles in allem ist es besser, im Überfluss zu leben; denn man muss nur auswählen, was unsere grobschlächtigen armen Vorfahren in den barbarischen Zeiten, in denen sie lebten, bestimmt nicht konnten. Wir haben hier einen neuen russischen Botschafter, einen Fürst Galitzin,3 der mir gesagt hat, dass Prinz Karl aus Kurland vertrieben worden sei.4 Was für Herzöge dieses arme Land gehabt hat, Madame, den Grafen von Sachsen,5 Biron6 und Prinz Karl! Ich wollte nicht Herzog dieses Landes sein: Es ist arm, das Volk ist barbarisch, das Klima trostlos und die Nachbarschaft furchtbar. 2 Ähnlich kritisch hatte sich auch Grimm schon in seiner „Correspondance littéraire“ ein halbes Jahr zuvor über den gerade erschienenen „Emile“ geäußert, vgl. Grimm, Paris zündet die Lichter an, S. 200 – 204. Erst im Sturm und Drang wird der „Emile“ in Deutschland zum Kultbuch, vgl. Fontius, Rousseau in Deutschland, S. 158. 3 Fürst Dimitri Michailowitsch Galitzin (1721 – 1793) ist zu dieser Zeit russischer Gesandter in Wien. 4 Karl von Sachsen (1733 – 1796), seit 1758 Herzog von Kurland, muss 1763 unter dem Druck russischer Truppen abdanken. 5 Moritz Graf von Sachsen (1696 – 1750), zwar 1726 zum Herzog von Kurland gewählt, aber von Polen und Russland nie als solcher anerkannt, besser bekannt als Maréchal de Saxe, war der erfolgreichste französische Feldherr im Polnischen und Österreichischen Erbfolgekrieg. 6 Ernst Johann von Biron (1690 – 1772), Berater der Zarin Anna Iwanowna, war als Vorgänger Karls Herzog von Kurland.

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Ich ziehe es bei weitem vor, im Schoße der Ruhe und der Künste meine liebe Herzogin zusammen mit ihrer würdigen Freundin zu sehen und zu vernehmen; doch glücklicherweise kennen diese Herzöge dieses Glück nicht. Sie sind so versessen auf eine heroische Verrücktheit, die man Ehrgeiz nennt, und solange sie ihre große Hofgesellschaft haben, und sei es auch auf Kamtschatka, glauben sie, glücklich zu sein. Ich missbrauche wirklich Ihre Geduld, Madame, ich erzähle Ihnen dummes Zeug und habe anscheinend den Versuch gemacht, Sie ebenso sehr und noch mehr zu langweilen als diese heutigen Schriftsteller, von denen ich eben gesprochen habe. Ich gefalle mir darin, mich mit Ihnen zu unterhalten, und bemerke nicht, dass ich das Privileg missbrauche, Sie zu langweilen. Pardon, pardon, meine göttliche Herzogin! Ich werde mich bessern, wenn ich mich so weit beherrschen kann. Nehmen Sie mit Ihrer gewohnten Nachsicht die Versicherung meiner Bewunderung und Hochachtung entgegen, mit der ich verbleibe, meine Frau Cousine, Ihrer Hoheit treuester Cousin und Diener Friedrich

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Brief 68 [99] Sire, es hat nicht an uns gelegen, Ihre Königlichen Hoheiten länger bei uns zu behalten. Ihre Gegenwart war uns zu angenehm und schmeichelhaft, um nicht alles dafür zu tun, diese Glücksmomente zu verlängern. Aber die reizenden Prinzen wollten unseren wiederholten inständigen Bittern nicht nachkommen und haben versichert, dass Ihre Majestät ihnen die Zeitspanne vorgeschrieben habe, die sie nicht zu überschreiten gewagt hätten. Ich tröste mich mit der schönen Hoffnung, dass Ihre Majestät ein anderes Mal ihnen gütigst einen längeren Aufenthalt bei uns gewähren wird. Wie glücklich, wie beneidenswert wäre ich, wenn ich so glückselige Tage wiedererleben könnte wie die des 3. und 4. Dezember des vergangenen Jahres! Allein der Gedanke daran lässt mich in Glückseligkeit schwelgen und in eine entzückende Zeit versetzen, die ich niemals vergessen werde. Dieser Frieden, Sire, den Sie unterzeichnen werden, ruft in mir höchste Freude hervor, aus Liebe zu Ihrer Majestät, die ihn so ruhmreich geschlossen hat, und aus Liebe zur Menschheit, an der mir wirklich gelegen ist. Es gibt dabei nur eine Sache, die mir missfällt und mir immer missfallen wird: Er entfernt uns von Ihrer Majestät. Ich werde nicht mehr in der Lage sein, so häufig diese wunderbaren Briefe zu erhalten, die mein Herz und meinen Verstand nähren, worauf ich so begierig bin und die mir Ruhm und Glück bringen. Ihre Majestät verzeihe mir meine Kühnheit, aber ich fürchte, aus Ihrem Gedächtnis zu entschwinden, und dieser Gedanke bedrückt mich außerordentlich. Ihre Güte, Sire, hat mich verwöhnt und mich so übermütig gemacht. Endlich ist diese Antwort aus England da, auf die wir mit solcher Ungeduld gewartet haben. Sie ist nicht gerade tröstlich: Sie ist so, wie Ihre Majestät sie finden wird und sie sehr gut vorhergesehen hat. Ich muss allerdings gestehen, dass der arme Prinz Karl von Sachsen mir leid tut: Wie schlecht auch dieses Herzogtum Kurland ist, ist es doch immer besser, ein Zuhause zu haben als gar nichts oder ein schlecht bezahltes Erbteil.1

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Wir sind zufrieden, Sire, mit dem kleinen Erbe, das uns die göttliche Vorsehung hinterlassen hat; wenn sie uns ein wenig mehr hätte schenken wollen, so wären wir bestimmt nicht böse gewesen, aber wir beklagen uns nicht, nicht mehr bekommen zu können. Unser einziger Ehrgeiz, Sire, ist es, uns Ihr gnädiges Wohlwollen zu erhalten. Ihre Majestät hat also auch den „Emile“ gelesen. Ein nach diesem Vorbild erzogener junger Mann würde meines Erachtens aus dem Zustand der Unvernunft nicht herauskommen. Rousseau ist ein wunderlicher Mann und er hat den Ehrgeiz, es sein zu wollen. Was mir an diesem Werk am besten gefällt, ist der vierte Band, auch wenn er ebenfalls nicht viel Neues enthält.2 Unser Zeitalter hat Unmengen oberflächlicher Köpfe und bietet uns wenige Genies. Es gibt nur einen Philosophen, einen Helden, einen Monarchen, der diesen Titel verdient. Das Konzil von Nikäa hätte ihn zum … erklärt; ich wage nicht, es auszusprechen.3 Das Gefühl meiner Bewunderung wird Ihrer Majestät überall hin folgen. Bewahren Sie uns, Sire, ich wage, Sie darum anzuflehen, Ihren hochherzigen, mächtigen Schutz und nehmen Sie gnädigst von Zeit zu Zeit mit Ihrer gewohnten Güte meine respektvolle Huldigung entgegen! Man müsste schon einen ziemlich verdorbenen Geschmack haben, um sich angesichts Ihrer bewundernswerten Briefe zu langweilen. Ich wage zu behaupten, dass sie mein Ergötzen und mein Schatz sind. Ich habe die Ehre, mit der unverbrüchlichsten und vollkommensten Verbundenheit zu verbleiben, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 12. Februar 1763

Vgl. hierzu Brief 67, Anm. 4. Der vierte Band des „Emile“ enthält die „Profession de foi du vicaire savoyard“, die mit ihren deistischen Positionen wesentlich zum Verbot des Werkes in Frankreich beigetragen hat. 3 Im ersten Konzil von Nikäa im Jahre 325 wird das Bekenntnis der Wesenseinheit von Jesus Christus und Gottvater formuliert. 1 2

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PS Ihre Majestät wird mir gestatten, Ihnen zu sagen, dass meine gute Buchwald von Freude und Dankbarkeit durchdrungen ist, sich in Ihrem gnädigen Brief erwähnt zu finden. Sie wirft sich Ihnen, Sire, untertänigst und mit aller möglichen Bewunderung zu Füßen. Beide erflehen wir auf Knien von der göttlichen Vorsehung Wohlergehen und Glückseligkeit für den liebsten und ehrwürdigsten aller Könige.

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Brief 69 [100] Leipzig, den 15. Februar 1763 Meine Frau Cousine, ich verkünde Ihnen den Frieden, meine liebe Herzogin, als einer guten Freundin, die an dem, was mich betrifft, gern Anteil nimmt. Heute ist er unterzeichnet worden: Gott sei es gelobt!1 Damit ist ein grausamer Krieg zu Ende gegangen. Wie können Sie nur annehmen, dass mein von Dankbarkeit erfülltes Herz, mein Herz, das, wenn ich es wagen darf zu sagen, ein Feingefühl für Verdienste hat, Sie jemals vergessen könnte? Wenn Sie nicht Herzogin wären und wenn Sie untersten Standes wären, müsste man Sie doch, meine göttliche Herzogin, ebenso lieben, Sie schätzen und Sie achten. Ihre außerordentliche Bescheidenheit hindert Sie, dem zuzustimmen; aber diesmal muss ich es Ihnen sagen, bin aber bereit, zukünftig zu schweigen, wenn der Überschwang meines Herzens Ihr Zartgefühl verletzt. Ich zähle sehr darauf, meine liebe Herzogin, dass der Frieden und die Entfernung keine Trennmauer zwischen uns errichten. Ich würde zu viel dabei verlieren. Das heißt nur für die Postpferde, ein paar Meilen zusätzlich zu traben. Im übrigen würde ich nur für den Fall schweigen, dass ich zur Last falle; doch Ihre außergewöhnliche Güte, Ihr unerschöpfliches Maß an Nachsicht lässt mich angesichts dieser berechtigten Befürchtung Mut schöpfen. Erlauben Sie mir, dass ich Ihnen den Brief zurückgebe, den Sie mir gnädigst übermittelt hatten, dieses denkwürdige Zeugnis Ihrer eilfertigen Güte und Ihrer Freundschaft.2 Lassen Sie mich, meine liebe Herzogin, Ihnen dafür all meine Dankbarkeit bezeugen. Verzeihen Sie mir tausendmal, wenn ich so abrupt mit diesem Gegenstand Schluss mache; aber Sie können sich gut vorstellen, dass eine Neuigkeit wie die heutige ausgiebiges Briefeschreiben nach sich zieht. Das geht freilich nicht ab, ohne Ihnen all das zu versichern, was mein Herz, meine Gefühle und meine Dankbarkeit einer Frau darbringen können, die der Epoche eines Orest 1 2

Zum Frieden von Hubertusburg s. Anm. 1 und 2 zu Brief 63. Zu diesem Schreiben an die Prinzessin von Wales s. Brief 66.

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und eines Pirithous würdig ist.3 Ich verbleibe mit aller Bewunderung und höchsten Wertschätzung, meine Frau Cousine, Ihrer Hoheit treuester Cousin und Diener Friedrich

3 Orest und Pylades sowie Pirithous und Theseus sind neben Achill und Patroklos die bekanntesten Freundespaare der griechischen Antike.

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Brief 70 [101] Sire, die bedeutende Nachricht, die mir Ihre Majestät gütigst auf eine so aufsehenerregende und schmeichelhafte Art und Weise mitteilt, versetzt mich in Freude und Entzücken! Was für eine Aufmerksamkeit, was für eine Güte, was für eine Gunst von Ihnen, Sire! Ich bin derart ergriffen von Bewunderung und Freude, dass ich die Stärke und das Ausmaß meiner Dankbarkeit nur ganz unvollkommen ausdrücken kann. Nun ist also Frieden geschlossen und was für ein Frieden! Der, den ich so herbeigesehnt habe, der Sie mit ewigem Ruhm bedeckt! Ihrer Majestät mithin verdanken wir all unsere Glückseligkeit. Sie sind es, der unser Heimatland und unsere Freiheit rettet, unsere Religion und unsere Rechte. Welche Verpflichtungen und Dankbarkeit schulden wir nicht Ihrer Majestät! Und dieser Held und dieser Befreier, dieser bewundernswerte Monarch, der niemals seinesgleichen haben wird, will mir als Gipfel seiner Wohltaten selbst die erste Nachricht davon geben! Ich komme aus meiner Begeisterung nicht heraus. Was für ein Großmut von Ihnen, Sire! Ihre Seele ist ebenso schön und großmütig wie groß, stark und göttlich. Sofort nach der Ankunft des Kuriers sind wir in die Kirche gegangen, um vor dem Höchsten Wesen niederzuknien und ihm für die uns erwiesene Huld zu danken und es um die Bewahrung des kostbaren Lebens und des vollkommenen Glücks unseres Helden zu bitten. Diesen Glückstag werde ich nie vergessen, und Ihre Güte, Sire, wird auf ewig in mein Herz eingraviert sein, das Sie anbetet, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 16. Februar 1763

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Brief 71 [102] Sire, die unendliche Freude, die mir die bedeutende gute Nachricht und mehr noch die gnädige Aufmerksamkeit Ihrer Majestät machen, hat mir nicht gestattet, bis heute zu warten, um Ihnen meine ganze Freude und all meine respektvolle Dankbarkeit zu bezeugen. Ich wage zu hoffen, Sire, dass Ihre Majestät meine Dienstfertigkeit und die Freiheit würdigen, die ich mir herausnehme, Ihnen zweimal aus diesem positiven Anlass zu schreiben. Ich bin derart hingerissen und entzückt über das ganze Geschehen, dass ich sehr viel besser fühle, als ich denke und mich auszudrücken vermag. Nun sind Sie also von all diesen feindlichen Nationen befreit, nun muss also dieses gesegnete Schwert in die Scheide zurück, ohne dass es Ihnen groß hätte schaden können.1 Ohne auch nur einen Zoll Land zu verlieren, gebietet Ihre Majestät, verschafft uns Frieden und wird von nun an der Liebling seiner Völker und unserer Epoche sein. Künftige Zeiten werden kaum all das glauben können, dessen Zeugen wir sind und was wir bewundern. Unsere Epoche, die wirklich die Ihre ist, steht weit über allem, was wir von der Antike kennen und bewundern. Genießen Sie noch etliche Jahre Ihren Ruhm und den reizenden Vorzug, Menschen glücklich zu machen. Ich gehöre zu ihnen, Sire, angesichts der besonderen Wohltaten, mit denen Ihre Majestät mich gütigst ehrt. Ich fühle lebhaft ihren Wert, und wenn ich ein Verdienst habe, dann das, Ihnen unverbrüchlich verbunden zu sein. Ich fordere alle Untertanen Ihrer Majestät heraus, uns darin zu übertreffen. Unsere Herzen, Sire, schenken Ihnen die aufrichtigste und treueste Huldigung. Was Sie mir gütigst über Ihr gnädiges Angedenken sagen, berührt und tröstet mich unendlich. Ich werde bereitwillig alle Gelegenheiten nutzen, um Ihrer Majestät meinen Eifer, meinen Respekt und meine Bewunderung zu beweisen. Dies sind die Gefühle, Sire, die mich bewegen und mein Wesen ausmachen und mit denen ich auf ewig verbleibe, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea Herzogin von Sachsen Gotha, den 17. Februar 1763 1

Gemeint ist Daun: s. Brief 17, Anm. 2.

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Brief 72 [103] Dahlen, den 19. Februar 1763 Meine Frau Cousine, Ich habe gestern in Meißen und heute hier die beiden Briefe erhalten, meine liebe Herzogin, mit denen Sie Ihre zuvorkommende Anteilnahme an unserem Frieden bekunden. Ich zähle so stark auf Ihre Güte und Ihre Freundschaft, dass ich, wenn ein Glücksfall eintritt, nichts Eiligeres zu tun habe, als Ihnen davon Mitteilung zu machen. Dieser Frieden zieht eine erstaunliche Menge Arbeit nach sich, und ich werde davon noch für lange Zeit etwas haben, zum ersten, um die Truppen zu trennen, dann eine Anzahl von Vorkehrungen zu treffen für das Militär, mehr noch für die Provinzen und die Finanzen; aber der Mensch ist für die Arbeit geschaffen wie der Ochse fürs Ackern, und man darf sich nicht darüber beklagen und muss sich mit seinem Schicksal abfinden, wie Sie sich so gut ausdrücken, Madame. Das ist die einzige Möglichkeit, um das bisschen Glück zu genießen, das uns beschieden ist. Sie sagen, meine liebe Herzogin, es wäre keinesfalls von Übel, wenn Ihr Vermögen größer wäre. Es würde Ihren Untertanen zugute kommen, Ihre wohltätige Hand würde ihre Gaben großzügig austeilen. Sie fühlen es, Madame, sie kennen Ihren bewundernswerten Charakter; ich habe ihre Dankbarkeit gesehen und ihre Überzeugung, dass die Wohltaten, die Sie über sie ausbreiten, keine anderen Grenzen kennt als die, welche Ihr Vermögen Ihnen setzt. Wie schlimm im Vergleich dazu ergeht es den Sachsen! Die Armen sind von sechs Kriegsjahren ins Elend gestürzt und haben noch vor der Unterzeichnung des Präliminarfriedens neue Pläne für Abgaben erhalten. Diejenigen, die derartige Härte zeigen, verdienen es wirklich nicht, glücklich zu sein. Man erwartet die Rückkehr des Hofes in Dresden wie den Hagel, der den kleinen Rest des Getreides vernichtet, den die Dürre verschont hat, wie ein Unwetter, wie die Pest, die gleichermaßen die Großen wie das Volk trifft, die alles verwüstet und ausrottet.1 Wenn Brühl wüsste, wie 1 In der Tat sind die Kriegsfolgen für Sachsen noch härter als für Preußen. Dass Preußen dazu mit der Zerstörung von Städten, vor allem Dres-

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verhasst er ist, würde er, glaube ich, sein Leben mit Abscheu betrachten und sein Amt wäre ihm widerwärtig.2 Auf die Dauer gesehen ist die Öffentlichkeit gerecht und schätzt jeden nach seinem Verdienst ein; gelegentlich trifft sie vorschnelle Urteile, aber die Zeit bringt sie immer zur Wahrheit zurück. Bewahren Sie mir bitte, meine liebenswerte Herzogin, Ihre Güte und kostbare Freundschaft, Sie könnten für mich die Stelle der Öffentlichkeit und der ganzen Welt einnehmen. Ich würde mit Cicero sagen, dass die Götter für Caesar sind, aber Cato Pompeius unterstützt.3 Sie werden sich, Madame, über Caesar, über Cato, über Pompeius und über mich lustig machen – und da haben Sie ganz Recht. Warum zitieren, warum mich mit Cato vergleichen? Kurz, ich glaube Sie das sagen zu hören, und wie Frau von Buchwald hinzufügt:4 „Er ist ungeschickt im Vergleichen. Cato ist ein verrückter Stoiker und Sie sind die liebenswürdigste von allen Frauen. Und er soll mit seinem Cato zum Teufel gehen und besser schweigen, als so einen Haufen Dummheiten zu schreiben.“ Frau von Buchwald, ich bin ganz Ihrer Meinung, aber erlauben Sie, dass ich meinen Brief nicht beende, ohne mich von meiner liebenswerten Herzogin, ja meiner göttlichen Herzogin zu verabschieden. Ich will Ihnen nur bekennen, dass meine Gefühle und meine Bewunderung erst mit meinem Leben enden werden, und verbleibe, meine Frau Cousine, Ihrer Hoheit treuer Cousin und Diener Friedrich dens, und durch Kontributionen von 40 – 50 Millionen Taler erheblich beigetragen hat, vergisst Friedrich geflissentlich, vgl. Schieder, Friedrich der Große, S. 222f. 2 Heinrich von Brühl (1700 – 1763) wird unter August III. 1746 allmächtiger Minister in Sachsen und regiert das Land faktisch ohne Kontrolle. Seine Misswirtschaft, die auch mit persönlicher Bereicherung einherging, hatte Sachsen schon vor Kriegsbeginn fast in den Ruin getrieben. 3 In Wirklichkeit stammt diese freie Übersetzung des sprichwörtlichen Verses „victrix causa deis placuit, sed victa Catoni“ aus Lucan, Pharsalia, 1, 128. 4 Juliane Franziska von Neuenstein (1707 – 1789), die schon seit 1724 mit der Herzogin befreundet ist, tritt 1735 in deren Dienste und heiratet 1739 den Oberhofmeister Schack von Buchwald.

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Brief 73 [104] Dahlen, den 22. Februar 1763 Meine Frau Cousine, ich konnte Herrn von Edelsheim nicht abreisen lassen, ohne ihm einen Brief für Sie mitzugeben, Madame.1 Er gehört mit Recht zu Ihren Bewunderern, was ihn für mich unendlich auszeichnet. Denn, Madame, ich halte es, was Sie angeht, wie die Katholiken mit ihrer Religion: Wenn sie jemanden finden, der die Jungfrau Maria verehrt und an die Transsubstantiation glaubt, mit dem verbünden sie sich ganz selbstverständlich als Bruder in Jesus Christus; und ich betrachte die, welche Sie verehren, als Verbündete meiner Huldigung und meine Brüder in der Herzogin von Gotha. Sie sollen also erfahren, meine göttliche Herzogin, dass wir in Ihrem Namen zusammengekommen sind, und Sie waren unter uns. Wir haben Sie in unseren Litaneien gepriesen und Ihnen im Geist gehuldigt. Das war alles, was unsere Frömmigkeit vermochte; denn wir hatten keine Götterbilder noch greifbare Objekte unserer Verehrung. Alles spielte sich im Geist ab als der einzig würdigen Form, Ihnen zu huldigen. Edelsheim kehrt ins Heilige Land zurück; ich meinerseits, der ich von diesen gesegneten Orten getrennt bin, ich wende meine Augen nach Westen, ich richte mein Gebet an die Göttin dieser glücklichen Gegend und wenn mein Fernsein andauert, werde ich wieder in Sack und Asche gehen, um die Ungnade des Himmels zu besänftigen, die mich von diesem neuen Jerusalem fernhält.2 An dem, was ich da schreibe, wird Frau von Buchwald nichts auszusetzen haben:3 Da steht nichts von Cato noch von Pompeius; sie befindet sich im Heiligtum und sie muss meine fromme Verehrung für die Göttin gutheißen, deren Hohepriesterin sie ist.

Zu Edelsheim s. Brief 21, Anm. 3. Im Gegensatz zum gläubigen Christen blickt Friedrich nach Westen, nicht nach Osten. 3 Zu Frau von Buchwald s. Brief 72, Anm. 4. 1 2

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In der Hoffnung, dieses gelobte Land wiederzusehen, nehmen Sie, meine liebe Herzogin, mit Güte die Versicherung meiner aufrichtigsten Ergebenheit und höchsten Wertschätzung entgegen, mit der ich verbleibe, meine Frau Cousine, Ihrer Hoheit treuester Freund und Diener Friedrich

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Brief 74 [105] Sire, Ihre Wohltaten machen mein ganzes Glück und mein ganzes Verdienst aus: Sie verbergen meine Fehler vor den Augen Ihrer Majestät, flößen den Anderen Ehrfurcht ein und erheben mich über mich selbst. Der gnädige Brief Ihrer Majestät, den Herr von Edelsheim mir soeben ausgehändigt hat, übertrifft all meine Erwartungen.1 Und obwohl ich sehr wohl den darin herrschenden reizenden Ton des Scherzens fühle, vermag alles, was Ihnen mir in diesem Ton zu sagen beliebt, mir nur zu schmeicheln und mich zu entzücken. Ja, Sire, ob Sie mich nun mit der Jungfrau Maria oder dem neuen oder antiken Jerusalem vergleichen, ob Sie mich in der Maske des ernsten, weisen, stoischen Cato darstellen: So lange Sie so gütig sind, sich meiner zu erinnern und meine respektvolle, unverbrüchliche Verbundenheit anzuerkennen, habe ich allen Grund, unendlich froh zu sein und mich für beneidenswert zu halten. Meine liebe Buchwald denkt da genau wie ich:2 Von Bewunderung für Ihre Majestät und von Begeisterung über Ihren Großmut erfüllt, ist sie jedes Mal entzückt, wenn sie ihren Namen von der liebenswürdigen Hand Ihrer Majestät geschrieben sieht. Sie sind wirklich unsere Schutzgottheit. Unsere Herzen sind Ihre Tempel, Ihre Altäre und unsere brennenden Wünsche für Ihre vollkommene Glückseligkeit sind die Weihgabe, das Feuer, der Weihrauch, die wir Ihnen widmen. Ihre immer glänzenden und einfallsreichen Vergleiche fallen immer so aus, wie Sie es wollen und verlangen, Sire. Aber Sie, Sire, Sie sind über jeden Vergleich erhaben: Man mag Caesar, Cicero, Pompeius und Cato und alle großen Männer Griechenlands und der ganzen Antike zusammen nehmen, Sie übertreffen sie alle, wie sie da sind. Verzeihen Sie meine Albernheit; sie entspringt dem Überschwang meines Herzens, den ich nicht zurückhalten kann. Edelsheim ist ganz wie wir überglücklich über Ihre Wohltaten, Sire, und voller Dankbarkeit gegenüber Ihrer Majestät. Wie glücklich sind die Völker, unter Ihrer Herrschaft zu leben! Ihre Gegenwart 1 2

Zu Edelsheim s. Brief 21, Anm. 3. Zu Frau von Buchwald s. Brief 72, Anm. 4.

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und Ihre Bemühungen bringen ihnen Wohlergehen ein und lassen sie ihr früheres Leid vergessen. Möge Ihre Herrschaft so lange dauern, wie sie ruhmreich ist, und Ihre Majestät sich ebensolcher Glückseligkeit erfreuen, wie Sie sie der Menschheit verschaffen! Ich habe die Ehre, mit allen Gefühlen, die Ihre Majestät so gut zu vermitteln mag, zu verbleiben, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen-Gotha Gotha, den 24. Februar 1763

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Brief 75 [106] Dahlen, den 3. März 1763 Meine Frau Cousine, ich scherze wirklich nicht, meine liebe Herzogin, wenn ich Sie mit den Objekten religiöser Verehrung des Volkes vergleiche. Ich schwöre es Ihnen auf meine Ehre, dass ich Sie hundert Mal mehr ehre und verehre als die Jungfrau Maria und als alle Heiligen des Märtyrerkataloges, dass ich das Land, das Sie bewohnen, als einen durch Ihre Tugenden geheiligten Ort ansehe, und wie es für die Juden ein Trostgedanke ist, das Heilige Land wiederzusehen, so gebe ich mich der Hoffnung hin, jenes Gotha wiederzusehen, das durch Sie berühmt, das der Tempel der erhabensten Tugend, der Tempel der Freundschaft geworden ist, wo es Ihnen beliebt, sie mit einer schätzenswerten Person zu pflegen, und wo Sie mir Unwürdigem so viele Beweise davon gegeben haben. Hier haben Sie nun, meine liebe Herzogin den Kommentar zu meinen anderen Briefen. Vielleicht bin ich in meiner Eigenschaft als Ihnen Ergebener in einen allzu mystischen Stil verfallen, vielleicht hat sich meine Feder durch Verdauen der strittigen und abstrusen Themen eines Traktates mit dem Ton ihres Geschwätzes angesteckt. Kurz, meine liebe Herzogin, die Begeisterung macht sich manchmal selbständig. Man muss mir verzeihen, wenn ich die, welche mich mit ihrer Freundschaft beehren, lebhaft preise, da ich es ja seit sieben Jahren ausschließlich mit Feinden zu tun hatte, die meine Vernichtung geschworen hatten. Ich habe hier die Repräsentanten dieser Feinde gesehen, die die Ratifizierungen ausgetauscht haben. Die Gestalt des Herrn Collenbach ähnelt der Taube, die dem seligen Herrn Noah den Olivenzweig in ihrem Schnabel brachte, nicht besonders.1 Dennoch ist er von allen sehr wohl empfangen worden; denn der Frieden hat wirklich allen und überall Freude gemacht.

1 Zu Collenbach s. Brief 63, Anm. 2. Friedrichs Ärger über den österreichischen Unterhändler dürfte wohl auch darauf zurückzuführen sein, dass dieser durchgesetzt hatte, einen Handelsvertrag erst nach Friedensschluss zu unterzeichnen, vgl. Duchhardt, Gleichgewicht der Kräfte, S. 98.

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Wir fangen an, aus Sachsen abzuziehen; dennoch wird fast noch der ganze Monat vergehen, bevor alles geräumt ist. Ich kann diese Gegend erst am 15. verlassen, um mich nach Schlesien zu begeben.2 In der Zwischenzeit, meine göttliche Herzogin, werde ich Wunschgebete für Ihr Wohlergehen und Ihre Gesundheit ausstoßen. Ihr bewundernswerter Charakter hat einen allzu tiefen Eindruck in meinem Herzen hinterlassen, als dass ich Ihnen nicht ein Leben lang verbunden wäre und nicht mit Nachdruck nach Gelegenheiten suchte, Ihnen die Hochachtung und Wertschätzung zu bekunden, mit der ich verbleibe, meine Frau Cousine, Ihrer Hoheit treuester Cousin und Diener Friedrich

2 Damit geht Friedrichs rücksichtslose Ausbeutung Sachsens, deren Bedeutung für die Begleichung der preußischen Kriegskosten Kroener, Die materiellen Grundlagen, S. 76 dokumentiert, noch einen Monat lang nach Friedensschluss weiter.

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Brief 76 [107] Sire, ich wage es, Ihrer Majestät ganz offen einzugestehen, dass meine Eigenliebe keine großen Anstrengungen machen muss, um sich davon zu überzeugen, dass Sie, Sire, die Güte haben, mich in Ihrer Wertschätzung und Gewogenheit über die Heilige Jungfrau und die heiligen Märtyrer zu erheben. Ihre Wohltaten, Sire, sind das Ziel meiner brennendsten Sehnsüchte und meines schönsten Ruhms. Je besser ich ihren unendlichen Wert kenne, desto mehr will ich auch versuchen, mir ein so kostbares, für mein Glück so notwendiges Gut zu bewahren. Ihre Feinde, Sire, sind auch die unseren, wie auch immer wir sie betrachten könnten, und ihre Absicht ist es gewiss nicht, uns auch nur ein Blatt jenes ersehnten Zweiges zu zeigen, der das Herz und die Augen des seligen großen Patriarchen Noah so erfreut hat. Wenn Herr Collenbach kaum jener Friedenstaube ähnelt, so wage ich Ihrer Majestät zu bekennen, dass der Wiener Reichshofrat noch weit weniger einen Vergleich damit aushält; und obwohl das Reichskammergericht in Wetzlar in zwei aufeinanderfolgenden Erlassen die Vormundschaft der Herzöge von Gotha, Hildburghausen und Coburg als rechtmäßig anerkannt hat, will der Reichshofrat, der allzeit bereit ist, uns Unrecht anzutun und uns nur zu gern seinen unversöhnlichen Hass zu zeigen, das Testament von Meiningen für nichtig erklären und die Vormundschaft ex officio vergeben zum großen Nachteil der rechtmäßigen, durch die familiären Abmachungen geregelten Vormundschaft. Der höchste Wille des kaiserlichen Ministeriums unter der Herrschaft Franz I. ist es, alle Vormundschaften, insbesondere die der protestantischen Prinzen der vollkommenen Willkür des Kaisers zu unterstellen. Die oben erwähnten Herzöge von Sachsen legen wenig Wert auf diese Vormundschaft über Meiningen; sie würden sie mit Vergnügen der Herzoginwitwe vereinbarungsgemäß überlassen. Es ist ihnen aber sehr wichtig, ihre Rechte gegen den Wiener Despotismus zu wahren.1 1 Zu diesen Vormundschaftsauseinandersetzungen, auf deren Höhepunkt die Herzöge von Gotha und Hildburghausen Truppen nach Meiningen geschickt hatten, und ihrer Lösung durch Kaiser Franz I. vgl. Patze / Schlesinger (Hrsg.), Geschichte Thüringens, Bd. V 1, S. 435. Die Entscheidung des

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Ich wage also, Ihre Majestät im Namen aller in diese Angelegenheit involvierten Fürsten ergebenst und inständig zu bitten, Ihre Gesandten in Regensburg wie auch anderswo anweisen zu wollen, unsere Interessen den Kaiserlichen anzuempfehlen. Erlauben Sie, Sire, dass ich noch einen Umstand hinzufüge, der sich im kaiserlichen Dekret findet, das vom Reichshofrat erlassen wurde: Er besteht in der Verpfändung, die man für gut befunden hat, sie den Direktoren des Fränkischen und des Obersächsischen Reichskreises aufzuerlegen, um sich unserer Truppen im Fall von Ungehorsam unsererseits zu bemächtigen, d. h. also, falls wir uns nicht aus dem Territorium von Meiningen zurückziehen wollten. Ihr Schutz, Sire, ist uns in jedem Fall bedeutsam; doch in diesem Fall wäre er unsere Zuflucht und einziger Trost. Ein winziges Wort zu unseren Gunsten beim Dresdener Hof würde uns von unserer Sorge befreien und ihn vorsichtig machen. Die hoffnungsvolle Aussicht, Ihre Majestät eines Tages wiedersehen und Ihnen unsere Aufwartung machen zu können, lässt jegliche düstere Stimmung, in die uns diese hässliche Geschichte mit Recht hineinversetzt, aus unseren Herzen schwinden. Möge Ihre Majestät noch lange Jahre leben und die Genugtuung genießen, die Sie finden, wenn Sie Menschen glücklich machen. Ich zähle mich wirklich zu ihnen angesichts des gnädigen Wohlwollens, mit dem mich Ihre Majestät gütigst beehrt. Ich bitte nachdrücklich und vertrauensvoll, dass Sie damit fortfahren, bei all den Gefühlen, die ich auf ewig Ihrer Majestät widme, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 9. März 1763

Kaisers fiel durchaus nicht einseitig zu Lasten Gothas aus, insofern die Kinder Anton Ulrichs aus erster Ehe von den Vormundschaftsrechten ausgeschlossen wurden; s. auch Brief 65, Anm. 1.

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Brief 77 [108] Torgau, den 14. März 1763 Meine Frau Cousine, Ihre Aufträge sind ausgeführt, meine liebe Herzogin; ich habe nach Regensburg schreiben lassen, wo ich einen Mann habe, der mit starker Stimme und mit energischen Worten Ihren Fall vertreten wird.1 Die Kurprinzessin hat mich eingeladen, bei ihr auf meiner Reise nach Schlesien in Moritzburg vorbeizukommen, und ich werde dabei ihr gegenüber Ihren Auftrag mit Blick auf Sachsen erledigen.2 Wie viel Gutes ich auch immer über diese Prinzessin gehört habe, wie viel Esprit auch immer sie hat, so werde ich sie dennoch niemals mit meiner lieben Herzogin vergleichen; ich werde meinem Glauben an Gotha treu bleiben und auf keinen Fall vor fremden Götterbildern niederknien. Weder die Entscheidungen der Accademia della Crusca noch ihr Anteil an der Herrschaft über Sachsen können mich in Versuchung führen.3 Sie mag einen anmutigen Esprit haben – ich gestehe ihn ihr zu –, sie mag das Talent haben zu gefallen – das kann schon sein –, sie mag geboren sein, über einen Staat zu herrschen – ich gratuliere ihr dazu. Aber all das wiegt nicht den hervorragenden Charakter, die feste Freundschaft einer gewissen Herzogin auf, die mich mit ihrer Güte beehrt und der ich ein dankbares Herz bewahren werde, so lange noch ein Lebenshauch in mir ist. Ich bin diskret, ich nenne sie nicht beim Namen, ich will ihre Bescheidenheit nicht verletzen, angesichts der Gefühlsaufwallung, die eine empfindsame und von Bewunderung für sie erfüllte Seele zum Ausdruck brächte.

1 Erich Christoph Plotho (1707 – 1788) Friedrichs Gesandter beim Reichstag, soll diese Aufgabe erledigen, wie der König an seinen Minister Karl Wilhelm Finck von Finkenstein (1714 – 1800) nach Berlin schreibt. (Cot.) 2 Die sächsische Kurprinzessin ist Maria Antonia Walburgis Symphorosa von Bayern (1727 – 1797), die 1747 Kurfürst Friedrich Christian (1722 – 1763) von Sachsen geheiratet hatte. 3 Die 1583 in Florenz gegründete Sprachgesellschaft Accademia della Crusca: Hier wohl eine Anspielung auf den mit Friedrich befreundeten Francesco Algarotti (1712 – 1764), der u. a. vier Jahre lang unter August III. Geheimer Kriegsrat in Sachsen war.

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Sie sehen, Madame, dass Ihre Lektionen wirken und ich lerne, meine Feder zu zügeln, wenn ich an Sie schreibe. Ich bediene mich keiner Allegorien mehr, keines Cato, aus Furcht, dass Frau von Buchwald mir grollt. Was Sie aber nie unterdrücken werden, Madame, trotz allen Einflusses, den Sie auf mich besitzen, das sind die Bekundungen meiner aufrichtigsten Wertschätzung und der vollkommenen Ergebenheit, mit der ich verbleibe, meine Frau Cousine, Ihrer Hoheit treuer Cousin und Diener Friedrich

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Brief 78 [109] Sire, ich hoffe, dass Ihre Majestät die große Güte haben wird, die respektvolle Huldigung entgegenzunehmen, die Ihnen mein Herz mit diesen Zeilen darzubringen vermag. Ich habe gezögert, den Baron von Edelsheim damit zu betrauen, doch am Ende, Sire, hat meine Dienstfertigkeit über meine Ängstlichkeit gesiegt.1 Mit unendlicher Freude habe ich die glückliche Heimkehr Ihrer Majestät in Ihre Hauptstadt vernommen. Meine brennenden, aufrichtigen Wünsche sind Ihnen überallhin gefolgt, und es gibt keinen Tag, an dem ich sie nicht für die vollkommene Glückseligkeit Ihrer Majestät an den Himmel richte. Ich habe, Sire, lebhaften Anteil an den Freudenstürmen und Beifallskundgebungen Ihrer Völker genommen.2 Wie glücklich sind diese Völker, unter Ihrer Herrschaft zu leben! Mögen Sie über Jahrhunderte hinweg einen so großen, seltenen Vorzug genießen und so zum Gegenstand des Neides der anderen Nationen werden! Während Ihre Majestät daran gearbeitet hat, die Ordnung wiederherzustellen, um die Menschen glücklich zu machen und seine Wohltaten zu verbreiten, habe ich mich damit beschäftigt, Sire, den dritten Band der „Œuvres du philosophe“ unseres Helden zu lesen. Und obwohl ich überzeugt bin, dass sich in diesem Sammelband Stücke finden, die gewiss nicht authentisch sind, habe ich die, welche es sind und die ich als solche erkannt habe, mit Begeisterung bewundert.3 Der Baron von Edelsheim wird also, Sire, Ihnen angehören. Wie glücklich und beneidenswert er ist! Ich habe ihn stark dazu ermuntert, all sein Bemühen darauf zu richten, so viel Güte zu verZu Edelsheim s. Brief 21, Anm. 3. Zwar empfangen die Berliner ihn bei seiner Rückkehr am 30. 3. mit großer Begeisterung: Der König allerdings zeigt sich an diesem Tag seinem Volk nicht, sondern zieht sich ins Stadtschloss zurück, vgl. Kunisch, Friedrich der Große, S. 444 f. 3 In einer Anzahl von Ausgaben von Friedrichs „Œuvres“, die bis zu diesem Zeitpunkt erschienen sind, enthält der dritte Band neben Versepisteln „pièces diverses“, „vermischte Stücke“ also, die hier gemeint sein könnten. (Cot.) 1 2

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dienen. Er wird die Ehre haben, Ihrer Majestät von mir die Antwort von Jean-Jacques Rousseau auf den Hirtenbrief des Erzbischofs von Paris zu übergeben. Sie ist recht interessant; aber sie würde mir bestimmt besser gefallen, wenn sie weniger weitschweifig wäre. Ich nehme mir des weiteren die Freiheit heraus, das Literaturblatt meines Pariser Korrespondenten hinzuzufügen. Der Autor, der Grimm heißt, ist deutscher Nationalität und hat sich nach dem Tod seines früheren Herrn, des Grafen von Friesen,4 dem Herzog von Orleans angeschlossen,5 ohne Katholik zu werden. Damals habe ich Grimm kennengelernt, den ich als einen verdienstvollen Mann schätze. Er ist eng mit Diderot und d’Alembert liiert.6 Er brennt darauf, Ihrer Majestät, die er bewundert, bekannt zu werden. Auf sein wiederholtes, fortgesetztes Drängen hin, wage ich es nun endlich, Sire, Ihnen seinen Namen zu nennen und eine seiner „Nouvelles littéraires“ beizufügen. Ich hätte noch geschwankt, ob ich mit Ihrer Majestät darüber reden sollte, wenn Grimm mir nicht versichert hätte, dass Ihre Majestät die Königin von Schweden es nicht unter Würde halte, seine Blätter zu bekommen und zu lesen.7 Er wird sich für den glücklichsten unter den Sterblichen halten, wenn Ihre Majestät ihm dieselbe Gunst erweisen wollte, die ich nicht zu erbitten wage, aber wozu ich die Befehle Ihrer Majestät erwarte. Der mächtige, großzügige Schutz Ihrer Majestät war zu allen Zeiten das schönste Vorrecht unseres Hauses, wie er auch jetzt noch unsere liebste Hoffnung ist. Haben Sie die Güte, Sire, ihn uns zu bewahren; wir haben ihn gegenwärtig mehr nötig denn je. Der Wiener Hof hört nicht auf, uns zu verfolgen und seinen Hass zu beweisen. Die gegen uns in der Angelegenheit der Vormundschaft über Meiningen erlassenen Urteile zeugen davon, und die 4 August Heinrich von Friesen (1728 – 1755), ein Neffe des Marschalls Moritz von Sachsen und General der französischen Armee. 5 Louis-Philippe I. de Bourbon, Herzog von Orléans (1725 – 1785). 6 Denis Diderot (1713 – 1784) und Jean Le Rond d’Alembert (1717 – 1783), die beiden Herausgeber der „Encyclopédie“; zu d’Alembert vgl. auch Brief 81, Anm. 3 und 4. 7 Friedrichs Schwester Luise Ulrike (1720 – 1782), seit 1751 Königin von Schweden, hat die „Correspondance littéraire“ seit 1760 abonniert. (Cot.)

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letzte kaiserliche an den Prinzipalkommissar von Regensburg gerichtete Verordnung bestätigt es nochmals.8 Der Dresdener Hof hat ebenfalls seinen Abgesandten beim Reichstag noch nicht zu unseren Gunsten instruiert, wie er meines Erachtens es Ihrer Majestät doch versprochen hatte. Ihr fortdauerndes gnädiges Wohlwollen, Sire, wird uns für alles entschädigen. Ich wage es, Sire, an Ihre Güte angesichts meiner respektvollen, unverbrüchlichen Verbundenheit zu appellieren, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 13. Mai 1763

8 Prinzipalkommissar lautet die Bezeichnung für den Repräsentanten des Kaisers auf dem Reichstag.

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Brief 79 [110] Berlin, den 26. Mai 1763 Meine Frau Cousine, der Baron von Edelsheim hat mir, meine liebe Herzogin, den Brief ausgehändigt, mit dem Sie ihn gütigst betraut haben. Eine unabdingbare Reise, die ich nach Pommern machen musste, hat mich daran gehindert, früher darauf zu antworten. Ich habe nie an Ihrer gütigen Anteilnahme an meinen Belangen gezweifelt und insgeheim beglückwünsche ich mich schon lange, Sie an die Spitze meiner treuesten Freunde stellen zu können. In diesem Sinne nehme ich die schmeichelhaften Dinge auf, die Sie mir gütigst sagen: Ein wenig Voreingenommenheit und viel Nachsicht lassen Sie, Madame, zu meinen Gunsten sprechen. In mir ist viel Willen, Gutes zu tun, und oftmals viel Ungeschicklichkeit in der Ausführung. Überall habe ich großes Elend gefunden und mangels Heilmittel, die ich hätte anwenden können, war ich gezwungen, sie durch Betäubungsmittel zu ersetzen.1 Aber ich spreche mit Ihnen wirklich zu viel über meine Belange. Dennoch muss ich, meine liebe Herzogin, da noch hinzufügen, dass jener dritte Band, von dem Sie die Güte hatten zu sprechen, ein verstümmeltes Werk ist. Mein Verleumder hat nach Belieben verfälscht, verdorben, verändert und untergeschoben. Das Werk, so wie ich es geschaffen habe, verdiente das Licht der Öffentlichkeit überhaupt nicht. Einige Gelegenheitsverse machten den Hauptteil aus; und Dinge, die unter Freunden und im Moment ihres Entstehens gut sind, verlieren alles, wenn man die Anspielungen und Anlässe nicht kennt. Ich habe mich keineswegs zur Schau stellen, ich habe keineswegs den Autor spielen wollen; doch als die Mächte Europas sich verschworen haben, mich meiner Staaten zu berauben, haben sich ein paar Kolporteure von Schreiberlingen zusammengerottet, um meine Brieftasche zu plündern.2 Ein jeder war der 1 Zu den Maßnahmen zur Linderung der schlimmsten Nöte in den Provinzen vgl. Heinrich, Friedrich II., S. 205 – 208, zur Organisation der Beseitigung der Kriegsschäden im sogenannten Retablissement vgl. Ziechmann, Panorama, S. 436 – 441. 2 Dass dabei auch Voltaire seine Hände im Spiel hatte, vermutet wohl mit Recht Ziechmann, Panorama, S. 256.

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Ansicht, es gehöre zum guten Ton, mir das Übel anzutun, dessen er fähig war. Ich bin gezwungen, das zu dulden, ich tue ein Übriges, ich verzeihe es. Die Zeitschrift, die Sie mir freundlicherweise schicken, ist gut geschrieben. Ich kenne den Verfasser dem Namen nach. Er ist in Gera geboren; er hat „Le petit prophète“ geschrieben; er ist ein geistreicher Kerl, der in Paris viel gelernt hat.3 Dennoch bitte ich es mir als Gnade aus, wenn er mir seine Blätter schicken will, mich doch freundlicherweise ein wenig zu verschonen: Ein Mann ohne Erfahrung mag Erhabenes finden, wo es das nicht gibt,4 ein Philosoph findet da nichts als eine Kompilation von Nebengründen, die durch den bizarren Zufall unterschiedlicher Kombinationen Ereignisse hervorrufen, über welche die Masse staunt, die aber in Wirklichkeit ganz einfach und natürlich sind: Nach dreißig Jahren Krieg, die unsere Vorfahren durchhielten, kam es zum Westfälischen Frieden.5 Mit den gewaltigen Armeen, die es heutzutage gibt, kann keine Macht mehr als sieben bis acht Feldzüge aufbieten. Man braucht sich also nicht zu wundern, dass die Königin von Ungarn, die im Stich gelassen war von Russland, Schweden und Frankreich, bedroht war vom Türken, dabei war, die Kreise zu verlieren, und der die notwendigen Mittel fehlten, den Reigen ihrer Feindseligkeiten fortzusetzen, am Ende in den Frieden eingewilligt hat, den wir gerade unterzeichnet haben. Es wäre ein Wunder gewesen, den Krieg ohne Geld und ohne Verbündete durchzuhalten. Ich wundere mich kein bisschen, meine liebe Herzogin, über das üble Vorgehen des Wiener Hofes, worüber Sie sich beklagen: Das ist das Grollen und dumpfe Geräusch der Wellen, die am Ufer 3 Mit „Le petit prophète de Boehmischbroda“, einer Satire auf die französische Oper, eröffnet – der im Übrigen aus Regensburg stammende – Grimm im Januar 1754 die „Querelle des Bouffons“, in der sich Anhänger der italienischen und solche der französischen Oper befehden, vgl. Grimm, Correspondance littéraire, Bd. I, S. XXVI. Grimm hatte schon 1754 erfolglos Friedrich zu einen Abonnement seiner Zeitschrift bewegen wollen, vgl. ebd., S. XXVIII f. 4 Möglicherweise spielt Friedrich hier auf eine Lobeshymne Grimms in seiner Zeitschrift an, wo er den König als „erhaben in all seinen Unternehmungen“ bezeichnet. (Cot.) 5 Geschlossen 1648 in Münster.

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brechen, nachdem der Sturm sich gelegt hat. Ich habe über Ihre Interessen in dringlichsten Worten mit der Kurprinzessin gesprochen:6 Man hat mir versprochen, in der Angelegenheit der Vormundschaft über Meiningen klar Stellung zu beziehen. Wir erwarten hier täglich den Gesandten des Königs von Polen, und ich werde selbst, meine liebe Herzogin, über Ihre Interessen mit ihm reden. Sie können von mir jeden Dienst erwarten, dessen meine aufrichtige Freundschaft, meine Wertschätzung und meine Bewunderung für Sie zu leisten fähig sind. Ich wollte, die Auswirkungen wären ebenso deutlich wie mein Wunsch, Ihnen von Nutzen zu sein, lebhaft ist. Die Bereitschaft, der Wille, der Eifer, Ihnen zu dienen, wird deswegen nicht geringer sein. Und was immer passiert, ich hoffe, Glück genug zu haben, um das unter Beweis zu stellen. Diese Gedanken werden mich auf meiner Reise nach Kleve beschäftigen und während meines gesamten Lebens. Haben Sie die Güte, meine liebenswerte Prinzessin, auf diese Gefühle zu zählen und auf die ganze Ergebenheit, mit der ich verbleibe, meine Frau Cousine, Ihrer Hoheit treuer Cousin und Diener Friedrich

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Vgl. Friedrichs Versprechen im Brief 77 vom 14. 3. 1763.

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Brief 80 [111] Sire, Ihre Majestät hat gerade erneut zwei Leute auf einmal überglücklich gemacht, indem Sie mir gütigst meine ergebenste Bitte zu Gunsten des Herrn Grimm und seiner Zeitschrift gewährt haben. Seine Freude war so außerordentlich, dass er sechs Wochen gebraucht hat, um sein seelisches Gleichgewicht wiederzuerlangen und ein Lebenszeichen zu geben. Ich hatte ihm gesagt, er solle seine „Nouvelles littéraires“ direkt an Ihre Majestät adressieren, aber er hat noch nicht den Mut gefunden, das zu tun, und versichert mir sogar, dass er mir noch ein oder zwei Hefte zukommen lassen will, um sie Ihrer Majestät vorzustellen. Ich bin von Grimms Verlegenheit nicht überrascht: Je brennender sein Wunsch ist, Ihnen, Sire, seine Blätter zu widmen, desto stärker empfindet er nun auch sein Ungenügen. „Le petit prophète“ verstand es wohl, ein halbes Dutzend seiner Freunde zum Lachen zu bringen,1 aber er wusste nicht, dass man sich nur mit Zittern dazu durchringt, sich bis zu Ihnen zu erheben. Unsere Wünsche übertreffen immer unsere Kräfte und nur die Erfahrung lehrt uns diese traurige, niederschmetternde Wahrheit. Im Übrigen können Ihre äußerste Bescheidenheit und Ihr ihm über mich ausgerichtetes Verbot die Verlegenheit und Qual des armen Grimm nur noch vergrößern. Allein die Nachsicht und Güte Ihrer Majestät vermögen ihn daraus zu befreien und ihn froh zu stimmen. Ich wage, dies für ihn zu reklamieren, weil ich es für mich erbeten habe, und da ich ihren wohltuenden Einfluss auf mich verspürt habe, habe ich keinerlei Zweifel, Sire, dass dieselbe Ursache dieselben heilsamen Folgen zeitigen wird. Ich bin entzückt, muss ich gestehen, bei dieser Gelegenheit, ohne als lästig gelten zu müssen, Ihrer Majestät ergebenst zu Ihrer glücklichen Rückkehr aus Ihren Staaten in Westfalen2 gratulieren zu können und Ihnen zugleich erneut die Gefühle meines Res-

Hierzu Brief 79, Anm. 3. Der König hatte im Juni Westfalen und die Rheinprovinzen besucht, um sich einen Überblick über die Kriegsfolgen zu verschaffen. (Cot.) 1 2

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pekts, meiner Bewunderung und meiner unverbrüchlichen Verbundenheit auszudrücken, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 16. Juli 1763

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Brief 81 [113] Potsdam, den 22. Juli 1763 Meine Frau Cousine, ich bin dem Herrn Grimm sehr verpflichtet, meine liebe Herzogin, weil er mir einen Brief von Ihnen einträgt, in dem Sie mich Ihrer kostbaren Erinnerung an mich versichern. Ich wäre sehr bekümmert, wenn die Entfernung, in der ich mich seit dem Frieden befinde, mich der Vorzüge beraubte, die ich während des Krieges genoss. Edelsheim und ich, wir bilden hier Ihre Herde, wir sind Ihre fanatischen Anhänger, wenn man das jedenfalls sein kann, wenn man die Tugend über alles schätzt.1 Wir versammeln uns in Ihrem Namen und verehren Sie im Geist, und wirklich hatte ich das Vergnügen, meine liebe Herzogin, mich lange mit meiner Braunschweiger Schwester über Sie zu unterhalten.2 Sie ist entzückt, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben; sie empfindet den ganzen Wert Ihres Verdienstes und ist tief davon durchdrungen. Wir haben Herrn d’Alembert hier, der im geselligen Umgang noch mehr taugt als in seinen Büchern. Ich nehme die höhere Geometrie aus, in der er herausragend ist. Er hat ein natürliches, offenes, friedfertiges Wesen, ein starkes Gedächtnis und einen Esprit voller Fröhlichkeit. Ich rege ihn dazu an, einige Werke zu schaffen, von denen ich glaube, dass die Öffentlichkeit mir dankbar sein wird, ihn dazu gebracht zu haben, sie auf die Welt zu bringen. Das eine wird eine erweiterte und detailliertere Überarbeitung seiner „Eléments de philosophie et de géometrie“ sein,3 das andere ein Zu Edelsheim s. Brief 21, Anm. 3. Charlotte (1716 – 1801), die 1733 den Erbprinzen Karl von Braunschweig heiratete. 3 D’Alembert, den Friedrich gern als Präsidenten seiner Akademie gesehen hätte, der jedoch unabhängig bleiben wollte, trifft am 22. 7. in Potsdam ein und reist Mitte August wieder ab, vgl. Fontius / Geißler, Französische Aufklärer in Berlin, S. 255. Der „Essai sur les éléments de philosophie ou sur les principes des connaissances humaines“ war 1759 im 4. Band seiner „Mélanges de littérature, d’histoire et de philosophie“ erschienen, ein 5. Band mit „Eclaircissements“, der Anmerkungen Friedrichs aufgreift, wird 1767 publiziert. 1 2

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Werk über alle Entdeckungen in der Physik seit dem Kanzler Bacon, mit Reflexionen über die möglichen Erkenntnisfortschritte, wenn man diese Experimente miteinander kombiniert oder neue anstellt.4 Ich würde einen derartigen Brief keiner anderen Fürstin zu schreiben wagen außer Ihnen, Madame, die Sie alle Kenntnisse und alle Talente in sich vereinigen und überzeugt sind, dass das, was zur Aufklärung des Geistes dient, unendlich mehr adelt als Größe und Geburt. Meine Wünsche, Madame, für Ihre Glückseligkeit und Ihr Wohlergehen sind immer noch dieselben. Darf ich es wagen, Sie zu bitten, Ihre würdige Freundin, meiner Erinnerung und Aufmerksamkeit zu versichern und von der Verbundenheit und der Hochachtung überzeugt zu sein, mit der ich verbleibe? Meine Frau Cousine, Ihr treuester Freund, Cousin und Diener Friedrich

4 Diese Reflexionen hatte d’Alembert in seinem „Discours préliminaire“ zur „Encyclopédie“ (1751) angestellt.

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Brief 82 [114] Sanssouci, den 27. Juli 1763 Meine Frau Cousine, indem ich Ihnen, meine liebe Herzogin, für den Brief danke, den Sie mir geschrieben haben, kann ich Ihnen nur für den Bericht danken, den Sie mir freundlicherweise geschickt haben. Er ist gewiss nicht rosig, und der Verfasser gibt das klar zu verstehen. Ich gestehe Ihnen, Madame, dass ich Autoren schätze, die vernünftig argumentieren und sich klar ausdrücken. Es gibt welche, wie den Abbé Pluche zum Beispiel, der hü und hott zugleich sagt und, weil sie es allen Recht machen wollen, es schaffen, es sich mit ihrer gesamten Leserschaft zu verderben.1 Entweder soll man von kniffligen Sujets ganz die Finger lassen, oder wenn man sie behandeln will, dann muss die Wahrheit siegen und mit unumstößlichen Argumenten bewiesen werden, die ihre Evidenz ins rechte Licht rücken. Ich würde dem Herrn Grimm freilich nicht raten, das heutige Blatt drucken zu lassen.2 Oh, wie würde sich die Sorbonne aufregen! Wie viele Dekrete, Exkommunizierungen, Verwünschungen würde es hageln! Wie viele Scheiterhaufen würden lodern! Der ganze Haufen der Frömmler, der heiligen Scheinheiligen würde ins Feld ziehen, um sich auf ihn zu stürzen und ihn zu zerfetzen. So schrecklich sind Vernunft und Wahrheit für dieses Pack verachtenswerter Männer, die nur vom Aberglauben der Völker leben. Wir waren dabei, die todbringenden Folgen des Aberglaubens zu erleiden, wir waren am Rande des Abgrunds, als ein Blutsturz eine Frau hinwegraffte, deren Tod ein grässliches Komplott beendete, das geschmiedet wurde, um nach Kräften die Lichter des gesunden Menschenverstands und der Vernunft zu unterdrücken, 1 Noël-Antoine, abbé Pluche (1688 – 1761), Verfasser des viel gelesenen „Spectacle de la nature“ (1732), aber auch einer „Histoire du ciel“ (1739) wurde von Friedrich ebenso wenig geschätzt wie von Voltaire, der ähnliche Kritik vorbringt. (Cot.) 2 In seiner „Correspondance littéraire“ vom 15. 4. 1763 macht Grimm das Christentum für den Niedergang der Bildung verantwortlich. (Cot.)

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die Deutschland erhellten.3 Welche Verwüstungen hätte die vom Wiener Hof unterstützte, gestärkte, siegreiche Intoleranz angerichtet? Welche grässliche Verfolgung der Protestanten und all jener, welche das Licht ihrer Vernunft nicht auslöschen, hätte sich breit gemacht? Was mich angeht, ich gestehe Ihnen, meine liebe Herzogin, ich segne den Himmel, mich in aller Ruhe hier zu befinden und zu glauben, dass ein derartiges Unglück wenigstens in den wenigen Tagen, die ich noch zu leben habe, nicht geschehen wird. Ich genieße es, dass die deutsche Post von Ihrem Hof in meine Eremitage Werke bringt, in denen der Aberglaube zerschmettert wird und die Wahrheit mit offener Stirn aufzutreten wagt. Dennoch ist das ein ganz schwacher Trost, wenn man des Glücks beraubt ist, Sie von Angesicht zu Angesicht zu sehen, ein Glück, dessen Verlust ich sehr bedauere; andauernd mache ich Pläne, um mir eines Tages dieses Glück zu verschaffen. Sehen Sie es mir nach, meine göttliche Herzogin! Wenn man das Glück hatte, Sie kennen gelernt zu haben, ist es ein wahrhaftes Leid, diesen Vorzug entbehren zu müssen. Ich wäre vielleicht in der Lage, Ihnen zu sagen, was der selige Marschall Schulenburg einem Gondoliere antwortete, der ihn dazu drängte, eine Gesellschaft zu verlassen, die er langweilte: „Es kann gut sein, dass ich diese Leute langweile, aber sie machen mir großes Vergnügen.“4 Wenn ich Sie gelangweilt habe, bitte ich Sie aufrichtig dafür um Verzeihung. Ich wage, Ihnen zu sagen, dass ich sie in gewisser Weise verdiene durch die hohe Wertschätzung und die Verbundenheit, mit der ich verbleibe, meine Frau Cousine, Ihrer Hoheit treuer Cousin, Freund und Diener Friedrich

3 Der Tod der am 5. 1. 1762 verstorbenen Zarin Elisabeth Petrovna (1709 – 1762) markiert einen Umschwung der russischen Politik mit dem Ausstieg des Landes aus der antipreußischen Allianz durch Zar Peter III. (1728 – 1762). 4 Johann Matthias von der Schulenburg (1661 – 1747) war seit 1715 venezianischer Feldmarschall im Kampf gegen das Osmanische Reich.

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Brief 83 [115] Sire, ich würde gleichermaßen fürchten, bei Ihrer Majestät entweder als lästig zu gelten oder als nicht eilfertig genug, um Ihnen erneut die Gefühle des Respekts und der Bewunderung für Sie auszudrücken, von denen ich durchdrungen bin, wenn Sie nicht die Güte hätten, mich hinsichtlich meiner Briefe auf die gnädigste Art und Weise zu beruhigen. Von daher zögere ich nicht, Ihnen das dritte Heft von Grimm zuzusenden und einige Zeilen von meiner Hand hinzuzufügen.1 Ihre Wohltaten, Sire, bewegen mich sehr; ich wollte, ich könnte sie, indem ich sie verdiene, auf Dauer behalten; doch ich empfinde leider nur allzu sehr mein Ungenügen, und genau das ist es, was mich aufschreckt und mich so ängstlich werden lässt. Nicht weniger angerührt bin ich darüber, dass Ihre Majestät sich in Braunschweig meiner erinnert hat, und über all das, was Sie mir an Schmeichelhaften von Ihrer Königlichen Hoheit, Ihrer Frau Schwester berichten, der ich gewiss mit Vergnügen jede ihr gebührende Huldigung erweise: Sie ist es in hohem Maße wert, Ihre Schwester zu sein.2 Was Herrn d’Alembert angeht, so kann er sich sehr glücklich schätzen, einige Zeit bei Ihrer Majestät zu verbringen. Diese Augenblicke müssen ihm die liebsten und ruhmreichsten seines ganzen Lebens sein. Dieser Vorzug, den er diesen Augenblicken zu geben verstanden hat angesichts einer vermeintlich glänzenden Perspektive, wird seinen Namen und sein Ansehen viel eher unsterblich machen als all seine Werke. Andererseits, Sire, kann ich das neue Werk, zu dem Ihre Majestät Herrn d’Alembert aufzufordern geruht, nur begrüßen. Es würde bewundernswert, wenn er es, Sire, unter Ihren Augen schriebe. Ich bin geschmeichelt und zugleich demütig angesichts dessen, was Ihrer Majestät bei diesem Anlass mir zu sagen beliebt. Meine liebe, gute Freundin ist zu Tränen gerührt über das gnädige Gedenken Ihrer Majestät.3 Sie ist 1 2 3

Wahrscheinlich die „Correspondance littéraire“ vom 1. 7. 1763. Vgl. Brief 81 vom 22. Juli mit Anm. 2. Zu Frau von Buchwald s. Brief 72, Anm. 4.

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außer sich vor Freude und Dankbarkeit: Mit Feuereifer wirft sie sich Ihnen zu Füßen und umfasst Ihre Knie. Sie sind, Sire, unsere wahre Gottheit, wir sind Ihre Herde und wir beten Sie im Geist und tatsächlich an. Dies sind die Gefühle, mit denen ich mein Leben beschließen werde, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin, Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 30. Juli 1763

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Brief 84 [116] Sire, ich brauche alle Güte Ihrer Majestät, all Ihre Nachsicht, all Ihre großzügige Unterstützung, um so oft mein elendes Geschmiere an Sie zu richten: Wir sind nun schon beim vierten Band, der Herr Grimm und ich, und das innerhalb von drei Wochen. Bei Grimm mag es noch angehen, der Ihnen immerhin Neuigkeiten zu melden hat, Sire, aber ich, die ich nichts als meinen Diensteifer, als meine Bewunderung, als meine respektvolle Verbundenheit Ihnen zu bieten vermag, ich habe allen Grund zu der Befürchtung, in den Augen Ihrer Majestät fade und lästig zu werden.1 Trotz all meiner schönen Überlegungen lasse ich meine Feder laufen und bin, ich gestehe es, entzückt, wenn ich einen Vorwand finde, Ihnen, Sire, meine ergebenste Aufwartung zu machen. Es stimmt, dass Grimms Ton höchst kühn und aufrichtig ist; aber von daher konnte er auch nur vor dem Thron der Wahrheit Gnade finden. Ihr Votum, Sire, wird ihn in höchste Glückseligkeit versetzen. Da ist ein kleiner Katechismus, der für Ihre Majestät nichts Neues enthält; da er aber von Voltaire kommt, habe ich gedacht, ich müsse ihn zur Unterhaltung Ihrer Majestät in einem Augenblick der Freizeit schicken.2 Niemals ist ein Blutsturz zu passenderer Zeit geschehen, das gebe ich zu;3 dennoch, Sire, ohne Sie, ohne Ihren Mut, ohne Ihre Standfestigkeit, ohne Ihr Genie, ohne Ihren Heroismus wären wir unterlegen gewesen, wären wir alle unter der Last des Aberglaubens und den Fesseln des Despotismus umgekommen. Sie sind es, Sie sind es, Sire, der unter der göttlichen Providenz das Gewitter abgewendet und uns vor dem uns drohenden Untergang gerettet habt. Es ist ganz natürlich, Sire, seinen Retter abgöttisch zu lieben, ihm seine ganze Zuversicht zu widmen, ihm Altäre zu errichten! Wir, der Herzog und ich, können uns nur sehnlichst die Freude 1 Die Lieferung der „Correspondance littéraire“ vom 15. 7. 1763, vgl. Brief 85 vom 7. 8. 1763. 2 Der „Catéchisme de l’honnête homme“ (1763), den Voltaire ihr am 19. 7. 1763 geschickt hatte. (Cot.) 3 Zur Zarin Elisabeth s. Brief 82, Anm. 3.

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und das Glück herbeiwünschen, Sire, Ihnen persönlich unsere Huldigung zu erweisen und Ihnen aus eigenem Mund das ganze Ausmaß unserer Verbundenheit zu bezeugen. Allein die Gesundheit des Herzogs könnte uns daran hindern, einer so gerechtfertigten und unseren Herzen so schmeichelnden Pflicht nachzukommen. Der arme Herzog hat mich letzte Woche in große Aufregung versetzt, und er erholt sich nur mühsam von seiner Unpässlichkeit. Ihre Majestät möge uns bitte Ihr gnädiges Wohlwollen bewahren und die Versicherung meines unverbrüchlichen Respekts günstig aufnehmen, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin, Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 6. August 1763

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Brief 85 [117] Sanssouci, den 7. August 1763 Meine Frau Cousine, „wirklich, Herr Grimm, Sie sind ein bewundernswerter Mann: Sie machen mir die größte Freude auf der Welt, mir mit Ihren Rhapsodien Briefe meiner lieben Herzogin zu verschaffen; und obwohl ich mich ziemlich wenig um die Finanzen des Allerchristlichsten Königs1 noch um die ganzen Dummheiten schere, die sich das französische Volk durch den Kopf gehen lässt, empfange ich Ihre Gazetten mit besonderer Freude. Bilden Sie sich darauf nichts ein, Herr Grimm! Ich nehme sie nur aus Liebe zum Umschlag“: Das ist es, Madame, wozu ich nicht den Mut hätte, es Ihnen zu sagen, was ich aber auf keinen Fall unterdrücken kann, weil es völlig wahr ist. Ein Fräulein von Wangenheim,2 die zum Gefolge meiner Schwedter Schwester gehört und die mit allen meinen Nichten und Großneffen hier war,3 kann mir als Zeugin dienen. Wir haben, meine liebe Herzogin, mit dem Glaubenseifer, den Sie Ihren frommen Anhängern einflößen, auf Ihre Gesundheit getrunken und das gesagt, was ich aus Respekt für Ihre Bescheidenheit nicht zu wiederholen wage. Herr d’Alembert hat sich in unserem Bericht bewundernd über Sie geäußert und ist unglücklich, dass er bis jetzt Ihnen noch nicht seine Aufwartung machen konnte. Er ist es wert, der Herde derjenigen hinzugezählt zu werden, die nur auf Sie schwören und Ihnen im Geist kultische Verehrung entgegenbringen. Er bereitet sich auf eine Reise nach Italien vor, das Land, das es am meisten verdient, die Neugier eines Literaten und Philosophen auf sich zu

1 Grimm hatte in seiner Lieferung vom 1. 7. 1763 die anonym erschienene Broschüre „La richesse de l’état“ (1763) des Pariser Parlamentsrats Roussel de La Tour (ca. 1710 – ca.1800) leicht skeptisch besprochen, vgl. Grimm, Paris zündet die Lichter an, S. 217 f. 2 Nicht identifiziert. 3 Sophie (1719 – 1765), hatte 1734 Friedrich Wilhelm von Schwedt (1700 – 1771), den „wilden Markgrafen“ geheiratet.

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ziehen.4 Wenn er den Sporn des Papstes küsst, dann nicht aus Aberglauben. Der Heilige Vater könnte sich trotz seiner Unfehlbarkeit darin täuschen, wenn er es so verstünde: Ein Philosoph passt sich den Gepflogenheiten der Länder an, in denen er sich befindet, ohne sie gutzuheißen und ohne sie offen zu kritisieren. Ich weiß nicht, was er von diesem Land hält; wir haben seit einer Woche nichts als Regen und Unwetter. Ich wünsche, meine liebe Herzogin, dass das Wetter in Gotha schöner ist, dass Sie bei guter Gesundheit sind, dass Sie glücklich sind, dass Sie die Güte haben, sich dann und wann an den treuesten Ihrer Verehrer zu erinnern, und bitte zu glauben, dass die Gefühle der Hochachtung, mit der ich verbleibe, unverändert sind, meine Frau Cousine, Ihrer Hoheit treuester Cousin und Diener Friedrich

4 Laut Chaussinand-Nogaret, D’Alembert, S. 201 kommt diese Reise nicht zustande.

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Brief 86 [118] Sanssouci, den 14. August 1763 Meine Frau Cousine, wirklich, meine liebe Herzogin, der Katechismus, den Sie mir freundlicherweise geschickt haben,1 sieht mir nicht danach aus, als wäre er von Herrn Cyprianus korrigiert und gutgeheißen worden.2 Der große Mann wäre höchst empört über den Anfang dieses Werkes gewesen und hätte lediglich für den Schluss Nachsicht aufgebracht, wo es einige Absätze zum Ruhme Martins gibt – nicht zu dem des „Candide“,3 sondern zu dem Martin Luthers. Dieser Katechismus ist ganz im Stil Voltaires: Man erkennt darin den Pinselstrich des Verfassers der „Epître à Uranie“ und noch vieler anderer Werke.4 Allerdings zwingt mich die Redlichkeit, einen kleinen geschichtlichen Fehler anzumerken, der dem Apostel des Unglaubens unterlaufen ist, und ich glaube, man muss der Wahrheit vor allem den Vorzug geben. Der Fehler besteht darin, dass er vorbringt, die Evangelien seien erst im dritten Jahrhundert bekannt geworden. Nun ist aber allgemein bekannt, dass sie von den Kirchenvätern des ersten Jahrhunderts zitiert werden. Das aber schwächt keineswegs die Beweise, die er beibringt: Weit gefehlt, es lassen sich aus diesen Kirchenvätern des ersten Jahrhunderts Argumente schöpfen, die geeigneter sind, seine Sache zu begründen, wie etwa die Anzahl der Evangelien, von denen man nur vier ausgewählt hat, die Unsicherheit hinsichtlich ihrer Verfasser, die verschiedenen, einander widersprechenden Übersetzungen, die man davon angefertigt hat, und schließlich die Widersprüche, welche diese kanonischen Bücher noch enthalten.5 Man könnte vielleicht noch ein paar Beweise stärker machen, damit das Werk ein richtiS. Brief 84, Anm. 2. Zu Cyprianus s. Brief 35, Anm. 4. 3 Martin ist als notorischer Pessimist Widersacher des Optimisten Pangloss in Voltaires „Candide“ (1759). 4 In der „Epître à Uranie“ (1732) äußert Voltaire heftige Kritik am Christentum und seiner Gottesvorstellung. 5 Auch im Artikel „Evangile“ seines Dictionnaire philosophique“ von 1767 insistiert Voltaire darauf, dass die ältesten Kirchenväter niemals die vier kanonischen, sondern nur apokryphe Evangelien zitieren. (Cot.) 1 2

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ger Klassiker würde. Indessen denke ich, dass es, so wie es ist, sehr geeignet ist, um zur Erbauung der Gläubigen zu dienen. Es wird hier nachgedruckt, mit der notwendigen Korrektur, damit man die Sekte nicht beschuldigt, falsch zu zitieren.6 Allerdings wage ich die Voraussage, dass dieser Katechismus in Wien keinen Erfolg haben wird, wo man sehr bestimmt in gewissen Dingen ist und schnell bereit, diejenigen, welche nicht derselben Ansicht sind, rösten zu lassen. Dafür werden sie bestraft werden, denn sie werden weiter dem Irrtum verfallen bleiben. Maulwürfe werden sie sein und bleiben, Madame. Ich bin sehr bekümmert über das, was dem Herzog, Ihrem Gatten, zugestoßen ist; aber, meine liebe Herzogin, ich habe Sie während der glücklichen Stunden, die ich in Ihrem Allerheiligsten verbracht habe, nicht beunruhigen wollen. Freilich habe ich gewisse Anzeichen des körperlichen Befindens bei dem guten Herzog bemerkt, die mir nicht für ein langes Leben zu sprechen schienen. Wie schmerzlich diese Trennung für Sie auch ist, Madame, Sie müssen darauf gefasst sein und sich darauf vorbereiten. Der Anteil, den ich an allen Ihren Belangen nehme, veranlasst mich zu dem Wunsch, dass dieser Moment sich hinauszögert, wie auch alles, was die Ruhe Ihres Lebens stören könnte. Ich erwarte hier einen ganzen Schwarm von Neffen und Nichten, die in einigen Tagen eintreffen werden. Ich sehe mich bald zum Onkel ganz Deutschlands werden. Ich kannte ein Fräulein von Sonsfeld, welche die Tante von Jedermann war.7 Wenn man nicht Großvater ist, kann man noch Großonkel werden und durch sein Gefasel seinen Großneffen zur Lachnummer dienen: Das ist der 5. Akt des Stücks und am Ende wird man ausgepfiffen. In der Tat, meine liebe Herzogin, hängt für uns alles ab von dem Augenblick, an dem wir auf die Welt kommen, und dem Augenblick, an dem wir sie verlassen. Sie können niemals lang genug leben: Die Tugend und das Verdienst müssten das Privileg der Unsterblichkeit genießen. Die Christen haben einen Haufen von Heiligen in 6 Ein Nachdruck des „Catéchisme de l’honnête homme“ aus Berlin ist nicht bekannt. 7 Die Oberhofmeisterin seiner Bayreuther Schwester Wilhelmine (1709 – 1758) Dorothea Henriette Luise von Wittenhorst-Sonsfeld (1681 – 1746).

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den Himmel versetzt, die es nicht mit einem Tausendstel Unterschied zu Ihnen, meine liebe Herzogin, verdienen, dort einen Platz zu finden. Lassen Sie dennoch Ihren Platz so lange, wie es geht, vakant zum Wohle der Menschheit und Ihrer Freunde. Zählen Sie mich bitte zu ihnen und sogar zu den eifrigsten und aufrichtigsten. Diese Gefühle sind stärker in meine Seele eingraviert, als wenn es in Bronze oder Porphyr wäre. Weder Abwesenheit noch Zeit, sondern allein der Tod, der alles zerstört, können sie schwinden lassen. Ich verbleibe, meine liebe Herzogin, Ihrer Hoheit treuer Cousin, Freund und Diener Friedrich

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Brief 87 [119] Sire, die Güte Ihrer Majestät, von der ich wiederum schmeichelhafte Beweise in Ihrem wunderbaren Brief vom 14. dieses Monats erhalten habe, ermutigt mich, Ihnen erneut meine respektvolle Dankbarkeit zu bekunden. Ich bin lebhaft berührt von der Anteilnahme Ihrer Majestät am Gesundheitszustand des Herzogs und von allem, was Ihnen über dieses Thema, das mir so sehr am Herzen liegt, zu sagen beliebt. Ich gestehe, Sire, dass ich mit Bangen diesem Verlust entgegensehe, der für mich wie auch für meine ganze Familie ein nur allzu wirklicher Verlust wäre. Es sind allein die Unsicherheit der menschlichen Angelegenheiten und die Hoffnung, ein solches Unglück nicht zu überleben, die mich beruhigen können. Ich wende, so gut ich kann, den Blick von solchen Sachen, die für mich ebenso düster wie bedrückend sind. In diesem Jammertal halte ich es für den größten Vorteil für die arme Menschheit, in Unkenntnis der Zukunft zu leben, und ich schließe daraus, dass derjenige, der sie am wenigsten voraussieht, am glücklichsten ist. Ich bin entzückt zu erfahren, dass Ihre Majestät die Freiheit nicht missbilligt hat, die ich mir herausgenommen habe, Ihnen den Katechismus Voltaires zu schicken. Ich bin überzeugt, dass das Werk durch die Korrekturen, die Ihre Majestät daran anbringen will, unendlich gewinnen wird, aber ich bin nicht kühn genug, die Bitte zu wagen, mich mit einem Exemplar dieses erbaulichen Werkes zu beehren. Es ist gewiss, dass der ehrwürdige und dumm-orthodoxe Cyprianus, wenn er die Publikation dieser Produktion noch erlebt hätte, sie unfehlbar zum Verbrennen verdammt und den Bannfluch gegen all die ausgesprochen hätte, die die Kühnheit hätten, sie zu lesen.1 Er geriet leicht in Wut und sein frommer Eifer ließ ihn oft wahnsinnig aufbrausen. Ich werde niemals vergessen, wie sehr sich dieser würdige Doktor empörte, als ich hier ein Gerät nach dem kopernikanischen System konstruieren ließ. Ich hatte 1

Zu Cyprianus s. Brief 35, Anm. 4.

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die Leitung der Arbeit einem unserer Geistlichen übertragen. Cyprianus ließ den Mann holen, wusch ihm furchtbar den Kopf und drohte ihm mit dem Zorn des Himmels. Der arme Geistliche entschuldigte sich, so gut er konnte, und versuchte, den Doktor davon zu überzeugen, dass dieses System keineswegs im Widerspruch zu unserer Religion stehe. „Bestimmt“, entgegnete der gewissenhafte Cyprianus, „denn wo“, sagte er, „platzieren wir in Zukunft die beiden Kirchen, und wie unterscheiden wir die Ostkirche von der Westkirche? Das bedeutet also Unruhe und Verwirrung stiften.“ Ich bitte Ihre Majestät um Verzeihung für diese lächerliche Anekdote, die mir jedes Mal wieder einfällt, wenn ich den Namen Cyprianus höre. Ich wäre sehr geschmeichelt, Sire, Herrn d’Alembert kennen zu lernen. Ich kann die, welche Ihre Majestät mit Ihrer Wertschätzung beehrt, nur bewundern. Ich wäre sehr traurig, wenn Herr d’Alembert hier vorbeikäme, während wir in Altenburg sind, wohin wir uns wohl in der kommenden Woche begeben und wo wir einige Zeit bleiben werden.2 Wenn wir auch nicht mit so vielen Häusern in Deutschland den Vorzug teilen, Sire, Ihre Majestät zum Onkel zu haben, so können wir wenigstens sie alle und die ganze Welt miteinander darin herausfordern, Sie mehr zu respektieren, Sie mehr zu bewundern, und, wenn ich es so sagen darf, Ihnen liebevoller verbunden zu sein, als wir es in unserer Familie sind. Nein, Sire, es ist unmöglich, Sie mehr zu vergöttern, als wir es tun. Ihre Majestät möge die Güte haben, uns Ihren mächtigen, großzügigen Schutz weiterhin zu gewähren, der unser ein und alles ist. Es ist der Gegenstand all meiner Wünsche und ich bitte mit Bangen darum, dass er weitergeht angesichts der Gefühle, die mich bewegen und mein ganzes Leben lang bewegen werden, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin, Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 27. August 1763 2 Am 22. 9. 1763 schreibt Grimm an die Herzogin, dass d’Alembert aus genau diesem Grund seinen Besuch in Gotha abgesagt hat, vgl. Von der Osten, Luise Dorothee, S. 289.

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Brief 88 [120] Sanssouci, den 6. September 1763 Meine Frau Cousine, die Geschichte mit dem Heiligen Cyprianus, die Sie mir gütigst erzählt haben, meine liebe Herzogin, scheint mir der zu ähneln, die in Rom passiert ist, als eine Kongregation von Kardinälen die Lehre Galileis über die Antipoden verdammte. Man wollte in Rom, dass die Sonne sich dreht und stellte eine Menge falscher Überlegungen an, um das zu beweisen. Ein Engländer, der sich zufällig zu einer späteren Zeit auf einer Romreise befand, fing darüber mit einem Orthodoxen Streit an. Der Italiener, der in Harnisch geriet, sagte: „Die Sonne dreht sich zweifellos, wissen Sie denn nicht, dass Josua gesagt hat: „Halt an, Sonne!“1 „He“, gab der Engländer zurück, genau seit dieser Zeit steht sie still.“ Wenn alle Streitigkeiten, die der Fanatismus veranlasst, auf diese Art entschieden werden könnten, dann wären wir glücklich, meine liebe Herzogin. Ein Scherz taugt mehr als sämtliche Beleidigungen und Religionskriege, die ganz Europa in Blut getaucht haben. Der „Dialogue du Caloyer“ ist allerdings gedruckt;2 aufgrund irgendeiner Verwechslung hat der Drucker statt des korrigierten Exemplars dasselbe genommen, was Sie, Madame, mir freundlichst geschickt hatten, so dass es sich nicht lohnt, es Ihnen anzubieten. Hier spricht man nur über die Bankrotte in Amsterdam und Hamburg. Es ist lustig zu sehen, dass die großen Herrscher, die Krieg geführt und sich dabei ruiniert haben, nicht pleite sind, und die Kaufleute, die sich an so vielen Unternehmen bereichert haben, enorme Konkurse gemacht haben.3 In der Welt geschieht fast im1 Josua 10, 12. Freilich heißt es bei Josua weiter, dass Sonne und Mond nur so lange still standen, bis die Israeliten ihre Rache an den Amoritern vollendet hatten. 2 Gemeint ist Voltaires „Catéchisme de l’honnête homme“, vgl. Brief 86 mit Anm. 6. 3 Die 1763 nach dem Krieg Europa erfassende Wirtschafts- und Finanzkrise war nicht nur für Kaufleute und Handelshäuser nicht sehr lustig, sondern insbesondere für breite Schichten der Bevölkerung, vgl. Schieder, Friedrich der Große, S. 222.

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mer das Gegenteil von dem, was man vernünftigerweise annehmen sollte. Diese Welt besitzt keinen gesunden Menschenverstand; alles geht verkehrt herum. Ich wäre sehr in Verlegenheit, wenn ich sagen sollte, warum es sie gibt, und noch mehr, warum es uns gibt. Warum geboren werden? Warum diese törichte Jugend? Warum so viel Sorge um die Erziehung der Jugend, um diese Vernunft zu entwickeln, die nie vernünftig wird? Warum dauernd essen, trinken, schlafen, einander verleumden, Unsinn machen, niederwerfen, erhöhen, anhäufen, verschwenden? Kurz, all diese Sorgen, die uns während unseres Lebens plagen, sind ganz kindisch, wenn man bedenkt, dass der Tod kommt und mit dem Schwamm die gesamte Vergangenheit wegwischt. Ich bitte Sie tausend Mal um Entschuldigung für diese Überlegungen, die meiner Feder ohne mein Zutun entsprungen sind. Das Thema ist traurig und niederschmetternd. Wenn alle Welt Gutes täte wie Sie, meine göttliche Herzogin, wüsste man, wozu die Menschen und besonders die großen Herrschaften gut sind. Wenn man Menschen dieser Art lobpreist, ist es erlaubt, sich über die anderen ein wenig unzufrieden zu äußern. Es ist gewiss, dass Ihr wunderbarer Charakter einen nicht nachsichtig macht gegenüber denen, die man mit diesem Modell vergleicht. Ich würde dieses Kapitel niemals abschließen, wenn ich nicht fürchtete, Ihre ausgeprägte Bescheidenheit zu verletzen. Ich schließe also wie die Epistel von Boileau: Ich bewundere dich und schweige.4 Ich versichere Ihnen, dass ich Ihnen mit Herz und Seele mein ganzes Leben lang ergeben bin und verbleibe, meine Frau Cousine, Ihrer Hoheit treuer Cousin, Freund und Diener Friedrich

4 Friedrich zitiert – natürlich aus dem Gedächtnis – Boileaus 8. Epistel, v. 108 nicht ganz genau: Dort heißt es „j’admire, et je me tais“ (ich bewundere und ich schweige).

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Brief 89 [121] Sire, das gnädige Wohlwollen, mit dem Ihre Majestät gütigst unser Haus seit langem überhäuft, lässt mich hoffen, dass Sie uns dessen positive Wirkungen anlässlich der Wahl eines Römischen Königs spüren lassen. Ihre Majestät weiß viel besser, als ich es zu sagen vermag, wie stark diese Angelegenheit die Rechte der Fürsten betrifft, weil Sie es sind, der sie vor zehn Jahren in demselben Fall so tatkräftig gestärkt und geschützt hat. Wir hoffen, Sire, dass Sie sie wiederum freundlichst unterstützen werden. Um Ihre Majestät ergebenst darum anzuflehen, wage ich es, diese Zeilen an Sie zu richten. Es besteht überhaupt nicht die Absicht, dass die Fürsten die Wahl als solche erschweren oder sich der Person des Erzherzogs entgegenstellen wollten; es ist lediglich ihr Wunsch, einen Schaden zu vermeiden und in diesem Fall hier die Reste ihrer alten Privilegien vor dem Untergang zu bewahren.1 Ihre Majestät vermag, wenn es Ihnen beliebt, leicht die Wege dazu zu finden, wenn Sie sie weiterhin mit Ihrem großzügigen Beistand und Ihrer mächtigen Unterstützung beehren. Sie legen ihre Interessen vertrauensvoll in die Hände Ihrer Majestät und erwarten von Ihnen ihren Trost und Heil. Dieselben Wohltaten, Sire, die mich, was mich selbst angeht, mit Dankbarkeit erfüllen, machen mir Mut, Sire, um Sie in einer Angelegenheit anzusprechen, die gerade hier passiert ist. Ihrer Majestät kann sie nur völlig gleichgültig sein; mir aber ist es aus verschiedenen Überlegungen heraus wichtig, sie Ihnen mitzuteilen. Unser Minister von Keller hat soeben seinen Abschied eingereicht und auch erhalten, in einem kritischen Moment und aus einem Motiv, das ihm nicht gerade zur Ehre gereicht.2 In diesen unglücklichen Zeiten der staatlichen Notsituationen konnte der Herzog nicht 1 Erzherzog Joseph (1741 – 1790) wird am 3. 4. 1764 zum Römischen König gewählt, am 18. 8. 1765 wird er als Nachfolger Franz I. Kaiser. In seiner – hier nicht abgedruckten – Antwort vom 11. 12. 1763 wird Friedrich darauf verweisen, dass seine Zustimmung zu dieser Wahl im Hubertusburger Frieden vereinbart war. 2 Zu Keller s. Brief 40, Anm. 1.

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umhin, Schulden auf seine Kassen aufzunehmen; dass das notwendig war, ist bekannt. Herr von Keller hat keine Schulden gemacht, im Gegenteil, er fand sich in der Lage, Geld anzulegen. Er war sogar bis zu seinem Abschied Direktor einer dieser Kassen. All dieses Geld wurde in wertloser Münze geliehen. Nach Friedensschluss hatte der Herzog nichts Eiligeres zu tun, als Ordnung wiederherzustellen und seinen Staat von der Last seiner Schulden zu befreien, und das in der seine Untertanen am wenigsten bedrückenden Form. Als der natürlichste Weg, dieses Ziel zu erreichen, erschien es dem Herzog, entsprechend dem wahren Wert des Geldes zu zahlen. Dennoch wollte der Herzog nicht als erster ein Edikt zu diesem Zweck erlassen. Er wartete ab und wollte sehen, was andere Fürsten in ähnlichen Fällen tun würden. Ihre Majestät hat uns in Ihrer Weisheit denselben Weg gewiesen, Sachsen und mehrere weitere Fürsten sind diesem Beispiel bald gefolgt, der Bischof von Hildesheim, der gewiss nicht mächtiger ist als wir, desgleichen.3 Trotzdem wollte Herr von Keller absolut nicht, dass der Herzog ein Edikt in diesem Sinne veröffentlichen ließ. Er diskutierte, er erörterte auf seine Art und Weise, er behauptete steif und fest, dass eine solche Festsetzung gewissenlos sei und die Glaubwürdigkeit des Staates verletze. Das ist in abgekürzter Form das Motiv für die Entlassung des Ministers. Ich gestehe, dass es eine Schmach für die Eigenliebe ist, nachdem man an einen solchen Minister derart viel an Wohltaten und Vertrauen verschenkt hat, der Hellsicht Ihrer Majestät zuzustimmen, dass wir nur allzu lange uns haben täuschen lassen. Was uns zu seinen Gunsten angezogen hat, sind seine Begabungen, seine Umtriebigkeit, sein Ideenreichtum, die Geschicklichkeit in der Amtsführung. Nur die Erfahrung lehrt, die Geistesart zu ergründen, den Gebrauch, den man von den Begabungen macht, und das Herz einschätzen zu können. Leider ist das Herz des Mannes ebenso niedrig wie seine Herkunft und besitzt ebenso viele verborgene Falten, wie seine Fantasie Tricks kennt. Im Übrigen ist sein Verstand eher hochfliegend als gradlinig und seine ganze Art zu argumentieren ist arglistig und 3 Die während des Krieges auch und gerade in Preußen praktizierte Münzverschlechterung hatte den Besitzern dieses ‚schlechten Geldes‘ nach Kriegsende durch Zwangsumtausch nach seinem wirklichen Wert erhebliche Verluste eingetragen. (Cot.)

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sophistisch. Sein gesamtes Verhalten ist gekünstelt, geheimnistuerisch und treulos. Er will nie etwas, weil es gut ist, sondern weil es seinen Absichten genehm ist. Er verfügt über viel mehr Starrsinn als wirkliche Standfestigkeit. Aus allem, was seinem Interesse entspricht, macht er eine Gewissenssache oder eine politische Grundsatzfrage. Ich bitte Ihre Majestät ergebenst um Verzeihung für diesen langen Einschub, aber ich habe es für notwendig gehalten, Sie über diesen Mann in Kenntnis zu setzen, damit er uns in Ihrer Haltung nicht schaden und Ihr Wohlwollen zu uns nicht beeinträchtigen kann. Es widerstrebt mir so, jemanden schlecht zu machen, dass er eines so wichtigen Motivs wie des genannten bedurfte, um mich zu einem meiner Art zu denken und zu empfinden so fremden Vorgehen zu veranlassen. Wir feiern heute den Jahrestag jenes glücklichen Tages des vergangenen Jahres, den mein Herz nie vergessen wird. Nehmen Sie, Sire, mit Ihrer gewohnten Güte den Ausdruck meines Respekts und meiner Bewunderung entgegen, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 3. Dezember 1763

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Brief 90 [123] Sire, ich beeile mich, Ihrer Majestät den hier beigefügten Brief des guten Grimm zu Füßen zu legen, den er mir an meine Adresse über Herrn von Zuckmantel, den Gesandten Frankreichs am sächsischen Hof, hat aushändigen lassen.1 Seine Reise hat ihn geradewegs zu uns geführt; er hat bei uns einen kurzen Auftritt gehabt. Da die Straßen zu dieser Jahreszeit überall sehr schlecht sind, war der Gesandte genötigt, häufig anzuhalten und hat nur ganz kleine Tagesstrecken zurückgelegt. Ich denke, Sire, dass ich diese Umstände erwähnen muss, damit sich Ihre Majestät nicht darüber wundert, einen so alten Brief Grimms vorzufinden. Der, den er mir geschrieben hat, datiert vom 15. Dezember und ist mir erst vorgestern Abend übergeben worden. Ich wage es zu gestehen, Sire, ich bin jedes Mal entzückt, wenn ich einen Vorwand finde, Ihrer Majestät erneut meine respektvolle Aufwartung zu machen. Ich zittere jedes Mal vor Angst, wenn ich daran denke, dass ich aus der gnädigen Erinnerung Ihrer Majestät geschwunden sein könnte. Der Gedanke daran ist so niederschmetternd, dass ich mich eiligst davon abwende, weil ich nicht mag, was mich bedrückt. Alles, was uns aus Berlin erreicht, lässt uns in Freude ausbrechen. Wir hatten gerade das Vergnügen, drei Herren des Hofes Ihrer Majestät bei uns zu haben, die das Gefolge Ihres Botschafters in Frankfurt vermehren und zieren sollen. Ihre Majestät will uns also einen Römischen König schenken.2 Möge er sich als Ihrer Stimme würdig erweisen. Die Herren aus Berlin versichern mir, dass Ihre Majestät vor einer Reise in Ihre Provinzen steht. Ich beeile mich also, damit meine Sendung Sie noch vor Ihrer Abreise erreicht, denn es wäre zumindest möglich, dass Grimms Brief etwas Interessantes enthält. Ich vermute es, Sire, weil mein Korrespondent seine Depesche nicht der Post anvertrauen wollte.3 Zu Zuckmantel s. Brief 91, Anm. 1. S. Brief 89, Anm. 1. 3 Möglicherweise ist Grimm mit einem Vermittlungsversuch zur Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Frankreich und Preußen betraut, vgl. Von der Osten, Luise Dorothee, S. 286 f. 1 2

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Nehmen Sie, Sire, bitte mit jener Güte, die den Reiz meines Lebens ausmacht, die Versicherung meiner Bewunderung, meiner Dankbarkeit und der respektvollen, unverbrüchlichen Verbundenheit entgegen, mit der ich auf ewig die Ehre habe zu verbleiben, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 29. Februar 1764

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Brief 91 [124] Den 9. März 1764 Meine liebe Frau Cousine, obwohl ich es von Herr Grimm sehr ungehörig finde, Sie, meine liebe Herzogin mit seinen Briefen zu beauftragen, bin ich diesmal ganz froh darüber, weil das mir einen von Ihnen einbringt. Dieser Baron von Zuckmantel ist das, was man einen Glücksritter nennt. Das war er in Paris. Danach war er in Mannheim, wo er eine einzigartige Anerkennung fand. Er hat in diesem Krieg gedient und gehörte zur Garnison von Kassel, die Ende 1762 die Stadt den Alliierten ausgeliefert hat. Wenn er hohe Summen von Frankreich nach Dresden mitbringt, wird ihm das einen guten Empfang bereiten. Aber ansonsten zweifele ich, dass er dieselbe Gunst genießt, mit der er in Mannheim überhäuft worden ist.1 Doch, Madame, ich komme irgendwie vom rechten Weg ab: Anstatt Ihnen zu schreiben, schreibe ich den Lebenslauf von Herrn Zuckmantel, der mir im übrigen völlig gleichgültig ist. Ich war nur allzu glücklich, Madame, Leute zu finden, die Sie geformt haben. Ich würde Sie allen anderen vorziehen; sie bewahren die Prägung, die Sie ihnen gegeben haben, und sie tragen den Stempel der Wachsamkeit und Treue. Sie zu vergessen, Madame, ist nicht so leicht, wie Sie denken. Ich rufe Herrn von Edelsheim und meine ganze Umgebung zu Zeugen, dass Ihr respektvoller Name bei all unseren Gesprächen den Vorsitz führt.2 Und wie könnte es auch anders sein? Wenn man eine Fürstin anführen will, die Deutschland Ehre macht, dann nennt man die Herzogin von Gotha; wenn man mit mir über die Heirat meines Neffen mit einer Prinzessin von England spricht, dann sage ich, dass es die Nichte meiner lieben Herzogin ist;3 wenn man von meinen Freunden spricht, dann 1 François-Antoine-Pacifique Zuckmantel (1715 – 1779), der 1753 – 1759 französischer Bevollmächtigter in der Kurpfalz und 1763 – 1770 in Sachsen ist, vgl. Externbrink, Friedrich der Große, S. 385. 2 Zu Edelsheim s. Brief 21, Anm. 3. 3 Die Hochzeit von Karl Wilhelm Ferdinand (1735 – 1806), von 1780 an Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel, des Sohns von Friedrichs Schwester Charlotte, mit Augusta von Hannover, Prinzessin von England, fand

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führe ich die Herzogin von Gotha an. Soll es um den am besten geordneten Hof Deutschlands gehen, dann nennt man den Ihren. Wenn die Rede ist von Damen, die über die besten Kenntnisse verfügen, gepaart mit großer Bescheidenheit, wen wird man nennen? Ich überlasse Ihnen, es zu erraten. Kurz, Madame, ich würde darüber noch mehr sagen, wenn ich an jemand Anderen als an Sie schriebe. Verzeihen Sie, wenn ich zu viel darüber gesagt habe. Die gute Frau Neuenstein wird Ihre Verzeihung erwirken, denn sie weiß, wenn man über die Herzogin spricht, dann kann man nicht damit aufhören, und wem das Herz voll ist, dem quillt der Mund über.4 Bis jetzt hat Europa den Teufel im Leib gehabt, und man hat sich vom Sonnenuntergang bis zur Morgenröte abgeschlachtet. Gegenwärtig hat eine andere Verrücktheit die Nachfolge angetreten: Krönungen weit und breit. Ich meinerseits habe, nachdem ich der Märtyrerkrone entronnen bin, eine derart große Abneigung gegen alles gefasst, was Krone heißt, angefangen von der aus Dornen bis hin zu der dreifachen Tiara des Oberbetrügers,5 dass ich es sogar mehr als leid bin, davon reden zu hören. Ja, Madame, ich reise nach Schlesien, um den verletzten Provinzen Pflaster aufzulegen und, wenn ich kann, die tiefen Wunden, die uns der Krieg zugefügt hat, zu heilen. Doch wo immer ich auch bin, mein Herz wird Ihnen als Tabernakel dienen, und ich werde überall hin die Erinnerung an meine liebe Herzogin mitnehmen und das Bedauern darüber, Ihre Gegenwart nicht so oft wie in der Vergangenheit genießen zu können. Nehmen Sie mit Ihrer gewohnten Nachsicht die Versicherung meiner vollkommenen Wertschätzung und Ergebenheit entgegen, mit der ich verbleibe, meine liebe Herzogin, Ihr treuer Cousin und Diener Friedrich im Januar in London statt, vgl. Feuerstein-Praßer, Friedrich der Große, S. 156 f. 4 Mädchenname der Vertrauten der Herzogin, Frau von Buchwald, zu ihr s. Brief 72, Anm. 4. 5 Des Papstes.

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Brief 92 [126] Berlin, den 7. April 1764 Meine Frau Cousine, ich habe, meine liebe Herzogin, Ihren Brief bei meiner Rückkehr aus Schlesien erhalten und, als ich Ihn las, die Freude empfunden, die mir alles, was von Ihnen kommt, bereitet. Sie schicken mir zugleich einen Brief, zu dem Sie mich nach meiner Meinung fragen. Ich bin einigermaßen in Verlegenheit, was ich Ihnen dazu sagen soll. Wenn Sie schon eine Wahl getroffen haben, Madame, so ist mir geboten zu schweigen. Wenn nicht, dann sehe ich, was für und was gegen die Heirat spricht, um die es geht. Dafür spricht das Interesse, die Prinzessin, Ihre Tochter, gut zu verheiraten, sie aber weit entfernt von Ihnen mit einem Mann zu verheiraten, den Sie überhaupt nicht kennen und wo Sie sie nie wiedersehen würden.1 Dagegen spricht, eine Prinzessin die Religion wechseln zu lassen, die eine Enkelin Ernst des Frommen ist und einem Haus entstammt,2 das die Protestanten immer als eine Säule ihrer Partei angesehen haben, nicht eingerechnet eine gewisse Verachtung, der sich diejenigen aussetzen, die derart handeln. Heinrich IV. hat gesagt, Paris sei eine Messe wert. Ich glaube nicht, dass der Rang einer Herzogin von Orléans so viel wert ist. Das, Madame, ist alles, was es dazu zu sagen gibt. Es ist an Ihnen, die Wahl zu treffen, die Sie für die passendste halten. Ich hoffe, dass es eine glückliche ist, und welche Entscheidung auch immer Sie fällen, sie zu Ihrem Vorteil ausgeht. Das ist das erste Mal, dass ich in Gewissensfragen konsultiert worden bin. Ich werde mir darauf etwas einbilden und hoffe, mit der Zeit als großer Theologe zu gelten, aber ich habe noch eine unendliche Strecke zu durchqueren, bevor ich dahin komme. Da haben wir nun einen Kaiser, den die evangelischen und katholischen Kreise gerade in Frankfurt gewählt haben. Man hat den 1 Zu diesem – nicht zustande gekommenen – Projekt einer Verheiratung ihrer Tochter Friederike Luise (1741 – 1776) mit Louis-Philippe de Bourbon (1725 – 1785) s. Cot. 2 Zu Herzog Ernst I., dem Frommen (1601 – 1675), vgl. Ignasiak (Hrsg.), Herrscher.

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neuen Römischen König eine Kapitulation schwören lassen,3 die er bei der nächsten Gelegenheit brechen wird, und dann wird es Geschrei geben; man wird von der Goldenen Bulle sprechen, und der Wiener Hof wird sich darüber lustig machen.4 All das ist jämmerlich und versetzt mich manchmal in Zorn auf das germanische Phlegma. Doch ich verliere mich wieder in ungereimten Geschichten, meine liebe Herzogin, anstatt Ihnen das zu sagen, was mich am meisten bewegt, und zwar Ihnen die Wertschätzung und die Hochachtung zu versichern, mit der ich verbleibe, meine Frau Cousine, Ihr treuer Cousin und Diener Friedrich

3 Die sogenannte Wahlkapitulation, die jeder Kaiser seit Karl V. im Jahr 1519 vor seiner Wahl unterschreiben musste, in der sich der jeweilige Kaiser zu Zugeständnissen gegenüber den Reichsfürsten im Sinne einer Stärkung des nationalen Charakters des Reiches verpflichtete. 4 In der Goldenen Bulle war seit 1356 die Königswahl geregelt.

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Brief 93 [127] Sire, welch unendlichen Dank muss ich nicht Ihrer Majestät für die neuerlichen Beweise der Güte abstatten, mit denen Sie mich huldvoll in Ihrem letzten Brief überglücklich machen! Sie strafen nicht nur die kühne Freiheit, die ich mir herausgenommen habe, Sie in einer für Ihre Majestät so unwichtigen Angelegenheit zu konsultieren, nicht mit Verachtung, sondern sind willens, ihr Ihre ganze Aufmerksamkeit zu widmen, jeden Umstand zu prüfen und das Für und Wider abzuwägen mit jenem Scharfsinn, jener Gerechtigkeit, jenem seelischen Zartgefühl, das Ihnen von Natur aus gegeben ist. Und Sie haben die Güte, all diesen Erwägungen auch noch die rührende Anteilnahme der Freundschaft hinzuzufügen. Warum vermag ich nicht, Sire, das ganze Ausmaß meiner Dankbarkeit, die ganze Lebhaftigkeit meines Empfindens in dieser Angelegenheit auszudrücken? Das Einzige, was mich bei dieser Sache bedrückt, ist, dass Ihre Majestät denken oder auch nur annehmen könnte, ich hätte eine Wahl treffen können, bevor ich Ihre gnädige Entscheidung erhalten hätte. Nein, wirklich, ich habe meinem Korrespondenten nicht ein einziges Lebenszeichen gegeben. Aber jetzt, da ich weiß, wie Ihre Majestät die Angelegenheit sieht, will ich sofort darauf in einer Weise antworten, dass davon keine Rede mehr sein wird. Zum großen Glück darf ich Ihrer Majestät bekennen, dass ich in dieser Sache genauso denke wie Sie. Um mich jedoch davon zu überzeugen, ob ich eine mir so wichtige wie nahegehende Situation richtig beurteilen würde, hatte ich die Kühnheit, Sire, mich an Sie um Aufklärung zu wenden. Und ich bin ebenso entzückt wie geschmeichelt, zu sehen und zu fühlen, dass ich nicht von der Wahrheit abgewichen bin, dass ich richtig gesehen habe und dass Ihre Majestät mir meinen Freimut verzeihen will. Wenn die Wahrheit an der Sorbonne oder in Oxford residieren würde, wäre ich nicht überrascht, Sire, wenn man dort um die Ehre wetteifern würde, Ihnen den ehrwürdigen Titel eines Doktors zu verleihen. Wenn, wie ich nicht zweifele, Gewissen und Ehre bedeutungsgleiche Begriffe sind, wer könnte besser als Ihre Majestät Gewissensfälle entscheiden? Nun brauchen wir nicht zu befürchten, dass es uns so bald an einem Oberhaupt des Kaiserreiches mangeln wird. Gottseidank

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haben wir einen Kaiser und einen Römischen König: Wie glücklich sind wir doch! Besonders wir Reichsfürsten, die wir wie Pilze aus dem Boden schießen und von Tag zu Tag an Wert verlieren. Dennoch kommt es mir so vor, als ob die Kapitulation ein wenig zu vorschnell war. Vielleicht rede ich davon als Ahnungslose; ich bitte Ihre Majestät deswegen ergebenst um Verzeihung. Ihre Güte, Sire, flößt mir allzu viel Selbstvertrauen ein. Nehmen Sie mit Ihrer großherzigen Unterstützung die aufrichtige Versicherung meines Respekts, meiner Bewunderung und meiner unverbrüchlichen Verbundenheit entgegen, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin, Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 14. April 1764

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Brief 94 [128] Den 26. April 1764 Meine Frau Cousine, ich habe, meine liebe Herzogin, die Wahl fast erwartet, die Sie hinsichtlich der Partie getroffen haben, die man Ihnen für die Prinzessin, Ihre Tochter, vorgeschlagen hatte. Ich habe sofort verstanden, dass Sie mit einem Aufsehen erregenden Ereignis, wie es ein Religionswechsel gewesen wäre, die Verhaltenslinie Ihrer ganzen Familie verlassen hätten, indem Sie der Person, die zu diesem gefährlichen Sprung gezwungen gewesen wäre, einen Schandfleck anhängen. Rein philosophisch betrachtet sind die Religionen mehr oder weniger ziemlich gleich. Dennoch ist meines Erachtens diejenige, deren Kult am wenigsten mit Aberglauben belastet ist, den anderen vorzuziehen, und das ist zweifellos die protestantische, die außer diesem Vorzug noch den hat, nicht verfolgungssüchtig zu sein. Das sind die beiden Punkte, weswegen ich mich, Madame, beständig für die Religion unserer Väter ausspreche. Ich gebe zu, wenn ich zur Zeit von Martin Luther gelebt hätte, hätte ich es stark favorisiert, dass er bis zum Sozinianismus vorgedrungen wäre, die eigentlich nur die Religion eines einzigen Gottes ist.1 Aber dieser Mönch und seine Glaubensbrüder haben nur die Hälfte des Schleiers zerrissen und damit auf einem so schönen Weg Halt gemacht und noch eine Menge an Dunkelheit zur Aufklärung übrig gelassen Doch die Wahrheit scheint wenig für den Menschen gemacht: Der Irrtum ist das, was ihm zufällt. Vorausgesetzt, man verfeindet sich nicht, indem man sich im Labyrinth der Metaphysik verirrt, man ist menschlich, sanftmütig und mitleidig und ereifert sich nicht in theologischem Hass gegen jene, die anders denken als wir, kann man den Rest durchgehen lassen und die verschiedenen Ansichten des Menschengeschlechts ertragen, wie man die Unterschiedlichkeit ihres Aussehens, ihrer Kleidung, ihrer Gebräuche duldet, die lang andauernde Gewohnheit zu nationalen Eigenheiten gemacht hat. 1 Der Sozinianismus, benannt nach Lelio (1525 – 1562) und Fausto Sozzini (1539 – 1604), ist eine gegen die katholische Orthodoxie gerichtete Lehre, die sich gegen die Dreieinigkeit wendet.

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All das, was ich Ihnen zu schreiben die Ehre habe, Madame, würde dem Konsistorium des Herrn Cyprianus nicht orthodox erscheinen.2 Ich kann es nicht ändern: Ich will lieber orthodox sein gegenüber der allgemeingültigen Vernunft, die dem Menschen gegeben ist, um ihn zu leiten, als gegenüber einer Versammlung von Doktoren, die mit Esra, Matthäus, Johannes, Paulus und einem Haufen von Aposteln des Aberglaubens argumentiert, welche die Welt verblendet und verdammt haben. Was Ihre Kaiserlichen und Römischen Majestäten angeht, so garantiere ich Ihnen, Madame, dass sie bis zum Hals im Misthaufen des Aberglaubens stecken. So ist dieses neue Haus Österreich, das auf dem Kaiserthron neue Wurzeln fasst und eines Tages seine Anhänger bereuen lassen wird, dass sie es so hoch erhoben haben. Aber politische Irrtümer sind oft ebenso schwer zu heilen wie die Irrtümer der Theologie. Was mich angeht, der ich alt werde, ich sehe all diese Ereignisse mit einiger Gelassenheit: Ich werde nicht Zeuge der sich daraus ergebenden Folgen sein; und meine Augen werden im Sterben den Trost haben, mein Vaterland frei zu sehen. Ich entschuldige mich tausendmal, meine liebe Herzogin, für das ganze Geschwätz, dass Sie von mir erhalten. Ich habe das Pech, auf Abwege zu geraten, wenn ich Ihnen schreibe. Ich schätze mich sehr glücklich, mich mit Ihnen zu unterhalten, und ich überschreite die Grenzen des Maßhaltens. Wenn Sie diesen Brief erhalten, werden Sie sagen: „Was für ein gnadenloser Vernünftler! Oh, ich werde mich hüten, ihm zu schreiben, um mir nicht diese Episteln zuzuziehen, die mich anöden und kein Ende nehmen!“ Und das wäre wohlverdient, wenn ich mir nicht Verzeihung von Ihrer ausgeprägten Nachsicht erhoffte, auf die ich meinen Anspruch nur mit den Gefühlen der hohen Wertschätzung und Hochachtung begründe, mit denen ich verbleibe, meine liebe Herzogin, Ihrer Hoheit treuer Cousin und Diener Friedrich

2

Zu Cyprianus s. Brief 35, Anm. 4.

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Brief 95 [129] Sire, diesmal bin ich entzückt, mir sagen zu dürfen, dass Ihre Majestät selbst mir die Erlaubnis erteilt, Ihnen wiederum meine respektvolle Ehrerbietung darzubringen. Ja, Sire, die letzten Zeilen des liebenswürdigen Briefes Ihrer Majestät sind mir sehr liebe Befehle, um es zu wagen, Ihnen erneut zu schreiben und Ihnen zu bekennen, dass ich ein reizendes Vergnügen darin finde, Ihre göttlichen Buchstaben zu lesen, die ich als Ausdruck der Schönheit und Größe Ihrer hochherzigen Seele betrachte. Ich müsste ja wirklich als Blinde geboren sein, wenn ich gegenüber der Güte Ihrer Majestät und dem anziehenden Charme Ihres Esprit unempfindlich bleiben könnte. Sie belehren einen, Sire, Sie erheben einen, Sie reißen einen mit. Jeder Brief von Ihnen flößt mir Vertrauen ein und erfüllt mich mit Bewunderung und Dankbarkeit. Ich könnte also in dieser Situation auch auf die Gefahr hin, lästig zu fallen, nicht schweigen. Nichts ist wahrer und richtiger als die Überlegungen Ihrer Majestät zur protestantischen Religion und zum Vorzug, den Sie ihr vor dem Katholizismus geben. Ich stimme all dem zu, was Sie mir in dieser Hinsicht zu schreiben geruhen, selbst auf die Gefahr hin, mir den Zorn der Herren Orthodoxen zuzuziehen, vorausgesetzt dass Ihre Majestät mir meinerseits Gerechtigkeit widerfahren lässt und davon überzeugt ist, dass ich nicht einen Moment lang geschwankt habe, welche Partie es für meine Tochter zu machen gelte, und Sie bitte glauben, dass der Rat, um den ich Sie in dieser Angelegenheit zu bitten wagte, bestimmt nicht auf meiner Unentschlossenheit beruhte, sondern einzig und allein auf dem vollkommenen Vertrauen, das ich in die Einsichten Ihrer Majestät und Ihre Freundschaft setze. Es wäre zweifellos sehr vorteilhaft für die protestantische Partei und die Religion als solche gewesen, wenn Ihre Majestät zur Zeit der Reformation gelebt hätte. Aber ich gestehe, dem Himmel dafür dankbar zu sein, darüber anders verfügt zu haben. Sie sind, Sire, die Zierde und das Glück unserer Zeit, wie Sie der Ruhm und die Wonne der Menschheit sind. Möge die gute und weise Vorsehung über Ihr Leben wachen und es bis zum Alter Nestors bewahren.

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Ich flehe sie inständig und unaufhörlich darum an, zu meiner eigenen Genugtuung und aus Liebe zur deutschen Freiheit.1 Diese wacklige Freiheit, Sire, braucht Ihren Mut und Ihre Unterstützung sehr. Sie können und müssen sie stützen. Wir hatten gemeinsam mit anderen Landesfürsten vereinbart, keine Gesandten nach Frankfurt zu schicken, um den neuen König zu beglückwünschen. Alle haben uns im Stich gelassen, und nun sehen wir uns gezwungen, jemanden nach Wien zu schicken. Frau von Pompadour hat es auch endlich hinter sich. Warum ist sie nicht vor zehn Jahren gestorben?2 Da hätte ihr Tod viel sinnlos vergossenes Menschenblut erspart. Ich bin es, die Grund hat, Ihre Majestät ergebenst um Verzeihung dafür zu bitten, Sie zu langweilen, aber das Vergnügen, mich mit Ihnen zu unterhalten, reißt mich hin. Ihre Unterstützung und Ihre Güte, Sire, sind meine ganze Entschuldigung und mein ganzer Trost, ich appelliere daran angesichts meiner respektvollen und unverbrüchlichen Verbundenheit, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 9. Mai 1764

Zur deutschen Freiheit s. Brief 50 mit Anm. 2. Jeanne-Antoinette Poisson, marquise de Pompadour (1721 – 1764), die berühmte Mätresse Ludwigs XV. plädierte für unbedingte Unterstützung Österreichs im Siebenjährigen Krieg; sie starb etwa drei Wochen vor Abfassung dieses Briefes. 1 2

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Brief 96 [130] 18. Mai 1764 Meine Frau Cousine, ich bin sehr glücklich, meine Beichte gegenüber einer so nachsichtigen Theologin abgelegt zu haben, wie Sie es sind, meine liebe Herzogin. Der verschiedene Cyprianus gestrengen Angedenkens hätte mich dem Kirchenbann überantwortet und vielleicht jeden Kontakt zu mir abgebrochen, als einem Gottlosen, der seinen Großdoktor der Reform, den Herrn Luther, dafür kritisiert hat, sein Vorhaben nicht noch entschlossener vorangetrieben zu haben.1 Je länger wir auf dieser Welt leben, desto mehr wird uns bewusst, dass die Wahrheit wenig dazu taugt, unter den Menschen Allgemeinbesitz zu werden. Die Schleier der Natur, die engen Grenzen unseres Geistes, die Liebe zum Wunderbaren, woran jeder Mensch seinen kleinen Anteil hat, das Interesse und der Betrug, die sich der absurdesten Irrtümer bedienen, um durch sie Ansehen zu erlangen – all dies warnt uns schließlich davor, dass wir im Reich der Illusionen leben und dass es uns außer einigen geometrisch bewiesenen Wahrheiten nicht gegeben ist, zur Wahrheit vorzudringen. Es scheint im Ganzen gesehen, dass wir eher in diese Welt gesetzt wurden, um uns daran zu erfreuen, als um sie zu verstehen; und wenn unsere Neugier unsere Vernunft derart übermütig macht, um sie in die Schattenwelt der Metaphysik zu treiben, verirren wir uns in diesen dunklen Zonen mangels Stock, um uns zu stützen, und mangels Fackel, um uns zu leuchten. All diese Überlegungen, Madame, sind recht demütigend für die Eigenliebe. Freilich wäre man nicht sehr weit, wenn man es dabei beließe, und wenn sie in uns keine Gefühle der Toleranz für jene anderen Blinden weckten, die auf anderen Wegen umherirren, als denen, auf welche der Zufall uns geführt hat. Wer die Wahrheit in gutem Glauben sucht, wird seine Brüder unterstützen. Nur der Stolz des Parteigeistes und das persönliche Interesse unter dem Deckmantel der Sache Gottes bewaffnen die Verfolger mit dem 1

Zu Cyprianus vgl. Brief 35, Anm. 4.

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vom Altar genommenen Schwert. Das ist der Grund, weshalb ich diesem flammenden Eifer der Frömmler misstraue, und ich hätte Lust, ihnen zu sagen: Du wirst wütend, du beleidigst deinen Nächsten, also hast du Unrecht! Aber, Madame, wir werden sie nicht bessern. Diese Menschen bleiben, wie sie gewesen sind. Der Wiener Hof wird immer machthungrig sein, die Inquisition stets auf der Jagd, Seine Allerchristlichste Majestät2 weiterhin ein Lustmolch,3 die deutschen Bischöfe auf ewig Trunkenbolde und ich allzeit Ihr eifrigster Anbeter. Wenn auch die anderen ihre Passionen ändern, so wird doch die meine immer sein, meine liebe Herzogin, Ihnen bei jeder Gelegenheit die Gefühle der Wertschätzung, Bewunderung und höchsten Achtung zu bezeugen, mit denen ich verbleibe, Meine Frau Cousine, Ihrer Hoheit treuer Cousin und Diener Friedrich

2 3

XV.

Titel des Königs von Frankreich. Anspielung auf die Mätressenwirtschaft Ludwigs XIV. und Ludwigs

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Brief 97 [131] Sire, jeder Brief Ihrer Majestät ist von unschätzbarem Wert für mich. Je häufiger Sie zu schreiben geruhen, desto mehr steigert sich die Inbrunst meiner Bewunderung und meiner Dankbarkeit. Diese anbetungswürdigen Briefe machen meinen Reichtum aus und Ihre Güte, Sire, mein Glück. Könnte ich mich solcher Gunst doch würdig erweisen! Könnte ich ihr Fortbestehen doch verdienen! Ich bezweifle nicht, dass der orthodoxe Cyprianus die Dreistigkeit gehabt haben könnte, den Kirchenbann selbst gegen Ihre Majestät zu verhängen, denn er war ein geschworener Feind all dessen, was sich Vernunft und Intelligenz nennt, und er verfolgte all jene, die nicht seiner Meinung waren – Gott sei Dank ist seine Herrschaft vergangen, ebenso wie sein Wahn. Ich meine: hier vergangen.1 Was mich betrifft, so gebe ich offen zu, dass ich alle Zeit die Toleranz geschätzt habe. Ich habe die Tugend respektiert und geliebt, versucht, die Wahrheit zu erkennen, ich habe geseufzt und gestöhnt, wenn ich sie nicht ergründen konnte; aber nach ein wenig Erfahrung und Überlegung habe ich die Zwecklosigkeit meiner Mühen, gewisse Wahrheiten erlangen zu können, eingesehen. Ich habe mich mit denen abgefunden, die uns die Moral anbietet, und mich an Wahrscheinlichkeiten erbaut. Was die Machtgier eines gewissen Hofes2 anbetrifft, so werde ich mich nie damit abfinden können, weil wir alle darunter leiden und weil ich fest davon überzeugt bin, Sire, dass man ihr einen Hemmschuh anlegen könnte und diesen auch wirkungsvoll gestalten sollte. Ich vergäbe weit bereitwilliger den Bischöfen ihre Trunksucht, den Großen ihre Schwäche und allen ihre Fehler, als geduldig das Joch der Tyrannei und des Despotismus zu ertragen. Ich spräche nicht mit soviel Freimut zu Ihrer Majestät, wenn ich die Erhabenheit und den Großmut Ihrer Seele nicht so gut kennen

Zu Cyprianus vgl. Brief 35, Anm. 4. Bezugnahme auf Friedrichs Spitze gegen den österreichischen Kaiserhof im vorangegangen Brief 96 vom 18. 5. 1 2

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würde, das unendliche Ausmaß Ihrer Einsichten und Ihre Nachsicht mit mir. Hat Ihre Majestät die Briefe eines Herrn d’Éon3 gelesen, des Bevollmächtigten Frankreichs in London nach dem Weggang des großen Friedensstifters, des Herzogs von Nivernais?4 Es gibt nichts Komischeres zu lesen, nichts Verrückteres und zugleich Netteres als diese Briefe. Sie sind denkwürdig und interessant, um die Geistesart der Minister kennenzulernen, die im Augenblick die Geschäfte in Frankreich führen. Dieser Herr d’Éon beklagt sich bitter, mutig und geistvoll, dass der Herzog von Praslin5 ihn habe degradieren wollen und, nachdem er ihn zum Bevollmächtigten gemacht, ihn zum Sekretär der Gesandtschaft des Herrn von Guerchy6 erniedrigt habe, dann wieder aufsteigen und Gesandter werden ließ, dann Botschafter und dann wieder Sekretär. Wenn

3 Charles-Geneviève-Louis-Auguste-André-Thimothée d’Éon de Beaumont (1728 – 1810), legendärer Fechtmeister, Sekretär des Herzogs von Nivernais und schillernde Gestalt hinter den Kulissen der Bündnis- und Außenpolitik Frankreichs des 18. Jahrhunderts. Von Ludwig XV. in London mit geheimen Vollmachten ausgestattet kommt der in den offiziellen Büchern nur als Gesandtschaftssekretär geführte, nach dem Weggang Nivernais’ und einer kurzen Interimszeit als Bevollmächtigter, mit dem neuen Botschafter de Guerchy in Konflikt. Gegen die Rückstufung und die Befehlshoheit seines auch nach Aussage von Zeitzeugen unfähigen Vorgesetzten aufbegehrend, veröffentlicht d’Éon zu seinem Schutz die oben erwähnte diplomatische Korrespondenz, während Louis XV. öffentlich de Guerchy unterstützt, im Stillen aber d’Éon bittet, denselben zu überwachen. Die sich schließlich dramatisch zuspitzende Auseinandersetzung endet 1767 mit dem Tod de Guerchys und d’Éons Rückkehr nach Frankreich, die ihm nur unter der Auflage gewährt wird, die Identität einer Frau anzunehmen. 4 Louis-Jules Mancini-Mazarini, Duc de Nivernais (1716 – 1798), Großneffe Mazarins, Diplomat und Mitglied der Académie française. Seine Botschafterlaufbahn führt ihn über Rom (1748) und Berlin (1756) schließlich nach London (1763), wo er den Pariser Vertrag aushandelt. 5 César Gabriel de Choiseul, Herzog von Praslin (1712 – 1785) ist Cousin Choiseuls und dessen Nachfolger im Amt des Außenministers von 1761 – 1766, als Choiseul selbst wieder das Amt bekleidet. 6 Claude-Louis-François de Régnier, Comte de Guerchy (1715 – 1767), Generalleutnant und Botschafter Frankreichs. Nach einer steilen militärischen Laufbahn versetzt ihn Praslin als Botschafter nach London, wo er die kurz nach Nivernais’ Weggang von d’Éon geführten Geschäfte sofort übernimmt.

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Ihre Majestät Lust hat, dieses Werk zu sehen, wäre es mir eine Ehre, es Ihnen zukommen zu lassen. Bitte, Sire, geruhen Sie, mir Ihr kostbares Wohlwollen zu erhalten. Es ist der Gegenstand all meiner Wünsche. Empfangen Sie mit Ihrer gewohnten Güte die Versicherung meines Respektes und meiner unverbrüchlichen Verbundenheit, Sire, Ihrer Majestät ergebenste und gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 30. Mai 1764

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Brief 98 [132] Sanssouci, den 11. Juni 1764 Meine Frau Cousine, ein Gichtanfall in der linken Hand hätte mich beinahe daran gehindert, Ihnen zu antworten. Doch Sie vollbringen Wunder, meine liebe Herzogin: Sie heilen die Krüppel und schenken den Einarmigen das Schreibvermögen. In der Tat, wäre ich Katholik, so priese ich dieses Mirakel derartig, dass die heilige Jungfrau von Częstochowa1 wegen des Aufsehens um Ihre Wundertaten eifersüchtig würde. Aber wir Kalvinisten, wir gehen so bedächtig vor, dass wir nicht allein die außergewöhnlichen Dinge registrieren, die unsere Sinne beeindrucken, indem sie uns die Ohren betäuben. Allerdings, Madame, nach der Prüfung, die ich soeben durchgemacht habe, werden Sie mir erlauben, Sie jedes Mal anzurufen, wenn die Gicht mich anfällt. Ich werde sagen: „Erlöserin-Herzogin, mit der Gunst des Himmels übernatürlich versehene Prinzessin, heilen Sie mich!“ Dieses kleine Gebet wird nicht umsonst sein und nach dem, was ich gerade mitgemacht habe, darf es mir nicht am Glauben mangeln. Der Auftrag, den Sie mir erteilen, meine liebe Herzogin, den Kaiserhof endlich zur Raison zu bringen, verlangte wohl ein weiteres Wunder. Wir haben uns während sieben ganzer Jahre bis zum Äußersten geschlagen, ohne dadurch im Geringsten voranzukommen. Wenn Sie aber von jener Macht Gebrauch machen wollten, die Sie so wirkungsvoll auf meine Hand ausgeübt haben, so zweifle ich nicht daran, dass Sie es vollbringen werden, die Ambitionen der germanischen Tyrannen auf einen kleineren Kreis einzuengen. Zur Zeit sind wir auf der Oberfläche alle ganz nett miteinander, doch Gelegenheit macht Diebe, und ich möchte nicht, dass sich unseren Feinden eine günstige Gelegenheit bietet, denn 1 Wundertätige, schwarze Madonna von Częstochowa, angeblich dem von Lukas (Evangelist) auf dem Zypressentisch der heiligen Familie gemalten Bild nachempfunden. Sie wird im festungsartigen Kloster Jasna Góra verwahrt und soll vor allem bei Überfällen und in Kriegen den Ort und die Abtei durch göttliche Macht beschützt haben. Für ihre Verdienste ist sie 1657 von König Johann II. Kasimir sinnbildlich zur Königin Polens gekrönt worden.

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gewiss würden sie sie nicht ungenutzt verstreichen lassen. Da ist noch ein Rest säuerlicher Hefe in den Herzen, der, sobald er aufgegangen ist, einem neuen Krieg als Nahrung dienen wird. Was mich angeht, so zähle ich nicht darauf, ihn noch zu sehen. Meine Augen werden wahrscheinlich vor dem Licht der Welt geschlossen sein, wenn dieser Fall eintritt, aber er wird unfehlbar eintreten. Doch erfreuen Sie sich einstweilen der Süße des Lebens, meine liebe Herzogin, und behandeln Sie die Zukunft mit derselben Gleichgültigkeit wie die Vergangenheit, die der Zeit Ihrer Geburt vorausging! Unser Leben ist zu kurz, um uns von den Sorgen um die Zukunft um den Genuss des Augenblicks bringen zu lassen. Mögen Sie sich noch lange Jahre daran erfreuen können, im Glück all des Wohlergehens, das Sie so redlich verdienen! Niemand wünscht Ihnen dies aufrichtiger als ich. Nehmen Sie diese Beteuerungen gütigst entgegen, zusammen mit jenen der Hochachtung und aufrichtigen Freundschaft, mit welchen ich verbleibe, meine Frau Cousine, Ihrer Hoheit treuer Cousin und Diener Friedrich

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Brief 99 [139] Sanssouci, den 9. Oktober 1764 Meine Frau Cousine, ich danke Ihnen, meine liebe Herzogin, für die Aufmerksamkeit, die Sie mir damit erwiesen haben, mir Ihren Sohn, den Prinzen,1 zu senden. Er ist hier nicht als Fremder empfangen worden, sondern als Sohn meiner ehrwürdigen Freundin. Nach meiner langen Abwesenheit war ich entzückt, jemanden zu sehen, der Ihnen so am Herzen liegt, und ich versichere Ihnen, meine liebe Herzogin, dass alle Welt Ihr Werk gelobt hat und vor allem die gute Erziehung, die Sie ihm gegeben haben. Wir haben Gotha bei unseren Gesprächen nicht verlassen, aber wie es keine Freude ohne bittere Beimischung gibt, so hat mich Prinz August mit der Nachricht von der Entzündung bekümmert, die Sie behelligt. Warum muss es sein, meine liebe Herzogin, dass Sie unter menschlichen Gebrechen leiden, Sie, die Sie so weit über dem Rest der Menschen stehen? Und warum respektiert die Natur nicht einen Körper, dessen Seele jedem Wesen, das denkt, reine Wonne schenkt und dessen Güte ein ganzes Herzogtum beglückt? Das sind Überlegungen, die mich zu weit führen würden, wenn ich mich ihnen überließe. Ihre werte Freundin2 verliert ihre Tochter und Ihnen machen Ihre Augen Kummer. Wer erhält denn nun Belohnungen, wenn Sie unter Schmerzen leiden, und wie kommt es, dass man so oft in der Welt das Verbrechen triumphierend und die Tugend unglücklich sieht? Ach, meine liebe Herzogin, diese Maschine, auf die uns der Zufall gesetzt, macht mir ganz den Anschein, als liefe sie, wie sie es eben kann, ohne dass sich jemand darum kümmerte. Aber 1 August, Prinz von Sachsen-Gotha-Altenburg (1747 – 1806), dritter und jüngster Sohn Luise Dorotheas und Friedrichs III. Nach dem Rückzug aus seiner militärischen Laufbahn 1767 beschäftigt er sich vor allem mit Kultur und Reisen. 2 Zu Frau von Buchwald vgl. Brief 72, Anm. 4. Während einige Biographien den Tod ihrer geliebten Tochter erst 1766 verzeichnen, gibt Cotoni als Datum den 3. Januar 1764 an, welcher durch ein Kondolenzschreiben Voltaires vom 25. März und eine Klage Luise Dorotheas an denselben im Brief von 28. Juni abgesichert wird.

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bei Gott, sagen Sie nichts davon Herrn Cyprianus,3 oder ich bin auf ewig verloren. Ihr Sohn, der Prinz, wird Ihnen sagen, dass er mich hier in meinem Rückzugsort vorgefunden hat. Ich fertige einen Auszug aller philosophischen Artikel Bayles an,4 wovon man eine Ausgabe im Oktavformat von ungefähr fünf oder sechs Bänden herausbringen wird. Sie wird im nächsten Frühling vollendet sein, und wenn Sie es mir erlauben, so schenke ich Ihnen ein Exemplar. Dies sind meine Vergnügungen auf meine alten Tage. Aber ich erzähle Ihnen von Ammenmärchen und vergeude vielleicht wertvolle Zeit, die Sie besser und nutzbringender verwenden könnten. Vergessen Sie, meine liebe Herzogin, nicht Ihre abwesenden Freunde. Ich werde Prinz August darum bitten, Sie von Zeit zu Zeit an mich zu erinnern, denn nichts wäre mir unerträglicher, als aus Ihrem Gedächtnis entschwunden zu sein. Wenn die Bewunderung, die Freundschaft, die höchste Wertschätzung für Ihre Person es verdient, dass Sie die Güte haben, an jene zu denken, die Sie achten und ehren, so hat niemand mehr Anspruch noch Anrecht auf Ihre Erinnerung als ich, der ich verbleibe, meine Frau Cousine, Ihrer Hoheit treuer Cousin und Diener Friedrich

Zu Cyprianus vgl. Brief 35, Anm. 4. Pierre Bayle (1647 – 1706), französischer Philosoph und Frühaufklärer, der für eine vernunftbegründete Moral eintritt. Vgl. auch unsere Einleitung, S. 16. 3 4

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Brief 100 [140] Sire, Ihre Majestät möchte bitte erlauben, dass ich Ihnen mit diesen Zeilen bezeuge, wie sehr ich durch all die Zeichen der Güte gerührt bin, mit denen Sie meinen Sohn August zu überhäufen die Gnade hatten. Durchdrungen von Gefühlen der vollkommensten Bewunderung und der lebhaftesten Dankbarkeit ist er hierher zurückgekommen. Warum sind wir nicht glücklich genug, um so viel Gunst und Nachsicht von Seiten Ihrer Majestät zu verdienen? Mein kleiner Ritter ist jedes Mal außer sich, wenn er mir von all dem erzählt, was er in Sanssouci gesehen und gehört hat, und ich spreche mit ihm darüber und frage ihn ohne Unterlass aus. Ich bin nicht weniger empfänglich für all das, was Ihnen, Sire, in Ihrem letzten göttlichen Brief an huldreichen Dingen mir zu sagen gefallen hat. Das Interesse, das Ihre Majestät an den Leiden meiner Freundin und den meinen bezeugt, tut uns wohl und tröstet uns auf das Angenehmste. Allerdings, Sire, gebe ich offen zu, dass – sei es die Erinnerung an den fürchterlichen Cyprianus,1 die Auswirkung der mit der Muttermilch aufgesogenen Vorurteile oder die Vernunft und die Wahrheit – ich mir die Idee nicht aus dem Kopf schlagen kann, dass unendliche Güte und Weisheit diese Welt regieren. Genauso wenig, wie ich mir vorstellen könnte, dass die Wunder von Sanssouci und die bewundernswerten Werke seines Philosophen Produkte des Zufalls sind, genauso wenig könnte ich glauben, dass das Universum von einer blinden Kraft gelenkt wird. Als eine Auszeichnung der Gnade und besonderen Gunst von Seiten Ihrer Majestät werde ich das Buch Bayles, kunstvoll verfeinert in neuer Gestalt und verschönert durch Ihre Sorgfalt, entgegennehmen. Ich vergöttere schon seit langer Zeit alles, was Ihrer erhabenen Feder entspringt und das Siegel Ihres schöpferischen Geistes trägt. 1

Zu Cyprianus vgl. Brief 35, Anm. 4.

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Nehmen Sie, Sire, in Ihrer außerordentlichen Güte den Ausdruck meiner unverbrüchlichen Verbundenheit und meiner unendlichen Verehrung entgegen, Sire, Ihrer Majestät ergebenste und gehorsamste Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 20. Oktober 1764

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Brief 101 [141] Potsdam, den 31. Oktober 1764 Meine Frau Cousine, ich bin sehr froh, dass Prinz August Ihnen von den besonderen Gefühlen berichtet hat, meine liebe Herzogin, die ich Ihnen mein ganzes Leben lang tief in meinem Herzen bewahren werde. Aber was er Ihnen auch gesagt haben mag, denken Sie weder, dass dies sich so schnell erschöpfen, noch dass eine Unterhaltung mit dem Prinzen Ihnen in Gänze den Eindruck vermittelt haben könnte, den Sie auf die machen, die wie ich das Glück haben, Sie zu kennen. Wenn ich einen kleinen Ausfall gegen die Vorsehung gemacht habe, so geschah das, weil es nun wirklich nicht gut ist, wenn Sie leiden. Bedenken Sie die Kürze des Menschenlebens, bedenken Sie, wie viele Menschen den Handlungen des physisch Bösen und der Verdorbenheit des moralisch Bösen ausgesetzt sind. Das Böse ist in der Welt, man kann es nicht leugnen. Die Frage ist, wer es hinein gebracht hat. Was mich angeht, so habe ich nicht die geringste Ahnung und ich würde den Doktor der Theologie ganz aufrichtig beglückwünschen, der mir seine Ursache enthüllte. Aber wenn er mir von seinem Apfel spricht, werde ich ihn auf Ovids „Metamorphosen“ verweisen, auf „Peau d’Âne“, auf „Barbe bleue“.1 Und so ist es doch, wie man uns behandelt: Man erklärt Rätsel durch erfundene Geschichten. Aber all das berührt uns überhaupt nicht. Die Welt geht ihren Gang, ob man die Feder ihres Antriebs nun kennt oder nicht. Sofern die Tugend verschont wird, sofern Sie nicht leiden, meine liebe Herzogin, sehen Sie mich zufrieden, denn niemand nimmt mehr Anteil an Ihrer Gesundheit als, meine Frau Cousine, Ihrer Hoheit treuer Cousin Freund und Diener Friedrich

1 „Peau d’Âne“ und „Barbe bleue“ sind zwei der Märchen Charles Perraults (1628 – 1703). Bewusst skandalös ist Friedrichs Vergleich der Erzählung der Vertreibung aus dem Paradies in der Bibel mit den die Grenzen der Vernunft sprengenden Verwandlungsgeschichten und Märchen.

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Brief 102 [143] Potsdam, den 22. November 1764 Meine Frau Cousine, ihr Brief, meine liebe Herzogin, hat mir alles erdenkliche Vergnügen bereitet, umso mehr, als er ein handfestes Zeugnis darstellt, dass Ihre Augen und Ihre Gesundheit wiederhergestellt sind. Ich wünsche, dass Sie sich noch über lange Jahre gesund erhalten und dass die der Menschheit anhaftenden Gebrechen aus Respekt für Ihre schöne Seele Ihren Köper nicht im Geringsten beeinträchtigen. Um den Auftrag zu erfüllen, den Sie mir übertragen haben, meine liebe Herzogin, habe ich die Informationen, die es in diesem Lande über die beiden Abteien für Prinzessinnen gibt,1 gesammelt, nehme mir die Freiheit, sie Ihnen zu übersenden, und warte darauf, womit Sie mich demnächst zu beauftragen gedenken. Sie haben sicher ganz Recht zu wünschen, dass das physisch Böse und das moralisch Böse Sie verschonen mögen. Was das moralisch Böse angeht, so sind Sie dagegen gefeit, aber was das physisch Böse anbetrifft, so gibt es niemanden in diesem Universum, der vor seinen Verwüstungen Schutz hat finden können, noch jemanden, dessen Geist nicht auf unüberwindbare Schwierigkeiten gestoßen wäre bei dem Versuch, seinen Ursprung zu ergründen. Doch wenn man Ihnen schreibt, meine liebe Herzogin, so kommen einem nur Ideen des physisch und moralisch Guten, Sie inspirieren keine anderen. Möge es immer bei Ihnen wohnen und möge Ihr Glück Ihren Verdiensten gleichkommen. Dies sind die Wünsche, die ich aufrichtig für Ihre Person hege, mit der Bitte, dass Sie von der hohen Wertschätzung überzeugt sind, mit der ich verbleibe, meine Frau Cousine, Ihrer Hoheit treuer Cousin und Diener Friedrich 1 Luise Dorothea hat Friedrich im hier nicht abgedruckten Brief vom 10. November 1764 dabei um Hilfe gebeten, ihrer bisher unverheirateten Tochter Friederike Luise eine Stelle als Äbtissin in Herford oder die einer Coadjutorin in der Abtei von Quedlinburg zu verschaffen. Zu Friederike Luise vgl. auch Brief 92 mit Anm. 1.

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Brief 103 [151] Sire, ich fürchte, in den Augen Ihrer Majestät recht absonderlich zu erscheinen, denn nach sehr langem Schweigen nehme ich mir die Freiheit, Ihnen zwei Briefe im Abstand von ganz wenigen Tagen zu schreiben. Es ist jedoch der gleiche Beweggrund, der mich einmal schweigen und dann wieder reden lässt: Ich bin entzückt, wenn ich die Gelegenheit finde, Ihrer Majestät meine respektvolle Verbundenheit zu bezeugen, aber ich glaube sorgsam jeden Anschein von Aufdringlichkeit vermeiden zu müssen. Es hat Herrn Grimm1 gefallen, mir auf einmal zwei Pakete und einen Brief an Ihre Majestät zu übermitteln, die ich Ihnen schicken soll. Haben Sie die Güte, Sire, mich mit Nachsicht zu betrachten, und vergeben Sie mir meine Aufdringlichkeit, wenn es denn eine ist, der Aufforderung des Neuigkeitskrämers Grimm Folge zu leisten. Ich kenne den Beweggrund nicht, den er hat, mich mit seinen Schreiben zu beauftragen, aber ich stelle mir zumindest vor, dass er einen wichtigen haben muss, um das so oft zu wiederholen. Ich vermute dahinter, ohne dass man es mir gesagt hätte, dass ein ehemaliger Verbündeter2 die Bande wieder enger schnüren will, die mehrere unglückliche Umstände gelockert haben, und vielleicht wäre es gut, diese Stimmung zu nutzen, und sei es nur, um andere Verbindungen,3 die schlecht zusammenpassen und stets ein schlimmes Zeichen für die allgemeine Ruhe setzen, zu lösen. Möge Ihre Majestät mein indiskretes Geschwätz angesichts meines Eifers entschuldigen sowie meines aufrichtigen Anteils, den ich an allem nehme, was Sie betrifft. Wenn ich wie ein Blinder räsoniere, so beteuere ich zumindest, dass es nur mein Herz ist, das spricht Zu Grimm vgl. Brief 78. Luise Dorothea bezieht sich hier auf die im Vorfeld des Siebenjährigen Krieges von Kaunitz betriebene Umkehrung der Allianzen. Offenbar vermutet sie in der Post Grimms einen heimlichen Annäherungsversuch des „ehemaligen Verbündeten“ Frankreich an Friedrich, wodurch der aus Gründen der Diskretion gewählte Umweg über Gotha erklärt wäre, vgl. auch Brief 90 vom 29. 2. 1764. 3 Luise Dorothea bezieht sich vermutlich hier auf das Bündnis mit Großbritannien. 1 2

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und dessen Antrieb nichts als das vollkommene Vertrauen ist, das Ihre Güte, Sire, in mir hervorgerufen hat. Das gnädige Wohlwollen Ihrer Majestät ist der Gegenstand all meiner Wünsche und der Trost meines Lebens. Ich wage also, meinen brennenden Wunsch nach seinem Fortdauern zu äußern, zu meiner Zufriedenheit und meinem Glück. Ich werde alles mir Mögliche dafür tun, mich dessen nicht als unwürdig zu erweisen und Ihre Majestät von all den Gefühlen zu überzeugen, die mich unverbrüchlich beseelen, Sire, Ihrer Majestät ergebenste, gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen Gotha, den 15. Februar 1766

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Brief 104 [152] Den 17. Februar 1766 Meine Frau Cousine, obgleich es eine rechte Ungehörigkeit von Herrn Grimm ist, an Sie Pakete für Ihren Diener zu adressieren, so bin ich ihm nichts desto weniger dankbar für den zuvorkommenden Brief, zu dem er mir verholfen hat. Glauben Sie nicht, meine liebe Herzogin, dass die Erinnerung an Sie eine von denen ist, die sich leicht aus dem Geiste eines Ehrenmannes tilgen lässt. Wenn ich Sie nicht mit meinen Briefen behelligt habe, so geschah es, weil ich auf die Entzündung Rücksicht genommen habe, die Ihre Augen beeinträchtigt, und weil ich Ihnen nichts zu schreiben hatte außer Albernheiten, und weil dummes Zeug für den Moment amüsieren kann, aber auf Dauer langweilt, und schließlich, weil es unschicklich ist, Ihre Nachsicht allzu sehr zu strapazieren. Wir hatten hier Hochzeiten,1 Trauerfälle2 und im geheimen Einverständnis ein wenig Karneval, um unsere Jugend zu unterhalten. Wir hatten hier viele Ausländer, unter denen sich vor allem der Prinz von Saarbrücken3 durch seine Umgangsformen und seinen Geist hervorgetan hat. Im Augenblick, Madame, warten wir auf das Ende des Winters und schönes Wetter, das andere Beschäftigungen mit sich bringen wird. Ich hoffe, dass die Ihren stets angenehm sind, und vor allem, dass die Göttin der Gesundheit Ihnen gewogen ist und uns Ihr kostbares Leben erhalten möge. Daran nehme ich mehr als

1 Sein Neffe und ab 1786 Nachfolger auf dem Thron Friedrich Wilhelm II. (1744 – 1497) hatte am 14. 7. 1765 Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel (1746 – 1840) geheiratet. 2 Sophie Dorothea Marie von Preußen (1719 – 1765), die Schwester des Königs, verstarb am 15. November 1765 in Schwedt. 3 Prinz Ludwig, ab 1768 Fürst von Nassau-Saarbrücken (1745 – 1794). Er ist der letzte Herrscher dieses Fürstentums vor den Umwälzungen der Französischen Revolution und gilt als aufgeklärt-absolutistisch.

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jeder Andere Anteil und verbleibe mit der höchsten Wertschätzung, meine Frau Cousine, Ihrer Hoheit treuer Cousin und Diener Friedrich

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Brief 105 [153] Den 26. Februar 1766 Meine Frau Cousine ich habe immer wieder Anlass, Sie wegen der Ungehörigkeiten oder besser gesagt der Impertinenz des Herrn Grimm, der an Sie, meine liebe Herzogin, meine Briefe adressiert, um Entschuldigung zu bitten. Diese Briefe sind überhaupt keine Verhandlungen, es sind Spottlieder, geschrieben gegen Laverdy,1 den Generalkontrolleur der Finanzen, sowie die „Lettres sur les Miracles“ von Voltaire.2 Sie sehen, meine liebe Herzogin, dass dies die Unverschämtheit des Verfassers der „Correspondance littéraire“, Sie mit seinem Gefasel zu beauftragen, sogar noch verschlimmert. Aber die Franzosen sind Narren, und die Deutschen, die lange bei ihnen bleiben, werden es auch. Was mich betrifft, so ziehe ich angenehmen Nutzen aus ihrer Narretei, da sie mir schließlich zu Ihren Briefen verhelfen, die Gerüchte zerstreuen, welche mich um Ihre kostbare Gesundheit zittern ließen. Bewahren Sie diese Gesundheit, meine liebe Herzogin, zum Wohl des weiblichen Geschlechtes in teutschen Landen, dessen Zierde Sie sind, und zur Freude Ihrer Freunde. Ich wage, mich zu den ersten von ihnen zu zählen, und bitte Sie, die Versicherungen meiner Bewunderung und Verbundenheit gütigst anzunehmen, mit denen ich verbleibe, meine Frau Cousine, Ihrer Hoheit guter Cousin und treuer Freund Friedrich

1 Das Spottlied gegen den Generalkontrolleur der Finanzen Clément Charles François de Laverdy (1723 – 1793), ist im Dezemberheft 1764 der „Correspondance littéraire“ abgedruckt. (Cot.) 2 Voltaires „Questions sur les miracles“ werden im November 1765 und Januar 1766 in der „Correspondance littéraire“ publiziert. (Cot.)

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Brief 106 [155] Sire, ich habe mich gerade von einem schweren Fieber erholt, begleitet von fürchterlichem Husten, der mich daran hindert, Sire, Ihrer Majestät, so wie ich es wünschte, zu bezeugen, wie lebhaft meine Dankbarkeit für den huldreichen Brief ist, mit dem Sie mich soeben beehrt haben. Ich bin geschmeichelt, ich bin so gerührt, Sire, von diesem lieben, göttlichen Brief, dass mir die Worte fehlen, es auszudrücken. Ich darf darin die charakteristischen Zeichen der Güte und, wenn ich es so sagen darf, der Freundschaft erkennen, mit denen Ihre Majestät mich seit so langer Zeit zu überhäufen geruht. Ich habe tausend gute Dinge über die Prinzessin Auguste von Braunschweig1 gehört, aber was sie mir in meinen Augen unendlich teuer erscheinen lässt, ist, dass es sich um die Nichte Ihrer Majestät handelt. Mein ältester Sohn2 ist sicherlich in einem Alter, in dem wir uns von ihm wünschen würden, sich zu verheiraten: Wir haben ihn in seiner Wahl nicht einschränken wollen, was dazu führte, dass er seine Blicke in eine andere Richtung gelenkt hat, die wir bereits mit einigen Schritten unterstützt haben, die zwar noch nicht endgültig sind, uns aber doch daran hindern, das vorteilhafte Angebot Ihrer Majestät anzunehmen.3 Denn wir würden es niemals wagen, uns die Freiheit herauszunehmen, Ihre Majestät zu beschwören, Sie möchten den Ausgang unseres ersten Vorhabens abwarten. Meine gute Freundin Buchwald4 und ich sind weit entfernt davon, auf eine Weise zu denken oder zu sprechen, die dem Gefühl der Bewunderung entgegensteht, das wir für den größten 1 Prinzessin Auguste Dorothea von Braunschweig-Wolfenbüttel (1749 – 1810), Friedrichs Nichte und ab 1778 Äbtissin in Gandersheim. Im hier nicht abgedruckten Brief vom 15. Mai 1767 schlägt Friedrich Luise-Dorothea eine Ehe zwischen ihrem ältesten Sohn Ernst Ludwig und Prinzessin Auguste vor. 2 Zu Ernst II. Ludwig von Sachsen-Gotha-Altenburg vgl. Brief 2, Anm. 1. 3 Ernst Ludwig heiratet am 21. März 1769 die Prinzessin Charlotte von Sachsen-Meiningen. 4 Zu Franziska von Buchwald vgl. Brief 72, Anm. 4.

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und besten Monarchen des Universums empfinden. Nein, nein, Sire, wir sind außerstande, die Sprache der Großherzigkeit, der Fürsorge und Freundschaft zu verkennen. Meine gesamte Familie, Sire, liegt Ihnen zu Füßen. Möge Ihre Majestät in Ihrer gewohnten Güte geruhen, die Huldigung einer armen Genesenden anzunehmen, die wiederum aus ihrem Bett schreibt, aber nur dafür atmet, Sie anzubeten,5 Sire, Ihre Majestät ergebenste und gehorsamste Dienerin Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen in Gotha, den 23. Mai 1767

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Luise Dorothea stirbt am 22. Oktober desselben Jahres.

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Personenregister* Achill 160 Agamemnon 68 Alembert, Jean Le Rond d’ 176, 183, 184, 187, 191, 197 Alexander der Große 82 Algarotti, Francesco 173 Amhurst, Nicholas 60 Anhalt, Heinrich Wilhelm von 129, 130, 132 Anna Iwanowna, Zarin 154 Anton Ulrich, Herzog von Sachsen-Meiningen 150, 172 Argens, Jean-Baptiste de Boyer, marquis d’ 89 August III., König von Polen, Kurfürst von Sachsen 93, 164, 173 August Wilhelm von Preußen 141 August, Prinz von Sachsen-GothaAltenburg 222, 223, 226 Augusta, Princess of Wales 12, 76, 94, 114, 118, 120, 159 Augusta von Hannover 205 Auguste Dorothea, Prinzessin von Braunschweig-Wolfenbüttel 233 Bacon, Francis 184 Bayle, Pierre 16, 101, 223, 224 Bechtolsheim, Johann Ludwig Freiherr von Mauckenheim, genannt von Bechtolsheim 45, 46, 108, 142

Belle-Isle, Charles Louis Auguste Fouquet, comte de 43 Biron, Ernst Johann von 154 Boileau, Nicolas Boileau-Despréaux 71, 199 Bolingbroke, Henry Saint John 60 Boulanger, Nicolas-Antoine 17, 138, 147 Broglie, Victor-François, duc de 56, 90, 93, 103 Brühl, Heinrich von 163, 164 Buchwald, Hermann Schack von 164 Buchwald, Juliane Franziska von 10, 11, 122, 133, 158, 164, 165, 167, 174, 187, 206, 222, 233 Bünau, Heinrich von 138 Bute, John Stuart 112, 116, 120, 123, 125, 127, 130, 133 Caesar, C. Iulius 164, 167 Cato, M. Porcius Cato der Ältere 164, 165, 167, 174 Cavendish, William, Duke of Devonshire 123 Chambers, Ephraim 101 Charlotte Philippine, Herzogin von Braunschweig 57, 183, 205 Charlotte, Prinzessin von SachsenMeiningen 233 Choiseul, Etienne-François, duc de 48, 70, 80, 93, 218

* In das Register sind nicht aufgenommen Friedrich II., Luise Dorothea und ihr Gatte Friedrich III., Herzog von Sachsen-Gotha.

Personenregister Choiseul-Stainville, Jacques-Philippe de 93 Cicero, M. Tullius 164, 167 Clemens XIII., Papst 14, 60, 85, 191, 192, 206 Cocceji, Carl Friedrich Ernst von 52, 54 Collenbach, Gabriel von 144, 145, 169, 171 Cyprianus, Ernst Salomon 10, 87, 193, 196, 197, 198, 212, 215, 217, 223, 224 Darget, Claude Etienne 84 Daun, Leopold Joseph von 14, 48, 49, 85, 88, 89, 91, 162 Deschamps de Marcilly, Marie Claire 60 Diderot, Denis 176 Diogenes 82 Edelsheim, Georg Ludwig von 54, 56, 62, 67, 68, 73, 75, 76, 78, 80, 90, 91,114, 165, 167, 175, 178, 183, 205 Edelsheim, Wilhelm von 98 Elisabeth Christine Ulrike, Prinzessin von Braunschweig-Wolfenbüttel 230 Elisabeth Petrowna, Zarin 52, 76, 186, 189 Elisabeth Sophie von Preußen 7 Éon de Beaumont, Charles-Geneviève-Louis-Auguste-AndréThimothée d’ 218 Ernst August I., Herzog von Weimar 8 Ernst I., Herzog von Sachsen-Gotha 207 Ernst II. Ludwig, Herzog von Sachsen-Gotha-Altenburg 18, 25, 233

241

Esra 212 Estrees, Louis-Charles-César Le Tellier, duc d’ 40 Eugen, Franz Eugen, Prinz von Savoyen-Carignan 64 Euripides 68 Ferdinand VI., König von Spanien 65 Ferdinand, Herzog von Braunschweig-Bevern 57, 92, 96, 97, 99, 103 Finck, Friedrich August von 49 Finckenstein, Karl Wilhelm, Graf Finck von 44, 173 Franz I., Kaiser 150, 171, 200 Franz Josias, Herzog von SachsenCoburg 26, 31 Friederike Luise, Prinzessin von Sachsen-Gotha 207, 227 Friedrich der Fromme, Herzog von Mecklenburg 109, 110, 111 Friedrich Christian, Kurfürst von Sachsen 173 Friedrich Wilhelm, Erbprinz von Preußen 141, 230 Friedrich Wilhelm, Markgraf von Schwedt 191 Friesen, August Heinrich von 176 Fritsch, Thomas von 144, 145 Froulay, Louis-Gabriel de 52, 54, 55, 56, 70 Galilei, Galileo 198 Galitzin, Dimitri Michailowitsch, Fürst 154 Georg III., König von England 94, 95, 120 Gersdorff, Karl August, Graf von 121 Gotter, Gustav Adolf, Reichsgraf von 8, 23, 25, 28, 34

242

Personenregister

Gottsched, Johann Christoph 10, 15, 101 Grimm, Friedrich Melchior 10, 11, 17, 154, 176, 179, 181, 183, 185, 187, 189, 191, 197, 203, 205, 228, 230, 232 Grumbkow, Friedrich Wilhelm von 26 Grumbkow, Philipp Otto von 26, 28 Guerchy, Claude-Louis-François de Régnier, comte de 218 Heinrich IV., König von Frankreich 207 Heinrich, Prinz von Preußen 70, 107 Heinrich Wilhelm, Prinz von Anhalt 129, 130, 132 Heraklit 7 Herkules 59, 93, 130 Hertzberg, Ewald Friedrich von 144 Hume, David 16, 69, 79, 87, 88 Johann II. Kasimir, König von Polen 220 Johannes, Evangelist 212 Joseph II., Kaiser 200 Joseph Friedrich, Herzog von Sachsen-Hildburghausen 36, 41, 150, 171 Josua 198 Karl III., König von Spanien 64, 65 Karl V., Kaiser 208 Karl VI., Kaiser 61 Karl, Herzog von Kurland 154, 156 Karl Alexander, Prinz von Lothringen 38

Karl Eugen, Herzog von Württemberg 90 Karl Wilhelm Ferdinand, Herzog von Braunschweig 57, 183, 205 Kaunitz, Wenzel Anton von, Graf von Rietberg 119, 228 Keith, George 64, 71, 84 Keller, Christoph Dietrich von 98, 200, 201 Knyphausen, Heinrich von 54, 105 Laverdy, Clément Charles François de 232 Leibniz, Gottfried Wilhelm 81, 82 Lichtenstein, Friedrich Carl von 43 Locke, John 16, 87, 88 Louis-Philippe I. de Bourbon, duc d’Orléans 176, 207 Lucan, M. Annaeus 164 Ludwig XIV., König von Frankreich 216 Ludwig XV., König von Frankreich 52, 86, 214, 216, 218 Ludwig, Prinz von Nassau-Saarbrücken 230 Luise Ulrike, Königin von Schweden 176 Lukas, Evangelist 220 Lusinsky, Gabriel von 70 Luther, Martin 193, 211, 215 Maria, Jesu Mutter 10, 167, 169 Maria Antonia Walburgis Symphorosa, Kurprinzessin von Sachsen 173 Maria Theresia, Kaiserin 15, 43, 52, 76, 86, 128 Matthäus, Evangelist 212 Maupertuis, Pierre Louis Moreau de 84 Mazarin, Jules 218 Mitchell, Andrew 102, 112

Personenregister Mobous (?) 103 Molière, Jean-Baptiste Poquelin, genannt 100 Montesquieu, Charles-Louis de Secondat, baron de 16, 60 Moréri, Louis 101 Moritz, Graf von Sachsen (der Maréchal de Saxe) 154, 176 Nestor 128, 213 Nicolai, Friedrich 138 Nivernais, Louis-Jules ManciniMazarini, duc de 218 Noah 169, 171 Ödipus 59 Orest 159, 160 Ovid, Publius Ovidius Naso 226 Pandora 134 Patroklos 160 Paulus, Apostel 212 Pelham-Holles, Thomas, Duke of Newcastle 123 Perrault, Charles 226 Pesne, Antoine 34 Peter III., Zar 186 Pirithous 160 Pitt, William 112, 123 Platon 66 Plinius, C. Secundus (Plinius der Ältere) 68 Plotho, Erich Christoph 173 Pluche, Noël-Antoine, abbé 185 Podewils, Heinrich Graf von 28 Pompadour, Jeanne-Antoinette Poisson, marquise de 15, 86, 214 Pompeius 164, 165, 167 Pylades 160 Raab, Franz Anton 26 Röder, Friedrich Wilhelm von 34

243

Rousseau, Jean-Jacques 16, 17, 64, 153, 154, 157, 176 Roussel de La Tour 191 Saint-Germain, comte de 70 Salzmann, Christian Gotthilf 18 Schrüder (?) 95 Schulenburg, Johann Matthias von der 186 Serbelloni, Johann Baptist, Graf von 61, 64, 65, 66 Seydlitz, Friedrich Wilhelm von 36 Sokrates 66 Sonsfeld, Dorothea Henriette Luise von Wittenhorst-Sonsfeld 194 Sophie, Markgräfin von Schwedt 191, 230 Soubise, Charles de Rohan, prince de 36, 38, 56, 85 Sozzini, Fausto 211 Sozzini, Lelio 211 Terrasson, Jean 71, 72 Theseus 160 Timanthes 68 Villars, Claude-Louis-Hector, duc de 64 Villette, Philippe Levieux Valois, marquis de 60 Voltaire, François-Marie Arouet, genannt 8, 12, 16, 17, 23, 44, 45, 46, 48, 51, 55, 59, 60, 70, 78, 80, 81, 88, 147, 178, 185, 189, 193, 196, 198, 222, 232 Walpole, Robert 60 Wangenheim, Fräulein von 191 Werthern, Georg, Graf von 122, 133, 134, 136 Werthern, Johann Georg Heinrich von 122

244

Personenregister

Wilhelmine, Markgräfin von Bayreuth 71, 194 William August, Duke of Cumberland 40, 123 Wolff, Christian 81, 82

Xaver, Prinz von Sachsen 93 Zenon von Elea 82 Zuckmantel, François-AntoinePacifique 203, 205