Verzichts- und Vergleichsvereinbarungen zwischen einer AG und ihrem Vorstandsmitglied: Eine Untersuchung zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG [1 ed.] 9783428559565, 9783428159567

Vorstandsmitglieder haften gegenüber der AG für pflichtwidriges Verhalten. Die Möglichkeit, von Seiten der AG auf Regres

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Verzichts- und Vergleichsvereinbarungen zwischen einer AG und ihrem Vorstandsmitglied: Eine Untersuchung zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG [1 ed.]
 9783428559565, 9783428159567

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 158

Verzichts- und Vergleichsvereinbarungen zwischen einer AG und ihrem Vorstandsmitglied Eine Untersuchung zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG

Von

Nina Katharina Oltmanns

Duncker & Humblot · Berlin

NINA KATHARINA OLTMANNS

Verzichts- und Vergleichsvereinbarungen zwischen einer AG und ihrem Vorstandsmitglied

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 158

Verzichts- und Vergleichsvereinbarungen zwischen einer AG und ihrem Vorstandsmitglied Eine Untersuchung zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG

Von

Nina Katharina Oltmanns

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-15956-7 (Print) ISBN 978-3-428-55956-5 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Inhaltsübersicht Teil 1

Einleitung 

21

1. Kapitel

Problemaufriss und Gang der Untersuchung 

21

2. Kapitel Themenbegrenzung 

24

Teil 2



Allgemeine Grundlagen 

25

1. Kapitel Haftungsregime 

25

2. Kapitel

Rolle von D&O-Versicherungen 

37

3. Kapitel

Thesenartige Zusammenfassung zu den allgemeinen Grundlagen 

46

Teil 3



Im Besonderen: Grundlagen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG 

47

1. Kapitel

Beispielsfälle aus der Praxis 

47

2. Kapitel

Bestandsaufnahme zur Relevanz von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG 

50

3. Kapitel

Gründe für den Abschluss einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung  58 4. Kapitel



Historische Entwicklung der Verzichts- und Vergleichsregulierung 

64

6 Inhaltsübersicht 5. Kapitel

Anwendungsbereich von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG 



Thesenartige Zusammenfassung zu den besonderen Grundlagen 

68

6. Kapitel 99

Teil 4



Internationale Betrachtung 

101

1. Kapitel Grundlagen 

101

2. Kapitel

Länderbericht USA 



Länderbericht Frankreich 



Länderbericht Österreich 

103

3. Kapitel 115

4. Kapitel 130

5. Kapitel

Thesenartige Zusammenfassung zu den untersuchten ausländischen Rechtsordnungen 

139

Teil 5



Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts bzw. Vergleichs in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG 



Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG 

141

1. Kapitel 141

2. Kapitel

Rolle und Aufgaben des Aufsichtsrats im Rahmen einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung der Gesellschaft mit einem Vorstandsmitglied  206 Teil 6



Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse 

234

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262

Inhaltsverzeichnis Teil 1

Einleitung 

21

1. Kapitel

Problemaufriss und Gang der Untersuchung 

21

2. Kapitel Themenbegrenzung 

24

Teil 2



Allgemeine Grundlagen 

25

1. Kapitel Haftungsregime 

25

§ 1 Allgemein: Haftungsregime im deutschen Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . 25 § 2 Konkret: Haftungsregime in der AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Außenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Innenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Haftungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorstandseigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sorgfaltspflichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Legalitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sorgfaltspflicht im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Business Judgment Rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Überwachungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Treuepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Treuepflicht im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26 26 26 26 27 27 28 29 29 29 29 30 30 31 31 31 32 32

8 Inhaltsverzeichnis 4. Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden . . . . . . . . . . 6. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Möglichkeit eines Haftungsausschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Haftungsgeltendmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Geltendmachung durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geltendmachung auf Verlangen der Hauptversammlung (§ 147 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Klagezulassungsverfahren und anschließende Anspruchsgeltendmachung durch eine Aktionärsminderheit (§ 148 AktG) . . . 4. Geltendmachung durch Gläubiger (§ 93 Abs. 5 AktG) . . . . . . . .

33 33 33 34 34 34 35 36 37

2. Kapitel

Rolle von D&O-Versicherungen 

37

§ 1 Herkunft und geschichtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 § 2 Funktionsprinzip und Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 § 3 Jüngere Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 § 4 Auswirkung der D&O-Versicherung auf Verzichts- bzw. Vergleichsvereinbarungen zwischen einer AG und ihrem Vorstandsmitglied . . . . . . . . . . . . . . 43 3. Kapitel

Thesenartige Zusammenfassung zu den allgemeinen Grundlagen 

46

Teil 3



Im Besonderen: Grundlagen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG 



Beispielsfälle aus der Praxis 

47

1. Kapitel 47

§ 1 Verzicht bei der Constantin Medien AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 § 2 Vergleich bei der Deutsche Bank AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Kapitel

Bestandsaufnahme zur Relevanz von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG 

50

3. Kapitel

Gründe für den Abschluss einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung  58

Inhaltsverzeichnis9 4. Kapitel

Historische Entwicklung der Verzichts- und Vergleichsregulierung 

64

§ 1 Aktienrechtsnovelle von 1884 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 § 2 Handelsgesetzbuch i. d. F. von 1897 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 § 3 Aktiengesetz i. d. F. von 1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 § 4 Aktiengesetz i. d. F. von 1965 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 5. Kapitel

Anwendungsbereich von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG 

68

§ 1 Betroffene Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 § 2 Rechtshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Verzicht und Vergleich im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Wirtschaftlich entsprechende Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Außergerichtliche Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nichtgeltendmachung eines Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entlastung durch die Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stimmrechtsvereinbarung mit Aktionären . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Garantieübernahme durch einen Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Abtretung des Ersatzanspruchs an einen Dritten . . . . . . . . . . . . . 6. Verzicht auf Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Abgeltungs-, Abfindungs- und Ausgleichsklauseln . . . . . . . . . . . 8. Freistellungszusagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Durch die Gesellschaft in Bezug auf Ansprüche Dritter bei gleichzeitiger Pflichtverletzung im Innenverhältnis . . . . . . . . aa) Im Nachhinein, am Beispiel der Übernahme einer Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage . . . . . . . . . . . . . bb) Im Voraus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Sonstige wirtschaftlich einem Verzicht bzw. Vergleich gleichkommende Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Handlungen während eines Prozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwaltsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Schiedsvergleich“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vergleich ohne Schiedsspruch, § 1053 Abs. 1 S. 1 ZPO . . . . b) Vergleich als Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut, § 1053 Abs. 1 S. 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69 69 69 70 70 73 74 75 76 78 79 80 80 80 84 84 85 85 85 87 87 89 89

10 Inhaltsverzeichnis aa) Unmittelbare Anwendbarkeit von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auf den Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut aufgrund seiner Rechtsnatur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Analoge Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auf den Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut? . . . . . . . cc) „Infizierung“ des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut durch den zugrunde liegenden Vergleich? . . . . dd) § 93 Abs. 4 S. 3 AktG als Teil des ordre public? . . . . . . ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verzicht oder Vergleich im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts, § 1051 Abs. 3 S. 1 ZPO . . . .

90 91 93 94 97 98

6. Kapitel

Thesenartige Zusammenfassung zu den besonderen Grundlagen 

99

Teil 4



Internationale Betrachtung 

101

1. Kapitel Grundlagen 

101

§ 1 Allgemeines zur Rechtsvergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 § 2 Ausgewählte Rechtskreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Kapitel

Länderbericht USA 

103

§ 1 US-amerikanisches Gesellschaftsrechtssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 § 2 Struktur der US-amerikanischen public corporation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 § 3 Haftungsregime in der US-amerikanischen public corporation . . . . . . . . . . . A. Haftungsvoraussetzung einer Innenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Duty of care (Sorgfaltspflicht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Duty of loyalty (Treuepflicht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schaden, Kausalität und Beweislast  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Haftungsgeltendmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Besonderheiten bei einem Prozessvergleich im Rahmen einer ­shareholders’ derivative suit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

106 106 107 107 109 110 111 112

§ 4 Thesenartige Zusammenfassung zum Länderbericht USA . . . . . . . . . . . . . . . 114

Inhaltsverzeichnis11 3. Kapitel

Länderbericht Frankreich 

115

§ 1 Französisches Gesellschaftsrechtssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 § 2 Struktur der französischen société anonyme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Assemblée générale (Hauptversammlung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Commissaires aux comptes (Abschlussprüfer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Dirigeant (Leitung der Gesellschaft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Monistisches System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Conseil d’administration (Verwaltungsrat) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Président du conseil d’administration (Präsident des Verwaltungsrats) und directeur général (Generalbevollmächtigter) . . . . a) Président du conseil d’administration (Präsident des Verwaltungsrats) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Directeur général (Generalbevollmächtigter) . . . . . . . . . . . . . c) Kumulation der Aufgaben (président directeur général, sog. PDG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Dualistisches System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Directoire (Vorstand) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Conseil de surveillance (Aufsichtsrat) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

116 116 117 118 118 118 120 120 120 121 121 122 123

§ 3 Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 § 4 Haftungsregime in der französischen Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . A. Haftungsvoraussetzungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Faute (Pflichtverletzung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Préjudice et lien de causalité (Schaden und Kausalität) . . . . . . . . . III. Rechtswidrigkeit und Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Haftungsgeltendmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Action social ut universi (Haftungsgeltendmachung durch die Gesellschaft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Action social ut singuli (Haftungsgeltendmachung durch einen Aktionär) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Möglichkeit eines Verzichts im Rahmen einer klageweisen Anspruchsgeltendmachung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Quitus (Entlastung) als Verzicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

124 124 124 126 126 127 127 127 128 129

§ 5 Thesenartige Zusammenfassung zum Länderbericht Frankreich . . . . . . . . . . . 129 4. Kapitel

Länderbericht Österreich 

130

§ 1 Österreichisches Gesellschaftsrechtssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 § 2 Struktur der österreichischen Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

12 Inhaltsverzeichnis § 3 Haftungsregime in der österreichischen Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 132 A. Haftungsvoraussetzungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 I. Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 1. Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 2. Treuepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 3. Sonstige Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 II. Schaden und Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 III. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 B. Haftungsgeltendmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 I. Haftungsgeltendmachung durch Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 II. Haftungsgeltendmachung durch die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 135 C. Möglichkeit eines Verzichts oder Vergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 D. Entlastung als Verzicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 E. Praktische Auswirkung der längeren Sperrfrist bei einem Verzicht oder Vergleich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 § 4 Thesenartige Zusammenfassung zum Länderbericht Österreich . . . . . . . . . . . 138 5. Kapitel

Thesenartige Zusammenfassung zu den untersuchten ausländischen Rechtsordnungen 

139

Teil 5



Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts bzw. Vergleichs in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG 

141

1. Kapitel

Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG 

§ 1 Zustimmung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Historische Entwicklung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zustimmungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Voraussetzungen der Zustimmungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beschlussfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Mehrheitserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Stimmrechtsausschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aktienrechtlicher Stimmrechtsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stimmrechtsausschluss wegen Gesamtschuldnerschaft . . . . . . . . IV. Ausmaß der Überprüfbarkeit der Zustimmungserklärung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

141 141 141 141 142 142 143 143 143 144 144 144 145

Inhaltsverzeichnis13 C. Kritik sowie eigene Bewertung und Forderungen de lege ferenda zum Hauptversammlungszustimmungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Stimmen für Abschaffung des Hauptversammlungszustimmungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Stimmen für Beibehaltung des Hauptversammlungszustimmungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zweispuriger Vorschlag de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Möglichkeit 1: Zustimmungsbeschluss durch Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Möglichkeit 2: Zustimmungsbeschluss durch Gericht . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Thesenartige Zusammenfassung zur Zustimmung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

150 150 151 152 153 153 153 159 161

§ 2 Kein Widerspruch durch eine Minderheit von 10 % des Grundkapitals . . . . . 162 A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 II. Historische Entwicklung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 B. Voraussetzungen eines Widerspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 I. Widerspruchsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 II. Berechnung des Quorums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 III. Widerspruchshandlung („zur Niederschrift“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 C. Kritik sowie eigene Bewertung und Forderungen de lege ferenda zum Minderheitenvetorecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 I. Stimmen für Abschaffung des Minderheitenvetorechts . . . . . . . . . . . 166 II. Stimmen für Beibehaltung des Minderheitenvetorechts . . . . . . . . . . 168 III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 1. Für Beibehaltung des Minderheitenvetorechts im Allgemeinen . 169 2. Für Beibehaltung des Minderheitenvetorechts in bisheriger Höhe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 a) Historische Entwicklung des Minderheitenrechts in § 147 Abs. 1 S. 1 AktG a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 b) Folgen aus dieser historischeren Entwicklung für das Widerspruchsrecht einer Minderheit in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 D. Thesenartige Zusammenfassung zum Widerspruchsrecht einer Minderheit von 10 % des Grundkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 § 3 Sperrfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Historische Entwicklung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Berechnung der Sperrfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beginn der Sperrfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

175 175 175 176 178 178

14 Inhaltsverzeichnis II. Ende der Sperrfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Möglichkeit einer Fristverkürzung durch teleologische Reduktion im Falle kartellrechtlicher Kronzeugenaussagen? . . . . . . . . . . . . . . . C. Kritik sowie eigene Bewertung und Forderungen de lege ferenda zur Sperrfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Stimmen für Abschaffung der Sperrfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Stimmen für Beibehaltung der Sperrfrist mit Modifikationen . . . . . III. Eigene Bewertung und Vorschläge de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . 1. Eigene Bewertung: Keine ersatzlose Streichung der Sperrfrist . . 2. Forderungen de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sperrfristaufhebung durch einstimmigen Hauptversammlungsbeschluss? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sperrfristaufhebung durch Gerichtszustimmung? . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Thesenartige Zusammenfassung zur Sperrfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

181 181 188 188 191 192 192 196 196 199 200 201

§ 4 Sonderregelung für Vergleich bei Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz, § 93 Abs. 4 S. 4 AktG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 § 5 Fehlerfolgen bei Verstoß gegen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG  . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 2. Kapitel

Rolle und Aufgaben des Aufsichtsrats im Rahmen einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung der Gesellschaft mit einem Vorstandsmitglied  206

§ 1 Überprüfbarkeit der Entscheidung des Aufsichtsrats? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 A. Strengste Auffassung: Bindung an die ARAG/Garmenbeck-Grundsätze . 207 B. Weiteste Auffassung: keine inhaltlichen Bindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 C. Zwischenweg: allgemeiner aktienrechtlicher Pflichtenmaßstab ­inklusive Anwendung der Business Judgment Rule . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 D. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 I. Ablehnung der Anwendung der ARAG/Garmenbeck-Grundsätze . . . 211 II. Ablehnung eines Maßstabes, der keine inhaltlichen Bindungen vorsieht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 III. Annahme des allgemeinen Sorgfaltsmaßstabes unter Anwendung der Business Judgment Rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 1. Bestimmung des Merkmals „unternehmerisch“ . . . . . . . . . . . . . . 216 2. Einordnung eines Verzichts bzw. Vergleichs als typisch „unternehmerische“ Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 E. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 § 2 Wegfall des Vorwurfs der Pflichtverletzung qua Anwendbarkeit des § 93 Abs. 4 S. 1 AktG auf Aufsichtsratsentscheidungen i. R. v. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 A. Befürworter einer Anwendung von § 93 Abs. 4 S. 1 AktG auf Entscheidungen des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222

Inhaltsverzeichnis15 B. In der Regel keine Anwendung von § 93 Abs. 4 S. 1 AktG auf Entscheidungen des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 C. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 § 3 Beschlussvorschlag für die Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Inhaltliche Anforderungen an die Beschlussvorlage . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Anforderungen an den Beschlussinhalt: vorgegebene Mindest­ vereinbarungssumme? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Folgen eines fehlerhaften Beschlussvorschlags des Aufsichtsrats für den späteren Hauptversammlungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

227 227 229 232

§ 4 Thesenartige Zusammenfassung zu Rolle und Aufgaben des Aufsichtsrats im Zusammenhang mit einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung mit einem Vorstandsmitglied  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Teil 6



Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse 

234

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262

Abkürzungsverzeichnis A.

Atlantic Reporter

A.2d

Atlantic Reporter, Second Series

a. A.

andere Ansicht

a. E.

am Ende

AG

Die Aktiengesellschaft/Aktiengesellschaft

AktG Aktiengesetz al. alinéa Ala.

Alabama Supreme Court

ArbRB

Der Arbeits-Rechts-Berater

Art. Article/Artikel BB Betriebs-Berater Begr. Begründung BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHSt

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BReg Bundesregierung BT-Drucks.

Drucksachen und Plenarprotokolle des Bundestages

CA

Cour d’Appel

Cass. com.

Cour de Cassation, Chambre Commerciale

CC

Code civil

CCom

Code de commerce

CCZ Corporate-Compliance-Zeitschrift Cir. Circuit Co. Company DAV

Deutscher Anwaltverein

DB

Der Betrieb

D.C. Mass.

United States District Court for the District of Massachusetts

Del.

Delaware Supreme Court

Del. Ch.

Delaware Court of Chancery

Del. Gen. Corp. L.

Delaware General Corporation Law

Abkürzungsverzeichnis17 ders./dies. derselbe/dieselbe d. h.

das heißt

DIS

Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e. V.

DJT

Deutscher Juristentag

DStR

Deutsches Steuerrecht

DZWIR

Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht

EAktG

Entwurf des Aktiengesetzes

Einl. Einleitung EWiR

Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht

f. folgende/r/s F.2d

Federal Reporter, Second Series

FamFG

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

Fn. Fußnote F. R. D.

Federal Rules Decisions

F. Supp.

Federal Supplement

GG Grundgesetz GmbHG

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung

GWR

Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht

i. d. F.

in der Fassung

i. E.

im Ergebnis

Inc. Incorporated i. R. e.

im Rahmen eine/r/s

i. R.v.

im Rahmen von

i. V. m.

in Verbindung mit

IWRZ

Zeitschrift für Internationales Wirtschaftsrecht

JZ Juristenzeitung KG Kammergericht KonTraG

Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich

L. Loi LG Landgericht MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

Minn.

Minnesota Supreme Court

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

N. E.

North Eastern Reporter

N. H.

New Hampshire Supreme Court/New Hampshire Reports

N. J.

New Jersey Supreme Court

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

18 Abkürzungsverzeichnis N. W. 2d

North Western Reporter, Second Series

N. Y.

New York Court of Appeals

NZA

Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht

NZG

Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

öAktG

österreichisches Aktiengesetz

OGH

Oberster Gerichtshof (Österreich)

OLG Oberlandesgericht R. Réglementaire Rdnr./Rdnrn. Randnummer/Randnummern RdW

Österreichisches Recht der Wirtschaft

RegE

Gesetzesentwurf der Bundesregierung

RGBl. Reichsgesetzblatt RGZ

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

R. M. B. C. A.

Revised Model Business Corporation Act

r + s

recht + schaden

S. A.

Société Anonyme

SchiedsVfG Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz SchiedsVZ

Zeitschrift für Schiedsverfahren

S. Ct.

Supreme Court (Federal)/Supreme Court Reporter

S. D. N. Y.

United States District Court for the Southern District of New York

So.2d

Southern Reporter, Second Series

sog. sogenannte/r/s SpV

Spektrum für Versicherungsrecht

StPO Strafprozessordnung u. a.

unter anderem

UMAG

Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts

U. S./US

United States Report/United States

u. U.

unter Umständen

v. versus VersPrax Versicherungspraxis VersR Versicherungsrecht vgl. vergleiche VorstAG

Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung

VVG Versicherungsvertragsgesetz WM

Wertpapier-Mitteilungen: Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht

Abkürzungsverzeichnis19 z. B. zum Beispiel ZfPW Zeitschrift für die gesamte Privatrechtswissenschaft ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZPO Zivilprozessordnung ZVglRWiss Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft ZWeR Zeitschrift für Wettbewerbsrecht ZZP Zeitschrift für Zivilprozeß

Teil 1

Einleitung 1. Kapitel

Problemaufriss und Gang der Untersuchung „Siemens muss 201 Millionen Euro Strafe zahlen“.1 Sieben Jahre später: „Ex-Siemens-Vorstand soll 2,5 Millionen Euro zahlen“.2 Oder: „Kirch-Vergleich kostet Deutsche Bank 925 Millionen Euro“.3 Zwei Jahre später: „Kirch-Interview kostet Breuer 3,2 Millionen Euro“.4 Schlagzeilen wie diese finden sich in der deutschen Presse in den vergangenen Jahren immer häufiger. Auffällig hierbei: Während die Aktiengesellschaften mit steigenden Schadenssummen konfrontiert sind – VW musste, Stand September 2018, im Rahmen der Diesel-Affäre in den USA und Deutschland schon Zahlungen im zweistelligen Milliardenbereich leisten5 –, bleiben die Gesellschaften nicht selten auf diesen erheblichen Summen sitzen. Grund dafür ist u. a. der Trend zur gütlichen Streitbeilegung zwischen einer AG (oder SE) und ihrem Organ1  FAZ, Siemens muss 201 Millionen Euro Strafe zahlen, abrufbar unter: https:// www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/schmiergeldskandal-siemens-muss-201millionen-euro-strafe-zahlen-1492644.html (zuletzt abgerufen am 04.12.2019). 2  FAZ, Ex-Siemens-Vorstand soll 2,5 Millionen Euro zahlen, abrufbar unter: ­https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/neubuerger-soll-2-5-mio-wegenkorruption-an-siemens-zahlen-13317923.html (zuletzt abgerufen am 04.12.2019). 3  FAZ, Kirch-Vergleich kostet Deutsche Bank 925 Millionen Euro, abrufbar unter: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/einigung-kirch-vergleich-kostet-deutsche-bank925-millionen-euro-12811381.html (zuletzt abgerufen am 04.12.2019). 4  manager magazin, Kirch-Interview kostet Breuer 3,2 Millionen Euro, abrufbar unter: http://www.manager-magazin.de/unternehmen/personalien/deutsche-bank-milli onen-vergleich-mit-ex-chef-rolf-breuer-a-1084800.html (zuletzt abgerufen am 04.12. 2019). 5  Im September 2018 hatte VW bereits 27 Milliarden Euro im Zusammenhang mit der Diesel-Affäre aufwenden müssen: Deutschlandfunk, Ein technischer Jahrhundertbetrug, abrufbar unter: https://www.deutschlandfunk.de/drei-jahre-dieselskandal-eintechnischer-jahrhundertbetrug.724.de.html?dram:article_id=428346 (zuletzt abgerufen am 04.12.2019). Zu einer Milliarde Euro Bußgeld wurde VW hierbei von der Staatsanwaltschaft Braunschweig verurteilt: Süddeutsche Zeitung, VW muss eine Milliarde Euro Strafe zahlen, abrufbar unter: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/diesel-affaere-vwmuss-eine-milliarde-euro-strafe-zahlen-1.4015308 (zuletzt abgerufen am 04.12.2019).

22

Teil 1: Einleitung

mitglied mittels eines Vergleichs oder eines vollständigen Anspruchverzichts. Wie die eingangs zitierten Schlagzeilen verdeutlichen, decken die Vergleichssummen nicht selten nur einen Bruchteil des Schadens ab, der der Gesellschaft entstanden ist. Geht es um die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs, ist vertretungsberechtigtes Organ in der Regel der Vorstand für Ansprüche gegen den Aufsichtsrat und umgekehrt (§ 78 Abs. 1 S. 1 AktG, Vertretungsberechtigung des Vorstands; § 112 S. 1 AktG, Vertretungsberechtigung des Aufsichtsrats). Der Gesetzgeber hat früh erkannt, dass insbesondere die unbeteiligten Aktionäre gesetzlichen Schutzes bedürfen, wenn die Gesellschaft – statt einer vollständigen Inanspruchnahme des Organmitgliedes – einen Verzicht oder Vergleich mit einem Vorstandsmitglied vereinbart. Eine erste Regelung – zunächst nur für Ansprüche aus der Gründung – fand sich in Art. 213d ADHGB1884. Danach war ein Verzicht oder Vergleich erst nach Ablauf einer dreijährigen Sperrfrist und mit Zustimmung der Hauptversammlung möglich, wobei kein Widerspruch einer zwanzigprozentigen Minderheit erhoben sein durfte. Das Aktiengesetz i. d. F. von 1937 weitete diese Regelung auf alle – also nicht nur aus der Gründung folgende – Ansprüche aus und so regelt § 93 Abs. 4 S. 3 AktG heute: „Die Gesellschaft kann erst drei Jahre nach der Entstehung des Anspruchs und nur dann auf Ersatzansprüche verzichten oder sich über sie vergleichen, wenn die Hauptversammlung zustimmt und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt.“

Aufgrund zunehmender Organhaftungsansprüche findet der Tatbestand betreffend Verzicht und Vergleich vermehrt Anwendung. Erging 2014 seitens des Bundesgerichtshofs das erste höchstrichterliche Urteil, in dem sich dieser mit dem Anwendungsbereich von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auseinandersetzte,6 interessiert sich zunehmend auch die Literatur für diese Regelung. Allein im Jahr 2018 war § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Anknüpfungspunkt zweier Dissertationen7 (wenngleich mit anderem Schwerpunkt als in dieser Arbeit), und neben der Publikation diverser Aufsätze befasste sich selbst der Deutsche Juristentag 2014 mit diesem Thema.8 6  BGHZ

202, 26. Disposition über Organhaftungsansprüche; Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive. 8  Die Beschlüsse I.7.a) und I.7.b) befassten sich mit Änderungsvorschlägen zum Tatbestand der Regelung, Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, 70. DJT 2014, Sitzungsberichte – Referate und Beschlüsse Abteilung Wirtschaftsrecht, N 63. Grundlage hierfür waren Anregungen in dem von Bachmann im Voraus erstatteten Gutachten, Bachmann, 70. DJT 2014, Gutachten, E 48 ff. Diese waren von Sailer-Coceani und Kremer in ihren Referaten aufgegriffen worden, Ständige Depu7  Dendl,



1. Kap.: Problemaufriss und Gang der Untersuchung23

Die vorliegende Arbeit untersucht Hintergründe, Anwendungsbereich und Auswirkungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG aus dem Blickwinkel praktischer Relevanz sowie aus dogmatischer und rechtsvergleichender Sicht, mit dem Ziel, die zu diesem Thema geführte Diskussion wertbringend anzureichern. Nach diesem einleitenden ersten Teil beginnt der zweite Teil mit der Vorstellung des Haftungsregimes im deutschen Gesellschaftsrecht im Allgemeinen und in der Aktiengesellschaft im Besonderen (Teil 2, 1. Kapitel). Heutzutage eng mit dem Thema Haftung verknüpft ist das Thema der Versicherung vor Haftung, weshalb überblickartig auf die speziell für Führungskräfte entwickelte sog. „D&O-Versicherung“ (Directors’ and Officers’ LiabilityVersicherung) und deren Einfluss auf Verzichts- und Vergleichsvereinbarungen eingegangen wird (Teil 2, 2. Kapitel). Im dritten Teil wird anhand zweier jüngerer Beispiele der Anwendungsbereich von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG beispielhaft aufgezeigt (Teil 3, 1. Kapitel), um sodann mittels der Ergebnispräsentation einer Untersuchung der insbesondere in den vier großen deutschen Indizes gelisteten Aktiengesellschaften in Bezug auf Verzichts- und Vergleichsvereinbarungen zwischen 2003 und Anfang März 2019 die Aktualität des Themas zu verdeutlichen (Teil 3, 2. Kapitel). Daran anschließend werden mögliche Gründe aufseiten einer AG für den Abschluss einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung dargelegt (Teil 3, 3. Kapitel), bevor die historische Entwicklung von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG (Teil 3, 4. Kapitel) sowie der Anwendungsbereich der Norm herausgearbeitet werden (Teil 3, 5. Kapitel). Der vierte Teil der Arbeit blickt auf die Rechtsordnungen anderer Länder (USA, Frankreich und Österreich), um hieraus Anregungen für mögliche Änderungen de lege ferenda im hiesigen Recht zu gewinnen. Untersucht wird zunächst, inwieweit die ausländischen Rechtsnormen eine der deutschen AG vergleichbare Gesellschaftsform kennen, um anschließend das hierfür geltende Haftungsregime und ggf. ähnliche verzichts- bzw. vergleichsregulierende Vorschriften zu beleuchten. Im fünften Teil der Arbeit werden die in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG geregelten Tatbestandsvoraussetzungen detailliert in den Blick genommen. Die jeweiligen Problemfelder werden aufgezeigt und unter Heranziehung dogmatischer sowie rechtsvergleichender Ansätze werden neue Lösungsvorschläge erarbeitet (Teil 5, 1 Kapitel). Hierbei werden auch Rolle und Aufgaben des Aufsichtsrats als Vertreter der Gesellschaft betrachtet (Teil 5, 2. Kapitel). Abschließend werden im sechsten Teil die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst. tation des Deutschen Juristentages, 70. DJT 2014, Sitzungsberichte – Referate und Beschlüsse Abteilung Wirtschaftsrecht, N 19 sowie N 41 f.

24

Teil 1: Einleitung

2. Kapitel

Themenbegrenzung Thematisch beschränkt sich die Arbeit auf den „klassischen“ Anwendungsfall von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG: dem Verzicht oder Vergleich zwischen einer AG und einem ihrer Vorstandsmitglieder. Besonderheiten wie z. B. im Rahmen von Konzernverhältnissen (§ 309 Abs. 3 AktG)9 oder im Zusammenhang mit der Gründungshaftung (§ 50 AktG)10 wurden bewusst ausgenommen, um die Übersichtlichkeit sicherzustellen. Ausgeklammert sind zudem Vereinbarungen zwischen der Gesellschaft und einem Aufsichtsratsmitglied, wenngleich gemäß dem Verweis in § 116 S. 1 AktG die Regelung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG ebenfalls Anwendung findet und dieser Fall überwiegend gleich zu behandeln wäre. Selbst wenn nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wird, umfasst die Darstellung Vereinbarungen mit amtierenden sowie mit bereits ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern. Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass letzteres Szenario (eine Vereinbarung mit bereits ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern) in der Praxis den deutlich relevanteren Anwendungsfall darstellt.11

9  Hierzu ausführlich in der Arbeit von Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche. 10  Diesen Fall behandelt u. a. Wigand, Haftungsbeschränkungen, 326 ff. 11  Die Untersuchung zur Relevanz der Regelung ergab, dass, sofern sich eine Gesellschaft mit einem Vorstandsmitglied gütlich einigte, die Betroffenen immer schon aus dem Unternehmen ausgeschieden waren. Hierzu ausführlich unter Teil 3, 2. Kapitel: Bestandsaufnahme zur Relevanz von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, S. 50.

Teil 2

Allgemeine Grundlagen 1. Kapitel

Haftungsregime § 1 Allgemein: Haftungsregime im deutschen Gesellschaftsrecht Das deutsche Gesellschaftsrecht unterscheidet zwischen zwei Gesellschaftsformen: den Personengesellschaften und den Kapitalgesellschaften. Zur ersten Gruppe gehören die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die offene Handelsgesellschaft (oHG) sowie die Kommanditgesellschaft (KG); zur zweiten Gruppe die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) sowie die Aktiengesellschaft (AG).1 Haftungsrechtlich unterscheiden sich die Gesellschaftstypen grundlegend. Wie bereits die Bezeichnung ausdrückt, werden im Personengesellschaftsrecht die Gesellschaften von den beteiligten Personen geprägt. Sowohl im Außen- als auch im Innenverhältnis haften die Anteilseigner – sofern sie die Stellung der persönlich haftenden Gesellschafter einnehmen2 – mit ihrem Privatvermögen unbegrenzt; eine Trennung zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen findet nicht statt. Bei den Kapitalgesellschaften liegt der Fokus hingegen auf den Kapitalbeteiligungen. Im Gegensatz zu den Personengesellschaften ist daher auch eine Fremdorganschaft möglich. Die leitenden Positionen können also von Personen ausgeübt werden, die selbst nicht an der Gesellschaft beteiligt sind. Im Außenverhältnis steht den Gläubigern im Haftungsfall regelmäßig nur das Gesellschaftskapital zur Verfügung.3 Die direkte Geltendmachung von Haftungsansprüchen gegenüber den Geschäftsleitern ist nur in sehr engen Grenzen möglich.

1  Die KGaA ist eine Mischform aus KG und AG, die – obwohl Komplementäre persönlich haften – als Kapitalgesellschaft eingestuft wird, MünchKomm AktG/Perlitt, § 278 AktG Rdnr. 3; Spindler/Stilz/Bachmann, AktG, § 278 AktG Rdnr. 14. 2  Dies gilt in der KG für die Komplementäre sowie für diejenigen Kommanditisten, die ihre Einlage noch nicht vollständig eingezahlt haben, vgl. § 161 Abs. 1, § 171 Abs. 1 HGB. 3  Vgl. für die GmbH § 13 Abs. 2 GmbHG, für die AG § 1 Abs. 1 S. 2 AktG.

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Teil 2: Allgemeine Grundlagen

§ 2 Konkret: Haftungsregime in der AG A. Außenhaftung In der Aktiengesellschaft haften die Organe regelmäßig nicht gegenüber Dritten. Der in § 93 Abs. 2 S. 1 AktG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Haftungskonzentration bezweckt eine gleichmäßige Verteilung von Ersatzleistungen von Organmitgliedern an alle Gesellschaftsgläubiger.4 Gleichwohl wird in engen Grenzen ein direkter Durchgriff auf Organmitglieder einer AG zugelassen.5 Im Grundsatz ist dennoch weiterhin von einem eng begrenzen Regel-Ausnahme-Verhältnis auszugehen, nach welchem den Gesellschaftsgläubigern im Außenverhältnis allein das Gesellschaftsvermögen zur Verfügung steht.

B. Innenhaftung Verletzt ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft ihm auferlegte Pflichten, woraus der Gesellschaft ein kausaler Schaden entsteht, so ist das Organmitglied der Gesellschaft zum Ersatz des Schadens verpflichtet, solange es dem Verschuldensvorwurf nicht begründet entgegentreten kann, § 93 Abs. 2 S. 1, 2 AktG. I. Regelungszweck Die Regelung, dass ein Vorstandsmitglied im Innenverhältnis gegenüber der von ihm geführten Aktiengesellschaft persönlich für Schäden aufgrund einer schuldhaften Pflichtverletzung einzustehen hat, verfolgt im Wesentlichen drei Zwecke:

4  BGH, NJW 1987, 1077, 1079; Berger, Vorstandshaftung und Beratung, 37; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 307. 5  Beispielsweise ein Direktanspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB aufgrund eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, BGHZ 166, 84, 115 f. (Kirch/Deutsche Bank/Breuer-Urteil). Zudem beispielsweise bei besonderen Gefährdungslagen im Recht der verbundenen Unternehmen (§ 318 Abs. 1 AktG) oder außergewöhnlichen Sachverhaltsgestaltungen im Umwandlungsrecht (§ 25 Abs. 1 UmwG), Fleischer, ZGR 2004, 437, 444. Ebenso ist eine direkte Außenhaftung ausnahmsweise etwa bei vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung eines Dritten möglich (§ 826 BGB), Merkt, Festschrift Hommelhoff, 711, 714.



1. Kap.: Haftungsregime27

Erstens dient die persönliche Haftung des Organmitglieds dazu, der Gesellschaft den erlittenen Schaden auszugleichen; sie dient also der Schadenskompensation.6 Zweitens verfolgt die Regelung den Zweck der Schadensprävention: Die Aussicht auf persönliche Inanspruchnahme soll Vorstandsmitglieder zur Sorgfalt an- und von schadensanfälligen Handlungen abhalten.7 Drittens soll die Regelung der persönlichen Haftung von Vorstandsmitgliedern dem Gläubigerschutz dienen.8 Verdeutlicht wird dies durch § 93 Abs. 3 und Abs. 5 AktG, wo die Sanktionierung nicht erlaubter Geldabflüsse den besonderen Schutz des Gesellschaftsvermögens in den Fokus stellt und Gläubigern die Möglichkeit der Anspruchsgeltendmachung für die Gesellschaft eröffnet wird. II. Haftungsvoraussetzungen § 93 Abs. 2 S. 1 AktG verpflichtet diejenigen Vorstandsmitglieder zur Haftung gegenüber der Gesellschaft, die ihre Pflichten verletzen. Voraussetzung für eine Inanspruchnahme durch die Gesellschaft ist daher: Das in Anspruch genommene Organmitglied muss die Vorstandseigenschaft innehaben (1.), es muss eine ihm auferlegte Pflicht verletzt haben (2.), die Pflichtverletzung muss schuldhaft erfolgt sein (3.), der Gesellschaft muss aus der Pflichtverletzung ein Schaden entstanden sein (4.) und schließlich muss die Pflichtverletzung kausal für den Schaden gewesen sein (5.). 1. Vorstandseigenschaft

Die persönliche Haftung des Vorstandes nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG knüpft an dessen Organstellung an.9 Nicht von Bedeutung ist, ob ein wirksames

6  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 28; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 1; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 6; Spindler/Stilz/ Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 2. 7  Goette, Festschrift BGH, 123, 124; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 28; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 1; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 2. 8  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 29; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 1; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 2. 9  Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, AktG, § 93 AktG Rdnr. 58; GroßKomm AktG/Hopt/ Roth, § 93 AktG Rdnr. 349; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 12; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 178. Stellvertretende Vorstandsmitglieder i. S. v. § 94 AktG haften wie ordentliche Vorstandsmitglieder, hierzu z. B. NK AktG/Oltmanns, § 94 AktG Rdnr. 1.

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Teil 2: Allgemeine Grundlagen

Anstellungsverhältnis mit der Gesellschaft besteht.10 Für den Beginn der Haftung ist insofern die Aufnahme der Tätigkeit als Organmitglied relevant.11 Die persönliche Haftung nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG endet grundsätzlich mit der Niederlegung und tatsächlichen Aufgabe des Amtes.12 Einige Pflichten wirken allerdings nach, wie etwa die Verschwiegenheitspflicht aus § 93 Abs. 1 S. 3 AktG.13 2. Pflichtverletzung

Die persönliche Haftung eines Vorstandsmitgliedes setzt eine Pflichtverletzung voraus, § 93 Abs. 2 S. 1 AktG. Welches die dem Vorstandsmitglied auferlegten Pflichten sind, ist gesetzlich nicht abschließend geregelt.14 Ausdrücklich normierte Pflichten finden sich u. a. in §§ 76 Abs. 1, 80, 81, 83, 88, 90, 91, 92 AktG sowie § 15a InsO. Auch aus dem Anstellungsvertrag können sich individuell vereinbarte Pflichten ergeben.15 Übergeordnet lassen sich die für jedes Vorstandsmitglied bei Ausübung seiner Tätigkeit geltenden Pflich10  BGHZ 41, 282, 287; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnrn. 349 f.; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 2; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 178. 11  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 351; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 13; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 2; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 178; Wachter/Link, AktG, § 93 AktG Rdnr. 2. A. A., die auf die Annahme des Amtes abstellt: Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 40; NK AktG/U. Schmidt, § 93 AktG Rdnr. 2. Für die GmbH ebenfalls auf den Zeitpunkt der wirksamen Annahme abstellend: BGH, NJW 1997, 2027; BGH, NJW-RR 1986, 1293. 12  BGHZ 47, 341, 343; Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, AktG, § 93 AktG Rdnr. 58; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 352; Kölner Komm AktG/Mertens/ Cahn, § 93 AktG Rdnr. 41; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 14; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 179. A. A., die allein auf den Zeitpunkt des wirksamen Widerrufs abstellt: Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, AktG, § 93 AktG Rdnr.  28; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 37. 13  Begründung der BReg zum Entwurf des AktG 1965, BT-Drucks. IV/171, 132; Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, AktG, § 93 AktG Rdnr. 51; GroßKomm AktG/Hopt/ Roth, § 93 AktG Rdnr. 353; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 31; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnrn. 95, 112, 122; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnrn. 14, 149. 14  Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, AktG, § 93 AktG Rdnr. 29; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 200. So i. E. auch Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 40. 15  Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, AktG, § 93 AktG Rdnr. 29; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 40; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnrn. 4, 124; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 31; Spindler/Stilz/ Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 201.



1. Kap.: Haftungsregime29

ten in drei Pflichtenkreise unterteilen: Sorgfalts- und Treuepflichten16 sowie Pflichten aus dem Anstellungsvertrag.17 a) Sorgfaltspflichten Die allgemeine Sorgfaltspflicht lässt sich ihrerseits in drei Unterpflichten aufteilen: eine sog. Legalitätspflicht, eine Sorgfaltspflicht im engeren Sinne sowie eine Überwachungspflicht.18 aa) Legalitätspflicht Bei Ausübung seiner Tätigkeit trifft jedes Vorstandsmitglied die Pflicht, sich im Einklang mit Recht und Gesetz zu verhalten.19 Erfasst sind sowohl Pflichten im Innenverhältnis zur AG als auch im Außenverhältnis gegenüber Dritten.20 bb) Sorgfaltspflicht im engeren Sinne (1) Maßstab Die Sorgfaltspflicht im engeren Sinne wird durch § 93 Abs. 1 S. 1 AktG bestimmt, der neben der Umschreibung des Sorgfaltsmaßstabes auch eine generalklauselartige Umschreibung der objektiven Verhaltenspflichten für Vorstandsmitglieder enthält.21 Danach haben Vorstandsmitglieder „bei ihrer 16  Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 31; Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, AktG, § 93 AktG Rdnr. 24; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 52. 17  Bürgers/Körber/Bürges, AktG, § 93 AktG Rdnrn. 19, 31; GroßKomm AktG/ Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 321; Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, AktG, § 93 AktG Rdnr. 29; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 40; Kölner Komm AktG/Mertens/ Cahn, § 93 AktG Rdnr. 124; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 201. 18  Die Termini variieren zwischen den einzelnen Autoren. Die hier verwendete Bezeichnung wählt auch Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 12. 19  BGHZ 194, 26, 33 f.; BGHSt 55, 266, 275 f.; LG München I, AG 2014, 332, 333 (Siemens/Neubürger); Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 7; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 132; Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, AktG, § 93 AktG Rdnr. 7a; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 54; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 6; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 86; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 7; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 14; Wachter/Link, AktG, § 93 AktG Rdnr. 12. 20  Merkt, Festschrift Hommelhoff, 711, 713; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnrn. 86 f.; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnrn. 14 ff. 21  OLG Frankfurt a. M., AG 2011, 918, 919; Bürgers/Körber/Bürgers, AktG; § 93 AktG Rdnr. 2; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnrn. 43, 58; Henssler/

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Teil 2: Allgemeine Grundlagen

Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden“. Maßgeblich ist, wie sich ein pflichtbewusster, selbständiger Unternehmensleiter, dessen Tätigkeit der eines Treuhänders fremder Vermögensinteressen gleicht, in einem Unternehmen gleicher Art verhalten würde.22 Maßstab ist hierbei die objektive ex-ante-Perspektive.23 (2) Business Judgment Rule Im Rahmen der Sorgfaltspflicht im engeren Sinne kann dem Vorstandsmitglied ein unternehmerisches Ermessen zukommen, ohne welches ein Handeln in der Gesellschaft schlechterdings nicht möglich wäre.24 Dafür muss es sich bei einer Entscheidung um eine unternehmerische Entscheidung handeln, bei welcher das Vorstandsmitglied vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohl der Gesellschaft zu handeln, § 93 Abs 1 S. 2 AktG. Greift die sog. Business Judgment Rule zugunsten des Vorstandsmitglieds, unterliegt die Entscheidung nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle.25 cc) Überwachungspflicht Ebenfalls Teil der allgemeinen Sorgfaltspflichten ist die Pflicht zur horizontalen und vertikalen Überwachung.26 Unter der horizontalen ÜberwaStrohn/Dauner-Lieb, AktG, § 93 AktG Rdnr. 6; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 5; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 11; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 21; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 6; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 10; Wachter/ Link, AktG, § 93 AktG Rdnrn. 6, 67. A. A. Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, AktG, § 93 AktG Rdnr. 4; Hüffer, Festschrift Raiser, 163, 165 ff., die in § 93 Abs. 1 S. 1 AktG keine Konkretisierung des Inhalts der Leitungspflicht sehen. 22  OLG Köln, AG 2013, 570, 571; OLG Hamm, AG 1995, 512, 514; Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 3; Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, AktG, § 93 AktG Rdnr. 7; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 26; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 6; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, AktG, § 93 AktG Rdnr. 10; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 25; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 6; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 41. 23  BGHZ 179, 71, 78; BGHZ 175, 365, 368 f.; LG Essen, NZG 2012, 1307, 1308; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 61; Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, AktG, § 93 AktG Rdnr. 7; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 25; Schmidt/ Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93AktG Rdnr. 6. 24  BGHZ 135, 244, 253 f. 25  Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 9. 26  Hölters/Hölters; AktG, § 93 AktG Rdnr. 80; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr.  95 f.



1. Kap.: Haftungsregime31

chung versteht man die Kontrolle der gleichgeordneten Unternehmensleitung, sofern die Vorstandsarbeit intern aufgeteilt ist.27 Die vertikale Überwachungspflicht betrifft die Überwachung untergeordneter Ebenen des Unternehmens.28 b) Treuepflichten Grundlage der für Vorstandsmitglieder geltenden Treuepflicht ist ihre Organstellung.29 Auch die Treuepflichten lassen sich in drei Unterpflichten aufteilen: eine Treuepflicht im engeren Sinne, Verschwiegenheitspflichten sowie das Wettbewerbsverbot.30 aa) Treuepflicht im engeren Sinne Die Treuepflicht im engeren Sinne verlangt von den Vorstandsmitgliedern ein Handeln, welches nicht von fremden (d. h. auch persönlichen) Interessen gesteuert wird, sondern sich allein am Wohl der Gesellschaft orientiert.31 bb) Verschwiegenheitspflicht Als Ausprägung der organschaftlichen Treuepflicht32 normiert § 93 Abs. 1 S. 3 AktG die Pflicht der Vorstandsmitglieder, über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft Stillschweigen zu bewahren (sog. Verschwie27  Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnrn. 84 ff.; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 95. 28  Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnrn. 87 ff.; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 96. 29  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 224; Henssler/Strohn/DaunerLieb, AktG, § 93 AktG Rdnrn. 4, 8; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 114; Hüffer/Koch, AktG, § 84 AktG Rdnr. 10; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 21; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 117. 30  Diese Einteilung nimmt i. E. auch Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 113 vor. Die Termini variieren auch hier bei den einzelnen Autoren. 31  Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, AktG, § 93 AktG Rdnr. 44; GroßKomm AktG/ Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 227; Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, AktG, § 93 AktG Rdnr. 9; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 114; Schmidt/Lutter/Krieger/SailerCoceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 21; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 114. 32  Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, AktG, § 93 AktG Rdnr. 50; GroßKomm AktG/ Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 279; Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, AktG § 93 AktG Rdnr. 10; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 133; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 29; Merkt, Festschrift Hommelhoff, 711, 714; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 130; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 160.

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Teil 2: Allgemeine Grundlagen

genheitspflicht). Damit der Nutzen der Verschwiegenheitspflicht nicht mit Beendigung des Vorstandsamtes zunichte gemacht wird, dauert diese im Interesse der Gesellschaft auch darüber hinaus an.33 cc) Wettbewerbsverbot Auch das in § 88 Abs. 1 AktG geregelte Wettbewerbsverbot ist Ausfluss der organschaftlichen Treuepflicht.34 Danach ist es Vorstandsmitgliedern untersagt, ohne Einwilligung des Aufsichtsrats ein Handelsgewerbe zu betreiben oder im Geschäftszweig der Gesellschaft selbst Geschäfte zu tätigen. 3. Verschulden

Damit ein Vorstandsmitglied nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG der Gesellschaft gegenüber einzustehen hat, muss die Pflichtwidrigkeit schuldhaft begangen worden sein. Der Maßstab, an dem sich das Verschulden misst, ist die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, § 93 Abs. 1 S. 1 AktG (Doppelfunktion des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG).35 Dieser objektiv typisierte Verschuldensmaßstab orientiert sich an den allgemeinen Anforderungen an eine Vorstandstätigkeit,36 nicht an den individuellen Fertigkeiten des jeweiligen Betroffenen. Bereits leichte Fahrlässigkeit begründet ein Verschulden des Vorstandsmitglieds.37 33  Begründung der BReg zum Entwurf des AktG 1965, BT-Drucks. IV/171, 132; Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, AktG, § 93 AktG Rdnr. 51; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 31; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 122; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 149. 34  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 247; Henssler/Strohn/DaunerLieb, AktG, § 93 AktG Rdnr. 9; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 153; Hüffer/ Koch; AktG, § 84 AktG Rdnr. 10; Merkt, Festschrift Hommelhoff, 711, 714; Schmidt/ Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 21; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 AktG Rdnr. 175. 35  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 391; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 248; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 43; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 136; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 198; Patzina/Bank/Schimmer/Simon-Widmann/Patzina, Kapitel 12 Rdnr. 1; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, §  93 AktG Rdnr.  34; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 205. 36  RGZ 163, 200, 208 f.; Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 21b; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 392; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 43; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnrn. 136 f.; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 199; Patzina/Bank/Schimmer/Simon-Widmann/Patzina, Kapitel 12 Rdnr. 1; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 205. 37  Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 21c; GroßKomm AktG/Hopt/ Roth, § 93 AktG Rdnr. 392; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 251; Patzina/



1. Kap.: Haftungsregime33 4. Schaden

Der Gesellschaft muss ein Schaden entstanden sein. Die Berechnung des Schadens erfolgt nach §§ 249 ff. BGB.38 Auch ein entgangener Gewinn ist somit ersatzfähig (§ 252 BGB). 5. Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden

Die vom Vorstandsmitglied begangene Pflichtverletzung muss kausal für den Schaden sein.39 Die Adäquanztheorie findet Anwendung, sodass solche Schäden nicht als kausal anzusehen sind, die außerhalb der allgemeinen Wahrscheinlichkeit liegen.40 Gelingt der eindeutige Nachweis, dass der Schaden auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre, entfällt die Ersatzpflicht.41 6. Beweislast

§ 93 Abs. 2 S. 2 AktG regelt die Verteilung der Beweislast: Ist streitig, ob ein Vorstandsmitglied die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewendet hat, so trifft dieses die Beweislast dafür, dass die erforderliche Sorgfalt angewendet wurde. Exkulpationspflichtig ist das Vorstandsmitglied sowohl hinsichtlich des eigenen Verschuldens (subjektive Bank/Schimmer/Simon-Widmann/Patzina, Kapitel 12 Rdnr. 2; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 206; Wachter/Link, AktG, § 93 AktG Rdnr. 61. 38  OLG Düsseldorf, AG 1997, 231, 237; Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 22; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnrn. 406, 409; Wachter/ Link, AktG, § 93 AktG Rdnr. 70. 39  Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 23; GroßKomm AktG/Hopt/ Roth, § 93 AktG Rdnr. 413; Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, AktG, § 93 AktG Rdnr. 35; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 262; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 47; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 196; Schmidt/Lutter/Krieger/SailerCoceani, AktG, § 93 AktG Rdnr 40; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 215. 40  Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 23; GroßKomm AktG/Hopt/ Roth, § 93 AktG Rdnr. 413; Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, AktG, § 93 AktG Rdnr. 35; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 47; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 40; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 215. 41  Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 23; GroßKomm AktG/Hopt/ Roth, § 93 AktG Rdnr. 415; Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, AktG, § 93 AktG Rdnr. 35; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 262; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 144; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 196; Schmidt/ Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 40; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 216.

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Teil 2: Allgemeine Grundlagen

Pflichtwidrigkeit) als auch der Rechtswidrigkeit (objektive Pflichtwidrigkeit) des Verhaltens.42 7. Möglichkeit eines Haftungsausschlusses

Beruht die Pflichtverletzung des Vorstandes auf einem wirksamen Beschluss der Hauptversammlung, tritt die Ersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft gem. § 93 Abs. 4 S. 1 AktG nicht ein. Grund hierfür ist die gesetzliche Verpflichtung des Vorstandes gem. § 83 Abs. 2 AktG, Beschlüsse der Hauptversammlung, die in deren Zuständigkeit beschlossen werden, auszuführen. Könnte der Vorstand angesichts dieser gesetzlichen Verpflichtung gleichwohl in Anspruch genommen werden, verstieße dies gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.43 III. Haftungsgeltendmachung Die AG als juristische Person bedarf Dritter für die Geltendmachung der ihr zustehenden Ansprüche. 1. Geltendmachung durch den Aufsichtsrat

Die Geltendmachung des Anspruchs erfolgt durch einen Vertreter der Gesellschaft. In der Regel wird die AG durch ihren Vorstand vertreten, § 78 Abs. 1 S. 1 AktG. Hat hingegen ein aktives oder ehemaliges44 Vorstandsmitglied einen Schaden hervorgerufen, nimmt der Aufsichtsrat die Vertreterrolle für die AG ein, § 112 S. 1 AktG. Nur so kann eine neutrale Vertretung der Gesellschaft sichergestellt werden.45 42  BGHZ 202, 26, 38 f.; BGHZ 152, 280, 283; BGH NJW 1986, 54, 55 (für die GmbH); OLG Hamm, AG 1995, 512, 513; Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 27; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 435; Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, AktG, § 93 AktG Rdnr. 36; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 53; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 140; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 204; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 41; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 222; Wachter/Link, AktG, § 93 AktG Rdnr. 75. 43  Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 32; Canaris, ZGR 1978, 207, 209; Handbuch Vorstandsrecht/Fleischer, § 11 Rdnrn. 83 f.; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 264. 44  BGH, NZG 2009, 466, 467; BGH, NZG 2007, 31; BGHZ 157, 151, 153 f.; BGH, AG 1991, 269, 269 f. 45  BGH, NZG 2009, 466, 467; BGHZ 157, 151, 153 f.; BGHZ 130, 108, 111 f.; BGH, AG 1991, 269, 269 f.



1. Kap.: Haftungsregime35

Gem. § 111 Abs. 1 AktG ist es Aufgabe des Aufsichtsrats, den Vorstand zu überwachen. Aus dieser Überwachungspflicht sowie aus der Vertretungsaufgabe des Aufsichtsrates gem. § 112 S. 1 AktG folgt die Pflicht des Aufsichtsrates, das Bestehen möglicher Ansprüche der Gesellschaft gegen ein Vorstandsmitglied zu prüfen und – bei Vorliegen der anspruchsbegründenden Voraussetzungen – diese zu verfolgen.46 Erfasst werden neben laufenden auch abgeschlossene Geschäftsvorgänge.47 Wegweisend für die Anspruchsverfolgung seitens des Aufsichtsrats war das sog. ARAG/Garmenbeck-Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1997,48 in welchem der BGH dem Aufsichtsrat eine Zweistufen-Prüfung zubilligte. Grundsatz ist immer eine Verfolgungspflicht, von der lediglich in Ausnahmefällen abgesehen werden kann.49 Auf einer ersten Stufe muss der Aufsichtsrat den anspruchsbegründenden Tatbestand sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht feststellen und mittels dieses Ergebnisses das Prozessrisiko sowie die Möglichkeit einer Beitreibbarkeit der Forderung analysieren.50 Gelangt der Aufsichtsrat zu dem Ergebnis, dass ein durchsetzbarer Schadenersatzanspruch der Gesellschaft besteht, gewährt das Gericht dem Aufsichtsrat auf einer zweiten Stufe die Möglichkeit, gleichwohl von der Anspruchsgeltendmachung abzusehen, sofern gewichtige Gründe des Gesellschaftswohles dies rechtfertigen.51 2. Geltendmachung auf Verlangen der Hauptversammlung (§ 147 AktG)

Obwohl grundsätzlich eine Verpflichtung des Aufsichtsrates besteht, bei Vorliegen der soeben genannten Voraussetzungen Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder zu verfolgen, besteht weiterhin die Gefahr, dass persönliche Beziehungen oder die Verschleierung eigenen Fehlverhaltens das Abwägungsergebnis beeinflussen und in der Folge Ansprüche nicht geltend ge46  BGHZ 135, 244, 249, 252 (ARAG/Garmenbeck); Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 35a; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 111 AktG Rdnr. 37; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 215; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 291. 47  BGHZ 135, 244, 252; BGHZ 114, 127, 129. 48  BGHZ 135, 244 ff. 49  BGHZ 135, 244, 256. So auch Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 35a; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 292; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 46; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 291. 50  BGHZ 135, 244, 253. 51  BGHZ 135, 244, 254 f.

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Teil 2: Allgemeine Grundlagen

macht werden.52 Um gleichwohl die Durchsetzung der Ersatzansprüche sicherzustellen,53 kann das Vertretungsorgan, also der Aufsichtsrat, durch einen Beschluss der Hauptversammlung zur Anspruchsdurchsetzung verpflichtet werden, § 147 Abs. 1 S. 1 AktG. Auch besteht die Möglichkeit, nach § 147 Abs. 2 S. 1 AktG einen besonderen Vertreter zur Anspruchsgeltend­ machung zu bestellen. Beschließt die Hauptversammlung wirksam die Verpflichtung des Aufsichtsrats bzw. eines besonderen Vertreters zur Anspruchsgeltendmachung, steht diesen keine Einschätzungsprärogative hinsichtlich des Tätigwerdens zu, vielmehr müssen diese die Ansprüche dann verfolgen.54 3. Klagezulassungsverfahren und anschließende Anspruchsgeltendmachung durch eine Aktionärsminderheit (§ 148 AktG)

Minderheitsaktionären, die zum Zeitpunkt der Antragsstellung 1 % des Grundkapitals oder einen anteiligen Betrag von 100.000 Euro erreichen, können gem. § 148 Abs. 1 S. 1 AktG beantragen, zur Anspruchsgeltendmachung im eigenen Namen zugelassen zu werden. Mit dieser Regelung verfolgt der Gesetzgeber ebenso das Ziel, eine effektive Rechtsdurchsetzung zugunsten der Gesellschaft aufgrund möglicher Interessenskollisionen bei den eigent­ lichen Gesellschaftsvertretern (Vorstand und Aufsichtsrat) sicherzustellen.55 Gleichwohl kommt der Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches gegen ein Vorstandsmitglied durch Minderheitsaktionäre in der Praxis nur eine sehr untergeordnete Rolle zu,56 was wohl u. a. auf den zu großen Aufwand und das persönliche Kostenrisiko der Kläger zurückzuführen ist.57 52  Baums, 63. DJT 2000, Gutachten F, F 241 f.; Kölner Komm AktG/Rieckers/ Vetter, § 147 AktG Rdnr. 16; MünchKomm AktG/Schröer, § 147 AktG Rdnr. 16. 53  Bürgers/Körber/Holzborn/Jänig, AktG, §  147 AktG Rdnr. 1; Kölner Komm AktG/Rieckers/Vetter, § 147 AktG Rdnr. 16; MünchKomm AktG/Schröer, § 147 AktG Rdnr. 15. 54  KG, NZG 2005, 319, 320; Bürgers/Körber/Holzborn/Jänig, AktG, § 147 AktG Rdnr. 8; Grigoleit/Herrler, AktG, § 147 AktG Rdnr. 7; Hüffer/Koch, AktG, § 147 AktG Rdnr. 9; Kling, ZGR 2009, 190, 194; Kölner Komm AktG/Rieckers/Vetter, § 147 AktG Rdnrn. 230 ff.; MünchKomm AktG/Arnold, § 147 AktG Rdnr. 50; Spindler/Stilz/Mock, AktG, § 147 AktG Rdnr. 52. 55  Begründung der RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5095, 20. 56  Haar/Grechenig, AG 2013, 653, 654 f.; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 789; Hölters/Hirschmann, AktG, § 148 AktG Rdnr. 1; Kölner Komm AktG/Riekers/Vetter, § 148 AktG Rdnr. 81; Peltzer, Festschrift Schneider, 953, 954 f.; Schmolke, ZGR 2011, 398, 399, 401 f.; Tröger, ZHR 179 (2015), 453, 464; Vetter, Festschrift Hoffmann-Becking, 1317, 1319 f.; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 241. 57  Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 790 f.; Kölner Komm AktG/Rieckers/Vetter, § 148 AktG Rdnr. 85; Peltzer, Festschrift Schneider, 953, 956 f.; Schmolke, ZGR 2011, 398, 406; Spindler, AG 2013, 889, 900 f.; Spindler/Stilz/Mock, AktG, § 148 AktG Rdnr. 12; Vetter, Festschrift Hoffmann-Becking, 1317, 1320 ff. (mit ausführ­



2. Kap.: Rolle von D&O-Versicherungen37 4. Geltendmachung durch Gläubiger (§ 93 Abs. 5 AktG)

Steht einem Dritten ein Anspruch gegen die Gesellschaft zu, kann von dieser aber keine Befriedigung erlangt werden und hat gleichzeitig die Gesellschaft einen Anspruch gegen ein Vorstandsmitglied wegen eines Verstoßes i. S. d. § 93 Abs. 3 AktG bzw. wegen einer gröblichen Pflichtverletzung (§ 93 Abs. 5 S. 2 AktG), kann der Gläubiger in Höhe seiner Forderung unmittelbar gegen das ersatzpflichtige Vorstandsmitglied vorgehen, § 93 Abs. 5 S. 1 AktG. Nicht ausreichend ist in diesem Fall eine zahlungsunwillige Gesellschaft, erforderlich ist vielmehr deren objektive Zahlungsunfähigkeit.58 Beruht die Unfähigkeit der Anspruchsbefriedigung auf der Insolvenz der Gesellschaft, wird in der Regel ein Insolvenzverfahren eröffnet. Dann ist allein ein Insolvenzverwalter oder Sachwalter für die Anspruchsgeltendmachung gegen Vorstandsmitglieder zuständig (§ 93 Abs. 5 S. 4 AktG), weswegen eine direkte Inanspruchnahme eines Vorstandsmitgliedes durch einen Gläubiger nur sehr selten auftritt.59

2. Kapitel

Rolle von D&O-Versicherungen Persönliche Haftung ist – wie im Privatleben – auch im Organleben einer Aktiengesellschaft nicht selten eng mit dem Thema Versicherung der Haftung verbunden. Um das persönliche Haftungsrisiko der Organmitglieder abzusichern und so die abschreckende Wirkung der persönlichen Haftung abzufedern, hat sich in Deutschland mittlerweile die sog. Vermögensschadens-Haftpflichtversicherung von Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäfts­ führern,60 auch Directors’ and Officers’ Liability Insurance (kurz D&O-Versicherung), etabliert.61 Zunächst werden Herkunft (§ 1) und Funktionsweise (§ 2) dieser Versicherung aufgezeigt, bevor anschließend jüngere Entwicklungen dieser Versicherungsart dargestellt werden (§ 3) und schließlich auf die Auswirkung von D&O-Versicherungen auf den Abschluss eines Verzichts oder Vergleichs zwischen einer AG und ihrem Vorstandsmitglied eingegangen wird (§ 4). lichem Eingehen auf mögliche Gründe für geringe praktische Bedeutung); Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 242. 58  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, §93 AktG Rdnr. 559; Henssler/Strohn/DaunerLieb, AktG, § 93 AktG Rdnr. 49; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, AktG, § 93 AktG Rdnr. 182. 59  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 547. 60  Scholl, Vorstandshaftung, 482. 61  Versicherungsrechts-Handbuch/Beckmann, § 28 Rdnrn. 1, 7.

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Teil 2: Allgemeine Grundlagen

§ 1 Herkunft und geschichtlicher Hintergrund Die Möglichkeit, eine Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden von Organmitgliedern abzuschließen, besteht in den USA bereits seit Anfang der 1930er-Jahre.62 Zwar wurde schon viel früher, nämlich 1895, in Deutschland seitens des Allgemeinen Deutschen Versicherungsvereins ein erster Versuch unternommen, eine Haftpflichtversicherung für Unternehmensleiter einzufüh­ ren,63 über einen Entwurf ging dieses Vorhaben jedoch nicht hinaus.64 Es dauerte bis in die Mitte der 1980er-Jahre, dass auch hierzulande solche Versicherungen angeboten wurden, zunächst ausschließlich von zwei Tochter­ gesellschaften der US-amerikanischen Versicherungsgesellschaften CHUBB und AIG.65 Mitte der 1990er-Jahre folgten die ersten Angebote deutscher Versicherer.66 Eine Regelung im Aktienrecht, die das Konzept der D&O-Versicherung anerkennt, findet sich seit dem VorstAG67 in § 93 Abs. 2 S. 3 AktG wieder.68 Schließt die Gesellschaft eine solche Versicherung für ein Vorstandsmitglied ab, ist ein Selbstbehalt von mindestens 10 % des Schadens zu vereinbaren, der mindestens dem Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitgliedes entsprechen muss. Einen solchen Selbstbehalt empfiehlt auch der Deutsche Corporate Governance Kodex.69 Mittlerweile haben die börsennotierten Unternehmen in Deutschland fast alle eine derartige Versicherung für ihre leitenden Organe abgeschlossen.70 62  Handbuch Versicherungsrecht/Lenz, § 25 Rdnr. 1; Ihlas, D&O, 91; MünchKomm VVG/ders., D&O-Versicherung Rdnr. 3; Versicherungsrechts-Handbuch/Beckmann, § 28 Rdnr. 2. 63  Ihlas, D&O, 103; Merkt, Festschrift Hommelhoff, 711, 716; MünchKomm VVG/Ihlas, D&O-Versicherung Rdnr. 2. 64  Ihlas, D&O, 104; MünchKomm VVG/ders., D&O-Versicherung Rdnr. 2. 65  Handbuch Versicherungsrecht/Lenz, § 25 Rdnr. 2; Ihlas, D&O, 107; MünchKomm VVG/ders., D&O-Versicherung Rdnr. 5; Scholl, Vorstandshaftung, 483; Versicherungsrechts-Handbuch/Beckmann, § 28 Rdnr. 4a. 66  Scholl, Vorstandshaftung, 483. 67  Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung vom 31 Juli 2009, BGBl. I 2009, 2509. 68  Seit der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung erübrigt sich die Diskussion darüber, ob eine von der Gesellschaft finanzierte D&O-Versicherung für ihre Vorstandmitglieder einen Verstoß gegen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG darstellt. Siehe hierzu zusammenfassend Handbuch Versicherungsrecht/Lenz, § 25 Rdnrn. 25 f. sowie Versicherungsrechts-Handbuch/Beckmann, § 28 Rdnr. 9 jeweils m. w. N. 69  Ziff. 3.8 Abs. 2 DCGK i. d. F. von Februar 2017. 70  Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 32; Handbuch Managerhaftung/Sieg, § 18 Rdnr. 18.65; Handbuch Versicherungsrecht/Lenz, § 25 Rdnr. 8; Hemeling, Festschrift Hoffmann-Becking, 491; Hoffmann-Becking, ZHR 181 (2017), 737; von Schenck,



2. Kap.: Rolle von D&O-Versicherungen39

§ 2 Funktionsprinzip und Beteiligte Die Funktionsweise der D&O-Versicherung ist gesetzlich nicht in besonderer Weise geregelt. Insofern ist auf allgemeine gesetzliche Regelungen sowie auf konkrete Vereinbarungen im Versicherungsvertrag zurückzugreifen.71 Zwar hat der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft  e. V. im Jahr 1997 Musterbedingungen für die D&O-Versicherung herausgebracht (sog. Allgemeine Versicherungsbedingungen für die VermögensschadensHaftpflichtversicherung von Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführern, kurz AVB-AVG72), diese konnten sich am Markt jedoch nicht einheitlich etablieren, sodass heutzutage eine Vielzahl unterschiedlicher Versicherungsbedingungen vorzufinden ist.73 Typischerweise ist die D&O-Versicherung als „Versicherung für fremde Rechnung“ (§ 43 Abs. 1 VVG) ausgestaltet, das heißt: Der Versicherungsvertrag wird zwischen der AG als Versicherungsnehmerin und der Versicherung geschlossen, versicherte Person ist aber das Vorstandsmitglied.74 Die Ver­ sicherungsprämien werden von der Gesellschaft als Versicherungsnehmerin getragen.75 Das Deckungsverhältnis, und somit die Anspruchsbeziehung im Schadensfall, besteht aber zwischen Organmitglied und Versicherer; das Haftungsverhältnis – jedenfalls im hier behandelten Kontext des Verzichts und Vergleichs – entsteht zwischen Organmitglied und Gesellschaft.76 Der Deckungsschutz der Versicherung beinhaltet im Normalfall auch derartige Ansprüche der Gesellschaft gegen das Vorstandsmitglied77 – was insofern dieses Konzept, wie es Hoffmann-Becking treffend bezeichnet, als „merkwürdiges Konstrukt“ erscheinen lässt.78 NZG 2015, 494, 495; Scholl, Vorstandshaftung, 484; Thomas, Haftungsfreistellung Organmitglieder, 100; Versicherungsrechts-Handbuch/Beckmann, § 28 Rdnr. 7; Weller/Rahlmeyer, GWR 2014, 167, 170. 71  Handbuch Managerhaftung/Sieg, § 18 Rdnr. 18.3. 72  Scholl, Vorstandshaftung, 484. 73  Handbuch Managerhaftung/Sieg, § 18 Rdnr. 18.10; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 396; Prölss/Martin/Voit, VVG, Ziff. 1.1 AVG-AVG Rdnr. 1. 74  OLG München, AG 2005, 817; LG Marburg, DB 2005, 437, 438; Armbrüster, Privatversicherungsrecht, Rdnr. 1752; Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 35; GroßKomm VVG/Baumann, D&O-Versicherung, AVB-AVG 2011/2013 Ziff. 10, Rdnr. 1; Handbuch Managerhaftung/Sieg, § 18 Rdnr. 18.24; Handbuch Versicherungsrecht/ Lenz, § 25 Rdnrn. 42 ff.; MünchKomm VVG/Ihlas, D&O-Versicherung Rdnr. 880; Thümmel, Haftung Manager und Aufsichtsräte, Rdnr. 458; Versicherungsrechts-Handbuch/Beckmann, § 28 Rdnr. 1. 75  MünchKomm VVG/Ihlas, D&O-Versicherung Rdnr. 881; Thümmel, Haftung Manager und Aufsichtsräte, Rdnr. 467. 76  von Schenck, NZG 2015, 494, 495. 77  Handbuch Versicherungsrecht/Lenz, § 25 Rdnr. 44. 78  Hoffmann-Becking, ZHR 181 (2017), 737.

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Teil 2: Allgemeine Grundlagen

Die Versicherungsleistung setzt sich in der Regel aus zwei Komponenten zusammen: Abwehr- und Haftpflichtdeckung.79 Hält die Versicherung den Anspruch für unbegründet, übernimmt sie die für die Abwehr des Anspruchs erforderlichen Kosten (Abwehrdeckung), ansonsten befriedigt sie den Anspruch (Haftpflichtdeckung).80 Der Leistungsumfang ist normalerweise auf Vermögensschäden begrenzt, nicht umfasst sind demnach Personen- oder Sachschäden.81 Höhenmäßig sind die Zahlungen durch die Deckungssumme begrenzt.82 Durch das VorstAG wurde 2009 ein verpflichtender Selbstbehalt des Organmitgliedes i. H. v. mindestens 10 % des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitgliedes eingeführt (§ 93 Abs. 2 S. 3  AktG).83 Dadurch wird das Vorstandsmitglied dazu verpflichtet, sich im Haftpflichtfall in der eben genannten Höhe beim Schadensausgleich persönlich zu beteiligten.84 Nicht erfasst werden hiervon die Kosten, die durch die Abwehr des Anspruchs entstehen.85 Mit Hinblick auf die gesetzgeberische Intention, durch den Selbstbehalt eine verhaltenssteuernde Wirkung bei den Organmitgliedern herbeizuführen,86 ist in diesem Kontext die Diskussion aufgekommen, ob es den Organmitgliedern möglich sein soll, sich für den Selbstbehalt wiederum auf eigene Kosten zu versichern. Ganz überwiegend wird sich, u. a. unter Berufung auf verfassungsrechtliche Gesichtspunkte (Art. 12 Abs. 1 GG), für die Zulässigkeit der Versicherbarkeit des Selbstbehaltes ausgesprochen,87 da trotz intensiver Dis79  Armbrüster, Privatversicherungsrecht, Rdnr. 1750; Hoffmann-Becking, ZHR 181 (2017), 737; Thümmel, Haftung Manager und Aufsichtsräte, Rdnr. 462. 80  Hoffmann-Becking, ZHR 181 (2017), 737; MünchKomm VVG/Ihlas, D&OVersicherung Rdnrn.  368 f.; Thümmel, Haftung Manager und Aufsichtsräte, Rdnr. 462. 81  Armbrüster, Privatversicherungsrecht, Rdnr.  1762; Prölss/Martin/Voit, VVG, Ziff. 1.1 AVB-AVG Rdnr. 21. 82  Versicherungsrechts-Handbuch/Beckmann, § 28 Rdnr. 90. 83  Art. 1 Nr. 2 VorstAG vom 31 Juli 2009, BGBl. I 2009, 2509. 84  Thümmel, Haftung Manager und Aufsichtsräte, Rdnr. 473d. 85  Olbrich/Kassing, BB 2009, 1659, 1660; Thümmel, Haftung Manager und Aufsichtsräte, Rdnr. 473d. 86  Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf des ­VorstAG, BT-Drucks. 16/13433, 11. 87  Armbrüster, Privatversicherungsrecht, Rdnr. 1770; Dauner-Lieb/Tettinger, ZIP 2009, 1555, 1557; Fiedler, MDR 2009, 1077, 1081 f.; Franz, DB 2009, 2764, 2772; Gädtke, VersR 2009, 1565, 1569 ff.; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 59, der sich zwar für die Zulässigkeit der Versicherbarkeit ausspricht, diese aufgrund des Konterkarierens der präventiven Verhaltenssteuerung allerdings als nicht wünschenswert einstuft; Lange, VersR 2009, 1011, 1022 f., der schon die disziplinierende Wirkung eines Selbstbehaltes anzweifelt; Merkt, Festschrift Hommelhoff, 711, 717, der ebenso an der erzieherischen Wirkung des Selbstbehalts Zweifel äußert; MünchKomm VVG/



2. Kap.: Rolle von D&O-Versicherungen41

kussion im Rahmen des VorstAG keine ablehnende Regelung durch den Gesetzgeber getroffen wurde88. In der Regel vereinbaren die Parteien das sog. „claims-made-Prinzip“.89 Der Versicherungsfall tritt danach dann ein, wenn erstmalig ein Haftpflichtanspruch gegen die versicherte Person geltend gemacht wird.90 Im großen Interesse des Vorstandsmitgliedes liegt es insofern, die Laufzeit der Versicherung auch nach seinem Ausscheiden (im Idealfall bis zur Verjährung mög­ licher Haftungsansprüche) gegenüber der Gesellschaft sicherzustellen.91

§ 3 Jüngere Entwicklungen Nicht nur steigt die Anzahl der Fälle, in denen Unternehmen Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder im Innenverhältnis geltend machen. Auch internationalisieren sich viele Unternehmen zunehmend, was sie zur Einhaltung von ausländischen Normen verpflichtet. Insbesondere US-amerikanische Normverletzungen kommen hiesige Unternehmen teuer zu stehen: Sie führen hierzulande zu den höchsten Strafen, für die D&O-Versicherungen bisher eintreten mussten.92 Wie bereits Ende der 1980er-Jahre in den USA lässt sich mittlerweile auch in Deutschland ein stetiger Bedeutungsanstieg der D&O-Versicherung im aktienrechtlichen Kontext beobachten.93 Der Abschluss einer D&O-Versicherung wird heutzutage als „sozialadäquates Element der sachlichen Ausstattung des Arbeitsplatzes eines Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedes“94 Ihlas, D&O-Versicherung Rdnr. 129; Prölss/Martin/Voit, VVG, Ziff. 4.3  AVB-AVG Rdnr. 10; Spindler, AG 2013, 889, 896 f.; Thüsing/Traut, NZA 2010, 140, 142 f. 88  Prölss/Martin/Voit, VVG, Ziff. 4.3 AVB-AVG Rdnr. 10. 89  Das claims-made-Prinzip grundsätzlich als wirksam anerkennend, sofern hieraus folgende Nachteile durch entsprechende Vorteile kompensiert werden: OLG München, NZG 2009, 714, 715 f. Dem folgend: OLG Hamburg, VersR 2016, 245, 246; OLG Frankfurt, NJOZ 2014, 147, 150. Ebenso: Handbuch Versicherungsrecht/Lenz, § 25 Rdnr. 93, 96 m.w.N zum Meinungsstand. 90  Armbrüster, Privatversicherungsrecht, Rdnr.  1766; Handbuch Versicherungsrecht/Lenz, § 25 Rdnrn. 84, 93 ff.; Hemeling, Festschrift Hoffmann-Becking, 491, 494; MünchKomm VVG/Ihlas, D&O-Versicherung Rdnrn. 234, 244; Prölss/Martin/ Voit, VVG, Ziff. 2 AVB-AVG Rdnr. 1; von Schenck, NZG 2015, 494, 496; Thümmel, Haftung Manager und Aufsichtsräte, Rdnr. 464. 91  Hoffmann-Becking, ZHR 181 (2017), 737, 740; Weller/Rahlmeyer, GWR 2014, 167, 170. 92  Handbuch Versicherungsrecht/Lenz, § 25 Rdnr. 10; MünchKomm VVG/Ihlas, D&O-Versicherung Rdnr. 3. 93  Versicherungsrechts-Handbuch/Beckmann, § 28 Rdnr. 7. 94  Hoffmann-Becking, ZHR 181 (2017), 737, 738.

42

Teil 2: Allgemeine Grundlagen

angesehen; qualifizierte Führungskräfte lassen sich immer häufiger nur bei Vorweis einer solchen Versicherung anwerben.95 Im internationalen Kontext liegt Deutschland auf Platz zwei der Meldungen von Organhaftungsfällen bei D&O-Versicherungen, häufiger wird nur noch in den USA gemeldet.96 Nicht auszuschließen ist, dass die gesteigerte Verbreitung der Versicherung selbst Grund für die steigendende Inanspruchnahme ist, denn: „Deckung erzeugt Haftung“.97 2008 wurde das Versicherungsvertragsrecht reformiert. In diesem Zug hielt § 108 Abs. 2 VVG Einzug in das Gesetz.98 Seitdem können Allgemeine Versicherungsbedingungen nicht mehr ausschließen, dass der versicherungsrechtliche Freistellungsanspruch an einen Dritten abgetreten wird. Von dieser Restriktion ausgenommen sind lediglich Großrisiken (§ 210 VVG). Im Kontext der D&O-Versicherung war lange unklar, ob die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin bei Innenhaftungsfällen als Dritte anzuerkennen sei.99 Ablehnende Stimmen befürchten eine Zusammenarbeit zwischen Gesellschaft und Organ im Sinne eines „friendly understanding“ – eines freundlichen Einvernehmens100 – zulasten der Versicherung und sehen die Gesellschaft in ihrer Rolle der Versicherungsnehmerin und somit Partei des Versicherungsvertrages nicht als Dritten an.101 Besonders deutlich wird diese Gefahr, wenn es sich bei dem gegenständlichen Anspruch um einen Haftungsanspruch der Gesellschaft gegenüber dem Vorstandsmitglied handelt.102 Überwiegend wird hingegen angenommen, die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin sei selbst bei einem Innenhaftungsfall im Rahmen einer D&O-Versicherung als Dritte anzusehen.103 Im Jahr 2016 schaffte der Bundesgerichtshof diesbezüglich Klarheit und erkannte die Qualität der Versicherungsnehmerin als Dritte 95  Hoffmann-Becking,

495.

96  Bachmann,

ZHR 181 (2017), 737, 738 f.; von Schenck, NZG 2015, 494,

NJW-Beilage 2014, 43. NJW-Beilage 2014, 43; Hoffmann-Becking, ZHR 181 (2017), 737, 744; Ihlas, D&O, 620; Versicherungsrechts-Handbuch/Beckmann, § 28 Rdnr. 7. 98  Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007, BGBl. I 2007, 2631. 99  Zum Streitstand siehe BGHZ 209, 373, 378 ff. m. w. N. 100  Baumann, r + s 2011, 229, 231. 101  Armbrüster, NJW 2016, 2155, 2156; ders., Privatversicherungsrecht, Rdnr. 1765; ders., r + s 2010, 441, 448 f.; Ihlas, D&O, 408 ff.; MünchKomm VVG/ ders., D&O-Versicherung, Rdnrn. 435 f.; Schimmer, VersR 2008, 875, 878 f. 102  Armbrüster, r + s 2010, 441, 448. 103  Baumann, r + s 2011, 229, 230 ff.; Brinkmann, ZIP 2017, 301, 303; Dreher/ Thomas, ZGR 2009, 31, 41 f.; GroßKomm VVG/Koch, § 108 VVG Rdnr. 33; HKVVG/Schimikowski, § 108 VVG Rdnr. 7; Klimke, r + s 2014, 105, 114 f.; Koch, r + s 2009, 133, 135 f.; Lange, r + s 2011, 185, 187 f.; Langheid/Goergen, VersPrax 2007, 161, 166; Langheid/Rixecker/Langheid, VVG, § 108 VVG Rdnr. 20; Prölss/Martin/ 97  Bachmann,



2. Kap.: Rolle von D&O-Versicherungen43

an.104 Demnach ist das Vorstandsmitglied nunmehr ungehindert, seinen Freistellungsanspruch gegenüber der Versicherung an die AG als Versicherungsnehmerin abzutreten, die dann eigenständig die Versicherung auf Zahlung in Anspruch nehmen kann. Der Freistellungsanspruch wandelt sich mit der Abtretung in einen Zahlungsanspruch.105

§ 4 Auswirkung der D&O-Versicherung auf Verzichtsbzw. Vergleichsvereinbarungen zwischen einer AG und ihrem Vorstandsmitglied In der Praxis lässt sich vermehrt folgendes Konzept beobachten: Die AG nimmt ein pflichtvergessenes Vorstandsmitglied klageweise auf Schaden­ ersatz in Anspruch, wobei die Anspruchshöhe regelmäßig die Höhe des bei dem betroffenen Vorstandsmitglied beitreibbaren Vermögens (deutlich) übersteigt.106 Streitig ist in der Praxis meist nicht nur der Haftungsfall, sondern auch der Deckungsanspruch bzw. der Umfang der Deckung durch die D&OVersicherung.107 Im Rahmen des Prozesses werden deshalb seitens der Gesellschaft sowohl mit dem Vorstandsmitglied als auch mit der Versicherung Vergleiche geschlossen, sog. Haftungs- und Deckungsvergleiche.108 In der Voit, VVG, Ziff. 10.2 AVB-AVG, Rdnr. 1; Staudinger/Richters, DB 2013, 2725, 2726; Terno, SpV 2014, 2, 5 ff. 104  BGHZ 209, 373, 379 f. sowie BGH, AG 2016, 395, 396 f. 105  Begründung der BReg zum Entwurf des VVG, BT-Drucks. 16/3945, 87; BGHZ 209, 373, 380 f.; BGH, AG 2016, 395, 397; BGHZ 12, 136, 141; Brinkmann, ZIP 2017, 301, 303; Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 42; GroßKomm VVG/Koch, § 108 VVG Rdnr. 36; Handbuch Managerhaftung/Sieg, § 18 Rdnr. 18.23; Handbuch Versicherungsrecht/Lenz, § 25 Rdnr. 202; Hemeling, Festschrift Hoffmann-Becking, 491, 496; HK-VVG/Schimikowski, § 108 VVG Rdnr. 11; Koch, r + s 2009, 133, 134; Langheid, VersR 2009, 1043, 1044; Prölss/Martin/Lücke, VVG, § 108 VVG Rdnr. 26; Prölss/Martin/Voit, VVG, Ziff. 10.2 AVB-AVG Rdnr. 2; von Rintelen, r + s 2010, 133, 134 f. 106  Hoffmann-Becking, ZHR 181 (2017), 737, 744. 107  Hemeling, Festschrift Hoffmann-Becking, 491, 504. 108  Handbuch Managerhaftung/Sieg, § 18 Rdnr. 18.58; Hoffmann-Becking, ZHR 181 (2017), 737, 744. In den vergangenen Jahren haben eine ganze Reihe der in dieser Arbeit untersuchten Unternehmen, die Vergleiche mit ehemaligen Vorstandsbzw. Aufsichtsratsmitgliedern geschlossen haben, gleichzeitig auch Deckungsvergleiche mit ihren D&O-Versicherungen geschlossen. Dies geschah bei folgenden untersuchten Gesellschaften: der Conergy AG (2013), der Constantin Medien AG (2009), der Deutsche Bank AG (2016), der Deutsche Telekom AG (2011), der IKB Deutsche Industriebank AG (2015), der ItN Nanovation AG (2012), der MAN SE (2014), der Nemetschek SE (2016), der Siemens AG (2010) sowie der Solar-Fabrik AG (2014).

44

Teil 2: Allgemeine Grundlagen

Praxis sollen gar 95 % der D&O-Schadensfälle außergerichtlich erledigt werden.109 Teilweise wird die Wirksamkeit der Vergleiche an das wechselseitige Zustandekommen der Vergleiche geknüpft;110 die Zustimmung des Versicherers ist für die Wirksamkeit des Haftungsvergleichs gleichwohl nicht erforderlich.111 Ob es der Zustimmung der Hauptversammlung zu einem Deckungsvergleich für dessen Wirksamkeit bedarf, ist nicht abschließend geklärt.112 Da in der Regel ein solcher Deckungsvergleich auch die Abgeltung aller Ansprüche gegen das Organmitglied umfasst, empfiehlt sich, selbst dann die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen, wenn der Deckungsvergleich als selbständige Vergleichsvereinbarung geschlossen wird.113 Begründet wird der Schritt, auch mit den Versicherern einen Vergleich zu schließen, seitens der Gesellschaften gegenüber den Aktionären immer wieder mit ähnlichen Argumenten. Einigten sich Gesellschaft und D&O-Versi109  Hopt,

ZIP 2013, 1793, 1794. z. B. bei der Deutsche Bank AG (2016) und der IKB Deutsche Industriebank AG (2015): Deutsche Bank AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2016, abrufbar unter: https://hauptversammlung.db.com/de/docs/HV2016_Tagesord nung_de_2016-03-31.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 23; IKB Deutsche ­Industriebank AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2015, abrufbar unter: https://www.ikb.de/MediaLibrary/41ecc5b5-b66a-44f3-847d-a074c29bc0c1/Ta gesordnung.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 26. 111  Handbuch Managerhaftung/Sieg, § 18 Rdnr. 18.56. 112  Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 253. 113  Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 253. Die Zustimmung der Hauptversammlung wurde mit Verweis auf § 93 Abs. 4 S. 3 AktG erbeten bei den Vergleichsvereinbarungen folgender untersuchter Gesellschaften mit deren D&O-Versicherern: bei der Cons­tantin Medien AG (2009), bei der Deutsche Bank AG (2016), bei der IKB Deutsche Industriebank AG (2015), bei der MAN SE (2014) sowie bei der Siemens AG (2010): Constantin Medien AG, Einladung zur außerordentlichen Hauptversammlung 2009, abrufbar unter: http://www.constantin-medien.de/dasat/images/3/100973-toneu-constantinmedien1109-web.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 13, 24; Deutsche Bank AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2016, abrufbar unter: https://hauptversammlung.db.com/de/docs/HV2016_Tagesordnung_de_2016-03-31. pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 13 f.; IKB Deutsche Industriebank AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2015, abrufbar unter: https://www.ikb.de/ MediaLibrary/41ecc5b5-b66a-44f3-847d-a074c29bc0c1/Tagesordnung.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 27; MAN SE, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2014, abrufbar unter: https://www.corporate.man.eu/man/media/de/content_me dien/doc/global_corporate_website_1/investor_relations_1/hv/2014_8/man_hv_2014_ einberufung_einschl__tagesordnung.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 27; Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2010, abrufbar unter: ­https://assets.new.siemens.com/siemens/assets/api/uuid:153c1246-a926-466c-903e-97 d67763b622/version:1565188819/einladung-hv2010-d.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 33. 110  So



2. Kap.: Rolle von D&O-Versicherungen45

cherung auf dem Vergleichsweg, vermeide die AG sowohl die Kosten eines u. U. langwierigen Rechtsstreites als auch nicht kalkulierbare Prozessrisiken.114 Gerade, wenn die Versicherungsbedingungen – wie dies typischerweise der Fall sei – Ausschlusstatbestände enthielten, beispielsweise für vor­ sätzlich begangene Pflichtverletzungen, berge ein Prozess erhebliche Risiken für die Gesellschaft.115 Nicht nur könne ein Vergleich solche Risiken und Aufwendungen vermeiden, der Gesellschaft flössen auch zeitnah Mittel zu, was gerade bei hohen Vergleichssummen ein nicht zu vernachlässigendes Argument für einen Vergleich sei.116 Ein Vergleich mit der Versicherung ermögliche es der AG zudem, einen unangenehmen Sachverhaltskomplex endgültig abzuschließen und so personelle Kapazitäten für andere Dinge frei werden zu lassen.117 114  Angeführt seitens der Constantin Medien AG (2009), der Deutsche Bank AG (2016), der MAN SE (2014) sowie der Siemens AG (2010): Constantin Medien AG, Rede des Vorstands in der außerordentlichen Hauptversammlung 2009, abrufbar unter: http://www.constantin-medien.de/dasat/images/6/100996-cm-hv-rede-151209-fi nal.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 14; Deutsche Bank AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2016, abrufbar unter: https://hauptversammlung. db.com/de/docs/HV2016_Tagesordnung_de_2016-03-31.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 26; MAN SE, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2014, ­abrufbar unter: https://www.corporate.man.eu/man/media/de/content_medien/doc/glo bal_corporate_website_1/investor_relations_1/hv/2014_8/man_hv_2014_einberu fung_einschl__tagesordnung.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 25; Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2010, abrufbar unter: https://assets. new.siemens.com/siemens/assets/api/uuid:153c1246-a926-466c-903e-97d67763b622/ version:1565188819/einladung-hv2010-d.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 33. 115  Angeführt seitens der Deutsche Bank AG (2016), der MAN SE (2014) sowie der Siemens AG (2010): Deutsche Bank AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2016, abrufbar unter: https://hauptversammlung.db.com/de/docs/HV2016_ Tagesordnung_de_2016-03-31.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 24 f.; MAN SE, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2014, abrufbar unter: https://www. corporate.man.eu/man/media/de/content_medien/doc/global_corporate_website_1/in vestor_relations_1/hv/2014_8/man_hv_2014_einberufung_einschl__tagesordnung.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 25; Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2010, abrufbar unter: https://assets.new.siemens.com/siemens/as sets/api/uuid:153c1246-a926-466c-903e-97d67763b622/version:1565188819/einla dung-hv2010-d.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 33. 116  Angeführt seitens der Constantin Medien AG (2009): Constantin Medien AG, Rede des Vorstands in der außerordentlichen Hauptversammlung 2009, abrufbar ­unter: http://www.constantin-medien.de/dasat/images/6/100996-cm-hv-rede-151209-fi nal.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 14. 117  Angeführt seitens der Constantin Medien AG (2009): Constantin Medien AG, Rede des Vorstands in der außerordentlichen Hauptversammlung 2009, abrufbar ­unter: http://www.constantin-medien.de/dasat/images/6/100996-cm-hv-rede-151209final.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 14.

46

Teil 2: Allgemeine Grundlagen

Selbst in Fällen, in denen die Vergleichssumme aus der Vereinbarung mit der Versicherung hinter der Schadenssumme zurückbleibe, könne dies immer noch vorteilhaft für die Gesellschaft sein. Für eine höhere Quote bliebe nur der Klageweg gegen das Organmitglied. Schon die Anspruchsverfolgung würde jedoch wertvolle Mittel aufzehren. Schließlich wäre die Gesellschaft auf die Solvenz und Beitreibbarkeit des Schadens bei dem betroffenen Vorstandsmitglied angewiesen, was gerade bei höheren Schadenssummen oder auch der Vollstreckung im Ausland schwierig bis aussichtslos werden könne.118 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in der Praxis das Vorhandensein einer D&O-Versicherung sicherlich ein Katalysator für die Geltendmachung eines Organhaftungsanspruchs durch die AG ist. Ist die Rechtslage unsicher, wird ein Haftungsvergleich nicht selten mit einem Deckungsvergleich mit der D&O-Versicherung verknüpft.

3. Kapitel

Thesenartige Zusammenfassung zu den allgemeinen Grundlagen 1. Das deutsche Gesellschaftsrecht unterscheidet zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften. 2. Im Außenverhältnis der AG als Kapitalgesellschaft haftet grundsätzlich allein das Gesellschaftskapital. Verletzt ein Vorstandsmitglied pflichtwidrig und schuldhaft eine ihm obliegende Pflicht, ist es bei kausaler Schadensverursachung der Gesellschaft im Innenverhältnis zum Ausgleich des Schadens verpflichtet. 3. Um die abschreckende Wirkung der persönlichen Haftung einzudämmen, schließen Aktiengesellschaften immer häufiger Versicherungen zugunsten ihrer Organmitglieder ab, sog. D&O-Versicherungen. Nicht selten wird ein Vergleich mit einem Organmitglied mit einem Vergleich mit der involvierten Versicherung verknüpft.

118  Angeführt seitens der Constantin Medien AG (2009): Constantin Medien AG, Rede des Vorstands in der außerordentlichen Hauptversammlung 2009, abrufbar ­unter: http://www.constantin-medien.de/dasat/images/6/100996-cm-hv-rede-151209final.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 12 f.

Teil 3

Im Besonderen: Grundlagen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG 1. Kapitel

Beispielsfälle aus der Praxis § 1 Verzicht bei der Constantin Medien AG Nach jahrelanger gerichtlicher Auseinandersetzung mit ehemaligen Organmitgliedern stimmte die Hauptversammlung der Constantin Medien AG im Rahmen einer außerordentlichen Hauptversammlung am 15.12.2009 einem Vorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat zu, vollumfänglich auf streitige Organhaftungsansprüche im Zusammenhang mit Verfahren gegen 20 ehemalige Vorstände und Aufsichtsräte zu verzichten.1 Eingekleidet war der Verzicht in einen Vergleich mit zwei D&O-Versicherungen, die sich nach der Zusage der Constantin Medien AG, von der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen abzusehen, zur Zahlung von insgesamt 57,5 Millionen Euro verpflichteten. Vorangegangen waren diesen Vereinbarungen diverse gerichtliche Verfahren, in welchen die Constantin Medien AG als Rechtsnachfolgerin der EM.TV & Merchandising AG Ansprüche gegen ehemalige Organmitglieder in Höhe von insgesamt rund 183 Millionen Euro geltend machte. In erster Instanz war die Constantin Medien AG überwiegend erfolglos, legte daraufhin allerdings jeweils Berufung ein.2 Bewogen hatten Vorstand und Aufsichtsrat zu einem vollständigen Verzicht auf Ansprüche gegenüber den ehemaligen Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern ganz unterschiedliche Gründe: Nach erstinstanzlichem Unterliegen war ein positiver Verfahrensausgang unsicher. Selbst bei gerichtlichem Obsiegen wäre fraglich gewesen, ob die zugesprochenen Ansprüche tatsächlich durch die Constantin Medien AG hätten durchgesetzt werden können. Daran bestanden vor dem Hintergrund 1  Constantin Medien AG, Einladung zur außerordentlichen Hauptversammlung 2009, abrufbar unter: http://www.constantin-medien.de/dasat/images/3/100973-toneu-constantinmedien1109-web.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019). 2  Constantin Medien AG, Rede des Vorstands in der außerordentlichen Hauptversammlung 2009, abrufbar unter: http://www.constantin-medien.de/dasat/images/ 6/100996-cm-hv-rede-151209-final.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 5 ff., 12.

48

Teil 3: Im Besonderen: Grundlagen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG

der Möglichkeit mangelnden finanziellen Leistungsvermögens der Beklagten oder eines Wohnsitzwechsels ins Ausland erhebliche Zweifel. Ein Durchprozessieren der Ansprüche hätte zudem Prozesskosten in einem Umfang entstehen lassen, die nicht mehr vollständig von der D&O-Versicherung übernommen worden wären. Schließlich nahmen die Auseinandersetzungen personelle Kapazitäten in Anspruch, die an anderer Stelle gebraucht wurden.3 Mit einer Zustimmungsquote von 99,96 % der anwesenden Aktionäre nahmen diese den Verzicht gegenüber den ehemaligen Organen sowie den Vergleich mit den beiden Versicherungen an.4 Die betroffenen ehemaligen Organmitglieder bekamen hierdurch die Zusage, im Rahmen der bezeichneten Sachverhaltskomplexe nicht mehr von der Constantin Medien AG in Anspruch genommen zu werden.5

§ 2 Vergleich bei der Deutsche Bank AG Am Rande des Weltwirtschaftsforums 2002 in New York gab der damalige Vorstandssprecher der Deutsche Bank AG, Rolf Breuer, gegenüber dem Fernsehsender Bloomberg TV ein Interview. Die letzte Frage des Journalisten bezog sich auf die Kreditwürdigkeit der Kirch-Gruppe. Breuer erwiderte, dass die Kreditwürdigkeit der Kirch-Gruppe sehr fraglich sei und die Deutsche Bank keine weiteren Kredite an diese vergeben werde.6 Nur kurze Zeit später meldete mit der KirchMedia GmbH & Co. KG das wichtigste Unternehmen der Kirch-Gruppe Insolvenz an, andere Unternehmen der Gruppe folgten.7 Nach mehreren Klagen, die den Instanzenzug durchliefen, einigte sich die Deutsche Bank AG mit den Erben des zu diesem Zeitpunkt 3  Constantin Medien AG, Rede des Vorstands in der außerordentlichen Hauptversammlung 2009, abrufbar unter: http://www.constantin-medien.de/dasat/images/6/ 100996-cm-hv-rede-151209-final.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 12 ff. 4  Constantin Medien AG, Abstimmungsergebnisse der außerordentlichen Hauptversammlung 2009, abrufbar unter: http://www.constantin-medien.de/dasat/images/ 8/100998-abstimmungsergebnisse-a.o.-hv2009.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019). 5  Explizit wurde geregelt, dass sich die versicherten Personen auf die Abgeltung der Ansprüche durch den Vergleich der Constantin Medien AG mit den Versicherungen berufen können, Constantin Medien AG, Einladung zur außerordentlichen Hauptversammlung 2009, abrufbar unter: http://www.constantin-medien.de/dasat/images/ 3/100973-to-neu-constantinmedien1109-web.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 11 f., 23. 6  Hierzu insgesamt BGH, Pressemitteilung 13/2006, abrufbar unter: http://juris. bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&D atum=2006&Sort=3&nr=35044&pos=12&anz=26 (zuletzt abgerufen am 04.12.2019). 7  manager magazin, Chronologie Kirch vs. Breuer, abrufbar unter: http://www. manager-magazin.de/unternehmen/artikel/a-277680.html (zuletzt abgerufen am 04.12. 2019).



1. Kap.: Beispielsfälle aus der Praxis49

bereits verstorbenen Leo Kirch im Februar 2014 darauf, dass sich die Deutsche Bank AG zur Zahlung von insgesamt etwa 928 Millionen Euro verpflichtete, während die Erben von Kirch von jeglicher weiterer Anspruchsgeltendmachung im Zusammenhang mit dem Interview Breuers abzusehen hatten.8 Im September 2014 machte die Deutsche Bank AG im Innenverhältnis gegen ihr ehemaliges Vorstandsmitglied Breuer Schadenersatzansprüche aus § 93 Abs. 2 S. 1 AktG geltend für den ihrerseits im Zusammenhang mit dem Interview erlittenen Schaden wegen einer Sorgfaltspflichtverletzung Breuers.9 Nach längeren Verhandlungen einigten sich der Aufsichtsrat und Breuer schließlich Anfang 2016 auf einen Vergleich, bei welchem Breuer die Zahlung von 3,2 Millionen Euro zusagte, die Deutsche Bank AG im Gegenzug auf jegliche weitere Ansprüche im Rahmen des BloombergInterviews verzichtete. Damit einher ging ein Vergleich mit insgesamt 15 D&O-Versicherungen, die sich zur Zahlung von knapp 100 Millionen Euro abzüglich circa 10 Millionen Euro Selbstbehalt verpflichteten.10 Die Summe von 3,2 Millionen Euro entsprach hierbei dem Dreifachen des einstigen Jahresgehalts von Breuer bei der Bank und stellte das Doppelte des zu leistenden Eigenanteils für die D&O-Versicherung gem. § 93 Abs. 2 S. 3 AktG dar.11 Die Gründe, welche Vorstand und Aufsichtsrat für den Abschluss des Vergleichs angaben, waren ähnlich dem Fall des Verzichts bei der Constantin Medien AG. So nannten sie gegenüber den Aktionären einerseits Breuers finanzielle Leistungsfähigkeit, die in Höhe der geltend gemachten Ansprüche aufgrund eingeholter Gutachten nicht bestehe. Ferner führten die Organe an, dass ein Durchprozessieren der Ansprüche mit erheblichem finanziellen und personellen Aufwand verbunden wäre und zudem erneut viele Fragen des Bloomberg-Interviews aufgerollt würden. Es seien enorme Reputationsschäden der Bank zu befürchten. Durch eine gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche würden zudem große Teile der zur Schadensregulierung zur Verfügung stehenden Vermögenswerte bei den D&O-Versicherungen aufgezehrt. 8  Handelsblatt, Breuer und Deutsche Bank verständigen sich, abrufbar unter: http://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/einigung-ueber-kirchvergleich-breuer-und-deutsche-bank-verstaendigen-sich/9579346.html (zuletzt abgerufen am 04.12.2019). 9  Deutsche Bank AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2016, abrufbar unter: https://hauptversammlung.db.com/de/docs/HV2016_Tagesordnung_de_ 2016-03-31.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 5. 10  Deutsche Bank AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2016, abrufbar unter: https://hauptversammlung.db.com/de/docs/HV2016_Tagesordnung_de_ 2016-03-31.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 6, 11. 11  Deutsche Bank AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2016, abrufbar unter: https://hauptversammlung.db.com/de/docs/HV2016_Tagesordnung_de_ 2016-03-31.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 22.

50

Teil 3: Im Besonderen: Grundlagen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG

Schließlich wäre durch eine Inanspruchnahme Breuers dessen wirtschaftliche Existenz vernichtet worden, was angesichts der Verdienste Breuers für die Bank nicht gerechtfertigt sei.12 Mit 98,81  % stimmten die Aktionäre auf der Hauptversammlung am 19.05.2016 diesem Vergleich zu.13

2. Kapitel

Bestandsaufnahme zur Relevanz von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Eine Regelung, unter welchen Voraussetzungen auf Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder verzichtet werden darf oder ein Vergleich mit ihnen geschlossen werden kann, gibt es im deutschen Aktienrecht seit der Aktienrechtsnovelle von 1884 – zunächst allerdings nur für Ansprüche im Zusammenhang mit der Gründung der AG.14 Eine Erweiterung der gesetzlichen Vorschriften auf alle Organhaftungsansprüche erfolgte mit der Aktienrechtsreform von 1937.15 Doch erst nachdem der Bundesgerichtshof im Jahr 1997 in seinem sog. ARAG/Garmenbeck-Urteil entschieden hatte, dass der Aufsichtsrat grundsätzlich zur Anspruchsverfolgung bei pflichtwidrigem schadensverursachendem Organhandeln verpflichtet ist16 und seit im Rahmen der Aufarbeitung der Finanzkrise sowie der verschärften Compliance-Regelungen vermehrt Haftungsfälle auftreten,17 erfährt die Möglichkeit des Verzichts oder Vergleichs gesteigertes Interesse. Eine Untersuchung derjenigen Gesellschaften, die zwischen 2003 und Anfang März 2019 zu irgendeinem Zeitpunkt im DAX, TecDAX, MDAX oder SDAX gelistet waren und in diesem Zeitraum ihre Hauptversammlungseinladungen im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlichten, zeigt, dass von den insgesamt 352 untersuchten Unternehmen nur zehn Unternehmen sich mit ehemaligen Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern verglichen haben oder auf Organhaftungsansprüche verzichtet haben, einige der Unternehmen 12  Hierzu insgesamt Deutsche Bank AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2016, abrufbar unter: https://hauptversammlung.db.com/de/docs/HV2016_ Tagesordnung_de_2016-03-31.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 23 f. 13  Deutsche Bank AG, Abstimmungsergebnisse der ordentlichen Hauptversammlung 2016, abrufbar unter: https://hauptversammlung.db.com/de/docs/HV2016_Ab stimmungsergebnisse_de.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 5. 14  Art. 213d ADHGB 1884. 15  § 84 Abs. 3 S. 4 AktG 1937. 16  BGHZ 135, 244. 17  Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248.



2. Kap.: Bestandsaufnahme zur Relevanz von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG51

mehrfach. Hinzu kommen dreizehn weitere Gesellschaften, deren Aktien nicht über diese Plattformen gehandelt wurden bzw. werden.18 So stand das Thema Verzicht auf oder Vergleich über Organhaftungsansprüche auf den Tagesordnungen der Hauptversammlungen der SKW Stahl-Metallurgie Holding AG (2017)19,  20, der cash.life AG (2016)21, der Deutsche Bank AG (2016)22, der Nemetschek SE (2016)23, der Easy Software AG (201524, 200625), der IKB Deutsche Industriebank AG (2015)26, der Siemens AG (201527, 201328, 201029), der Constantin Medien AG (201430, 200931), der 18  Eine umfassende Untersuchung aller außerhalb des DAX, TecDAX, MDAX sowie SDAX gelisteten Aktiengesellschaften erfolgte nicht. 19  SKW Stahl-Metallurgie Holding AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung am 10. Oktober 2017, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 8. 20  Die Hauptversammlung wurde wegen eines Insolvenzantrages abgesagt, hierzu SKW Stahl-Metallurgie Holding AG, Absage der ordentlichen Hauptversammlung am 10. Oktober 2017, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019). 21  cash.life AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2016, abrufbar unter: https://www.cashlife.de/fileadmin/Daten/PDF_Dokumente/cashlife_AG_-_Ein ladung_HV_2016_final.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 5. 22  Deutsche Bank AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2016, abrufbar unter: https://hauptversammlung.db.com/de/docs/HV2016_Tagesordnung_ de_2016-03-31.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 10. 23  Nemetschek SE, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2016, abrufbar unter: https://ir.nemetschek.com/download/companies/nemetschek/Hauptversamm lung/TOP1_Einladung_HV_dt_WEB.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 6. 24  Easy Software AG, Ergänzung der Tagesordnung zur ordentlichen Hauptversammlung 2015, abrufbar unter: https://easy-software.com/wp-content/uploads/ 2018/05/easy_software_ag_ergaenzung_der_tagesordnung_hv_2015.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 8. 25  Easy Software AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2006, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesan zeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 7. 26  IKB Deutsche Industriebank AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2015, abrufbar unter: https://www.ikb.de/MediaLibrary/41ecc5b5-b66a-44f3847d-a074c29bc0c1/Tagesordnung.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 7. 27  Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2015, abrufbar unter: https://assets.new.siemens.com/siemens/assets/api/uuid:ba34fdf4-cb40-46dc-99 7a-cb01503737e1/version:1565189149/hv2015-einberufung-de.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 11. 28  Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: https://assets.new.siemens.com/siemens/assets/api/uuid:8b1d415e-afe1-4511921c-c2d2a848f029/version:1565188850/hv2013-einberufung-20121128-d.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 7. 29  Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2010, abrufbar unter: https://assets.new.siemens.com/siemens/assets/api/uuid:153c1246-a926-466c-

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Teil 3: Im Besonderen: Grundlagen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG

MAN SE (2014)32, der Solar-Fabrik AG (2014)33, der Südwestdeutsche Salzwerke AG (2014)34, der BCA AG (2013)35, der Carus AG (2013)36, der Conergy AG (2013)37, der Deutsche Balaton AG (2013)38, der Enerxy AG (2013)39, der P&I Personal & Informatik AG (2013)40, der Softline AG (201341, 201042), der ItN Nanovation AG (2012)43, der plenum AG (2012)44, 903e-97d67763b622/version:1565188819/einladung-hv2010-d.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 12 und 13. 30  Constantin Medien AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2014, abrufbar unter: http://www.constantin-medien.de/dasat/images/3/101443-to-constan tinmedien-2014-web-ii.PDF (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 10. 31  Constantin Medien AG, Einladung zur außerordentlichen Hauptversammlung 2009, abrufbar unter: http://www.constantin-medien.de/dasat/images/3/100973-toneu-constantinmedien1109-web.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 1 und 2. 32  MAN SE, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2014, abrufbar unter: https://www.corporate.man.eu/man/media/de/content_medien/doc/global_corporate_ website_1/investor_relations_1/hv/2014_8/man_hv_2014_einberufung_einschl__ta gesordnung.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 6. 33  Solar-Fabrik AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2014, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzei ger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 8. 34  Südwestdeutsche Salzwerke AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2014, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 8. 35  BCA AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: https://www.mybca.de/sites/bca_neu/files/media/Downloads/einladung_hauptver sammlung_2013.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 11. 36  Carus AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 7. 37  Conergy AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 5. 38  Deutsche Balaton AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: http://www.deutsche-balaton.de/wp-content/uploads/2015/06/tohv 2013.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 7. 39  Enerxy AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 7. 40  P&I Personal & Informatik AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 7. 41  Softline AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: https://www.softline-group.com/fileadmin/assets/PDF/Investor_Relations/Share holder_Conference/2011/Einladung_SoftlineAG_HV2012_flyer_final.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 6 und 7. 42  Softline AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2010, abrufbar unter: https://www.softline-group.com/fileadmin/assets/PDF/Investor_Relations/Share



2. Kap.: Bestandsaufnahme zur Relevanz von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG53

der Deutsche Telekom AG (2011)45, der Infineon Technologies AG (2011)46, der Zapf Creation AG (2011)47 sowie der Capital Stage AG (2005)48.49 Im Rahmen der 28 hierzu abgehaltenen Hauptversammlungen standen siebenundzwanzigmal Vergleiche und nur einmal ein Verzicht auf der Tagesordnung.50 In 14 Fällen ging mit der Vereinbarung auch ein Vergleich mit einem oder mehreren D&O-Versicherer(n) einher.51 Betroffen waren von den Vereinbarungen insgesamt 58 ehemalige Vorstandsmitglieder, 24 ehemalige Aufsichtsratsmitglieder sowie drei Personen, die in dem betroffenen Unternehmen sowohl dem Vorstand als auch dem Aufsichtsrat angehörten.52 Hinzu kommen zum Zeitpunkt der Hauptversammlungseinladung noch unbezifferte Mitglieder in Vorstand und Aufsichtsrat von zwei betroffenen Gesellschaften.53 holder_Conference/2009/Softline_AG_Einladung_HV2010.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 4. 43  ItN Nanovation AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2012, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesan zeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 8. 44  Plenum AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2012, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 8. 45  Deutsche Telekom AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2011, abrufbar unter: https://www.telekom.com/de/investor-relations/details/einladung-zurordentlichen-hauptversammlung--334918 (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 26 und 27. 46  Infineon Technologies AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2011, abrufbar unter: https://www.infineon.com/dgdl/Inf_Einladung_HV_2011_dt.pd f?fileId=db3a3043324cae8c01325dc996d90aac (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 10. 47  Zapf Creation AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2011, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzei ger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 12. 48  Capital Stage AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2005, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzei ger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 6. 49  Liste teilweise bei Schnorbus/Ganzer, WM 2015, 1877, 1881 (Fußnote 221). 50  Ein Verzicht stand bei der Constantin Medien AG (2009) auf der Tagesordnung. 51  So bei der Conergy AG (2013), der Constantin Medien AG (2014, 2009), der Deutsche Bank AG (2016), der Deutsche Telekom AG (2011), der Easy Software AG (2006), der IKB Deutsche Industriebank AG (2015), der ItN Nanovation AG (2012), der MAN SE (2014), der Nemetschek SE (2016), der plenum AG (2012), der Siemens AG (2015, 2013, 2010) sowie der Solar-Fabrik AG (2014). 52  Dies war bei Constantin Medien AG (2009) sowie bei der Siemens AG (2010). 53  Dies war der Fall bei der Easy Software AG (2015) und der Constantin Medien AG (2014).

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Teil 3: Im Besonderen: Grundlagen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG

Der erste Vergleich im untersuchten Zeitraum wurde im Jahr 2005 geschlossen zwischen der Capital Stage AG und einem ihrer ehemaligen Vorstandsmitglieder.54 Ein Jahr später, 2006, schloss die Easy Software AG einen Vergleich mit zwei ehemaligen Vorstandsmitgliedern.55 Es dauerte weitere drei Jahre, bis 2009, bis der erste (und einzige) Verzichtsvertrag folgte, diesmal zwischen der Constantin Medien AG und elf ehemaligen Vorstandsmitgliedern sowie neun ehemaligen Aufsichtsratsmitgliedern, wovon zwei zudem ehemalige Vorstandsmitglieder waren.56 2010 folgte der erste Vergleichsblock der Siemens AG zur Beendigung des Sachverhaltskomplexes „schwarze Kassen“ mit neun ehemaligen Vorstandsmitgliedern sowie zwei Aufsichtsratsmitgliedern, wovon einer auch ehemaliges Vorstandsmitglied war.57 Im gleichen Jahr schloss die Softline AG den ersten Vergleich mit zwei ehemaligen Vorstandsmitgliedern und einem ehemaligen Aufsichtsratsmitglied.58 2011 stand das Thema Vergleichszustimmung durch die Hauptversammlung auf der Tagesordnung gleich dreier Hauptversammlungen: bei der Deutsche Telekom AG,59 bei der Infineon Technologies AG60 und bei der Zapf Creation AG61. Betroffen waren hiervon insgesamt fünf ehemalige Vorstandsmitglieder sowie ein ehemaliges Aufsichtsratsmitglied. Auch im 54  Capital Stage AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2005, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzei ger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 6. 55  Easy Software AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2006, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesan zeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 7. 56  Hierzu ausführlich bereits unter Teil 3, 1. Kapitel, § 1: Verzicht bei der Constantin Medien AG, S. 47. Außerdem: Constantin Medien AG, Einladung zur außerordentlichen Hauptversammlung 2009, abrufbar unter: http://www.constantin-me dien.de/dasat/images/3/100973-to-neu-constantinmedien1109-web.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 1 und 2. 57  Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2010, abrufbar unter: https://assets.new.siemens.com/siemens/assets/api/uuid:153c1246-a926-466c903e-97d67763b622/version:1565188819/einladung-hv2010-d.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 12. 58  Softline AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2010, abrufbar unter: https://www.softline-group.com/fileadmin/assets/PDF/Investor_Relations/Share holder_Conference/2009/Softline_AG_Einladung_HV2010.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 4. 59  Deutsche Telekom AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2011, abrufbar unter: https://www.telekom.com/de/investor-relations/details/einladung-zurordentlichen-hauptversammlung--334918 (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 26 und 27. 60  Infineon Technologies AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2011, abrufbar unter: https://www.infineon.com/dgdl/Inf_Einladung_HV_2011_dt.pd f?fileId=db3a3043324cae8c01325dc996d90aac (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 10.



2. Kap.: Bestandsaufnahme zur Relevanz von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG55

Jahr 2012 befassten sich zwei Hauptversammlungen mit dem Thema Organhaftungsvergleich: die Hauptversammlung der ItN Nanovation AG62 sowie die der plenum AG63. 2013 war das Jahr, in dem bis dato die meisten Vergleiche in den untersuchten Gesellschaften geschlossen wurden. Acht Aktiengesellschaften verglichen sich mit insgesamt 23 ehemaligen Organmitgliedern: die BCA AG,64 die Carus AG,65 die Conergy AG,66 die Deutsche Balaton AG,67 die Enerxy AG,68 die P&I Personal & Informatik AG,69 die Siemens AG70 sowie die Softline AG71. Im Jahr 2014 wurde viermal auf Hauptversammlungen um die Zustimmung der Aktionäre zu einem Vergleich mit sieben ehemaligen Organmitgliedern gebeten: Nachdem die Constantin Medien AG im Jahr 2009 auf Ansprüche gegen ehemalige Organmitglie61  Zapf Creation AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2011, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzei ger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 12. 62  ItN Nanovation AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2012, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesan zeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 8. 63  Plenum AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2012, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 8. 64  BCA AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: https://www.mybca.de/sites/bca_neu/files/media/Downloads/einladung_hauptver sammlung_2013.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 11. 65  Carus AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 7. 66  Conergy AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 5. 67  Deutsche Balaton AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: http://www.deutsche-balaton.de/wp-content/uploads/2015/06/tohv 2013.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 7. 68  Enerxy AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 7. 69  P&I Personal & Informatik AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 7. 70  Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: https://assets.new.siemens.com/siemens/assets/api/uuid:8b1d415e-afe1-4511-921 c-c2d2a848f029/version:1565188850/hv2013-einberufung-20121128-d.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 7. 71  Softline AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: https://www.softline-group.com/fileadmin/assets/PDF/Investor_Relations/Share holder_Conference/2011/Einladung_SoftlineAG_HV2012_flyer_final.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 6 und 7.

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der verzichtet hatte, verglich sie sich nun.72 Gleiches taten die Solar-Fa­ brik AG,73 die Südwestdeutsche Salzwerke AG74 sowie die MAN SE75. Im Jahr 2015 schlossen drei Gesellschaften Vergleiche mit ehemaligen Vorstandsmitgliedern, dies waren – zum Abschluss des Komplexes „schwarze Kassen“ – die Siemens AG76 sowie die IKB Deutsche Industriebank AG77. Außerdem stand bei der Easy Software AG die Zustimmung zu Vergleichsschlüssen zwischen der Gesellschaft und zwei ehemaligen Vorstandsmitgliedern auf der Hauptversammlungsagenda, wobei zum Zeitpunkt der Hauptversammlung noch kein ausgehandelter Vergleich zwischen den Parteien vorlag.78 In der Hauptversammlungssaison 2016 stand das Thema Vergleich bei drei Hauptversammlungen an: von den Medien viel beachtet bei der Deutsche Bank AG mit ihrem ehemaligen Vorstandsmitglied Breuer79 und – nicht so beachtet – bei der cash.life AG80 sowie der Nemetschek SE81. Im 72  Constantin Medien AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2014, abrufbar unter: http://www.constantin-medien.de/dasat/images/3/101443-to-constan tinmedien-2014-web-ii.PDF (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 10. 73  Solar-Fabrik AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2014, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzei ger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 8. 74  Südwestdeutsche Salzwerke AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2014, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 8. 75  MAN SE, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2014, abrufbar unter: https://www.corporate.man.eu/man/media/de/content_medien/doc/global_corporate_ website_1/investor_relations_1/hv/2014_8/man_hv_2014_einberufung_einschl__tages ordnung.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 6. 76  Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2015, abrufbar unter: https://assets.new.siemens.com/siemens/assets/api/uuid:ba34fdf4-cb40-46dc997a-cb01503737e1/version:1565189149/hv2015-einberufung-de.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 11. 77  IKB Deutsche Industriebank AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2015, abrufbar unter: https://www.ikb.de/MediaLibrary/41ecc5b5-b66a-44f3847d-a074c29bc0c1/Tagesordnung.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 7. 78  Easy Software AG, Ergänzung der Tagesordnung zur ordentlichen Hauptversammlung 2015, abrufbar unter: https://easy-software.com/wp-content/uploads/ 2018/05/easy_software_ag_ergaenzung_der_tagesordnung_hv_2015.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 8. 79  Hierzu ausführlich bereits unter Teil 3, 1. Kapitel, § 2: Vergleich bei der Deutsche Bank AG, S. 48. Außerdem: Deutsche Bank AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2016, abrufbar unter: https://hauptversammlung.db.com/de/docs/ HV2016_Tagesordnung_de_2016-03-31.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 10. 80  cash.life AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2016, abrufbar unter: https://www.cashlife.de/fileadmin/Daten/PDF_Dokumente/cashlife_AG_-_Einladung_HV_2016_final.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 5. 81  Nemetschek SE, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2016, ab­ rufbar unter: https://ir.nemetschek.com/download/companies/nemetschek/Hauptver



2. Kap.: Bestandsaufnahme zur Relevanz von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG57

Jahr 2017 stand ein Vergleich zwar bei der SKW Stahl-Metallurgie Holding AG auf der Tagesordnung der Hauptversammlungseinladung, die Hauptversammlung wurde allerdings abgesagt, da der Vorstand in der Zwischenzeit einen Insolvenzantrag gestellt hatte.82 Die Untersuchung zeigt, dass Unternehmen immer häufiger von der Möglichkeit Gebrauch machen, eine Streitigkeit mit einem ehemaligen Organmitglied statt im Rahmen einer prozessualen Anspruchsdurchsetzung mittels eines Verzichts- oder Vergleichsvertrages zu beenden.83 Dass dieser Weg auch bei den Aktionären auf Zustimmung stößt, zeigen die Zustimmungsquoten der untersuchten Hauptversammlungen, die einem solchen Verzicht oder Vergleich nach § 93 Abs. 4 S. 3 AktG ihre Zustimmung erteilten. Diese lagen jeweils zwischen 98,13 %84 und 99,99 %85 der abstimmungsberechtigten Aktionäre – und das selbst dann, wenn objektiv die Vergleichssumme weit hinter dem Schaden zurückblieb, den die Gesellschaft durch ein Fehlverhalten des Organs erlitten hatte. So erreichten beispielsweise die Vergleiche bei der Siemens AG im Jahr 2010 Zustimmungsquoten zwischen 98,13 % und 99,64 %, obwohl die Beträge, die die einzelnen ehemaligen Organmitglieder zu entrichten hatten, nur zwischen 0,5 Millionen Euro und 5 Millionen Euro lagen, während der Schaden sich insgesamt auf etwa 2,5 Milliarden Euro belief.86 sammlung/TOP1_Einladung_HV_dt_WEB.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 6. 82  SKW Stahl-Metallurgie Holding AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung am 10. Oktober 2017, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019) TOP 8 sowie SKW Stahl-Metallurgie Holding AG, Absage der ordentlichen Hauptversammlung am 10. Oktober 2017, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019). 83  Gleichwohl kann hieraus nicht abschließend auf eine tatsächliche Steigerung der Attraktivität der Verzichts-/Vergleichsmethode geschlossen werden, da Zahlen zu Schadenersatzfällen nicht bekannt sind. Löbbe konstatiert gleichwohl, dass die überwiegende Anzahl der Organhaftungsfälle in der Praxis per Vergleich beendet würden, Löbbe, Festschrift Marsch-Barner, 317. 84  Diese Zustimmungsquote erhielt die Vereinbarung zwischen der Siemens AG und einem ihrer ehemaligen Vorstandsmitglieder, Siemens AG, Abstimmungsergebnisse der ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: https://assets.new. siemens.com/siemens/assets/api/uuid:356eaf7e-0b12-4821-b70e-c0a0845f7c19/ab stimmungsergebnisse2013.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019). 85  Diese Zustimmungsquote erhielt beispielsweise die Vereinbarung der Softline AG 2010 mit zwei ehemaligen Vorstandsmitgliedern und einem ehemaligen Aufsichtsratsmitglied, Softline AG, Abstimmungsergebnisse der ordentlichen Hauptversammlung 2010, abrufbar unter: https://www.softline-group.com/fileadmin/assets/ PDF/Investor_Relations/Shareholder_Conference/2009/Praesenz_und_Abstimmungs ergebnisse_HV2010.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019). 86  Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2010, abrufbar unter: https://assets.new.siemens.com/siemens/assets/api/uuid:153c1246-a926-466c-

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Teil 3: Im Besonderen: Grundlagen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG

3. Kapitel

Gründe für den Abschluss einer Verzichtsoder Vergleichsvereinbarung Selbst wenn einer AG ein Anspruch gegen ein Vorstandsmitglied auf Ersatzleistung wegen Pflichtverletzung zusteht, wird – wie soeben gezeigt – mit zunehmender Beliebtheit auf die Möglichkeit eines Verzichts oder Vergleichs zurückgegriffen. Es gibt unterschiedliche Gründe für eine Gesellschaft, diesen – auf den ersten Blick weniger rentablen – Weg innerhalb oder außerhalb einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu gehen. Erledigt ein Vorstandsmitglied an sich gute und für die Gesellschaft gewinnbringende Arbeit, würde eine Fortführung dieser Tätigkeit angesichts einer (existenzbedrohenden) Inanspruchnahme durch die AG in Zukunft ­voraussichtlich nicht mehr möglich sein. Sind mehrere Vorstandsmitglieder involviert, würde das im Einzelfall sogar einen Austausch des gesamten Vorstandes erforderlich machen.87 Kurzfristigen – insbesondere gleichwertigen – Ersatz zu finden, kann schwer sein, denn die Auswahl an geeigneten Personen ist beschränkt.88 Verlässt ein Vorstandsmitglied infolge einer Inanspruchnahme das Unternehmen, verzeichnet dieses zudem einen Know-HowVerlust, der durch den Abschluss eines Verzichts oder Vergleichs möglicherweise vermieden werden kann.89 Wäre der personelle Verlust schwerer zu gewichten als der finanzielle, läge hierin ein Grund für die AG, statt der Anspruchsgeltendmachung eine Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung abzuschließen.90 Hat sich eine Aktiengesellschaft einmal – unter Umständen sogar von den Medien vielbeachtet – mit einem Vorstandsmitglied prozessual über Organhaftungsansprüche auseinandergesetzt und musste dieses in der Folge eine hohe Ersatzzahlung leisten, wird es in Zukunft für die Gesellschaft mitunter schwer werden, Vorstandsmitglieder zu gewinnen.91 903e-97d67763b622/version:1565188819/einladung-hv2010-d.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 27, 30 ff. sowie Siemens AG, Abstimmungsergebnisse der ordent­ lichen Hauptversammlung 2010, abrufbar unter: https://assets.new.siemens.com/sie mens/assets/api/uuid:03344f3a-73f5-4da1-811c-25f0faca2b54/abstimmungsergeb nisse2010.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 4. 87  Hasselbach, DB 2010, 2037, 2040. 88  Hasselbach, NZG 2016, 890, 893; ders., DB 2010, 2037, 2040. 89  Wilsing, Festschrift Haarmann, 257, 274. 90  Fehrenbach, AG 2015, 761, 768. 91  Dies bewog Vorstand und Aufsichtsrat der Deutsche Bank AG (2016) dazu, ihren Aktionären einen Vergleich zur Zustimmung vorzulegen: Deutsche Bank AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2016, abrufbar unter: https://hauptver



3. Kap.: Abschluss einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung59

Gerade dort, wo innerhalb weniger Jahre mehrere Wechsel auf der Vorstandsebene stattgefunden haben, kann zugunsten einer gewissen Stabilität der Führung ein Verzicht oder Vergleich das vorzugswürdige Mittel zu einer Anspruchsgeltendmachung sein.92 Wird gegen ein amtierendes Vorstandsmitglied ein Anspruch geltend gemacht, geht damit meist eine Behinderung der Vorstandsarbeit einher:93 Während sich das Vorstandsmitglied auf seine Verteidigung konzentriert, bleibt andere Vorstandsarbeit liegen. Zudem tritt bei einer langwierigen Auseinandersetzung eine emotionale Entfremdung zwischen Vorstandsmitglied und Gesellschaft ein: Wie soll ein Vorstandsmitglied weiterhin mit voller Kraft und Überzeugung für das Unternehmen kämpfen, wenn es von diesem fortgesetzt mit einem nicht abgeschlossenen Handlungskomplex bedroht wird? Ein Verzicht oder Vergleich kann die Angelegenheit bereinigen und ist dann im Einzelfall für das Unternehmen von Vorteil. Werden die Ansprüche gerichtlich geltend gemacht, spielen darüber hinaus rechtliche wie tatsächliche Unsicherheiten in Bezug auf das Obsiegen der Gesellschaft vor Gericht eine wichtige Rolle, auch sie können der Grund für einen Vergleich sein.94 sammlung.db.com/de/docs/HV2016_Tagesordnung_de_2016-03-31.pdf (zuletzt ab­ gerufen am 04.12.2019), 24. 92  Hasselbach, NZG 2016, 890, 893. 93  Fehrenbach, AG 2015, 761, 768. 94  Dies bewog Vorstand und Aufsichtsrat der cash.life AG (2016), der Constantin Medien AG (2009), der Deutsche Balaton AG (2013), der Infineon Technologies AG (2011), der MAN SE (2014), der plenum AG (2012), der Siemens AG (2013) sowie der Softline AG (2013, 2010) dazu, ihren Aktionären einen Vergleich bzw. Verzicht zur Zustimmung vorzulegen: cash.life AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2016, abrufbar unter: https://www.cashlife.de/fileadmin/Daten/ PDF_Dokumente/cashlife_AG_-_Einladung_HV_2016_final.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 5; Constantin Medien AG, Rede des Vorstands in der außerordentlichen Hauptversammlung 2009, abrufbar unter: http://www.constantin-medien.de/da sat/images/6/100996-cm-hv-rede-151209-final.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 12 f.; Deutsche Balaton AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: http://www.deutsche-balaton.de/wp-content/uploads/2015/06/tohv 2013.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 12; Infineon Technologies AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2011, abrufbar unter: https://www.infineon.com/dgdl/Inf_Einladung_HV_2011_dt.pdf?fileId=db3a3043324cae8c01325dc99 6d90aac (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 19; MAN SE, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2014, abrufbar unter: https://www.corporate.man.eu/man/media/ de/content_medien/doc/global_corporate_website_1/investor_relations_1/hv/2014_8/ man_hv_2014_einberufung_einschl__tagesordnung.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12. 2019), 19; Plenum AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2012, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzei ger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019); Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: https://assets.new.siemens.com/siemens/as

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Teil 3: Im Besonderen: Grundlagen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG

Ferner kann durch einen Verzicht oder Vergleich verhindert werden, dass eine Gesellschaft u. U. noch über Jahre hinweg prozessieren muss, was einen erheblichen Kosten- und Zeitaufwand verursachen kann.95 sets/api/uuid:8b1d415e-afe1-4511-921c-c2d2a848f029/version:1565188850/hv2013einberufung-20121128-d.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 55; Softline AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: https://www. softline-group.com/fileadmin/assets/PDF/Investor_Relations/Shareholder_Confer ence/2011/Einladung_SoftlineAG_HV2012_flyer_final.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 6; Softline AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2010, abrufbar unter: https://www.softline-group.com/fileadmin/assets/PDF/Investor_Rela tions/Shareholder_Conference/2009/Softline_AG_Einladung_HV2010.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 5. 95  Dies bewog Vorstand und Aufsichtsrat der BCA AG (2013), der cash.life AG (2016), der Carus AG (2013), der Conergy AG (2013), der Deutsche Bank AG (2016), der Deutsche Balaton AG (2013), der Enerxy AG (2013), der IKB Deutsche Indus­ triebank AG (2015), der MAN SE (2014), der plenum AG (2012) sowie der Siemens AG (2015, 2013, 2010) dazu, ihren Aktionären einen Vergleich zur Zustimmung vorzulegen: BCA AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: https://www.mybca.de/sites/bca_neu/files/media/Downloads/einladung_hauptversammlung_2013.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 6; cash.life AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2016, abrufbar unter: https://www.cashlife. de/fileadmin/Daten/PDF_Dokumente/cashlife_AG_-_Einladung_HV_2016_final.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 5 f.; Carus AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019); Conergy AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019); Deutsche Bank AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2016, abrufbar unter: https://hauptversammlung.db.com/de/docs/HV2016_Tagesordnung_de_2016-03-31.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 24; Deutsche Balaton AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: http:// www.deutsche-balaton.de/wp-content/uploads/2015/06/tohv2013.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 12; Enerxy AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019); IKB Deutsche Industriebank AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2015, abrufbar unter: ­https://www.ikb.de/MediaLibrary/41ecc5b5-b66a-44f3-847d-a074c29bc0c1/Tagesordnung.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 29; MAN SE, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2014, abrufbar unter: https://www.corporate.man.eu/man/ media/de/content_medien/doc/global_corporate_website_1/investor_relations_1/ hv/2014_8/man_hv_2014_einberufung_einschl__tagesordnung.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 19, 28; Plenum AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2012, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www. bundesanzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019); Siemens AG, Einladung zur ordent­ lichen Hauptversammlung 2015, abrufbar unter: https://assets.new.siemens. com/siemens/assets/api/uuid:ba34fdf4-cb40-46dc-997a-cb01503737e1/version:15651 89149/hv2015-einberufung-de.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 44; Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: ­https://as sets.new.siemens.com/siemens/assets/api/uuid:8b1d415e-afe1-4511-921c-c2d2a848



3. Kap.: Abschluss einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung61

Gerade dann, wenn die Schadenssumme von nicht unerheblichem Umfang ist, spielt der Gesichtspunkt der Vollstreckbarkeit eines möglichen Titels eine wichtige Rolle bei der Entscheidung, statt der gerichtlichen Anspruchsdurchsetzung einen Vergleich zu schließen. Konnte beispielsweise bereits im Vorhinein mittels Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines in Anspruch Genommenen festgestellt werden, dass in der geltend gemachten Höhe eine Vollstreckung mangels ausreichenden Vermögens nicht erfolgsversprechend ist, ist ein Vergleich in einer vollstreckbaren Höhe die bessere Wahl.96 Zudem würden durch im Prozess anfallende Kosten Vermögenswerte des Vorstandsmitgliedes sowie – falls eine solche abgeschlossen wurde – einer D&O-Versicherung aufgezehrt, die später nicht mehr für die Schadensregulierung zur Verfügung stünden.97 Wird ein Anspruch bereits vor Gericht f029/version:1565188850/hv2013-einberufung-20121128-d.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 55; Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2010, abrufbar unter: https://assets.new.siemens.com/siemens/assets/api/uuid:153c1246-a9 26-466c-903e-97d67763b622/version:1565188819/einladung-hv2010-d.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 34. 96  Dies bewog Vorstand und Aufsichtsrat der Carus AG (2013), der Conergy AG (2013), der Constantin Medien AG (2009), der IKB Deutsche Industriebank AG (2015), der MAN SE (2014) sowie der Siemens AG (2015, 2013) dazu, ihren Aktionären einen Vergleich bzw. Verzicht zur Zustimmung vorzulegen: Carus AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019); Conergy AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019); Constantin Medien AG, Rede des Vorstands in der außerordentlichen Hauptversammlung 2009, abrufbar unter: http:// www.constantin-medien.de/dasat/images/6/100996-cm-hv-rede-151209-final.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 13; IKB Deutsche Industriebank AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2015, abrufbar unter: https://www.ikb.de/Media Library/41ecc5b5-b66a-44f3-847d-a074c29bc0c1/Tagesordnung.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 28; MAN SE, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2014, abrufbar unter: https://www.corporate.man.eu/man/media/de/content_medien/ doc/global_corporate_website_1/investor_relations_1/hv/2014_8/man_hv_2014_einberufung_einschl__tagesordnung.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 10; Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2015, abrufbar unter: https:// assets.new.siemens.com/siemens/assets/api/uuid:ba34fdf4-cb40-46dc-997a-cb015 03737e1/version:1565189149/hv2015-einberufung-de.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 45; Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: https://assets.new.siemens.com/siemens/assets/api/uuid:8b1d415e-af e1-4511-921c-c2d2a848f029/version:1565188850/hv2013-einberufung-20121128-d. pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 54. 97  Dies bewog Vorstand und Aufsichtsrat der Deutsche Bank AG (2016), der MAN SE (2014) sowie der Siemens AG (2010) dazu, ihren Aktionären einen Vergleich zur Zustimmung vorzulegen: Deutsche Bank AG, Einladung zur ordentlichen

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Teil 3: Im Besonderen: Grundlagen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG

prozessiert und ist mit einem längeren Fortdauern der Auseinandersetzung zu rechnen, ist zudem die Entwicklung der finanziellen Verhältnisse des Betroffenen ungewiss, sodass zu einem späteren Zeitpunkt eine Vollstreckung unter Umständen nur noch in verringerter Höhe als zum aktuellen Zeitpunkt möglich wäre.98 Lebt der Anspruchsgegner mittlerweile im Ausland oder hat er dorthin Teile seines Vermögens verlagert, können sich daraus neue Hürden für die Anspruchsdurchsetzung aus einem gerichtlichen Titel ergeben.99 Geht ein Vorstandsmitglied hingegen freiwillig einen Vergleich ein, ist eine Kooperation mit höherer Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Ferner führt ein Vergleich zu einem unmittelbaren Mittelzufluss – nicht erst nach vielen weiteren Jahren des Prozessierens.100 Nicht zu vernachlässigen ist darüber hinaus die negative mediale Aufmerksamkeit, die ein gerichtliches Verfahren mit sich bringen und so die Reputation eines Unternehmens erheblich beeinträchtigen kann.101 Wird ein Hauptversammlung 2016, abrufbar unter: https://hauptversammlung.db.com/de/docs/ HV2016_Tagesordnung_de_2016-03-31.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 24; MAN SE, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2014, abrufbar unter: ­https://www.corporate.man.eu/man/media/de/content_medien/doc/global_corporate_ website_1/investor_relations_1/hv/2014_8/man_hv_2014_einberufung_einschl__ta gesordnung.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 28; Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2010, abrufbar unter: https://assets.new.siemens. com/siemens/assets/api/uuid:153c1246-a926-466c-903e-97d67763b622/version:1565 188819/einladung-hv2010-d.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 34. 98  Dies bewog Vorstand und Aufsichtsrat der Siemens AG (2013) dazu, ihren Aktionären einen Vergleich zur Zustimmung vorzulegen: Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: https://assets.new.siemens. com/siemens/assets/api/uuid:8b1d415e-afe1-4511-921c-c2d2a848f029/version:15651 88850/hv2013-einberufung-20121128-d.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 54. 99  Dies bewog Vorstand und Aufsichtsrat der Constantin Medien AG (2009) dazu, ihren Aktionären einen Verzicht zur Zustimmung vorzulegen: Constantin Medien AG, Rede des Vorstands in der außerordentlichen Hauptversammlung 2009, abrufbar ­unter: http://www.constantin-medien.de/dasat/images/6/100996-cm-hv-rede-151209final.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 13. 100  Dies bewog Vorstand und Aufsichtsrat der Conergy AG (2013) und der Constantin Medien AG (2009) dazu, ihren Aktionären einen Vergleich bzw. Verzicht zur Zustimmung vorzulegen: Conergy AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019); Constantin Medien AG, Rede des Vorstands in der außerordentlichen Hauptversammlung 2009, abrufbar ­unter: http://www.constantin-medien.de/dasat/images/6/100996-cm-hv-rede-151209final.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 14. 101  Dies bewog Vorstand und Aufsichtsrat der der Conergy AG (2013), Deutsche Bank AG (2016), der Deutsche Balaton AG (2013), der plenum AG (2012) sowie der Siemens AG (2015, 2010) dazu, ihren Aktionären einen Vergleich zur Zu-



3. Kap.: Abschluss einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung63

Prozess vor Gericht geführt, können zudem unternehmensinterne Details an die Öffentlichkeit gelangen, unter Umständen sogar an unliebsame Konkurrenten.102 Dies verhindert eine interne Einigung zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied. Wenngleich bei börsennotierten Publikumsgesellschaften der Inhalt eines solchen Verzichts- oder Vergleichsvertrags mit der Einberufung zur Hauptversammlung veröffentlicht werden muss,103 gibt dieser aber weniger Unternehmensinterna preis als dies im Laufe eines Prozesses der Fall wäre. Bei der Entscheidung, inwiefern ein Verzicht oder Vergleich gegenüber einer Anspruchsgeltendmachung das Mittel der Wahl ist, ist auch das Verhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat in den Blick zu nehmen, das dann, wenn es sich um einen Anspruch gegen ein aktives Vorstandsmitglied handelt, bei einer möglicherweise sogar gerichtlichen Anspruchsgeltendmachung erheblich in Mitleidenschaft gezogen werden kann.104 Auch das Abschließen mit einem Themenkomplex, der eine AG über Jahre hinweg negativ belastet hat, kann Grund für einen Verzicht oder Vergleich sein.105 stimmung vorzulegen: Conergy AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www. bundesanzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019); Deutsche Bank AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2016, abrufbar unter: https://hauptversammlung. db.com/de/docs/HV2016_Tagesordnung_de_2016-03-31.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 24; Deutsche Balaton AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: http://www.deutsche-balaton.de/wp-content/uploads/2015 /06/tohv2013.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 12; Plenum AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2012, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12. 2019); Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2015, abrufbar unter: https://assets.new.siemens.com/siemens/assets/api/uuid:ba34fdf4-cb40-46dc-99 7a-cb01503737e1/version:1565189149/hv2015-einberufung-de.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 44; Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2010, abrufbar unter: https://assets.new.siemens.com/siemens/assets/api/uuid: 153c1246-a926-466c-903e-97d67763b622/version:1565188819/einladunghv-2010-d. pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 34. Hierzu auch Hasselbach, NZG 2016, 890, 894; ders., DB 2010, 2037, 2040. 102  Hasselbach, NZG 2016, 890, 894. 103  §§ 121 Abs. 3 S. 2, 124 Abs. 3 S. 3 AktG. 104  Hasselbach, NZG 2016, 890, 893. 105  Dies bewog Vorstand und Aufsichtsrat der cash.life AG (2016), der Deutsche Bank AG (2016), der plenum AG (2012) sowie der Siemens AG (2015, 2013) dazu, ihren Aktionären einen Vergleich zur Zustimmung vorzulegen: cash.life AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2016, abrufbar unter: https://www. cashlife.de/fileadmin/Daten/PDF_Dokumente/cashlife_AG_-_Einladung_HV_2016_ final.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 6; Deutsche Bank AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2016, abrufbar unter: https://hauptversammlung.

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Teil 3: Im Besonderen: Grundlagen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG

Hat sich ein Vorstandsmitglied durch seinen Einsatz für die AG in dieser verdient gemacht und der Gesellschaft große Gewinne gebracht, könnte eine streitige Auseinandersetzung statt eines Verzichts oder Vergleichs schließlich als unangemessen erscheinen.106

4. Kapitel

Historische Entwicklung der Verzichts- und Vergleichsregulierung § 1 Aktienrechtsnovelle von 1884 Zum ersten Mal wurde mit der (zweiten) Aktienrechtsnovelle von 1884 eine Regelung in das Gesetz aufgenommen, die einen Verzicht oder Vergleich einer Aktiengesellschaft über Ersatzansprüche in ihrer Wirksamkeit an gesetzliche Vorgaben knüpfte. Erfasst waren Ansprüche der AG aus der Gründung gegenüber den Gründern der Gesellschaft. Gem. Art. 213d ADHGB 1884 konnte über diese Ansprüche erst nach Ablauf von drei Jahren nach Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister und nur dann ein Verzicht oder Vergleich geschlossen werden, wenn die Hauptversammlung einem solchen db.com/de/docs/HV2016_Tagesordnung_de_2016-03-31.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 17; Plenum AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2012, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundes anzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019); Siemens AG, Einladung zur ordent­ lichen Hauptversammlung 2015, abrufbar unter: https://assets.new.siemens.com/sie mens/assets/api/uuid:ba34fdf4-cb40-46dc-997a-cb01503737e1/version:1565189149/ hv2015-einberufung-de.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 46; Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: https://assets.new. siemens.com/siemens/assets/api/uuid:8b1d415e-afe1-4511-921c-c2d2a848f029/ver sion:1565188850/hv2013-einberufung-20121128-d.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12. 2019), 55. 106  Dies bewog Vorstand und Aufsichtsrat der Deutsche Bank AG (2016), der plenum AG (2012) sowie der Siemens AG (2015, 2010) dazu, ihren Aktionären einen Vergleich zur Zustimmung vorzulegen: Deutsche Bank AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2016, abrufbar unter: https://hauptversammlung.db.com/de/ docs/HV2016_Tagesordnung_de_2016-03-31.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 24; Plenum AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2012, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundesanzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019); Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2015, abrufbar unter: https://assets.new.siemens.com/siemens/assets/ api/uuid:ba34fdf4-cb40-46dc-997a-cb01503737e1/version:1565189149/hv2015-ein berufung-de.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 45; Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2010, abrufbar unter: https://assets.new.siemens. com/siemens/assets/api/uuid:153c1246-a926-466c-903e-97d67763b622/version:1565188819/einladung-hv2010-d.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 30, 34.



4. Kap.: Historische Entwicklung der Verzichts- und Vergleichsregulierung65

zustimmte und nicht eine Minderheit, die den fünften Teil des Grundkapitals darstellte, Widerspruch hiergegen erhob. Ziel der Sperrfrist war es, eine Enthaftung der Gründer so lange zu verhindern, wie diese noch einen beherrschenden Einfluss auf die Aktionäre im Rahmen der Generalversammlung ausüben und so ihre persönliche Inanspruchnahme verhindern konnten.107 In einem frühen Entwurf von Januar 1882 war eine Sperrfrist von nur zwei Jahren angedacht gewesen.108 In den späteren Verhandlungen wurde diese jedoch auf drei Jahre angehoben. Hintergrund war die persönliche Haftung der Gründer bei vorzeitiger Ausgabe von Aktien, die während eines zweijährigen Zeitraums nach Eintragung der Gesellschaft bestand. Durch Verlängerung der Frist sollte verhindert werden, dass die Gesellschaft schon wenige Tage nach Vornahme der schädigenden Handlung auf die ihr den Emittenten gegenüber zustehenden Ansprüche verzichten und so eine Inanspruchnahme der Gründer verhindern konnte.109 Das Widerspruchsrecht sollte der Minderheit einen effektiven Schutz gewährleisten, indem dieselbe Minderheit einen Verzicht oder Vergleich verhindern konnte, die auch eine Verfolgung der Ansprüche aus der Gründung verlangen konnte.110 In den Verhandlungen wurde zwar angesprochen, dass eine Widerspruchsminderheit von 20 % des Grundkapitals zu hoch gegriffen sein könnte, eingegangen wurde darauf später jedoch nicht mehr, sodass es bei der ursprünglichen Fassung blieb.111

§ 2 Handelsgesetzbuch i. d. F. von 1897 § 205 HGB 1897 stimmt mit der Regelung in Art. 213d ADHGB 1884 fast vollständig überein. Wie bereits die Vorgängerversion beließ es das HGB i. d. F. von 1897 bei Regelungen für Verzichte auf oder Vergleiche über Ansprüche, die im Zusammenhang mit der Gründung entstanden waren. Debattiert wurden damals zwei Änderungsvorschläge: eine Verlängerung der 107  Allgemeine Begründung zum Entwurf eines Gesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften (1884), abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre AktienR, ZGR Sonderheft 4, 452 f. 108  § 213c Entwurf ADHGB 1884, Entwurf eines Gesetzes, betreffend Kommanditgesellschaften auf Aktien und Aktiengesellschaften (Januar 1882), abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre AktienR, ZGR Sonderheft 4, 276. 109  Verhandlungen der Aktienrechtskommission (1882), abgedruckt bei Schubert/ Hommelhoff, Hundert Jahre AktienR, ZGR Sonderheft 4, 320. 110  Gem. Art. 223 ADHGB 1884 konnte eine Minderheit des fünften Teils des Grundkapitals die Gesellschaft dazu verpflichten, Ansprüche gegen die Gründer wegen Pflichtverletzungen im Rahmen der Gründung geltend zu machen. 111  Verhandlungen der Aktienrechtskommission (1882), abgedruckt bei Schubert/ Hommelhoff, Hundert Jahre AktienR, ZGR Sonderheft 4, 320.

66

Teil 3: Im Besonderen: Grundlagen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG

Sperrfrist von drei auf fünf Jahre sowie eine Herabsetzung der erforderlichen Minderheit von 20 % auf 10 % des Grundkapitals. Begründet wurde der Antrag zur Sperrfristverlängerung damit, dass Fälle vorkämen, in welchen die Gründer die Aktien erst spät in den Verkehr brächten, weshalb eine Sperrzeit von nur drei Jahren nicht ausreichend sei.112 Der Antrag auf Herabsetzung des erforderlichen Aktionärsanteils zur Geltendmachung des Widerspruchs gegen Verzichts- oder Vergleichsvereinbarungen sollte der Konformität mit dem ebenfalls im Rahmen des HGB i. d. F. von 1897 auf 10 % herabgesetzten Quorum für das Verlangen von Minderheiten zur Geltendmachung von Gründungsansprüchen dienen.113 Angenommen wurde in der Abstimmung allein die Sperrfristverlängerung auf fünf Jahre, obwohl hierfür laut Regierung kein praktisches Änderungsbedürfnis bestanden hatte.114

§ 3 Aktiengesetz i. d. F. von 1937 40 Jahre später, mit Einführung des Aktiengesetzes i. d. F. von 1937, widmete sich der Gesetzgeber erneut den Beschränkungsregelungen für Verzichte und Vergleiche im Aktienrecht. Eine fundamentale Neuerung war die Ausdehnung von Verzichts- und Vergleichsbeschränkungen auf alle Organhaftungsansprüche. Der Gesetzgeber ging damals wohl irrig davon aus, dass eine solche Beschränkung bereits für alle Organhaftungsansprüche, also nicht nur für solche aus der Gründung, gelte.115 Ein Entwurf aus dem Jahr 1930 sah eine solche Erweiterung noch nicht vor.116 Ein möglicher Grund für die Verschärfung der Regelungen für Organhaftungsansprüche aus der laufenden Vorstandstätigkeit könnte der Zuwachs an Macht aufseiten des Vorstands gewesen sein, der durch eine strengere Verantwortlichkeit ausgeglichen werden sollte.117 112  Bericht der XVIII. Kommission über den Entwurf eines H.G.B. sowie den Entwurf eines EinfG. zu demselben, abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen HGB 1897, 1309 f. 113  Bericht der XVIII. Kommission über den Entwurf eines H.G.B. sowie den Entwurf eines EinfG. zu demselben, abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen HGB 1897, 1310. 114  Bericht der XVIII. Kommission über den Entwurf eines H.G.B. sowie den Entwurf eines EinfG. zu demselben, abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen HGB 1897, 1310. 115  In der amtlichen Begründung zum AktG 1937 zu § 84 AktG 1937 heißt es: „Verzichte und Vergleiche der Gesellschaft auf entstandene Ersatzansprüche sind, wie nach geltendem Recht, nur unter erschwerten Bedingungen zulässig“ (Hervorhebung durch Verfasserin), abgedruckt bei Klausing, Aktien-Gesetz, 72. 116  Reichsjustizministerium, Entwurf AktG von 1930, 25. 117  Zimmermann, Festschrift Duden, 773, 777.



4. Kap.: Historische Entwicklung der Verzichts- und Vergleichsregulierung67

§ 4 Aktiengesetz i. d. F. von 1965 Die heutige Fassung der Verzichts- und Vergleichsbeschränkungen in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG stimmt mit derjenigen überein, die im Rahmen der Aktienrechtsreform 1965 in das Aktiengesetz gelangte. Im Vergleich zur Fassung des § 84 Abs. 4 S. 3 AktG 1937 wurden drei Änderungen vorgenommen. Erstens wurde die Sperrfrist auf drei Jahre herabgesenkt und entsprach damit wieder der Sperrfrist, die der Gesetzgeber ursprünglich bei Einführung der Verzichts- und Vergleichsbeschränkungen für Ansprüche gegen Gründer in Art. 213d ADHGB 1884 vorgesehen hatte. Zweitens wurde das Quorum der erforderlichen Widerspruchsminderheit von 20 % auf 10 % herabgesetzt. Und drittens wurde festgelegt, dass der Minderheitswiderspruch zur Niederschrift zu erfolgen hat. Die Verkürzung der Sperrfrist wurde damit begründet, dass das Ziel, den Aktionären ein abschließendes Bild über die Auswirkungen der schädigenden Handlung als Entscheidungsgrundlage zu geben, bereits nach Ablauf von drei Jahren erreicht werden könne.118 Zudem sei eine fünfjährige Frist deshalb zu lang, weil nach fünf Jahren der Anspruch regelmäßig schon verjährt sei, sodass dann auch ein Verzicht oder Vergleich nicht mehr in Betracht komme.119 Schließlich könne eine kürzere Sperrfrist auch im Interesse der Gesellschaft liegen, um schneller einen ungewissen Schwebezustand zu beenden.120 Die Herabsetzung des Minderheitenquorums vom fünften auf den zehnten Teil des Anteils am Grundkapital diente der Angleichung an die Regelung in § 122 Abs. 1 AktG 1937, wonach nur 10 % der Anteilseigner die Geltendmachung von Ansprüchen aus der Gründung oder aus der Geschäftsführung verlangen konnten.121 Das Erfordernis, den Widerspruch zur Niederschrift abzugeben, sollte bis dahin bestehende Unklarheiten über die Form des Widerspruchs beseitigen.122 Ursprünglich vorgesehen war zudem, dass neben einer Minderheit von 10 % der am Grundkapital vertretenen Aktionäre auch denjenigen Aktionären ein Widerspruchsrecht gegen einen Verzicht oder Vergleich zustehe, die mindestens einen Nennbetrag von zwei Millionen Deutsche Mark erreichten.123 118  Begründung

der BReg zum Entwurf des AktG 1965, der BReg zum Entwurf des AktG 1965, 120  Begründung der BReg zum Entwurf des AktG 1965, 121  Begründung der BReg zum Entwurf des AktG 1965, 122  Begründung der BReg zum Entwurf des AktG 1965, 123  Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses zum AktG 1965, BT-Drucks. IV/3296, 42. 119  Begründung

BT-Drucks. IV/171, 132. BT-Drucks. IV/171, 132. BT-Drucks. IV/171, 132. BT-Drucks. IV/171, 132. BT-Drucks. IV/171, 112. Entwurf der BReg des

68

Teil 3: Im Besonderen: Grundlagen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG

Damit sollte die Ausübung des Minderheitenrechts in größeren Gesellschaften erleichtert werden.124 Diese Regelung traf jedoch nicht auf ausreichend Zustimmung und wurde nicht übernommen.

5. Kapitel

Anwendungsbereich von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG § 1  Betroffene Ansprüche Nicht alle Ansprüche, denen sich ein Vorstandsmitglied ausgesetzt sieht, unterliegen den Beschränkungen aus § 93 Abs. 4 S. 3 AktG. Ausdrücklich erfasst werden Ansprüche der Gesellschaft aus § 93 AktG sowie aus § 117 AktG.125 Unabhängig von der Rechtsgrundlage unterliegen auch sonstige, hierzu in Konkurrenz stehende Schadenersatzansprüche der Gesellschaft den Wirksamkeitsvoraussetzungen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, wenn sie mit der Organstellung des Vorstandsmitgliedes im Zusammenhang stehen.126 Steht hingegen ein Vorstandsmitglied ausnahmsweise wie ein Dritter zur Gesellschaft, greifen für die sich aus diesem Verhältnis ergebenden Schadenersatzansprüche die Schranken aus § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht.127 Kein Wirksamkeitshindernis stellt daher eine Missachtung der Regelungen aus § 93 Abs. 4 S. 3 AktG für einen Verzicht oder Vergleich dar, der über direkte Ansprüche von Aktionären gegen Vorstandsmitglieder geschlossen wird.128 Machen Gläubiger der Gesellschaft Ansprüche der AG gegen ein Vorstandsmitglied im Rahmen von § 93 Abs. 5 AktG geltend, unterliegt auch ein in diesem Verhältnis geschlossener Verzicht oder Vergleich nicht den Beschränkungen aus § 93 Abs. 4 S. 3 AktG.129

124  Begründung

der BReg zum Entwurf des AktG 1965, BT-Drucks. IV/171, 112. Abs. 4 AktG verweist auf § 93 Abs. 4 S. 3 AktG. 126  OLG München, AG 2019, 221, 222; OLG München, AG 2017, 631, 632; Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 37; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 522; Handbuch Vorstandsrecht/Fleischer, § 11 Rdnr. 104; Spindler/Stilz/ Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 285. 127  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 522. 128  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 524; Handbuch Vorstandsrecht/ Fleischer, § 11 Rdnr. 104; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 167; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 285. 129  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 523; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 169. 125  § 117



5. Kap.: Anwendungsbereich von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG69

§ 2  Rechtshandlungen Nach dem Wortlaut von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG erfasst die Norm Verzichtsund Vergleichsvereinbarungen. Um der hinter dieser Regelung stehenden Intention des Gesetzgebers in vollem Umfang nachkommen zu können, ist allgemeiner Konsens,130 dass neben den Verzichten und Vergleichen im engeren Sinne auch weitere, wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlungen den Schranken aus § 93 Abs. 4 S. 3 AktG unterliegen. Nachfolgend werden diese herausgearbeitet. Die Bezeichnung einer Vereinbarung als Verzicht oder Vergleich umfasst in dieser Arbeit – sofern nicht ausdrücklich anderweitig hervorgehoben – alle als solche herausgearbeiteten Handlungen.

A. Verzicht und Vergleich im engeren Sinne Das Gesetz kennt den Verzicht im engeren Sinne in zwei Formen: erstens in Form des Erlassvertrags (§ 397 Abs. 1 BGB) und zweitens in Form des negativen Schuldanerkenntnisses (§ 397 Abs. 2 BGB). Erfasst ist demnach einerseits ein Vertrag, in dem sich Schuldner und Gläubiger ausdrücklich darauf einigen, dass der Gläubiger dem Schuldner die Schuld erlässt. Andererseits fallen Verträge in den Anwendungsbereich, bei denen Vertragsinhalt ein Anerkenntnis des Gläubigers ist, dass zwischen ihm und dem Schuldner ein Schuldverhältnis nicht oder nur in einem gewissen Umfang besteht. Was das Gesetz unter einem Vergleich versteht, wird im BGB in § 779 legaldefiniert: Herrscht zwischen zwei Parteien Streit oder Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis und wird dieses durch gegenseitiges Nachgeben vertraglich beseitigt, haben die Parteien einen Vergleich im materiellen Sinne geschlossen.

B. Wirtschaftlich entsprechende Handlungen Rechtshandlungen, die einem Verzicht oder Vergleich in wirtschaftlicher Hinsicht gleichkommen, werden nach allgemeiner Meinung ebenfalls von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG erfasst.131 Ein solches Verständnis ist schon dem Normzweck immanent, da ansonsten dessen Umgehung für die involvierten 130  Hierzu m. w. N.: GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnrn. 528 ff.; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnrn. 171 ff. 131  OLG München, AG 2019, 221, 222; OLG München, AG 2017, 631, 632; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 528; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 77; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 171; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 293; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 64; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 287.

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Teil 3: Im Besonderen: Grundlagen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG

Organe ohne große Mühen möglich wäre. Eine pauschale Betrachtung scheint allerdings aufgrund der Vielzahl der wirtschaftlich entsprechenden Handlungen nicht angezeigt, weshalb einzelne Handlungen nachfolgend differenziert betrachtet werden. I. Außergerichtliche Handlungen 1. Nichtgeltendmachung eines Anspruchs

Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, ob der Aufsichtsrat auch bei der bloßen Nichtverfolgung eines Anspruchs – sei es als Folge der pflicht­ gemäßen Abwägung nach den ARAG/Garmenbeck-Grundsätzen, sei es aufgrund des pflichtwidrigen Unterlassenes der Anspruchsgeltendmachung oder schlichtweg wegen des Nichterkennens eines potenziellen Anspruchs132 – an die von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG gezogenen Grenzen gebunden ist. Bei der Untersuchung außer Acht gelassen wird, ob eine Nichtverfolgung im Lichte der ARAG/Garmenbeck-Rechtsprechung als zulässig einzustufen wäre; entscheidend soll allein sein, dass der Anspruch nicht verfolgt wird. Rein wirtschaftlich betrachtet gleicht die Situation der Nichtgeltendmachung eines Anspruchs der eines Verzicht, selbst während des Laufs der Verjährungsfrist. Übereinstimmendes Ergebnis ist, dass das betroffene Vorstandsmitglied vermögensrechtlich verschont bleibt und dadurch die Gesellschaft einen Schaden erleidet. Erst recht zeigt sich die wirtschaftliche Vergleichbarkeit ab dem Zeitpunkt des Verjährungseintritts, wenn die Anspruchsdurchsetzung durch Erhebung der Verjährungseinrede ausgeschlossen werden kann (§ 214 Abs. 1 BGB). Trotz dieser starken Ähnlichkeit wird sich jedoch ganz überwiegend dafür ausgesprochen, auf die schlichte Nichtgeltendmachung des Anspruchs die gesetzlichen Wirksamkeitshürden aus § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht analog anzuwenden.133 Schon der Bundesgerichtshof stufte in seinem ARAG/Gar132  Unterlässt es der Aufsichtsrat pflichtwidrig, einen Anspruch gegen ein Vorstandsmitglied zu verfolgen, kann er sich selbst haftbar machen. Hierzu grundlegend: BGHZ, 135, 244, 252 (ARAG/Garmenbeck). Ebenso m. w. N.: Hölters/HamblochGesinn/Gesinn, § 111 AktG Rdnr. 40; MünchKomm AktG/Habersack, § 111 AktG Rdnr. 34. 133  Bachmann, 70. DJT 2014, Gutachten, E 41, der statt für eine weitere Hauptversammlungszuständigkeit für eine Stärkung des Informationsflusses den Aktionären gegenüber plädiert, um die Rechte in §§ 147, 148 AktG effektiver zu machen; Bieder, NZG 2015, 1178, 1183; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 644; GroßKomm AktG/Hopt/ Roth, § 93 AktG Rdnr. 530; Habersack, Festschrift Baums, 531, 534; ders., NZG 2016, 321, 325 f.; ders., NZG 2015, 1297, 1299; Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 773; Holle, ZHR 182 (2018), 569, 578; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 310a;



5. Kap.: Anwendungsbereich von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG71

menbeck-Urteil das Absehen von einer Anspruchsverfolgung zwar als „einem Anspruchsverzicht […] außerordentlich nahe“ kommendes Verhalten ein, differenzierte an dieser Stelle aber ausdrücklich zwischen Verzicht und Nichtverfolgung eines Anspruchs.134 Erneut brachte der BGH dies in einem Urteil aus dem Jahr 2014 zum Ausdruck, in welchem er, um den Anwendungsbereich des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG einzugrenzen, zwischen aktivem – wie beim Verzicht – und passivem – wie beim Absehen von der Anspruchsgeltendmachung – Handeln eine Trennlinie zog.135 Fragt man nach der für eine analoge Anwendung erforderlichen Planwidrigkeit einer Regelungslücke, lässt sich eine solche schon nicht begründen: Denn als Reaktion auf das Untätigbleiben des Aufsichtsrats sieht das Gesetz in §§ 147, 148 AktG Regelungen vor, mittels derer die Hauptversammlung bzw. eine Aktionärsminderheit die Geltendmachung eines Anspruchs gegenüber einem Vorstandsmitglied herbeiführen kann.136 Ein der „Gefahr“ entgegentretender Schutzmechanismus ist also bereits vorgesehen. Aber auch in Bezug auf die Interessenlage kann die Nichtgeltendmachung nicht von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG erfasst sein. Hierfür streitet zunächst die mangelnde Rechtsverbindlichkeit, die einer Nichtgeltendmachung schlichtweg fehlt.137 Denn anders als die Verfügungshandlung, die die Gesellschaft vornimmt, wenn sie eine Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung mit einem Vorstandsmitglied schließt, stellt das Nichtstun nur eine Realhandlung dar, NK AktG/U. Schmidt, § 93 AktG Rdnr. 140; Paefgen, AG 2008, 761, 765; Reichert, ZIP 2016, 1189, 1196; ders., Festschrift Hommelhoff, 907, 917 ff.; Schnorbus/Klormann, NZG 2015, 938, 944; Seibt, NZG 2016, 361, 363 f.; Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 100 f.; Wilsing, Festschrift Maier-Reimer, 889, 896 ff.; Zimmermann, DB 2008, 687, 688. Skeptisch Spindler, AG 2013, 889, 898 f., der auf das Verwischen der Grenzen zwischen förmlichem Verzicht und einfachem Unterlassen verweist. A. A. Tröger, ZHR 179 (2015), 453, 476 ff., der für die Anwendbarkeit von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auf die schlichte Nichtgeltendmachung plädiert, um durch die obligatorische Einschaltung der Hauptversammlung deren Rechte zu stärken und so eine effektivere Verfolgung der Haftungsansprüche der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern zu gewährleisten sowie den Gefahren einer „kollegialen Verschonung“ bzw. „Selbstenthaftung“ von Vorstand und Aufsichtsrat entgegenzutreten. Verkannt wird jedoch, dass wegen der grundsätzlichen Verschiedenheit von Verzicht und schlichter Nichtgeltendmachung eines Anspruchs es schon an den Voraussetzungen einer analogen Anwendung mangelt (hierzu im Folgenden), weswegen diese Ansicht jeder rechtlichen Grundlage entbehrt. 134  BGHZ 135, 244, 256. 135  BGHZ 202, 26, 32. 136  Reichert, Festschrift Hommelhoff, 907, 917; Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 101 f. 137  Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 773; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 310a.

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Teil 3: Im Besonderen: Grundlagen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG

der allein noch kein rechtlicher Charakter zukommt. Die Verjährung, die spätestens der Nichtgeltendmachung des Anspruchs den Verzichtscharakter gibt, tritt ohne Zutun des Aufsichtsrats von Gesetzes wegen ein. Am mangelnden Rechtscharakter der Nichtverfolgung ändert sich selbst dann nichts, wenn der Aufsichtsrat diesbezüglich intern einen Beschluss gefasst hat:138 Bis zum Eintritt der Verjährung steht es ihm jederzeit frei, die im Organ gefasste (oder eben gerade nicht gefasste) Entscheidung einer Anspruchsnichtgeltendmachung zu revidieren.139 Dieses Ergebnis wird vom Normzweck des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG gestützt. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG soll vor vorschnellen, kollusiven Absprachen zwischen Aufsichtsrat und Vorstand ohne Mitwirkung der Aktionäre zum Nachteil der Gesellschaft schützen.140 Weil sich an die schlichte Nichtverfolgung eines Anspruchs als Realhandlung während des Laufs der Verjährung aber noch keine durch Aufsichtsratshandeln verursachten Rechtsfolgen knüpfen,141 besteht kein vergleichbares Gefahrenpotenzial, vor dem geschützt werden müsste;142 der Anspruch bleibt unverändert bestehen und kann von Aufsichtsrat und Aktionären geltend gemacht werden.143 Auch das „Verjährenlassen“ ist mit den Gefahren, denen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG entgegentreten will, aufgrund hinreichend bestehender Sicherung nicht vergleichbar: Beim Verjährenlassen eines Anspruchs handelt es sich um einen vom Gesetz zugunsten der Rechtssicherheit in Kauf genommenen Automatismus, dem der Gesetzgeber für Organhaftungsansprüche bereits hinreichend durch die Minderheitenrechte in §§ 147, 148 AktG begegnet ist.144 Dass ein darüber hi­ nausgehender Schutz vom Gesetzgeber gewollt ist, ist nicht ersichtlich. 138  Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 773; Reichert, Festschrift Hommelhoff, 907, 918; Schnorbus/Klormann, NZG 2015, 938, 944. 139  Bieder, NZG 2015, 1178, 1183; Habersack, NZG 2016, 321, 326; Hasselbach/ Seibel, AG 2008, 770, 773; Reichert, ZIP 2016, 1189, 1196; ders., Festschrift Hommelhoff, 907, 918. 140  BGHZ 202, 26, 32  f.; Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 36; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnrn. 505 f.; Handbuch Managerhaftung/ Haas/Wigand, § 20 Rdnrn. 20.65, 20.70; Handbuch Vorstandsrecht/Fleischer, § 11 Rdnrn. 95, 97; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 306; Kölner Komm AktG/ Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 161; Mertens, Festschrift Fleck, 209, 210; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnrn. 280, 283; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 276; Weller/Rahlmeyer, GWR 2014, 167, 168. 141  Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 100 f.; Wilsing, Festschrift Maier-Reimer, 889, 896. 142  Bieder, NZG 2015, 1178, 1183; Holle, ZHR 182 (2018), 569, 578; Wilsing, Festschrift Maier-Reimer, 889, 896. 143  Bieder, NZG 2015, 1178, 1183; Reichert, ZIP 2016, 1189, 1196; ders., Festschrift Hommelhoff, 907, 918; Wilsing, Festschrift Maier-Reimer, 889, 896. 144  Reichert, Festschrift Hommelhoff, 907, 919; Schnorbus/Klormann, NZG 2015, 938, 944; Wilsing, Festschrift Maier-Reimer, 889, 896.



5. Kap.: Anwendungsbereich von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG73

Eine entsprechende Anwendbarkeit der Norm würde zudem in ihrer Rechtsfolge leerlaufen:145 Denn der von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG intendierte Schutz kann nur dann greifen, wenn an die Missachtung der Voraussetzungen rechtliche Folgen für die Vereinbarung geknüpft sind. Aufgrund der Natur der Nichtgeltendmachung des Anspruchs scheiden solche Rechtsfolgen jedoch aus; der Regelungsgedanke liefe ins Leere.146 Die Anwendbarkeit des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auf die Nichtgeltendmachung eines Anspruchs führte auch zu Unstimmigkeiten in Bezug auf die dreijährige Sperrfrist:147 Diese selbst ist es, die Verfügungen über den Anspruch ausschließen will; gewollt ist, dass der Aufsichtsrat – abgesehen von der Anspruchsgeltendmachung – untätig bleibt. Wendete man nun § 93 Abs. 4 S. 3 AktG entsprechend auf das schlicht reale Nichtgeltendmachen des Anspruchs an, führte dies zu einem unüberwindbaren Paradox: Der Aufsichtsrat wäre zwar dazu verpflichtet, bis zu einer Meinungsbildung drei Jahre lang keine Handlungen vorzunehmen, dürfte gleichzeitig aber auch nicht nichts tun. Durch § 93 Abs. 4 S. 3 AktG geregelt werden soll aber nur das aktive Handeln und nicht das passive Nichtstun; Letzteres ist Regelungsinhalt von §§ 147, 148 AktG. Zusammenfassend sind gegen die mit der Nichtgeltendmachung eines Anspruchs verbundenen Gefahren einerseits bereits hinreichende Schutzmechanismen gesetzlich vorgesehen, andererseits ist die Situation aufgrund des mangelnden rechtsverbindlichen Gehalts des „Nichttuns“ nicht mit derjenigen eines Verzichts vergleichbar, weswegen auf die schlichte Nichtgeltendmachung von Ansprüchen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht anzuwenden ist.148 2. Entlastung durch die Hauptversammlung

Auch auf eine Entlastungsentscheidung durch die Hauptversammlung gem. § 120 Abs. 1 AktG findet § 93 Abs. 4 S. 3 AktG keine Anwendung. Dies ergibt sich aus dem Regelungsinhalt der Entlastung: Gem. § 120 Abs. 2 S. 2 AktG enthält eine Entlastung ausdrücklich keinen Verzicht auf Ersatzansprüche. Ein Verzicht kann selbst durch einen einstimmig erfolgten Aktio145  Wilsing,

Festschrift Maier-Reimer, 889, 897. Festschrift Baums, 531, 534; ders., NZG 2016, 321, 325 f.; Wilsing, Festschrift Maier-Reimer, 889, 897. 147  Wilsing, Festschrift Maier-Reimer, 889, 897. 148  Eine Analogie ebenfalls ablehnend: Bieder, NZG 2015, 1178, 1183; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 644 ff.; Habersack, NZG 2016, 321, 325 f.; Reichert, ZIP 2016, 1189, 1196; ders., Festschrift Hommelhoff, 907, 917 ff.; Schnorbus/Klormann, NZG 2015, 938, 944; Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 100 ff.; Wilsing, Festschrift Maier-Reimer, 889, 895 ff. 146  Habersack,

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Teil 3: Im Besonderen: Grundlagen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG

närsbeschluss nicht herbeigeführt werden,149 weshalb auf die Entlastung i. S. d. § 120 Abs. 1 AktG § 93 Abs. 4 S. 3 AktG keine Anwendung findet.150 3. Stimmrechtsvereinbarung mit Aktionären

Umstritten ist, ob eine Stimmrechtsvereinbarung zwischen den Aktionären und dem betroffenen Vorstandsmitglied in den Anwendungsbereich des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG fällt, wenn sich die beteiligten Aktionäre in der Vereinbarung vor Ablauf der dreijährigen Sperrfrist dazu verpflichten, nach Ablauf der dreijährigen Sperrfrist einem Verzicht bzw. Vergleich zwischen der Gesellschaft und dem Organmitglied zuzustimmen.151 Während einige eine solche Stimmrechtsvereinbarung immer zulassen, dabei aber auch auf die Gefahr hinweisen, dass die Verwaltung den entsprechenden Beschluss der Hauptversammlung nicht umsetzt,152 wird überwiegend die Zulässigkeit einer derartigen Vereinbarung mit Blick auf § 93 Abs. 4 S. 3 AktG abgelehnt.153 Letztere Ansicht verdient den Vorzug: Schließt ein Vorstandsmitglied mit Aktionären eine Stimmrechtsvereinbarung, will es sicherstellen, dass diese nach Ablauf der Sperrfrist einer gütlichen Vereinbarung im Hinblick auf einen Organhaftungsanspruch zustimmen. Fakten sollen also bereits vor Ablauf der drei Jahre geschaffen werden, sodass davon auszugehen ist, dass die Vereinbarung dazu dienen soll, die schützenden Regelungen des § 93 Abs. 4 149  GroßKomm AktG/Mülbert, § 120 AktG Rdnr. 47; Hüffer/Koch, AktG, § 120 AktG Rdnr. 13; MünchKomm AktG/Kubis, § 120 AktG Rdnr. 30; Schmidt/Lutter/ Spindler, AktG, § 120 AktG Rdnr. 45; Spindler/Stilz/Hoffmann, AktG, § 120 AktG Rdnr. 28. Zur alten Rechtslage (AktG 1937) hatte der BGH noch entschieden, dass einem einstimmigen Hauptversammlungsbeschluss die Wirkung eines Verzichts zukommen kann, BGHZ 29, 385, 390. Dem damals zustimmend: Schönle, ZHR 126 (1964), 199, 221 f.; ablehnend: Brox, BB 1960, 1226, 1227 f. Diese Wirkung kommt heute noch einstimmig gefassten Entlastungsbeschlüssen der Hauptversammlung in Österreich zu. Hierzu ausführlich unter Teil 4, 4. Kapitel, § 3, D. Entlastung als Verzicht?, S. 137. 150  So auch Bauer/Krets, DB 2003, 811, 812. 151  Ob eine solche Vereinbarung wirksam ist, kann im Einzelfall auch von ihrer Vereinbarkeit mit § 136 Abs. 2 AktG abhängen. 152  Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche, 244; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 320; Zimmermann, Festschrift Duden, 773, 781 f. Unklar: Bauer/ Krets, DB 2003, 811, 812, die aber ebenfalls auf die sich aus dem schuldrechtlichen Charakter der Vereinbarung ergebenden Gefahren für das Vorstandsmitglied hinweisen. 153  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 532; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 171; Mertens, Festschrift Fleck, 209, 213; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 293; Wigand, Haftungsbeschränkungen, 331.



5. Kap.: Anwendungsbereich von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG75

S. 3 AktG zu umgehen.154 Die dreijährige Sperrfrist soll aber gerade sicherstellen, dass über das Vermögen der Gesellschaft nicht zu einem Zeitpunkt disponiert wird, zu dem der Umfang des Schadens noch nicht absehbar ist.155 Eine schon vor Ablauf der Frist für die Aktionäre verbindlich geschlossene Stimmrechtsvereinbarung würde aber ein vergleichbares Ergebnis herbeiführen. Zugunsten des Schutzzwecks muss eine solche Vereinbarung an den Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG gemessen werden. 4. Garantieübernahme durch einen Dritten

Übernimmt ein Dritter dem betroffenem Vorstandsmitglied gegenüber eine Garantie dafür, dass die Gesellschaft das Organmitglied während der dreijährigen Sperrfrist nicht in Anspruch nehmen wird, fällt diese Handlung nicht in den Anwendungsbereich des § 93 Abs. 4 S. 3  AktG.156 Es handelt sich um eine Absprache zwischen einem Dritten, beispielsweise einem Großaktionär,157 und dem Vorstandsmitglied; die Gesellschaft selbst ist nicht in die Vereinbarung involviert. Dann müssen – gerade auch im Gegensatz zu einer Stimmrechtsbindungsvereinbarung – aber weder die Minderheitsaktionäre noch das Gesellschaftsvermögen vor internen Verschonungsabsprachen zwischen den handelnden Organmitgliedern geschützt werden, weshalb für eine Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG kein Raum bleibt.

154  Mertens, Festschrift Fleck, 209, 213; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 293. 155  Begründung der BReg zum Entwurf des AktG 1965, BT-Drucks. IV/171, 132; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 518; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 311; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 76; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 164; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 282; Zimmermann, Festschrift Duden, 773, 774. 156  Bauer/Krets, DB 2003, 811, 812; Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche, 246; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 531; Hölters/Hölters, AktG, §  93 AktG Rdnr.  320; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 171; Mertens, Festschrift Fleck, 209, 212; Zimmermann, Festschrift Duden, 773, 781. Zu beachten bleibt, dass sich der Garant ggf. gem. § 117 AktG der Gesellschaft gegenüber schadenersatzpflichtig macht, wenn er unter Benutzung seines Einflusses darauf hinwirkt, dass die Gesellschaft zu ihren eigenen Lasten handelt. Handelt es sich um ein faktisches Konzernverhältnis, trifft ihn möglicherweise eine Nachteilsausgleichspflicht, Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 320. 157  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 531; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 171; Mertens, Festschrift Fleck, 209, 212; Zimmermann, Festschrift Duden, 773, 781.

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Teil 3: Im Besonderen: Grundlagen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG 5. Abtretung des Ersatzanspruchs an einen Dritten

Tritt die Gesellschaft einen Organhaftungsanspruch an einen Dritten ab, beispielsweise damit sich dieser anschließend mit dem Vorstandsmitglied vergleichen oder auf den Anspruch verzichten kann158, stellt sich die Frage, ob in der Abtretung eine bewusste Umgehung des Verbots in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zu sehen ist, sodass dessen Schutzmechanismus zugunsten des Gesellschaftsvermögens und der Minderheitsaktionäre für die Abtretungshandlung zur Anwendung kommen muss. Wird die Umgehung intendiert, greift nach ganz überwiegender Ansicht § 93 Abs. 4 S. 3 AktG.159 Welche Handlungen als Umgehungsgeschäfte anzusehen sind, ist nicht abschließend geklärt. Der Schutzzweck fordert, dass bei der Bestimmung, ob ein intendiertes Umgehungsgeschäft vorliegt, auf den unkompensierten Abfluss von Gesellschaftsvermögen abzustellen ist.160 Wird der Anspruch ohne Gegenleistung an einen Dritten abgetreten, damit dieser anschließend auf den Schadenersatzanspruch verzichten oder sich darüber vergleichen kann, besteht Einigkeit darüber, dass hierin ein nichtiges Umgehungsgeschäft zu sehen ist.161 Uneinigkeit herrscht bezüglich der Fälle, in denen die Gesellschaft eine Gegenleistung für die Abtretung des Schadenersatzanspruches von dem Dritten erlangt. Differenziert werden muss zwischen einer gleichwertigen und einer unter dem Wert der Forderung liegenden Gegenleistung. Existieren keine Zweifel am Bestehen des Ersatzanspruchs und fließt der Gesellschaft im Gegenzug zur Abtretung eine dem Wert des Anspruchs entsprechende Gegenleistung zu, ist die Forderungszession nicht als Umge-

158  Obwohl der Zessionar gem. § 398 S. 2 BGB in die Rechtsstellung der Gesellschaft als bisherige Gläubigerin tritt, ist er selbst nicht mehr an die Voraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG gebunden, da diese an das Merkmal der Gesellschaft anknüpfen. Zur Wirkung von Schutznormen, die auf bestimmte Merkmale abstellen und nur im Anwendungsbereich dieser gelten: MünchKomm BGB/Roth/Kieninger, § 398 BGB Rdnr. 93. 159  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 530; Handbuch Hauptversammlung/Balke, § 41 Rdnr. 17; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 319; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 77; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 172; Mertens, Festschrift Fleck, 209, 213; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 297; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 64; Zimmermann, Festschrift Duden, 773, 783. 160  Hiernach grenzt auch Dendl zulässige von unzulässigen Abtretungen ab, Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche, 211. 161  Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche, 212; Fleischer, AG 2015, 133, 139; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 530; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 319; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 297; Weller/ Rahlmeyer, GWR 2014, 167, 169; Zimmermann, Festschrift Duden, 773, 783.



5. Kap.: Anwendungsbereich von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG77

hungshandlung einzuordnen und insofern auch ohne Einhaltung der Voraussetzungen in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG wirksam.162 Erhält die Gesellschaft zwar eine Gegenleistung für die Zession, liegt diese aber unter dem Wert des Anspruchs, ist umstritten, ob hierin ein unwirksames Umgehungsgeschäft zu sehen ist. Einige wollen dann an der Wirksamkeit der Abtretung festhalten, wenn eine solche als wirtschaftlich sinnvoll erachtet werden müsse.163 Andere stufen die Abtretung gegen einen geringeren Nominalwert schon von ihrem Wesen her als Vergleich der Gesellschaft mit dem Organmitglied ein, sodass diese sich auch an den hierfür geltenden Vorschriften, also § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, messen lassen müsse.164 Bessere Gründe sprechen dafür, die Abtretung für einen geringeren Gegenwert als Umgehungshandlung einzustufen und insofern ihre Wirksamkeit an der Einhaltung der Voraussetzungen in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zu messen. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit kann nicht danach differenziert werden, inwieweit eine Abtretung ohne gleichwertige Gegenleistung wirtschaftlich sinnvoll und daher wirksam sein soll.165 Tritt die Gesellschaft eine Schadenersatzforderung gegen ein Vorstandsmitglied zu einem geringeren Wert als dem Nominalwert an einen Dritten ab, wird sie entweder Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des Vorstandes haben oder es werden Unsicherheiten über das Bestehen bzw. den Umfang des Anspruchs vorliegen. Dass aber gerade auch in diesen beiden Fällen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Anwendung finden soll und daher eine Abtretung der Forderung ohne entsprechende Gegenleistung eine Umgehungshandlung darstellt, wird nachfolgend aufgezeigt. Der Gesetzgeber hatte den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Vorstandsmitgliedes im Blick und schuf hierfür eine Sonderregelung in § 93 Abs. 4 S. 4 AktG. Danach findet die dreijährige Sperrfrist dann keine Anwendung, wenn das Vorstandsmitglied zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird. Über die Aufhebung der Sperrfrist hinaus wollte der Gesetzgeber für Fälle der Zahlungsunfähigkeit

162  Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 36; GroßKomm AktG/Hopt/ Roth, § 93 AktG Rdnr. 530; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 172; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 297; Schmidt/Lutter/Krieger/SailerCoceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 64; Thomas, Haftungsfreistellung Organmitglieder, 23. 163  Cahn, Vergleichsverbote, 132, 128. 164  Cahn, Vergleichsverbote, 132, 128; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 172. Für Ansprüche aus der Gründung: Kölner Komm AktG/Arnold, § 50 AktG Rdnr. 8. 165  Cahn, Vergleichsverbote, 132, 130 f.

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Teil 3: Im Besonderen: Grundlagen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG

des Vorstandsmitglieds keine weiteren Ausnahmen zulassen.166 Die Zulässigkeit einer Abtretung des Ersatzanspruchs wegen Zweifeln an der Zahlungs­ fähigkeit des betroffenen Organmitgliedes würde diese Regelung hinfällig machen, weswegen hierin eine unwirksame Umgehungshandlung gesehen werden muss. Herrschen bei der Gesellschaft Zweifel darüber, ob und in welchem Umfang die Forderung besteht, und will sie diesen Risiken dadurch entgegentreten, dass sie die Forderung jedenfalls für einen unter ihrem Nominalwert liegenden Betrag an einen Dritten abtritt, liegt im Ergebnis ein für einen Vergleich typisches Verhalten vor: Aus Unsicherheit über die tatsächliche Rechtslage kommen sich beide Parteien entgegen. Vor einem solchen Verhalten soll § 93 Abs. 4 S. 3 AktG aber gerade schützen, weswegen eine Zession der Forderung für eine unter dem Nominalwert liegende Gegenleistung als wirtschaftlich vergleichbare Handlung von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG erfasst werden muss und eine Abtretung unter Nominalwert als Umgehungshandlung nicht wirksam erfolgen kann.167 Insgesamt gilt festzuhalten, dass immer dann, wenn eine Forderung für eine Gegenleistung, die unter dem Wert des Forderungsinhalts liegt, an einen Dritten abgetreten wird, dies eine Umgehung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG darstellt, sodass ohne Beachtung von dessen Voraussetzungen Unwirksamkeit der Zession eintritt.168 6. Verzicht auf Aufrechnung

Gibt die Gesellschaft einseitig die Zusage ab, auf eine ihr zustehende Aufrechnungsmöglichkeit zu verzichten, ist umstritten, ob die Schranken des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Anwendung finden.

166  Cahn, Vergleichsverbote, 132, 128 f.; Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche, 221; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 172. 167  Cahn, Vergleichsverbote, 132, 130. 168  Ebenso: Cahn, Vergleichsverbote, 132, 128 f.; Kölner Komm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 172; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 298; Thümmel, Haftung Manager und Aufsichtsräte, Rdnr. 344. Eine Anwendung von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG befürwortet auch Thomas, Haftungsfreistellung Organmitglieder, 23 ff., der eine Abtretung dann für zulässig hält, wenn der erhaltene Gegenwert, der ggf. unter dem Nominalwert liege, dem tatsächlichen Wert der Forderung entspreche. Bei der Ermittlung des tatsächlichen Wertes müsse beispielsweise die individuelle Leistungsfähigkeit des Organmitgliedes berücksichtigt werden, Thomas, Haftungsfreistellung Organmitglieder, 25. Nicht zwingend eine Umgehung annehmend bei Abtretung der Forderung gegen eine Zahlung, die unter dem Wert der Forderung liegt: GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 530.



5. Kap.: Anwendungsbereich von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG79

Das LG Hamburg hat im Jahr 2006 entschieden, dass eine Gesellschaft in einer Aufhebungsvereinbarung mit einem Vorstandsmitglied über sein Dienstverhältnis wirksam einen Aufrechnungsverzicht aufnehmen könne, ohne dass ein Verstoß gegen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG vorliege.169 Hierfür spreche, dass es der Gesellschaft weiterhin möglich sei, den Anspruch auf dem Weg der Klage durchzusetzen, weil sie sich durch die Vereinbarung lediglich das Recht zur Selbsthilfe nehme.170 Mehrheitlich wird hingegen angenommen, dass auch eine solche Zusage den Schranken des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG unterliegt.171 Letzterer Ansicht ist zuzustimmen. Wirtschaftlich kommt ein solcher Aufrechnungsverzicht einer einseitigen Anspruchsverzichtserklärung gleich.172 Vergleichbar ist der Verzicht auf die Aufrechnungsmöglichkeit zudem mit der Stundung, da in beiden Fällen dem Vorstandsmitglied die Möglichkeit gewährt wird, eigene Ansprüche (z. B. auf Gehalt oder Tantieme) im Urkundsverfahren geltend zu machen, während die AG erst später ihre Ansprüche durchsetzen kann.173 Für die Stundung ist die Schranke des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG allgemein anerkannt,174 die dann auch auf den Verzicht auf die Aufrechnungsmöglichkeit Anwendung finden muss. Verfehlt scheint insbesondere der Hinweis des LG Hamburg, dass es der AG unbenommen sei, ihren Anspruch auf dem Klageweg geltend zu machen, weswegen eine Aufrechnungsvereinbarung ohne Beachtung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Gültigkeit beanspruchen müsse. Entscheidend ist gleichwohl, dass die AG mit einem Aufrechnungsverzicht die Durchsetzung ihres Haftungsanspruchs verschlechtert, weshalb der Verweis auf den Klageweg keine gleichwertige Alternative ist. Ein Aufrechnungsverzicht muss deshalb dem Anwendungsbereich von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG unterfallen. 7. Abgeltungs-, Abfindungs- und Ausgleichsklauseln

Scheidet ein Vorstandsmitglied aus der AG aus, schließen die Parteien regelmäßig eine Vereinbarung, wonach sämtliche Ansprüche wechselseitig ab169  LG Hamburg, Urteil vom 12.06.2006 – 415 O 14/06. Ebenso Staudinger/ Gursky, BGB, § 387 BGB Rdnr. 164. 170  LG Hamburg, Urteil vom 12.06.2006 – 415 O 14/06, Rdnr. 24. 171  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 528; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 309; Verhoeven, EWiR 2008, 353, 354. 172  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 528. 173  Verhoeven, EWiR 2008, 353, 354. 174  RGZ 133, 33, 38; OLG Düsseldorf AG 1989, 361, 362. Hierzu sogleich unter Teil 3, 5. Kapitel, § 2, B., I., 9. Sonstige wirtschaftlich einem Verzicht bzw. Vergleich gleichkommende Handlungen, S. 85.

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Teil 3: Im Besonderen: Grundlagen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG

gegolten bzw. ausgeglichen sein sollen.175 Gleichwohl sind solche Vereinbarungen nur wirksam, wenn bezüglich etwaiger Ersatzansprüche wegen Pflichtverletzung die Voraussetzungen in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG eingehalten wurden.176 Denn in dem Fall, dass der Gesellschaft ein Anspruch wegen Pflichtverletzung zusteht, stellt eine solche Klausel einen Vergleich dar, der nur unter Einhaltung der besonderen Voraussetzungen in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG möglich ist. 8. Freistellungszusagen

a) Durch die Gesellschaft in Bezug auf Ansprüche Dritter bei gleichzeitiger Pflichtverletzung im Innenverhältnis aa) Im Nachhinein, am Beispiel der Übernahme einer Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage Geht eine Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds im Innenverhältnis mit einer Handlung einher, die Gegenstand eines Ermittlungs-, Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahrens ist, ist umstritten, ob die Übernahme einer hie­ raus folgenden Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage (im Folgenden auch zusammenfassend als Geldsanktion bezeichnet) durch die Gesellschaft der Regelung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG unterfällt. In den Augen einiger Stimmen in der Literatur ist die Übernahme einer solchen Sanktion durch die AG ohne Weiteres möglich, wenn hiermit dem Interesse des Unternehmens nachgekommen werde.177 Eine nachträgliche Übernahme wird als legitim angesehen, wenn die ARAG/GarmenbeckGrundsätze entsprechend eingehalten würden, der Aufsichtsrat demgemäß nach sorgfältiger Abwägung zu dem Ergebnis gelange, dass die Übernahme der Geldsanktion durch die AG aus übergeordneten Gründen des Unterneh175  Hierzu und mit konkreten Formulierungsbeispielen: Weller/Rahlmeyer, GWR 2014, 167. 176  Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche, 167; Fleischer, WM 2005, 909, 918; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 527; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 309; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 77; Kölner Komm AktG/ Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 171; Mertens, Festschrift Fleck, 209, 212; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 293; NK AktG/U. Schmidt, § 93 AktG Rdnr. 135; Reufels/Schmülling, ArbRB 2004, 191, 192; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 64; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 286; Weller/Rahlmeyer, GWR 2014, 167, 168 f.; Zimmermann, Festschrift Duden, 773, 780. 177  Bastuck, Enthaftung Management, 139; Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 776 f.; Hoffmann-Becking, ZGR 2015, 618, 628 f.; Krause, BB-Special 8/2007, 2, 10.



5. Kap.: Anwendungsbereich von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG81

menswohls ausnahmsweise der Geltendmachung vorzuziehen sei.178 Denn § 93 Abs. 4 S. 3 AktG gelte nur für Vorstandshandlungen, die unmittelbar das Gesellschaftsvermögen beeinträchtigten. Übernehme die Gesellschaft für eines ihrer Vorstandsmitglieder eine Geldsanktion, beruhe diese Vermögensschmälerung aber auf einer dazwischentretenden Entscheidung des Aufsichtsrats, sodass es an der Unmittelbarkeit zwischen der Pflichtverletzung des Vorstandsmitgliedes und der Schmälerung des Gesellschaftsvermögens fehle.179 Zudem wird vertreten, der Schutzzweck des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG verhindere eine Erstattung nicht, im Gegenteil, er verlange diese in Einzelfällen sogar. Denn § 93 Abs. 4 S. 3 AktG diene dem Schutz des Gesellschaftsvermögens. Keine Intention der Vorschrift sei es hingegen, der Gesellschaft die Möglichkeit zu nehmen, sich vor vertiefenden Schäden zu schützen, die beispielsweise aufgrund nachhaltiger Unruhen im Vorstand entstehen könnten. Könne die Gesellschaft ausnahmsweise nach den ARAG/GarmenbeckGrundsätzen von einer Anspruchsgeltendmachung aus überwiegenden Gründen des Unternehmenswohls absehen und bliebe es ihr dann wegen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG verwehrt, eine Geldsanktion zu übernehmen, so fiele der Schaden unter Umständen größer aus als bei Zahlung der festgesetzten Summe; die Gesellschaft werde also zur Selbstschädigung verpflichtet.180 Auch das Vorliegen der Voraussetzungen einer entsprechenden Anwendbarkeit von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG wird verneint.181 Schon an einer planwidrigen Regelungslücke sei angesichts umfassender Überarbeitungen des Aktienrechtes in den letzten Jahrzehnten zu zweifeln.182 Jedenfalls könne aber keine vergleichbare Interessenlage angenommen werden.183 Überwiegend wird mittlerweile hingegen angenommen, dass auch in Fällen der Übernahme einer Geldsanktion die Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG einzuhalten sind, wenn das sanktionierte Verhalten zugleich eine Pflichtverletzung im Innenverhältnis darstellt,184 so auch der BGH in einem 178  Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 777; Hoffmann-Becking, ZGR 2015, 618, 628 f.; Krieger, Festschrift Bezzenberger, 211, 219; Selter, ZIP 2015, 714, 719. 179  Bastuck, Enthaftung Management, 138; Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 776 f.; Hoffmann-Becking, ZGR 2015, 618, 625 f.; Thomas, Haftungsfreistellung Organmitglieder, 28. 180  Krieger, Festschrift Bezzenberger, 211, 219. 181  Selter, ZIP 2015, 714, 716. 182  Selter, ZIP 2015, 714, 716. 183  Selter, ZIP 2015, 714, 716 f. So auch noch Handbuch Managerhaftung, 2. Aufl./ Marsch-Barner, § 17 Rdnr. 40, der in dem Verzicht auf einen Ersatzanspruch und die Erstattung einer Geldstrafe nicht vergleichbare Sachverhalte sah. 184  BGHZ 202, 26, 31; Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 37; Fleischer, WM 2005, 909, 917; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 528; Handbuch Managerhaftung/Marsch-Barner/Wilk, § 21 Rdnr. 21.40; Kapp, NJW 1992, 2796, 2799; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 84 AktG Rdnr. 94; Mayer, NZG

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Teil 3: Im Besonderen: Grundlagen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG

Urteil aus dem Jahr 2014185. Im Gegensatz zu einem bloßen Absehen von der Geltendmachung eines Anspruchs sei die finanzielle Übernahmehandlung eine aktive Schädigung des Gesellschaftsvermögens, weshalb für deren Wirksamkeit nicht mehr allein – wie bei einer Nichtgeltendmachung eines Anspruchs186 – das Wohl der Gesellschaft entscheidend sei, sondern § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Anwendung finde.187 Nur so sei es möglich, einer kolle­ gialen Verschonung der Organe entgegenzutreten und dem Schutzzweck der Norm – dem Schutz des Gesellschaftsvermögens und der Minderheitsaktionäre – nachzukommen.188 Eine anfängliche Schädigung des Gesellschaftsvermögens, die Voraussetzung für einen Ersatzanspruch ist, trete zwar erst in Form der Übernahme der Geldsanktion durch die Entscheidung des Aufsichtsrats ein. Diese Entscheidung des Aufsichtsrats sei jedoch unmittelbar auf die Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds zurückzuführen, welches durch sein pflichtwidriges Handeln die selbstschädigende Handlung der AG als nicht ungewöhnliche Reaktion regelrecht herausfordere, sodass es an einer kausalen Schadensverursachung durch das Vorstandsmitglied nicht fehle.189 Diese Rechtsauffassung überzeugt. Schon der Schutzzweck des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG verlangt dieses Ergebnis. Geschützt werden sollen das Gesellschaftsvermögen sowie die Minderheitsaktionäre vor der kollegialen Verschonung der Vorstandsmitglieder.190 Selbst wenn im Einzelfall durch die Übernahme einer Geldsanktion verhindert werden kann, dass die Gesellschaft beispielsweise einen Reputationsschaden erleidet, der in seiner monetären Bezifferung noch über die Zahlung der Sanktion hinausgeht, führt die Übernahme der Geldsanktion bilanziell in einem ersten Schritt zu einem Vermögensabfluss. Die gesetzliche Regelung findet ohne Einzelfallbetrachtung all2014, 1208, 1209; MünchKomm AktG/Spindler, § 84 AktG Rdnr. 100, § 93 AktG Rdnr. 285; Rehbinder, ZHR 148 (1984), 555, 573; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 84 AktG Rdnr. 68, § 93 AktG Rdnr. 287; Zimmermann, DB 2008, 687, 690. 185  BGHZ 202, 26, 31. 186  Zur Frage, ob die Nichtgeltendmachung eines Anspruchs ebenfalls in den Anwendungsbereich von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG fällt, ausführlich unter Teil 3, 5. Kapitel, § 2, B., I., 1. Nichtgeltendmachung eines Anspruchs, S. 70. 187  BGHZ 202, 26, 32. 188  BGHZ 202, 26, 32 f. 189  BGHZ 202, 26, 32. 190  BGHZ 202, 26, 32  f.; Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 36; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnrn. 505 f.; Handbuch Managerhaftung/ Haas/Wigand, § 20 Rdnrn. 20.65, 20.70; Handbuch Vorstandsrecht/Fleischer, § 11 Rdnrn. 95, 97; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 306; Kölner Komm AktG/ Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 161; Mertens, Festschrift Fleck, 209, 210; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnrn. 280, 283; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 276; Weller/Rahlmeyer, GWR 2014, 167, 168.



5. Kap.: Anwendungsbereich von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG83

gemein Anwendung. Das ist angesichts sonstiger Rechtsunsicherheit auch sinnvoll. Dann muss aber auch auf den objektiven Vermögensabfluss abgestellt werden, vor dem § 93 Abs. 4 S. 3 AktG gerade schützen soll. Ein solcher ist bei der Übernahme einer Geldsanktion durch die Gesellschaft gegeben. Zwar wird vereinzelt angenommen, die Gefahr einer kollegialen Verschonung spiele im Fall der Übernahme einer Geldauflage (i. S. v. § 153a StPO) nur eine untergeordnete Rolle.191 Denn die Übernahme diene vor allem den Interessen der Gesellschaft, denen der Vorstand durch den Verzicht auf die Möglichkeit eines Freispruchs dadurch entgegenkomme, dass er einer Übernahme der Geldauflage durch die Gesellschaft auf Wunsch des Aufsichtsrats zustimme.192 Eine Verschonung des Vorstands könne demnach nicht angenommen werden.193 Verkannt wird hierbei jedoch, dass oftmals die rechtliche Lage nicht eindeutig ist. Dass dann das Vorstandsmitglied, dessen Handlung Gegenstand der Ermittlung bzw. des Verfahrens ist, höchstes Interesse an einer solchen Zahlung hat, um mit Sicherheit einer Strafverurteilung zu entgehen, zeigt schon das erhöhte kollegiale Verschonungspotential, dem § 93 Abs. 4 S. 3 AktG durch seine Hürden entgegentreten will. Insbesondere besteht daneben die Gefahr der Vertuschung eigener Überwachungsfehler durch den Aufsichtsrat, vor der § 93 Abs. 4 S. 3 AktG durch das Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung ebenso schützen möchte.194 Schließlich ergibt sich auch mit Blick auf die Entstehung des Schadens kein anderes Ergebnis. Denn ob ein sog. „Herausforderungsfall“, also ein Herausfordern der Übernahme der Geldsanktion mittels Aufsichtsratsbeschluss durch eine Pflichtverletzung des Vorstandsmitgliedes, die Unmittelbarkeit des Schadenseintritts durch die Pflichtverletzung des Vorstandsmitgliedes begründet, oder ob für den Eintritt des Schadens allein ein davon unabhängiges, deswegen nicht ausreichendes autonomes Tätigwerden des Aufsichtsrats ursächlich ist, kann im Ergebnis dahinstehen. Abzustellen ist vielmehr auf den Zweck des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG als Haftungsnorm: Ausgeglichen werden sollen Schäden, die die Gesellschaft infolge pflichtverletzender Handlungen eines Vorstandsmitglieds erleidet. Wenn der Aufsichtsrats schon über unfreiwillige, durch eine pflichtwidrige Handlung eines Vorstandsmitglieds ausgelöste Schäden nicht autonom verfügen kann, muss dies erst recht für solche Schäden gelten, die der Gesellschaft freiwillig, also durch bewusste Selbstschädigungshandlung seitens des Aufsichtsrat zugefügt 191  Selter,

ZIP 2015, 714, 716. ZIP 2015, 714, 716. 193  Selter, ZIP 2015, 714, 716. 194  BGHZ 202, 26, 33. 192  Selter,

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Teil 3: Im Besonderen: Grundlagen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG

werden.195 Ansonsten wäre es in das Belieben des Aufsichtsrates gestellt, über das Gesellschaftsvermögen zu disponieren. Insgesamt fällt die Übernahme einer Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage daher in den Anwendungsbereich von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG. bb) Im Voraus Eine im Voraus abgegebene Zusage der Gesellschaft, im Falle einer Geldstrafe, Geldbuße, Geldauflage oder eines Ersatzanspruch eines Dritten das Organmitglied von diesem Anspruch freizustellen, ist mit Blick auf § 93 Abs. 4 S. 3 AktG dann nicht gestattet, wenn mit der Verletzungshandlung des Vorstands eine Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft einhergeht.196 Denn wenn bereits die nachträgliche Freistellung durch die Gesellschaft zu einem Zeitpunkt, in dem der erlittene Schaden grob bezifferbar ist, bei Missachtung der Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG unwirksam ist, muss dies erst recht für eine verpflichtende Freistellungszusage zu einem Zeitpunkt gelten, in welchem der Schaden noch nicht einmal absehbar ist.197 b) Durch Dritte Vom Anwendungsbereich des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht erfasst werden hingegen Freitstellungsvereinbarungen, die das Vorstandsmitglied mit einem Dritten, beispielsweise einem Großaktionär trifft.198 Hierbei handelt es sich um Verträge, bei denen sich der Dritte zur Übernahme einer Zahlungsverpflichtung des Vorstandsmitgliedes gegenüber der Gesellschaft verpflichtet. Die Ersatzpflicht des Vorstandsmitgliedes gegenüber der Gesellschaft bleibt bestehen,199 weswegen keine, auch nicht eine wirtschaftlich vergleichbare Handlung vorgenommen wird, vor der geschützt werden müsste.

auch Zimmermann, DB 2008, 687, 690. Enthaftung Management, 138; Fleischer, WM 2005, 909, 916; Handbuch Managerhaftung/Marsch-Barner/Wilk, § 21 Rdnr. 21.39; Kapp, NJW 1992, 2796, 2797; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 84 AktG Rdnr. 95; Krieger, Festschrift Bezzenberger, 211, 220; MünchKomm AktG/Spindler, § 84 AktG Rdnr. 101; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 64. 197  So auch Fleischer, WM 2005, 909, 916. 198  Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche, 172; Fleischer, AG 2015, 133, 140; Hasselbach, DB 2010, 2037, 2040; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 77; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 295; Schmidt/Lutter/Krieger/SailerCoceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 64; Weller/Rahlmeyer, GWR 2014, 167, 169. 199  MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 295; Weller/Rahlmeyer, GWR 2014, 167, 169. 195  So

196  Bastuck,



5. Kap.: Anwendungsbereich von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG85 9. Sonstige wirtschaftlich einem Verzicht bzw. Vergleich gleichkommende Handlungen

Sowohl ein pactum de non petendo als auch eine Stundung kommen in ihrer Wirkung wirtschaftlich einem Teilverzicht gleich und werden, um dem Schutz des Gesellschaftsvermögens und der Minderheitsaktionäre nachzukommen, nach ganz überwiegender Meinung von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG erfasst.200 Vereinbaren die Parteien eine Novation und einigen sich hierbei darauf, dass das Vorstandsmitglied keine vollwertige Gegenleistung mehr zu entrichten hat, liegt ein Vergleich vor, der in seiner Wirksamkeit ebenfalls vom Einhalten der Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG abhängt.201 Gleiches gilt für den Fall einer Sachleistung an Erfüllungs statt; nur wenn die Sachleistung der Anspruchshöhe entspricht, ist diese ohne Beachtung der Schranken des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG möglich.202 II. Handlungen während eines Prozesses 1. Allgemein

Auch Handlungen im Rahmen eines Prozesses, die in ihrer Wirkung dazu führen, dass ein Anspruch nicht mehr oder nicht mehr in vollem Umfang geltend gemacht werden kann und die auf die Beendigung des Verfahrens gerichtet sind,203 fallen unter die Regelung von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG. Hierzu zählen nach ganz überwiegender Meinung beispielsweise der Prozessvergleich i. S. d. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO,204 der Klageverzicht gem. 200  OLG München, AG 2019, 221, 222; OLG München, AG 2017, 631, 632; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 528; Habersack, Festschrift Baums, 531, 533; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 309; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 77; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 171; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 293; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 64; Schumacher, NZG 2016, 969, 973; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 287; Wachter/Link, AktG, § 93 AktG Rdnr. 89. 201  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 528. Ohne hinreichende Differenzierung allgemein die Novation § 93 Abs. 4 S. 3 AktG unterstellend: Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 309; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 77. 202  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 528. 203  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 131 Rdnr. 6. 204  Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 37; Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche, 260; Fleischer, AG 2015, 133, 140; GroßKomm AktG/ Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 529; Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, AktG, § 93 AktG Rdnr. 45; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 76; Kölner Komm AktG/Mertens/ Cahn, § 93 AktG Rdnr. 173; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 64. A. A. Zimmermann, Festschrift Duden, 773, 784 f., der einen Prozessvergleich ohne Einhaltung von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG dann zulassen will, wenn dieser

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Teil 3: Im Besonderen: Grundlagen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG

§ 306  ZPO205 oder das Anerkenntnis seitens der Gesellschaft im Rahmen einer negativen Feststellungsklage des Vorstandsmitglieds gem. § 307 ZPO.206 Teilweise wird die Wirksamkeit dieser Handlungen auch ohne Einhaltung der Voraussetzungen in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG gefordert, wenn ein durch die Gesellschaft geltend gemachter Anspruch offensichtlich nicht bestehe.207 Der Begriff der „offensichtlichen“ Aussichtslosigkeit ist jedoch so vage, dass aufgrund der hiermit einhergehenden Rechtsunsicherheit eine solche Differenzierung abzulehnen ist.208 Nicht in den Anwendungsbereich des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG fallen nach allgemeiner Meinung Versäumnisurteile, und zwar selbst dann, wenn sie auf einer bewussten Untätigkeit seitens der Gesellschaft beruhen.209 Dem ist zuzustimmen, denn es ist unerheblich, ob das Versäumnisurteil aufgrund bewusster oder unbewusster Untätigkeit der Gesellschaft ergeht.210 Entscheidend ist vielmehr, dass bereits die erforderliche rechtsverbindliche Handlung der AG fehlt.211 dazu dient, aufgrund im Prozess erlangter neuer Kenntnisse seitens der Gesellschaft von einer überhöhten Forderung auf die wirkliche Forderung zurückzugehen. 205  Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche, 247 ff.; GroßKomm AktG/ Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 529; Habersack, Festschrift Baums, 531, 533; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 173; Mertens, Festschrift Fleck, 209, 213; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 292; Schmidt/Lutter/Krieger/ Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 64; Wachter/Link, AktG, § 93 AktG Rdnr. 89. A. A. Zimmermann, Festschrift Duden, 773, 785, der wegen der Zulässigkeit eines Versäumnisurteiles auch für die Zulässigkeit des Verzichtsurteils ohne Einhaltung der Voraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG plädiert. 206  Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche, 259; GroßKomm AktG/ Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 529; Habersack, Festschrift Baums, 531, 533; Hölters/ Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 309; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 77; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 173; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 292; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 64; Wachter/Link, AktG, § 93 AktG Rdnr. 89. 207  Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 173; Mertens, Festschrift Fleck, 209, 214; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 292; Wigand, Haftungsbeschränkungen, 325; Zimmermann, Festschrift Duden, 773, 784 f. 208  So auch Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 314. Nicht ablehnend, aber kritisch bezüglich der Zulässigkeit einer Ausnahme aufgrund des „offensichtlichen“ Nichtbestehens des Anspruchs: GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 529; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 64. 209  Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche, 266; GroßKomm AktG/ Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 529; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 314; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 173; Mertens, Festschrift Fleck, 209, 213; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 292; Zimmermann, Festschrift Duden, 773, 785. 210  Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche, 266; MünchKomm AktG/ Spindler, § 93 AktG Rdnr. 292.



5. Kap.: Anwendungsbereich von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG87 2. Anwaltsvergleich

Ein Anwaltsvergleich i. S. d. § 796a ZPO nimmt eine Zwitterstellung ein: Er kann sowohl außergerichtlich als auch während eines schon laufenden Prozesses geschlossen werden.212 Grundlage ist immer ein Vergleich i. S. d. § 779 BGB213, weshalb unabhängig davon, ob ein Anwaltsvergleich außergerichtlich oder im Prozess geschlossen wird, sich seine Wirksamkeit aufgrund des klaren Wortlauts an den Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG bemisst.214 3. „Schiedsvergleich“

Ob eine allgemein als „Schiedsvergleich“ bezeichnete Vereinbarung nur unter den Voraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG geschlossen werden kann, bedarf einer genaueren Betrachtung. Schiedsverfahren sind überall in Deutschland schon seit Einführung der ZPO im Jahr 1877 möglich, wobei bereits deutlich früher in vielen Regionen auf diese Möglichkeit der Streitbeilegung zurückgegriffen werden konnte.215 Umfassend reformiert wurde das Schiedsverfahrensrecht mit dem Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz216 von 1997, das überwiegend die Regelungen des UNCITRAL-Modellgesetzes217 in das deutsche Recht übernahm. Eine elementare Neuerung dieser Reform war der Wegfall des Erfordernisses der Vergleichbarkeit für die Schiedsfähigkeit eines vermögensrechtlichen Anspruchs.218 Explizit wurde im Bericht der Kommission zur Neuordnung des Schiedsverfahrensrechts darauf hingewiesen, dass Ersatzansprüche einer AG grundsätzlich nicht allein wegen der mangelnden Dispositionsbefugnis der Parteien nach §§ 50, 302 Abs. 3, 309 Abs. 3, 310 Abs. 4 AktG einem

211  Dendl,

Disposition über Organhaftungsansprüche, 266. ZPO, § 796a ZPO Rdnr. 1. 213  BeckOK ZPO/Hoffmann, § 796a ZPO Rdnr. 3 f. 214  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 529. 215  Zur Entwicklung des Schiedswesens in Deutschland: Krause, Entwicklung Schiedsgerichtswesen. 216  Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts vom 22. Dezember 1997, BGBl. I 1997, 3224. 217  United Nations Commission on International Trade Law Modellgesetz von 1985. 218  So noch in § 1025 Abs. 1 ZPO a. F. Heute kann gem. § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO „[j]eder vermögensrechtliche Anspruch […] Gegenstand einer Schiedsvereinbarung sein“. 212  Musielak/Voit/Voit,

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Teil 3: Im Besonderen: Grundlagen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG

Schiedsverfahren unzugänglich seien.219 Beschränkungen der Schiedsfähigkeit müssten sich vielmehr expressis verbis im Aktienrecht wiederfinden,220 was allerdings bisher nicht der Fall ist. Seitdem sind gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten schiedsfähig,221 insbesondere auch solche über – weil vermögensrechtlich – Organhaftungsansprüche.222 Auch im Rahmen von Schiedsverfahren können die Parteien einen Vergleich schließen. In der aktienrechtlichen Literatur wird überwiegend angenommen, ein „Schiedsvergleich“ sei eine Rechtshandlung, die in ihrer Wirksamkeit den Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG unterworfen sei.223 Ein Vergleich im Rahmen eines Schiedsverfahrens kann, wie im Folgenden gezeigt wird, auf unterschiedliche Arten geschlossen werden. Ob § 93 Abs. 4 S. 3 AktG in allen Fällen Anwendung findet, muss angesichts struktureller Unterschiede deshalb mittels differenzierter Betrachtung erörtert werden. Terminologisch existierte die Bezeichnung „Schiedsvergleich“, wie sie verbreitet verwendet wird,224 nie im Gesetz.225 § 1053 ZPO ist allgemein mit 219  Kommission zur Neuordnung des Schiedsverfahrensrechts, Bericht Neufassung ZPO, 92. Aus der Systematik ergibt sich, dass die Schiedsfähigkeit eines Organhaftungsanspruchs, der von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG erfasst wird, auch nicht mehr grundsätzlich wegen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG abgelehnt werden kann. 220  Kommission zur Neuordnung des Schiedsverfahrensrechts, Bericht Neufassung ZPO, 92. Dies wird (allgemein) in § 1030 Abs. 3 ZPO verdeutlicht. Hierzu auch Voit, JZ 1997, 120, 124. 221  Schmidt, ZHR 162 (1998), 265, 271. 222  Bauer/Arnold/Kramer, AG 2014, 677, 681; Behme, IWRZ 2015, 3, 4; Herres­ thal, ZIP 2014, 345, 346; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 342; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 90; Leuering, NJW 2014, 657; MHdBGesR VII/Koch, § 30 Rdnr. 75; MünchKomm ZPO/Münch, § 1030 ZPO Rdnr. 15; Scholz/Weiß, AG 2015, 523; Umbeck, SchiedsVZ 2009, 143, 144; Zöller/Geimer, ZPO, § 1030 ZPO Rdnr. 5. 223  Fleischer, AG 2015, 133, 140; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 529; Handbuch Hauptversammlung/Balke, § 41 Rdnr. 16; Kölner Komm AktG/ Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 173; Leuering, NJW 2014, 657, 660; NK AktG/ U. Schmidt, § 93 AktG Rdnr. 135 in Fn. 331; MünchKomm AktG/Spindler, AktG, § 93 AktG Rdnr. 282; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 64; Spindler, Festschrift Baums, 1205, 1218; Wigand, Haftungsbeschränkungen, 332. 224  So z.  B. GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 529; Handbuch ­Hauptversammlung/Balke, § 41 Rdnr. 16; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 282; NK AktG/U. Schmidt, § 93 AktG Rdnr. 135 in Fn. 331; Schmidt/Lutter/ Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 65; Wigand, Haftungsbeschränkungen, 332. 225  Eingeführt wurde die Vergleichsmöglichkeit im Schiedsverfahren im Jahr 1924 mit der Verordnung über das Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vom 13. Februar 1924 in § 1044a ZPO a. F., RGBl. Teil I, 1924 Nr. 15, 147. Eine amtliche



5. Kap.: Anwendungsbereich von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG89

„Vergleich“ überschrieben. Angesichts unterschiedlicher Möglichkeiten, ein Schiedsverfahren durch Vergleich zu beenden, scheint eine pauschale Verwendung des Terminus „Schiedsvergleich“ insofern verfehlt. a) Vergleich ohne Schiedsspruch, § 1053 Abs. 1 S. 1 ZPO Die erste Möglichkeit der Parteien für einen Vergleich ist gem. § 1053 Abs. 1 S. 1 ZPO ein Vergleich ohne Schiedsspruch. Dieser kann z. B. als privatrechtlicher Vergleichsvertrag i. S. d. § 779 BGB226 oder als Anwaltsvergleich i. S. d. § 796a ZPO227 geschlossen werden; das Verfahren wird dann mit einem Beschluss des Schiedsgerichts gem. §§ 1053 Abs. 1 S. 1, 1056 Abs. 2 Nr. 2 ZPO beendet. Als bürgerlich-rechtlicher Vergleichsvertrag bzw. Anwaltsvergleich unterfällt ein solcher Vergleich im Rahmen eines Schiedsverfahrens den Wirksamkeitsvoraussetzungen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG.228 b) Vergleich als Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut, § 1053 Abs. 1 S. 2  ZPO Neu eingeführt wurde mit dem Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz von 1997 die zweite Möglichkeit, einen Vergleich im Rahmen eines Schiedsverfahrens zu schließen: als sog. Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut, § 1053 Abs. 1 S. 2 ZPO.229 Hierbei handelt es sich um ein zweistufiges Verfahren. Die Parteien schließen zunächst einen privatrechtlichen Vergleichsvertrag.230 Auf Antrag erlässt das Schiedsgericht diesen Vergleich sodann als Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut, dem damit dieselbe Wirkung wie einem Schiedsspruch zur Überschrift existierte damals nicht, auch wurde der Begriff „Schiedsvergleich“ nicht verwendet. 226  GroßKomm ZPO/Schütze, § 1053 ZPO Rdnr. 5; MünchKomm ZPO/Münch, § 1053 ZPO Rdnr. 8; Prütting/Gehrlein/Prütting, ZPO, § 1053 ZPO Rdnr. 2; Stein/ Jonas/Schlosser, ZPO, § 1053 ZPO Rdnr. 4. 227  Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann/Hartmann, ZPO, §  1053 Rdnr.  3; Lachmann, Handbuch Schiedsgerichtspraxis, Rdnr. 1801. 228  Siehe hierzu bereits oben unter Teil 3, 5. Kapitel, § 2, B., II., 1. Allgemein, S. 85 sowie 2. Anwaltsvergleich, S. 87. 229  Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts vom 22. Dezember 1997, BGBl. I 1997, 3224. 230  Ob auch die Vergleichsvoraussetzungen aus § 779 BGB erfüllt sein müssen, ist umstritten. Dafür: OLG München, GmbHR 2005, 1568, 1570. Dagegen: Bredow, SchiedsVZ 2010, 295, 297; Mankowski, ZZP 114 (2001), 37, 66; Schroeter, SchiedsVZ 2006, 298, 302  f.; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rdnr. 580.

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Teil 3: Im Besonderen: Grundlagen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG

Sache zukommt, § 1053 Abs. 2 S. 2 ZPO, also die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils, § 1055 ZPO. Zu unterscheiden ist bei einem solchen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut folglich strikt zwischen zwei Ebenen: der materiell-rechtlichen Ebene des Vergleiches sowie der prozessualen Ebene des Schiedsspruchs.231 Dass auf den materiell-rechtlichen Teil dieses Vergleiches für sich § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zur Anwendung kommt, ergibt sich schon aus dessen Rechtsnatur. Daraus allerdings zwingend zu folgern, dass die prozessuale Handlung des Schiedsgerichts, aus welcher sich später die Vollstreckbarkeit des Vergleichs ergibt, ebenso § 93 Abs. 4 S. 3 AktG unterfällt, ist hingegen fraglich und wird im Folgenden untersucht. aa) Unmittelbare Anwendbarkeit von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auf den Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut aufgrund seiner Rechtsnatur? Wird ein Schiedsverfahren mit einem Vergleich, der als Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut erlassen wird, beendet, hat dies zwar wirtschaftlich dieselbe Wirkung wie ein Vergleich i. S. d. § 779 BGB über Organhaftungsansprüche: Das Vorstandsmitglied wird zur Zahlung verpflichtet, in der Regel allerdings in geringerem Umfang als ursprünglich gefordert, denn der Vergleich muss auf einem gegenseitigen Nachgeben beruhen. Anders hingegen ist die prozessuale Wirkung eines Vergleichs, der als Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut erlassen wird: Dieser erlangt Urteilswirkung, §§ 1053 Abs. 2 S. 2, 1055 ZPO, und fungiert insofern als tauglicher Vollstreckungs­ titel i. S. d. § 704 ZPO, gerade auch im Ausland232. Gem. § 1053 Abs. 2 S. 1 ZPO wird der Vergleich als Schiedsspruch nach den Voraussetzungen des § 1054 ZPO erlassen, muss dann aber schon nicht mehr als „Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut“ bezeichnet werden, weswegen der Vergleichscharakter nach außen hin nicht zwingend deutlich wird.233 Im Schiedsverfahren bekommt der zwischen den Parteien geschlossene Vergleich damit einen neuen Rechtscharakter und verliert denjenigen des Vergleichs.234 Dieser grundlegende Unterschied zwischen einem im Rahmen eines re­ gulären Prozesses geschlossenen Vergleichs und einem Vergleich, der als 231  Bredow,

SchiedsVZ 2010, 295, 301. Möglichkeit, mittels eines Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut einfacher im Ausland vollstrecken zu können, war Anlass des Gesetzgebers für dessen Normierung. Vgl. hierzu die Begründung der BReg zum Entwurf des SchiedsVfG, BT-Drucks. 13/5274, 54 f. 233  Scholz/Weiß, AG 2015, 523, 524. 234  Scholz/Weiß, AG 2015, 523, 524. 232  Die



5. Kap.: Anwendungsbereich von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG91

Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut ergeht und dem deshalb Urteilswirkung zukommt, ist entscheidend. Gerade weil ein Vergleich als Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut nach außen hin nicht mehr zwingend als Vergleich erkennbar ist und weil zudem Urteile über Organhaftungsansprüche ohne Wahrung der Voraussetzungen in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG wirksam sind,235 kann § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auf einen solchen Vergleich in Form eines Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut nicht mehr bloß aufgrund seiner Rechtsnatur Anwendung finden, d. h., im Ergebnis ist trotz der wirtschaftlich gleichen Wirkung eines Vergleichs, der als Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut erlassen wird, aufgrund der prozessualen Urteilswirkung kein Raum für die unmittelbare Anwendung von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG.236 bb) Analoge Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auf den Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut? Auch eine analoge Anwendung von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auf einen Vergleich, der als Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut erlassen wird, scheidet mangels planwidriger Regelungslücke aus. Bei Aufhebung des Vergleichserfordernisses in § 1025 Abs. 1 ZPO a. F. für die Schiedsfähigkeit eines Anspruchs hatte die Kommission, die mit der Erarbeitung des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes beauftragt wurde, insbesondere gesellschaftsrechtliche Organhaftungsansprüche und deren gesetzliche Vergleichshürden im Blick.237 Zugunsten einer sorgfältigen Arbeits235  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 529; Scholz/Weiß, AG 2015, 523, 524. 236  Die Anwendbarkeit von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auf Schiedssprüche mit vereinbartem Wortlaut im Ergebnis ebenfalls ablehnend: Behme, IWRZ 2015, 3, 5 f.; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 90; Leuering, NJW 2014, 657, 661; MHdBGesR VII/Koch, § 30 Rdnr. 75. A. A.: Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 12; Hölters/ Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnrn. 309, 342; Pauschinger, AG 2019, 671, 672; Spindler, Festschrift Baums, 1205, 1219; im Ergebnis auch Scholz/Weiß, AG 2015, 523, 528. Zum gleichen Ergebnis gelangt Musielak/Voit/Voit, ZPO, § 1053 ZPO Rdnrn. 1, 4, der die Vergleichsfähigkeit am materiellen Recht und nicht an der Schiedsfähigkeit des Anspruchs misst. 237  Kommission zur Neuordnung des Schiedsverfahrensrechts, Bericht Neufassung ZPO, 92. Ausdrücklich genannt wurden Vergleichsregelungen in §§ 50, 302 Abs. 3, 309 Abs. 3, 310 Abs. 4 AktG. Für das GmbH-Recht verweist die Kommission auf §§ 9a, 43 Abs. 2, 44, 57 Abs. 4, 64 Abs. 2 GmbHG. Zwar handelt es sich bei letzteren Normen primär um Anspruchsgrundlagen für Organhaftungsansprüche. Gleichwohl geht aus der Systematik hervor, dass hiermit auch die für diese Ansprüche geltenden Vergleichsverbote (z. B. §§ 9b, 43 Abs. 3 S. 2 GmbHG) in den Blick genommen wurden. Dass § 93 Abs. 4 S. 3 AktG keine Erwähnung fand, muss als Versehen gewertet werden: §§ 9a, 43 Abs. 2 GmbHG sind Parallelnormen zu §§ 48, 93 Abs. 2 AktG bzw. §§ 9b, 43 Abs. 3 S. 2 GmbHG zu §§ 50, 93 Abs. 4 S. 3 AktG. Diese Systematik

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weise der Kommission muss daher angenommen werden, dass auch bei Erarbeitung des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut aktienrechtliche Vergleichshindernisvorschriften bedacht wurden, diese aber mangels Sonderregelung kein Vergleichshindernis mehr darstellen sollten. Bereits zum damaligen Zeitpunkt wurden mehr als die Hälfte aller Schiedsverfahren durch einen Vergleich beendet.238 Zwar besteht im deutschen Schiedsverfahrensrecht keine dem § 278 Abs. 1 ZPO vergleichbare Regelung, die das Schiedsgericht dazu verpflichtet, zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinzuarbeiten. Eine solche Regelung enthielt beispielsweise noch § 32.1 der DIS-Schiedsgerichtsordnung 98.239 Gleichwohl werden die Parteien, die sich mit der sie belastenden Organhaftungsstreitigkeit an ein Schiedsgericht wenden, nicht selten um eine gütliche Einigung bedacht sein – denn im Zweifel lässt sich nur so auch nach Beendigung des Verfahrens die Beziehung zwischen AG und Vorstandsmitglied fortführen. Auch ist nicht ungewöhnlich, dass Urteilssprüche zu verfestigter Unzufriedenheit bei den Parteien führen, weswegen ein Vergleich häufig der einzige Weg ist, um in das Verhältnis zwischen den Parteien dauerhaft Frieden zu bringen.240 Als der Gesetzgeber das Schiedsverfahren für Ansprüche, die nach materiellem Recht nicht vergleichsfähig sind, öffnete, musste er folglich damit rechnen, dass auch diese Streitigkeiten mit einem Vergleich in Form eines Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut beigelegt würden. Eine planwidrige Regelungslücke kann dann aber nicht mehr angenommen werden, weswegen eine analoge Anwendung von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auf den Schiedsspruch des Schiedsrichters ausscheidet.241

lässt den Schluss zu, dass auch das Verzichts- und Vergleichsverbot in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG bei der Erarbeitung beachtet wurde. Eine solche Vermutung lässt insbesondere auch die nicht abschließende Aufzählung („z. B.“) in der Kommissionsvorlage zu. 238  Mankowski, ZZP 114 (2001), 37, 38; Raeschke-Kessler/Berger/Lehne, Schiedsverfahren, Rdnr. 89. Auch heute werden Schiedsverfahren noch häufig mit einem Vergleich beendet: Schroeter, SchiedsVZ 2006, 298, 299; Spohnheimer, Festschrift Kaissis, 933; Thümmel, Festschrift Geimer, 745. Bei DIS-Schiedsverfahren beträgt der Anteil der Verfahren, die mit einem Vergleich enden, ca. 30 % (Stand 2010), vgl. Bredow, SchiedsVZ 2010, 295. 239  Gem. § 1042 Abs. 3 Var. 2 ZPO können die Parteien das Schiedsverfahren einer schiedsrichterlichen Verfahrensordnung unterstellen. Gem. § 32.1 DIS-Schiedsgerichtsordnung 98 soll „[d]as Schiedsgericht […] in jeder Lage des Verfahrens auf eine einvernehmliche Beilegung des Streits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein.“ Mit Einführung der DIS-Schiedsordnung 2018 wurde dieser Passus gestrichen. 240  So auch Spohnheimer, Festschrift Kaissis, 933, 950. 241  Zum gleichen Ergebnis, allerdings mit anderer Begründung kommen Scholz/ Weiß, AG 2015, 523, 525.



5. Kap.: Anwendungsbereich von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG93

cc) „Infizierung“ des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut durch den zugrunde liegenden Vergleich? Dürfte ein Schiedsgericht nur dann einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut erlassen, wenn der zugrunde liegende Vergleich wirksam ist, müsste es diesen auch auf seine Vereinbarkeit mit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG hin überprüfen. Der Schiedsspruch selbst unterfiele somit als Ganzes § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, wäre also nur wirksam, wenn die Vergleichshürden beachtet wären. Der Wortlaut in § 1053 Abs. 1 S. 2 ZPO ist zur Beantwortung dieser Frage nicht besonders aufschlussreich. Dort heißt es lediglich, dass das Schiedsgericht „den Vergleich“ festhält. Ob es sich hierbei um einen wirksamen, dahingehend vom Schiedsgericht zu überprüfenden Vergleich handeln muss, ergibt sich hieraus nicht zweifelsfrei. Ausdrücklich nennt das Gesetz in § 1053 Abs. 1 S. 2 HS 2 ZPO nur „die öffentliche Ordnung (ordre public)“ als Prüfungsmaßstab der Schiedsrichter bei Erlass des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut. Eindeutiger ist insofern ein systematischer Vergleich mit § 796a Abs. 3 ZPO, einer Norm, die ebenso im Rahmen des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes Einzug in die Zivilprozessordnung hielt.242 Gemäß § 796a Abs. 3 ZPO ist die Vollstreckbarerklärung eines Anwaltsvergleiches dann abzulehnen, wenn die Anerkennung des Vergleichs entweder gegen die öffentliche Ordnung verstoßen würde (§ 796a Abs. 3 Var. 2 ZPO) oder „der Vergleich unwirksam ist“ (§ 796a Abs. 3 Var. 1 ZPO). Ausdrücklich nennt die Begründung der Bundesregierung hinsichtlich der Unwirksamkeit des Vergleichs den Fall, dass ein Vergleich über einen nicht vergleichsfähigen Gegenstand geschlossen wird.243 Eine solche Differenzierung nahm der Gesetzgeber in § 1053 Abs. 1 S. 2 ZPO aber gerade nicht vor; lediglich ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung hindert den Erlass eines solchen Schiedsspruchs. Diese Formulierung spricht dafür, dass zum Prüfungsumfang des Schiedsgerichts nicht auch die Wirksamkeit des zugrundeliegenden Vergleichs gehört. Weiter streitet auch die Rechtsnatur des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut dagegen, dessen Wirksamkeit an derjenigen des zugrunde liegenden Vergleichs und somit auch an § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zu messen. Entgegen dem früheren schiedsrichterlichen Vergleich i. S. d. § 1044a Abs. 1 ZPO a. F., dem sowohl materielle als auch prozessuale Wirkung zugeschrieben wurde,244 242  Begründung der BReg zum Entwurf des SchiedsVfG, BT-Drucks. 13/5274, 30; Mankowski, ZZP 114 (2001), 37, 56. 243  Begründung der BReg zum Entwurf des SchiedsVfG, BT-Drucks. 13/5274, 30. 244  GroßKomm ZPO/Schütze, 3. Aufl., § 1044a ZPO Rdnr.1; Handbuch Schiedsverfahren/Wais, Rdnr. 499; Henn, Schiedsverfahrensrecht, Rdnrn. 399, 407; Mankowski, ZZP 114 (2001), 37, 64.

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ist bei einem Vergleich, der als Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut erlassen wird, strikt zwischen der materiellrechtlichen und der prozessualen Ebene zu trennen.245 Der Schiedsspruch für sich hat allein prozessualen Charakter.246 Aufgabe des Schiedsgerichts ist in diesem zweiaktigen Verfahren, den im Voraus zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich als Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut zu erlassen. Eine Überprüfungskompetenz des im ersten Schritt zwischen den Parteien vereinbarten Vergleichs durch das Schiedsgericht lässt sich daraus hingegen nicht ableiten,247 weswegen sich allein aus dem einem Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut zugrunde liegenden Vergleich für den Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut selbst keine Bindung an § 93 Abs. 4 S. 3 AktG ergibt.248 dd) § 93 Abs. 4 S. 3 AktG als Teil des ordre public? Da Maßstab der Wirksamkeit eines Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut somit gem. § 1053 Abs. 1 S. 2 HS 2 ZPO allein die öffentliche Ordnung (ordre public) ist,249 bleibt zu prüfen, ob § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Teil dieser öffentlichen Ordnung ist. Der Umfang des ordre public in § 1053 Abs. 1 S. 2 HS 2 ZPO entspricht demjenigen in § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO.250 Eine Legaldefinition des für § 1053 Abs. 1 S. 2 HS 2 ZPO geltenden ordre public enthält das Gesetz nicht. Auch die Gesetzesmaterialien geben wenig 245  Bredow,

SchiedsVZ 2010, 295, 301. ZPO/Schütze, § 1053 ZPO Rdnr. 9; Mankowski, ZZP 114 (2001), 37, 64; Saenger, MDR 1999, 662, 663; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rdnr. 580. A. A. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 23 Rdnr. 6. 247  So im Ergebnis auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.09.1999 – 22 Sch 01/99; Behme, IWRZ 2015, 3, 5; MünchKomm ZPO/Münch, § 1053 ZPO Rdnr. 26; Scholz/Weiß, AG 2015, 523, 525. A. A. Bilda, DB 2004, 171, 175; Bredow, SchiedsVZ 2010, 295, 299; Kreindler/Schäfer/Wolff, Schiedsgerichtsbarkeit, 996 f., 1001; Mankowski, ZZP 114 (2001), 37, 62; Spohnheimer, Festschrift Kaissis, 933, 937 f., 944; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, § 1053 ZPO Rdnr. 2; Waßmuth, Richtigkeitskontrolle Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut, 54 ff. 248  A. A. Spohnheimer, Festschrift Kaissis, 933, 944. 249  A. A. Pauschinger, AG 2019, 671, 673 f. 250  Begründung der BReg zum Entwurf des SchiedsVfG, BT-Drucks. 13/5274, 55; Kommission zur Neuordnung des Schiedsverfahrensrechts, Bericht Neufassung ZPO, 177; Kreindler/Schäfer/Wolff, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 1001; Lachmann, Handbuch Schiedsgerichtspraxis, Rdnr.  1804; Musielak/Voit/Voit, ZPO, §  1053 ZPO Rdnr. 10; Schütze, Festschrift Lorenz, 275, 278; Waßmuth, Richtigkeitskontrolle Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut, 38. A. A.: Bilda, DB 2004, 171, 174; Mankowski, ZZP 114 (2001), 37, 46 ff., die für eine unterschiedliche Bedeutung des ordre public in § 1053 Abs. 1 S. 2 HS 2 ZPO und in § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO streiten. 246  GroßKomm



5. Kap.: Anwendungsbereich von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG95

Aufschluss darüber, was in diesem Zusammenhang als Teil der öffentlichen Ordnung anzusehen ist.251 Art. 30 Abs. 1 UNCITRAL Model Law, der dem Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz als Vorbild diente, umreißt den Überprüfungsmaßstab der Schiedsrichter damit, dass diese den Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut zu erlassen haben, wenn sie „nichts dagegen einzuwenden haben“. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung stellt etwas eingrenzender darauf ab, dass „die Schiedsrichter nicht gezwungen sein können, einen Schiedsspruch zu erlassen, der mit zwingenden Rechtsgrundsätzen unvereinbar ist“.252 Der Bundesgerichtshof umschreibt den Umfang des ordre public nur ganz allgemein. Danach liegt ein Verstoß gegen den ordre public vor, wenn „die Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, d. h. wenn der Schiedsspruch eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt, oder wenn er zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in untragbarem Widerspruch steht; der Schiedsspruch muss mithin die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzen.“253 Nur in engen Grenzen kann und soll ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung angenommen werden;254 eine bloße Verletzung materiellen Rechts reicht nicht schon per se für eine Verletzung des ordre public.255

251  Bilda,

DB 2004, 171, 174. der BReg zum Entwurf des SchiedsVfG, BT-Drucks. 13/5274, 55. Ebenso der Kommissionsentwurf: Kommission zur Neuordnung des Schiedsverfahrensrechts, Bericht Neufassung ZPO, 177. 253  BGH, NJW 2014, 1597, 1598; BGH, NJW 2009, 1215, 1216. Ebenso noch zum alten Recht (§ 1041 Abs. 1 Nr. 2 ZPO a. F.): BGH, NJW 1990, 3210, 3211. 254  BGH, SchiedsVZ 2014, 151, 153; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 24 Rdnr. 33; Waßmuth, Richtigkeitskontrolle Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut, 52. 255  BGH NJW 2014, 1597, 1598; BGH, NJW 2009, 1215, 1216; BGH NJW 1990, 3210, 3211; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 24 Rdnrn. 33, 38. A. A.: Bilda, DB 2004, 171, 175; Bredow, SchiedsVZ 2010, 295, 297. Diese Autoren sehen bereits in einem Verstoß gegen zwingendes Recht einen ordre-public-Verstoß. Diese Auffassung ist abzulehnen: Der Gesetzgeber wandte sich bewusst gegen den im Modellgesetz vorgesehenen Vorbehalt, nach welchem ein Schiedsspruch nur zu erlassen sei, wenn das Schiedsgericht „nichts dagegen einzuwenden hat“. Diese Einschränkung wurde als zu weitgehend und unbestimmt befunden. Nur bei Verstößen gegen zwingende Rechtsgrundsätze (nicht zwingendes Recht!) sollen Schiedsrichter nicht zum Erlass eines Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut gezwungen sein: Begründung der BReg zum Entwurf des SchiedsVfG, BT-Drucks. 13/5274, 55. Bewusst sollte der Überprüfungsmaßstab verringert werden, weswegen der Prüfungsmaßstab der Schiedsrichter entsprechend eng verstanden werden muss. 252  Begründung

96

Teil 3: Im Besonderen: Grundlagen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG

Anerkannte Beispiele für Verstöße gegen den ordre public sind z. B. die Nichteinhaltung grundlegender kartellrechtlicher Regeln256 oder die Verpflichtung zur Erfüllung von Spiel- oder Wettschulden257. In der zivilprozessualen Literatur wird ein Vergleichsschluss über Organhaftungsansprüche unter Missachtung von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht (notwendig) als Verstoß gegen den ordre public gewertet.258 Auch aus aktienrechtlicher Sicht muss dieser Einordnung zugestimmt werden. Zwar helfen hierbei weder die Umschreibung des Gesetzgebers noch die Konkretisierung des BGH. Dass § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht Teil des ordre public sein kann, ergibt sich vielmehr aus der Gesetzgebungsgeschichte, konkret aus der Öffnung der Schiedsgerichtsbarkeit für nichtvergleichsfähige Ansprüche. Es muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber bei Öffnung der Schiedsverfahren für nichtvergleichsfähige Ansprüche sich der Bedeutung von Vergleichen als präferiertes Instrument der Parteien zur Streitbeilegung bewusst war.259 Das Schiedsverfahren auch für solche Ansprüche zu öffnen, aber die für die Parteien aufgrund der gesicherten Vollstreckbarkeit besonders attraktive Lösung des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut wegen Unvereinbarkeit mit einer aktienrechtlichen Norm über den Umweg des ordre public zu verbieten und damit den Anwendungsbereich erheblich einzuschränken, wäre widersprüchlich. Wären für den Gesetzgeber die gesetzlichen Vergleichsschranken von so wesentlicher Bedeutung gewesen, dass diese als Teil des ordre public einzuordnen wären, hätte er eine solche Öffnung der Schiedsgerichtsbarkeit für nicht vergleichsfähige Ansprüche – was dann ja geradezu nach einem Verstoß gegen den ordre public schreien würde – nicht vollzogen. Das würde der berühmten Wurst, die man einem Hund vor die Nase hält, dann aber pünktlich, wenn der Hund zuschnappen will, wieder wegzieht, gleichen. Zwar wird von Scholz und Weiß angeführt, die aktienrechtliche Vergleichsbeschränkung aus § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nehme eine Sonderstellung ein. Während bei einer Verletzung von Normen wie etwa §§ 43 Abs. 3 S. 2, 9b Abs. 1 S. 1 GmbHG, wonach eine Hauptversammlungszustimmung zu einem 256  BGHZ 46, 365, 367; BGHZ 30, 89, 96; GroßKomm ZPO/Schütze, § 1059 ZPO Rdnr. 66; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rdnr. 785. 257  GroßKomm ZPO/Schütze, § 1059 Rdnr. 66; ders., Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rdnr. 785. 258  BeckOK ZPO/Wilske/Markert, §  1053 ZPO Rdnr. 18; MünchKomm ZPO/ Münch, § 1059 ZPO Rdnr. 48. A. A. Scholz/Weiß, AG 2015, 523, 528. 259  Hierzu bereits unter Teil 3, 5. Kapitel, § 2, B., II., 3., b), bb) Analoge Anwendung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auf den Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut?, S. 91.



5. Kap.: Anwendungsbereich von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG97

Verzicht oder Vergleich nicht notwendig ist, lediglich mittelbar Gläubigerinteressen beeinträchtigt würden, stelle eine Missachtung von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht nur einen Verstoß gegen die Verfügungsbefugnis des Aufsichtsrats dar, sondern es würden auch unmittelbar die Rechte der Hauptversammlung, und damit einer explizit geschützten Gruppe verletzt.260 Das spräche aufgrund der gesonderten Schutzstellung für eine Einordnung von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG als Teil des ordre public. Eine solche Differenzierung bei der Frage der ordre-public-rechtlichen Einordnung von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG scheint jedoch verfehlt. Würde man zur Einordnung auf die geschützte Personengruppe (Gläubiger bzw. Aktionäre) abstellen, müsste das Ergebnis vielmehr gegenteilig ausfallen: Denn obwohl den Gläubigern, anders als den Aktionären, ein unmittelbarer Anspruch gegen die Gesellschaft zusteht, laufen sie mangels Mitbestimmungsrechten in der Gesellschaft größere Gefahr, nicht zu ihrem Recht zu kommen. Dann müssten ihre Interessen aber als schützenswerter als diejenigen der Aktionäre eingestuft werden, denen über das Mitbestimmungsrecht hinaus Möglichkeiten, wie der Aktionärsklage, zustehen. Es gilt, den nebulösen Begriff der öffentlichen Ordnung auf fundamentale Sachverhalte zu begrenzen und insofern eine Einordnung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG als Teil des ordre public abzulehnen.261 ee) Zwischenergebnis Festzuhalten ist, dass ein Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut i. S. d. § 1053 Abs. 1 S. 2 ZPO nicht dem Anwendungsbereich des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG unterfällt. Wirksamkeitsgrenze eines solchen Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut ist allein die öffentliche Ordnung, welche eng auszulegen ist, weswegen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht hierunter zu fassen ist. Das Gericht ist bei Erlass eines solchen Schiedsspruchs daher weder dazu verpflichtet, den zugrundeliegenden Vergleich auf seine Vereinbarkeit mit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG hin zu überprüfen, noch hat es beim Erlass selbst die Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG einzuhalten.262 Wenngleich ein solches Ergebnis dem intuitiven Rechtsempfinden widerstreben mag, so können ab260  Scholz/Weiß,

AG 2015, 523, 525 f. BeckOK ZPO/Wilske/Markert, § 1053 ZPO Rdnr. 18; MünchKomm ZPO/Münch, § 1059 ZPO Rdnr. 48. Mit starker Tendenz zu einer Zustimmung zu diesem Ergebnis: Behme, IWRZ 2015, 3, 6. 262  A. A. Scholz/Weiß, AG 2015, 523, 526, wonach es dem Schiedsgericht verwehrt sei, einen Vergleich auf Antrag der Parteien als Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut festzuhalten. 261  Ebenso

98

Teil 3: Im Besonderen: Grundlagen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG

weichende Ergebnisse nach hier vertretener Ansicht allein aufgrund einer Gesetzesänderung de lege ferenda erzielt werden. c) Verzicht oder Vergleich im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts, § 1051 Abs. 3 S. 1 ZPO Entscheidungen, die ein Schiedsgericht aufgrund ausdrücklicher Ermächtigung seitens der Parteien nach Billigkeit gem. § 1051 Abs. 3 S. 1 AktG fällt, unterfallen selbst dann nicht § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, wenn es sich um einen Verzicht oder Vergleich handelt.263 Denn erstens ergeht – wenngleich auf Grundlage der Billigkeit und nicht zwingend im Einklang mit Recht und Gesetz264 – ein Schiedsspruch265, der sich per se nicht an § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zu messen hat, weil ihm Urteilswirkung gem. § 1055 ZPO zukommt.266 Zweitens ist auch bei einer Billigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts nur der ordre public i. S. d. § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO267 Maßstab für die Wirksamkeit und Aufhebungsfähigkeit eines Schiedsspruches, und dieser beinhaltet nicht die Einhaltung der Voraussetzungen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG.268 Schließlich wäre eine pauschale Unterwerfung der Entscheidung nach Billigkeit unter die Wirksamkeitsvoraussetzungen des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auch insofern verfehlt, als eine Billigkeitsentscheidung nicht zwangsweise in diesem Ergebnis gelangen auch Scholz/Weiß, AG 2015, 523, 527. Ermöglichung einer Entscheidung auf dieser Grundlage war gerade Intention des Gesetzgebers. Hierzu: Begründung der BReg zum Entwurf des SchiedsVfG, BT-Drucks. 13/5274, 53; Kommission zur Neuordnung des Schiedsverfahrensrechts, Bericht Neufassung ZPO, 170. 265  MünchKomm ZPO/Münch, § 1051 ZPO Rdnr. 50. 266  Hierzu bereits soeben unter Teil 3, 5. Kapitel, § 2, B., II., 3., b), aa) Unmittelbare Anwendbarkeit von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auf den Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut aufgrund seiner Rechtsnatur?, S. 90. 267  Der Begriff der öffentlichen Ordnung in § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO ist mit demjenigen in § 1053 Abs. 1 S. 2 HS 2 ZPO identisch. Hierzu: Begründung der BReg zum Entwurf des SchiedsVfG, BT-Drucks. 13/5274, 55; Kommission zur Neuordnung des Schiedsverfahrensrechts, Bericht Neufassung ZPO, 177; Kreindler/Schäfer/Wolff, Schiedsgerichtsbarkeit, Rdnr. 1001; Lachmann, Handbuch Schiedsgerichtspraxis, Rdnr. 1804; Musielak/Voit/Voit, ZPO, § 1053 ZPO Rdnr. 10; Schütze, Festschrift Lorenz, 275, 278; Waßmuth, Richtigkeitskontrolle Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut, 38. A. A.: Bilda, DB 2004, 171, 174; Mankowski, ZZP 114 (2001), 37, 46 ff., die für eine unterschiedliche Bedeutung des ordre public in § 1053 Abs. 1 S. 2 HS 2 ZPO und in § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO streiten. 268  Hierzu soeben unter Hierzu bereits soeben unter Teil 3, 5. Kapitel, § 2, B., II., 3., b), dd. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG als Teil des ordre public?, S. 94. 263  Zu

264  Die



6. Kap.: Thesenartige Zusammenfassung zu den besonderen Grundlagen99

ihrer Auswirkung einem Verzicht oder Vergleich gleichkommt. Das ist schon dann nicht der Fall, wenn das Billigkeitsempfinden der Schiedsrichter mit dem nach gesetzlichen Regelungen bestehendem Anspruch in voller Höhe übereinstimmt und nicht nur in geringerer Verzichts- oder Vergleichshöhe. Gerade dann wäre eine pauschale Unterwerfung einer Entscheidung nach Billigkeit unter § 93 Abs. 4 S. 3 AktG unzutreffend.

6. Kapitel

Thesenartige Zusammenfassung zu den besonderen Grundlagen 1. Während die Möglichkeit einer AG, sich mit einem Vorstandsmitglied über einen Organhaftungsanspruch zu vergleichen oder auf diesen zu verzichten, lange ein Schattendasein führte, gewinnt das Thema in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung. Zwischen 2003 und 2009 machten von den in dieser Arbeit insgesamt 365 untersuchten Gesellschaften nur drei von der vergleichsweisen Streitbeilegung Gebrauch, wohingegen sich zwischen 2010 und 2019 von den untersuchten Gesellschaften insgesamt 25 Hauptversammlungen mit dem Thema befassten. 2. Die Gründe für den Abschluss einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung sind vielfältig und können sowohl im Unternehmen, seiner Außendarstellung oder in der Person des Vorstandsmitgliedes liegen. 3. Eine Regelung zur Eingrenzung eines Verzichts- oder Vergleichsabschlusses zwischen einer AG und ihrem Vorstandsmitglied existiert bereits seit der Aktienrechtsnovelle von 1884, zunächst ausschließlich für Ansprüche aus der Gründung. Seit dem Aktiengesetz i. d. F. von 1937 gilt die Einschränkung auch für alle sonstigen Organhaftungsansprüche eines Vorstandsmitgliedes gegenüber der Gesellschaft. 4. In den Anwendungsbereich der Norm fallen Organhaftungsansprüche gem. § 93 Abs. 2 S. 1 AktG sowie hierzu in Konkurrenz stehende Ansprüche. 5. Neben Verzichten und Vergleichen im engeren Sinne sind auch solche Rechtshandlungen von der Norm erfasst, die in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung ersteren Handlungen gleichkommen. Hierzu zählen u.  a. Stimmrechtsvereinbarungen mit Aktionären, Anspruchsabtretungen mit Umgehungsabsicht von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, Verzichte auf eine mög­ liche Aufrechnung sowie Übernahmen von Geldsanktionen durch die Gesellschaft.

100

Teil 3: Im Besonderen: Grundlagen zu § 93 Abs. 4 S. 3 AktG

6. Nicht in den Anwendungsbereich von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG fällt die Nichtgeltendmachung eines Organhaftungsanspruchs gegen ein Vorstandsmitglied. Auch Schiedssprüche mit vereinbartem Wortlaut gem. § 1053 Abs. 1 S. 2 ZPO sowie Verzichte oder Vergleiche, die im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung eines Schiedsgerichts gem. § 1051 Abs. 3 S. 1 AktG ergehen, werden nicht von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG erfasst.

Teil 4

Internationale Betrachtung 1. Kapitel

Grundlagen § 1 Allgemeines zur Rechtsvergleichung „Rechtsvergleichung bedeutet, daß die Rechtssätze eines Staates […] mit den Rechtssätzen einer anderen Ordnung auseinandergesetzt werden […]. Wir untersuchen, welche Fragen da und dort gestellt und wie sie beantwortet werden, sodann, wie sich die Antworten zueinander verhalten.“ – Ernst Rabel.1

Um unterschiedliche Rechte miteinander vergleichen zu können und aus dem ausländischen Recht Anregungen für die Lösung nationaler Probleme zu bekommen, müssen methodisch erstens die mit dem deutschen Recht zu vergleichenden Rechtsordnungen ausgewählt und zweitens diese ausländischen Rechte durch Auslandsrechtskunde inhaltlich ermittelt werden. Dann erst kann der eigentliche Vergleich zwischen den Rechtsordnungen stattfinden.

§ 2 Ausgewählte Rechtskreise Während in der deutschen Rechtswissenschaft das Interesse an einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Möglichkeit einer Aktiengesellschaft, sich mit einem Vorstandsmitglied bei Innenregressansprüchen zu vergleichen oder darauf zu verzichten, in den letzten Jahren stetig ansteigt, fehlt – soweit ersichtlich – bisher eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob auch in anderen Ländern ein solcher Verzicht oder Vergleich möglich ist und ggf. welche Hürden hierfür genommen werden müssen. Die Auswahl der mit dem deutschen Recht verglichenen Länder orientiert sich in dieser Arbeit an den in der westlichen Hemisphäre dominierenden

1  Rabel,

Rechtsvergleichung, 2.

102

Teil 4: Internationale Betrachtung

Rechtskreisen bzw. -familien: dem common law und dem civil law.2 Unterschieden werden diese beiden Gruppen danach, was dominierende Rechtsquelle des nationalen Rechtes ist: die Praxis (so im common law) oder das geschriebene Gesetzesrecht (so im civil law).3 Zunächst wird das US-amerikanische Recht in den Blick genommen, als derjenige Vertreter des anglo-amerikanischen Rechtskreises, dessen common law-Praxis gerade auch auf das deutsche Aktienrecht große Einflüsse ausübt. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang beispielsweise die Konkretisierung der Sorgfaltspflichten der Führungspersonen deutscher Aktiengesellschaften nach US-amerikanischem Vorbild, die zunächst höchstrichterlich im Rahmen der ARAG/Garmenbeck-Rechtsprechung in die deutsche Aktienrechtslandschaft Einzug erhielt und später sogar als Business Judgment Rule in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG kodifiziert wurden.4 Die europäischen Länder gehören überwiegend zur Rechtsfamilie des civil law. Dieser Rechtskreis lässt sich wiederum in verschiedene Untergruppen aufteilen, von denen einerseits der romanische und andererseits der deutsche Rechtskreis als Europa stark prägende Rechtssysteme in dieser Arbeit he­ rausgegriffen werden. Das französische Recht ist die Mutterrechtsordnung des romanischen Rechtskreises5 und eignet sich als solche als exemplarische Vergleichsrechtsordnung. Schließlich wird als Teil des deutschen Rechtskreises6 das österreichische Aktienrecht in den Blick genommen. Gerade weil es dem gleichen wie dem hierzulande geltenden Rechtskreis zugehörig ist, stellt es ein interessantes Vergleichsobjekt im Hinblick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der praktischen Entwicklung dar. Um untersuchen zu können, ob in den ausgewählten Rechtskreisen mit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG vergleichbare Regelungen bestehen, bedarf es zunächst einer Untersuchung des im jeweiligen Land geltenden Gesellschaftsrechtssystems. Insbesondere gilt es herauszuarbeiten, ob eine mit der deutschen Aktiengesellschaft vergleichbare Gesellschaftsform besteht, und, falls dem so ist, wie deren Funktionsweise und Haftungssystem aufgebaut sind. Erst dann kann der Frage nachgegangen werden, ob für Haftungsansprüche der Gesellschaft gegen eine leitende Person Restriktionen im Hinblick auf den Abschluss einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung bestehen und ob ggf. 2  Cruz,

Comparative Law, 32. Comparative Law, 42, 46. 4  Merkt, ZVglRWiss 103 (2004), 263, 265. 5  Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 74. 6  Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 153. 3  Cruz,



2. Kap.: Länderbericht USA103

anderweitige Mechanismen vorzufinden sind, die für die nationale Problembehandlung im Zusammenhang mit § 93 Abs. 4 S. 3 AktG fruchtbar gemacht werden können.

2. Kapitel

Länderbericht USA § 1 US-amerikanisches Gesellschaftsrechtssystem Wie im deutschen Gesellschaftsrecht kann – auch wenn diese Unterscheidung von der US-amerikanischen Rechtswissenschaft und Rechtsprechung nicht getroffen wird – im dortigen Gesellschaftsrecht grundsätzlich zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften unterschieden werden.7 Eine Kategorisierung knüpft aus US-amerikanischer Sicht an die Rechtspersönlichkeit und Börsennotierung an.8 Die Grundform der Personengesellschaft ist hierbei die sog. partnership,9 jene der Kapitalgesellschaft die sog. corporation10 (auch business corporation, stock corporation)11. Im Recht der corporation kann zwischen zwei Hauptformen unterschieden werden: der public corporation (auch publicly held corporation) sowie der close corporation (auch closely held corporation).12 Erstere kommt der hiesigen Aktiengesellschaft am nächsten, während Letztere am ehesten mit der deutschen GmbH vergleichbar ist.13 Anders als in Deutschland herrscht in den föderalen Vereinigten Staaten von Amerika das Privileg jedes einzelnen Bundesstaates vor, sein individuelles Gesellschaftsrecht zu verabschieden, sodass es eine Vielzahl von Gesellschaftsrechten gibt.14 Für einige Themen gibt es sog. uniform laws, also einheitliche Gesetze, um mittels gleicher Regelungen Rechtssicherheit herbeizuführen.15 7  Bungert,

GesR USA, 1, 31; Reimann/Ackmann, US PrivatR, 244. US GesR, Rdnr. 147. 9  Bungert, GesR USA, 1; Merkt, US GesR, Rdnr. 149. 10  Bungert, GesR USA, 1; Merkt, US GesR Rdnr. 195. 11  Merkt, US GesR, Rdnr. 194. 12  Bungert, GesR USA, 1. 13  Bungert, GesR USA, 1; Merkt, US GesR, Rdnr. 195. 14  Bungert, GesR USA, 1; Freer, Law of Corporations, 60; Reimann/Ackmann, US PrivatR, 244. 15  Bungert, GesR USA, 1 f. Hierzu zählt z. B. der Uniform Partnership Act von 1997, der das Recht der general partnership regelt. Hierzu auch Merkt, US GesR, Rdnr. 149. 8  Merkt,

104

Teil 4: Internationale Betrachtung

Im „Kapitalgesellschaftsrecht“ der USA wurde bisher kein uniform law, also einheitliches Recht, verabschiedet. Dies ist insbesondere der Tatsache geschuldet, dass die Bundesstaaten um die Inkorporation der Gesellschaften konkurrieren, da diese eine wichtige Einkommensquelle für sie darstellen.16 Indes sind zwei dominierende Rechtsquellen im Hinblick auf die corpo­ ration  auszumachen:17 der sog. Revised Model Business Corporation Act (R. M. B. C. A.) der American Bar Association,18 der in jüngeren oder älteren Fassungen von 32 Bundesstaaten sowie dem District of Columbia und jedenfalls in Teilen von vielen weiteren Staaten umgesetzt wurde,19 sowie das Delaware General Corporation Law (Del. Gen. Corp. L.), das Gesellschaftsrecht des Staates Delaware. In Delaware sind über 66 % der Gesellschaften, die ihre Anteile an der Börse handeln, und knapp 65 % der 500 größten amerikanischen Unternehmen inkorporiert.20 Die Beliebtheit, die Delaware heutzutage als Inkorporationsstaat zukommt, ergibt sich unter anderem aus der sehr spezialisierten und dadurch sehr zügigen Rechtsprechung sowie der großen Anzahl von Präzedenzfällen, die den Verfahrensausgang vorhersehbarer als in anderen Bundesstaaten machen.21 Sofern Gesetzesrecht relevant ist, konzentriert sich die folgende Darstellung daher auf diese beiden Quellen.

16  Bungert,

GesR USA, 2 f. Corporate Law, 10. 18  Die aktuellste Fassung des R. M. B. C. A. stammt von 2016. Der erste Versuch, ein einheitliches Gesetz zu schaffen, erfolgte bereits im Jahr 1928 mit dem sog. Uniform Business Corporation Act. Dieser wurde allerdings nur von drei Staaten ganz und einem in Teilen umgesetzt. 1950 wurde sodann die erste Version des heutigen R. M. B. C. A. von der American Bar Association veröffentlicht, der sog. Model Business Corporation Act. Dieser Act wurde fortlaufend überprüft und überarbeitet; eine umfassende Überarbeitung fand 1984 statt, ab da hieß der Act dann Revised Model Business Corporation Act. Auch dieser wurde kontinuierlich überarbeitet und zuletzt wurden 2016 bis dahin erfolgte und weitere Überarbeitungen in die neueste Version des R. M. B. C. A. aufgenommen. Siehe hierzu auch Introduction zum Model Business Corporation Act (Revision 2016), Official Text with Official Comment and Statutory Cross-References, vii. 19  Introduction zum Model Business Corporation Act (Revision 2016), Official Text with Official Comment and Statutory Cross-References, v. 20  State of Delaware, Division of Corporations: About Agency, abrufbar unter: http://www.corp.delaware.gov/aboutagency.shtml (zuletzt abgerufen am 04.12.2019); Brainbridge, Corporate Law; 10; Hemray, Company Lawyer 2016, 256. 21  Brainbridge, Corporate Law, 10; Fisch, University of Cincinnati Law Review 68 (2000), 1061, 1068, 1077; Hemray, Company Lawyer 2016, 256, 257. 17  Brainbridge,



2. Kap.: Länderbericht USA105

§ 2 Struktur der US-amerikanischen public corporation Es lassen sich drei Akteursgruppen einer public corporation ausmachen: der board of directors (im Folgenden auch board) (in etwa: Vorstand), die executive officers (im Folgenden auch officers) (leitende Angestellte) sowie die shareholders (Gesellschafter). Eine Person kann gleichzeitig Teil mehrerer Gruppen sein; welche Regeln Anwendung finden, bestimmt sich jeweils nach der aktuellen Rolleneinnahme.22 Dem board of directors kommt die Aufgabe der Geschäftsführung der corporation zu (§ 8.01(b) R.M.B.C.A bzw. § 141(a) Del. Gen. Corp. L.).23 In der Praxis wird das Tagesgeschäft dennoch meist von den executive officers ausgeführt.24 Der board trifft alle wichtigen Entscheidungen im Hinblick auf die Geschäftspolitik der corporation.25 Zudem kommt ihm eine kontrollierende Funktion hinsichtlich der Arbeit der executive officers zu.26 Die executive officers werden vom board of directors bestellt und abberufen.27 Sofern es die Satzung der Gesellschaft zulässt, können die officers auch von anderen officers bestellt und abberufen werden.28 Welche Aufgaben die executive officers wahrzunehmen haben, wird regelmäßig nicht gesetzlich vorgeschrieben. Eine Aufgabenzuweisung erfolgt vielmehr durch die Gesellschaft selbst in ihrer Satzung, durch den board of directors oder, mit Zustimmung der directors, durch andere officers (§  8.41  R. M. B. C. A. bzw. §  142(a)  Del. Gen. Corp. L.).29 Neben der Erledigung des Tagesgeschäftes geht der Einfluss der officers gerade in public corporations meist noch wesentlich hierüber hinaus.30 Im Gegensatz zum board of directors, das immer

22  Freer,

Law of Corporations, 97. R. M. B. C. A.: „[A]ll corporate powers shall be exercised by or under the authority of the board of directors“; § 141(a) Del. Gen. Corp. L.: „[the corporation’s business and affairs] shall be managed by or under the direction of a board of directors“. 24  Bauman/Stevenson, Corporations, 29; Brainbridge, Corporate Law, 80; Bungert, GesR USA, 39; Freer, Law of Corporations, 103. 25  Charlestown Boot & Shoe Co. v. Dunsmore, 60 N. H. 85 (N. H. 1880); Bainbridge, Corporate Law, 80; Bungert, GesR USA, 39; Clark, Corporate Law, 106; Freer, Law of Corporations, 97. 26  Bainbridge, Corporate Law, 80; Clark, Corporate Law, 105; Freer, Law of Corporations, 101. 27  Bauman/Stevenson, Corporations, 29; Clark, Corporate Law, 105; Freer, Law of Corporations, 97, 183; Merkt, US GesR, Rdnr. 200. 28  Freer, Law of Corporations, 183 f. 29  Freer, Law of Corporations, 103. 30  Freer, Law of Corporations, 103. 23  § 8.01(b)

106

Teil 4: Internationale Betrachtung

als Einheit handeln muss,31 handeln die executive officers bei der Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben jeweils als Einzelpersonen.32 Die shareholders sind als Aktionäre Inhaber der Gesellschaft. Sie bestellen und entlassen den board of directors in der jährlich stattfindenden Hauptversammlung (§  8.03  R. M. B. C. A. bzw. §  211(b)  Del. Gen. Corp. L.).33 Daneben kommt ihnen die Entscheidungsmacht über außerordentliche Geschäftsführungsangelegenheiten zu,34 wie beispielsweise im Rahmen einer Fusion (§ 11.02(c) R. M. B. C. A. bzw. § 251(c) Del.Gen.Corp.L).35

§ 3 Haftungsregime in der US-amerikanischen public corporation Im Recht der corporation haften die Mitglieder des board of directors wie auch die executive officers im Innenverhältnis persönlich. Grundlage der Haftung sind deliktische, vertragliche, gesetzliche oder sog. Common-LawAnsprüche; Letztere ergeben sich aus richterrechtlich entwickelten Haftungsprinzipien.36 Eine Haftung im Außenverhältnis gegenüber Dritten kommt für directors nur in Ausnahmefällen in Betracht.37 Für die shareholders gilt, dass im Außenverhältnis grundsätzlich allein das Kapital der public corporation haftet.38 Allerdings gibt es Ausnahmefälle, in denen ein Haftungsdurchgriff auf das Vermögen der Anteilseigner erfolgen kann, sog. piercing the corporate veil.39

A. Haftungsvoraussetzung einer Innenhaftung Um von Seiten der Gesellschaft persönlich in Anspruch genommen zu werden, muss ein director oder officer eine der Gesellschaft gegenüber beste31  Brainbridge,

Corporate Law, 85 f.; Freer, Law of Corporations, 154. Law of Corporations, 175. 33  Bauman/Stevenson, Corporations, 29; Bungert, GesR USA, 45; Freer, Law of Corporations, 97, 98; Merkt, US GesR, Rdnr. 200. 34  Bauman/Stevenson, Corporations, 29; Freer, Law of Corporations, 99, 102; Merkt, US GesR, Rdnr. 202. 35  Bauman/Stevenson, Corporations, 29; Freer, Law of Corporations, 99; Merkt, US GesR, Rdnr. 202. 36  Merkt, US GesR, Rdnr. 696. 37  Merkt, US GesR, Rdnr. 697. 38  Bungert, GesR USA, 49; Freer, Law of Corporations, 6, 262. 39  Bungert, GesR USA, 49; Freer, Law of Corporations, 262. Im Folgenden wird allein die Haftung der directors und officers vertieft. 32  Freer,



2. Kap.: Länderbericht USA107

hende Pflicht verletzen, aus der kausal ein Schaden zulasten der Gesellschaft entsteht. I. Pflichtverletzung Der Umfang der Pflichten der directors und officers40 lässt sich in zwei übergeordnete Pflichtenkreise einteilen: duties of care (Sorgfaltspflichten) und duties of loyalty (Treuepflichten).41 1.  Duty of care (Sorgfaltspflicht)

Um der duty of care nach § 8.30(b) R. M. B. C. A. gerecht zu werden, müssen directors42 ihre Aufgaben mit derjenigen Sorgfalt erledigen, die eine Person in einer vergleichbaren Position unter gleichen Umständen als vernünftig ansehen würde.43 Sie lässt sich in ihren Einzelheiten in drei Teilbereiche untergliedern: erstens die Pflicht, als Verantwortungsträger sorgsam die Angelegenheiten der Gesellschaft zu verfolgen,44 zweitens die Pflicht, sich über alle zu treffenden Entscheidungen in angemessener Weise zu informieren und ordnungsgemäß hierüber zu beraten45 sowie drittens die Pflicht, 40  Für die officers gelten grundsätzlich die gleichen Pflichten (fiduciary duties) wie für die directors; Gantler v. Stephens, 965 A.2d 695, 709 (Del. 2009); Cede & Co. v. Technicolor, Inc., 634 A.2d 345, 361 (Del. 1993); Guth v. Loft, Inc., 5 A.2d 503, 510 (Del. 1939). 41  Polk v. Good, 507 A.2d 531, 536 (Del. 1993); Smith v. Van Gorkom, 488 A.2d 858, 872 f. (Del. 1985). Zwar wurde früher unter dem Recht von Delaware die sog. duty of good faith als dritte Säule des Pflichtenkreises angesehen (so z. B. in Cede & Co. v. Technicolor, Inc., 634 A.2d 345, 361 (Del. 1993), wo von einer Pflichtentrias („triads of […] fiduciary duty“) gesprochen wurde), allerdings geht eine neuere Entscheidung allein von Sorgfalts- und Treuepflichten aus, im Rahmen derer die duty of good faith als Teil der Treuepflichten angesehen wird, Stone v. Ritter, 911 A.2d 362, 369 f. (Del. 2006). Siehe hierzu auch Brainbridge, Corporate Law, 179 f.; Lafferty/ Schmidt/Wolfe Jr., Penn State Law Review 116 (2012), 837, 841, 847. 42  Für officers: § 8.42(a)(2) R. M. B. C. A. („An officer […] has the duty to act with the care that a person in a like position would reasonably exercise under similar circumstances“). Im Recht von Delaware gibt es bislang keine gesetzliche Regelung der Sorgfaltspflicht, siehe hierzu auch Merkt, US GesR, Rdnr. 905. 43  § 8.30(b) R. M. B. C. A.: „[A] person in a like position would reasonably believe appropriate under similar circumstances“; ähnlich in Delaware: „[T]hat amount of care which ordinarily careful and prudent men would use in similar circumstances“, Graham v. Allis-Chalmers Mfg. Co., 188 A.2d 125, 130 (Del. 1963). 44  Hoye v. Meek, 795 F.2d 893, 895 (10th Cir. 1986); Francis v. United Jersey Bank, 432 A.2d 814, 822 (N. J. 1981). 45  Sealy Mattress Co. v. Sealy, Inc., 532 A.2d 1324, 1337 (Del. Ch. 1987); Smith v. Van Gorkom, 488 A.2d 858, 872 f. (Del. 1985).

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Teil 4: Internationale Betrachtung

Entscheidungen auf einer vernünftigen Grundlage zu treffen46.47 Je weitreichender die zu treffende Entscheidung ist, desto umfangreicher gestalten sich die Informations- und Abwägungspflichten.48 Nach dem Recht von Delaware umfasst die duty of care vor allem die Pflicht der directors, sich im Vorfeld einer unternehmerischen Entscheidung über alle in zumutbarer Weise zu erlangenden Informationen in Kenntnis zu setzen.49 Diese Pflicht ist insofern einschränkend auszulegen, als ein angemessenes Informieren seitens der directors von Seiten der Rechtsprechung als ausreichend angesehen wird; nicht erforderlich ist die Kenntnis jeglicher Informationen.50 Eng verbunden mit der Sorgfaltspflicht ist die sog. business judgment rule, die mittlerweile auch im deutschen Aktienrecht kodifiziert ist (§ 93 Abs. 1 S. 2 AktG). Findet diese Anwendung, überprüft das Gericht die Entscheidung nicht mehr am soeben dargestellten Sorgfaltspflichtmaßstab.51 Was unter einem business judgment zu verstehen ist, ist trotz der Existenz dieser Regel seit über 150 Jahren bisher noch in keiner gesetzlichen Regelung niedergeschrieben worden.52 Im Gegenteil: Eine gesetzliche Regelung ist nicht gewollt, vielmehr sollen die Gerichte die business judgment rule auch in Zukunft weiterentwickeln.53 Im Laufe der Zeit haben sich gleichwohl zwei Voraussetzungen herausgebildet, die erfüllt sein müssen, damit die business judgment rule Anwendung findet: Erstens müssen Grundlage der Entscheidung stichhaltige Informationen sein, und zweitens muss die Entscheidung ein gewisses Maß an Vernünftigkeit ausdrücken.54 Wer diese Kriterien erfüllt, kann, selbst wenn sich die Entscheidung im Nachhinein als falsch herausstellt, nicht persönlich in Anspruch genommen werden.55 46  Cede

& Co. v. Technicolor, Inc., 634 A.2d 345, 360 (Del. 1993). insgesamt Cox/Hazen, Business Organizations, 201 ff. 48  Welch/Turezyn, Folk on Del. Gen. Corp. L., § 141.2.1.1., 82. 49  Sealy Mattress Co. v. Sealy, Inc., 532 A.2d 1324, 1337 (Del. Ch. 1987); Smith v. Van Gorkom, 488 A.2d 858, 872 f. (Del. 1985); Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805, 812 (Del. 1984); Lafferty/Schmidt/Wolfe Jr., Penn State Law Review 116 (2012), 837, 842; Welch/Turezyn, Folk on Del. Gen. Corp. L., § 141.2.1.1., 82. 50  In re Caremark International Inc. Derivative Litigation, 698 A.2d 959, 971 (Del. Ch. 1996); Lafferty/Schmidt/Wolfe Jr., Penn State Law Review 116 (2012), 837, 842. 51  Merkt, US GesR, Rdnr. 922. 52  Bauman/Stevenson, Corporations, 785. 53  Comment zu Model Business Corporation Act (Revision 2016), Official Text with Official Comment, § 8.31 RMBCA; Bauman/Stevenson, Corporations, 785; Palmiter, Corporations, § 12.2. 54  Merkt, US GesR, Rdnr. 932; Palmiter, Corporations, § 12.2. 55  Merkt, US GesR, Rdnr. 932. 47  Hierzu



2. Kap.: Länderbericht USA109 2.  Duty of loyalty (Treuepflicht)

Die duty of loyalty verpflichtet zu einem Handeln, welches nachvollziehbar im besten Interesse der Gesellschaft zu sein hat (§ 8.30(a)(2) R. M. B. C. A. (für directors); §  8.42(a)(3)  R. M. B. C. A. (für officers)).56 Es darf folglich nicht zu einem Konflikt zwischen den Interessen des Führungsmitglieds und denen der Gesellschaft kommen.57 Die duty of loyalty entstammt ursprünglich dem Verbot des Insichgeschäfts.58 In der Praxis spielt sie heute vor allem in drei Anwendungsfeldern eine Rolle: beim Insichgeschäft (self-dealing), beim widerrechtlichen Aneignen einer Gesellschaftschance zum eigenen Nutzen sowie im Rahmen konkurrierender Unternehmen.59 Daneben umfasst sie die sog. duty of good faith, d. h. die Pflicht zur redlichen Entscheidung.60 Während früher noch jedes Insichgeschäft, also ein Geschäft, bei dem auf beiden Seiten dieselbe Führungsperson involviert ist,61 verboten war, gibt es heute gesetzliche Regelungen, die auch wirksame Insichgeschäfte anerkennen (§§  8.60–8.63  R. M. B. C. A.; §  144  Del. Gen. Corp. L.). Erforderlich ist hierfür, dass ein Insichgeschäft trotz der Konfliktlage aus Sicht der Gesellschaft als „fair“ anzusehen ist (§§ 8.61(b)(3), 8.60 R. M. B. C. A.; § 144(a) (3)  Del. Gen. Corp. L.).62 Daneben können Insichgeschäfte durch eine Zustimmung der nicht befangenen directors oder shareholders wirksam gemacht werden (§  8.61(b)(1–2)  R. M. B. C. A., §  8.62, §  8.63  R. M. B. C. A.; §  144(a) (1–2) Del. Gen. Corp. L.).63

56  Das

Recht von Delaware verzichtet bisher noch auf eine gesetzliche Regelung. v. Loft, Inc., 5 A.2d 503, 510 (Del. 1939); Lafferty/Schmidt/Wolfe Jr., Penn State Law Review 116 (2012), 837, 845. 58  Kneeper/Bailey, Liability of Officers and Directors, § 4.01, 4-3; Merkt, US GesR, Rdnr. 960. 59  Freer, Law of Corporations, 216. 60  Stone v. Ritter, 911 A.2d 362, 370 (Del. 2006), Guttman v. Huang, 823 A.2d 492, 506 (in Fn. 34) (Del. Ch. 2003); Keenan v. Eshleman, 2 A.2d 904, 908 (Del. 1938); Finch v. Warrior Cement Corp., 141 A. 54, 63 (Del. Ch. 1928); Lofland v. Cahall, 118 A. 1, 3 (Del. 1922); Hemray, Company Lawyer 2016, 256, 259; Kneeper/ Bailey, Liability of Officers and Directors, § 4.01, 4-3; Merkt, US GesR, Rdnr. 898. 61  Freer, Law of Corporations, 219. 62  Cox/Hazen, Business Organizations, 224; Palmiter, Corporations, 287; Welch/ Turezyn, Folk on Del. Gen. Corp. L., § 141.2.1.1., 83. 63  Nach dem Recht von Delaware stellt die Zustimmung gleichwohl keinen „sicheren Hafen“ für die involvierten Führungspersonen dar; eine Zustimmung verlagert allein die Beweislast hinsichtlich der „unfairness“ auf die Kläger, vgl. hierzu Kahn v. Lynch Communication Systems, Inc., 638 A.2d 1110, 1115 (Del. 1994); Freer, Law of Corporations, 223. 57  Guth

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Teil 4: Internationale Betrachtung

Gesellschaftschancen werden u. a. in eigenem Interesse und zulasten der Gesellschaft genutzt, wenn diese sich im Geschäftszweig der Gesellschaft befinden, im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit entdeckt wurden, die Gesellschaft ein Interesse an dem Geschäft gehabt hätte oder insgesamt das Ergreifen der Geschäftschance seitens der Führungsposition aus Sicht der Gesellschaft nicht als „fair“ einzustufen ist.64 Zwar kann ein und dieselbe Person mehrere Interessen verfolgen. Allerdings sollte eine Führungsperson, will sie ihrer Treuepflicht genügen, nicht gleichzeitig in zwei, zu sich in Konkurrenz stehenden Gesellschaften auf Führungsebene tätig sein.65 Teil der Treuepflicht ist es schließlich, in redlicher Weise Entscheidungen zu treffen (duty of good faith) (§  8.30(a)(1)  R. M. B. C. A. (für directors); §  8.42(a)(1)  R. M. B. C. A. (für officers)).66 In In re The Walt Disney Company Derivative Litigation sah der Delaware Supreme Court diese Pflicht dann als verletzt an, wenn der Beklagte vorsätzlich die Pflicht des Handelns in gutem Glauben verletzt oder bewusst unter Missachtung seiner Verantwortlichkeit handelt.67 II. Schaden, Kausalität und Beweislast Verletzen directors oder officers ihnen auferlegte Pflichten, muss die Pflichtverletzung kausal für einen Schaden sein, damit eine persönliche ­Haftung infrage kommt. Diesen Nachweis muss – jedenfalls in den meisten der Bundesstaaten – der Kläger im Verfahren erbringen (§ 8.31(b)(1)(ii) R. M. B. C. A.).68

64  Broz v. Cellular Information Systems, Inc., 673 A.2d 148, 154 f. (Del. 1996); Guth v. Loft, Inc., 5 A.2d 503, 513 f. (Del. 1939); Freer, Law of Corporations, 233, 235. 65  Freer, Law of Corporations, 216. 66  Stone v. Ritter, 911 A.2d 362, 370 (Del. 2006), Guttman v. Huang, 823 A.2d 492, 506 (in Fn. 34) (Del. Ch. 2003); Keenan v. Eshleman, 2 A.2d 904, 908 (Del. 1938); Finch v. Warrior Cement Corp., 141 A. 54, 63 (Del. Ch. 1928); Lofland v. Cahall, 118 A. 1, 3 (Del. 1922); Hemray, Company Lawyer 2016, 256, 259; Kneeper/ Bailey, Liability of Officers and Directors, § 4.01, 4-3; Merkt, US GesR, Rdnr. 898. 67  „[I]f the defendant acted in ‚intentional dereliction of duty, [or with] a conscious disregard of one’s responsibilities.‘ “, Freer, Law of Corporations, 213 f. 68  Anders hingegen in Delaware in Bezug auf die Schadensverursachung durch eine Verletzung der duty of care, wo der Kläger seiner Beweislast schon dann genügt, wenn er eine Verletzung der Sorgfaltspflicht nachweist, Cede & Co. v. Technicolor, Inc., 634 A.2d 345, 361 (Del. 1993), so auch Freer, Law of Corporations, 201; Merkt, US GesR, Rdnr. 920.



2. Kap.: Länderbericht USA111

B. Haftungsgeltendmachung Haben sich directors oder officers schadenersatzpflichtig gemacht, hat primär die geschädigte Gesellschaft das Recht, ihre Ansprüche gerichtlich geltend zu machen.69 Vertreten wird die Gesellschaft in diesen Fällen durch ihre directors oder executive officers, je nach Fallkonstellation.70 Eine Anspruchsgeltendmachung erfolgt auf diesem Weg jedoch nur selten,71 denn wer selbst Pflichten – gegebenenfalls Aufsichtspflichten – verletzt hat, wird kaum aktiv werden.72 Ein wichtiger Weg, um Ansprüche der Gesellschaft gegen ihre directors oder officers durchzusetzen, ist daher die sog. shareholders’ derivative suit (wörtlich: abgeleitete Klage der Gesellschafter).73 Diese Art der Anspruchsgeltendmachung durch einen oder mehrere Anteilseigner ist im deutschen Recht mit der Anspruchsgeltendmachung durch Aktionäre im Rahmen eines Klagezulassungsverfahrens gem. § 148 AktG vergleichbar.74 Die Klage richtet sich hierbei auf Leistung an die corporation.75 Nur wer zum Zeitpunkt der beanstandeten Handlung shareholder war oder auf wen kraft Gesetzes im Anschluss solche Anteile übergegangen sind, ist  klageberechtigt (§  23.1(b)(1)  F. R. C. P.; §  7.41  R. M. B. C. A.; §  327 Del. Gen. Corp. L.; § 23.1 Delaware Chancery Court Rules).76 Darüber hinaus müssen vom Zeitpunkt der Klageerhebung an bis zum Abschluss des Prozesses Anteile an der Gesellschaft seitens des Klägers gehalten werden.77 69  Cox/Hazen,

Business Organizations, 234 f., 450. Enthaftung Management, 26. 71  Bastuck, Enthaftung Management, 26. 72  Palmiter, Corporations, 232. 73  Bauman/Stevenson, Corporations, 699; von Samson-Himmelstjerna, ZVglRWiss 89 (1990), 288, 299. 74  Trotz einiger Ähnlichkeiten gibt es strukturelle Unterschiede zwischen der USamerikanischen shareholders’ derivative suit und dem deutschen Klagezulassungsverfahren mit anschließender Klagemöglichkeit für Aktionäre. So kann beispielsweise bereits der Inhaber einer einzigen Aktie in den USA eine shareholders’ derivative suit erheben, während dieses Recht in Deutschland nur einer speziellen Minderheit zusteht (Inhaber von 1 % des Grundkapitals oder nominal 100.000 €). Siehe hierzu auch von Hein, US-Gesellschaftsrecht in Deutschland, 823 sowie allgemein 821–830; Wagner, Theoretical Inquiries in Law 16.1 (2015), 69, 79. 75  Eshleman v. Keenan, 194 A. 40, 42 (Del. Ch. 1937); Cantor v. Sachs, 162 A. 73, 76 (Del. Ch. 1932); Bauman/Stevenson, Corporations, 700; Freer, Law of Corporations, 442; Varallo/Dreisbach/Rohrbacher, Corporate Governance, 116; Welch/Turezyn, Folk on Del. Gen. Corp. L., § 327.2.2., 768. 76  Schreiber v. Bryan, 396 A.2d 512, 516 (Del. Ch. 1978); Harff v. Kerkorian, 324 A.2d 215, 218 (Del. Ch. 1974); Hawes v. City of Oakland, 104 U. S. 450, 461 (S. Ct. 1881). 77  Green v. Bradley Const., Inc., 431 So.2d 1226 (Ala. 1983); Merkt, US GesR, Rdnr. 1152. 70  Bastuck,

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Teil 4: Internationale Betrachtung

Weitere Voraussetzung ist, dass vor Klageerhebung der board vergeblich dazu aufgefordert wurde, den Anspruch der Gesellschaft geltend zu machen (sog. „demand“) (§  23.1(b)(3)(A)  F. R. C. P.; §  7.42(1)  R. M. B. C. A.; §  23.1 Delaware Chancery Court Rules).78 Nach der Rechtsprechung in Delaware ist eine Klageerhebung ohne eine solche Aufforderung nur zulässig, sofern der Kläger begründet nachweisen kann, dass eine Aufforderung zwecklos („futile“) gewesen wäre,79 wie beispielsweise dann, wenn die directors wegen eigener Pflichtverletzung nicht an einem Prozessieren interessiert sind.80 Im Falle des Obsiegens erhält der klagende Aktionär die Anwaltskosten von der Gesellschaft erstattet (§ 7.46(1) R. M. B. C. A.);81 unterliegt er, fallen in der Regel keine Anwaltskosten an, da meist ein Erfolgshonorar vereinbart wird.82 Diese Faktoren begünstigen die Attraktivität der shareholders’ derivative suits für die Aktionäre.

C. Besonderheiten bei einem Prozessvergleich im Rahmen einer shareholders’ derivative suit Prozessvergleiche spielen im Rahmen einer shareholders’ derivative suit eine besonders wichtige Rolle.83 Einige Prozesse werden allein aus der Motivation eines Vergleichsschlusses vor Gericht gebracht.84

78  Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805, 814 (Del. 1984); Brody v. Chemical Bank, 517 F.2d 932, 934 (2d Cir. 1975); Continental, Securities Co. v. Belmont, 99 N. E. 138, 141 (N. Y. 1912); Bastuck, Enthaftung Management, 26; Bungert, GesR USA, 41; Cox/Hazen, Business Organizations, 450; Merkt, US GesR, Rdnr. 203; Varallo/Dreisbach/Rohrbacher, Corporate Governance, 116. 79  Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805, 808 (Del. 1984); Freer, Law of Corporations, 450 f.; Varallo/Dreisbach/Rohrbacher, Corporate Governance, 117 f. Nach einer Entscheidung des Delaware Supreme Court ist ein solcher demand etwa dann zwecklos, wenn die Gesellschaft der Klage offensichtlich nicht neutral gegenübersteht („cannot effectively stand neutral“), Kaplan v. Peat Marwick, Mitchell & Co., 540 A.2d, 726, 731 (Del. 1988). Anders hingegen nach § 7.42 R. M. B. C. A., wonach immer ein demand zu erfolgen hat; siehe hierzu auch Brainbridge, Corporate Law, 240. 80  Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805, 814 f. (Del. 1984). 81  Mills v. Electric Auto-Lite Co., 90 S. Ct. 606, 625 (S. Ct. 1970); Pioche Mines Consol, Inc. v. Dolman, 333 F.2d 257, 274 f. (9th Cir. 1964); Bosch v. Meeker Cooperative Light & Power Association, 101 N. W. 2d 423, 426 (Minn. 1960); Smolowe v. Delendo Corp., 136 F.2d 231, 241 (2d Cir. 1943); Bastuck, Enthaftung Management, 27; Freer, Law of Corporations, 443. 82  Bastuck, Enthaftung Management, 27. 83  Bauman/Stevenson, Corporations, 773; Clark, Corporate Law, 656; Freer, Law of Corporations, 459. 84  Bauman/Stevenson, Corporations, 773.



2. Kap.: Länderbericht USA113

Ein Prozessvergleich steht unter den in § 23.1(c) Federal Rules of Civil Procedure (F. R. C. P.) (Zivilprozessordnung auf Bundesebene) sowie in den meisten Zivilprozessordnungen der einzelnen Bundesstaaten geregelten Vo­ raussetzungen (§  7.45  R. M. B. C. A.; §  23.1(c)  Del. Gen. Corp. L.). Danach kann ein Vergleich erst dann zwischen den Parteien abgeschlossen werden, wenn das verhandelnde Gericht dem Vergleichsvorschlag zustimmt.85 Hiermit sollen die Gesellschaft und die nicht am Prozess beteiligten Aktionäre davor geschützt werden, dass zu ihren Lasten gehandelt wird.86 Aufgabe der am Prozess beteiligten Parteien ist es, dem Gericht einen Vorschlag zu unterbreiten, der in den Augen des Gerichtes angemessen und fair ist.87 Bei der Beurteilung der Angemessenheit und Fairness spielen u. a. Faktoren wie die Erfolgsaussichten der Klage oder das Verfahrensstadium eine Rolle.88 Auch die Vergleichshöhe im Vergleich zu der Summe, die die Gesellschaft im Falle des Obsiegens erhalten hätte, sind von Relevanz.89 Daneben ist erforderlich, dass alle anderen Aktionäre vom Inhalt des vorgeschlagenen Vergleiches auf einer vom Gericht bestimmten Weise in Kenntnis gesetzt werden (§ 23.1(c) F. R. C. P.).90 Damit soll den übrigen Aktionären ermöglicht werden, ihre Stimme gegen einen aus ihrer Sicht mit Fehlern oder Nachteilen behafteten Vergleich zu erheben, um so dem Gericht mögliche Defizite aufzuzeigen, die von den Vergleichsparteien selbst nicht angesprochen wurden.91 85  § 23.1(c) F.  R. C. P.: „A derivative action may be settled […] only with the court’s approval“. 86  Schlusselberg v. Colonial Management Associates, Inc., 389 F. Supp. 733, 741 (D.C. Mass. 1974); US Code Annotated, Rule 23.1 Note 242. 87  Polk v. Good, 507 A.2d 531, 535 (Del. 1986); Neponsit Investment Co. v. Abramson, 405 A.2d 97, 100 (Del. 1979); Rome v. Archer, 197 A.2d 49 (Del. 1964); Bauman/Stevenson, Corporations, 774; Welch/Turezyn, Folk on Del. Gen. Corp. L., § 327.6.1., 805. Obwohl kein Aktionär dem Vergleich entgegenstand, verweigerte das Gericht seine Zustimmung zu dem vorgeschlagenen Vergleich beispielsweise in Krasner v. Dreyfus Corp., 500 F. Supp. 36, 44 f. (S. D. N. Y. 1980) mit dem Argument, es könne mit den ihm zur Verfügung gestellten Informationen nicht beurteilen, ob der Vergleich angemessen sei; hierzu auch DeMott, Derivative Actions, § 7:02, 8f. 88  Eine Liste möglicher Abwägungspunkte lässt sich aus einer Zusammenschau verschiedener Urteile erstellen. Vgl. z. B. Polk v. Good, 507 A.2d 531, 536 (Del. 1986); Krasner v. Dreyfus Corp., 500 F. Supp. 36, 41 (S. D. N. Y. 1980); Desimone v. Industrial Bio-Test Laboratories, Inc., 83 F. R. D. 615, 619 (S. D. N. Y. 1979); City of Detroit v. Grinnell Corp., 495 F.2d 448, 463 (2d Cir. 1974); siehe hierzu auch Bauman/Stevenson, Corporations, 774; Brainbridge, Corporate Law, 223; DeMott, Derivative Actions, § 7:02, 7 ff.; Merkt, US GesR, Rdnrn. 1225 ff. 89  Schlusselberg v. Colonial Management Associates, Inc., 389 F. Supp. 733, 737 (D.C. Mass. 1974); Bauman/Stevenson, Corporations, 774. 90  § 23.1(c) F. R. C. P.: „Notice of a proposed settlement […] must be given to shareholders or members in the manner that the court orders“. 91  Clark, Corporate Law, 657; DeMott, Derivative Actions, § 7:01, 4.

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Teil 4: Internationale Betrachtung

§ 4 Thesenartige Zusammenfassung zum Länderbericht USA 1. Ein einheitliches Gesellschaftsrecht gibt es in den USA nicht; jeder Bundesstaat verabschiedet eigenes Recht. Der Revised Model Business Corporation Act (R. M. B. C. A.) der American Bar Association hat neben dem Gesellschaftsrecht des Staates Delaware als derjenige Staat mit den meisten Gesellschaftsinkorporation die weitreichendste Bedeutung im USamerikanischen Gesellschaftsrecht. 2. Die public corporation ist im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht die am ehesten mit der deutschen AG vergleichbare Gesellschaftsform. Ihre wichtigsten Akteure sind der board of directors, die executive officers sowie die shareholders. Die Geschäftsführung liegt beim board of directors, gleichwohl erfüllen die executive officers in der Regel das Tagesgeschäft. 3. Im Innenverhältnis haften die Mitglieder des board of directors sowie die executive officers persönlich. Eine Haftung im Außenverhältnis ist nur im Ausnahmefall möglich. Letzteres gilt auch für die Aktionäre, sog. piercing the corporate veil. 4. Im Innenverhältnis machen sich directors und officers dann haftpflichtig, wenn sie die ihnen durch Gesetz, Satzung oder Rechtsprechung auferlegten Pflichten missachten und hierdurch der Gesellschaft kausal ein Schaden entsteht. Zu beachten haben sie insbesondere duties of care (Sorgfaltspflichten) und duties of loyalty (Treuepflichten). 5. Ansprüche im Innenverhältnis gegen directors und officers werden grundsätzlich durch die Gesellschaft selbst geltend gemacht. Daneben können auch die Aktionäre Ansprüche für die Gesellschaft geltend machen, sog. shareholders’ derivative suit. Diese Möglichkeit steht – anders als in Deutschland – bereits dem Inhaber einer einzigen Aktie zu. In der Praxis ist dies der weitaus häufigere Weg der Anspruchsgeltendmachung. 6. Prozessvergleiche spielen im Rahmen einer shareholders’ derivative suit eine wichtige Rolle. Um einen Vergleich schließen zu können, müssen die Parteien das Gericht von der Angemessenheit und Fairness des Vergleiches überzeugen, da nur mit Zustimmung des Gerichts ein solcher Vergleich geschlossen werden kann. Damit sollen die Gesellschaft und die nicht am Verfahren beteiligten Aktionäre vor einem nachteiligen Vergleich geschützt werden.



3. Kap.: Länderbericht Frankreich115

3. Kapitel

Länderbericht Frankreich § 1 Französisches Gesellschaftsrechtssystem Das französische Recht nimmt, ebenso wie das deutsche Recht, eine Unterteilung zwischen den Gesellschaften des bürgerlichen Rechts (sociétés ­civiles) und den Handelsgesellschaften (sociétés commerciales) vor.92 Unterschieden werden die Gesellschaften nach ihrem Zweck: erstere verfolgen immer eine zivilrechtliche Tätigkeit, letztere hingegen handelsrechtliche Tätigkeiten.93 Die Handelsgesellschaften lassen sich wiederum in zwei Gruppen einteilen: sociétés de personnes und sociétés de capitaux (Personen- und Kapitalgesellschaften). Während – dem deutschen Recht entsprechend – Gesellschafter von Personengesellschaften mit ihrem persönlichen Vermögen unbeschränkt und gesamtschuldnerisch haften, haften sie als Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft nur in der Höhe ihrer Kapitaleinlage.94 Das Recht der Kapitalgesellschaften unterscheidet seinerseits nochmal zwischen fünf Gesellschaftstypen: société en nom collectif (vergleichbar mit der deutschen oHG), société en commandite simple (vergleichbar mit der deutschen KG), société à responsabilité limitée (vergleichbar mit der deutschen GmbH), société anonyme (vergleichbar mit der deutschen AG) inklusive deren Unterform der société par actions simplifiée (vereinfachte Form einer AG) und schließlich der société en commandite par actions (vergleichbar mit der deutschen KGaA).95 Anders als in Deutschland ist in Frankreich die société anonyme (auch S. A.) eine Gesellschaftsform, die ebenso gerne von großen Publikumsgesellschaften wie auch von kleinen und mittleren Familienbetrieben, deren Anteile nicht auf einem öffentlichen Markt gehandelt werden, in Anspruch genommen wird.96 Hierzu trägt die Möglichkeit bei, entscheiden zu können, ob die Anteile der Gesellschaft öffentlich angeboten werden oder nicht.97 Weniger 92  Chaussade-Klein,

Gesellschaftsrecht Frankreich, 9; Petit, Droit des sociétés, 4. Gesellschaftsrecht Frankreich, 9. 94  Gesellschaftsrecht Ausland/Basuyaux/Delpech/de Labrouhe, Frankreich, Rdnr. 2; Petit, Droit des sociétés, 4 f.; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, 296. 95  Chaussade-Klein, Gesellschaftsrecht Frankreich, 10. 96  Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 722. 97  Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 642; Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 741. Auch im deutschen Recht besteht die Möglichkeit, den Aktionärs93  Chaussade-Klein,

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Teil 4: Internationale Betrachtung

als 1 % der sociétés anonymes handeln ihre Anteile über eine öffentliche Handelsplattform.98 Das französische Recht verzichtet auf ein separates Aktiengesetzbuch. Stattdessen finden sich die gesetzlichen Regelungen des Gesellschaftsrechts einerseits im Code de commerce (im Folgenden CCom) und andererseits im Code civil (im Folgenden CC). Letzterer enthält allgemeine Regelungen, die auf alle Gesellschaftstypen Anwendung finden (Art. L. 1832-1873 CC),99 während sich in den Art. L. 225-1 bis 225-257, Art. L. 242-1 bis 242-31, Art. L. 228-1 bis 228-106 sowie Art. R. 225-1 bis 225-172 CCom spezielle Regelungen für die société anonyme wiederfinden.

§ 2 Struktur der französischen société anonyme Drei Organe prägen die société anonyme: assemblée générale (Hauptversammlung), commissaires aux comptes (Abschlussprüfer) und dirigeant (Leitung der Gesellschaft).100

A.  Assemblée générale (Hauptversammlung) Die assemblée générale ist das Repräsentationsorgan der Aktionäre. Sie ist einerseits Kontrollorgan im Hinblick auf die Tätigkeit der Leitungsorgane, andererseits Entscheidungsorgan hinsichtlich maßgeblicher Änderungen der Gesellschaft, wie beispielsweise Satzungsänderungen.101 Zusammen kommen die Aktionäre in einer assemblée générale ordinaire (ordentliche Hauptversammlung) und einer assemblée générale extraordinaire (außerordentliche Hauptversammlung). Auf den ordentlichen Hauptversammlungen, die einmal jährlich stattzufinden haben, wird zwingend der Jahresabschluss der Gesellschaft festgestellt (Art. L. 225-100 CCom)102 und ggf. über die Verwendung des Bilanzgewinns kreis klein zu halten und die Papiere nicht auf einer öffentlich zugänglichen Plattform zu handeln, sog. personalistische Aktiengesellschaft. Der Gesetzgeber hat durch Sonderregelungen versucht, die AG als Gesellschaftsform hierdurch auch für mittelständische Unternehmen attraktiver zu machen. Angesichts des zwingenden Charakters vieler Regelungen des Aktiengesetzes sowie der Kostenintensität dieser Rechtsform ist dieses Ziel jedoch wohl nicht erreicht worden. Hierzu Grunewald, Gesellschaftsrecht, § 10 Rdnr. 3. 98  Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 722. 99  Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 6. 100  Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 285. 101  Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 841. 102  Bézard, Société Anonyme, Rdnr. 1091; Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 903; Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 875; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 309.



3. Kap.: Länderbericht Frankreich117

sowie die Auszahlung einer Dividende Beschluss gefasst (Art. L. 232-11 und L. 232-12 CCom).103 Auf ordentlichen Hauptversammlungen kann zudem über Themen entschieden werden, die weder in die Entscheidungskompetenz einer außerordentlichen Hauptversammlung (Art. L. 225-98 CCom)104 noch in die Kompetenzbereiche der anderen Organe fallen, wie Verwaltungs- und Managemententscheidungen.105 Ordentliche Hauptversammlungen beschließen beispielsweise über die Bestellung und Abberufung von Verwaltungsratsmitgliedern bzw. Aufsichtsräten (Art. L. 225-18, L. 225-24, al. 5 CCom (Mitglieder des Verwaltungsrats); Art. L. 225-75, L. 225-78, al. 5 CCom (Mitglieder des Aufsichtsrats))106 oder setzen deren Vergütung fest (Art. L. 225-45 CCom (Mitglieder des Verwaltungsrats); Art. L. 225-83 CCom (Mitglieder des Aufsichtsrats)).107 Satzungsänderungen können ausschließlich im Rahmen außerordentlicher Hauptversammlungen beschlossen werden (Art. L. 225-96 CCom).108

B.  Commissaires aux comptes (Abschlussprüfer) Weiteres Organ einer französischen Aktiengesellschaft sind die commis­ saires aux comptes (Art. L. 225-218, Art. L. 820-1 ff. CCom).109 Sie nehmen eine Kontrollinstanz in der Gesellschaft ein.110 Während einst ihr Aufgabenbereich auf die Kontrolle der Rechnungslegung beschränkt war, erstreckt sich heute ihre Überwachung z. B. auch auf die Vergütung von Führungskräften oder Umweltrisikobewertungen.111 Schließlich gehört zu ihrem Aufgabenbereich auch das Informieren von Verwaltungsrat bzw. Vorstand und 103  Le

Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 875. Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 847. 105  Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 872. 106  Bézard, Société Anonyme, Rdnr. 1091; Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 904; Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 873; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 309. 107  Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 873; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 309. Weitere Beispiele bei Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 873. 108  Bézard, Société Anonyme, Rdnr. 1155; Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 900; Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 880; Moulin, Droit des Sociétés, 4; ­Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 310. 109  Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 509. 110  Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 509. 111  Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rdnrn. 523 f. Auch weiterhin ist es die Hauptaufgabe des Abschlussprüfers, sicherzustellen, dass die Buchführung der Gesellschaft ordnungsgemäß und ernsthaft erfolgt und sich hieraus ein den tatsächlichen Verhältnissen der Gesellschaft entsprechendes Bild ablesen lässt, Art.  L.  8239, al. 1er CCom; Basdevant/Charvériat/Monod, Guide administrateur société anonyme Rdnr. 233. 104  Le

118

Teil 4: Internationale Betrachtung

Aufsichtsrat u. a. über von ihnen durchgeführte Prüfungen oder hierbei festgestellte Unregelmäßigkeiten (Art. L. 823-16 CCom).112 Zu beachten ist, dass die Kontrollfunktion des Aufsichtsrates in einer dualistisch113 organisierten französischen Aktiengesellschaft (mit Vorstand und Aufsichtsrat) unabhängig von der Kontrolle des commissaire aux comptes erfolgt.114 Das Tätigkeitsspektrum des Aufsichtsrats ist insofern weiter als das des commissaire aux comptes, als zu den Aufgaben des Aufsichtsrats auch gehört, sich ein Urteil über die Zweckmäßigkeit des Vorstandshandelns zu bilden.115

C.  Dirigeant (Leitung der Gesellschaft) Blickt man auf die Organisation der Leitung einer französischen Aktiengesellschaft, können drei Typen von Aktiengesellschaften ausgemacht werden: das monistische, auch klassisches „französisches“ System genannte Modell, mit oder ohne kumulierter Leitung, sowie das dualistische, auch „deutsches“ System genannte Modell. I. Monistisches System Wählt die Aktiengesellschaft das monistische System, wird die Gesellschaft von einem conseil d’administration (Verwaltungsrat) sowie einem directeur général (Generalbevollmächtigten) geleitet. Der Vorsitz des Verwaltungsrats kann in Personalunion mit dem Generalbevollmächtigten ausgeführt werden, président directeur général (auch PDG) (in etwa: Vorsitzender der Geschäftsführung); es besteht ebenso die Möglichkeit, diese Aufgaben zwischen einem directeur général (Generalbevollmächtigten) und einem président du conseil d’administration (Präsident des Verwaltungsrats) aufzuteilen. 1.  Conseil d’administration (Verwaltungsrat)

Die Mitglieder des conseil d’administration werden im Normalfall von der  assemblée générale (Hauptversammlung) berufen (Art.  L.  255112  Basdevant/Charvériat/Monod, Guide administrateur société anonyme, Rdnrn. 223, 233. 113  Zur Unterscheidung zwischen monistisch und dualistisch organisierten Aktiengesellschaften nachfolgend unter Teil 4, 3. Kapitel, § 2, C. Dirigeant (Leitung der Gesellschaft), S. 118. 114  Basdevant/Charvériat/Monod, Guide administrateur société anonyme, Rdnr. 239. 115  Basdevant/Charvériat/Monod, Guide administrateur société anonyme, Rdnr. 239.



3. Kap.: Länderbericht Frankreich119

18, al. 1er Com)116 und abberufen (Art. L. 225-18, al. 2 CCom)117. Im Ausnahmefall (beispielsweise bei Vakanz des Postens aufgrund des Todes eines Mitglieds) können neue Mitglieder durch Kooptation, also durch eine nachträgliche Wahl seitens der bereits gewählten Mitglieder des Verwaltungsrates, in das Gremium hinzukommen (Art. L. 225-24 CCom).118 Gleichwohl bedarf es auch in diesem Fall der Zustimmung der Hauptversammlung zur Wirksamkeit der Bestellung des neu hinzugekommenen Mitglieds (Art. L. 22524, al. 5 CCom).119 Der Verwaltungsrat bestimmt die Ausrichtung der Gesellschaftspolitik und überwacht deren Umsetzung (Art.  L.  225-35 CCom).120 Im Besonderen kommt ihm die Überwachung der Tätigkeit des Generalbevollmächtigten zu.121 Der Rat befasst sich mit allen Fragen, die ein reibungsloses Funktionieren der Gesellschaft betreffen und trifft diesbezügliche Entscheidungen (Art. L. 225-35 CCom).122 Schließlich fällt beispielsweise die Einberufung der Hauptversammlung in den Sonderzuständigkeitsbereich des conseil d’administration (Art. L. 225-103 CCom).123 Die einzelnen Mitglieder des Verwaltungsrates haben keine eigenen, über diejenigen des conseil d’administration hinausgehenden Kompetenzen; sie handeln immer als Gesamtorgan.124 Einzige, zunächst richterrechtlich125 – und später auch gesetzlich in Art. L. 225-35, al. 3 CCom – eingeführte Ausnahme ist ein Recht auf Information gegenüber dem président du conseil d’administration (Präsidenten des Verwaltungsrats) oder dem directeur général (Generalbevollmächtigten) hinsichtlich aller für die Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlichen Informationen.126 116  Bézard, Société Anonyme, Rdnr. 196; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 687; Lemeunier, Société Anonyme, 121. Im Rahmen der Gründung werden die Mitglieder des ersten conseil d’administration einer société anonyme, die ihre Anteile nicht öffentlich anbietet, in der Satzung ernannt, Art. L. 225-16 CCom; hierzu auch Bézard, Société Anonyme, Rdnr. 194; Lemeunier, Société Anonyme, 12; Moulin, Droit des Sociétés; 130. 117  Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 690. 118  Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 689. 119  Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 689. 120  Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 789; Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 786; Moulin, Droit des Sociétés, 133; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 328. 121  Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 804. 122  Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 789; Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 786; Moulin, Droit des Sociétés, 133. 123  Weitere Beispiele bei Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 787; Moulin, Droit des Sociétés, 133 f.; Petit, Droit des sociétés, Rdnrn. 302, 328. 124  Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 788; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 324. 125  Cass. com., 24.4.1990, Révue des Sociétés 1991, 347. 126  Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 788; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 324.

120

Teil 4: Internationale Betrachtung 2.  Président du conseil d’administration (Präsident des Verwaltungsrats) und directeur général (Generalbevollmächtigter)

Während traditionell die Rolle des président du conseil d’administration und die des directeur général in einer Person vereint waren (sog. président directeur général), ermöglicht ein Gesetz aus dem Jahr 2001 eine Aufteilung der Ämter.127 Mit der Aufteilung soll sichergestellt werden, dass die Kon­ trolle des Generalbevollmächtigten durch den Verwaltungsrat wirksam durchgeführt wird, was jedenfalls dann nicht sichergestellt ist, wenn der Vorsitzende des Kontrollorgans, der président du conseil d’administration, gleichzeitig der Kontrollierte, der directeur général, selbst ist.128 Gleichwohl hatten Anfang März 2019 von den 30 nach französischem Recht organisierten, am CAC 40129 gelisteten monistischen Aktiengesellschaften nur zwölf eine Trennung der Ämter vorgenommen.130 a) Président du conseil d’administration (Präsident des Verwaltungsrats) Dem Verwaltungsrat sitzt ein Präsident vor (président du conseil d’administration), der von den Mitgliedern des Verwaltungsrats berufen und abberufen wird (Art. L. 225-47 CCom).131 Als Vorsitzendem des Verwaltungsrates muss er dessen Arbeit organisieren und leiten (Art. L. 22551 CCom).132 Hierzu zählt auch die Überwachung der anderen Organe (Art. L. 225-51 CCom).133 b) Directeur général (Generalbevollmächtigter) Weiteres Organ der Leitung der Gesellschaft ist der directeur général. Auch dieser wird vom Verwaltungsrat ernannt und abberufen (Art. L. 225127  Sog. „Loi NRE“ (loi sur les nouvelles régulations économiques, Gesetz über die neuen wirtschaftlichen Vorschriften) vom 15.5.2001; Art.  L.  225-51-1, al. 1er CCom; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 668; Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 754; Moulin, Droit des Sociétés, 136. 128  Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 754. 129  Cotation Assistée en Continu 40, der französische Leitindex. 130  Dies waren: AXA, BNP Paribas, Crédit Agricole, Dassault Systèmes, Engie, EssilorLuxottica, Legrand, Renault, Safran, Sanofi, Société Générale sowie Sodexo. 131  Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 753; Moulin, Droit des Sociétés, 133, 135; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 328. 132  Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnrn. 723, 797; Moulin, Droit des Sociétés, 135; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 335. 133  Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 799; Petit, Droit des so­ ciétés, Rdnr. 335.



3. Kap.: Länderbericht Frankreich121

51-1, al. 2 CCom (Berufung), Art. L. 225-55, al. 1er CCom (Abberufung)).134 Seine Aufgabe ist es, die (täglichen) Geschäfte der Gesellschaft zu leiten und die société anonyme nach außen hin zu vertreten (Art. 225-56, al. 2  CCom).135 Ihm stehen die weitgehendsten Befugnisse zu, um zu jedem Zeitpunkt im Namen der Gesellschaft handeln zu können (Art. L. 225-56, al. 1er CCom).136 Grenze seiner Befugnisse sind der Gesellschaftszweck und die Rechte der anderen Organe (Art. L. 225-56, al. 1er CCom).137 c) Kumulation der Aufgaben (président directeur général, sog. PDG) Findet keine Trennung der Ämter statt, bezeichnet man das Amt als président directeur général (kurz PDG). Der président du conseil d’administration übernimmt in diesem Fall zudem die Aufgaben des directeur général, was vor allem die Vertretung der Gesellschaft umfasst (Art. L. 225-56 CCom).138 II. Dualistisches System Seit einem Gesetz vom 24. Juli 1966 kann in Frankreich zwischen zwei Modellen einer Aktiengesellschaft gewählt werden: zwischen dem soeben beschriebenen monistischen Modell und dem dualistischen Modell (Art. L. 225-57 CCom). Ein Modellwechsel ist selbst bei bestehenden Gesellschaften jederzeit mittels Satzungsänderung möglich (Art.  L.  22557 CCom).139 Mit Einführung des dualistischen Modells wurde auf die Kritik mangelnder Kontrolle der Führungsebene im bestehenden monistischen System reagiert.140 Obwohl die Modelle gleichwertig nebeneinanderstehen, stößt das dualistische Modell auf weit weniger Anklang.141 Anfang März 2019 waren einzig 134  Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 749; Moulin, Droit des Sociétés, 133; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 328. 135  Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnrn. 668, 801; Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 793; Moulin, Droit des Sociétés, 136; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 339. 136  Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 792. 137  Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 792. 138  Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 668; Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 790. 139  Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 836; Lemeunier, Société Anonyme, 142. 140  Bézard, Société Anonyme, Rdnr. 394; Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 835; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 344. 141  Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 872; Dondero, Droit des sociétés, Rdnrn. 745, 836; Le Cannu, Bulletin Joly Sociétés 2000, 483; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 344.

122

Teil 4: Internationale Betrachtung

sechs der insgesamt 36 französischen Aktiengesellschaften, die im CAC 40 gelistet waren, nach dem dualistischen Modell organisiert.142 Anstatt eines conseil d’administration (Verwaltungsrats) und einem directeur général (Generalbevollmächtigten) sieht das dualistische System eine Aufteilung der Kompetenzen zwischen einem directoire (Vorstand) und einem conseil de surveillance (Aufsichtsrat) vor.143 1.  Directoire (Vorstand)

Die Mitglieder des directoire werden vom conseil de surveillance (Aufsichtsrat) bestellt (Art. L. 225-59 CCom).144 Abberufen werden sie von der assemblée générale (Hauptversammlung) auf Vorschlag des Aufsichtsrats (Art. L. 225-61  CCom).145 Diese Kompetenzunterscheidung hinsichtlich Bestellung und Abberufung des Vorstands soll dazu dienen, die Unabhängigkeit des Vorstands sicherzustellen.146 Der directoire ist das Führungsorgan der Gesellschaft und legt in dieser Stellung die strategische Ausrichtung der Gesellschaft fest.147 Er ist mit umfassenden Rechten ausgestattet, um in jeder Situation für die S. A. handeln zu können (Art. L. 225-64, al. 1er CCom).148 Grenze sind der Gesellschaftszweck und die Kompetenzen anderer Organe (Art. L. 225-64 CCom).149 Einige Aufgaben sind explizit gesetzlich geregelt, beispielsweise die Einberufung der Hauptversammlung (Art. L. 225-103  CCom).150 Das Recht zur Vertretung der Gesellschaft nach außen hin steht von Gesetzes wegen nur dem Vorstandsvorsitzenden zu, kann allerdings durch die Satzung auch anderen Vorstandsmitgliedern zugänglich gemacht werden (Art. L. 225-66 CCom).151

142  Dies

vendi.

waren: Hermès, Michelin, Peugeot, Publicis., Unibail-Rodamco und Vi-

143  Lemeunier,

Société Anonyme, 142. Droit des sociétés, Rdnr. 876; Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 840; Lemeunier, Société Anonyme, 143; Moulin, Droit des Sociétés, 137. 145  Lemeunier, Société Anonyme, 145. Eine Abberufung durch den Aufsichtsrat kann bei entsprechender Regelung in der Satzung erfolgen, Art. L. 225-61 CCom; Moulin, Droit des Sociétés, 138. 146  Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 878. 147  Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 895. 148  Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 895; Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 849; Moulin, Droit des Sociétés, 138. 149  Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 850; Moulin, Droit des Sociétés, 138. 150  Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 849; Moulin, Droit des Sociétés, 138; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 352. 144  Cozian/Viandier/Deboissy,



3. Kap.: Länderbericht Frankreich123 2.  Conseil de surveillance (Aufsichtsrat)

Die Mitglieder des conseil de surveillance werden von der Hauptversammlung ernannt und abberufen (Art. L. 225-75 CCom).152 Ihre Aufgabe besteht insbesondere darin, die Mitglieder des directoire (Vorstands) inklusive dessen Vorsitzenden zu berufen (Art. L. 225-59, al. 1er CCom)153 und diese dauerhaft in ihrer Arbeit zu kontrollieren (Art. L. 225-68 CCom).154 Zudem ist eine Zustimmung des Aufsichtsrates bei gewissen Geschäften erforderlich, beispielsweise beim Verkauf einer Immobilie (Art. L. 225-68, al. 2 CCom).155

§ 3  Zwischenergebnis Die französische société anonyme setzt sich aus drei Organen zusammen: der assemblée générale (Hauptversammlung), den commissaires aux comptes (Abschlussprüfern) sowie dem dirigeant (Leitung). In monistisch organisierten Aktiengesellschaften wird die Leitung durch einen conseil d’administration (Verwaltungsrat) sowie einen directeur général (Generalbevollmächtigten) ausgeführt. Die Leitung des Verwaltungsrats kann in Personalunion mit dem Generalbevollmächtigten ausgeführt werden, dann sog. président directeur général. In dualistisch organisierten französischen Aktiengesellschaften leiten ein directoire (Vorstand) und ein conseil de surveillance (Aufsichtsrat) die Gesellschaft.

151  Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 895; Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 850; Moulin, Droit des Sociétés, 138; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 352. Wird von einer satzungsmäßigen Verteilung der Vertretungsmacht Gebrauch gemacht und diese auf weitere Vorstandsmitglieder ausgedehnt, erhalten jene den Titel des directeur général, Art. L. 225-66 CCom; hierzu auch Cozian/Viandier/ Deboissy, Droit des sociétés, 895; Moulin, Droit des Sociétés, 138; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 352. 152  Dondero, Droit des sociétés, Rdnrn. 856, 864; Lemeunier, Société Anonyme, 147. Im Rahmen der Gründung einer société anonyme, deren Anteile nicht öffentlich angeboten werden, können die Mitglieder des Aufsichtsrats auch durch die Satzung bestellt werden, hierzu auch Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 887; Lemeunier, Société Anonyme, 147. 153  Basdevant/Charvériat/Monod, Guide administrateur société anonyme, Rdnr. 332; Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 850. 154  Bézard, Société Anonyme, Rdnrn. 480, 490; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 897 f.; Dondero, Droit des sociétés, Rdnrn. 853, 869; Lemeunier, Société Anonyme, 150; Moulin, Droit des Sociétés, 139; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 346. 155  Basdevant/Charvériat/Monod, Guide administrateur société anonyme, Rdnr. 332; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 898.

124

Teil 4: Internationale Betrachtung

§ 4 Haftungsregime in der französischen Aktiengesellschaft Die Leitungspersonen machen sich Dritten156 gegenüber nur dann unmittelbar ersatzpflichtig, wenn das für einen Schaden verantwortliche Fehlverhalten außerhalb ihrer Geschäftsleitertätigkeit stattfindet, sich davon also explizit abgrenzen lässt.157 Ist dies nicht der Fall, hat sich der Anspruch des Dritten gegen die Gesellschaft zu richten, deren Kapital allein als Haftungsmasse zur Verfügung steht.158 Gegenüber der Gesellschaft haften Leitungspersonen dann persönlich, wenn sie Gesetze oder Regeln der Aktiengesellschaft missachten, Satzungsverstöße begehen oder Fehler bei der Unternehmensführung machen (Art. 1850 CC (für Personen in Leitungspositionen einer Gesellschaft allgemein); Art. L. 225251 CCom (für Mitglieder des Verwaltungsrats und Generalbevollmächtigte); Art. L. 225-256, L. 225-251 CCom (für Vorstandsmitglieder)).159 Eine Pflichtverletzung allein reicht für eine persönliche Einstandspflicht noch nicht aus. Hinzukommen muss ein sich aus der Pflichtverletzung kausal ergebener Schaden.160 Schließlich muss das Handeln rechtswidrig und schuldhaft gewesen sein.161

A. Haftungsvoraussetzungen I.  Faute (Pflichtverletzung) Wie weit der Pflichtenkreis eines dirigeant (Leitungsperson) im Einzelnen geht, ist im Gesetz nicht ausdrücklich niedergeschrieben. Welche Sorgfalt von einem dirigeant zu beachten ist, ergibt sich aus einer Zusammenschau von gesetzlichen Regelungen, Satzungsbestimmungen sowie denjenigen Pflichten, die der jeweiligen Person auferlegt sind.162 Vergleicht man das 156  Im Folgenden beschränkt sich die Darstellung auf die Situation der Haftung eines Leitungsmitgliedes gegenüber der Aktiengesellschaft. 157  Basdevant/Charvériat/Monod, Guide administrateur société anonyme, Rdnr. 367; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 369; Nicolas, Revue des Sociétés 2013, 535, 536; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 102. 158  Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 832; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 102. 159  Basdevant/Charvériat/Monod, Guide administrateur société anonyme, Rdnr. 375; Bézard, Société Anonyme, Rdnr. 914; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 356; Lemeunier, Société Anonyme, 126. 160  Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 102. 161  Vorstandshaftung Europa/Arlt, 481. 162  Basdevant/Charvériat/Monod, Guide administrateur société anonyme, ­Rdnrn.  376  ff.; Bézard, Société Anonyme, Rdnrn. 918 ff.; Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 715; Vorstandshaftung Europa/Arlt, 476 f.



3. Kap.: Länderbericht Frankreich125

tatsächliche Verhalten eines dirigeant mit dem eines ordentlichen und mit den Gesetzen und der Satzung in Einklang handelnden Geschäftsleiters (un dirigeant normalement prudent et diligeant) in derselben Situation und fallen die Verhaltensweisen auseinander, so liegt – jedenfalls in abstracto – eine Pflichtverletzung der Leitungsperson vor.163 Richterrechtlich wurde darüber hinaus eine Treuepflicht entwickelt (devoir de loyauté), nach welcher die dirigeants zu einem Handeln verpflichtet sind, das im Interesse der Gesellschaft liegt.164 Eine konkrete Ausprägung hiervon ist beispielsweise das Wettbewerbsverbot.165 Hinzu kommt eine Geheimhaltungspflicht (obligation de discrétion) für die Mitglieder des Verwaltungsrats einer monistisch organisierten Gesellschaft, nach welcher sie über vertrauliche Informationen, von denen sie durch den Verwaltungsratspräsidenten Kenntnis erlangt haben, Stillschweigen zu bewahren haben (Art. L. 225-37, al. 5 CCom).166 Ist eine französische Aktiengesellschaft nach dem dualistischen System organisiert, ist zu unterscheiden zwischen Pflichtverletzungen des Vorstands und des Aufsichtsrates. Fehler in der Geschäftsführung können nur den Mitgliedern des Vorstandes vorgeworfen werden, denn nur zu ihrem Pflichtenkreis zählt ebendiese (Art. L. 225-257 CCom).167 Mitglieder des Aufsichts­ rates verletzen ihre Pflichten, wenn diese den Vorstand nicht hinreichend überwachen (Art. L. 225-257  CCom).168 Ausnahmsweise können auch Mit163  Cass. com., 30.3.2010, Droit des Sociétés 2010, n°6, 28; Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 715; Magnier, Bulletin Joly Sociétés 2012, 75; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 102; Vorstandshaftung Europa/Arlt, 477. 164  Cass. com., 27.2.1996, La Semaine Juridique, édition générale 1996, 22665 (Treuepflicht gegenüber den Aktionären); Cass. com., 30.3.2010, Droit des Sociétés 2010, n° 6, 28; Cass. com., 24.2.1998, La Semaine Juridique, édition entreprises et affaires 1998, 637 (Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft); Basdevant/Charvériat/ Monod, Guide administrateur société anonyme, Rdnr. 388; Daille-Duclos, La Semaine Juridique, édition entreprises et affaires 1998, 1486; Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rdnrn. 715, 795; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 324; Vorstandshaftung Europa/Arlt, 477. 165  Cass. com., 24.2.1998, La Semaine Juridique, édition entreprises et affaires 1998, 637; Daille-Duclos, La Semaine Juridique, édition entreprises et affaires 1998, 1486, 1489; Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 795; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 324. 166  Basdevant/Charvériat/Monod, Guide administrateur société anonyme, Rdnr. 389; Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 716; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 324. 167  Basdevant/Charvériat/Monod, Guide administrateur société anonyme, Rdnr. 490; Bézard, Société Anonyme, Rdnr. 996; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 901; Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 859. 168  Basdevant/Charvériat/Monod, Guide administrateur société anonyme, Rdnr. 490; Bézard, Société Anonyme, Rdnr. 996; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des

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Teil 4: Internationale Betrachtung

glieder des Aufsichtsrates für Fehler des Vorstandes in der Geschäftsführung in Anspruch genommen werden: Wenn sie von einer Pflichtverletzung des Vorstands Kenntnis hatten und die Hauptversammlung hierüber nicht informiert haben (Art. L. 225-257 CCom).169 II.  Préjudice et lien de causalité (Schaden und Kausalität) Weitere Voraussetzung einer Haftung ist das Eintreten eines Schadens bei der Gesellschaft und schließlich, dass die Pflichtverletzung kausale Ursache des Schadens ist.170 III. Rechtswidrigkeit und Verschulden Art. L. 225-251 CCom lässt vermuten, dass bereits der Verstoß gegen Gesetzes- oder Satzungsregelungen sowie Fehler in der Geschäftsführung, die kausal einen Schaden bei der Gesellschaft hervorrufen, ausreichend für die Anspruchsbegründung der Gesellschaft gegen einen ihrer dirigeants ist; Rechtswidrigkeit und Verschulden werden jedenfalls nicht ausdrücklich in der Regelung genannt.171 Dies entspricht dem französischen Schadenersatzsystem, das aus den Komponenten Fehler, Schaden und Kausalität zwischen diesen beiden Elementen besteht.172 Gleichwohl bedarf es für eine Inanspruchnahme eines Führungsmitglieds durch die Gesellschaft den im deutschen Recht der Rechtswidrigkeit und dem Verschulden entsprechenden Komponenten.173 Der Verschuldensmaßstab orientiert sich, wie auch im deutschen Recht, am Sorgfaltsmaßstab. Maßstab des Verschuldens ist die Figur eines ordent­ lichen und sorgfältigen Geschäftsmannes in vergleichbarer Situation.174 sociétés, Rdnr. 901; Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 859; Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 835. 169  Basdevant/Charvériat/Monod, Guide administrateur société anonyme, Rdnr. 490; Bézard, Société Anonyme, Rdnr. 996; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 901; Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 859; Moulin, Droit des Sociétés, 140. 170  Basdevant/Charvériat/Monod, Guide administrateur société anonyme, Rdnrn. 390 f.; Bézard, Société Anonyme, Rdnr. 921; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 102. 171  Art. L. 225-251 CCom: „Les administrateurs et le directeur général sont responsables individuellement ou solidairement selon le cas, envers la société […], soit des infractions aux dispositions législatives ou réglementaires applicables aux sociétés anonymes, soit des violations des statuts, soit des fautes commises dans leur gestion. […]“. 172  Vorstandshaftung Europa/Arlt, 481. 173  Vorstandshaftung Europa/Arlt, 481 ff.



3. Kap.: Länderbericht Frankreich127

B. Haftungsgeltendmachung Geltend gemacht werden kann ein Anspruch der Gesellschaft gegen eine ihrer Führungspersonen auf zwei Arten: durch die Gesellschaft (ut universi) oder durch einen ihrer Aktionäre (ut singuli).175 I.  Action social ut universi (Haftungsgeltendmachung durch die Gesellschaft) Im Normalfall wird der Anspruch durch die Gesellschaft selbst geltend gemacht, sog. action social ut universi.176 Sie erfolgt durch die Vertreter der Gesellschaft, in der Regel somit durch einen Nachfolger der nun in Anspruch genommenen Führungsperson.177 Die Gefahr gegenseitiger Rücksichtnahme besteht hierbei, weswegen trotz eines bestehenden Anspruchs der Gesellschaft eine Haftungsgeltendmachung auf diese Weise nicht sichergestellt ist.178 Denn selbst in dualistisch organisierten Aktiengesellschaften vertritt der Vorstand und nicht, wie in Deutschland, der Aufsichtsrat die Gesellschaft im Rahmen der Haftungsgeltendmachung.179 Anders als beispielsweise in Deutschland in § 147 AktG gibt es im französischen Aktienrecht keine ausdrückliche Regelung, die der Hauptversammlung eine Befugnis einräumt, über die Geltendmachung eines Haftungsanspruchs verbindlich eine Entscheidung zu treffen.180 II.  Action social ut singuli (Haftungsgeltendmachung durch einen Aktionär) Auch Anteilseigner können einen der Gesellschaft zustehenden Anspruch für diese geltend machen (Art. 1843-5, al. 1er CC, Art. L. 225-252 CCom).181 Zu beachten ist, dass die Klage ut singuli insofern subsidiär zur Klage ut 174  Vorstandshaftung

Europa/Arlt, 484. Droit des sociétés, Rdnr. 103. 176  Basdevant/Charvériat/Monod, Guide administrateur société anonyme, Rdnr. 369; Bézard, Société Anonyme, Rdnr. 914; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 103. 177  Basdevant/Charvériat/Monod, Guide administrateur société anonyme, Rdnr. 369; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 359; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 103. 178  Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 103. 179  Planck, Aktionärsklagen, 37 ff.; Vorstandshaftung Europa/Kalss/Eckert, 59. 180  Kalss, Zeitschrift für Schweizerisches Recht 2005, 643, 662. 181  Basdevant/Charvériat/Monod, Guide administrateur société anonyme, Rdnr. 370; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 103. 175  Petit,

128

Teil 4: Internationale Betrachtung

universi ist, als die Klage ut singuli nicht mehr erfolgen kann, sofern eine Klage ut universi von der Gesellschaft selbst betrieben wird.182,  183 Eine Anspruchsgeltendmachung ist unabhängig von der Anzahl der gehaltenen Anteile möglich; bereits die Inhaberschaft einer Aktie zum Klagezeitpunkt ist ausreichend, um eine action social ut singuli durchzuführen.184 Schließen sich mehrere Aktionäre für eine Klage zusammen und bestimmen aus ihrem Kreis heraus einen Repräsentanten, so kann der Anspruch nur dann durch die Aktionärsgruppe für die Gesellschaft geltend gemacht werden, wenn die Aktionäre zusammen über mindestens 20 % des Gesellschaftsvermögens verfügen (Art. L. 225-252 CCom i. V. m. Art. R. 225-169 CCom).185 Der Anspruch ist im Namen der Gesellschaft geltend zu machen und richtet sich auf Leistung an ebendiese (Art. 1843-5, al. 1er CC).186 Angesichts des vom Aktionär zu tragenden Prozessrisikos auf der einen Seite und des mangelnden direkten Gewinnzuflusses im Falle eines Obsiegens auf der anderen Seite wird diese Art der Anspruchsgeltendmachung nur selten gewählt.187

C. Möglichkeit eines Verzichts im Rahmen einer klageweisen Anspruchsgeltendmachung? Jede Satzungsregelung, die einen Anspruchsverzicht für den Fall einer Klageerhebung enthält, ist nach französischem Recht unwirksam (Art. 18435, al. 2 CC sowie Art. L. 225-253, al. 1er CCom).188 Wird ein Anspruch gegen einen dirigeant geltend gemacht, kann der Hauptversammlungsbeschluss auch keinen Verzicht a posteriori herbeiführen: Ein Hauptversammlungsbeschluss kann ein laufendes Verfahren nicht beenden (Art. 1843-5 al. 3 CC sowie Art. L. 225-253 al. 2 CCom).189 182  CA Douai, 29.4.1997, La Semaine Juridique, édition générale 1997, 22919; Code de Commerce Annoté, Art. L. 225-252, 2. 183  Eine vergleichbare Regelung findet sich im deutschen Recht in §  148 Abs. 3 AktG. 184  Basdevant/Charvériat/Monod, Guide administrateur société anonyme, Rdnr. 370; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnrn. 359, 838; Le Cannu/ Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 946; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 103. 185  Basdevant/Charvériat/Monod, Guide administrateur société anonyme, Rdnr. 370; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 838; Le Cannu/Dondero, Droit des sociétés, Rdnr. 946. Ab einem Gesellschaftskapital von über 750.000 € verringert sich die erforderliche Beteiligungsquote, vgl. Art. R. 225-169 CCom. 186  Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 103. 187  Constantin, Revue des Sociétés 2001, 323, 326; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 362. 188  Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Rdnr. 362; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 104.



3. Kap.: Länderbericht Frankreich129

D.  Quitus (Entlastung) als Verzicht? Wird ein Führungsmitglied für seine Tätigkeit durch die Hauptversammlung entlastet, kommt einer solchen Entlastung ebenfalls nicht die Wirkung eines Verzichts auf einen möglichen Anspruch wegen einer Pflichtverletzung zu.190

§ 5  Thesenartige Zusammenfassung zum Länderbericht Frankreich 1. Im französischen Recht gibt es kein gesondertes Aktiengesetzbuch. Regelungen für die französische Aktiengesellschaft finden sich im Code civil sowie im Code de commerce. 2. Die französische Aktiengesellschaft ist die société anonyme. Sie besteht aus drei Organen: assemblée générale (Hauptversammlung), commissaires aux comptes (Abschlussprüfern) und dirigeant (Leitung der Gesellschaft). Letztere kann entweder monistisch oder dualistisch organisiert werden. 3. Monistisch organisierte Aktiengesellschaften werden durch einen conseil d’administration (Verwaltungsrat) und einen directeur général (Generalbevollmächtigten) geleitet. Während der Verwaltungsrat für die generelle Ausrichtung der Gesellschaft zuständig ist, werden die täglichen Geschäfte vom Generalbevollmächtigten ausgeführt. Überwacht wird dessen Tätigwerden wiederum vom Verwaltungsrat. Diesem steht ein Präsident vor (président du conseil d’administration). Traditionell wird diese Aufgabe vom Generalbevollmächtigten mitübernommen (dann sog. président directeur général, PDG); seit 2001 ist gesetzlich explizit eine Aufteilung der Ämter möglich, wovon gleichwohl nur wenige Gesellschaften Gebrauch machen. 4. Die dualistisch organisierte Aktiengesellschaft gleicht der hiesigen AG. Geführt wird sie von einem directoire (Vorstand), der die strategische Ausrichtung der Gesellschaft festlegt. Ein conseil de surveillance (Aufsichtsrat) kontrolliert dessen Handeln. 5. Leitungspersonen haften für rechtswidrig und schuldhafte Verletzungen ihrer Pflichten gegenüber der Gesellschaft im Innenverhältnis, wenn dieser aus dem Verhalten kausal ein Schaden entsteht. Maßstab für pflichtge189  Basdevant/Charvériat/Monod, Guide administrateur Rdnr. 393. 190  Basdevant/Charvériat/Monod, Guide administrateur Rdnr. 393; Petit, Droit des sociétés, Rdnr. 104.

société

anonyme,

société

anonyme,

130

Teil 4: Internationale Betrachtung

mäßes Handeln ist dasjenige eines ordentlichen und mit den Gesetzen und der Satzung in Einklang handelnden Geschäftsleiters (un dirigeant normalement prudent et diligeant) in einer vergleichbaren Situation. Neben Sorgfaltspflichten haben sich hieraus Treue- und Geheimhaltungspflichten herausgebildet. 6. Geltend gemacht werden die Ansprüche im Innenverhältnis grundsätzlich durch die Vertreter der Gesellschaft (sog. action social ut universi). Daneben können auch die Aktionäre den Anspruch für die Gesellschaft durchsetzen (sog. action social ut singuli), ausreichend ist hierfür die Inhaberschaft einer einzigen Aktie. Aufgrund des mit der Anspruchsgeltend­ machung verbundenen Prozessrisikos sowie der Kosten für den einzelnen Aktionär bleibt die action social ut singuli gleichwohl die Ausnahme. 7. Ein satzungsmäßig festgeschriebener Verzicht im Voraus einer Klage auf Ansprüche gegen ein Führungsmitglied ist unwirksam. Die Beendigung eines laufenden Verfahrens durch Beschluss der Hauptversammlung ist nicht möglich, sodass auch auf diesem Weg kein Anspruchsverzicht möglich ist. 8. Der Entlastung einer Führungsperson seitens der Hauptversammlung kommt ebenfalls keine Verzichtswirkung zu.

4. Kapitel

Länderbericht Österreich § 1 Österreichisches Gesellschaftsrechtssystem Das österreichische Gesellschaftsrecht gleicht dem deutschen Gesellschaftsrecht in großem Maße. Hier wie dort findet eine Einteilung in Personen- und Kapitalgesellschaften statt.191 Wichtigste Kapitalgesellschaft im Allgemeinen ist die GmbH,192 für Großunternehmen mit erheblichem Kapitalbedarf die AG.193 Regelungen für die österreichische Aktiengesellschaft finden sich überwiegend im dortigen Aktiengesetz, das seinen Ursprung im deutschen Aktiengesetz i. d. F. von 1937 hat. Dies liegt darin begründet, dass mit dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich auch die Einführung diverser deutscher Gesetze in Österreich einherging. Mit Wirkung zum April 1938 (für sich neu 191  Nowotny,

Gesellschaftsrecht, 24 ff. Gesellschaftsrecht, 64. Danach waren im Jahr 2007 ca. 60 % aller im Firmenbuch eingetragenen Gesellschaften GmbH. 193  Nowotny, Gesellschaftsrecht, 103. 192  Nowotny,



4. Kap.: Länderbericht Österreich131

gründende Aktiengesellschaften) und zum Januar 1939 (für bestehende Aktiengesellschaften) wurde das deutsche Aktiengesetz i. d. F. von 1937 in Österreich eingeführt.194 Nach der Wiedererlangung der österreichischen Souveränität nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das deutsche Aktiengesetz in den Rechtsbestand der Republik Österreich übergeleitet.195 Die Verabschiedung eines österreichischen Aktiengesetzes im Jahr 1965 brachte bis auf kleinere Änderungen insbesondere sprachlicher Natur keine großen Neuerungen.196

§ 2 Struktur der österreichischen Aktiengesellschaft Organe der österreichischen AG sind Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung, denen überwiegend die gleichen Aufgaben wie in einer deutschen Aktiengesellschaft zukommen. Der Vorstand ist oberstes Leitungsorgan der Aktiengesellschaft197 und in dieser Position sowohl Geschäftsführungs- als auch Vertretungsorgan.198 Er muss gem. § 70 Abs. 1 öAktG die Gesellschaft so leiten, wie das Unternehmenswohl unter Berücksichtigung der Interessen der Aktionäre und Arbeitnehmer sowie das öffentliche Interesse es erfordern. Zu den Hauptaufgaben des Aufsichtsrates zählen die Bestellung der Vorstandsmitglieder (§ 75 öAktG) sowie deren Überwachung (§ 95 Abs. 1 öAktG). Die Hauptversammlung als Zusammenkunft der Anteilseigner dient einer gemeinschaftlichen Willensbildung der Aktionäre (§ 102 Abs. 1 öAktG). Nur in Fällen, die explizit gesetzlich oder in der Satzung vorgesehen sind, kann sie Beschlüsse fassen (§ 103 Abs. 1 öAktG).199

194  Kalss, NZG 2012, 161, 162, 166; Kastner, Grundriss Gesellschaftsrecht Österreich, 151; MünchKomm AktG/Arlt, Einl. Band 1 Rdnr. 205. 195  Kalss, NZG 2012, 161, 166; MünchKomm AktG/Arlt, Einl. Band 1 Rdnr. 207. 196  Kalss, NZG 2012, 161, 166; MünchKomm AktG/Arlt, Einl. Band 1 Rdnr. 209. 197  Österreichisches Gesellschaftsrecht/Kalss, Rdnr. 3/421. 198  Handbuch öAG/Herzer/Strobl, Kap. 6 Rdnrn. 1, 87; Österreichisches Gesellschaftsrecht/Kalss, Rdnr. 3/421. 199  Hierzu zählen beispielsweise die Bestellung und Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern (§§ 87, 88 Abs. 5 öAktG), die Entlastung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder (§§ 104 Abs. 2 Nr. 3, 211 Abs. 2 öAktG) oder die Entscheidung über die Verwendung des Bilanzgewinns (§ 104 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 öAktG).

132

Teil 4: Internationale Betrachtung

§ 3  Haftungsregime in der österreichischen Aktiengesellschaft Im Außenverhältnis steht den Gläubigern als Haftungsmasse im Grundsatz lediglich das Gesellschaftsvermögen zur Verfügung (§ 48 öAktG). Nur in sehr engen Grenzen wird Dritten ein unmittelbarer Haftungsdurchgriff auf Organmitglieder zugestanden.200 Anders ist dies im Innenverhältnis: Verstößt ein Vorstandsmitglied gegen ihm auferlegte Obliegenheiten201, ist es der Gesellschaft gegenüber zum Ersatz verpflichtet, wenn die Pflichtverletzung rechtswidrig und schuldhaft begangen wurde sowie kausal für den aufgetretenen Schaden war (§ 84 Abs. 2 öAktG).202 Beginn der Haftung ist die Bestellung zum Vorstandsmitglied, Ende der Haftung die Beendigung des Vorstandsamtes.203

A. Haftungsvoraussetzungen I. Pflichtverletzung Erste Haftungsvoraussetzung ist eine rechtswidrige Pflichtverletzung. Der Pflichtenkreis eines Vorstandsmitgliedes gegenüber der Aktiengesellschaft lässt sich in drei Gruppen einteilen: Sorgfaltspflichten, Treuepflichten und sonstige Pflichten.204 1. Sorgfaltspflichten

Nach § 84 Abs. 1 öAktG sind die Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung zur Einhaltung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters verpflichtet. Ein allgemeingültiger Sorgfaltsmaßstab, der universell auf alle Vorstandsmitglieder anwendbar wäre, lässt sich daraus nicht ableiten. Welches die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters ist, hängt im Einzelfall von Faktoren, wie den Verhältnissen der jeweiligen Gesellschaft oder dem von dem betroffenen Vorstandsmitglied 200  Handbuch

öAG/Herzer/Strobl, Kap. 6 Rdnrn. 273 ff. Verwendung dieses Fach-Terminus sind hierunter gesetzliche, satzungsmäßige und sonstige Rechtspflichten zu verstehen, vgl. Jabornegg/Strasser/Strasser, öAktG, §§ 77–84 öAktG Rdnr. 98; MünchKomm AktG/Kalss, § 93 AktG Rdnr. 406. 202  Für den Aufsichtsrat gilt Entsprechendes, vgl. §§ 99, 84 öAktG. 203  Doralt/Nowotny/Kalss/Nowotny, öAktG, §  84 öAktG Rdnr. 21; Handbuch öAG/Herzer/Strobl, Kap. 6 Rdnr. 292. 204  Handbuch öAG/Herzer/Strobl, Kap. 6 Rdnrn. 129, 300; Vorstandshaftung Europa/Adensamer/Eckert, 171. 201  Trotz



4. Kap.: Länderbericht Österreich133

übernommenen Ressort, ab.205 Orientiert wird sich bei der Bestimmung der Sorgfaltspflicht an dem objektiv-normativen Verhalten einer Person, die pflichtbewusst und selbständig ein vergleichbares Unternehmen leitet.206 Der Sorgfaltsmaßstab bestimmt sich demgemäß unabhängig von den subjektiven Fähigkeiten des einzelnen Vorstandsmitglieds.207 Im Rahmen seiner Geschäftsführungs- und Leitungsaufgabe kann der Vorstand – wie auch nach deutschem Recht – von der sog. Business Judgment Rule profitieren; ihm steht dann ein unternehmerisches Ermessen zu (§ 84 Abs. 1a  öAktG).208 Ist eine Entscheidung des Vorstands unternehmerischer Natur, so ist eine nachträgliche Überprüfung der Zweckmäßigkeit dieser Entscheidung seitens der Judikatur ausgeschlossen, wenn sich der Vorstand hierbei nicht von sachfremden Interessen hat leiten lassen und auf der Grundlage angemessener Informationen annehmen durfte, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Grenze des Ermessens sind schlechthin unhaltbare Entscheidungen.209 2. Treuepflichten

Zum Pflichtenkanon des Vorstands zählen darüber hinaus diesem auferlegte Treuepflichten.210 Kerninhalt der Treuepflichten ist, dass Verhaltensmaxime der Mitglieder des Vorstands allein das Gesellschaftsinteresse zu sein hat und persönliche Interessen hintangestellt werden müssen.211 Im Gesetz findet sich keine allgemeine Normierung der Treuepflicht, sie lässt sich vielmehr in einzelnen Normen in konkretisierter Weise wiederfinden, beispielsweise in der Verschwiegenheitspflicht (§ 84 Abs. 1 S. 2 öAktG) oder im Wettbewerbsverbot (§ 79 Abs. 1 öAktG).212 205  Handbuch Vorstand/Kletečka/Kronthaler, Kap. 44 Rdnr. 12; Jabornegg/Strasser/Strasser, öAktG, §§ 77–84 öAktG Rdnr. 95; Vorstandshaftung Europa/Adensamer/ Eckert, 174. 206  Handbuch öAG/Herzer/Strobl, Kap. 6 Rdnr. 276. 207  Handbuch öAG/Herzer/Strobl, Kap. 6 Rdnrn. 131, 276. 208  Handbuch öAG/Herzer/Strobl, Kap.  6 Rdnr. 136; Österreichisches Gesellschaftsrecht/Kalss, Rdnr. 3/444. 209  Handbuch Vorstand/Kletečka/Kronthaler, Kap. 44 Rdnr. 17; Vorstandshaftung Europa/Adensamer/Eckert, 176. 210  Handbuch öAG/Herzer/Strobl, Kap. 6 Rdnr.142; Handbuch Vorstand/Kletečka/ Krohnthaler, Kap. 44 Rdnr. 12; Vorstandshaftung Europa/Adensamer/Eckert, 168. 211  Handbuch öAG/Herzer/Strobl, Kap. 6 Rdnr. 142; Vorstandshaftung Europa/ Adensamer/Eckert, 168, 182. 212  Handbuch öAG/Herzer/Strobl, Kap. 6 Rdnrn. 142, 145; Handbuch Vorstand/ Kletečka/Kronthaler, Kap. 44 Rdnr. 12; Österreichisches Gesellschaftsrecht/Kalss, Rdnr. 3/425; Vorstandshaftung Europa/Adensamer/Eckert, 182.

134

Teil 4: Internationale Betrachtung 3. Sonstige Pflichten

Sonstige Pflichten können sich aus der Satzung der Gesellschaft oder aus einem verbindlichen Organbeschluss ergeben.213 II. Schaden und Kausalität Eine persönliche Haftung eines Vorstandsmitgliedes kommt nur dann infrage, wenn das Handeln des Vorstandsmitgliedes einen Schaden bei der Gesellschaft verursacht hat (§ 84 Abs. 2 S. 1 öAktG). Schaden ist jede negative Veränderung des Gesellschaftsvermögens.214 Erforderlich ist weiterhin, dass die Pflichtverletzung kausal für die Entstehung des Schadens war (§ 84 Abs. 2 S. 1 öAktG). III. Verschulden Letzte Voraussetzung für die Haftung eines Vorstandsmitgliedes ist dessen Verschulden. Schuldhaft handelt dasjenige Vorstandsmitglied, dessen Verhalten von dem eines gewissenhaften Leiters eines vergleichbaren Unternehmens abweicht.215 Das Gesetz geht im Grundsatz von einem schuldhaften Verhalten eines Vorstandsmitgliedes bei Eintritt eines Schadens aus, welches vom Betroffenen widerlegt werden kann (§ 84 Abs. 2 öAktG).

B. Haftungsgeltendmachung I. Haftungsgeltendmachung durch Aktionäre Die Entscheidungskompetenz darüber, ob ein Ersatzanspruch gegen ein Mitglied des Vorstands geltend zu machen ist, liegt in der österreichischen Aktiengesellschaft primär bei der Hauptversammlung.216 Entscheidet diese mit einfacher Stimmmehrheit, dass ein Anspruch gegen ein Vorstandsmitglied durchgesetzt werden soll, muss der Aufsichtsrat (dieser ist dann berechtigtes Vertretungsorgan der Gesellschaft (§ 97 Abs. 1 öAktG)) diesem Ver­ 213  Handbuch Vorstand/Kletečka/Kronthaler, Kap. 44 Rdnr. 12; Vorstandshaftung Europa/Adensamer/Eckert, 171, 174. 214  Handbuch öAG/Herzer/Strobl, Kap. 6 Rdnr. 297; Vorstandshaftung Europa/ Adensamer/Eckert, 170. 215  Handbuch öAG/Herzer/Strobl, Kap. 6 Rdnr. 302; Handbuch Vorstand/Kletečka/ Kronthaler, Kap. 44 Rdnr. 24. 216  Handbuch öAG/Herzer/Strobl, Kap.  6 Rdnr. 318; Österreichisches Gesellschaftsrecht/Kalss, Rdnr. 3/555; Vorstandshaftung Europa/Adensamer/Eckert, 198.



4. Kap.: Länderbericht Österreich135

langen nachkommen (§ 134 Abs. 1 S. 1 öAktG). Gleiches gilt, wenn das Verlangen von einer Minderheit von wenigstens 10 % der am Grundkapital beteiligten Aktionäre stammt und der behauptete Anspruch jedenfalls nicht offenkundig unbegründet ist (§ 134 Abs. 1 S. 2 öAktG). Die Hauptversammlung kann darüber hinaus einen besonderen Vertreter bestimmen, der die Führung des Rechtsstreits übernimmt (§ 134 Abs. 2 S. 1 öAktG). II. Haftungsgeltendmachung durch die Gesellschaft Bei der Vornahme von Rechtsgeschäften der Gesellschaft mit einem Vorstandsmitglied oder wenn gegen ein solches auf Beschluss der Hauptversammlung eine Rechtsstreitigkeit geführt werden soll, ist der Aufsichtsrat befugt, die Gesellschaft zu vertreten (§ 97 Abs. 1 öAktG). Anders als im deutschen Aktiengesetz, das in § 112 AktG dem Aufsichtsrat die alleinige Vertretungsbefugnis für Rechtshandlungen gegenüber Vorstandsmitgliedern zuschreibt, durchbricht die österreichische Regelung in § 97 Abs. 1 öAktG lediglich die sonst geltende allgemeine Vertretungsregelung im dortigen Aktiengesetz (§ 71 Abs. 1 öAktG), nach welcher der Vorstand die Gesellschaft vertritt, und ernennt den Aufsichtsrat zum alternativen Vertretungs­ organ.217 Eigenständig gegen ein Vorstandsmitglied Klage erheben ohne oder gegen einen vorherigen Beschluss der Hauptversammlung kann der Aufsichtsrat nur, wenn auch eine Verantwortlichkeit von Aufsichtsratsmitgliedern infrage kommt (§ 97 Abs. 2 öAktG). Im Regelfall ist also die Hauptversammlung dasjenige Organ, welches sich mit der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegenüber Mitgliedern des Vorstandes zu befassen hat. Will der Aufsichtsrat ohne auffordernden Hauptversammlungsbeschluss Klage gegen ein Vorstandsmitglied erheben, bleibt ihm der Weg, eine solche Klageerhebung der Hauptversammlung vorzulegen und hierzu um Aufnahme des Beschlusses in die Tagesordnung der Hauptversammlung zu verlangen (§ 109  öAktG).218 Lehnt die Hauptversammlung eine Klagegeltendmachung ab, kann der Aufsichtsrat auch ohne Beschluss der Hauptversammlung Klage erheben, wenn er ansonsten seinen eigenen Pflichten nicht nachkäme und so 217  Ob – über den Wortlaut hinausgehend – eine ausschließliche Vertretungskompetenz des Aufsichtsrates nach deutschem Vorbild begründet wird, ist umstritten. Dafür: MünchKomm AktG/Kalss, § 112 AktG Rdnr. 40; Österreichisches Gesellschaftsrecht/dies., Rdnr. 3/556; Vorstandshaftung Europa/Adensamer/Eckert, 198 f. Dagegen: Fritz, Gesellschaftsrecht Österreich, 147; Handbuch öAG/Justich, Kap. 7 Rdnr. 200; Jabornegg/Strasser/Strasser, öAktG, §§ 95–97 öAktG Rdnrn. 71, 80. 218  Kalss, Der Gesellschafter 2014, 159, 166.

136

Teil 4: Internationale Betrachtung

selbst ersatzpflichtig würde (beispielsweise weil der Gesellschaft wegen Verjährung des Anspruchs ein Schaden droht).219

C. Möglichkeit eines Verzichts oder Vergleichs Dem deutschen Aktienrecht i. d. F. von 1937 entsprechend kann die Gesellschaft nur dann mit einem ihrer Vorstandsmitglieder auf einen Ersatzanspruch verzichten oder hierüber einen Vergleich abschließen, wenn die Hauptversammlung einem solchen Verzicht bzw. Vergleich zustimmt, seit Anspruchsentstehung mindestens fünf Jahre vergangen sind und nicht eine Minderheit von mindestens 20 % Widerspruch erhebt (§ 84 Abs. 4 S. 3 öAktG). Von der deutschen Regelung in ihrer heutigen Fassung unterscheidet sich die österreichische darin, dass erstens fünf statt drei Jahre seit Anspruchsentstehung vergangen sein müssen, bevor ein Verzicht bzw. Vergleich möglich ist, und zweitens eine Minderheit von mindestens 20 % anstatt nur 10 % der Anteilseigner dem Verzicht oder Vergleich für dessen Wirksamkeit nicht widersprechen darf. Von der Regelung erfasst werden neben den materiellrechtlichen Verzichten und Vergleichen auch sonstige Handlungen, die in ihrer Wirkung einem Verzicht oder Vergleich gleichkommen.220 Wird beispielsweise ein Anspruch abgetreten, um die Regelungen aus § 84 Abs. 4 S. 3 öAktG zu umgehen, ist diese Abtretung unzulässig, wie dies etwa bei einer unentgeltlichen Zession eines Anspruchs der Gesellschaft gegen eines ihrer Vorstandsmitglieder der Fall ist.221 Unterlässt das zuständige Organ die erforderliche Geltendmachung eines Ersatzanspruchs, bemisst sich die Wirksamkeit dieser Nichtgeltendmachung, die faktisch einem Verzicht gleichkommt, hingegen nicht an § 84 Abs. 4 S. 3  öAktG.222 Stellt die Nichtgeltendmachung ein pflichtwidriges Verhalten dar, stehen jedoch Schadenersatzansprüche wegen einer Pflichtverletzung gem. § 84 Abs. 2 S. 1 öAktG im Raum.223 Zuständig für die Abgabe einer Verzichts- oder Vergleichserklärung gegenüber einem Vorstandsmitglied ist – da es sich um eine Handlung der Ge219  Kalss, Der Gesellschafter 2014, 159, 167; Österreichisches Gesellschaftsrecht/ dies., Rdnr. 3/556; Vorstandshaftung Europa/Adensamer/Eckert, 200. 220  Doralt/Nowotny/Kalss/Nowotny, öAktG, §  84 öAktG Rdnr. 34; Jabornegg/ Strasser/Strasser, öAktG, §§ 77–84 öAktG Rdnr. 112; Runggaldier/Schima, Rechtsstellung von Führungskräften, 244; Schlosser, Organhaftung Vorstandsmitglieder AG, 120 f. 221  Doralt/Nowotny/Kalss/Nowotny, öAktG, § 84 öAktG Rdnr. 34; Schlosser, Organhaftung Vorstandsmitglieder AG, 121. 222  Jabornegg/Strasser/Strasser, öAktG, §§ 77–84 öAktG Rdnr. 112. 223  Jabornegg/Strasser/Strasser, öAktG, §§ 77–84 öAktG Rdnr. 112.



4. Kap.: Länderbericht Österreich137

schäftsführung bzw. Vertretung der Gesellschaft handelt – grundsätzlich der Vorstand.224 Alternativ kann der Aufsichtsrat als Vertreter der Gesellschaft agieren (§ 97 Abs. 1 öAktG).225 Wer als Vorstandsmitglied selbst Aktionär ist, unterliegt dann einem Stimmverbot in der Hauptversammlungsabstimmung über einen Verzicht oder Vergleich, wenn eine solche Vereinbarung ihn selbst betrifft (§ 125 öAktG). Auch Vorstandsmitglieder, die von einer gesamtschuldnerischen Haftung betroffen wären, sind von diesem Stimmverbot erfasst.226 Wird ein Verzicht oder Vergleich unter Missachtung der Voraussetzungen in § 84 Abs. 4 S. 3 öAktG geschlossen, ist dieser relativ nichtig, d. h. nur die vom Schutzzweck der Norm erfassten Personengruppen können sich auf die Nichtigkeit der Vereinbarung berufen.227

D. Entlastung als Verzicht? Die Aktionäre beschließen im Rahmen der ordentlichen Hauptversammlung jährlich über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands (§ 104 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 1 öAktG). Wird diese Entscheidung einstimmig getroffen und handeln die Aktionäre hierbei in Kenntnis aller Tatsachen, die an sich eine Ersatzpflicht begründen würden oder hätten ihnen diese Tatsachen bei sorgfältiger Prüfung der ihnen zugänglichen Unterlagen bekannt sein müssen, kann der Entlastungsbeschluss die Wirkung eines Verzichts auf hiervon betroffene Ersatzansprüche haben.228 Dafür müssen die sonstigen Vorausset224  Schlosser,

Organhaftung Vorstandsmitglieder AG, 121. anderer Ansicht ist der Aufsichtsrat im Fall eines Verzichts oder Vergleichs alleiniges zur Vertretung der Gesellschaft befugtes Organ: Handbuch öAG/Herzer/ Strobl, Kap. 6 Rdnr. 323; Österreichisches Gesellschaftsrecht/Kalss, Rdnr. 3/544. 226  Schlosser, Organhaftung Vorstandsmitglieder AG, 123. 227  OGH 7 Ob 248/08h. In dem vom OGH verhandelten Verfahren hatte ein Vorstandsmitglied geklagt, das sich auf die Nichtigkeit einer Vergleichsvereinbarung berufen wollte, die nicht mit den Voraussetzungen in § 84 Abs. 4 S. 3 öAktG in Einklang stand. Das Gericht verneinte die Folge absoluter Nichtigkeit bei Verstoß gegen § 84 Abs. 4 S. 3 öAktG und nahm lediglich relative Nichtigkeit an, sodass nur die vom Schutzzweck erfassten Gruppen (Aktionäre und Gesellschaftsgläubiger) dazu berechtigt seien, sich auf die Nichtigkeit der Vereinbarung zu berufen. 228  OGH 6 Ob 28/08y (Rechtliche Beurteilung 5.1); OGH 2 Ob 356/74 = SZ 48/79; Handbuch Vorstand/Aumüllner/Heiter, Kap. 45 Rdnr. 10; Österreichisches Gesellschaftsrecht/Kalss, Rdnr. 3/543; Prendl, RdW 2018, 275, 276; Vorstandshaftung Europa/Adensamer/Eckert, 189 f. Verzichtswirkung eines einstimmigen Entlastungsbeschlusses der Hauptversammlung grundsätzlich ablehnend: Jabornegg/Strasser/ Strasser, öAktG, §§ 77–84 öAktG Rdnr. 112; MünchKomm AktG/Wendt, § 120 AktG Rdnr.  66 ff.; Runggaldier/Schima, Rechtsstellung von Führungskräften, 244; Schima, Der Gesellschafter 1991, 185, 196. Verwiesen wird insbesondere auf die fehlende 225  Nach

138

Teil 4: Internationale Betrachtung

zungen eines wirksamen Verzichts erfüllt sein, namentlich die Verzichtserklärung durch den Aufsichtsrat sowie das Nichtvorliegen eines Widerspruchs einer Minderheit von 20 %.229 Nicht erforderlich ist hingegen die Einhaltung der fünfjährigen Sperrfrist aus § 84 Abs. 4 S. 3 öAktG.230

E. Praktische Auswirkung der längeren Sperrfrist bei einem Verzicht oder Vergleich Die im österreichischen Recht – anders als in Deutschland – beibehaltene fünfjährige Sperrfrist erschwert es den dortigen Aktiengesellschaften erheblich, sich mit ihren Vorstandsmitgliedern über einen Ersatzanspruch zu vergleichen oder hierauf zu verzichten. De facto wird dadurch eine solche Option mehr oder weniger völlig abgeschnitten.231 Grund dafür ist die ebenfalls fünfjährige Verjährungsfrist gem. § 84 Abs. 6 öAktG, die – anders als in Deutschland – auch für börsennotierte Aktiengesellschaften gilt. Mit Ablauf der für Verzichts- oder Vergleichsvereinbarungen geltenden Sperrfrist geht daher nicht selten eine Anspruchsverjährung einher. Eine Untersuchung der 20 am österreichischen Leitindex ATX gelisteten Gesellschaften Anfang März 2019 hat ergeben, dass von diesen Gesellschaften in den vergangenen Jahren gerade einmal zwei Gesellschaften den Weg einer Vergleichsvereinbarung mit ehemaligen Vorstandsmitgliedern gegangen sind.232

§ 4  Thesenartige Zusammenfassung zum Länderbericht Österreich 1. Das österreichische Aktiengesetz entspricht, bis auf ein paar – vor allem sprachliche – Änderungen dem deutschen Aktiengesetz i. d. F. von 1937. 2. Organe der österreichischen Aktiengesellschaft sind Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung. Der Vorstand ist oberstes Leitungsorgan und Kompetenz der Hauptversammlung, die Gesellschaft bei einem Verzicht/Vergleich wirksam zu vertreten, denn dieser stehe allein ein Zustimmungsrecht zu. 229  Handbuch öAG/Herzer/Strobl, Kap.  6 Rdnr. 316; Österreichisches Gesellschaftsrecht/Kalss, Rdnr. 3/543; Vorstandshaftung Europa/Adensamer/Eckert, 190. Das Erfordernis einer Verzichtserklärung des Aufsichtsrats gegenüber dem betroffenen Vorstandsmitglied ablehnend: Handbuch Vorstand/Aumüller/Heiter, Kap. 15 Rdnr. 15. 230  OGH 2 Ob 356/74 = SZ 48/79; Doralt/Nowotny/Kalss/Nowotny, öAktG, § 84 öAktG Rdnr. 34; Frotz, Festschrift Wagner, 137, 153. 231  Kalss, Zeitschrift für Schweizerisches Recht 2005, 643, 665. 232  Hierbei handelt es sich um die IMMOFINANZ AG (2017, 2016) sowie die Telekom Austria AG (2014).



5. Kap.: Thesenartige Zusammenfassung zu den Rechtsordnungen139

nimmt in dieser Funktion die Aufgabe der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft wahr. Bestellt wird er durch den Aufsichtsrat, der die Arbeit des Ersteren kontrolliert. 3. Im Innenverhältnis haften Mitglieder des Vorstandes der Gesellschaft gegenüber für pflichtwidriges und schuldhaftes Verhalten, das bei der Gesellschaft einen kausalen Schaden hervorgerufen hat. 4. Der Pflichtenkreis der Vorstandsmitglieder umfasst Sorgfalts-, Treue- sowie sonstige, sich aus der Satzung oder einem verbindlichen Organbeschluss ergebende Pflichten. 5. Der Beschluss über die Haftungsgeltendmachung eines Organhaftungs­ anspruchs liegt primär im Kompetenzbereich der Hauptversammlung. Vertreten wird die Gesellschaft hierbei grundsätzlich durch den Vorstand; anders als im deutschen Recht wird diesem der Aufsichtsrat dann lediglich als weiterer befugter Vertreter zur Seite gestellt. 6. Ein Verzicht auf oder Vergleich über einen Organhaftungsanspruch gegen ein Vorstandsmitglied ist nur bei Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen in § 84 Abs. 4 S. 3 öAktG möglich. Erforderlich sind das Vergehen von fünf Jahren seit Anspruchsentstehung sowie die Zustimmung der Hauptversammlung. Zudem darf keine Minderheit, deren Anteile 20 % des Grundkapitals entsprechen, Widerspruch erheben. 7. Wird ein Vorstandsmitglied einstimmig auf der Hauptversammlung durch die Aktionäre entlastet, kann diesem Beschluss dann Verzichtswirkung zukommen, wenn den Aktionären der Organhaftungsanspruch bekannt war oder aufgrund der Informationslage bekannt hätte sein müssen und mit Ausnahme der Sperrfrist die sonstigen Verzichtsvoraussetzungen aus § 84 Abs. 4 S. 3 öAktG erfüllt sind. 8. Die im Vergleich zum deutschen Recht länger ausgestaltete Sperrfrist von fünf Jahren bei einem Verzicht bzw. Vergleich führt in der Praxis in Österreich dazu, dass von dieser Möglichkeit der Streitbeilegung so gut wie kein Gebrauch gemacht wird. Grund dafür ist der Gleichlauf mit der fünfjährigen Verjährungsfrist in § 84 Abs. 6 öAktG, die ebenfalls für börsennotierte Gesellschaften gilt.

5. Kapitel

Thesenartige Zusammenfassung zu den untersuchten ausländischen Rechtsordnungen 1. In allen untersuchten Ländern gibt es der deutschen Aktiengesellschaft vergleichbare bzw. identische Gesellschaftsformen. In den USA heißt

140

Teil 4: Internationale Betrachtung

diese public corporation, in Frankreich société anonyme und in Österreich Aktiengesellschaft. 2. Pflichtwidrig handelnde Führungspersonen haften der Gesellschaft gegenüber in den hier untersuchten Ländern persönlich für ihr Fehlverhalten im Innenverhältnis. 3. Geltend gemacht werden diese Ansprüche entweder durch die Gesellschaft selbst oder durch ihre Aktionäre. Während in den USA die Aktionärsklage, sog. shareholders’ derivative suit, der häufigste Weg der Anspruchsgeltendmachung ist, spielt diese in Frankreich aufgrund der Prozessrisiken sowie des Kostenaufwandes eine zu vernachlässigende Rolle. In beiden Ländern reicht schon die Inhaberschaft einer einzigen Aktie, um den Anspruch für die Gesellschaft geltend zu machen. In Österreich bedarf es zur Haftungsgeltendmachung eines Hauptversammlungsbeschlusses; ohne einen solchen kann ein Anspruch nur in Ausnahmefällen durch die vertretungsbefugten Organe geltend gemacht werden. 4. Die Möglichkeit, sich mit einer Führungsperson im Rahmen eines Schadenersatzanspruchs im Innenverhältnis zu vergleichen, wird auf unterschiedliche Weise reguliert. In den USA spielt die Möglichkeit eines Vergleiches im Rahmen der shareholders’ derivative suits eine erhebliche Bedeutung. Ein Vergleich kann dort nur mit Zustimmung des zuständigen Gerichts abgeschlossen werden; dies dient dem Schutz der Gesellschaft sowie den nicht am Prozess beteiligten Aktionären. In Frankreich ist sowohl der satzungsmäßig eingeräumte Verzicht i. R. e. Verfahrens zur Anspruchsgeltendmachung als auch die Hauptversammlungsentscheidung, ein Verfahren zu beenden und damit faktisch einen Verzicht herbeizuführen, untersagt. Das österreichische Aktienrecht enthält eine dem deutschen Recht entsprechende Regelung. Allerdings gilt im südlichen Nachbarland noch eine Regelung entsprechend des deutschen Aktiengesetzes i. d. F. von 1937, wonach im Unterschied zur hierzulande heute geltenden Regelung fünf Jahre bis zu einer Verzichts- bzw. Vergleichsvereinbarung seit Anspruchsentstehung vergangen sein müssen und keine Minderheit von 20 % der Anteilseigner dem Vorhaben widersprechen darf. 5. In Österreich gilt die Besonderheit, dass ein einstimmig beschlossener Entlastungsbeschluss der Hauptversammlung dann als Verzicht gelten kann, wenn abgesehen von der Sperrfrist die sonstigen gesetzlichen Verzichts- bzw. Vergleichsvoraussetzungen eingehalten wurden.

Teil 5

Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts bzw. Vergleichs in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG 1. Kapitel

Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG § 1 Zustimmung der Hauptversammlung A. Allgemeines I. Regelungszweck Das Erfordernis der Zustimmung der Aktionäre zu einer Verzichts- bzw. Vergleichsvereinbarung in der Hauptversammlung soll verhindern, dass Aufsichtsrat und Vorstandsmitglied kollusiv zum Nachteil der Gesellschaft und der Minderheitsaktionäre zusammenwirken.1 In der Begründung zu Art. 213d ADHGB 1884, welcher erstmals einen Verzicht oder Vergleich der AG mit einem Vorstandsmitglied über Ersatzansprüche aus der Gründung regulierte, heißt es, dass selbst dann, wenn die Gründer nicht mehr alle Anteile an der Gesellschaft hielten, eine Gefahr der Selbstenthaftung von ihrem noch tatsächlich weiterbestehenden Einfluss ausgehe, weshalb regulatorisch eingegriffen werden müsse.2 Die Gefahr, dass Vorstand und Aufsichtsrat in der Weise zum Nachteil der Gesellschaft zusammenarbeiten, besteht auch für Fälle, die von der heutigen Regelung erfasst werden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass betroffene Vor1  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, §  93 AktG Rdnr. 506; Handbuch Managerhaftung/Haas/Wigand, §  20 Rdnr.  20.70; Handbuch Vorstandsrecht/Fleischer, § 11 Rdnr. 97; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 161; Mertens, Festschrift Fleck, 209, 210; Weller/Rahlmeyer, GWR 2014, 167, 168; Wigand, Haftungsbeschränkungen, 338; Zimmermann, Festschrift Duden, 773, 774. 2  Allgemeine Begründung zum Entwurf eines Gesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften (1884), abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre AktienR, ZGR Sonderheft 4, 452.

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

standsmitglieder versuchen werden, beeinflussbare Aufsichtsratsmitglieder davon abzuhalten, Ansprüche gegen sie geltend zu machen und stattdessen sie dazu bringen, hierauf zu verzichten oder einen Vergleich zu schließen; gem. § 112 S. 1 AktG ist der Aufsichtsrat in diesem Fall Vertreter der Gesellschaft. Zudem kann die Abgeltung des Anspruchs mittels eines Verzichts oder Vergleichs im Interesse des Aufsichtsrates liegen, weil dieser damit einen Tatkomplex endgültig abschließen kann, insbesondere, wenn er Überwachungspflichten (§ 111 AktG) verletzt haben sollte und ein Auf­decken dieser Pflichtverletzung möglichst vermeiden will. Jeweils können Gesellschaft und Aktionäre nur geschützt werden, wenn die Hauptversammlung am Entscheidungsprozess über eine Ersatzanspruchsbeilegung durch Verzicht oder Vergleich partizipiert.3 II. Historische Entwicklung Bereits die erste Version einer gesetzlichen Regelung im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch i. d. F. von 1884, die Verzichte bzw. Vergleiche mit Vorstandsmitgliedern auf bzw. über Ersatzansprüche (damals noch ausschließlich für solche aus der Gründung) an gewisse Wirksamkeitsvoraussetzungen knüpfte, sah einen Zustimmungsvorbehalt der Hauptversammlung für die Wirksamkeit derartiger Vereinbarungen vor, Art. 213d ADHGB 1884. Diese Regelung ist bis heute erhalten geblieben (vgl. § 50 AktG) und findet sich seit Einführung der allgemeinen Verzichts- bzw. Vergleichsregulierung durch das AktG i. d. F. von 1937 in der heutigen Regelung in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG wieder. III. Zustimmungshandlung Die Zustimmung der Hauptversammlung erfolgt über einen formellen Hauptversammlungsbeschluss.4 Nicht zu den Handlungen, mit welchen die Hauptversammlung einem Verzichts- bzw. Vergleichsvorschlag zustimmen kann, zählen die schlichte Meinungsäußerung seitens der Aktionäre oder die 3  Der Gesetzgeber äußerte sich selbst nicht mehr zu Sinn und Zweck der Partizipation der Hauptversammlung bei Verzichten bzw. Vergleichen, die über nicht aus der Gründung entstandene Ansprüche geschlossen werden. Er ging wohl irrig davon aus, dass diese bereits von der ursprünglichen Regelung erfasst seien („Verzichte und Vergleiche der Gesellschaft auf entstandene Ersatzansprüche sind, wie nach geltendem Recht, nur unter erschwerten Bedingungen zulässig.“) (Hervorhebung durch Verfasserin), abgedruckt bei Klausing, Aktien-Gesetz, 72. 4  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, §  93 AktG Rdnr. 511; Handbuch Managerhaftung/Haas/Wigand, §  20 Rdnr.  20.70a; Handbuch Vorstandsrecht/Fleischer, § 11 Rdnr. 97.



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG143

Zustimmung durch einen Mehrheitsaktionär.5 Einem Entlastungsbeschluss gem. § 120 Abs. 2 S. 2 AktG seitens der Hauptversammlung kommt ebenfalls keine Zustimmungswirkung zu, und zwar selbst dann nicht, wenn dieser einstimmig erfolgt.6

B. Voraussetzungen der Zustimmungserklärung I. Beschlussfähigkeit Das Aktiengesetz enthält keine Sonderregelung über die Beschlussfähigkeit der Hauptversammlung. Schon das Reichsgericht hielt es für die Beschlussfähigkeit der Hauptversammlung für ausreichend, dass mindestens ein stimmberechtigter Aktionär anwesend ist.7 Lediglich, wenn die Satzung eigene Erfordernisse bestimmt (§ 133 AktG a. E.), wie beispielsweise die Festlegung eines Mindestanwesenheitsquorums, kann die Beschlussfähigkeit von besonderen Umständen abhängig gemacht werden.8 II. Mehrheitserfordernis Die Hauptversammlung muss einem Verzicht bzw. Vergleich mehrheitlich zustimmen. Legt die Satzung kein anderes Mehrheitserfordernis fest, ist eine einfache Stimmmehrheit der stimmberechtigten Aktionäre in der Hauptversammlung ausreichend (§ 133 Abs. 1 AktG).9 5  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, §  93 Rdnr.  511; Handbuch Managerhaftung/ Haas/Wigand, § 20 Rdnr. 20.70a; Handbuch Vorstandsrecht/Fleischer, § 11 Rdnr. 97; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 283. 6  So noch BGHZ 29, 385, 390, der einen einstimmigen Entlastungsbeschluss der Hauptversammlung als Verzichtsbeschluss akzeptierte. Nun aber ausdrückliche Klarstellung in § 120 Abs. 2 S. 2 AktG. 7  RGZ 82, 386, 388; RGZ 34, 110, 116. Dem zustimmend Bürgers/Körber/Holzborn, AktG, § 133 AktG Rdnr. 5; Grigoleit/Herrler, AktG, § 133 AktG Rdnr. 6; GroßKomm AktG/Grundmann, § 133 AktG Rdnr. 54; Hölters/Hirschmann, AktG, § 133 AktG Rdnr. 12; Hüffer/Koch, AktG, § 133 AktG Rdnr. 8; Kölner Komm AktG/Tröger, § 133 AktG Rdnr. 72; MünchKomm AktG/Arnold, § 133 AktG Rdnr. 20; Schmidt/ Lutter/Spindler, AktG, § 133 AktG Rdnr. 7; Spindler/Stilz/Rieckers, AktG, § 133 AktG Rdnr. 10; Wachter/Dürr, AktG, § 133 AktG Rdnr. 8. 8  GroßKomm AktG/Grundmann, § 133 AktG Rdnr. 56; Kölner Komm AktG/Tröger, § 133 AktG Rdnrn. 73, 207; MünchKomm AktG/Arnold, § 133 AktG ­Rdnrn. 21 f.; Schmidt/Lutter/Spindler, AktG, § 133 AktG Rdnr. 8; Spindler/Stilz/Rieckers, AktG, § 133 AktG Rdnr. 11. 9  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, §  93 AktG Rdnr. 507; Handbuch Managerhaftung/Haas/Wigand, §  20 Rdnr.  20.70a; Handbuch Vorstandsrecht/Fleischer, § 11 Rdnr. 98; Hasselbach, NZG 2016, 890, 892; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 160.

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

III. Stimmrechtsausschlüsse 1. Aktienrechtlicher Stimmrechtsausschluss

Hält ein betroffenes Vorstandsmitglied selbst Anteile an der AG, ist es nicht berechtigt, über eine dieses selbst betreffende Verzichts- bzw. Vergleichsvereinbarung abzustimmen, § 136 Abs. 1 AktG.10 2. Stimmrechtsausschluss wegen Gesamtschuldnerschaft

Ein Stimmrechtsausschluss kann sich auch aufgrund einer gesamtschuldnerischen Haftungsverantwortung ergeben. Sind Vorstandsmitglieder gleichzeitig Aktionäre, trifft sie dann ein Stimmrechtsverbot gem. § 136 Abs. 1 AktG, wenn die Hauptversammlung über einen Verzichts- bzw. Vergleichsvertrag mit einem anderen Organmitglied abstimmt, durch welchen das Schuldverhältnis insgesamt aufgehoben werden soll (§ 423 BGB), sodass die an sich gesamtschuldnerisch haftenden Vorstandsmitglieder hierdurch mittelbar von ihrer Haftung befreit würden.11 Soll hingegen nur ein betroffenes Organmitglied von seiner Haftung befreit werden, sind die anderen Gesamtschuldner nicht von einem Stimmrechtsausschluss betroffen.12, 13 Wird mit allen betroffenen Gesamtschuldnern jeweils einzeln ein Verzicht bzw. Vergleich vereinbart, sodass die Hauptversammlung einzeln um ihre Zustimmung gebeten wird, ist fraglich, ob dann jeweils für die nicht unmittelbar betroffenen Organmitglieder das Stimmverbot Anwendung findet. Aufgrund des kasuistischen Charakters von § 136 AktG und aus Gründen der Rechtssicherheit gilt zwar, dass Stimmrechte nicht schon dann ausgeschlossen werden können, wenn ein irgendwie gearteter Interessenkonflikt vor-

10  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 507; Handbuch Vorstandsrecht/ Fleischer, § 11 Rdnr. 98; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 162. 11  Cahn, Vergleichsverbote, 34; Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 250; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 507; Handbuch Managerhaftung/Haas/Wigand, § 20 Rdnr. 20.70a Fn. 3; Handbuch Vorstandsrecht/Fleischer, § 11 Rdnr. 98; Hölters/ Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 312; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 162; Mertens, Festschrift Fleck, 209, 215; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 283; NK AktG/U. Schmidt, § 93 AktG Rdnr. 137; Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 36. Für die GmbH: BGHZ 97, 28, 33 f. 12  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 508; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 312; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 283. A. A.: Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 37 f. 13  Zur Frage, inwiefern bei gesamtschuldnerischer Haftung ein (Teil-)Verzicht mit nur einem Organmitglied überhaupt möglich ist, vergleiche die Diskussion bei Bayer/ Scholz, ZGR 2016, 619, 632 ff.



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG145

liegt.14 Gleichwohl muss in einer Abstimmung, bei welcher die an sich gesamtschuldnerisch Haftenden jeweils einzeln von ihren Pflichten befreit werden, eine bewusste Umgehung von § 136 AktG zugunsten der nicht unmittelbar Betroffenen gesehen werden, die es rechtfertigt, auch in diesem Fall ein Stimmverbot zu ihren Lasten anzunehmen.15 IV. Ausmaß der Überprüfbarkeit der Zustimmungserklärung der Hauptversammlung Nicht abschließend geklärt ist, inwieweit der Beschluss der Hauptversammlung einer inhaltlichen Kontrolle unterliegt. Relevanz erlangt diese Frage insbesondere dann, wenn im Rahmen einer Anfechtung eine gericht­ liche Wirksamkeitsüberprüfung stattfindet (§ 243 Abs. 1 AktG). Einigkeit besteht dahingehend, dass jedenfalls eine generelle Inhaltskontrolle in Form einer materiellen Beschlusskontrolle, wie sie durch die Kali + Salz-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs16 für Eingriffe in das Mitgliedschaftsrecht der Minderheitsaktionäre begründet wurde, und nach der es einer sachlichen Rechtfertigung der Entscheidung bedürfe, ausscheidet.17 Denn bei einem Verzicht oder Vergleich auf einen Ersatzanspruch gegen ein Vorstandsmitglied handelt es sich schon nicht um einen Eingriff in die Rechte nur einer Minderheit.18 Betroffen sind vielmehr alle Aktionäre gleichermaßen proportional zur Höhe ihrer Anteilseignerschaft.19 14  OLG Köln, AG 2017, 351, 356; OLG Düsseldorf, AG 2006, 202, 206; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 508; Hüffer/Koch, AktG, § 136 AktG Rdnr. 18; Spindler/Stilz/Rieckers, AktG, § 136 AktG Rdnr. 15. Für die GmbH: BGHZ 97, 28, 33. 15  So auch Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 250; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 509; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 312; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 162; Mertens, Festschrift Fleck, 209, 215; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 283; Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 37. 16  BGHZ 71, 40, 45 f. 17  Allgemeine Meinung, z. B. LG Frankfurt, Urteil vom 15.12.2016 – 3–5 O 154/16, Rdnr. 116; Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 150; Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 252; Fleischer, AG 2015, 133, 137; ders., ZIP 2014, 1305, 1308; Gaschler, Klagezulassungsverfahren §  148 AktG, 182  f.; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 507; Habersack, Festschrift Baums, 531, 542 f.; Handbuch Managerhaftung/ Haas/Wigand, § 20 Rdnr. 20.70a; Hasselbach, NZG 2016, 890, 892; ders., DB 2010, 2037, 2042; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 78; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 278. 18  LG Frankfurt, Urteil vom 15.12.2016 – 3–5 O 154/16, Rdnr. 116; Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 150; Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 252; Fleischer, AG 2015, 133, 137; Gaschler, Klagezulassungsverfahren § 148 AktG, 182  f.; Hasselbach, NZG 2016, 890, 892; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 78. 19  Hasselbach, NZG 2016, 890, 892.

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

Uneinigkeit herrscht hingegen darüber, ob eine in ihrer Kontrolldichte im Vergleich zur materiellen Beschlusskontrolle abgeschwächte Missbrauchskontrolle20 am Maßstab der Treuepflicht der Aktionäre stattfindet. Die auch im Aktienrecht zur Anwendung kommende gesellschafterliche Treuepflicht ist eine richterrechtlich entwickelte Verhaltenspflicht innerhalb der Gesellschaft.21 Verstoßen die Aktionäre im Rahmen einer Abstimmung hiergegen, ist ihre Stimme nichtig.22 Wird die Stimme mitgezählt, berechtigt dies zur Anfechtung des Beschlusses.23 Eine solche Treuepflicht besteht im Grundsatz sowohl zwischen der Gesellschaft und ihren Aktionären24 als auch zwischen den Aktionären untereinander.25 20  Zur Abgrenzung der Prüfungsmaßstäbe auch Mayer, Materielle Beschlusskon­ trolle, 29, 110 ff. 21  BGHZ 65, 15, 18 ff. (ITT) (GmbH); BGHZ 103, 184, 194 f. (Linotype) (Mehrheit gegenüber Minderheit); BGHZ 142, 167, 169 f. (Hilgers) (Mehrheit gegenüber Minderheit); BGHZ 153, 32, 43 f. (HypoVereinsbank) (Mehrheit gegenüber Minderheit); BGHZ 153, 47, 51 (Macrotron) (Mehrheit gegenüber Minderheit); BGHZ 129, 136, 142 ff. (Girmes) (Minderheit gegenüber Mehrheit); Dreher, ZHR 157 (1993), 150, 151 ff.; Hüffer/Koch, AktG, § 53a AktG Rdnrn. 14, 21; Kindler, Festschrift Spiegelberger, 778 f.; Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 452 ff.; MHdBGesR IV/Rieckers, § 17 Rdnr. 19; MünchKomm AktG/Götze, Vorbemerkung  zu § 53a–§ 75  AktG, Rdnr. 21; Spindler/Stilz/Drescher, AktG, § 243 AktG Rdnr. 160. 22  Überwiegende Ansicht: OLG Düsseldorf, AG 1996, 373, 375; GroßKomm AktG/Henze/Notz, Anhang § 53a AktG Rdnr. 128; Hölters/Laubert, AktG, § 53a AktG Rdnr. 20; Hüffer/Koch, AktG, § 53a AktG Rdnr. 30; Kindler, Festschrift Spiegelberger, 778; 782, Kölner Komm AktG/Drygala, § 53a AktG Rdnr. 138; MünchKomm AktG/Götze, Vorbemerkung zu § 53a–§ 75 AktG Rdnr. 72; Spindler/Stilz/Cahn/ von Spannenberg, AktG, § 53a AktG Rdnr. 56. 23  BGHZ 153, 32, 43  f. (HypoVereinsbank); BGHZ 142, 167, 169 (Hilgers); BGHZ 103, 184, 193 ff. (Linotype); OLG Stuttgart, AG 2012, 298, 300; OLG Stuttgart, AG 2011, 93, 94; Grigoleit/Grigoleit, AktG; § 1 AktG Rdnr. 75; GroßKomm AktG/Henze/Notz, Anhang § 53a AktG Rdnrn. 128, 135 f.; Hölters/Laubert, AktG, § 53a AktG Rdnr. 20; Kölner Komm AktG/Drygala, § 53a AktG Rdnr. 139; MünchKomm AktG/Götze, Vorbemerkung zu § 53a–§ 75 AktG Rdnr. 72; Spindler/Stilz/ Cahn/von Spannenberg, AktG, § 53a AktG Rdnr. 56. 24  Zur Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Aktionären: BGHZ 127, 107, 111 (BMW); GroßKomm AktG/Henze/Notz, Anhang zu § 53a AktG Rdnrn. 4, 27, 87; Kindler, Festschrift Spiegelberger, 778, 780 f.; MHdBGesR IV/Rieckers, § 17 Rdnr. 19; MünchKomm AktG/Götze, Vorbemerkung zu § 53a–§ 75 AktG Rdnr. 33. Zur Treuepflicht der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft: RGZ 146, 385, 395 ff.; BGHZ 14, 25, 38; OLG Stuttgart, NZG 2004, 463, 467; KG Berlin, AG 2003, 500, 505; GroßKomm AktG/Henze/Notz, Anhang zu § 53a AktG Rdnr. 27; Hüffer/Koch, AktG, § 53a AktG Rdnrn. 14, 19; Kindler, Festschrift Spiegelberger, 778, 780 f.; Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 452 f.; MHdBGesR IV/Rieckers, § 17 Rdnr. 19; MünchKomm AktG/Götze, Vorbemerkung zu § 53a–§ 75 AktG Rdnr. 28. 25  BGHZ 65, 15, 18 ff. (ITT) (GmbH); BGHZ 103, 184, 194 f. (Linotype) (Mehrheit gegenüber Minderheit); BGHZ 142, 167, 169 f. (Hilgers) (Mehrheit gegenüber Minderheit); BGHZ 153, 32, 43 f. (HypoVereinsbank) (Mehrheit gegenüber Minder-



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG147

Bejahende Stimmen schließen eine treuepflichtgestützte Missbrauchskon­ trolle26 nicht aus.27 Gaschler stützt sich darauf, dass nur so dem ursprüng­ lichen Schutzzweck von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG – ein Schild des Minderheitsbegehrens auf Anspruchsverfolgung zu sein (welches mittlerweile umgestaltet als Klagezulassungsverfahren in § 148 AktG geregelt ist) – nachgekommen werden könne. Weil die zehnprozentige Widerspruchshürde in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG gerade in Publikumsgesellschaften fast unerreichbar ausgestaltet sei, handele es sich bei der Missbrauchskontrolle um das einzig verbleibende Wehr-Instrument der klageanstrebenden Minderheit.28 Solle das Minderheitenrecht aus § 148 AktG nicht „eine Hülle ohne Kern“ sein, müsse der Minderheit eine „Restgewalt“ mittels treuepflichtgestützter Missbrauchskontrolle im Hinblick auf den Hauptversammlungsbeschluss gem. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zugestanden werden.29 Diejenigen Stimmen, die eine Überprüfung des Hauptversammlungsbeschlusses anhand des Treuepflichtmaßstabes ablehnen, verweisen auf die abschließende Regelung der Minderheitenrechte in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, sodass für eine treuepflichtgestützte Missbrauchskontrolle kein Raum bleibe.30 Habersack greift in seiner Argumentation zunächst ein Urteil des Bundesgerichtshofs31 betreffend das GmbH-Recht auf, wonach eine Entlastung der Geschäftsführer durch die Gesellschafter dann treuwidrig und in der Folge anfechtbar sei, wenn diese ihre Entscheidung zu einem Zeitpunkt treffen, zu welchem der Schaden noch nicht absehbar ist und folglich die Entscheidung nicht auf einer hinreichenden Grundlage ergeht. Die Entlastung entfaltet im GmbH-Recht Präklusionswirkung;32 sie kommt somit einem Verzicht gleich. Folglich käme eine Übertragung dieser Entscheidung – jedenfalls für Verzichts-Fälle – in das Aktienrecht in Betracht, mit der Folge, heit); BGHZ 153, 47, 51 (Macrotron) (Mehrheit gegenüber Minderheit); BGHZ 129, 136, 142 ff. (Girmes) (Minderheit gegenüber Mehrheit); Dreher, ZHR 157 (1993), 150, 154 ff.; Hüffer/Koch; AktG, § 53a AktG Rdnrn. 14, 20; MünchKomm AktG/ Götze, Vorbemerkung zu § 53a–§ 75 AktG Rdnr. 31. 26  Zum Begriff Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, 304. 27  Gaschler, Klagezulassungsverfahren § 148 AktG, 183 ff.; Fleischer, ZIP 2014, 1305, 1308; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 278. I. E. auch DietzVellmer, NZG 2011, 248, 252 („Allenfalls kann sich ein Verzicht oder Vergleich im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände als rechtsmissbräuchlich darstellen.“). 28  Gaschler, Klagezulassungsverfahren § 148 AktG, 184 f. 29  Gaschler, Klagezulassungsverfahren § 148 AktG, 185. 30  LG Frankfurt, Urteil vom 15.12.2016 – 3–5 O 154/16, Rdnr. 11; Habersack, Festschrift Baums, 531, 543. 31  BGH, NZG 2009, 1307, 1308 f. 32  Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 46 GmbHG Rdnr. 41; Michalski/ Römermann, GmbHG, § 46 GmbHG Rdnr. 277; MünchKomm GmbHG/Liebscher, § 46 GmbHG Rdnr. 144; Roth/Altmeppen/Roth, GmbHG, § 46 GmbHG Rdnr. 54.

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

dass die Hauptversammlungsentscheidung einer Inhaltskontrolle anhand des Maßstabes der Treuepflicht unterläge. Das verneint Habersack gleichwohl mit Verweis auf die im Aktienrecht im Gegensatz zum GmbH-Recht geltende Dreijahresfrist sowie auf die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts seitens der anspruchsgeltendmachenden Aufsichtsräte, die eine Übertragung der treuepflichtgestützten Missbrauchskontrolle angesichts des abschließenden Charakters von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG ausschlössen.33 Die besseren Argumente sprechen dafür, letzterer Ansicht zu folgen, sodass der Hauptversammlungsbeschluss auch keiner treuepflichtgestützten Missbrauchskontrolle unterliegt. Zwar muss den Minderheitsaktionären als schwächsten Gliedern der Gesellschaft ein besonderer Schutz zukommen, der auch über eine treuepflichtgestützte Missbrauchskontrolle zu erreichen wäre. Dass aber der Schutz bisher hinreichend ausgestaltet ist und ein darüber hinausgehender Kontrollmechanismus nicht mit dem Gesetz vereinbar wäre, wird nachfolgend aufgezeigt. Zunächst ist das Aktienrecht als mehrheitsentscheidendes Recht ausgestaltet. Sieht die Satzung oder das Gesetz keine andere Regelung vor, entscheidet die Hauptversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit (§ 133 Abs. 1 AktG). Hält der Gesetzgeber die Minderheit bei gewissen Entscheidungen für besonders schützenswert, kann er entweder mittels der Festlegung einer anderen Mehrheitsquote oder durch die Einführung weiterer minderheitsschützender Regelungen agieren. Letzteres tat der Gesetzgeber im Falle von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG: Indem einer zehnprozentigen Minderheit ein Vetorecht zugesprochen wurde, wurde der Minderheitenschutz verstärkt. Flankiert wird dieser Schutz auf der einen Seite von der dreijährigen Sperrfrist und auf der anderen Seite vom Stimmrechtsausschluss für die betroffenen Vorstände, die selbst Aktionäre sind (§ 136 Abs. 1 AktG).34 Zwar wurde der Minderheitenschutz im Bereich der Anspruchsgeltendmachung mit dem starken Herabsenken des Klagezulassungsquorums in § 148 Abs. 1 AktG für dieses Verfahren deutlich vergrößert. Dass hieraus aber eine Ausdehnung ebenjenen Schutzes auch im Hinblick auf die gerichtliche Überprüfbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG einhergehen sollte, mutet gerade deshalb als Unterstellung eines entsprechenden gesetzgeberischen Willens an, weil im Rahmen des UMAG35 nicht auf die gesetzliche Regelung in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG eingegangen wurde und insofern eine Absenkung des dortigen Quorums unterblieb.

33  Habersack,

Festschrift Baums, 531, 543. Festschrift Baums, 531, 543. 35  Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts vom 22. September 2005, BGBl. I 2005, 2802. 34  Habersack,



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG149

Gestützt wird dieses Ergebnis durch die gesetzgeberische Intention, den Aktionären ein Recht auf Selbstschädigung einzuräumen. Wie der Bundesgerichtshofs 2014 bei Bestimmung des Anwendungsbereichs von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG bekräftigte, seien die Aktionäre solange unbehelligt darin, ihre Selbstschädigung zu beschließen, wie der Schutz der Gläubiger gewahrt bleibe.36 Den Gläubigerschutz garantiert § 93 Abs. 5 S. 3 AktG, wonach die Ersatzpflicht ihnen gegenüber weder durch einen Verzicht noch durch einen Vergleich aufgehoben wird. Die Entscheidung, einen Verzicht oder Vergleich mit einem Vorstandsmitglied abzuschließen, ist im ersten Ansatz eine selbstschädigende Entscheidung – jedenfalls aus finanzieller Sicht. Legte man also einen finanziellen Maßstab für die Richtigkeit der Entscheidung an, wäre ein Verzicht oder Vergleich aus dieser Sicht immer als falsch einzustufen, da der Gesellschaft ein Schaden zurückbliebe. Weil aber die Selbstschädigung explizit erlaubt wird, muss eine Entscheidung für einen Verzicht oder Vergleich nicht zwangsweise finanziell die vorzugwürdigste sein. Im Gegenteil: Eine Selbstschädigung soll gerade ermöglicht werden. Wenn bereits das maximale Schädigungspotential – die bewusste, mehrheitlich beschlossene finanzielle Schädigung in den Grenzen des Gläubigerschutzes – erlaubt ist, kann die Entscheidung nicht mehr aus anderen, minimaleren Gründen als treuwidrig und deshalb unwirksam eingestuft werden. Dies widerspräche der grundsätzlichen gesetzgeberischen Öffnung für die Selbstschädigung und brächte zudem aufgrund des unbestimmten Rechtsbegriffes eine erhebliche Rechtsunsicherheit mit sich. Nimmt man nun diese beiden Aspekte zusammen – einerseits das gesetzliche Leitbild der Mehrheitsentscheidung, flankiert durch zusätzliche Minderheitsschutzmechanismen, andererseits das „Selbstschädigungsrecht“ der Aktio­näre – dann verbleibt für eine treuepflichtgestützte Missbrauchskontrolle kein Platz. Eine solche würde dem vom Gesetz vorgegebenen Rahmen, in dem sich Verzicht sowie Vergleich einerseits und Klagezulassungsverfahren mit anschließender Klagemöglichkeit andererseits befinden, zu sehr die Konturen nehmen. Zu beachten gilt schließlich, dass die Minderheitsaktionäre gleichwohl nicht schutzlos gestellt sind. Wie im Verlauf der Arbeit noch gezeigt wird, können fehlerbehaftete Vorlagen einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung seitens des Aufsichtsrats im Einzelfall Grundlage einer Anfechtungsoder Nichtigkeitsklage i. S. v. §§ 246, 249 AktG sein, die jedem Aktionär, unabhängig von seiner Beteiligung,37 offenstehen.38 36  BGHZ 202, 26, 32 f. Auch das LG Frankfurt betont die Selbstschädigungsbefugnis der Aktionäre, LG Frankfurt, Urteil vom 15.12.2016 – 3–5 O 154/16, Rdnr. 116. Ebenso sieht es Habersack, Festschrift Baums, 531, 543. 37  Für die Anfechtungsklage gilt hinsichtlich der Anfechtungsbefugnis § 245 AktG. Hierfür ausdrücklich darauf verweisend, dass die Inhaberschaft einer Aktie ausrei-

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

C. Kritik sowie eigene Bewertung und Forderungen de lege ferenda zum Hauptversammlungszustimmungsbeschluss Das Erfordernis der Zustimmung der Aktionäre zu einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung wurde zur Verhinderung eines kollusiven Zusammenarbeitens zwischen Aufsichtsrat und Vorstandsmitglied zum Nachteil der Gesellschaft eingeführt.39 Einige Stimmen fordern gleichwohl seine Abschaffung, während andere an dem bisherigen Kriterium festhalten wollen. I. Stimmen für Abschaffung des Hauptversammlungszustimmungsbeschlusses Teilweise wird dafür plädiert, das Erfordernis eines zustimmenden Hauptversammlungsbeschlusses als Wirksamkeitsvoraussetzung in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zu streichen.40 Dies wird von Zimmermann damit begründet, dass ein solches Zustimmungserfordernis verhindere, dass die Gesellschaft sich unauffällig von einem Vorstandsmitglied verabschieden könne. Die jetzige Rechend sei: Grigoleit/Ehmann, AktG, § 245 AktG Rdnr. 6; Henssler/Strohn/Drescher, AktG, § 245 AktG Rdnr. 4; Hölters/Englisch, AktG, § 245 AktG Rdnr. 3; Hüffer/ Koch, AktG, § 245 AktG Rdnr. 5; MünchKomm AktG/Hüffer/Schäfer, § 245 AktG Rdnr. 5; Spindler/Stilz/Dörr, AktG, § 245 Rdnr. 12. Neben der Aktionärseigenschaft sind allerdings noch weitere Voraussetzungen zu erfüllen. Auch wenn die Anwendbarkeit von § 245 AktG auf die Nichtigkeitsklage nicht allgemein vertreten wird, findet die Norm jedenfalls dahingehend auch auf die Nichtigkeitsklage Anwendung, als dass hierfür keine Mindestbeteiligung erforderlich ist. Auf den „Aktionär“ als solchen i. R.v. § 249 AktG hinsichtlich der Klagebefugnis verweisend: Grigoleit/Ehmann, AktG, § 249 AktG Rdnr. 5; Henssler/Strohn/Drescher, AktG, § 249 AktG Rdnr. 5; Hölters/Englisch, AktG, § 249 AktG Rdnr. 14; MünchKomm AktG/Hüffer/Schäfer, § 249 AktG Rdnr. 10; Spindler/Stilz/Dörr, AktG, § 249 AktG Rdnr. 7. § 249 AktG selbst spricht allgemein von der Erhebung einer Nichtigkeitsklage durch einen „Aktionär“. 38  Hierzu ausführlich unter Teil 5, 2. Kapitel, § 3, C. Folgen eines fehlerhaften Beschlussvorschlags des Aufsichtsrats für den späteren Hauptversammlungsbeschluss, S. 232. 39  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 506; Handbuch Managerhaftung/ Haas/Wigand, § 20 Rdnr. 20.70; Handbuch Vorstandsrecht/Fleischer, § 11 Rdnr. 97; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 161; Mertens, Festschrift Fleck, 209, 210; Weller/Rahlmeyer, GWR 2014, 167, 168; Wigand, Haftungsbeschränkungen, 338; Zimmermann, Festschrift Duden, 773, 774. 40  Semler, AG 2005, 321, 333  f.; Zimmermann, Festschrift Duden, 773, 774 f. Hölters spricht sich zwar nicht explizit für eine Abschaffung der Hauptversammlungszustimmung aus, zweifelt aber an der Sinnhaftigkeit der Notwendigkeit einer solchen Zustimmung, Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 307.



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG151

gelung führe ferner dazu, dass das Ansehen der Gesellschaft geschmälert oder gar der Konkurrenz Informationen preisgeben würden, die die AG lieber für sich behielte.41 Ein Schutz vor kollegialer Verschonung zwischen den Organmitgliedern sei indes schon deshalb nicht erforderlich, weil die Trennungsverhandlungen zwischen der Gesellschaft und dem betroffenen Vorstandsmitglied einen organübergreifenden Zusammenhalt, der Grundlage kollegialer Verschonung ist, nicht überlebten.42 Semler will ebenfalls die Zustimmungskompetenz der Hauptversammlung entziehen und fordert dafür stattdessen – insofern diametral zum Vorschlag Zimmermanns – dem Beispiel des § 149 Abs. 2 S. 1 AktG entsprechend eine vollständige Publikationspflicht aller mit der Vereinbarung im Zusammenhang stehenden Abreden.43 Beließe man es bei der Zustimmungspflicht der Hauptversammlung, liefe dies im Endeffekt auf eine Verringerung deren Beteiligung bei der Haftungsgeltendmachung von Organansprüchen hinaus: Das umfassende Fragerecht der Aktionäre sowie die Informationspflicht der Organe in der Hauptversammlung hinsichtlich eines solchen Verzichts bzw. Vergleichs verleite die zuständigen Aufsichtsräte dazu, dieses Fragerecht so weit wie möglich zu vermeiden – und daher im Zweifel von einer Anspruchsgeltendmachung (auch nur teilweise in Form eines Vergleichs) abzusehen.44 II. Stimmen für Beibehaltung des Hauptversammlungszustimmungsbeschlusses Andere Stimmen sprechen sich für die Beibehaltung des Hauptversammlungszustimmungsbeschlusses aus.45 Nicht zuletzt votierte der 70. Deutsche Juristentag 2014 mit 70:6:6 Stimmen gegen eine Abschaffung des Erfordernisses eines Hauptversammlungsbeschlusses.46 Fleischer wendet sich explizit gegen eine unauffällige Verabschiedung eines Vorstandsmitgliedes, wie es Zimmermann fordert. Er verweist darauf, dass die Aktionärsklage gem. § 148 AktG in der Praxis so gut wie bedeutungslos sei, weshalb zur Vermeidung 41  Zimmermann,

Festschrift Duden, 773, 774. Festschrift Duden, 773, 775. 43  Semler, AG 2005, 321, 333 f. 44  Semler, AG 2005, 321 sowie 333. 45  DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2010, 897, 899; ders., NZG 2011, 217, 221; Fleischer, AG 2015, 133, 137; Habersack, Festschrift Baums, 531, 545; Hopt in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, 70. DJT 2014, Sitzungsberichte – Diskussion und Beschlussfassung Abteilung Wirtschaftsrecht, N 78; Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 40 f. 46  Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, 70. DJT 2014, Sitzungsberichte – Referate und Beschlüsse Abteilung Wirtschaftsrecht, Beschluss I.7.b), N 63. 42  Zimmermann,

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

einer kollegialen Rücksichtnahme unter den Organmitgliedern ein Mitspracherecht der Hauptversammlung erforderlich sei.47 III. Stellungnahme Vorstand und Aufsichtsrat sind eng miteinander verbunden, da eine Pflichtverletzung des Ersteren zugleich eine Überwachungspflichtverletzung des Letzteren darstellen kann (§ 111 Abs. 1 AktG). Um dieser Interessenkollision entgegenzutreten, hat der Gesetzgeber im Zuge des VorstAG48 2009 eine allgemeine gesetzliche Regelung eingeführt, die – in börsennotierten Aktiengesellschaften – einen Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat erst nach einer Karenzzeit von zwei Jahren erlaubt, es sei denn, die Wahl erfolgt auf Vorschlag von Aktionären, die mindestens 25 % der Stimmrechte halten (§ 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AktG, ebenso Ziff. 5.4.4 S. 1 DCGK). Wenn also bereits bei einem einvernehmlichen Ausscheiden eines Vorstandsmitgliedes Vorsicht geboten ist,49 muss dies erst recht gelten, wenn eine Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds im Raum steht, die gleichsam eine Überwachungspflichtverletzung des Aufsichtsrats darstellen könnte. Dass dann aufgrund zerrütteter Verhältnisse, wie Zimmermann50 sie annimmt, keine Gefahr kollegialer Zusammenarbeit mehr bestünde, kann jedenfalls nicht mit Sicherheit angenommen werden. Die gesetzgeberische Intention, eine gegenseitige Enthaftung durch Verzicht oder Vergleich mittels Einschaltung einer kontrollierenden Instanz – der Hauptversammlung – zu verhindern, war daher ein zwingender Schritt. Gerade nicht gewollt ist, dass sich ein Vorstandsmitglied geräuschlos ohne 47  Fleischer, 48  Gesetz

AG 2015, 133, 137. zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung vom 31. Juli 2009, BGBl. I

2009, 2509. 49  Im Bericht einiger Abgeordneten zur Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zu § 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AktG wird darauf verwiesen, dass das ehemalige Vorstandsmitglied (jetzt im Aufsichtsratsgewand) die Arbeit des aktuellen Vorstands behindern und die Bereinigung strategischer Fehler oder die Beseitigung von Un­ regelmäßigkeiten aus der eigenen Zeit als Vorstand verhindern könnte, BTDrucks. 16/13433, 11. In einem Antrag verschiedener Abgeordneter und der FDPFraktion wurde eine Karenzzeit von drei Jahren für den Übergang vom Vorstandsvorsitz in den Aufsichtsratsvorsitz gefordert. Begründet wurde das Erfordernis einer solchen Zeitspanne mit dem Außerkraftsetzen der Überwachungs-, Steuerungs- und Kontrollfunktion des Aufsichtsrats bei nahtlosem Übergang einer Person vom Vorstand in den Aufsichtsrat, BT-Drucks. 16/10885, 3. So auch Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, AktG, § 100 AktG Rdnr. 8; Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 100 AktG Rdnr. 14; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 100 AktG Rdnr. 30 m. w. N. 50  Zimmermann, Festschrift Duden, 773, 775.



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG153

Mitsprache eines kontrollierenden Dritten aus dem Unternehmen zurückziehen kann, wie dies von Zimmermann gefordert wird.51 Eine effiziente Kontrolle kann also nur mittels Einschaltung einer Kontroll­ instanz bewerkstelligt werden, weshalb die Forderung, das Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung abzuschaffen, abzulehnen ist. IV. Zweispuriger Vorschlag de lege ferenda Dass eine Kontrollinstanz beim Abschluss eines Verzichts oder Vergleichs zwischen der Gesellschaft und einem Vorstandsmitglied erforderlich ist, wurde soeben aufgezeigt. Statt der Hauptversammlung sollte, wie nachfolgend aufgezeigt wird, daneben auch ein Gericht die wirksame Zustimmung erteilen können. 1. Möglichkeit 1: Zustimmungsbeschluss durch Hauptversammlung

Die Aktionäre sind Inhaber der Gesellschaft, weshalb weiterhin primär ihnen das Recht zugestanden werden sollte, einem Verzicht oder Vergleich durch Zustimmung oder Ablehnung zur Wirksamkeit oder endgültiger Unwirksamkeit zu verhelfen. Die geringe Wahrnehmung der Aktionärsrechte aus §§ 147, 148 AktG52 in Zusammenschau mit den Zustimmungsquoten von annähernd 100 % zu Verzichts- oder Vergleichsvorschlägen ungeachtet der eigentlichen Schadenssummen53 könnten ein Indiz dafür sein, dass die Aktionäre im Regelfall einer derartigen Vereinbarung zustimmen, selbst wenn hieraus der Gesellschaft ein erheblicher Schaden entsteht. Möglicherweise käme selbst dann ein solch zustimmender Beschluss zustande, wenn die Vereinbarung nicht den Gesellschaftsinteressen entspräche. 2. Möglichkeit 2: Zustimmungsbeschluss durch Gericht

Das Wirksamwerden eines Verzichts oder Vergleichs zwischen der AG und ihrem Vorstandsmitglied sollte daher alternativ von einer Gerichtszustim51  Zimmermann,

Festschrift Duden, 773, 774. AktG/Arnold, § 147 AktG Rdnr. 15 sowie § 148 AktG Rdnr. 6; Schmidt/Lutter/Spindler, AktG, § 148 AktG Rdnr. 58; Spindler/Stilz/Mock, AktG, § 147 AktG Rdnr. 11 f. sowie § 148 AktG Rdnr. 22. 53  Dies bezieht sich auf die zu Beginn der Arbeit untersuchten Gesellschaften zwischen 2003 und Anfang März 2019. Die Zustimmungsquoten betrugen jeweils zwischen 98,13 % und 99,99 %. Hierzu ausführlich unter Teil 3, 2. Kapitel: Bestandsaufnahme zur Relevanz von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, S. 50. 52  MünchKomm

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

mung nach US-amerikanischem Vorbild für Vergleiche in Verfahren mit Aktionären abhängig gemacht werden können: Machen dort Aktionäre einen Anspruch der Gesellschaft für diese gegenüber einem Organmitglied geltend (sog. shareholders’ derivative suit), kann ein Vergleich – welchem in dieser Verfahrensart besonders große Bedeutung zukommt54 – nur geschlossen werden, wenn die Parteien dem Gericht einen in dessen Augen angemessenen und fairen Vergleichsvorschlag unterbreiten und dieses dem Vorschlag zustimmt.55 Der hier unterbreitete Vorschlag de lege ferenda soll abweichend von dem US-amerikanischen Konzept des Vergleichs bei einer shareholders’ derivative suit nicht im Rahmen der Anspruchsgeltendmachung durch Aktionäre, sondern im Anwendungsbereich der vom deutschen Gesetz als Regelfall vorgesehenen Anspruchsgeltendmachung durch den Aufsichtsrat zur Anwendung gelangen, wenn hierbei eine Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung getroffen wird. Dann soll eine Gerichtszustimmung immer als Wahl-Alternative zur Zustimmung der Hauptversammlung zur Verfügung stehen. Ein solches gerichtliches Zustimmungserfordernis soll einerseits eine neutralere, im Zweifel juristisch geschultere Kontrollinstanz in den Prozess einbringen. Wie anfangs bereits dargelegt, erlangen Verzichts- oder Vergleichsvereinbarungen in der Praxis regelmäßig Zustimmungsquoten von annähernd 100 % ungeachtet von der Komplexität des Sachverhalts oder der Höhe des Schadens, was vermuten lässt, dass Verzichts- oder Vergleichsvereinbarungen im Regelfall angenommen werden, selbst wenn sie nicht den Interessen der Gesellschaft entsprechen. Richter sind, anders als nicht wenige Aktionäre, stets ausgebildete Volljuristen, die mit aktienrechtlichen Problemstellungen vertraut sind oder sich zumindest fachmännisch in diese einarbeiten können. Fällt das Verfahren um die Zustimmungserbetung in den Zuständigkeitsbereich einer Kammer für Handelssachen (hierzu sogleich), wird die juristische Expertise gar noch durch wirtschaftliche Fachexpertise angereichert. Das in dieser Arbeit entwickelte Verfahren würde insbesondere mit einer Stärkung der Minderheitsaktionäre einhergehen. Denn während in einer Hauptversammlung, die lediglich vor die digitale Frage der Zustimmung oder Ablehnung einer Vereinbarung gestellt wird, eine sachbezogene Auseinandersetzung mit der Vereinbarung kaum möglich ist und die Gefahr besteht, dass einzelne Redner die Bühne der Hauptversammlung missbrauchen, um die Hauptversammlung für eigene Interessen zu instrumentalisieren, gewährt eine gerichtliche Auseinandersetzung mit der vorgeschlagenen Vereinbarung 54  Bauman/Stevenson, Corporations, 773; Clark, Corporate Law, 656; Freer, Law of Corporations, 459. 55  Hierzu ausführlich unter Teil 4, 2. Kapitel, § 3, C. Besonderheiten bei einem Prozessvergleich im Rahmen einer shareholders’ derivative suit, S. 112.



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG155

eine fundierte Prüfung ebendieser. Wie im Verlauf der Arbeit noch gezeigt wird, wird durch den im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Amtsermittlungsgrundsatz gem. § 26 FamFG insbesondere sichergestellt, dass nicht allein die Beteiligten über den Umfang der dem Gericht zur Meinungsbildung verfügbaren Informationen entscheiden, sondern das Gericht selbst entscheidungserhebliche Tatsachen ermitteln darf. So werden vor allem diejenigen Aktionäre vor nachteiligen Vereinbarungen geschützt, zu deren Lasten ein nur vermeintlich vorteilhafter Vereinbarungsvorschlag der Hauptversammlung zur Zustimmung vorgelegt wird. Bei dem Zustimmungsverfahren durch ein Gericht könnte im Grundsatz auf das Verfahren im Anwendungsbereich des FamFG56, das bei der gerichtlichen Bestellung eines besonderen Vertreters auf Verlangen einer Minderheit durchzuführen ist (§ 147 Abs. 2 S. 2 AktG), zurückgegriffen werden. Gleichwohl ergeben sich schon daraus Besonderheiten, dass – anders als in ebenjenem Verfahren und auch anders als bei einer shareholders’ derivative suit in den USA – sich bei der Anrufung um Zustimmung zu einem Verzicht oder Vergleich nicht zwei gegnerische Parteien gegenüberstehen. Vielmehr zielen die Anrufenden auf eine einvernehmliche Lösung ab, die von einem Gericht als „fair und angemessen“ bestätigt werden soll. Diese Besonderheiten werden nachfolgend herausgearbeitet. Unerheblich soll sein, ob der streitige Schadenersatzanspruch seitens der Gesellschaft bereits gerichtlich geltend gemacht oder ob zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied bisher nur außergerichtlich verhandelt wird. Zunächst gilt festzustellen, dass – wie auch in sonstigen Zivilverfahren – im Verfahren nach dem FamFG die Prämisse vorherrscht, dass das Gericht auf eine gütliche Streitbeilegung hinwirken soll (§ 36 Abs. 1 S. 2 FamFG); dem Gesetz ist das Institut „Vergleich“ also nicht fremd. Auch gewährt das Gesetz dem Gericht die Möglichkeit, den Parteien einen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten (§ 36 Abs. 3 FamFG, § 278 Abs. 6 ZPO). Der Gesetzgeber sieht demnach das Gericht als kompetente Instanz bei der Beurteilung eines für die Parteien passenden Vergleichsvorschlags an. Wie bereits kurz angeklungen, müsste das Gericht von Amts wegen die für seine Entscheidung erforderlichen Informationen ermitteln (§ 26 FamFG), aufgrund derer es gem. § 37 FamFG nach freier, aus dem Inhalt des Ver­ fahrens gewonnener Überzeugung zu entscheiden hätte. Dieser Amtsermittlungsgrundsatz soll verzerrten Ergebnissen vorbeugen, also insbesondere vermeintlich vorteilhaften Vereinbarungen zulasten der (Minderheits-)Aktionäre. 56  Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

Vom Verfahrensgang bei der Bestellung eines besonderen Vertreters (§ 147 Abs. 2 S. 2 AktG), welcher als Vorbild dient, wäre in den folgenden Punkten abzuweichen. Um prozessökonomische Synergieeffekte ausnutzen zu können, wäre bereits im Rahmen der gerichtlichen Zuständigkeit eine abweichende Zuständigkeitsregelung aufzunehmen. Denn die gerichtliche Zuständigkeit im Verfahren zur Bestellung eines besonderen Vertreters bestimmt sich nach §§ 147 Abs. 2 S. 1, 14 AktG, §§ 375 Nr. 3, 376 FamFG, § 23a Abs. 2 Nr. 4 GVG, woraus sich die Zuständigkeit des Amtsgerichts am Sitz der Gesellschaft ergibt.57 Wird hingegen ein Schadenersatzanspruch der Gesellschaft gegen ein Vorstandsmitglied gerichtlich geltend gemacht, sind zwar ebenfalls die ordentlichen Gerichte zuständig,58 die sachliche Zuständigkeit des Gerichts bestimmt sich aber nach dem Streitwert des Verfahrens (§ 1 ZPO, §§ 23, 71 Abs. 1 GVG) und die örtliche Zuständigkeit nach dem Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO) oder wahlweise dem allgemeinen Gerichtsstand gem. §§ 12, 13 ZPO (Wohnsitz des Beklagten).59 Ist das Landgericht zuständig, kann bei entsprechendem Antrag gem. §§ 96 ff. GVG die Sache vor eine Kammer für Handelssachen gebracht werden, da es sich bei einer solchen Streitigkeit um eine Handelssache gem. § 95 Abs. 1 Nr. 4a GVG handelt.60 Damit gewonnene Erkenntnisse im Rahmen eines bereits laufenden oder künftigen streitigen Verfahrens (zur nachträglichen Anrufung sogleich) zur Verfahrensbeschleunigung fruchtbar gemacht werden können, sollte sich aus prozessökonomischen Gesichtspunkten bei dem hier vorgeschlagenen alternativen Hauptversammlungsbeschluss durch Gerichtszustimmung die gericht­ liche Zuständigkeit abweichend von derjenigen im Verfahren nach § 147 Abs. 2 S. 2 AktG nach der Zuständigkeit im streitigen Verfahren über Ansprüche aus § 93 Abs. 2 AktG richten. Ist noch kein Verfahren anhängig, sollte ggf. bereits zum Zeitpunkt des Antrags auf gerichtliche Zustimmung über eine mögliche Anrufung einer Kammer für Handelssachen entschieden werden. 57  Hölters/Hirschmann, AktG, § 147 AktG Rdnr. 12; Kölner Komm AktG/Rieckers/Vetter, § 147 AktG Rdnrn. 341  f.; MünchKomm AktG/Arnold, § 147 AktG Rdnr. 99; Spindler/Stilz/Mock, AktG, § 147 AktG Rdnrn. 89 f. 58  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 602; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 57; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 9; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 373; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 306. 59  Zur örtlichen Zuständigkeit: GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 603; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 57; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 9; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 373; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 306. 60  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, §  93 AktG Rdnr.  602; MünchKomm AktG/ Spindler, § 93 AktG Rdnr. 373.



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG157

Angerufen werden sollte das Gericht durch einen Antrag, § 23 Abs. 1 S. 1 FamFG. Ist bereits ein Rechtsstreit über den Schadenersatzanspruch anhängig, sollte dieser mittels dieses Antrages in ein „Zustimmungsverfahren“ nach den Regeln des FamFG übergeleitet werden. Gleichermaßen sollte für die Beteiligten zu jedem Zeitpunkt des „Zustimmungsverfahrens“ die Möglichkeit bestehen, mittels eines Antrags entsprechend § 23 Abs. 1 S. 1 FamFG die Anrufung eines Gerichts zur Zustimmung einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung zu beenden und so das Verfahren in seinen ursprüng­ lichen Verfahrensstand – vor oder außerhalb eines Gerichts – zurückzuversetzen. Wird ein Zustimmungsbeschluss von einem Gericht abgelehnt, sollte die Zurückversetzung automatische Folge sein. Antragssteller sollten jeweils der Aufsichtsrat als Vertreter der Gesellschaft (§ 112 S. 1 AktG) sowie das betroffene Vorstandsmitglied sein. Anders sollte es bei der Beteiligung am Verfahren aussehen: Neben der Gesellschaft (vertreten durch den Aufsichtsrat) und dem betroffenem Vorstandsmitglied (jeweils Muss-Beteiligte gem. § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG) sollte, damit das gesetzliche Leitbild der Hauptversammlungsbeteiligung nicht außer Acht gelassen wird, jedem Aktionär von Gesetzes wegen die Möglichkeit gewährt werden, sich auf eigene Kosten an dem Verfahren zu beteiligen. Nach dem US-amerikanischen Zivilprozessrecht müssen die übrigen Aktionäre über den eingebrachten Vergleichsvorschlag informiert werden, ansonsten erteilt das Gericht keine Zustimmung.61 Nach diesem Vorbild sollte auch hierzulande eine Information der Aktionäre über das Stattfinden eines „Zustimmungsverfahrens“ durch den Aufsichtsrat im Publikationsmedium der Gesellschaft erfolgen. Ausreichend sollte gleichwohl sein, dass die Aktionäre davon in Kenntnis gesetzt werden, dass ein Gericht zur Zustimmung zu einem Verzichts- bzw. Vergleichsvorschlag angerufen wurde und den Aktionären die Möglichkeit offensteht, sich an diesem Verfahren – innerhalb eines Zeitraums von beispielsweise einem Monat – zu beteiligen oder hiergegen Widerspruch einzulegen (zum Widerspruch nachfolgend); nicht erforderlich sollte hingegen die vollständige Inkenntnissetzung vom Inhalt dieses Vorschlages sein. Diese Information sollte auch dazu dienen, dass eine zehnprozentige Minderheit – die also quotenmäßig mit derjenigen gleichliefe, die einen Widerspruch zu einem Hauptversammlungsbeschluss erheben kann – durch Widerspruch bei dem zuständigen Gericht (entsprechend § 25 Abs. 1 FamFG) ein solches Verfahren zwingend beenden und in die Hauptversammlung verlagern könnte. Nur so würde hinreichend gewährleistet, dass die Aktionäre 61  § 23.1(c) F. R. C. P. Hierzu ausführlich unter Teil 4, 2. Kapitel, § 3, C. Besonderheiten bei einem Prozessvergleich im Rahmen einer shareholders’ derivative suit, S. 112.

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

umfassend vor unbilligen Absprachen geschützt würden und auf Verlangen das de lege lata vom Gesetzgeber für einen Verzicht oder Vergleich vorgesehene Verfahren durchgeführt werden könnte. Ausschlaggebendes Kriterium für die Zustimmung zu einem Verzichtsoder Vergleichsvorschlag sollte – nach US-amerikanischem Vorbild – dessen Fairness und Angemessenheit sein; das Gericht sollte nur dann seine Zustimmung zu einer Vereinbarung erteilen, wenn diese aus Sicht von Gesellschaft und Aktionären die beste Lösung darstellte. Im Rahmen der Amtsermittlung sollte das Gericht die für seine Entscheidung erforderlichen Informationen sammeln und die Beteiligten auf mögliche Hindernisse einer Zustimmung hinweisen, sodass diese ggf. Änderungen an der Vereinbarung vornehmen könnten. Hinzuweisen ist an dieser Stelle darauf, dass dem Gericht allein die Möglichkeit zustehen sollte, einem Verzichts- oder Vergleichsvorschlag seine Zustimmung oder Ablehnung zu erteilen. Nicht gewollt ist hingegen ein vom Gericht ausgesprochener Zwangsvergleich oder -verzicht zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied. Bei den vorgeschlagenen Kriterien der Fairness und Angemessenheit handelt es sich um vage Kriterien, die inhaltlich ausgefüllt werden müssen. In den Vereinigten Staaten von Amerika haben sich in der Rechtsprechung zu Vergleichen in shareholders’ derivative suits verschiedene Faktoren herausgebildet, die, dem Einzelfall entsprechend, auch hierzulande von den Gerichten bei der Beurteilung der Vereinbarung herangezogen werden sollten.62 Mögliche, in die Entscheidung einzufließende Beurteilungskriterien sind:63 1. maximale Höhe des vom Schädiger an die Gesellschaft zu zahlenden Schadenersatzes; 2. Erfolgsaussichten einer auf Geltendmachung des Schadenersatzes gerichteten/zu richtenden Klage; 3. mögliche, mit der Anspruchsdurchsetzung verbundene Schwierigkeiten, sowie Dauer und Kosten einer klageweisen Anspruchsdurchsetzung; 4. Beweisschwierigkeiten bezüglich Haftung und Schaden;

62  Eine Liste möglicher Abwägungspunkte im US-amerikanischen Recht lässt sich aus einer Zusammenschau verschiedener Urteile erstellen. Vgl. z. B. Polk v. Good, 507 A.2d 531, 536 (Del. 1986); Krasner v. Dreyfus Corp., 500 F. Supp. 36, 41 (S. D. N. Y. 1980); Desimone v. Industrial Bio-Test Laboratories, Inc., 83 F. R. D. 615, 619 (S. D. N. Y. 1979); City of Detroit v. Grinnell Corp., 495 F.2d 448, 463 (2d Cir. 1974); siehe hierzu auch Bauman/Stevenson, Corporations, 774; Brainbridge, Cor­ porate Law, 223; DeMott, Derivative Actions, § 7:02, 7  ff.; Merkt, US GesR, ­Rdnrn.  1225  ff. 63  Diese Kriterien aus dem US-amerikanischen Recht herausfilternd: Merkt, US GesR, Rdnr. 1227.



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG159

5. Haltung der Aktionäre, sofern diese sich am „Zustimmungsverfahren“ beteiligen; 6. bei einer gerichtlichen Anspruchsgeltendmachung: Stadium des Verfahrens; 7. finanzielle Leistungsfähigkeit des in Anspruch genommenen/zu nehmenden Vorstandsmitglieds. Neben diesen, in der US-amerikanischen Rechtsprechung zu Vergleichen im Rahmen von shareholders’ derivative suits herausgebildeten Kriterien könnten weitere, vom Gericht heranzuziehende Kriterien sein: 1. mögliche Reputationsschäden und ggf. Börsenwertverfall bei gerichtlicher Streitaustragung; 2. Bestehen einer D&O-Versicherung und deren mögliche Zahlungsbereitschaft; 3. Stadium der Schadensentwicklung. Rechtsmittel, wie sie für sonstige Entscheidungen im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit gem. §§ 58 ff. FamFG möglich sind, sollten im Anwendungsbereich der hier vorgeschlagenen alternativen Hauptversammlungszustimmung durch ein Gericht nicht statthaft sein. Anders als im streitigen Verfahren wäre die Zustimmungs- oder Ablehnungsentscheidung nicht als Beschluss i. S. v. § 38 Abs. 1 S. 1 FamFG zu qualifizieren, sodass sich dieses Ergebnis schon aus der Rechtsnatur der Gerichtsentscheidung ergibt. Wie noch an späterer Stelle der Arbeit gezeigt wird, kann ein fehlerhafter Hauptversammlungsbeschluss mittels einer Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklage gem. §§ 241 ff. AktG beanstandet werden. Die Möglichkeit der Aktionäre, eine Anfechtungsklage zu erheben, sollte entsprechend auf die Zustimmungshandlung des Gerichts angewandt werden, sofern mit der Zustimmung des Gerichts eine Verletzung von Gesetz oder Satzung entsprechend § 243 Abs. 1 AktG einhergeht. Die Anfechtungsbefugnis sollte sich an der Anfechtungsbefugnis gem. § 245 Nr. 1 AktG bei Anfechtung einer Hauptversammlungsentscheidung orientieren: Entsprechend dieser Regelung sollten diejenigen Aktionäre anfechtungsbefugt sein, die sich am „Zustimmungsverfahren“ beteiligt und dort ihre ablehnende Haltung zu einer Zustimmung des Gerichts geäußert haben. V. Zwischenergebnis 1. Von einigen Stimmen in der Literatur wird die Abschaffung des Hauptversammlungszustimmungserfordernisses in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG gefordert. Dies wird u. a. mit dem Bedürfnis des unauffälligen Verabschiedens eines Vorstandsmitgliedes aus der Gesellschaft begründet.

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

2. Andere Stimmen wollen einen solch geräuschlosen Ausstieg verhindern und halten angesichts der praktischen Bedeutungslosigkeit von § 148 AktG (Klagezulassungsverfahren) die Beteiligung der Hauptversammlung an einem Verzicht bzw. Vergleich für unabdingbar. 3. Schon für einen einvernehmlichen Ausstieg aus einer Gesellschaft hat der Gesetzgeber Vorsichtsmaßnahmen geschaffen (Karenzzeit für Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat, § 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AktG), weshalb erst recht im Rahmen streitiger Auseinandersetzungen, bei denen eine Pflichtverletzung eines Vorstandsmitgliedes, die eine Überwachungspflichtverletzung eines Aufsichtsratsmitgliedes indizieren könnte, Vorsicht geboten ist. Eine kontrollierende dritte Instanz ist daher im Rahmen einer Verzichts- bzw. Vergleichsvereinbarung zwischen AG und Vorstandsmitglied erforderlich. Eine ersatzlose Streichung der Hauptversammlungszustimmung ist hingegen abzulehnen. 4. Kontrollinstanz sollte neben der Hauptversammlung als primärem Zustimmungsorgan bei Verzichts- oder Vergleichsvorschlägen zudem nach US-amerikanischem Vorbild bei Vergleichen im Rahmen sog. shareholders’ derivative suit (Aktionärsklagen) auch ein Gericht sein, das mit seiner Zustimmung eine bereits geschlossene Vereinbarung wirksam werden lassen könnte. Nicht möglich sollte ein vom Gericht den Parteien auferlegter Zwangsvergleich oder -verzicht sein. 5. Ein solches Verfahren befreit nicht nur von der sonst schlichtweg digitalen Entscheidung der Hauptversammlung, sondern bringt daneben eine juristisch geschulte Instanz in das Verfahren ein, die sich aufgrund des im Rahmen des FamFG geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes gem. § 26 FamFG ein umfassendes Bild von den Umständen verschaffen könnte. 6. Das gerichtliche Verfahren sollte sich weitestgehend an dem Verfahren zur Bestellung eines besonderen Vertreters (§ 147 Abs. 2 S. 2 AktG) orientieren und insofern als Verfahren im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit ablaufen. 7. Aus prozessökonomischen Gründen sollte abweichend vom Verfahren nach § 147 Abs. 2 S. 2 AktG dasjenige Gericht für die Zustimmung zuständig sein, das auch im Rahmen einer streitigen Anspruchsgeltendmachung anzurufen wäre bzw. bereits angerufen wurde. 8. Die Aktionäre müssten über das für die Gesellschaft geltende Publikationsmedium von dem gewählten Verfahren in Kenntnis gesetzt werden. Ihnen müsste innerhalb eines Zeitraums von beispielsweise einem Monat die Möglichkeit gewährt werden, sich am Verfahren zu beteiligen oder hiergegen Widerspruch einzulegen. Diese Widerspruchsmöglichkeit soll-



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG161

te einer zehnprozentigen Minderheit der Aktionäre gewährt werden, sodass dieses nach derzeitigem gesetzlichen Leitbild in die Hauptversammlung zu verlagern wäre. 9. Das Gericht dürfte nur dann seine Zustimmung erteilen, wenn der Vorschlag als angemessen und fair einzustufen wäre. Hierfür heranzuziehende Kriterien, u. a. nach US-amerikanischem Vorbild, sollten neben anderen die Höhe der Schadenersatzforderung, die Erfolgsaussichten einer Klage, etwaige Beweisschwierigkeiten oder das Vorhandensein einer D&O-Versicherung für das betroffene Vorstandsmitglied sein. 10. Anders als in sonstigen Verfahren, die der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterliegen, sollten den Beteiligten für die zustimmende oder ablehnende Entscheidung des Gerichts keine Rechtsmittel gem. §§ 58 ff. FamFG zur Verfügung stehen. Stattdessen sollte den Aktionären, die sich am „Zustimmungsverfahren“ beteiligt haben und die sich dort gegen die Zustimmung des Gerichts ausgesprochen haben, bei einer gerichtlichen Zustimmung die Möglichkeit einer Anfechtungsklage entsprechend § 246 AktG gewährt werden.

D. Thesenartige Zusammenfassung zur Zustimmung der Hauptversammlung 1. Durch die obligatorische Zustimmung der Hauptversammlung zu einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung sollen kollusive Absprachen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat zulasten der Gesellschaft und den Minderheitsaktionären verhindert werden. 2. Ihre Zustimmung kann die Hauptversammlung nur durch einen formellen Beschluss erteilen; nicht ausreichend ist ein selbst einstimmig gefasster Entlastungsbeschluss. 3. Ausreichend für eine wirksame Zustimmung ist grundsätzlich die Anwesenheit eines einzigen stimmberechtigten Aktionärs; erforderlich ist eine einfache Stimmmehrheit. 4. Vorstandsmitglieder, die selbst Aktionäre sind, sind von der Abstimmung ausgeschlossen. Gleiches gilt, wenn sie als Gesamtschuldner betroffen sind. 5. Der Hauptversammlungsbeschluss unterliegt nach hier vertretener Ansicht keiner inhaltlichen Kontrolle, auch nicht einer treuepflichtgestützten Missbrauchskontrolle. Die Aktionäre sind in ihrem Abstimmungsverhalten frei.

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

6. Das Tatbestandsmerkmal der erforderlichen Hauptversammlungszustimmung sollte beibehalten werden und de lege ferenda alternativ durch die Zustimmung eines Gerichts substituiert werden können.

§ 2 Kein Widerspruch durch eine Minderheit von 10 % des Grundkapitals A. Allgemeines I. Regelungszweck Das Widerspruchsrecht einer Minderheit hatte nicht den Zweck, einen Verzicht oder Vergleich zwischen der AG und einem Vorstandsmitglied auszuschließen bzw. unmöglich zu machen. Gleichwohl sahen die Autoren der Regelung ein solches Minderheitenvetorecht im Lichte des Rechts der Minderheit, mittels Verlangen die Gesellschaft zur Anspruchsgeltendmachung zu verpflichten (Art. 223 Abs. 1 ADHGB 188464), deshalb für geboten, weil das Minderheitsverlangen zur Anspruchsgeltendmachung ansonsten seine Wirksamkeit verlöre.65 Nach der ursprünglichen Regelung waren die erforder­ lichen Minderheitsquoten für das verpflichtende Geltendmachungsverlangen und für den Widerspruch gegen eine Verzichts- bzw. Vergleichsvereinbarung daher identisch. Dies hatte gute Gründe: Denn ohne Möglichkeit der Minderheit, eine Verzichts- bzw. Vergleichsvereinbarung zu verhindern, wäre die Mehrheit unbehelligt darin gewesen, trotz einer durch die Minderheit in Gang gesetzten Haftungsgeltendmachung sich als Gesellschaft insgesamt mit dem betroffenen Vorstandsmitglied zu vergleichen oder auf den Anspruch zu verzichten und sich so über das Minderheitsverlangen hinwegzusetzen. Denn sobald sich die Gesellschaft über einen Anspruch wirksam vergleicht oder auf ihn verzichtet, wird die klageweise Geltendmachung desselben Anspruchs unzulässig: Nur bestehende Ansprüche können gerichtlich eingefordert werden.66 Auch heute noch wird der Zweck des Minderheitenwiderspruchs vielfach darin gesehen, die Rechtsverfolgungskompetenz der Min-

64  Gem. Art. 223 Abs. 1 ADHGB 1884 mussten Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder durch die Gesellschaft geltend gemacht werden, wenn dies von einer Minderheit, deren Anteile den fünften Teil des Grundkapitals darstellte, dies verlangte. 65  Allgemeine Begründung zum Entwurf eines Gesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften (1884), abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre AktienR, ZGR Sonderheft 4, 452. 66  Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 252; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 78; Spindler/Stilz/Mock, AktG, § 148 AktG Rdnr. 143.



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG163

derheit gemäß dem Klagezulassungsverfahren i. S. v. § 148 AktG zu schützen.67 II. Historische Entwicklung Art. 213d ADHGB 1884, der mit der zweiten Aktienrechtsnovelle von 1884 in die Gesetzbücher kam, sah bei einem Verzicht oder Vergleich zwischen der AG und ihrem Vorstandsmitglied für Ersatzansprüche aus der Gründung ein Widerspruchsrecht einer Minderheit vor, die den fünften Teil des Grundkapitals darstellen musste. Der Widerspruch musste lediglich erhoben werden, besondere Formvoraussetzungen gab es keine. Zwar wurde seitens eines Teilnehmers schon bei den Verhandlungen über die erste Regelung die Höhe des Quorums als möglicherweise zu hoch angeprangert, gleichwohl verzichtete dieser Teilnehmer auf einen Änderungsantrag, sodass es beim Quorum von 20 % des Grundkapitals blieb.68 Auch im Zuge der Lesungen zum HGB i. d. F. von 1897 wurde vorgeschlagen, das Quorum vom fünften auf den zehnten Teil des Grundkapitals herabzusetzen, womit die Forderung einherging, dies ebenfalls für das Minderheitenklageverlangen zu ändern.69 Begründet wurde dieses Begehren damit, dass das zwanzigprozentige Quorum die Minderheitsaktionäre zu sehr einschränke.70 Der Vorschlag wurde indes abgelehnt, sodass auch das HGB i. d. F. von 1897 einen Widerspruch nur dann als wirksam ansah, wenn er von einer Minderheit eingelegt wurde, die mindestens 20 % des Grundkapitals ausmachte. Neuerung brachte erst das Aktiengesetz i. d. F. von 1965, das nun auch eine Regelung für außerhalb der Gründung entstandene Ansprüche beinhaltete: Das Minderheitenquorum wurde auf den zehnten Teil des Grundkapitals herabgesenkt (§ 93 Abs. 4 S. 3 AktG 1965). Zudem konnte der Widerspruch nur noch zur Niederschrift erhoben werden. Die Herabsetzung der erforderlichen Minderheit diente der Angleichung an die geänderten Voraussetzungen

67  Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 315; Kölner Komm AktG/Mertens/ Cahn, § 93 AktG Rdnr. 161; NK AktG/U. Schmidt, § 93 AktG Rdnr. 138; Spindler/ Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 280. 68  Verhandlungen der Aktienrechtskommission (1882), abgedruckt bei Schubert/ Hommelhoff, Hundert Jahre AktienR, ZGR Sonderheft 4, 320. 69  Bericht der XVIII. Kommission über den Entwurf des H.G.B. sowie den Entwurf eines EinfG. zu demselben, abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen HGB 1897, 1310. 70  Bericht der XVIII. Kommission über den Entwurf des H.G.B. sowie den Entwurf eines EinfG. zu demselben, abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen HGB 1897, 1310.

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des Geltendmachungsverlangens durch eine Minderheit.71 Der Entwurf enthielt darüber hinaus den Vorschlag, den Widerspruch auch derjenigen Minderheit zuzugestehen, die Anteile mit einem Nennbetrag von zwei Mil­ lionen DM hält (§ 90 Abs. 4 S. 3 EAktG 196572). Dieser Vorschlag wurde hingegen nicht umgesetzt.

B. Voraussetzungen eines Widerspruchs I. Widerspruchsberechtigte Widerspruch erheben können grundsätzlich alle Aktionäre, selbst Inhaber stimmrechtsloser Anteile.73 Hält ein einzelner Aktionär Anteile in Höhe des Mindestquorums, ist auch ein Widerspruch des Einzelnen möglich.74 Wer allerdings ohne Vorbehalte für die Verzichts- bzw. Vergleichsvereinbarung mit dem Vorstandsmitglied als Aktionär gestimmt hat, ist nicht berechtigt, im Anschluss Widerspruch gegen die Vereinbarung zu erheben.75 Dies ergibt sich aus der gesellschafterlichen Treuepflicht.76 II. Berechnung des Quorums Damit ein Widerspruch Wirkung gegen die Zustimmung der Hauptversammlung zu einem Verzicht bzw. Vergleich entfalten kann, muss eine Minderheit, „deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen“, diesem Entschluss widersprechen. Das zehnprozentige Quorum errechnet sich nach dem Nennwert des vorhandenen Grundkapitals, nicht nach dem in der Hauptversammlung vertretenen oder stimmberechtigten Kapital.77

71  Begründung

der BReg zum Entwurf des AktG 1965, BT-Drucks. IV/171, 132. der BReg für das AktG 1965, BT-Drucks. IV/171, 21. 73  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 515; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 315; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 284; Schmidt/ Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 67. 74  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, §  93 AktG Rdnr.  515; MünchKomm AktG/ Spindler, § 93 AktG Rdnr. 284. 75  Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 38; GroßKomm AktG/Hopt/ Roth, § 93 AktG Rdnr. 515; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 315; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 160; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 281. 76  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 515; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 315. 77  Cahn, Vergleichsverbote, 28; Handbuch Managerhaftung/Haas/Wigand, § 20 Rdnr. 20.71; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 67. 72  Entwurf



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG165

III. Widerspruchshandlung („zur Niederschrift“) Gem. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG muss der Widerspruch zur Niederschrift (§ 130 AktG) erhoben werden. In börsennotierten Aktiengesellschaften hat der Widerspruch gegenüber dem amtierenden Notar zu erfolgen (§ 130 Abs. 1 S. 1  AktG),78 bei nicht börsennotierten Gesellschaften reicht aus, dass die Niederschrift vom Aufsichtsratsvorsitzenden unterschrieben wird (§ 130 Abs. 1 S. 3 AktG). Gleichwohl ist zu beachten, dass der Widerspruch auch dann Wirksamkeit erlangt, sofern Fehler bei der Protokollierung auftreten:79 Die Niederschrift des Widerspruchs dient einer vereinfachten Beweiserbringung des Widersprechenden. Würde man sie als zwingende Wirksamkeits­ voraussetzung einordnen, liefe dies dem Regelungszweck entgegen.80 Der Beweis, dass Widerspruch erhoben wurde, kann von den Minderheitsaktionären bei fehlendem Widerspruch daher auch auf andere Weise erbracht werden.81 Vom zur Niederschrift abzugebenden Minderheitswiderspruch abzugrenzen ist das schlichte Votum gegen die Zustimmung zu einem Verzicht oder Vergleich, welches für sich genommen nicht ausreichend für den erforder­ lichen Widerspruch ist.82 Richtet sich der Widerspruch nur gegen einen Teil der Vereinbarung, muss gem. § 139 BGB ausgelegt werden, inwieweit dem übrigen Inhalt Wirksamkeit zukommen soll.83 78  Handbuch Managerhaftung/Haas/Wigand, §  20 Rdnr. 20.71; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 315; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 160; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 284; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 281. 79  Allgemeine Meinung: OLG Jena, ZIP 2014, 2501, 2503; OLG Brandenburg, NZG 2002, 476, 477; OLG Düsseldorf, AG 1996, 273, 274; Bezzenberger, Festschrift Schippel, 361, 374; GroßKomm AktG/Mülbert, § 130 AktG Rdnrn. 19, 152; Hölters/ Dirnhausen, AktG, § 130 AktG Rdnr. 47; Kölner Komm AktG/Noack/Zetzsche, § 130 AktG Rdnr. 345; MünchKomm AktG/Kubis, § 130 AktG Rdnrn. 10, 91; Schmidt/ Lutter/Ziemons, AktG, § 130 AktG Rdnr. 37; Spindler/Stilz/Wicke, AktG, § 130 AktG Rdnr. 10. 80  Hölters/Dirnhausen, AktG, § 130 AktG Rdnr. 47; Spindler/Stilz/Wicke, AktG, § 130 AktG Rdnr. 68. 81  Bezzenberger, Festschrift Schippel, 361, 374; GroßKomm AktG/Mülbert, § 130 AktG Rdnr. 152; Kölner Komm AktG/Noack/Zetzsche, § 130 AktG Rdnr. 345; Schmidt/Lutter/Ziemons, AktG, § 130 AktG Rdnr. 37. 82  Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 250; Fleischer, AG 2015, 133, 138; Handbuch Managerhaftung/Haas/Wigand, § 20 Rdnr. 20.71; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 284; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 67; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 281. 83  Fleischer, AG 2015, 133, 138; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 315.

166

Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

C. Kritik sowie eigene Bewertung und Forderungen de lege ferenda zum Minderheitenvetorecht Das Minderheitenvetorecht wurde ursprünglich als Korrelat zum Recht der Minderheit eingeführt, durch Verlangen die Gesellschaft zur Anspruchsverfolgung von Schadenersatzansprüchen gegen Organmitglieder zu verpflichten. Damit sollte sichergestellt werden, dass das Bestreben einer Minderheit, eine Anspruchsgeltendmachung herbeizuführen, nicht durch eine Verzichtsbzw. Vergleichsentscheidung der Mehrheit seine Bedeutung verliert.84 Dieses Minderheitenrecht ist mit Umsetzung des UMAG85 im Jahr 2005 entfallen. Stattdessen steht der Minderheit nun gem. § 148 AktG das Recht zu, eine Klagezulassung zu beantragen, um anschließend im eigenen Namen Ersatzansprüche der Gesellschaft geltend zu machen. Die erforderliche Minderheitenquote beträgt hierbei 1  ­ % des Grundkapitals bzw. nominal 100.000 Euro. Wegen des Wegfalls des ursprünglichen Minderheitenrechts in § 147 Abs. 1 S. 1 AktG a. F. bzw. der Diskrepanz der verschiedenen Minderheitenquoten zwischen § 148 Abs. 1 AktG und § 93 Abs. 4 S. 3 AktG wird teilweise die Abschaffung oder Anpassung des Minderheitenquorums in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG gefordert. Andere Stimmen plädieren für die Beibehaltung des Minderheitenquorums in seiner jetzigen Fassung. I. Stimmen für Abschaffung des Minderheitenvetorechts Nicht wenige Stimmen sprechen sich für eine Abschaffung des Minderheitenvetorechts in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG aus.86 Sailer-Coceani führte hierzu in 84  Allgemeine Begründung zum Entwurf eines Gesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften (1884), abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre AktienR, ZGR Sonderheft 4, 452. 85  Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts vom 22. September 2005, BGBl. I 2005, 2802. 86  DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2014, 863, 865; ders., NZG 2012, 380, 383; ders., NZG 2011, 217, 221; ders., NZG 2010, 897, 899; Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 250 („Es erscheint […] fraglich, ob das Widerspruchsrecht de lege lata weiterhin sinnvoll ist.“); Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2122; Hasselbach, NZG 2016, 890, 892; Sailer-Coceani, 70. DJT 2014, Sitzungsberichte – Referate und Beschlüsse Abteilung Wirtschaftsrecht, N 19; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 67 (sehen die Aufhebung des Minderheitenwiderspruchsrechts angesichts der Änderungen durch das UMAG als „naheliegend“); Wachter/Link, AktG, § 93 AktG Rdnr. 87; Weierer, Disposition über Ansprüche, 124 f.; Wigand, Haftungsbeschränkungen, 341 (bezeichnet das Minderheitsquorum seit dem UMAG als „überflüssig“).



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG167

ihrem Referat im Rahmen des 70. Deutschen Juristentages 2014 in Hannover an, dass sowohl die AG als auch die betroffenen Organmitglieder ein großes Interesse daran hätten, einvernehmliche Lösungen zu finden. Von gesetz­ licher Seite aus dürfe dieses Ziel aber nicht übermäßig erschwert werden (wie aktuell durch die Möglichkeit einer widersprechenden Aktionärsminderheit); ausreichend Kontrolle biete bereits das Erfordernis der Hauptversammlungszustimmung.87 Der Handelsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins plädiert seit Jahren für die Abschaffung des Minderheitenvetorechts.88 Während die zehnprozentige Minderheit in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG ursprünglich als Gegenpol zu § 147 Abs. 1 AktG a. F.89 geschaffen wurde, habe das Minderheitenvetorecht in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG seit der Streichung von § 147 Abs. 1 S. 1 AktG a. F. durch das UMAG seine Grundlage verloren.90 Ebenso sieht es Wigand, der die Regelung inzwischen für „überflüssig“ hält.91 Krieger und Sailer-Coceani halten angesichts der Abschaffung des § 147 Abs. 1 AktG a. F. eine Streichung des Minderheitenvetorechts in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zudem für naheliegend.92 Hasselbach stuft das Minderheitenwiderspruchsrecht gar als „wenig sinnvolle, schwer handhabbare und […] inhaltlich überholte“ Regelung ein und spricht sich deshalb für dessen Abschaffung aus.93 Denn schon im Vorfeld, wenn ein Vertrag ausgehandelt werde und ein Minderheitenwiderspruch nicht ausgeschlossen werden könne, blockiere dieses Recht insbesondere bei börsennotierten Aktiengesellschaften mit einem großen Streubesitzanteil sinnvolle Lösungen zwischen den Betroffenen.94 Haarmann und Weiß begründen ihr Plädoyer für die Abschaffung des Minderheitenwiderspruchsrechts damit, dass ein solcher Widerspruch heutzutage 87  Sailer-Coceani, 70. DJT 2014, Sitzungsberichte – Referate und Beschlüsse Abteilung Wirtschaftsrecht, N 19. 88  DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2014, 863, 865; ders., NZG 2012, 380, 383; ders., NZG 2011, 217, 221; ders., NZG 2010, 897, 899 (die unterlassene Änderung des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG im Rahmen des UMAG wird hier als „Redaktionsversehen“ bezeichnet). 89  Gem. § 147 Abs. 1 AktG a. F. konnte eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichten, mit verpflichtender Wirkung die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder verlangen. 90  DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2011, 217, 221; ders., NZG 2010, 897, 899. 91  Wigand, Haftungsbeschränkungen, 341. 92  Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 67. 93  Hasselbach, NZG 2016, 890, 892. 94  Hasselbach, NZG 2016, 890, 892.

168

Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

nicht mehr erforderlich sei. Die Autoren verweisen auf die hinreichend abschreckende Wirkung der Mannesmann-Entscheidung des BGH95, wonach es den Organen ausdrücklich verboten ist, einem Vorstandsmitglied einen Vorteil zukommen zu lassen, für welchen dieses keine Gegenleistung erbracht hat (sog. „kompensationslose Anerkennungsprämie“). Verstoßen sie hiergegen, steht der strafrechtliche Vorwurf der Untreue im Raum,96 welcher, so Haarmann und Weiß, die Organe hinreichend von einem pflichtwidrigen Handeln abhielte.97 II. Stimmen für Beibehaltung des Minderheitenvetorechts Andere Stimmen wollen an der Widerspruchsmöglichkeit der Minderheit festhalten.98 Auf dem 70. Deutschen Juristentag 2014 in Hannover wurde ausweislich mit überwiegender Mehrheit (70:6:6 Stimmen) für die Beibehaltung des Widerspruchsrechts einer zehnprozentigen Minderheit votiert.99 Bereits in seinem Gutachten, das Grundlage der Diskussionen auf dem 70. Deutschen Juristentag war, hatte Bachmann sich ausdrücklich für eine Beibehaltung des Minderheitenvetorechts ausgesprochen. Zwar sei § 147 Abs. 1 S. 1 AktG a. F. im Rahmen des UMAG gestrichen worden, gleichwohl sei das Klageerzwingungsrecht der Minderheit dadurch nicht entfallen, sondern durch das Klagezulassungsverfahren mit anschließender Aktionärsklage in § 148 AktG ersetzt worden. Letzteres Verfahren steht bereits einer Minderheit offen, die 1 % am Grundkapital hält bzw. mit nominal 100.000 Euro an der AG beteiligt ist, weshalb sich Bachmann in zweiter Linie für eine Anpassung des Quorums in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG an diese Beteiligungsquoten ausspricht. Er plädiert in erster Linie gleichwohl für eine Beibehaltung der jetzigen Regelung: Anders als in § 148 AktG ist das Minderheitenvetorecht in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG an keine inhaltlichen Voraussetzungen geknüpft. Das birgt die Gefahr grundloser Torpedierung der Vereinbarungen in sich, weshalb eine Herabsetzung des Quorums mit einer Angleichung an sonstige Voraussetzungen wie im Klagezulassungsverfahren einhergehen müsste. Das wiederum schaffe Rechtsunsicherheit, was für eine Beibehaltung der bisheri95  BGHSt

50, 331. 50, 331, 335 ff. 97  Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2122. 98  Bachmann, 70. DJT 2014, Gutachten, E 53; Binder, Grenzen Vorstandshaftung, 389; Fleischer, AG 2015, 133, 138; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 514; Habersack, Festschrift Baums, 531, 545; Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 64 f. 99  Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, 70. DJT 2014, Sitzungsberichte – Referate und Beschlüsse Abteilung Wirtschaftsrecht, Beschluss I.7.b), N 63. 96  BGHSt



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG169

gen Regelung spreche.100 Auf gleicher Linie argumentieren Fleischer101 und Binder.102 III. Stellungnahme 1. Für Beibehaltung des Minderheitenvetorechts im Allgemeinen

Diejenigen Stimmen, die sich für eine Abschaffung des Minderheitenvetorechts aussprechen, begründen dies überwiegend mit dem Wegfall des in § 147 Abs. 1 S. 1 AktG a. F. geregelten Rechts der Minderheit, die Verfolgung von Ersatzansprüchen durch die Gesellschaft zu verlangen. Zuzustimmen ist dieser Argumentation insofern, als ursprünglich das Minderheitenvetorecht im Rahmen des Verzichts bzw. Vergleichs als Korrelat zum früheren Minderheitenrecht aus § 147 Abs. 1 AktG a. F. geschaffen wurde. Dessen Wegfall könnte auch den Wegfall des Minderheitenrechts in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nahelegen. Gleichwohl übersehen die Vertreter dieser Ansicht, dass das Recht der Minderheit nicht vollständig entfallen ist. Vielmehr hat es eine Umwandlung erfahren. Gem. § 148 Abs. 1 AktG kann die Minderheit mittlerweile sogar die Zulassung zur Verfolgung der Ansprüche der Gesellschaft im eigenen Namen verlangen. Auch nur in geringem Umfang beteiligte Anleger haben dieses Recht. Indem die Minderheit, die den Anspruch verfolgt, viel größeren, insbesondere finanziellen Risiken ausgesetzt ist, muss ihr ein besonderer Schutz gegen die dominierende Mehrheit zukommen. Um somit die aufgrund eines Klagezulassungsverfahrens durchgeführte Minderheitenklage nicht wegen Wegfalls des Verhandlungsgegenstandes unzulässig werden zu lassen, muss auch weiterhin im Rahmen eines Verzichts bzw. Vergleiches der Minderheit ein Recht zugesprochen werden, gegen eine solche Vereinbarung ein wirksames Veto einzulegen. Zusammenfassend ist an der Möglichkeit einer Minderheit, sich wirksam gegen das Zustandekommen eines Verzichts bzw. Vergleichs auszusprechen, festzuhalten.

100  Bachmann,

70. DJT 2014, Gutachten, E 52 f. AG 2015, 133, 138. 102  Binder, Grenzen Vorstandshaftung, 389 f. 101  Fleischer,

170

Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts 2. Für Beibehaltung des Minderheitenvetorechts in bisheriger Höhe

Dass die Ansicht Bachmanns, Fleischers und Binders, das Minderheitenvetorecht in seiner bisherigen Fassung beizubehalten,103 auch hinsichtlich des zehnprozentigen Quorums vorzugwürdig ist, leuchtet ein, wenn man auf die historische Entwicklung des Minderheitenrechts in § 147 Abs. 1 S. 1 AktG a. F. blickt. a) Historische Entwicklung des Minderheitenrechts in § 147 Abs. 1 S. 1  AktG  a. F. Das Recht einer Minderheit, die Gesellschaft zur Geltendmachung von Organhaftungsansprüchen zu verpflichten, gelangte mit dem ADHGB i. d. F. von 1884 in die Gesetzbücher (Art. 223 Abs. 1 ADHGB 1884). Das ursprüngliche Quorum betrug 20 %. Daneben wurde das Verlangen schon damals an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft. So mussten z. B. die Aktionäre, die von ihrem Recht Gebrauch machten, den fünften Teil des Grund­ kapitals in Aktien gerichtlich hinterlegen und für die Prozesskosten der ­Gesellschaft aufkommen (Art. 223 Abs. 2 ADHGB 1884). Während der Verhandlungen für das Gesetz war von Kammergerichtsrat Keyssner zwar gefordert worden, die Quote auf 10 % herabzusetzen; dessen Antrag wurde allerdings abgelehnt (6:3 Stimmen).104 Eine solche Herabsetzung der verpflichtungsberechtigten Minderheit fand erst mit Einführung des HGB i. d. F. von 1897 statt. § 268 Abs. 1 HGB 1897 verlangte nur noch, dass die Minderheit 10 % des Grundkapitals vereinte. Die zusätzlichen Voraussetzungen blieben überwiegend gleich (§  269 HGB 1897). Zurück ging die Reduzierung des Quorums auf einen Antrag von Strombecks, der Mitglied der ausarbeitenden Kommission war.105 Er begründete sein Vorbringen damit, dass die zwanzigprozentige Quote zu hoch angesetzt sei, da ein Großteil der Aktien sich in den Händen Weniger befände, sodass eine effektive Anspruchsverfolgung nicht möglich sei.106 Diesem Antrag wurde entgegengehalten, dass zwar die Einsetzung von Sonderprüfern (sog. „Revisoren“) durch eine solche zehnprozentige Minderheit 103  Hierzu unter Teil 5, § 2, C., II. Stimmen für Beibehaltung des Minderheiten­ vetorechts, S. 168. 104  Verhandlungen der Aktienrechtskommission am 24.3.1882, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre AktienR, ZGR Sonderheft 4, 348. 105  Abänderungsanträge von Mitgliedern der XVIII. Kommission, abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen HGB 1897, 1239. 106  Bericht der XVIII. Kommission über den Entwurf eines H.G.B. sowie den Entwurf eines EinfG. zu demselben, abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen HGB 1897, 1333.



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG171

möglich sei, diese Situation aber deshalb anders zu beurteilen sei, weil im Gegensatz zur schlichten Einsetzung von Revisoren das Minderheitsverlangen zur Anspruchsverfolgung eine solche Anspruchsverfolgung der Gesellschaft aufzwinge. Mittels eines deutlich höheren Quorums im Rahmen der Anspruchsverfolgung müssten unnötige Prozesse, die auf einem solchen Aufzwingen beruhten, verhindert werden.107 Der Antrag wurde trotz dieses Einwurfs angenommen,108 sodass fortan nur noch 10 % der Minderheit vereint sein mussten, um eine Anspruchsgeltendmachung zu verlangen. Keine Absenkung des Quorums, sondern die Einführung eines zusätz­lichen alternativen Quorums brachte die Notverordnung von 1931. Gem. § 268 HGB i. d. F. der Notverordnung von 1931 konnte auch eine Minderheit von 5 % eine Anspruchsgeltendmachung von der Gesellschaft verlangen, sofern bereits ein Prüfungsbericht Tatsachen festgestellt hatte, aus welchem sich die Ersatzansprüche ergaben.109 Das Aktiengesetz i. d. F. von 1937 übernahm diese Regelung in § 122 AktG 1937. Eine Änderung erfuhr lediglich die Frist, innerhalb derer die Gesellschaft den Anspruch nach Verlangen der Minderheit geltend machen musste: Diese wurde von drei auf sechs Monate angehoben (§ 123 Abs. 1 AktG 1937). Erneute Änderungen brachte die Aktienrechtsreform von 1965. Gem. § 147 Abs. 1 AktG 1965 wurde das durch die Notverordnung von 1931 eingeführte Minderheitenrecht bei in einem Prüfungsbericht festgestellten Tatsachen gestrichen. Dass eine Erleichterung für die Minderheit in der endgültigen Gesetzesfassung ganz entfiel, verwundert insofern, als die Bundesregierung in ihrem Entwurf noch alternativ zur Vereinigung von 10 % des Grundkapitals diejenigen Aktionäre als befugt ansehen wollte, die nominal zwei Millionen Deutschen Mark vereinigten (und damit die bisherige Regelung ersetzen wollte).110 Indem ein Aktienbesitz i. H. v. zwei Millionen Deutsche Mark als ausreichend erklärt werden sollte, sollte die Ausübung des Minderheitenrechts insbesondere in großen Publikumsgesellschaften erleichtert werden, bei denen die Schwelle von 10 % des Grundkapitals kleinen Aktionären ansonsten praktisch unmöglich gemacht wurde.111 Denn, so der Ent107  Bericht der XVIII. Kommission über den Entwurf eines H.G.B. sowie den Entwurf eines EinfG. zu demselben, abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen HGB 1897, 1334. 108  Bericht der XVIII. Kommission über den Entwurf eines H.G.B. sowie den Entwurf eines EinfG. zu demselben, abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen HGB 1897, 1334. 109  § 268 Abs. 1 HGB i. d. F. der Notverordnung v. 21. September 1931, RGBl. I 1931, 500. 110  § 140 Abs.1 EAktG 1965, BT-Drucks. IV/171, 33. 111  Begründung der BReg zum Entwurf des AktG 1965, BT-Drucks. IV/171, 164, 112.

172

Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

wurf, „[w]enn […] das Gesetz Minderheitenrechte gewährt, so muß es die Anforderungen an die Minderheit auch so bestimmen, daß diese Rechte nicht nur auf dem Papier stehen“.112 Im Rahmen der Vorarbeiten zum KonTraG113 wurde festgestellt, dass vom Klageerzwingungsrecht nur selten Gebrauch gemacht wurde.114 Statt einer Herabsetzung der Anforderungen für die Klageerzwingung selbst wurden mit Umsetzung des KonTraG allerdings nur die Anforderungen an die Bestellung eines besonderen Vertreters erleichtert: Dessen Bestellung konnte fortan von einer Minderheit von 5 % bzw. einer Anteilseignerschaft i. H. v. einer Million Deutsche Mark Nennbetrag in Fällen des Verdachts von Unredlichkeiten oder groben Pflichtverletzungen gefordert werden. Hierbei gilt zu beachten, dass dieses vergleichsweise niedrige Quorum nur unter Kopplung an weitere Voraussetzungen eingeführt wurde; ein Vorschlag der SPD-Fraktion, das Quorum generell auf eine Million Deutsche Mark abzusenken, wurde hingegen als zu pauschal abgetan. Zu sehr befürchtete man beispielsweise den Rückgang der Entscheidungsfreude der Verantwortlichen oder eine Klage­ anstrebung einer Minderheit, die nicht die Wahrung der Interessen der Mehrheit verfolge.115 Aufgehoben wurde das Klageerzwingungsverfahren für die Minderheit schließlich mit Umsetzung des UMAG116 im Jahr 2005. Eingeführt wurde der heutige § 148 AktG, der eine Minderheit von 1 % oder einem anteiligen Betrag von 100.000 Euro am Grundkapital berechtigt, eine Klagezulassung zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen Organmitglieder in eigenem Namen zu beantragen. Auch hier hat der Gesetzgeber eine kontrollierende Instanz zwischengeschaltet – das Gericht –, womit sich dieses geringe Quorum rechtfertigen lässt. Ausdrücklich wird dies im Ge­ setzesentwurf der Bundesregierung festgehalten: „Der Schwellenwert von 100.000 Euro ist niedrig und kann nur im Zusammenhang mit den weiteren Einschränkungen und Sicherungen (Zulassungsverfahren mit seinen Voraussetzungen, Kostenregelung, […]) verstanden und vertreten werden.“117

112  Begründung

112.

der BReg zum Entwurf des AktG 1965, BT-Drucks. IV/171, 164,

113  Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27. April 1998, BGBl. I 1998, 786. 114  Begründung der BReg zum Entwurf des KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, 21. 115  Begründung der BReg zum Entwurf des KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, 21. 116  Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts vom 22. September 2005, BGBl. I 2005, 2802. 117  Begründung der BReg zum Entwurf des UMAG, BT-Drucks. 15/5092, 20.



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG173

b) Folgen aus dieser historischeren Entwicklung für das Widerspruchsrecht einer Minderheit in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Die historische Entwicklung des Rechts einer Minderheit, die Anspruchsgeltendmachung von Organhaftungsansprüchen zu verlangen, zeigt, dass die sukzessive Herabsetzung der Voraussetzungen mit beschränkenden zusätz­ lichen Voraussetzungen verknüpft wurde. Ein vorbehaltloses Absenken auf vergleichsweise niedrige Schwellen wurde als zu pauschal und kontraproduktiv abgetan. Wie im eben zitierten Regierungsentwurf zum UMAG verdeutlicht wurde, ist die durch § 148 Abs. 1 AktG eingeführte niedrige Schwelle nur unter dem Aufbau sonstiger in § 148 Abs. 1 S. 2 AktG genannter Hürden und deren Kontrolle durch das Gericht zu verstehen. Blickt man auf den Tatbestand des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, fehlt eine vergleichbare Kontrollinstanz. Würde man einer ebenso kleinen Minderheit im Rahmen eines Verzichts oder Vergleichs die Möglichkeit zum Widerspruch einräumen, könnte diese sinnvolle Vereinbarungen verhindern. Eine Minderheit von 10 % zu vereinen, bedarf insbesondere in größeren Gesellschaften eines gewissen Aufwands. Diesen Aufwand wird nur auf sich nehmen, wer tatsächlich Gründe für die Verhinderung einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung hat. Weil das Quorum so hoch angesetzt ist, kann es gerade in Gesellschaften mit vielen kleinen Anlegern häufig erst ausgeübt werden, wenn sich hinreichend Aktionäre zusammengeschlossen haben. Insofern scheint das Argument Hasselbachs, das Widerspruchsrecht der Minderheit verhindere gerade in börsennotierten Gesellschaften mit großem Streubesitzt schon im Vorfeld sinnvolle Vorschläge,118 nicht berechtigt. Die Übertragung der klageberechtigenden Kriterien aus § 148 Abs. 1 S. 2 AktG auf das Minderheitenwiderspruchsrecht in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, die Korrektiv zur Herabsenkung des Quorums von 10 % auf 1 % sein könnten, wäre mit zusätzlicher Rechtsunsicherheit verbunden,119 weshalb die Beibehaltung der jetzigen Regelung die zu bevorzugende Lösung ist. 3. Zwischenergebnis

1. Von nicht wenigen Stimmen wird die Abschaffung des Rechts auf Widerspruch einer Minderheit i. R.v. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG gefordert. Die Vertreter stützen sich auf den Wegfall des ursprünglichen Korrelats hierzu, nämlich dem Recht einer Minderheit gem. § 147 Abs. 1 AktG a. F., von der Gesellschaft die Geltendmachung von Organhaftungsansprüchen zu 118  Hasselbach, 119  Bachmann,

389.

NZG 2016, 890, 892. 70. DJT 2014, Gutachten, E 53; Binder, Grenzen Vorstandshaftung,

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

verlangen. Hinreichend Minderheitenschutz garantiere u. a. der obligatorische Hauptversammlungszustimmungsbeschluss. 2. Befürworter der Beibehaltung des Minderheitenwiderspruchs verweisen einerseits darauf, dass das ursprüngliche Korrelat zwischen dem Minderheitenvetorecht gem. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG und § 147 Abs. 1 AktG a. F. nicht ersatzlos entfallen sei, sondern in umgewandelter Form in § 148 Abs. 1 AktG (dem Klagezulassungsverfahren) fortbestehe, sodass kein Grund für die Abschaffung des Minderheitenvetorechts bestehe. Mangels sonstiger Voraussetzungen für den Widerspruch müsse andererseits zur Vermeidung grundloser Torpedierung sinnvoller Vereinbarungen an dem Quorum in bestehender Höhe von 10 % festgehalten werden. 3. Letzterer Ansicht eines Fortbestehens des ursprünglichen Korrelats in der veränderten Form des Klagezulassungsverfahrens ist zuzustimmen. Um eine in dieser Form tätig werdende Minderheit vor kollusiven Absprachen zwischen Organen und beherrschenden Aktionärsgruppen zu schützen, muss insbesondere im Lichte des erheblichen finanziellen Risikos der Minderheit beim Klagezulassungsverfahren das Widerspruchsrecht der Minderheit in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG beibehalten werden. 4. Die Untersuchung der historischen Entwicklung des ursprünglichen Rechts der Minderheit auf Verlangen einer Anspruchsgeltendmachung gegenüber der Gesellschaft hat gezeigt, dass die Absenkung des dortigen Quorums nur vertretbar war, weil sonstige Hürden einem grundlosen ­Tätigwerden der Minderheit entgegenwirkten. Mangels zusätzlicher Voraussetzungen für den Widerspruch einer Minderheit im Rahmen einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung ist das bisherige zehnprozentige Quorum beizubehalten, um ebensolchem grundlosen Torpedieren entgegenzuwirken.

D. Thesenartige Zusammenfassung zum Widerspruchsrecht einer Minderheit von 10 % des Grundkapitals 1. Das Recht einer Minderheit, Widerspruch gegen eine Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung zu erheben und diese damit endgültig unwirksam zu machen, wurde als Korrelat zum Recht der Minderheit, die Geltendmachung von Organhaftungsansprüchen zu verlangen, eingeführt. Das Widerspruchsrecht soll nach Ansicht vieler auch heute noch die Minderheit davor schützen, dass aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses ein von ihnen angestrebtes Verfahren zur Geltendmachung eines Organhaftungsanspruchs dadurch ausgeschlossen wird, indem über einen Anspruch eine Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung getroffen wird.



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG175

2. Widerspruchsberechtigt sind alle, auch stimmrechtslose Aktionäre. Ausgeschlossen sind lediglich diejenigen Aktionäre, die vorbehaltlos für den Abschluss einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung gestimmt haben. 3. Die Minderheit muss 10 % des Grundkapitals vereinen und den Widerspruch zur Niederschrift erklären. 4. Das Widerspruchsquorum ist nach hier vertretener Auffassung als Tatbestandsmerkmal an sich und auch in seiner bisherigen Höhe in Zukunft beizubehalten, um denjenigen Minderheitsaktionären, die ein Klagezulassungsverfahren nach § 148 AktG anstreben, vor dessen Unwirksamwerden hinreichend Schutz zu gebieten. Mangels zusätzlicher Voraussetzungen für den Widerspruch, ist das Quorum nicht herabzusenken.

§ 3  Sperrfrist A. Allgemeines I. Regelungszweck Die ursprüngliche Regelung in Art. 213d ADHGB 1884, die einen Verzicht oder Vergleich über Haftungsansprüche aus der Gründung vor die Schranke der dreijährigen Sperrfrist stellte, sollte verhindern, dass die Gründer aufgrund ihres vermeintlich auch nach der Gründung vorherrschenden Einflusses auf die Generalversammlung im Eiltempo ihre persönliche finanzielle Entlastung mittels Verzichts- oder Vergleichsvertrages herbeiführen konnten.120 Die Rechtsprechung sah den Zweck der Fristenregelung (durch das HGB i. d. F. von 1897 damals auf fünf Jahre angehoben) zudem darin, dass erst nach Ablauf dieser Zeitspanne das Vorhandensein möglicher Ansprüche übersehen werden könne.121 Das Aufrechterhalten der Frist im Rahmen der Ausdehnung der Schrankenregelung auf diejenigen Ersatzansprüche, die nach der Gründung entstehen, soll verhindern, dass die Gesellschaft zu einem Zeitpunkt über einen Verzicht oder Vergleich Beschluss fasst, zu welchem das Ausmaß des durch das Fehlverhalten des Vorstandsmitglieds herbeigeführten Schadens noch nicht überblickbar ist.122 120  Allgemeine Begründung zum Entwurf eines Gesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften (1884), abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre AktienR, ZGR Sonderheft 4, 452 f. 121  RGZ 133, 33, 38. Hierzu auch Cahn, Vergleichsverbote, 35. 122  Begründung der BReg zum Entwurf des AktG 1965, BT-Drucks. IV/171, 132. Zurückgehend auf ein Urteil des Reichsgerichts, RGZ 133, 33, 38.

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

II. Historische Entwicklung Ein erster Verzichts- bzw. Vergleichsregulierungsentwurf betreffend Ansprüche aus der Gründung und solchen aus Art. 213b Entwurf ADHGB 1884 von Januar 1882 sah vor, dass die Gesellschaft erst zwei Jahre nach Eintragung des Gesellschaftsvertrages im Handelsregister auf diese Ansprüche verzichten durfte bzw. sich hierüber vergleichen konnte.123 Während der Verhandlungen der Aktienrechtskommission im März 1882 setzten sich die Diskutanten mit der Frage auseinander, ob es wirtschaftlich wünschenswert sei, diese zweijährige Frist zu erweitern.124 Zu diesem Zeitpunkt korrespondierte die im Entwurf vorgesehene zweijährige Frist in Art. 213c Entwurf ADHGB 1884 mit derjenigen in Art. 213b Entwurf ADHGB 1884, wonach derjenige, der öffentlich Aktien anbot, im Zeitraum von zwei Jahren seit Eintragung der AG in das Handelsregister gegenüber der Gesellschaft zur gleichen Prüfung der Angaben wie ein Aufsichtsratsmitglied verpflichtet war. Die Teilnehmer der Aktienrechtskommission befanden, dass die Frist in Art. 213c Entwurf ADHGB 1884 länger als jene in Art. 213b Entwurf ADHGB 1884 sein müsse, um zu verhindern, dass bereits kurze Zeit nachdem das schädigende Rechtsgeschäft abgeschlossen würde, auf den da­ raus resultierenden Anspruch verzichtet werden könne.125 Schließlich einigten sie sich darauf, die Frist in Art. 213c Entwurf ADHGB 1884 auf drei Jahre anzuheben.126 In der finalen Version (Art. 213d ADHGB 1884) betrug die Frist sodann drei Jahre. Die Entwürfe für das HGB i. d. F. von 1897 behielten für die Regelung von Verzicht bzw. Vergleich über Gründungsansprüche die Sperrfrist von drei Jahren noch bei.127 Eine Anhebung auf fünf Jahre fand mit Einführung des

123  Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften (Januar 1992), abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre AktienR, ZGR Sonderheft 4, 276. 124  Verhandlungen der Aktienrechtskommission, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre AktienR, ZGR Sonderheft 4, 289, 320. 125  Verhandlungen der Aktienrechtskommission, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre AktienR, ZGR Sonderheft 4, 320. 126  Verhandlungen der Aktienrechtskommission, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre AktienR, ZGR Sonderheft 4, 320. 127  § 172 Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für das Deutsche Reich von 1895, abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Gesetze und Entwürfe HGB 1897, 267 f.; § 191 Entwurf eines Handelsgesetzbuchs mit Ausschluß des Seehandelsrechts 1896, abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Gesetze und Entwürfe HGB 1897, 397; § 198 Entwurf eines Handelsgesetzbuchs mit Ausschluß des Seehandelsrechts, Bundesrathsdrucksache Nr. 133, abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Gesetze und Entwürfe HGB 1897, 515; § 203 Entwurf eines Handelsgesetzbuchs mit Ausschluß



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG177

§ 205 HGB 1897 statt.128 In zweiter Lesung war dieser Vorschlag eingebracht worden. Zur Begründung wurde angeführt, dass es Fälle gebe, in welchen die Aktien erst später von den Gründern in Umlauf gebracht würden und diese nicht nach Ablauf der relativ kurzen dreijährigen Sperrfrist durch einen Verzicht bzw. Vergleich von ihrer Haftung befreit werden dürften.129 Obschon die Regierung hierfür kein praktisches Bedürfnis sah, wurde der Änderungsantrag angenommen.130 Die Verabschiedung des AktG 1937 führte zwar eine Verzichts- bzw. Vergleichsbeschränkung auch für Ansprüche ein, die aus pflichtwidrigem Verhalten außerhalb der Gründung resultierten, behielt die Fünfjahresregelung jedoch bei.131 Ihre heutige Fassung und damit auch die Sperrfrist von drei Jahren erhielt die Regelung mit Einführung des AktG 1965. Die Bundesregierung, die den Entwurf einbrachte, begründete die Änderung damit, dass eine Frist von drei Jahren ausreichend sei, um den Regelungszweck – es soll nicht ohne abschließendes Bild bezüglich der Schadenslage über den Anspruch entschieden werden – zu erreichen. Zudem liefe die Regelung ansonsten aufgrund der ebenfalls fünfjährigen Verjährungsfrist regelmäßig leer. Schließlich hoben die Verfasser hervor, dass eine Verkürzung der Frist insbesondere auch den Interessen der Gesellschaft gerecht werde: Dieser sei geholfen, wenn sie bereits nach drei Jahren über einen ungewissen Schwebezustand entscheiden könne.132

des Seehandelsrechts, Reichstagsdrucksache Nr.  632, abgedruckt bei Schubert/ Schmiedel/Krampe, Gesetze und Entwürfe HGB 1897, 636. 128  § 205 Handelsgesetzbuch mit Ausschluß des Seehandelsrechts und zugehöriges Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897, abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Gesetze und Entwürfe HGB 1897, 763. 129  Bericht der XVIII. Kommission über den Entwurf eines H.G.B. sowie den Entwurf eines EinfG. zu demselben, abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen HGB 1897, 1310. 130  Bericht der XVIII. Kommission über den Entwurf eines H.G.B. sowie den Entwurf eines EinfG. zu demselben, abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen HGB 1897, 1310. 131  Vgl. hierzu § 84 Abs. 4 S. 3 AktG 1937. 132  Hierzu insgesamt Begründung der BReg zum Entwurf des AktG 1965, BTDrucks. IV/171, 132.

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

B. Berechnung der Sperrfrist I. Beginn der Sperrfrist Der Beginn der Sperrfrist knüpft an die „Entstehung des Anspruchs“ an, § 93 Abs. 4 S. 3 AktG. Welcher Zeitpunkt hiermit konkret gemeint ist – derjenige der Pflichtverletzung oder derjenige des Schadenseintritts – spezifiziert das Gesetz nicht. Die Rechtsprechung hat sich zu dieser Frage bisher nicht geäußert. Jedoch wird auch in anderen Gebieten für den Beginn einer Frist auf den Zeitpunkt der Anspruchsentstehung rekurriert, namentlich im Verjährungsrecht (§§ 199, 200 BGB). Da zumindest auch § 200 BGB auf die aktienrechtliche Verjährungsfrist für Organhaftungsansprüche (§ 93 Abs. 6 AktG) anzuwenden ist,133 stellt sich die Frage, ob die für das Verjährungsrecht herausgebildeten Voraussetzungen für den Beginn der Frist auch auf § 93 Abs. 4 S. 3 AktG für die Bestimmung des Beginns der Sperrfrist übertragen werden können. Eine gefestigte Rechtsprechung verknüpft die Anspruchsentstehung im Verjährungsrecht mit der Möglichkeit der Anspruchsgeltendmachung, notfalls mittels einer Klage.134 Ausreichend ist die Entstehung des Anspruchs dem Grunde nach,135 sodass eine Feststellungsklage erhoben werden könnte;136 nicht erforderlich ist der Abschluss der Schadensentwicklung, der eine exakte Schadensbezifferung ermöglichen würde.137 Schon der Eintritt eines einzigen Schadenspostens ist für weitere, zukünftige Schadensposten 133  OLG Stuttgart, AG 2010, 133, 136; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 586; Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, AktG, § 93 AktG Rdnr. 54; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 87; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 200; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 325; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 303. 134  BGH, NZG 2018, 1301, 1302; BGH, NZG 2017, 753, 755; BGHZ 181, 310, 315; BGH, NJW-RR 2000, 647, 648; BGHZ 100, 228, 231; BGH, NJW 1981, 814; BGHZ 73, 363, 365; BGHZ 55, 340, 341; RGZ 83, 354, 356; BeckOK BGB/Henrich, § 199  BGB Rdnr. 4; Harbarth/Höfer, NZG 2016, 686, 688; Jauering/Mansel, BGB, § 199 BGB Rdnr. 2; MünchKomm BGB/Grothe, § 199 BGB Rdnr. 4. 135  BGH, NZG 2018, 1301, 1302; BGH, NJW-RR 2013, 1213; BGH, NJW 1993, 648, 650; BGHZ 100, 228, 231; Harbarth/Höfer, NZG 2016, 686, 688. 136  BGH, NZG 2018, 1301, 1302; BGH, NZG 2017, 753, 755; BGHZ 181, 310, 315; BGH, NJW 1993, 648, 650; BGHZ 100, 228, 231; BGH, NJW 1981, 814; BGHZ 73, 363, 365; RGZ 153, 101, 106 f.; Harbarth/Höfer, NZG 2016, 686, 688; Jauering/Mansel, BGB, § 199 BGB Rdnr. 2. 137  BGH, NZG 2018, 1301, 1302; BGH, NZG 2017, 753, 755; BGH, NJW-RR 2013, 1213; BGHZ 181, 310, 315; BGH, NJW 1993, 648, 650; BeckOK BGB/Henrich, § 199 BGB Rdnr. 5; Harbarth/Höfer, NZG 2016, 686, 688; Jauering/Mansel, BGB, § 199 BGB Rdnr. 2.



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG179

zeitlich maßgebend, wenn deren Entstehung von einer als einheitliche Dauerhandlung einzustufenden Pflichtverletzung ausgelöst wird und der weitere Schadenseintritt nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint (sog. Grundsatz der Schadenseinheit).138 Nur wenn selbständige Handlungen unterschiedliche Schäden auslösen, fängt die Verjährungsfrist auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten an zu laufen.139 Um möglichst große Rechtssicherheit zu gewährleisten, sollten diese Anknüpfungspunkte auch zur Bestimmung des Sperrfristbeginns übertragen werden.140 Für eine solche Übertragbarkeit spricht zunächst der identische Wortlaut in § 200 BGB und § 93 Abs. 4 S. 3 AktG: Jeweils wird für den Beginn der Frist an die „Entstehung des Anspruchs“ angeknüpft; eine Auslegung mit differierenden Ergebnissen ist von diesem Standpunkt aus nicht zwingend.141 Gestützt wird dieses Ergebnis von der gesetzgeberischen Intention bei Einführung der Verzichts- und Vergleichsregelung. Der Gesetzgeber führte die dreijährige Sperrfrist ausdrücklich nicht dazu ein, den Abschluss einer Verzichts- bzw. Vergleichsvereinbarung praktisch unmöglich zu machen.142 Im Gegenteil: Mit Absenkung der Sperrfrist von fünf auf drei Jahren im Rahmen der Aktienrechtsreform von 1965 sollte vielmehr verhindert werden, dass der Anspruch regelmäßig zum Zeitpunkt, zu welchem ein Verzicht oder Vergleich möglich wurde, schon verjährt war.143 Der Gesetzgeber ging folglich davon aus, dass Sperr- und Verjährungsfrist regelmäßig zum selben Zeitpunkt zu laufen beginnen. Knüpfte man nun ausschließlich an den Zeitpunkt der finalen Schadensbezifferung an, ließe man diese gesetzgeberische Intention völlig außer Acht. Schließlich erfordern auch Sinn und Zweck der Sperrfrist keine andere Interpretationsweise: Gewährleistet werden soll durch die dreijährige Sperrfrist, dass die Entscheidung über einen Verzicht bzw. Vergleich nicht zu einem Zeitpunkt getroffen wird, zu welchem sich die Gesellschaft noch im 138  BGH, NJW-RR 2006, 694, 696; BGH, NJW 1993, 648, 650; BGHZ 100, 228, 231 f.; BGHZ 67, 372, 373; BGHZ 33, 112, 116; Harbarth/Höfer, NZG 2016, 686, 688; Jauering/Mansel, BGB, §  199 BGB Rdnr.  2; MünchKomm BGB/Grothe, § 199 BGB Rdnr. 4. 139  BGH, NZG 2018, 1301, 1302; BGH, NJW-RR 2006, 694, 696; BGH, NJW 1993, 648, 650; BGHZ 71, 86, 94; RGZ 335, 339 f. 140  So auch Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche, 286 f.; Harbarth/ Höfer, NZG 2016, 686, 688 f. 141  So auch Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche, 286; Harbarth/Höfer, NZG 2016, 686, 688. 142  Begründung der BReg zum Entwurf des AktG 1965, BT-Drucks. IV/171, 132. 143  Begründung der BReg zum Entwurf des AktG 1965, BT-Drucks. IV/171, 132.

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

Unklaren über das Ausmaß des Schadens befindet.144 Der Gesetzgeber entschloss sich dazu, eine dreijährige Sperrfrist einzuführen – und nicht etwa an den Abschluss der Schadensentwicklung anzuknüpfen.145 Im Allgemeinen hielt er eine dreijährige Frist für ausreichend, um den Schadensumfang abzuschätzen.146 Indem er die Sperrfrist aber zugleich selbst dann als nicht verkürz- oder verlängerbar ausgestaltete, wenn der Schaden bereits vor Ablauf der Frist vollständig entstanden oder nach Ablauf der Frist noch gänzlich unbezifferbar ist,147 brachte er die vorrangige Gewichtung der Rechtssicherheit zum Ausdruck: Die Sperrfrist von drei Jahren soll als fest berechenbarer Zeitpunkt nicht disponible Voraussetzung für den Abschluss einer Verzichtsoder Vergleichsvereinbarung sein. Legt man diese Prämisse zugrunde, kann ebendieses Ziel der Rechtssicherheit nur dann erreicht werden, wenn die Grundsätze aus dem Verjährungsrecht übertragen werden, mittels derer eine klare Bestimmung des Fristbeginns möglich wird. Insbesondere dann, wenn ein pflichtwidriges Verhalten Auslöser zeitlich unabhängig voneinander eintretender Schadensposten ist, die zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung lediglich abstrakt vorhersehbar sind, bietet diese Lösung die größte Rechtssicherheit. Im Ergebnis ist für die Bestimmung des Beginns der dreijährigen Sperrfrist auf die Grundsätze zurückzugreifen, die für den Beginn von Verjährungsfristen entwickelt wurden.148 Maßgeblicher Zeitpunkt ist demnach der Moment, in welchem eine Anspruchsgeltendmachung zumindest theoretisch 144  Begründung

der BReg zum Entwurf des AktG 1965, BT-Drucks. IV/171, 132. diese Richtung auch Harbarth/Höfer, NZG 2016, 686, 688 f. 146  Begründung der BReg zum Entwurf des AktG 1965, BT-Drucks. IV/171, 132. 147  Allgemeine Meinung: Fleischer, AG 2015, 133, 138; GroßKomm AktG/Hopt/ Roth, §  93 AktG Rdnr.  519; Handbuch Managerhaftung/Haas/Wigand, § 20 Rdnr. 20.65; Harbarth/Höfer, NZG 2016, 686, 687; Mertens, Festschrift Fleck, 209, 210 f.; MünchKomm AktG/Spindler, §  93 AktG Rdnr.  282; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 282. 148  So im Ergebnis auch Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche, 286 f.; Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 249; Fleischer, AG 2015, 133, 137; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 520; Handbuch Managerhaftung/Haas/Wigand, § 20 Rdnr. 20.66; Harbarth/Höfer, NZG 2016, 686, 688; Hirte/Stoll, ZIP 2010, 253 f.; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 311; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 76; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 282; Schmidt/Lutter/Krieger/SailerCoceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 65; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 282; Weller/Rahlmeyer, GWR 2014, 167, 168. Teilweise wird selbst für diejenigen Schäden, die zum Zeitpunkt des Erstschadenseintritts noch nicht vorhersehbar sind, angenommen, die Sperrfrist beginne auch für diese zu laufen, so Handbuch Managerhaftung/Haas/Wigand, § 20 Rdnr. 20.66; Wigand, Haftungsbeschränkungen, 329. Dies ist aber mit Blick auf die hieraus resultierende Rechtsunsicherheit abzulehnen, vielmehr ist von einem gesonderten Beginn der Sperrfrist (wie dies im vergleichbaren Fall der Verjährung auch der Fäll wäre) auszugehen. 145  In



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG181

qua Feststellungsklage möglich ist; nicht erforderlich ist eine Bezifferung des Schadensausmaßes. II. Ende der Sperrfrist Die Berechnung der Dauer und des Endes der dreijährigen Sperrfrist richten sich nach den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen gem. §§ 187, 188 BGB.149 Eine Verkürzung oder Verlängerung der Dauer der Frist ist aufgrund ihres zwingenden Charakters nicht möglich, unabhängig davon, ob der Schaden schon vor Ablauf der drei Jahre abschließend feststellbar ist oder nicht.150 Selbst ein einstimmiger Hauptversammlungsbeschluss zugunsten eines Verzichts oder Vergleichs kann – anders als bei gleicher Regelung in Österreich151 – der Vereinbarung vor Ablauf der Sperrfrist nicht die gewünschte Wirksamkeit verleihen, § 120 Abs. 2 S. 2 AktG.152 III. Möglichkeit einer Fristverkürzung durch teleologische Reduktion im Falle kartellrechtlicher Kronzeugenaussagen? Die Anwendung der Dreijahressperrfrist in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG ist bis auf die ausdrücklichen Ausnahmetatbestände in § 93 Abs. 4 S. 4 AktG zwingend; weitere Abweichungen lässt der Wortlaut des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht zu. Das führt in gewissen Situationen zu Wertungswidersprüchen mit anderen gesetzlichen Regelungen. So etwa in dem Fall, dass eine AG in ein Kartell verstrickt ist und nun, um Bußgeldfreiheit zu erlangen, umfassend mit den Kartellbehörden kooperieren möchte,153 wobei sie auf die Kooperation mit einem Vorstandsmitglied ange149  Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 39; GroßKomm AktG/Hopt/ Roth, § 93 AktG Rdnr. 520; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 311; Hüffer/ Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 76; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 282; NK AktG/U. Schmidt, § 93 AktG Rdnr. 135; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 65; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 282. 150  Fleischer, AG 2015, 133, 138; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 519; Handbuch Managerhaftung/Haas/Wigand, § 20 Rdnr. 20.65; Harbarth/ Höfer, NZG 2016, 686, 687; Mertens, Festschrift Fleck, 209, 210 f.; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 282; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 282. 151  Hierzu ausführlich unter Teil 4, 4. Kapitel, § 3, D. Entlastung als Verzicht?, S. 137. 152  Hasselbach, DB 2010, 2037, 2039; Mertens, Festschrift Fleck, 209, 211; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 282; Zimmermann, DB 2008, 687, 688. 153  Eine solche Bußgeldfreiheit gewährt die sog. „Bonusregelung“ des Bundeskartellamtes: Bundeskartellamt, Bekanntmachung Nr. 9/2006 über den Erlass und die

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

wiesen ist. In diesem Fall kollidiert der kartellrechtliche Beschleunigungsgrundsatz mit dem aktienrechtlichen Entschleunigungsgrundsatz.154 Denn: Die „Bonusregelung“ des Bundeskartellamts gewährt Kartellanten Bußgeldfreiheit, sofern diese vor dem Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses seitens des Kartellamts als erste das Kartell dem Amt gegenüber anzeigen und bei der anschließenden Aufklärung umfassend mit den Behörden zusammenarbeiten. Unternehmen, die erst später mit den Behörden zusammenarbeiten, können noch auf eine Bußgeldreduktionen hoffen.155 Ist ein Vorstandsmitglied in die Kartellabsprachen verwickelt, wird dessen Kooperation von großer Bedeutung sein.156 Insbesondere sind die Unternehmen verpflichtet, alle an den Kartellabsprachen Beteiligten zu benennen und auf deren ununterbrochene Zusammenarbeit mit den Behörden hinzuwirken.157 Doch die Offenlegung der behördenrelevanten Informationen kann gleichzeitig ein Aufdecken der persönlichen Versäumnisse sein.158 Um einer persönlichen Inanspruchnahme durch die Gesellschaft oder unmittelbar durch die Kartellbehörden vorzubeugen, wird das betroffene Vorstandsmitglied der AG gegenüber nicht selten auf eine Verzichts- oder Freistellungszusage bestehen.159 In

Reduktion von Geldbußen in Kartellsachen – Bonusregelung – vom 7. März 2006, abrufbar unter: http://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Bekannt machungen/Bekanntmachung %20-%20Bonusregelung.pdf?__blob=publicationFile &v=7 (zuletzt abgerufen am 04.12.2019). Im Folgenden wird sich allein auf die na­ tionalen Kartellvorschriften bezogen; europäische Regelungen und Behörden bleiben außer Betracht. 154  Harbarth, Liber Amicorum Winter, 215, 230. 155  Bundeskartellamt, Bekanntmachung Nr. 9/2006 über den Erlass und die Reduktion von Geldbußen in Kartellsachen – Bonusregelung – vom 7. März 2006, abrufbar unter: http://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Bekannt machungen/Bekanntmachung %20- %20Bonusregelung.pdf?__blob=publicationFile &v=7 (zuletzt abgerufen am 04.12.2019). 156  Binder, Grenzen Vorstandshaftung, 372 f.; Burrichter, Festschrift HoffmannBecking, 191, 208 f.; Harbarth, Liber Amicorum Winter, 215, 221; Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 771; Hoffmann-Becking, ZGR 2015, 618, 624; Konrads, ZWeR 2016, 429, 431 f. Inwieweit ein (ehemaliges) Vorstandsmitglied zur Kooperation verpflichtet ist, soll an dieser Stelle nicht geklärt werden. Zur hierzu geführten Debatte z. B. Binder, Grenzen Vorstandshaftung, 373 f.; Harbarth, Liber Amicorum Winter, 215, 221; Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 774. 157  Bundeskartellamt, Bekanntmachung Nr. 9/2006 über den Erlass und die Reduktion von Geldbußen in Kartellsachen – Bonusregelung – vom 7. März 2006, abrufbar unter: http://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Bekannt machungen/Bekanntmachung %20- %20Bonusregelung.pdf?__blob=publicationFile &v=7 (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), Rdnr. 10. 158  Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 771; Konrads, ZWeR 2016, 429, 432. 159  Fabisch, ZWeR 2013, 91, 111; Hasselbach/Seibel, AG 2008, 770, 771; Hoffmann-Becking, ZGR 2015, 618, 624.



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG183

der Praxis werden solche Zusagen auch mitunter erteilt.160 Gleichwohl steht einer solchen Vorgehensweise § 93 Abs. 4 S. 3 AktG entgegen:161 Eine rechtsverbindliche Zusage kann die Gesellschaft dem Vorstandsmitglied erst nach Ablauf von drei Jahren und mit Zustimmung der Hauptversammlung erteilen, wenn nicht eine zehnprozentige Minderheit der Vereinbarung widerspricht. Dann können aber bereits andere Kartellanten als Kronzeugen aufgetreten sein oder das Kartellamt selbst hinreichend Informationen gesammelt haben, sodass die AG nicht mehr von der Kronzeugenregelung profitieren kann. Die Unvereinbarkeit der Handlungsmaximen aus Kartell- und Aktienrecht wird hierin deutlich. Eine teilweise Entschärfung dieses Konflikts ergäbe sich, wenn das Vorstandsmitglied eine Inanspruchnahme durch die Gesellschaft deshalb nicht zu befürchten hätte, weil das der Gesellschaft gegenüber verhängte Bußgeld nicht als regressfähiger Schaden anzusehen wäre. Diese Streitfrage ist Inhalt heftiger Diskussionen,162 in jüngerer Vergangenheit aufgeheizt durch ein Urteil des LAG Düsseldorf,163 welches eine solche Regressmöglichkeit mit Hinweis auf den Regelungszweck des Bußgeldes verneint. Diese Problematik soll an dieser Stelle gleichwohl nicht vertieft werden. Es wird – ohne sich damit für oder gegen eine solche Regressmöglichkeit zu positionieren – davon ausgegangen, dass die Gesellschaft jedenfalls zum Regress derjenigen kartellrechtlichen Bußgelder ihren Vorstandsmitgliedern gegenüber berechtigt ist, die auf ein pflichtwidriges Verhalten von ebendiesen zurückzuführen sind.

Thomas, VersR 2017, 596, 597. ist an dieser Stelle darauf, dass im Hinblick auf die nachträgliche Freistellung von einer Geldbuße die Anwendbarkeit von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG teilweise abgelehnt wird; hierzu ausführlich unter Teil 3, 5. Kapitel, § 2, B., I., 8., a), aa) Im Nachhinein, am Beispiel der Übernahme einer Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage, S. 80. Im Folgenden wird gleichwohl davon ausgegangen, dass § 93 Abs. 4 S. 3 AktG aus den oben genannten Gründen auch in diesen Fällen Anwendung findet. 162  Gegen die Zulässigkeit des Innenregresses u. a.: Bachmann, BB 2015, 907, 911; Bunte, NJW 2018, 123, 125 f.; Dreher, Festschrift Konzen, 85, 105 f.; Grunewald, NZG 2016, 1121, 1122 ff.; Thomas, VersR 2017, 596, 598 ff.; Thomas, NZG 2015, 1409, 1410 ff. Für die Zulässigkeit des Innenregresses u. a.: Bayreuther, NZA 2015, 1239, 1241 f.; Binder/Kraayvanger, BB 2015, 1219, 1225 ff.; Fabisch, ZWeR 2013, 91, 100 ff.; Suchy, NZG 2015, 591, 592 f.; Zimmer/Walther, BB 2017, 629, 630 f. 163  LAG Düsseldorf, BB 2015, 907 ff. Die Revision wurde zwar zugelassen, das Bundesarbeitsgericht hielt das LAG Düsseldorf für die kartellrechtlichen Fragestellungen jedoch für unzuständig, weswegen inhaltlich keine Stellungnahme erfolgte, BAGE 159, 316, 322 ff. 160  So

161  Hinzuweisen

184

Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

Dies wirft die Frage auf, ob aus Gründen der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung164 eine teleologische Reduktion der Norm möglich ist, die eine Ausnahme von der Anwendbarkeit der Sperrfrist für diese Fälle begründen würde.165 Die teleologische Reduktion ist ein methodisches Werkzeug der Rechtswissenschaft, das zur Einschränkung eines zu weit gefassten Wortlautes einer Regelung Anwendung findet, um so dem Regelungszweck der Norm gerecht zu werden.166 Die teleologische Reduktion fußt auf dem Grundsatz, dass Ungleiches auch ungleich behandelt werden muss.167 Um eine Norm teleologisch einschränken zu können, bedarf es einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes,168 beispielsweise in Form einer mangelnden Ausnahmeregelung.169 In Fällen, in denen eine teleologische Reduktion in Betracht kommt, gibt das Gesetz also zwar eine konkrete Antwort auf eine Rechtsfrage, das Ergebnis steht aber nicht im Einklang mit Sinn und Zweck der Norm; es wird demnach ein Sachverhalt vom Wortlaut der Norm erfasst, der eigentlich nicht erfasst werden sollte.170 Ihre Grenze findet die teleologische Reduktion im Umkehrschluss im Gesetzeszweck der Regelung:171 Dieser gibt vor, wie weit der Anwendungsbereich gehen soll. Von einer planwidrigen Unvollständigkeit des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG mit Blick auf die kartellrechtliche Kronzeugenregelung könnte deshalb aus­ gegangen werden, weil zum Zeitpunkt der letzten Änderung der Norm (im Jahr 1965) eine Kronzeugenregelung noch nicht bestand. Erst 2000 wurde eine solche erlassen,172 die in ihrer heutigen Form seit 2006 besteht.173 164  Harbarth,

Liber Amicorum Winter, 215, 230. Ergebnis eine solche teleologische Reduktion für den Fall der kartellrechtlichen Kronzeugeninanspruchnahme ablehnend: Fleischer, AG 2015, 133, 139; Harbarth, Liber Amicorum Winter, 215, 229 ff.; Konrads, Entschärfung Haftungsrisiko Vorstand, 137 f.; Wacker, Haftung Vorstandsmitglieder bei Kartellverstößen, 310; Zimmermann, DB 2008, 687, 668. 166  Brandenburg, Teleologische Reduktion, 4, 59; Canaris, Feststellung von Lücken, 82; Harbarth, Liber Amicorum Winter, 215, 229; Larenz/Canaris, Methodenlehre, 195, 210; Möllers, Juristische Methodenlehre, § 6 Rdnr. 82. 167  Canaris, Feststellung von Lücken, 82; Danwerth, ZfPW 2017, 230, 234; Larenz/Canaris, Methodenlehre, 211; Möllers, Juristische Methodenlehre, § 6 Rdnr 84. 168  BVerfGE 88, 145, 167; BGH, NJW 2009, 427, 429; BGH, NJW 2005, 1508, 1510; BGHZ 149, 165, 174; BGH, NJW 1988, 2109, 2110; BGH, NJW 1981, 1726, 1727. 169  Danwerth, ZfPW 2017, 230, 235; Larenz/Canaris, Methodenlehre, 210. 170  Danwerth, ZfPW 2017, 230, 235; Konrads, Entschärfung Haftungsrisiko Vorstand, 135. 171  Brandenburg, Teleologische Reduktion, 71. 172  Bundeskartellamt, Bekanntmachung Nr. 68/2000 über Richtlinien des Bundeskartellamtes für die Festsetzung von Geldbußen – Bonusregelung – vom 17. April 2000, in: Bundesanzeiger vom 4.5.2000, 8336. 165  Im



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG185

Teilweise wird die Planwidrigkeit der Unvollständigkeit der Norm mit Verweis darauf verneint, dass der Gesetzgeber zwar nicht die kartellrechtliche Kronzeugenregelung im Blick hatte, sich aber bewusst war, dass sich die Gesellschaft in einer Schwebesituation befinden könne, die sie mittels eines Verzichts oder Vergleichs mit einem Vorstandsmitglied beenden wolle.174 So begründete die Bundesregierung die Herabsenkung der Sperrfrist von fünf auf drei Jahre im Rahmen des AktG 1965 damit, dass „ein Verzicht oder Vergleich auch im Interesse der Gesellschaft liegen kann, weil er einen ungewissen Schwebezustand beendet“.175 Trotz Erkennens dieses Bedürfnisses ging die Änderung nicht über eine Herabsenkung der Sperrfrist hinaus.176 Harbarth stuft die Regelung hingegen als planwidrig unvollständig ein. Hierfür führt er an, dass der im Kartellrecht vorherrschende Handlungsdruck aufgrund des Prioritätsgrundsatzes ein damals noch ungekanntes Phänomen war, was bei Einführung der Sperrfrist noch nicht beachtet werden konnte.177 Inwiefern die Kronzeugenregelung und der aus ihr folgende Handlungsdruck der Gesellschaft ein derart neues Phänomen ist, dass dieses nicht mit dem bereits 1965 erkannten Schwebezustand vergleichbar und folglich von einer planwidrigen Unvollständigkeit der Regelung auszugehen ist, kann dahinstehen, weil jedenfalls eine teleologische Reduktion von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG aufgrund von Sinn und Zweck sowie mangelnder tatbestandlicher Unvollständigkeit der Regelung im Rahmen kartellrechtlicher Kronzeugenaussagen ausscheidet. Zweck der dreijährigen Sperrfrist ist, dass die Gesellschaft nicht zu einem Zeitpunkt über Schadenersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder disponiert, zu welchem das Schadensausmaß noch nicht absehbar ist.178 Im Vordergrund steht somit der Schutz des Gesellschaftsvermögens.179 173  Bundeskartellamt, Bekanntmachung Nr. 9/2006 über den Erlass und die Reduktion von Geldbußen in Kartellsachen – Bonusregelung – vom 7. März 2006, ­abrufbar unter: http://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Bekannt machungen/Bekanntmachung %20-%20Bonusregelung.pdf?__blob=publicationFile &v=7 (zuletzt abgerufen am 04.12.2019). 174  Fleischer, AG 2015, 133, 139; Wacker, Haftung Vorstandsmitglieder bei Kartellverstößen, 310. 175  Begründung der BReg zum Entwurf des AktG 1965, BT-Drucks. IV/171, 132. 176  Fleischer, AG 2015, 133, 139; Wacker, Haftung Vorstandsmitglieder bei Kartellverstößen, 310. 177  Harbarth, Liber Amicorum Winter, 215, 230. 178  Begründung der BReg zum Entwurf des AktG 1965, BT-Drucks. IV/171, 132. 179  BGHZ 202, 26, 32; Fleischer, WM 2005, 909, 918; Harbarth/Höfer, NZG 2016, 686, 687; Hirte/Stoll, ZIP 2010, 253; Hüffer/Koch, AktG § 93 AktG Rdnr. 76; Konrads, Entschärfung Haftungsrisiko Vorstand, 129; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 276.

186

Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

Zwar könnte einerseits angenommen werden, das Gesellschaftsvermögen werde durch eine Ausnahme von den Verzichts- und Vergleichsbeschränkungen aus § 93 Abs. 4 S. 3 AktG für Vereinbarungen im Rahmen kartellrecht­ licher Kronzeugenaussagen besser geschützt als dies bei Abwarten der dreijährigen Sperrfrist und anschließender Zustimmungserbetung der Hauptversammlung der Fall wäre. Denn wendet sich ein Unternehmen nach einer Verzichts- oder Freistellungsvereinbarung mit dem Vorstandsmitglied (weil i. d. R. insbesondere dieses über die brisanten Informationen verfügt) rechtzeitig an die Kartellbehörden zur Inanspruchnahme der Kronzeugenregelung und erlangt dadurch Bußgeldfreiheit, könnte dies als Verhalten qualifiziert werden, welches das Gesellschaftsvermögen in einem höheren Maße schützt, als dies das Abwarten der dreijährigen Sperrfrist sicherstellt: Andernfalls wäre die Gesellschaft dazu verpflichtet, wegen einer wahrscheinlichen Nichtkooperation des Vorstandsmitglieds während der Frist von einem Kronzeugenantrag abzusehen und dadurch ein Bußgeld in Kauf zu nehmen, also zu einem dem Schutzzweck der Norm diametral entgegenstehenden Verhalten.180 Nach dieser Auslegung sprächen Sinn und Zweck für eine Ausnahmeregelung qua teleologischer Reduktion. Andererseits würden die hiermit verbundenen Unwägbarkeiten übersehen, die zu erheblicher Rechtsunsicherheit beitrügen, welche der klare Wortlaut der Norm gerade vermeiden will, weshalb letztlich nicht automatisch von einem gesteigerten Schutz des Gesellschaftsvermögens auszugehen wäre. Denn der oben beschriebene Ablauf ist lediglich als Idealfall anzusehen. Ein in ein Kartell verwickeltes Unternehmen befindet sich im Regelfall im Unklaren darüber, ob bereits ein anderes Unternehmen von der Kronzeugenregelung Gebrauch gemacht hat. Im schlimmsten Fall deckt es den Behörden gegenüber lediglich eigene Fehler auf, erhält jedoch weder Bußgeldfreiheit noch eine Bußgeldreduktion.181 Wähnt sich das Unternehmen bei Abschluss der Verzichts- oder der Freistellungsvereinbarung noch in Bußgeldfreiheit, kann es durch seine Anzeige beim Bundeskartellamt auch Gegenteiliges bewirken.182 Dann ist der Vorteil, den eine frühzeitige Verzichts- oder Freistellungsvereinbarung mit dem Vorstandsmitglied für das Gesellschaftsvermögen bringt, keinesfalls größer als bei regulärer Normanwendung. Im Gegenteil: 180  Konrads,

Entschärfung Haftungsrisiko Vorstand, 137. Voraussetzungen für eine Bußgeldfreiheit oder -reduktion erfüllt sein müssen, enthält die sog. „Bonusregelung“ des Bundeskartellamtes: Bundeskartellamt, Bekanntmachung Nr. 9/2006 über den Erlass und die Reduktion von Geldbußen in Kartellsachen – Bonusregelung – vom 7. März 2006, abrufbar unter: http://www. bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Bekanntmachungen/Bekanntma chung %20- %20Bonusregelung.pdf?__blob=publicationFile&v=7 (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), Rdnrn. 3 bis 5. 182  So im Ergebnis auch Konrads, Entschärfung Haftungsrisiko Vorstand, 137. 181  Welche



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG187

Liegt ein normwidriges Kartell vor, gibt es im Unternehmen Verantwortliche für die Entstehung eines solchen, nicht selten in den Reihen des Vorstands. Der Gesellschaft steht gegenüber den Vorstandsmitgliedern gem. § 93 Abs. 2 S. 1 AktG ein Regressanspruch für etwaige Bußgelder zu.183 Zwar trägt die AG das Insolvenzrisiko des betroffenen Vorstandsmitgliedes – denn gerade im Kartellrecht werden heutzutage häufig astronomische Bußgelder erlassen184 – doch wird dies nicht selten durch (heutzutage vielfach ebenfalls hoch dotierte185) D&O-Versicherungen zumindest teilweise abgefedert. Besser würde das Gesellschaftsvermögen durch eine Ausnahme von der Regelung für Vereinbarungen im Vorfeld kartellrechtlicher Kronzeugenaussagen nicht geschützt, weswegen Sinn und Zweck der Norm nicht für eine teleologische Reduktion streiten. Schließlich gilt es auf die Regelung des § 93 Abs. 4 S. 4 AktG hinzuweisen, wonach die Dreijahresfrist schon jetzt in den Fällen keine Anwendung findet, in denen der Betroffene zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung der Insolvenz mit seinen Gläubigern (in diesem Fall (auch) der AG) vergleichen will; einer teleologischen Reduktion von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG bedarf es in diesen Fällen mangels tatbestandlicher Unvollständigkeit dann schon nicht. Auch wenn ein Wertungswiderspruch zwischen kartell- und aktienrecht­ lichen Vorschriften bleibt, ist eine teleologische Reduktion der Sperrfrist in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zugunsten des Schutzes des Gesellschaftsvermögens und der Rechtssicherheit in Fällen abzulehnen, in denen die Gesellschaft zur Inanspruchnahme der kartellrechtlichen Bonusregelung mit einem Vorstandsmitglied vor Ablauf der Sperrfrist eine Verzichts- oder Freistellungsvereinbarung abschließen möchte.186 183  Wie oben bereits ausgeführt, wird von dieser Prämisse trotz vorherrschender Diskussion ausgegangen. 184  Eine Auflistung der Höchstsummen der Bußgelder, die Einzelunternehmen gegenüber zwischen 2003 und 2015 verhängt wurden, findet sich im Jahresbericht des Bundeskartellamts von 2017: Bundeskartellamt, Jahresbericht 2017, abrufbar unter: https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Jahresbericht/Jahresbe richt_2017.pdf?__blob=publicationFile&v=5 (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 39. Die Maximalsumme beträgt hierbei 195.000.000 Euro (im Rahmen des Zuckerkartells, verhängt 2014). 185  Ihlas gibt beispielsweise Zahlen aus einer Marktveranstaltung aus dem Jahr 2006 wieder, wonach bei 33 % der DAX-Unternehmen die Versicherungssummen zwischen 75 und 150 Millionen Euro betrugen, bei 42 % dieser Gruppe sogar zwischen 150 und 300 Millionen Euro, Ihlas, D&O, 429. 186  So im Ergebnis auch Fleischer, AG 2015, 133, 139; Harbarth, Liber Amicorum Winter, 215, 231; Konrads, Entschärfung Haftungsrisiko Vorstand, 137 f.; Wacker, Haftung Vorstandsmitglieder bei Kartellverstößen, 310. Eine teleologische Reduktion des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG generell ablehnend: GroßKomm AktG/Hopt/Roth,

188

Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

C. Kritik sowie eigene Bewertung und Forderungen de lege ferenda zur Sperrfrist I. Stimmen für Abschaffung der Sperrfrist Der Chor derjenigen, die eine generelle Abschaffung der Dreijahresfrist in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG fordern, ist groß.187 Nicht zuletzt auf dem 70. Deutschen Juristentag 2014 in Hannover sprach sich eine große Mehrheit der Delegierten für eine Streichung der Sperrfrist aus.188 Die Sperrfrist verhindere innerhalb ihrer dreijährigen Geltung regelmäßig eine Vereinbarung, die gerade auch aus Sicht der Gesellschaft und/oder einer hinter dieser stehenden D&O-Versicherung von Vorteil sei.189 Verdeutlicht werde dies dadurch, dass schon der Gesetzgeber in seiner Begründung zum Entwurf des AktG 1965 ausdrücklich feststellte, „dass ein Verzicht oder Vergleich auch im Interesse der Gesellschaft liegen kann, weil er einen ungewissen Schwebezustand beendet“190.191 Aufseiten des Ersatzpflichtigen könnten bereits Anwalts- und Gerichtskosten dazu führen, dass das für die Anspruchsbegleichung zur Ver§ 93 AktG Rdnr. 505; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 77; Kölner Komm AktG/ Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 164; Zimmermann, DB 2008, 687, 688. 187  Binder, Grenzen Vorstandshaftung, 383; Cahn, Vergleichsverbote, 143; DAVHandelsrechtsausschuss, NZG 2014, 863, 865; DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2012, 380, 383; ders., NZG 2011, 217, 221; ders., NZG 2010, 897, 899; Fleischer, AG 2015, 133, 140; Gaschler, Klagezulassungsverfahren § 148 AktG, 387; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 505; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2123; Habersack, Festschrift Baums, 531, 544 f.; ders., ZHR 177 (2013), 782, 804 f.; Hopt in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, 70. DJT 2014, Sitzungsberichte – Diskussion und Beschlussfassung Abteilung Wirtschaftsrecht, N 78; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 164; Kremer, 70. DJT 2014, Sitzungsberichte – Referate und Beschlüsse Abteilung Wirtschaftsrecht, N 42 f.; Sailer-Co­ ceani, 70. DJT 2014, Sitzungsberichte – Referate und Beschlüsse Abteilung Wirtschaftsrecht, N 19. Die Sinnhaftigkeit der Frist stark in Zweifel ziehend: Hölters/ Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnrn. 311, 307. 188  Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, 70. DJT 2014, Sitzungsberichte – Referate und Beschlüsse Abteilung Wirtschaftsrecht, Beschluss I.7.a), N 63 (58:19:9 Stimmen). 189  Binder, Grenzen Vorstandshaftung, 371; Fleischer, AG 2015, 133, 140; ders., WM 2005, 909, 919; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 505; Haarmann/ Weiß, BB 2014, 2115, 2122; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 307; Hopt in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, 70. DJT 2014, Sitzungsberichte – Diskussion und Beschlussfassung Abteilung Wirtschaftsrecht, N 78; Kremer, 70. DJT 2014, Sitzungsberichte – Referate und Beschlüsse Abteilung Wirtschaftsrecht, N 42; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 65; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 284a. 190  Begründung der BReg zum Entwurf des AktG 1965, BT-Drucks. IV/171, 132. 191  Habersack, Festschrift Baums, 531, 545; ders., ZHR 177 (2013), 782, 804.



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG189

fügung stehende Kapital um einen nicht unwesentlichen Teil gemindert werde.192 Verhandelten AG und betroffenes Vorstandsmitglied über Jahre hinweg vor Gericht, könne dies aufseiten der Gesellschaft einerseits zu negativer öffentlicher Aufmerksamkeit,193 andererseits zur Offenlegung geschäftlich sensibler Informationen führen, was für die Entwicklung des Unternehmens nicht unbedingt förderlich sei.194 Vergleichs- oder Verzichtsvereinbarungen vor Ablauf der Sperrfrist seien auch dann im Interesse der Gesellschaft, wenn sich im Laufe eines Verfahrens herauskristallisiert, dass entweder das Recht aufseiten des vermeintlich Ersatzpflichtigen steht195 oder absehbar bzw. schon vor gerichtlicher Anspruchserhebung feststellbar ist, dass die Höhe der Ersatzpflicht die finan­ zielle Leistungsfähigkeit des Ersatzpflichtigen bei weitem übersteigt.196 Organhaftungsansprüche gestalteten sich häufig sehr komplex und erforderten ein langjähriges Aufklären und Prozessieren mit offenem Ausgang. Hierfür müssten personelle und finanzielle Ressourcen teilweise über einen sehr langen Zeitraum hinweg aufgewendet werden, die durch einen für beide Seiten sinnvollen Vergleich schon vor Ablauf der Dreijahresfrist eingespart werden könnten.197 Die dreijährige Sperrfrist sei aufgrund ihres nicht immer eindeutig bestimmbaren Anfangszeitpunkts zudem Ursache großer Rechtsunsicherheit, in deren Folge sich wirksam geglaubte Vereinbarungen mangels Fristverstreichens als unwirksam herausstellen könnten.198 Ist die Aktiengesellschaft nicht börsennotiert, komme das Problem der Verjährung hinzu,199 denn anders als bei börsennotierten Gesellschaften be192  Cahn,

899.

Vergleichsverbote, 4; DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2010, 897,

193  Cahn, Vergleichsverbote, 3; DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2011, 217, 221; ders., NZG 2010, 897, 899; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 307; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 164; Kremer, 70. DJT 2014, Sitzungsberichte – Referate und Beschlüsse Abteilung Wirtschaftsrecht, N 42. 194  Cahn, Vergleichsverbote, 3; DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2011, 217, 221; ders., NZG 2010, 897, 899; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 164. 195  Cahn, Vergleichsverbote, 3; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 164. 196  Binder, Grenzen Vorstandshaftung, 375; Cahn, Vergleichsverbote, 4; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2123; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 164; Zimmermann, Festschrift Duden, 773, 774 f. 197  DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2010, 897, 898  f.; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2123. 198  Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 249; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2123. 199  Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 249.

190

Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

trägt die Verjährungsfrist für Organhaftungsansprüche fünf (und nicht zehn) Jahre (§ 93 Abs. 6 AktG). Schließlich seien aufgrund der sonstigen gesetzlichen Hürden bereits hinreichend Vorkehrungen getroffen, die eine Sperrfrist obsolet machten:200 Erste wirksame Hürde sei die zwingende Publizität einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung im Rahmen der Hauptversammlungseinladung (§ 124 Abs. 2 S. 3 AktG).201 Hinzu komme das Auskunftsrecht der Aktionäre in der Hauptversammlung (§ 131 AktG) sowie ihr Recht zur Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen (§§ 241 Nr. 5, 246, 243 AktG), wenn ein Stimmrecht rechtswidrig dazu instrumentalisiert wurde, um weitere Untersuchungen pflichtwidrigen Verhaltens zu verhindern.202 Schließlich biete auch das Minderheitenveto, welches ausdrücklich nicht an Sachgründe gebunden ist, einen hinreichenden Kontrollschutz vor missbräuchlichen Vereinbarungen.203 Werde der Hauptversammlung ein Vergleichs- oder Verzichtsvorschlag über einen nicht hinreichend ermittelten Sachverhalt vorgelegt, so sei nicht mit einer Zustimmung zu rechnen.204 Auch das eigene Haftungsrisiko, welchem sich der Aufsichtsrat hierbei aussetze, halte diesen von kollusiven Absprachen schon vor Ablauf einer Frist ab.205 Ein sofortiges Tätigwerden der Gesellschaft in Richtung Aufarbeitung und Erledigung des Organhaftungsanspruchs signalisiere im Gegenteil, dass der AG an einer konsequenten Ahndung organschaftlicher Fehltritte gelegen sei und sie die hiermit einhergehenden Belastungen zum Wohle der Gesellschaft alsbald bereinigen möchte.206 200  Fleischer,

AG 2015, 133, 140. AG 2015, 133, 140. 202  Fleischer, AG 2015, 133, 140. Allgemein auf die Klagemöglichkeit der Aktionäre gegen Hauptversammlungsbeschlüsse hinweisend: Cahn, Vergleichsverbote, 143; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 164. Der Überprüfungsmaßstab der Hauptversammlungsentscheidung wird im Rahmen dieser Arbeit nur sehr begrenzt zugelassen, hierzu ausführlich unter Teil 5, 1. Kapitel, § 1, B., IV. Ausmaß der Überprüfbarkeit der Zustimmungserklärung der Hauptversammlung, S. 145. 203  Binder, Grenzen Vorstandshaftung, 371; Cahn, Vergleichsverbote, 143; Fleischer, AG 2015, 133, 140; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 164. 204  DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2010, 897, 899; Kremer, 70. DJT 2014, Sitzungsberichte – Referate und Beschlüsse Abteilung Wirtschaftsrecht, N 42. 205  DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2010, 897, 899; Drygala in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, 70. DJT 2014, Sitzungsberichte – Diskussion und Beschlussfassung Abteilung Wirtschaftsrecht, N 106 f.; Gaschler, Klagezulassungsverfahren § 148 AktG, 387. Bachmann hält es hingegen für naiv, dass die Furcht vor zukünftiger Haftung die AG vor unrechtmäßig haftungsbefreiendem Handeln der Organe bewahre, Bachmann, 70. DJT 2014, Gutachten, E 51. 206  DAV-Handelsrechtsausschuss, NZG 2010, 897, 899. 201  Fleischer,



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG191

II. Stimmen für Beibehaltung der Sperrfrist mit Modifikationen Nur ganz vereinzelt wird gegen die ersatzlose Streichung der Dreijahresfrist votiert.207 Für eine Beibehaltung der Frist spreche, dass die bisherigen Regelungen kein ausreichendes Gegengewicht zur Gefahr des kollusiven Zusammenarbeitens zwischen den Organen darstellten: Denn die sonstigen Kontrollmechanismen durch die Hauptversammlungszustimmung, das Minderheitenveto sowie die persönliche Haftung des Aufsichtsrats liefen ohne Frist ins Leere. Die Hauptversammlung stehe viel zu sehr unter Zugzwang, als dass sie eine hinreichend kontrollierende Instanz darstellen könne, das Minderheitenquorum sei für einen effektive Kontrolle zu hoch angesetzt und auf das persönliche Haftungsrisiko des Aufsichtsrats zu setzen, sei naiv.208 Allerdings, so Bachmann, könne die Frist nur beibehalten werden, wenn der hiermit verbundene Schwebezustand für die Praxis erträglich bliebe.209 Hierzu zähle, dass es dem Aufsichtsrat nicht verwehrt werden dürfe, bereits vor Fristablauf einen auflösend bedingten Vergleich abzuschließen und dementsprechend zu handeln.210 Auch solle die Frist bei gerichtlich geschlossenen Vergleichen nicht zur Anwendung kommen.211 Werde hingegen die Sperrfrist abgeschafft, so könne dies nur mit der Einführung einiger Vorsichtsmaßregeln einhergehen.212 Hierzu zähle, dass die Hauptversammlung vor der Beschlussfassung hinreichend informiert werde, was über die Einführung einer Berichtspflicht der Verwaltung sichergestellt werden könnte.213 Schließlich spricht sich Bachmann dafür aus, die Antragsbefugnis nach §§ 142, 148 AktG für einen Zeitraum von beispielsweise sechs Monaten nach dem Verzicht fortbestehen zu lassen und dessen Wirkung für den Zeitraum eines anhängigen Verfahrens nach § 142 AktG oder § 148 AktG zu hemmen.214 Im Ergebnis plädiert der Gutachter des 70. Deutschen Juristentages dafür, den Gesellschaften in der Satzung die Möglichkeit zur Entscheidung für entweder das gegenwärtige Modell – festgesetzte dreijährige Sperrfrist – oder das von ihm vorgeschlagene Modell zu überlassen.215 207  Bachmann,

70. DJT 2014, Gutachten, E 51. 70. DJT 2014, Gutachten, E 50 f. 209  Bachmann, 70. DJT 2014, Gutachten, E 51. 210  Bachmann, 70. DJT 2014, Gutachten, E 51. 211  Bachmann, 70. DJT 2014, Gutachten, E 51; E 122 (Beschlussvorschlag Nr. 5). 212  Bachmann, 70. DJT 2014, Gutachten, E 51. 213  Bachmann, 70. DJT 2014, Gutachten, E 51. Dem zustimmend Gaschler, Klagezulassungsverfahren § 148 AktG, 387 f. 214  Bachmann, 70. DJT 2014, Gutachten, E 52; ders. in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, 70. DJT 2014, Sitzungsberichte – Diskussion und Beschlussfassung Abteilung Wirtschaftsrecht, N 139. 215  Bachmann, 70. DJT 2014, Gutachten, E 52. 208  Bachmann,

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

Denn im Einzelfall könne auch das von ihm vorgeschlagene Modell den Gesellschaften lästig werden.216 Hopt regt an, die Sperrfrist als bloßen Regelfall auszugestalten, von dem mit gerichtlich überprüfbaren Gründen abgewichen werden sollte; von Hopt präferiert wird gleichwohl die ersatzlose Abschaffung der Frist.217 III. Eigene Bewertung und Vorschläge de lege ferenda 1. Eigene Bewertung: Keine ersatzlose Streichung der Sperrfrist

Wird ein Rechtsverhältnis zweier Parteien durch eine Konfliktlage gestört, ist eine einvernehmliche Lösung zwischen den Parteien grundsätzlich vorzugswürdig gegenüber einer gerichtlichen Streitentscheidung.218 So besagt z. B. § 278 Abs. 1 ZPO, dass das verhandelnde Gericht in jeder Lage des Prozesses auf eine gütliche Streitbeilegung bedacht sein soll. Dieses Grundprinzip kollidiert mit dem Aktienrecht dann, wenn Organhaftungsansprüche der Gesellschaft gegenüber ihrem Vorstand Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sind: Vor Ablauf der dreijährigen Sperrfrist ist eine gütliche Streitbeilegung per se nicht möglich (§ 93 Abs. 4 S. 3 AktG). Diese Situation ist misslich und sollte de lege ferenda so nicht beibehalten werden. Sicherlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass eine Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung, die schon vor Ablauf der dreijährigen Frist zustande kommt, im Einzelfall aus unterschiedlichen Gründen auch aus Sicht der ­Gesellschaft von Vorteil sein kann. Um dies beurteilen zu können, kommt es aber gerade auf den Einzelfall an. Eine Einzelfallprüfung der Vor- oder Nachteilhaftigkeit der Vereinbarung sieht das Gesetz bisher nicht vor. Eine vorzeitige Verzichts- oder Vergleichsmöglichkeit sollte daher nur dann möglich sein, wenn eine neutrale Instanz den Einzelfall prüft und die Vorteilhaftigkeit bestätigt.219 Ohne neutrale Kontrollinstanz sollte die pauschalisierte Sperrfrist dagegen erhalten bleiben. Heutzutage gestalten sich aufgrund der Vielfalt der Vorstandspflichten Organhaftungsfälle immer komplexer. Verstöße im Kartellrecht sind beispielsweise meist derart vielschichtig, dass regelmäßig eine 216  Bachmann,

70. DJT 2014, Gutachten, E 52. ZIP 2013, 1793, 1803; ders. in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, 70. DJT 2014, Sitzungsberichte – Diskussion und Beschlussfassung Abteilung Wirtschaftsrecht, N 78. 218  BVerfG, NJW-RR 2007, 1073, 1074. 219  Zu diesem Alternativvorschlag de lege ferenda ausführlich sogleich ausführlich unter Teil 5, 1. Kapitel, § 3, C., 2., b) Sperrfristaufhebung durch Gerichtszustimmung?, S. 199. 217  Hopt,



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG193

Frist von drei Jahren nicht ausreichend ist, um auch nur annähernd den Schadensumfang einordnen zu können.220 Gerade auf diesem Gebiet können die Schäden hingegen von sehr großem Umfang sein,221 sodass ein vorschneller Vergleich ein verzerrtes Ergebnis hervorrufen kann. Ein Abwarten von zumindest einer dreijährigen Observationszeit hilft dann, sich einen besseren Überblick über das Schadensausmaß zu verschaffen, was bei sofortigem Tätigwerden nicht möglich wäre. Trotz zuzugestehender Vorteile für die Gesellschaft im Einzelfall ist eine pauschale Streichung der Sperrfrist daher nicht empfehlenswert. Auch der Verweis auf Rechtsunsicherheit, die aus Unklarheiten in Bezug auf den Beginn der Sperrfrist resultierten, kann eine Streichung der Sperrfrist nicht begründen. Der Beginn der Sperrfrist ist nach hier vertretener Ansicht an den Zeitpunkt zu knüpfen, in welchem eine Feststellungsklage möglich wäre;222 größtmögliche Rechtssicherheit wird durch umfassende Rechtsprechung hierzu weitgehend sichergestellt. Soweit auf die kurze Periode bei nicht börsennotierten Gesellschaften hingewiesen wird, innerhalb derer ein Verzicht oder Vergleich aufgrund der fünfjährigen Verjährungsfrist nur möglich sei, ist auch dies nicht als hinreichender Grund für eine ersatzlose Streichung der Frist zu werten. Zwischen Ende der Sperrfrist und Verjährung des Anspruches bleiben den Gesellschaften auch in nicht börsennotierten Gesellschaften noch zwei Jahre, in denen über einen Verzicht oder Vergleich verhandelt werden kann. Sehen die Vertreter der Abschaffung der Frist eine Periode von drei Jahren als lang genug an, eine sinnvolle Vereinbarung zu treffen, verweisen dann aber gleichzeitig auf den (um ein Jahr kürzeren) verbleibenden zweijährigen Zeitraum als zu kurz, so ist dies inkonsequent. Es kann angenommen werden, dass diejenigen, die eine Abschaffung der Frist fordern, eine Einigung zwischen AG und Vorstandsmitglied schon weit vor Ablauf von einer Zeitspanne von drei Jahren ermöglichen wollen, möglicherweise sogar schon innerhalb weniger Monate nach Bekanntwerden des ersten Schadenseintritts. Dann muss aber auch eine Zeitspanne von zwei Jahren – während derer mindestens eine ordentliche Hauptversammlung stattfinden wird – als ausreichend für Vereinba220  Harbarth/Höfer,

NZG 2016, 686, 688. Auflistung der Höchstsummen der Bußgelder, die Einzelunternehmen gegenüber zwischen 2003 und 2015 verhängt wurden, findet sich im Jahresbericht des Bundeskartellamts von 2017: Bundeskartellamt, Jahresbericht 2017, abrufbar unter: https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Jahresbericht/Jahresbericht_2017.pdf?__blob=publicationFile&v=5 (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 39. Die Maximalsumme beträgt hierbei 195.000.000 Euro (im Rahmen des Zuckerkartells, verhängt 2014). 222  Hierzu ausführlich unter Teil 5, 1. Kapitel, § 3, B., I. Beginn der Sperrfrist, S. 178. 221  Eine

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

rungsverhandlungen eingestuft werden, weshalb das Argument des zu kurzen Zeitraums zwischen Ende der Dreijahresfrist und Eintritt der fünfjährigen Verjährung eine Abschaffung der Dreijahresfrist nicht begründen kann. Selbst der Verweis auf das Bestehen sonstiger Kontrollmechanismen, die zusammen mit der Sperrfrist als Schutz vor kollusiven Absprachen dienen sollen, ist nicht hinreichend, um sich für die gänzliche Streichung der Sperrfrist auszusprechen. Wie schon Bachmann zutreffend konstatiert, bieten die sonstigen Regelungen für sich allein noch keine hinreichende Sicherheit. Blickt man auf die Kontrolle, die die Zustimmung der Hauptversammlung gewährleisten soll, so verweist der Erstatter des Gutachtens für den 70. Deutschen Juristentag 2014 in Hannover zu Recht auf den Zugzwang, welchem die Hauptversammlung unterliegt, sobald sie eine fertige Lösung präsentiert bekommt.223 Gerade dann, wenn ein Unternehmen schon über Jahre hinweg mit der Aufarbeitung eines Schadenskomplexes beschäftigt ist, soll der Abschluss eines solchen nicht an der Zustimmung der Hauptversammlung scheitern und so ein Andauern der (ggf. sogar öffentlichen) Debatte hervorrufen. Die Hauptversammlung wird in der Regel erst im Rahmen ihrer Einberufung – d. h. u. U. erst 30 Tage vor der Abstimmung, § 123 Abs. 1 S. 1 AktG – über den Inhalt einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung in Kenntnis gesetzt. In einem so kurzen Zeitraum wird es für die Aktionäre kaum möglich sein, hinreichend Hintergrundinformationen zu dem Sachverhaltskomplex in Erfahrung zu bringen, um sich ein abschließendes Bild über die Vor- und Nachteile der Vereinbarung zu machen.224 Im Zweifel stützen die Aktionäre deshalb den Vorschlag des Aufsichtsrates, was sich auch in den Abstimmungsergebnissen der in dieser Arbeit untersuchten Hauptversammlungen widerspiegelt, im Rahmen derer zwischen 2003 und Anfang März 2019 über einen Verzichts- oder Vergleichsvorschlag abgestimmt wurde: Die Zustimmungsquoten betrugen zwischen 98,13 % und 99,99 %.225 Zurückgeführt werden können diese Quoten selbstverständlich auch auf die die Aktionäre zufriedenstellenden Vorschläge. Gleichwohl zeigt die Untersuchung, dass statistisch jedenfalls nicht mit großen Abweichungen zu rechnen ist – selbst bei starker Diskrepanz zwischen Schadens- und Vergleichshöhe226 –, sodass die Entscheidung der Hauptver223  Bachmann,

70. DJT 2014, Gutachten, E 50 f. missliche Situation besteht zwar unabhängig von der Dauer der Sperrfrist. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass der Aufsichtsrat, um sich selbst keiner Pflichtverletzung auszusetzen, ein umfassendes Bild von der Situation verschafft hat, was umso differenzierter ausfallen kann, je mehr Zeit seit dem schadensverursachenden Handeln vergangen ist. 225  Hierzu ausführlich unter Teil 3, 2. Kapitel: Bestandsaufnahme zur Relevanz von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, S. 50. 226  Anschaulich sind in diesem Zusammenhang die Vergleichssummen zwischen 0,5 und 5 Millionen Euro bei einem Gesamtschaden von etwa 2,5 Milliarden Euro, auf 224  Diese



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG195

sammlung aufgrund der Abhängigkeit vom Tätigwerden der einzelnen Aktionäre (Mobilisierung für hinreichend Gegenstimmen) – sind sie gegen den Vereinbarungsvorschlags – allein nicht als hinreichende Kontrollinstanz eingestuft werden kann. Auch das zehnprozentige Minderheitenvetorecht kann ohne Dreijahresfrist nicht die erforderliche Funktion einer Überwachungsinstanz wahrnehmen: Die Widerspruchsquote ist sehr hoch angesetzt227 und erfordert gerade in Publikumsgesellschaften mit großem Streubesitz den Zusammenschluss mehrerer Aktionäre. Eine Kontrolle, die auf eine Überprüfung der Vereinbarung im Extremfall innerhalb von 30 Tagen und zudem einer Mobilisierung einer hinreichenden Anzahl von Aktionären zu einem Widerspruch gestützt wird, kann mit Blick auf das erhebliche Risikopotential der kollusiven Absprachen zwischen den Organen nicht ausreichend sein und muss demgemäß durch die Beibehaltung der Frist unterstützt werden. Ein Blick auf das vermeintlich effektive Instrument der Klagezulassungsmöglichkeit mit anschließender Klage gem. § 148 AktG führt zu keinem anderen Ergebnis: Dieser Form der Anspruchsgeltendmachung kommt nur ein sehr geringes Gewicht in der Praxis zu.228 Aus ihrer Existenz kann damit die sich die Siemens AG mit Betroffenen einigte. Die Zustimmungsquoten in der Hauptversammlung betrugen zwischen 98,13 % und 99,64 %. Zu den Vergleichssummen: Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2015, abrufbar unter: https://assets.new.siemens.com/siemens/assets/api/uuid:ba34fdf4-cb40-46dc-997 a-cb01503737e1/version:1565189149/hv2015-einberufung-de.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 11; Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: https://assets.new.siemens.com/siemens/assets/api/uuid:8b1d41 5e-afe1-4511-921c-c2d2a848f029/version:1565188850/hv2013-einberufung-201211 28-d.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 7; Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2010, abrufbar unter: https://assets.new.siemens.com/ siemens/assets/api/uuid:153c1246-a926-466c-903e-97d67763b622/version:15651 88819/einladung-hv2010-d.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), TOP 12. Zu den Zustimmungsquoten: Siemens AG, Abstimmungsergebnisse der ordentlichen Hauptversammlung 2015, abrufbar unter: https://assets.new.siemens.com/siemens/assets/ api/uuid:c8741810-d7eb-4b40-9df5-66002257b31b/abstimmungsergebnisse2015.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), Siemens AG, Abstimmungsergebnisse der ordent­ lichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: https://assets.new.siemens.com/sie mens/assets/api/uuid:356eaf7e-0b12-4821-b70e-c0a0845f7c19/abstimmungsergeb nisse2013.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), Siemens AG, Abstimmungsergebnisse der ordentlichen Hauptversammlung 2010, abrufbar unter: https://assets.new. siemens.com/siemens/assets/api/uuid:03344f3a-73f5-4da1-811c-25f0faca2b54/abstim mungsergebnisse2010.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019). 227  Die Widerspruchsquote von 10 % des Grundkapitals ist zwar sehr hoch angesetzt, sollte aber trotzdem beibehalten werden. Hierzu ausführlich unter Teil 5, 1. Kapitel, § 2, C., III., 2. Für Beibehaltung des Minderheitenvetorechts in bisheriger Höhe, S. 170. 228  Haar/Grechenig, AG 2013, 653, 654 f.; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 789; Hölters/Hirschmann, AktG, § 148 AktG Rdnr. 1; Kölner Komm AktG/Riekers/Vetter,

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

nicht auf die Effektivität ihres Kontrollmechanismus geschlossen werden, weshalb es anderer, zuverlässigerer Kontrollformen bedarf. Insbesondere die einzige von keinen weiteren Faktoren, wie etwa der Mobilisierung von Ak­ tionären, abhängige Kontrollart – die Sperrfrist – kann hierdurch nicht ersetzt werden. Schließlich stuft Bachmann229 die Gefahr der eigenen Haftung aufseiten des Aufsichtsrats zu Recht als naiv ein: Denn effektiv wäre diese Abschreckung nur dann, wenn ihr ein automatischer Sanktionsmechanismus angeschlossen wäre. Doch schon hier bedarf es eines entscheidenden Zwischenschrittes: der Geltendmachung solcher Ansprüche. Bekanntlich gilt: „Wo kein Kläger, da kein Richter.“ Mit einer Geltendmachung kann keinesfalls mit Sicherheit gerechnet werden, weshalb ein reines Drohszenario eine statische Frist nicht als wirksames Kontrollinstrument ersetzen kann. Es zeigt sich, dass die Sperrfrist als einziges Kontrollinstrument, das an keine zusätzlichen Voraussetzungen geknüpft ist, aufgrund seiner Effektivität nicht ersatzlos gestrichen werden darf. Gleichwohl erklingt die Forderung nach einer „erträglichen“ Lösung während des Schwebezustandes,230 die gerade angesichts des lauten Rufes nach der gänzlichen Fristabschaffung nicht ungehört bleiben darf. Im Folgenden werden deshalb Modifikationsmöglichkeiten der Sperrfrist untersucht, die das Ziel haben, trotz dieser Modifikationen die Rechtssicherheit und den Minderheitenschutz ausreichend zu wahren. 2. Forderungen de lege ferenda

a) Sperrfristaufhebung durch einstimmigen Hauptversammlungsbeschluss? Ein Blick auf die Rechtslage im benachbarten Österreich könnte sinnvolle Abhilfe schaffen. Im dortigen Aktienrecht gilt – abgesehen von der Fristlänge (fünf anstatt drei Jahre) – dieselbe Verzichts- und Vergleichsregelung wie im deutschen Recht.231 Der Oberste Gerichtshof urteilte, dass einer Entlastung dann die Wirkung eines Verzichts zukommen kann, wenn der Beschluss von den Aktionären einstimmig gefasst wird.232 Ist es also einstimmi§ 148 AktG Rdnr. 81; Peltzer, Festschrift Schneider, 953, 954 f.; Schmolke, ZGR 2011, 398, 399, 401 f.; Tröger, ZHR 179 (2015), 453, 464; Vetter, Festschrift Hoffmann-Becking, 1317, 1319 f.; Wagner, ZHR 178 (2014), 227, 241. 229  Bachmann, 70. DJT 2014, Gutachten, E 51. 230  Bachmann, 70. DJT 2014, Gutachten, E 51. 231  Zur Rechtslage in Österreich ausführlich unter Teil 4, 4. Kapitel, § 3, C. Möglichkeit eines Verzichts oder Vergleichs, S. 136. 232  OGH 6 Ob 28/08y (Rechtliche Beurteilung 5.1); OGH 2 Ob 356/74 = SZ 48/79.



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG197

ger Wille der Anteilseigner, kann auf einen Anspruch auch schon vor Ablauf der Sperrfrist wirksam verzichtet werden. Im deutschen Recht stellt § 120 Abs. 2 S. 2 AktG ausdrücklich klar, dass der Entlastung keine Verzichtswirkung zukommt. Die Regelung findet auch auf einstimmig gefasste Beschlüsse Anwendung;233 die Aktionäre befinden ausdrücklich nicht über Ersatzansprüche, sodass dem Beschluss im Nachhinein auch keine solche Wirkung zugeschrieben werden kann.234 Auf einstimmig gefasste Entlastungsbeschlüsse kann der aus der österreichischen Rechtsprechung entspringende Gedanke demnach nicht übertragen werden. Er könnte gleichwohl dergestalt de lege ferenda für die Regelung in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG fruchtbar gemacht werden, dass die Sperrfrist dann keine Anwendung zu finden hätte, wenn der Hauptversammlungsbeschluss einstimmig erteilt wird. Vorteile brächte dies beispielsweise, wenn die Schadensentwicklung bereits abgeschlossen ist und die Hauptversammlung dann, um eine Vereinbarung nicht unnötig hinauszuzögern, über einen Verzichtsoder Vergleichsvertrag abstimmen soll. In diesen Fällen die Sperrfrist auszuhebeln, ist indessen trotz der vermeintlich ausgeglichenen Interessenverteilung nicht empfehlenswert. Zunächst ist feststellend zu wiederholen, dass bereits heutzutage die Zustimmungswerte der Hauptversammlung zu Verzichts- bzw. Vergleichsvereinbarungen annähernd 100 % betragen.235 Zumindest statistisch sind auch in Zukunft keine erheblichen Abweichungen hiervon zu erwarten. Ändern würde sich gleichwohl die Drucksituation, in welcher sich die u. U. juristisch nicht versierten Anteilseigner befänden: Erst Recht erhöht sich nämlich der Druck, wenn der Aufsichtsrat der Hauptversammlung eine Vereinbarung zur Abstimmung vorlegt, die nur – weil vor Ablauf der Frist – Gültigkeit erlangen kann, wenn alle Aktionäre zustimmen. Dann aber verlöre die Hauptversammlungszustimmung die ihr zugedachte Kontrollfunktion. Für eine solche, zumindest nicht auszuschließende Annahme spricht erschwerend die kurze Vorlaufzeit, welche den Aktionären zwischen Hauptver233  GroßKomm AktG/Mülbert, § 120 AktG Rdnr. 47; Hüffer/Koch, AktG, § 120 AktG Rdnr. 13; MünchKomm AktG/Kubis, § 120 AktG Rdnr. 30; Schmidt/Lutter/ Spindler, AktG, § 120 AktG Rdnr. 45; Spindler/Stilz/Hoffmann, AktG, § 120 AktG Rdnr. 28. Anders noch zur alten Rechtslage vor Einführung des § 120 Abs. 2 S. 2 AktG: BGHZ 29, 385, 390; Schönle, ZHR 126 (1964), 199, 221 f. und hierzu a. A. Brox, BB 1960, 1226, 1227 f. 234  Spindler/Stilz/Hoffmann, AktG, § 120 AktG Rdnr. 28. 235  Bezogen wird sich hierbei auf die unter Teil 3, 2. Kapitel: Bestandsaufnahme zur Relevanz von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, S. 50, untersuchten Gesellschaften, die zwischen 2003 und Anfang März 2019 ihre Hauptversammlungseinladungen aufgrund ihrer Börsennotierung im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlichen mussten.

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sammlungseinladung und -durchführung bleibt; im Zweifelsfall beträgt diese nur 30 Tage (§ 123 Abs. 1 S. 1 AktG). Während diese kurze Vorlaufzeit im Falle des Verstreichens einer dreijährigen Sperrfrist dadurch ausgeglichen wird, dass jedenfalls die Schadensentwicklung über drei Jahre fortgeschritten ist, sodass ein umfangreicheres Schadensbild gezeichnet werden kann, fehlt diese zeitliche Komponente beim ersatzlosen Wegfall der Sperrfirst. Damit einher ginge, wie schon so häufig betont, die Gefahr der kollusiven Zusammenarbeit zwischen den Organmitgliedern, die durch die Tatbestandshürden in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG gerade verhindert werden soll. Gleichzeitig bestünde die Gefahr, dass (Klein-)Aktionäre die Situation für ihre eigenen Zwecke zu instrumentalisieren versuchten, indem sie ihre Zustimmung solange verweigern würden, wie ihnen keine Gegenleistung zukommen würde. Es würde mithin ein vergleichbares Phänomen zu dem der sog. „räuberischen Aktionäre“236 hervorgerufen. Für den Fall der abgeschlossenen Schadensentwicklung ist hinzuzufügen, dass ein solcher Ausnahmefall deshalb nicht anders zu behandeln ist, weil Ausnahmetatbestände ein Einfallstor für Rechtsunsicherheit sind. Wie lässt sich z. B. fehlerfrei beurteilen, ob eine Schadensentwicklung bereits zum Abschluss gekommen ist? Was passiert, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die Einschätzung falsch getroffen wurde und dennoch abgestimmt wurde? Besser ist auch hier eine starre Frist ohne zusätzliche Voraussetzungen, durch welche der größtmögliche Grad an Rechtssicherheit geschaffen werden kann. Aus diesem Grund ist auch davon abzuraten, sonstige, selbst im Nachhinein gerichtlich überprüfbare Ausnahmetatbestände einzuführen oder die Frist als Regelfall auszugestalten, von dem mit guten Gründen abgewichen werden könnte.237 Zusammenfassend sollten selbst einstimmig gefasste Hauptversammlungszustimmungen die Sperrfrist in Zukunft nicht außer Kraft setzen können. Auch sonstige Ausnahmen im Tatbestand sollten unterbleiben. 236  Bezeichnet werden hiermit insbesondere Kleinaktionäre, die gegen einen Beschluss der Hauptversammlung Anfechtungsklage erheben, um im anschließenden Verfahren eine möglichst hohe Abfindung von der Gesellschaft zu erhalten. Um diesem Phänomen entgegenzuwirken, verschärfte der Gesetzgeber durch das UMAG im Jahr 2005 die Voraussetzungen für die Erhebung einer Anfechtungsklage. Hierzu insbesondere der Problemaufriss im Rahmen des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung für das das UMAG: Begründung der BReg zum Entwurf des UMAG, BTDrucks. 15/5092, 1, sowie zum Phänomen der „räuberischen Aktionäre“: Baums, 63. DJT 2000, Gutachten F, F 144 ff.; Grigoleit/Ehmann, AktG, § 245 AktG Rdnr. 26; Hölters/Englisch, AktG, § 245 AktG Rdnr. 28. 237  Diese Ausgestaltung fordert, sofern eine Abschaffung der Frist unterbleibt, aber Hopt in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, 70. DJT 2014, Sitzungsberichte – Diskussion und Beschlussfassung Abteilung Wirtschaftsrecht, N 78.



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG199

b) Sperrfristaufhebung durch Gerichtszustimmung? Dass in Einzelfällen eine verbindliche Vereinbarung im Interesse aller Betroffenen liegen kann, wurde bereits hinreichend aufgezeigt.238 Trotz dieses Bedürfnisses ist eine ersatzlose Streichung der Sperrfrist, wie soeben dargelegt, nicht empfehlenswert. Nachgekommen werden könnte diesem Bedürfnis hingegen dadurch, dass eine Kontrollinstanz eingerichtet wird, die eine Zustimmung zum Verzicht oder Vergleich schon vor Ablauf der Sperrfrist ermöglicht, wenn eine Einzelfallprüfung der Vereinbarung deren Vorteilhaftigkeit für die Gesellschaft und nicht zulasten der Minderheitsaktionäre ergibt, sodass ein vorzeitiges Abstimmen als unkritisch einzustufen wäre. Eine solche Einzelfallprüfung müsste auf eine dritte, neutrale Instanz übertragen werden. Als Überprüfungsinstanz käme ein Gericht in Betracht. Schon in Bezug auf die erforderliche Hauptversammlungszustimmung wurde das Gericht als alternative, neutrale Instanz identifiziert.239 Aufgrund der Neutralität und juristischen Beurteilungsfähigkeit der Judikative scheint ein solches Vorgehen auch in Bezug auf die Sperrfrist sinnvoll. Zur Wahl sollte den Gesellschaften also stehen, ob sie, wie bisher vorgesehen, einen dreijährigen Zeitraum nach Anspruchsentstehung abwarten und anschließend der Hauptversammlung einen Vereinbarungsvorschlag zur Entscheidung vorlegen, oder ob sie diesen Entscheidungsvorschlag vor Ablauf der Frist von einem Gericht auf seine Fairness und Angemessenheit240 hin überprüfen lassen, bei dessen Zustimmung eine Abstimmung schon vor Frist­ ablauf möglich wird. Insbesondere die missliche Lage, welche dadurch hervorgerufen wird, dass selbst bei gerichtlichen Verfahren vor Ablauf der Frist die Gesellschaft einen Vergleichsvorschlag des Gerichts nicht annehmen kann, würde dadurch beseitigt. So würde eine Einzelfallbetrachtung möglich, bei der die Rechtsunsicherheit dadurch vermieden wird, dass die Judikative in die Entscheidungsfindung miteingebunden wird. Verfahrenstechnisch wäre wie bei der ersatzweisen Hauptversammlungszustimmung vorzugehen, was insbesondere auch eine Kumulation der Verfahren ermöglichen soll. Klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass auf pro238  Ausführlich hierzu insbesondere die Argumentation der Befürworter einer Abschaffung der Sperrfrist unter 5. Teil, 1. Kapitel, § 3, C., I. Stimmen für Abschaffung der Sperrfrist, S. 188. 239  Hierzu ausführlich unter 5. Teil, 1. Kapitel, § 1, C., IV., 2. Möglichkeit 2: Zustimmungsbeschluss durch Gericht, S. 153. 240  Diese Kriterien wurden bereits im Rahmen der Ersetzung des Hauptversammlungsbeschlusses durch eine gerichtliche Zustimmung als Entscheidungsmaxime ausgemacht. Hierzu ausführlich unter 5. Teil, 1. Kapitel, § 1, C., IV., 2. Möglichkeit 2: Zustimmungsbeschluss durch Gericht, S. 153.

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

zessualer Normanwendungsebene die Regelungen des FamFG heranzuziehen wären, um so dem Gericht mit dem im Anwendungsbereich des FamFG geltenden Amtsermittlungsgrundsatz gem. § 26 FamFG eine möglichst umfassende Sachverhaltsaufklärung zu ermöglichen, die beim Parteibeibringungsgrundsatz der ZPO nicht gewährleistet wäre.241 Ob ein Vergleichs- oder Verzichtsvorschlag hinreichend fair und angemessen ist, sollte aufseiten des Gerichts insbesondere anhand der Kriterien zu beurteilen sein, die auch für die Ersetzung der Hauptversammlungszustimmung heranzuziehen wären.242 Herauszugreifen sind beispielhaft die Erfolgsaussichten einer Klage, die Leistungsfähigkeit des Inanspruchzunehmenden sowie das Stadium der Schadensentwicklung.243 Zudem müsste von Gewicht sein, inwieweit eine vorzeitige Abstimmung Ursache eines in der Nachschau als verzerrt einzustufenden Ergebnisses werden könnte. Würde das Gericht einer vorzeitigen Entscheidung über einen Verzichtsbzw. Vergleichsvorschlag seine Zustimmung erteilen, könnte dieser der Hauptversammlung zur Abstimmung vorgelegt werden, auch wenn die Stillhaltefrist von drei Jahren noch nicht abgelaufen wäre. 3. Zwischenergebnis

1. Nicht wenige Stimmen fordern eine ersatzlose Streichung der Sperrfrist. Sie führen als Argumente u. a. die Verhinderung sinnvoller Vereinbarungen und unnötiges Prozessieren an. Hinreichend Sicherheit böten bereits sonstige gesetzliche Voraussetzungen. 2. Diejenigen, die sich für die Beibehaltung der Sperrfrist aussprechen, stufen die sonstigen Kontrollmechanismen als nicht ausreichend ein, sodass ein ersatzloser Wegfall der Sperrfrist abzulehnen sei. Allerdings fordern auch sie, dass praxistaugliche Alternativen geschaffen werden müssten. 3. Die Sperrfrist ist mit Hinblick auf ihren ursprünglichen Zweck, die Vermeidung vorschneller Abgeltung, der angesichts immer höherer Schadenssummen heutzutage aktueller denn je ist, nach hier vertretener Ansicht nicht ersatzlos zu streichen. Die bestehenden sonstigen Kontrollmechanismen gewährleisten vor Ablauf der dreijährigen Sperrzeit keinen ausreichenden Schutz. 241  Hierzu insgesamt ausführlich unter 5. Teil, 1. Kapitel, § 1, C., IV., 2. Möglichkeit 2: Zustimmungsbeschluss durch Gericht, S. 153. 242  Hierzu ausführlich unter 5. Teil, 1. Kapitel, § 1, C., IV., 2. Möglichkeit 2: Zustimmungsbeschluss durch Gericht, S. 153. 243  Hierzu ausführlich unter 5. Teil, 1. Kapitel, § 1, C., IV., 2. Möglichkeit 2: Zustimmungsbeschluss durch Gericht, S. 153.



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG201

4. Eine Fristverkürzung mittels einstimmiger Hauptversammlungszustimmung birgt zu große Gefahren in sich (Drucksituation der Aktionäre, Gefahr vor „räuberischen Aktionären“), als dass dies ein alternativer effektiver Kontrollersatz wäre. 5. Um die Frist wirksam verkürzen zu können, sollte der Gesellschaft eine Einzelfallprüfung durch ein Gericht ermöglicht werden, welches anhand des Maßstabes der „Fairness und Angemessenheit“ unter Abwägung der Vorteile einer zeitnahen Entscheidung und der Vorteile einer ausgereiften Entscheidung eine Fristverkürzung aussprechen können sollte.

D. Thesenartige Zusammenfassung zur Sperrfrist 1. Die dreijährige Sperrfrist soll verhindern, dass die Gesellschaft zu einem Zeitpunkt über einen Verzicht oder Vergleich Beschluss fasst, zu dem das Ausmaß des Schadens noch nicht überblickbar ist. 2. Die Frist beginnt entsprechend den Regelungen zur Verjährung mit dem Zeitpunkt, ab welchem eine Feststellungsklage erhoben werden könnte. Das Fristende errechnet sich gem. §§ 187, 188 BGB, wobei es nicht auf die (abgeschlossene) Schadensentwicklung im Einzelfall ankommt. 3. Eine teleologische Reduktion der Frist im Falle kartellrechtlicher Kronzeugenaussagen ist zugunsten des Schutzes des Gesellschaftsvermögens und der Rechtssicherheit abzulehnen. 4. Auch Forderungen zur gänzlichen Streichung der Sperrfrist sind abzulehnen. Die bisherigen Kontrollinstrumente gewähren für sich allein noch keinen hinreichenden Schutz vor vorschnellen Anspruchsabgeltungen. 5. Um in der Praxis im Einzelfall gleichwohl die Vorteile zeitnaher Lösungen nutzbar zu machen, sollte die Frist dann verkürzt werden können, wenn ein Gericht eine Verzichts- bzw. Vergleichsvereinbarung entsprechend dem Vorschlag zur Ersetzung der Hauptversammlungszustimmung als angemessen und fair einstuft. Eine Fristverkürzung durch einen einstimmigen Hauptversammlungsbeschluss ist aufgrund des hiermit einhergehenden Gefahrenpotentials hingegen abzulehnen.

§ 4 Sonderregelung für Vergleich bei Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz, § 93 Abs. 4 S. 4 AktG § 93 Abs. 4 S. 4 AktG sieht zwei Ausnahmen vor, bei deren Vorliegen ein Vergleich ohne Einhaltung der dreijährigen Sperrfrist, gleichwohl aber unter den Voraussetzungen der Zustimmung der Hauptversammlung und des Aus-

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

bleibens des Widerspruchs einer zehnprozentigen Minderheit geschlossen werden kann: sofern der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich mit seinen Gläubigern zur Abwendung eines Insolvenzverfahrens vergleicht oder bei der Regelung der Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan.244 Keine einheitliche Beurteilung erlangen die Tatbestandsmerkmale der „Gläubiger“ sowie der „Zahlungsunfähigkeit“. Der Wortlaut könnte darauf schließen lassen, dass ein Vergleich zwischen dem betroffenen Vorstandsmitglied und allen seinen Gläubigern erforderlich sei. Ein solches Verständnis wurde jedoch nur vereinzelt zu früheren Zeiten angenommen.245 Während Zimmermann noch einen Vergleich mit „einer größeren Zahl von Gläubigern“ forderte,246 wird heute ganz überwiegend als hinreichend erachtet, dass der Vergleich mit so vielen Gläubigern geschlossen wird, wie es zur Insolvenzabwendung bedarf.247 Im Einzelfall könne auch der Vergleichsschluss mit nur einem Gläubiger ausreichend sein.248 Dieser Auffassung ist beizupflichten. Weder präzisiert die Norm die Gläubigeranzahl auf „sämtliche“ noch auf „wesentliche“ Gläubiger; der Wortlaut der Norm gibt daher kein eindeutiges Ergebnis vor.249 Aufschlussreicher ist die gesetzgeberische Intention, die durch § 93 Abs. 4 S. 4 Alt. 1 AktG verwirklicht werden soll: Der Gesellschaft soll ermöglicht werden, sich mit ihrem Vorstandsmitglied zu vergleichen, damit sie aufgrund der finanziellen Notsituation des Betroffenen nicht gänzlich leer ausgeht.250 Ein Vergleichsschluss mit sämtlichen Gläubigern ist jedoch in vielen Fällen ein derart realitätsfernes Szenario, welches das Eingreifen des Ausnahmetatbestandes 244  Hierzu insgesamt ausführlich Hirte/Stoll, ZIP 2010, 253, 254 ff.; Wigand, Haftungsbeschränkungen, 333 ff. Wird über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenz­ verfahren eröffnet, findet § 93 Abs. 4 S. 3 AktG insgesamt keine Anwendung: Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 39; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 536; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 289; Spindler/Stilz/ Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 284; Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 139; Wigand, Haftungsbeschränkungen, 335 f. 245  von Godin/Wilhelmi/von Godin/Wilhelmi, AktG 1937, § 84 AktG 1937 Rdnr. 23; von Godin/Wilhelmi/Wilhelmi/Wilhelmi, AktG 1965, § 93 AktG 1965 Rdnr. 27. 246  Zimmermann, Festschrift Duden, 773, 787. 247  Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 39; GroßKomm AktG/Hopt/ Roth, § 93 AktG Rdnr. 540; Hirte/Stoll, ZIP 2010, 253, 255; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 318; Wigand, Haftungsbeschränkungen, 334. 248  Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 39; GroßKomm AktG/Hopt/ Roth, § 93 AktG Rdnr. 540; Hirte/Stoll, ZIP 2010, 253, 255; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 79; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 288; Schmidt/Lutter/ Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 66; Wigand, Haftungsbeschränkungen, 334 f. 249  Hirte/Stoll, ZIP 2010, 253, 255. 250  So auch Hirte/Stoll, ZIP 2010, 253, 255.



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG203

­ahezu unmöglich machen würde.251 Der gesetzgeberische Zweck könnte n demnach fast nie erreicht werden, was gegen eine solche Interpretation der Norm spricht.252 Gestützt wird dies noch durch die Begründung des Gesetzgebers, welche dieser im Rahmen der Aktienrechtsnovelle von 1884 betreffend Art. 213d ADHGB 1884 (Regelung über Verzicht bzw. Vergleich betreffend Ansprüche aus der Gründung) gab: Beim Abschluss des erforderlichen Vergleichs könne es nicht darauf ankommen, dass „der eine oder andere unbedeutende Gläubiger außer Betracht geblieben sei“; allein der Zweck der Abwendung des Konkursverfahrens (heute Insolvenzverfahren) sei erheblich.253 Stellte man schließlich auf eine „überwiegende Anzahl von Gläubigern“ ab, riefe dies erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten hervor,254 da das Gesetz keinerlei Anhaltspunkte für deren Bestimmung enthält. Demgemäß muss ausreichend sein, dass sich das betroffene Vorstandsmitglied mit so vielen Gläubigern vergleicht, dass ein Insolvenzverfahren abgewendet werden kann. Von großer Bedeutung ist angesichts der teilweise exorbitant hohen Ersatzansprüche255 außerdem die Frage, inwieweit das betroffene Vorstandsmitglied sich zum Vergleichszeitpunkt bereits im Stadium der Zahlungsunfähigkeit befinden muss. Konkret ist fraglich, ob ausreichend ist, dass die Zahlungsunfähigkeit erst durch Geltendmachung des (für den Vergleich relevanten) Anspruchs herbeigeführt würde, oder ob schon vorher Zahlungsunfähigkeit festgestellt werden muss.256 Der Wortlaut der Norm suggeriert, dass Zahlungsunfähigkeit schon eingetreten sein müsse („zahlungsunfähig ist“), § 93 Abs. 4 S. 4 AktG.257 Zimmermann streitet hingegen dafür, § 93 Abs. 4 S. 4 AktG auch in denjenigen Fällen, in denen die Zahlungsunfähigkeit erst mit der Inanspruchnahme des Vorstandsmitgliedes durch die Gesellschaft hervorgerufen würde, anzuwen251  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 540; Hirte/Stoll, ZIP 2010, 253, 255; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 288. 252  MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 288. 253  Allgemeine Begründung zum Gesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften (1884), abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre AktienR, ZGR Sonderheft 4, 453. 254  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 540; Hirte/Stoll, ZIP 2010, 253, 255; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 288. 255  So ging es in der Rechtssache Deutsche Bank AG ./. Breuer beispielsweise um einen Schadensbetrag i. H. v. mindestens 928 Millionen Euro. Zu diesem Fall ausführlich unter Teil 3, 1. Kapitel, § 2: Vergleich bei der Deutsche Bank AG, S. 48. 256  Dies bejahend: Fleischer, AG 2015, 133, 140; Hirte/Stoll, ZIP 2010, 253, 257; Semler/von Schenck/von Schenck, AktG, § 116 AktG Rdnr. 649; Zimmermann, Festschrift Duden, 773, 787. 257  Hervorhebung durch Verfasserin.

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

den.258 In diesen Fällen, wie auch bei einem außergerichtlichen Vergleich mit einer großen Anzahl Gläubigern, könne der Zweck der Sperrfrist nicht erreicht werden.259 Einschränkend fordert er jedoch, dass die mangelnde Leistungsfähigkeit eindeutig festzustellen sei, insbesondere, dass mit dieser auch noch nach Ablauf der drei Jahre zu rechnen sei.260 Auch Hirte und Stoll sprechen sich für eine Anwendung der Ausnahmeregelung in § 93 Abs. 4 S. 4 Alt. 1 AktG bei erst durch Geltendmachung des Haftungsanspruchs herbeigeführter Zahlungsunfähigkeit aus. Sie stützen sich auf einen Vergleich mit der Regelung zur Insolvenzanfechtung kongruenter Zahlungen gem. § 130 InsO. Danach sei ausreichend, dass die zur Anfechtbarkeit führende Zahlungsunfähigkeit erst durch die entsprechende Rechtshandlung – meist der Zahlung – herbeigeführt werde.261 In diesen Fällen sei es für die Gesellschaft nicht sinnvoll, zunächst mittels Zahlungsaufforderung die Insolvenz des Vorstandsmitgliedes herbeizuführen, bevor diese anschließend angefochten werde, um sich mit dem Betroffenen zu vergleichen.262 Diesen Ansichten ist Folge zu leisten. Sinn und Zweck der Regelung ist es, Vergleiche in Ausnahmesituationen zu ermöglichen, die auch im Interesse der Gesellschaft liegen können.263 Hierfür spricht, dass § 93 Abs. 4 S. 3 AktG insgesamt gesellschafts- und aktionärsschützend ausgestaltet ist, was § 93 Abs. 4 S. 4 AktG durch die Möglichkeit eines vorzeitigen Vergleichsschlusses erneut zum Ausdruck bringt. Denn steht bereits vor Inanspruchnahme des betroffenen Vorstandsmitgliedes fest, dass dieses aufgrund der Anspruchsgeltendmachung zahlungsunfähig würde, profitiert die Gesellschaft am meisten von der Möglichkeit, einen vorzeitigen Vergleich mit dem betroffenen Vorstandsmitglied schließen zu können. Diese Annahme darf gleichwohl nicht zu einer ausufernden Interpretation der Regelung führen, stattdessen muss, wie Zimmermann zurecht fordert, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, dass die Zahlungsunfähigkeit auch noch nach Ablauf der dreijährigen Sperrfrist vorliegt. Als anschauliches Beispiel dient die Rechtssache Deutsche Bank AG ./. Breuer: Die Ersatzanspruchsforderung, die sich aus einem Vergleichsschluss zwischen der Deutsche Bank AG und den Erben Leo Kirchs ergab, betrug mindestens 928 Millionen Euro, 258  Zimmermann,

Festschrift Duden, 773, 787. Festschrift Duden, 773, 787. 260  Zimmermann, Festschrift Duden, 773, 787. 261  Hirte/Stoll, ZIP 2010, 253, 257. 262  Hirte/Stoll, ZIP 2010, 253, 257. 263  Hierzu bereits die allgemeine Begründung zum Entwurf eines Gesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften (1884), abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre AktienR, ZGR Sonderheft 4, 453. 259  Zimmermann,



1. Kap.: Tatbestandsvoraussetzungen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG205

während der spätere Vergleich zwischen der Deutsche Bank AG und dem ehemaligen Vorstandsmitglied Breuer lediglich auf 3,2 Millionen Euro beziffert wurde. Orientiert hatten sich die Verhandelnden bei der Vergleichshöhe u. a. an dem von Breuer glaubhaft gemachten Leistungsvermögen.264 Dass eine Zahlungsunfähigkeit schon vor Ablauf der dreijährigen Frist hätte festgestellt werden können, scheint angesichts der erheblichen Betragsdiskrepanz zwischen der Haftungssumme und dem später festgestellten Leistungsvermögens als wahrscheinlich. Festzuhalten bleibt erstens, dass ein Vergleich nur mit so vielen Gläubigern erfolgen muss, wie zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens erforderlich sind, damit § 93 Abs. 4 S. 4 Alt. 1 AktG zur Anwendung kommt. Zweitens ist Zahlungsunfähigkeit i. R.v. § 93 Abs. 4 S. 4 AktG auch dann anzunehmen, wenn diese erst durch eine vollständige Inanspruchnahme in Höhe des Ersatzanspruchs ausgelöst würde.

§ 5 Fehlerfolgen bei Verstoß gegen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG Wird eine Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung unter Missachtung einer Voraussetzung in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG geschlossen, ist und bleibt die Vereinbarung unwirksam.265 Hinsichtlich der Sperrfrist stellte schon das Reichsgericht ausdrücklich klar, dass es sich bei dieser „um ein im öffentlichen Interesse erlassenes gesetzliches Verbot“ handele, was selbst dann die Unwirksamkeit einer Vereinbarung vor Ablauf der Frist zur Folge habe, wenn diese unter der aufschiebenden Bedingung der Hauptversammlungszustimmung nach Fristablauf ge264  Hierzu ausführlich unter Teil 3, 1. Kapitel, § 2: Vergleich bei der Deutsche Bank AG, S. 48. 265  Zur Ungültigkeit allgemein: BGHZ 202, 26, 38; OLG München, AG 2019, 221, 222; OLG München, AG 2017, 631, 632; Handbuch Hauptversammlung/Balke, § 41 Rdnr. 25; Hölters/Hölter, AktG; § 93 AktG Rdnrn. 311, 316; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 174; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 286; Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 319; Wachter/Link, AktG, § 93 AktG Rdnr. 90. Zur Ungültigkeit wegen Missachtung der Sperrfrist: Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 40; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 533; Handbuch Hauptversammlung/Balke, § 41 Rdnr. 25; Handbuch Managerhaftung/ Haas/Wigand, § 20 Rdnr. 20.67; Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, AktG, § 93 AktG Rdnr. 46; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 76; Kölner Komm AktG/Mertens/ Cahn, § 93 AktG Rdnr. 174; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 288. Zur Ungültigkeit wegen Missachtung der Hauptversammlungszustimmung: Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 40; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 534; Handbuch Managerhaftung/Haas/Wigand, § 20 Rdnr. 20.72.

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

schlossen und die Zustimmung auch tatsächlich erteilt werde.266 Gleiches wird für den Fall angenommen, dass nach Fristablauf die Hauptversammlung ihre Genehmigung zu einer Vereinbarung erteilt.267 Dieser harten Sanktionierung ist zuzustimmen: Der dreijährige Stillhaltezeitraum dient dazu, sich ein Bild über die Schadenslage verschaffen zu können und mit diesem Wissen Verzichts- oder Vergleichsvereinbarungen zu schließen. Diese Intention liefe leer, sofern schon vorher aufschiebend bedingte Vereinbarungen zugelassen würden: Die Meinungsbildung der vertretungsbefugten Organe soll erst nach Fristablauf stattfinden.268 Deshalb müssen alle (vermeintlich) verbindlichen Vereinbarungen, die vor Ablauf der Frist getroffen werden, mit der Nichtigkeitsfolge belegt werden.

2. Kapitel

Rolle und Aufgaben des Aufsichtsrats im Rahmen einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung der Gesellschaft mit einem Vorstandsmitglied Der Aufsichtsrat ist dasjenige Gesellschaftsorgan, welches die Gesellschaft im Verhältnis zum Vorstand vertritt, § 112 S. 1 AktG. Unerheblich ist, ob das betroffene Vorstandsmitglied zum Zeitpunkt der Vereinbarung bereits aus der Gesellschaft ausgeschieden ist. Um Interessenkonflikte zu vermeiden und Rechtssicherheit zu gewähren, bleibt es bei dem von § 112 S. 1 AktG vorgesehenen Vertretungsmodell.269 Die Vorbereitung und Verabschiedung eines Verzichts bzw. Vergleichs fällt damit in den Aufgabenbereich des Aufsichtsrats, wenn die Vereinbarung unmittelbar mit der Gesellschaft erfolgt.270 Den 266  RGZ 133, 33, 38 (zu § 205 HGB 1897). Für die heutige Regelung auch Fleischer, AG 2015, 133, 138  f.; Handbuch Managerhaftung/Haas/Wigand, § 20 Rdnr. 20.67; Harbarth/Höfer, NZG 2016, 686, 687; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 311. A. A. Bachmann, 70. DJT 2014, Gutachten, E 51, der dies für eine überstrenge Interpretation der Norm hält und einen auflösend bedingten Vergleich schon vor Ablauf der Frist als zulässig ansieht. 267  OLG München, AG 2019, 221, 222; OLG München, AG 2017, 631, 632; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 534; Handbuch Managerhaftung/ Haas/Wigand, § 20 Rdnr. 20.67; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 174; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 286. 268  Hölters/Hölter, AktG; § 93 AktG Rdnr. 311. 269  BGH, NZG 2009, 466, 467; BGH, NZG 2007, 31; BGHZ 157, 151, 153 f.; BGHZ 130, 108, 111 f. 270  Nicht hierzu zählt beispielsweise die Vereinbarung einer Stimmrechtsvereinbarung mit den Aktionären, siehe hierzu ausführlich unter Teil 3, 5. Kapitel, § 2, B., I., 3. Stimmrechtsvereinbarung mit Aktionären, S. 74.



2. Kap.: Rolle und Aufgaben des Aufsichtsrats i. R. e.Verzichtsvereinbarung207

Aufsichtsrat treffen bei der Vorbereitung einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung eine ganze Reihe Pflichten, die hier nicht alle einzeln behandelt werden.271 Im Folgenden wird zunächst der übergeordneten Frage nachgegangen, inwieweit der Aufsichtsrat bei der Wahl und der inhaltlichen Ausgestaltung eines Verzichts oder Vergleichs vorgegebenen Bindungen unterworfen ist (§ 1). Anschließend wird die Wirkung des Hauptversammlungsbeschlusses zugunsten einer möglichen Enthaftbarkeit gem. § 93 Abs. 4 S. 1 AktG untersucht (§ 2), bevor abschließend vertieft auf inhaltliche Anforderungen an den Beschlussvorschlag eingegangen wird (§ 3).

§ 1 Überprüfbarkeit der Entscheidung des Aufsichtsrats? Bereits an früherer Stelle wurde zu einer möglichen Pflichtenbindung der Hauptversammlung bei ihrer Entscheidung über die Zustimmung oder Ablehnung eines Verzichts oder Vergleichs ausführlich Stellung genommen, um die Überprüfbarkeit des Beschlusses festzustellen. Als Ergebnis wurde festgehalten, dass die Hauptversammlung in ihrer Beschlussfassung frei und an keine Pflichten gebunden ist; ihre Entscheidung unterliegt mithin weder einer materiellen Beschlusskontrolle noch einer treuepflichtgestützten Missbrauchskontrolle.272 Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, ob dieses Ergebnis auch für den Aufsichtsrat gilt oder ob dieser einem hiervon abweichenden Maßstab unterliegt. Ziel ist es, das Ausmaß eines gerichtlich überprüfbaren Handlungsspielraums zu identifizieren. Das Gesetz schweigt zu dieser Frage und auch die Rechtsprechung hat sich hierzu bisher nicht geäußert. Deshalb mutet es nicht verwunderlich an, dass über diese Fragestellung im Schrifttum eine kontroverse Debatte geführt wird.

A. Strengste Auffassung: Bindung an die ARAG/Garmenbeck-Grundsätze Die strengste Auffassung will das für die Hauptversammlung geltende Ergebnis nicht auf den Aufsichtsrat übertragen. Stattdessen sei dieser in seiner Entscheidung an die Grundsätze, die der BGH in seiner ARAG/Garmenbeck271  Ausführlich zu allen, den Aufsichtsrat im Zusammenhang mit einem Verzicht oder Vergleich treffenden Pflichten: Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 149 ff. 272  Hierzu ausführlich unter 5. Teil, 1. Kapitel, § 1, B., IV. Ausmaß der Überprüfbarkeit der Zustimmungserklärung der Hauptversammlung, S. 145.

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

Entscheidung aufstellte,273 gebunden.274 Im Falle eines (Teil-)Verzichts bedeute dies, dass der Aufsichtsrat, nachdem er das Vorliegen aller zur Schadenersatzverfolgung erforderlichen Kriterien sowie die Möglichkeit der Verfolgung festgestellt habe, anhand der in der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung vorgegebenen Kriterien abzuwägen habe, inwieweit sein intendiertes Handeln – der (Teil-)Verzicht – im Wohl des Unternehmens liege. Nur wenn „gewichtige Interessen und Belange der Gesellschaft“275 für einen Verzicht sprächen, sei ein solcher zulässig.276 Exemplarisch werden u. a. die Behinderung der Vorstandsarbeit oder das Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit als mögliche Abwägungskriterien angeführt.277 Begründet wird die Übertragung der ARAG/Garmenbeck-Kriterien, die vom BGH für den Fall der Nichtgeltendmachung eines Anspruchs entwickelt wurden, damit, dass ein Verzicht noch über eine Nichtgeltendmachung hi­ nausgehe, sodass die für die Nichtgeltendmachung entwickelten Grundsätze für (Teil-)Verzichte entsprechend zu gelten hätten.278

B. Weiteste Auffassung: keine inhaltlichen Bindungen Bayer und Scholz wollen die für die Hauptversammlung geltenden Freiheiten auf den Aufsichtsrat übertragen.279 Weder habe der Aufsichtsrat bei seiner Entscheidung die ARAG/Garmenbeck-Grundsätze zu beachten noch handele es sich um eine unternehmerische Entscheidung, die nur im Rahmen der Business Judgment Rule pflichtgemäß vorgenommen werden könne.280 Das Ermessen des Aufsichtsrats gehe vielmehr so weit wie jenes der Hauptversammlung.281 Entscheidend sei, ob der Aufsichtsrat der Hauptversammlung als Grundlage für deren Zustimmung hinreichend nachvollziehbare Gründe für einen Verzicht oder Vergleich vorlegen könne.282 Einbezogen werden dürften hierbei auch solche Gründe, die außerhalb des Unternehmenswohls stünden, wie die Schonung eines verdienten Vorstandsmitglieds.283 Pflicht273  BGHZ

135, 244. NZG 2016, 890, 891; ders., DB 2010, 2037, 2040; Werner, CCZ 2011, 201, 202 f. 275  BGHZ 135, 244, 255. 276  Hasselbach, DB 2010, 2037, 2040; Werner, CCZ 2011, 201, 202. 277  Hasselbach, DB 2010, 2037, 2040 f.; Werner, CCZ 2011, 201, 202. Basierend auf BGHZ 135, 244, 255. 278  Hasselbach, DB 2010, 2037, 2040. 279  Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 151 ff. 280  Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 151 f. 281  Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 152. 282  Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 152. 283  Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 152. 274  Hasselbach,



2. Kap.: Rolle und Aufgaben des Aufsichtsrats i. R. e.Verzichtsvereinbarung209

widrig verhalte sich der Aufsichtsrat nur dann, wenn er die von ihm allgemein einzuhaltenden Sorgfaltsgrenzen überschreite, indem er auf einer unangemessenen Informationsgrundlage handle oder für ihn von vornherein erkennbar sei, dass nicht mit einer Zustimmung der Aktionäre zu rechnen sei.284 Abzulehnen sei die Anwendung der Grundsätze aus der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung: Dienten die strengen Kriterien aus dem ARAG/Garmenbeck-Urteil einer Kompensation der mangelnden Hauptversammlungsbeteiligung und demnach als Schutz vor dem Verjährenlassen des Anspruchs durch den Aufsichtsrat, bestehe im Rahmen des Anwendungsbereichs von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG aufgrund der obligatorischen Hauptversammlungseinbindung kein kompensationsbedürftiges Verhältnis, sodass den strengen Rechtsprechungskriterien der Boden entzogen sei.285 Für eine unternehmerische Entscheidung, die den Aufsichtsrat für ein pflichtgemäßes Verhalten an die Kriterien der Business Judgment Rule binde, bleibe ebenfalls kein Raum: Die Möglichkeit eines Verzichtsschlusses würde aufgrund des unternehmerischen Ermessensmaßstabes weithin ausgeschlossen, sodass der Anwendungsbereich der Norm erheblich eingeschränkt wäre.286 Die Vorschrift des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG wolle aber gerade kein Verzichtsverbot statuieren.287 Die Aktionäre seien, sofern der Gläubigerschutz gewahrt bleibe, indes sogar explizit dazu berufen, eine Selbstschädigung zu beschließen.288 Dies scheide aber aus, sofern der Aufsichtsrat an ein abstrakt definiertes Gesellschaftswohl gebunden werde, welches einen Verzicht grundsätzlich verbiete.289

C. Zwischenweg: allgemeiner aktienrechtlicher Pflichtenmaßstab inklusive Anwendung der Business Judgment Rule Ganz überwiegend wird die Anwendung der Business Judgment Rule (im Folgenden auch: BJR) gem. §§ 116 S. 1, 93 Abs. 1 S. 2 AktG gefordert.290 284  Bayer/Scholz,

ZIP 2015, 149, 152. ZIP 2015, 149, 151 f. 286  Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 152. 287  Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 152. 288  Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 152 mit Verweis auf BGHZ 202, 26, 32 f. 289  Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 152. 290  Binder, Grenzen Vorstandshaftung, 377; Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 251 (plädiert jedenfalls für die sinngemäße Anwendung der Business Judgment Rule); Fleischer, AG 2015, 133, 135; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 503; Habersack, Festschrift Baums, 531, 541; Handbuch Hauptversammlung/Balke, § 41 Rdnr. 19; Mohamed, CCZ 2015, 111, 118; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG 285  Bayer/Scholz,

210

Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

Diese Forderung muss dahingehend verstanden werden, dass der Aufsichtsrat dem allgemeinen Sorgfaltsmaßstab gem. §§ 116 S. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG unterliegt,291 in dessen Rahmen ihm bei Einhaltung der Tatbestandsvoraussetzungen der BJR292 ein unternehmerisches Ermessen zugestanden wird. Das unternehmerische Ermessen reicht dabei so weit, wie es auf einem vernünftigen Handeln auf Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft beruht.293 Charakteristisch bei der Entscheidung des Aufsichtsrats für einen Verzicht oder Vergleich sei das der Abwägungsentscheidung innewohnende prognostische Element,294 was diese als unternehmerische Entscheidung qualifiziere.295 Überschritten werde das zugestandene Ermessen u. a. dann, wenn der Aufsichtsrat die eigene Enthaftung zur Entscheidungsprärogative mache und demgemäß sachfremde Erwägungen in die Entscheidung einfließen lasse.296

D. Stellungnahme Die Frage, auf welcher Grundlage der Aufsichtsrat eine Entscheidung für oder gegen einen Verzicht oder Vergleich treffen darf, hat erhebliche Auswirkungen sowohl auf die seinen Mitgliedern auferlegte Argumentationslast als auch auf den gerichtlichen Überprüfungsmaßstab. Kriterien, wie ein langjähRdnr. 281; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 67; Schnorbus/Ganzer, WM 2015, 1877, 1883; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 278; Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 217; Wilsing, Festschrift Haarmann, 257, 291 f. Koch plädiert zwar für die Anwendung der Business Judgment Rule, will diese aber dahingehend modifizieren, dass sich der Aufsichtsrat bei seiner Entscheidung am weiten Ermessen der Hauptversammlung orientieren darf, Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 76. 291  Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 251; Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 217; Wilsing, Festschrift Haarmann, 257, 281 ff. 292  Dazu, was dies im Falle eines Verzichts oder Vergleichs im Einzelnen bedeutet, ausführlich Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 217 ff. 293  Wie die Business Judgment Rule dogmatisch einzuordnen ist – Konkretisierung des Sorgfaltsmaßstabs, Tatbestandseinschränkung oder unwiderlegliche Rechtsvermutung eines objektiv pflichtgemäßen Verhaltens – wird in der Literatur umfassend diskutiert, hierzu m. w. N. GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 67; Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, AktG, § 93 AktG Rdnr. 19; Kölner Komm AktG/Mertens/ Cahn, § 93 AktG Rdnr. 15; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 65. Dieser Frage wird an dieser Stelle gleichwohl nicht weiter nachgegangen. 294  Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 251; Wilsing, Festschrift Haarmann, 257, 291 f. 295  Binder, Grenzen Vorstandshaftung, 377; Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 251; Mohamed, CCZ 2015, 111, 118; Wilsing, Festschrift Haarmann, 257, 291 f. 296  Binder, Grenzen Vorstandshaftung, 377; Fleischer, AG 2015, 133, 135; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 163; Wilsing, Festschrift Haarmann, 257, 292.



2. Kap.: Rolle und Aufgaben des Aufsichtsrats i. R. e.Verzichtsvereinbarung211

riger Verdienst oder die Vermeidung existenzvernichtender Folgen, können nur dann Berücksichtigung finden, wenn die strengen ARAG/GarmenbeckGrundsätze nicht zur Anwendung kommen297 – verbot der Bundesgerichtshof in diesem Urteil doch ausdrücklich die Berücksichtigung derartiger Krite­ rien.298 Der Gesetzgeber hat dem Aufsichtsrat keinen einschränkenden Maßstab für seine Entscheidung vorgeschrieben; der Wortlaut299 und auch die Gesetzesbegründung der Norm schweigen zu der Frage, welchen Pflichten und Freiheiten der Aufsichtsrat bei seiner Entscheidung unterliegt. I. Ablehnung der Anwendung der ARAG/Garmenbeck-Grundsätze Der Bundesgerichtshof begründete in seiner ARAG/Garmenbeck-Rechtsprechung ein Alternativverhältnis zwischen den dort aufgestellten Grundsätzen und der Anwendung von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG: Dem Aufsichtsrat werden durch diese Entscheidung solange Pflichten auferlegt, wie die Hauptversammlung von „ihrem Recht [aus § 147 Abs. 1 AktG] noch keinen Gebrauch gemacht und die Verfolgung des Schadenersatzanspruchs beschlossen oder in rechtswirksamer Weise (§ 93 Abs. 4 Satz 3 AktG) auf den Anspruch verzichtet hat“300. Das ARAG/Garmenbeck-Urteil ist als Reaktion darauf zu verstehen, dass die Nichtgeltendmachung eines Anspruchs einem Verzicht auf ebendiesen „außerordentlich nahe kommt“301. Anders als bei einem Verzicht gem. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, wo die Hauptversammlungszustimmung obligatorische Wirksamkeitsvoraussetzung ist, wird im Rahmen der Anwendung der ARAG/Garmenbeck-Kriterien eine Einbindung der Hauptversammlung nicht vorausgesetzt. Um dieses konzeptionelle Kontrolldefizit auszugleichen, sind dem Aufsichtsrat strenge Pflichten auferlegt worden, damit die Aktionäre als Inhaber der Gesellschaft nicht schutzlos verbleiben. Wird die Hauptversammlung, wie im Rahmen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, hingegen zwingend in den Entscheidungsprozess einbezogen, kann der Aufsichtsrat folglich nicht mehr diesen Kriterien unterliegen.302 Allein eine solche Interpretation auch Wilsing, Festschrift Haarmann, 257, 295. 135, 244, 255 f. 299  Ebenso Wilsing, Festschrift Haarmann, 257, 276. 300  BGHZ 135, 244, 250. 301  BGHZ 135, 244, 256. 302  So i. E. auch Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 151 f.; Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche, 299 f.; Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 251; Fleischer, AG 2015, 133, 135; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 503; Habersack, Festschrift Baums, 531, 539 f.; Mohamed, CCZ 2015, 111, 118; MünchKomm AktG/ Spindler, § 93 AktG Rdnr. 281; Schmidt/Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 67; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 278; Unmuth, Ver297  So

298  BGHZ

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

berücksichtigt die Motive, die hinter der Entscheidung stehen und vermeidet Widersprüchlichkeiten. Schon hieraus folgt, dass eine Anwendung der Grundsätze aus dem ARAG/Garmenbeck-Urteil abzulehnen ist. Der Annahme, ein Verzicht ginge noch über eine Nichtgeltendmachung eines Anspruchs hinaus,303 kann nicht zugestimmt werden. Zwar muss dieser Ansicht für den Verjährungszeitraum zumindest insofern beigepflichtet werden, als bis zum Eintritt der Verjährung nur der Verzicht rechtsverbindliche Folgen auslöst. Betrachtet man jedoch den Prozess als Ganzes und legt den Fokus auf die Risiken, die für die Anteilseigner mit der jeweiligen (Nicht-) Handlung verbunden sind, so fällt das Urteil anders aus: Während die Hauptversammlung zwangsweise in den Entscheidungsprozess über einen Verzicht eingebunden werden muss und ein solcher erst nach Ablauf einer dreijährigen Sperrfrist zustande kommen kann, haben die Aktionäre im Falle einer Nichtgeltendmachung zumeist nicht einmal Kenntnis von einem bestehenden Anspruch, sodass eine zwingende Kontrolle durch ihre Beteiligung entfällt. Ihnen verbleiben zwar ihre Rechte aus §§ 147, 148 AktG, die Praxis lehrt jedoch, dass die hiervon ausgehende Kontrolle einen zu vernachlässigenden Stellenwert einnimmt.304 Die Kompetenz des Aufsichtsrats, ohne Einschaltung Dritter dergestalt über einen Anspruch zu verfügen, dass dieser verjährt, muss dementsprechend als weitgehender als jene im Rahmen eines Verzichts eingestuft werden. Hieraus ergibt sich, dass die Hauptversammlung im Anwendungsbereich der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung vor erheblicheren Gefahren schutzbedürftig ist, als dies im Falle eines Verzichts oder Vergleichs i. S. d. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zutrifft; ein derartig hohes Schutzniveau, wie dies durch Anwendung der ARAG/Garmenbeck-Kriterien garantiert wird, ist im Fall von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG angesichts des geringeren Gefahrpoten­ tials schlichtweg nicht erforderlich.305 Dann aber scheint ein erst-RechtSchluss bezüglich der Anwendbarkeit der ARAG/Garmenbeck-Kriterien306 verfehlt.307

gleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 204 ff.; Wilsing, Festschrift Haarmann, 257, 277. 303  Hasselbach, DB 2010, 2037, 2040. 304  MünchKomm AktG/Arnold, § 147 AktG Rdnr. 15 sowie § 148 AktG Rdnr. 6; Schmidt/Lutter/Spindler, AktG, § 148 AktG Rdnr. 58; Spindler/Stilz/Mock, AktG, § 147 AktG Rdnr. 11 f. sowie § 148 AktG Rdnr. 22. 305  Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 151 f.; Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche, 300; Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 251; Habersack, Festschrift Baums, 531, 540; Wilsing, Festschrift Haarmann, 257, 277. 306  Hasselbach, DB 2010, 2037, 2040. 307  Ähnlich auch Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 206.



2. Kap.: Rolle und Aufgaben des Aufsichtsrats i. R. e.Verzichtsvereinbarung213

Dieses Ergebnis wird verdeutlicht, sofern man auf die mit Vorliegen der ARAG/Garmenbeck-Grundsätze verbundenen Rechtsfolgen blickt: Liegen die strengen Kriterien für eine Nichtgeltendmachung eines Anspruchs vor, ist der Aufsichtsrat nämlich per se – also ohne Einschaltung der Hauptversammlung – dazu befugt, von einer Anspruchsgeltendmachung abzusehen. Nur wenn die Voraussetzungen nicht vorliegen und er zur Anspruchsgeltendmachung verpflichtet ist, kommt er in eine Situation, in der ein Verzicht oder Vergleich als mögliche Handlungsalternative sinnvoll erscheinen kann. Im Falle eines Verzichts oder Vergleichs ist er gleichwohl per se dazu verpflichtet, die Hauptversammlung einzubeziehen, um der Vereinbarung Wirksamkeit zu verschaffen – selbst wenn sein Handeln im Einklang mit den ARAG/ Garmenbeck-Grundsätzen stünde. Hieran zeigt sich erneut, dass der BGH mit seinen Kriterien aus der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung deshalb eine so hohe Hürde errichten wollte, weil bei Passieren dieser Hürde dem Aufsichtsrat Handlungsfreiheit gewährt wird. Schließt sich an die Entscheidung des Aufsichtsrats aber ein Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung an, muss eine Anwendung dieser strengen Entscheidungskriterien abgelehnt werden.308 Schließlich wird von einigen Autoren noch zu Recht darauf verwiesen, dass auch das Wesen eines Vergleichsschlusses der Anwendbarkeit der Kriterien aus ARAG/Garmenbeck entgegenstünde: Während der Vergleich durch das gegenseitige Entgegenkommen geprägt werde, agiere (bzw. agiere gerade nicht) bei einer Nichtgeltendmachung allein die Gesellschaft (vertreten durch den Aufsichtsrat), die u. U. vollständig von einer Anspruchsgeltendmachung absieht.309 Schon weil § 93 Abs. 4 S. 3 AktG neben dem Verzicht eben auch den (in der Praxis zudem deutlich relevanteren310) Vergleich erfasst, kann eine Rechtsprechung, die für eine verzichtsgleiche Handlung konzipiert wurde (ARAG/Garmenbeck-Grundsätze), nicht ohne Weiteres auf den Vergleich übertragen werden. II. Ablehnung eines Maßstabes, der keine inhaltlichen Bindungen vorsieht Bayer und Scholz fordern einen Freiraum des Aufsichtsrats, der im Grundsatz demjenigen der Hauptversammlung entspricht und begründen dies mit 308  Ebenso Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 251; Mohamed, CCZ 2015, 111, 118; Wilsing, Festschrift Haarmann, 257, 277. 309  Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 251; Wilsing, Festschrift Haarmann, 257, 276. 310  Vgl. hierzu die Untersuchung zu Beginn der Arbeit, Teil 3, 2. Kapitel: Bestandsaufnahme zur Relevanz von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, S. 50.

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

dem Selbstschädigungsrecht der Aktionäre, welches ansonsten leerliefe. Sie verweisen zudem auf ein sich sonst ergebendes faktisches Verzichtsverbot.311 Hiergegen ist zweierlei vorzubringen: Zum einen ist ein derart freier Handlungsspielraum dem Aktiengesetz fremd. Die §§ 116 S. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG bestimmen die allgemeine Sorgfaltspflicht des Aufsichtsrats: Dieser ist bei Ausübung seiner Tätigkeiten an den Maßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gebunden. Jedenfalls eine am Unternehmenswohl vorbeigehende gesellschaftsschädigende Vorlage – wie sie im Rahmen des vorgeschlagenen Freiraums erlaubt wäre – stünde hierzu in Widerspruch, da sich das Verhalten des Aufsichtsrats am Unternehmensinteresse zu orientieren hat (und zwar nicht nur im Anwendungsbereich der Business Judgment Rule)312. Weil sich in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG keine Anhaltspunkte dafür erkennen lassen, dass vom allgemeinen Sorgfaltsmaßstab eine Ausnahme gemacht werden soll, spricht schon der Wortlaut gegen eine Übertragung der für die Hauptversammlung geltenden Freiheiten auf den Aufsichtsrat.313 Zum anderen ist dieser Maßstab nicht mit dem Telos der Norm vereinbar: Diese dient dem Schutz des Gesellschaftsvermögens und der Minderheit.314 Schlösse man gerichtliche Kontrolle überwiegend dergestalt aus, dass der Aufsichtsrat in seiner Entscheidung so gut wie ungebunden wäre, bliebe allein die Kontrolle durch die Hauptversammlung. Den Aktionären kommt aber lediglich eine zustimmende oder ablehnende Meinungskundgabe zu; weder verfügen sie über hinreichend Informationen noch können sie mit den Betroffenen in Verhandlung über die Ausgestaltung der Vereinbarung treten.315 Dieses Informations- und Befugnisdefizit kann auch nicht hinreichend durch ihr Fragerecht auf der Hautversammlung ausgeglichen werden, hierfür muss ihr Informationsdefizit schon von Beginn an als zu groß eingestuft 311  Bayer/Scholz,

ZIP 2015, 149, 152. § 111 AktG Rdnr. 78 sowie § 116 AktG Rdnr. 27; Hüffer/Koch, AktG, § 116 AktG Rdnr. 2; Hölters/Hambloch-Gesinn/Gesinn, AktG, § 116 AktG Rdnr. 13; Junge, Festschrift von Caemmerer, 547, 556; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 116 AktG Rdnr. 3; MünchKomm AktG/Habersack, § 116 AktG Rdnr. 11; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 116 AktG Rdnr. 23; Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 209 f. 313  Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 210. 314  BGHZ 202, 26, 32  f.; Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 36; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnrn. 505 f.; Handbuch Managerhaftung/ Haas/Wigand, § 20 Rdnrn. 20.65, 20.70; Handbuch Vorstandsrecht/Fleischer, § 11 Rdnrn. 95, 97; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 306; Kölner Komm AktG/ Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 161; Mertens, Festschrift Fleck, 209, 210; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnrn. 280, 283; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 276; Weller/Rahlmeyer, GWR 2014, 167, 168. 315  Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 251; Wilsing, Festschrift Haarmann, 257, 281. 312  GroßKomm AktG/Hopt/Roth,



2. Kap.: Rolle und Aufgaben des Aufsichtsrats i. R. e.Verzichtsvereinbarung215

werden; effektive Kontrolle jedenfalls kann nicht sichergestellt werden.316 Dann könnte dem Schutz des Gesellschaftsvermögens und der Minderheitsaktionäre nicht mehr hinreichend nachgekommen werden. Schließlich gilt es noch kurz auf den Einwand von Bayer und Scholz einzugehen, jegliche inhaltliche Bindung des Aufsichtsrats käme einem faktischen Verzichtsverbot gleich. Es sind aber durchaus Fälle denkbar, in denen ein Verzicht im Interesse der Gesellschaft liegt und daher als zulässig einzustufen wäre: beispielsweise, um bei einem kleinen Schadensumfang eine an sich erfolgreiche Unternehmensführung durch das betroffene Vorstandsmitglied sicherzustellen. Dann kann aber nicht mehr von einem faktischen Verzichtsverbot gesprochen werden. Die Ansicht von Bayer und Scholz, dem Aufsichtsrat den gleichen Handlungsfreiraum wie der Hauptversammlung zu gewähren, ist daher abzulehnen. III. Annahme des allgemeinen Sorgfaltsmaßstabes unter Anwendung der Business Judgment Rule Maßstab einer materiellen Überprüfung der Aufsichtsratsentscheidung muss die allgemeine Sorgfaltspflicht unter Berücksichtigung der Business Judgment Rule sein. Mangelnde Abweichung im Gesetz sowie Telos der Norm sprechen weder für die Anwendung der strengen ARAG/GarmenbeckKriterien noch für eine Übertragung des freien Maßstabes, welcher der Hauptversammlung bei ihrer Abstimmungsentscheidung zusteht. Demnach ist auf die allgemeinen gesetzlichen Regelungen zurückzugreifen, wonach sich die Pflichten des Aufsichtsrats anhand der §§ 116 S. 1, 93 Abs. 1 AktG bestimmen. Die Entscheidung des Aufsichtsrats, auf einen Anspruch gegen ein Vorstandsmitglied zu verzichten oder hierüber einen Vergleich zu schießen, ist objektiv, wie sogleich dargelegt wird, als unternehmerische Entscheidung zu qualifizieren. Dann gilt der Ermessensspielraum der Business Judgment Rule, soweit die subjektiven Voraussetzungen der §§ 116 S. 1, 93 Abs. 1 S. 2 AktG erfüllt sind.317

316  Wilsing,

Festschrift Haarmann, 257, 281. den einzelnen Tatbestandsmerkmalen im Anwendungsbereich des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG ausführlich: Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 217 ff. 317  Zu

216

Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts 1. Bestimmung des Merkmals „unternehmerisch“

Die Bestimmung des unternehmerischen Charakters wird nicht einheitlich vorgenommen. In der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des UMAG, mit welchem die Business Judgment Rule zu geschriebenem Gesetzesrecht wurde, wird die unternehmerische Entscheidung zunächst von Entscheidungen abgegrenzt, bei denen eine Bindung an Treuepflichten, Informationspflichten sowie sonstige allgemeine gesetzliche oder satzungsmäßige Pflichten besteht.318 Zusammenfassend wird von einer Abgrenzung von rechtlich gebundenen Entscheidungen gesprochen. Darüber hinaus, so der Entwurf, werde eine unternehmerische Entscheidung „infolge ihrer Zukunftsbezogenheit durch Prognosen und nicht justiziable Einschätzungen ge­ prägt“.319 Verdeutlicht werden soll damit abermals die Abgrenzung zu „gesetzliche[n], satzungsmäßige[n] oder anstellungsvertragliche[n] Pflichten ohne tatbestandlichen Beurteilungsspielraum“.320 In der Literatur werden, z. T. in Anlehnung an die Regierungsbegründung, negative wie positive Definitionsansätze verfolgt.321 Negative Definitionsansätze greifen auf die Unterscheidung zu rechtlich gebundenen Entscheidungen zurück.322 Hiernach sei eine Entscheidung dann von „unternehmerischer“ Natur, wenn sie rechtlich zulässig sei und zwischen verschiedenen Handlungsalternativen entschieden werden könne,323 wobei teilweise zusätzlich eine Orientierung an Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten gefordert wird.324

318  Begründung

der BReg zum Entwurf des UMAG, BT-Drucks. 15/5092, 11. der BReg zum Entwurf des UMAG, BT-Drucks. 15/5092, 11. 320  Begründung der BReg zum Entwurf des UMAG, BT-Drucks. 15/5092, 11. 321  Eine trennscharfe Unterteilung der verschiedenen Ansichten ist nicht immer möglich. So stellt beispielsweise Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, AktG, § 93 AktG ­Rdnrn. 20 f. auf fast alle der im Folgenden genannten Kriterien für die Bestimmung der unternehmerischen Entscheidung ab. 322  Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf des UMAG, BT-Drucks. 15/5092, 33; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 84; Koch, ZGR 2006, 769, 784 ff.; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 49; Ott, ZGR 2017, 149, 157; Paefgen, AG 2014, 554, 560 f.; ders., AG 2004, 245, 251; Schmidt/Lutter/Krieger/SailerCoceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 15; U. Schneider, DB 2011, 99, 100. 323  Binder, Grenzen Vorstandshaftung, 104; Bosch/Lange, JZ 2009, 225, 230; Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen, 111; Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche, 34; Koch, ZGR 2006, 769, 784; Lutter, ZIP 2007, 841, 843; MHdBGesR IV/Wiesner, § 25 Rdnrn. 60 f.; Paefgen, AG 2004, 245, 251; Schmidt/ Lutter/Krieger/Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 15; S. Schneider, DB 2005, 707, 711; U. Schneider, DB 2011, 99, 100; Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 221. 324  Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen, 111; Schmidt/Lutter/Krieger/ Sailer-Coceani, AktG, § 93 AktG Rdnr. 15. 319  Begründung



2. Kap.: Rolle und Aufgaben des Aufsichtsrats i. R. e.Verzichtsvereinbarung217

Innerhalb der Gruppe derer, die eine positive Umschreibung der „unternehmerischen“ Entscheidung vornehmen, wird vielfach das Augenmerk der Definition – mit terminologischen Nuancen – auf das Merkmal der Zukunftsbezogenheit gelegt.325 Andere lehnen dieses Merkmal als notwendige Voraus­ setzung ausdrücklich ab.326 Teilweise wird stattdessen verlangt, dass die Entscheidung unter Unsicherheit getroffen werde und in der Folge mit Risiken behaftet sei.327 Andere grenzen die unternehmerischen von sonstigen Entscheidungen schließlich dadurch ab, dass sie die wirtschaftliche Tragweite der Handlung heranziehen: Unternehmerisch sei danach diejenige Entscheidung, die aufgrund ihres Umfangs oder Risikos von hoher Bedeutung für das Unternehmen sei oder dieses derart präge, dass dessen künftige Entwicklung vorgezeichnet werde.328 2. Einordnung eines Verzichts bzw. Vergleichs als typisch „unternehmerische“ Entscheidung

Die Entscheidung, welcher der Ansätze zur Bestimmung einer „unternehmerischen“ Entscheidung vorzugwürdig ist, kann dahinstehen, weil der Abschluss eines Verzichts oder Vergleichs nach der Bestimmung aller Ansichten als solche eingeordnet werden kann: 325  Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 11; Fleischer, NJW 2005, 3525, 3528; Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, AktG, § 93 AktG Rdnr. 31; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 30; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1256; Weiss/Buchner, WM 2005, 162, 163 f. Die Vertreter stellen neben der positiven Definition durch das Merkmal der Zukunftsbezogenheit ferner auf die negative Abgrenzung zu gebunden Entscheidungen ab, bei denen aufgrund von Gesetz, Satzung, Anstellungsvertrag oder Geschäftsordnung schon kein Ermessensspielraum gegeben ist. 326  Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf des UMAG, BT-Drucks. 15/5092, 33; Binder, Grenzen Vorstandshaftung, 102 f.; Bosch/Lange, JZ 2009, 225, 230; Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche, 33 f.; von Falkhausen, NZG 2012, 644, 647, der in der Zukunftsbezogenheit deshalb kein Differenzierungsmerkmal sieht, da alle Entscheidungen zukunftsbezogen seien; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 84; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 18; ders., ZGR 2006, 769, 787 f.; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 17; Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2086; Ott, ZGR 2017, 149, 154 f., der ebenfalls darauf verweist, dass jegliches Handeln Zukunftsbezug habe; Paefgen, AG 2014, 554, 560 f.; ders., AG 2004, 245, 251; Spindler, NZG 2005, 865, 871; Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 220. 327  Arbeitskreis „Externe und interne Überwachung der Unternehmung“ der Schmalenbachgesellschaft für Betriebswirtschaft e. V., DB 2006, 2189, 2190; Hüffer/ Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 18; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 19. 328  Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, 23. Dieser Ansicht folgend: Heermann, AG 1998, 201, 203.

218

Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

Der Entschluss für einen Verzicht oder Vergleich ist – zumindest in Bezug auf gesetzliche Regelungen – nicht als rechtlich gebundene Entscheidung einzuordnen. Rechtlich gebundene Entscheidungen zeichnen sich dadurch aus, dass den Handelnden deshalb kein Ermessen zugestanden wird, weil Gesetz, Satzung oder Anstellungsvertrag die einzig mögliche Verhaltensweise vorgeben.329 Weder in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG noch in sonstigen Vorschriften finden sich Handlungsanweisungen, die dem Aufsichtsrat nur eine einzige zulässige Handlungsoption auferlegen.330 Im Gegenteil: Schon die Wahlmöglichkeit, die § 93 Abs. 4 S. 3 AktG – zwischen vollständigem Verzicht und Teilverzicht – eröffnet, bringt zum Ausdruck, dass es sich hierbei nicht um eine gebundene gesetzliche Entscheidung handelt. Stattdessen wird dem Aufsichtsrat im Rahmen der Tatbestandsvoraussetzungen inhaltliche Freiheit bei Ausarbeitung einer Vereinbarung gewährt.331 Welche der Möglichkeiten vorzugswürdig ist, muss nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten entschieden werden. Inwieweit die Zukunftskomponente ausschlaggebend für die Einordnung eines Verzichts bzw. Vergleichs als „unternehmerische“ Entscheidung sein muss, kann insofern dahinstehen, als der Abschluss eines solchen – wenn auch unterschiedlich stark ausgeprägt – stets als zukunftsabhängige Handlung einzuordnen ist:332 Der Entschluss, einen Verzicht oder Vergleich einer Anspruchsgeltendmachung vorzuziehen, wird, je nach Situation, von ganz unterschiedlichen Motiven getragen sein.333 Gemein wird diesen Beweggründen sein, dass sie alle auf der Annahme beruhen, vorzugswürdig zur Anspruchsgeltendmachung zu sein. Wie ein gerichtliches Verfahren ausginge, kann in der Regel nicht vorhergesagt werden, allein Prognosen müssen als Grundlage für die Entscheidung herhalten. So wird man bei der vollständigen Inanspruchnahme eines noch aktiven Vorstandsmitgliedes prognostizieren können, dass eine unbelastete Zusammenarbeit innerhalb des Vorstandes sowie zwischen diesem und dem Aufsichtsrat nicht mehr möglich sein wird. Auch muss davon ausgegangen werden, dass die Vorstandsarbeit bei einem laufenden Inanspruchnahmeverfahren behindert wird: Zeitliche wie personelle Ressourcen können nicht mehr zu 100 % für die eigentliche Tätigkeit

329  GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 74; Henssler/Strohn/DaunerLieb, AktG, § 93 AktG Rdnr. 21; von Falkhausen, NZG 2012, 644, 647; Ott, ZGR 2017, 149, 157. 330  Ebenso Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 218. 331  Ebenso Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 219. 332  Ebenso Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 220. 333  Zu den Gründen für den Abschluss eines Verzichts oder Vergleichs allgemein: Teil 3, 3. Kapitel: Gründe für den Abschluss einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung, S. 58.



2. Kap.: Rolle und Aufgaben des Aufsichtsrats i. R. e.Verzichtsvereinbarung219

verwendet werden.334 Schließlich wirkt sich die Entscheidung, mit einem Organmitglied einen Verzicht oder Vergleich abzuschließen, sowohl auf das äußere als auch innere Umfeld aus, was bei der Prognose berücksichtigt werden muss: Im Außenverhältnis wird der Abschluss eines Verzichts oder Vergleichs einerseits für potentielle künftige Vorstandsmitglieder ein Zeichen hinsichtlich der unternehmerischen Umgangskultur setzen, was positive wie negative Auswirkungen auf die künftige Rekrutierung neuer Vorstandsmitglieder haben kann. Bei großen Unternehmen kann durch den Abschluss eines Verzichts oder Vergleichs zumindest teilweise verhindert werden, dass aufgrund eines Gerichtsprozesses das Unternehmen medial wirksam in negative Schlagzeilen gerät.335 Im Innenverhältnis werden andere Betroffene ebenfalls von einer mildernden Lösung profitieren wollen.336 Der prognostische Charakter der Aufsichtsratsentscheidung verdeutlicht sich auch in der Antizipation der Hauptversammlungsentscheidung:337 Der Aufsichtsrat ist auf die Zustimmung der Hauptversammlung angewiesen, weshalb er aus eigenem Interesse nur solche Vereinbarungen vorschlagen wird, bei denen er mit einer Zustimmung der Hauptversammlung rechnen kann. All diese Annahmen beruhen auf Prognosen. Nimmt man nur diese möglichen Auswirkungen, so wird bereits deutlich, dass die Entscheidung für oder gegen einen Verzicht oder Vergleich in der Zukunft deutliche Auswirkungen zeitigt und dementsprechend als zukunftsbezogen einzuordnen ist.338 Ob ein Verzicht oder ein Vergleich von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung für das Unternehmen ist,339 kann nur im Einzelfall beurteilt werden. Dem Kriterium der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung für das Unternehmen ist allerdings nicht Folge zu leisten, weshalb es im Einzelfall auch nicht auf eine Einordnung der Reichweite der Entscheidung ankommt. Hierfür spricht, dass die BJR als Korrelat zur Einführung der Aktionärsrechte in § 148 AktG kodifiziert wurde.340 Dem handelnden Organmitglied sollte als Schutz vor einer ausufernden Anspruchsgeltendmachung seitens der Aktio334  Hierzu insgesamt auch unter Teil 3, 3. Kapitel: Gründe für den Abschluss einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung, S. 58. 335  Hierzu bereits unter Teil 3, 3. Kapitel: Gründe für den Abschluss einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung, S. 58. 336  So auch Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 220 f. 337  Wilsing, Festschrift Haarmann, 257, 291 f. 338  So i. E. auch Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 251; Ott, ZGR 2017, 149, 154; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnrn. 68, 91a; Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 219 ff.; Wilsing, Festschrift Haarmann, 257, 291 f. 339  So die Einordnung bei: Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, 23; Heermann, AG 1998, 201, 203. 340  Begründung der BReg zum Entwurf des UMAG, BT-Drucks. 15/5092, 11.

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

näre ein „sicherer Hafen“ geschaffen werden – und zwar immer bei Einhaltung der Voraussetzungen der BJR, unabhängig davon, wie weitreichend die Auswirkungen seines Handelns aus wirtschaftlicher Sicht sind. Ein Anknüpfen an die wirtschaftliche Reichweite der Handlung bei Bestimmung des Merkmals einer „unternehmerischen“ Entscheidung im Rahmen der Business Judgment Rule ist somit abzulehnen.341 Insgesamt ist die Entscheidung des Aufsichtsrats, als Vertreter der Gesellschaft mit einem Vorstandsmitglied einen Verzicht oder Vergleich abzuschließen, damit als typisch unternehmerische Entscheidung i. S. d. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zu qualifizieren. Ob man hierbei auf die Zukunftsbezogenheit oder die Abgrenzung zu rechtlich gebundenen Entscheidungen abstellt, kann im Rahmen dieser Ausarbeitung dahinstehen. Das Abstellen auf eine Erheblichkeit ist aus den oben genannten Gründen abzulehnen. Bei Einhaltung der sonstigen (subjektiven) Tatbestandsvoraussetzungen kommt dem Aufsichtsrat dementsprechend bei seiner Entscheidungsfindung ein unternehmerisches Ermessen zu.

E. Zwischenergebnis 1. Inwieweit die Entscheidung des Aufsichtsrats, eine konkrete Verzichtsoder Vergleichsvereinbarung abzuschließen, inhaltlichen Grenzen unterliegt, wird nicht einheitlich beurteilt. 2. Einige Autoren nehmen an, der Aufsichtsrat sei im Rahmen seines Beschlusses an die sich aus der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung ergebenden Grenzen gebunden. Ein solches Verständnis ergebe sich daraus, dass eine Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung noch über eine Nichtgeltendmachung eines Anspruchs hinausgehe, zu welcher die Doktrin entwickelt wurde. 3. Andere gestehen dem Aufsichtsrat dieselbe Entscheidungsfreiheit wie der Hauptversammlung bei ihrem Beschluss i. R.v. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zu. Einzige inhaltliche Schranke und damit Überprüfungsmaßstab seien hinreichend nachvollziehbare Gründe für die Vereinbarung. 4. Schließlich wird vertreten, der Aufsichtsrat unterliege bei der Entscheidung, eine Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung mit einem Vorstandsmitglied abzuschließen, dem allgemeinen Sorgfaltsmaßstab, im Rahmen dessen ihm im Anwendungsbereich der Business Judgment Rule unternehmerisches Ermessen zustehen könne.

341  So

auch Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen, 98 f.



2. Kap.: Rolle und Aufgaben des Aufsichtsrats i. R. e.Verzichtsvereinbarung221

5. Der strenge Maßstab der für die Nichtgeltendmachung von Ansprüchen entwickelten ARAG/Garmenbeck-Grundsätze ist für die Aufsichtsratsentscheidung im Rahmen einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung deshalb abzulehnen, weil hierbei obligatorisch die Hauptversammlung in den Entscheidungsprozess einbezogen wird, sodass ein derart enger Kontrollmaßstab überzogen wäre. Würde sich der Aufsichtsrat an die ARAG/Garmenbeck-Grundsätze halten, wäre er zudem per se zum Handeln befugt, was er jedoch aufgrund der erforderlichen Hauptversammlungszustimmung im Anwendungsbereich des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG gerade nicht ist, sodass eine Übertragung der ARAG-Garmenbeck-Grundsätze auch aufgrund dieses paradoxen Ergebnisses abzulehnen ist. 6. Gegen eine weitestgehende Handlungsfreiheit des Aufsichtsrats, wie sie der Hauptversammlung gewährt und teilweise für den Aufsichtsrat gefordert wird, spricht das Telos von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG. Die Hauptversammlung muss ihrer Kontrollfunktion gegenüber dem Aufsichtsrat hinreichend nachkommen können, was bei einem derart geringen Überprüfungsmaßstab nicht gewährleistet wäre. 7. Anzuwenden ist nach hier vertretener Ansicht der für den Aufsichtsrat geltende allgemeine Sorgfaltsmaßstab unter Berücksichtigung der B ­ usiness Judgment Rule. Eine Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung ist als typische unternehmerische Entscheidung einzustufen.

§ 2 Wegfall des Vorwurfs der Pflichtverletzung qua Anwendbarkeit des § 93 Abs. 4 S. 1 AktG auf Aufsichtsratsentscheidungen i. R. v. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG? Gem. § 93 Abs. 4 S. 1 AktG tritt gegenüber der Gesellschaft eine Ersatzpflicht dann nicht ein, wenn die Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluss der Hauptversammlung beruht. Gem. § 116 S. 1 AktG finden die Regelungen des § 93 AktG mit Ausnahme von § 93 Abs. 2 S. 3 AktG (Selbstbehalt bei der D&O-Versicherung) auch auf den Aufsichtsrat Anwendung, sodass entsprechend dem Wortlaut eine Enthaftung des Aufsichtsrats qua Hauptversammlungsbeschluss gem. §§ 116 S. 1, 93 Abs. 4 S. 1 AktG mit dem Gesetzeswortlaut einherginge. Obgleich der Wortlaut Klarheit verspricht, ist das Ergebnis nur vermeintlich eindeutig; die Ansichten bezüglich einer Übertragbarkeit von § 93 Abs. 4 S. 1 AktG auf Aufsichtsratsentscheidungen divergieren.

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

A. Befürworter einer Anwendung von § 93 Abs. 4 S. 1 AktG auf Entscheidungen des Aufsichtsrats Befürworter berufen sich auf den Wortlaut von § 116 S. 1 AktG, der schon deshalb eindeutig sei, weil das Gesetz eine explizite Ausnahme vorsehe, welche § 93 Abs. 4 S. 1 AktG indes nicht umfasse.342 Überdies wird auf die Widersprüchlichkeit, die sich aus einer Inanspruchnahme des Aufsichtsrats trotz Hauptversammlungsentscheidung ergebe, verwiesen.343 Einige ordnen § 93 Abs. 4 S. 1 AktG als Ausprägung des Arglisteinwandes bzw. des Gebotes von Treu und Glauben ein.344 Während Gegner einer Anwendbarkeit der Enthaftungsregelung des § 93 Abs. 4 S. 1 AktG auf den Aufsichtsrat die Enthaftungsregelung als Gegenstück der gesetzlichen Umsetzungspflicht des § 83 Abs. 2 AktG ansehen (welche für den Aufsichtsrat nicht bestehe), soll nach Auffassung der Befürworter der Kreis weiter gezogen werden und jegliche Hauptversammlungs­ zustimmung ausreichend sein, selbst für diejenigen Entscheidungen, die aus eigener Motivation des Aufsichtsrats heraus den Aktionären zur Zustimmung vorgelegt würden: Werde der Aufsichtsrat – wie sonst der Vorstand – geschäftsführend tätig, folge die Anwendbarkeit von § 93 Abs. 4 S. 1 AktG aus der analogen Anwendung von § 119 Abs. 2 AktG,345 mittels derer schon für den Vorstand eine Enthaftung gem. § 93 Abs. 4 S. 1 AktG generell anerkannt werde.346 Warum diese sich gleichenden Fälle unterschiedlich zu behandeln seien, sei nicht ersichtlich.347 Die Analogie stütze sich darauf, dass zum Zeitpunkt der Gesetzesredaktion die drastischen Haftungsrisiken des Aufsichtsrats, wie sie erst durch das ARAG/Garmenbeck-Urteil verdeutlicht wurden, für genuin dem Aufsichtsrat zustehende Geschäftsführungsmaßnahmen noch nicht derart explizit erkennbar waren.348 Sinn und Zweck von § 119 Abs. 2 342  Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche, 303, 305; Fischbach, ZIP 2013, 1153, 1154. 343  Canaris, ZGR 1978, 207 (in Fn. 1), 209; Fischbach, ZIP 2013, 1153, 1154; Schmidt/Lutter/Drygala, AktG, § 116 AktG Rdnr. 51; Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 116 AktG Rdnr. 159. 344  Canaris, ZGR 1978, 207, 209; Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 288. 345  Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche, 304  ff.; Fischbach, ZIP 2013, 1153, 1155 f.; Habersack, NZG 2016, 321, 326 f.; MünchKomm AktG/ders., § 116 AktG Rdnr. 76; Schmidt/Lutter/Spindler, AktG, § 119 AktG Rdnr. 15; Schüppen, ZIP 2010, 905, 909 f.; Spindler/Stilz/Hoffmann, AktG, § 119 AktG Rdnr. 14a. 346  Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche, 304 ff. So im Ergebnis auch von Falkhausen, NZG 2016, 601, 604 f., 602. 347  Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche, 305 f.; von Falkhausen, NZG 2016, 601, 604 f.; Habersack, NZG 2016, 321, 327. 348  Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche, 306.



2. Kap.: Rolle und Aufgaben des Aufsichtsrats i. R. e.Verzichtsvereinbarung223

AktG sei es, dem zur Geschäftsführung berufenen Organ für diese Art der Fälle die Möglichkeit der Haftungsbefreiung qua Hauptversammlungsvorlage zu eröffnen.349 Dieser Gedanke sei gleichsam auf geschäftsführende Handlungen des Aufsichtsrates zu übertragen.350 Nach Auffassung Unmuths ist der Anwendungsbereich des § 93 Abs. 4 S. 1 AktG nicht von einer Umsetzungspflicht abhängig, stattdessen komme es darauf an, ob zwischen Hauptversammlungsbeschluss und Aufsichtsratshandeln ein Ursächlichkeitszusammenhang bestehe.351 Geknüpft wird die Ansicht an das Wort „beruhen“ in § 93 Abs. 4 S. 1 AktG, was enger mit einer Ursächlichkeitsbeziehung als einer Umsetzungspflicht in Verbindung zu bringen sei.352 Gehe die Aufsichtsratshandlung auf einen Hauptversammlungs­ beschluss zurück, verhalte sich die Gesellschaft widersprüchlich, wenn sie das Organmitglied gleichwohl in Anspruch nehme – unabhängig davon, ob der Hauptversammlungsbeschluss eine ausdrückliche Umsetzungspflicht begründe oder nicht.353 Gegen Letztere spreche auch, dass § 83 Abs. 2 AktG erst deutlich später als die heute in § 93 Abs. 4 S. 1 AktG geregelte Haftungsbefreiung in das Gesetz gelangte, sodass eine – wie von vielen vorgenommene – Verknüpfung von § 93 Abs. 4 S. 1 AktG mit § 83 Abs. 2 AktG einer historischen Grundlage entbehre.354 Die Hauptversammlung sei auch heutzutage innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs noch oberstes Willens­ bildungsorgan, weshalb es widersprüchlich wäre, in diesem Bereich trotz eindeutiger Willensäußerung der Aktionäre den Aufsichtsrat für sein dem Hauptversammlungswillen entsprechendes Handeln in Anspruch zu nehmen.355

B. In der Regel keine Anwendung von § 93 Abs. 4 S. 1 AktG auf Entscheidungen des Aufsichtsrats Nach überwiegender Ansicht wird eine Anwendung von § 93 Abs. 4 S. 1 AktG auf Entscheidungen des Aufsichtsrats zwar nicht grundsätzlich abgelehnt, die Vertreter dieser Ansicht konstatieren aber, dass in der Regel eine solche nicht stattfinde.356 Grund sei eine mangelnde Verpflichtung des Auf349  Schüppen,

ZIP 2010, 905, 909. ZIP 2010, 905, 909 f. 351  Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 286 ff. 352  Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 286. 353  Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 289. 354  Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 286 f. 355  Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 288 f. 356  Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 19; GroßKomm AktG/Hopt/ Roth, § 116 AktG Rdnr. 299; Hölters/Hambloch-Gesinn/Gesinn, AktG, § 116 AktG 350  Schüppen,

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

sichtsrats zur Beschlussumsetzung entsprechend § 83 Abs. 2 AktG, wie sie für den Vorstand gelte.357 Für die Anwendung von § 93 Abs. 4 S. 1 AktG sei eine solche Umsetzungspflicht hingegen maßgeblich.358 Dies gehe wiederum darauf zurück, dass die Gesellschaft ansonsten Gefahr laufe, sich widersprüchlich ihrem Organmitglied gegenüber zu verhalten.359 Zur Umsetzung verpflichtet werde der Aufsichtsrat allein i. R.v. § 147 AktG, wonach die Hauptversammlung mittels Beschluss eine Anspruchsgeltendmachung gegen ein Vorstandsmitglied herbeiführen könne.360 § 119 Abs. 2 AktG sei schließlich nicht (analog) auf den Aufsichtsrat anwendbar, da diesbezüglich die Begründung der Bundesregierung zum Gesetzesentwurf des AktG 1965, die eine Anwendbarkeit von § 119 Abs. 2 AktG auf den Aufsichtsrat ausdrücklich ausschließen wollte,361 eindeutig sei.362 Mit Blick auf den Adressatenkreis („Vorstand“) sei angesichts des unmissverständlichen Wortlauts darüber hinaus schon die Analogiefähigkeit der Norm fragwürdig.363 Auch über den Umweg des § 119 Abs. 2 AktG finde § 93 Abs. 4 S. 1 AktG für Aufsichtsratshandeln demnach keine Anwendung.364

Rdnr. 100; Hüffer/Koch, AktG, § 116 AktG Rdnr. 14; MünchKomm AktG/Habersack, § 116 AktG Rdnr. 76; Semler/von Schenck/von Schenck, § 116 AktG Rdnr. 600. Eine Anwendung von § 93 Abs. 4 S. 1 AktG auf Aufsichtsratsentscheidungen vollständige ablehnend: Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, AktG, § 116 AktG Rdnr. 23. 357  Hölters/Hambloch-Gesinn/Gesinn, AktG, § 116 AktG Rdnr. 100; Hüffer/Koch, AktG, § 116 AktG Rdnr. 14; MünchKomm AktG/Habersack, § 116 AktG Rdnr. 76; Semler/von Schenck/von Schenck, § 116 AktG Rdnr. 600. 358  Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 32; GroßKomm AktG/Hopt/ Roth, § 93 AktG Rdnr. 470  f.; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 149. 359  Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 32; Grigoleit/Grigoleit/Tomasic, AktG, § 93 AktG Rdnr. 73; Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, AktG, § 93 AktG Rdnr. 41; Hölters/Hölters, AktG, § 93 AktG Rdnr. 294; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 72; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 266. 360  Hölters/Hambloch-Gesinn/Gesinn, AktG, § 116 AktG Rdnr. 100; Hüffer/Koch, AktG, § 116 AktG Rdnr. 14; MünchKomm AktG/Habersack, § 116 AktG Rdnr. 76; Semler/von Schenck/von Schenck, § 116 AktG Rdnr. 602. 361  Begründung der BReg zum Entwurf des AktG 1965, BT-Drucks. IV/171, 147 (der heutige § 119 Abs. 2 AktG entspricht dem § 115 Abs. 2 AktGE 1965). 362  Dietz-Vellmer, NZG 2014, 721, 724; Hüffer/Koch, AktG, § 119 AktG Rdnr. 13. 363  Dietz-Vellmer, NZG 2014, 721, 724. 364  Die Anwendbarkeit von § 119 Abs. 2 AktG (analog) auf den Aufsichtsrat grundsätzlich ablehnend: Dietz-Vellmer, NZG 2014, 721, 724; Grigoleit/Herrler, AktG, § 119 AktG Rdnr. 14; GroßKomm AktG/Mülbert, § 119 AktG Rdnrn. 9, 197; Henssler/Strohn/Liebscher, AktG, § 119 AktG Rdnr. 8; Hölters/Dirnhausen, AktG, § 119 AktG Rdnr. 13; Hüffer/Koch, AktG, § 119 AktG Rdnr. 13; MünchKomm AktG/ Kubis, § 119 AktG Rdnr. 20.



2. Kap.: Rolle und Aufgaben des Aufsichtsrats i. R. e.Verzichtsvereinbarung225

C. Stellungnahme § 93 Abs. 4 S. 1 AktG ist, wie die Befürworter zu Recht hervorheben,365 vom Wortlaut des Verweises in § 116 S. 1 AktG umfasst. Dieser Verweis kann gleichwohl nicht dergestalt verstanden werden, dass ungeachtet von Sinn und Zweck des § 93 AktG dieser ausnahmslos auf den Aufsichtsrat anzuwenden sei. Blickt man auf das Telos von § 93 Abs. 4 S. 1 AktG, so wird richtigerweise dessen Verknüpfung mit der Umsetzungspflicht entsprechend § 83 Abs. 2 AktG366 hergestellt. Denn die Norm wurde zu einer Zeit erlassen, als die Hauptversammlung noch als oberstes Willensbildungsorgan in der Ak­ tiengesellschaft fungierte, sodass eine Inanspruchnahme für ein Handeln, das infolge eines Hauptversammlungsbeschlusses stattfand, widersprüchlich gewesen wäre.367 Mit Einführung des AktG 1937 änderte sich die Stellung der Hauptversammlung: Von nun an war der Vorstand (und in Ausnahmefällen der Aufsichtsrat) als geschäftsführungsbefugtes Organ berufen.368 An diese geänderte Struktur muss deshalb auch der Haftungsumfang und damit der Anwendungsbereich der enthaftenden Regelung in § 93 Abs. 4 S. 1 AktG angepasst werden, sodass unerheblich ist, dass § 83 Abs. 2 AktG erst später in das Gesetz gelangte. Überzeugend ist deshalb die Verknüpfung der Norm mit der Umsetzungspflicht gem. § 83 Abs. 2 AktG. Besteht eine solche Umsetzungspflicht nicht, handelt das geschäftsführende Organ eigenverantwortlich entsprechend seiner Organstellung, was auch eine eigenverantwortliche Haftung bedeutet. Demnach kann derjenigen Ansicht keine Folge geleistet werden, die statt einer Umsetzungspflicht nur eine „Ursächlichkeits­ beziehung“369 ausreichen lässt: Dies widerspräche dem Verhältnis von Handlungsfreiheiten und Haftung. Für den Aufsichtsrat schreibt das Gesetz nur im Falle von § 147 AktG eine Umsetzungspflicht fest, weshalb darüberhinausgehend ein Hauptversammlungsbeschluss keine enthaftende Wirkung gem. § 93 Abs. 4 S. 1 AktG für den Aufsichtsrat entfalten kann, auch nicht im Fall von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG.

365  Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche, 303, 305; Fischbach, ZIP 2013, 1153, 1154. 366  Bürgers/Körber/Bürgers, AktG, § 93 AktG Rdnr. 32; GroßKomm AktG/Hopt/ Roth, § 93 AktG Rdnr. 470  f.; Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 149. 367  Hefermehl, Festschrift Schilling, 159, 162; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 265. Ausführlich zur Entstehungsgeschichte der Norm: Hefermehl, Festschrift Schilling, 159, 160 ff. 368  Hefermehl, Festschrift Schilling, 159, 163. 369  Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 286 ff.

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

Etwas Anderes ergibt sich auch nicht mit Blick auf § 119 Abs. 2 AktG. Unabhängig davon, ob dieser im Rahmen des Vorstandshandelns zu dessen Gunsten eine Enthaftung gem. § 93 Abs. 4 S. 1 AktG bewirken kann, scheidet eine analoge Anwendung von § 119 Abs. 2 AktG auf den Aufsichtsrat aus. Ausdrücklich dagegen sprechen, wie die Gegner der Übertragbarkeit zu Recht verdeutlichen, der Wortlaut („Vorstand“)370 sowie die Tatsache, dass der Gesetzgeber sich mit der Frage der Übertragbarkeit auf den Aufsichtsrat befasste, eine solche aber explizit ablehnte.371 Die Norm dennoch analog auf den Aufsichtsrat anzuwenden wäre eine Auslegung contra legem. Zusammenfassend findet die Enthaftungsregelung gem. § 93 Abs. 4 S. 1 AktG auf den Aufsichtsrat nur im Falle einer Umsetzungspflicht, wie sie für diesen allein § 147 AktG begründet, Anwendung, sodass insbesondere die schlichte Hauptversammlungszustimmung, wie sie im Rahmen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG einzuholen ist, keine Enthaftungswirkung gem. § 93 Abs. 4 S. 1 AktG für die Handlung des Aufsichtsrats herbeiführen kann.372

D. Zwischenergebnis 1. Befürworter einer Anwendbarkeit von § 93 Abs. 4 S. 1 AktG auf Entscheidungen des Aufsichtsrates stützen sich auf den Wortlaut des Verweises in § 116 S. 1 AktG, der bis auf eine Ausnahme umfassend sei. Auch ordnen sie eine Inanspruchnahme trotz Hauptversammlungszustimmung als widersprüchliches Verhalten ein. Schließlich verknüpfen sie mehrheitlich eine Anwendbarkeit nicht mit einer Umsetzungspflicht entsprechend § 83 Abs. 2 AktG. 2. Überwiegend wird einer Anwendbarkeit von § 93 Abs. 4 S. 1 AktG auf Entscheidungen des Aufsichtsrats zwar keine vollständige Absage erteilt, eine solche wird aber an eine Umsetzungspflicht entsprechend § 83 Abs. 2 AktG geknüpft, die für den Aufsichtsrat nur i. R.v. § 147 AktG besteht. 370  Dietz-Vellmer,

NZG 2014, 721, 724. der BReg zum Entwurf des AktG 1965, BT-Drucks. IV/171, 147. 372  A. A. jedenfalls für Fälle i. S. v. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, in denen die Hauptversammlungsentscheidung dem Abschluss der Vereinbarung vorausgeht: Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche, 305 ff.; Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 252; Fischbach, ZIP 2013, 1153, 1154 f.; Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 284 ff.; Wilsing, Festschrift Haarmann, 257, 293, 289. Unmuth befürwortet selbst dann die haftungsausschließende Anwendung von § 93 Abs. 4 S. 1 AktG auf die Entscheidung des Aufsichtsrates, wenn der Hauptversammlungsbeschluss dem Abschluss eines Verzichts oder Vergleichs zeitlich nachgeht, Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 291 ff. Diese Ansichten gehen, entgegen der hier vertretenen Ansicht, von der Anwendbarkeit von § 93 Abs. 4 S. 1 AktG auf Aufsichtsratshandeln über die Fälle einer bestehenden Umsetzungspflicht (§ 147 AktG) hinaus aus. 371  Begründung



2. Kap.: Rolle und Aufgaben des Aufsichtsrats i. R. e.Verzichtsvereinbarung227

Insbesondere finde § 119 Abs. 2 AktG aufgrund des eindeutigen gesetz­ geberischen Willens keine Anwendung auf den Aufsichtsrat, sodass auch hierüber keine Umsetzungpflicht begründet werden könne. 3. Der Wortlautverweis in § 116 Abs. 1 AktG ist mit Blick auf das Telos von § 93 Abs. 4 S. 1 AktG nach hier vertretener Ansicht einschränkend dahingehend zu verstehen, dass eine Enthaftung mittels Hauptversammlungszustimmung nur bei einer Umsetzungspflicht entsprechend § 83 Abs. 2 AktG stattfindet. Dies ergibt sich aus der gewandelten Stellung der Hauptversammlung, die nicht mehr oberstes Willensbildungsorgan der Gesellschaft ist. 4. § 119 Abs. 2 AktG findet mangels Analogiefähigkeit auf die Vorlagen des Aufsichtsrats nach hier vertretener Auffassung keine Anwendung, sodass sich auch hieraus keine Umsetzungspflicht entsprechend ableiten ließe. 5. Eine Enthaftung des Aufsichtsrats gem. §§ 116 S. 1, 93 Abs. 4 S. 1 AktG aufgrund der Hauptversammlungszustimmung kommt im Rahmen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nach hier vertretener Ansicht nicht in Betracht.

§ 3 Beschlussvorschlag für die Hauptversammlung A. Inhaltliche Anforderungen an die Beschlussvorlage § 93 Abs. 4 S. 3 AktG stellt keine ausdrücklichen inhaltlichen Anforderungen an den Informationsgrad des Aufsichtsrates gegenüber der Hauptversammlung im Rahmen der Beschlussvorlage. Inhaltliche Vorgaben lassen sich aus anderen Normen ableiten: Als Rechtshandlung, die erst mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam wird, fallen Verzichts- oder Vergleichsvereinbarungen in den Anwendungsbereich von § 124 Abs. 2 S. 3 Alt. 2  AktG:373 Mit der Einladung der Hauptversammlung muss der wesentliche Vertragsinhalt bekannt gemacht werden. Als „wesentliche[r] Inhalt“ ist dasjenige anzusehen, was ein verständiger Durchschnittsaktionär als Grundlage einer fundierten Entscheidung heranzöge und wovon er seine Entscheidung abhängig machte.374 Ziel dieser 373  So auch BGHZ 146, 295; GroßKomm AktG/Butzke, § 124 AktG Rdnr. 43; Handbuch Hauptversammlung/Balke, § 41 Rdnr. 20; Hüffer/Koch, AktG, § 124 AktG Rdnr. 10; Kölner Komm AktG/Noack/Zetzsche, § 124 AktG Rdnr. 48; MünchKomm AktG/Kubis, § 124 AktG Rdnr. 22; Schnorbus/Ganzer, WM 2015, 1877, 1882; Spindler/Stilz/Rieckers, AktG, § 124 AktG Rdnr. 19; Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 156; Wilsing, Festschrift Haarmann, 257, 268 f. 374  OLG Schleswig, NZG 2006, 951, 953; OLG München, AG 1995, 232,233; LG Nürnberg-Fürth, AG 1995, 141; Fleischer, AG 2015, 133, 136; Grigoleit/Herrler,

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

Vorschrift ist es, jedem Aktionär die Bildung seines eigenen Urteils zu ermöglichen.375 Der Aufsichtsrat muss demnach den Aktionären eine ausreichende Informationsgrundlage zur Verfügung stellen, damit diese über die ihr vorgelegte Vereinbarung (und insbesondere deren kritischen Punkte)376 entscheiden können.377 Ein solches Verständnis lässt sich unmittelbar auch aus dem Telos der Norm ableiten: Soll die Hauptversammlung als Kontrollorgan fungieren, kann sie dieser Stellung nur nach hinreichender Information nachkommen. Die Informationsdichte muss zur Vorbereitung und dem allgemeinen Verständnis der Vereinbarung ausreichen; da aber den Aktionären gem. § 131 Abs. 1 S. 1 AktG ein Auskunftsrecht im Rahmen der Hauptversammlung zukommt, müssen nicht jegliche, zur Vereinbarung verfügbaren Informationen im Vorhinein preisgegeben werden.378 Auch die Forderung eines schriftlichen Berichts wäre zu weitgehend,379 wenngleich ein solcher in der Praxis weit verbreitet380 und zu empfehlen381 ist. AktG, § 124 AktG Rdnr. 9; GroßKomm AktG/Butzke, § 124 AktG Rdnr. 47; Hölters/ Dirnhausen, AktG, § 124 AktG Rdnr. 12; Kölner Komm AktG/Noack/Zetzsche, § 124 AktG Rdnr. 55; MünchKomm AktG/Kubis, § 124 AktG Rdnr. 24; Spindler/Stilz/­ Rieckers, AktG, § 124 AktG Rdnr. 20; Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 160 f. 375  Begründung der BReg zum Entwurf des AktG 1965, BT-Drucks. IV/171, 151. 376  Schnorbus/Ganzer, WM 2015, 1877, 1882. 377  Habersack, Festschrift Baums, 531, 541 f.; Hasselbach, NZG 2016, 890, 896; Löbbe, Festschrift Marsch-Barner, 317, 329. Im Ergebnis auch Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 153; Dendl, Disposition über Organhaftungsansprüche, 312. 378  In diese Richtung auch Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149, 153. 379  So auch Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 250; Fleischer, AG 2015, 133, 136; Handbuch Hauptversammlung/Balke, § 41 Rdnr. 20; Hasselbach, NZG 2016, 890, 895; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 78; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 278; Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 163; Werner, CCZ 2011, 201, 203; Wilsing, Festschrift Haarmann, 257, 269. Ebenfalls das Bestehen weiterer Informationspflichten über die Bekanntmachung des wesentlichen Inhalts hinaus ablehnend: BGHZ 146, 288, 295. 380  So z. B. Deutsche Bank AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2016, abrufbar unter: https://hauptversammlung.db.com/de/docs/HV2016_Tagesord nung_de_2016-03-31.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 17 ff.; IKB Deutsche Industriebank AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2015, abrufbar unter: https://www.ikb.de/MediaLibrary/41ecc5b5-b66a-44f3-847d-a074c29bc0c1/Ta gesordnung.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 17 ff.; Infineon Technologies AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2011, abrufbar unter: https://www. infineon.com/dgdl/Inf_Einladung_HV_2011_dt.pdf?fileId=db3a3043324cae8c01325d c996d90aac (zuletzt abgerufen am 04.12.2019); MAN SE, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2014, abrufbar unter: https://www.corporate.man.eu/man/media/ de/content_medien/doc/global_corporate_website_1/investor_relations_1/hv/2014_8/ man_hv_2014_einberufung_einschl__tagesordnung.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 17 ff.; Plenum AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2012, abrufbar unter: der Internetseite des elektronischen Bundesanzeigers: www.bundes



2. Kap.: Rolle und Aufgaben des Aufsichtsrats i. R. e.Verzichtsvereinbarung229

B. Anforderungen an den Beschlussinhalt: vorgegebene Mindestvereinbarungssumme? Von Relevanz ist, ob das Gesetz mit Blick auf die inhaltliche Ausgestaltung eines Verzichts oder Vergleichs dergestalt Vorgaben macht, dass eine konkrete Mindestvereinbarungssumme vorgeschrieben wird. Nicht wenige fordern eine (analoge) Anwendung von § 93 Abs. 2 S. 3 AktG auf Vergleichsvereinbarungen,382 welcher bestimmt, dass i. R.v. Schadensfällen, für die eine D&O-Versicherung abgeschlossen wurde, ein Selbstbehalt des Betroffenen von mindestens 10 % und bis mindestens dem Eineinhalbfachen dessen jährlicher Vergütung zu vereinbaren ist.383 Damit würde eine nicht zu unterschreitende Mindestsumme festgelegt.

anzeiger.de (zuletzt abgerufen am 04.12.2019); Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2015, abrufbar unter: https://assets.new.siemens.com/sie mens/assets/api/uuid:ba34fdf4-cb40-46dc-997a-cb01503737e1/version:1565189149/ hv2015-einberufung-de.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 40 ff.; Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2013, abrufbar unter: https://assets. new.siemens.com/siemens/assets/api/uuid:8b1d415e-afe1-4511-921c-c2d2a848f029/ version:1565188850/hv2013-einberufung-20121128-d.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12. 2019), 52 ff.; Siemens AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2010, abrufbar unter: https://assets.new.siemens.com/siemens/assets/api/uuid:153c1246-a926466c-903e-97d67763b622/version:1565188819/einladung-hv2010-d.pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 27 ff. Ebenso Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 250; Löbbe, Festschrift Marsch-Barner, 317, 329; Schnorbus/Ganzer, WM 2015, 1877, 1882; Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 164; Werner, CCZ 2011, 201, 203. 381  Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 250; Fleischer, AG 2015, 133, 136; Hüffer/ Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 78; Schnorbus/Ganzer, WM 2015, 1877, 1882; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 278; Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 163. 382  Für Vergleiche: Franz, DB 2009, 2764, 2768; Kerst, WM 2010, 594, 599 (Fn. 51); Kölner Komm AktG/Mertens/Cahn, § 93 AktG Rdnr. 251; Lange, VersR 2009, 1011, 1021; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, § 93 AktG Rdnr. 244. Teilweise werden diejenigen Vergleiche ausgenommen, bei denen die Pflichtverletzung nicht abschließend feststeht: Dreher, AG 2008, 429, 433; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 457; MünchKomm AktG/Spindler, § 93 AktG Rdnr. 245. 383  Die Deutsche Bank AG zog bei der Bemessung einer angemessenen Summe in dem zwischen ihr und dem ehemaligen Vorstandsmitglied Breuer geschlossenen Vergleich § 93 Abs. 2 S. 3 AktG heran, verwies gleichwohl darauf, dass es keine verbindlichen Vorschriften für eine angemessene Betragsbemessung geben, Deutsche Bank AG, Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2016, abrufbar unter: ­https://hauptversammlung.db.com/de/docs/HV2016_Tagesordnung_de_2016-03-31. pdf (zuletzt abgerufen am 04.12.2019), 22. Bei den sonstigen, in dieser Arbeit untersuchten Gesellschaften war eine offensichtliche Orientierung der Vergleichssumme an § 93 Abs. 2 S. 3 AktG nicht erkennbar.

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

Dieser Auffassung kann nicht Folge geleistet werden.384 Schon gesetzeshistorisch entbehrt dieses Verständnis einer Grundlage, da die Regelung zum Selbstbehalt erst durch das VorstAG im Jahr 2009 in das Aktiengesetz aufgenommen wurde, wohingegen die Verzichts- und Vergleichsregelung für all­ gemeine Pflichtverletzungen bereits seit 1937 existiert. Auch aus teleologischer Sicht ist kein anderes Ergebnis zu erzielen. Während § 93 Abs. 2 S. 3 AktG dergestalt Präventionscharakter zukommt, dass die Leitungsorgane im Falle einer Schadensverursachung trotz möglicher Versicherung mit einer persönlichen Einstandspflicht konfrontiert werden,385 verfolgt § 93 Abs. 4 S. 3 AktG andere Ziele: Statt Prävention eines Ausgangsschadens dient § 93 Abs. 4 S. 3 AktG dem Schutz der Anteilseigner vor weiteren, im Zusammenhang mit einem Verzicht oder Vergleich entstehbarer Schäden. Sobald – wie für einen Verzicht oder Vergleich vorausgesetzt386 – ein Regressanspruch im Raum steht, hat die mit § 93 Abs. 2 S. 3 AktG verbundene Prävention versagt. Unter Voraussetzung der detaillierten Schutzvoraussetzungen will § 93 Abs. 4 S. 3 AktG vielmehr eine einvernehmliche Lösung ermöglichen und eine Vereinbarung nicht praktisch unmöglich machen, weil ein Verzicht oder Vergleich insbesondere auch im Interesse der Gesellschaft liegen kann.387 Diese Gefahr bestünde indes, wendete man § 93 Abs. 2 S. 3 AktG (entsprechend) an und verlangte folglich eine Mindestvereinbarungssumme. Hinzu kommt, dass das Gesetz neben einem Vergleich ausdrücklich einen vollständigen Verzicht zulässt. Letzterer liefe bei einer Mindesthöhe vollständig ins Leere. Vielmehr wird durch die Doppelregelung (Vergleich und Verzicht) deutlich, dass es der Hauptversammlung freisteht, eine Selbstschädigung zu beschließen388 – in Höhe des gesamten Anspruchs (durch Verzicht) oder nur teilweise (durch Vergleich), jedenfalls aber nicht in Höhe einer festgelegten Mindestsumme gem. § 93 Abs. 2 S. 3 AktG.389 Das LG Frankfurt betonte in einer Entscheidung aus dem Jahr 2016 ausdrücklich, dass die Aktionäre i. R.v. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG als wirtschaftliche Eigentümer „beru384  Gegen eine Anwendung von § 93 Abs. 2 S. 3 AktG auf § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auch Habersack, Festschrift Baums, 531, 539; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 78. 385  Zum Präventionscharakter der Norm: Begründung des Rechtsausschusses zur Beschlussempfehlung des VorstAG, BT-Drucks. 16/13433, 11. Ebenfalls: Bürgers/ Körber/Bürgers, § 93 AktG Rdnr. 40 b; GroßKomm AktG/Hopt/Roth, § 93 AktG Rdnr. 456; Habersack, Festschrift Baums, 531, 538; Hüffer/Koch, AktG, § 93 AktG Rdnr. 58. 386  Hierzu ausführlich unter Teil 3, 5. Kapitel, § 1: Betroffene Ansprüche, S. 68. 387  Begründung der BReg zum Entwurf des AktG 1965, BT-Drucks. IV/171, 132. 388  Eine Selbstschädigungsbefugnis der Hauptversammlung i. R. e. Verzichts oder Vergleichs ebenfalls grundsätzlich bejahend: BGHZ 202, 26, 32 f.; LG Frankfurt, Urteil vom 15.12.2016 – 3–5 O 154/16, Rdnr. 116. 389  Hierzu tendiert auch Habersack, Festschrift Baums, 531, 539.



2. Kap.: Rolle und Aufgaben des Aufsichtsrats i. R. e.Verzichtsvereinbarung231

fen sind, eine solche Selbstschädigung – auch über deren Umfang – zu beschließen“; eine Mindestsumme wird nicht gefordert.390 Die Beklagten hatten im Vorhinein explizit darauf verwiesen, dass sich die Vergleichssumme an § 93 Abs. 2 S. 3 AktG zu orientieren habe.391 Die vom Gesetzgeber vorgesehene Gleichwertigkeit von Verzicht oder Vergleich würde durch Verlangen einer Mindestvereinbarungssumme durchbrochen und kann folglich nicht angenommen werden. Eine Mindestvereinbarungssumme würde auch dem an früherer Stelle392 herausgearbeiteten Handlungsspielraum des Aufsichtsrats widersprechen: Dem Aufsichtsrat kann unternehmerisches Ermessen aufgrund der Business Judgment Rule zugutekommen, sofern er die hierfür geltenden Voraussetzungen erfüllt. Konkret formuliert § 93 Abs. 1 S. 2 AktG, der aufgrund des Verweises in § 116 S. 1 AktG zur Anwendung kommt: „Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied […] vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“. Im Fall eines Verzichts oder Vergleichs bedeutet dies, dass sich der Aufsichtsrat ein zuverlässiges Bild von der finanziellen Leistungsfähigkeit des betroffenen Vorstandsmitgliedes machen muss.393 Sodann sind die Vor- und Nachteile einer einvernehmlichen Streitbeilegung zu gewichten und abzuwägen.394 Die „richtige“ Höhe einer Vergleichsvereinbarung kann hieraus gleichwohl nicht abstrakt abgeleitet werden, sondern ist gerade Ergebnis einer solchen Abwägung und spiegelt eine Ausbalancierung der Chancen und Risiken wider.395 Inhaltlich gibt es danach von Gesetzes wegen für einen Verzicht oder Vergleich keine höhenmäßigen Vorgaben; allein das Wohl der Gesellschaft, aufgrund hinreichender Gewichtung und Abwägung ist entscheidend, will der Aufsichtsrat vom Ermessensspielraum der Business Judgment Rule Gebrauch machen. 390  LG Frankfurt, Urteil vom 15.12.2016 – 3–5 O 154/16, Rdnr. 116. Hervorhebung durch Verfasserin. 391  LG Frankfurt, Urteil vom 15.12.2016 – 3–5 O 154/16, Rdnr. 68. 392  Zur Business Judgment Rule als inhaltliche Handlungsgrenze des Aufsichtsrats ausführlich unter Teil 5, 2. Kapitel, § 1, D., III. Annahme des allgemeinen Sorgfaltsmaßstabes unter Anwendung der Business Judgment Rule, S. 215. 393  Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 255 f. Für den Fall, dass ein Vergleich (auch) mit der begrenzten Leistungsfähigkeit des Betroffenen begründet wird: Fleischer, AG 2015, 133, 136; Spindler/Stilz/ders., AktG, § 93 AktG Rdnr. 278. 394  Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 251; Fleischer, AG 2015, 133, 136; Habersack, Festschrift Baums, 531, 541 f.; Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 255. 395  Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 251; Unmuth, Vergleich und Verzicht aus Aufsichtsrats-Perspektive, 255.

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Teil 5: Kritische Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des Verzichts

C. Folgen eines fehlerhaften Beschlussvorschlags des Aufsichtsrats für den späteren Hauptversammlungsbeschluss Ist ein Beschluss des Aufsichtsrats fehlerbehaftet, kann dies Auswirkung für den anschließenden Hauptversammlungsbeschluss haben.396 § 93 Abs. 4 S. 3 AktG enthält selbst kein Fehlerfolgenregime, dafür regeln die §§ 241 ff. AktG die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen.397 Für den an früherer Stelle entwickelten Ansatz, die Zustimmung der Hauptversammlung optional durch eine gerichtliche Entscheidung zu ersetzen, wären diese Grundsätze auf die gerichtliche Entscheidung entsprechend anzuwenden.398 Virulent erscheinen hierbei insbesondere eine Anfechtung wegen Gesetzesverstößen, § 243 Abs. 1 AktG (hierbei beispielsweise wegen Verletzung von § 124 Abs. 2 S. 3 AktG, wobei sich die Anfechtbarkeit diesbezüglich auch schon aus § 124 Abs. 4 AktG ergeben kann),399 sowie wegen unrichtiger, unvollständiger oder verweigerter Erteilung von Informationen, die für einen objektiven Aktionär als wesentliche Voraussetzung für die sachgerechte Ausübung seiner Teilnahme- und Mitgliedschaftsrechte anzusehen wären, § 243 Abs. 4 AktG400.401 Von der Rechtsfolge der Nichtigkeit kann der Hauptversammlungsbeschluss dann unmittelbar betroffen sein, wenn das betroffene Vorstandsmitglied selbst Aktionär ist und die vom Aufsichtsrat vorgelegte Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung als verbotene Einlagenrückgewähr gem. § 57 Abs. 1 AktG eingestuft werden muss, sodass eine überwiegend Gläubiger schützende Vorschrift verletzt wird, § 241 Nr. 3 AktG402.403 396  Auf Fragen der persönlichen Haftung des Aufsichtsrats im Zusammenhang mit einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung wird in dieser Arbeit nicht weiter eingegangen. Hierzu ausführlich: Unmuth, Vergleich und Verzicht aus AufsichtsratsPerspektive, 267 ff. 397  Ebenfalls §§  241  ff. AktG auf den Hauptversammlungsbeschluss in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG anwendend Fleischer, AG 2015, 133, 136 f. 398  Hierzu ausführlich unter Teil 5, 1. Kapitel, § 1, C., IV., 2. Möglichkeit 2: Zustimmungsbeschluss durch Gericht, S. 153. 399  Hölters/Englisch, AktG, § 243 AktG Rdnr. 20; Hüffer/Koch, AktG, 124 AktG Rdnr. 27, § 243 AktG Rdnr. 14; Kölner Komm AktG/Noack/Zetzsche, § 243 AktG Rdnrn. 90, 94; MünchKomm AktG/Hüffer/Schäfer, § 243 AktG Rdnr. 33; Schmidt/ Lutter/Schwab, AktG, § 243 AktG Rdnr. 8. 400  Kölner Komm AktG/Noack/Zetzsche, § 243 AktG Rdnr. 642, dort Fn. 891. 401  Hierzu insgesamt auch Fleischer, AG 2015, 133, 137. 402  § 57 AktG ebenfalls als überwiegend gläubigerschützende Norm i. S. d. § 241 Nr. 3 AktG einordnend: BGH, NZG 2012, 1030, 1031; Grigoleit/Ehmann, AktG,



2. Kap.: Rolle und Aufgaben des Aufsichtsrats i. R. e.Verzichtsvereinbarung233

§ 4 Thesenartige Zusammenfassung zu Rolle und Aufgaben des Aufsichtsrats im Zusammenhang mit einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung mit einem Vorstandsmitglied 1. Auf Aufsichtsratshandlungen im Zusammenhang mit einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung der AG mit einem Vorstandsmitglied findet nach hier vertretener Ansicht die allgemeine Sorgfaltspflicht Anwendung, im Rahmen derer dem Aufsichtsrat unternehmerisches Ermessen entsprechend der Business Judgment Rule zukommen kann. 2. Die u. U. enthaftend wirkende Regelung des § 93 Abs. 4 S. 1 AktG findet nach hier vertretener Auffassung auf die Handlungen des Aufsichtsrats im Rahmen einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung trotz Hauptversammlungsbeschlusses keine Anwendung. 3. Die Aktionäre sind im Voraus der Hauptversammlung vom Aufsichtsrat über den wesentlichen Inhalt der Vereinbarung in Kenntnis zu setzen. Ein schriftlicher Bericht ist empfehlenswert, aber nicht erforderlich. 4. Eine Mindestvereinbarungssumme entsprechend § 93 Abs. 2 S. 3 AktG ist abzulehnen; der Vereinbarungsbetrag hat sich am Wohl der Gesellschaft zu orientieren. 5. Fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse, die zu fehlerhaften Hauptversammlungsbeschlüssen führen, können Grundlage einer Anfechtungs- oder Nich­ tigkeitsklage hinsichtlich des Hauptversammlungsbeschlusses sein.

§ 241 AktG Rdnr. 16; Henssler/Strohn/Drescher, AktG, § 241 AktG Rdnr. 32; Hölters/Englisch, AktG, § 241 AktG Rdnr. 61; Hüffer/Koch, AktG, § 241 AktG Rdnr. 18; Kölner Komm AktG/Noack/Zetzsche, § 241 AktG Rdnr. 102; MünchKomm AktG/ Hüffer/Schäfer, § 241 AktG Rdnr. 55; Spindler/Stilz/Drescher, AktG, § 241 AktG Rdnr. 184. 403  Fleischer, AG 2015, 133, 137; Wigand, Haftungsbeschränkungen, 342 f.

Teil 6

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse 1. Sich als Aktiengesellschaft mit einem Vorstandsmitglied über einen Anspruch vergleichen zu können oder auf diesen zu verzichten, ist nur im Rahmen der gesetzlichen Schranken des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zulässig. Voraussetzung ist neben dem Abwarten einer dreijährigen Sperrfrist seit Anspruchsentstehung ein zustimmender Hauptversammlungsbeschluss, gegen den keine zehnprozentige Minderheit Widerspruch zur Niederschrift erheben darf. 2. Diese Art der Streitbeilegung gewinnt in den letzten Jahren an immer größerer Bedeutung. Zwischen 2003 und 2009 machten von den in dieser Arbeit insgesamt 365 untersuchten Gesellschaften nur drei von der vergleichsweisen Streitbeilegung Gebrauch, wohingegen sich zwischen 2010 und Anfang März 2019 von den untersuchten Gesellschaften insgesamt 25 Hauptversammlungen mit dem Thema befassten. Die Gründe für den Abschluss einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung sind vielfältig und können sowohl im Unternehmen, seiner Außendarstellung oder in der Person des Vorstandsmitgliedes liegen. 3. Von der Regelung erfasst werden neben Verzichten und Vergleichen im engeren Sinne auch diesen wirtschaftlich gleichkommende Handlungen. Hierzu zählen u.  a. Stimmrechtsvereinbarungen mit Aktionären, Anspruchsabtretungen mit Umgehungsabsicht von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, Verzichte auf eine mögliche Aufrechnung sowie Übernahmen von Geldsanktionen durch die Gesellschaft. Nicht in den Anwendungsbereich von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG fällt nach hier vertretener Ansicht die Nichtgeltendmachung eines Organhaftungsanspruchs gegen ein Vorstandsmitglied. Auch Vergleiche oder Verzichte, die als Schiedssprüche mit vereinbartem Wortlaut gem. § 1053 Abs. 1 S. 2 ZPO erlassen werden, fallen nach hier vertretener Auffassung aufgrund der Urteilswirkung eines solchen Schieds­ spruchs nicht in den Anwendungsbereich von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG. 4. Die Untersuchung dreier ausländischer Rechtsordnungen hat ergeben, dass die Möglichkeit, sich mit einer Führungsperson im Rahmen eines Schadenersatzanspruchs im Innenverhältnis zu vergleichen, auf unterschiedliche Weise reguliert wird. In den USA spielt die Möglichkeit eines Vergleiches im Rahmen der shareholders’ derivative suits eine erhebliche



Teil 6: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse235

Bedeutung. Ein Vergleich kann dort nur mit Zustimmung des zuständigen Gerichts abgeschlossen werden; dies dient dem Schutz der Gesellschaft sowie den nicht am Prozess beteiligten Aktionären. In Frankreich ist sowohl der satzungsmäßig eingeräumte Verzicht i. R. e. Verfahrens zur Anspruchsgeltendmachung als auch die Hauptversammlungsentscheidung, ein Verfahren zu beenden und damit faktisch einen Verzicht herbeizuführen, untersagt. Das österreichische Aktienrecht enthält eine dem deutschen Recht entsprechende Regelung. Allerdings gilt im südlichen Nachbarland noch eine Regelung entsprechend des deutschen Aktiengesetzes i. d. F. von 1937, wonach im Unterschied zur hierzulande heute geltenden Regelung fünf Jahre bis zu einer Verzichts- bzw. Vergleichsvereinbarung seit Anspruchsentstehung vergangen sein müssen und keine Minderheit von 20 % der Anteilseigner dem Vorhaben widersprechen darf. In Österreich gilt gleichwohl die Besonderheit, dass ein einstimmig beschlossener Entlastungsbeschluss der Hauptversammlung dann als Verzicht gelten kann, wenn abgesehen von der Sperrfrist die sonstigen gesetzlichen Verzichtsbzw. Vergleichsvoraussetzungen eingehalten wurden. 5. Nach Ansicht einiger Vertreter unterliegt der Hauptversammlungsbeschluss im deutschen Recht einer treuepflichtgestützten Missbrauchskontrolle, um so hinreichenden Schutz für diejenigen Minderheitsaktionäre zu gewährleisten, die ein Klagezulassungsverfahren gem. § 148 AktG anstreben. 6. Die Gegenstimmen verweisen auf die abschließende Regelung der Minderheitenrechte in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, die keinen Raum für eine darüber hinausgehende treuepflichtgestützte Missbrauchskontrolle ließen. 7. Nach hier vertretener Ansicht ist eine treuepflichtgestützte Missbrauchskontrolle des Hauptversammlungsbeschlusses abzulehnen. Hierfür sprechen die bereits vorhandenen gesetzlichen Minderheitenschutzregelungen in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG (Minderheitenvetorecht), die durch Stimmrechtsverbote und die dreijährige Sperrfrist gestützt werden. Auch spricht vonseiten des BGH ausdrücklich zugestandene Selbstschädigungsrecht der Aktionäre gegen eine solche Missbrauchskontrolle. 8. Einige Stimmen fordern die ersatzlose Streichung des Erfordernisses der Hauptversammlungszustimmung. Hierfür wird u. a. das Bedürfnis der Gesellschaft angeführt, sich geräuschlos von einem Vorstandsmitglied verabschieden zu können. 9. Andere Stimmen sprechen sich aufgrund der Gefahr kollusiver Absprachen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat für die Beibehaltung der erforderlichen Hauptversammlungszustimmung aus.

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10. Nach hier vertretener Ansicht sollte das Tatbestandsmerkmal der erforderlichen Hauptversammlungszustimmung beibehalten werden, um der Gefahr kollusiver Absprachen entgegenzuwirken, denen der Gesetzgeber schon bei einvernehmlichem Ausscheiden eines Organmitgliedes entgegengetreten ist, sodass dies erst recht für streitige Auseinandersetzungen gelten muss. 11. De lege ferenda sollte die Zustimmung der Hauptversammlung alternativ durch die eines Gerichts substituiert werden können, welches im Rahmen eines Verfahrens nach dem FamFG nur dann seine Zustimmung erteilen sollte, wenn aus seiner Sicht die Vereinbarung als fair und angemessen einzustufen wäre. Dieses Verfahren würde einerseits eine neutrale, juristisch geschulte Instanz in das Verfahren einbringen und andererseits aufgrund des im FamFG gem. § 26 FamFG geltenden Amtsermittlungsgrundsatz insbesondere die Minderheitsaktionäre davor schützen, dass nur vermeintlich vorteilhafte Vereinbarungsvorschläge der Hauptversammlung zur Abstimmung vorgelegt würden. 12. Von nicht wenigen Stimmen wird die Abschaffung des Rechts einer zehnprozentigen Minderheit auf Widerspruch i. R.v. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG gefordert. Die Vertreter stützen sich auf den Wegfall des ursprünglichen Korrelats hierzu, nämlich dem Recht einer Minderheit gem. § 147 Abs. 1 AktG a. F., von der Gesellschaft die Geltendmachung von Organhaftungsansprüchen zu verlangen. Hinreichend Minderheitenschutz garantiere u. a. der obligatorische H ­ auptversammlungszustimmungsbeschluss. 13. Befürworter der Beibehaltung des Minderheitenwiderspruchs verweisen einerseits darauf, dass das ursprüngliche Korrelat zwischen dem Minderheitenvetorecht gem. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG und § 147 Abs. 1 AktG a. F. nicht ersatzlos entfallen sei, sondern in umgewandelter Form in § 148 Abs. 1 AktG (dem Klagezulassungsverfahren) fortbestehe, sodass kein Grund für die Abschaffung des Minderheitenvetorechts bestehe. Mangels sonstiger Voraussetzungen für den Widerspruch müsse andererseits zur Vermeidung grundloser Torpedierung sinnvoller Vereinbarungen an dem Quorum in bestehender Höhe von 10 % festgehalten werden. 14. Nach hier vertretener Auffassung ist dem Fortbestehen des ursprünglichen Korrelats zwischen Minderheitenwiderspruch und -ersatzverlangen in der veränderten Form des Klagezulassungsverfahrens zuzustimmen. Um eine in dieser Form tätig werdende Minderheit vor kollusiven Absprachen zwischen Organen und beherrschenden Aktionärsgruppen zu schützen, muss insbesondere im Lichte des erheblichen finanziellen Risikos der Minderheit beim Klagezulassungsverfahren das Widerspruchsrecht der Minderheit in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG beibehalten werden.



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15. Die Untersuchung der historischen Entwicklung des ursprünglichen Rechts der Minderheit auf Verlangen einer Anspruchsgeltendmachung gegenüber der Gesellschaft hat gezeigt, dass die Absenkung des dortigen Quorums nur vertretbar war, weil sonstige Hürden einem grundlosen Tätigwerden der Minderheit entgegenwirkten. Mangels zusätzlicher Vo­ raussetzungen für den Widerspruch einer Minderheit im Rahmen einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung ist das bisherige zehnprozentige Quorum beizubehalten, um ebensolchem grundlosen Torpedieren entgegenzuwirken. 16. Die Sperrfrist beginnt nach hier vertretener Auffassung entsprechend den Regelungen zur Verjährung mit dem Zeitpunkt, ab welchem eine Feststellungsklage erhoben werden könnte. Nur dadurch kann aufgrund umfassender Rechtsprechung zur Verjährungsfrist größtmögliche Rechts­ sicherheit gewährleistet werden. 17. Eine teleologische Reduktion der Frist im Falle kartellrechtlicher Kronzeugenaussagen ist zugunsten des Schutzes des Gesellschaftsvermögens und der Rechtssicherheit abzulehnen. Schon die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion müssen abgelehnt werden. 18. Nicht wenige Stimmen fordern eine ersatzlose Streichung der Sperrfrist. Sie führen als Argumente u. a. die Verhinderung sinnvoller Vereinbarungen und unnötiges Prozessieren an. Hinreichend Sicherheit böten bereits sonstige gesetzliche Voraussetzungen. 19. Diejenigen, die sich für die Beibehaltung der Sperrfrist aussprechen, stufen die sonstigen Kontrollmechanismen als nicht ausreichend ein, sodass ein ersatzloser Wegfall der Sperrfrist abzulehnen sei. Allerdings fordern auch sie, dass praxistaugliche Alternativen geschaffen werden müssten. 20. Nach hier vertretener Ansicht ist die Sperrfrist mit Hinblick auf ihren ursprünglichen Zweck – die Vermeidung vorschneller Abgeltung –, der angesichts immer höherer Schadenssummen heutzutage aktueller denn je ist, nicht ersatzlos zu streichen. Die bestehenden sonstigen Kontrollmechanismen gewährleisten vor Ablauf der dreijährigen Sperrzeit keinen ausreichenden Schutz. 21. Eine Fristverkürzung mittels einstimmiger Hauptversammlungszustimmung birgt zu große Gefahren in sich (Drucksituation der Aktionäre, Gefahr vor „räuberischen Aktionären“), als dass dies ein alternativer effektiver Kontrollersatz wäre. 22. Um die Frist wirksam verkürzen zu können, sollte der Gesellschaft eine Einzelfallprüfung durch ein Gericht ermöglicht werden. Dieses sollte anhand des Maßstabes der Fairness und Angemessenheit unter Abwä-

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gung der Vor- und Nachteile für die Gesellschaft und die Aktionäre eine Fristverkürzung aussprechen können. 23. Damit gem. § 93 Abs. 4 S. 4 AktG eine Ausnahme von der Fristenregelung greift, ist nach hier vertretener Auffassung kein Vergleich mit allen, sondern nur mit so vielen Gläubigern erforderlich, wie es zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens bedarf. Eine andere Interpretation machte das Eingreifen des Tatbestandes so gut wie unmöglich und widerspräche somit dem Regelungszweck der Norm. Zudem soll nach hier vertretener Ansicht ausreichend sein, dass die erforderliche Zahlungsunfähigkeit des Vorstandsmitgliedes i.  R.v. § 93 Abs. 4 S. 4 AktG erst mit Inanspruchnahme durch die Gesellschaft eintreten würde, da so der Gesellschaft größtmöglicher Schutz gewährt wird. 24. Einige Stimmen fordern, die Handlungen des Aufsichtsrates i. R.v. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG am Maßstab der ARAG-Garmenbeck-Grundsätze zu überprüfen. Ein solches Verständnis ergebe sich daraus, dass eine Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung noch über eine Nichtgeltendmachung eines Anspruchs hinausgehe, zu welcher die Doktrin entwickelt wurde. 25. Andere gestehen dem Aufsichtsrat dieselbe Entscheidungsfreiheit wie der Hauptversammlung bei ihrem Beschluss i. R.v. § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zu. Einzige inhaltliche Schranke und damit Überprüfungsmaßstab seien hinreichend nachvollziehbare Gründe für die Vereinbarung. 26. Schließlich wird vertreten, der Aufsichtsrat unterliege bei der Entscheidung, eine Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung mit einem Vorstandsmitglied abzuschließen, dem allgemeinen Sorgfaltsmaßstab, im Rahmen dessen ihm im Anwendungsbereich der Business Judgment Rule unternehmerisches Ermessen zustehen könne. 27. Nach hier vertretener Ansicht ist der strenge Maßstab der für die Nichtgeltendmachung von Ansprüchen entwickelten ARAG/GarmenbeckGrundsätze für die Aufsichtsratsentscheidung im Rahmen einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung deshalb abzulehnen, weil hierbei obligatorisch die Hauptversammlung in den Entscheidungsprozess einbezogen wird, sodass ein derart enger Kontrollmaßstab überzogen wäre. Gegen eine weitestgehende Handlungsfreiheit des Aufsichtsrats, wie sie der Hauptversammlung gewährt und teilweise für den Aufsichtsrat gefordert wird, spricht das Telos von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG. Die Hauptversammlung muss ihrer Kontrollfunktion gegenüber dem Aufsichtsrat hinreichend nachkommen können, was bei einem derart geringen Überprüfungsmaßstab nicht gewährleistet wäre. Anzuwenden ist der für den Aufsichtsrat geltende allgemeine Sorgfaltsmaßstab unter Berücksichtigung der Business Judgment Rule. Eine Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung ist als typische unternehmerische Entscheidung einzustufen.



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28. Befürworter einer Anwendbarkeit von § 93 Abs. 4 S. 1 AktG auf Entscheidungen des Aufsichtsrates stützen sich auf den Wortlaut des Verweises in § 116 S. 1 AktG, der bis auf eine Ausnahme umfassend sei. Auch ordnen sie eine Inanspruchnahme trotz Hauptversammlungszustimmung als widersprüchliches Verhalten ein. Schließlich verknüpfen sie mehrheitlich eine Anwendbarkeit nicht mit einer Umsetzungspflicht entsprechend § 83 Abs. 2 AktG. 29. Überwiegend wird einer Anwendbarkeit von § 93 Abs. 4 S. 1 AktG auf Entscheidungen des Aufsichtsrats zwar keine vollständige Absage erteilt, eine solche wird aber an eine Umsetzungspflicht entsprechend § 83 Abs. 2 AktG geknüpft, die für den Aufsichtsrat nur i. R.v. § 147 AktG besteht. Insbesondere finde § 119 Abs. 2 AktG aufgrund des eindeutigen gesetzgeberischen Willens keine Anwendung auf den Aufsichtsrat, sodass auch hierüber keine Umsetzungpflicht begründet werden könne. 30. Nach hier vertretener Auffassung ist der Wortlautverweis in § 116 Abs. 1 AktG mit Blick auf das Telos von § 93 Abs. 4 S. 1 AktG einschränkend dahingehend zu verstehen, dass eine Enthaftung mittels Hauptversammlungszustimmung nur bei einer Umsetzungspflicht entsprechend § 83 Abs. 2 AktG stattfindet. Dies ergibt sich aus der gewandelten Stellung der Hauptversammlung, die nicht mehr oberstes Willensbildungsorgan der Gesellschaft ist. § 119 Abs. 2 AktG findet mangels Analogiefähigkeit auf die Vorlagen des Aufsichtsrats nach hier vertretener Auffassung keine Anwendung, sodass sich auch hieraus keine Umsetzungspflicht entsprechend ableiten ließe. Auf Entscheidungen des Aufsichtsrats im Rahmen von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG findet die Enthaftungswirkung aus § 93 Abs. 4 S. 1 AktG damit keine Anwendung. 31. Die Aktionäre sind im Voraus der Hauptversammlung vom Aufsichtsrat über den wesentlichen Inhalt der Vereinbarung in Kenntnis zu setzen. Ein schriftlicher Bericht ist empfehlenswert, aber nicht erforderlich. 32. Eine Mindestvereinbarungssumme entsprechend § 93 Abs. 2 S. 3 AktG ist aus Gründen der Gesetzeshistorie und der in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG zugestandenen Wahlmöglichkeit zwischen Vergleich und Verzicht abzulehnen; der Vereinbarungsbetrag hat sich am Wohl der Gesellschaft zu orientieren. 33. Fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse, die zu fehlerhaften Hauptversammlungsbeschlüssen führen, können Grundlage einer Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage hinsichtlich des Hauptversammlungsbeschlusses sein. 34. Zusammenfassend ist eine Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung als sinnvolle Alternative zur vollständigen Geltendmachung eines Ersatzanspruchs (gerichtlich oder außergerichtlich) auszumachen. Die strikten

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Wirksamkeitsvoraussetzungen, geregelt in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG, sind trotz kritischer Abschaffungsforderungen mit punktuellen Ergänzungen in ihrer jetzigen Form beizubehalten, um angesichts der geringen praktischen Relevanz der Rechte der Minderheitsaktionäre gem. §§ 147, 148 AktG dem Schutzgedanken des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG gerecht zu werden. Wegen der vielfach mangelnden Durchdringung der Haftungssachverhalte seitens der Aktionäre und wegen der unbefriedigenden digitalen Entscheidung der Hauptversammlung für oder gegen einen Zustimmungsbeschluss zu einer Verzichts- oder Vergleichsvereinbarung sollte der Gesetzgeber den Aktiengesellschaften jedoch die Möglichkeit eröffnen, den Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung oder die dreijährigen Sperrfrist durch eine Entscheidung eines Gerichts zu ersetzen bzw. zu verkürzen, das sich seine Meinung mithilfe des Amtsermittlungsgrundsatzes der freiwilligen Gerichtsbarkeit bilden kann und nicht auf die Tatsachen beschränkt ist, die ihm von Vorstand und Aufsichtsrat vorgelegt werden.

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Stichwortverzeichnis Abfindungsklausel  79 f. Abgeltungsklausel  79 f. Abtretung eines Ersatzanspruchs  76 ff. Action social ut singuli  127 f. Action social ut universi  127 Aktiengesetz i. d. F. v. 1937  22, 50, 66, 130 f., 142, 171, 177, 225 Aktiengesetz i. d. F. v. 1965  67 f., 163 f., 171 f., 175, 177, 179 f., 184 f., 188 Aktienrechtsnovelle v. 1884  22, 50, 64 f., 141 f., 162 f., 170, 175 f., 203 Anerkenntnis  86 Anwaltsvergleich  87, 89, 93 ARAG/Garmenbeck-Entscheidung  35, 50, 70 f., 80 f., 207 ff. Assemblée générale  116 ff., 122 Aufrechnungsverzicht  78 f. Aufsichtsrat – Enthaftung durch Hauptversammlungszustimmung  221 ff. – Folgen fehlerhafter Vorschläge  232 – inhaltliche Anforderungen an Beschlussvorlage  227 ff. – Überprüfbarkeit der Entscheidung  207 ff. – Vertretung der AG  22, 34, 135, 137, 142, 157, 206 Ausgleichsklausel  79 f.

Conseil de surveillance  123 Constantin Medien AG  47 f., 51, 53 ff. D&O-Versicherung – Auswirkung auf Verzichts-/Vergleichsvereinbarungen  43 ff. – Funktionsprinzip  39 ff. – Herkunft  38 – Involvierung in Verzichts-/Vergleichsvereinbarungen  53 – Maßstab für Vergleichssumme  229 – Verbreitung  41 ff. Deutsche Bank AG  21, 48 ff., 51, 53 ff., 203 ff., 229 Deutscher Corporate Governance Codex  38, 152 Directeur général  120 f. Directoire  122 Dirigeant – Dualistisches System  121 ff. – Monistisches System  118 ff. Duty of care  107 f. Duty of loyalty  109 f. Entlastung durch Hauptversammlung  73 f., 129, 137 f., 143, 196 ff. Executive officers  105 ff.

Bestellung eines besonderen Vertreters  155 ff. Board of directors  105 ff. Business Judgment Rule  30, 108, 133, 208 ff., 231

Fehlerfolgen bei Verstoß gg. gesetzliche Voraussetzungen  205 f. Frankreich  115 ff. Freistellungszusage der Gesellschaft – im Nachhinein  80 ff. – im Voraus  84 Freistellungszusage Dritter  84

Commissaires aux comptes  117 f. Conseil d’administration  118 ff.

Garantieübernahme durch einen Dritten  75

Stichwortverzeichnis263 Gerichtliche Zustimmung  153 ff., 199 ff. – Kriterien  158 f., 200 – Rechtsmittel  159 – Verfahren  155 ff., 199 f. Gründe für eine Verzichts-/Vergleichsvereinbarung – Behinderung der Arbeit  59 – Halten des Vorstands  58 – Kosten  60 – mediale Aufmerksamkeit  62 f. – Probleme bei künftiger Vorstands­ suche  58 – Stabilität  59 – Unsicherheiten bzgl. Verfahrensausgang  59 – Vollstreckbarkeitsunsicherheiten  61 f. Haftungsgeltendmachung gegenüber Vorstand – auf Verlangen der Hauptversammlung  35 f. – durch den Aufsichtsrat  34 f. – durch Gläubiger  37 – in den USA  111 ff. – in Frankreich  127 f. – in Österreich  134 ff. – Klagezulassungsverfahren durch Minderheit  36 Handelsgesetzbuch i. d. F. v. 1897  65 f., 163, 170 f., 175 ff. Hauptversammlungszustimmung – Abschaffungsforderungen  150 f. – Beibehaltungsforderungen  151 f. – Regelungszweck  141 f. – Stimmrechtsausschluss  144 f. – Überprüfbarkeit  145 ff. – Zustimmungsbeschluss durch Gericht  153 ff. Insolvenz des Vorstandsmitglieds  201 ff. Kali + Salz-Entscheidung  145

Kartellrechtliche Kronzeugenregelung  181 ff. Klageverzicht  85 f. Klagezulassungsverfahren einer Minderheit  36, 166 ff., 170 ff. Leistung an Erfüllungs statt  85 Minderheitenveto – Abschaffungsforderungen  166 ff. – Beibehaltungsforderungen  168 f. – Form  165 – Quorum  164 – Regelungszweck  162 f. – Widerspruchsberechtigte  164 Mindestvergleichssumme  229 ff. Nichtgeltendmachung eines Anspruchs  70 ff. Notverordnung v. 1931  171 Novation  85 Ordre public  93 ff. Österreich  130 ff. Pactum de non petendo  85 Président du conseil d’administration  120 Prozessvergleich  85 Public corporation  105 ff. Rechtskreise  101 ff. Rechtsvergleichung  101 ff. Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut  89 ff. Schiedsverfahren  87 ff. Selbstschädigungsrecht der Aktionäre  149, 230 f. Shareholders’s derivative suit  111 ff., 154 ff. Siemens AG  21, 51, 53 ff., 194 f. Société anonyme  115 ff. Sperrfrist – Abschaffungsforderungen  188 ff.

264 Stichwortverzeichnis – Beginn  178 ff. – Beibehaltungsforderungen  191 f. – Ende  181 – Fristverkürzung  181 ff. – Regelungszweck  175 – Verkürzung durch gerichtliche Zustimmung  199 f. Stimmrechtsvereinbarung  74 f. Stundung  85 USA  103 ff. Versäumnisurteil  86

Vorstand – Haftungsausschluss durch Beschluss  34 – Innenhaftung  26 ff. – Sorgfaltspflichten  29 ff., 132 f. – Treuepflichten  31 f., 133 Zahlungsunfähigkeit des Vorstandsmitglieds  77 f., 187, 201 ff. – Begriff der Gläubiger  202 f. – Begriff der Zahlungsunfähigkeit  203 ff. Zustimmungsquoten  48, 57, 153 f., 194