Unternehmerische Entscheidungen des Vorstands: Anwendungsbereich und Stellenwert der "Business Judgment Rule" des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG 9783161553271, 3161553276

Die "Business Judgment Rule" (§ 93 Abs. 1 S. 2 AktG) soll dem Vorstand der AG einen Haftungsfreiraum bei "

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Unternehmerische Entscheidungen des Vorstands: Anwendungsbereich und Stellenwert der "Business Judgment Rule" des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG
 9783161553271, 3161553276

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
Die Grundlagen von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG
Der von § 93 Abs. 1 S. 2 AktG eröffnete Handlungsspielraum in der Vorstandstätigkeit
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen
Literaturverzeichnis
Sachregister

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Studien zum Privatrecht Band 72

Bernd Pfertner

Unternehmerische Entscheidungen des Vorstands Anwendungsbereich und Stellenwert der „Business Judgment Rule“ des §  93 Abs.  1 S.  2 AktG

Mohr Siebeck

Bernd Pfertner, geboren 1984; Studium der Rechtswissenschaften in Frankfurt am Main und Mailand; wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Anwaltskanzleien in Frankfurt; 2017 Promotion in Gießen; derzeit Referendar am LG Darmstadt.

Die Arbeit wurde vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Justus-Liebig-Universität Gießen 2015 als Dissertation angenommen.

ISBN 978-3-16-155327-1 ISSN 1867-4275 (Studien zum Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer­tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen aus der Times New Roman gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruck­papier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Vorwort Die Arbeit wurde im Frühjahr 2015 vorgelegt. Stand der verwendeten Rechtsprechung und Literatur ist – von geringfügigen Ausnahmen abgesehen – Januar 2015. Mein tiefer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Jens ­Ekkenga, für viele wertvolle Anregungen, Förderung und die gewährte Freiheit bei der Konzeption und Erstellung der Arbeit. Herrn Prof. Dr. Horst Hammen danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Bedanken darf ich mich außerdem herzlich bei Herrn Dr. Michael Ilter und Herrn Dr. Dominik Stier, die den Fortgang der Arbeit durch hilfreiche Anmerkungen und stete Diskussionsbereitschaft wesentlich bereichert und mir überdies über manche unvermeidliche Durststrecke hinweggeholfen haben. Ebenso möchte ich mich herzlich bei Frau Vera Eichberg und Herrn Dr. Till Contzen bedanken. Dem Verlag Mohr Siebeck, namentlich Herrn Dr. Franz-Peter Gillig, gilt mein Dank für die Aufnahme der Arbeit in das Verlagsprogramm. Vor allem danke ich meinen Eltern, die meinen Ausbildungsweg stets zuversichtlich und wohlwollend begleitet haben, wie auch meiner Frau Maximiliane für ihre liebevolle und einzigartige Unterstützung. Ihnen ist die Arbeit in Liebe und Dankbarkeit gewidmet. Reinheim, im Mai 2017

Bernd Pfertner

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXI

Teil 1: Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

§  1 Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Organhaftung in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . 1 B. Die „Business Judgment Rule“ des §  93 Abs.  1 S.  2 AktG . . . 3 C. Unklarer Anwendungsbereich der BJR . . . . . . . . . . . . . 5 D. Unklare Vorbedingungen der BJR . . . . . . . . . . . . . . . . 7 §  2 Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 §  3 Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 §  4 Geltung der Untersuchungsergebnisse über das AktG hinaus . . . 10

Teil 2: Die Grundlagen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG . . . . . . . . .

13

§  1 Bedürfnis und Zweck der BJR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Teleologisches Fundament . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Amtliche Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Eigenständiger Gehalt . . . . . . . . . . . . . . . . b. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Weitere Anknüpfungspunkte . . . . . . . . . . . . . . a. Geschäftsleiterermessen bzw. unternehmerisches Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. „ARAG/Garmenbeck“-Rechtsprechung . . . . . . . c. US-amerikanische Varianten der Business Judgment Rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Tätigkeit des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Stellung und Aufgaben in der AG . . . . . . . . . . . . . 1. Eigenverantwortliche Leitung . . . . . . . . . . . . .

13 13 13 14 14 14 14 15 15 16 17 19 19 19 19

VIII

Inhaltsverzeichnis

2. Vorgaben für die Leitung . . . . . . . . . . . . . . . . 21 II. Resultierende Konflikte und Regelungsanliegen der BJR 22 C. Haftung des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. Das aktienrechtliche Haftungsregime . . . . . . . . . . . 25 1. Grundlagen und Zweck der Innenhaftung . . . . . . . 26 2. Tatbestandliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . 27 a. Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 aa. Sorgfaltspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 aaa. Allgemeiner Maßstab . . . . . . . . . . . 27 bbb. Legalitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . 28 bb. Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 cc. Individueller Pflichtenmaßstab . . . . . . . . . 30 b. Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 c. Verschuldensmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . 31 d. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 e. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 f. Haftungsausschluss, Vergleichs- und Verzichtsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3. Weitere Aspekte zur Tragweite der Innenhaftung . . . 35 a. Die Geltendmachung der Innenhaftung . . . . . . . 35 aa. Pflicht des Aufsichtsrats zur Durchsetzung von Ansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 bb. Alternative Möglichkeiten . . . . . . . . . . . 36 b. Der Einfluss von D&O-Versicherungen . . . . . . . 37 c. Individuelle soziale Relevanz . . . . . . . . . . . . 39 d. Schwelle zu strafrechtlicher Sanktion . . . . . . . . 40 e. Die Rolle rechtlicher Beratung . . . . . . . . . . . 41 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Resultierende Konflikte und Regelungsanliegen der BJR 44 1. Risikoaversion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. Drohende Verzerrung richterlicher Bewertung durch Rückschaufehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 D. Zusammenfassung und Ergebnis von §  1 . . . . . . . . . . . . 50 §  2 Die funktionale Ausgestaltung von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG . . . . . 51 A. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 I. Die Tatbestandsmerkmale im Einzelnen . . . . . . . . . 52 II. Funktionsweise des Ausschlusses einer Pflichtverletzung 52 B. Handeln „zum Wohle der Gesellschaft“ . . . . . . . . . . . . . 53 I. Inhalt des Merkmals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 1. Allgemeine Zielrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . 53

Inhaltsverzeichnis

IX

2. Keine grundsätzliche Ausnahme „existenzgefährdender Risiken“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 3. Loyalitätserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 a. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 b. Verhaltenspflichten im Konfliktfall . . . . . . . . . 57 4. Gutgläubigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 II. Haftungsrechtliche Konsequenzen für den Vorstand . . . 58 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 C. „Handeln auf der Grundlage angemessener Information“ . . . 59 I. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1. H.M.: „Angemessenheit“ als situationsbezogener Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2. Gegenauffassung: Umfassende Information . . . . . . 61 3. Bewertung der Auffassungen . . . . . . . . . . . . . . 62 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 II. Haftungsrechtliche Konsequenzen für den Vorstand . . . 65 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 D. „Vernünftigerweise annehmen dürfen“ . . . . . . . . . . . . . 66 I. Einordnung des Merkmals in die BJR . . . . . . . . . . . 66 II. Eigengehalt und tatbestandliche Reichweite . . . . . . . . 67 1. Weite Auslegung und haftungsrechtliche Privilegierung 67 2. Enge Auslegung ohne bzw. unter eingeschränkter haftungsrechtlicher Privilegierung . . . . . . . . . . . 68 3. Reichweite des Merkmals in Bezug auf die anderen Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 a. Ausschluss der Informationsgrundlage . . . . . . . 70 b. „Wohl der Gesellschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . 70 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 III. Interpretation des „vernünftigerweise“ anzulegenden Maßstabs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 1. Eigengehalt des Merkmals . . . . . . . . . . . . . . . 71 a. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 b. Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 aa. Gesetzesbegründung . . . . . . . . . . . . . . 72 bb. „Grobe Fahrlässigkeit“ im Gesetzgebungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 aaa. Der Vorschlag des UMAG-Referentenentwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 bbb. Die Kritik aus dem Schrifttum . . . . . . 74 ccc. Die Ablehnung im Regierungsentwurf . . 75

X

Inhaltsverzeichnis

ddd. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 cc. Fortsetzung der „ARAG/Garmenbeck“Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 dd. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . 77 c. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 d. Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 e. Konturierung des Ermessensspielraums . . . . . . 78 aa. Ausgangspunkt „ARAG/Garmenbeck“ . . . . . 79 bb. Konkretisierungen der „Unverantwortlichkeit“ 79 cc. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2. Ausstrahlung auf das „Wohl der Gesellschaft“ und die Informationsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . 82 a. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 b. Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 aa. „Wohl der Gesellschaft“ . . . . . . . . . . . . . 83 bb. Informationsgrundlage . . . . . . . . . . . . . 84 c. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 d. Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 aa. Hinsichtlich der Informationsgrundlage . . . . 85 bb. Hinsichtlich des „Wohls der Gesellschaft“ . . . 89 e. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 IV. Haftungsrechtliche Konsequenzen für den Vorstand . . . 90 1. Zusammenfassende Betrachtung . . . . . . . . . . . . 90 2. Das Verständnis als „sicherer Hafen“ . . . . . . . . . 91 a. Amtliche Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . 92 b. Allgemeines rechtstechnisches Verständnis . . . . . 92 c. Beispiele „sicherer Häfen“ . . . . . . . . . . . . . 92 d. Vergleich mit §  93 Abs.  1 S.  2 AktG . . . . . . . . . 93 e. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 E. Zusammenfassung und Ergebnis von §  2 . . . . . . . . . . . . 94

Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum in der Vorstandstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§  1 Die Kriterien unternehmerischer Entscheidungen . . . . . . . . . 97 A. Handlungsqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 B. Inhaltliche Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 I. Ausgangspunkt amtliche Begründung . . . . . . . . . . . 99 II. Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 III. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

Inhaltsverzeichnis

1. Gesetzesbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Präzision der Merkmale . . . . . . . . . . . . . 3. Widersprüche zur Funktion der BJR . . . . . . . . . . a. Keine präzise Prüfung möglich . . . . . . . . . . . b. Vorwegnahme anderer Tatbestandsmerkmale . . . . 4. Inhaltliche Wertungswidersprüche . . . . . . . . . . . 5. Strukturelle Wertungswidersprüche . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Strukturelle Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Abgrenzung gegenüber „gebundenen Entscheidungen“ . . . . I. Ausgangspunkt amtliche Begründung . . . . . . . . . . . II. Legalitätspflicht als Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsverstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unklare Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unternehmerische Entscheidungen im Rahmen von „Pflichtaufgaben“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Befürwortende Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gegenansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Untersuchung der Anwendung der BJR . . . . . . . . a. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Offene Handlungsspielräume im Rahmen gesetzlich normierter Aufgaben . . . . . . . . . aaa. Eigenverantwortung und Kontrollbedarf . bbb. Verhältnis zur Legalitätspflicht . . . . . . ccc. Verengung des Anwendungsbereichs der BJR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ddd. Unbestimmtheit von Handlungsspielräumen außerhalb der BJR . . . . . . . . . . . . . eee. „Ermessen“ als gesellschaftsrechtliche Institution . . . . . . . . . . . . . . . . . fff. Ausnahme bei besonderen Interessenvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . ggg. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . bb. Unbestimmte Rechtsbegriffe . . . . . . . . . .

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XII

Inhaltsverzeichnis

aaa. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb. Kontrollbedarf . . . . . . . . . . . . . . . ccc. Ausnahme bei Konkretisierung des Unternehmenswohls . . . . . . . . . . . . ddd. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . cc. Zustimmungsbedürftige Entscheidungen . . . . dd. Übertragene Entscheidungen . . . . . . . . . . e. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Konsequenzen für das Verständnis von Beurteilungsund Ermessensspielräumen . . . . . . . . . . . . . . . a. „Ermessensentscheidungen“ . . . . . . . . . . . . . b. „Pflichtgemäßes Ermessen“ . . . . . . . . . . . . . c. „Beurteilungsspielräume“ . . . . . . . . . . . . . . IV. Treuepflicht und unternehmerische Entscheidungen . . . 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinzelte Verortung beim „Wohl der Gesellschaft“ . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zusammenfassung von §  1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . §  2 Verortung in der Leitungstätigkeit des Vorstands . . . . . . . . . . A. Konturierung der Leitungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . I. Leitungsaufgaben als Kategorie der Vorstandstätigkeit . . II. Kategorien zur Bestimmung von Leitungsaufgaben . . . 1. Geschriebene Leitungsaufgaben . . . . . . . . . . . . 2. Ungeschriebene Leitungsaufgaben . . . . . . . . . . . 3. Zuordnung aufgrund der Tragweite im Einzelfall . . . III. Festlegung des weiteren Verfahrens . . . . . . . . . . . . B. Unternehmerische Entscheidungen bei Wahrnehmung der originären Führungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausgangspunkt §  76 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kategorisierung der Führungsaufgaben . . . . . . . . . . 1. Klassische Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abweichende Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konsequenzen für die folgende Darstellung . . . . . . III. Einzelbetrachtung der Führungsaufgaben . . . . . . . . . 1. Unternehmensplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Konturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Unternehmerische Entscheidungen . . . . . . . . . 2. Unternehmenskoordinierung bzw. -organisation . . . . a. Konturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Unternehmensstrukturen . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

aa. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Unternehmerische Entscheidungen . . . . . . . c. Selbstorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Unternehmerische Entscheidungen . . . . . . . d. Informationsverantwortung . . . . . . . . . . . . . aa. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Unternehmerische Entscheidungen . . . . . . . e. Compliance-Verantwortung . . . . . . . . . . . . . aa. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Unternehmerische Entscheidungen . . . . . . . 3. Kontrolle des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . a. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Unternehmerische Entscheidungen . . . . . . . . . 4. Personalverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Unternehmerische Entscheidungen . . . . . . . . . C. Unternehmerische Entscheidungen im Rahmen der gesetzlichen Pflichtaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Aktienrechtliche Pflichten im Rahmen der Gesellschaftsgründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorüberlegung zum Haftungsmaßstab bei Gründungsvorgängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zusammensetzung des Aufsichtsrats, §§  30, 31 AktG . 3. Gründungsprüfung, §§  33, 33a, 34 AktG . . . . . . . . 4. Anmeldung der Gesellschaft, §§  36–37a AktG . . . . . 5. Nachgründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Publizitätspflichten, §  52 Abs.  2 AktG . . . . . . . b. Erläuterung, §  52 Abs.  2 S.  6 AktG . . . . . . . . . c. Nachbereitung der Nachgründung, §  52 Abs.  2 AktG II. Aktienrechtliche Pflichten im Kontext von Buchführung und Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Führung der Handelsbücher, §  91 Abs.  1 AktG . . . . 2. Jahresabschluss und Lagebericht . . . . . . . . . . . . a. Erstellungs- und Vorlagepflichten . . . . . . . . . . b. Forcierung der Prüfung durch den Aufsichtsrat, §  171 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Einstellung in Gewinnrücklagen, §  58 Abs.  2 AktG

XIII 153 153 154 154 154 155 155 156 157 157 157 158 162 162 162 163 163 164 165 165 165 166 166 167 168 168 169 169 170 170 170 171 171 172

XIV

Inhaltsverzeichnis

d. Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn, §  59 Abs.  1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Maßnahmen zur Früherkennung und Überwachung, §  91 Abs.  2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Grundsätzliche Verpflichtung . . . . . . . . . . . . b. Individuelle Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . 4. Pflichten bei drohenden Verlusten . . . . . . . . . . . a. Einberufung der Hauptversammlung, §  92 Abs.  1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Zahlungsverbote, §  92 Abs.  2 AktG . . . . . . . . . III. Aktienrechtliche Pflichten im Verhältnis zu den Aktionären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufforderung zur Einzahlung, §  63 Abs.  1 AktG . . . 2. Anlage eines Aktienregisters, §  67 AktG . . . . . . . 3. Zustimmung zur Übertragung von Namensaktien, §  68 Abs.  2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erwerb und Einziehung eigener Aktien . . . . . . . . a. Erwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Katalog der Ausnahmetatbestände, §  71 Abs.  1 S. 1 Nr.  1–7 AktG . . . . . . . . . . aaa. Feststellung der Voraussetzungen . . . . . bbb. Ausübungsentscheidung . . . . . . . . . . bb. Ermächtigung durch die Hauptversammlung, §  71 Abs.  1 S.1 Nr.  8 AktG . . . . . . . . . . . aaa. Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . bbb. Ausübungsentscheidung . . . . . . . . . . b. Einziehung, §  71 Abs.  1 Nr.  8 S.  6 AktG . . . . . . c. Informationspflichten, §  71 Abs.  3 S.  1 AktG . . . . 5. Ausschluss von Minderheitsaktionären, §  327a ff. AktG a. Information des Hauptaktionärs, §  327b Abs.  1 AktG b. Zugänglichmachung und Erläuterung des Entwurfs, §  327d AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Anmeldung des Übertragungsbeschlusses, §  327e AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Aktienrechtliche Pflichten bezüglich vorstandsinterner Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erlass einer Geschäftsordnung, §  77 Abs.  2 AktG . . . 2. Interessenkonflikte bei der Willensbildung . . . . . . V. Aktienrechtliche Pflichten im Verhältnis zwischen den Organen und der AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

173 174 174 174 175 175 176 177 177 178 178 179 180 180 180 180 181 181 181 182 182 183 183 183 184 184 184 184 185

Inhaltsverzeichnis

1. Pflichten gegenüber der AG . . . . . . . . . . . . . . . a. Vertretung der AG, §  78 AktG . . . . . . . . . . . . b. Bindung an die Verfassung der AG, §  82 Abs.  2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichten gegenüber dem Aufsichtsrat . . . . . . . . . a. Berichtspflicht, §  90 Abs.  1 S.  1 AktG . . . . . . . . b. Pflichten hinsichtlich der Zusammensetzung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Überwachung der Zusammensetzung, §  97 Abs.  1 S.  1 AktG . . . . . . . . . . . . . . bb. Mögliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . aaa. Bekanntmachung, §  97 Abs.  1 S.  1 AktG . bbb. Einleitung eines Gerichtsverfahrens, §  98 Abs.  1, Abs.  2 Nr.  1 AktG . . . . . . . ccc. Verhältnis beider Konsequenzen zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Folgepflicht bei Änderungen im Handelsregister, §  99 Abs.  5 S.  3 AktG . . . . . . . . . . . . . . dd. Antrag auf Ergänzung, §  104 Abs.  1 AktG . . . ee. Anmeldung von Personalien der Verwaltung, §§  106, 107 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . c. Einberufung des Aufsichtsrats, §  110 AktG . . . . . d. Zustimmungspflichtige Aufgaben, §  111 Abs.  4 S.  3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pflichten gegenüber der Hauptversammlung . . . . . . a. Einberufung, §  121 AktG . . . . . . . . . . . . . . aa. Anordnung durch Gesetz oder Satzung, §  121 Abs.  1, 1. Alt. AktG . . . . . . . . . . . . bb. Einberufung zum „Wohl der Gesellschaft“, §  121 Abs.  1, 2. Alt. AktG . . . . . . . . . . . . b. Vorbereitung der HV . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Mitteilungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . aaa. Mitteilung über die Einberufung, §  125 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb. Mitteilung von Beschlussanträgen, §  126 Abs.  1 AktG . . . . . . . . . . . . . ccc. Ausnahmen von der Pflicht zur Zugänglichmachung, §  126 Abs.  2 AktG . ddd. Zusammenfassung von Anträgen, §  126 Abs.  3 AktG . . . . . . . . . . . . .

XV 185 185 185 186 186 186 186 187 187 187 187 188 188 189 189 190 190 191 191 192 192 192 192 193 193 194

XVI

Inhaltsverzeichnis

eee. Mitteilung von Wahlvorschlägen, §  127 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Vorbereitung von Hauptversammlungsbeschlüssen, §  83 Abs.  1 AktG . . . . . . . . . c. Durchführung der Hauptversammlung . . . . . . . aa. Teilnahme des Vorstands, §  118 Abs.  3 AktG . . bb. Teilnahmemodalitäten . . . . . . . . . . . . . . aaa. Elektronische Teilnahme, §  118 Abs.  1 S.  2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb. Briefwahl, §  118 Abs.  2 AktG . . . . . . . ccc. Übertragung, §  118 Abs.  4 AktG . . . . . cc. Abstimmungsvorschläge, §  119 Abs.  2 AktG . . dd. Beschlussvorschläge, §  124 Abs.  3 AktG . . . . ee. Auskunftsrechte der Aktionäre, §  131 AktG . . aaa. Maßstab für die Erteilung, §  131 Abs.  1 S.  1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb. Ausnahmsweise Verweigerung, §  131 Abs.  3 AktG . . . . . . . . . . . . . d. Nachbereitung der Hauptversammlung . . . . . . . aa. Pflichten hinsichtlich der Beschlüsse . . . . . . aaa. Niederschrift, §  130 AktG . . . . . . . . . bbb. Mitteilung, §  125 Abs.  4 AktG . . . . . . . bb. Ausführung der Beschlüsse, §  83 Abs.  2 AktG . cc. Erhebung von Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen, §§  245, 249 AktG . . . . . dd. Vertretungsregeln bei Anfechtung, §  246 AktG ee. Einreichung zum Handelsregister, §  248 Abs.  1 S.  2 AktG . . . . . . . . . . . . . VI. Aktienrechtliche Pflichten im Kontext der Sonderprüfung 1. Mitteilungspflichten im Kontext der Bestellung, §  142 Abs.  7 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechte der Prüfer und Umgang mit dem Prüfungsbericht, §  145 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, §  259 Abs.  5 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Aktienrechtliche Pflichten im Kontext des DCGK . . . . 1. Erklärung zum DCGK, §  161 Abs.  1 AktG . . . . . . . 2. Inhaltliche Abweichungen vom DCGK . . . . . . . . . VIII. Aktienrechtliche Pflichten bei Rechnungslegung und Gewinnverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . .

195 195 196 196 196 196 197 197 198 199 199 199 200 201 201 201 202 202 203 204 204 204 204 205 206 206 206 206 207

Inhaltsverzeichnis

1. Übertragung an die Hauptversammlung, §  172 S.  1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einberufung der Hauptversammlung, §  175 AktG . . . 3. Vorlagen, Bericht und Stellungnahmen, §  176 AktG . . IX. Aktienrechtliche Pflichten im Kontext von Kapitalmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erläuterungspflicht bei Übertragung des ganzen Vermögens, §  179a Abs.  2 AktG . . . . . . . . . . . . 2. Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Eintragung der Satzungsänderung, §  181 Abs.  1 S.  1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . b. Anmeldung beim Handelsregister, §  184 Abs.  1 S.  1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . c. Publizitätspflichten, §  186 AktG . . . . . . . . . . . d. Eintragung der Durchführung . . . . . . . . . . . . 3. Bedingte Kapitalerhöhung, §§  192 ff. AktG . . . . . . a. Anmeldung des Beschlusses, §  195 Abs.  1 AktG . . b. Ausgabe der Aktien, §  199 Abs.  1 AktG . . . . . . c. Anmeldung der Ausgabe, §  201 Abs.  1 AktG . . . . 4. Genehmigtes Kapital, §§  202 ff. AktG . . . . . . . . . a. Ausübung, §  202 Abs.  1 AktG . . . . . . . . . . . . aa. Vorgaben der Satzung und des Gesetzes . . . . bb. Ausübungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . b. Ausschluss des Bezugsrechts, §  203 Abs.  2 S.  1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . c. Inhalt und Bedingungen der Ausgabe, §  204 Abs.  1 S.  1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . d. Festsetzungen bei Sacheinlagen, §  205 Abs.  2 S.  1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, §  214 Abs.  1 S.  1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ausgabe von Schuldverschreibungen, §  221 AktG . . . a. Ermächtigung zur Ausgabe, §  221 Abs.  2 S.  1 AktG b. Folgepflichten, §  221 Abs.  2 S.  2 und S.  3 AktG . . . 7. Kapitalherabsetzung, §§  222 ff. AktG . . . . . . . . . a. Anmeldung von Beschluss und Durchführung, §§  223, 227 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Einziehung von Aktien, §  237 Abs.  1 S.  1 AktG . . X. Aktienrechtliche Pflichten bei Auflösung der Gesellschaft 1. Anmeldung zur Auflösung, §  263 S.  1 AktG . . . . . .

XVII 207 207 208 209 209 209 209 210 210 210 211 211 211 211 212 212 212 213 214 215 216 216 216 216 217 217 217 218 219 219

XVIII

Inhaltsverzeichnis

2. Abwicklung, §  265 Abs.  1 AktG . . . . . . . . . . . . 219 3. Klage auf Nichtigkeit, §  275 AktG . . . . . . . . . . . 219 a. Befugnis, §  275 Abs.  1 S.  1 AktG . . . . . . . . . . 219 b. Einreichung einer Abschrift beim Handelsregister, §  275 Abs.  4 S.  2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . 220 XI. Aktienrechtliche Pflichten in der konzernverbundenen Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 1. Unternehmensverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 a. Berichterstattung, §  293a AktG . . . . . . . . . . . 220 b. Informationspflichten gegenüber der Hauptversammlung, §  293g AktG . . . . . . . . . . 221 c. Anmeldung zum Handelsregister, §  294 Abs.  1 S.  1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . 221 d. Kündigung, §  297 AktG . . . . . . . . . . . . . . . 221 aa. Identifikation von Kündigungsgründen . . . . . 222 bb. Kündigungsentscheidung . . . . . . . . . . . . 223 e. Anmeldung der Beendigung beim Handelsregister, §  298 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 2. Leitungsentscheidungen im Vertragskonzern . . . . . 223 a. Vorstand des beherrschenden Unternehmens, §  308 Abs.  1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 b. Vorstand des beherrschten Unternehmens . . . . . 224 aa. Befolgungspflicht, §  308 Abs.  2 S.1 AktG . . . 224 bb. Mitteilungspflicht, §  308 Abs.  3 S.  1 AktG . . . 225 3. Leitungsentscheidungen bei mangelndem Beherrschungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 a. Nachteilige Maßnahmen zuungunsten des beherrschten Unternehmens, §§  311 Abs.  1, 317 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 b. Berichtspflicht, §  312 AktG . . . . . . . . . . . . . 226 c. Vorlage an den Aufsichtsrat, §  314 AktG . . . . . . 226 4. Eingliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 a. Beantragung der Eingliederungsprüfer, §  320 Abs.  3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 b. Eingliederungsbericht . . . . . . . . . . . . . . . . 227 c. Anmeldung der Eingliederung . . . . . . . . . . . 228 d. Anmeldung der Beendigung der Eingliederung . . . 228

Inhaltsverzeichnis

XIX

Teil 4: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. a. E. ABA Abs. AG AktG allg. Anh. Anm. Art. ARUG Aufl.

anderer Ansicht am angeführten/angegebenen Ort am Ende American Bar Association Absatz Aktiengesellschaft/Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Aktiengesetz allgemein(-e/-er/-es) Anhang Anmerkung Artikel Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie Auflage

BB Bd. BeckRS Begr. Beil. BGB BGBl. BGH BGHZ BJR BKR BT-Drucks. BVerfG bzgl. bzw.

Betriebs-Berater (Zeitschrift) Band Beck-Rechtsprechung Begründer Beilage Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Business Judgment Rule Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht bezüglich beziehungsweise

CCZ CFL

Corporate Compliance Zeitschrift Corporate Finance Law (Zeitschrift)

DB DCGK ders. desw. dies.

Der Betrieb (Zeitschrift) Deutscher Corporate Governance Kodex Derselbe des Weiteren dieselben

XXII

Abkürzungsverzeichnis

DJT DrittelbG DStR Dt./dt. D&O

Deutscher Juristentag Drittelbeteiligungsgesetz Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsch(-e/-er/-es)/deutsch(-e/-er/-es) Directors and Officers

EG etc. EU

Europäische Gemeinschaft et cetera Europäische Union

f./ff. Fn. FS

folgende/fortfolgende Seite(n) Fußnote Festschrift

G GbR gem. GesR ggf. GmbH GmbH & Co   KG GmbhG GmbHR grdsl. GWR

Gesetz Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß Gesellschaftsrecht gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Compagnie Kommanditgesellschaft Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbHRundschau (Zeitschrift) grundsätzlich GWR – Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

h. L. h. M. Hdb. HGB HLR Hrsg.

herrschende Lehre herrschende Meinung Handbuch Handelsgesetzbuch Hofstra Law Review (Zeitschrift) Herausgeber

i. S. d. i. V. m. ILF inkl. insb. InsO IntGesR

im Sinne der in Verbindung mit Institute for Law and Finance inklusive insbesondere Insolvenzordnung internationales Gesellschaftsrecht

J. Exp. Psychol. Journal of Experimental Psychology JA Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) JuS Juristische Schulung (Zeitschrift) JZ Juristenzeitung (Zeitschrift) KG

Kommanditgesellschaft

Abkürzungsverzeichnis

XXIII

KGaA KWG

Kommanditgesellschaft auf Aktien Kreditwesengesetz

LG

Landgericht

m. w. N. Mio. MitbestG

mit weiteren Nachweisen Millionen Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungs­ gesetz)

Nr. NJW NJW-Beil. NJW-RR NZA NZG NZG-Beil. NZI

Nummer Neue Juristische Wochenschrift Beilage zur Neuen Juristischen Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Beilage zur Neuen Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung

o. ä. OHG OLG OLR

oder ähnlichem offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Oregon Law Review (Zeitschrift)

RefE Referentenentwurf RegE Regierungsentwurf RIW Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) RL Richtlinie Rn. Randnummer Rspr. Rechtsprechung S. s. scil. sog. SPE StGB

Seite/Siehe siehe scilicet sogenannte (-r/-s/-n) Societas Privata Europaea Strafgesetzbuch

TBL

The Business Lawyer (Zeitschrift)

u. a. u.U. UMAG Urt.

unter anderem unter Umständen Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts Urteil

v. vgl.

vom vergleiche

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

VAG VO VorstAG VwVfG

Versicherungsaufsichtsgesetz Verordnung Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung Verwaltungsverfahrensgesetz

WM WpHG WpÜG

Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Wertpapierhandelsgesetz Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz

z. B. ZfBR ZGR ZHR ZIP zit. ZPO ZRP ZSR

zum Beispiel Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert (als) Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Schweizerisches Recht

Teil 1:

Einleitung §  1 Untersuchungsgegenstand Wer sich mehr als zehn Jahre nach ihrer Kodifizierung durch das UMAG1 im Rahmen einer Monographie mit der „Business Judgment Rule“2 des §  93 Abs.  1 S.  2 AktG befasst, sieht sich angesichts der permanenten fachwissenschaftlichen Präsenz der Thematik und der deshalb mittlerweile vorliegenden Fülle einschlägiger Literatur einem gewissen Rechtfertigungsdruck ausgesetzt. Die sogleich dargestellten, offenen Fragen zeigen indes, dass eine weitere, vertiefte Auseinandersetzung mit der Materie geboten ist.

A. Organhaftung in der Aktiengesellschaft Im Zuge der globalen Finanzkrise hat die Diskussion um das Selbstverständnis und die Verantwortung von Managern3 ein hohes Maß an Aufmerksamkeit erfahren.4 Gerade Geschäftsleiter größerer Unternehmen sind hinsichtlich ihrer persönlichen Haftung für unternehmerische Fehlschläge wie auch für persönliche Versäumnisse zu einem prominenten Diskussions- und Angriffsobjekt in der medialen Öffentlichkeit geworden. Sie unterliegen allerdings in Deutschland einem Haftungsregime, das bei genauerem Hinsehen in seiner Schärfe und trotz mutmaßlicher Defizite auf der Ebene der Durchsetzung nicht als zurückhaltend gelten kann.5 Hierzulande sind zudem bei deutlich steigender Tendenz6 innerhalb der letzten Jahrzehnte – und zahlenmäßig lediglich übertroffen durch 1  Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts vom 01. November 2005, BGBl 2005 Teil I Nr.  60, S.  2802 ff. 2  Die Schreibweise variiert im Schrifttum zwischen der US-amerikanischen Version „Judgment“ und dem britischen „Judgement“, vgl. Sven H. Schneider, DB 2005, 707 (707, Fn.  1); die Arbeit folgt der US-amerikanischen Variante. Im Folgenden wird „Business Judgment Rule“ zumeist als BJR abgekürzt. 3  Mit den Worten Goettes diejenigen, „in deren Händen die Leitung des Unternehmens liegt“, siehe ders., in: Das Unternehmerbild in der sozialen Marktwirtschaft, 140 (141); zu Selbstverständnis und Typologie des „Managers“ Buß, Managementsoziologie, passim. 4  S. Bachmann, Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  I, S. E 19. 5  Dazu ausführlich unten Teil 2 §  1 C. I. 6  Bachmann, NJW-Beil. 2/2014, 43; Reichert, ZHR 177 (2013), 756 (757); Seibert, ZRP 2011,

2

Teil 1: Einleitung

die USA – die meisten Organhaftungsprozesse zu verzeichnen.7 Die beanspruchten Schadensersatzleistungen erreichen beträchtliche Höhen.8 Das zentrale Sanktionsmittel gegenüber dem Vorstand bildet dabei der Haftungstatbestand des §  93 Abs.  2 S.  1 AktG: Verletzt der Vorstand Pflichten, an deren Einhaltung er bei der Wahrnehmung seiner Tätigkeit gebunden ist und entstehen dem Unternehmen aus dieser Verletzung Schäden, so kann er gem. §  93 Abs.  2 S.  1 AktG zum Ersatz dieser Schäden verpflichtet sein.9 Dabei soll sich der Haftungstatbestand einerseits nicht lähmend auf die Unternehmensorgane auswirken, muss aber andererseits als effektives Sanktionsmittel dienen.10 Die zwischen diesen Positionen notwendige Ausbalancierung erweist sich als kompliziert und ist zu einem thematischen Dauerbrenner11 des Aktienrechts avanciert. Gerade in jüngerer Zeit wurden vermehrt Zweifel an der Zweckmäßigkeit der Ausgestaltung der aktienrechtlichen Organhaftung laut; die Thematik fand sich denn auch auf der Agenda des 70. Deutschen Juristentags 2014.12 Die Debatte kreist um die Frage, ob die Organhaftungsregeln in ihrer derzeitigen Form als zweckmäßig beibehalten werden sollten, oder ob sie, insbesondere durch Veränderung der Durchsetzungsmöglichkeiten und erweiterter Gestaltungsmöglich166 (168); Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  3 („Trend zur persönlichen Haftung“). 7  Bachmann, NJW-Beil. 2/2014, 43. Vgl. ferner die Studie der LSE (London School of Economics) zur Organhaftung in Europa, abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/company/ docs/board/2013-study-analysis_en.pdf (zuletzt abgerufen am 17.07.2017) sowie die Analyse durch Bachmann, ZIP 2013, 1946 ff.; zu „Sanktionsdefiziten“ bei der Organhaftung s. etwa Uwe H. Schneider, ZIP 2013, 1985 und bereits Semler, AG 2005, 321 (321 f.). 8  So wurde der ehemalige Siemens-Vorstand Heinz-Joachim Neubürger 2013 vom LG München I zu einem Schadensersatz in Höhe von 15 Mio. Euro verurteilt; unlängst hat die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) drei ehemalige Manager auf insgesamt 120 Mio. Euro Schadensersatz verklagt (Börsenzeitung vom 27.09.2014, S.  12); Teile des ehemaligen Managements von Solar Millennium sollen vermutlich auf über 200 Mill. Euro Schadensersatz verklagt werden (Börsenzeitung vom 21.10.2014, S.  16); vgl. dazu auch die weiteren Beispiele bei Paefgen, AG 2014, 554 (555, Fn.  9); in „neue Dimensionen“ sieht die Haftungssummen auch Reichert, ZHR 177 (2013), 756 (757) aufsteigen. 9  Vgl. zum Haftungstatbestand im Detail unten Teil 2 §  1 C. I. 10  Fleischer, NJW 2009, 2337 (2343); Goette, in: Hdb. Corporate Governance, 713 (715 f.); Schulhoff, in: Das Unternehmerbild in der sozialen Marktwirtschaft, 11 (15) („Unentbehrliche Bremse im unternehmerischen Entscheidungskalkül“); Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (229): „Aufgabe jedes gesellschaftsrechtlichen Haftungssystems ist es […], auf der einen Seite die erforderliche unternehmerische Freiheit zu akzeptieren und nicht über Gebühr einzuengen und auf der anderen Seite sicherzustellen, dass der Agent seine Aufgaben getreulich erfüllt“; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  4. 11  So etwa Fleischer, NJW 2009, 2337; Langenbucher, DStR 2005, 2083; Spindler, AG 2013, 889. 12  Vgl. dazu die Berichterstattung von Bachmann, Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  I, E passim, die Referate, Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  II/1, S. N 11 ff. bzw. die Diskussion, Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  II/2, S. N 75 ff.

§  1 Untersuchungsgegenstand

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keiten – vor allem hinsichtlich einer Haftungsbegrenzung – mehr oder weniger grundlegender Reformen bedürfen.13

B. Die „Business Judgment Rule“ des §  93 Abs.  1 S.  2 AktG In der Diskussion um diesen „,ewigen‘ Problemkreis […] des Aktienrechts“14 bestand wohl zumindest darüber stets Einigkeit, dass auch negative Entwicklungen im Unternehmen unter der Verantwortung des Vorstands auftreten können, die dennoch keine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit auslösen sollen. Der Vorstand sollte und soll also nicht von vornherein für jeden bloßen Schadenseintritt haften – dieser Gedanke findet sich bereits in der amtlichen Begründung zur Reform des Handelsgesetzbuchs von 188415 sowie zur Fassung des §  84 AktG von 193716 und im zeitgenössischen aktienrechtlichen Schrifttum.17 Ebenso tauchte dieser Grundgedanke immer wieder in der Rechtsprechung auf;18 angesichts der geringen Anzahl an Fällen, in denen in Deutschland bis zum Ende des 20. Jahrhunderts tatsächlich Organhaftungsansprüche geltend gemacht wurden, führte er in der Praxis jedoch lange Zeit nur ein Schattendasein.19 Dabei gestaltete sich die Frage nach der Haftung meist so eindeutig, dass keine tiefere dogmatische Beschäftigung mit der Materie erforderlich schien.20 13  Vgl. etwa Bachmann, NJW-Beil. 2/2014, 43 ff.; Bayer/Scholz, NZG 2014, 926 ff.; Fleischer, ZIP 2014, 1305 ff.; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115 ff.; Habersack, ZHR 177 (2013), 782 ff.; ders., AG 2014, 553; Hemeling, ZHR 178 (2014), 221 ff.; Hommelhoff, ZIP 2013, 2177 (2178 f.); Hopt, ZIP 2013, 1793 ff.; Koch, AG 2012, 429 ff.; Paefgen, AG 2014, 554 ff.; Peltzer, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2013, 83 ff.; Spindler, AG 2013, 889 ff.; Vetter, NZG 2014, 921 ff.; Wagner, ZHR 178 (2014), 227 ff.; ferner Koch, NZG 2014, 934 ff. 14  Langenbucher, DStR 2005, 2083. 15  Vgl. Lutter, ZIP 2007, 841 und die Nachweise bei v. Falkenhausen, NZG 2012, 644 (645, Fn.  23). 16  Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  51; Goette, ZGR 1995, 648 (669) m. w. N.; v. Falkenhausen, NZG 2012, 644 (646, Fn.  23); Fleischer, ZIP 2004, 685 (685). 17  Prägnant etwa Brodmann, Aktienrecht, §  241 HGB/S.  263: „In der unrichtigen Beurteilung der wahrscheinlichen Folgen einer geschäftlichen Maßnahme liegt in der Regel keine Fahrlässigkeit; im geschäftlichen Leben muss manches mit dem Bewusstsein unternommen werden, dass es vielleicht auch nachteilig ausschlägt“; Baumbach, AktG, §  84 Nr.  4); Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  50; Semler, AG 2005, 321 (324); desw. Weipert, in: Großkomm-AktG (1. Aufl. 1939), §  84 Anm.  15. 18  Siehe dazu nur Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  49 ff. 19  Eine der wenigen prominenten Ausnahmen bildet das „Herstatt“-Urteil des BGH von 1979; siehe BGH, Urt. v. 09.07.1979 – II ZR 118/77 = BGHZ 75, 96 ff. = NJW 1979, 1823 ff.; siehe dazu Bachmann, ZHR 177 (2013), 1; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  109; desw. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S.  172 ff. sowie unten Teil 2 §  1 C. II. 2. 20  Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S.  172 f. („fast sämtlich pathologische Fälle“, die „der Gesellschaft […] im günstigsten Fall nur keinen Nachteil“ brachten); Paefgen, Unternehmerische

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Teil 1: Einleitung

Die Auseinandersetzung mit der Frage nach weiterer Ausdifferenzierung der Organhaftungsvorschriften intensivierte sich mit der steigenden Anzahl von Organhaftungsprozessen in den 1990er Jahren.21 Im Jahre 1997 rührte der BGH im vielbeachteten „ARAG/Garmenbeck“-Urteil an diese – so Raiser vorher – „unvollständig und undeutlich geregelte und […] nicht geklärte“, gleichwohl zentrale Thematik des Organhaftungsrechts.22 Das Urteil wird aufgrund der erstmaligen höchstrichterlichen Konturierung eines weiten unternehmerischen Ermessensspielraums, innerhalb dessen eine Haftung des Vorstands ausgeschlossen ist, als zentraler Schritt zur nunmehr gültigen Fassung von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG verstanden.23 In §  93 Abs.  1 S.  2 AktG wurde der Ermessensspielraum des Vorstands – nach Vorbereitung durch das Schrifttum 24 und die Regierungskommission „Deutscher Corporate Governance Kodex“ sowie auf Empfehlung des 63. Deutschen Juristentages25 – schließlich im Jahre 2005 im Rahmen des UMAG mit folgendem Wortlaut in das Aktiengesetz aufgenommen:26 „Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.“ Die Vorschrift entfaltet ihre Wirkung im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der Pflichtverletzung aus §  93 Abs.  2 S.  1 AktG, indem sie formuliert, unter welchen tatbestandlichen Voraussetzungen Tätigkeiten des Vorstands gerade keine Pflichtverletzung bedeuten sollen.27 Mangels Pflichtverletzung scheidet in diesem Fall ein möglicher haftungsrechtlicher Anspruch gegen den Vorstand aus.28 Dann entfallen nach h. M. auch die Voraussetzungen zur Abberufung des Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S.  134 f. (m. w. N. in Fn.  362); vgl. auch Kust, WM 1980, 758 (762 ff.). 21  Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  111 ff. 22  BGH, Urt. v. 21.04.1997, II ZR 175/95 = BGHZ 135, 244 ff. = NJW 1997, 1926 ff.; Raiser, NJW 1996, 552; zur Rezeption des Urteils im Schrifttum vgl. Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  58. 23  S. etwa Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  11 („erlaubte den Einstieg in vernünftige Präzisierung der Haftungsvoraussetzungen“); Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  112 ff. sowie näher zum Urteil unten Teil 2 §  1 A. II. 2. b. 24  Insb. Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 297 ff.; vgl. dazu Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  59. 25  Verhandlungen des 63. Dt. Juristentages 2000, Bd.  I I/1, S. O 79, Beschluss III. 1; vgl. dazu Winnen, Die Innenhaftung des Vorstands nach dem UMAG, S.  37 f. 26  Zur Entstehungsgeschichte siehe statt vieler die ausführliche Darstellung bei Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S.  33 ff. 27  S. etwa Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  12; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  93 Rn.  14; Lutter, in: Ringleb u. a., DCGK, Rn.  483; ders., ZIP 2007, 841 (842 f.); Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  121, S.  126; Seibert, in: FS Priester, 763 (772). Zu dem dogmatischen Hintergrund dieses Ausschlusses unten Teil 2 §  2 A. II. 28  In diesem Sinne BT.-Drucks. 15/5092, S.  11 f.; ebenso Mertens/Cahn, KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  13: BJR „[…] sorgt dafür, dass ein negatives Ergebnis einer unternehmerischen

§  1 Untersuchungsgegenstand

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Vorstandsmitglieds aus wichtigem Grund gem. §  84 Abs.  3 S.  2 AktG sowie die Voraussetzungen zur Aufhebung eines Entlastungsbeschlusses.29 Der Regelung wurde bereits bei ihrer Kodifizierung erheblicher Diskussionsbedarf vorausgesagt,30 was sich mittlerweile bestätigt hat.31 Die Business Judgment Rule gilt auch außerhalb der AG; insbesondere für die GmbH als in Deutschland am weitesten verbreiteter Kapitalgesellschaft32 ist dies mittlerweile von der h. M. anerkannt.33

C. Unklarer Anwendungsbereich der BJR Zur Einordnung des von der BJR abzusichernden unternehmerischen Handlungsspielraums in das Tätigkeitsspektrum des Vorstands finden sich in Rechtsprechung und Literatur diverse Einschätzungen. So heißt es, ein Ermessensspielraum müsse dem Vorstand „bei der Leitung der Geschäfte […] zugebilligt werden“,34 der Vorstand träfe „Leitungsentscheidungen nach eigenem Ermessen“,35 ihm stünde „im Rahmen der Geschäftsleitung ein weitreichendes unternehmerisches Ermessen“36 oder ein „breiter unternehmerischer Ermessensspielraum bei der Ausübung seiner Leitungskompetenz“ zu,37 der auch bei „Organisations-, Planungs- und Überwachungspflichten“38 eröffnet sein soll. Die Verortung des Ermessensspielraums gestaltet sich allerdings komplexer, als diese allgemein gehaltenen Aussagen annehmen lassen. Darauf deuten vergleichsweise zurückhaltende Einschätzungen wie die von Kort hin, ein solcher

Entscheidung nicht die Haftung des Vorstands zur Folge hat, sofern nur bei der Entscheidungsfindung bestimmte Voraussetzungen und Regeln eingehalten worden sind“; Lutter, ZIP 2007, 841 (842 f.); Bayer, NJW 2014, 2546 (2547); Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, §  93 Rn.  10; Bunz, Der Konzern 2012, 444 (445); Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Großkomm-GmbHG, §  43 Rn.  110 f.; Weber-Rey/Buckel, AG 2011, 845 (848). 29  S. etwa Bachmann, in: FS Stilz, 25 (27, Fn.  15); Fleischer, ZIP 2004, 685 (688); Habersack, in: Lorenz (Hrsg.), Karlsruher Forum 2009, S.  23; krit. und weiteren Raum für den Widerruf aus wichtigem Grund sehend Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  84 Rn.  130 ff. m. w. N. 30  Etwa durch Langenbucher, DStR 2005, 2083 (2085); Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252 (254). 31  Vgl. nur die Übersicht zum Schrifttum bei Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 (Schrifttum II) oder Spindler, MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 vorne. 32  Kornblum, GmbHR 2014, 694 (694 f., Tabelle 1). 33  Dazu und zum Geltungsbereich außerhalb der AG sogleich unter Teil 1 §  4. 34  BGH, Urt. v. 21.04.1997, II ZR 175/95 = NJW 1997, 1926 (1927) („ARAG/Garmenbeck“); gleichsinnig Spindler, MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  76 Rn.  32. 35  Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  76 AktG Rn.  10; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  76 Rn.  59; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  76 Rn.  28; ähnl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  28 II 1. a). 36  Drygala/Staake/Szalai, KapitalgesellschaftsR, §  21 Rn.  2. 37  Weber, in: Hölters, AktG, §  76 Rn.  38. 38  Hölters, in: Hölters, AktG, §  93 Rn.  33.

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Teil 1: Einleitung

Spielraum bestünde zumindest „in weiten Bereichen“39 der Unternehmensleitung. Tatbestandlich ist der Anwendungsbereich von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG nach dem Wortlaut der Norm auf unternehmerische Entscheidungen beschränkt.40 Für die Selektionswirkung dieses Tatbestandsmerkmals liefern die Gesetzesmaterialien zum UMAG, Schrifttum und Rechtsprechung verschiedene Parameter.41 Bereits angesichts der Vielfalt der Ansätze bleibt es allerdings in der Praxis häufig undurchsichtig, ob ein Verhalten als unternehmerische Entscheidung im Sinne von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG einzuordnen sein soll.42 Zudem sind die dargestellten Merkmale unternehmerischer Entscheidungen teils untereinander widersprüchlich.43 Schließlich stellt sich in jüngerer Zeit wieder verstärkt die Frage, ob die BJR nur eine „Teilkodifikation unternehmerischen Ermessens“44 bzw. „unternehmerischer Entscheidungsspielräume“45 sei, bzw. ob geschützte Ermessensspielräume des Vorstands auch außerhalb der BJR bestünden und wie sich solche von der BJR unterschieden.46 Der Anwendungsbereich der Regelung wird somit uneinheitlich bewertet.47 Leidtragender dieses Zu39 

Kort, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  76 Rn.  51. Siehe statt vieler Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  173 m. w. N. 41  Ausführlich unten Teil 3 §  1. 42  So werden z. B. Risiken, Chancen, Unsicherheiten oder Prognosen als Kriterien zur Identifikation unternehmerischer Entscheidungen herangezogen, vgl. dazu ausführlich unten Teil 3 §  1 B. 43  Ausführlich dazu unten Teil 3 §  1 B. III. 44  Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  118. 45  Holle, AG 2011, 778 (785); Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  10. 46  Habersack, in: Lorenz (Hrsg.), Karlsruher Forum 2009, S.  17 f. 47  So oder ähnl. auch Bachmann, ZIP 2013, 1946 (1952) (Grenzen der BJR sind durch „Lehre und Rechtsprechung“ „weiter auszutesten“); ders., in: FS Stilz, 25 („Wiewohl in Deutschland seit Jahren kodifiziert, sind Tatbestand und Anwendungsbereich der Regel zT ungeklärt geblieben“); v. Falkenhausen, NZG 2012, 644 (647) („Es ergibt sich, dass sich die juristische Literatur mit dem Anwendungsbereich der Business Judgment Rule schwertut“); Holle, AG 2011, 778 (Tatbestandsmerkmal der unternehmerischen Entscheidung ist „noch immer nicht hinreichend konturiert“); Klöhn, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  43 Rn.  29 („Der Begriff bedarf im Einzelnen noch der Klärung“); Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  90 („Selektionskraft dieses Tatbestandsmerkmals […] ist noch Gegenstand anhaltender Diskussion“); Uwe H. Schneider, der die „noch unscharfen“ Grenzen der „Business Judgment Rule“ als eines der zentralen Probleme im Kontext der Organhaftung erachtet, zit. nach Biederbeck, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2012, 187; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  41 (Begriff der „unternehmerischen Entscheidung“ sei „schwer zu konkretisieren“, und in der Anwendung verblieben „etliche Grauzonen“ (a. a. O., Rn.  45)); Strenger, Der Konzern 2013, 429 (429 f.) („Eine Definition anhand festgelegter Kriterien existiert […] nicht, […] eine eindeutige Trennung [ist] […] oftmals nicht möglich“); weitergehend Windbichler, Gesellschaftsrecht, §  27 Rn.  33 (§  93 AktG sei „eine vielschichtige Vorschrift, die Zuordnung der einzelnen Elemente […] umstritten“); Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  55 („praktisch hochbedeutsam, aber weithin ungeklärt“ sei im Rahmen der Business Judgment Rule der unternehmerische Einschlag von Entscheidungen jedenfalls bei „Organisations-, Planungs- und Überwachungsaufgaben“); ähnl. Paschke, in: Schwerdtfeger, Fachanwaltskommentar Gesellschaftsrecht, Kap.  10 §  93 AktG Rn.  7: „Schwierig ist die Beurteilung der Vorstandstätigkeit im Bereich der aktienrechtlichen Organisations-, Planungs- und Überwachungsaufgaben“. 40 

§  1 Untersuchungsgegenstand

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stands dürfte als unmittelbarer Adressat der Regelung in erster Linie das haftungsbedrohte Vorstandsmitglied sein, welches seine organschaftlichen Aufgaben erfüllen, dazu Entscheidungen treffen muss und eine rechtssichere Basis braucht, auf der die Konsequenzen einer Maßnahme abgeschätzt werden können. Gerade eine solche sichere Basis zu schaffen, dürfte indes ein zentrales Anliegen der Neufassung von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG gewesen sein.48 Wenn aber Maßnahmen, die zur Ausdifferenzierung der Organhaftung dienen sollen, ihre Wirkung nicht oder nur eingeschränkt entfalten können, kann sich dies angesichts der Steuerungswirkung der Organhaftungsvorschriften auf das gesamte Unternehmen samt der daran beteiligten weiteren Interessengruppen – und angesichts der Bedeutung der BJR für die Unternehmensführung auf die gesamte Volkswirtschaft – negativ auswirken.49

D. Unklare Vorbedingungen der BJR Von grundlegender Bedeutung für die Frage nach dem Anwendungsbereich von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG sind die Konsequenzen, die die Norm hervorruft. Nur unter deren Einbezug kann im Zweifelsfall bestimmt werden, ob die Anwendung der BJR auf einen Sachverhalt der Vorstandstätigkeit geboten ist. Wenn sich die Konsequenzen im Anwendungsbereich von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG nicht von der Lage außerhalb der Regelung unterscheiden, wäre die Frage nach ihrem präzisen Anwendungsbereich im Tätigkeitsspektrum des Vorstands praktisch irrelevant. Allein mit dem Ausschluss eines Pflichtwidrigkeitsvorwurfs i. S. v. §  93 Abs.  2 S.  1 AktG liegt jedenfalls noch keine Privilegierung des Vorstands vor; pflichtgemäße Handlungen können grundsätzlich auch außerhalb des Anwendungsbereichs von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG vorliegen, wenn sie dem allgemeinen Sorgfaltsmaßstab von §  93 Abs.  1 S.  1 AktG genügen.50 Eine Privilegierung durch §  93 Abs.  1 S.  2 AktG würde vielmehr voraussetzen, dass die Norm die haftungsrechtliche Situation des Vorstands ceteris paribus zu seinen Gunsten modifiziert. Im Schrifttum wird die Wirkung von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG typischerweise als „sicherer Hafen“ (bzw. „safe harbour“)51 oder auch als „Haf48  In diesem Sinne etwa Bayer, NJW 2014, 2546 (2547); Bürkle, VersR 2013, 792 (796); Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 (299). 49  Siehe dazu unten Teil 2 §  1 C. II. 1. 50  Vgl. Seibert, in: FS Priester, 763 (773). 51  Baums, ZGR 2011, 218 (235 f.); Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, §  93 Rn.  10; ­Bürkle/Fecker, NZA 2007, 589 ff.; Fleischer, ZHR 168 (2004), 673 (700 f.); Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  66; Ihrig, WM 2004, 2098 (2103); Jungmann, in: FS K. Schmidt, 831 (833); Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  8, 14; Ludwig/Zeising, in: Büchel/v. Rechenberg, Hdb. des Fachanwalts – Handels- und Gesellschaftsrecht, Kap.  13 Rn.  507; Parmentier, in: Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  2 Rn.  178; Paschke, in: Schwerdt-

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Teil 1: Einleitung

tungsfreiraum“52 bezeichnet. Auch der Gesetzgeber hat sich ähnlich positioniert, indem er durch §  93 Abs.  1 S.  2 AktG einen „Entscheidungsspielraum“ für den Vorstand in Gesetzesform fassen wollte.53 Dagegen wurde und wird jedoch – in jüngerer Zeit verstärkt – angenommen, dass aus haftungsrechtlicher Perspektive innerhalb und außerhalb des Anwendungsbereichs von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG gerade kein Unterschied bestünde.54 Die Norm wäre damit wirkungslos und nicht mehr als ein „unschädliches, aber nutzloses Rechtstransplantat“, welches man ebenso gut auch wieder aus dem Gesetz herausstreichen könnte.55 Das einschlägige Meinungsspektrum reicht von der Annahme eines überflüssigen bzw. unwirksamen56 „Luftschloss[es]“57 über einen „lediglich suggestiven Charakter“58 bzw. „höchstens marginale“59 Konsequenzen der Norm bis hin zur Auffassung, §  93 Abs.  1 S.  2 AktG statuiere in der Tat den vom Gesetzgeber intendierten „Haftungsfreiraum“60 und besorge eine „beachtliche Stärkung des Beurteilungs- und Handlungsspielraums“61 des Vorstands.

§  2 Zielsetzung Vor dem Hintergrund der unter §  1 C. dargestellten Unklarheiten soll in der Arbeit die Leitung der AG als zentralem Tätigkeitsbereich des Vorstands auf die Anwendung der BJR hin untersucht werden. Zweck dieser Untersuchung ist es, die Anwendungssicherheit und damit die Funktionalität und Transparenz der organhaftungsrechtlichen Vorschriften des Aktiengesetzes zu verbessern. Insbesondere soll die Arbeit durch praktisch nützliche Resultate zur besseren Identifikation unternehmerischer Entscheidungen innerhalb des Tätigkeitsspektfeger, Fachanwaltskommentar Gesellschaftsrecht, Kap.  10 §  93 AktG Rn.  6; Rahlmeyer/Gömöry, NZG 2014, 616 (617); Schäfer, ZIP 2005, 1253 (1255). 52  Etwa von Baums, ZGR 2011, 218 (220); Bürkle/Fecker, NZA 2007, 589 ff.; Rahlmeyer/Gömöry, NZG 2014, 616 (617); Sven H. Schneider, DB 2005, 707 (712, Fazit Nr.  1). 53  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11. 54  Cahn, WM 2013, 1293 (1295): „Entgegen dem Eindruck, den man angesichts der Diskussion um diese Regel gewinnen könnte, normiert §  93 Abs.  1 Satz  2 AktG keineswegs ein Haftungsprivileg für unternehmerische Entscheidungen“; gleichsinnig v. Falkenhausen, NZG 2012, 644 (651). 55  Bachmann, ZHR 177 (2013), 1 (9). 56  Cahn, WM 2013, 1293 ff.; Druey, in: FS Goette, 57 ff. (insb. a. a. O., 70 – „Lasst uns die Business Judgment Rule vergessen!“); ähnl. Wagner, ZHR 178 (2014), 227 (259). 57  Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115 (2121). 58  Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, §  93 Rn.  29. 59  So Habersack, ZHR 177 (2013), 782 (799), der die durch die BJR gebotenen Erleichterungen auch nur für „begrenzt“ und „allenfalls marginal“ über dem allgemeinen Sorgfaltsmaßstab liegend hält. 60  BT.-Drucks. 15/5092, S.  12. 61  Paschke, in: Schwerdtfeger, Fachanwaltskommentar Gesellschaftsrecht, Kap.  10 §  93 AktG Rn.  2; gleichsinnig Bachmann, NJW-Beil. 2/2014, 43 (44).

§  3 Verfahren

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rums des Vorstands beitragen, so die Rechtssicherheit des Vorstands bei der Wahrnehmung seiner zentralen organschaftlichen Tätigkeit erhöhen und damit einen für alle beteiligten Interessengruppen nützlichen Beitrag zum Umgang mit §  93 Abs.  1 S.  2 AktG leisten. Die Leitung der AG bietet sich als in Grundzügen konturierbarer Bereich für diese Betrachtung an. Da indes das Verständnis der Funktion von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG die Grundlage jeglicher Auseinandersetzung mit dem Anwendungsbereich der Norm bildet, können Fragen nach Zweck und Anwendungsbereich der Regelung nicht isoliert voneinander beantwortet werden.62 Wie unter §  1 D. dargestellt, bestehen hier allerdings ebenfalls Unklarheiten. Daher muss für die Untersuchung des Anwendungsbereichs von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG zunächst Position hinsichtlich der Frage bezogen werden, welchen Stellenwert die Vorschrift für den Vorstand überhaupt hat. Dazu sollen zunächst der Zweck und die nach wie vor unterschiedlich bewertete funktionale Ausgestaltung der BJR ermittelt werden. Die rechtspolitische Debatte um potentiellen Reformbedarf innerhalb der aktienrechtlichen Organhaftungsregelungen kann nur gewinnbringend geführt werden, wenn Klarheit über die Konsequenzen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG und damit über den Stellenwert der Norm im Kontext der aktienrechtlichen Organhaftung besteht. Schließlich soll die Untersuchung der teleologischen und funktionalen Vorbedingungen sowie des Anwendungsbereichs der BJR auch vor diesem Hintergrund einen Beitrag zur sachgerechten Bewertung von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG leisten.

§  3 Verfahren Im Anschluss an diese Einführung werden, unter Berücksichtigung der aktuellen Debatte um die aktienrechtliche Organhaftung, im zweiten Teil die Vorbedingungen der Frage des Anwendungsbereichs von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG untersucht. Dazu wird ermittelt, welcher Zweck einen geschützten Handlungsspielraum für den Vorstand rechtfertigt. Die dabei identifizierten Motive dienen als Grundlage für die anschließende Untersuchung der konkreten Ausgestaltung der BJR sowie der sodann folgenden Untersuchung ihres Anwendungsbereichs. Insbesondere sind – unter besonderer Berücksichtigung der eingangs geschilderten Zweifel an der Wirksamkeit der BJR – die haftungsrechtlich relevanten Konsequenzen zu ermitteln, die sich aus §  93 Abs.  1 S.  2 AktG für das Verhal62  Es erscheint denn auch nur konsequent, wenn Autoren, nach deren Auffassung §  93 Abs.  1 S.  2 AktG keinerlei oder nur eine unwesentlich privilegierende Wirkung zugunsten des Vorstands entfaltet, auch keine Einwände gegen eine weite Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Vorschrift haben; so ausdrücklich etwa Cahn, WM 2013, 1293 (1295); Habersack, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  116 Rn.  39a.

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Teil 1: Einleitung

ten des Vorstands ergeben. Die Untersuchung wird dabei auf die Beantwortung der Frage gerichtet, ob sich die Bedingungen für die Annahme pflichtgemäßen Verhaltens innerhalb und außerhalb von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG unterscheiden. Diese Betrachtung wird anhand der einzelnen Tatbestandsmerkmale der Vorschrift unternommen; dazu werden die einzelnen Tatbestandsmerkmale unter Betrachtung des jeweiligen Meinungsstands näher erläutert und, wo nötig, Position zwischen den verschiedenen Auffassungen bezogen. Im dritten Teil widmet sich die Arbeit dem Anwendungsbereich von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG. Eingangs werden dazu die gängigen Bestimmungsansätze unternehmerischer Entscheidungen ermittelt. Anschließend werden sie in das praktische Aufgabenspektrum des Vorstands, wie es sich aus dem Aktiengesetz ergibt, eingeordnet. Auf diese Weise soll ein umfassendes, auch für die Praxis nützliches Anwendungsprofil von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG im Kontext der Unternehmensführung durch den Vorstand erstellt werden. Die Arbeit schließt sodann im vierten Teil mit einer Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesenform.

§  4 Geltung der Untersuchungsergebnisse über das AktG hinaus Fokus der Untersuchung ist die Geltung der Business Judgment Rule für den Vorstand der AG. §  93 Abs.  1 S.  2 AktG gilt allerdings nicht nur für den Vorstand, sondern gem. §  116 S.  1 AktG auch für den Aufsichtsrat der AG.63 Über die Aktiengesellschaft hinaus soll die BJR ausweislich der Gesetzesbegründung „in allen Formen unternehmerischer Betätigung“ Anwendung finden.64 Ausdrücklich wird etwa in §  283 Nr.  3 AktG hinsichtlich der Komplementäre der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) Bezug auf die „für den Vorstand der Aktiengesellschaft geltenden Vorschriften über […] die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit“ genommen.65 Auch für den Aufsichtsrat der KGaA soll über den Verweis in §  278 Abs.  3 AktG der Anwendungsbereich der BJR eröffnet werden.66 Ihre Geltung für Entscheidungen der GmbH-Geschäftsführung wird im Schrifttum ebenfalls ganz überwiegend bejaht67 und ihre Grundsätze 63  Dazu Cahn, WM 2013, 1293 ff.; monographisch Göppert, BJR bei unternehmerischen Entscheidungen des Aufsichtsrats, passim; hinsichtlich des unternehmerischen Ermessens aus der Zeit vor dem UMAG Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats, passim. 64  BT.-Drucks. 50/5092, S.  12; a. A. Jungmann, in: FS K. Schmidt, 831 ff. 65  Vgl. näher Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  283 Rn.  1 f.; Lutter, ZIP 2007, 841 (847); sowie den Anwendungsfall bei Cannivé/Reers, CFL 2013, 182 ff. 66  Lutter, ZIP 2007, 841 (847). 67  Fleischer, in Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  8; ders., NZG 2011, 521 ff.; Haas/Ziemons, in:

§  4 Geltung der Untersuchungsergebnisse über das AktG hinaus

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von der Rechtsprechung angewendet.68 Auch zur Anwendbarkeit auf die Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG hat sich der BGH mittlerweile positioniert.69 Nichts anderes soll nach Lehre70 und Rechtsprechung71 schließlich auch für Entscheidungen des Genossenschaftsvorstands und Organe der Stiftung72 sowie des Insolvenzverwalters73 gelten. Im Verein dürfte eine Differenzierung zwischen Idealvereinsrecht und wirtschaftlichem Verein den Weg weisen und letzterer als Anwendungsfall der BJR zu behandeln sein.74 Während die Bestimmung des Anwendungsbereichs in dieser Untersuchung ausdrücklich aus der Perspektive des AG-Vorstands vorgenommen wird und damit nicht ohne weiteres auf andere Formen geschäftsleitender Tätigkeiten zu übertragen ist, gelten die innerhalb des zweiten Teils hinsichtlich der Konsequenzen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG gewonnenen Ergebnisse aufgrund des Verweises in §  116 AktG auch für die haftungsrechtlichen Konsequenzen unternehmerischer Entscheidungen des Aufsichtsrats und für diejenigen Unternehmensformen, in denen ebenfalls auf die Anwendbarkeit der AG-spezifischen Regeln Bezug genommen wird,75 bzw. in deren Fall die BJR auch ohne ausdrückliche gesetzliche Erwähnung gelten soll.76 Spezielle Situationen wie etwa die Insolvenz, drohende Übernahmeversuche der AG oder das Spektrum kapitalmarktrechtlicher Pflichten, die an den Vorstand adressiert werden, werden nicht gesondert berücksichtigt. Gleiches gilt für Besonderheiten, die sich für Vorstände regulierter oder öffentlicher Unternehmen ergeben.

Michalski, GmbHG, §  43 Rn.  68; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  43 Rn.  23; Klöhn, in: Bork/Schäfer, GmbHG, §  43 Rn.  28; Kuntz, GmbHR 2008, 121 ff.; Lutter, in: Krieger/Schneider, Hdb. Managerhaftung, §  1 Rn.  16; ders., ZIP 2007, 841 (847 f.); Paefgen, in: Ulmer/Habersack/ Winter, Großkomm-GmbHG, §  43 Rn.  111; Uwe H. Schneider, in: Krieger/Schneider, Hdb. Managerhaftung, §  2 Rn.  17; ders., in: Scholz, ­G mbHG, §  43 Rn.  50 ff.; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  36. 68  Dies freilich noch unter der Bezeichnung als „unternehmerische Ermessensentscheidung“, siehe BGH, Beschl. v. 14.07.2008 – II ZR 202/07 = NJW 2008, 3361 ff.; desw. Paefgen, AG 2014, 554 (556, Fn.  21) und Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  43 Rn.  23 m. w. N. in Fn.  8. 69  BGH, Urt. v. 18.06. 2013 – II ZR 86/11 = DStR 2013, 2071 ff. 70  Cobe/Kling, NZG 2015, 48 ff.; Lutter, in: Krieger/Schneider, Hdb. Managerhaftung, §  1 Rn.  16 (Fn.  5 m. w. N.). 71  Lutter, ZIP 2007, 841 (848) m. w. N. 72  Dazu monographisch Gollan, Vorstandshaftung in der Stiftung, passim. 73  Berger/Frege/Nicht, NZI 2010, 321 ff.; differenziert Brandes/Schoppmeyer, in: MüKo-InsO, §  60 Rn.  90a; Weitzmann, in: HK-Insolvenzrecht, §  60 InsO Rn.  29, 32 und 38; a. A. Jungmann, NZI 2009, 80 ff. 74  Lutter, ZIP 2007, 841 (848). 75  So gem. §  283 Nr.  3 AktG in der KGaA. 76  Das betrifft vor allem die GmbH, vgl. die vorstehenden Ausführungen.

Teil 2:

Die Grundlagen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG In diesem Teil der Arbeit wird zunächst der Zweck und sodann die Ausgestaltung der Business Judgment Rule untersucht.

§  1 Bedürfnis und Zweck der BJR A. Vorüberlegungen Zur Untersuchung des Zwecks sind verschiedene Vorüberlegungen zu treffen. Zunächst sind die Rahmenbedingungen, in denen die Regelung ihre Wirkung entfaltet, zu betrachten. Sodann ist festzulegen, welche Quellen und Anknüpfungspunkte als teleologisches Fundament der BJR zu berücksichtigen sind. I. Rahmenbedingungen Die BJR entstammt dem unmittelbaren Kontext des §  93 AktG, der in Abs.  1 S.  1 die „Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder“ bei ihrer organschaftlichen Tätigkeit regelt.1 In Abs.  2 gibt die Norm haftungsrechtliche Sanktionsmöglichkeiten für Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht vor. Zen­ trale Vorschrift hinsichtlich der Tätigkeit des Vorstands ist wiederum §  76 Abs.  1 AktG, der ihm aufgibt, „unter eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten“. §  93 Abs.  1 S.  2 AktG korrespondiert mit der Leitungsaufgabe des Vorstands und dem dabei geltenden Sorgfaltsmaßstab, indem die Norm formuliert, wann eine Tätigkeit des Vorstands, die als unternehmerische Entscheidung gilt, als pflichtgemäßes Verhalten einzuordnen sein soll.2 Diesem Kontext entsprechend sind als determinierende Faktoren von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG die Tätigkeit des Vorstands in der AG und seine haftungsrechtliche Disposition auf Motive für die BJR zu untersuchen.

1  2 

Zur Sorgfaltspflicht siehe Teil 2 §  1 C. I. 2. a. aa. Zur Funktion ausführlich unten Teil 2 §  2.

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Teil 2: Die Grundlagen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG

II. Teleologisches Fundament 1. Amtliche Begründung Zur Ermittlung des Gesetzeszwecks ist zunächst an den Willen des Gesetzgebers anzuknüpfen, der sich aus der amtlichen Begründung des Gesetzes ergibt. a. Eigenständiger Gehalt In der Begründung des Regierungsentwurfs zur Neufassung von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG wird zu Anfang die im Zuge des UMAG eingeführte Verfolgungsmöglichkeit von Haftungsansprüchen durch Aktionärsminderheiten gem. §  148 AktG n. F. erwähnt: Im Hinblick auf die damit „vorgesehene Verschärfung“ der Verfolgungsmöglichkeiten haftungsrechtlich relevanten Verhaltens stelle die neu eingefügte Vorschrift „klar, […] dass eine Erfolgshaftung der Organmitglieder gegenüber der Gesellschaft ausscheidet, […] also für Fehler im Rahmen des unternehmerischen Entscheidungsspielraums nicht gehaftet wird“.3 Dies sagt allerdings mehr über den Anlass der Gesetzesnovelle aus als über den Zweck des Handlungsspielraums. Weiterhin heißt es, „[die] Vorschrift […] [soll] den Bereich unternehmerischen Handlungsspielraums ausgrenzen aus dem Tatbestand der Sorgfaltspflichtverletzung nach Satz  1“.4 Damit ist nun zwar eine Funktion der Norm, ebenfalls aber nicht der eigentliche Zweck des Ermessens- bzw. Handlungsspielraums konkretisiert. Auch die Aussage, dass „unternehmerische Entscheidung[en] nicht verrechtlicht oder (schein-) objektiviert werden“5 sollen, stellt sich im Begründungszusammenhang eher als ein Ausdruck erhoffter Konsequenzen der Neufassung von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG dar denn als deren teleologische Fundierung. Sie führt bei der Frage nach dem der Regelung zugrundeliegenden Zweck nicht weiter. Nichts anderes ergibt sich aus der auf die Folgen gerichteten Absichtserklärung, „[d]as Gesetz möchte den Mut zu unternehmerischem Risiko nicht nehmen, zugleich aber Unbesonnenheit und Leichtsinn auf Kosten der Kapitalgeber und Arbeitnehmer keinen Vorschub leisten“.6 Insgesamt weist die amtliche Begründung mithin keine eigenständigen teleologischen Erwägungen auf. b. Konsequenzen Der Mangel an selbständigen teleologischen Aussagen in der amtlichen Begründung sowie der Hinweis auf die klarstellende Funktion der Norm unterstützen 3 

BT.-Drucks. 15/5092, S.  11. BT.-Drucks. 15/5092, S.  11. 5  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11. 6  BT.-Drucks. 15/5092, S.  12. 4 

§  1 Bedürfnis und Zweck der BJR

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die Ansicht, es handele sich bei §  93 Abs.  1 S.  2 AktG lediglich um eine „Merkpostengesetzgebung“7, die in weiten Teilen als Umsetzung bereits bestehender Institute zu verstehen sei und Interpretations- bzw. Entwicklungsspielräume zugunsten der Konzepte, an die sie anknüpfen soll, offen ließe. 2. Weitere Anknüpfungspunkte Vor dem Hintergrund der offenen Interpretationsspielräume ist weiter zu bestimmen, welche Anknüpfungspunkte aus der Zeit vor Einführung von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG durch das UMAG für die Interpretation der Norm zu berücksichtigen sind. a. Geschäftsleiterermessen bzw. unternehmerisches Ermessen In der Gesetzesbegründung wird angeführt, dass der „Grundgedanke eines Geschäftsleiterermessens im Bereich unternehmerischer Entscheidungen […] nicht auf den Haftungstatbestand des §  93 AktG und nicht auf die Aktiengesellschaft beschränkt“ sei, sondern auch in „allen [anderen] Formen unternehmerischer Betätigung“ Geltung beanspruchen soll.8 Demnach knüpfte der Gesetzgeber mit dem Geschäftsleiterermessen an ein bestehendes gesellschaftsrechtliches Institut an: Der Begriff des Geschäftsleiterermessens bzw. unternehmerischen Ermessens hat, bis sich im Vorfeld des UMAG schließlich die Bezeichnung als „Business Judgment Rule“ etablierte, die Diskussion um die Ausgestaltung von Handlungsspielräumen für den Vorstand bestimmt und wird bis heute parallel dazu verwendet.9 Die sogleich zu betrachtende „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH trug maßgeblich zu seiner Entwicklung bei.10 Als Vorbild der 7  Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  77; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  9; gleichsinnig Ihrig, WM 2004, 2098 (2102). 8  BT.-Drucks. 15/5092, S.  12. 9  Vgl. etwa aus der Zeit vor dem UMAG Hefermehl/Spindler, in: MüKo-AktG (2. Aufl. 2004), §  93 Rn.  24; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S.  172; Hüffer, AktG (6. Aufl. 2004), §  93 Rn.  13a; Roth, Unternehmerisches Ermessen, passim; Semler, Leitung und Überwachung, §  4 Rn.  70 ff.; Mertens, in: KK-AktG (2. Aufl. 1996), §  76 Rn.  10 ff.; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, §  14 Rn.  13; ders., NJW 1996, 552 ff.; nunmehr etwa Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, passim; Fleischer, NZG 2011, 521 ff.; Hopt/ Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  61, 116; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, passim. Vgl. vor diesem Hintergrund auch den Vorschlag einer Rückanknüpfung an die Figur des Geschäftsleiterermessens bei gleichzeitiger Abwendung von der BJR bei Druey, in: FS Goette, 57 ff. Indessen wurde und wird der Begriff des unternehmerischen Ermessens nicht einheitlich verwendet, mitunter ist synonym die Rede von Beurteilungsspielräumen, vgl. etwa OLG Düsseldorf, Beschl. v. 09.12.2009 – 6 W 45/09 – BeckRS 2010, 00532 oder BGH, Urt. v. 08.07.2014 – II ZR 174/13 = DStR 2014, 2518 (2519), wo Handlungsermessen gegen Beurteilungsermessen abgegrenzt wird. 10  Dazu sogleich unter Teil 2 §  1 A. II. 2. b.

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Teil 2: Die Grundlagen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG

konkreten Ausformung des Geschäftsleiterermessens werden die Grundzüge der sogleich darzustellenden US-amerikanischen BJR betrachtet;11 andere Stimmen dagegen sehen darin „uralte Erkenntnisse deutscher Rechtsprechung und Rechtswissenschaft“ und keineswegs einen Import dem deutschen Aktienrecht fremder Konzepte.12 Entscheidend ist für die Interpretation von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG an dieser Stelle, dass der Gesetzgeber den „Grundgedanken eines Geschäftsleiterermessens“13 in §  93 AktG enthalten sah und mit der Einführung der Norm an das bestehende Konzept des Geschäftsleiterermessens anknüpfen wollte.14 Diese Anknüpfung des Gesetzgebers gebietet die Berücksichtigung teleologischer Erwägungen, die im Zusammenhang mit der früheren Diskussion um das Geschäftsleiterermessen bereits herausgearbeitet wurden, für die Interpretation von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG. b. „ARAG/Garmenbeck“-Rechtsprechung Weiterhin wird in der Gesetzesbegründung erklärt, die neugefasste Regelung des §  93 Abs.  1 S.  2 AktG finde „Parallelen in der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH“.15 Dazu wird auf die „ARAG/Garmenbeck“-Rechtsprechung des BGH aus dem Jahr 1997 verwiesen.16 Auch zur konkreten Interpretation von Tatbestandsmerkmalen der neugefassten BJR wird ausdrücklich „auf Ausführungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung im ARAG/Garmenbeck-Urteil Bezug genommen“.17 In der Entscheidung wurde zum einen die Pflicht des Aufsichtsrats konturiert, Schadensersatzansprüche gegenüber dem Vorstand geltend zu machen, wobei der BGH zu dem bis heute kontrovers diskutierten Schluss kam, dass dem Aufsichtsrat dabei nur in eng umrissenen Ausnahmefällen eine Möglichkeit zum Verzicht auf die Verfolgung eröffnet sei.18 Zum anderen formulierte der BGH erstmals ausdrücklich, dass dem „Vorstand für die Leitung der Geschäfte der AG ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt werden muß, ohne den unternehmerisches Handeln schlechterdings nicht 11  Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S.  1 f.; K. Schmidt, NJW 2000, 2927 (2934 f.); ders., Gesellschaftsrecht, §  28 II 4 a); Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 (297 ff.). 12  Semler, AG 2005, 321 (324); ders, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  1 Rn.  125; in diese Richtung auch Goette, in: Hdb. Corporate Governance, 713 (717, Fn.  21). 13  BT.-Drucks. 15/5092, S.  12. 14  Gleichsinnig Goette, in: Hdb. Corporate Governance, 713 (733 f.); Mertens/Cahn, in: KKAktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  12 m. w. N. in Fn.  42 und 43. 15  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11. 16  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11; BGH, Urt. v. 21.04.1997, II ZR 175/95 = NJW 1997, 1926 ff.; zum Sachverhalt und dem Instanzenzug des Urteils siehe nur Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  53 ff. 17  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11. 18  BGH, Urt. v. 21.04.1997, II ZR 175/95 = NJW 1997, 1926 ff. sowie unten Teil 2 §  1 C. 3. a. aa.

§  1 Bedürfnis und Zweck der BJR

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denkbar“ sei.19 Das Urteil wird innerhalb des Schrifttums als wesentliches Fundament des Geschäftsleiterermessens und der durch das UMAG erfolgten Neufassung von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG verstanden, und ist vor diesem Hintergrund ebenfalls zur Interpretation der Norm heranzuziehen.20 c. US-amerikanische Varianten der Business Judgment Rule Schließlich wird in der Gesetzesbegründung erklärt, die neue Fassung von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG entspreche „Vorbildern der Business Judgment Rule aus dem angelsächsischen Rechtskreis“.21 Daraus lässt sich schließen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Gründe für diese „Vorbilder“ auch den Erwägungen zu §  93 Abs.  1 S.  2 AktG entsprechen sollen und damit für die teleologische Interpretation der Norm heranzuziehen sind. Auch im Schrifttum wird mitunter von einer – wenngleich wie die Bezugnahme in der Gesetzesbegründung teils wenig konkreten – Paten- bzw. Vorbildfunktion der US-amerikanischen Regelung ausgegangen.22 Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass die Regelung des §  93 Abs.  1 S.  2 AktG bereits aufgrund der Bezugnahmen des UMAG-Gesetzgebers auf die „ARAG/Garmenbeck“-Rechtsprechung und die darin entwickelten Grundsätze nicht vereinfachend als Import eines Rechtsinstituts bezeichnet werden kann. Angesichts der verschiedenen strukturellen Konzeption liegt es zudem nahe, dass sich im Hinblick auf die Interpretation von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG der US-amerikanischen BJR zwar Grundgedanken entnehmen, aber keine konkreten Detailvorgaben gewinnen lassen.23 So unterscheidet sich schon die Beweislastverteilung hinsichtlich der Voraussetzungen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG grundlegend von der US-amerikanischen BJR – während die Beweislast im deutschen Aktienrecht im Wesentlichen bei dem Vorstandsmitglied liegt, 19 

BGH, Urt. v. 21.04.1997, II ZR 175/95 = NJW 1997, 1926 (Leitsatz 2). Siehe etwa Fleischer, ZIP 2004, 685 (686 f.); ders., in: Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  13; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  9, 11; Paefgen, AG 2014, 554; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  112 ff.; Semler, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  1 Rn.  124; Wendler, Justiziabilität ökonomischer Ermessensentscheidungen, S.  260. 21  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11. 22  So bzw. gleichsinnig Arnold, Steuerung des Vorstandshandelns, S.  172 f.; Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  38 Rn.  1523; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  9; Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  14; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  54, Fn.  123 m. w. N.; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  37; Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 (297 f.); Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S.  90 ff.; vgl. auch Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  36 f. mit Hinweis auf frühe Quellen der englischen Rechtsprechung; insgesamt weitergehend Wendler, Justiziabilität ökonomischer Ermessensentscheidungen, S.  257 („weitestgehend identische Transformation“). 23  Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  37; ähnl. Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  9; weitergehend scheinbar Horn, ZIP 1997, 1129 (1134). 20 

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Teil 2: Die Grundlagen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG

stellt die US-amerikanische Regelung eine Vermutung rechtmäßigen Vorstandshandelns dar.24 Ebenso bestehen prozessuale Unterschiede, etwa hinsichtlich der Möglichkeit einer Geltendmachung durch die Aktionäre.25 Die US-amerikanische BJR ist insbesondere auch nicht ausdrücklich geregelt, sondern besteht aus richterrechtlichen Grundsätzen, die „von Fall zu Fall“26 entwickelt wurden.27 Zudem hat sie aufgrund des Umstands, dass die Legislativkompetenz für das Gesellschaftsrecht in den USA den Bundesstaaten zugeordnet ist, verschiedene Ausprägungen erfahren,28 wobei sich die bestehenden Unterschiede freilich aufgrund der hinsichtlich des Gesellschaftsrechts dominanten und maßgeblichen Stellung des Staates Delaware entschärfen.29 Der Delaware Supreme Court beschrieb die BJR wie folgt: „It is a presumption that in making a business decision the directors of a corporation acted on an informed basis, in good faith and in the honest belief that the action taken was in the best interests of the company“.30 Versuche der Vereinheitlichung dieser althergebrachten31 Grundsätze wurden etwa durch das American Law Institute32 oder die American Bar Association33 unternommen. Das American Law Institute34 formulierte in den von ihm herausgegebenen Principles of Corporate Governance die BJR in §  4.01(c): „A director or officer who makes a business judgment in good faith fulfils the duty under this section if the director or officer: (1) is not interested in 24  Siehe dazu statt vieler Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  203 ff.; vgl. zur dt. Regelung Teil 2 §  1 C. I. 2. d. 25  Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  37. 26  Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S.  38 f. 27  Brömmelmeyer, WM 2005, 2065; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S.  38 f.; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S.  91; vgl. auch Allen/Kraakman/Subramanian, Law of Business Organization, S.  227. 28  Allen/Kraakman/Subramanian, Law of Business Organization, S.  227; Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  41. 29  Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  4 4; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S.  37 f.; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  56 f. 30  So etwa in Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805, 812 (1984); Smith v. van Gorkom, 488, A.2d 858, 872 (1985) m. w. N. 31  Erste Entwicklungen der BJR lassen sich in der US-amerikanischen Rechtsprechung bis zur Entscheidung Percy v. Millaudon ins Jahr 1829 zurückverfolgen, siehe die Nachweise bei Arsht, HLR 8 (1979), 93 (93, Fn.  1); Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  38 ff.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S.  19 f.; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  62 f.; vgl. auch wiederum die Nachweise bei Bunz a. a. O., S.  36 f. zu Wurzeln der BJR in der englischen Rechtsprechung des 18. und 19. Jahrhunderts. 32  Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  41 f. 33  ABA, Corporate Director’s Guidebook, S.  25 f.; Allen/Kraakman/Subramanian, Law of Business Organization, S.  231; Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  42 f. 34  Zur Variante der American Bar Association vgl. ABA, Corporate Directors’s Guidebook, S.  25 f.; Allen/Kraakman/Subramanian, Law of Business Organization, S.  231.

§  1 Bedürfnis und Zweck der BJR

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the subject of the business judgment; (2) is informed with respect to the subject of the business judgment to the extent the director or officer reasonably believes to be appropriate under the circumstances; and (3) rationally believes that the business judgment is in the best interests of the corporation“.35 Die Wirkung dieser Ansätze zur Vereinheitlichung blieb jedoch gering.36 Die Funktion der Regelung ist – mit den Worten von Allen, Kraakman und Subramanian – „to convert the question ,Was the standard of care breached?‘ into the related, but different questions of whether the directors were truly dis­ interested and independent and whether their actions were not so extreme, unconsidered, or inexplicable as not to be an exercise of good-faith judgment“.37 Zusammengefasst wird damit die Frage nach der Einhaltung des von den Directors zu beachtenden Sorgfaltsmaßstabs einerseits in die Frage gewendet, ob die Handlungen des Vorstands unabhängig und ohne Sonderinteressen vorgenommen wurden. Andererseits wird überprüft, ob der Vorstand nicht völlig unüberlegte und abwegige Entscheidungen getroffen hat, die nicht mehr als Handlungen in gutem Glauben betrachtet werden können. 3. Zusammenfassung Die Konzeption der „Business Judgment Rule“ innerhalb des US-amerikanischen Rechts, die Rechtsprechung des BGH im „ARAG/Garmenbeck“-Urteil sowie der „Grundgedanke eines Geschäftsleiterermessens“ aus dem deutschen Recht sind neben der amtlichen Gesetzesbegründung zur Ermittlung des Zwecks von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG heranzuziehen.

B. Tätigkeit des Vorstands Die identifizierten Rahmenbedingungen der Vorstandstätigkeit werden nun unter Einbezug des ermittelten teleologischen Fundaments auf die Regelungsanliegen der BJR hin untersucht. I. Stellung und Aufgaben in der AG 1. Eigenverantwortliche Leitung Zentrale Aufgabe des Vorstands in der AG ist es gem. §  76 Abs.  1 AktG, „unter eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten“. Der Vorstand ist danach be35 

Eisenberg, TBL 48 (1993), 1271 (1281). Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  43. 37  Allen/Kraakman/Subramanian, Law of Business Organization, S.  231; vgl. dazu im Einzelnen vorläufig nur Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S.  151 ff.; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  64 ff. 36 

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Teil 2: Die Grundlagen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG

rechtigt und verpflichtet,38 als zentrales „Initiativorgan“39 bzw. „Entscheidungsund Handlungszentrum“40 innerhalb der AG wesentliche Funktionen eines unternehmerisch handelnden Akteurs wahrzunehmen.41 Er wird dabei im Sinne einer „Prinzipal-Agenten-Beziehung“ in der Rolle eines Agenten (Vertreters) für die Aktionäre der AG als Prinzipale (Geschäftsherren) tätig.42 Dabei steht er der Hauptversammlung und dem Aufsichtsrat, der ihn gem. §  111 Abs.  1 AktG bei dieser Tätigkeit überwacht,43 nicht untergeordnet bzw. weisungsunterworfen, sondern gleichrangig gegenüber.44 Er vertritt die AG gem. §  78 Abs.  1 S.  1 AktG gerichtlich und außergerichtlich.45 Diese Befugnis ist gem. §  82 Abs.  1 AktG grundsätzlich unbeschränkt.46 Der Vorstand darf sich gem. §  111 Abs.  4 S.  1 AktG der ihm obliegenden Aufgaben nicht durch eine Abgabe an den Aufsichtsrat entledigen. Dieser wiederum hat sich vor allem auf die Überwachung der Geschäftsführung durch den Vorstand und dessen Bestellung zu beschränken.47 Seitens des Aufsichtsrats können allerdings gem. §  82 Abs.  2 i. V. m. §  111 Abs.  4 S.  2 AktG Zustimmungserfordernisse für bestimmte Arten von Geschäften vorgesehen werden.48 38  Zur Leitungsaufgabe als „Rechtspflicht“ und „Pflichtrecht“ Fleischer, ZIP 2003, 1 (2); vgl. auch Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  66; Semler, Leitung und Überwachung, §  1 Rn.  2; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  76 Rn.  14, 18 (Fn.  61 m. w. N.). 39  Fleischer, ZIP 2003, 1 (2); Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S.  169 f.; Semler, Leitung und Überwachung, §  5 Rn.  85. 40  Fleischer, ZIP 2003, 1 (2); Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  76 Rn.  2. 41  Dauner-Lieb, in: FS Röhricht, 83 (86); Fleischer, ZIP 2003, 1 (2 f.); Goette, in: Hdb. Corporate Governance, 713 (721); ders., in: FS 50 Jahre BGH, 123 (125); Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S.  169 f.; Seibt, in: FS K. Schmidt, 1463 (1467); differenzierter Drygala, ZRP 2012, 161 (162). 42  Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (228 f.); Drygala/Staake/Szalai, KapitalgesellschaftsR, §  21 Rn.  5 f.; Habermeier, in: Staudinger/Eckpfeiler, S.  1151 f.; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  1 Rn.  21; vgl. auch Arnold, Steuerung des Vorstandshandelns, S.  13 ff.; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S.  646 f. 43  Vgl. zur Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats statt vieler Semler, Leitung und Überwachung, §  5 Rn.  85 ff. 44  Prägnant Pentz, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  16 Rn.  4 („drei nebeneinanderstehende Säulen“); desw. Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (228 f.); Drygala/Staake/Szalai, KapitalgesellschaftsR, §  21 Rn.  1 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  28 IV 1. a); Semler, NZG 2013, 771; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  76 Rn.  22 und a. a. O., §  82 Rn.  31. Klassisches Gegenteil ist insofern die Situation zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführern in der GmbH, vgl. nur Zöllner/ Noack, in: Baumbach/Hueck; GmbHG, §  37 Rn.  20 f. 45  Zur Vertretung grundlegend Peltzer, JuS 2003, 348 ff. (insb. 351 f.). 46  Näher etwa Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  82 Rn.  2 ff.; Mertens/Cahn, in: KKAktG (3. Aufl. 2010), §  82 Rn.  5 ff. 47  Semler, NZG 2013, 771 (772 ff.); Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  76 Rn.  21 f. 48  Pentz, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  16 Rn.  113 ff. Der exakte Verlauf dieser Grenzen birgt freilich Diskussionsstoff, siehe nur Fleischer, BB 2013, 835 ff. und korrespondierend Thiessen, AG 2013, 573 ff. Insbesondere darf die Satzung den Aufsichtsrat „nicht zum Geschäftsführungsorgan aufwerten“. Unzulässig sei deshalb eine Regelung, mit der der Aufsichtsrat „geradezu das operative Geschäft übernimmt“, siehe Thiessen, a. a. O., 573 (581).

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Eine Beteiligung der Hauptversammlung an Fragen der Geschäftsführung über ihre in §  119 Abs.  1 AktG benannten und des Weiteren gesetzlich vorgegebenen Zuständigkeiten hinaus kommt gem. §  119 Abs.  2 AktG nur auf Verlangen des Vorstands hin sowie in besonderen Entscheidungssituationen von fundamentaler Tragweite in Betracht.49 2. Vorgaben für die Leitung Im Innenverhältnis ergeben sich Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis aus §  82 Abs.  2 AktG. Demnach sind zunächst Vorgaben der Satzung, vor allem der Gesellschaftszweck und der Unternehmensgegenstand, einzuhalten.50 Der Gesellschaftszweck bildet den „finalen Sinn des Zusammenschlusses“ des Unternehmens, und ist – sofern nicht anders geregelt – üblicherweise erwerbswirtschaftlich geprägt und damit grundsätzlich auf Gewinnerzielung gerichtet.51 In diesem Fall ist der Gesellschaftszweck nicht zwangsläufig in der Satzung festzulegen.52 Bei einer Änderung auf nicht oder lediglich noch teilweise auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeiten ist eine konkrete Festlegung nötig.53 Zudem ist gem. §  23 Abs.  3 Nr.  2 AktG der Unternehmensgegenstand in die Satzung aufzunehmen.54 Er ist konkreter gefasst als der Gesellschaftszweck und gibt dem Vorstand durch die Festlegung einer Branche oder eines Geschäftsmodells den Weg vor, auf dem der Gesellschaftszweck zu verfolgen ist.55 Nach h. M. hat der Vorstand bei seiner Tätigkeit die Interessen der Aktionäre des Unternehmens, dessen Belegschaft und die Belange weiterer beteiligter Interessenpositionen, einschließlich des – freilich mitunter schwer zu fassenden – Gemeinwohls zu berücksichtigen.56 Einer anderen Auffassung zufolge soll dagegen allein das Interesse der Aktionäre die Richtschnur des Vorstandshan49  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  119 Rn.  16 ff.; Kort, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  76 Rn.  44; Langenbucher, Aktien- und KapitalmarktR, §  6 Rn.  43 ff.; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  95; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  76 Rn.  21; Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Haftung, §  4 Rn.  273 ff. Maßnahmen, die einem solchen Genehmigungsvorbehalt unterfallen, sind gem. §  177 BGB schwebend unwirksam, sofern sie vom Vorstand ohne eine Genehmigung durch das jeweils zu beteiligende Organ durchgeführt wurden, siehe Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  78 Rn.  9. 50  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  82 Rn.  9 f. 51  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  23 Rn.  22. 52  Mertens/Cahn, KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  82 Rn.  20 m. w. N. 53  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  23 Rn.  22. 54  Vgl. zum Unternehmensgegenstand K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  4 II 3. b). 55  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  23 Rn.  22; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  66 ff. mit Beispielen; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  4 II 3. a) ff. 56  Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  76 AktG Rn.  2 , 10; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  76 Rn.  26 und 30; Mertens/Cahn, KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  76 Rn.  15; Oltmanns, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  76 AktG Rn.  8; vgl. auch die Gesetzesbegründung zu §  76 AktG: „Dass der Vorstand bei seinen Maßnahmen die Belange der Aktionäre

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delns bilden und sich in einer „Orientierung am idR erwerbswirtschaftlichen Zweck der AG als einheitlichem Richtpunkt gemeinsamer Mitgliederinteressen“ konkretisieren.57 Ein vermittelnder Ansatz will schließlich die Interessen der Aktionäre zwar als vorrangig betrachtet wissen, zugleich aber die Einbeziehung der anderen Interessengruppen in die jeweilige Perspektive und damit eine Abwägung zwischen den verschiedenen Positionen zulassen.58 II. Resultierende Konflikte und Regelungsanliegen der BJR Vor dem Hintergrund des Leitungsauftrags aus §  76 Abs.  1 AktG ist es notwendig, als Korrelat zum eigenverantwortlichen Handeln auch einen Entscheidungsfreiraum für den Vorstand zu gewähren.59 Dieser Aspekt scheint in der Debatte um §  93 Abs.  1 S.  2 AktG zuweilen in den Hintergrund gerückt, was sich an teleologischen Betrachtungen zeigt, die dieses Motiv außer Acht lassen oder nur am Rande zu behandeln scheinen.60 Das widerspricht aber seiner Tragweite. Vielmehr rechtfertigen die Organstrukturen der Aktiengesellschaft das Bedürfnis nach einem haftungsfreien Handlungsspielraum, wie der BGH bereits in der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung zum Ausdruck brachte: „Die unternehmerische Handlungsfreiheit ist Teil und notwendiges Gegenstück der dem Vorstand […] obliegenden Führungsaufgabe“.61 Das betrifft insbesondere die Absicherung der Vorstandskompetenzen gegenüber dem Aufsichtsrat.62 Zuund der Arbeitnehmer zu berücksichtigen hat, versteht sich von selbst und braucht deshalb nicht ausdrücklich im Gesetz bestimmt zu werden“, Begründung RegE, in: Kropff, §  76 AktG, S.  97. 57  Formulierung von Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  76 Rn.  29; in diesem Sinne etwa Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S.  39 ff.; ders., in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Großkomm-GmbHG, §  43 Rn.  45 f.; Vedder, in: Grigoleit, AktG, §  76 Rn.  14 ff. 58  Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  76 AktG Rn.  11 m. w. N. („moderater Shareholder-Value-Ansatz“); Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  76 Rn.  36 ff.; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  76 Rn.  23; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  76 Rn.  74 f.; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S.  235 ff. 59  So bzw. gleichsinnig Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  1 Rn.  50; Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  1 Rn.  24 („korrespondiert“); Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  76 Rn.  28; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S.  168 f. („Eigenverantwortlichkeit ist die unabdingbare Voraussetzung unternehmerischer Gestaltungsfreiheit“, a. a. O., S.  168); Kort, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  76 Rn.  41; Langenbucher, DStR 2005, 2083 (2085); Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  93 ff.; ähnl. Oltmanns, in: Heidel, Ak­ tien- und Kapitalmarktrecht, §  76 AktG Rn.  7 f. („[eigene] Verantwortung bedeutet nach sachgemäßem unternehmerischen Ermessen“). 60  So etwa v. Falkenhausen, NZG 2012, 644 (645 f.); Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281 (2282 ff.); Sven H. Schneider, DB 2005, 707 (708 f.). 61  BGH, Urt. v. 21.04.1997, II ZR 175/95 = BGHZ 135, 244 (254) = NJW 1997, 1926 (1928); Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  93 ff.; Schnieders, Haftungsfreiräume in Deutschland und Italien, S.  38 ff. 62  Schnieders, Haftungsfreiräume in Deutschland und Italien, S.  38 f.

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dem ist dies dahingehend zu verstehen, dass dem Vorstand aufgegeben wird, im Rahmen seiner Leitungsaufgabe potentiell voneinander abweichende Interessen selbständig zu gewichten.63 Dazu kann es erforderlich sein, eine Entscheidung zu treffen, die den Partikularinteressen einzelner (Teil-) Interessengruppen entgegensteht. In diesem Sinne hat das OLG Frankfurt im Jahre 2011 entschieden, dass der „unternehmerische Ermessensspielraum des Vorstands […] ein Handeln gegen die Interessen eines Aktionärs“ erlaube, wobei ihm auch der Schutz der BJR zukomme.64 Die Klägerin hatte erfolglos Schadenersatz gefordert, weil der Vorstand nach ihrer Ansicht mit einer Entscheidung gegen die Interessen des Hauptaktionärs verstoßen habe.65 Das Urteil untermauert die Auffassung, dass eine Gewichtung der Interessen und damit die selbständige Entscheidungsfreiheit des Vorstands im Sinne der Leitungsautonomie durch die BJR geschützt werden soll.66 Solchermaßen verstanden, dient die BJR auch der Absicherung der Leitungsautonomie des Vorstands gegen eine mögliche „Shareholder Primacy“ i. S. einer kategorischen Bevorzugung von Aktionärsinteressen, die teilweise auch innerhalb des deutschen Schrifttums als Leitlinie der Vorstandstätigkeit und damit auch als Ansatzpunkt der BJR verstanden wird.67 Auch im Schrifttum und in der Rechtsprechung wird die US-amerikanische BJR mitunter als Abwehrmittel der Unternehmensverwaltung gegenüber der Durchsetzung von Partikularinteressen insbesondere der Anteilseigner verstanden, die untereinander gewichtet werden müssen.68 Auf das Corporate Governance-Modell der deutschen AG angewandt, bedeutet diese Begründung nichts anderes als eine durch die BJR institutionalisierte Absicherung souveräner Leitungs63  Goette, in: Hdb. Corporate Governance, 713 (722 f.); Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  76 Rn.  33; Oltmanns, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  76 AktG Rn.  8; Parmentier, in: Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  2 Rn.  193; in diesem Sinne wohl auch K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  28 II 1. a): „Die Konkretisierung hat sich im einzel- wie im gesamtwirtschaftlichen Bereich, nicht zuletzt wohl auch durch politische Entscheidungen in den Gremien des individuellen Unternehmens zu vollziehen“. 64  OLG Frankfurt, Urt. v. 17.08.2011 – 13 U 100/10 = AG 2011, 918 ff. (insb. dort Leitsatz 1); prägnant auch bereits Roth, Unternehmerisches Ermessen, S.  11 („Gerade der Schutz des Handlungsspielraums der Gesellschaft erfordert einen Beurteilungsspielraum des Vorstands“) bzw. a. a. O., S.  23 ff. 65  OLG Frankfurt, Urt. v. 17.08.2011 – 13 U 100/10 = AG 2011, 918 (dort Tatbestand). 66  Ebenso Kort, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  76 Rn.  65 f. 67  So ausdrücklich etwa Klöhn: „Grund und Grenze“ der BJR liege in der Verfolgung des „Shareholder Value“-Prinzips durch den Vorstand, vgl. Klöhn, in: KK-WpHG, §  15 WpHG Rn.  220; ders., ZHR 178 (2014), 55 (86 f.). Dies widerspricht aber der nach h. M. „interessenplural“ angelegten Zielkonzeption von §  76 AktG, vgl. oben Teil 2 §  1 B. I. 2. 68  „Die BJR hat sich […] in den USA zu einem Bollwerk gegen Aktionärsklagen entwickelt; darin liegt dort wohl sogar ihre Hauptfunktion“, Bezzenberger/Bezzenberger, in: Großkomm-AktG (4. Aufl., Stand 01.01.2008), §  148 Rn.  63; Stout, Shareholder Value Myth, S.  29 ff. mit Beispielen aus der US-amerikanischen Rechtsprechung; früher hinsichtlich des unternehmerischen Ermessens bereits Roth, Unternehmerisches Ermessen, S.  23 ff.

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und Entscheidungsautonomie des Vorstands.69 Insgesamt schützt damit die BJR „das Recht der Gesellschaft zu autonomer Willensbildung“ durch den Vorstand.70 Damit sind insbesondere auch Gerichte als außerhalb der AG stehende Akteure adressiert.71 In diesem Zusammenhang wird als Grund für den Entzug der Vorstandstätigkeit aus richterlicher Kontrolle durch die BJR auch vorgebracht, Richtern mangele es an Sachkenntnis zur korrekten Beurteilung betriebswirtschaftlicher Zusammenhänge.72 Diese Begründung der BJR stammt vor allem aus den USA.73 Anschaulich wurde etwa in der Entscheidung Kamin v. American Express formuliert: „Courts have more than enough to do in adjudicating legal rights and devising remedies for wrongs. The directors’ room rather than the courtroom is the appropriate forum for thrashing out purely business questions which will have an impact on profits, market prices, competitive situations, or tax advantages“.74 Die BJR führt, so Paefgen, diesen Grundsatz in Deutschland „konsequent zu Ende“.75 Das Argument der Sachnähe des Vorstands gegenüber dem Richter bei wirtschaftlichen bzw. unternehmensbezogenen Entscheidungen stützt insofern die Absicht, die eigenverantwortliche Leitungsmacht des Vorstands zu stärken. Zweck der Regelung ist es damit auch und gerade, zu vermeiden, dass „Managerermessen durch Richterermessen ersetzt wird“.76 69  Vgl. Stout, Shareholder Value Myth, S.  31: „The business judgment rule […] allows directors […] to enjoy a remarkably wide range of autonomy in deciding what to do with the corporation’s earnings and assets“; hinsichtlich des unternehmerischen Ermessens bereits früher Roth, Unternehmerisches Ermessen, S.  23 ff. 70  Schnieders, Haftungsfreiräume in Deutschland und Italien, S.  39. 71  Schnieders, Haftungsfreiräume in Deutschland und Italien, S.  40 f.; vgl. auch hier bereits Roth, Unternehmerisches Ermessen, S.  29. 72  Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  16 f.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S.  22; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  46; Thümmel, DB 2004, 471 (472); Wagner, ZHR 178 (2014), 227 (258): „Im Kontext der Geschäftsleiterhaftung steht die Fähigkeit der Gerichte im Zweifel, betriebswirtschaftliche Entscheidungen zu beurteilen und dabei besser abzuschneiden als diejenigen Akteure, die für solche Entscheidungen ausgebildet sind und über entsprechende praktische Erfahrungen verfügen“; anders aber Parmentier, in: Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  2 Rn.  207, die in dieser Argumentation eher eine „im Wirtschaftsrecht mitunter wohlfeile Justizschelte“ sieht. 73  Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S.  22 (siehe insb. dort Fn.  43) und Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  46, Fn.  91 jeweils m. w. N. aus der Rechtsprechung. 74  Howard P. Kamin v. American Express Company, 86 Misc.2d 809, 812 f. (1976); Allen/ Kraakman/Subramanian, Law of Business Organization, S.  229. 75  Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S.  176 f. 76  So prägnant Thümmel, DB 2004, 471 (472); gleichsinnig Müller, in: Liber Amicorum Happ, 179 (181): „Ein Richter kann sinnvollerweise nur Grenzüberschreitungen der den Unterneh­mens­ organen eingeräumten Leitungsmacht feststellen; eine ,Ersatzvornahme‘ kann und darf ihm nicht obliegen“; ebenso Braun, Einführung in die Rechtswissenschaft, S.  125: „Der Jurist tendiert in

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C. Haftung des Vorstands I. Das aktienrechtliche Haftungsregime Das Gesamtbild der Organhaftung setzt sich hinsichtlich des Vorstands aus verschiedenen Anspruchsgrundlagen, namentlich Außen- und Innenhaftungsansprüchen, zusammen.77 Die Außenhaftung bezeichnet gegen den Vorstand gerichtete Ansprüche außerhalb des Unternehmens stehender Dritter.78 Allerdings werden im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht nach dem sogenannten Grundsatz der Haftungskonzentration Ansprüche vom Geschäftsleiter – im Falle der Aktiengesellschaft also vom Vorstand – weg und auf das Unternehmen hin „konzentriert“.79 Demnach bildet die Außenhaftung den Ausnahmefall im Haftungssystem der Aktiengesellschaft; sie findet im Aktiengesetz auch keine ausdrückliche Regelung.80 Vielmehr steht die Innenhaftung gegenüber dem eigenen Unternehmen im Zentrum der Verantwortlichkeit des Vorstands, was auch durch ihre rechtstatsächlich ganz überwiegende Bedeutung unterstrichen wird.81 Seit der Schaffung der AG als Unternehmensform des deutschen Rechts hielten das Handelsrecht und später das selbständige Aktienrecht Möglichkeiten für das Unternehmen bereit, auf die Initiative des Aufsichtsrats hin Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand geltend zu machen.82 Mittlerweile bildet §  93 der Regel dahin, an die Allmacht rechtlicher Normen zu glauben und die Eigengesetzlichkeit der Wirtschaft zu unterschätzen. […] Wo Juristen das Sagen haben, besteht daher leicht die Tendenz, daß das Verhalten der Wirtschaftssubjekte diszipliniert und die Wirtschaft unter die Herrschaft des Rechts subsumiert wird.“ 77  Siehe nur Rahmann/Ramm, GWR 2013, 435. 78  Siehe nur Rahmann/Ramm, GWR 2013, 435. 79  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  11 Rn.  1; Haas/Ziemons, in: Michalski, ­G mbHG, §  43 Rn.  173; Steffek, JuS 2010, 295 (296); rechtsvergleichend Fleischer, ZGR 2004, 437 (440 ff.) (Grundsatz der Haftungskonzentration „Strukturprinzip des europäischen Gesellschaftsrechts“, ders., a. a. O. (443)). 80  Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  307 f.; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, §  43 Rn.  283 f. Zur Außenhaftung und div. Fallgruppen vgl. Ritter, in: MAH-Aktienrecht, §  24 Rn.  47 ff.; Spindler, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  13 passim; Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Haftung, §  3 Rn.  2. 81  Bank, in: Patzina/Bank/Schimmer/Simon-Widmann, Haftung von Unternehmensorganen, Kap.  6 Rn.  1; vgl. auch die Hinweise in der Einleitung, oben Teil 1 §  1 A. 82  So fand sich ursprünglich eine entsprechende Anspruchsgrundlage in Art.  241 Abs.  2 des ADHGB von 1861, die im Zuge der Aktienrechtsreform 1884 durch die Aufnahme des Sorgfaltsmaßstabes „eines ordentlichen Geschäftsmanns“ sowie durch Rechte der Generalversammlung bzw. Rechte einer Minderheit der Anteilseigner zur Verfolgung von Ansprüchen in Art.  223 ADHGB ergänzt wurde, siehe dazu Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  7; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  7. Im Zuge der Kodifikation des deutschen Aktienrechts im Aktiengesetz von 1937 wurde die bereits in Art.  241 HGB vorhandene Anspruchsgrundlage unter Ergänzung des Verschuldensgrundsatzes und eines – als Äquivalent zur nunmehr festgeschrieben eigenverantwortlichen Leitungsmacht – schärferen Haftungsmaßstabes in die damalige Fassung des §  84 AktG übertragen; vgl. Baumbach, AktG, §  84 Nr.  1; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl.

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AktG neben diversen anderen, praktisch allerdings weniger relevanten Haftungstatbeständen,83 den Dreh- und Angelpunkt der aktienrechtlichen Organhaftung.84 Hinsichtlich der Ermittlung des Zwecks der BJR stellt sich zunächst die Frage nach der Ausgestaltung und weiteren Rahmenbedingungen der Innenhaftung, sodann nach resultierenden Konflikten, an die die BJR anknüpfen soll. 1. Grundlagen und Zweck der Innenhaftung §  93 Abs.  2 S.  1 AktG definiert die Voraussetzungen der organschaftlichen Innenhaftung und bildet eine selbständige Anspruchsgrundlage.85 Die Organhaftung dient durch den Ausgleich potentieller Schäden dem Schutz des Unternehmensvermögens und wirkt mithin kompensatorisch.86 Als weiterer Zweck wird die Ermahnung des Vorstands zur ordentlichen Wahrnehmung seiner Aufgaben durch den drohenden persönlichen Haftungsanspruch betrachtet, womit die Innenhaftung auch präventiv wirkt.87 Schließlich wird ihr durch den im Rahmen der Tatbestände aus §  93 Abs.  3 AktG bedienten Schutz des Gesellschaftsvermögens auch eine gläubigerschützende Wirkung zuerkannt.88

2014), §  93 Rn.  7, ders., AG 2013, 889 (890); Weipert, in: Großkomm-AktG (1. Aufl. 1939), §  84 Anm.  1, 9. Schließlich wurde §  84 AktG in der Fassung von 1937 durch die Aktienrechtsreform 1965 in die neugefasste Version von §  93 AktG übertragen; s. abermals Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  7. 83  Nach Krieger, in: Lutter/Krieger, Hdb. Managerhaftung, §  3 Rn.  3, etwa §  117 Abs.  1, Abs.  2 S.  1 AktG und §§  309 Abs.  2, 310 Abs.  1, 317 Abs.  3, 318 Abs.  1, 2 AktG. 84  Fleischer, in Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  1. Dies gilt insbesondere, da die in §  93 Abs.  2 S.  1 AktG enthaltene Anspruchsgrundlage sowie die in §  93 Abs.  1 S.  1 AktG normierten Verhaltensmaßstäbe nicht nur für den Vorstand selbst gelten, sondern gem. §  116 S.  1 AktG auch für Mitglieder des Aufsichtsrats, vgl. dazu Habersack, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  116 Rn.  67; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  5 Rn.  88 ff.; allgemeiner zur Haftung des Aufsichtsrats vgl. Rother, NJ 2012, 14 ff. 85  Unstr., siehe etwa Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  36; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  143. 86  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  11 Rn.  4; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  1; Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  6; Wagner, ZHR 178 (2014), 227 (251); krit. Bayer/Scholz, NZG 2014, 926 (928). 87  Bayer, NJW 2014, 2546 (2547); Goette, FS 50 Jahre BGH, S.  123 (124 f. („fleet in being“) und 139); Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  6; Wagner, ZHR 178 (2014), 227 (251 f., Fn.  105 m. w. N.). 88  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  11 Rn.  4.

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2. Tatbestandliche Voraussetzungen Voraussetzung einer Schadensersatzpflicht ist gem. §  93 Abs.  2 S.  1 AktG ein der Gesellschaft entstandener, kausal auf einer schuldhaften Pflichtverletzung des Organmitglieds beruhender Schaden.89 a. Pflichtverletzung Der Vorstand muss, damit ein Anspruch aus §  93 Abs.  2 S.  1 AktG gegen ihn gerichtet werden kann, eine Pflicht verletzt haben, deren Wahrnehmung ihm gegenüber dem Unternehmen obliegt. Das können sämtliche Pflichten sein, an deren Erfüllung der Vorstand gegenüber dem Unternehmen gebunden ist.90 aa. Sorgfaltspflicht Dem Vorstand obliegt die Einhaltung einer allgemeinen Sorgfaltspflicht, die sich aus §  93 Abs.  1 S.  1 AktG ergibt. Nach h. M. umfasst §  93 Abs.  1 S.  1 AktG für den Vorstand neben der Sorgfaltspflicht auch einen Verschuldensmaßstab, weshalb regelmäßig von einer Doppelfunktion der Vorschrift die Rede ist.91 aaa. Allgemeiner Maßstab Zunächst ist der Verhaltens- und Verschuldensmaßstab näher zu betrachten. Die Norm bindet den Vorstand an die Anwendung der Sorgfalt „eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ und legt damit einen objektiven Maßstab für die notwendige Sorgfalt fest, zu deren Anwendung der Vorstand bei seiner Arbeit verpflichtet ist.92 Als „ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter“ muss der Vorstand sein Verhalten im Einzelfall abhängig von der Lage und Struktur des Unternehmens daran ausrichten, wie sich ein „pflichtbewußter selbständig tätiger Leiter eines Unternehmens, […] der nicht mit eigenen Mit89  Siehe zu den Voraussetzungen Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  176 ff.; Krieger/ Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, AktG §  93 Rn.  31 ff.; Spindler, in: MüKo-AktG, (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  145 ff. 90  Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  145. 91  OLG Frankfurt, Urt. v. 17.08.2011 – 13 U 100/10 = AG 2011, 918 ff. (vgl. dort Rn.  22); Drygala/Staake/Szalai, KapitalgesellschaftsR, §  21 Rn.  81; Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  10; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  5; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  76; Semler, AG 2005, 321 (324); a. A. Hüffer, der diese Doppelfunktion in Frage stellt, da er die dogmatische Herleitung der Verhaltenspflichten auf §  76 Abs.  1 AktG stützt; vgl. ders., FS Raiser, 163 (165 ff.) und noch ders., AktG (10. Aufl. 2012), §  93 Rn.  3a. 92  Goette, in: Hdb. Corporate Governance, 713 (719 f.); Semler, Leitung und Überwachung, §  3 Rn.  31. Dieser Maßstab gilt, über den Vorstand hinaus, grundsätzlich auch für Mitglieder des Aufsichtsrats, die sich am Paradigma des „ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsratsmitglieds“ zu orientieren haben, vgl. Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  5 Rn.  89.

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teln wirtschaftet, sondern ähnlich wie ein Treuhänder fremden Vermögensinteressen verpflichtet ist, zu handeln hat“.93 Dazu zählt auch die Pflicht, Schäden vom Unternehmen abzuwehren.94 bbb. Legalitätspflicht Die Sorgfaltspflicht des Vorstands bildet nach allgemeiner Ansicht weitere Ausprägungen, insbesondere – als „Kardinalpflicht“ des Vorstands – die Legalitätspflicht, die ihn dazu verpflichtet, sich selbst rechtmäßig zu verhalten und für rechtmäßiges Verhalten der AG zu sorgen.95 Sie kann nach der Wirkungsrichtung der einzelnen umfassten Verpflichtungen in eine interne und eine externe Dimension aufgeteilt werden.96 Die interne Legalitätspflicht umfasst die Pflicht des Vorstands zur Einhaltung der Vorschriften des Aktienrechts, der Vorgaben der Satzung oder einer Geschäftsordnung, die der Aufsichtsrat für die Arbeit des Vorstands erlassen kann (vgl. auch §  82 Abs.  2 AktG).97 Gegenstand der externen Legalitätspflicht ist die Wahrung allgemeiner rechtlicher Pflichten mit Ursprung außerhalb des Unternehmens, also sämtlicher Gesetze, die sich an das Unternehmen richten.98 bb. Treuepflicht Neben der Wahrung der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht ist der Vorstand daran gebunden, potentielle Eigen- oder Drittinteressen den Interessen des Unternehmens nachzuordnen.99 Diese Treuepflicht wird nach h. M. rechtsgeschäftlich durch die Organstellung des Vorstands, seine treuhänderische Funktion als Verwalter fremder Vermögenswerte sowie seine anstellungsvertraglichen Pflichten

93  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  6; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  74 f.; vgl. auch Goette, in: Hdb. Corporate Governance, 713 (719 f.). 94  Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  66. 95  Siehe Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  6 m. w. N. und Bicker, AG 2014, 8 m. w. N. in Fn.  1 und 2; desw. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  14; Goette, in: Hdb. Corporate Governance, 713 (721 und 725 f.); Thole, ZHR 173 (2009), 504 (509 f.). 96  S. etwa Bicker, AG 2014, 8; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  14; Langenbucher, in: FS Lwowski, 333. 97  Bicker, AG 2014, 8; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  14; Spindler, in: ­MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  73; Thüsing, in: Thüsing, Beschäftigtendatenschutz und Compliance, §  2 Rn.  7; vgl. auch Lutter, in: Ringleb u. a., DCGK, Rn.  434 ff. 98  Bicker, AG 2014, 8; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  23; Spindler, in: MüKoAktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  74; Thüsing, in: Thüsing, Beschäftigtendatenschutz und Compliance, §  2 Rn.  7. Nach wohl h. M. sind davon Vertragspflichten der Gesellschaft nicht umfasst, siehe dazu nur Bicker, a. a. O., 8 (9 f.) m. w. N. 99  Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  108 (vgl. a. a. O., Fn.  461 m. w. N. aus der Rechtsprechung).

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begründet.100 Sie umfasst z. B. die Leistung der „vollen Arbeitskraft“101, eines „loyalen Einsatzes“ für die AG102 ebenso wie das Verbot des Missbrauchs der Organstellung,103 und das Verhalten des Vorstands in Übernahmesituationen.104 Ausdrückliche gesetzliche Ausformungen der organschaftlichen Treuepflicht finden sich nach allgemeiner Ansicht in dem in §  88 Abs.  1 AktG geregelten Wettbewerbsverbot105 sowie in der in §  93 Abs.  1 S.  3 AktG geregelten Verschwiegenheitspflicht.106 Auch darf der Vorstand grundsätzlich keine geschäftlichen Möglichkeiten, die sich dem Unternehmen bieten, in seinem eigenen Interesse wahrnehmen bzw. sich zu eigen machen.107 Die Verschwiegenheitspflicht bindet alle Verwaltungsmitglieder,108 gem. §  93 Abs.  1 S.  3 AktG „über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebsoder Geschäftsgeheimnisse, die den Vorstandsmitgliedern durch ihre Tätigkeit im Vorstand bekanntgeworden sind, […] Stillschweigen zu bewahren“. Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht bestehen in erster Linie gegenüber anderen Vorstandsmitgliedern sowie gegenüber Mitgliedern des Aufsichtsrats.109 Zudem ergeben sich Ausnahmen aus dem Gesetz; so besteht eine Ausnahme der Verschwiegenheitspflicht gem. §  93 Abs.  1 S.  4 AktG i. V. m. §  342b HGB gegenüber Prüfstellen für Rechnungslegung im Rahmen entsprechender Prüfungen des Unternehmens.110 Weitere spezialgesetzlich geregelte Ausnahmen enthält z. B. das Wertpapierhandelsgesetz, welches das Unternehmen gem. §  15 Abs.  1 WpHG zur Veröffentlichung von Insiderinformationen verpflichtet.111 100  Siehe nur Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  84 Rn.  10; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  108. 101  Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  117 f. 102  Näher dazu Fleischer, WM 2003, 1045 (1050 f.). 103  Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  139 f. 104  Fleischer, WM 2003, 1045 (1051 ff. und 1056 f.); Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  142. 105  Fleischer, WM 2003, 1045; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  84 Rn.  10; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  119. 106  Hopt, in: Großkomm-AktG, (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  279; Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  9 Rn.  1; ders., in: WM 2003, 1045; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG (11. Aufl. 2014), §  84 Rn.  10; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  126; Ludwig/Zeissner, in: Hdb. des Fachanwalts – Handels- und Gesellschaftsrecht, Kap.  12 Rn.  468; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  113; Windbichler, Gesellschaftsrecht, §  27 Rn.  9; historisch bereits Baumbach, AktG (3. Aufl. 1939), §  84 Nr.  3); sowohl auf die Sorgfalts- als auch auf die Treuepflicht abstellend Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  113. 107  Siehe nur Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  88 Rn.  61 ff. 108  Zudem „gerichtlich bestellte, stellvertretende, fehlerhaft bestellte und in den Vorstand entsandte Aufsichtsratsmitglieder“, Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  93 AktG Rn.  11. 109  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  31 m. w. N. 110  Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  93 AktG Rn.  14. 111  Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  93 AktG Rn.  14.

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cc. Individueller Pflichtenmaßstab Die Pflichtverletzung ist, auch wenn der jeweilige Vorstand aus mehreren Mitgliedern besteht, separat für jedes einzelne Vorstandsmitglied festzustellen.112 b. Schaden Als Schaden im Sinne des §  93 Abs.  2 S.  1 AktG kommt nach der zugrunde zu legenden Differenzhypothese grundsätzlich jede adäquat-kausal durch den Vorstand herbeigeführte Vermögensminderung in Betracht:113 „Anstelle eines günstigeren“ muss „ein schlechterer Vermögenszustand getreten sein“.114 Sofern ein solcher Schaden festgestellt werden kann, ist das Vorstandsmitglied zur Naturalrestitution gem. §  249 Abs.  1 BGB verpflichtet; ist diese unmöglich, kommt, wenn der jeweilige Schaden sich in Geld bemessen lässt, gem. §  251 Abs.  1 BGB eine finanzielle Entschädigung in Betracht.115 Der Schadensbegriff wird somit extensiv gefasst. Ein irgendwie gearteter, im Vergleich zur vorigen Situation messbar schlechterer Vermögenszustand kann demnach auf denkbar vielfältige Art und Weise eintreten. So besteht zwischen einem an sich vernünftig kalkulierten, im Ergebnis aber aus kaum vorhersehbaren Gründen – etwa aus dem Eintritt allgemeiner Marktrisiken oder an den Auswirkungen geringfügiger Fehlplanungen gescheiterten – unternehmerischen Handeln aus der Perspektive des Schadens kein Unterschied zu einem grob unverantwortlichen Wirtschaften oder einer vorsätzlichen, eigennützigen Schädigung der eigenen Gesellschaft. Beide können einen „schlechteren Vermögenszustand“ und damit einen haftungsrechtlich relevanten Schaden hervorrufen. Aus der Perspektive des Schadens sind die Konsequenzen von Fehleinschätzungen und Fehlschlägen, wie sie aufgrund der Natur des unternehmerischen Handelns stets möglich sind,116 nicht von Konsequenzen zu trennen, die aufgrund pflichtwidrigen Verhaltens eingetreten sind; beides sind tatbestandsmäßige Veränderungen hin zu

112 

Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  144. Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  93 AktG Rn.  34; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  211 (siehe die Ausführungen dort in Rn.  212 zur überholten Auffassung, „eine dem Unternehmenszweck widersprechende Beeinträchtigung des Gesellschaftsvermögens“ sei stattdessen notwendig); Hölters, in: Hölters, AktG, §  93 Rn.  252; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  47; allgemein zur Differenzhypothese Schubert, in: BeckOK-BGB, §  249 Rn.  12 f.; Vieweg, in: Staudinger/Eckpfeiler, S.  659. 114  Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  171. 115  Zur Naturalrestitution vgl. Ekkenga/Kuntz, in: Soergel, BGB, §  249 Rn.  4 ff.; Grüneberg, in: Palandt, BGB, §  249 Rn.  2 ff.; zu den Voraussetzungen des Geldersatzes Ekkenga/Kuntz, a. a. O., §  251 Rn.  4 ff.; zur Geltung der §§  249 BGB Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  171 m. w. N. 116  Siehe ausführlich Teil 2 §  1 C. II. 113 

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„schlechteren Vermögenszuständen“.117 Zudem sind keine summarisch festgelegten Höchstgrenzen für die haftungsmäßige Inanspruchnahme von Unternehmensorganen vorgesehen.118 Deren Einführung wurde zwar im Vorfeld des UMAG erwogen, letztlich aber nicht umgesetzt.119 Auch in der Satzung dürfen derlei Regelungen nicht getroffen werden; hier setzen aber mittlerweile Reformbestrebungen an, die sich in den Beschlüssen des 70. Deutschen Juristentages widerspiegeln.120 Einem anderen Reformvorschlag zufolge soll die Haftung auf den Rahmen der D&O-Versicherung beschränkt werden.121 Konsequenz der aktuellen Situation ist indessen, dass Vorstandsmitglieder Gefahr laufen, sich immensen Haftungssummen ausgesetzt zu sehen. Im Fall des Deutsche Bank-Vorstandsmitglieds Breuer hätte sich diese Summe zeitweise auf 3,5 Mrd. Euro belaufen können,122 im Fall des ehemaligen Siemens-Vorstands Neubürger betrug die Verurteilungssumme 15 Mio. Euro.123 Solche Summen sind in aller Regel auch trotz möglicherweise beträchtlicher Vorstandsgehälter nicht mehr durch persönliches Vermögen auszugleichen.124 c. Verschuldensmaßstab Grundsätzlich lässt sich hinsichtlich der Struktur zivilrechtlicher Haftungsnormen zwischen einer Anknüpfung an ein konkretes Verschulden sowie an einen Schadenserfolg differenzieren: Bei der Erfolgshaftung indiziert ein Schadenserfolg bereits automatisch eine Schadensersatzpflicht.125 Bei der Verschuldenshaftung wird zusätzlich zur jeweiligen Pflichtverletzung ein individuelles Verschulden des Schadensersatzverpflichteten vorausgesetzt.126 Im Falle von §  93 117 

Vgl. Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  171. Zumindest für leichte Fahrlässigkeit wurde dies bereits im Schrifttum vorgeschlagen, siehe z. B. Peltzer, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  9 Rn.  291. Grunewald, AG 2013, 813 (815 ff.) hält es für möglich, Haftungshöchstgrenzen satzungsmäßig festzulegen; Bachmann, ZIP 2014, 570 (582), Fn.  22 m. w. N. 119  Vgl. die Überlegungen unter Punkt 1 des Maßnahmenkataloges der Bundesregierung, http://www.gesmat.bundesgerichtshof.de/gesetzesmaterialien/15_wp/allg_dateien/massnahmenkatalog.pdf (zuletzt abgerufen am 29.01.2015); kritisch und für Einführung einer Haftungshöchstgrenze im Innenverhältnis bei fahrlässigem Verhalten bereits Semler, AG 2005, 321 (325). 120  So die Beschlüsse I.2 und I.3.b) der Abteilung Wirtschaftsrecht, Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  II/2, S. N 211 f. sowie AG-Report 2014, R 301. 121  Wagner, ZHR 178 (2014), 227 (279 f.). 122  Hoffmann, NJW 2012, 1393, siehe dort auch weitere Beispiele. 123  LG München I, Urt. v. 10.12.2013 – 5 HK O 1387/10 = ZIP 2014, 570 (572); vgl. auch Wagner, ZHR 178 (2014), 227 (280, Fn.  194 m. w. N.). 124  Vgl. Bachmann, ZIP 2014, 570 (580) zu Neubürger (geschätzte jährl. Vergütung von 2,7 Mio. €); gleichsinnig Bayer, NJW 2014, 2546 (2548) („wirtschaftliche Todesstrafe“). 125  Ein Beispiel bildet die Haftung des Gastwirtes für eingebrachte Sachen gem. §§  701 ff. BGB; s. dazu Henssler, in: MüKo-BGB, §  701 Rn.  3 f. 126  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  43 (am Beispiel von §  93 Abs.  2 S.  1 AktG). Die Notwendigkeit der Einschränkung durch einen Verschuldensmaßstab ergibt sich nach h.M aus 118 

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Abs.  2 S.  1 AktG handelt es sich angesichts des tatbestandlich notwendigen Sorgfaltsverstoßes durch den Vorstand um einen Fall der Verschuldenshaftung,127 auch wenn hier durch die Doppelfunktion von §  93 Abs.  1 S.  1 AktG Überschneidungseffekte eintreten.128 Wenn ein Organ eine der ihm gem. §  93 Abs.  2 S.  1 AktG obliegenden Pflichten verletzt, muss die Pflichtverletzung schuldhaft gewesen sein, um einen Schadensersatzanspruch des Unternehmens gegen das Organ zu begründen. Bei §  93 Abs.  2 S.  1 AktG sind dafür vorsätzliches Verhalten wie auch sämtliche Arten fahrlässigen Verhaltens ausreichend, womit insbesondere auch schon leichte Fahrlässigkeit für eine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit des Vorstands ausreicht.129 Demnach ist der Verschuldensmaßstab der aktienrechtlichen Innenhaftung so niedrig – und aus der Perspektive des jeweils handelnden und dabei haftungsbedrohten Organs zugleich so streng – angesetzt wie möglich. Während es in der GmbH nach h. M. möglich ist, für Pflichtverletzungen im Kontext der Innenhaftung in der Satzung – vor allem für leicht fahrlässiges Verhalten – Freistellungsvereinbarungen zu treffen,130 erlaubt das Aktienrecht – insbesondere aufgrund des §  23 Abs.  5 AktG sowie eines Umkehrschlusses aus §  93 Abs.  4 S.  2 AktG – nach ganz h. M. keine vergleichbaren Vereinbarungen.131 Auch an dieser Stelle hat der 70. Deutsche Juristentag für Reformen plädiert und beschlossen, dass zumindest die Haftung für leichte Fahrlässigkeit im Wege der Satzungsregelung ausschließbar sein dem Umstand, dass die Organe der Kapitalgesellschaften den Unternehmen von ihrer Eigentümerstellung her „fremd“ sind, also keine Verwaltung eigenen Vermögens wie etwa ein Einzelkaufmann betreiben; vor diesem Hintergrund wird es daher als unangemessen betrachtet, den Organen – wie einem Verwalter eigenen Vermögens – das „volle Risiko“ der Geschäftstätigkeit aufzubürden und ihn für sämtliche negativen Entwicklungen im Unternehmen verantwortlich zu machen, siehe Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (226); Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  5. 127  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  43; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  5. 128  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  43. 129  Binder, AG 2008, 274 (279; Hopt, ZIP 2013, 1793 (1798); Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S.  135 (m.w.N in Fn.  364); Semler, AG 2005, 321 (327); ); Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  176; Urban, GWR 2013, 106; Wagner, ZHR 178 (2014), 227 (233). 130  Bank, in: Patzina/Bank/Schimmer/Simon-Widmann, Haftung von Unternehmensorganen, Kap.  17 Rn.  72; Fleischer, in: MüKo-GmbHG, §  43 Rn.  298 ff.; Werner, GmbHR 2014, 792 (797); Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, §  43 Rn.  46 m. w. N. 131  Bank, in: Patzina/Bank/Schimmer/Simon-Widmann, Haftung von Unternehmensorganen, Kap.  17 Rn.  63; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  84 Rn.  71 f.; ders., WM 2005, 909 (914); Grunewald, AG 2013, 813 (815); Habersack, ZHR 177 (2013), 782 (794); Langenbucher, Aktienund Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  159; Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  8; Parmentier, in: Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  2 Rn.  282 f.; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  27; krit. und mit Reformüberlegungen etwa Habersack, ZHR 177 (2013), 782 (803 f.), Hoffmann, NJW 2012, 1393 (1395, 1398 f.); Paefgen, AG 2014, 554 (570 f.); Spindler, AG 2013, 889 (894 ff.); Vetter, NZG 2014, 921 (922 ff.); krit. zu einzelnen Reformüberlegungen wiederum Bayer, NJW 2014, 2546 (2547 f.); Bayer/Scholz, NZG 2014, 926 (928 f.).

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sollte.132 Verbunden mit dem Mangel an Haftungsobergrenzen ergibt sich jedenfalls de lege lata die Situation, dass angesichts der Grundkonzeption des Haftungstatbestandes – mit den Worten Peltzers – bereits „kleinste Fehler die bürgerliche Existenz [des Vorstands] kosten“ können.133 Diese Gefahr der „Existenzvernichtungshaftung“ bildet denn auch einen zentralen Kritikpunkt am aktienrechtlichen Konzept der Organhaftung und den Ansatzpunkt für Re­form­ überlegungen.134 d. Beweislast Sofern die Erfüllung der einzelnen Tatbestandsmerkmale von §  93 Abs.  2 S.  1 AktG streitig ist, obliegt der Beweis – in Abweichung des zivilprozessualen Grundprinzips, nach dem eine Streitpartei Umstände, die den geltend gemachten Anspruch begründen, selbst darzulegen hat135 – gem. §  93 Abs.  2 S.  2 AktG dem Vorstand selbst.136 Zunächst muss allerdings das Unternehmen darlegen, dass ein Schaden besteht, der auf einem potentiell pflichtverletzenden Verhalten des Organs beruht; den Beweis pflichtgemäßen bzw. unverschuldeten Handelns muss sodann der Vorstand erbringen.137 Die so verteilte Beweislast führt – vor allem bei länger zurückliegenden streitigen Handlungen – zu einem hohen Dokumentationsaufwand und die Beweisführung kann sich im Streitfall, vor allem für bereits ausgeschiedene Vorstandsmitglieder, als sehr kompliziert gestalten.138 Erschwerend kommt hinzu, dass in der Praxis über den Ausgang von Zivilprozessen regelmäßig gerade Fragen der Beweislast entscheiden. 132  So der Beschluss I.3.a) der Abteilung Wirtschaftsrecht, Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  II/2, S. N 212 sowie AG-Report 2014, R 301. 133  Peltzer, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  9 Rn.  291; ebenso Bachmann, ZIP 2014, 570 (582) bzw. ders., NJW-Beil. 2/2014, 43 (44), der auch von einem „Alles-oderNichts-Prinzip“ spricht, wonach „exorbitant hohe Schadenssummen auch bei leichtestem Verschulden und selbst dann voll zu tragen [sind], wenn dies [die] […] wirtschaftliche Existenz [der Beklagten] vernichtet“. 134  Siehe Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  I, S. E 32; Bayer/Scholz; NZG 2014, 926 f.; Fleischer, ZIP 2014, 1305; vgl. aber auch bereits die Anm. von Westermann zu LG Bielefeld, Urt. v. 16.11.1999 – 15 O 91/98, ZIP 2000, 20 (27). 135  Siehe nur Foerste, in: Musielak, ZPO, §  286 Rn.  34 ff.; Prütting, in: MüKo-ZPO, §  286 Rn.  111 f. 136  Statt vieler Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  53 ff. sowie BGH, Urt. v. 04.11.2002 – II ZR 224/00 = DStR 2003, 124 ff. 137  BGH, Urt. v. 04.11.2002 – II ZR 224/00 = DStR 2003, 124 ff. (insb. Leitsatz und 125); Goette, in: Hdb. Corporate Governance, 713 (737); ders., ZGR 1995, 648 (insb. 671 ff.); Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  I, S. E 34 f. (Fn.  101 m. w. N.); deutlich auch OLG Nürnberg, Beschl. v. 28.10.2014, 12 U 567/13 = NZG 2015, 555 ff.; v. Eiff/Rahlmeyer, GWR 2015, 54. 138  Ausführlich Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  I, S. E 32 ff.; zur Möglichkeit der Einsichtnahme in Geschäftsunterlagen durch ausgeschiedene Vorstandsmitglieder Grooterhorst, AG 2011, 389 ff. Auch an dieser Stelle finden sich Reformvorschläge des 70. DJT zur Streichung der Beweislastregel, zumindest aber ihrer Begrenzung auf amtierende Vorstandsmit-

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e. Verjährung Die Fristen für die Verjährung der Ansprüche aus §  93 Abs.  2 S.  1 AktG richten sich nach §  93 Abs.  6 AktG und betragen grundsätzlich fünf Jahre bzw. zehn Jahre bei Börsennotierung des Unternehmens.139 Die Frist kann vertraglich bzw. satzungsmäßig nicht reduziert werden.140 f. Haftungsausschluss, Vergleichs- und Verzichtsmöglichkeiten Die Verfolgung eines Schadensersatzanspruchs gegen den Vorstand ist ausgeschlossen, soweit die zugrundeliegende Maßnahme gem. §  93 Abs.  4 S.  1 AktG auf einem Beschluss der Hauptversammlung basiert.141 Anderenfalls kann ein Verzicht des Unternehmens auf die Verfolgung eines Ersatzanspruchs gem. §  93 Abs.  4 S.  3 AktG frühestens drei Jahre nach der Entstehung des Anspruchs erklärt werden, sofern die Hauptversammlung zustimmt und kein Widerspruch von mindestens 10% der am Stammkapital beteiligten Aktionäre erhoben wird.142 In der Hoffnung auf potentielle Vergleichsmöglichkeiten wird das Or­ gan in dieser Konstellation ähnlichen Unwägbarkeiten ausgesetzt, als wenn es auf ein – nach h. M. und Maßgabe der „ARAG/Garmenbeck“-Doktrin ohnehin nur im Ausnahmefall mögliches143 – Absehen von der Verfolgung eines Schadensersatzanspruchs durch den Aufsichtsrat hofft.144 Die Dreijahresfrist, die verstreichen muss, bevor ein Verzicht auf die Verfolgung eines Schadensersatzanspruchs in Betracht kommt, lässt den Anspruch wie ein Damoklesschwert über Gesellschaft und Vorstand schweben und bedeutet besonders für den Vorstand selbst aufgrund der persönlichen Auswirkungen eines Haftungsvorwurfs ein hohes Maß an Unsicherheit.145 Er ist damit einer völlig anderen Situation glieder und einen Informationsanspruch für ausgeschiedene Vorstandsmitglieder, vgl. 70. Dt. Juristentag, Abteilung Wirtschaftsrecht, Beschlüsse I.6.a)–c), Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  II/2, S. N 212 f. sowie AG-Report 2014, R 302. 139  Grundlegend zur Verjährungsthematik Fleischer, AG 2014, 457 ff. 140  Koch, in: Hüffer, AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  88; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  290 m. w. N.; krit. Paefgen, AG 2014, 554 (570 f.); zur Diskussion vgl. Baums, ZHR 174 (2010), 593 ff.; Keiluweit, GWR 2010, 445 ff.; Redeke, BB 2010, 910 ff.; ferner Harbarth/Jaspers, NZG 2011, 368 ff. 141  Näher dazu Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  72 ff.; Spindler, in: MüKoAktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  250 ff. 142  Näher dazu Dietz-Vellmer, in: NZG 2011, 248 (249 ff.); Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  159 m. w. N.; Ludwig/Zeising, in: Büchel/v. Rechenberg, Hdb. des Fachanwalts – Handels- und Gesellschaftsrecht, Kap.  13 Rn.  521 ff. Vgl. auch den Reformvorschlag des 70. Dt. Juristentags zur Streichung dieser Frist, Beschluss I.7.a) der Abteilung Wirtschaftsrecht, Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  II/2, S. N 213 sowie AG-Report 2014, R 302. 143  Siehe dazu sogleich unten Teil 2 §  1 C. I. 3. a. aa. 144  Bachmann, ZIP 2014, 570 (582). 145  Prägnant Hölters, in: Hölters, AktG, §  93 Rn.  307 („Monate- und oft jahrelange Diskussionen über das Fehlverhalten gegenwärtiger oder vergangener Vorstandsmitglieder in der Öffent-

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ausgesetzt als bei der vorherigen Vereinbarung einer Freistellung. Dennoch wurde in den letzten Jahren, etwa im Falle der Siemens AG, der Constantin Medien AG oder der Infineon AG von Vergleichsmöglichkeiten Gebrauch gemacht.146 3. Weitere Aspekte zur Tragweite der Innenhaftung a. Die Geltendmachung der Innenhaftung Zur Ermittlung der Auswirkungen der Haftungsnormen auf den Vorstand und damit der Regelungsanliegen der BJR ist weiterhin zu berücksichtigen, welche Mechanismen und Möglichkeiten innerhalb des Unternehmens zu ihrer Durchsetzung bestehen. aa. Pflicht des Aufsichtsrats zur Durchsetzung von Ansprüchen Die Prüfung, ob Ansprüche des Unternehmens gegen den Vorstand bestehen sowie deren Geltendmachung obliegt gem. §§  111 Abs.  1, 112 S.  1 AktG primär dem Aufsichtsrat.147 Inwiefern eine Pflicht des Aufsichtsrats besteht, derlei Ansprüche geltend zu machen, war eine der streitgegenständlichen Fragen des „ARAG/Garmenbeck“-Urteils aus dem Jahre 1997.148 Diese Frage wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Das Urteil wird dahingehend interpretiert, dass grundsätzlich eine gerichtlich voll nachprüfbare Pflicht des Aufsichtsrats besteht, Schadensersatzansprüche gegenüber dem Vorstand geltend zu machen.149 Andere Stimmen billigen dem Aufsichtsrat, in jüngerer Zeit tendenziell verstärkt,150 anstelle einer strikten Verpflichtung einen (beschränkten) „Beurteilungs-“ bzw. „Ermessensspielraum“ zu: Demnach hätte der Aufsichtsrat eine Einschätzungsprärogative, aufgrund derer es ihm unter Ausschluss richterlicher Kontrolle möglich sein soll, die Interessen des Unternehmens an einer Geltendlichkeit waren noch nie zum Vorteil eines Unternehmens“); siehe desw. die Ausführungen unten zur sozialen Tragweite von Haftungsprozessen Teil 2 §  1 C. I. 3. c.; die Frist hält auch für „gutgemeint, letztlich aber […] kontraproduktiv“ Habersack, ZHR 177 (2013), 782 (804). 146  Dietz-Vellmer, in: NZG 2011, 248 (248 f.); ebenso im Prozess um den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank Breuer, siehe dazu Wagner, ZHR 178 (2014), 227 (236, Fn.  38 m. w. N.). 147  Drygala/Staake/Szalai, KapitalgesellschaftsR, §  21 Rn.  97; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  112 Rn.  5, zu alternativen Möglichkeiten der Geltendmachung sogleich unten Teil 2 §  1 C. I. 3. a. bb. 148  BGH, Urt. v. 21.04.1997 – II ZR 175/95 = NJW 1997, 1926 ff. sowie OLG Düsseldorf, Urt. V. 22.06.1995, 6 U 104/94 = NJW-RR 1995, 1371 ff. (Vorinstanz) sowie oben Teil 2 §  1 A. II. 2. b. 149  Siehe nur Koch, NZG 2014, 934 (935 ff. m. w. N.); ders., AG 2009, 93 ff. 150  Vgl. die kritische Stellungnahme von Koch auf dem DJT 2014, Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  II/2, S. N 143 ff.; ebenso ders., NZG 2014, 934 ff. mit ausführlicher Darstellung des Streitstandes.

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machung des Anspruchs gegen die Interessen an der Nichtverfolgung abzuwägen.151 Konsequenz einer Verfolgungspflicht des Aufsichtsrats ist jedenfalls, dass der angesichts einer potentiellen Pflichtverletzung des Vorstands untätige Aufsichtsrat Gefahr läuft, selbst eine Pflichtverletzung zu begehen und sich damit einem Schadensersatzanspruch gem. §  116 S.  1 AktG i. V. m. §  93 Abs.  2 S.  1 AktG auszusetzen.152 Diese Bedrohung wird in Schrifttum und Praxis als Grund für die „deutlich gesteigerte […] Anspruchsmentalität“153 und die daraus folgende, verstärkte haftungsrechtliche Inanspruchnahme von Vorstandsmitgliedern durch Aufsichtsräte seit dem „ARAG/Garmenbeck“-Urteil betrachtet.154 Diese kann im Einzelfall noch durch mögliche eigennützige Motive anderer bzw. ehemaliger Organmitglieder155 oder durch „interessenmotivierte […] Beratung“156 von Rechtsanwälten verschärft werden. Zwar mangelt es an präzisen Statistiken zur Thematik.157 Dennoch dürfte sich heute kaum mehr von einer „Bißsperre“ der Aufsichtsräte158 sprechen lassen, wie es früher noch eher passend gewesen sein mag.159 Das belegt allein schon die eingangs geschilderte quantitative und qualitative Situation von Haftungsprozessen,160 zu der noch eine Dunkelziffer von Fällen zu rechnen sein dürfte, die im Interesse der beteiligten Parteien möglichst diskret beigelegt werden und die deshalb unterhalb der Schwelle öffentlicher Wahrnehmung rangieren.161 bb. Alternative Möglichkeiten Wenn der Aufsichtsrat seiner Pflicht zur Geltendmachung von Ansprüchen aus der Sicht der Aktionäre nicht nachkommt, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass 151  Etwa Breuer/Fraune, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  111 AktG Rn.  12a; Cahn, WM 2013, 1293 (1295 ff.); Habersack, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  111 Rn.  36 ff.; Hölters, in: Hölters, AktG, §  93 Rn.  292; Paefgen, AG 2008, 761 ff.; tendenziell auch Goette, in: Liber Amicorum Winter, S.  153 ff.; aus der Rspr. LG Essen, Urt. v. 25.02.2012 – 41 O 45/10 = NZG 2012, 1307 (1309); früher bereits Mertens, KK-AktG (2. Aufl. 1996), §  93 Rn.  51; dagegen Koch, NZG 2014, 934 (935 ff.). 152  Hölters, in: Hölters, AktG, §  93 Rn.  23. 153  Sieg, in: Terbille/Höra, MAH-Versicherungsrecht, §  17 Rn.  21. 154  So Sieg, in: Terbille/Höra, MAH-Versicherungsrecht, §  17 Rn.  22; ebenso Hölters, in: Hölters, AktG, §  93 Rn.  24; Reichert, ZHR 177 (2013), 756 (757). 155  Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  I, S. E 19. 156  Sieg, in: Terbille/Höra, MAH-Versicherungsrecht, §  17 Rn.  21 ff. 157  Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  I, S. E 12. 158  Wagner, ZHR 178 (2014), 227 (239, Fn.  51 f. m. w. N.). 159  Bayer, NJW 2014, 2546 (2549); Paefgen, AG 2014, 554 (554 f., s. auch Fn.  1); vgl. auch Seibert, ZRP 2011, 166 (168). 160  Siehe oben Teil 1 §  1 A. 161  Goette, in: Hdb. Corporate Governance, 713 (715); gleichsinnig Hopt, ZIP 2013, 1793 (1794) mit der Einschätzung, dass 95% aller D&O-Fälle (dazu sogleich) außergerichtlich beigelegt werden; Reichert, ZHR 177 (2013), 756 (757); Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  I, S. E 11 f. und 16.

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der Anspruch nicht weiter verfolgt wird. Die Hauptversammlung kann gem. §  147 S.  1 AktG die Geltendmachung des Anspruchs gegen das jeweilige Organ der AG erzwingen.162 Gem. §  147 Abs.  2 AktG kann dazu auch ein besonderer Vertreter bestellt werden. Zudem wurde im Zuge des UMAG gem. §  148 AktG die Möglichkeit für eine qualifizierte Aktionärsminderheit geschaffen, ein sogenanntes Klagezulassungsverfahren durchzuführen, mit dem Ersatzansprüche selbständig zugunsten der Gesellschaft geltend gemacht werden können.163 Als entsprechend qualifiziert gilt gem. §  148 Abs.  1 S.  1 AktG eine Gruppe von Aktionären, „deren Anteile im Zeitpunkt der Antragstellung zusammen den einhundertsten Teil des Grundkapitals oder einen anteiligen Betrag von 100000 Euro erreichen“.164 Die praktische Resonanz auf diese Möglichkeiten blieb jedoch bislang gering.165 b. Der Einfluss von D&O-Versicherungen In Deutschland entspricht der Abschluss sogenannter D&O – „Directors & Officers“ – Versicherungen durch Unternehmen zugunsten ihrer Verwaltungsmitglieder gegen mögliche Haftungsgefahren mittlerweile gängiger Praxis.166 Wenn allerdings aufgrund umfassender Versicherungsmöglichkeiten keine ernstzunehmenden Haftungskonsequenzen drohen, könnte – so wird zuweilen vorgebracht – die Organhaftung auch kaum mehr verhaltenssteuernde Wirkung entfalten.167 Dem soll zunächst gem. §  93 Abs.  2 S.  3 AktG ein Selbstbehalt von mindestens 10% der Schadenshöhe entgegenwirken, den das Organ selbst zu tragen hat.168 Bereits dieser Anteil kann angesichts der Größenordnungen, in 162  Drygala/Staake/Szalai, KapitalgesellschaftsR, §  21 Rn.  99; zum „Vollzugsdefizit der Organhaftung“, wie es sich an dieser Regelung zeigt dies., a. a. O., §  21 Rn.  98; Wagner, ZHR 178 (2014), 227 (240 f.). 163  Drygala/Staake/Szalai, KapitalgesellschaftsR, §  21 Rn.  102 f.; Langenbucher, in: DStR 2005, 2083 (2089 f.); vgl. zum Zusammenhang zwischen §  93 AktG und §  148 AktG Seibert, in: FS Priester, 763 (770 ff.); kritisch zur praktischen Bedeutung des Klagezulassungsverfahrens Habersack, ZHR 177 (2013), 782 (790 f.). 164  Hier wird eine Absenkung oder Aufhebung als Reformmöglichkeit diskutiert, vgl. Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  I, S. E 89 ff.; Bayer, NJW 2014, 2546 (2549). 165  Peltzer, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2013, 83 (92 ff.); Wagner, ZHR 178 (2014), 227 (241 ff.); vgl. auch die krit. Bestandsaufnahme von Uwe H. Schneider, ZIP 2013, 1985 ff. 166  Habersack, ZHR 177 (2013), 792 (796) (Abschluss einer D&O-Versicherung zugunsten des Vorstands bildet „zumindest bei börsennotierten Gesellschaften den Regelfall“); Paefgen, AG 2014, 554 (581); Rahmann/Ramm, GWR 2013, 435 (436); Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  I, S. E 14 f.; allgemein zur D&O-Versicherung Sieg, in: Terbille/Höra, MAH-Versicherungsrecht, §  17 Rn.  1 ff. 167  So Wagner, ZHR 178 (2014), 227 (272 f.), der deshalb eine „Neuausrichtung der D&O-Versicherung“ für angezeigt hält; desw. Bayer/Scholz, NZG 2014, 926 (927 f.); Fleischer, in: Spindler/ Stilz, AktG, §  93 Rn.  228 (Fn.  1224 f. m. w. N.). 168  Vgl. zum Selbstbehalt nur Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  58 f. Daran wird freilich kritisiert, dass mittlerweile auch bezüglich dieses vorgesehenen Selbstbehalts Versiche-

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denen Haftungsprozesse mittlerweile geführt werden, den jeweils Beteiligten in die Privatinsolvenz treiben.169 Zudem umfassen die vereinbarten Versicherungsleistungen im Regelfall nur einen Teil möglicher Haftungsgründe, typische Handlungskonstellationen – neben vorsätzlichen Handlungen vor allem solche, die mit Verstößen gegen Gesetze oder gesellschaftsrechtliche Weisungen und Beschlüsse einhergehen – werden dagegen regelmäßig von der Versicherung ausgeschlossen.170 Insofern unvermeidliche Unsicherheiten belasten im Zweifelsfall den Vorstand, der um die Deckung der Schadenssumme fürchten muss.171 Das entfaltet im Zusammenhang mit den gesteigerten Organisationsund Überwachungspflichten172 und der für eine Pflichtverletzung ausreichenden Schwelle leichtester Fahrlässigkeit173 besondere Brisanz. Auch ist es üblich, Deckungssummen zu begrenzen, wobei in den letzten Jahren bereits mehrfach Urteile die diesbezüglich vereinbarten Beträge gesprengt haben; der Vorstand haftet insofern persönlich.174 Darüber hinaus bedeutet der Abschluss einer D&O-Versicherungspolice noch lange keine uneingeschränkte Bereitschaft der jeweiligen Versicherung, tatsächlich einzuspringen, wenn eine Schadensregulierung notwendig wird. So wird aus der Praxis berichtet, dass D&O-Versicherungen gerade in einem Viertel der Versicherungsfälle auch tatsächlich zugunsten des Versicherten aufkommen.175 Jedenfalls muss der Versicherungsnehmer zumindest mit einer (freilich u.U. auch berechtigten176) Abwehrhaltung und daraus resultierenden Verzögerungen rechnen, was sich den auch in einer signifikanten Anzahl von Deckungsklagen widerspiegelt.177 rungen abgeschlossen werden können, siehe Wagner, ZHR 278 (2014), 227 (272 f.); hinsichtlich der Zulässigkeit Hoffmann-Becking/Krieger, NZG-Beil. Heft 26/2009, 1 (7, Rn.  56). Dieser Umstand bildet denn auch einen zentralen Ansatzpunkt für Reformüberlegungen, s. etwa Habersack, ZHR 177 (2013), 782 (796 f., 800 f.); Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  I, S. E 39 f. Der 70. DJT hat sich im Zusammenhang mit dem Beschluss zur Ermöglichung einer Satzungsregelung zum Haftungsausschluss für leicht fahrlässiges Handeln auch für ein Verbot der Versicherung des Selbstbehalts ausgesprochen, vgl. 70. Dt. Juristentag, Abteilung Wirtschaftsrecht, Beschluss I.3.a) und c), Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  II/2, S. N 212 sowie AG-Report 2014, R 302. 169  Vgl. auch hier den Schadensersatzprozess um „schwarze Kassen“ bei der Siemens AG; LG München I, Urt. v. 10.12.2013 – 5 HK O 1387 = ZIP 2014, 570 ff. sowie oben Teil 2 §  1 C. I. 2. b. 170  Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  228; Paefgen, AG 2014, 554 (582); Rahmann/ Ramm, GWR 2013, 435 (436); Reichert, ZHR 177 (2013), 756 (771 f.). 171  Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  228. 172  Siehe dazu Teil 3 §  1 D. III. 3. d. aa. ccc. 173  Vgl. oben Teil 2 §  1 C. I. 2. c. 174  Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  228; Koch, AG 2014, 513 (520); Paefgen, AG 2014, 554 (582). 175  Hopt, ZIP 2013, 1793 (1801) m.w.N (Fn.  95). 176  Siehe zu in diesem Zusammenhang typischen Fehlannahmen Sieg, in: Terbille/Höra, MAH-Versicherungsrecht, §  17 Rn.  18. 177  Hopt, ZIP 2013, 1793 (1801, Fn.  95 m. w. N.); Bachmann berichtet in seinem Gutachten zum 70. DJT, Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  I, S. E 15, von einer Studie, deren

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Aus dieser Betrachtung lässt sich folgern, dass die Auswirkungen der D&O-Versicherung auf die Steuerung des Vorstandsverhaltens durch die Organhaftung eher gering sein dürften und sich Vorstände aufgrund bestehender Versicherungen gerade nicht „frei von jeglichen Risiken“ fühlen dürften.178 c. Individuelle soziale Relevanz Selbst wenn eine Haftungssumme durch eine (hypothetisch) unbegrenzte und zahlungswillige Versicherung aufgefangen würde, erschöpft sich der Schaden, den ein Organ durch einen Haftungsprozess erleidet, bei weitem nicht in der Summe möglicher Schadensersatzzahlungen. Vielmehr gehen damit bedeutende immaterielle Belastungen einher: Allein die Initiation eines gerichtlichen Prozesses kann sich bereits in persönlicher Hinsicht erheblich auf den jeweiligen Manager auswirken, der sich – je nach Bedeutung und Größe des Unternehmens und der Umstände des Einzelfalls – plötzlich im Rampenlicht medialer Aufmerksamkeit befindet, wo seine „wahre Hinrichtung“ zu erwarten sein kann.179 Selbst wenn ein Haftungsprozess am Ende keinerlei Pflichtverletzungen zu Tage fördert, so ist – eine gewisse Bedeutung der Angelegenheit vorausgesetzt – allein durch die korrespondierende mediale Berichterstattung als „zweite Ebene der Sanktion“180 über die Dauer des Prozesses hinweg mit einer erheblichen persönlichen und privaten Belastung, einer veränderten öffentlichen Wahrnehmung der Person des betroffenen Organmitglieds und mit negativen Auswirkungen auf das Privatleben und den Fortgang der individuellen Karriere zu rechnen.181 Dabei sehen sich Organmitglieder in derlei Situationen bisweilen Methoden der Berichterstattung ausgesetzt, die – so Jahn treffend – durch „Zuspitzung, Dramatisierung und Übertreibung, Versimpelung, Personalisierung sowie Skandalisierung bis hin zur Schürung von Hysterie […]“ gekennzeichnet sind.182 Spätestens die Ereignisse der weltweiten Finanzkrise und diverse prominente Prozesse haben ihren Beitrag dazu geleistet, Fälle (auch nur potentieller) Organhaftung in Deutschland mehr denn je in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung zu rücken, wie sich an der medialen Resonanz der Teilnehmer in 38% der Haftungsfälle einschlägige Konflikte mit der Versicherung erlebten und sieht im Kontext der D&O-Versicherungen „in der bisherigen Diskussion kaum gewürdigte“ „Lücken und Tücken“ zu Tage treten (a. a. O., S. E 17). 178  Paefgen, AG 2014, 554 (582). 179  Jahn, in: Lutter/Krieger, Hdb. Managerhaftung, §  38 Rn.  3. 180  Jahn, in: Lutter/Krieger, Hdb. Managerhaftung, §  38 Rn.  3. 181  Jahn, in: Lutter/Krieger, Hdb. Managerhaftung, §  38 Rn.  3 und 7 f.; eindringlich Peltzer, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  9 Rn.  288: „Die bürgerliche Existenz des in Anspruch genommenen Organmitglieds steht auf dem Spiel und die Vorstellung von der Bedrohung begleitet es Tag und Nacht“; vgl. auch Habersack, ZHR 177 (2013), 782 (796). 182  Jahn, in: Lutter/Krieger, Hdb. Managerhaftung, §  38 Rn.  4.

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Fälle von Neubürger, v. Pierer, Middelhoff, Funke oder Breuer zeigte bzw. zeigt.183 Der ideelle Schaden, der allein schon mit der Eröffnung eines Haftungsprozesses einhergehen kann, dürfte vor diesem Hintergrund wohl – sei der Prozess auch im Ergebnis folgenlos – kaum zu überschätzen sein. d. Schwelle zu strafrechtlicher Sanktion Schließlich kommt der Frage nach einem Innenhaftungsanspruch des Unternehmens gegen den Vorstand auch eine Bedeutung für eine mögliche strafrechtliche Relevanz des Vorstandsverhaltens zu. Innerhalb dieses Verhältnisses sind bislang insbesondere im Hinblick auf Risikogeschäfte im Kontext der Finanzmarktkrise zwar Detailfragen offengeblieben.184 Klar scheint jedoch, dass bei dem Straftatbestand der Untreue gem. §  266 Abs.  1 StGB eine Wechselwirkung zwischen gesellschaftsrechtlichen und möglichen strafrechtlichen Konsequenzen besteht: §  266 Abs.  1 StGB setzt die Verletzung einer Pflicht durch den Täter voraus, deren Wahrung ihm „durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft“185 aufgegeben wurde. Als solche Pflichtverletzungen kommen für den Vorstand die aktienrechtlichen Sorgfalts- und Treuepflichten in Betracht.186 Eine Verletzung dieser Pflichten kann eine sogenannte Primär-Pflichtverletzung darstellen, an die §  266 Abs.  1 StGB anknüpft.187 Mangelt es dagegen an einer solchen Primär-Pflichtverletzung, so kann auch der strafrechtliche Tatbestand nicht als erfüllt gelten, weshalb in diesem Zusammenhang von einer „Akzessorietät des [Treuebruch-] Tatbestands“188 die Rede ist. Zusammenge183  In diesem Sinne Weber-Rey, NZG 2013, 766 (769); zu dieser Entwicklung bereits in den 1990er Jahren vgl. Frühauf, ZGR 1998, 407 (408 f.) („Von der Anonymität zum Medienstar“). So gab es freilich auch vor der Finanzkrise Prozesse gegen Organmitglieder – z. B. im Fall Mannesmann (Peltzer, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  9 Rn.  289) – die unter ausführlicher medialer Begleitung, hohem öffentlichen Interesse und, damit verbunden, erheblichem individuellen Druck auf die Beteiligten stattfanden. Beispielhaft lässt sich hier auch die Berichterstattung der BILD-Zeitung aus den 1990er Jahren während der Krise der Metallgesellschaft AG über deren damaligen Vorstandsvorsitzenden Schimmelbusch betrachten, den die Zeitung als „Haßmann“ bezeichnete. Schimmelbusch war regelrecht nach New York geflüchtet, wo Reporter der Zeitung ihn aufspürten, fotografierten und kommentierten: „Dieser Mann hat innerhalb von nur 15 Monaten Milliarden verspielt. 7500 Arbeitnehmer und Angestellte werden seinetwegen ihre Arbeit verlieren. […] Bisher traute er sich nur nachts auf die Straßen. Doch jetzt erwischten ihn Fotoreporter bei einem Spaziergang im Schnee“; zit. nach Knipp, Der Machtkampf, S.  19. 184  Näher dazu Spindler, AG 2013, 889 (902 f.). 185  Dierlamm, in: MüKo-StGB, §  266 Rn.  162. 186  Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (226); Dierlamm, in: MüKo-StGB, §  266 Rn.  170; Kindhäuser, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, §  266 Rn.  63; Seibert, in: FS Priester, 763 (772). 187  BGH, Urt. v. 22.11.2005 – 1 StR 571/04 = NStZ 2006, 221 (222, Rn.  3 f.); BVerfG, Beschl. v. 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08, Rn.  97 = NJW 2010, 3209 (3213); Dierlamm, in: MüKo-StGB, §  266 Rn.  173. 188  BVerfG, Beschl. v. 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08, Rn.  96 = NJW 2010, 3209 (3213); Dier-

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fasst kann eine Untreuestrafbarkeit des Vorstands im Sinne von §  266 Abs.  1 StGB demnach erst vorliegen, wenn er seine gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsoder Treuepflichten gegenüber dem Unternehmen verletzt hat. Zudem muss die Pflichtverletzung eine besondere Relevanz aufweisen,189 weshalb hier von einer „asymmetrischen Akzessorietät“ ausgegangen wird.190 Mithin tritt an dieser Stelle neben der Frage nach einer möglichen Innenhaftung eine weitere Facette der Frage hervor, ob ein Verhalten des Vorstands als pflichtgemäß zu bewerten ist: Die Frage nach der Pflichtmäßigkeit des Verhaltens zeitigt nicht nur unter Umständen haftungsrechtliche Konsequenzen, sondern bildet zugleich die „Untergrenze […] strafbaren Verhaltens“.191 So entfaltet ein durch §  93 Abs.  1 S.  2 AktG geschützter Handlungsspielraum auch Wirkung in den Bereich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Vorstands hinein,192 was den Stellenwert und das Bedürfnis von klaren Grenzen unternehmerischer Entscheidungen unterstreicht.193 In den prominenten Haftungsfällen der letzten Jahre wurden denn auch zivil- und strafrechtliche Verfahren regelmäßig parallel angestrengt.194 e. Die Rolle rechtlicher Beratung Vereinzelt wird angenommen, dass durch die ausgreifende Praxis der Einholung von Rechtsgutachten Haftungsrisiken für Vorstandsmitglieder ohnehin weitgehend nivelliert werden können.195 Auf diese Weise relativiere sich mit dem Stellenwert der BJR auch die Bedeutung der Frage nach ihrem konkreten Anwendungsbereich.196 Tatsächlich wird aus der Praxis von einer steigenden Nachfrage an Gutachten zur Absicherung von Organmitgliedern in den letzten Jahren berichtet.197 Zunächst erscheint es jedoch vor allem als Symptom von Unzulänglichkeiten des Haftungsrechts, wenn die Einholung von Rechtsgutachten bereits als routinemäßig institutionalisierter Bestandteil der Organtätigkeit eingeordnet wird: Die steigende Zahl von Rechtsgutachten dürfte vor allem darin begründet liegen, dass eine unausgewogene Beziehung einerseits zwischen den Unsicherheiten, die mit der Vorstandstätigkeit einhergehen und andelamm, in: MüKo-StGB, §  266 Rn.  173; Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, §  266 Rn.  18; Wittig, in: v. Heintschel-Heinegg, BeckOK-StGB, §  266 Rn.  35. 189  BGH, Urt. v. 06.12.2001 – 1 StR 215/01 = NJW 2002, 1585 (1587). 190  Dierlamm, in: MüKo-StGB, §  266 Rn.  174; Wittig, in: v. Heintschel-Heinegg, BeckOKStGB, §  266 Rn.  35. 191  Dierlamm, in: MüKo-StGB, §  266 Rn.  174. 192  Ebenso Seibert, in: FS Priester, 763 (772). 193  Vgl. Paefgen, AG 2014, 554 (582). 194  Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  I, S. E 11 (Fn.  5 m. w. N.). 195  Karbaum, AG 2013, 863 (866). 196  Karbaum, AG 2013, 863 (866). 197  Kritisch zu dieser Entwicklung Weber-Rey, NZG 2013, 766 (768 f.).

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rerseits dem Maß an haftungsrechtlichen Risiken und Unwägbarkeiten, welchem sich Vorstände vor diesem Hintergrund ausgesetzt sehen, besteht. Die in den letzten Jahren gegenüber den Vorständen „deutlich gesteigerte […] Anspruchsmentalität“198 dürfte zu dieser Bedrohung in der Praxis ihren Teil beitragen. Bestätigt wird dies durch die in rechtstatsächlicher Hinsicht gewachsene Bedeutung der Organhaftungsansprüche.199 Die Einholung fachkundigen Rechtsrats mag freilich in rechtlich anspruchsvollen bzw. komplexeren oder wichtigen Entscheidungsszenarien unverzichtbar und für einen sorgfältig handelnden Vorstand geboten sein.200 Dass rechtliche Beratung jedoch als standardisiertes Element jeder Vorstandstätigkeit behandelt wird, entspricht kaum mehr dem aktienrechtlichen Leitbild des eigenverantwortlich handelnden Vorstands.201 Vielmehr droht hier die Gefahr, dass, wie Harbarth in anderem Zusammenhang anmerkt, „Juristen und nicht Unternehmer unternehmerische Entscheidungen determinieren, weil diese aus Furcht vor Haftungsrisiken die Sehweise der Juristen antizipieren“.202 Indessen hilft rechtlicher Rat dem Vorstand auch nur bei Rechtsfragen, nicht aber bei zahlreichen typischen unternehmerischen i. S. v. kaufmännisch zu bewertenden Entscheidungen, deren Risiken auf tatsächlicher und nicht auf rechtlicher Ebene zu verorten sind. Zudem kostet die Einholung von Gutachten neben ökonomischen auch zeitliche Ressoucen und stellt sich als nicht zu unterschätzende Kostenfrage für das Unternehmen dar.203 Schließlich eignet sich, über diese Erwägungen hinaus, die Möglichkeit einer Einholung von rechtlichem Rat ohnehin nicht unbedingt, um die aktienrechtlichen Haftungsregeln wesentlich einzudämmen; bislang ist nicht endgültig herausgearbeitet, unter welchen Umständen sich ein Vorstandsmitglied überhaupt auf rechtlichen Rat verlassen kann.204 Im „ISION“-Urteil hat der BGH dafür strenge Kriterien aufgestellt, die nach wie vor offene Fragen und entsprechenden Diskussionsstoff belassen.205 Die ausgreifende Praxis der Einholung von Rechtsgutachten stellt sich nach alldem mehr als Teil des Problems, denn als Teil der Lösung dar und scheint 198 

Sieg, in: Terbille/Höra, MAH-Versicherungsrecht, §  17 Rn.  21. Vgl. abermals oben Teil 1 §  1 A. 200  Dazu Sander/Schneider, ZGR 2013, 725 ff.; vgl. auch Langenbucher, in: FS Lwowski, 333 (335 ff.). 201  Dazu oben Teil 2 §  1 B. I. 1. 202  Harbarth, in: FS Hommelhoff, 323 (325). Weitergehend Weber-Rey, NZG 2013, 766 (769) („[…] wünschenswert, Berater sähen nicht so viel Anlass, aus der Angst vor Haftungsrisiken Kapital zu schlagen“). 203  Prägnant Dauner-Lieb, in: FS Röhricht, 83 (102) – „Jede Minute, die der Vorstand mit Rechtsfragen beschäftigt ist, widmet er sich eben nicht dem Markt, seinen Produkten, seinen Kunden, seiner Konkurrenz.“ 204  Siehe dazu unten Teil 3 §  1 D. II. 2. 205  Siehe dazu unten Teil 3 §  1 D. II. 2. 199 

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jedenfalls nach diesen Überlegungen nicht die Effekte der aktienrechtlichen Haftung zu marginalisieren. 4. Zwischenergebnis Angesichts des §  93 Abs.  2 S.  1 AktG sehen sich die Vorstandsmitglieder bei der Wahrnehmung ihrer Tätigkeit für das Unternehmen im Innenverhältnis einem strengen Haftungsmaßstab und – wie jüngste Beispiele zeigen – mitunter heftigen haftungsrechtlichen Konsequenzen ausgesetzt. Die bereits früher befürchtete Annäherung des Haftungstatbestands von §  93 Abs.  2 S.  1 AktG an „eine Art Garantiehaftung […] für jede nachgewiesene Vermögensminderung“206 scheint vor allem angesichts des weit gefassten Schadensbegriffs, des extensiven Verschuldensmaßstabes und der mangelnden Freistellungsmöglichkeiten nicht völlig fernzuliegen.207 Zudem ist der Aufsichtsrat grundsätzlich dazu verpflichtet, Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand geltend zu machen, und er läuft Gefahr, sich anderenfalls selbst dem Vorwurf pflichtwidrigen Handelns auszusetzen. Versäumt er die Geltendmachung, so bietet das Aktiengesetz weitere Möglichkeiten für die Hauptversammlung oder einen Teil der Aktionäre, die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zu verfolgen. An Semlers Einschätzung aus der Entstehungszeit des UMAG, nach der in materieller Hinsicht eine „strengere Haftungsnorm kaum vorstellbar“208 sei, hat sich somit mehr als zehn Jahre später nichts geändert. Die Bedeutung der Haftungsnormen für den Vorstand wird zudem durch die immaterielle Belastung bzw. soziale Tragweite von Haftungsprozessen sowie durch ihre Funktion als Schwelle zur strafrechtlichen Haftung potenziert. Die Möglichkeit, rechtlichen Rat einzuholen, scheint überdies den Stellenwert der haftungsrechtlichen Vorschriften nicht zu nivellieren.

206  Thümmel/Sparberg, DB 1995, 1013 (1015); zustimmend Horn, ZIP 1997, 1129 (1134); ähnl. Thümmel, DB 1997, 261. 207  Im gleichen Sinne auch Habersack, ZHR 177 (2013), 782 (794) (Organhaftung könne „im theoretischen und konzeptionellen Ausgangspunkt […] kaum schärfer sein“); Koch, NZG 2014, 934 (934 f.); Semler, AG 2005, 321 („[…] ist der allgemeine aktienrechtliche Haftungstatbestand seit jeher so definiert, dass eine strengere Haftungsnorm kaum vorstellbar ist“); Spindler, AG 2013, 889 (890) („Vorstand [muss] unverkennbar […] ein hinsichtlich unternehmerischer Tätigkeit außerordentlich hohes Risiko tragen“); Strohn, CCZ 2013, 177 (184), der für „Geschäftsleiter einer deutschen Kapitalgesellschaft einen hohen Pflichten- und Verschuldensmaßstab“ konstatiert; Vetter, NZG 2014, 921 (921 f.); Wagner, ZHR 178 (2014), 227 (232 ff.); ferner Hopt, ZIP 2013, 1793 (1802) („Tsunami an Haftungsverschärfung“). 208  Semler, AG 2005, 321.

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II. Resultierende Konflikte und Regelungsanliegen der BJR 1. Risikoaversion Haftungsnormen können präventive Wirkung entfalten, indem sie gegenüber ihren Adressaten durch die Drohung mit Sanktionen verhaltenssteuernde Anreize setzen.209 Auf diese Weise soll auch im Falle von §  93 Abs.  2 S.  1 AktG – neben der intendierten Schadenskompensation – die gründliche Wahrnehmung der den Organen obliegenden Sorgfalts- und Treuepflichten forciert werden.210 Ein an die Anreizstruktur der Haftungsnormen angepasstes Verhalten von Vorstandsmitgliedern müsste allerdings zum Schutz vor persönlicher Inanspruchnahme darauf gerichtet sein, potentielle Risiken zu vermeiden, um sich als handelnder Akteur nicht dem Vorwurf einer Pflichtverletzung auszusetzen.211 Das gilt besonders vor dem Hintergrund, dass der Vorstand nicht im gleichen Maße wie die Aktionäre als Eigentümer unmittelbar vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens profitiert, wohl aber in einem Haftungsfall persönlich die Folgen risikoreichen Verhaltens und möglicher Fehlschläge trägt.212 Verstärkt wird diese Bedrohung durch die scharfe Ausgestaltung des §  93 Abs.  2 S.  1 AktG.213 Die „Bereitschaft, […] Chancen wahrzunehmen und Risiken einzugehen“214 und so „aus Risiko Erfolg zu machen“215 bildet aber zugleich nach allgemeiner Ansicht die Grundlage unternehmerischen Handelns.216 Dabei muss permanent „komplexe[n] Entscheidungssituationen und erhebliche[n] Unsicherheiten“217 mit

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Ruffner, ZSR 119 (2000), 195 (210 f.). Dazu bereits oben Teil 2 §  1 C. I. 1. 211  Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281 (2284); Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  I, S. E 22; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  88; Mertens/Cahn, KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  13 unter Einbezug des sogleich darzustellenden Rückschaufehlers; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  47 f. 212  Siehe dazu Wagner, ZHR 178 (2014), 227 (257 f.) mit Beispielsfall; desw. z. B. Lutter, in: Das Unternehmerbild in der sozialen Marktwirtschaft, 150 (151): „Man kann dem Manager nicht auflasten, dass er das Risiko der unternehmerischen Entscheidung trägt, während, wenn es gut ausgeht […] der Eigentümer, der Aktionär den Vorteil davon hat“. Freilich ist eine wirtschaftliche Anteilnahme seitens des Vorstands zu konzedieren, sofern dieser etwa Aktienoptionen als Teil seiner Vergütung erhält. 213  Vgl. oben Teil 2 §  1 C. I. 214  Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  88. 215  Lutter, in: Das Unternehmerbild in der sozialen Marktwirtschaft, 150 (152). 216  Siehe etwa BGH, Beschl. v. 24.02.1997 – II ZB 11/96 = NJW 1997, 1923 (1925) („im modernen Wirtschaftsleben […] unumgängliche Bereitschaft […] wirtschaftliche Wagnisse einzugehen“); der Vorstand müsse als Unternehmer, so Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  66, „typischerweise Risiken eingehen, so dass […] [ihm] nicht etwa die Pflicht auferlegt werden kann, alle Maßnahmen zu unterlassen, die möglicherweise der Gesellschaft zum Nachteil gereichen könnten“; Haas/Ziemons, in: Ziemons/Jaeger, BeckOK-GmbHG, §  43 Rn.  94. 217  Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S.  21. 210 

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dem Ziel, zu „Wagen un Winnen“218, begegnet werden. Unsicherheiten resultieren dabei etwa aus herrschendem Zeitdruck 219, der Notwendigkeit von Prognosen 220, der Konkurrenzsituation 221, der Komplexität222 zu bewertender Umstände ebenso wie aus Marktrisiken.223 Der Vorstand muss bereit sein, Chancen zu ergreifen, die sich dem Unternehmen bieten, ebenso wie er bereit sein muss, möglicherweise notwendige Anpassungen des Unternehmens an veränderte Marktsituationen vorzunehmen.224 Verhält er sich im Gegenteil möglichst zurückhaltend und versucht, jegliches Risiko auszuschließen bzw. zu umgehen, gefährdet er die Entwicklung des Unternehmens.225 Damit ist zunächst die Interessenlage von Arbeitnehmern und Gläubigern betroffen, denen regelmäßig an wirtschaftlicher Stabilität des Unternehmens und damit einem sicheren Arbeitsplatz gelegen ist.226 Vor allem betrifft ein solches Verhalten aber auch die Interessensphäre der Aktionäre: Da die von ihnen erwartete Rendite regelmäßig in einem Verhältnis zum Risiko ihrer Anlage steht, haben sie aufgrund ihrer Gewinnerwartungen ein Interesse daran, dass der Vorstand nicht vor Risiken ausweicht, sondern die Bereitschaft zeigt, Risiken einzugehen.227 Eines Schutzes der von ihnen gehaltenen Werte durch ein besonders zurückhaltendes Management bedürfen sie nicht, da sie ihr Aktienportfolio im Sinne ihrer persönlichen 218  So zitiert Ihrig, WM 2004, 2098 in diesem Zusammenhang ein ostfriesisches Kaufmannsmotto. 219  Fleischer, NZG 2011, 521 (522); Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats, S.  9. 220  Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  93 AktG Rn.  17; Mertens/Cahn, KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  19; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  44. 221  Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats, S.  12 f.; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  43. 222  Fleischer, NZG 2011, 521 (522); Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats, S.  12 f.; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  44 f. 223  Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  93 AktG Rn.  17; Fleischer, NZG 2011, 521 (522); Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats, S.  10; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  43. 224  Vgl. nochmals BGH, Beschl. v. 24.02.1997 – II ZB 11/96 = NJW 1997, 1923 (1925). 225  Harbarth, in: FS Hommelhoff, 323 (324 f.): „Die Anwendung risikoloser Geschäftspraktiken bedeutete in einem kompetitiven Umfeld nicht Wahrung des Status quo, sondern Rückschritt und auf lange Sicht den wirtschaftlichen Ruin“; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  48. 226  Vgl. Daum/Petzold/Pletke, BWL für Juristen, S.  266; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S.  204. 227  Fleischer, in: ZIP 2004, 685 (685 f.); ders., NZG 2011, 521 (522 f.); Holle, AG 2011, 778 (782); Kuntz, GmbHR 2008, 121 (122); Langenbucher, DStR 2005, 2083 (2084) (Der Vorstand „wird von den Anteilseignern mit der Führung der AG betraut, weil man sich von ihm das Erzielen möglichst hoher Erträge erhofft. Seine Aufgabe liegt deshalb nicht in der Reduktion von Risiken, sondern gerade umgekehrt in der Suche nach dem rechten Maß an Risikobereitschaft“); Parmentier, in: Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  2 Rn.  204; gleichsinnig Harbarth, in: FS Hommelhoff, 323 (324 f.); zum Verhältnis zwischen Risiko und Ertrag und entsprechenden Berechnungsmethoden (CAPM) etwa Brealey/Myers/Allen, Principles of Corporate Finance, S.  220 ff.

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Risikoneigung diversifizieren können.228 Auch aus volkswirtschaftlicher Per­ spektive ergibt sich das Bedürfnis, übertrieben risikoaversem und damit innovations- und entwicklungshemmendem Verhalten von Geschäftsleitern entgegenzuwirken.229 Zudem dürften sich geeignete Kandidaten für Vorstandsämter nicht mehr in ausreichender Zahl finden lassen, wenn sich diese bei ihrer Arbeit permanent Haftungsrisiken für fehlgeschlagene Entscheidungen ausgesetzt sehen würden.230 Dies wird noch durch den Umstand verschärft, dass es – wie Harbarth anmerkt – ab einem „gewissen Komplexitätsgrad […] garnicht möglich ist, gefahrlos zu handeln“.231 Beruhend auf diesen Annahmen wird vertreten, dass §  93 Abs.  1 S.  2 AktG zur Überwindung möglicher Risikoaversion des Vorstands diene, um ein „[L]ähmen der Inititative des Managements“232 zu vermeiden.233 Der Schutz vor Risikoaversion entspricht auch den früher formulierten Grundgedanken des Geschäftsleiter- bzw. unternehmerischen Ermessens.234 228  Fleischer, NZG 2011, 521 (522); Holle, AG 2011, 778 (781 f.); Parmentier, in: Ekkenga/ Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  2 Rn.  202; grundlegend Brealey/Myers/Allen, Principles of Corporate Finance (10. Aufl. 2011), S.  196 ff. 229  Pointiert Brömmelmeyer, WM 2005, 2065 (2066): „Tatsächlich lebt die Marktwirtschaft von der Risikobereitschaft der Marktakteure. Findet sich niemand, der in neue Produkte investiert, so verliert der Innovationswettbewerb seine Dynamik. Kostenintensive – also potentiell riskante – Investitionen unterbleiben. Der Innovationswettbewerb als Entdeckungsverfahren (von Hayek) bedarf jedoch der Entdecker, so dass Risikobereitschaft generell positiv zu bewerten und nicht als Pflichtverletzung i. S. von §  93 Abs.  2 AktG einzustufen ist – auch nicht, wenn sich das Risiko später als Schaden verwirklicht. Die Risiko- und Rollenverteilung im Kapitalgesellschaftsrecht ist eindeutig: Unternehmerische Fehlentscheidungen des Vorstands sind Teil des unternehmerischen Risikos der Aktionäre; sie können dieses Risiko steuern, sie können es aber nicht i. S. einer Erfolgshaftung auf den Vorstand abwälzen“; Ruffner, ZSR 119 (2000), 195 (205 f.), vgl. insb. a. a. O., 206: „Volkswirtschaftlich wünschbare Entwicklungen in Zukunftsbranchen sind vielfach nur um den Preis des individuellen Scheiterns einzelner Gesellschaften und Unternehmer zu haben“; desw. Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (228): „Unternehmerischer Erfolg ist ohne das Eingehen von Risiken, ohne das Verlassen ausgetretener Pfade bzw. das rasche Handeln ohne umfassende Absicherung bei kurzfristigen Marktturbulenzen im Einzelfall nicht denkbar“; Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  21 f.; Fleischer, in: Spindler/ Stilz, AktG, §  93 Rn.  60; Haas/Ziemons, in: Ziemons/Jaeger, BeckOK-GmbHG, §  43 Rn.  94.1; Koch, ZGR 2006, 769 (782); vgl. auch Parmentier, in: Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  2 Rn.  203 und 205. 230  Harbarth, in: FS Hommelhoff, 323 (325); Kuntz, GmbHR 2008, 121 (122, s. dort auch Fn.  13 m. w. N.); Parmentier, in: Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  2 Rn.  204; Ruffner, ZSR 119 (2000), 195 (211). 231  Harbarth, in: FS Hommelhoff, 323 (325). 232  Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, §  15 III 5 b). 233  Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  60; Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281 (2284); Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, §  15 III 5 b); Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  8; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  88 f.; Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S.  21 f.; Parmentier, in: Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  2 Rn.  203. 234  Siehe nur BGH, Beschl. v. 24.02.1997 – II ZB 11/96 = NJW 1997, 1923 (1925): „Die Sorge vor persönlicher Haftung kann, wie in der gegenwärtigen Diskussion um eine Verschärfung der Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat zu Recht geltend gemacht worden ist […], den Unterneh-

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Das bestätigen die Grundsätze der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung: Unternehmerische Tätigkeit umfasse „neben dem bewußten Eingehen geschäftlicher Risiken grundsätzlich auch die Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen, der jeder Unternehmensleiter, mag er auch noch so verantwortungsbewußt handeln, ausgesetzt ist“.235 Dabei ist nicht allein ein „Schutz vor einer […] Haftung für nicht erkennbare zukünftige Entwicklungen“236 – also allgemeinen Marktrisiken – gemeint; vielmehr sind mit „Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen“ auch Risiken eingeschlossen, die in der Verhaltenssphäre des jeweils handelnden Geschäftsleiters begründet liegen. Vor diesem Hintergrund müsse dem Vorstand insgesamt ein „weiter Handlungsspielraum zugebilligt“ werden.237 Auch hinsichtlich der US-amerikanischen BJR stellt sich die Verhinderung von Risikoaversion als zentrales Rechtfertigungsmotiv dar, was der Delaware Court of Chancery in der Entscheidung Gagliardi vs. Trifoods International deutlich zum Ausdruck gebracht hat, indem er die BJR als „first protection against a threat of sub-optimal risk acceptance“ beschrieb.238 Sie ermögliche dem Unternehmen im Interesse der Anteilseigner „to accept in rank order all positive net present value investment projects available to the corporation, starting with the highest risk adjusted rate of return first“,239 also die nach wirtschaftlichen Kennziffern 240 aussichtsreichsten Projekte trotz korrespondierender Risiken einzugehen. Eine ähnliche Position wurde in der Entscheidung Joy vs. North bezogen.241

mensleiter auch zu einem übertrieben defensiven Verhalten veranlassen, das zum Schaden der Gesellschafter und Gläubiger der Gesellschaft dazu führt, daß neue risikobehaftete Geschäftschancen nicht wahrgenommen werden, mit der Folge, daß das Unternehmen im schlimmsten Falle den Anschluß an die wirtschaftliche Entwicklung verpaßt“; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S.  171 („Recht auf Irrtum“); vgl. auch den Nachw. zum AktG 1937 bei Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  8 sowie Roth, Unternehmerisches Ermessen, S.  49. 235  BGH, Urt. v. 21.04.1997, II ZR 175/95 = NJW 1997, 1926 (1927). 236  Hoor, DStR 2004, 2104 (2105). 237  BGH, Urt. v. 21.04.1997, II ZR 175/95 = NJW 1997, 1926 (1927). 238  Gagliardi v. Trifoods International Inc., 683 A.2d 1049, 1052 (1996); Allen/Kraakman/Subramanian, Law of Business Organization, S.  220; Brömmelmeyer, WM 2005, 2065 (2066). 239  Gagliardi v. Trifoods International Inc., 683 A.2d 1049, 1052 f. (1996); Allen/Kraakman/ Subramanian, Law of Business Organization, S.  219. 240  Zum Net Present Value vgl. etwa Brealey/Myers/Allen, Principles of Corporate Finance, S.  51; Schierenbeck/Wöhle, Grundzüge der BWL, S.  408 ff. 241  Die relevante Passage lautet: „[…] because potential profit often corresponds to the potential risk, it is very much in the interest of the shareholders that the law [does] not create incentives for overly cautious corporate decisions“, Joy v. North, 692 F.2d 880, 886 (1982); Harbarth, in: FS Hommelhoff, 323 (325); Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  48 (Fn.  105).

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2. Drohende Verzerrung richterlicher Bewertung durch Rückschaufehler Die haftungsrechtliche Disposition des Vorstands wird des Weiteren durch verhaltenspsychologische Phänomene verschärft, mit deren Auftreten bei der forensischen Aufarbeitung von Haftungsvorwürfen zu rechnen ist. Den Ausgangspunkt der Überlegung bildet der Umstand, dass ein Schadensersatzprozess naturgemäß erst stattfinden kann, wenn ein Ereignis einen ungewollten Verlauf genommen hat und ein Schaden eingetreten ist. Bei der richterlichen Bewertung entstehen vor diesem Hintergrund Verzerrungen, da sich, wenn bekannt ist, welchen Verlauf die Ereignisse tatsächlich genommen haben, vergangene Ereignisse kaum mehr neutral bewerten lassen.242 Vielmehr wird es regelmäßig in einem Prozess, in dem ein Ereignis zu bewerten ist – dessen Eintritt aus früherer Perspektive noch unwahrscheinlich erschienen sein mag – dazu kommen, dass aufgrund der Kenntnis des tatsächlichen Geschehens der Eintritt des Ereignisses als wesentlich naheliegender bzw. vorhersehbarer bewertet wird.243 Der Beurteilende – also im Fall eines Prozesses der Richter – wird unter dem Einfluss der Kenntnis des tatsächlichen Geschehensablaufs regelmäßig dazu neigen, den Schadenseintritt wahrscheinlicher einzuschätzen als dies aus einer Perspektive, in der ihm der tatsächliche Verlauf der Ereignisse nicht bekannt war, der Fall gewesen wäre.244 Dieses Phänomen wurde erstmals von ­Baruch Fischoff beschrieben 245 und als Rückschaufehler bzw. „hindsight bias“ bekannt.246 Die Konsequenz kann und wird somit regelmäßig in einer unzutreffenden, zumindest tendenziösen Rekonstruktion vergangener Sachverhalte und damit in einem Urteil zulasten dessen liegen, der für den Schaden verantwortlich ist.247 Rückschaufehler zählen zu den prominentesten Gründen, mit denen vor allem im US-amerikanischen Schrifttum und der Gerichtspraxis die Notwendigkeit der BJR als Begrenzung der richterlichen Kontrolle von Vorstands­ 242  Fleischer, NZG 2011, 521 (522); Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281 (2284); Steinbeck/Lachenmaier, NJW 2014, 2086 (2089). 243  Fleischer, NZG 2011, 521 (522); Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281 (2284); Grundei/v. Werder, AG 2005, 825 (828 f.; vgl. auch a. a. O. Fn.  41 m. w. N.); Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  46 f.; Steinbeck/Lachenmaier, NJW 2014, 2086 (2089). 244  Pointiert Enriques/Hansmann/Kraakman: „Hindsight bias can make even the most reasonable managerial decision seem reckless ex post“, dies., in: Kraakman et al., Anatomy of Corporate Law, S.  79; Fleischer, NZG 2011, 521 (522); Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281 (2284); Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  88; Mertens/Cahn, KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  13; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  46 f.; Steinbeck/Lachenmaier, NJW 2014, 2086 (2089 f.). 245  Fischoff, in: J. Exp. Psychol. 1975, 288 ff.; Rachlinski, in: Sunstein, Behavioural Law and Economics, 95 (112, Fn 1). 246  Siehe etwa Rachlinski, in: Sunstein, Behavioural Law and Economics, 95 ff.; Steinbeck/ Lachenmaier, NJW 2014, 2086 (2089); desw. Kahneman, Schnelles Denken, langsames Denken, S.  250 ff. 247  Steinbeck/Lachenmaier, NJW 2014, 2086 (2089 ff.).

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tätigkeiten begründet wird.248 Das gilt mittlerweile auch für das deutschsprachige Schrifttum.249 Das Maß, mit dem der Umgang mit diesem Phänomen im Kontext des UMAG Einzug in die juristische Literatur gehalten hat, darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich dabei aus deutscher Perspektive um keine grundsätzlich neue Erkenntnis handelte, sondern diese bereits Jahrzehnte vorher – mit den Worten Bachmanns – schon als der „entscheidende […] Eckpfeiler der BJR gesetzt“ war.250 Der BGH formulierte bereits im Jahre 1979 in der „Herstatt“-Entscheidung, dass bei rückwirkender richterlicher Bewertung eine rein objektive Sichtweise der jeweiligen Entscheidung nicht in Frage kommen dürfe.251 Namentlich sei bei einer „ohne Verletzung der Gebote kaufmännischer Sorgfalt und Vorsicht […] als sinnvoll betrachte[ten] […]“ Entscheidung irrelevant, ob sich die frühere, entscheidungsbegründende „Einschätzung der wirtschaftlichen Gegebenheiten“ durch die handelnden Organe „bei rückblickender Betrachtung in allen Punkten als objektiv richtig erweist“.252 Demnach musste bereits nach Maßgabe des „Herstatt“-Urteils aus ex-ante-Perspektive in einem Haftungsprozess bewertet werden, ob das Organ im jeweiligen Fall von der Zweckmäßigkeit der von ihm vorgenommenen Maßnahme ausgehen durfte.253 Indem der BGH in diesem Urteil das „Verbot, aus späterer besserer Erkenntnis auf vorheriges Versagen zu schließen“ (Bachmann), formulierte, wurde der richterliche Umgang mit dem problematischen Phänomen des „hindsight bias“ somit bereits Jahrzehnte vor seiner Diskussion unter dem neuen Schlagwort in der Fachöffentlichkeit vorgezeichnet.254 Zuweilen wird an der Begründung eines Ermessensspielraums mit dem Schutzbedarf vor Rückschaufehlern kritisiert, dass für andere gesellschaftliche Bereiche „unsicherer“ Handlungen keinerlei entsprechende Regelung besteht, so etwa keine „Medical Judgment Rule“ für Ärzte oder andere Entscheidungsträger, und zudem Gerichte grundsätzlich über vergangene Ereignisse bzw. Verhaltensweisen urteilen müssen.255 Gleichwohl kann hier durchaus eine unter248  Fleischer, NZG 2011, 521 (522 in Fn.  17); sowie ders., RIW 2010, 337 (341); Rachlinski, in: Sunstein, Behavioural Law and Economics, 95 (109 ff.); Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  76 Rn.  32 (Fn.  122); ders., a. a. O., §  93 Rn.  41 (Fn.  188). 249  Vgl. neben den Hinweisen aus der vorstehenden Fn. etwa Bachmann, ZHR 177 (2013), 1 (4 ff.); Berger/Frege/Nicht, NZI 2010, 321 (323); Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (229); Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  63; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  8; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  36; Wagner, ZHR 178 (2014), 227 (258). 250  Bachmann, ZHR 177 (2013), 1. 251  BGH, Urt. v. 09.07.1979, II ZR 118/77 = NJW 1979, 1823 ff.; Bachmann, ZHR 177 (2013), 1; dazu etwa Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S.  77 f. 252  BGH, Urt. v. 09.07.1979, II ZR 118/77 = NJW 1979, 1823 (1827). 253  Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S.  78. 254  Bachmann, ZHR 177 (2013), 1. 255  Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  33 f.; v. Falkenhausen, NZG 2012, 644 (647 f.); Kuntz, GmbHR 2008, 121 (121 f.); Parmentier, in:

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Teil 2: Die Grundlagen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG

schiedliche Behandlung geboten sein. Innovation, damit Fortschritt und wirtschaftliche Konjunktur können nicht ohne Risiko stattfinden, weshalb das Eingehen von Risiken von der Aufgabe des Unternehmers, die dem Vorstand innerhalb der Aktiengesellschaft obliegt, nicht zu trennen ist.256 Der Vorstand soll im Gegensatz zum Arzt gerade Risiken eingehen, denen sich die Aktionäre durch Anteilserwerb freiwillig aussetzen können.257 Ein Arzt dagegen soll sich vielmehr so wenig risikoreich wie möglich verhalten, indem er nach einer Anamnese und daraus resultierenden Diagnose ein lege artis probates und damit erfolgversprechendes Mittel verwenden soll;258 nichts anderes dürfte im Ergebnis für die meisten Dienstleistungen gelten. Kein Patient würde einen Arzt auswählen, der sich bei Anamnese und anschließender Behandlung nicht möglichst risikoarmer Behandlungsmethoden bedient. Risikoreiche Innovation und Wagnis oder gar „schöpferische Zerstörung“ sind im Gegensatz zur unternehmerischen Tätigkeit gerade keine Elemente, die eine ärztliche Behandlung typischerweise charakterisieren.259 Insbesondere stehen einem Arzt grundsätzlich auch erlernte Regeln der Kunst zur Verfügung, die er anwenden kann und muss; die Wahl antizyklischer oder innovativer Vorgehensweisen in unsicheren Lagen ist gerade nicht seine zentrale Aufgabe.260 Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen erscheinen Maßnahmen zur besonderen Rücksichtnahme auf die Gefahr von Rückschaufehlern im Bereich der unternehmerischen Organhaftung durchaus geboten.261

D. Zusammenfassung und Ergebnis von §  1 Zur Ermittlung des Zwecks von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG sind – neben der amtlichen Gesetzesbegründung – die Rechtsprechung des BGH im „ARAG/Garmenbeck“-Urteil sowie der „Grundgedanke eines Geschäftsleiterermessens“ aus Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung (2014), Kap.  2 Rn.  206; allgemeiner Langenbucher, DStR 2005, 2083 (2086). 256  Siehe dazu die Ausführungen oben bei Teil 2 §  1 C. II. 1. 257  Arkes/Schipani, OLR 73 (1994), 587 (623, 629 f.). 258  Arkes/Schipani, OLR 73 (1994), 587 (624 ff.); Cobe/Kling, NZG 2015, 48 (51); Kocher, CCZ 2009, 215 (216). 259  Gleichsinnig Arkes/Schipani, OLR 73 (1994), 587 (623). 260  Arkes/Schipani, OLR 73 (1994), 587 (624 ff.). Freilich sind Sonderfälle denkbar, in denen – etwa in der Behandlung einer akut lebensbedrohlichen Situation durch einen Notarzt – das Leben eines Patienten auf dem Spiel steht und nur ein risikoreiches Mittel Aussicht auf Rettung versprechen mag. Das ist aber eine andere Situation, da hier die mit einer ungewissen Behandlung verbundenen Risiken für den Patienten immer noch „günstiger“ sein dürften als die ungehinderte Fortentwicklung des pathologischen – zum Tode führenden – Zustandes. Das führt zu dem Ergebnis, dass in diesem Fall ein Arzt, der ein ungewisses Mittel einsetzt, im Ergebnis immer noch tendenziell „risikoavers“ handelt. 261  Ebenso bereits Arkes/Schipani, OLR 73 (1994), 587 (637).

§  2 Die funktionale Ausgestaltung von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG

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dem deutschen Recht heranzuziehen.262 Anhaltspunkte für die Interpretation können ferner die Varianten der im angelsächsischen Recht geltenden BJR ­liefern.263 Die BJR bildet zunächst ein institutionelles Korrelat zur eigenverantwortlichen Leitung der AG durch den Vorstand.264 Sie dient so namentlich der Funktionsfähigkeit der Vorstandsamts, indem sie den Vorstand in seiner Entscheidungsfreiheit gegenüber dem Einfluss einzelner, am Unternehmen beteiligter Gruppen stärkt und insbesondere verhindert, dass die Bewertung wirtschaftlicher Entscheidungen in die Hände von Richtern gelegt und auf diese Weise „Managerermessen durch Richterermessen ersetzt“265 würde. Der Vorstand sieht sich im Innenverhältnis der Gesellschaft einem scharf ausgestalteten Haftungsmaßstab ausgesetzt, der wie ein Damoklesschwert über seiner Tätigkeit schwebt.266 Dies entschärft auch die Praxis des Abschlusses von D&O-Versicherungen nicht wesentlich. Die so entstehende Haftungsbedrohung ruft Verhaltenskonflikte hervor, die im Wesentlichen bereits vor Einführung von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG bekannt waren und gleichwohl unvermindert aktuell sind. Das entscheidende Problem ist, dass der Vorstand durch den strengen Haftungsmaßstab des §  93 Abs.  2 S.  1 AktG angehalten wird, Risiken zu vermeiden, erfolgreiches unternehmerisches Werben aber gerade auch das Eingehen von Risiken erfordert.267 Insofern erweist es sich als Zweck des von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG intendierten Entscheidungsspielraums, risikoaversem Verhalten des Vorstands im Interesse des Unternehmens einschließlich der daran beteiligten Anteilseigner und der sonstigen, in die Unternehmenstätigkeit involvierten „Stakeholder“ entgegenzuwirken. In diesem Zusammenhang soll die Regelung auch richterliche Bewertungsverzerrungen in Form von Rückschaufehlern eindämmen.

§  2 Die funktionale Ausgestaltung von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG A. Übersicht Neben dem Zweck des §  93 Abs.  1 S.  2 AktG ist nunmehr die tatbestandliche Ausgestaltung der Norm als zweite Vorbedingung der Frage nach ihrem Anwendungsbereich zu untersuchen. Dabei ist zu ermitteln, ob die Norm ein haf262 

Siehe oben Teil 2 §  1 A. II. 2. a. und b. Siehe oben Teil 2 §  1 A. II. 2. c. 264  Siehe oben Teil 2 §  1 B. 265  Thümmel, DB 2004, 471 (472). 266  Siehe oben Teil 2 §  1 C. 267  Siehe oben Teil 2 §  1 C. II. 263 

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Teil 2: Die Grundlagen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG

tungsrechtliches Privileg für den Vorstand darstellt. Dazu werden zunächst die einzelnen Tatbestandsmerkmale sowie die dogmatische Einordnung der Funk­ tion von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG betrachtet. I. Die Tatbestandsmerkmale im Einzelnen Gemäß §  93 Abs.  1 S.  2 AktG liegt „eine Pflichtverletzung […] nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“. Die Gesetzesbegründung teilt die Voraussetzungen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG in „fünf […] teils implizite […] Merkmale“ ein.268 Dies sind – neben der für die Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs relevanten und im dritten Teil der Arbeit zu untersuchenden unternehmerischen Entscheidung – „Gutgläubigkeit, Handeln ohne Sonderinteressen und sachfremde Einflüsse, Handeln zum Wohle der Gesellschaft und Handeln auf der Grundlage angemessener Information“.269 Sofern diese Merkmale erfüllt sind, liegt nach der Formulierung von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG „eine Pflichtverletzung nicht vor“. II. Funktionsweise des Ausschlusses einer Pflichtverletzung Laut der Gesetzesbegründung handelt es sich bei dem Ausschluss einer Pflichtverletzung um eine „Tatbestandseinschränkung“ gegenüber dem Innenhaftungstatbestand des §  93 Abs.  2 S.  1 AktG.270 Die Einschränkung würde erreicht, indem der „Bereich des unternehmerischen Handlungsspielraums aus dem Tatbestand der Sorgfaltspflichtverletzung“ – also einer der konkreten tatbestandlichen Voraussetzungen des Innenhaftungsanspruchs – ausgegrenzt wird.271 Andere Autoren schließen sich dieser Sichtweise unter der Annahme gleicher Konsequenzen, aber unter der Bezeichnung als „Tatbestandsausschlussgrund“ an.272 Gegen diese Einordnung wird vorgebracht, dass §  93 Abs.  1 AktG anders als §  93 Abs.  2 S.  1 AktG keinen selbständigen Haftungstatbestand bilde und demnach auch keine Einschränkung zu einem solchen darstellen könne.273 Des Weiteren wird vertreten, §  93 Abs.  1 S.  2 AktG stelle bei Vorliegen seiner Voraussetzungen eine „unwiderlegliche Rechtsvermutung“ 268 

BT.-Drucks. 15/5092, S.  11. BT.-Drucks. 15/5092, S.  11. 270  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11; gleichsinnig etwa Seibert, in: FS Priester, 763 (772) („Die Business Judgment Rule des UMAG wirkt am Tatbestand.“). 271  Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  15. 272  Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  93 AktG Rn.19; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  65; ders., in: MüKo-GmbHG, §  43 Rn.  79 m. w. N. 273  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  14. 269 

§  2 Die funktionale Ausgestaltung von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG

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zugunsten pflichtgemäßen Vorstandshandelns auf:274 Auf Grund dieser Vermutung sei eine weitere Prüfung des möglicherweise pflichtverletzenden Verhaltens ausgeschlossen, indem von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG erfasstes Verhalten als pflichtgemäß i. S. v. §  93 Abs.  2 S.  1 AktG zu behandeln sei. Letztlich dürfte es indes keinen Unterschied machen, welcher der vorgenannten Ansichten über die dogmatische Natur gefolgt wird, da eine Pflichtverletzung bei Vorliegen der Tatbestandsmerkmale jedenfalls ausgeschlossen wird.275

B. Handeln „zum Wohle der Gesellschaft“ Der Vorstand muss zunächst gem. §  93 Abs.  1 S.  2 AktG angenommen haben, „zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“. Zu untersuchen ist, ob mit diesem Merkmal eine Privilegierung besorgt wird. I. Inhalt des Merkmals Unter dem „Wohl der Gesellschaft“ sind verschiedene Parameter der Entscheidung des Vorstands zu überprüfen, denen sein Handeln genügen muss. 1. Allgemeine Zielrichtung Das „Wohl der Gesellschaft“ und damit die innerhalb von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG zu überprüfende Zielrichtung des Vorstandshandelns soll nach der Gesetzesbegründung „jedenfalls“ in der Verfolgung der „langfristigen Ertragsstärkung und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und seiner Produkte oder Dienstleistungen“ liegen.276 Dies schließe, über die Ebene des Einzelunternehmens hinaus, „auch das Wohl von Tochtergesellschaften und des Gesamtkonzerns“ ein.277 In diesem Sinne könnte es geboten sein, auf „kurzfristige Erzielung von Gewinn“ zugunsten „langfristige[r] Perspektiven und künftiger Geschäftschancen […] zu verzichten oder Kosten und Aufwendungen zu übernehmen“.278 Zudem merkt der Gesetzgeber auch an, dass §  93 Abs.  1 S.  2 AktG „Unbesonnen274  Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, §  93 Rn.  10; Harnos, Geschäftsleiterhaftung bei unklarer Rechtslage, S.  131 f.; Hopt, ZIP 2013, 1793, (1797); Jungmann, in: FS K. Schmidt, 831 (833); Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  38 Rn.  1525; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  14; ders., ZGR 2006, 769 (784); Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  15; U. Schmidt, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  93 AktG Rn.  79; im Ergebnis wohl auch Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  151 f. 275  Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  15. 276  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11. 277  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11; Spindler, MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  46. 278  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  56; ebenso Goette, in: Hdb. Corporate Governance, 713 (730).

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heit und Leichtsinn auf Kosten der Kapitalgeber und Arbeitnehmer keinen Vorschub leisten“ soll.279 Der Vorstand hat sich bei der Wahrnehmung seiner Leitungsaufgabe nach h. M. grundsätzlich am „pluralen“ Maßstab des Unternehmensinteresses zu orientieren.280 Vereinzelt wurde allerdings aus dem „Wohl der Gesellschaft“ eine Abkehr von dieser Zielrichtung und eine Ausrichtung des Vorstandshandelns auf die Aktionärsinteressen herausgelesen.281 Es stellt sich nun die Frage, wie sich der Maßstab des „Wohls der Gesellschaft“ zu den im Rahmen der Unternehmensleitung zu berücksichtigenden Interessen auswirkt. Wie im Schrifttum herausgearbeitet, lässt sich indes bereits der Aussage des Gesetzgebers, §  93 Abs.  1 S.  2 AktG sollte „Unbesonnenheit und Leichtsinn auf Kosten der Kapi­ tal­geber und Arbeitnehmer keinen Vorschub leisten“,282 entnehmen, dass der Gesetzgeber mit der BJR nicht nur die Berücksichtigung der Gewinnerzielungsinteressen zum Maßstab der Beurteilung des Vorstandshandelns machen wollte: Vielmehr ist davon auszugehen, dass dem Vorstand gerade nicht die Berücksichtigung von „Stakeholder“-Interessen bei der Artikulation des „Wohls der Gesellschaft“ verwehrt werden sollte.283 Nur ein solches Verständnis entspricht auch der teleologischen Anforderung an das Geschäftsleiterermessen, den Vorstand nicht lediglich im Sinne einer Zielrichtung zu binden, sondern ihm einen weiten, „interessenpluralen“ Spielraum zum Einbezug weiterer Entscheidungsdeterminanten einzuräumen.284 Dagegen käme es einer Reduktion des Vorstandsermessens auf den von einer Mindermeinung als Leitlinie erachteten Maßstab der Gewinnerzielung i. S. d. Gesellschaftsinteresses gleich, wollte man dem Vorstand den Einbezug weiterer Faktoren im Rahmen der BJR verwehren und das „Wohl der Gesellschaft“ als Abkehr von einem interessenplural verstandenen Leitungsauftrag verstanden wissen.285 Wenn die BJR wie nach hier vertretener Auffassung als geschriebene Umsetzung des Geschäftsleiterermessens zu verstehen ist, so muss ihre Interpretation auch den nach h. M. maßgeblich ermessensleitenden Zielvorgaben des Vorstandshandelns entsprechen bzw. deren Wahrnehmung zumindest erlauben. Indessen hat sich der Gesetzgeber, vermutlich angesichts der Streitigkeiten um die Frage des „Unternehmens-“ 279 

BT.-Drucks. 15/5092, S.  12. Siehe oben Teil 2 §  1 B. I. 2. 281  Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  146; Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (3. Aufl., Stand 01.10.2006), §  93 Abs.  1 S.  2, 4 nF Rn.  27 f. 282  BT.-Drucks. 15/5092, S.  12. 283  Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S.  239 f.; gleichsinnig Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  147 284  Siehe oben Teil 2 §  1 B. 285  Vgl. abermals Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (3. Aufl., Stand 01.10.2006), §  93 Abs.  1 S.  2, 4 nF Rn.  27 f.; bzw. Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  146 m. w. N. 280 

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bzw. „Gesellschaftsinteresses“286 entschlossen, einen „Minimalkonsens“ für das vom Vorstand im Sinne von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG zu bedienende „Wohl der Gesellschaft“ zu formulieren.287 Dem Vorstand wird nach dem Willen des Gesetzgebers ein „Handeln zum Wohl der Gesellschaft“ zugestanden, sofern seine Entscheidungen zumindest der „langfristigen Ertragsstärkung und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und seiner Produkte oder Dienstleistungen“ zu dienen geeignet sind.288 Diese Zielformulierung bleibt aber im Rahmen der vom Vorstand ohnehin zu verfolgenden Mindestvorgaben des Unternehmensinteresses.289 Letztlich entsprechen sich somit das „Wohl der Gesellschaft“ und das nach h. M. vom Vorstand zu bedienende Unternehmensinteresse.290 Das Unternehmensinteresse hat denn auch der BGH in der „Mannesmann/Voda­fone“Entscheidung als „bei unternehmerischen Entscheidungen als verbindliche Richtlinie anerkannt“ bezeichnet.291 Die Verpflichtung auf das „Wohl der Gesellschaft“ sichert vor diesem Hintergrund die eigenverantwortliche Leitung des Unternehmens durch den Vorstand ab, indem sie lediglich die genannte, minimale Zielvorgabe formuliert, auf die die Entscheidungen des Vorstands gerichtet sein müssen, und ihm ansonsten Entscheidungsfreiheit belässt. Dieser Auffassung ist zu Recht auch das OLG Frankfurt in der oben dargestellten Entscheidung aus dem Jahr 2011 gefolgt.292 2. Keine grundsätzliche Ausnahme „existenzgefährdender Risiken“ Teilweise wird innerhalb des Schrifttums und der Rechtsprechung vertreten, dass das Eingehen von Risiken, die sich für das Unternehmen als existenzge286 

Zu den verschiedenen Ansichten vgl. oben Teil 2 §  1 B. I. 2. Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  46; gleichsinnig Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  145 ff.; Schnieders, Haftungsfreiräume in Deutschland und Italien, S.  71. Vgl. zu den verschiedenen Begriffen ferner Ihrig/ Schäfer mit der Bemerkung, dass „auch der BGH […] bald von Unternehmens-, bald von Gesellschaftsinteresse spricht“; dies., Rechte und Pflichten des Vorstands, §  1 Rn.  9 bzw. Schäfer, ZIP 2005, 1253 (1257). 288  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11. 289  Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  46; gleichsinnig Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  147; zu den verschiedenen Ansichten vgl. oben Teil 2 §  1 B. I. 2. 290  Bunz, NZG 2011, 1294 (1296 m. w. N.); Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, §  93 Rn.  15; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, §  43 Rn.  71a; Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  98; Kort, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  76 Rn.  65; ders., AG 2012, 605 (607); Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  24; Paschke, in: Schwerdtfeger, Fachanwaltskommentar Gesellschaftsrecht, Kap.  10 §  93 AktG Rn.  8; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  46 f.; Wendler, Justiziabilität unternehmerischer Ermessensentscheidungen, S.  268 f. 291  BGH, Urt. v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, Rn.  21 = NZG 2006, 141 (143). 292  OLG Frankfurt, Urt. v. 17.08.2011 – 13 U 100/10 = AG 2011, 918 ff.; siehe desw. oben Teil 2 §  1 B. II und Kort, AG 2012, 605 (607 f.). 287 

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fährdend darstellen können, grundsätzlich nicht dem „Wohl der Gesellschaft“ dienen könne.293 Dem ist – zumindest in dieser Allgemeinheit – entgegenzuhalten, dass sich die Frage, ab wann eine Entscheidung als existenzgefährdend einzustufen ist, nur schwer trennscharf präzisieren lässt, wenngleich sich hier im Schrifttum teilweise mit Faustformeln zu behelfen versucht wird.294 Darüber hinaus sind mehr oder weniger große Risiken nicht nur eine allgemeine Be­gleit­ erscheinung unternehmerischen Werbens,295 sondern grundlegender Bestandteil bestimmter Geschäftsmodelle, weshalb es nicht geboten erscheint, solche Geschäfte von vornherein von der Zielrichtung auf das „Wohl der Gesellschaft“ hin zu disqualifizieren, sondern nach der Lage des Einzelfalls zu bewerten.296 3. Loyalitätserfordernis a. Inhalt Im Rahmen des „Wohles der Gesellschaft“ soll nach wohl h. M. zudem als Loyalitätserfordernis297 überprüft werden, ob der Vorstand – so die Gesetzesbegründung – „ohne Sonderinteressen und sachfremde Einflüsse“298, also nicht in einem Interessenkonflikt, gehandelt hat.299 Hinsichtlich der Anforderungen an einen Interessenkonflikt stimmen die Ansichten des ganz überwiegenden Schrifttums mit den Intentionen des Gesetzgebers überein: Der Vorstand muss die jeweilige Maßnahme bzw. Entscheidung unbefangen, insbesondere abseits fremder Einflüsse oder eigennütziger Motive, getroffen haben, damit ein Interessenkonflikt ausgeschlossen werden kann.300 Bei einem Interessenkonflikt soll es sich um deutliche und in der jeweils zu entscheidenden Sache relevante Inte293  Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  24 m. w. N.; zu dieser Auffassung (mit Einschränkungen) auch U. Schmidt, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  93 AktG Rn.  89 m. w. N., s. auch Schmitz-Remberg, BB 2014, 2701 ff. m. w. N. 294  So etwa Parmentier, in: Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  2 Rn.  187: „[…] wenn ein Geschäft die Insolvenz herbeiführen könnte, die ohne das Geschäft gar nicht erst drohen würde“. 295  Vgl. dazu oben Teil 2 C. II. 296  Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  88; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  27; Schmitz-Remberg, BB 2014, 2701 ff. 297  Terminologie von Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, passim; z. B. S.  183 f., S.  292. 298  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11. 299  S. etwa Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  24 ff.; ders., ZGR 2014, 697 (701 f.); Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  104; Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717 (725); mit eigenständiger Verortung dagegen Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  92. 300  Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), Rn.  90; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  25; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  104; U. Schmidt, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  93 AktG Rn.  92; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  60.

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ressenpositionen handeln.301 Es reicht allerdings auch aus, wenn ein Interessenkonflikt eng verwandte bzw. nahestehende Personen aus dem Umfeld des Vorstandsmitglieds betrifft.302 Gleichwohl führt nicht jedes eigene Interesse zwangsläufig einen Interessenkonflikt herbei; zulässig ist zumindest auch ein eigenes Interesse des Vorstands an zu entscheidenden Maßnahmen:303 Sofern die Interessen des Vorstands denen des Unternehmens entsprechen, ist nicht von einem Interessenkonflikt auszugehen und er darf dennoch „annehmen, zum Wohl der Gesellschaft zu handeln.304 b. Verhaltenspflichten im Konfliktfall Liegt ein Interessenkonflikt tatsächlich oder auch nur möglicherweise vor, so muss ihn das betroffene Vorstandsmitglied nach h. M. gegenüber seinen Kollegen offenlegen und sollte sich der Beratung und Entscheidung enthalten, sodass sich die übrigen Vorstandsmitglieder – ohne seine Beteiligung – mit der problematischen Thematik befassen können.305 Legt das betroffene Mitglied den Interessenkonflikt nicht offen, so kann sich dies angesichts der individuellen Beurteilung pflichtwidrigen Verhaltens nach wohl h. M. nur auf die individuelle Handlungsrichtung zum „Wohl der Gesellschaft“ auswirken, nicht aber die gesamte Entscheidung des Vorstands als Kollegialorgan „infizieren“, womit die BJR für die Vorstandsmitglieder, die sich nicht in einem Interessenkonflikt befanden, grundsätzlich anwendbar bleibt.306 Betrifft der Interessenkonflikt aber 301  Harbarth, in: FS Hommelhoff, 323 (333 ff.); Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  25; krit. ders., ZGR 2014, 697 (706); Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  62. 302  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  57; Harbarth, in: FS Hommelhoff, 323 (330 ff.); Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  93; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  25; weitergehend ders., ZGR 2014, 697 (704 f. sowie Fn.  33 m. w. N.) sowie Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Großkomm-GmbHG, §  43 Rn.  113. 303  Missverständlich insofern die Aussage von Semler, AG 2005, 321 (325), das Vorstandsmitglied müsse an Geschäftsführungsangelegenheiten „absolut uninteressiert“ sein. 304  Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  92 f.; Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  26; in diesem Sinne auch Müller, in: Liber Amicorum Happ, 179 (197). 305  Siehe – u. a. mit unterschiedlich strengen Anforderungen hinsichtlich Teilnahme, Beratung und Abstimmung – etwa Bunz, NZG 2011, 1294 (1296); Habersack, in: Lorenz (Hrsg.), Karlsruher Forum 2009, S.  22 f.; Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  94; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  26; Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717 (725 f.); U. Schmidt, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  93 AktG Rn.  93; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  61. 306  Bunz, NZG 2011, 1294 (1295); Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  96; Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  38 Rn.  1526; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  26; Löbbe/Fischbach, AG 2014, 697 (727 f.); Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  29; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Großkomm-GmbHG, §  43 Rn.  115; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  64; a. A. Lutter, in: FS Canaris, Bd.  II, 245 (248 f.); Scholderer, NZG 2012, 168 (175); tendenziell wohl auch Habersack, in: Lorenz (Hrsg.), Karlsruher Forum 2009, S.  22 f.

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Teil 2: Die Grundlagen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG

sämtliche Vorstandsmitglieder, so muss dies mit der Entscheidung dem Aufsichtsrat zur Kontrolle vorgelegt werden, wohingegen die Anwendung der BJR dann ausscheidet.307 Letztlich bleibt festzuhalten, dass auch im Fall eines Interessenkonflikts nicht zwangsläufig eine Pflichtverletzung im Verhalten des handelnden Vorstands liegen muss, wenngleich die Privilegierung des §  93 Abs.  1 S.  2 AktG auch nicht mehr eröffnet sein mag.308 4. Gutgläubigkeit Der gute Glaube als Voraussetzung soll ebenfalls ein „implizites Merkmal“ des „Handelns zum Wohl der Gesellschaft“ bilden.309 Dieses Merkmal erfordert nach h. M. die Überzeugung des Vorstands, dass seine Handlung tatsächlich dem Wohl der Gesellschaft dient.310 In der Praxis dürfte die Auswirkung dieses Merkmals im Gefüge der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG jedoch gering sein:311 Wer nicht insoweit gutgläubig handelt, kann bereits „denklogisch“ nicht davon ausgehen, zum Wohl der Gesellschaft zu handeln.312 Umgekehrt kommt es dagegen, wenn eines der anderen Tatbestandsmerkmale nicht vorliegt und dieser Umstand dem Vorstand bekannt ist, schon nicht mehr auf die Frage nach der Gutgläubigkeit an.313 Im Schrifttum wird dem Merkmal „Gutgläubigkeit“ daher zu Recht nur die Funktion einer „Notbremse“ beigemessen.314 II. Haftungsrechtliche Konsequenzen für den Vorstand Unabhängig von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG wird der Vorstand bereits durch seine Leitungsverantwortung aus §  76 Abs.  1 AktG nach h. M. auf die Wahrung des Unternehmensinteresses verpflichtet.315 Diese Verpflichtung wird durch §  93 307  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  57; Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  38 Rn.  1526; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  65. 308  Harbarth, in: FS Hommelhoff, 323 (335 ff.). 309  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11; Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  115 Fn.  410 zum Gegenstück des Merkmals in der US-amerikanischen Variante der BJR. 310  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  60; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  24; U. Schmidt, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  93 AktG Rn.  91; Weber-Rey/Buckel, AG 2011, 845 (851); gleichsinnig Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  105. 311  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  24; ders., ZGR 2006, 769 (790); Weber-Rey/ Buckel, AG 2011, 845 (852). 312  Nauheim/C. Goette, DStR 2013, 2520 (2523). 313  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  60. 314  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  60; ders., ZIP 2004, 685 (691); Hopt/ Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  115 („Notanker richterlicher Entscheidungskontrolle“). 315  Siehe oben Teil 2 §  1 B. I. 2.

§  2 Die funktionale Ausgestaltung von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG

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Abs.  1 S.  2 AktG zwar nicht direkt als Maßstab übernommen, jedoch in Form der „langfristigen Ertragsstärkung und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und seiner Produkte oder Dienstleistungen“ in ihren Minimalanforderungen kongruent formuliert.316 Die Festlegung auf die Zielrichtung des „Wohls der Gesellschaft“ entspricht demnach der außerhalb von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG – also bereits aus §  93 Abs.  1 S.  1 AktG bzw. §  76 Abs.  1 AktG heraus – geltenden Zielrichtung für das Vorstandshandeln.317 Teilweise wird zwar innerhalb des Schrifttums in Fortführung der komplexen Diskussion um den Gehalt des Unternehmensinteresses eine verstärkte Bezugnahme auf Aktionärsinteressen erblickt.318 Selbst wenn aber eine solche vom Gesetzgeber gewollt gewesen wäre, könnte sich daraus höchstens eine abweichende inhaltliche Zielrichtung des Vorstandshandelns ergeben. Ein haftungsrechtliches Privileg des Vorstands lässt sich im Rahmen dieses Tatbestandsmerkmals so oder so nicht erkennen. Das gleiche gilt für den Maßstab der Sonderinteressen: Zur Nachordnung von Eigen- oder Drittinteressen ist der Vorstand im Rahmen der allgemeinen Treuepflicht ohnehin auch außerhalb von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG verpflichtet.319 III. Zusammenfassung Auf der Ebene des Merkmals eines Handelns zum „Wohle der Gesellschaft“ wird die zu überprüfende Zielrichtung des Vorstandshandelns präzisiert sowie loyales, gutgläubiges Verhalten des Vorstands als Voraussetzung der Ermessensausübung festgelegt. Eine haftungsrechtliche Privilegierung findet auf dieser Ebene nicht statt.

C. „Handeln auf der Grundlage angemessener Information“ Des Weiteren setzt §  93 Abs.  1 S.  2 AktG voraus, dass der Vorstand die jeweils zu betrachtende unternehmerische Entscheidung auf der „Grundlage angemessener Information“ getroffen haben muss. I. Inhalt Informationen lassen sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht etwa als „zweck­ orientiertes oder zielgerichtetes Wissen“320 definieren, wenngleich sich – vor 316 

Siehe oben Teil 2 §  2 B. I. 1. Vgl. oben Teil 2 §  2 B. I. 1 sowie Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  147; Schnieders, Haftungsfreiräume in Deutschland und Italien, S.  320 ff. 318  Vgl. dazu oben Teil 2 §  2 B. I. 1. 319  Oben Teil 2 §  1 C. I. 2. a. bb. 320  Domschke/Scholl, Grundlagen der BWL, S.  376. 317 

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allem über die Betriebswirtschaft hinaus – kaum ein einheitliches Verständnis dieses Begriffs ausmachen lässt.321 Damit ein Handeln „auf der Grundlage angemessener Information“ angenommen werden kann, soll der Vorstand im Kontext von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG jedenfalls eine „sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen“ betreiben.322 Unstreitig erscheint insofern, dass rein intuitives323 Verhalten nicht als angemessen informiert im Sinne der Vorschrift gewertet werden kann.324 Unklar ist darüber hinaus allerdings, welcher Umfang an Information überhaupt notwendig ist, um das geforderte Maß an „sorgfältiger Ermittlung“ zu erreichen. 1. H.M.: „Angemessenheit“ als situationsbezogener Maßstab Nach h. M. wird als ausreichend für die angemessene, also „sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen“ dasjenige Maß an Information betrachtet, welches subjektiv, mithin in der individuellen Entscheidungssituation, notwendig erschien.325 Demnach sind die jeweiligen Umstände der Situation zu ermitteln, womit sich die Angemessenheit nach der Art und der Komplexität des jeweiligen Geschäfts,326 enthaltener Risiken,327 aus branchenüblichen Vorgehensweisen,328 der Informationszugänglichkeit,329 nach Kosten und Stellenwert330

321 

Rodewald, GmbHR 2014, 639. Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  20 m. w. N. aus der Rspr.; gleichsinnig etwa Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Haftung, §  2 Rn.  22. 323  Zum Begriff Hamann, ZGR 2012, 817 (819 ff.). Zur weitergehenden Abgrenzung wirtschaftlicher Handlungen von affektivem Handeln vgl. Bardmann, Grundlagen d. allg. BWL, S.  147 und S.  150 ff. 324  Brömmelmeyer WM 2005, 2065 (2067); Graumann, CCZ 2010, 222 (222 f.); Hamann, ZGR 2012, 817 (825 ff.); Strenger, Der Konzern 2013, 429 (431); v. Werder, in: Ringleb u. a., DCGK, Rn.  499 f.; gleichsinnig wohl Schnieders, Haftungsfreiräume in Deutschland und Italien, S.  327 f. 325  Bunz, Der Konzern 2012, 444 (447 ff.); Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  6 4 und 70; ders., in: MüKo-GmbHG, §  43 Rn.  87; Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  38 Rn.  1525; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  20; Kocher, CCZ 2009, 215 (220 f.); Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  33 f.; Meyer, CCZ 2011, 41 (42); Redeke, ZIP 2011, 59 (60); Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  347 f.; U. Schmidt, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  93 AktG Rn.  85 f.; Uwe H. Schneider, in: Scholz, ­G mbHG, §  43 Rn.  58; Spindler, in: ­MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  48; Strenger, Der Konzern 2013, 429 (431); Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Haftung, §  2 Rn.  22. 326  Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  70; Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  34 mit Bsp.; gleichsinnig Bunz, Der Konzern 2012, 444 (448). 327  Meyer, CCZ 2011, 41 (42); U. Schmidt, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  93 AktG Rn.  86 m. w. N.; Uwe H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, §  43 Rn.  58. 328  U. Schmidt, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  93 AktG Rn.  86 m. w. N. 329  Bunz, Der Konzern 2012, 444 (447); Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  70. 330  Bunz, Der Konzern 2012, 444 (447); Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  70; Meyer, CCZ 2011, 41 (42). 322 

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bzw. des Kosten/Nutzen-Verhältnisses der jeweiligen Information331 oder möglichem Eilbedarf332 richten soll. Im Schrifttum finden sich mittlerweile praktisch orientierte Ansätze, die Anforderungen an das Merkmal der „angemessenen Informationen“ konkreter zu fassen und die für typische Entscheidungssituationen in der Vorstandstätigkeit regelmäßig gebotene Informationsbasis näher zu bestimmen.333 2. Gegenauffassung: Umfassende Information Aus Entscheidungen des BGH334 und des OLG Düsseldorf335 geht hervor, es sei Voraussetzung eines auf „angemessener Information“ basierenden Handelns, dass das jeweils tätige Organ „alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art ausschöpft“, bevor es „auf dieser Grundlage die Vorund Nachteile der bestehenden Handlungsoptionen sorgfältig abschätzt und den erkennbaren Risiken Rechnung trägt“.336 Hinsichtlich der der Entscheidung zugrundeliegenden Informationsdichte lässt sich dem ein „absoluter Rationalitätsmaßstab“ entnehmen.337 Nur wenige Ausnahmen im Schrifttum338 stimmen diesem Postulat zu und widersprechen damit der „geschlossene[n] Front“339 von Stimmen, die für einen situationsbezogenen Maßstab der „Angemessenheit“ plädieren. 331  Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  33; Meyer, CCZ 2011, 41 (42); siehe dazu auch Graumann, CCZ 2010, 222 (227 f.) 332  Bunz, Der Konzern 2012, 444 (448); Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  70; Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  33 f.; Meyer, CCZ 2011, 41 (42); U. Schmidt, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  93 AktG Rn.  86; Uwe H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, §  43 Rn.  58; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  48. 333  Z. B. Lang/Balzer, WM 2012, 1167 ff. hinsichtl. Kreditinstituten; Nauheim/ C. Goette, DStR 2013, 2520 (2524 f.) zu M&A-Transaktionen; konkret zu Due-Diligence-Prüfungen C. Goette, DStR 2014, 1776 ff.; desw. Wiersch, NZG 2013, 1206 (1210) zu Geschäftsleiterpflichten bei Leistungen des Unternehmens auf Kulanzbasis. 334  BGH, Beschl. v. 14.07.2008 – II ZR 202/07 = NJW 2008, 3361 ff.; BGH, Urt. v. 18.06. 2013 – II ZR 86/11 = DStR 2013, 2071 ff. 335  OLG Düsseldorf, Beschl. v. 09.12.2009 – 6 W 45/09 = BeckRS 2010, 00532. 336  BGH, Beschl. v. 14.07.2008 – II ZR 202/07 = NJW 2008, 3361 (Leitsatz 1); gleichsinnig BGH, Urt. v. 18.06.2013 – II ZR 86/11, Rn.  30 = DStR 2013, 2071 (2075) bzw. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 09.12.2009 – 6 W 45/09 = BeckRS 2010, 00532 („[…] Pflicht der Vorstandsmitglieder zur Informationsbeschaffung. Sie haben dazu alle ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen auszuschöpfen“) 337  Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  163. 338  „Sorgfältige Vorbereitung bedeutet: Sammlung aller verfügbaren Informationen“, so Lutter, in: Ringleb u. a., DCGK, Rn.  453; Bank, in: Patzina/Bank/Schimmer/Simon-Widmann, Haftung von Unternehmensorganen, Kap.  6 Rn.  57: „In der konkreten Entscheidungssituation sind daher alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art auszuschöpfen […]“. 339  Bachmann, NZG 2013, 1121 (1124).

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3. Bewertung der Auffassungen Einer Auslegung, die alle verfügbaren Informationen in der Entscheidungsfindung des Vorstands über einen Sachverhalt berücksichtigt wissen möchte, widerspricht schon der Wortlaut der Norm: Als „angemessene“ Information muss nach allgemeinem Verständnis dasjenige Maß an Information gelten, welches „den gegebenen Umständen entsprechend“340 ist und damit auf eine Orientierung an den Gegebenheiten des Einzelfalls abstellt.341 In diesem Sinne hat sich auch der Gesetzgeber positioniert: Information könne grundsätzlich „nicht allumfassend sein“.342 Damit die einer unternehmerischen Entscheidung zugrundeliegende Informationsbasis dennoch nicht unberücksichtigt bleibt, wurde ihr Niveau als „angemessen“ vorgeschrieben, um – im Sinne der BJR – „den Mut zum unternehmerischen Risiko nicht [zu] nehmen, zugleich aber Unbesonnenheit und Leichtsinn auf Kosten der Kapitalgeber und der Arbeitnehmer keinen Vorschub [zu] leisten“.343 Demnach müssen durchaus „betriebswirtschaftlich gegebene Schwerpunkte (Rentabilität, Risikobewertung, Investitionsvolumen, Finanzierung etc.)“344 für die jeweilige Informationsgrundlage berücksichtigt werden. Auch das „Gewicht […] und […] [die] Art der zu treffenden Entscheidung“ sowie die „Berücksichtigung anerkannter betriebswirtschaftlicher Verhaltensmaßstäbe“ sollen determinieren, welches Informationsniveau als „angemessen“ gelten kann.345 Einschränkungen hinsichtlich des Maßes an Information ergeben sich nach Ansicht des Gesetzgebers vor allem aufgrund begrenzter zeitlicher Möglichkeiten im Vorfeld von Entscheidungen:346 Das Tatbestandsmerkmal werde namentlich mit Rücksicht darauf normiert, „dass insbesondere bei Entscheidungen, die unter hohem und nicht selbsterzeugtem Zeitdruck zu fällen sind, eine umfassende Entscheidungsvorbereitung schwierig oder gar unmöglich sein kann“.347 Über die Gesetzesbegründung hinaus ließe sich auch unter teleologischen Aspekten eine extensive Auslegung des Informationsbedarfs, die den Einbezug sämtlicher potentiell zugänglicher Information verlangt, nicht rechtfertigen; allein schon angesichts des finanziellen Aufwands der Informationsbeschaffung 340  Wermke/Kunkel-Razum/Scholze-Stubenrecht, Duden Bedeutungswörterbuch, Stichwort: „angemessen“. 341  Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  93 AktG Rn.  22; Fleischer, NJW 2009, 2337 (2339). 342  BT.-Drucks. 15/5092, S.  12. 343  BT.-Drucks. 15/5092, S.  12. 344  BT.-Drucks. 15/5092, S.  12. 345  BT.-Drucks. 15/5092, S.  12. 346  Dies ebenso betonend etwa Goette, in: FS 50 Jahre BGH, 123 (140 f.). 347  BT.-Drucks. 15/5092, S.  12.

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muss eine Abwägung mit dem Nutzen der Information möglich sein.348 Es widerspräche demnach regelmäßig den Interessen des Unternehmens, wenn vor einer Entscheidung alle auch nur denkbaren Informationen eingeholt werden, selbst wenn es sich bei ihnen aus der Perspektive der jeweiligen Entscheidung nur um Marginalien handelt.349 Zudem dürfte sich eine solche Anforderung in der Praxis, allein schon angesichts der heutigen Infrastrukturen elektronischer Datenverarbeitung, kaum realisieren lassen. Allein mit Blick auf die Dimensionen des Internet als Sammelbecken einer nahezu unendlichen Fülle an Inhalten sähe sich ein Anwender, der tatsächlich zu einem Sachverhalt sämtliche verfügbare Informationen recherchieren will, je nach dem Gegenstand der Recherche mit einer extremen Masse an Daten konfrontiert. Es bleibt schleierhaft, wie ein Geschäftsleiter im Einzelfall realistischerweise solchen Anforderungen gerecht werden sollte. Das betrifft nicht nur den Prozess der Informationsgewinnung, sondern auch die Grenzen der individuellen Verarbeitungskapazität.350 Auch vom Sinn und Zweck der BJR her erscheint die Annahme, es sei dem BGH tatsächlich darauf angekommen, das entscheidende Organmitglied müsse sämtliche, abstrakt bzw. objektiv möglicherweise einzuholende Informationen zur Grundlage seiner Entscheidung machen, als abwegig. Ein solches Postulat würde gerade das Gegenteil der mit der Einführung der BJR durch den Gesetzgeber verfolgten Intentionen fördern, möglicher Risikoaversion entgegenzuwirken und die selbständige Entscheidungsposition des Vorstands als unternehmerischem Führungsorgan zu stärken.351 Im Hinblick auf das teleologische Fundament der BJR 352 lässt sich weder aus dem „Geschäftsleiterermessen“, wie es vor der Neuregelung von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG anerkannt war und im Zuge der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung konkretisiert wurde, noch aus der US-amerikanischen Variante der BJR eine vergleichbare „allumfassende“ Informationspflicht feststellen.353 Aus späteren Urteilen des BGH wird mitunter 348  Bachmann, NZG 2013, 1121 (1124 f.); Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281 (2284 f.); Grigoleit/ Tomasic, in: Grigoleit, AktG, §  93 Rn.  34; Kocher, CCZ 2009, 215 (220 f.); U. Schmidt, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  93 AktG Rn.  86. 349  Kocher, CCZ 2009, 215 (221); Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S.  225: „Oberste Leitlinie der Informationsbeschaffung muß dabei neben der Ermittlung der tatbestandlichen Voraussetzungen zwingender gesetzlicher Verhaltensanweisungen immer die mit der Entscheidung verbundene Konkretisierung des Gesellschaftsinteresses sein“. 350  Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  4 4. 351  Kocher, CCZ 2009, 215 (221) („typische unternehmerische Entscheidungssituation“). 352  Vgl. oben Teil 2 §  1. 353  Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281 (2283, s. auch Fn.  20 m. w. N.); Henze, BB 2001, 53 (57); Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S.  224 ff.; bzgl. US-amerikanischer BJR vgl. allein nur den Wortlaut der Regel, wie sie in den Principles of Corporate Governance in §  4.01(c) gefasst ist: Der Director/Officer „[…] (2) is informed with respect to the subject of the business judgment to the extent the director or officer reasonably believes to be

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die Tendenz zur Abkehr von solch strengen, objektiven Kriterien herausgelesen.354 Auch wird argumentiert, die Rechtsprechung sei nicht ohne weiteres auf die Auslegung der BJR zu übertragen, da es sich bei den einschlägigen Urteilen um Fälle handele, die noch basierend auf der Rechtslage vor der Normierung der BJR zu beurteilen waren.355 Indessen lässt sich der zwischen den beiden Posi­ tionen scheinbar bestehende Widerspruch nach einer im Schrifttum vorgenommenen Lesart auflösen, wenn man die exakte Wortwahl des BGH betrachtet.356 Danach nimmt der BGH gerade die „konkrete Entscheidungssituation“ zum Bezugspunkt der Pflicht, „alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art auszuschöpfen“.357 Damit ergeben sich Grenzen der Informationspflicht, wenn abhängig von der individuellen Situation eine Information eben nicht verfügbar oder nicht mit angemessenem Aufwand einzuholen ist.358 Entscheidend ist somit – und dem steht die Formulierung des BGH auch nicht entgegen – die Gründe für diese Verfügbarkeit nicht im objektiven Bereich, also der theoretischen Zugangsmöglichkeit, sondern in den von der h. L. vertretenen und den vom Gesetzgeber des UMAG vorgegebenen Kriterien der Angemessenheit im Einzelfall zu suchen. Nach dieser Auffassung kann eine Information auch im Einzelfall als nicht zugänglich gelten, wenn der Aufwand, sie zu gewinnen, unangemessen hoch erscheint. Dieser Interpretation ist angesichts der vorstehenden Überlegungen, insbesondere des Zwecks der BJR sowie der praktischen Unerfüllbarkeit der Forderung, vor Entscheidungen sämtliche faktisch mögliche Information einzuholen, zu folgen. 4. Zwischenergebnis „Sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen“ ist somit nicht dahingehend auszulegen, dass der Vorstand vor einer Entscheidung sämtliche objektiv zugängliche Information beschaffen müsste, sondern im Sinne der h. L. dahingehend, dass ihm die Beurteilung dessen aufgegeben wird, was in der konkreten Situation, also subjektiv, als zureichende Informationsbasis notwendig ist. appropriate under the circumstances […]“, Eisenberg, TBL 48 (1993), 1271 (1281). Nichts anderes ergibt sich aus der Formulierung der BJR durch die American Bar Association, nach der die Directors „appropriately informed“ sein müssen, siehe ABA, Coporate Director’s Guidebook, S.  26; vgl. auch Allen/Kraakman/Subramanian, Law of Business Organization, S.  231 („duly informed“). 354  Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  170; Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281 (2282). 355  Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281 (2282, s. insb. auch Fn.  14). 356  Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  38 Rn.  1525; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  20; Spindler, AG 2013, 889 (892 f.). 357  BGH, Beschl. v. 14.7.2008 – II ZR 202/07 = DStR 2008, 1839 (Leitsatz 1); so namentlich Spindler, AG 2013, 889 (893). 358  Spindler, AG 2013, 889 (893); sich dem anschließend Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  20.

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II. Haftungsrechtliche Konsequenzen für den Vorstand Außerhalb von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG, also im Einzugsbereich in §  93 Abs.  1 S.  1 AktG und damit im allgemeinen Geltungsbereich der „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“, kann der Vorstand nur pflichtgemäß handeln, wenn er sich eine zureichende Basis an Informationen über die zu treffenden Entscheidungen gebildet hat.359 Alles andere käme einem Handeln „ins Blaue hinein“360 gleich. Das Tatbestandsmerkmal „Handeln auf der Grundlage angemessener Information“ formuliert im Rahmen der BJR lediglich abstrakt, wie der Vorstand sich hinsichtlich der Information sorgfältig zu verhalten hat – er muss sie in angemessener Weise heranziehen.361 Eine entsprechende, ausdrückliche Formulierung findet sich im allgemeinen Sorgfaltsmaßstab von §  93 Abs.  1 S.  1 AktG nicht. Dementsprechend steht, mit den Worten Cahns, bei sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlage und eines Handelns zum Wohl der Gesellschaft „zugleich fest, dass den Anforderungen des Pflichtenmaßstabs der §§  93 Abs.  1 Satz  1, 116 Satz  1 AktG Genüge getan war, denn mehr kann man auch von einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter oder Aufseher nicht verlangen“.362 III. Zusammenfassung Der Vorstand muss zur Ausübung seines durch die BJR abgesicherten Ermessens Entscheidungen auf der Basis angemessener Informationen treffen, was ihm die Beschaffung der nach den Umständen der jeweiligen Maßnahme zugänglichen und relevanten Information aufgibt. Dabei muss er auch den wirtschaftlichen Aufwand der Informationsbeschaffung berücksichtigen. Es lässt sich durch den Maßstab der „angemessenen Information“ i. S. v. §  93 Abs.  1 S.  2 AktG allerdings noch keine privilegierende Modifikation der Verhaltensvorgaben für den Vorstand gegenüber den Vorgaben aus §  93 Abs.  1 S.  1 AktG verzeichnen.

359  Gleichsinnig Goette, Die GmbH, §  8 Rn.  55: „ohne […] Selbstinformation kann das Leitungsorgan seinen organschaftlichen Verpflichtungen weder gegenüber der Gesellschafterversammlung noch gegenüber der Allgemeinheit […] gerecht werden“ sowie Bunz, Der Konzern 2012, 444 (447) („so optimal wie […] nur möglich“); U. Schmidt, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  93 AktG Rn.  76. 360  Spindler, NZG 2010, 281 (283). 361  Insofern zutreffend Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252 (254): „Die neue Business Judgment Rule stellt zugleich also eine Aussage zu den materiellen Sorgfaltsanforderungen wie auch zum Sorgfaltsmaßstab dar […].“ 362  Cahn, WM 2013, 1293 (1295).

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Teil 2: Die Grundlagen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG

D. „Vernünftigerweise annehmen dürfen“ Schließlich muss der Vorstand, um die Voraussetzungen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG zu erfüllen, bei seiner Tätigkeit „vernünftigerweise annehmen dürfen, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft“ zu handeln, womit auch das Merkmal des „vernünftigerweise annehmen dürfens“ auf eine Privilegierung des Vorstands hin zu untersuchen ist. I. Einordnung des Merkmals in die BJR Zunächst bedarf das Merkmal einer Einordnung in die Struktur der BJR. Nach dem Willen des Gesetzgebers legt „vernünftigerweise annehmen dürfen“ fest, dass „die Voraussetzungen der Entscheidungsfindung“ – also die Ausrichtung am Wohl der Gesellschaft und die angemessene Informationsbasis – „aus der Sicht des betreffenden Organs zu beurteilen“ sind.363 Somit ist, durch das Abstellen auf die jeweilige Annahme, die richterliche Beurteilung ex-ante aus der jeweiligen Entscheidungssituation heraus und somit aus der Perspektive des Vorstands vorzunehmen.364 Damit allein verbindet sich allerdings noch kein Privileg für den Vorstand, da eine ex-ante Bewertung in Haftungsfragen zivilrechtlichem Standard entspricht.365 Das Abstellen auf die jeweilige Annahme des Vorstands ist weiterhin als – zumindest vorläufige – „Subjektivierung der Betrachtungsweise“ zu verstehen.366 Die subjektiven Einschätzungen des Vorstands gelten solange als legitim, als der Vorstand ihr Vorliegen „vernünftigerweise annehmen durfte“; das Merkmal „vernünftigerweise annehmen dürfen“ bildet so die objektive Grenze des subjektiven Einschätzungsspielraums.367 §  93 363 

BT.-Drucks. 15/5092, S.  11. „[…] zwingt zu einem Perspektivwechsel in der Beurteilung“, BT.-Drucks. 15/5092, S.  11; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  93 AktG Rn.  22; Fleischer, in: Spindler/ Stilz, AktG, §  93 Rn.  64; Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  61. 365  Bachmann, in: FS Stilz, 25 (28, m. w. N. in Fn.  19). 366  Gehb/Heckelmann, ZRP 2005, 145 (148); Grundei/v. Werder, AG 2005, 825 (830); Hopt/ Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  101 f.; Peltzer, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  9 Rn.  278; Schütz, NZG 2005, 5 (6); Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252 (254); Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  59; krit. während des Gesetzgebungsprozesses aber Ihrig, WM 2004, 2098 (2105 f.); Semler, AG 2005, 321 (325). 367  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11 („Als Maßstab für die Überprüfung, ob die Annahme des Vorstands nicht zu beanstanden ist, dient das Merkmal ,vernünftigerweise‘“); Bachmann, in: FS Stilz, 25 (29) („objektiver Maßstab mit subjektivem Einschlag“); Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  93 AktG Rn.  22 f.; Gehb/Heckelmann, ZRP 2005, 145 (148); C. Goette/Nauheim, DStR 2013, 2520 (2522); Grundei/v. Werder, AG 2005, 825 (830); Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  21; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Großkomm-GmbHG, §  43 Rn.  131; Peltzer, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  9 Rn.  278; Schütz, NZG 2005, 5 (6); Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  59; vgl. auch Bachmanns Hinweis a. a. O., S.  30, dass sich die Objektivierung nicht aus „vernünftigerweise“ ergibt, sondern im Rahmen des „Annehmen-Dürfens“ ergibt. 364 

§  2 Die funktionale Ausgestaltung von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG

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Abs.  1 S.  2 AktG reduziert damit zunächst die nachträgliche richterliche Bewertung von Handlungen, die in den Anwendungsbereich der Norm fallen auf die Frage, ob die Entscheidung in einem akzeptablen Verfahren getroffen wurde.368 Im Vordergrund der richterlichen Betrachtung stehen die Annahmen, unter denen der Vorstand zu der Entscheidung gelangte.369 §  93 Abs.  1 S.  2 AktG stellt sich somit zwar grundsätzlich als verfahrensbezogener Maßstab dar.370 Gleichwohl darf diese Terminologie nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Annahme des Vorstands nur im Hinblick auf den Inhalt der Entscheidung bewerten lässt: Ob der Vorstand vernünftigerweise annehmen durfte, mit einer Maßnahme der dauerhaften Rentabilität des Unternehmens zu dienen, lässt sich nicht schon feststellen, wenn lediglich überprüft wird, ob der Vorstand ohne Son­der­ interessen handelte.371 Vielmehr ist es auch erforderlich, die jeweiligen Maßnahmen, mit denen dieses Ziel erreicht werden sollte, zu betrachten.372 Für diese Betrachtung liefert nun „vernünftigerweise“ den Maßstab, dessen Gehalt damit entscheidend für die Bewertung der jeweiligen Annahme des Vorstands ist.373 II. Eigengehalt und tatbestandliche Reichweite Hinsichtlich der Interpretation des Tatbestandsmerkmals „vernünftigerweise“, und damit hinsichtlich des entscheidenden Kriteriums dessen, was als legitimerweise zulässige Annahme zu betrachten ist, bestehen unterschiedliche Auffassungen. 1. Weite Auslegung und haftungsrechtliche Privilegierung „Vernünftigerweise“ wird teils als weitgefasster Maßstab interpretiert, anhand dessen die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG einem „grobmaschigere[n] Netz richterlicher Kontrolle“ unterzogen werden – innerhalb der „groben Maschen“ dieses Netzes besteht demnach ein 368  Siehe dazu statt vieler Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Großkomm-GmbHG, §  43 Rn.  123 sowie die Beschreibung und die Kritik von Brömmelmeyer, WM 2005, 2065 (2068 f.). 369  Berger/Frege/Nicht, NZI 2010, 321 (326); Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Großkomm-GmbHG, §  43 Rn.  123 ff.; Redeke, ZIP 2011, 59 (63) („Übergang von einer Ergebniskon­ trolle zur Prozesskontrolle“); vgl. auch Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  347 f. und 356 ff.; U. Schmidt, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  93 AktG Rn.  79 f. 370  Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Großkomm-GmbHG, §  43 Rn.  123 ff. 371  Anders aber scheinbar die nach hier vertretener Auffassung zu weitgehende Interpretation der BJR als rein verfahrensbezogener Ansatz, der eine Betrachtung von Entscheidungsinhalten völlig ausschließt, vgl. insb. Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Großkomm-GmbHG, §  43 Rn.  123 ff. 372  Bachmann, in: FS Stilz, 25 (28, dort auch Fn.  20 m. w. N.); gleichsinnig bereits Binder, AG 2012, 885 (894); Brömmelmeyer, WM 2005, 2065 (2068 f.). 373  Brömmelmeyer, WM 2005, 2065 (2069); desw. Binder, AG 2012, 885 (894) bezogen auf „vernünftigerweise annehmen dürfen“.

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Teil 2: Die Grundlagen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG

privile­gierender Freiraum für den Vorstand, sich eine von ihm als angemessen erachtete Informationsbasis zu verschaffen und auf dieser abzuwägen, ob die jeweilige Maßnahme auch dem „Wohl der Gesellschaft“ bzw. dem Unternehmensinteresse dient.374 Eine Pflichtverletzung kann nach dieser Auffassung erst in Betracht kommen, wenn der – im Einzelnen mehr oder weniger weitgefasste – „vernünftige“ Verhaltensrahmen durch eine Entscheidung überschritten wird. 2. Enge Auslegung ohne bzw. unter eingeschränkter haftungsrechtlicher Privilegierung Eine solchermaßen privilegierende Funktion des Merkmals „vernünftigerweise“ wird dagegen von verschiedenen Stimmen abgelehnt, womit die Norm keinen geschützten Handlungsspielraum für den Vorstand erzeugen würde; mitunter wird das Merkmal dabei auch gar nicht erst in die Betrachtungen der BJR mit einbezogen.375 Im englischsprachigen Schrifttum findet sich die für diese Auffassung charakteristische Formulierung, die deutsche Variante der BJR „appears to protect non-negligent business decisions from legal attack“376, schütze also sorgfaltsgemäße Entscheidungen vor richterlicher Nachprüfung. Diese Formulierung illustriert die Annahme gleicher Kontrollmaßstäbe für sorgfältiges Verhalten innerhalb und außerhalb von unternehmerischen Entscheidungen i. S. v. §  93 Abs.  1 S.  2 AktG, bei der davon ausgegangen wird, der Inhalt der Entscheidung wie auch das Verfahren, in dem die jeweilige Entscheidung zustande kam, unterlägen uneingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung. Demnach ergäbe sich eine unwiderlegliche Vermutung pflichtgemäßen Verhaltens bzw. eine Einschränkung des Pflichtverletzungstatbestands erst, wenn klar sei, dass die Voraussetzungen pflichtgemäßen Handelns vollständig vorliegen. Im Schrifttum wird diese Ansicht dahingehend umschrieben, dass das Merkmal 374  Bachmann, in: FS Stilz, 25 ff. (s. aber auch dessen Reformüberlegungen in ZHR 177 (2013), 1 (10 f.)); Hölters, in: Hölters, AktG, §  93 Rn.  34 f.; Kocher, CCZ 2009, 215 (216, 221); Krieger/ Sailer-Coceani, in Schmidt/Lutter, AktG, §  93 Rn.  17; Lutter, ZIP 2007, 841 (844 f.); Peters, AG 2010, 811 (813 f.); in diese Richtung wohl auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  69 f. sowie ders., in: MüKo-GmbHG, §  43 Rn.  87 („Weiter relativiert wird das Angemessenheitserfordernis durch seine Beurteilung aus der Handelndenperspektive“); einschränkend, letztlich aber auch auf beiden Ebenen eine reduzierte Kontrolldichte anerkennend z. B. Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  21, 23. 375  Siehe im Einzelnen etwa Cahn, WM 2013, 1293 ff.; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115 (2121); v. Falkenhausen, NZG 2012, 644 (648 ff.); Ihrig, WM 2004, 2098 (2103 ff.); Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  38 Rn.  1528; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  116 m. w. N. aus der Zeit des Referentenentwurfs; Semler, AG 2005, 321 (325); wohl auch Brömmelmeyer, WM 2005, 2065 (2069); Hemeling, ZHR 175 (2011), 368 (377 f.); Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  15 bzw. 17 ff. 376  Enriques/Hansmann/Kraakman, in: Kraakman et al., Anatomy of Corporate Law, S.  80 Fn.  132.

§  2 Die funktionale Ausgestaltung von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG

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„vernünftigerweise“ inhaltlich lediglich „gleichbedeutend mit ,ohne Fahrlässigkeit‘“ sei.377 Das Verhalten des Vorstands müsse demnach vollständig den Voraussetzungen gerecht werden, die gem. §  93 Abs.  1 S.  1 AktG ohnehin gelten, und anhand dieses Maßstabs sei das Verfahren, in dem die jeweilige Entscheidung getroffen wurde, auch vollständiger gerichtlicher Nachprüfung zugänglich.378 Dieser Auffassung dürfte die dogmatische Einordnung der BJR als bloßer Konkretisierung des Sorgfaltstatbestands aus §  93 Abs.  1 S.  1 AktG379 entsprechen. Von Vertretern dieser Auffassung wird denn auch als zentraler Verdienst des §  93 Abs.  1 S.  2 AktG nicht eine haftungsrechtliche Privilegierung des Vorstands betrachtet, sondern eher der Umstand, dass der Vorstand durch die Konkretisierung der tatbestandlichen Sorgfaltsanforderungen eine Art Handlungsanleitung für unternehmerische Entscheidungen geboten bekäme.380 Auf diese Weise würden seit der Einführung der Norm durch das UMAG als merklicher Effekt in der unternehmerischen Praxis besser vorbereitete und gründlicher durchdachte unternehmerische Entscheidungen getroffen.381 Zudem würde von der Norm eine Signalwirkung in Richtung der Rechtsprechung ausgehen, „Zurückhaltung zu üben“ und nicht von einem „Misserfolg auf dessen Vorhersehbarkeit zu schließen“.382 Wesentlich mehr als diesen Appell und die mutmaßlich verbesserte Planbarkeit von Entscheidungen kann die Norm nach dieser Lesart dem Vorstand allerdings nicht bieten. 3. Reichweite des Merkmals in Bezug auf die anderen Tatbestandsmerkmale Es herrscht zudem Unklarheit darüber, inwiefern sich der – an sich bereits kontrovers interpretierte Maßstab – des „vernünftigerweise“ auf die übrigen Tatbestandsmerkmale von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG bezieht.

377  Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  152; Löbbe/Fischbach, AG 2014, 717 (721). 378  Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115 (2121); Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  34 (angemessene Informationsbasis müsse „aus Sicht eines ordentlichen Geschäftsleiters im Zeitpunkt der Entscheidungsfindung vertretbar erscheinen“); ebenfalls Ihrig, WM 2004, 2098 (2106); Schäfer, ZIP 2005, 1253 (1258 f.) (insb. Fazit Nr.  13: „Die Worte „annehmen durfte“ bewirken keine Subjektivierung des Sorgfaltsmaßstabs, sondern verweisen lediglich auf den Beurteilungszeitraum ex ante“); Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  38 Rn.  1528. 379  S. etwa Bayer/Scholz, NZG 2014, 926 (927); Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  15 m. w. N.; Wagner, ZHR 178 (2014), 227 (259). 380  Hemeling, ZHR 175 (2011), 368 (377 f.); sich dem anschließend Habersack, ZHR 177 (2013), 782 (799, Fn.  77); ähnl. Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  38 Rn.  1528. 381  Hemeling, ZHR 175 (2011), 368 (377 f.). 382  Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  38 Rn.  1528.

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Teil 2: Die Grundlagen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG

a. Ausschluss der Informationsgrundlage Einer Auffassung zufolge besteht zwar ein haftungsrechtliches Privileg von Entscheidungen durch die BJR, dieses beziehe sich jedoch nicht auf die Informationsgrundlage der Entscheidung: Der wörtliche Bezug von „vernünftigerweise“ auf die „angemessene Information“, der aus der Satzstellung des §  93 Abs.  1 S.  2 AktG zu lesen ist, sei nur ein Fehler des Gesetzgebers.383 Ein Bezug des „annehmen dürfens“ auf die „angemessene Information“ sei gerade nicht im Sinne der Regelung.384 Der Maßstab des „vernünftigerweise annehmen dürfens“ wäre demnach erst zu berücksichtigen, wenn die entscheidungserhebliche Informationsbasis vollständig erarbeitet ist; ein im Rahmen des „vernünftigerweise“ eröffneter Spielraum für die Abwägung der Information verbleibt dem Vorstand nach diesem Verständnis nicht.385 Erst bei der weiteren Frage, ob die streitige Entscheidung auch dem Wohl der Gesellschaft gedient haben mag, wäre demnach ein eigenständiger Entscheidungsspielraum des Vorstands eröffnet.386 §  93 Abs.  1 S.  2 AktG müsse deshalb richtigerweise gerade umgekehrt lauten: „Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung auf der Grundlage angemessener Information vernünftigerweise annehmen durfte, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“.387 b. „Wohl der Gesellschaft“ Hinsichtlich des „Wohls der Gesellschaft“ ist einerseits zwischen der allgemeinen Zielrichtung des Handelns auf das „Wohl der Gesellschaft“ im engeren Sinn, also insbesondere der Orientierung an dauerhafter Rentabilität und andererseits dem – laut Gesetzesbegründung und h. M. – innerhalb dieses Merkmals zu verortenden Loyalitätserfordernis388 andererseits zu differenzieren. Unklar ist dabei, ob dieses Loyalitätserfordernis ebenfalls in die durch „vernünftigerweise“ möglicherweise besorgte Privilegierung einzubeziehen ist.389

383  Goette, ZGR 2008, 436 (448 (insb. Fn.  46)); ders., in: Hdb. Corporate Governance, 713 (717, Fn.  21). 384  Goette, ZGR 2008, 436 (448 (insb. Fn.  46)); ders., in: Hdb. Corporate Governance, 713 (717, Fn.  21). 385  In diesem Goette, ZGR 2008, 436 (448 (insb. Fn.  46)). 386  So denn auch BGH, Beschl. v. 14.07.2008 – II ZR 202/07 = NJW 2008, 3361 (3362 f.). 387  Goette, ZGR 2008, 436 (448, Fn.  46). 388  Siehe oben Teil 2 §  2 B. 389  Siehe nur Redeke, ZIP 2011, 59 (60 f.).

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4. Zwischenergebnis Als Dreh- und Angelpunkt der in der Einleitung skizzierten Meinungsverschiedenheiten390 hinsichtlich der Funktion – und damit des Stellenwerts der gesamten BJR – erweist sich der Bedeutungsgehalt des Tatbestandsmerkmals „vernünftigerweise“.391 Über dessen Reichweite gehen die Ansichten deutlich auseinander. Es bleibt unklar, was im Sinne von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG noch und was nicht mehr als „vernünftigerweise annehmbar“ zu verstehen sein soll. Ebenso bestehen unterschiedliche Auffassungen, ob sich die Vorgabe des „vernünftigerweise“ neben dem „Wohl der Gesellschaft“ auch auf die Information, die der jeweiligen Entscheidung zugrunde liegt, beziehen soll. III. Interpretation des „vernünftigerweise“ anzulegenden Maßstabs Es ist somit als erstes zu ermitteln, ob und falls ja, mit welcher Reichweite dem Tatbestandsmerkmal „vernünftigerweise“ Modifikationen für die richterliche Überprüfung pflichtgemäßen Vorstandsverhaltens zu entnehmen sind. 1. Eigengehalt des Merkmals Zunächst wird zu diesem Zweck der terminologische Eigengehalt von „vernünftigerweise“ untersucht. a. Wortlaut Nach allgemeinem Verständnis beschreibt „vernünftigerweise“ als Adverb zur „Vernunft“ eine menschliche Haltung, die sich darstellt als „geistige Fähigkeit des Menschen, Einsichten zu gewinnen, sich ein Urteil zu bilden, die Zusammenhänge und die Ordnung des Wahrgenommenen zu erkennen und sich in seinem Handeln danach zu richten“.392 Das Gegenteil wäre jedes Verhalten abseits einer solchen Vorgehensweise, also ein unüberlegtes, unreflektiertes, nicht zielgerichtetes Verhalten.393 Demnach müssen als Voraussetzung eines „vernünftigerweise“ legitimen Verhaltens mindestens Gründe vorliegen, die nicht als irrational völlig von der Hand zu weisen sind.394 Das deutet darauf hin, dass hier nicht mehr allein der generelle Maßstab des §  93 Abs.  1 S.  1 AktG gilt, denn der Sorgfaltsmaßstab des „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ ist 390 

Vgl. oben Teil 1 §  1 D. Vgl. nur Bachmann, in: FS Stilz, 25 (28 ff.); Habersack, ZHR 177 (2013), 786 (799, Fn.  77). 392  Wermke/Kunkel-Razum/Scholze-Stubenrecht, Duden Bedeutungswörterbuch, Stichwort: „Vernunft“. 393  Bachmann, in: FS Stilz, 25 (31). 394  Bachmann, in: FS Stilz, 25 (31). 391 

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nicht erst bei Irrationalität – also völlig unreflektiertem Verhalten – verletzt, sondern mangels sonstiger zu berücksichtigender subjektiver Kriterien schon bei leichter Fahrlässigkeit.395 Der Wortlaut legt daher nahe, dass hier weitergehende und den Vorstand privilegierende Parameter zu berücksichtigen sein müssen. b. Historie Weiterhin ist der Wille des Gesetzgebers zu betrachten, wie er sich aus der Gesetzesbegründung des UMAG ergibt. aa. Gesetzesbegründung §  93 Abs.  1 S.  2 AktG stellt sich unter anderem als legislatorische Anknüpfung an die „ARAG/Garmenbeck“-Rechtsprechung dar.396 Dieser Bezug wird auch in der amtlichen Begründung des Gesetzes deutlich. So wurde hinsichtlich des im Rahmen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG „vernünftigerweise annehmbaren“ ausgeführt: „Das Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmals wäre etwa dann zu verneinen, wenn das mit der unternehmerischen Entscheidung verbundene Risiko in völlig unverantwortlicher Weise falsch beurteilt worden ist (vgl. BGHZ 135, 244, 253)“.397 Damit ist für die Ermittlung der Reichweite des Merkmals an die Grundsätze, die in der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung entwickelt wurden, anzuknüpfen.398 Dieser eindeutige Bezug wird im Schrifttum selten mit der Tragweite seiner Konsequenzen – namentlich der weiten Auslegung von „vernünftigerweise“ – berücksichtigt oder es wird sogar dem Gesetzgeber unterstellt, er habe nicht an die „ARAG/Garmenbeck“-Grundsätze anknüpfen wollen.399 Als Konsequenz wird eine privilegierende Funktion von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG abgelehnt.400 In diesem Sinne heißt es, mehr als eine Entscheidung ohne eigene Interessen, sachfremde Einflüsse und der vernünftigerweise legitimen Annahme, „auf der Grundlage angemessener Information zum Wohl der Gesellschaft zu handeln“, könne man „nicht von einem ordentlichen und gewissen395 

Bachmann, in: FS Stilz, 25 (31). Siehe dazu oben Teil 2 §  1 A. II. 2. b. 397  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11. 398  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11; dort auch: „Als Maßstab für die Überprüfung, ob die Annahme des Vorstands nicht zu beanstanden ist, dient das Merkmal „vernünftigerweise“. Auch insofern wird auf Ausführungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung im ARAG/Garmenbeck-Urteil Bezug genommen“. 399  So etwa bei v. Falkenhausen, NZG 2012, 644 (648 ff.); Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115 (2120 f.); anders freilich z. B. schon Gehb/Heckelmann, ZRP 2005, 145 (148) und jüngst vor allem Bachmann, in: FS Stilz, 25 (30). 400  v. Falkenhausen, NZG 2012, 644 (649 f., 651); sich dem anschließend Cahn, WM 2013, 1293 (1295 (s. Fn.  29)). 396 

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haften Geschäftsleiter […] verlangen“.401 Das mag zwar isoliert betrachtet zutreffend sein, klammert aber die durch den Gesetzgeber festgelegten Maßstäbe, die im Anwendungsbereich der BJR und speziell innerhalb des Merkmals „vernünftigerweise“ gelten, eben gerade aus.402 Diese bestehen gerade darin, dass die „Maschen“ des richterlichen „Kontrollnetzes“403 im Sinne der „ARAG/Garmenbeck“-Rechtsprechung weit zu knüpfen sind.404 Die ablehnenden Gegenpositionen widersprechen den soeben aufgezeigten eindeutigen Aussagen in der Gesetzesbegründung. bb. „Grobe Fahrlässigkeit“ im Gesetzgebungsprozess Während des Gesetzgebungsprozesses wurde im Referentenentwurf zunächst angedacht, das Kriterium „ohne grobe Fahrlässigkeit“ in §  93 Abs.  1 S.  2 AktG n. F. aufzunehmen.405 Diese Überlegung wurde in der finalen Fassung des Gesetzes jedoch nicht umgesetzt.406 Im Schrifttum wird die Entscheidung des Gesetzgebers gegen dieses Kriterium nun als Argument für die These angeführt, es sei nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen, im Rahmen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eine Privilegierung des handelnden Vorstands zu besorgen.407 Daran würde sich zeigen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers der geltende Maßstab „vernünftigerweise“ im Sinne von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG nicht der haftungsrechtlichen Privilegierung im Sinne des „ARAG/Garmenbeck“-Urteils, sondern lediglich dem allgemeinen Sorgfaltsmaßstab aus §  93 Abs.  1 S.  1 AktG entsprechen solle.408 Gegen eine solche Einschätzung spricht allerdings schon der soeben festgestellte deutliche Bezug des Gesetzgebers auf die „ARAG/Garmenbeck“-Rechtsprechung.409 Deshalb ist zu untersuchen, ob die Ablehnung „grober Fahrlässigkeit“ innerhalb des Gesetzgebungsprozesses und die alternative Einführung des Merkmals „vernünftigerweise“ nicht doch die Annahme sich entsprechender Maßstäbe rechtfertigen könnten.

401 

Cahn, WM 2013, 1293 (1295). Gleichsinnig Bachmann: „Die Prämisse ist richtig, die Folgerung nicht“, Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  I, S. E 45. 403  Zu dieser Auffassung oben Teil 2 §  2 D. II. 1. 404  Bachmann, in: FS Stilz, 25 (33). 405  Siehe Referentenentwurf (im Folgenden RefE-UMAG) vom 19.01.2004, S.  1 und S.  18 (verfügbar unter http://www.gesmat.bundesgerichtshof.de/gesetzesmaterialien/15_wp/umag/refe.pdf (zuletzt abgerufen am 03.01.2015)); v. Falkenhausen, NZG 2012, 644 (648 f.). 406  Dazu sogleich ausführlich. 407  v. Falkenhausen, NZG 2012, 644 (648 ff.), sich dem anschließend Cahn, WM 2013, 1293 (1295 (s. Fn.  29); Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115 (2121). 408  v. Falkenhausen, NZG 2012, 644 (649); Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115 (2121). 409  Siehe oben Teil 2 §  2 D. III. 1. b. aa. 402 

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aaa. Der Vorschlag des UMAG-Referentenentwurfs Im Referentenentwurf des UMAG aus dem Januar 2004 wurde folgender Wortlaut für die zukünftige Gestaltung des §  93 Abs.  1 S.  2 AktG n. F. ausgearbeitet: „Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung ohne grobe Fahrlässigkeit annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“.410 Zur Begründung, warum der Maßstab „grober Fahrlässigkeit“ in das Gesetz aufzunehmen sei, wurde ausgeführt, „die ,Annahme‘ [sei] ein subjektives Tatbestandsmerkmal, welches durch das ,annehmen dürfen‘ objektiviert wird. Die Annahme des Vorstands [auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln] muss also frei von groben Sorgfaltspflichtverletzungen gebildet worden sein, worauf das Tatbestandsmerkmal „ohne grobe Fahrlässigkeit annehmen durfte“ hinweist. Das Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmals wäre etwa auch dann zu verneinen, wenn das mit der unternehmerischen Entscheidung verbundene Risiko in völlig unverantwortlicher Weise falsch beurteilt worden ist (vgl. BGHZ 135, 244, 253)“.411 Daraus ergibt sich dreierlei: Erstens sollte ein subjektiver Maßstab – die „Annahme“ – eingeführt werden, anhand dessen zu beurteilen war, ob das Vorstandsmitglied aus seiner Perspektive auf „angemessener Informationsgrundlage zum Wohle der Gesellschaft“ handelte, was auch im finalen Regierungsentwurf so umgesetzt wurde.412 Zweitens ergeben sich daraus die durch den Gesetzgeber intendierten Grenzen der subjektiven Einschätzung, also inwiefern der Vorstand seine Annahme legitimerweise auch bilden „durfte“.413 Drittens ergibt sich, dass für die Bewertung dessen, was der Vorstand legitimerweise „annehmen durfte“, auf objektiver Ebene sowohl an das Kriterium der „groben Fahrlässigkeit“414 als auch an die Grundsätze subjektiver Entscheidungsfreiheit, die der BGH im „ARAG/Garmenbeck“-Urteil entwickelt hatte, angeknüpft werden sollte. bbb. Die Kritik aus dem Schrifttum Im Schrifttum wurde die Begrenzung des „annehmen dürfens“ durch den Maßstab der „groben Fahrlässigkeit“ namentlich von Fleischer kritisiert, der den Austausch dieses Merkmals empfahl.415 Er kritisierte daran, dass das Kriterium 410 

RefE-UMAG vom 19.01.2004, S.  1. RefE-UMAG vom 19.01.2004, S.  17. 412  So bereits ausdrücklich von Verfassern des Entwurfs bezeichnet, Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252 (254) („subjektive Absicherung des Freiraums“); vgl. auch oben Teil 2 §  2 D. I. 413  Fleischer, ZIP 2004, 685 (689). 414  Fleischer, ZIP 2004, 685 (689). 415  Fleischer, ZIP 2004, 685 (689). 411 

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„grober Fahrlässigkeit“ zu einer Vermischung von „Pflichten- und Verschuldensmaßstäben“ führen und damit dogmatische Prinzipien des Haftungsrechts verletzen würde.416 In der Sache ließen sich für den Entwurf dagegen, so Fleischer, „gute Gründe anführen“.417 Als Alternative, die sich dogmatisch korrekt in das Gefüge der Vorschrift, also ihren Ansatzpunkt auf der „Pflichtenebene“ einfügen sollte, empfahl er stattdessen die Verwendung des später vom Gesetzgeber aufgegriffenen Maßstabs „vernünftigerweise“.418 Blickt man auf die drei soeben herausgearbeiteten Dimensionen des Referentenentwurfes, übte Fleischer weder auf der ersten Ebene – der Ausrichtung auf eine subjektive Beurteilung – noch auf der zweiten Ebene – dem Maßstab der objektiven Begrenzung dieses subjektiven Handlungsspielraums – irgendeine Kritik. Die Kritik Fleischers bezog sich allein auf die dogmatische Ausarbeitung der dritten Ebene im Gesetzesentwurf – die formelle Gestaltung der objektiven Begrenzung.419 Andere Stimmen im Schrifttum kritisierten dagegen den Bezug auf grobe Fahrlässigkeit auch inhaltlich als zu weitgehendes Privileg.420 ccc. Die Ablehnung im Regierungsentwurf In der Gesetzesbegründung wurde die Aufnahme des Kriteriums „grober Fahrlässigkeit“ abgelehnt. Zur Begründung dieser Ablehnung wurde ausgeführt: „Der Regierungsentwurf übernimmt nicht das Kriterium der „groben Fahrlässigkeit“ aus dem Referentenentwurf, gegen den geltend gemacht worden ist, dass er eine Vermengung von Pflichten- und Sorgfaltsmaßstab bedeutet hätte“.421 Übernommen wurde stattdessen Fleischers Vorschlag, den Bezug auf „grobe Fahrlässigkeit“ durch den Maßstab „vernünftigerweise“ zu ersetzen.422 ddd. Bewertung Die BJR knüpft an die tatbestandliche Ebene der Pflichtverletzung an und erklärt sämtliche Entscheidungen, die unter der Voraussetzung des „vernünftigerweise annehmbaren“ aus §  93 Abs.  1 S.  2 AktG getroffen wurden, als pflichtgemäß.423 Die Fragen nach der Pflichtmäßigkeit einer Handlung und nach dem 416  Fleischer, ZIP 2004, 685 (689); verschiedene Stimmen aus dem Schrifttum schlossen sich an diese Kritik an, etwa Ihrig, WM 2004, 2098 (2106). 417  Fleischer, ZIP 2004, 685 (689). 418  Fleischer, ZIP 2004, 685 (689). 419  S. abermals die Aussage von Fleischer, für Neuregelung sprächen „in der Sache […] gute Gründe“, und er äußere nur „rechtsdogmatische Bedenken“, s. Fleischer, ZIP 2004, 685 (689). 420  Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  150; Ihrig, WM 2004, 2098 (2106). 421  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11. 422  Vgl. Fleischer, ZIP 2004, 685 (689). 423  Vgl. oben Teil 2 §  2 A.

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Verschulden eines Pflichtverstoßes betreffen voneinander unabhängig zu bewertende Ebenen des Haftungstatbestands von §  93 Abs.  2 S.  1 AktG und damit auch grundsätzlich zu trennende Parameter des Haftungsrechts. Die Trennung wird deutlich, wenn man berücksichtigt, dass das Aktienrecht teilweise Rechtsfolgen an Pflichtverletzungen knüpft, bei denen gerade kein Verschulden vorliegen muss.424 Allerdings sind sich diese beiden Ebenen wesentlich näher, als diese theoretische Trennlinie annehmen lässt. So kennt das Zivilrecht durchaus Bereiche, in denen diese beiden Parameter geradewegs zusammenfallen, womit sich entgegen der Auffassung Fleischers diese Vermischung nicht als völliger Fremdkörper dargestellt hätte.425 Als solcher Bereich stellt sich, wie im Schrifttum hervorgehoben, allein schon die nach h. M. dem §  93 Abs.  1 S.  1 AktG zu entnehmende Doppelfunktion als Quelle von Sorgfaltspflichten und gleichzeitiger Funktion als Verschuldensmaßstab dar.426 Ähnlich „vermischte“ Konstellationen liegen z. B. bei §  276 Abs.  2 BGB oder §  932 Abs.  2 BGB vor.427 Indes: Wie im Schrifttum zutreffend herausgearbeitet wurde, finden sich an keiner Stelle des Regierungsentwurfs Äußerungen, die darauf schließen lassen, der Verzicht auf die Aufnahme „grober Fahrlässigkeit“ in die Gesetzesbegründung sei der Absicht geschuldet gewesen, mit §  93 Abs.  1 S.  2 AktG keine haftungsrechtliche Privilegierung des Vorstands besorgen zu wollen.428 Aus der Gesetzesbegründung geht wie festgestellt einzig hervor, dass der Bezug auf diesen Maßstab an der ursprünglich beabsichtigten Stelle im Sinne der Kritik Fleischers dogmatisch widersprüchlich gewesen wäre. Allein dieses Motiv dokumentiert auch z.B Schütz als Mitautor des Gesetzesentwurfs.429 Dementsprechend erscheint der Verzicht auf das Kriterium der „groben Fahrlässigkeit“ ledig­lich als Korrektur einer (nach obigen Betrachtungen zumindest vermeintlichen) dogmatischen Notwendigkeit in der Phase des Referentenentwurfs, nicht aber als eine inhaltliche Distanzierung von der Absicht, einen weiten Handlungsspielraum für den Vorstand zu normieren.430 Aus den Ausführungen des Regierungsentwurfs kann jedenfalls nicht gefolgert werden, der Gesetzgeber habe sich zusätzlich zu den oben geschilderten dogmatischen Bedenken auch und gerade deshalb gegen die Aufnahme des Merkmals „grober Fahrlässigkeit“ 424  Fleischer, ZIP 2004, 685 (688 f.), vgl. nur §  84 Abs.  3 S.  2 AktG (Abberufung des Vorstands bei „grober Pflichtverletzung“, ohne dass es auf ein Verschulden ankommt). 425  Bachmann, in: FS Stilz, 25 (35 f.). 426  Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  151; vgl. dazu auch oben Teil 2 §  1 C. I. 2. a. aa. 427  Bachmann, in: FS Stilz, 25 (35 f.). 428  Bachmann, in: FS Stilz, 25 (33); Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  149 m. w. N. 429  Schütz, NZG 2005, 5 (6). 430  Ebenso Bachmann, in: FS Stilz, 25 (35); Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281 (2283).

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entschieden, weil ihm nicht an einer Privilegierung des im Anwendungsbereich von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG handelnden Vorstands gelegen gewesen wäre, sondern es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber lediglich dem Einwand Fleischers folgen wollte.431 cc. Fortsetzung der „ARAG/Garmenbeck“-Rechtsprechung Neben den vorigen Überlegungen würde sich eine enge Auslegung als Bruch mit der Rechtsprechung des BGH erweisen, indem der im „ARAG/Garmenbeck“-Urteil konstatierte Spielraum des Vorstands durch eine verengte Auslegung de facto außer Kraft gesetzt würde.432 So stringent formulieren die Vertreter der Gegenauffasssung dies freilich nicht, gleichwohl scheinen sie hier die Konsequenzen ihrer eigenen Auffassung zu verkennen. Als Gegenfrage muss ihnen und den zustimmenden oder ähnlich argumentierenden Stimmen innerhalb des Schrifttums entgegenhalten werden, was denn durch das UMAG – wenn nicht eine Anknüpfung daran in §  93 Abs.  1 S.  2 AktG erfolgen sollte – sonst mit den Grundsätzen des „ARAG/Garmenbeck“-Urteils hätte geschehen sollen. Indes erübrigt sich diese Frage schon anhand der Bezugnahme auf das „ARAG/Garmenbeck“-Urteil in der amtlichen Begründung des UMAG.433 dd. Zwischenergebnis Die Grenzen des „vernünftigerweise“ noch „annehmbaren“ sind nach dem Willen des UMAG-Gesetzgebers unter Bezugnahme auf die „ARAG/Garmenbeck“-Rechtsprechung des BGH und damit weit auszulegen. Angesichts der Entstehungsgeschichte der Norm ist davon auszugehen, dass es dem Gesetzgeber auf eine Privilegierung des Vorstands ankam.434 c. Systematik Aus systematischer Hinsicht wäre das Tatbestandsmerkmal „vernünftigerweise“ in §  93 Abs.  1 S.  2 AktG schlicht überflüssig, wenn damit kein eigenständiger Maßstab hinsichtlich des „annehmen dürfens“ hätte eingeführt werden sollen; es erscheint deshalb insofern verfehlt, ihm über die allgemeingültigen Maß-

431 

Ebenso Bachmann, in: FS Stilz, 25 (35); gleichsinnig Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281 (2283). Prägnant Bachmann, ZHR 177 (2013), 1 (10): Die Entscheidung gegen den Maßstab „grober Fahrlässigkeit“ und für das Merkmal „vernünftigerweise“ sollte eben gerade „nicht den in der ARAG-Entscheidung gewährten Freiraum beseitigen“; gleichsinnig Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281 (2283). 433  Siehe oben Teil 2 §  2 D. III. 1. b. aa. 434  Gleichsinnig Bachmann, in: FS Stilz, 25 (33); Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281 (2283). 432 

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stäbe des §  93 Abs.  1 S.  1 AktG hinaus keine selbständige Bedeutung beimessen zu wollen.435 d. Sinn und Zweck Schließlich ist die Frage nach dem Eigengehalt von „vernünftigerweise“ vor dem Hintergrund des oben ermittelten Sinn und Zwecks von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG zu bestimmen.436 Der Zweck des von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG intendierten „Entscheidungsspielraums“ ist es, dem Vorstand in haftungsrechtlicher Hinsicht im Interesse des Unternehmens einschließlich der daran beteiligten Anteilseigner und der sonstigen „Stakeholder“ die durch Unsicherheiten geprägte Tätigkeit der Unternehmensführung und in diesem Zusammenhang auch das Eingehen typischer Risiken zu ermöglichen.437 In diesem Zusammenhang wirkt die Regelung richterlichen Bewertungsverzerrungen in Form von Rückschaufehlern entgegen.438 Unternehmerische Entscheidungen sollen des Weiteren richterlicher Bewertung entzogen werden.439 Dieser Handlungsspielraum ist zugleich als ein notwendiges Korrelat zum eigenverantwortlichen Leitungsauftrag des Vorstands zu verstehen.440 All dies lässt sich gegenüber dem allgemeinen Maßstab des §  93 Abs.  1 S.  1 AktG realisieren, indem dem Vorstand Spielräume für sein Handeln und Entscheiden eingeräumt werden, die über die allgemeingültigen Maßstäbe hinausgehen und ihn erst bei gravierenden Fehlern zur Rechenschaft ziehen lassen.441 Vor diesem Hintergrund ist darauf zu schließen, dass die hier zu verortende Modifikation nicht in einer Verschärfung der Grundsätze aus §  93 Abs.  1 S.  1 AktG liegen kann, sondern als Privileg des Vorstands ausgestaltet sein muss.442 e. Konturierung des Ermessensspielraums Es stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, wie der Spielraum des Vorstands inhaltlich näher zu konturieren ist.

435  Prägnant Bachmann, in: FS Stilz, 25 (31): „Da sich die Sorgfaltspflicht schon aus dem „annehmen durfte“ ergibt, muss der Zusatz mehr bedeuten“; offenbar anders aber z. B. Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  38 Rn.  1528. 436  Siehe oben Teil 2 §  1 D. 437  Siehe oben Teil 2 §  1 D. 438  Siehe oben Teil 2 §  1 D. 439  Siehe oben Teil 2 §  1 D. 440  Siehe oben Teil 2 §  1 D. 441  Vgl. abermals die entsprechende Absicht der Verfasser des Gesetzesentwurfs, Seibert/ Schütz, ZIP 2004, 252 (254). 442  Bachmann, in: FS Stilz, 25 (31 f.).

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aa. Ausgangspunkt „ARAG/Garmenbeck“ Da zur Interpretation der BJR die „ARAG/Garmenbeck“-Rechtsprechung zu berücksichtigen ist, ist zunächst der dort bestimmte Kontrollmaßstab für den Handlungsspielraum des Vorstands zu betrachten. Im Urteil wurde festgestellt, dass dem Vorstand „ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt werden muß, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar“ sei.443 Dieser „weite Handlungsspielraum“ wurde im Urteil dahingehend konkretisiert, dass die Grenzen sorgfaltspflichtgemäßen Verhaltens durch den Vorstand für eine Schadensersatzpflicht „deutlich überschritten […] [werden müssen], die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt […] [wurde] oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muß“.444 bb. Konkretisierungen der „Unverantwortlichkeit“ In konsequenter Anknüpfung an das „ARAG/Garmenbeck“-Urteil wollte der Gesetzgeber im Rahmen des „vernünftigerweise“ explizit nur grobe Fehler – „grobe Pflichtverstöße“ – berücksichtigt wissen, wie dies in der amtlichen Begründung denn auch nach der dogmatisch begründeten Änderung des Wortlauts von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG zwischen Referentenentwurf und Regierungsentwurf zumindest ausdrücklich für die Angemessenheit der Informationsgrundlage beibehalten wurde.445 Ähnlich positionieren sich auch Vertreter des Schrifttums. Entscheidend sei etwa, dass „nicht schon jede noch so leichte Fehleinschätzung der Informationsgrundlage oder irgendeine leichte Fehlgewichtung des Gesellschaftswohls zur Haftung führt, sondern nur die ‚unverantwortliche‘“.446 Dies entspricht nach zutreffender Ansicht Bachmanns der Tragweite „grober Fahrlässigkeit“.447 Dass dieser Maßstab im Rahmen der Pflichtverletzung aus dogmatischen Gründen nicht unmittelbar angewendet werden kann, wurde bereits oben ermittelt.448 Dennoch: Auch wenn „vernünftigerweise“ meistens mit einer anderen Terminologie bedacht wird, wird dieses Merkmal inhaltlich von der Literatur als sehr weitgehend verstanden, und die Beschrei443 

BGH, Urt. v. 21.04.1997, II ZR 175/95 = NJW 1997, 1926 (Leitsatz 2). BGH, Urt. v. 21.04.1997, II ZR 175/95 = NJW 1997, 1926 (1928). 445  BT.-Drucks. 15/5092, S.  12 („Welche Intensität der Informationsbeschaffung angemessen ist, ist […] ohne groben Pflichtenverstoß zu entscheiden“, „erheblicher Spielraum“); Bachmann, in: FS Stilz, 25 (33 f.). 446  Bachmann, ZHR 177 (2013), 1 (9); Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  113. 447  Bachmann, ZHR 177 (2013), 1 (9 f.) sowie Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  I, S. E 45 f. 448  Siehe oben Teil 2 §  2 D. III. 1. b. 444 

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bungen entsprechen durchaus den typischen zivilrechtlichen Beschreibungen „grober Fahrlässigkeit“.449 Diese wird als Handeln beschrieben, bei dem die jeweils „erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden ist und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Falle jedem hätte einleuchten müssen“.450 Weitere Umschreibungen setzen grobe Fahrlässigkeit mit „besonders schwerem Außerachtlassen der erforderlichen Sorgfalt“ bzw. „ganz naheliegender Überlegungen“ und dessen, was „einem Sachkundigen sofort in den Sinn kommt“, gleich.451 Allein der explizite Bezug auf „grobe Fahrlässigkeit“ wird – so Bachmann treffend – bei der Beschreibung von „vernünftigerweise“ auf mitunter geradezu „gequält wirkende“ Weise vermieden.452 Neben den Beispielen, die Bachmann sodann für diese Beobachtung aufführt 453, lassen sich innerhalb der Literatur weitere Belege heranziehen, die der dargelegten Qualität grober Fahrlässigkeit entsprechen. So heißt es, der Rahmen des „vernünftigerweise annehmen dürfens“ solle lediglich bei „extreme[n] Sondersituationen oder grobe[n] handwerkliche[n] Schnitzer[n], aus denen sich ein hohes Risiko für einen unabweisbaren Schaden ergibt und für die keine vernünftigen Gründe sprechen“ bzw. bei einer Entscheidung, die „ohne Not und unter grober Missachtung der marktüblichen Standards“ getroffen wurde, überschritten sein454 oder dass „pflichtwidrig […] erst ein krasses, von den tatbestandlichen Grundlagen vollständig losgelöstes Fehlverhalten“ sei.455 Ähnlich wird formuliert, es müsse „ein Leitungsfehler vorliegen, der auch für einen Außenstehenden derart evident ist, dass sich das Vorliegen eines Fehlers förmlich aufdrängt“.456 Andere beschreiben den Spielraum als bis hin zum „schlechthin unvertretbaren“457 reichend oder „in der Nähe zur groben Fahrlässigkeit anzusiedeln“.458 Zugleich wird dabei auch auf die Kontinuität dieses großzügigen Maßstabs im Hinblick auf die „ARAG/Garmenbeck“-Rechtsprechung hingewiesen.459 Gemein ist diesen An449  Bachmann, FS Stilz, 25 (34 f. m. w. N.); ders., ZHR 177 (2013), 1 (9 f., insb. Fn.  40); gleichsinnig Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281 (2286). 450  BGH, Urt. v. 11.05.1953 – IV ZR 170/52 = NJW 1953, 1139. 451  Alle Definitionen von Grundmann, in: MüKo-BGB, §  276 Rn.  94; vgl. dort auch die weiteren Nachweise. 452  Bachmann, ZHR 177 (2013), 1 (10, Fn.  40). 453  Bachmann, ZHR 177 (2013), 1 (10, Fn.  40). 454  So im Einzelnen Nauheim/C. Goette, DStR 2013, 2520 (2522 f.). 455  Parmentier, in: Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  2 Rn.  212. 456  Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  56; ähnl. auch ders., a. a. O., Rn.  4: „außerhalb von evidenten Fehlern“ wären unternehmerische Entscheidungen „kaum justiziabel“. 457  Krieger, in: Lutter/Krieger, Hdb. Managerhaftung, §  3 Rn.  13. Insgesamt ähnlich weitgehend z. B. Schmitz-Remberg, BB 2014, 2701 (nur „ganz und gar unvernünftiges oder unverantwortliches Handeln ist nicht mehr vom unternehmerischen Ermessen gedeckt“). 458  Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281 (2286). 459  Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  113.

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sichten die weite Auslegung des „vernünftigerweise“ legitimen Maßstabs und die Gleichwertigkeit mit den oben aufgeführten Beschreibungen grober Fahrlässigkeit bei gleichzeitiger, „gequält wirkende[r]“ Vermeidung von dessen ausdrücklicher Bezeichnung.460 Erst die „schlechthin unvertretbare“, d. h. im Sinne der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung unverantwortliche und im Sinne grober Fahrlässigkeit das, „was im gegebenen Falle jedem hätte einleuchten müssen“, ignorierende Maßnahme sprengt nach alldem die Grenzen des Ermessens. So wird zum einen ein Handlungsspielraum für den Vorstand geschaffen, andererseits bleibt es möglich, durch ein Mindestmaß an Kontrollintensität bei groben und somit deutlich zu identifizierenden Verfehlungen im Sinne der gesetzgeberischen Intention, „Unbesonnenheit und Leichtsinn auf Kosten der Kapitalgeber und Arbeitnehmer“461 der Aktiengesellschaft entgegenzuwirken, gerecht zu werden.462 Wie Bachmann außerdem zutreffend ermittelt hat, entspricht eine solch weite Auslegung des „vernünftigerweise“ anzulegenden Maßstabs schließlich auch den Vorgaben der US-amerikanischen BJR.463 So hat der für das Gesellschaftsrecht maßgebliche Delaware Supreme Court hinsichtlich der von den Directors einer unternehmerischen Entscheidung zugrundezulegenden Informationsbasis ausdrücklich gross negligience, also einen der groben Fahrlässigkeit entsprechenden Verschuldensmaßstab, statuiert.464 cc. Fazit Es mag sich an dem Konzept, den Vorstand im Wege der Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle auf „vernünftigerweise“ legitime Annahmen zu privilegieren, kritisieren lassen, es sei umständlich und insofern „nicht besonders gelungen“.465 „Statt einen neuen Verwirrung stiftenden Terminus ins Haftungsrecht einzuführen“, so Bunz treffend, hätte man sich besser „eines existenten 460 

Bachmann, ZHR 177 (2013), 1 (10, Fn.  40). BT.-Drucks. 15/5092, S.  12. 462  Ebenso Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281 (2283 ff.). 463  Bachmann, in: FS Stilz, 25 (32); a. A. Paefgen, AG 2014, 554 (562 f.); grdsl. zur US-amerikanischen Variante der BJR oben Teil 2 §  1 A. II. 2. c. 464  So zunächst in der Entscheidung Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805, 812 (1984) („While the Delaware cases use a variety of terms to describe the applicable standard of care, our analysis satisfies us that under the business judgment rule director liability is predicated upon concepts of gross negligence“); bestätigt hinsichtlich der Informationsbasis dann in Smith v. van Gorkom, 488 A.2d 858, 873 (1985) („We think the concept of gross negligence is also the proper standard for determining whether a business judgment reached by a board of directors was an informed one“); v. Werder/Feld, RIW 1996, 481 (482). 465  Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  152. 461 

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und ohne weiteres ausreichenden Begriffe[s] bedient“.466 Indessen stellt sich diese Frage im Nachgang der Normierung durch das UMAG nicht mehr mit der gleichen Dringlichkeit. Die tatbestandlichen Unschärfen lassen sich, wie von Bachmann präzise herausgearbeitet und wie die Betrachtung von „vernünftigerweise“ bestätigt hat, durch Auslegung lösen.467 Insbesondere lassen sie sich aber auch im Hinblick auf die „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung systemkonform lösen und führen so zu einer Privilegierung des Vorstands, dem angesichts seines komplexen und risikofordernden Handlungsumfelds nicht jeder geringe Fehler zur Last gelegt werden kann.468 Es erscheint darüber hinaus nicht zweckmäßig, auf die bestehenden Unsicherheiten mit dem Ruf nach einer Gesetzesänderung zu reagieren, da eine erneute legislatorische Tätigkeit im Bereich der Organhaftung, auch im Hinblick auf die Vorhaben der aktuellen Koalitionsvereinbarungen, mittelfristig unwahrscheinlich ist.469 Es scheint deshalb vielmehr angezeigt, im Sinne Bachmanns mit dem Wortlaut der Norm „zu leben“ und die tatbestandliche Ausgestaltung des §  93 Abs.  1 S.  2 AktG durch das UMAG zur Basis jeglicher weiteren Diskussion zu nehmen.470 Insgesamt erscheint es folgerichtig, die Vorgaben des „ARAG/Garmenbeck“-Urteils als Maßstab der Auslegung zu behandeln. Demnach ist „Unverantwortlichkeit“ der Kontrollmaßstab für unternehmerische Entscheidungen. Wie innerhalb des Schrifttums vertreten und namentlich von Bachmann dargelegt, entsprechen die dafür anzulegenden Maßstäbe inhaltlich „grober Fahrlässigkeit“. 2. Ausstrahlung auf das „Wohl der Gesellschaft“ und die Informationsgrundlage Nachdem nun der Eigengehalt des Merkmals „vernünftigerweise“ interpretiert wurde bleibt die Frage offen, inwiefern sich das Merkmal einerseits auf die Annahme des Vorstands, zum „Wohl der Gesellschaft“ zu handeln, und andererseits auf die Informationsgrundlage seiner Entscheidung bezieht.

466  Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  152. 467  Bachmann, ZHR 177 (2013), 1 (8) – „Dessen ungeachtet lässt sich mit dem geltenden Wortlaut leben“. 468  Vgl. dazu oben Teil 2 §  1 C. II. 469  So die Einschätzung von Hirte auf dem 70. DJT, Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  II/2, S. N 154, s. auch Jahn, AG-Report 2014, R 300. 470  Bachmann, ZHR 177 (2013), 1 (8); gleichsinnig wohl Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  11 mit der Feststellung, die „Normanwendung habe von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG auszugehen“.

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a. Wortlaut Der Wortlaut von „vernünftigerweise“ bezeichnet, wie bereits oben erwähnt, die „Vernunft“ als „geistige Fähigkeit des Menschen, Einsichten zu gewinnen, sich ein Urteil zu bilden, die Zusammenhänge und die Ordnung des Wahrgenommenen zu erkennen und sich in seinem Handeln danach zu richten“.471 Allein daraus lassen sich freilich noch keine Anhaltspunkte hinsichtlich der Frage gewinnen, auf welches der übrigen Tatbestandmerkmale sich „vernünftigerweise“ bezieht.472 b. Historie aa. „Wohl der Gesellschaft“ Die Betrachtung der amtlichen Begründung spricht für die Absicht des Gesetzgebers, das Merkmal „vernünftigerweise“ auch auf das „Wohl der Gesellschaft“ zu beziehen: So wird ausdrücklich der Zusammenhang zwischen dem „Wohl der Gesellschaft“, der „Annahme“ und der für die „Annahme“ geltenden Maßstäbe von „vernünftigerweise“ erklärt.473 Zudem wird für die „vernünftigerweise“ geltenden Maßstäbe im Gesetzesentwurf als Beispiel die Risikoeinschätzung einer Maßnahme durch den Vorstand herangezogen.474 Dabei handelt es sich um eine Frage, die unter der Kategorie des „Wohls der Gesellschaft“ einzuordnen ist.475 Dass sich „vernünftigerweise“ auf das „Wohl der Gesellschaft“ beziehen soll, zeigt sich auch an den Aussagen des Gesetzesentwurfs. Sie lassen keinen Zweifel daran, dass beide Merkmale eben nicht „objektiv gefasst“ werden sollten, sondern sich die im Merkmal „vernünftigerweise“ verkörperte „Einschätzungsprärogative“ des Vorstands auf das „Wohl der Gesellschaft“ und die Informationsgrundlage der Entscheidung beziehen sollte.476 Hinsichtlich des Loyalitätserfordernisses werden in der amtlichen Begründung indessen keine konkreten Aussagen getroffen, sodass – isoliert betrachtet – nach der amt-

471  Wermke/Kunkel-Razum/Scholze-Stubenrecht, Duden Bedeutungswörterbuch, Stichwort: „Vernunft“. 472  Anders aber Redeke, ZIP 2011, 59 (61), der dem Wortlaut bereits einen Bezug auf das „Handeln auf der Grundlage angemessener Information“ sowie auf das „Wohl der Gesellschaft“ entnimmt; siehe hierzu die sogleich folgende systematische Betrachtung mit entsprechendem Ergebnis. 473  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11 – „Das Vorstandsmitglied muss bei seiner Entscheidung annehmen, zum Wohl der Gesellschaft zu handeln“; nicht eben lediglich „das Vorstandsmitglied muss bei seiner Entscheidung zum Wohl der Gesellschaft handeln“. 474  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11. 475  Vgl. dazu oben Teil 2 §  2 B. 476  Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252 (254).

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lichen Begründung eine Anwendung von „vernünftigerweise“ auf die Prüfung des Loyalitätserfordernisses noch nicht ausscheiden muss. bb. Informationsgrundlage Laut der amtlichen Begründung soll dem handelnden Organ „in den Grenzen seiner Sorgfaltspflichten ein erheblicher Spielraum eingeräumt [werden], den Informationsbedarf abzuwägen und sich selbst eine Annahme dazu zu bilden“.477 Entscheidend sei insofern „die vom Vorstandsmitglied vernünftigerweise als angemessen erachtete Information, auf deren Basis und nach deren freier Würdigung er dann eine unternehmerische Entscheidung fällt“.478 Wie weit diese „freie“ (!) Würdigung reichen soll, wird deutlich, wenn der Gesetzgeber sodann klarstellt, dass der Maßstab der „angemessenen“ Information „anhand des Zeitvorlaufs, des Gewichts und der Art der zu treffenden Entscheidung und unter Berücksichtigung anerkannter betriebswirtschaftlicher Verhaltensmaßstäbe von ihm ohne groben Pflichtenverstoß zu entscheiden“ sei.479 Bemerkenswert ist hier der Begriff „ohne groben Pflichtenverstoß“, über den bei der Interpretation nicht hinweggegangen werden darf: Die Wortwahl wie auch die deutliche Erwähnung des „erheblichen Spielraums“ und die erneute Erwähnung des „vernünftigerweise als angemessen“ zu Erachtenden bringen deutlich zum Ausdruck, dass nach der Intention des Gesetzgebers auch bei der Informationsbeschaffung und bei der Informationsbewertung dem Vorstand ein weiter Spielraum einzuräumen sein soll.480 Insbesondere deutet die Formulierung des „groben Pflichtenverstoßes“ zugleich darauf hin, dass das im Rahmen der Interpretation des Merkmals „vernünftigerweise“ oben gewonnene Ergebnis einer weiten Auslegung, die nur evidente Fehler erfassen will, dem Willen des Gesetzgebers entspricht.481 Hier überkreuzt sich die Thematik auch mit der im Rahmen des Tatbestandsmerkmals als „Angemessenheit“ diskutierten Interpretation einer BGH-Entscheidung aus dem Jahr 2008, in der vermeintlich „allumfassende Information“ vom Vorstand gefordert wurde.482 Die Auffassung, die Informationsgrundlage von unternehmerischen Entscheidungen sei umfassender, präziser Nachprüfung zugänglich, gar unter einem gänzlich objektiven 477 

BT.-Drucks. 15/5092, S.  12. BT.-Drucks. 15/5092, S.  12. 479  BT.-Drucks. 15/5092, S.  12. 480  Das zeigt sich, wie auch bereits hinsichtlich des „Wohls der Gesellschaft“, an den Äußerungen der Verfasser des Entwurfs (Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252 (254)), die keinen Zweifel daran lassen, dass beide Merkmale eben nicht „objektiv gefasst“ werden sollten, sondern sich die „Einschätzungsprärogative“ des Vorstands auf beiderlei beziehen sollte. 481  Siehe oben Teil 2 §  2 D. III. 1. 482  Siehe oben Teil 2 §  2 C. I. bzw. BGH, Beschl. v. 14.07.2008 – II ZR 202/07 = DStR 2008, 1839 (Leitsatz 1 sowie 1840 f.). 478 

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Maßstab, steht demnach im Widerspruch zur klar geäußerten gesetzgeberischen Intention.483 Das Privileg muss somit nach dem Willen des Gesetzgebers vielmehr auch die Informationsgrundlage der jeweiligen Entscheidung erfassen. c. Systematik Systematisch bezieht sich der Maßstab des „vernünftigerweise annehmen dürfens“ auf die beiden folgenden Tatbestandsmerkmale von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG: Auf die „Grundlage angemessener Information“ und auf das Erfordernis, „zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“.484 Es bietet sich auf dieser Ebene kein Anlass zur Annahme, einzelne der Tatbestandsmerkmale oder deren Elemente – insb. das Loyalitätserfordernis – sollten vom Maßstab des „vernünftigerweise annehmen dürfens“ auszuschließen sein. d. Sinn und Zweck Schließlich stellt sich die Frage nach dem Bezug des Tatbestandsmerkmals „vernünftigerweise“ und damit der angebrachten richterlichen Kontrollintensität des Informationsniveaus vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck des §  93 Abs.  1 S.  2 AktG. aa. Hinsichtlich der Informationsgrundlage Zunächst kann rein intuitives Verhalten nicht zur Annahme einer informierten Entscheidung ausreichen, sodass bereits aus diesem Grund nicht auf eine Kon­ trolle des Informationsniveaus einer Entscheidung verzichtet werden kann.485 Eine vollständige Kontrollzugänglichkeit birgt wiederum die Gefahr, dass unternehmerisches Handeln durch „Richterermessen ersetzt wird“.486 Zudem kann eine vollständige Kontrollzugänglichkeit der Informationsgrundlage unternehmerischer Entscheidungen nur unter der Prämisse sinnvoll sein, es gäbe für kaufmännische Entscheidungen überhaupt allgemeingültige, präzise nachkontrollierbare Informationsniveaus, deren Anwendung sich objektiviert als richtig oder falsch bewerten ließen. Vielmehr aber hängt – so eine treffende Formulierung aus dem Schrifttum – „die Entscheidung über Art und Intensität der beizuziehenden Information nicht anders als die zu treffende Entscheidung 483  Prägnant Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  71a: „Über diese bewusste Entscheidung des Reformgesetzgebers darf sich der BGH nicht hinwegsetzen, selbst wenn er sie für falsch hält“. 484  Ebenso Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  209 f., unter Hinweis auf den Willen des Gesetzgebers. 485  Siehe oben Teil 2 §  2 C. I. 486  Siehe oben Teil 2 §  1 B. II.

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selbst von Prognosen, Unwägbarkeiten, zeitlichen Zwängen etc.“ ab.487 Insbesondere das von der Gesetzesbegründung als unter Umständen aussichtsreiche, jedenfalls aber als legitim erkannte „antizyklisch[e]“, „unerwartete“488 Verhalten ließe sich – selbst wenn es klare Verfahrensgrundsätze zur Informationsbasis gäbe – eben gerade nicht in bewährte Muster fassen.489 Das geschaffene Informationsniveau würde – bei einer möglicherweise haftungsträchtigen Entscheidung – stets in den direkten Verdacht pflichtverletzender Umstände rücken. Solche Situationen könnten sich demnach in folgenden Haftungsprozessen als Paradefälle von Rückschaufehlern entpuppen und, in Verbindung mit der scharfen Haftung des Vorstands, risikoaverses Verhalten geradezu forcieren.490 Das dürfte auch der Gesetzgeber erkannt haben, der ausdrücklich vermeiden wollte, dass das der Entscheidung zugrunde liegende Informationsniveau „Verrechtlicht oder (schein-)objektiviert“491 werde. Auch betriebswirtschaftliche Grundsätze, auf denen die Bildung einer Informationsgrundlage basieren könnte, sind einer stetigen Entwicklung unterworfen, und die Betriebswirtschaft kann überdies in vieler Hinsicht keine umfangreichen präzisen Regeln, sondern höchstens typischerweise zutreffende und differenzierte Grundsätze bzw. Modelle für die Fragen des Wirtschaftslebens formulieren.492 Freilich mag es verschiedenste Parameter geben, die ganz offenkundig entscheidungsrelevant sind und nicht übergangen werden dürfen – sei dies der Kaufpreis einer zu beschaffenden Anlage oder die Rentabilität eines zu erwerbenden Unternehmens. Dennoch lässt sich auch in an für sich typischen Entscheidungssituationen die Frage nach der 487 

Ihrig, WM 2004, 2098 (2106). BT.-Drucks. 15/5092, S.  12. 489  Gleichsinnig Dauner-Lieb, in: FS Röhricht, 83 (88 f.); Parmentier, in: Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  2 Rn.  256. 490  Vgl. die Begründung der BJR hinsichtlich drohender Risikoaversion, oben Teil 2 §  1 C. II. 491  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11. 492  Dauner-Lieb, in: FS Röhricht, 83 (88 f.); in diesem Sinne auch Ruffner, ZSR 119 (2000), 195 (211) speziell hinsichtlich Kapitalbudgetierungstheorien: „verfügbare Methoden […] alle mit Unschärfen verbunden“; Binder, AG 2012, 885 (897 f.); gleichsinnig Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  37 und 86; Parmentier, in: Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  2 Rn.  247 („nur Hilfestellung“); desw. abermals BT.-Drucks. 15/5092, S.  12: „Mitunter sind die verfügbaren objektiv erscheinenden Informationen auch unmerklich durch betriebswirtschaftliche Trends oder allgemeine Marktstimmungen subjektiv eingefärbt, und gerade der Unternehmer, der sich antizyklisch verhält und das Unerwartete tut, mag Erfolg haben“; sowie v. Werder, in: Ringleb u. a., DCGK, Rn.  498 („[…] Stand der betriebswirtschaftlichen Forschung erlaubt bislang […] keine bis ins Einzelne konkretisierten Vorgaben für die „richtige“ Vorbereitung unternehmerischer, also komplexer und auf die Zukunft gerichteter Maßnahmen des Managements“). Ähnliches scheint anzuklingen, wenn Lutter zwar Vorständen empfiehlt, die „Bemühungen der Betriebswirtschaftslehre“ „sorgfältig aufzunehmen“, gleichwohl aber am Beispiel von Regeln, die von der Schmalenbach-Gesellschaft als Entscheidungshilfen formuliert wurden („20 Goldene Regeln für die unternehmerische Entscheidung“, Schmalenbach-Gesellschaft, ZIP 2006, 1068) anmerkt, dass diese „nur in Grenzen hilfreich sind“, siehe Lutter, ZIP 2007, 841 (845). 488 

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notwendigen Information regelmäßig nur individuell und situationsabhängig beantworten.493 Zudem wird jede Entscheidung nicht nur von einem Kern, sondern auch von einem „Hof“ von Umständen beeinflusst, die auf den ersten Blick nicht entscheidungserheblich sein mögen, im Einzelfall aber dennoch Auswirkungen auf die Entscheidung entfalten. Hier besteht bei komplexen Vorhaben schon denklogisch immer ein Graubereich an Informationen, die regelmäßig keine Auswirkungen auf die jeweilige Entscheidung zeitigen, aufgrund des Einzelfalls oder des möglicherweise speziellen Verlaufs einer Situation aber letztlich – wenn auch nur in der Rückschau – doch Relevanz gewinnen können. Genauso facettenreich wie die auftretenden Entscheidungssituationen in der Arbeit eines Vorstandsmitglieds sind, genauso wenig lässt sich vor dem Hintergrund dieser Überlegungen hinsichtlich der Informationsgrundlage einer Entscheidung von einer einheitlichen, schematischen Lösung im Sinne dichotomisch „richtiger“ oder „falscher“ Entscheidungsgrundlagen ausgehen. Richterliche Bewertungen in dieser Grauzone dürften ebenfalls im Besonderen für Rückschaufehler anfällig sein, wie es auch typische unternehmerische Entscheidungen sind.494 Die damit für den Entscheider verbundenen Risiken würden befördert, wenn im Rahmen einer weitergehenden richterlichen Kontrollintensität die jeweilige Entscheidung durch eine „Plausibilitätskontrolle“ auf ihre „Nachvollziehbarkeit“ hin untersucht werden soll.495 Hier würde dem Richter die Befugnis eingeräumt, die Entscheidungsfindung und die Entscheidungsbasis eines Unternehmers für „plausibel“ oder „nicht plausibel“ zu befinden, anstatt mit einer „negativen Stoßrichtung“496 lediglich evidente Fehler darin zu identifizieren und sich ansonsten einer detaillierten Bewertung zu enthalten. Angesichts des negativen Verlaufs der Ereignisse, der in einer solchen Situation bereits eingetreten ist, droht hier im Rahmen einer späteren Bewertung des Geschehens nicht nur eine verzerrte Beurteilung des früheren Vorstandsverhaltens.497 Erst recht stellt sich auch hier die Frage, warum nun doch wieder ein Richter berufen werden soll, über unternehmerische Maßnahmen zu befinden, von deren Bewertung er durch die BJR aber gerade ausgeschlossen werden sollte.498 493 

Druey, in: FS Goette, 57 (65). Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281 (2285); vgl. auch die Beispiele a.a.O, 2285 f. 495  Redeke, ZIP 2011, 59 (62 f.); gleichsinnig Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  21. 496  Binder, AG 2012, 885 (897). 497  Vgl. Ruffner, ZSR 119 (2000), 195 (211), der denn auch zu Recht die „Ex-Post-Beurteilung von Investitionsentscheidungen auf der Grundlage moderner Methoden der Investitionsrechnung“ nur in „engen Grenzen“ für zulässig hält. 498  In diesem Sinne auch Druey, in: FS Goette, 57 (65) („Kern jener Ermessensfreiheit, die geschützt werden soll“); siehe desw. oben Teil 2 §  1 B. II. 494 

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Bezieht man in diese Überlegungen die strenge Haftung des Vorstands und den geltenden Maßstab leichtester Fahrlässigkeit ein,499 so zeigt sich, dass gerade auch die Phase der Informationsbeschaffung für risikoaverses – namentlich übermäßig zögerliches, absicherndes und defensives – Verhalten anfällig sein dürfte.500 Somit muss auch im Bereich der Informationsgrundlage möglicher Risikoaversion entgegengewirkt werden. Diese Überlegung dürfte sich auch mit den Motiven in der amtlichen Begründung decken, in der es heißt: „Keinesfalls zielt der Entwurf darauf, dass durch routinemäßiges Einholen von Sachverständigengutachten, Beratervoten oder externe[n] Marktanalysen eine rein formale Absicherung stattfindet. Die Frage, ob und in welchem Umfang externe Gutachten eingeholt werden, ist nach betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten sowie den eigenen Möglichkeiten der Gesellschaft zu beantworten und nicht nach formalen Absicherungsstrategien zu entscheiden. Das individuell angemessene Informationsniveau beurteilt sich bei jedem einzelnen Vorstandsmitglied zudem ressortabhängig.“501 Die mit einer potentiell mangelhaften Informationsgrundlage einhergehenden Haftungsmöglichkeiten erhöhen zudem das nicht zu verachtende „Druck-, um nicht zu sagen Erpressungspotential“ von Haftungsklagen gegenüber dem Vorstand.502 Im Zweifelsfall dürfte sich aufgrund der oben skizzierten Unwägbarkeiten die Informationsbasis einer Entscheidung häufig als der günstigste Angriffspunkt erweisen.503 Auch vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, dem Vorstand hinsichtlich der Informationsbasis vor dem Hintergrund seines eigenverantwortlichen Leitungsauftrags einen weiten Handlungsspielraum einzuräumen.504 Insgesamt war und ist es schließlich gerade das Ziel der Regelung, die praktische Handlungssicherheit des Vorstands in Form von „Transparenz und […] Rechtssicherheit“505 zu erhöhen.506 Eine vollständige Nachprüfung des jeweiligen Informationsniveaus auf der Basis objektiver, konkreter betriebswirtschaftlicher Kriterien bzw. Maßstäbe muss damit angesichts des Sinns und Zwecks der BJR als Bewertungsmaßstab für „angemessene Information“ ausscheiden. Vielmehr rechtfertigt der Zweck der BJR eine weite Interpretation des Merkmals „vernünftigerweise“ und damit einen deutlichen 499 

Siehe oben Teil 2 §  1 C. I. 2. c. Ebenso Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281 (2285 f.). 501  BT.-Drucks. 15/5092, S.  12. 502  Sieg, in: Terbille/Höra, MAH-Versicherungsrecht, §  17 Rn.  22. 503  In diesem Sinne auch Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281 (2284 ff.). 504  Ebenso Freitag/Korch, ZIP 2012, 2281 (2284 ff.); Hölters, in: Hölters, AktG, §  93 Rn.  35: „Die Einschätzung der Angemessenheit der Informationsgrundlage selber ist eine unternehmerische Entscheidung“; Druey, in: FS Goette, 57 (65); gleichsinnig Parmentier, in: Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  2 Rn.  251 (Vorstand habe insofern „weiten Spielraum“). 505  Bürkle, VersR 2013, 792 (796). 506  In diesem Sinne Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 (299); Bayer, NJW 2014, 2546 (2547); Bürkle, VersR 2013, 792 (796). 500 

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Spielraum des Vorstands hinsichtlich der Schaffung und Bewertung der Informationsgrundlage im Sinne der oben bereits skizzierten Auffassung.507 Der im Rahmen von „vernünftigerweise“ vorgegebene Maßstab ist demnach auch auf die Bewertung der zugrundeliegenden Information zu beziehen. Praktische Konsequenz dieser Interpretation ist, dass sich der richterliche Prüfungsmaßstab hinsichtlich der gebildeten Informationsbasis dementsprechend reduziert. Für das Gericht bleibt angesichts des demnach geltenden „grobmaschigen“ Kon­t roll­maßstabs508 zu klären, ob etwa grundlegende Fragen von Chancen und Risiken eines Geschäfts nicht oder völlig unsachlich erörtert wurden, sich eine „Informationsquelle geradezu aufgedrängt“ hat und trotzdem ignoriert wurde509 oder „elementare handwerkliche Fehler“510 vorlagen. bb. Hinsichtlich des „Wohls der Gesellschaft“ Die allgemeine Zielrichtung des Vorstandshandelns auf das „Wohl der Gesellschaft“ wird durch die „langfristige Ertragsstärkung und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und seiner Produkte oder Dienstleistungen“ konkretisiert.511 Angesichts des Sinns und Zwecks der BJR stellt sich ein Handeln mit dieser Zielrichtung als Paradefall ihrer Anwendung dar, da hier gerade die aus der Stellung des Vorstands resultierende Kernkompetenz zur selbständigen unternehmerischen Leitung und damit zur Konkretisierung der Interessen des Unternehmens betroffen ist.512 Insofern ist der Bezug des Tatbestandsmerkmals „vernünftigerweise“ zu bejahen. Damit ist freilich noch nicht klar, wie mit dem – nach h. M. ebenfalls als Element des „Wohls der Gesellschaft“ verstandenen – Loyalitätserfordernis umzugehen sein soll, das eine vorrangige Berücksichtigung fremder Einflüsse oder unmittelbaren Eigennutzes verbietet.513 Mit diesem Merkmal wurden durch das UMAG Elemente der Treuepflicht in §  93 Abs.  1 S.  2 AktG transportiert.514 507 

Siehe oben Teil 2 §  1 B. und Teil 2 §  2 C. Vgl. oben Teil 2 §  2 D. II. 1. 509  Siehe nur Peters, AG 2010, 811 (813 f.). Mit diesem Maßstab ist nicht gemeint, dass z. B. eine bestimmte betriebswirtschaftliche Methode nicht gewählt wurde, sondern eher, dass eine völlig unpassende oder überhaupt keine Methode zum „geordneten, rationalen Umgang mit Risiken“ ersichtlich wird, so Baums, ZGR 2011, 218 (235). 510  Diesen Beurteilungsmaßstab wohl hinsichtlich der zu schaffenden Informationsgrundlage für angezeigt haltend Parmentier, in: Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  2 Rn.  250. 511  Vgl. oben Teil 2 §  2 B. I. 512  Siehe oben Teil 2 §  1 B. I., vgl. desw. Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, §  93 Rn.  15; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  93 AktG Rn.  23; Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  97, 101; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  23; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  47. 513  Siehe oben Teil 2 §  2 B. I. 3. 514  Gleichsinnig Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  60. 508 

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Nach h. M. gelten hier keine subjektiven Einschränkungen in der Betrachtungsweise und es besteht kein Ermessensspielraum für den Vorstand, sondern es gilt vielmehr eine objektive Betrachtungsweise.515 Dem ist zuzustimmen, da ein reduzierter Prüfungsmaßstab hier auch eine Reduktion der Nachprüfbarkeit treuepflichtkonformen Verhaltens mit sich bringen würde, die dem strikten Charakter dieser Bindung widerspricht.516 Es kann auch weder im Interesse des Unternehmens sein, dem Vorstand im Einzugsbereich der Treuepflichten risikobehaftetes Verhalten zu ermöglichen,517 noch bezieht sich darauf die ihm gewährte Leitungsautonomie.518 „Vernünftigerweise“ kann sich somit nicht auf das Loyalitätserfordernis richten, und das loyale – und damit insbesondere treuepflichtkonforme – Verhalten des Vorstands muss, der zutreffenden h. M. entsprechend, vollständiger richterlicher Nachprüfbarkeit zugänglich bleiben. e. Zwischenergebnis „Vernünftigerweise“ schränkt den richterlichen Rückblick hinsichtlich der Informationsgrundlage einer Entscheidung sowie deren allgemeiner Zielrichtung auf das „Wohl der Gesellschaft“ ein und verschafft dem Vorstand einen Ermessensspielraum. Haftungsrechtlich relevant sind danach in beider Hinsicht lediglich unvertretbare, also grobe, unverantwortliche Fehler. Das nach h. M. im Sinne des „Wohls der Gesellschaft“ zu verortende Loyalitätserfordernis wird von diesem Spielraum allerdings nicht erfasst. IV. Haftungsrechtliche Konsequenzen für den Vorstand Schließlich sind die haftungsrechtlichen Konsequenzen der ermittelten Eigenschaften des „vernünftigerweise annehmen dürfens“ für den Vorstand zu untersuchen. 1. Zusammenfassende Betrachtung An der kritischen Betrachtung Cahns, man könne auch außerhalb von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG nicht „mehr […] von einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter […] verlangen“, als auf der Basis „angemessener Information 515  Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  93; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  25 m. w. N. (gleichwohl selbst aber einen strengen, subjektiven Maßstab befürwortend), Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  25; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  63. 516  Siehe dazu nur Schnieders, Haftungsfreiräume in Deutschland und Italien, S.  344 ff. sowie unten Teil 3 §  1 D. IV. 517  Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  25. 518  Siehe dazu abermals oben Teil 2 §  1 B. I. bzw. Teil 2 §  2 B. I.

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zum Wohl der Gesellschaft zu handeln“,519 mag für sich genommen zwar nichts auszusetzen sein.520 Mehr kann tatsächlich nicht verlangt werden. Indessen kann an anderer Stelle – nämlich seitens der richterlichen Kognition – durchaus weniger verlangt werden, indem ein zusätzliches Element subjektiver Bewertung in die rückblickende richterliche Betrachtung aufgenommen wird. Das ist bei §  93 Abs.  1 S.  2 AktG der Fall. Das zusätzliche, begrenzt subjektive Element des „vernünftigerweise annehmen dürfens“ umreißt den Spielraum für die Beurteilung dessen, was noch als legitime Annahme erscheinen darf und muss. Die Kritik an der BJR, die davon ausgeht, dass sich die Maßstäbe für die organschaftliche Sorgfaltspflicht innerhalb und außerhalb der BJR entsprechen, ignoriert mithin den Bedeutungsgehalt des Merkmals „vernünftigerweise annehmen dürfen“.521 Dieses Merkmal bildet indes das entscheidende Funktionselement der Regelung.522 Unterläuft dem Vorstand in seinem Entscheidungsverfahren eine Fehleinschätzung, so kann sein Handeln nach wie vor im Anwendungsbereich des §  93 Abs.  1 S.  2 AktG zu verorten sein und damit richterlicher Kontrolle entzogen bleiben, wenn diese Fehleinschätzung den Rahmen dessen nicht sprengt, was eben noch „vernünftigerweise“ für vertretbar zu halten und damit nicht zu beanstanden war.523 Der Gesetzgeber des UMAG hat hinsichtlich der Auslegung dieses Maßstabs bewusst an das „ARAG/Garmenbeck“-Urteil des BGH aus dem Jahr 1997 angeknüpft, wonach dem Vorstand ein breiter, haftungsrechtlich geschützter Spielraum einzuräumen ist. Inhaltlich rückt die BJR, wie Bachmann dargelegt hat, die Kriterien für die richterliche Bewertung von Vorstandsverhalten, ohne es ausdrücklich so zu formulieren, in den Bereich der groben Fahrlässigkeit.524 2. Das Verständnis als „sicherer Hafen“ Als „sicherer Hafen“ bzw. als „safe harbour“ wurde die Wirkung der BJR bereits im Gesetzgebungsprozess und in der amtlichen Begründung des UMAG bezeichnet.525 Diese Bezeichnung hat sich bis heute gehalten.526 Sie scheint ein 519 

Cahn, WM 2013, 1293 (1295). Vgl. dazu nochmals oben Teil 2 §  2 C. 521  So etwa Cahn, WM 2013, 1293 (1295); Druey, in: FS Goette, 57 (68 ff.); v. Falkenhausen, NZG 2012, 644 (648 ff.); Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115 ff. 522  Bachmann, in: FS Stilz, 25 (28) („zentrale Haftungseinschränkung“). 523  Bachmann, ZHR 177 (2013), 1 (9). 524  S. dazu nochmals oben Teil 2 §  2 D. III. 1. 525  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11; Fleischer, ZIP 2004, 685; ders., ZHR 168 (2004), 673 (700 f.); Ihrig, WM 2004, 2098 (2103); Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252 (254). 526  S. etwa. Baums, ZGR 2011, 218 (235 f.); Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, §  93 Rn.  10; Bürkle/Fecker, NZA 2007, 589 ff.; Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  66; Jungmann, in: FS K. Schmidt, 831 (833); Ludwig/Zeising, in: Büchel/v. Rechenberg, Hdb. des Fachanwalts – Handels- und Gesellschaftsrecht, Kap.  13 Rn.  507; Parmentier, in: Ekkenga/ 520 

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bestimmtes Verständnis hinsichtlich der Funktion der Regelung zu antizipieren, erfährt jedoch selten eine nähere inhaltliche Konkretisierung. Im Folgenden wird deshalb untersucht, ob die nun ermittelte funktionale Konzeption von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG zu Recht als „sicherer Hafen“ für den Vorstand bezeichnet wird. a. Amtliche Begründung In der amtlichen Begründung des UMAG wurde der Begriff des „sicheren Hafens“ zwar verwendet, um unternehmerische Entscheidung im Sinne von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG von illegalem Verhalten abzugrenzen, inhaltlich allerdings nicht näher präzisiert.527 b. Allgemeines rechtstechnisches Verständnis Als Regelungen, die einen „sicheren Hafen“ eröffnen, werden solche verstanden, bei denen der Adressat sich – sofern er die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt – des Entzugs seiner Handlungen von richterlicher Kontrolle gewiss sein kann, und mögliche, rechtlich nachteilige Konsequenzen deshalb objektiv ausgeschlossen sind.528 Anders formuliert (hinsichtlich des Kapitalmarktrechts) bezeichnet ein „,Safe Harbor‘ […] einen […] Sachverhalt, der von den zuständigen Aufsichtsbehörden als rechtlich unproblematisch qualifiziert wird“.529 Auf diese Weise kann die „Klarheit und Berechenbarkeit der Verhaltensanforderungen“530 gefördert und damit Unsicherheiten, der sich der Adressat ansonsten bei seiner Tätigkeit ausgesetzt sehen müsste, entgegengewirkt werden.531 c. Beispiele „sicherer Häfen“ Das Konzept „sicherer Häfen“ hat im deutschen Zivilrecht bislang wenig Verwendung gefunden, und kaum Konturierung erfahren. Ein Beispiel liefert der kapitalmarktrechtliche „sichere Hafen“ des §  20a Abs.  3 WpHG: Sofern sich der Handel mit eigenen Aktien im Rahmen der darin aufgeführten Vorgaben bewegt, liegt keinesfalls eine Marktmanipulation vor.532 §  20a Abs.  3 S.  1 WpHG Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  2 Rn.  178; Paschke, in: Schwerdtfeger, Fachanwaltskommentar Gesellschaftsrecht, Kap.  10 §  93 AktG Rn.  6; Rahlmeyer/Gömöry, NZG 2014, 616 (617). 527  Vgl. BT.-Drucks. 15/5092, S.  11 f. 528  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  51; ders., ZHR 168 (2004), 673 (700 f.). 529  Grützner/Jakob, in: Grützner/Jakob, Compliance von A–Z, Stichwort „Safe Harbor“. 530  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  51. 531  Fleischer, ZHR 168 (2004), 673 (700 f.). 532  Fleischer, ZHR 168 (2004), 673 (700) bzw. ausführlich Vogel, in: Assmann/Schneider, WpHG, §  20a Rn.  239 ff.

§  2 Die funktionale Ausgestaltung von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG

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verlangt dafür entweder einen „Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen“ oder „Maßnahmen zur Stabilisierung des Preises von Finanzinstrumenten“ sowie die Übereinstimmung der jeweiligen Maßnahme mit der einschlägigen EU-Verordnung zu „Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen“.533 Für beide Fallgruppen bestehen Definitionen, die anhand von Parametern wie zulässigen Zwecken, Handelsbedingungen, Publizitätspflichten etc. konkretisiert werden.534 Ein weiteres Beispiel liefert der kartellrechtliche „sichere Hafen“ im europäischen Beihilferecht. Danach dürfen Projekte, sofern der dafür angesetzte Etat eine bestimmte Summe nicht übersteigt, ohne weitere Sacherwägung und ohne gesonderte Genehmigung mit Beihilfen gefördert werden.535 Gemeinsamer und typischer Wesenszug dieser Regelungen ist, dass der Normadressat sein Verhalten exakt an den präzise definierten Vorgaben des jeweiligen „sicheren Hafens“ orientieren kann, und – sofern er diese einhält – weiß, mit seinem Verhalten einen bestimmten Tatbestand zu erfüllen bzw. nicht zu erfüllen. d. Vergleich mit §  93 Abs.  1 S.  2 AktG Im Falle des §  93 Abs.  1 S.  2 AktG müsste demnach ein ähnlich verstandener „sicherer Hafen“ dem Anwender die Möglichkeit bieten, im Voraus objektiv zu bestimmen, ob die jeweiligen Voraussetzungen zum Erreichen des „Hafenbeckens“536 vorliegen. In diesem Sinne geht Fleischer davon aus, die Norm lege, „um die Klarheit und Berechenbarkeit der Verhaltensanforderungen zu fördern, […] im Vorhinein fest, unter welchen Voraussetzungen auf keinen Fall eine Pflichtverletzung vorliegt“.537 An dieser Stelle gerät die Regelung des §  93 Abs.  1 S.  2 AktG jedoch an ihre Grenzen. Zunächst werden die Voraussetzungen des §  93 Abs.  1 S.  2 AktG bis heute in entscheidenden Punkten kontrovers diskutiert. Das mag zwar grundsätzlich auch im Falle des WpHG gelten.538 Jedoch kann §  93 Abs.  1 S.  2 AktG auch in der in dieser Arbeit festgestellten, weitgehenden Einschränkung der richterlichen Kontrolle keine verlässlichen Konkretisierungen von der Qualität etwa der im Rahmen von §  20a Abs.  3 WpHG geltenden Vorgaben, erst recht nicht in der Präzision der beihilferechtlichen Untergrenzen, leisten: Es handelt sich bei dem Maßstab des „vernünftiger533  Verordnung 2273/2003 der Kommission vom 22.12.2003 = Amtsblatt der EU Nr. L 336, S.  33 ff. 534  Siehe nur Mock/Stolz, in: KK-WpHG, §  20a WpHG, Rn.  313 ff. und a. a. O., 335 ff. 535  Siehe dazu statt vieler Soltész, NJW 2014, 3128 (3130). 536  Schäfer, ZIP 2005, 1253 (1255). 537  Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  65. 538  Insbesondere im Hinblick auf die bevorstehende europäische Vereinheitlichung durch die Marktmissbrauchsverordnung ab dem Jahre 2016 dürften sich bestehende Unsicherheiten vorerst nicht reduzieren. Instruktiv zu den Neuerungen Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593 ff.

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Teil 2: Die Grundlagen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG

weise annehmen dürfens, zum Wohl der Gesellschaft zu handeln“ gerade nicht um objektiv kontrollierbare Voraussetzungen – etwa Fristen, die Einhaltung inhaltlicher Formalien oder andere Sachverhalte, deren Vorliegen einfach als gegeben oder nichtgegeben festgestellt werden kann.539 Wie oben festgestellt, schränkt §  93 Abs.  1 S.  2 AktG den richterlichen Rückblick auf den jeweiligen Sachverhalt bei unternehmerischen Entscheidungen zwar erheblich ein.540 Es bleibt aber stets ein zu wesentlichen Anteilen subjektiver und vom Inhalt der Entscheidung im Einzelfall abhängig zu bewertender Umstand, ob nicht in „völlig unverantwortlicher Weise“ gegen den Grundsatz des „vernünftigerweise annehmen dürfens“ verstoßen wurde. Der Handelnde muss diese Unsicherheit und die Parameter des Einzelfalls in seine Entscheidung einbeziehen. Demnach fehlt §  93 Abs.  1 S.  2 AktG gerade die Berechenbarkeit definitorisch vorgegebener Verhaltensanforderungen.541 Komplexe strategische Entscheidungen, die nur unter der Berücksichtigung einer Vielzahl von Faktoren getroffen werden können, lassen sich einfach nicht ohne weiteres unter die binären und letztlich objektiv greifbaren Kategorien, mit denen die Eröffnung des „sicheren Hafens“ in den oben genannten Fällen konkretisiert wird, subsumieren.542 e. Zwischenergebnis Die Bezeichnung der BJR als „sicherer Hafen“ impliziert ein unzutreffendes Verständnis der Funktion der Regelung. Sie sollte deshalb vermieden werden.

E. Zusammenfassung und Ergebnis von §  2 Damit ein Handeln im Rahmen der BJR angenommen werden kann, muss der Vorstand zum „Wohle der Gesellschaft“ handeln. Mit diesem Tatbestandsmerkmal wird die zu überprüfende Zielrichtung des Vorstandshandelns präzisiert und gleichzeitig loyales und gutgläubiges Verhalten des Vorstands zur Voraussetzung der Ermessensausübung erklärt.543 Der Vorstand muss des Weiteren Entscheidungen im Rahmen seines durch die BJR abgesicherten Ermessens auf der Basis „angemessener Informationen“ treffen, was die Beschaffung der nach den Umständen der jeweiligen Maßnah539  Gleichsinnig, aber ohne Bezug auf die Bezeichnung als „sicheren Hafen“ Wagner, ZHR 178 (2014), 227 (259). 540  Siehe oben Teil 2 §  2 D. III. 1. e. 541  Gleichsinnig, insgesamt aber zu weitgehend Wagner, ZHR 178 (2014), 227 (259). 542  Für die oben aufgeführten Beispiele betrifft dies Kategorien wie „Stabilisierungsmaßnahme/keine Stabilisierungsmaßnahme“, „unterhalb der zulässigen Beihilfegrenzen/oberhalb der Beihilfegrenzen“ usw. 543  Siehe oben Teil 2 §  2 B.

§  2 Die funktionale Ausgestaltung von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG

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me zugänglichen und relevanten Information erfordert. Dabei ist auch der wirtschaftliche und zeitliche Aufwand der Informationsbeschaffung mit ihrem Nutzen vom Vorstand zu berücksichtigen und abzuwägen; eine Pflicht zur Beschaffung sämtlicher, objektiv zur Verfügung stehender Information ist abzulehnen.544 Das Tatbestandsmerkmal „vernünftigerweise annehmen dürfen“ schränkt sodann den richterlichen Rückblick auf beide relevanten Zielvorgaben unternehmerischer Entscheidungen ein.545 Damit wird der Vorstand bei unternehmerischen Entscheidungen im Rahmen des §  93 Abs.  1 S.  2 AktG privilegiert, indem die Norm dazu verpflichtet, der richterlichen Beurteilung potentiell pflichtwidrigen Organhandelns einen besonderen Maßstab zugrunde zu legen. Dies ist der in der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung als Unverantwortlichkeit bezeichnete Maßstab. Unter Berücksichtigung dessen kann eine Handlung nur dann als unveranwortlich und damit als potentiell pflichtwidrig betrachtet werden, wenn der Vorstand sie auf der Basis von grundlegenden, schwerwiegenden, „schlechthin unvertretbaren“ Fehleinschätzungen getroffen hat. Bei sämtlichen Entscheidungen, die in einem Verfahren ohne derart gravierende, unverantwortliche Fehleinschätzungen zustande kam, scheidet eine weitere gerichtliche Kontrolle aus. Die Kritik an §  93 Abs.  1 S.  2 AktG, die der Regelung ihre haftungsrechtlich privilegierende Wirkung zugunsten des Vorstands abspricht, verfängt damit nicht. Vielmehr ist der besonders von Bachmann konturierten Auffassung zu folgen: Der richterliche Beurteilungsmaßstab für die Informationsbasis, die Vorstandsmitglieder ihren Handlungen im Anwendungsbereich von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG zugrunde zu legen haben, wird durch den Bezug auf die „ARAG/ Garmenbeck“-Rechtsprechung des BGH wesentlich verändert und eingeschränkt. Damit enthält die BJR eine haftungsrechtliche Privilegierung, die weit über die von ihren Kritikern behaupteten „allenfalls marginale[n]“546 Unterschiede hinausgeht und den Vorstand de facto bis an die Grenze zu groben und offensichtlichen Fehlern im Rahmen des Entscheidungsverfahrens privilegiert. Indessen erzeugt §  93 Abs.  1 S.  2 AktG keinen „sicheren Hafen“ im Sinne des – bisher hierzulande wenig entwickelten – Verständnisses dieses Rechts­ instituts.547 Die BJR schafft zwar durchaus einen weiten Spielraum für Handlungen des Vorstands. Die Verhaltensanforderungen, die zu der objektiven Annahme pflichtgemäßen Handelns führen, sind jedoch immer noch durch das Gericht im Einzelfall dahingehend zu bewerten, ob der Vorstand „vernünftigerweise annehmen durfte, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“. Das entspricht 544 

Siehe oben Teil 2 §  2 C. Siehe oben Teil 2 §  2 D. 546  Habersack, ZHR 177 (2013), 782 (799). 547  Siehe oben Teil 2 §  2 D. IV. 2. 545 

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Teil 2: Die Grundlagen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG

nicht der üblichen Konstellation „sicherer Häfen“ als rechtlichem Regelungs­ instru­ment mit festen objektiven Anforderungen.

Teil 3:

Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum in der Vorstandstätigkeit Nachdem nun die Funktion der Regelung ermittelt wurde, wendet sich die Untersuchung dem Anwendungsbereich der BJR zu. Dazu werden als erstes die Kriterien unternehmerischer Entscheidungen herausgearbeitet. Sodann wird der Tätigkeitsbereich des Vorstands auf unternehmerische Entscheidungen hin untersucht.

§  1 Die Kriterien unternehmerischer Entscheidungen Zur Definition unternehmerischer Entscheidungen i. S. v. §  93 Abs.  1 S.  2 AktG haben sich seit der Neufassung der Vorschrift im Zuge des UMAG im Schrifttum verschiedene Kriterien etabliert. Sie lassen sich im Wesentlichen in drei Gruppen einteilen. Namentlich sind dies Kriterien hinsichtlich der Qualität der möglicherweise als unternehmerische Entscheidung einzuordnenden Handlung selbst (sogleich unter A.), daneben inhaltliche Kriterien (B.) und eine vielschichtige Abgrenzung gegenüber „gebundenen Entscheidungen“ (C.).

A. Handlungsqualität Zunächst soll der praktische Handlungscharakter einer Tätigkeit zur Identifikation unternehmerischer Entscheidungen i. S. v. §  93 Abs.  1 S.  2 AktG dienen, indem eine konkrete Auswahlhandlung als Voraussetzung gefordert wird: Bereits der Gesetzesbegründung zufolge soll im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der unternehmerischen Entscheidung bewusstes Handeln oder Unterlassen von unbewusster Untätigkeit abzugrenzen sein.1 Dieses Abgrenzungskriterium wird auch innerhalb des Schrifttums anerkannt, wo der Ausschluss unbewusster Untätigkeit aus dem Spektrum unternehmerischer Entscheidungen auf un-

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

eingeschränkte Zustimmung trifft und als ganz h. M. einzuordnen ist.2 Dies entspricht auch den US-amerikanischen Varianten der BJR.3 Teilweise wird vertreten, dass als unternehmerische Entscheidung die Auswahl von einer aus mehreren möglichen Handlungsvarianten zu verstehen sein soll, weshalb zur Annahme einer unternehmerischen Entscheidung ausdrücklich eine konkrete Entscheidungshandlung erforderlich sei.4 Dagegen kommt es nach einer anderen Auffassung zur Eröffnung des Anwendungsbereichs der BJR ausdrücklich nicht auf das Treffen einer Entscheidung als konkretem Handlungsereignis an; vielmehr reiche ein „gezieltes Handeln“ des Vorstands aus.5 Dieser Einwand hat aber nur eine scheinbare Abgrenzungswirkung, denn jede bewusste Tätigkeit setzt bereits denklogisch eine Willensbildung zu ihrer Durchführung voraus. Das erkennen auch Vertreter dieser Ansicht an, wenn sie als Voraussetzung von unternehmerischen Entscheidungen eine Willensbildung und darauf basierend eine bewusste Entscheidung bzw. einen bewussten Entschluss des Vorstands fordern.6 Im Ergebnis unterscheiden sich damit die formulierten Voraussetzungen nicht von der Auffassung der h. M., da stets eine Handlung oder ein Unterlassen verlangt wird, welches jeweils auf einem bewussten Entschluss beruht. Eine Vertiefung der Thematik kann dahinstehen. Der an betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen orientierte Ansatz, den Entscheidungsbegriff auszudehnen, dürfte der hier gewonnenen Einschätzung im Ergebnis entsprechen, wenn dafür plädiert wird, auch Vorentscheidungen, die im Rahmen einer Entscheidung getroffen werden, in den Entscheidungsbegriff von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG zu integrieren.7 Nicht erst die finale Wahl einer Handlungsmöglichkeit am Ende eines Entscheidungsprozesses gilt somit als unternehmerische Entscheidung i. S. v. §  93 Abs.  1 S.  2 AktG, sondern auch jeder im 2  Siehe etwa Hauschka, GmbHR 2007, 11 (14); Hopt/Roth, in: GroßKomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  80; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  16; Langenbucher, Aktienund Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  90; Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  22; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  175 ff. unter weiterer Differenzierung; U. Schmidt, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  93 AktG Rn.  83; Spindler, in: MüKoAktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  44. 3  Oltmanns, Geschäftsleiterhaftung und unternehmerisches Ermessen, S.  45 f.; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  70 f. m. w. N. 4  Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  96; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  16; Sven H. Schneider, DB 2005, 707 (711) („bewusste Auswahl“); Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S.  196 („bewusste Vornahme oder Nichtvornahme einer von mehreren […] Handlungsalternativen“); Ziemons, in: Ziemons/Jaeger, BeckOK-GmbHG, §  43 Rn.  108; zurückhaltend Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  44. 5  Gehb/Heckelmann, ZRP 2005, 145 f. (vgl. dort ferner auch Fn.  10); ähnl. Bezug auf „Handlungen und Entscheidungen“ bereits bei Horn, ZIP 1997, 1129 (1133 ff.). 6  So etwa Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  80 f. 7  So Graumann, ZGR 2011, 293 ff.

§  1 Die Kriterien unternehmerischer Entscheidungen

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Entscheidungsprozess notwendigen Vorauswahl bzw. Vorentscheidung steht – nach hiesigem Verständnis – jeweils die BJR offen, sofern es sich im Einzelnen um bewusste Entschlüsse handelt.8 Zu beachten ist allerdings, dass der Untätigkeit lediglich außerhalb eines „laufenden Entscheidungsprozesses“ eine zwangsläufige Ausschlusswirkung zukommen muss.9 Innerhalb einer komplexen Entscheidung muss dagegen eine Untätigkeit zu bestimmten einzelnen Aspekten der Entscheidung den Gesamtcharakter als unternehmerische Entscheidung nicht zwangsläufig ausschließen, sofern die mangelnde Berücksichtigung des jeweiligen Aspekts im Rahmen des „vernünftigerweise annehmbaren“ noch als legitim erscheint.10

B. Inhaltliche Kriterien Einerseits wurden in der amtlichen Begründung zur Neufassung von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG verschiedene inhaltliche Merkmale mit der unternehmerischen Entscheidung in Verbindung gebracht, andererseits werden im Schrifttum teilweise verschiedene inhaltliche Merkmale als Voraussetzung unternehmerischer Entscheidungen betrachtet. I. Ausgangspunkt amtliche Begründung In der amtlichen Begründung positionierte sich der Gesetzesgeber hinsichtlich der Frage, welche Handlungen angesichts ihres inhaltlichen Charakters als unternehmerische Entscheidungen zu verstehen sein sollen dahingehend, dass diese „infolge ihrer Zukunftsbezogenheit durch Prognosen und nicht justiziable Einschätzungen geprägt“ seien.11 Dies unterscheide sie „von der Beachtung gesetzlicher, satzungsmäßiger oder anstellungsvertraglicher Pflichten ohne tatbestandlichen Beurteilungsspielraum“.12 II. Merkmale Im Anschluss an die amtliche Begründung werden im Schrifttum diverse inhaltliche Parameter zur Voraussetzung von unternehmerischen Entscheidungen erhoben. So wird als inhaltliche Voraussetzung unternehmerischer Entscheidungen häufig verlangt, dass sie auf Prognosen bzw. auf prognosebasierten Ein8  Graumann, ZGR 2011, 293 ff. plädiert dagegen für eine Integration der im Rahmen der Entscheidungsvorbereitung zu treffenden Subentscheidungen in die letztlich getroffene Entscheidung. 9  Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  176 f. 10  Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  176 f.; siehe insb. auch das dort aufgeführte Beispiel. 11  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11. 12  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11.

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

schätzungen und Planungen beruhen müssten.13 Weiterhin wird davon ausgegangen, unternehmerische Entscheidungen müssten stets ein zukunftsbezogenes Moment aufweisen.14 Teils wird ein prognostischer Gehalt auch im Zusammenhang mit der Zukunftsbezogenheit einer Entscheidung gefordert.15 Zudem wird vertreten, dass Maßnahmen als unternehmerische Entscheidungen gelten sollen, sofern sie mit Risiken16 verbunden sind oder auf unsicherer Grundlage getroffen werden bzw. als „Entscheidungen unter Unsicherheit“ zu qualifizieren sind.17 Dem hat sich auch Bachmann als Gutachter des 70. DJT angeschlossen, indem er den jeweiligen „Grad der bestehenden Ungewissheit“ als Voraussetzung des Entscheidungsspielraums für den Vorstand vorschlug.18 Diese Merkmale werden mitunter als „allgemein anerkannt“19 (Risiken) betrachtet bzw. als h. M. eingeschätzt (Unsicherheit).20 Vereinzelt wird daneben verlangt, unternehmerische Entscheidungen müssten, komplementär zu den sie konstituierenden Risiken, auch stets Chancen für das Unternehmen eröffnen.21 Auch die Komplexität von Entscheidungen, die aus den zu berücksichtigenden Entscheidungsparametern, den beteiligten Parteien und den Infrastrukturen innerhalb derer die Entscheidung zu treffen ist, resultiert, wird – zumindest als typisches Kennzeichen von unternehmerischen Entscheidungen – erwähnt.22 Teils wird vertreten, es solle sich erst bei besonderer wirtschaftlicher Tragweite einer Entscheidung um eine unternehmerische Entscheidung handeln.23 Die besondere Tragweite liegt nach dieser Auffassung bei Entscheidungen vor, die 13  Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, §  93 Rn.  11; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  93 AktG Rn.  21; Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  54; Habersack, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  116 Rn.  40; Hölters, in: Hölters, AktG, §  93 Rn.  30 („Planungen und Prognosen“); Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  38 Rn.  1523; Uwe H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, §  43 Rn.  56; Strenger, Der Konzern 2013, 429 (430); Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Haftung, §  2 Rn.  21. 14  Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  93 AktG Rn.  21; Hölters, in: Hölters, AktG, §  93 Rn.  30; U. Schmidt, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  93 AktG Rn.  84; Strenger, Der Konzern 2013, 429 (430). 15  So z. B. Strenger, Der Konzern 2013, 429 (430) (bzgl. des Aufsichtsrats). 16  Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  93 AktG Rn.  21; Semler, in: FS Ulmer, 627 (627 f.). 17  Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  93 AktG Rn.  21; Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  54; Hauschka, GmbHR 2007, 11 (13); Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  18; Ludwig/Zeising, in: Büchel/v. Rechenberg, Hdb. des Fachanwalts – Handels- und Gesellschaftsrecht, Kap.  13 Rn.  508; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft (1994), S.  23 (zumindest „vielfache“ Ausrichtung auf die Zukunft); Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  190 ff. 18  Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  I, S. E 44. 19  Göppert, BJR bei unternehmerischen Entscheidungen des Aufsichtsrats, S.  130. 20  Rahlmeyer/Gömöry, NZG 2014, 616 (617). 21  Semler, in: FS Ulmer, 627 (627 f.). 22  Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats, S.  12 ff., S.  23. 23  Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats, S.  23.

§  1 Die Kriterien unternehmerischer Entscheidungen

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„entweder nach ihrem Umfang oder Risiko von hoher Bedeutung für die Vermögens- oder Ertragslage des Unternehmens“ seien „oder aufgrund ihrer andauernden Gestaltungswirkung das Unternehmen oder einen Teil desselben so prägen, daß durch diese Ausrichtung die künftige Entwicklung des Unternehmens in seiner Gesamtheit vorgezeichnet wird“.24 Schließlich soll für die Einordnung als unternehmerische Entscheidung maßgeblich sein, ob eine Entscheidung „nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu treffen“ sei.25 III. Bewertung Nachfolgend ist zu untersuchen, ob den inhaltlichen Bestimmungsansätzen Definitionsqualität beizumessen ist. 1. Gesetzesbegründung Hinsichtlich der Bedeutung von „Zukunftsbezogenheit und Prognosen“ für die Definition von unternehmerischen Entscheidungen sind zwei Passagen aus der amtlichen Begründung maßgeblich. So heißt es dort: „Die unternehmerische Entscheidung steht im Gegensatz zur rechtlich gebundenen Entscheidung. Für illegales Verhalten gibt es keinen ,sicheren Hafen‘ im Sinne einer haftungstatbestandlichen Freistellung […]“.26 Weiterhin: „Unternehmerische Entscheidungen sind infolge ihrer Zukunftsbezogenheit durch Prognosen und nicht justiziable Einschätzungen geprägt. Dies unterscheidet sie von der Beachtung gesetzlicher, satzungsmäßiger oder anstellungsvertraglicher Pflichten ohne tatbestandlichen Beurteilungsspielraum.“27 Gegen die Heranziehung sämtlicher inhaltlicher Merkmale als Abgrenzungskriterien spricht bereits die zurückhaltende Ausdrucksweise des Gesetzgebers, der unternehmerische Entscheidungen lediglich als durch Zukunftsbezug und Prognosen „geprägt“ bezeichnet hat und darüber hinaus keine gesonderten Kriterien aufstellen wollte.28 Dass es sich dabei um tatbestandliche Voraussetzungen von unternehmerischen Entscheidungen handeln soll, wird in der amtlichen Begründung nicht zum Ausdruck gebracht.29 Somit erscheinen diese Attribute nur als Illustration des Gegensatzes zwischen unternehmerischen Entscheidungen einerseits und den „rechtlich gebundenen Entscheidungen“ andererseits, die der Gesetzgeber als wesentliches Ausschluss24 

Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats, S.  23. Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  93 Rn.  15; sich dem anschließend z. B. Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  110 f. 26  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11. 27  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11. 28  Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  109 f. bzw. BT.-Drucks. 15/5092, S.  11. 29  Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  110. 25 

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

kriterium von unternehmerischen Entscheidungen verstanden wissen wollte.30 „Zukunftsbezogenheit und Prognosen“ wie auch den anderen inhaltlichen Definitionsmerkmalen unternehmerischer Entscheidungen ist somit vor dem Hintergrund der Gesetzesbegründung keine eigenständige definitorische Bedeutung beizumessen.31 2. Keine Präzision der Merkmale Daneben würden sich jedoch auch, wollte man die geschilderten inhaltlichen Merkmale zur Voraussetzung von unternehmerischen Entscheidungen machen, Probleme hinsichtlich ihrer Präzision ergeben. Die einzelnen Merkmale bleiben letztlich zumindest in ihren Randbereichen unbestimmt, womit keine trennscharfe Anwendung und Subsumtion möglich ist. So beschreibt der Begriff des „Risikos“ nach allgemeinem Verständnis nur ein „mit einem Vorhaben o.Ä. verbundenes Wagnis“, einen „mögliche[n] negative[n] Ausgang bei einer Unternehmung, [die] Möglichkeit eines Verlustes, Misserfolgs“.32 Nach diesem allgemeinem Verständnis ließe sich eine schier unlimitierte Bandbreite von Handlungen und Situationen unter den Begriff des „Risikos“ bzw. als „risikoreich“ subsumieren – sei es aufgrund drohender Rechtsverletzungen, aufgrund der Gefahr des Scheiterns eines Vorhabens wegen schlechter individueller Planung, aufgrund höherer Gewalt oder aufgrund allgemeiner Markt- bzw. Lebensrisiken. Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive lassen sich Risiken dagegen als Einflussfaktoren einer Entscheidung beschreiben, deren Eintritt mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit prognostiziert werden kann.33 Ob es sich bei unternehmerischen Entscheidungen indes um einen allgemeinen oder um einen betriebswirtschaftlichen Risikobegriff handeln soll, bleibt letztlich unklar.34 Nichts anderes ergibt sich mit Blick auf die weiteren vorgeschlagenen Merkmale, insbesondere auch für den Begriff der „Unsicherheit“. In der Betriebswirtschaftslehre dient er zur Zusammenfassung von Entscheidungen, in denen 30 

Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  110. Prägnant Langenbucher, DStR 2005, 2083 (2086): „Als Beschreibung der Wirklichkeit durch eine empirische Forschung sind diese Formulierungen deshalb sehr hilfreich. Normative Kraft, die es rechtfertigen würde, diese Beobachtungen zur Anwendungsvoraussetzung einer Rechtsnorm zu machen, besitzen derartige Beschreibungen dagegen nicht“; ähnl. Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  109 ff., der „Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte“ als Voraussetzung unternehmerischer Entscheidungen einordnet. 32  Wermke/Kunkel-Razum/Scholze-Stubenrecht, Duden Bedeutungswörterbuch, Stichwort: „Risiko“. 33  Bardmann, Grundlagen d. allg. BWL, S.  266; Domschke/Scholl, Grundlagen der BWL, S.  49; Jung, Allg. BWL, S.  189; Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes, S.  82. 34  So bereits Sven H. Schneider, DB 2005, 707 (708) („Unklar bleibt allerdings, ob es dabei um ein wirtschaftliches Risiko, ein rechtliches Risiko oder um Risiken im weitesten Sinne gehen soll“). 31 

§  1 Die Kriterien unternehmerischer Entscheidungen

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über das Auftreten bestimmter determinierender Umweltfaktoren Unklarheit herrscht, womit einerseits Risikoentscheidungen und andererseits Entscheidungen unter Ungewissheit umfasst werden.35 Im Gegensatz zu Risikoentscheidungen sind bei Entscheidungen unter Ungewissheit auch die Eintrittswahrscheinlichkeiten einzelner Faktoren unbekannt.36 Problematisch ist, dass sich darunter ohne weitere Eingrenzung ebenfalls wieder nahezu alle menschlichen Handlungen fassen lassen, da angesichts der Vielfalt solch möglicherweise beeinflussender Faktoren – mit Worten des betriebswirtschaftlichen Schrifttums – „in der Realität […] grundsätzlich Unsicherheit über die Ausprägungen der entscheidungsrelevanten Daten“ herrscht.37 Es mangelt damit auch diesem Begriff an der für ein Definitionskriterium notwendigen Abgrenzungsfähigkeit.38 Gleiches ergibt sich z. B. hinsichtlich des Ansatzes von Schlimm, die als Situationen der Unsicherheit solche gefasst wissen will, aufgrund derer „typischerweise die Anwendung betriebswirtschaftlicher Entscheidungsgrundsätze (etwa der modernen Investitions- und Kapitalbudgetierungstheorien) erfordert“ wird.39 Als trennscharfes Unterscheidungskriterium bleibt dieser Ansatz aber auch untauglich, was Schlimm indes – angesichts der letztlich unverbindlichen Formulierung („typischerweise“ bzw. „etwa“) – wohl ebenfalls so verstanden wissen will. Unklar bleibt denn auch, wer über eine solche Anwendbarkeit im Einzelfall entscheiden sollte; letztlich müsste der Richter im Fall eines Organhaftungsprozesses als erstes die zugrundeliegende Entscheidungssituation einzelfallbezogen auf das Erfordernis betriebswirtschaftlicher Betrachtung hin untersuchen. Ebenso bleibt unklar, welche konkreten „betriebswirtschaftlichen Entschei35  Domschke/Scholl, Grundlagen der BWL, S.  49; Bardmann, Grundlagen d. allg. BWL, S.  266 f. 36  Domschke/Scholl, Grundlagen der BWL, S.  49; Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes, Entscheidungstheorie, S.  81 („Unsicherheit[en] im engeren Sinne“). 37  Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes, Entscheidungstheorie, S.  81, sowie a. a. O., S.  82: „Wie noch gezeigt wird, ist das theoretische Konstrukt der Unsicherheit […] kaum geeignet, praktische Entscheidungsprobleme zu beschreiben, da sich reale Entscheidungssituationen grundsätzlich als Risikosituationen identifizieren lassen“; ebenso Schnieders, Haftungsfreiräume in Deutschland und Italien, S.  307 f. („bei jeder Entscheidung ist der weitere Geschehensablauf unsicher“); Langenbucher, DStR 2005, 2083 (2086): „Zukunftsbezogenheit und daraus folgende Unsicherheitsmomente charakterisieren eine außerordentlich große Zahl menschlicher Handlungen. Dass Entscheidungen von Vorständen häufig ein Wagnis darstellen, dass sie Prognosen zu treffen haben und sich nicht ex ante bestimmen lässt, ob das Richtige getan wurde, liegt auf der Hand. Als Beschreibung der Wirklichkeit durch eine empirische Forschung sind diese Formulierungen deshalb sehr hilfreich. Normative Kraft, die es rechtfertigen würde, diese Beobachtungen zur Anwendungsvoraussetzung einer Rechtsnorm zu machen, besitzen derartige Beschreibungen dagegen nicht“; gleichsinnig Rahlmeyer/Gömöry, NZG 2014, 616 (617). 38  Treffend Schnieders, Haftungsfreiräume in Deutschland und Italien, S.  308: „[…] solche Bemühungen werden nicht zu praktikablen, subsumtionsfähigen Ergebnissen führen und sollten daher verworfen werden“. 39  Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  191.

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

dungsgrundsätze“ bzw. Modelle im Detail überhaupt für eine solche Betrachtung als verbindlich anzuerkennen sein sollten. Zudem scheitert die Definition auch an der Frage nach Schwellenwerten zur Identifikation eines solchen Erfordernisses und einer daraus resultierenden, erheblichen Volatilität in der Einzelfallbetrachtung. Auch auf Entscheidungen „unter Sicherheit“ lässt sich betriebswirtschaftliche Methodik anwenden.40 Schließlich lassen sich auch nicht alle Fragen der Unternehmensführung anhand betriebswirtschaftlicher Entscheidungsgrundsätze beantworten, sodass für inhaltliche Fragen – etwa nach der Abgabe von Spenden oder individuellen Personalmaßnahmen – bei denen nicht auf betriebswirtschaftliche Grundsätze zugegriffen werden kann, keine unternehmerische Entscheidung vorliegen könnte. Auch hinsichtlich der Chancen – allgemein verstanden als „günstige Gelegenheit, etwas Bestimmtes zu erreichen“41 – handelt es sich zwar um eine typische Eigenschaft unternehmerischer Tätigkeit. Dennoch bleibt der Begriff hinsichtlich der Kriterien unbestimmt, die eine solche Gelegenheit oder deren Ziel überhaupt ausmachen sollen und lässt offen, wann eben nicht von einer – für eine unternehmerische Entscheidung ausreichenden – Chance auszugehen sein sollte. Ob Chancen finanziell messbar sein müssen, und falls ja, nach welchem betriebswirtschaftlichen Modell (z. B.: Positiv ausfallender Net Present Value (NPV)42 eines Projekts als Indikator für eine Chance) dies geschehen sollte, bleibt offen. Nichts anderes ergibt sich auch für den Vorschlag der „Zweckmäßigkeit“ als Voraussetzung von unternehmerischen Entscheidungen. Das allgemeine Verständnis des Begriffs „zweckmäßig“ ist „dem Zweck entsprechend, von ihm bestimmt, praktisch“.43 Bei dem Zweck könnte es sich allgemein um einen Zweck im Sinne der Förderung eines vom Vorstand selbst festgelegten übergeordneten „Ziel[s] einer Handlung“44 ebenso wie um eine Konkretisierung des satzungsmäßigen Gesellschaftszwecks oder das „Wohl der Gesellschaft“ im Sinne der BJR handeln. Ebenso könnte eine Handlung nach diesem Verständnis auch lediglich dem Zweck entsprechen bzw. von dem Zweck bestimmt sein, mit ihr eine gesetzliche Vorgabe zu erfüllen. Das wäre dann aber gerade der vom Ge-

40 

Siehe nur Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes, S.  57 ff.; Jung, Allg. BWL, S.  188 f. Wermke/Kunkel-Razum/Scholze-Stubenrecht, Duden Bedeutungswörterbuch, Stichwort: „Chance“. 42  Siehe dazu Brealey/Myers/Allen, Principles of Corporate Finance (10. Aufl. 2011), S.  51; Schierenbeck/Wöhle, Grundzüge der BWL, S.  408 ff. 43  Wermke/Kunkel-Razum/Scholze-Stubenrecht, Duden Bedeutungswörterbuch, Stichwort: „Zweckmäßig“. 44  Wermke/Kunkel-Razum/Scholze-Stubenrecht, Duden Bedeutungswörterbuch, Stichwort: „Zweck“. 41 

§  1 Die Kriterien unternehmerischer Entscheidungen

105

setzgeber intendierte Paradefall eines Ausschlusses von unternehmerischen Entscheidungen.45 Schließlich gestaltet sich die Lage hinsichtlich „Prognosen“ und eines „Zukunftsbezugs“ gleichermaßen: Auch hinsichtlich dieser Merkmale liegt, soweit ersichtlich, kein Versuch vor, nähere inhaltliche subsumtionsfähige Kriterien aufzustellen.46 Gegen das Postulat eines zukunftsbezogenen Elements innerhalb von unternehmerischen Entscheidungen ergeben sich zudem logische Einwände. So wurde im Schrifttum zu Recht vorgebracht, dass es sich bei der Frage nach der Zukunftsbezogenheit um einen Streit von „rein akademischer Natur“ handele, denn letztlich wirkt sich jede gegenwärtige Handlung erst für die Zukunft aus.47 Ähnliches muss für Prognosen gelten, die allgemein als „Vorhersagen (einer künftigen Entwicklung)“48 verstanden werden: Solange dieser Begriff nicht näher definiert wird, sind Prognosen letztlich Teil jeglicher bewussten menschlichen Handlung, da jede Handlung mit Wirkung auf eine ungewisse – wenn auch u.U. mehr oder weniger kalkulierbare – Zukunft vorgenommen und darauf ausgerichtet wird.49 Mangels Präzision der einzelnen Ansätze eignen sich somit die aufgeführten inhaltlichen Umschreibungen unternehmerischer Entscheidungen nicht zu deren Definition. 3. Widersprüche zur Funktion der BJR Des Weiteren ergeben sich Bedenken hinsichtlich der Übereinstimmung der inhaltlichen Definitionsansätze mit der funktionalen Ausgestaltung der BJR. a. Keine präzise Prüfung möglich Zunächst müsste, wenn entgegen der oben gewonnenen Erkenntnisse präzise inhaltliche Definitionskriterien bestünden, das – zur Eröffnung des Anwendungsbereichts von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG notwendige – Vorliegen der Kriterien unternehmerischer Entscheidungen gerichtlich präzise nachprüfbar sein. Gegen Risiken als inhaltliche Kriterien wird im Schrifttum in diesem Zusammenhang 45 

Siehe dazu oben Teil 3 §  1 D. II. In diesem Sinne Rahlmeyer/Gömöry, NZG 2014, 616 (617): „zur exakten Abgrenzung kaum“ geeignet. 47  Hölters, in: Hölters, AktG, §  93 Rn.  30; Schnieders, Haftungsfreiräume in Deutschland und Italien, S.  307; vgl. insofern auch Cahn, WM 2013, 1293 (1294): „Entscheidungen unter Ungewissheit, um deren haftungsrechtliche Privilegierung es der Business Judgment Rule geht, sind nicht notwendigerweise durch Prognosen über die Zukunft geprägt, sondern können ebenso auf der Komplexität gegenwärtiger Umstände beruhen“. 48  Wermke/Kunkel-Razum/Scholze-Stubenrecht, Duden Bedeutungswörterbuch, Stichwort: „Prognose“. 49  Schnieders, Haftungsfreiräume in Deutschland und Italien, S.  307 f. 46 

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

vorgebracht, dass angesichts des funktionellen Hintergrunds der BJR gar keine umfassende Prüfung dieser Voraussetzungen als wesentlicher Elemente der jeweiligen Entscheidung möglich sei.50 Grund sei, dass nur im Rückblick des Richters die unternehmerische Entscheidungen konstituierenden Eigenschaften identifiziert werden können, eine inhaltliche Betrachtung sich aber im Rahmen der BJR gerade verbiete.51 Dieser Kritik ist indes nicht zuzustimmen. Der Kontrollmaßstab im Rahmen der BJR reduziert lediglich den Maßstab für Pflichtverletzungen und wann noch „vernünftigerweise“ von sorgfaltsgemäßem Verhalten auszugehen ist; nur diesbezüglich wird die richterliche Kontrolle eingeschränkt. Dem Richter ist es aber gleichwohl nicht vorgeschrieben, Teile der jeweiligen Entscheidung von seiner Betrachtung auzuschließen. Er muss sich vielmehr zu seiner Urteilsbildung durchaus ein präzises Bild der jeweiligen Entscheidungssituation machen, auch wenn letztlich nur grobe Verstöße gegen die Vorgaben von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eine Maßnahme von der Einordnung als unternehmerische Entscheidung disqualifizieren können.52 b. Vorwegnahme anderer Tatbestandsmerkmale Hinsichtlich des Merkmals der „Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte“ ergibt sich indes ein systematischer Widerspruch. Diese seien, so wird im Schrifttum vertreten, als Abgrenzung gegenüber einer „willkürlichen Auswahl zwischen mehreren Handlungsalternativen“ geboten.53 Um das Vorliegen dieses Merkmals zu bestimmen, müsste nach dieser Ansicht konsequenterweise geprüft werden, ob eine Maßnahme willkürlich erfolgte oder vielmehr auf einer „Orientierung an Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten“ basierte. Damit müsste auf der Ebene der unternehmerischen Entscheidung – also des sachlichen, objektiven Anwendungsbereichs – bereits eine Prüfung des Inhalts der Entscheidung und der Informationsbasis vorgenommen werden. Anders wäre nicht feststellbar, ob der Vorstand sich an „Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten“ orientiert hat. Für die Frage, ob willkürliches, intuitives oder vielmehr ausreichend informiertes Handeln vorliegt, enthält die BJR jedoch eigens die übrigen Tatbestandsmerkmale des „annehmen dürfens, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohl der Gesellschaft zu handeln“.

50 

Hauschka, GmbHR 2007, 11 (13). Hauschka, GmbHR 2007, 11 (13). 52  Siehe dazu abermals oben Teil 2 §  2 D. III. 1. e. 53  Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  111. 51 

§  1 Die Kriterien unternehmerischer Entscheidungen

107

4. Inhaltliche Wertungswidersprüche Parallel dazu würden sich Wertungswidersprüche im Hinblick auf die von der BJR umfassten Entscheidungsinhalte ergeben, wenn man ein erhebliches Risiko bzw. eine besondere Tragweite für das Unternehmen,54 aber auch Unsicherheiten oder Prognosen zur Voraussetzung unternehmerischer Entscheidungen machen wollte: Es erschließt sich nicht, warum dem Vorstand der Schutz der BJR versagt bleiben sollte, wenn es sich um eine wenig risikoreiche, überschaubare, geringe Auswirkungen zeitigende oder aus sonstigen Gründen weniger fundamentale Entscheidung handelt.55 So bleibt unklar, warum eine Entscheidung von geringerer Tragweite vollständiger richterlicher Kontrolle zugänglich sein soll, während eine Entscheidung, die – wie im Schrifttum mitunter vorausgesetzt – „von hoher Bedeutung für die Vermögens- oder Ertragslage des Unternehmens“ ist oder „andauernde Gestaltungswirkung“ für das Unternehmen entfaltet, letztlich am privilegierenden Maßstab von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG zu messen sein sollte.56 Zwar mag eingewandt werden, in derlei Fällen reduziere sich die Notwendigkeit, durch den Schutz der BJR die potentielle Risikoaversion des Vorstands einzudämmen.57 Dennoch trifft der Vorstand auch eine solche Entscheidung regelmäßig eigenverantwortlich im Rahmen seiner Leitungstätigkeit, womit grundsätzlich unternehmerisches Ermessen zu eröffnen ist.58 Zudem lässt sich auch im Fall einer möglicherweise als risikoarm bzw. als sicher erscheinenden Entscheidung nicht per se eine unerwartete Entwicklung ausschließen, die die Maßnahme im Nachhinein in einem anderen Licht erscheinen lässt. Insofern drohen die gleichen Haftungsrisiken wie auch eine verzerrte Bewertung durch Rückschaufehler. 5. Strukturelle Wertungswidersprüche Die Beschränkung unternehmerischer Entscheidungen anhand der dargestellten inhaltlichen Merkmale erscheint auch widersprüchlich im Hinblick auf die Rechtfertigung der BJR aus der eigenverantwortlichen Leitungs- und Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands heraus.59 Diese Befugnis gilt umfassend und besteht nicht nur in unsicheren, risikoreichen Lagen, sondern ist ein 54 

So Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats, S.  23. Parmentier, in: Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  2 Rn.  178; Rahlmeyer/Gömöry, NZG 2014, 616 (617); gleichsinnig Lutter, ZIP 2007, 841 (843) mit der Bemerkung, dass es „auf die Größe und Bedeutung des betreffenden Geschäfts nicht ankommt“. 56  So namentlich Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats, S.  23; dagegen mit Recht Rahlmeyer/Gömöry, NZG 2014, 616 (617). 57  Vgl. oben Teil 2 §  1 C. II. 58  Vgl. oben Teil 2 §  1 B. 59  Vgl. oben Teil 2 §  1 B. 55 

108

Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

grundsätzliches Strukturprinzip der AG.60 Korrespondierend mit den oben geschilderten inhaltlichen Widersprüchen würde sich somit auch hinsichtlich dieser Strukturen ein Widerspruch ergeben, wenn man die Einräumung eines Ermessensspielraums auf unsichere oder risikoreiche Fälle beschränkt. IV. Zusammenfassung Nach alledem ist im Schrifttum vertretenen Auffassungen über die aufgeführten inhaltlichen Attribute dahingehend zu folgen, dass sie zwar durchaus zur phänomenologischen Beschreibung der Realität unternehmerischen Werbens geeignet sein mögen, nicht aber zu deren trennscharfer Definition.61 Sie sind als konstituierende Definitionsmerkmale vielmehr abzulehnen.

C. Strukturelle Kriterien Des Weiteren wird im Schrifttum versucht, die Definition unternehmerischer Entscheidungen von verbandsrechtlichen Strukturen der Aktiengesellschaft abhängig zu machen. Diese Ansätze sind ebenfalls näher zu betrachten. I. Darstellung Vereinzelt wird auf die Einteilung von Tätigkeiten als Leitungsaufgaben i. S. v. §  76 Abs.  1 AktG abgestellt.62 Infolgedessen sei die Außenwirkung einer Maßnahme als Abgrenzungskriterium für das Vorliegen von unternehmerischen Entscheidungen zu begreifen.63 Ebenso wären aus diesem Grund Handlungen, die nicht dem Unternehmensszweck entsprechen, aus dem Kreis unternehmerischer Entscheidungen auszuschließen.64 Für „Organisationsakte im Binnenverhältnis“ der AG sei der Anwendungsbereich von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG nicht eröffnet, da sie lediglich in Bezug zur „Verfassung der Gesellschaft selbst, nicht aber deren Tätigkeit als Unternehmen“ stünden.65

60 

Siehe oben Teil 2 §  1 B. I. Ebenso Langenbucher, DStR 2005, 2083 (2086); gleichsinnig Koch, ZGR 2006, 769 (787) hinsichtlich der Passage in der amtlichen Begründung, in der „Zukunftsbezug und Prognosen“ thematisiert werden: „[…] ist nicht eindeutig, weil daraus nicht hervorgeht, ob damit begriffsnotwendige Merkmale festgelegt oder bloß begriffstypische Charakteristika beschrieben werden“; wohl auch Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  42. 62  Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  90; Rahlmeyer/Gömöry, NZG 2014, 616 (617). 63  Langenbucher, DStR 2005, 2083 (2086); dies., Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  90. 64  Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  90. 65  Langenbucher, DStR 2005, 2083 (2086). 61 

§  1 Die Kriterien unternehmerischer Entscheidungen

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II. Bewertung Als Tätigkeit der Geschäftsführung in Abgrenzung zur Leitung i. S. v. §  76 Abs.  1 AktG ist grundsätzlich „jedwede tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Tätigkeit“ zugunsten der AG, die nicht dem exponierten Bereich der Führungsaufgaben des Vorstands zuzurechnen ist, zu verstehen.66 Es handelt sich insofern vor allem um typische „Verwaltungsaufgaben“, zu denen etwa die „Abwicklung der Güter-, Leistungs- und Geldströme im Unternehmen“ zu zählen ist, wobei die Zuordnung zwischen Leitungs- und Geschäftsführungsaufgaben je nach Größe und Ausgestaltung des Unternehmens variieren kann.67 Deshalb können im Einzelfall bestimmte Tätigkeiten, die in größeren Unternehmen ohne weiteres als Geschäftsführungsaufgaben einzuordnen sind, in kleineren Unternehmen aufgrund der angesichts einer dünnen personellen Ausstattung notwendigen, höheren Einbindung des Vorstands in das alltägliche operative Geschäft als Führungsaufgaben zu qualifizieren sein.68 Konsequenz dieser Auffassung wären erhebliche Unsicherheiten in der Frage nach einer Anwendung der BJR.69 Indes bietet schon allein der Wortlaut von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG keinen Anlass zu einer Einschränkung anhand der Innen- bzw. Außenwirkung einer Maßnahme oder anhand der Zuordnung zu Leitungs- oder Geschäftsführungsmaßnahmen. Auch aus der Gesetzesbegründung lässt sich keine solche Intention herauslesen. Systematisch knüpft die Norm an die Sorgfaltspflichten des Vorstands an. Da der Vorstand Geschäftsführungsmaßnahmen genauso wie Leitungstätigkeiten unter Beachtung der „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns“ wahrnehmen muss, ergibt sich auch aus dieser Perspektive nichts anderes.70 Schließlich stellt sich die Frage, ob ein solcher Ausschluss dem Zweck der BJR entspricht. Dafür spräche nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht „einiges“, denn Maßnahmen im Innenverhältnis beträfen die „Verfassung der Gesellschaft selbst, nicht aber deren Tätigkeit als Unter­ nehmen“.71 Dem von dieser Ansicht angenommenen Gegensatz zwischen Leitungstätigkeiten i. S. v. §  76 Abs.  1 AktG und bloßen unternehmensinternen Tätigkeiten ist allerdings schon entgegenzuhalten, dass nach ganz h. M. durchaus interne Tätigkeiten wie die Organisationsverantwortung oder die Unterneh66  Vgl. vorerst nur Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  76 Rn.  8; ausführlich zur Differenzierung unten Teil 3 §  2 A. 67  Semler, Leitung und Überwachung, §  1 Rn.  15 sowie unten Teil 3 §  2 A. II. 3. 68  Semler, Leitung und Überwachung, §  1 Rn.  15 sowie unten Teil 3 §  2 A. II. 3. 69  Gleichsinnig hinsichtlich des unternehmerischen Ermessens aus der Zeit vor der Normierung des §  93 Abs.  1 S.  2 AktG bereits Roth, Unternehmerisches Ermessen, S.  79 – „unlösbare Abgrenzungsschwierigkeiten“. 70  Vgl. zur umfassenden Geltung von §  93 Abs.  1 S.  1 AktG unten Teil 3 §  1 D. III. 3. c. 71  Langenbucher, DStR 2005, 2083 (2086).

110

Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

mensplanung dem Vorstand als zentrale unternehmerische Leitungsfunktionen obliegen.72 Des Weiteren wäre eine Trennung in der definitionsnotwendigen Schärfe aufgrund der Notwendigkeit individueller Betrachtung abstrakt kaum zu erreichen.73 Bei verschiedenen Maßnahmen stellt sich auch das Problem, dass sie sich sowohl dem Innen- als auch dem Außenverhältnis des Unternehmens zuordnen lassen, was im Schrifttum an folgendem Beispiel verdeutlicht wird: Bei der Einstellung von Führungspersonal – regelmäßig auch als Leitungsaufgabe des Vorstands qualifiziert74 – überschneiden sich das Innen- und Außenverhältnis, indem mit der Stellenbesetzung zwar eine intern wirkende Maßnahme bedient wird, der Abschluss von Anstellungsverträgen mit den Gegenparteien dann aber wieder im Außenverhältnis Dritte betrifft.75 Die Bindung an den Gesellschaftszweck als Grenze von unternehmerischen Entscheidungen ergibt sich des Weiteren, wie auch die Grenze der allgemeinen Gesetze und des Unternehmensgegenstands, aus dem – sogleich zu behandelnden – Legalitätsprinzip.76 Als Definitionselement unternehmerischer Entscheidungen ist es überflüssig, den Gesellschaftszweck im Rahmen der Leitungsaufgabe des Vorstands aus §  76 Abs.  1 AktG gesondert zu berücksichtigen. Es wäre zudem aber auch widersprüchlich, hier nur den Gesellschaftszweck zu berücksichtigen: Genauso wie der Vorstand diesen einhalten muss, muss er im Rahmen seiner Leitungsaufgabe auch den Unternehmensgegenstand bedienen. Diesen berücksichtigt die oben geschilderte Auffassung nicht. Zudem ist der Maßstab des Gesellschaftszwecks sehr weit gefasst, weshalb sich im Grunde alle legalen Tätigkeiten des Vorstands darunter subsumieren lassen, die dem eigentlichen Zweck des Unternehmens – in der Regel der Gewinnerzielung – dienen.77 Auch eine effiziente Binnenorganisation des Unternehmens dient letztlich dazu, dem Unternehmen gewinnerzielende Tätigkeit zu ermöglichen. Demnach wäre es auch inhaltlich verkehrt, Maßnahmen im Innenverhältnis nicht auch als Gegenstand des Gesellschaftszwecks zu behandeln und von unternehmerischen Entscheidungen auszuschließen. III. Zwischenergebnis Die h. M. nimmt zu Recht keine Beschränkung unternehmerischer Entscheidungen auf Leitungsaufgaben an und lehnt ebenso zutreffend den Ausschluss von Akten im Innenverhältnis der Gesellschaft ab. 72 

Siehe dazu ausführlich unten Teil 3 §  2 B. Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  20. 74  Siehe dazu unten Teil 3 §  2 B. III. 4. 75  Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  20. 76  Vgl. unten Teil 2 §  1 C. I. 2. a. aa. bbb. 77  Vgl. die Erläuterung oben Teil 2 §  1 B. I. 2. sowie Ritter, in: MAH-Aktienrecht, §  8 Rn.  45. 73 

§  1 Die Kriterien unternehmerischer Entscheidungen

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D. Abgrenzung gegenüber „gebundenen Entscheidungen“ Prominent ist neben den soeben untersuchten Ansätzen vor allem die Abgrenzung von unternehmerischen Entscheidungen gegenüber „gebundenen Entscheidungen“ des Vorstands. I. Ausgangspunkt amtliche Begründung Nach der amtlichen Begründung des Gesetzes soll die „unternehmerische Entscheidung […] im Gegensatz zur rechtlich gebundenen Entscheidung“ stehen, um für „illegales Verhalten […]“ „keinen ,sicheren Hafen‘ im Sinne einer haftungstatbestandlichen Freistellung“ zu eröffnen.78 Demnach wären Verstöße gegen „Treuepflichten; Informationspflichten; sonstige allgemeine Gesetzesund Satzungsverstöße“ vom Anwendungsbereich der Regelung auszuschließen.79 II. Legalitätspflicht als Grenze Zunächst wird, in Anknüpfung an die amtliche Begründung von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG, die Einhaltung der dem Vorstand obliegenden Legalitätspflicht80 allgemein als Grenze des Vorliegens von unternehmerischen Entscheidungen betrachtet.81 1. Rechtsverstöße Konsequenz der Bindung an die Legalitätspflicht ist, dass unternehmerische Entscheidungen bzw. Ermessensentscheidungen nicht in Bereichen vorliegen können, in denen per definitionem nur ein Verhalten als rechtmäßig gelten kann.82 Deshalb setzt die Anwendbarkeit der BJR die Einhaltung der aktienrechtlichen Kompetenzordnung ebenso wie die Einhaltung der Vorgaben akti78 

BT.-Drucks. 50/5092, S.  11. BT.-Drucks. 50/5092, S.  11. 80  Zur Legalitätspflicht grundlegend siehe oben Teil 2 §  1 C. I. 2. a. aa. bbb. 81  Bachmann, ZIP 2014, 570 (581); Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  I, S. E 43; Bicker, AG 2014, 8 (8 f.); Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  112 ff.; Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  21; Paefgen, AG 2014, 554 (557); U. Schmidt, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  93 AktG Rn.  83; Uwe H. Schneider, in: DB 2011, 99 (100); ders., in: Lutter/Krieger, Hdb. Managerhaftung, §  2 Rn.  15; Schnieders, Haftungsfreiräume in Deutschland und Italien, S.  301; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  45; Thole, ZHR 173 (2009), 504 (521 ff.); Wagner, ZHR 178 (2014), 227 (233) („befreit […] nicht von der unbedingten Bindung an Recht und Gesetz“). 82  Bürkle, VersR 2013, 792 (794 f.); Peltzer, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  9 Rn.  277; U. Schmidt, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  93 AktG Rn.  83; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S.  179. 79 

112

Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

enrechtlicher oder sonstiger Vorschriften voraus.83 Des Weiteren betrifft dies die Einhaltung der Vorgaben des Anstellungsvertrags, der Satzung – insbesondere des darin gefassten Gesellschaftszwecks und Unternehmensgegenstands – oder einer Geschäftsordnung.84 Unstreitig umfasst sind davon insbesondere auch gesetzlich begründete Pflichten – teilweise als „Pflichtaufgaben“ des Vorstands bezeichnet85 – zumindest solange dem Vorstand dabei keine eigenständig zu bedienenden Entscheidungsspielräume verbleiben.86 Der Ausschluss unternehmerischer Entscheidungen bei Rechtsverstößen reicht nach zustimmungswürdiger h. M. so weit, dass auch Entscheidungen unter Gesetzesverstoß, die für die AG wirtschaftlich nützlich sein mögen, nicht als unternehmerische Entscheidungen zu betrachten sein sollen.87 Eine Ausnahme – und damit ein Ermessensspielraum bzw. eine unternehmerische Entscheidung – soll ebenso bei privatrechtlichen Vertragsverletzungen gelten, die für die AG nützlich sind, da diese nicht von der Legalitätspflicht umfasst sind.88 2. Unklare Rechtslage Weniger eindeutig gestaltet sich die Situation in Fällen unklarer Rechtslage, deren haftungsrechtliche Konsequenzen in jüngerer Zeit in den wissenschaftlichen

83  Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  74; Paefgen, AG 2014, 554 (558 f., Fn.  41 m. w. N.); Schnieders, Haftungsfreiräume in Deutschland und Italien, S.  301 (vgl. dort das Beispiel der Errichtung einer genehmigungsbedürftigen Anlage). 84  BGH, Urt. v. 15.01.2013, II ZR 90/11 (insb. Leitsatz 1) = NZG 2013, 293 ff.; Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  74; Lutter, ZIP 2007, 841 (843); Schnieders, Haftungsfreiräume in Deutschland und Italien, S.  301; siehe dazu oben Teil 2 §  1 C. I. 2. a. aa. bbb. 85  Etwa von Habersack, in: Lorenz (Hrsg.), Karlsruher Forum 2009, S.  15 ff.; Holle, AG 2011, 778 ff.; Hopt/Roth, Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  75; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  10. 86  Zu dieser Konstellation sogleich unten Teil 3 §  1 D. III. 3. d. aa. 87  Buck-Heeb, BB 2013, 2247 (2248 f., Fn.  46 m. w. N.); Kaulich, Haftung von Vorstandsmitgliedern bei Rechtsanwendungsfehlern, S.  188; Langenbucher, in: FS Lwowski, 333 (343); Lutter, ZIP 2007, 841 (843 f.) mit einem Beispiel aus den USA (Anweisung eines Paketdienstes an die Zusteller, zur Zeitersparnis Halteverbote zu missachten); Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  21; Paefgen, AG 2014, 554 (557); Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  184 ff.; Schnieders, Haftungsfreiräume in Deutschland und Italien, S.  303; differenzierend Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  118 ff. 88  Bicker, AG 2014, 8 (9 f.), siehe insb. dort Fn.  15 m. w. N.; Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  116 f. m. w. N.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  33; Kocher, CCZ 2009, 215 (218); Langenbucher, in: FS Lwowski, 333 (343); Lutter, ZIP 2007, 841 (843); Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S.  25; Weber, in: Hölters, AktG, §  76 Rn.  27; ebenso wohl Habersack, in: FS Uwe H. Schneider, 429 (436); a. A. Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  17 m. w. N. zu beiden Auffassungen; Sven H. Schneider, DB 2005, 707 (711).

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Fokus gerückt sind.89 Einer unklaren Rechtslage kann sich der Vorstand als Rechtsanwender in neugeregelten, wenig erforschten Bereichen ausgesetzt sehen, ebenso etwa mangels (höchstrichterlicher) Rechtsprechung bzw. aufgrund abweichender Instanzurteile oder Literaturmeinungen, die zu einzelnen Sachverhalten vorliegen.90 Gerade in dieser Situation werden zuweilen haftungsrechtlich bedrohliche Gratwanderungen vom Vorstand gefordert: Bei der Fülle an Meinungen, die sich allein innerhalb des unternehmens- und gesellschaftsrechtlichen Spektrums – und damit neben z. B. steuerrechtlichen oder arbeitsrechtlichen Vorgaben nur in einem Teilspektrum der bei unternehmerischer Tätigkeit relevanten Rechtsbereiche – bieten, finden sich in fast allen zentralen Fragen und Problemkreisen Meinungen und Gegenmeinungen, zuweilen lassen sich nur schwer Zuordnungen zwischen herrschender Meinung und möglichen Mindermeinungen bilden.91 Aus dieser Perspektive betrachtet liegt auch bei der Entscheidung für eine Rechtsauffassung eine „Handlung unter Unsicherheit“ vor, mithin eine solche Grundsituation, in der der Anwendungsbereich von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG auf den ersten Blick hin eröffnet sein könnte.92 Nach wohl herrschender – und im Ergebnis zu befürwortender – Ansicht soll bei der Entscheidung für eine mögliche Rechtsansicht bei unklarer Rechtslage dennoch kein direkter Anwendungsfall von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG gegeben sein.93 Auf konkrete Rechtsfragen kann es, wenngleich die Rechtslage auch unklar bzw. 89  Siehe insbesondere Harnos, Geschäftsleiterhaftung bei unklarer Rechtslage, passim; Kaulich, Haftung von Vorstandsmitgliedern bei Rechtsanwendungsfehlern, S.  189 ff.; Buck-Heeb, BB 2013, 2247 ff. 90  Buck-Heeb, BB 2013, 2247 (2249); Kaulich, Haftung von Vorstandsmitgliedern bei Rechtsanwendungsfehlern, S.  189 ff. 91  Pointiert Krieger, ZGR 2012, 496 (500): „Es gibt keine anspruchsvolle Transaktion, mit der sich nicht schwierige Rechtsfragen verbinden“; weitergehend bereits Mertens, ZGR 1998, 386 (392 f.) (Eingriffe der „wissenschaftlichen Meinungsproduktion“ „in den Handlungsspielraum des Managements“). 92  Habersack, in: FS Uwe H. Schneider, 429 (436 f.); Kocher, CCZ 2009, 215 (217) („typische[s] Entscheidungsdilemma, dem die Business Judgment Rule Rechnung tragen soll“); Langenbucher, in: FS Lwowski, 333 (340, 346 f.); ebenso Gottschalk/Weng, GWR 2013, 243 (247); Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  187; tendenziell auch Thole, ZHR 173 (2009), 504 (523). 93  Bicker, AG 2014, 8 (10); Buck-Heeb, BB 2013, 2247 (2252); Bürkle, VersR 2013, 792 (794 f.) (indes eine an die BJR angelehnte „Legal Judgment Rule“ befürwortend, s. a. a. O., 794 ff.); Habersack, in: FS Uwe H. Schneider, 429 (437); Harnos, Geschäftsleiterhaftung bei unklarer Rechtslage, S.  141; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  19; Langenbucher, in: FS Lwowski, 333 (346 f.); Uwe H. Schneider, in: DB 2011, 99 (100 f.); Semler, Leitung und Überwachung, §  4 Rn.  71; Spindler, AG 2013, 889 (893); Thole, ZHR 173 (2009), 504 (521 f.); weiter differenzierend dagegen Kaulich, Haftung von Vorstandsmitgliedern bei Rechtsanwendungsfehlern, S.  189 ff.; krit. zu mitunter vorgenommenen Abgrenzungen gegenüber „reinen Ordnungsvorschriften“ insb. Bicker, AG 2014, 8 (11); befürwortend etwa Kocher, CCZ 2009, 215 (217); Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  187 f.; Gottschalk/Weng, GWR 2013, 243 (247); tendenziell auch Hasselbach/ Ebbinghaus, AG 2014, 873 ff.

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

umstritten sein mag, letztlich nur eine zutreffende Antwort geben.94 Diese muss der Vorstand als Rechtsanwender zu beantworten suchen, nicht aber die – im Rahmen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG relevante – Frage beantworten, wie er am besten dem „Wohl der Gesellschaft“ dienen kann. Zudem wird zu Recht vorgebracht, dass vom Rechtsanwender im Wege der Auslegung zwar nicht sicher als richtig oder falsch prognostizierbare Ergebnisse gewonnen werden können, ihm aber zumindest ein anerkanntes Handwerkszeug in Form der juristischen Methodik bereit steht, dessen er sich bedienen kann und dessen Anwendung – im Gegensatz zu dem vom Vorstand zu interpretierenden „Wohl der Gesellschaft“ – originärer Kontrollgegenstand der Gerichtsbarkeit ist.95 Der grundsätzlich die BJR rechtfertigende Bedarf, den Ersatz von „Managerermessen durch Rich­ter­ ermessen“96 zu vermeiden, besteht zudem gerade im Bereich der Gesetzesanwendung bzw. -befolgung ebenso wenig wie das Bedürfnis, risikoaversem Verhalten des Vorstands entgegenzuwirken, dessen Verhalten sich insofern vielmehr am sichersten – scil.: gesetzestreuesten – Weg orientieren soll.97 Eine Reduktion des gerichtlichen Kontrollmaßstabs im Sinne von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG, und damit eine eingeschränkte „Korrekturmöglichkeit“ – die nach hier gewonnenem Verständnis lediglich auf evidente Fehler gerichtet ist – ginge vor diesem Hintergrund jedenfalls zu weit und würde richterliche Kon­t roll­möglich­ keiten über Gebühr einschränken.98 Eingedenk dessen wird aufgrund der bei unsicherer Rechtslage für den Vorstand bestehenden haftungsrechtlichen Bedrohung und der zugleich angesichts unsicherer Entscheidungsgrundlagen den unternehmerischen Entscheidungen ähnlichen Situation die Anwendung einer „Legal Judgment Rule“ diskutiert, die der BJR in ihren Grundzügen ähnelt,99 hier aber als außerhalb von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG belegener Lösungsansatz nicht weiter zu vertiefen ist. Daneben kommt eine Abmilderung der aus rechtlichen Beurteilungen resultierenden Haftungsrisiken im Wege des – hier ebenfalls 94  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  19; Thole, ZHR 173 (2009), 504 (521 f.); ebenso wohl Buck-Heeb, BB 2013, 2247 (2252); siehe auch die Ausführungen zu Rechtsverstößen, oben Teil 3 §  1 D. II. 1. 95  Harnos, Geschäftsleiterhaftung bei unklarer Rechtslage, S.  128; Kaulich, Haftung von Vorstandsmitgliedern bei Rechtsanwendungsfehlern, S.  206. 96  Thümmel, DB 2004, 471 (472); vgl. oben Teil 2 §  1 B. II. 97  Langenbucher, in: FS Lwowski, 333 (340 f., 346 f.); vgl. oben Teil 2 §  1 C. II. 98  Ebenso Buck-Heeb, BB 2013, 2247 (2252) („unzulässige Ausweitung der Regelung“); Kaulich, Haftung von Vorstandsmitgliedern bei Rechtsanwendungsfehlern, S.  215 zumindest für rein rechtliche Unsicherheiten, soweit nicht außerrechtliche Folgefragen unklarer Rechtslagen betroffen sind, da insofern „[…] Ziel und Zwecksetzung der Einräumung unternehmerischen Ermessens […] beim Vorstand nicht einschlägig sind und auch die bei der Judikative zu verortende Rechtsanwendungszuständigkeit und -kontrolle dies gebietet“; Koch, NZG 2014, 934 (938 f.); Langenbucher, in: FS Lwowski, 333 (340 f., 346 f.). 99  Siehe etwa Bürkle, VersR 2013, 792 ff.; Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593 (604 f. m. w. N.); krit. Buck-Heeb, BB 2013, 2247 ff.; Langenbucher, in: FS Lwowski, 333 (341).

§  1 Die Kriterien unternehmerischer Entscheidungen

115

nicht zu vertiefenden – schuldausschließenden Rechtsirrtums in Betracht.100 An dessen Voraussetzungen sind freilich – so der BGH – „strenge Maßstäbe an­ zulegen“.101 Überdies ist der Vorstand entgegen der Annahme Bachmanns102 angesichts der Zuordnung des Rechtsirrtums zum Verschulden anstatt zur Pflichtverletzung103 verhältnismäßig schlechter gestellt, als bei einer Behandlung der ­Frage bereits auf der Ebene der Pflichtverletzung, da bei einer Verortung auf Verschuldensebene regelmäßig die Möglichkeit einer Abberufung des Vorstands aus wichtigem Grund gem. §  84 Abs.  3 AktG offen bleibt. Aufgrund der haftungsrechtlichen Disposition zeigt sich somit für Fälle unklarer Rechtslage auch und gerade eingedenk des „Trend[s] zur zunehmenden Verrechtlichung der unter­nehmerischen Entscheidungen“104 weiterer Forschungsbedarf; eine zufriedenstellende Lösung scheint hier noch nicht gefunden. Als Gegenstand des §  93 Abs.  1 S.  2 AktG ist die Entscheidung für eine Rechtsansicht bei unklarer Rechtslage indes angesichts der vorstehenden Überlegungen nicht zu be­t rachten. III. Unternehmerische Entscheidungen im Rahmen von „Pflichtaufgaben“ Unternehmerische Entscheidungen scheiden zunächst im Einzugsbereich von Normen aus, die ihren jeweiligen Rechtsbefehl so präzise an den Vorstand adressieren, dass ihm bei ihrer Ausführung kein Spielraum verbleibt: Ein abweichendes Verhalten des Vorstands würde sich in diesem Fall ohne weiteres als Rechtsverstoß darstellen.105 Es stellt sich daneben allerdings die Frage nach dem Vorliegen von unternehmerischen Entscheidungen in Situationen, in denen der Vorstand zwar ebenfalls durch das Gesetz an ein bestimmtes Verhalten gebunden ist, die jeweilige Ausführung dieses Verhaltens aber mindestens teilweise seiner Gestaltung überlassen wird und ihm insofern selbständig auszufüllende Entscheidungsspielräume verbleiben.

100 

Dazu statt vieler Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  38 Rn.  1532. Siehe nur BGH, Urt. 03.06.2014 – XI ZR 147/12 = NZG 2014, 1061 (1062, Rn.  24) bzw. BGH, Urt. v. 20.09.2011 − II ZR 234/09 = NZG 2011, 1271 (1272 f., insb. Rn.  16 m. w. N.); gleichsinnig etwa Buck-Heeb, BB 2013, 2247 (2249) oder Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  38 Rn.  1532. 102  Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  I, S. E 44 f. 103  Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  403; vgl. aber auch zur Gegenauffassung (Ausschluss bereits einer Pflichtverletzung) Habersack, in: FS Uwe H. Schneider, 429 (437). 104  So Spindler, AG 2013, 889 (894). 105  Paefgen, AG 2014, 554 (558 f.); Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S.  179 und die Ausführungen zur Legalitätsbindung und Rechtsverstößen, Teil 3 §  1 D. II. 1. 101 

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

1. Befürwortende Auffassung Zur Identifikation unternehmerischer Entscheidungen wird anhand bestehender Wahlmöglichkeiten des Vorstands mitunter zwischen der rechtlichen Festlegung des „Ob“ und des „Wie“ einer Maßnahme differenziert: Wenn das „Ob“ und das „Wie“ einer Maßnahme nicht zur Disposition des Vorstands stehen, bleibt zunächst unstreitig kein Raum für die Anwendung der BJR, weil ein abweichendes Verhalten einen Verstoß gegen die Legalitätspflicht bedeuten würde.106 Anders – mit Raum für unternehmerische Entscheidungen – gestalten sich nach dieser Ansicht Situationen, in denen zwar das „Ob“ einer Maßnahme präzise vorgegeben ist, im Rahmen des „Wie“ bei der Ausführung dagegen verschiedene zulässige Möglichkeiten verbleiben und damit selbständige Entscheidungsspielräume für den Vorstand offenstehen.107 Zwar haben nicht alle Stimmen, die sich dem Grunde nach dieser Ansicht zuordnen lassen, ausdrücklich die Dichotomie von „Ob“ und „Wie“ als wesentliche Kriterien aufgegriffen, gleichwohl hat sich auch abseits dieser Formulierung die inhaltlich entsprechende Auffassung etabliert, dass verbleibende Entscheidungsspielräume bei Pflichtaufgaben als unternehmerische Entscheidungen einzuordnen sein können.108 Eine unternehmerische Entscheidung könnte freilich auch in der umgekehrten Situation vorliegen, wenn das Handeln des Vorstands dem Grunde nach frei ist, er aber, wenn er sich zur Durchführung entschließt, strikte Modalitäten oder Folgepflichten einzuhalten hat – hinsichtlich des „Wie“ ist er dann nicht mehr frei, und die Durchführung unterliegt nicht §  93 Abs.  1 S.  2 AktG. Ein Teil des Schrifttums will weiterhin zwar „gebundene Entscheidungen“ kategorisch aus dem Anwendungsbereich der unternehmerischen Entscheidungen ausgeklammert wissen, schließt darin aber offensichtlich nicht Situationen ein, in denen dem Vorstand selbständig zu bedienende Handlungsspielräume

106  Statt vieler Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  94 ff. (unter Differenzie^ „ob“) und „Mittel“ (= ^ „wie“). rung von „Ziel“ (= 107  Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  97 f. 108  S. etwa Berger/Frege/Nicht, NZI 2010, 321 (323 f.); Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (230); Brömmelmeyer, WM 2005, 2065 (2066); Fleischer, NJW 2005, 3525 (3528); Hauschka, GmbHR 2007, 11 (13); Hennrichs, AG 2006, 698 (703 f.); Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  38 Rn.  1524; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  94 ff.; Paefgen, AG 2014, 554 (558 f.); Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  188 ff.; U. Schmidt, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  93 AktG Rn.  75 und 83; Uwe H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, §  43 Rn.  56a; Spindler, MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  45; ders., in: Lorenz (Hrsg.), Karlsruher Forum 2009, S.  105; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S.  179 ff.; ebenso Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155 (157 f.) speziell bzgl. §  87 AktG.

§  1 Die Kriterien unternehmerischer Entscheidungen

117

verbleiben.109 Teilweise wird auch die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe durch den Vorstand als unternehmerische Entscheidung qualifiziert.110 2. Gegenansicht Nach anderer Auffassung soll der Anwendungsbereich von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG bei sämtlichen Tätigkeiten verwehrt sein, zu deren Wahrnehmung der Vorstand durch das Gesetz verpflichtet ist.111 Entscheidend zur Disqualifikation „unternehmerischer Entscheidungen“ ist demnach nur, „Ob“ dem Grunde nach eine normative Vorgabe zur Wahrnehmung der Tätigkeit besteht, auch wenn das „Wie“ im Ermessen des Vorstands steht. Obwohl im Rahmen solcher Pflichten dem Vorstand vom Gesetz ausdrücklich Beurteilungs- bzw. Ermessensspielräume eingeräumt werden, sollen aber dennoch unternehmerische Entscheidungen im Sinne von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG kategorisch ausgeschlossen werden.112 Teilweise werden auch Situationen, in denen dem Vorstand die Anwendung unbe109  Insofern missverständlich, im Ergebnis aber wohl als Vertreter dieser Kategorie einzuordnen sind z. B. Krieger/Sailer-Coceani, die unternehmerische Entscheidungen als solche verstanden wissen wollen, die „nach unternehmerischen Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu treffen sind“, und bei denen dem Vorstand deshalb selbständige Gestaltungsspielräume verbleiben, innerhalb derer er „frei ist, sich so oder anders zu verhalten“, vgl. Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/ Lutter, AktG, §  93 Rn.  12. Sodann heißt es, „Pflichtaufgaben des Vorstands (z. B. §§  83, 90, 91, 92 Abs.  1 und 2, 124 Abs.  3, 131, 161, 170 Abs.  1 AktG, §  34 Abs.  1 AO u. a.) […]“ wären von der BJR auszuschließen, da es dabei „kein Ermessen“ gäbe. Dies kann jedoch nur hinsichtlich des „Ob“ der Wahrnehmung der Pflichten zu verstehen sein, was sich aus der weiteren Kommentierung einiger der aufgezählten Vorschriften ergibt. Hinsichtlich des „Wie“ der jeweiligen Ausführung erkennen Krieger/Sailer-Coceani – namentlich etwa bei der Kommentierung von §§  90, 91 AktG – durchaus unternehmerische Ermessensspielräume, mitunter ausdrücklich im Sinne von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG, an; siehe Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  90 Rn.  26; dies., a. a. O., §  91 Rn.  12. Gleichsinnig etwa Ludwig/Zeising, in: Büchel/v. Rechenberg, Hdb. des Fachanwalts – Handels- und Gesellschaftsrecht, Kap.  12 Rn.  508 – Ausschluss von „Pflichtaufgaben“, aber nur, weil unternehmerische Entscheidungen einen Entscheidungsspielraum voraussetzten, der bei solchen Aufgaben fehle. In diesem Sinne wohl auch etwa Lutter, insoweit er Aufgaben des Vorstands aus dem Anwendungsbereich der BJR ausschließen will, sofern dieser dabei „dem folgen [muss], was festgelegt ist“, vgl. ders., ZIP 2007, 841, (843), womit übrigbleibende Ermessensspielräume – bei denen der Vorstand eben nicht „dem folgen muss, was festgelegt ist“ – wiederum einbezogen werden können. 110  Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  213; Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155 (157 f.); Kocher, CCZ 2009, 215 (217); Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  188 ff. 111  Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, §  93 Rn.  31; Habersack, in: Lorenz (Hrsg.), Karlsruher Forum 2009, S.  15 ff.; Holle, AG 2011, 778 (780 ff.); zust. Eckert, in: Wachter, AktG, §  93 Rn.  13 sowie nunmehr wohl auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  69a; Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Abs.  1 Rn.  118 ff. (vgl. dazu auch Roth, Unternehmerisches Ermessen, S.  77 ff.); Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  10. 112  Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, §  93 Rn.  31; Habersack, in: Lorenz (Hrsg.), Karlsruher Forum 2009, S.  17 f.; Holle, AG 2011, 778 (780 ff.); Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  116 ff. (insb. 120); Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  10, Rn.  16.

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

stimmter Rechtsbegriffe aufgegeben wird, von unternehmerischen Entscheidungen differenziert: Hier soll die Anwendung der BJR ausscheiden, wobei dem Vorstand mitunter ein außerhalb von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG angelegter Ermessens- bzw. Beurteilungsspielraum konzediert wird.113 Ermessensspielräume des Vorstands sind nach dieser ablehnenden Auffassung insgesamt in solche im Sinne von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG einerseits und in weitere, „eingeschränkte Ermessensspielräume“ bzw. Beurteilungsspielräume andererseits aufzuteilen.114 §  93 Abs.  1 S.  2 AktG gestalte sich deshalb nur als „Teilkodifikation des unternehmerischen Ermessens“.115 3. Untersuchung der Anwendung der BJR Aufgrund der Abweichung zwischen den einzelnen Ansichten ist das Tatbestandsmerkmal der unternehmerischen Entscheidung auf seine Anwendbarkeit bei Entscheidungen des Vorstands im Rahmen gesetzlich normierter Aufgaben zu untersuchen. a. Wortlaut Der Wortlaut von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG bezeichnet mit der unternehmerischen Entscheidung die „Klärung einer offenen Frage“ bzw. „das Sichentscheiden für eine von mehreren Möglichkeiten“116 durch den „Eigentümer des Unternehmens“ oder durch einen anderen Akteur im Rahmen einer privatwirtschaftlichen Unternehmung.117 Als solcher Akteur käme, angesichts der von ihm zugunsten der AG wahrgenommenen „Unternehmerfunktion“, durchaus der Vorstand in Betracht.118 Allein dieser Wortlaut würde aufgrund seiner geringen Abgrenzungsfähigkeit eine extensive Auslegung erlauben und eine Einbezie113  So etwa Holle, AG 2011, 778 (780 ff., 785).; Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  116 ff. (insb. 120); Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  10; Paefgen, AG 2014, 554 (560); Semler, in: FS Ulmer, 627 (633 f.); ders., in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  1 Rn.  134. 114  Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  118 ff.; dieser Auffassung zustimmend Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  10; Eckert, in: Wachter, AktG, §  93 Rn.  14. 115  Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  118; in diesem Sinne auch Holle, AG 2011, 778 (785) („Teilkodifikation unternehmerischer Entscheidungsspielräume“); Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  10. 116  Wermke/Kunkel-Razum/Scholze-Stubenrecht, Duden Bedeutungswörterbuch, Stichwort: „Entscheidung“. 117  Wermke/Kunkel-Razum/Scholze-Stubenrecht, Duden Bedeutungswörterbuch, Stichwort: „Unternehmen“ bzw. „Unternehmer“. Vgl. ferner zur problematischen Begriffsbildung des „Unternehmers“ Jaeger, in: Brunner/Koselleck/Conze, Geschichtliche Grundbegriffe, Stichwort „Unternehmer“, S.  707: „[…] alle Bemühungen, bei begrifflichen Festlegungen an bestimmte einzelne Funktionen seines Wirkens anzuknüpfen, [scheinen] dessen historische Totalität zu verfehlen“. 118  Siehe dazu oben Teil 2 §  1 B. I. 1.

§  1 Die Kriterien unternehmerischer Entscheidungen

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hung aller möglichen Handlungen des Vorstands einbeziehen können.119 Danach könnte, da die Frage nach Legalität oder Illegalität bei der Definition der Entscheidung nicht gestellt wird, auch eine Entscheidung zu illegalem Verhalten als unternehmerische Entscheidung eingeordnet werden. Erst recht eröffnet aber eine dem Grunde nach vorgegebene, in ihrer Ausführung – also dem „Wie“ nach – aber freie Maßnahme ebenso wie eine Abwägungsentscheidung eine Vielzahl von Möglichkeiten, unter denen der Vorstand als Repräsentant der Unternehmerfunktion120 auswählen kann. Der Wortlaut von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG spricht damit jedenfalls für eine Anwendung der BJR im Rahmen gesetzlich normierter Aufgaben des Vorstands, sofern diese ihm mehr als eine legale Handlungsvariante belassen.121 b. Historie In der Gesetzesbegründung wurden unternehmerische Entscheidungen gegenüber „rechtlich gebundenen Entscheidung[en]“ abgegrenzt.122 Dort heißt es, „für illegales Verhalten gibt es keinen „sicheren Hafen“ im Sinne einer haftungstatbestandlichen Freistellung“, sowie: „unternehmerische Entscheidungen sind infolge ihrer Zukunftsbezogenheit durch Prognosen und nicht justiziable Einschätzungen geprägt. Dies unterscheidet sie von der Beachtung gesetzlicher, satzungsmäßiger oder anstellungsvertraglicher Pflichten ohne tatbestandlichen Beurteilungsspielraum“.123 Ein Hinweis auf eine Differenzierung nach auszuschließenden „Pflichtentscheidungen“ bzw. einer mutmaßlichen gesetzgeberischen Absicht, unternehmerisches Ermessen im Rahmen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG nur teilweise zu kodifizieren, daneben aber weitere Beurteilungs- und Ermessensspielräume bestehen zu lassen, ergibt sich daraus nicht. Gerade der letzte Satz legt eher den Schluss nahe, dass argumentum a contrario eben Pflichten mit tatbestandlichem Beurteilungsspielraum Anwendungsfälle der BJR bilden können.124 Dementsprechend wird §  93 Abs.  1 S.  2 AktG auch – mitunter konkludent – als die (scil.: exklusive) Fassung unternehmerischer Ermessensspielräume in Gesetzesform behandelt.125 Die Wortwahl des Gesetzgebers lässt 119  Gleichsinnig Holle, AG 2011, 778 (780): „Von seinem sprachlichen Eigengehalt weist der Begriff jedoch wenig Substanz auf “. 120  Vgl. oben Teil 2 §  1 B. I. 1. 121  Diesen Schluss nicht ziehend Holle, AG 2011, 778 (780). 122  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11. 123  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11. 124  A.A. Holle, AG 2011, 778 (780 f.). 125  Prägnant Habersack, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  116 Rn.  39 („[…] für den Vorstand gilt nunmehr […], dass sich Voraussetzungen und Rechtsfolgen des unternehmerischen Ermessens ausschließlich nach der Gesetz gewordenen Fassung der Business Judgment Rule des §  93 Abs.  1 S.  2 AktG beurteilen“); gleichsinnig wohl noch Fleischer, ZIP 2004, 685 ff. (u. a. ausdrückliche

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

darüber hinaus auch bezweifeln, dass hier überhaupt terminologisch zwischen „Beurteilungs-“ und „Ermessensspielräumen“ differenziert werden sollte; vielmehr wurden unternehmerische Entscheidungen solchen Pflichten „ohne Beurteilungsspielraum“ gegenübergestellt.126 Daraus lässt sich schließen, dass nach Auffassung des Gesetzgebers umgekehrt Pflichten mit verbleibendem Beurteilungs- bzw. Entscheidungsspielraum als unternehmerische Entscheidungen i. S. v. §  93 Abs.  1 S.  2 AktG qualifiziert werden sollten,127 ohne eine weitere Differenzierung zwischen Beurteilungs- und Ermessensspielräumen vorzunehmen.128 Der Wille des Gesetzgebers unterstützt somit die Anwendung der BJR auf Pflichtaufgaben mit selbständig auszufüllenden Entscheidungsspielräumen. c. Systematik §  93 Abs.  1 S.  2 AktG folgt systematisch auf die in §  93 Abs.  1 S.  1 AktG verortete allgemeine Sorgfaltspflicht129 des Vorstands. Wie von Holle herausgearbeitet, kommt auch aus dieser Perspektive eine Anwendung der BJR auf Pflichtaufgaben mit selbständig auszufüllenden Entscheidungsspielräumen in Betracht.130 Die allgemeine Sorgfaltspflicht regelt das Verhalten des Vorstands umfassend, Bezeichnung der BJR als „tatbestandliche Ausformung des Geschäftsleiterermessens“, a. a. O. S.  690) bzw. ders., in: Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  59 ff. („Mit dieser Bestimmung hat der Gesetzgeber im Jahre 2005 die ungeschriebene Figur des Geschäftsleiterermessens in das geschriebene Aktienrecht übernommen“, nunmehr aber wiederum ders., a. a. O., §  93 Rn.  69a („Teilkodifikation“)); desw. Brömmelmeyer, WM 2005, 2065 (2066) (BJR als „Korrelat des ,unternehmerischen Ermessens‘, das sie haftungsrechtlich absichern soll“); Bürkle, VersR 2013, 792 (793) („Business Judgment Rule als normiertes Geschäftsleiterermessen“); Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, passim; Harbarth, in: FS Hommelhoff, 323 (324 ff.); Hauschka, GmbHR 2007, 11 (13) („,unternehmerische Entscheidung‘ […] will jedes Ermessenshandeln einem lückenlosen Haftungsprivileg unterstellen“); Hölters, in: Hölters, AktG, §  93 Rn.  29 f.; Ihrig, WM 2004, 2098 (2103, 2107 (Fazit Nr.  3)); Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  1 Rn.  24; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, §  43 Rn.  23 f.; Kocher, CCZ 2009, 215 ff.; Kuntz, GmbHR 2008, 121 ff.; von einer einheitlichen Fassung des Ermessensbegriffs in §  93 Abs.  1 S.  2 AktG wohl ebenfalls ausgehend Lutter, ZIP 2007, 841 ff., der ausdrücklich Fälle „ohne Handlungsalternativen“, in denen die BJR demnach nicht einschlägig sei, „unternehmerischen Entscheidungen mit unternehmerischen Ermessen“ gegenüberstellt, ohne daneben sonstige Ausprägungen oder Arten von Ermessensspielräumen anzuführen, a. a. O., Fazit Nr.  3; Parmentier, in: Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  2 Rn.  169 ff. (insb. etwa Rn.  179); Patzina, in: Patzina/Bank/Schimmer/Simon-Widmann, Haftung von Unternehmensorganen, Kap.  1 Rn.  19 („§  93 Abs.  1 S.  2 AktG übernimmt zur Definition des unternehmerischen Ermessens die sogenannte Business Judgment Rule“); Rahlmeyer/Gömöry, NZG 2014, 616 (insb. 616 f.); Spindler, MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  36. 126  Mit dieser Überlegung, insgesamt aber zurückhaltend Holle, AG 2011, 778 (780). 127  Diese Folgerung dagegen nicht ziehend Holle, AG 2011, 778 (780). 128  Eine terminologische Gleichsetzung unternehmerischer (Ermessens-) und Beurteilungsspielräume findet sich bisweilen auch in der Literatur, etwa bei Ulmer, ZGR 1999, 751 (762 f.) („weiter unternehmerischer Beurteilungsspielraum“), Kock/Dinkel, NZG 2004, 441 (442). 129  Vgl. dazu oben Teil 2 §  1 C. I. 2. a. aa. 130  Holle, AG 2011, 778 (781).

§  1 Die Kriterien unternehmerischer Entscheidungen

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teils konkretisiert in Form von Einzelpflichten,131 und ist nicht abdingbar.132 Wenn der Vorstand die Wahl zwischen verschiedenen Optionen hat, muss er diese deshalb letztlich immer mit der – ggf. konkretisierten – Sorgfalt eines „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ i. S. v. §  93 Abs.  1 S.  1 AktG treffen, an die §  93 Abs.  1 S.  2 AktG anknüpft.133 d. Zweck Schließlich ist zu ermitteln, ob eine Anwendung der BJR auf Entscheidungen im Rahmen von Pflichtaufgaben dem Zweck der Vorschrift entspricht. Den Ausgangspunkt dieser Frage bildet der Zweck der BJR, der im weitgehenden Entzug der Entscheidung aus richterlicher Kontrolle zur Flankierung des eigenverantwortlichen Leitungsauftrags des Vorstands und der Eindämmung von Haftungsrisiken zur Vermeidung potentieller Risikoaversion besteht.134 Hier ist angesichts der unterschiedlichen Ausprägung von Handlungsspielräumen im Rahmen von Pflichtaufgaben zwischen verschiedenen Fallgruppen zu differenzieren. aa. Offene Handlungsspielräume im Rahmen gesetzlich normierter Aufgaben Zunächst werden Normen betrachtet, in denen der Vorstand Adressat einer gesetzlichen Pflicht ist, diese ihm aber – zumindest in Teilen – keine weiteren inhaltlichen Vorgaben macht, sodass ihm insofern selbständig auszufüllende Handlungsspielräume verbleiben. aaa. Eigenverantwortung und Kontrollbedarf Für eine Anwendung der BJR auf Gestaltungsspielräume im Einzugsbereich gesetzlich geregelter Pflichten, bei denen der Vorstand keinem weiteren strikten Normbefehl unterliegt, spricht zunächst, dass er aufgrund der Unsicherheiten und der haftungsrechtlichen Bedrohung regelmäßig mit den gleichen Rahmenbedingungen konfrontiert wird wie in Fällen, die unstrittig als unternehmerische Entscheidungen einzuordnen sind.135 Es erscheint insofern geboten, im Sinne des Zwecks der BJR auch in diesen Situationen einer überzogenen haf131  Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  93 AktG Rn.  6; Hölters, in: Hölters, AktG, §  93 Rn.  28; Holle, AG 2011, 778 (781). 132  Vgl. statt vieler Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  2 m. w. N. 133  Holle, AG 2011, 778 (781). 134  Vgl. oben Teil 2 §  1 B. II. und Teil 2 §  1 C. II. 135  Vgl. etwa Cahn, WM 2013, 1293 (1294); Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  75; ders., NZG 2005, 865 (871); vgl. dazu auch nochmals die Darstellung der Motive der BJR oben Teil 2 §  1 B. II. und Teil 2 §  1 C. II.; a. A. Holle, AG 2011, 778 (782).

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

tungsrechtlichen Bedrohung und daraus resultierendem risikoaversen Verhalten des Vorstands entgegenzuwirken. Ebenfalls erscheint es in dieser Situation angezeigt, den eigenverantwortlichen Leitungsauftrag des Vorstands durch die BJR rechtlich zu flankieren und ihm zur Geltung zu verhelfen.136 Eine vollständige Kontrolle würde dagegen im Rahmen von Entscheidungen, die dem Vorstand freie Gestaltungsspielräume überlassen, der eigenverantwortlichen Leitungskompetenz widersprechen und die Gefahr hervorrufen, dass die Einschätzung des Vorstands durch diejenige des Richters ersetzt wird, obwohl keine konkrete Regelung für das Verhalten des Vorstands besteht und er an für sich frei ist, nach seinem Ermessen „zum Wohl der Gesellschaft“ zu handeln.137 Paefgen brachte diese Überlegung bereits vor der Kodifizierung der BJR in §  93 Abs.  1 S.  2 AktG auf den Punkt: „Wo das Gesellschaftsinteresse die Leitlinie des Verbandshandelns bildet, herrscht deshalb grundsätzlich auch unternehmerisches Ermessen“.138 Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass der Richter in der Frage, was als Interesse des Unternehmens zu betrachten ist – mit den sinngemäßen Worten von Paefgen – „besser Bescheid weiß“ als der Vorstand.139 Diese Interpretation fügt sich umgekehrt auch in die oben getroffenen Überlegungen über die BJR als Korrelat zur eigenverantwortlichen Leitungsaufgabe des Vorstands ein.140 bbb. Verhältnis zur Legalitätspflicht Unter den Befürwortern eines Ausschlusses der BJR bei verbleibenden Spielräumen im Rahmen gesetzlicher Regelungen wird vorgebracht, eine Anwendung der BJR in diesen Bereichen würde die den Vorstand bindende Legalitätspflicht unterlaufen.141 Indessen droht hier durch die Anwendung der BJR gerade keine Umgehung der Legalitätspflicht, da diese in Bereichen, deren eigenverant136 

Kaulich, Haftung von Vorstandsmitgliedern für Rechtsanwendungsfehler, S.  185 f. Paefgen, AG 2014, 554 (558 f.); Kaulich, Haftung von Vorstandsmitgliedern für Rechtsanwendungsfehler, S.  185 f. 138  Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S.  147. Paefgen stellt hier freilich auf das Gesellschaftsinteresse in Abgrenzung zum Unternehmensinteresse ab, vgl. dazu oben Teil 2 §  1 B. I. 2. Entscheidend ist hier indes die zugrundeliegende Auffassung Paefgens, dass der Vorstand, sofern keine weiteren Vorgaben zu berücksichtigen sind, nach eigenem unternehmerischen Ermessen im Sinne seines Leitungsauftrags handelt. Seine von der h. M. abweichende Interpretation der inhaltlichen Vorgaben an den Leitungsauftrag des Vorstandshandelns sind an dieser Stelle nicht entscheidend. In der Sache ebenso Kaulich, Haftung von Vorstandsmitgliedern für Rechtsanwendungsfehler, S.  187; zumindest tendenziell wohl auch Kocher, CCZ 2009, 215 ff. (s. insb. 216). 139  Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S.  149; gleichsinnig Müller, in: Liber Amicorum Happ, 179 (181 f.). 140  Vgl. oben Teil 2 §  1 B. 141  Holle, AG 2011, 778 (785). 137 

§  1 Die Kriterien unternehmerischer Entscheidungen

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wortliche Gestaltung dem Vorstand überlassen bleibt, mangels konkreter Vorgaben keine Bindungswirkung entfalten kann.142 Die richterliche Kontrolle der gesetzlich vorgegebenen Grenzen wird – sofern das Gesetz lediglich hinsichtlich des „Ob“ einer Maßnahme Vorgaben bietet – dabei nicht ausgesetzt oder reduziert. Ansonsten fallen Fragen der Legalitätspflicht nach wie vor in das Spektrum gerichtlich voll überprüfbarer Umstände und bestehen unabhängig von den Entscheidungsspielräumen des Vorstands: Selbstverständlich obliegt es uneingeschränkt den Gerichten, „die Einhaltung von Gesetzen zu überwachen“.143 Diese Befugnis bildet aber auch zugleich die Grenze richterlicher Tätigkeit.144 Aus der Perspektive des Vorstands gestaltet sich nicht die richterliche Kontrolle als Regel, sondern die eigenverantwortliche Ermessensfreiheit, und diese kann – und muss – eben dort gelten, wo im Einzelnen keine gesetzlichen Vorgaben bzw. keine besonderen Pflichtenbindungen bestehen.145 An diesen Überlegungen wird auch der Unterschied zwischen der aktienrechtlichen Unternehmensverfassung und verwaltungsgerichtlichen Kontrollmaßstäben greifbar: Im Verhältnis des Aktionärs bzw. der übrigen Organe zum Vorstand steht gerade nicht ein durch die Gerichte in einer grundrechtlich abgesicherten Anspruchsposition zu schützender Bürger der staatlichen Verwaltung gegenüber.146 Im Verwaltungsrecht besteht zudem kein vergleichbar großes Bedürfnis, die Exekutive vor einer Verrechtlichung ihrer Handlungsspielräume und vor risikoaversem Verhalten zu bewahren.147 Dort besteht vielmehr eine sachkompetente, eigene Gerichtsbarkeit, bei der nicht davon auszugehen ist, dass Richter mit sachfremder Materie – wie im Falle von unternehmerischen 142  So Bachmann (Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  I, S. E 44): „um […] [illegales Verhalten] geht es dann nicht, wenn zur Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht mehrere Wege gangbar erscheinen“; Paefgen, AG 2014, 554 (558 f.); ders., Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S.  25; gleichsinnig Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  94 ff. (insb. Rn.  97 f.). 143  Koch, NZG 2014, 934 (939). 144  Müller, in: Liber Amicorum Happ, 179 (181 f.). 145  Müller, in: Liber Amicorum Happ, 179 (182); Parmentier, in: Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  2 Rn.  211; Winnen, Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S.  180; missverständlich insofern die Regierungsbegründung, die von einer „Ausnahme“ spricht (BT.-Drucks. 15/5092, S.  12), was indes für das dogmatische Verhältnis zwischen §  93 Abs.  1 S.  1 und S.  2 zu verstehen sein dürfte, nicht aber als empirische Aussage zur Häufigkeit des Vorliegens unternehmerischer Entscheidungen; a. A. aber jedenfalls Kaulich, Haftung von Vorstandsmitgliedern für Rechtsanwendungsfehler, S.  186 – „Annahme von Beurteilungsspielräumen [kommt] auch für verbandsinterne Beziehungen stets nur ausnahmsweise in Betracht“. 146  Dauner-Lieb, in: FS Röhricht, 83 (97); dies., in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  93 AktG Rn.  18; Parmentier, in: Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  2 Rn.  211; Schnieders, Haftungsfreiräume in Deutschland und Italien, S.  82; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  47. 147  Dauner-Lieb, in: FS Röhricht, 83 (97); Schnieders, Haftungsfreiräume in Deutschland und Italien, S.  82.

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i. S. v. (betriebs-) wirtschaftlichen Vorstandsentscheidungen – betraut werden.148 Der gewachsene gesellschaftsrechtliche Ermessensbegriff ist vom verwaltungsbzw. öffentlichrechtlichen Ermessensbegriff vor diesem Hintergrund trotz gleicher Terminologie zu differenzieren: Der Vorstand soll und muss, anders als die grundrechtlich verpflichtete Verwaltung gegenüber dem Bürger, angesichts seines eigenverantwortlichen Leitungsauftrags vielmehr nicht nur im Ausnahmefall, sondern im Regelfall die Freiheit haben, selbständige Entscheidungen zur Verfolgung des von ihm verstandenen „Wohls der Gesellschaft“ zu treffen, ohne dass diese Entscheidungen Gegenstand fremder bzw. richterlicher Intervention werden.149 Diese Freiheit gerät erst und nur dann an ihre Grenzen, wenn die im Rahmen des „vernünftigerweise annehmen dürfens, zum Wohl der Gesellschaft zu handeln“ statuierten Ermessensgrenzen überschritten werden oder wenn aufgrund einer strikten Gesetzesbindung von vornherein kein Ermessensspielraum besteht. ccc. Verengung des Anwendungsbereichs der BJR Der Anwendungsbereich von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG würde des Weiteren bis zu einer faktischen Marginalisierung der Norm verengt, wollte man Entscheidungsspielräume innerhalb gesetzlicher Pflichten, die dem Vorstand die Konkretisierung des Unternehmensinteresses überlassen, von der Norm ausschließen. Das wird schon deutlich, wenn man sich den Pflichtencharakter der Vorstandstätigkeit vor Augen führt. Die Wahrnehmung der Leitungsaufgaben steht dem Vorstand grundsätzlich nicht frei: Er wird dazu durch §  76 Abs.  1 AktG nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet – die Rede ist daher von der Leitungspflicht des Vorstands bzw. von der Leitung als „Pflichtrecht“.150 Ein „Pflichtrecht“ gewährt einerseits subjektive Berechtigungen – im Falle des §  76 Abs.  1 AktG die Berechtigung zur eigenverantwortlichen Leitung der AG –, verbindet deren Wahrnehmung jedoch zugleich mit Verpflichtungen.151 Es steht dem Vorstand eben nicht frei, ob er die Leitungsaufgabe wahrnimmt; er muss sie vielmehr bedienen. Das gilt auch hinsichtlich der auf die Leitungspflicht zurückzuführenden einzelnen typischen Führungsfunktionen, die er wahrzu148  Vgl. dazu oben Teil 2 §  1 B. II. Allgemeiner und zutreffend Parmentier, in: Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  2 Rn.  211; für eine terminologische Differenzierung zwischen dem öffentlich-rechtlichen Ermessensbegriff und dem „Geschäftsleiterermessen“ auch Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Winter, Großkomm-GmbHG, §  43 Rn.  111 Fn.  332; eine unternehmensrechtliche Entscheidungsfehlerlehre entwickelnd indes Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S.  182 ff. 149  Gleichsinnig Parmentier, in: Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  2 Rn.  211; Schnieders, Haftungsfreiräume in Deutschland und Italien, S.  82 f. 150  Fleischer, ZIP 2003, 1 (2); gleichsinnig Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  76 Rn.  9. 151  Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S.  370; Fleischer, ZIP 2003, 1 (2).

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nehmen hat.152 Zumindest bei einer konsequenten Verfolgung der einschränkenden Ansicht – und unter Berücksichtigung dieses verpflichtenden Charakters der Leitungsfunktion – würde sich der Anwendungsbereich von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG erheblich verengen und vor allem würden Kernbereiche unternehmerischer Tätigkeit nicht mehr unter die Regelung fallen, die an für sich gerade für sie ins Leben gerufen wurde. v. Falkenhausen bringt zudem auf den Punkt, dass auch ohne einen konkreten Fokus auf die Leitungsfunktionen „beinahe alle Tätigkeiten des Vorstands […] mehr oder weniger dicht geregelt“ sind.153 Insgesamt sehen sich – um mit Stimmen aus dem Schrifttum zu sprechen – Organmitglieder bei ihrer Tätigkeit einem „kaum mehr überschaubaren“154 „Dickicht an Regulierung“155 und damit einer „unübersehbaren Vielfalt möglicher Verstöße“156 ausgesetzt, die man – gerade in besonders geregelten Branchen, etwa Banken – mittlerweile „nur [noch] mit Staunen zur Kenntnis nehmen kann“.157 Zudem bürdet der „Gesetzgeber […] den Organmitgliedern fast im Jahrestakt neue Organisations- und Überwachungspflichten auf “.158 Bei einer konsequenten Abgrenzung von „Pflichtaufgaben“ bliebe letztlich nur noch bei ungeregelten Vorstandstätigkeiten Raum für unternehmerische Entscheidungen im Sinne der BJR.159 Die Anwendung der BJR würde so zum Ausnahmefall, obwohl sie, sofern keine anderweitigen, präzisen Vorgaben bestehen, als Korrelat zum Leitungsauftrag des Vorstands gerade die Regel sein müsste. ddd. Unbestimmtheit von Handlungsspielräumen außerhalb der BJR Auf dem 70. Deutschen Juristentag und in dessen Vorfeld wurde in der Diskussion um die BJR von Bachmann behauptet, es sei letztlich nicht von nennenswertem Unterschied, ob der dem Vorstand zustehende Schutz seines Handlungsspielraums aus §  93 Abs.  1 S.  2 AktG resultiere, oder auf (Beurteilungs-)

152  Deutlich im Einzelnen Semler, Leitung und Überwachung, §  1 Rn.  16 („Die mangelnde Erfüllung der originären Führungsfunktion Unternehmensplanung bedeutet zugleich eine Verletzung der aktienrechtlichen Sorgfaltspflicht (§  93 Abs.  1)“); gleichsinnig Lutter, AG 1991, 249 (251). 153  v. Falkenhausen, NZG 2012, 644 (647). 154  Lutter, in: Lutter/Krieger, Hdb. Managerhaftung, §  1 Rn.  11. 155  Weber-Rey, NZG 2013, 766 (769). 156  Peltzer, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2013, 83 (84). 157  Hopt, ZIP 2013, 1793 (1802). 158  Fleischer, NJW 2009, 2337; ähnl. etwa Bachmann (Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  I, S. E 44: „flächendeckende […] Durchnormierung des Wirtschaftslebens“); Cahn, AG 2008, 342 (343) („auf immer höheren Touren laufende Normsetzungsmaschinerie“); Dauner-Lieb, in: FS Röhricht, 83 (85 f.); Habersack, ZHR 177 (2013), 782 (795) („stetige Ausweitung und Intensivierung der den Organwaltern obliegenden Verhaltenspflichten“). 159  Gleichsinnig Bachmann, Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  I, S. E 44.

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Spielräume außerhalb der Norm zurückgeführt werde.160 Diese Auffassung kulminiert in der Annahme Bachmanns, es sei vorzugswürdig, „keine Entweder-Oder-Entscheidung nach dem Muster, ,unternehmerische Entscheidung‘: ja/nein, zu treffen, sondern nach dem Grad der bestehenden Unsicherheit zu fragen und dem Vorstand dementsprechend mehr oder weniger Entscheidungsfreiraum zu gewähren“.161 Eine solche Entgrenzung der Regelung scheint jedoch aus zwei Gründen nicht geboten. Zunächst, weil keine verbindlichen Kriterien bestehen, an denen derlei „Unsicherheiten“ zu messen sind; Bachmann schlägt denn auch keine konkreten Kriterien dafür vor.162 Zudem ist bislang weitgehend ungeklärt, wie mit Ermessens- bzw. Beurteilungsspielräumen außerhalb der BJR umzugehen sein soll und welche haftungsrechtlichen Konsequenzen sie für den Vorstand hervorrufen.163 Es bleibt unklar, nach welchen Grundsätzen das Verhalten des Vorstands in diesen Bereichen zu bewerten sein soll, insbesondere ab welcher Grenze die außerhalb der BJR verorteten Spielräume als überschritten gelten: So gelten nach einer Auffassung Einzelfälle sog. „eingeschränkter“ Ermessensentscheidungen außerhalb von §  93 Abs.1 S.  2 AktG als vollständig „objektiv nachprüfbar“,164 wobei gleichzeitig die „Vertretbarkeit“ der jeweiligen Maßnahme als Maßstab der Überprüfung gelten solle.165 Nach anderer Auffassung soll die richterliche Kognition der Vorstandsentscheidungen in solchen Bereichen „nicht abstrakt [zu] bestimmen“ sein, sich in der Regel aber auf eine Vertretbarkeitskontrolle beschränken.166 Wiederum andere sehen dagegen einen „gerichtlich nicht überprüfbare[n] Beurteilungsspielraum […] in diesen und vergleichbaren Fällen nicht gebundener Entscheidungen […]“.167 Die jeweils angelegten Maßstäbe bewegen sich, mit den Worten Cahns, „zwischen denjenigen nach §  93 Abs.  1 Satz  1 und Abs.  1 Satz  2 “168 bzw. schlagen – bei völliger Ablehnung einer Überprüfbarkeit – sogar darüber hinaus, ohne dass sich eine einheitliche Linie identifizieren ließe. Wollte man vor diesem Hintergrund neben Beurteilungsspielräumen auch noch verschiedene Ar160  Bachmann, ZHR 177 (2013), 1 (8 f.) bzw. Verhandlungen des 70. Dt. Juristentages 2014, Bd.  II/2, S. N 137 („eher eine akademische Frage“). 161  Bachmann, ZHR 177 (2013), 1 (8 f.). 162  Vgl. oben Teil 3 §  1 B. III. 2. 163  Siehe dazu nur Koch, NZG 2014, 934 (939) mit der Feststellung, dass „derartige Ermessensspielräume im neueren wissenschaftlichen Schrifttum zwar zunehmend anerkannt werden, ihre Existenz zumeist aber nur festgestellt wird, ohne dass die Einzelheiten schon tatsächlich ausgeforscht wären“. 164  Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  120 f., 126. 165  Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  126; Roth, Unternehmerisches Ermessen, S.  105 f. 166  Holle, AG 2011, 778 (785). 167  Habersack, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  116 Rn.  39a; gleichsinnig wohl Semler, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  1 Rn.  134. 168  Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  18.

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ten von Ermessensentscheidungen anerkennen, so würden die Verhaltensanforderungen an den Vorstand angesichts dieser Gemengelage im Verhältnis zur Situation vor der Normierung durch das UMAG weiter verkompliziert und damit die Rechtssicherheit durch die Anwendung der BJR reduziert. Die Anerkennung anderweitiger Ermessensbereiche neben §  93 Abs.  1 S.  2 AktG käme vielmehr einer „unnötige[n] und fruchtlose[n] Verkomplizierung der Haftungsgrundsätze für Unternehmensleiter“169 gleich. Diese Unsicherheiten entfalten sich vor allem zulasten des haftungsbedrohten Vorstands, dessen Handlungssicherheit jedoch durch „Transparenz und […] Rechtssicherheit“170 mittels der Normierung der BJR gerade erhöht werden sollte.171 eee. „Ermessen“ als gesellschaftsrechtliche Institution Erkennt man zudem die Institutionenbildung als zentrale Aufgabe gesellschaftsrechtlicher Forschung an,172 so muss es auch für das Konzept des „Ermessens“ Ziel sein, so weit als möglich auf ein einheitliches Verständnis hinzuarbeiten. Das spricht angesichts der aufgezeigten Zweckmäßigkeit der hier vertretenen Lösung für eine einheitliche Behandlung von Ermessensspielräumen des Vorstands als unternehmerische Entscheidungen im Sinne der BJR. Demnach sind Situationen, in denen der Vorstand sich im Rahmen seiner Leitungsverantwortung frei entscheiden kann, stets als unternehmerische Entscheidung zu bewerten, ganz gleich, ob sie in ungeregelten Bereichen zu verorten sind oder auf einer grundsätzlich verpflichtenden, hinsichtlich ihrer Ausführung dem Vorstand aber Entscheidungsfreiräume überlassenden Norm basieren. Der entscheidende Vorteil dieser Interpretation ist, dass sie – verglichen mit denjenigen Auffassungen, die verschiedene Arten von Ermessensspielräumen anerkannt wissen wollen – einen einheitlichen Maßstab für unternehmerische Entscheidungen bietet. fff. Ausnahme bei besonderen Interessenvorgaben Verschiedenerorts wird dem Vorstand innerhalb und außerhalb des Aktiengesetzes aufgetragen, Entscheidungen zu treffen, bei denen er über die im Rahmen des „Wohls der Gesellschaft“ notwendige Abwägung hinaus weitergehende Interessenpositionen berücksichtigen bzw. schützen muss, die entweder nicht aus dem Innenverhältnis der AG stammen oder darin den besonderen Schutz einzelner Gruppen, etwa der Aktionäre, vorsehen. Diese Situationen unterscheiden 169 

Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  18. Bürkle, VersR 2013, 792 (796). 171  In diesem Sinne Bayer, NJW 2014, 2546 (2547); Bürkle, VersR 2013, 792 (796); Ulmer, ZHR 163 (1999), 290 (299). 172  Dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  3 III 2. 170 

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sich zunächst von solchen, in denen dem Vorstand z. B. durch Satzung, Gesetz oder Rechtsprechung präzise Vorgaben gemacht werden, die eingehalten werden müssen. Vielmehr muss der Vorstand anhand der jeweiligen Vorgaben eine selbständige Abwägung durchführen, deren Ergebnis von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist. Eine solche Entscheidung, bei der besondere Vorgaben zu berücksichtigen sind, bildet die Prüfung des Aufsichtsrats, ob außergewöhnliche Interessen des Unternehmens ausnahmsweise den Verzicht auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Vorstand rechtfertigen.173 Hier muss nach h. M. und nach dem Urteil des BGH der Aufsichtsrat die Lage beurteilen und die in der „ARAG/Garmenbeck“-Rechtsprechung aufgestellten, restriktiven Kriterien für einen solchen Ausschluss prüfen, nicht aber allein das von ihm verstandene „Wohl der Gesellschaft“ zum Maßstab seiner Entscheidung nehmen.174 Die diskutierte Anwendung der BJR wäre nur im Fall einer Rechtsprechungsänderung, die allein das Unternehmensinteresse in den Fokus der Vorstandsentscheidung rückt, legitim. Um eine Ausnahme von der grundsätzlichen Verfolgungspflicht möglicher Pflichtverletzungen des Vorstands annehmen zu können, muss der Aufsichtsrat nach Lage der Dinge zunächst auf einer ersten Stufe außergewöhnlich „gewichtige Gründe des Gesellschaftswohls“175 identifizieren und diese sodann auf einer zweiten Stufe in eine weitere Abwägung mit einer „Analyse des Prozesskostenrisikos und der Beitreibbarkeit der Forderung“176 einbeziehen. Hier wird vom Aufsichtsrat demnach nicht eine bloße Konkretisierung des Unternehmenswohls und ein allgemeines Durchdenken der Situation und Abwägen der Unternehmensinteressen gefordert, sondern darüber hinausgehend die Berücksichtigung konkreter inhaltlicher Parameter zur Ermittlung und Abwägung vorgegeben. Auch wenn dieser Prüfungsauftrag nicht gesetzlich normiert ist, so entspricht die Situation doch bereits ermittelten Grundgedanken. Abermals: In gesetzlich präzise geregelten Bereichen ist die BJR nicht anzuwenden, da das Verwaltungsorgan nicht allein ermächtigt ist, das „Wohl der Gesellschaft“ in den Grenzen der Legalitätsbindung zu artikulieren, sondern weitergehenden Interessen gerecht werden muss.177 Ebenso liegt es hier. Sofern im Einzelfall keine außerhalb von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG liegenden – hier nicht zu vertiefenden – Beurteilungsspielräu173 

Siehe oben Teil 2 §  1 C. I. 3. a. aa. Siehe oben Teil 2 §  1 C. I. 3. a. aa. 175  BGH, Urt. v. 21.04.1997, II ZR 175/95 = NJW 1997, 1926 (1928). 176  BGH, Urt. v. 21.04.1997, II ZR 175/95 = NJW 1997, 1926 (1927). 177  Prägnant Kaulich, Haftung von Vorstandsmitgliedern für Rechtsanwendungsfehler, S.  187 („Die Verbands- bzw. Privatautonomie bei der Konkretisierung des Unternehmensinteresses findet insoweit ihre Grenzen, wo entsprechende Entscheidungen Auswirkungen zu Lasten Dritter zeitigen und diese Interessen im Sinne des Legalitätsprinzips eine gesetzgeberische Aufwertung erfahren haben“); gleichsinnig Holle, AG 2011, 778 (784). 174 

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me anerkannt sein mögen, bildet den Maßstab für diese Überprüfung dann nicht das „vernünftigerweise annehmen dürfen, zum Wohl der Gesellschaft zu handeln“, sondern allein die allgemeine Sorgfaltspflicht des Vorstands gem. §  93 Abs.  1 S.  1 AktG ohne eine weitere Modifikation durch §  93 Abs.  1 S.  2 AktG.178 Das betrifft sämtliche Erkenntnisaufträge des Vorstands, bei denen ihm zum Schutz eines bestimmten Rechtsguts oder überhaupt eines vom allgemeinen „Wohl der Gesellschaft“ abweichenden Interesses die Beurteilung einer bestimmten Sachlage und infolgedessen ein Handlungs- bzw. Entscheidungsbefehl aufgegeben wird; hier kann kein unternehmerisches Ermessen, sondern allenfalls ein außerhalb von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG zu verortender Beurteilungsspielraum gelten.179 Hinsichtlich der jeweils zu berücksichtigenden, weitergehenden Interessen wäre der Vorstand, so Holle zutreffend, bei einer Ermessenseinräumung „kein Garant mehr für eine inhaltlich richtige Ausfüllung“ der jeweiligen Handlungsspielräume, wenn die Umsetzung des jeweiligen Normbefehls erst bei einer Verletzung der Voraussetzungen der BJR als Pflichtverletzung sanktioniert werden könnte.180 Die BJR würde so in der Tat „zu einem Werkzeug, das die Befolgung der einer Gesellschaft im Allgemeininteresse“ – bzw., so ist hinzuzufügen, zur Wahrung spezieller Interessen – „aufgegebenen Pflichten aufzuweichen droht“.181 Auch besteht bei solchen Maßnahmen regelmäßig nicht die Notwendigkeit, risikoaversem Verhalten des Vorstands entgegenzuwirken; vielmehr soll sich der Vorstand bei seiner Bewertung im Sinne des jeweiligen, an ihn gerichteten Erkenntnisauftrags möglichst risikoavers verhalten und gerade keine „unternehmerischen Wagnisse eingehen“.182 ggg. Zwischenergebnis Allein die Tatsache, dass eine Entscheidung einem gesetzlich geregelten Kontext entstammt, steht nicht zwangsläufig der Annahme unternehmerischer Entscheidungen entgegen: Hier ist der von Paefgen vorgezeichneten Auffassung zu folgen und eine Einordnung als unternehmerische Entscheidung vorzunehmen, wenn dem Vorstand im Rahmen einer gesetzlichen Pflicht abseits weitergehender, zu wahrender Interessenvorgaben die Möglichkeit verbleibt, Entscheidungsspielräume mit Zielrichtung auf das „Wohl der Gesellschaft“ zu bedienen. 178 

Harnos, Geschäftsleiterhaftung bei unklarer Rechtslage, S.  132. Müller, in: Liber Amicorum Happ, 179 (192); gleichsinnig, aber weitergehend Semler, in: Semler/Peltzer, Arbeitshandbuch für Vorstandsmitglieder, §  1 Rn.  132 ff. 180  Holle, AG 2011, 778 (785). 181  Holle, AG 2011, 778 (785); in diesem Sinne auch Kaulich, Haftung von Vorstandsmitgliedern für Rechtsanwendungsfehler, S.  184 („zu weitreichende Zurückdrängung der richterlichen Kompetenz“). 182  Holle, AG 2011, 778 (782). 179 

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bb. Unbestimmte Rechtsbegriffe Unter die Kategorie der auf unternehmerische Entscheidungen hin zu untersuchenden „Pflichtaufgaben“ sind daneben auch gesetzliche Aufgaben innerhalb und außerhalb des AktG zu fassen, die dem Vorstand die Wahrnehmung einer Tätigkeit unter Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe aufgeben. aaa. Begriff Als unbestimmte Rechtsbegriffe sind Begriffe zu verstehen, „deren Inhalt nicht durch einen festumrissenen Sachverhalt ausgefüllt wird, sondern bei der Rechtsanwendung auf einen gegebenen Tatbestand im Einzelfall der Präzisierung bedarf “183 bzw. „deren Bedeutung in besonderem Maße unklar ist und [eine] wertende […] Konkretisierung im Einzelfall“ erfordert.184 Zunächst sind dies solche, bei denen sich die jeweilige Unklarheit bzw. Unbestimmtheit auf Umstände des Sachverhalts bezieht; als ein solches Beispiel lässt sich etwa aus immissionsschutzrechtlichem Kontext der Maßstab „unnötigen Lärms“ anführen.185 Daneben gibt es sog. „wertausfüllungsbedürftige unbestimmte Rechtsbegriffe“ (z. B. „niedrige Beweggründe“, §  211 StGB) oder solche, die Schwellenwerte festlegen („unverzüglich“ (z. B. in §  248 Abs.  1 S.  2 AktG), „erheblich“, „geringfügig“, „auffälliges Missverhältnis“).186 Die Betrachtung, ob im Einzelfall die Voraussetzungen des unbestimmten Rechtsbegriffs vorliegen, hat somit der Rechtsanwender – aus der Perspektive dieser Arbeit der Vorstand – vorzunehmen. bbb. Kontrollbedarf Es stellt sich die Frage, inwiefern es sachlich gerechtfertigt wäre, dem Vorstand im Umgang mit unbestimmten Rechtsbegriffen geschützte Ermessensspielräume einzuräumen. Bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe kann der Vorstand mit Unsicherheiten und daraus resultierenden typischen Haftungsrisiken konfrontiert werden, was den Grundgedanken der BJR ähnelt.187 Insofern mag noch auf die Ausführungen zu offenen Spielräumen im Kontext gesetzlicher Bindungen verwiesen werden können.188 Zentraler Unterschied dazu ist allerdings, dass der Vorstand die hier bestehenden Spielräume unter Beachtung 183 

So etwa BVerwG, Urt. v. 25.11.1993 – 3 C 38/91 = NVwZ 1995, 707 (708). Aschke, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK-VwVfG, §  40 Rn.  22. 185  Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S.  242. 186  Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S.  242. 187  Harnos, Geschäftsleiterhaftung bei unklarer Rechtslage, S.  128; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  75; a. A. Uwe H. Schneider, DB 2011, 99 (100). 188  Siehe dazu oben Teil 3 §  1 D. III. 3. d. aa. 184 

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der speziellen inhaltlichen Vorgaben des unbestimmten Rechtsbegriffs zu bedienen hat, deren Einhaltung grundsätzlich voller richterlicher Überprüfbarkeit zugänglich bleiben muss.189 Insofern besteht – ebenso wie im Falle unklarer Rechtslage190 – gerade kein Bedarf, einerseits den Ersatz von „Managerermessen durch Richterermessen“191 zu vermeiden, andererseits risikoaversem Verhalten des Vorstands entgegenzuwirken, dessen Verhalten sich vielmehr an den Vorgaben des Gesetzgebers orientieren soll.192 Im Wesentlichen handelt es sich dabei um die bereits im Vorfeld der Normierung der BJR identifizierten Erkenntnis­entscheidungen des Vorstands, die schon damals von Ermessensentscheidungen abgegrenzt wurden, und bei denen nur ausnahmsweise ein begrenzter Beurteilungsspielraum in Betracht kommen soll.193 Anderenfalls wären die jeweiligen gesetzgeberischen Vorgaben gefährdet, mangels Nachprüfbarkeit ihrer Wirkung entkleidet zu werden.194 Eine weitgehende Autonomie im Sinne der durch die BJR verkörperten Ermessensfreiheit würde deshalb der notwendigen Nachprüfbarkeit der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe widersprechen.195 Dies zeigt sich etwa im Rahmen der von §  15 Abs.  3 WpHG zu treffenden, notwendigen Abwägungsentscheidung des Vorstands. Hier muss er bewerten, ob der Schutz „berechtigter Interessen“ der AG eine Befreiung von der Ad-Hoc-Publizitätspflicht gem. §  15 Abs.  1 S.  1 WpHG erfordert, darüber hinaus „keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist“, und ob er „die Vertraulichkeit der Insiderinformation gewährleisten kann“.196 Zuweilen wird diese Norm als „Befreiungsregel mit […] eigenem Ermessensspielraum“ betrachtet, die den „Emittent[en] […] eigenverantwortlich berechtigt“, „den Schutz eines Geheimnisses gegenüber dem Schutz des Kapitalmarktes vor Insidergeschäften abzuwägen und zu entscheiden“.197 Diese Auffassung ist im Schrifttum 189  Harnos, Geschäftsleiterhaftung bei unklarer Rechtslage, S.  142 f. Vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 31.05.2011 – 1 BvR 857/07, Rn.  68 = NVwZ 2011, 1062 (1064); BVerwG, Urt. v. 25.11.1993 – 3 C 38/91 = NVwZ 1995, 707 (708); Aschke, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK-VwVfG, §  40 Rn.  25 m. w. N. zur Rspr.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, §  40 Rn.  147. 190  Siehe dazu oben Teil 3 §  1 D. II. 2. 191  Thümmel, DB 2004, 471 (472); vgl. oben Teil 2 §  1 B. II. 192  Langenbucher, in: FS Lwowski, 333 (340 f., 346 f.); vgl. oben Teil 2 §  1 C. II. 193  BGH, Urt. v. 21.04.1997, II ZR 175/95 = NJW 1997, 1926 (1928); Semler, Leitung und Überwachung, §  4 Rn.  70; gleichsinnig Müller, in: Liber Amicorum Happ, 179 (192). 194  Holle, AG 2011, 778 (784 f.); gleichsinnig Kaulich, Haftung von Vorstandsmitgliedern für Rechtsanwendungsfehler, S.  184. 195  Kaulich, Haftung von Vorstandsmitgliedern für Rechtsanwendungsfehler, S.  184. 196  Allgemeiner dazu etwa Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, KMRK, §  15 WpHG Rn.  52 ff. 197  Claussen/Florian, AG 2005, 745 (757); ebenso OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.02.2009 – 2 Ss-OWi 514/08 = NStZ 2009, 646 (647) („weiter Ermessensspielraum“); Parmentier, in: Ekkenga/ Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  2 Rn.  85 f. („erheblicher Beurteilungsspielraum“ und „unternehmerisches Ermessen“); Sven H. Schneider, BB 2005, 897 (900) („unternehmerische Entscheidung“).

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

abgelehnt worden,198 was sich mit dem hier gewonnenen Verständnis deckt. Demnach würde der Normgehalt von §  15 Abs.  3 S.  1 WpHG ausgehöhlt, wenn sich die gerichtliche Kontrolle der Vorstandsentscheidung lediglich auf evidente Verstöße – wie sie bei der inhaltlichen Kontrolle im Rahmen der BJR zu überprüfen sind – beschränken würde.199 Dies mag hinsichtlich der Bewertung der Emittenteninteressen noch gerechtfertigt sein, ergibt sich doch bei dieser Bewertung allein keine wesentlich andere Situation als im allgemeinen Rahmen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG.200 Es besteht aber kein Anlass, das von §  15 Abs.  3 S.  1 WpHG geschützte Marktinteresse lediglich eingeschränkter richterlicher Überprüfung zu unterziehen; vielmehr muss dieses voller richterlicher Überprüfung zugänglich sein, da sonst die Einhaltung des Normbefehls nicht mehr vollständig überprüfbar wäre.201 Wie Kaulich herausarbeitet, wäre hier dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet, da sich letztlich immer „ein irgendwie gearteter Rückbezug zum Unternehmensinteresse herstellen ließe“, der die jeweilige Vorstandsentscheidung rechtfertigt.202 ccc. Ausnahme bei Konkretisierung des Unternehmenswohls Bedenken hinsichtlich dieses Befunds ergeben sich freilich in Fällen, in denen unbestimmte Rechtsbegriffe dem Vorstand gerade die Konkretisierung des Unternehmenswohls erlauben. Dann ist dem eigenverantwortlichen Leitungsauftrag Rechnung zu tragen, da die von Paefgen präzisierte Grundsituation einer Artikulation der Unternehmensinteressen durch den Vorstand vorliegt.203 In dem Fall erscheint es gerechtfertigt, dem Vorstand auch im Rahmen unbe198  Kaulich, Haftung von Vorstandsmitgliedern für Rechtsanwendungsfehler, S.  175 m. w. N.; Klöhn, in: KK-WpHG, §  15 Rn.  220. 199  Angesichts der nicht geltenden BJR und der Komplexität von Befreiungsentscheidungen ist Ekkenga, NZG 2013, 1081 (1086) zuzustimmen, dass es sich bei dem im Rahmen von §  37b Abs.  2 WpHG geltenden Haftungsmaßstab grober Fahrlässigkeit in der Tat um eine „durchaus willkommene [...] Koinzidenz“ handelt. 200  Kaulich, Haftung von Vorstandsmitgliedern für Rechtsanwendungsfehler, S.  175; Klöhn, in: KK-WpHG, §  15 Rn.  220. 201  Kaulich, Haftung von Vorstandsmitgliedern für Rechtsanwendungsfehler, S.  184; gleichsinnig Klöhn, in: KK-WpHG, §  15 Rn.  220. 202  Kaulich, Haftung von Vorstandsmitgliedern für Rechtsanwendungsfehler, S.  184. 203  „Wo das Gesellschaftsinteresse die Leitlinie des Verbandshandelns bildet, herrscht deshalb grundsätzlich auch unternehmerisches Ermessen“, Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S.  147; ders., in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Großkomm-GmbHG, §  43 Rn.  117; gleichsinnig Kaulich, Haftung von Vorstandsmitgliedern für Rechtsanwendungsfehler, S.  183 ff. Es gibt auch hier keinen Grund zur Annahme, dass der Richter in der Frage, was als Interesse des Unternehmens zu betrachten ist „besser Bescheid weiß“ als der Vorstand, Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S.  149; a. A. Semler, in: Semler/Peltzer, Arbeitshandbuch für Vorstandsmitglieder, §  1 Rn.  134 bzw. ders., in: FS Ulmer, 627 (633) – kategorischer Ausschluss unbestimmter Rechtsbegriffe auch bei Artikulation der Unternehmensinteressen.

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stimmter Rechtsbegriffe ausnahmsweise einen Ermessensspielraum zuzugestehen; hier muss namentlich – mit den Worten Kaulichs – „der einem Organmitglied allgemein zukommende Entscheidungsspielraum […] dann ebenfalls bei der Bestimmung jenes unbestimmten Rechtsbegriffs durchscheinen“.204 Das hat, wie von Kaulich angeführt,205 auch der BGH anerkannt, indem zugunsten des Aufsichtsrats hinsichtlich der von diesem gem. §  87 AktG als „angemessen“ im Unternehmensinteresse festzusetzenden Vorstandsvergütung den Anwendungsbereich der BJR für eröffnet erklärt hat.206 In solchen Fällen besteht kein Anlass zur uneingeschränkten Überprüfung des Vorstandsverhaltens, da die Konkretisierung des Unternehmenswohls als originäre und verbandsinterne Vorstandsaufgabe mit der Einräumung eines Ermessensspielraums korrespondieren muss.207 Das gleiche erscheint auch in Fällen angemessen, in denen der Vorstand eine Maßnahme je nach den Verhältnissen der AG anpassen muss. Auch hier ist, solange der Vorstand sich in den Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens bewegt, die Entscheidung des Vorstands nicht durch die des Richters zu ersetzen, der über die Verhältnisse der Gesellschaft nicht „besser Bescheid weiß“ als der Vorstand.208 ddd. Zwischenergebnis Die Auslegung und Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe durch den Vorstand ist nach zutreffender h. M. grundsätzlich nicht als unternehmerische Entscheidung einzuordnen, sondern voller gerichtlicher Nachprüfung zugänglich. Eine Ausnahme kann sich aber dann ergeben, wenn das Gesetz dem Vorstand – wie insbesondere von Paefgen präzisiert – die Konkretisierung der Unternehmensinteressen bzw. die Ausrichtung einer Maßnahme an den Gegebenheiten des Unternehmens ohne weitere inhaltliche Vorgaben aufträgt: Die Zielrichtung der vom Vorstand zu bedienenden Entscheidung deckt sich dann regelmäßig mit der Zielrichtung des §  93 Abs.  1 S.  2 AktG, sodass in solchen Fällen unterneh204  Kaulich, Haftung von Vorstandsmitgliedern für Rechtsanwendungsfehler, S.  184; s. ebenso S.  186 und S.  187 f.; a. A. Semler, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  1 Rn.  134, bzw. ders., in: FS Ulmer, 627 (633), der in diesen Fällen anstatt Ermessen einen Beurteilungsspielraum erkennt. 205  Kaulich, Haftung von Vorstandsmitgliedern für Rechtsanwendungsfehler, S.  184. 206  BGH, Urt. v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, Rn.  21 = NZG 2006, 141 (143 f.). Vgl. dazu Bosch/ Lange, JZ 2009, 225 (230); Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  213; Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155 (157 f.); ders., NZG 2006, 127 (128); Kort, NJW 2005, 333 (334); Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  87 Rn.  16. 207  Kaulich, Haftung von Vorstandsmitgliedern für Rechtsanwendungsfehler, S.  183 ff.; vgl. dazu nochmals oben Teil 2 §  1 B. II. 208  In diesem Sinne Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S.  148 f.

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merisches Ermessen i. S. d. BJR und damit eine eingeschränkte Überprüfbarkeit der Vorstandsentscheidung zu gelten hat. cc. Zustimmungsbedürftige Entscheidungen Im Rahmen zustimmungsbedürftiger Maßnahmen gestaltet sich die Anwendbarkeit der BJR unproblematisch. Die Entscheidung des Vorstands als solche ist eine unternehmerische Entscheidung; zur Vorlage an das jeweilige Organ ist der Vorstand dagegen nach Maßgabe der Norm strikt verpflichtet und es verbleibt kein Entscheidungsspielraum in der Frage, ob er eine zustimmungsbedürftige Entscheidung dem Aufsichtsrat bzw. der Hauptversammlung vorlegt. dd. Übertragene Entscheidungen Schließlich stellt sich die Frage, ob es sich bei Maßnahmen, die auf den Vorstand übertragen wurden, deren Wahrnehmung aber an sich in die originäre Kompetenz eines anderen Organs fällt, um unternehmerische Entscheidungen handeln kann. Vor der Kodifizierung der BJR durch das UMAG wurde die Auffassung vertreten, dass übertragene Aufgaben aufgrund ihrer rechtsgeschäftlichen Natur kein Anwendungsfall eines „gesetzlich festgelegten Autonomiebereich[s]“ sein könnten, wie er sich aus der organschaftlichen Stellung des Vorstands ergibt.209 Als praktische Auswirkung dieser Situation wurde das in derlei Fällen bestehende Ermessen nicht als Anwendungsfall des Leitungsermessens, sondern als anderweitiger Ermessensspielraum behandelt.210 Diese gesonderte Behandlung liege in der Notwendigkeit begründet, die jeweiligen rechtsgeschäftlichen – also z. B. durch die Hauptversammlung qua Beschluss determinierten – Grenzen der „Ausübungsautonomie“ zu berücksichtigen.211 Ähnlich argumentiert die oben dargestellte Auffassung, nach der ein völliger Ausschluss von unternehmerischen Entscheidungen im Rahmen rechtlicher Bindungen anzunehmen sein soll: Sie basiert ebenso auf der Annahme, dass im Rahmen der BJR nur deren verfahrensbezogene Voraussetzungen kontrolliert werden können, womit der Vorstand „kein Garant mehr für eine inhaltlich richtige Ausfüllung“ der jeweiligen Handlungsspielräume wäre.212 Die BJR würde die Befolgung des Normbefehls eines unbestimmten Rechtsbegriffs weitgehend von richterlicher Prüfung ausschließen und so „zu einem Werkzeug, das die Befol209 

Ekkenga, AG 2001, 567 (569). Ekkenga, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  21 Rn.  53: „Ermessensumfang […] richtet sich nicht etwa nach den Grundsätzen der aktienrechtlichen Leitungs- und Geschäftsführungsautonomie“. 211  Ekkenga, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht (1. Aufl. 2006), §  21 Rn.  53. 212  Holle, AG 2011, 778 (785). 210 

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gung der einer Gesellschaft im Allgemeininteresse aufgegebenen Pflichten aufzuweichen droht“.213 Richtig ist zunächst, dass das Verhalten des Vorstands im Rahmen der BJR nicht nur hinsichtlich des Entscheidungsprozesses beurteilt wird. Ob aber die Annahme der zugrundeliegenden Information und der Zielrichtung auf das „Wohl der Gesellschaft“ hin als „vernünftigerweise legitim“ gelten kann, lässt sich nicht bewerten, ohne den Blick auch auf den Inhalt der Entscheidung zu richten.214 Die Legalitätspflicht bindet den Vorstand auf nachprüfbare Weise bei jeder unternehmerischen Entscheidung. Deshalb ist auch die Sicherstellung rechtskonformen Verhaltens ein anerkannter Bestandteil der Prüfung der Anwendungsvoraussetzungen der BJR im Rahmen der unternehmerischen Entscheidung,215 was es rechtfertigt, wie Schlimm insofern von einer Zweiteilung bei der Betrachtung von Entscheidungen zu sprechen.216 Diese Zweiteilung schließt nicht das Vorliegen von unternehmerischen Entscheidungen aus, da die rechtlichen Grenzen des dem Vorstand bei unternehmerischen Entscheidungen eingeräumten Ermessensspielraums im Rahmen der Legalitätsprüfung voll justiziabel bleiben.217 Innerhalb dieser Grenzen getroffene Entscheidungen können somit durchaus als unternehmerische Entscheidungen i. S. v. §  93 Abs.  1 S.  2 AktG gelten.218 Zu differenzieren ist dabei erneut anhand von Paefgens Formel nach dem Inhalt der Maßnahme: Steht es dem Vorstand frei, die Interessen des Unternehmens zu artikulieren, so handelt es sich um eine Entscheidung im Sinne der BJR.219 Muss der Vorstand dagegen anderen Inhalten gerecht werden bzw. anderweitige Interessen in eine Abwägung mit einbeziehen, so verbleibt für das Leitungsermessen und damit für unternehmerische Entscheidungen im Sinne der BJR kein Raum.220 Anders gestaltet sich die Situation, wenn für die Entscheidung des Vorstands durch eine Ermächtigung nur ein bestimmter Rahmen entsteht, der die Berücksichtigung präziser Parameter erfordert, z. B. Fristen oder Summen. In einem solchen Fall lässt sich bereits im Rahmen der Legalitätspflicht überprüfen, ob sich die Tätigkeit des Vorstands im Rahmen der Ermächtigung wie auch sonstiger allgemeiner Bindungen des Vorstands hält. Zudem wird auf diese Weise der „Konsequenz einer jeden Ermächtigung, daß die durch sie erworbene Entscheidungskompetenz 213 

Holle, AG 2011, 778 (785). Bachmann, in: FS Stilz, 25 (28); vgl. oben Teil 2 §  2. 215  Vgl. dazu oben Teil 3 §  1 D. II. 1. 216  Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  188. 217  Vgl. dazu die Ausführungen oben Teil 3 §  1 D. II. 1. 218  Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Großkomm-GmbHG, §  43 Rn.  6 4; vgl. nochmals oben Teil 3 §  1 D. III. 219  Paefgen., in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Großkomm-GmbHG, §  43 Rn.  6 4 i. V. m. 117 sowie desw. Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S.  147 f. 220  Siehe dazu bereits oben Teil 3 §  1 D. III. 3. d. aa. fff. 214 

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respektiert werden muß“, Rechnung getragen.221 Insbesondere hat diese Ansicht den Vorteil, dass auch bei Entscheidungen, die unter teilweise bindenden Rahmendaten in die Entscheidungskompetenz des Vorstands übertragen wurden, nicht auf unklare Maßstäbe von Ermessensspielräumen außerhalb von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG verwiesen werden muss, sondern mit den Grundsätzen der BJR einheitliche Vorgaben für die Entscheidung des Vorstands herangezogen werden können.222 Nach alldem sind auch im Bereich übertragener Maßnahmen unternehmerische Entscheidungen anzuerkennen. e. Zwischenergebnis Ein genereller Ausschluss unternehmerischer Entscheidungen aus dem Spek­ trum sog. Pflichtaufgaben des Vorstands ist abzulehnen; vielmehr kann im Einzelfall angesichts der dargelegten Kriterien – einer Orientierung am „Wohl der Gesellschaft“ – auch hier die BJR anwendbar sein. Das kann ausnahmsweise auch bei unbestimmten Rechtsbegriffen der Fall sein. Die Zustimmungsbedürftigkeit einer Maßnahme schließt unternehmerische Entscheidungen nicht aus; ebenso können unternehmerische Entscheidungen im Rahmen übertragener Aufgaben, die nicht der originären Kompetenz des Vorstands entstammen, vorliegen. 4. Konsequenzen für das Verständnis von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen Schließlich soll die vorstehende Interpretation in die innerhalb dieses Kontexts geläufige Terminologie eingeordnet werden. a. „Ermessensentscheidungen“ Ermessensentscheidungen des Vorstands entsprechen nach gängiger Auffassung im Schrifttum 223 und hier vertretener Ansicht unternehmerischen Entscheidungen im Sinne von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG. Die Einordnung als Ermessensentscheidung kennzeichnet in diesem Zusammenhang eine auf evidente Fehler reduzierte richterliche Kontrolle. Nur wenn dieser eingeschränkte Kontrollmaßstab vorliegt, rechtfertigt sich die Bezeichnung der Entscheidung als Ermessensentscheidung. Ermessensentscheidungen und §  93 Abs.  1 S.2 AktG sollten konsequent aufeinander bezogen verstanden werden.224 Um hier begriff221 

Ekkenga, AG 2001, 567 (569). Siehe oben Teil 3 §  1 D. III. 3. d. aa. ddd. 223  Siehe oben Teil 3 §  1 D. III. 3. b. 224  Siehe oben Teil 2 §  1 B. II. 222 

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liche Klarheit zu schaffen, sollten Entscheidungsspielräume, die außerhalb von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG anzusiedeln sind, – wie von Holle vorgeschlagen – nicht als Ermessensentscheidungen bezeichnet werden.225 Der von Holle und Koch formulierten Auffassung, es handele sich bei der BJR um eine „Teilkodifikation unternehmerischer Entscheidungsspielräume“,226 ist somit zuzustimmen, nicht aber der zu weitgehenden Auffassung von Hopt/Roth, es handele sich um eine „Teilkodifikation des unternehmerischen Ermessens“, da das Vorstandsermessen als einheitliches Institut im Rahmen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG behandelt werden sollte.227 b. „Pflichtgemäßes Ermessen“ Wenn im Schrifttum zuweilen die Rede von „pflichtgemäßem Ermessen“ des Vorstands ist, wird darunter verstanden, dass der Vorstand bei seiner Ermessensausübung die ihm obliegenden Pflichtenbindungen einzuhalten hat.228 Diese Auffassung entspricht dem hier vertretenen Verständnis des Ermessensbegriffs, weshalb sich der Zusatz „pflichtgemäß“ als überflüssig darstellt: „Ermessen“ im Sinne von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG muss immer pflichtgemäß sein, da bei seiner Ausübung mindestens die im Rahmen der Legalitätspflicht zu überprüfenden Pflichtenbindungen respektiert werden müssen.229 Auch die Einhaltung der Ermessensvoraussetzungen selbst und die Zielrichtung seiner Entscheidungen – namentlich das „Wohl der Gesellschaft“ – sind verpflichtend einzuhalten.230 Der Vorstand ist auch ansonsten nie völlig frei in seiner Entscheidung, sondern stets verpflichtet, die Bindungen des Gesellschaftszwecks, des Unternehmensgegenstands und geltendes Recht einzuhalten.231 Ebenso werden im Schrifttum aber auch Situationen als „pflichtgemäße Ermessensentscheidungen“ gefasst, in denen besondere Vorgaben inhaltlicher Art berücksichtigt werden müssen. Dies ist zugunsten einer einheitlichen Terminologie abzulehnen. c. „Beurteilungsspielräume“ Unter den Begriff des „Beurteilungsspielraums“ sollen nach Rechtsprechung und in der Literatur verbreiteter Auffassung Entscheidungsspielräume gefasst 225 

Holle, AG 2011, 778 (785). Holle, AG 2011, 778 (785); Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  93 Rn.  10. 227  Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  118; vgl. auch bereits Roth, Unternehmerisches Ermessen, S.  77 ff. 228  Siehe etwa Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  93 Rn.  66; Veil, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  204 Rn.  5. 229  Prägnant Müller, in: Liber Amicorum Happ, 179 (192, 199). 230  Vgl. oben Teil 2 §  2 B. 231  Vgl. oben Teil 2 §  1 B. I. 2. und Müller, in: Liber Amicorum Happ, 179 (192, 199). 226 

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werden, bei denen der Vorstand im Rahmen gesetzlicher Vorgaben Sachverhalte beurteilen und darauf basierend zwischen verschiedenen möglichen Handlungsalternativen wählen muss, ihm bei seiner Entscheidung jedoch aufgrund der Belegenheit der Entscheidung im tatbestandlichen „Erkenntnisbereich“ ­einer gesetzlichen Verpflichtung kein originärer, auf dem Leitungsermessen basierender Spielraum einzuräumen sein soll.232 Diese – grundsätzlich zustimmungswürdige – Abgrenzung wird dem Konzept des aus §  76 Abs.  1 AktG resultierenden Leitungsermessens jedoch – wie bereits dargestellt – dann nicht gerecht, sofern der Vorstand im Rahmen von Aufgaben handelt, die ihn allein zur Ausfüllung seines Leitungsauftrags – also eines Handelns, bei dem er allein das „Wohl der Gesellschaft“ zu erkennen und zu verfolgen hat – verpflichten.233 Die Frage nach einer Anwendung von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG kann demnach nicht allein sein, ob es sich um Entscheidungen im „Erkenntnisbereich“ von Pflichtaufgaben handelt, sondern auf welches Ziel die Erkenntnis im jeweiligen Fall gerichtet ist. Entscheidend ist also, ob hinsichtlich – wenngleich im „Erkenntnisbereich“ belegener – tatbestandlich vorgegebenener Ermittlungs- und Handlungsaufträge für den Vorstand als Zielvorgabe allein der Maßstab gilt, wie am besten dem „Wohl der Gesellschaft“ und damit der Förderung der von ihm zu artikulierenden Unternehmensinteressen gedient ist.234 Mit Beantwortung dieser Vorfrage sollten sämtliche Erkenntnis- bzw. Entscheidungssituationen, in denen der Vorstand das „Wohl der Gesellschaft“ im Sinne seines Leitungsauftrags verfolgen darf und muss, als Ermessensentscheidungen i. S. d. §  93 Abs.  1 S.  2 AktG behandelt werden. Dies scheint auch dem BGH nicht fremd, wenn er neben dem „Handlungsermessen“ des Vorstands auch ein „Beurteilungsermessen“ – also scheinbar einen auf „Beurteilungsseite“ belegenen Ermessensspielraum – erwähnt, wobei in der Sache freilich zuzustimmen ist.235 Durch die Verwendung verschiedener Ermessenskategorien entstehen indes wieder terminologische Unklarheiten, die – wie im „ARAG/Garmenbeck“-Urteil bereits vorgenommen – mit einer klaren Orientierung an der Dichotomie von „Beurteilungsspielräumen“ einerseits und „Ermessensspielräumen“ unter einheitlicher Behandlung als „unternehmerische Entscheidungen i. S.v §  93 Abs.  1 S.  2 AktG andererseits gerade vermieden werden können.236 Auf das Vorliegen von Beurteilungsspielräumen sollte jedoch nur in solchen Entscheidungssituationen erkannt werden, in denen der Vorstand einen anderen Maß232  BGH, Urt. v. 21.04.1997 – II ZR 175/95 = NJW 1997, 1926 ff.; Holle, AG 2011, 778 (785); Semler, Leitung und Überwachung, §  4 Rn.  71; ders., in: FS Ulmer, 627 (633 f.). 233  Siehe dazu oben Teil 3 §  1 D. III. 3. d. aa. aaa. 234  A.A. ausdrücklich Semler, in: FS Ulmer, 627 (633). 235  BGH, Urt. v. 08.07.2014 – II ZR 174/13, Rn.  16, 17, 21 = DStR 2014, 2518 (2519 f.); aus dem Schrifttum gleichermaßen etwa Müller, in: Liber Amicorum Happ, 179 (192). 236  BGH, Urt. v. 21.04.1997 – II ZR 175/95 = NJW 1997, 1926 (1928).

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stab als das „Wohl der Gesellschaft“ im Sinne seines Leitungsauftrags verfolgen muss, ihm aber gleichwohl ein selbständig auszufüllender Handlungsspielraum belassen werden soll. Wie solche Spielräume im Einzelnen freilich auszufüllen sind, ist eine Frage, die unabhängig von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG zu beantworten ist. IV. Treuepflicht und unternehmerische Entscheidungen Es bleibt zur Ermittlung der Reichweite unternehmerischer Entscheidungen zu untersuchen, wie sich die Bindung des Vorstands an die ihm obliegende Treuepflicht auf das Vorliegen unternehmerischer Entscheidungen auswirkt. 1. Meinungsstand Ausweislich der amtlichen Begründung der Neufassung von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG durch das UMAG ist zwischen „fehlgeschlagenen unternehmerischen Entscheidungen einerseits und der Verletzung sonstiger Pflichten, insbesondere Treuepflichten, andererseits“237 zu trennen, woraus sich schließen lässt, dass unternehmerische Entscheidungen im Einzugsbereich eben dieser Pflichten nicht zur Anwendung kommen sollen. Nach ganz h. M. im Schrifttum sind unternehmerische Entscheidungen gegenüber der dem Unternehmen obliegenden Treuepflicht des Vorstands abzugrenzen.238 Bereits hinsichtlich des oben behandelten Loyalitätserfordernisses hat sich gezeigt, dass eine vollständige richterliche Kontrolle der Interessenlage des Vorstands angezeigt ist.239 Nichts anderes kann sich für die allgemeinen Treuepflichten des Vorstands ergeben. Dem Vorstand soll in diesem Bereich gerade nicht die Möglichkeit eingeräumt werden, besondere Risiken einzugehen.240 Die Treuepflichten binden ihn daran, „das Gesellschaftswohl dem eigenen Nutzen oder dem Vorteil Dritter überzuordnen 237 

BT.-Drucks. 15/5092, S.  11. Prägnant Fleischer, die Treue- und Sorgfaltspflichten des Vorstands wären hinsichtlich „Herkommen, Zielrichtung und richterlicher Kognition streng voneinander zu unterscheiden“, ders., in: Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  67; desw. etwa Bank, in: Patzina/Bank/Schimmer/Simon-Widmann, Haftung von Unternehmensorganen, Kap.  6 Rn.  55; Brömmelmeyer, WM 2005, 2065 (2066 f.); Bunz, Schutz unternehmerischer Entscheidungen durch das Geschäftsleiterermessen, S.  123; Goette, in: Hdb. Corporate Governance, 713 (725 f.); Hölters, in: Hölters, AktG, §  93 Rn.  33, Rn.  114; Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  73; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  73, 91 f., 113 f.; Müller, in: Liber Amicorum Happ, 179 (192); Uwe H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, §  43 Rn.  56a; Seibert, BB 2005, 1457; Spindler, ­MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  45; Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S.  183 ff.; im Ergebnis auch Thümmel, DB 2004, 471 (472) allgemein zur Treuepflicht oben Teil 2 §  1 C. I. 2. a. bb. 239  Siehe nur oben Teil 2 §  2 D. III. 2. d. bb. 240  Vgl. dazu oben die Ausführungen zur Risikoaversion, Teil 2 §  1 C. II. 1. 238 

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

und die Interessen der Gesellschaft bzw. des Unternehmens zu wahren“.241 Bei einer vorrangigen Verfolgung von Eigen- oder Drittinteressen droht stets eine Verletzung der Unternehmensinteressen. Deshalb muss im Bereich der Treuepflichten zur Aufrechterhaltung des durch die Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft vermittelten Schutzes eine uneingeschränkte richterliche Untersuchung potentiell treuwidriger Handlungen des Vorstands möglich sein. Potentielle Treuepflichtverstöße sind damit im Sinne der h. M. nicht als unternehmerische Entscheidung einzuordnen. In der Literatur wird vereinzelt davon ausgegangen, dem Vorstand könne nicht hinsichtlich des „Ob“, wohl aber im Einzelfall „hinsichtlich des ,Wie‘“ ein „Auswahlermessen zustehen, wenn es unterschiedliche, gleich geeignete Wege zur Wahrung der Treuepflicht gibt“.242 Diese Aussage ist problematisch und kann sich jedenfalls nicht auf die Einräumung unternehmerischen Ermessens im Sinne der BJR, sondern lediglich auf anderweitige Handlungsspielräume243 beziehen: Auch wenn mehrere Wege zur Wahrung der Treuepflicht legal sind, muss die jeweilige Entscheidung gerichtlich voll justiziabel bleiben. Zudem ist zur Identifikation verschiedener zulässiger Entscheidungen an für sich schon eine richterliche Betrachtung notwendig. Demnach kann die Aussage höchstens dahingehend zu verstehen sein, dass dem Vorstand, der einen von mehreren zulässigen Wegen geht, kein Vorwurf in Richtung einer Pflichtverletzung gemacht werden kann. Dies ist allerdings eine Selbstverständlichkeit, die – etikettiert als Ermessen – eher zur Verwirrung beitragen dürfte. 2. Vereinzelte Verortung beim „Wohl der Gesellschaft“ Vereinzelt finden sich darüber hinaus Befürworter einer Anwendung von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG im Bereich der allgemeinen Treuepflichten, die es zumindest für gleichgültig halten, ob der Anwendungsbereich des §  93 Abs.  1 S.  2 AktG sich im Falle einer Treuepflichtverletzung entweder bereits auf der Ebene der unternehmerischen Entscheidung oder erst auf der Ebene des Merkmals „zum Wohle der Gesellschaft“ verschließen sollte.244 Die Konsequenzen dieser Auffassung sind indes nur hypothetischer Natur.245 Die entscheidenden Trennlinien zwischen den hierzu vertretenen Ansichten verlaufen bei der Frage, inwiefern das Merkmal „vernünftigerweise“ die richterliche Nachprüfbarkeit des Vor241 

Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  108 sowie oben Teil 2 §  1 C. I. 2. a. bb. U. Schmidt, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  93 AktG Rn.  60. 243  Siehe dazu Teil 3 §  1 D. III. 4. c. 244  Schäfer, ZIP 2005, 1253 (1255 f.); Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  183 f. 245  Koch, ZGR 2006, 769 (785); Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S.  183. 242 

§  1 Die Kriterien unternehmerischer Entscheidungen

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standshandelns einschränkt. Da dies nach h. M. und hier vertretener Ansicht weder hinsichtlich der allgemeinen Treuepflicht, noch hinsichtlich des bereits oben betrachteten Loyalitätserfordernisses im Handeln des Vorstands der Fall ist, sondern beide vielmehr uneingeschränkter richterlicher Nachprüfung zugänglich bleiben, wird die Frage der Verortung zwischen den Tatbestandsmerkmalen der „unternehmerischen Entscheidung“ und dem „Wohl der Gesellschaft“ ungeachtet der jeweiligen Prüfungsebene stets zu gleichen Ergebnissen führen.246 3. Zwischenergebnis Unternehmerische Entscheidungen sind mit der h. M. von potentiellen Verletzungen der dem Vorstand obliegenden Treuepflichten abzugrenzen. Der im Rahmen des „vernünftigerweise“ identifizierte Kontrollmaßstab zwingt insofern zu einer gesonderten Behandlung der Treuepflichten, die sich durch uneingeschränkte richterliche Nachprüfbarkeit kennzeichnen.

E. Zusammenfassung von §  1 Unternehmerische Entscheidungen sind zunächst nur bei bewusstem Handeln bzw. Unterlassen anzunehmen.247 Inhaltliche Merkmale wie insbesondere Prognosen oder Risiken sind nicht als qualifizierende Merkmale unternehmerischer Entscheidungen zu betrachten.248 Das betrifft auch die mitunter vorgeschlagenen strukturellen Kriterien; insbesondere ist eine Beschränkung unternehmerischer Entscheidungen auf Leitungsaufgaben nicht gerechtfertigt.249 Eine allgemeine Grenze unternehmerischer Entscheidungsfreiheit bildet die Legalitätspflicht, die wiederum auch die Entscheidung für eine Auffassung bei unklarer Rechtslage tangiert und insofern unternehmerische Entscheidungen ausschließt.250 Indessen können bei verbleibenden Handlungsspielräumen im Rahmen gesetzlicher Verpflichtungen, entgegen einer im Vordringen befindlichen Auffassung, durchaus unternehmerische Entscheidungen vorliegen. Wesentliches Kriterium ist die Freiheit des Vorstands, das „Wohl der Gesellschaft“ zum Maßstab seiner Entscheidung zu machen.251 Spielräume im Rahmen gesetzlicher Pflichten, bei denen der Vorstand anderweitigen inhaltlichen Zielvorgaben gerecht werden muss, können dagegen keine unternehmerischen Entscheidun246 

Koch, ZGR 2006, 769 (785). Siehe Teil 3 §  1 A. 248  Siehe Teil 3 §  1 B. 249  Siehe Teil 3 §  1 C. 250  Siehe Teil 3 §  1 D. II. 251  Siehe Teil 3 §  1 D. III. 3. d. 247 

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

gen beinhalten.252 Dagegen können unternehmerische Entscheidungen auch im Rahmen unbestimmter Rechtsbegriffe vorliegen, deren Auslegung zwar grundsätzlich kein Anwendungsfall von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG ist.253 Sofern aber der Vorstand im Rahmen eines unbestimmten Rechtsbegriffs nach dem „Wohl der Gesellschaft“ entscheiden kann, ist ausnahmsweise dennoch eine unternehmerische Entscheidung anzunehmen.254 Die Zustimmungsbedürftigkeit einer Maßnahme schließt das Vorliegen unternehmerischer Entscheidungen nicht aus.255 Ebenso können im Rahmen übertragener Maßnahmen auch unternehmerische Entscheidungen vorliegen.256 Zusammengefasst sind als unternehmerische Entscheidungen bewusste Maßnahmen des Vorstands zu behandeln, die keiner speziellen rechtlichen Bindung und keinen inhaltlichen Vorgaben, die über eine Konkretisierung des „Wohls der Gesellschaft“ hinausgehen, unterliegen. Zu anderweitigen Bindungen zählen auch potentielle Treuepflichtverletzungen, die stets voller richterlicher Kontrolle unterliegen.

§  2 Verortung in der Leitungstätigkeit des Vorstands Nachdem das Tatbestandsmerkmal der unternehmerischen Entscheidung nun inhaltlich präzisiert wurde, wendet sich die Untersuchung der Verortung unternehmerischer Entscheidungen innerhalb der Leitungstätigkeit des Vorstands zu.

A. Konturierung der Leitungstätigkeit Zunächst ist der Begriff der Leitungstätigkeit des Vorstands näher zu konkretisieren. I. Leitungsaufgaben als Kategorie der Vorstandstätigkeit Im Schrifttum werden sämtliche Tätigkeiten des Vorstands für die AG zusammenfassend als Geschäftsführung bezeichnet.257 Als Leitung der AG wird dage252 

Siehe Teil 3 §  1 D. III. 3. d. Siehe Teil 3 §  1 D. III. 3. d. bb. 254  Siehe Teil 3 §  1 D. III. 3. d. bb. ccc. 255  Siehe Teil 3 §  1 D. III. 3. d. cc. 256  Siehe Teil 3 §  1 D. III. 3. d. dd. 257  Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  76 AktG Rn.  5; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  77 Rn.  3; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  76 Rn.  8; Kort, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  76 Rn.  29a; Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  77 Rn.  2; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  76 Rn.  17 und §  77 Rn.  5 f.; Vedder, in: Grigoleit, AktG, §  77 Rn.  2; Weber, in: Hölters, AktG, §  77 Rn.  3. 253 

§  2 Verortung in der Leitungstätigkeit des Vorstands

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gen regelmäßig nur ein exponierter Teil dieser Geschäftsführungstätigkeiten gefasst.258 Die Einordnung von Tätigkeiten als Leitungsaufgaben dient zur rechtlichen Eingrenzung eines „unverzichtbaren Kerns der Vorstands­ funk­ tion“,259 also „organschaftlicher Mindestzuständigkeiten“.260 Als sonstige Geschäftsführungsaufgaben verbleiben nach dieser Aufteilung alle übrigen Tätigkeiten des Vorstands, die nicht dem exponierten Kreis der Leitungsaufgaben zuzuordnen sind. Das umfasst Entscheidungen, die keine unmittelbare Führungsrelevanz aufweisen wie etwa die Erledigung des Tagesgeschäfts.261 Es handelt sich dabei um „Verwaltungsaufgaben“, zu denen typischerweise die „Abwicklung der Güter-, Leistungs- und Geldströme im Unternehmen“ zu zählen sind.262 Eine abschließende Aufzählung möglicher Geschäftsführungsaufgaben des Vorstands scheidet aufgrund der Vielfalt an Tätigkeiten, die unter diese Kategorie zu fassen sind, aus.263 Leitungstätigkeiten dürfen nach h. M. vom Vorstand aufgrund seiner eigenverantwortlichen Leitungsaufgabe – anders als sonstige Geschäftsführungsmaßnahmen – nicht delegiert werden.264 Dieses Delegationsverbot umfasst eine Aufgabenverteilung nach inhaltlichen Ressorts innerhalb des Vorstands oder nach regionaler Aufteilung der Geschäftstätigkeit265 an einzelne Vorstandsmitglieder ebenso wie eine Delegation an Bevollmächtigte, Prokuristen oder nachgeordnete Mitarbeiter.266 Zugleich ist diese Abgrenzung entscheidend für die Frage, ob Tätigkeiten durch Outsourcing auf unternehmensfremde Dritte delegiert werden können.267 Delegation bedeutet in diesem Zusammenhang aller258  Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  76 AktG Rn.  5; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  76 Rn.  8; Kort, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  76 Rn.  29a; Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  77 Rn.  2 i. V. m. §  76 Rn.  4; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  76 Rn.  17. 259  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  76 Rn.  9. 260  Semler, Leitung und Überwachung, §  2 Rn.  22. 261  Semler, in: Semler/Peltzer, Arbeitshandbuch für Vorstandsmitglieder, §  1 Rn.  188. 262  Semler, Leitung und Überwachung, §  1 Rn.  15. 263  Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  28 II 1 b). 264  Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  76 AktG Rn.  5; Fleischer, ZIP 2003, 1 (2); ders., in: Spindler/Stilz, AktG, §  76 Rn.  9 und 14; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  76 Rn.  8; Kort, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  76 Rn.  34; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  76 Rn.  18 und a. a. O., §  77 Rn.  61 f.; Weber, in: Hölters, AktG (2. Aufl. 2014), §  76 Rn.  8; ähnl. Semler, Leitung und Überwachung, §  1 Rn.  10 ff. und §  2 Rn.  22 (zwar begrifflicher Gleichlauf von Leitung und Geschäftsführung, gleichwohl aber letztlich ebenso Delegationsverbot von „originären Führungsfunktionen“); a. A. Seibt, in: FS K. Schmidt, 1463 ff. 265  Zu den verschiedenen Möglichkeiten der Aufteilung siehe Epe/Liese, in: Hauschka, Corporate Compliance, §  10 Rn.  215 ff. 266  Kort, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  76 Rn.  49 f. und §  77 Rn.  31; Semler, Leitung und Überwachung, §  2 Rn.  21. 267  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  1 Rn.  6, 57; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  76 Rn.  8; Kort, in: Großkomm-AktG, §  76 (5. Aufl. 2015), Rn.  50; Spindler, in: ­MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  76 Rn.  18 ff.; a. A. Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  76 Rn.  8.

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dings die Weitergabe der Entscheidungsverantwortung, also des „Letztentscheidungsrechts“ über den jeweiligen Sachverhalt.268 Im Umkehrschluss müssen vorbereitende Maßnahmen, die sich selbst noch nicht als zentrale Leitungsaufgaben darstellen und keine Vorentscheidung der eigentlichen Maßnahme erfordern, nicht zwangsläufig vom Gesamtvorstand vorgenommen werden, sondern können auf ein einzelnes Vorstandsmitglied, untergebene Mitarbeiter oder Dritte übertragen werden.269 II. Kategorien zur Bestimmung von Leitungsaufgaben Die mit dem Delegationsverbot notwendige Eingrenzung des „unverzichtbaren Kerns der Vorstandsfunktion“270 lässt sich nutzbar machen, um typische Aufgaben des Vorstands inhaltlich näher zu konkretisieren und auf unternehmerische Entscheidungen hin zu untersuchen. Zur Bestimmung von Leitungsaufgaben haben sich drei zentrale Kategorien etabliert. 1. Geschriebene Leitungsaufgaben Als Leitungsaufgaben sind nach h. M. zunächst die im Gesetz niedergelegten Aufgaben, deren wörtlicher Adressat der gesamte Vorstand ist, zu werten.271 Mitunter werden hierbei Realakte im Innenverhältnis der Gesellschaft und Verfahrenshandlungen aus dem Kreis der Leitungsentscheidungen ausgenommen.272 2. Ungeschriebene Leitungsaufgaben Neben den geschriebenen Leitungsaufgaben sind verschiedene Pflichten und Tätigkeiten des Vorstands weder in §  76 Abs.  1 AktG oder §  77 AktG näher umschrieben, noch an anderen Stellen des Aktiengesetzes ausdrücklich geregelt. Das betrifft insbesondere ungeschriebene zentrale Tätigkeiten, deren Wahrnehmung in einem Unternehmen als „unverzichtbarem Kern der Vorstands­funk­ 268 

Kort, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  76 Rn.  49. Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  1 Rn.  16, 20 und 22; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  76 Rn.  18. 270  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  76 Rn.  9. 271  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  1 Rn.  16; ders., ZIP 2003, 1 (6); Henze, BB 2000, 209 (210); Kort, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  76 Rn.  35; Mertens/Cahn, in: KKAktG (3. Aufl. 2010), §  76 Rn.  45; Richter, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  4 Rn.  14; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  76 Rn.  15; Vedder, in: Grigoleit, AktG, §  76 Rn.  4. 272  Semler, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  1 Rn.  230. Diese Differenzierung ist auch relevant für die Frage nach der Handlungsfähigkeit eines unterbesetzten Vorstands; vgl. zu dieser hier nicht weiter zu vertiefenden Problematik Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  76 Rn.  115 ff.; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  76 Rn.  56. 269 

§  2 Verortung in der Leitungstätigkeit des Vorstands

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tion“273 grundsätzlich notwendig ist und ohne die der Betrieb eines Unternehmens „nicht funktionieren kann“.274 Aus dem Umstand, dass derlei zentrale Tätigkeiten nicht geregelt sind, ergibt sich die Aufgabe an „Wissenschaft, Rechtspraxis und in gewissem Maße auch [an] die Rechtsprechung, […] Verhaltensrichtlinien für einen ordentlichen und gewissenhaften Unternehmensleiter zu entwickeln“.275 Dieser Aufgabe hat sich insbesondere das aktienrechtliche Schrifttum, unter Einbezug betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse, gestellt und eine – mehr oder weniger einheitliche – Typologie ungeschriebener Leitungsaufgaben entwickelt.276 Dabei kann es sich angesichts der vielfältigen Erscheinungsformen in der Größe und der Ausrichtung von Aktiengesellschaften nicht um feststehende, in präziser Weise bindende Vorgaben handeln. Vielmehr müssen die solchermaßen entwickelten Aufgabenkategorien „im Einzelfall flexibel nach den Erfordernissen des Unternehmens“277 betrachtet und interpretiert werden.278 3. Zuordnung aufgrund der Tragweite im Einzelfall Als drittes Kriterium zur Identifikation von Leitungsentscheidungen wird auf die Tragweite von Entscheidungen für die Entwicklung des Unternehmens abgestellt und geprüft, ob sie insofern erhebliche Konsequenzen „für die Finanz-, Ertrags- und Beschäftigungslage“ zeitigen.279 Ob die Konsequenzen als ausreichend erheblich einzustufen sind, lässt sich freilich nur anhand der konkreten Umstände des jeweils zu bewertenden Einzelfalls feststellen. Deshalb kann die gleiche Maßnahme in einem Unternehmen als Führungsentscheidung zu qualifizieren sein, während ihr in einem anders strukturierten Unternehmen dafür keine ausreichende Relevanz beizumessen sein mag.280 Somit kann diese Zuordnung, muss sich aber nicht notwendigerweise mit der Zuordnung zu den ungeschriebenen Führungsfunktionen überschneiden.281 Aufgrund der denkbaren Vielfalt solcher Entscheidungen lässt sich auch hier abseits anerkannter Einzel273  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  76 Rn.  9; Semler, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  1 Rn.  189 ff. 274  Semler, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  1 Rn.  189. 275  Goette, FS 50 Jahre BGH, 123 (125). 276  Ausführlich dazu unten Teil 3 §  2 A. II. 277  Feddersen, ZGR 1993, 114 (117). 278  Siehe dazu auch Lutter, AG 1991, 249 ff. sowie die kritischen Überlegungen von Kallmeyer, ZGR 1993, 106 ff. und die Replik von Feddersen, ZGR 1993, 114 ff. 279  Henze, BB 2000, 209 (210); gleichsinnig Kort, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  76 Rn.  36; Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  1 Rn.  15; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  76 Rn.  9; Semler, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  1 Rn.  218; allgemeiner Vedder, in: Grigoleit, AktG, §  76 Rn.  4. 280  Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  76 Rn.  5 und 45 (insb. auch Fn.  97); Semler, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  1 Rn.  219. 281  Semler, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  1 Rn.  218.

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fälle282 keine umfassende und die Facetten der konkreten Situation vorwegnehmende Präzisierung treffen.283 Insofern muss sich die Betrachtung in diesem Zusammenhang auf die allgemeine Formel beschränken, dass es sich bei verbleibenden Handlungsspielräumen – solange sich der Vorstand bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben ansonsten im Rahmen der oben dargestellten Kriterien, insbesondere der Legalitätsbindung, bewegt – grundsätzlich um unternehmerische Entscheidungen handeln kann, sofern der Vorstand frei ist, das „Wohl der Gesellschaft“ zu bedienen und nicht anderweitigen Interessen gerecht werden muss.284 III. Festlegung des weiteren Verfahrens Zur Untersuchung auf unternehmerische Entscheidungen hin werden zunächst die ungeschriebenen Leitungsaufgaben des Vorstands aufgrund ihres zentralen Stellenwerts als „unverzichtbarem Kern der Vorstandsfunktion“285 gesondert betrachtet. Dazu werden sie näher konturiert und sodann im Detail auf das Vorliegen von unternehmerischen Entscheidungen hin untersucht. Die in hohem Maße vom Einzelfall abhängige Relevanz der einzelnen Führungsfunktionen ermöglicht indes nur eine Betrachtung typischer Facetten, nicht aber einen präzise ausbuchstabierten Katalog sämtlicher, potentiell möglicher Konstellationen von unternehmerischen Entscheidungen. Anschließend werden die einzelnen, gesetzlich statuierten Aufgaben des Vorstands betrachtet, wobei sich die Darstellung auf aktienrechtliche und vereinzelte handelsrechtliche Normen konzentriert. Als grobe Richtungsvorgabe dient dabei die Gliederung des AktG. Im Einzelfall werden verschiedene Vorschriften allerdings zugunsten einer thematisch schwerpunktmäßigen Zusammenfassung im jeweils zweckmäßig erscheinenden Kontext dargestellt. Der im Schrifttum vorgenommenen Differenzierung von Realakten und Verfahrenshandlungen aus dem Binnenverhältnis der Gesellschaft286 wird nicht gefolgt, sondern ein im Sinne der wohl h. M. umfassender Blickwinkel auf die jeweiligen aktienrechtlichen Normen eingenommen, die den Vorstand ausdrücklich als Adressaten erwähnen. Aber auch Normen, die dem Vorstand Aufgaben zuweisen, die ursprünglich in die Zuständigkeit eines anderen Organs fallen, werden in diese Betrachtung mit aufgenommen und auf potentielle unternehmerische Entscheidungen hin untersucht. 282  Vgl. dazu aus dem Gang der Darstellung etwa die Ausführungen zur Pflicht des Vorstands zur Einrichtung eines Aktienregisters gem. §  67 AktG, unten Teil 3 §  2 C. III. 2. 283  Semler, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  1 Rn.  219. 284  Siehe dazu oben Teil 3 §  1 D. III. 3. 285  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  76 Rn.  9. 286  So Semler, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  1 Rn.  230.

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B. Unternehmerische Entscheidungen bei Wahrnehmung der originären Führungsaufgaben I. Ausgangspunkt §  76 AktG Die in §  76 Abs.  1 AktG normierte Leitungsaufgabe bildet, da mit ihr stets die Einräumung von Ermessensspielräumen korrespondiert, den zentralen Anwendungsfall von unternehmerischen Entscheidungen des Vorstands ab.287 Gleichwohl lässt sich aufgrund der verschiedenen Facetten der Leitungstätigkeit noch keine generelle Aussage zur Anwendbarkeit von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG treffen.288 Die einzelnen typischen Ausprägungen der Leitungspflicht werden deshalb zunächst zusammengestellt, um sie später präzisieren und auf unternehmerische Entscheidungen hin untersuchen zu können.289 II. Kategorisierung der Führungsaufgaben 1. Klassische Auffassung Zur Leitungspflicht und damit zu den vom Vorstand wahrzunehmenden „originären Führungsfunktionen“ werden nach wohl h. M. als typische Kategorien die Planung der Unternehmenstätigkeit, die Koordination der Unternehmensprozesse, die Kontrolle des Unternehmens und die Verantwortung für die Besetzung der Führungsposten im Unternehmen gerechnet.290 2. Abweichende Ansätze Neben dieser klassischen Auffassung besteht eine Vielzahl anderweitiger Ansätze, die aufgrund ihres Facettenreichtums hier nur angedeutet werden können. Die Beschränkung ist geboten, da diese Ansätze zwar andere Unterteilungen oder terminologische Alternativen bieten, im Grunde aber keine wesentliche inhaltliche Abweichung von der soeben dargelegten klassischen Auffassung bedeuten.291 Das zeigt sich bereits ohne eine ausführliche Darstellung der einzelnen Ansätze. Exemplarisch sind, nach einer von der klassischen Einteilung ab287 

Siehe oben Teil 2 §  1 B. II. Vgl. dazu bereits die Ausführungen in der Einleitung, oben Teil 1 §  1 C. 289  Siehe unten Teil 3 §  2 B. III. 290  Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  16 Rn.  419; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  76 Rn.  9; Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  76 Rn.  45; Seibt, in: Schmidt/ Lutter, AktG, §  76 Rn.  9; Semler, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  1 Rn.  191 ff.; ders., Leitung und Überwachung, §  1 Rn.  16 ff.; Vedder, in: Grigoleit, AktG, §  76 Rn.  4; Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Haftung, §  4 Rn.  10 ff. 291  Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  76 Rn.  5; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  76 Rn.  15; mit Einschränkungen ähnl. Semler, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  1 Rn.  189, Fn.  262. 288 

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weichenden Auffassung, als Führungsaufgaben die Verantwortung des Vorstands zur Planung und Steuerung, zur Organisation sowie hinsichtlich der Finanzierung des Unternehmens und der Verteilung von Information innerhalb des Unternehmens zu fassen.292 Die somit selbständig formulierte Verantwortung der Informationsverteilung293 wird allerdings auch von der klassischen Auffassung vertreten, dies jedoch bereits als wesentliches Element der Aufgabe zur Koordinierung des Unternehmens.294 Ebenso lässt sich die teilweise ausdrücklich aufgeführte Finanzplanung bzw. Finanzverantwortung als Unterfall der klassischen Planungsaufgabe des Vorstands fassen.295 Auch die jüngst besonders diskutierte Leitungsaufgabe der Compliance-Verantwortung lässt sich im Rahmen der Unternehmensorganisation verorten.296 Im Ergebnis ohne praktischen Unterschied dürfte auch der Ansatz zu bewerten sein, der zu den Führungs­aufgaben insbesondere die „Zielkonzeption, Organisation, Führungsgrundsätze, Besetzung von Führungspositionen, Unternehmensplanung, Strategie, Geschäftspolitik […]“ rechnet.297 Die abweichende Kategorie der „Ziel­ konzeption“ oder die strategische Festlegung des Unternehmens sind letztlich nur Präzisierungen der nach klassischem Verständnis gleichfalls notwendigen Unternehmensplanung des Vorstands.298 Unter die klassische Kategorie der Unternehmensplanung fällt auch die teilweise vorgenommene Aufteilung der Leitungsaufgaben in die Kategorien der „Unternehmensstruktur, der Unternehmenspolitik und der Unternehmensziele“.299 Hinsichtlich der Koordination der Unternehmensprozesse ergibt sich nichts anderes, da auch hier – teils unter der Bezeichnung als Steuerung300 oder, konkreter, als Verantwortlichkeit für die Umsetzung der Organisation bzw. der Unternehmensstruktur301 – im Wesentlichen gleiche Inhalte unter anderer Aufteilung als zentrale Führungsaufgaben des Vorstands anerkannt werden.302 292  Fleischer, ZIP 2003, 1 (5); ders., in: Spindler/Stilz, AktG, §  93 Rn.  51; speziell zur Finanzverantwortung siehe Seibt, ZIP 2013, 1597 (1598). 293  Fleischer, ZIP 2003, 1 (5). 294  Semler, Leitung und Überwachung, §  1 Rn.  17. 295  Lutter, AG 1991, 249 (251); Semler, ZGR 1983, 1 (4) – Investitionsplanung als Teil der Unternehmensplanung; ähnl. ders., Leitung und Überwachung, §  1 Rn.  16 – „Planungsrechnung“ als Teil der Unternehmensplanung; Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Haftung, §  4 Rn.  10. 296  So etwa die Einordnung von Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, §  93 Rn.  37; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  76 Rn.  16. 297  Oltmanns, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  76 AktG Rn.  5. 298  Vgl. nur Semler, Leitung und Überwachung, §  1 Rn.  16. 299  So Schiessl, ZGR 1992, 64 (68). 300  Fleischer, ZIP 2003, 1 (5). 301  Henze, BB 2000, 209 (210); ders., BB 2001, 53 (57). 302  Vgl. insofern die Zusammenfassung der „Unternehmenskoordinierung“ von Vedder, in: Grigoleit, AktG, §  76 Rn.  4.

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3. Konsequenzen für die folgende Darstellung Da sich die Kategorien der einzelnen Führungsfunktionen im Wesentlichen entsprechen, kann für die folgende Einzelbetrachtung der nach h. M. vorzunehmenden Differenzierung in die Unternehmensplanung, die Koordination der Unternehmensprozesse, die Kontrolle der Unternehmenstätigkeit und die Verantwortung für die Besetzung der Führungsposten als Ausgangspunkt gefolgt werden. Abweichend verortete Funktionen werden sodann innerhalb dieses Schemas berücksichtigt. III. Einzelbetrachtung der Führungsaufgaben 1. Unternehmensplanung a. Konturierung Planung bedeutet nach allgemeinem Verständnis eine „Überlegung, die sich auf die Verwirklichung eines Zieles oder einer Absicht richtet“303 bzw. ein „ständiges Vorausdenken und Vorbereiten zukünftiger Geschehen“.304 Dem Vorstand obliegt es aufgrund seiner Leitungsverantwortung, dieses Vorausdenken hinsichtlich grundsätzlicher, also strategischer Fragen in Form einer „Zielsetzung und mittel- und langfristigen Festlegung der Unternehmenspolitik“305 für das Unternehmen zu besorgen.306 Er muss anzustrebende Soll-Werte definieren und eine Ordnung schaffen, innerhalb derer diese Zielsetzung zu erreichen ist.307 Das umfasst die Planung allgemeiner Unternehmensvorhaben ebenso wie konkreter Sachbereiche, etwa die zuweilen isoliert gefasste Finanzverantwortung,308 die wiederum eine kurz-, mittel- und langfristige Budgetplanung einschließt.309 Der Vorstand muss dafür sorgen, dass die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens aufrechterhalten bleibt, was auch kurzfristige Liquidität erfordert.310 Die Planungsaufgabe lässt sich durch §  90 Abs.  1 Nr.  1 AktG anhand der 303  Wermke/Kunkel-Razum/Scholze-Stubenrecht, Duden Bedeutungswörterbuch, Stichwort: „Plan“. 304  Semler, Leitung und Überwachung, §  1 Rn.  16. 305  Vedder, in: Grigoleit, AktG, §  76 Rn.  4. 306  Kort, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  76 Rn.  36; Witte, Allg. BWL, S.  136 ff.; ähnl. Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  38. 307  Witte, Allg. BWL, S.  114. 308  Fleischer, ZIP 2003, 1 (5); ders., in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  43 (insb. auch Planung der Kapitalstruktur sowie der Ergebnisermittlung und -verwendung); Seibt, ZIP 2013, 1597 (1598); allgemein Vedder, in: Grigoleit, AktG, §  76 Rn.  4. 309  Ermschel/Möbius/Wengert, Investition und Finanzierung, S.  107 f.; Seibt, ZIP 2013, 1597 (1598). 310  Ermschel/Möbius/Wengert, Investition und Finanzierung, S.  108 ff.; Lutter, in: Ringleb u. a., DCGK, Rn.  448; Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  43.

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dort aufgelisteten Sachverhalte inhaltlich konkretisieren, nachdem der Vorstand dem Aufsichtsrat über „die beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung (insbesondere die Finanz-, Investitions- und Personalplanung)“ zu berichten hat.311 Wie schon an der Formulierung von §  90 Abs.  1 Nr.  1 AktG durch den Zusatz „insbesondere“ erkennbar wird, bilden die angefügten Beispiele allerdings keine abschließende Aufzählung möglicher Sachbereiche, auf die sich die Unternehmensplanung zu beziehen hat. Vielmehr dehnt sich die Planungsaufgabe des Vorstands darüber hinaus prinzipiell auf sämtliche für das Unternehmen relevanten Umstände, die in der Zukunft liegen, aus.312 b. Unternehmerische Entscheidungen Die Planung der Unternehmenstätigkeit bildet die zentrale Voraussetzung zur Führung des Unternehmens; ohne gründliche Planung ist der Betrieb einer auf Dauer angelegten und zielgerichteten erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit nicht möglich. Der Vorstand muss der Unternehmung Ziele setzen und unter Berücksichtigung unternehmensinterner und externer Faktoren diejenigen Maßnahmen identifizieren und treffen, die notwendig sind, um die Ziele des Unternehmens und somit die „gewünschten Zustände“ zu erreichen.313 Dazu muss er Handlungsmöglichkeiten für das Unternehmen ausloten und deren Chancen und Risiken ermitteln.314 Das erfordert im Einzelfall Analysen der Marktlage, die Planung von Investitionen – im Schrifttum in Anlehnung an das „UMTS“-Urteil des BGH als „unternehmerische Entscheidungen par excellence“ apostrophiert315 – sowie die Planung und Berechnung des finanziellen Fundaments316, die Gestaltung sozialer Komponenten, aber auch den Abschluss von Verträgen, die für derlei Maßnahmen notwendig sind.317 Eine zentrale Frage im Rahmen der Finanzierungsverantwortung des Vorstands ist die nach der Art der Finanzierungsmöglichkeiten, die er zur Sicherung des Kapitalbedarfs des Unternehmens auswählt.318 Dabei bieten sich verschiedenste Möglichkeiten der Eigenoder Fremdkapitalfinanzierung.319 Eine allgemeingültige, gar ideale Mischung 311  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  38; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  76 Rn.  16; Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Haftung, §  4 Rn.  10. 312  In diesem Sinne Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  38. 313  Semler, Leitung und Überwachung, §  1 Rn.  16. 314  Vgl. Witte, Allg. BWL, S.  136. 315  Fleischer, NZG 2008, 371; BGH, Urt. v. 03.03.2008 – II ZR 124/06 = NZG 2008, 389 ff. 316  Semler, Leitung und Überwachung, §  1 Rn.  16 („Planungsrechnung“). 317  Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  76 Rn.  16. 318  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  43; ferner Krecek/Röhricht, ZIP 2010, 413. 319  Vgl. Drygala/Staake/Szalai, KapitalgesellschaftsR, §  1 Rn.  21 ff.; Parmentier, in: Ekkenga/

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beider Komponenten gibt es angesichts der in der Praxis vielseitigen Unternehmensstrukturen und der damit verbundenen unterschiedlichen Anforderungen an deren Finanzierungsgestaltung nicht.320 Deshalb lassen sich die entsprechenden Planungsfragen nicht generell beantworten, sondern allein im Hinblick auf das jeweils gegenständliche Unternehmen und dessen Verhältnisse, womit allgemeine (betriebswirtschaftliche) Planungsgrundsätze hier der Orientierung dienen mögen, nicht aber als konkrete Vorgaben betrachtet werden können.321 Die ebenfalls vorzunehmende Personalplanung muss wiederum nach dem Bedarf gerichtet werden, der aus der Gesamtplanung des Vorstands resultiert; sie stellt sich als Querschnittsmenge zur exklusiv gefassten Führungsstellenbesetzung dar.322 Geplant werden muss insbesondere der Bedarf an Personal, die Beschaffung des Personals und der konkrete Einsatz des gewonnenen Personals.323 All diese Planungsmaßnahmen erlauben dem Vorstand eine Artikulation der Unternehmensinteressen im Sinne seines Leitungsauftrags, stehen so nach der Art ihrer Ausführung „im Ermessen der Leitungsorgane“ bzw. des Vorstands324 und sind mithin grundsätzlich als unternehmerische Entscheidung einzuordnen. Grenzen des Planungsermessens ergeben sich zunächst anhand der vorgegebenen grundsätzlichen Zielformulierungen des Gesellschaftszwecks, des Unternehmensgegenstands und allgemeiner gesetzlicher Vorgaben. Zugleich kann der Vorstand nicht von der Vornahme einzelner, mindestens zu bedienender Planungsmaßnahmen absehen. Das wird innerhalb des im Rahmen des KonTraG neugefassten §  90 Abs.  1 Nr.  1 AktG unterstrichen,325 nach dem der Vorstand gegenüber dem Aufsichtsrat über die „beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung (insbesondere die Finanz-, Investitions- und Personalplanung)“ zu berichten hat: Das „Ob“ der Planung dieser Bereiche liegt grundsätzlich nicht im Ermessen des Vorstands, sodass er sie nicht ignorieren oder delegieren darf, sondern die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat. Eine zentrale Grenze der Finanzplanung bildet schließlich die Einhaltung der aktienrechtlichen Finanzverfassung, insbeSchröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  1 Rn.  58 ff.; Rn.  161 ff.; aus betriebswirtschaftlicher Per­ spektive grundlegend Schierenbeck/Wöhle, Grundzüge der BWL, S.  490 ff. 320  Claussen, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  3 Rn.  16 („Eine einheitliche Finanzierung für die Rechtsform AG gibt es nicht, ebenso wenig wie es gleichförmige Aktiengesellschaften gibt“). 321  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  39; gleichsinnig Semler, ZGR 1983, 1 (1 f.). 322  Dazu sogleich unter Teil 3 §  2 B. III. 4. 323  Schierenbeck/Wöhle, Grundzüge der BWL, S.  237 ff. 324  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  39 m. w. N.; ebenso Goette, in: Hdb. Corporate Governance, 713 (728); vgl. auch die Beispiele bei Dauner-Lieb, in: FS Röhricht, 83 (83 f.). 325  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  38.

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sondere der Kapitalerhaltung und der in §  93 Abs.  3 AktG vorgegebenen Regeln.326 Sofern der Vorstand präzise an die Bedienung einzelner Planungsbereiche gebunden ist, verbleibt damit – soweit diese Legalitätsbindung reicht – kein Raum für unternehmerische Entscheidungen. 2. Unternehmenskoordinierung bzw. -organisation a. Konturierung Nach klassischem Verständnis handelt es sich bei der Unternehmenskoordina­ tion um die „Organisation und Koordinierung der mit Führungsaufgaben ausgestatteten Teilbereiche“, was auch die Koordination und Organisation der Vorstandstätigkeit selbst einschließt.327 Die Grenzen zwischen Koordination und Organisation sind indes fließend. Deshalb wird hier unter der Klammer der Unternehmenskoordination nicht nur die Koordinationsaufgabe im engeren Sinne gefasst, sondern auch der nach neuerer Auffassung eigenständig zu verstehende organisatorische Imperativ zur Einrichtung „eine[r] gesetzmäßige[n] und satzungskonforme[n] Organisationsstruktur“.328 Somit sind zunächst Organisation und Koordination der Unternehmensstrukturen und anschließend die Vorstandstätigkeit selbst zu betrachten. Sodann ist die Informationsverantwortung des Vorstands zu fokussieren, der angesichts der Informationsfülle, mit der Vorstände im Zeitalter der elektronischen Datenverarbeitung konfrontiert sind, ein besonderer eigener Stellenwert beizumessen ist.329 Hier obliegt es dem Vorstand insbesondere, ein umfassendes Berichtswesen im Unternehmen einzurichten.330 Laut Hemeling hätte die „Geltung der Business Judgment Rule für Organisationsanforderungen auf die Tagesordnung“ des 70. Deutschen Juristentages gehört, wo sie in diesem Zusammenhang allerdings keine tiefergehende Würdigung gefunden hat.331 Ein Grund für die Forderung Hemelings dürften insbesondere die derzeit intensiv diskutierten Vorstandspflichten zur Einrichtung eines Compliance-Systems sein, die ebenfalls unter die Unternehmenskoordinierung bzw. -organisation zu fassen sind und hier gesondert betrachtet werden. 326  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  43; Goette, in: Hdb. Corporate Governance, 713 (727). 327  Semler, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  1 Rn.  195 ff.; Vedder, in: Grigoleit, AktG, §  76 Rn.  4; Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Haftung, §  4 Rn.  11 f. 328  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  42. 329  Diesem Stellenwert entsprechend wird Information denn auch als „eigenständige[r] Produktionsfaktor“ eingeordnet, siehe Domschke/Scholl, Grundlagen der BWL, S.  376; in diesem Sinne wohl auch Rodewald, GmbHR 2014, 639. 330  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  4 4; dagegen nach Semler, Leitung und Überwachung, §  1 Rn.  18 wiederum Teil der Unternehmenskontrolle. 331  Hemeling, ZHR 178 (2014), 221 (223).

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b. Unternehmensstrukturen aa. Inhalt Die Einrichtung „eine[r] gesetzmäßige[n] und satzungskonforme[n] Organisationsstruktur“332 erfordert vom Vorstand eine praktisch zweckmäßige Ausrichtung des Unternehmens nach den geplanten Zielvorstellungen bzw. Soll-Werten333 unter Beachtung gesetzlich vorgeschriebener Anforderungen. Das schließt – im Zusammenhang mit der sogleich dargestellten Kontrolle – die „Steuerung und Ausrichtung des Produktionsprozesses“ durch den Vorstand ein.334 bb. Unternehmerische Entscheidungen Im Rahmen seiner Koordinationsverantwortung muss der Vorstand die grundlegende Verteilung von Aufgaben und damit der Koordination der Nutzung von Ressourcen innerhalb der Unternehmensstrukturen vornehmen.335 Das erfordert eine Aufgabenverteilung anhand der Einschätzung, welche Abteilung bzw. welche Mitarbeiter mit einer Aufgabe betraut werden sollte bzw. sollten, um die dem Vorstand nachgeordneten Führungskräfte zu koordinieren.336 Ziel dieser Verteilung ist die „Optimierung der Unternehmenskraft“.337 Im Rahmen dieser Koordination fällt auch in den Verantwortungsbereich des Vorstands, die Organisation des Unternehmens durch Outsourcing bestimmter Unternehmensbereiche zu verändern.338 Grundsätzlich muss und darf sich der Vorstand bei der Koordination des Unternehmens an den von ihm artikulierten Zielvorstellungen und dem „Wohle der Gesellschaft“ orientieren, womit Entscheidungen in diesem Zusammenhang als Ermessensentscheidungen und damit als unternehmerische Entscheidung einzuordnen sind.339 Grenzen des Ermessens ergeben sich abermals im Rahmen gesetzlicher und satzungsmäßiger (Einrichtungs-) Vorgaben. Als gesetzliche Grenze ist z. B. die Verpflichtung des Vorstands einzuordnen, gem. §  91 Abs.  2 AktG ein System zur Risikoüberwachung einzurichten.340 Outsourcingvorhaben, die unveräußerliche Maßnahmen aus dem Kreis der Leitungsaufgaben des Vorstands betreffen, verstoßen gegen das Delegationsverbot 332  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  42; gleichsinnig Schiessl, ZGR 1992, 64 (68) („Festlegung der Unternehmensstruktur“). 333  Witte, Allg. BWL, S.  114. 334  Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  76 Rn.  16. 335  Semler, Leitung und Überwachung §  1 Rn.  17; ders., in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  1 Rn.  194 ff.; Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Haftung, §  4 Rn.  11. 336  Semler, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  1 Rn.  206 f. 337  Semler, Leitung und Überwachung, §  1 Rn.  17. 338  Zum Outsourcing Hess, Sanierungshandbuch, Kap.  14 Rn.  10. 339  Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, §  93 Rn.  37 („unternehmerisches Ermessen“). 340  Vgl. unten Teil 3 §  2 C. II. 3.

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und können nicht als unternehmerische Entscheidung gelten.341 Besondere informationsbezogene Organisationspflichten können sich ergeben, soweit Einrichtungen zum Vertraulichkeitsschutz notwendig werden.342 c. Selbstorganisation aa. Inhalt Hinsichtlich der Selbstorganisation besteht die Verantwortung des Vorstands in der Koordinierung der eigenen Tätigkeit und Willensbildung, die insbesondere in regelmäßig abzuhaltenden Vorstandssitzungen ihren institutionellen Rahmen findet.343 Die Ausarbeitung einer Geschäftsordnung oder eines Geschäftsverteilungsplans kann der Selbstorganisation dienen.344 Sie ermöglicht die Regelung besonderer Vertretungsrechte, Zuweisung von Geschäftsführungsbefugnissen, struktureller Modalitäten der Vorstandssitzungen oder die Bildung von Ausschüssen.345 Gem. §  84 Abs.  2 AktG kann ein Vorstandsvorsitzender bestellt werden.346 Auch die Aufteilung der Vorstandstätigkeit unter Zuweisung besonderer Zuständigkeiten an die einzelnen Vorstandsmitglieder ist zu koordinieren.347 bb. Unternehmerische Entscheidungen Sofern der Vorstand nicht an Vorgaben der Satzung gebunden ist, steht ihm die Art seiner Selbstorganisation im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten und der Unternehmensverfassung frei und bildet damit eine unternehmerische Entscheidung.348 Grenzen verlaufen hier, sofern Entscheidungsstrukturen die Gesamtverantwortung des Vorstands auszuschalten drohen; abgesehen davon steht es dem Vorstand frei, sich nach eigener Auffassung für eine bestimmte Organisationsform zu entscheiden, was eine Aufteilung nach Produktions- bzw. Angebotssparten, nach Funktionen oder auch nach angebotenen Marken erlaubt.349 341 

Vgl. oben Teil 3 §  2 A. I. S. dazu sogleich die Ausführungen zur Informationsverantwortung, Teil 3 §  2 B. III. 2. d. 343  Semler, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  1 Rn.  195 f. 344  Semler, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  1 Rn.  195. 345  Siehe statt vieler Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  15 Rn.  380 ff. 346  Zu dieser Position Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  84 Rn.  100 ff.; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  162; Vetter, in: Lutter/Krieger, Hdb. Managerhaftung, §  18 Rn.  48 ff. 347  Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  164. 348  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  42 („Leitungsermessen“); Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  164. 349  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  42; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  164. 342 

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Die nachträgliche oder im Einzelfall vorgenommene Abweichung von einer selbst gegebenen Geschäftsordnung ist durch einstimmigen Beschluss möglich, sofern damit nicht gegen Satzungsbestimmungen verstoßen wird.350 Diese Entscheidung steht angesichts der Möglichkeit des Vorstands, eine Abweichung im Interesse des Unternehmens vorzunehmen, in seinem Ermessen und bildet damit eine unternehmerische Entscheidung. Verstöße gegen die Geschäftsordnung können dagegen aufgrund deren Bindungswirkung351 nicht als unternehmerische Entscheidung gelten.352 d. Informationsverantwortung aa. Inhalt Gegenstand der Informationsverantwortung bildet die „Gewährleistung und Sicherung des unternehmensinternen Informationsflusses“353 bzw. die „Einrichtung einer angemessenen Informationsstruktur“.354 Diese Gewährleistung erfordert auch ein „Management“ der Information, was „Erfassung und Bewertung der Information“ samt ihrer „Speicherung, bis zu ihrer Verarbeitung“ umfasst.355 Die Informationsverantwortung bildet die Voraussetzung für die Planung, Steuerung und Kontrolle des Unternehmens, die nicht ohne ausreichende Informationsgrundlage gewährleistet werden kann.356 In diesem Rahmen muss der Vorstand auch Strukturen schaffen, anhand derer er sich über die aktuelle Finanzlage des Unternehmens informieren kann.357 Demnach lässt sich bereits festhalten, dass nicht jede Art von Informationsweiterleitung unter diese Verantwortung des Vorstands fällt, sondern lediglich solche, die einen konkreten Bezug zu den übrigen Führungstätigkeiten des Vorstands aufweist. Die Sicherstellung des Informationsflusses im Unternehmen ist somit genau genommen eine führungsunterstützende Tätigkeit.

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Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  77 Rn.  54. S. oben Teil 2 §  1 C. I. 2. a. aa. bbb. 352  Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  15 Rn.  393. 353  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  4 4. 354  Rodewald, GmbHR 2014, 639 (642); ähnl. Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, §  93 Rn.  37. 355  Rodewald, GmbHR 2014, 639. 356  Domschke/Scholl, Grundlagen der BWL, S.  376 f.; Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  44; gleichsinnig Rodewald, GmbHR 2014, 639 (642 f.); Schierenbeck/Wöhle, Grundzüge der BWL, S.  164. 357  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  43. 351 

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bb. Unternehmerische Entscheidungen Dem Grunde nach ist der Vorstand zunächst – ebenso wie auch hinsichtlich der anderen konkreten Führungsfunktionen – zur Wahrnehmung der Informationsverantwortung verpflichtet,358 womit insofern ein Ermessensspielraum nicht in Betracht kommt. Die Ausgestaltung der Informationsstrukturen ist sodann im Wesentlichen von der Struktur und den Bedürfnissen des Unternehmens abhängig,359 und abseits konkret zu beachtender Vorgaben (dazu sogleich) dem Leitungsermessen des Vorstands als unternehmerische Entscheidung zuzuordnen.360 Im Schrifttum werden unternehmerische Entscheidungen insbesondere im Kontext der Informationsverantwortung bei der Frage nach der konkreten Ausgestaltung des Berichtswesens innerhalb des Unternehmens bejaht.361 Dem ist zuzustimmen, da das Berichtswesen nur im Hinblick auf die Strukturen und Bedürfnisse des jeweiligen Unternehmens eingerichtet werden kann und seine Einrichtung sich als (unterstützender) Teil der auf die Artikulation des Unternehmenswohls gerichteten Leitungsaufgabe des Vorstands darstellt. Grenzen unternehmerischen Ermessens ergeben sich, wo im Innenverhältnis der AG die Bedienung von Informationsbedürfnissen notwendig bzw. der Vorstand zur Speicherung und Nutzung verpflichtet ist.362 Auch im Außenverhältnis bietet sich dem Vorstand grundsätzlich „kein […] Ermessensspielraum bei den ihm obliegenden Informationsverpflichtungen“.363 Beispiele für solche Informa­ tions­verpflichtungen, die keinen Raum für unternehmerische Entscheidungen lassen, sind etwa kapitalmarktrechtliche Informationsverpflichtungen (Ad-HocPublizität) oder anderweitige Informations- bzw. Publizitätspflichten, die dem Schutz der Aktionäre dienen.364 Weiterhin verlaufen Grenzen der Ermessensfreiheit entlang der dem Vorstand obliegenden Verschwiegenheitspflicht sowie anhand datenschutzrechtlicher Bestimmungen.365 Darüber hinaus kann sich z. B. im Bereich börsennotierter Unternehmen, in Kreditinstituten oder in Konkurrenzsituationen zwischen Konzernunternehmen366 eine Pflicht zur Einrich358  Rodewald, GmbHR 2014, 639 (641 f.). Vgl. hinsichtlich der Planung Semler, Leitung und Überwachung, §  1 Rn.  16: „Die mangelnde Erfüllung der originären Führungsfunktion Unternehmensplanung bedeutet zugleich eine Verletzung der aktienrechtlichen Sorgfaltspflicht (§  93 Abs.  1)“; gleichsinnig Lutter, AG 1991, 249 (251). 359  Rodewald, GmbHR 2014, 639 (642). 360  Ebenso Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, §  93 Rn.  37. 361  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  4 4. 362  Siehe im Einzelnen zu Vorgaben der Rechtsprechung an das Informationsmanagement Rodewald, GmbHR 2014, 639 (642 f.). 363  Hölters, in: Hölters, AktG, §  93 Rn.  33. 364  Vgl. die Ausführungen zu §  15 WpHG unter Teil 3 §  1 D. III. 3. d. aa. fff. 365  Rodewald, GmbHR 2014, 639 (644) sowie oben Teil 2 §  1 C. I. 2. a. bb. 366  Vgl. dazu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.05.2011 – Verg 8/11 = ZfBR 2011, 789 ff.

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tung von Vertraulichkeitsbereichen und deren strikter organisatorischer Abgrenzung durch sog. „Chinese Walls“ ergeben.367 e. Compliance-Verantwortung aa. Allgemeines Das Schrifttum368 sowie inzwischen auch ausdrücklich die Rechtsprechung im „Siemens/Neubürger“-Urteil369 gehen von einer Verantwortung des Vorstands für Compliance-Strukturen innerhalb des Unternehmens aus. Teilweise wird diese Compliance-Verantwortung aus der allgemeinen Leitungspflicht des Vorstands abgeleitet, teilweise wird dagegen angenommen, dass sie auf §  91 Abs.  2 Aktg zurückzuführen sein soll, andere Stimmen wollen sie in einer „Gesamtanalogie“ zur Summe der Vorschriften mit Compliance-Bezug aus der gesamten Rechtsordnung begründet wissen.370 Welche dieser Quellen die Pflicht zur Compliance-Organisation letztlich begründet, kann hier jedoch offen bleiben, da sich im Ergebnis in allen Fällen eine solche Pflicht des Vorstands identifizieren lässt, die darüber hinaus – entweder aufgrund ihres Ursprungs in den Leitungspflichten oder aufgrund ihrer Bedeutung für das ganze Unternehmen – jedenfalls der Führungsverantwortung des Vorstands zuzurechnen ist.371 bb. Inhalt Compliance-Strukturen sollen die Befolgung „gesetzlicher und nichtgesetzlicher, externer und gesellschaftsinterner Geschäftsführungsregeln“ innerhalb des Unternehmens sicherstellen und „durch geeignete organisatorische Maßnahmen dafür […] sorgen, dass sich die Gesellschaft rechtmäßig verhält und ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt“.372 Demnach wird Compliance 367  Näher Eisele/Faust, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., §  109 Rn.  136 f.; Fett, in: Schwark/Zimmer, KMRK, §  33 WpHG Rn.  39 ff. 368  Siehe etwa Arnold, ZGR 2014, 76 (79); Bachmann, ZIP 2014, 570 (580); Bicker, AG 2012, 542 (544); Fett, CCZ 2014, 142 (144); Fleischer, NZG 2014, 321 (322); Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  22 Rn.  590 ff.; Paefgen, AG 2014, 554 (557) (wenngleich krit. zum Begriff); Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598 (1599); Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  76 Rn.  16; früher bereits Uwe H. Schneider, ZIP 2003, 645 ff.; zur Lage im Konzern vgl. Kremer/Klahold, in: Lutter/Krieger, Hdb. Managerhaftung, §  21 Rn.  8 ff. und Uwe H. Schneider, NZG 2009, 1321 (1323 ff.); zurückhaltend dagegen etwa Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  76 Rn.  13 ff. 369  LG München I, Urt. v. 10.12.2013 – 5 HK O 1387/10 = ZIP 2014, 570 ff. 370  Siehe etwa Bunting, ILF Working Paper 132, 1 (2 ff.); Fleischer, NZG 2014, 321 (322); Uwe H. Schneider, NZG 2009, 1321 (1323). 371  So das LG München I, Urt. v. 10.12.2013 – 5HK O 1387/10 = NZG 2014, 345 f. (s. nur Leitsätze 1. und 2); ebenso etwa Arnold, ZGR 2014, 76 (79); Fleischer, NZG 2014, 321 (323) („Compliance ist Chefsache!“); Goette, CCZ 2014, 49 („Kernaufgabe der Leitungstätigkeit“); Weber, in: Hölters, AktG, §  76 Rn.  28. 372  Weber, in: Hölters, AktG, §  76 Rn.  28.

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als „die Gesamtheit aller Maßnahmen, um das rechtmäßige Verhalten der Unternehmen, der Organmitglieder und der Mitarbeiter im Blick auf alle gesetzlichen Gebote und Verbote zu gewährleisten“,373 verstanden. Gleichsinnig erfasst Ziffer 4. 1. 3 DCGK den Inhalt der Compliance-Verantwortung aus der Perspektive des Vorstands börsennotierter Unternehmen.374 Im Einzelnen enthält die Compliance-Verantwortung nach bisherigem Verständnis präventive und reaktive Facetten, indem der Vorstand neben der Einrichtung und dem Betrieb einer Compliance-Organisation dazu verpflichtet wird, identifizierte Gesetzesverstöße zu unterbinden und zu sanktionieren.375 Zudem muss – als Querschnittsmaterie zur Personalverantwortung – dafür gesorgt werden, dass sich geeignete Mitarbeiter mit den Aufgaben der Compliance befassen, sowie – im Querschnitt zur Steuerungs- und Kontrollaufgabe – die Wirkung der eingerichteten Maßnahmen kritischer Beobachtung durch den Vorstand unterzogen wird.376 cc. Unternehmerische Entscheidungen Nimmt man mit der wohl h. M. eine Pflicht des Vorstands zur Vornahme von Compliance-Maßnahmen an, so bleibt zunächst bei der Frage, ob diese Pflicht überhaupt wahrgenommen wird, kein Raum für ein Ermessen des Vorstands.377 Damit stellt sich die Frage, inwieweit für die Art der Einrichtung und hinsichtlich der zu ergreifenden Maßnahmen der Anwendungsbereich der BJR eröffnet ist. Bei der Einrichtung muss der Vorstand beurteilen, welche Ausgestaltung eines Compliance-Systems zu den Eigenheiten des Unternehmens passt: Mit den Worten des LG München I wird von ihm die Berücksichtigung der „Art, Größe und Organisation des Unternehmens, [der] […] zu beachtenden Vorschriften, [der] geografische[n] Präsenz wie auch [von] Verdachtsfälle[n] aus der Vergangenheit“ gefordert.378 Entscheidend für die Anwendbarkeit der BJR und zugleich unstreitig ist, dass der Vorstand zur Ausgestaltung der Organisa­ tion – sofern nicht der Tätigkeitsbereich, etwa das Bank- und Kreditwesen, bereits Leitlinien vorgibt – nicht auf schematische Lösungen zurückgreifen und

373 

Uwe H. Schneider, ZIP 2003, 645. „Der Vorstand hat für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der unternehmensinternen Richtlinien zu sorgen und wirkt auf deren Beachtung durch die Konzernunternehmen hin (Compliance)“. 375  Arnold, ZGR 2014, 76 (79 ff.); Reichert/Ott, NZG 2014, 241 (241 f.); LG München I, Urt. v. 10.12.2013 – 5HK O 1387/10 = NZG 2014, 345 ff. 376  Siehe im Einzelnen Bicker, AG 2012, 542 (546 f.); Fett, CCZ 2014, 142 (144); Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  91 Rn.  60; Goette, CCZ 2014, 49. 377  Siehe etwa Bachmann, ZIP 2014, 570 (580); Kort, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  91 Rn.  180; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598 (1599). 378  LG München I, Urt. v. 10.12.2013 – 5HK O 1387/10 = ZIP 2014, 570 (573). 374 

§  2 Verortung in der Leitungstätigkeit des Vorstands

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bestehende Vorgaben ohne weiteres adaptieren kann.379 Dennoch kann und wird in der Regel eine grundsätzliche Orientierung an allgemeinen betriebswirtschaftlichen Standards und an Standards der Wirtschaftsprüfung, insbesondere des IDW PS 980, angezeigt sein.380 Auch dürfte eine – in ihrem Umfang freilich abstrakt schwerlich vorzuzeichnende –Risikoanalyse durchzuführen sein.381 Zudem werden regelmäßig die, teils vom LG München I vorgezeichneten, teils unabhängig davon entwickelten, Compliance-Minimalanforderungen (Festlegung von Verantwortlichkeiten und Kompetenzen, eigenes Bekenntnis zur Rechtstreue (sog. „tone from the top“), Überwachung und Aufarbeitung erkannter Verstöße etc.), zu wahren sein und ein Verzicht darauf die Grenzen des Ermessens überschreiten.382 Auch die individuelle Gefährdung bzw. Anfälligkeit des Unternehmens für Compliance-Verstöße oder bekannte Fälle aus der Vergangenheit können hier den Ermessensspielraum des Vorstands einengen.383 Ansonsten bleibt die individuelle Gestaltung der Compliance-Strukturen letztlich von den Eigenheiten und der Disposition des jeweiligen Unternehmens abhängig, womit bei kleinen bzw. überschaubaren Unternehmensstrukturen wiederum auch ein Minimum an Compliance-Maßnahmen ausreichen kann, sofern keine vorrangigen branchenspezifischen Vorschriften zu beachten sind.384 Im Schrifttum wird die Ausgestaltung der jeweiligen Compliance-Strukturen denn auch weitgehend im Ermessen des Vorstands verortet bzw. als unternehmerische Entscheidung bezeichnet.385 Eine Anwendung der BJR auf die Ausgestaltung der Compliance-Strukturen setzt nach hier vertretener Auffassung voraus, dass der Vorstand sein Handeln allein am „Wohl der Gesellschaft“ auszurichten 379  Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598 (1599) (vgl. die dortigen Beispiele konkreter Einrichtungsvorgaben (§  25a KWG, §  28 KAGB etc.), dazu auch Kort, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  91 Rn.  132 ff.; desw. Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  76 Rn.  14 f.; Paefgen, AG 2014, 554 (557 f.); vgl. auch Böttcher, NZG 2011, 1054 (1056 ff.). 380  Böttcher, NZG 2011, 1054 (1056); Kort, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  91 Rn.  138; vgl. auch Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  91 Rn.  61 f. 381  Bicker, AG 2012, 542 (545 f.). 382  Dazu im Einzelnen bereits Bicker, AG 2012, 542 (546 f.) sowie LG München I, Urt. v. 10.12.2013 – 5HK O 1387/10 = ZIP 2014, 570 ff. 383  Bachmann, ZIP 2014, 570 (580); Fleischer, NZG 2014, 321 (324). 384  Bicker, AG 2012, 542 (544); Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  91 Rn.  48 und 54; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  76 Rn.  15; Kort, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  91 Rn.  140 f. 385  Bachmann, ZIP 2014, 579 (580 f.); Bicker, AG 2012, 542 (545); Böttcher, NZG 2011, 1054 (1056); Fett, CCZ 2014, 142 (144); Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  91 Rn.  56; ders., RIW 2010, 337 (341); ders., NZG 2014, 321 (324); Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, §  93 Rn.  37; Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  22 Rn.  593; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  76 Rn.  14; Kort, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  76 Rn.  51 i. V. m. §  91 Rn.  139 ff.; Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  91 Rn.  37; Paefgen, AG 2014, 554 (557); Reichert/ Ott, ZIP 2009, 2173 (2174); Uwe H. Schneider, NZG 2009, 1321 (1325); Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598 (1599).

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

hat. Ausdrücklich mag dies auf den ersten Blick zwar nicht der Fall sein. Gleichwohl muss das Handeln des Vorstands grundsätzlich an der Zielvorstellung einer „auf Schadensprävention und Risikokontrolle angelegte[n] Compliance-Organisation“ ausgerichtet sein.386 Diese, vom LG München I skizzierte Zielrichtung der Compliance-Strukturen dient dem vom Vorstand zu wahrenden Sorgfaltsmaßstab sowie dem im Rahmen seines Leitungsermessens zu verfolgenden „Wohl der Gesellschaft“ in Form der „langfristigen Ertragsstärkung und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens […]“387 und der vom Vorstand zu bedienenden Schadensabwehrpflicht.388 Mit geeigneten Compliance-Maßnahmen können namentlich durch Rechtsverstöße drohende Strafzahlungen, Reputationsschäden und ähnliche negativen Konsequenzen für das Unternehmen vermieden389 und so das „Vertrauen der Geschäftspartner und des Marktes in das Unternehmen“ gestärkt werden.390 Zur zweckmäßigen Einrichtung muss der Vorstand die Lage des Unternehmens beurteilen und eine an den Unternehmensstrukturen und dem Unternehmensinteresse eines schadensfreien Betriebs ausgerichtete Gestaltungsentscheidung im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens treffen. Eine solche Interpretation entspricht auch dem eingangs er­ mittelten Zweck der BJR, wonach der Vorstand bei der Einführung von Com­ pliance-Strukturen zwar nicht zum Eingehen von Risiken ermutigt werden, sondern vielmehr die planmäßige Grundlage für die Kalkulation und Vermeidung von Risiken schaffen soll.391 Gleichwohl erscheint die Compliance-Organisation geradezu prädestiniert als Einfallstor für Rückschaufehler in der nachträglichen richterlichen Bewertung.392 Zudem fällt diese Aufgabe auch in den Rahmen ­seiner eigenverantwortlichen Leitungsverantwortung und seines Organisationsermessens,393 und kann nur im Hinblick auf die Tätigkeit, Bedürfnisse und Eigenheiten des Unternehmens vorgenommen werden.394 Der in der Literatur vertretenen Auffassung, es handele sich bei der Ausgestaltung der Compliance-Strukturen um eine Ermessensentscheidung bzw. um eine unternehmeri386  LG München I, Urt. v. 10.12.2013 – 5HK O 1387/10 – Leitsatz 1 = NZG 2014, 345 f.; ebenso etwa Reichert/Ott, NZG 2014, 241 (242). 387  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11. 388  Siehe dazu oben Teil 2 §  1 C. I. 2. a. aa. aaa. bzw.Teil 2 §  2 B I. 1. 389  Dazu im Einzelnen Bicker, AG 2012, 542 (542 f.). 390  Hölters, in: Hölters, AktG, §  93 Rn.  91. 391  Vgl. dazu oben Teil 2 §  1 C. II. 1. 392  Vgl. dazu nur die Überlegungen von Bachmann, ZIP 2014, 570 (580 f.) bzw. die Ausführungen oben Teil 2 §  1 C. II. 2. 393  So die treffende Einordnung von Bachmann, ZIP 2014, 570 (581); Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, §  93 Rn.  37; Kort, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  91 Rn.  123; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  76 Rn.  16; a. A. LG München I, Urt. v. 10.12.2013 – 5 HK O 1387/10 = NZG 2014, 345 ff. 394  S. etwa Kort, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  91 Rn.  122 f.; Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173 (2174); sowie oben Teil 3 §  2 B. III. 2. d. zur Organisationsverantwortung.

§  2 Verortung in der Leitungstätigkeit des Vorstands

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sche Entscheidung des Vorstands, ist – sofern nicht im Einzelnen gesetzliche Vorgaben eingreifen – zuzustimmen.395 Während der Vorstand zur Aufklärung von Compliance-Verstößen grundsätzlich verpflichtet ist, unterliegt die Frage, wie er im Einzelfall die Sachaufklärung betreibt, aus oben genannten Gründen ebenfalls seinem Ermessen;396 freilich kann sich dieser Spielraum auf die Wahl eines bestimmten Mittels der Aufklärung hin verengen, wenn etwa nur ein bestimmtes Mittel Erfolg verspricht397 oder eine Aufklärung zu zeit- bzw. kostenintensiv wäre.398 Bei erkannten Verstößen muss der Vorstand das erkannte Verhalten – ohne Ermessensspielraum – umgehend abstellen und sodann sanktionieren, wobei ihm hinsichtlich der zu ergreifenden Maßnahmen ebenfalls ein von ihm auszufüllender, eigenständiger Ermessensspielraum und damit nach hier vertretener Auffassung die BJR zugute kommt.399 Sofern der Vorstand einer Konzernobergesellschaft präzisen, spezialgesetzlichen (Einrichtungs-) Pflichten genügen muss, scheidet ein Ermessensspielraum aus.400 Ansonsten obliegt dem Vorstand – eingedenk der im Einzelnen sehr umstrittenen Rechtslage – wohl jedenfalls keine derart strikte Compliance-Pflicht wie in der Einzelgesellschaft; er kann sich vielmehr hinsichtlich der Ausgestaltung der Compliance-Organisation an den Interessen und Bedürfnissen der Obergesellschaft (insbesondere Schadensabwehr) orientieren und für eine insofern zweckmäßige Überwachung in den Tochtergesellschaften sorgen.401 Diese Entscheidung bildet somit ebenfalls eine Ermessens- bzw. unternehmerische Entscheidung.402

395 

Mit Beispielen Kort, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  91 Rn.  181. Reichert/Ott, NZG 2014, 241 (243) m. w. N.; dies., ZIP 2009, 2173 (2177 f.); Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598 (1600); tendenziell wohl auch Kort, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  91 Rn.  126 aufgrund der Orientierung an Unternehmensinteressen. 397  Reichert/Ott, NZG 2014, 241 (244); dies., ZIP 2009, 2173 (2178). 398  Kort, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  91 Rn.  126. 399  Bicker, AG 2012, 542 (547); Fleischer, NZG 2014, 321 (324); Reichert/Ott, NZG 2014, 241 (243); dies., ZIP 2009, 2173 (2178 f.); weitergehend Hölters, in: Hölters, AktG, §  93 Rn.  109 m. w. N. („keine grundsätzliche Sanktionierungspflicht“). 400  Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  91 Rn.  76; Verse, ZHR 175 (2011), 401 (415). 401  Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  22 Rn.  595; Koch, WM 2009, 1013 (1014 f.); Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  91 Rn.  76; Verse, ZHR 175 (2011), 401 (411 ff.; 415 f.). 402  Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  22 Rn.  595; Koch, WM 2009, 1013 (1015); Uwe H. Schneider, NZG 2009, 1321 (1325); Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  91 Rn.  76; Verse, ZHR 175 (2011), 401 (415 f.). 396 

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

3. Kontrolle des Unternehmens a. Inhalt Die Kontrollverantwortung des Vorstands umfasst nach klassischem Verständnis zunächst die „laufende und nachträgliche Kontrolle von Durchführung und Erfolg delegierter Geschäftsführungsaufgaben“.403 Daneben tritt die teils im Rahmen der sog. Steuerungsverantwortung formulierte Aufgabe des Vorstands, „den Gang der Geschäfte und die Ergebnisentwicklung in allen unternehmerischen Teilbereichen nach der Wertung des §  90 Abs.  1 Nr.  3 AktG kritisch [zu] begleiten“.404 Das betrifft insbesondere auch den Vergleich geplanter Soll-Werte mit tatsächlichen Ist-Werten.405 In zeitlicher Perspektive ist zwischen „antizipierende[r], begleitende[r] und […] rückblickende[r] Führungskontrolle“ zu unterscheiden, die jeweils die Zweckmäßigkeit der zu bewertenden Maßnahmen zum Prüfungsgegenstand hat.406 Eingeschlossen ist zudem auch die Zweckmäßigkeit der eigenen Organisation.407 Gegenüber seinen Kollegen ist der Vorstand dazu verpflichtet, „den Gang der Geschäfte über ihre jeweiligen Ressortgrenzen hinweg fortlaufend zu beobachten“.408 Eine konkrete Zuweisung dieser Überwachungs- und Kontrollpflichten an einen gem. §  84 Abs.  2 AktG bestellten Vorstandsvorsitzenden lässt die Verantwortung des einzelnen Vorstandsmitglieds unverändert fortbestehen.409 Schließlich obliegt dem Vorstand auch ­gegenüber dem Aufsichtsrat eine auf die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen gerichtete Überwachungspflicht, die z. B. dessen Vergütung wie auch eine möglicherweise notwendige Verfolgung von Schadensersatzansprüchen des Unternehmens gegen ehemalige Vorstandsmitglieder umfasst.410 b. Unternehmerische Entscheidungen Zunächst steht es als Leitungsaufgabe nicht im Belieben des Vorstands, auf eine Kontrolle seines Unternehmens zu verzichten, sodass sich ein Unterlassen – wie auch die mangelnde Wahrnehmung der dem Vorstand ansonsten obliegenden Leitungsaufgaben – als Pflichtverletzung darstellt. Inhaltlich ist die insbesondere dem Vorstand obliegende und auf den Gang der Geschäfte gerichtete „Füh403 

Vedder, in: Grigoleit, AktG, §  76 Rn.  4; Weber, in: Hölters, AktG, §  76 Rn.  10. Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  40; gleichsinnig Semler, Leitung und Überwachung, §  1 Rn.  18; Weber, in: Hölters, AktG, §  76 Rn.  10 („Überwachung von Geschäftsund Ergebnisentwicklung“). 405  Witte, Allg. BWL, S.  114, S.  175; Semler, ZGR 1983, 1 (14). 406  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  40. 407  Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  98. 408  Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  8 Rn.  3. 409  Semler, Leitung und Überwachung, §  1 Rn.  19. 410  Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  99. 404 

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rungskontrolle“ indes nicht von der unternehmerischen Leitungstätigkeit selbst zu trennen. Hier bildet – mit dem zu kontrollierenden Erfolg der Geschäfte – allein das vom Vorstand zu interpretierende „Wohl der Gesellschaft“ den Erkenntnisauftrag des Vorstandshandelns. Insofern steht dem Vorstand somit auch Ermessen gem. §  93 Abs.  1 S.  2 AktG zu. Ein solches scheidet dagegen aus, wenn sich die Kontrollaufgabe des Vorstands nicht auf die Zweckmäßigkeit, sondern auf die Rechtmäßigkeit einzelner Aspekte – wie etwa der Beschlusskontrolle – erstreckt. 4. Personalverantwortung a. Inhalt Schließlich obliegt dem Vorstand eine Personalverantwortung in Form der Verantwortung für die Besetzung von Führungspositionen innerhalb des Unternehmens.411 Diese Personalverantwortung wird mitunter – in Abweichung von der klassischen Auffassung412 – nicht als selbständiges Element der Leitungsverantwortung aufgeführt, gleichwohl aber als Unterfall der Organisationspflichten des Vorstands mittelbar doch den Führungsfunktionen zugeordnet.413 Sie beinhaltet in erster Linie die Verantwortlichkeit des Vorstands zur Besetzung von zentralen Stellen, also Führungsposten innerhalb des Unternehmens mit „geeigneten Persönlichkeiten“.414 Daraus ergeben sich Folgepflichten und Querverbindungen zur Planungsverantwortung, da der Vorstand für Nachwuchs sorgen und Personalreserven schaffen muss.415 Das erfordert eine Planung hinsichtlich des Bedarfs an Personal, und dessen Beschaffung durch Identifikation und Anwerbung geeigneter Kandidaten ebenso wie deren Weiterbildung oder Beförderung innerhalb des Unternehmens.416 Die Überwachung hinreichender Qualifikation der Mitarbeiter bildet wiederum eine Querschnittsmaterie zur Kontrollund Organisationsverantwortung.417 Daraus ergibt sich in negativer Hinsicht 411  Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  76 Rn.  18; Semler, Leitung und Überwachung, §  1 Rn.  20; Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Haftung, §  4 Rn.  15. 412  So etwa Semler, Leitung und Überwachung, §  1 Rn.  20. 413  Nicht nachvollziehbar deshalb Semler, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  1 Rn.  189 Fn.  262. 414  Semler, Leitung und Überwachung, §  1 Rn.  20; Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Haftung, §  4 Rn.  15 f. 415  Semler, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  1 Rn.  214 f.; Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Haftung, §  4 Rn.  16. 416  Hinsichtlich der vom Vorstand zu besetzenden Führungsposten Semler, Leitung und Überwachung, §  1 Rn.  20; grundlegend Peters/Brühl/Stelling, BWL, S.  159 ff.; Schierenbeck/Wöhle, Grundzüge der BWL, S.  237 ff. 417  Unter die Organisationsverantwortung fassend denn auch Fleischer, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  7 Rn.  42.

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auch die Verantwortung zur Entfernung von Kandidaten, die sich als ungeeignet oder unzulässig für die Besetzung der ihnen zugedachten Stellen erwiesen haben.418 Eine Einschränkung wird dahingehend vorgenommen, dass die Verantwortung des Vorstands nur die Besetzung von Führungsposten betrifft.419 Diese Einschränkung erscheint angesichts der Bedeutung der Besetzung zentraler Positionen für das ganze Unternehmen folgerichtig, da typischerweise mit einer leitenden Position auch eine intensivere Einflussnahme auf grundlegende Prozesse innerhalb des Unternehmens einhergeht. Personalmaßnahmen auf mittleren Führungsebenen und unterhalb davon fallen demnach nicht mehr zwangsläufig in die Personalverantwortung des Vorstands.420 b. Unternehmerische Entscheidungen Grundsätzlich muss der Vorstand selbst entscheiden, wer die zentralen Funktionen im Unternehmen wahrnimmt.421 Gegenüber den Vorstellungen und Vorschlägen leitender Angestellter muss er sein eigenes Urteil bilden.422 In der Besetzung mit geeigneten Kandidaten spiegeln sich der Stil, das Talent und das unternehmerische Selbstverständnis der jeweils auswählenden, verantwortlichen Führungskraft wider. Zugleich wirkt sich die Auswahl von Mitarbeitern durch ihre Arbeitskraft bzw.- leistung als Produktionsfaktor freilich auch auf den Erfolg des Unternehmens aus.423 Insbesondere obliegt es der individuellen Einschätzung des Vorstands, ob Personal hinsichtlich der von ihm zu besetzenden Positionen für die Bedingungen der jeweiligen Stelle geeignet ist, was sich nach den Anforderungen der Arbeit, der individuellen Eignung und der Leistungsbereitschaft der Arbeitskraft bemisst.424 Das OLG Oldenburg erklärte die Grundsätze des „erheblichen unternehmerischen Handlungsermessens“, wie sie für unternehmerische Entscheidungen gelten, bei Personalmaßnahmen im Kompetenzbereich des Geschäftsführers einer GmbH für einschlägig.425 Dieser Auffassung ist angesichts der grundsätzlichen Bindung des Vorstands, sich bei 418 

Semler, Leitung und Überwachung, §  1 Rn.  20; ders., ZGR 1983, 1 (13 f.). Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  76 Rn.  5. 420  Semler, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  1 Rn.  214 Fn.  288. 421  Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Haftung, §  4 Rn.  15. 422  Semler, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  1 Rn.  214; Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Haftung, §  4 Rn.  16. 423  Semler, ZGR 1983, 1 (13 f.); Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Haftung, §  4 Rn.  15; aus betriebswirtschaftlicher Perspektive Schierenbeck/Wöhle, Grundzüge der BWL, S.  233 f.; Peters/Brühl/Stelling, BWL, S.  121 ff. 424  Zu diesen Determinanten Schierenbeck/Wöhle, Grundzüge der BWL, S.  238 ff. 425  OLG Oldenburg, Urt. v. 22.06.2006 – 1 U 34/03 = NZG 2007, 434 (Leitsatz 1: „Bei der Haftung des Geschäftsführers […] ist zu berücksichtigen, dass dem Geschäftsführer bei unternehmerischen Entscheidungen ein erhebliches Handlungsermessen zusteht […]. Diese Grundsätze gelten auch bei personellen Maßnahmen […]“). 419 

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Personalmaßnahmen an dem von ihm verstandenen Unternehmensinteresse zu orientieren, auch hinsichtlich der AG zuzustimmen.426 Grenzen der unternehmerischen Entscheidungen bei Personalmaßnahmen ergeben sich auf der Ebene der Legalitätspflicht insbesondere, sofern der Vorstand arbeitsrechtliche Besonderheiten berücksichtigen muss. Eine unternehmerische Entscheidung kann aufgrund der Legalitätsbindung des Vorstands auch nicht vorliegen, wenn für Besetzungen konkrete fachliche Qualifikationen des Personals gefordert werden und es nicht im Ermessen des Vorstands steht, derlei gesetzliche Vorgaben zu ignorieren.427 Ähnliche Grenzen des Ermessens ergeben sich, sofern der Vorstand durch arbeitsrechtliche Regelungen zur Gleichbehandlung verpflichtet wird, die sich als strikte Vorgaben und nicht lediglich als Empfehlungen darstellen.428 Umgekehrt kann auch eine Kündigungsentscheidung nur jenseits der – voll nachprüfbaren – arbeitsrechtlichen Vorgaben als unternehmerische Entscheidung gelten.

C. Unternehmerische Entscheidungen im Rahmen der gesetzlichen Pflichtaufgaben Nachdem die typischen Leitungsaufgaben des Vorstands betrachtet wurden, sind nun die einzelnen Vorschriften des AktG, deren Adressat der Vorstand ist, auf unternehmerische Entscheidungen hin zu untersuchen. I. Aktienrechtliche Pflichten im Rahmen der Gesellschaftsgründung 1. Vorüberlegung zum Haftungsmaßstab bei Gründungsvorgängen Im Sachzusammenhang der Gesellschaftsgründung richtet sich die Verantwortlichkeit der beteiligten Unternehmensorgane nach §  48 AktG. Da §  48 S.  2 AktG im Wesentlichen auf die allgemeinen Vorgaben der §§  93, 116 AktG verweist, gelten für die Bewertung des Vorstandsverhaltens die üblichen haftungsrechtlichen Regeln.429 Das schließt, sofern eine unternehmerische Tätigkeit in diesem frühen Stadium bedient wird, auch die Anwendung der BJR ein.430 Ver426  Ebenso Bank, in: Patzina/Bank/Schimmer/Simon-Widmann, Haftung von Unterneh­mens­ organen, Kap.  6 Rn.  93; Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  93 Rn.  87. 427  Vgl. Goette, in: Hdb. Corporate Governance, 713 (726). 428  Empfehlungen bilden etwa die Vorgaben des DCGK zur „Diversity“ des Aufsichtsrats in §  5.4.1. DCGK; vgl. dazu auch die Ausführungen zu §  161 AktG unten Teil 3 §  2 C. VII. 429  Auszunehmen sind hier gem. §  48 Abs.  2 AktG die allgemeinen Vorgaben zu Verzicht, Vergleich und Verjährung zugunsten der in §  50 AktG und §  51 AktG verorteten Spezialregelungen, s. Bayer, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  48 Rn.  9. 430  Gerber, in: Spindler/Stilz, AktG, §  48 Rn.  5; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  48 Rn.  4; Pentz, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2008), §  48 Rn.  23; Solveen, in: Hölters, AktG, §  48 Rn.  8.

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

bleiben also abseits strikt ausgestalteter, rechtlicher oder spezieller inhaltlicher Vorgaben Handlungsspielräume, so muss das Verhalten des Vorstands demnach auch in diesem Stadium als Ermessensentscheidung bzw. nach hiesigem Verständnis als unternehmerische Entscheidung im Sinne der BJR gelten können.431 2. Zusammensetzung des Aufsichtsrats, §§  30, 31 AktG Dem Vorstand kommt zunächst gem. §  30 Abs.  3 S.  2 AktG die Aufgabe zu, „rechtzeitig“ vor dem Ende der Amtszeit des ersten Aufsichtsrats bekanntzugeben, wie „nach seiner Auffassung“ der demnächst zu bestellende zweite Aufsichtsrat zusammengesetzt sein muss. Dabei muss er gem. §  30 Abs.  3 S.  2 AktG insbesondere die Vorschriften über die Zusammensetzung gem. §§  96–99 AktG berücksichtigen. Hier verbleibt kein Raum für Ermessensentscheidungen, da dem Vorstand, ähnlich wie bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, die Bewertung einer rechtlichen Frage aufgegeben wird.432 Da in diesem Fall angesichts der präzisen Vorgaben von §  96 AktG eine klare Zuordnung möglich ist, muss die Bekanntgabe des Vorstands eine präzise juristische Aussage enthalten, die sich als richtig oder falsch bewerten lässt. Gleiches gilt, wenn ein Unternehmen im Rahmen einer Sachgründung in die AG eingebracht wird. Dann muss der Vorstand gem. §  31 Abs.  3 S.  1 AktG ebenfalls „unverzüglich“ „seine Auffassung“ hinsichtlich der korrekten Besetzung des Aufsichtsrats bekanntgeben. Damit handelt es sich um einen bestimmten inhaltlichen Erkenntnisauftrag und nicht um eine Ermessensentscheidung des Vorstands. Hinsichtlich der „rechtzeitigen“ Bekanntgabe sind nach Auffassung des Schrifttums vier bis fünf Monate ausreichend.433 Die zeitlichen Vorgaben sind verbindlich und justiziabel. Ob der Vorstand indessen einen oder zwei Monate früher – also z. B. sechs oder sieben Monate vor der Hauptversammlung bereits seine Bekanntgabe macht, bleibt ihm überlassen; um eine unternehmerische Entscheidung handelt es sich mangels Freiheit zur Artikulation des „Wohls der Gesellschaft“ jedenfalls nicht. 3. Gründungsprüfung, §§  33, 33a, 34 AktG Die Gründung der AG ist vom Vorstand zusammen mit dem Aufsichtsrat zu prüfen, wozu §  33 Abs.  1 AktG verpflichtet.434 Inhaltlich hat sich die Prüfung 431  Arnold, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  48 Rn.  12; Ehricke, in: Großkomm-AktG (4. Aufl., Stand 30.07.2003), §  48 Rn.  17. 432  Vgl. dazu oben Teil 3 §  1 D. III. 3. d. bb. 433  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  30 Rn.  9 m. w. N. 434  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  33 Rn.  1 f.; Pentz, in Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  16 Rn.  135.

§  2 Verortung in der Leitungstätigkeit des Vorstands

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auf die in §  34 Abs.  1, Nr.  1 und Nr.  2 AktG aufgezählten Parameter zu erstrecken. Im Anschluss ist gem. §  34 Abs.  2 AktG über die Prüfung ein Bericht zu erstatten, der neben den aufgeführten Inhalten auch sämtliche, für die Aktionäre potentiell später relevanten Sachverhalte einschließen muss.435 In diesen Fragen besteht kein selbständiger Spielraum für den Vorstand und damit auch kein Anwendungsbereich der BJR. Anders gestaltet sich die Situation nur hinsichtlich der in §  34 Abs.  2 S.  3 AktG vorgesehenen Abweichungsmöglichkeit: Sofern gem. §  33a AktG eine externe Gründungsprüfung unterbleibt, kann der Vorstand in seiner Berichterstattung auch auf eine Berücksichtigung der Inhalte aus §  34 Abs.  1 Nr.  2 AktG und §  34 Abs.  2 S.  2 AktG im Gründungsbericht verzichten. Das betrifft jedoch nur den internen Bericht; die Prüfungspflicht bleibt bestehen und gegenüber dem Handelsregister sind die Angaben gem. §  37a AktG letztlich dennoch zu machen.436 Gegenüber den außenstehenden Gläubigern verhält sich die Vorschrift somit im Ergebnis neutral. Der Vorstand kann sich im Rahmen seines Ermessens frei entscheiden. Es handelt sich somit um eine unternehmerische Entscheidung i. S. v. §§  48 Abs.  2 AktG i. V. m. 93 Abs.  1 S.  2 AktG. 4. Anmeldung der Gesellschaft, §§  36–37a AktG Gemäß §§  36 Abs.  1 AktG muss der Vorstand die Gesellschaft zusammen mit den Gründern und dem Aufsichtsrat in das Handelsregister eintragen lassen. Hier handelt es sich um eine strikte Verpflichtung zur Vornahme eines Realaktes. Dabei bleibt dem Vorstand keine Wahlmöglichkeit angesichts der Frage, ob er die Gesellschaft eintragen lässt. Ebenso wenig steht der Zeitpunkt hinsichtlich der Vorgaben aus §  36 Abs.  2 AktG sowie dem gem. §  37 AktG vorgegebenen Inhalt der Anmeldung zu seiner Disposition. Wenn auf eine externe Gründungsprüfung verzichtet wird, sind für die Anmeldung schließlich die modifizierten inhaltlichen Vorgaben von §  37a Abs.  1, 2 AktG zu berücksichtigen und die in §  37a Abs.  3 AktG aufgeführten Unterlagen beizufügen.437 Raum für unternehmerische Entscheidungen verbleibt bei der Anmeldung der Gesellschaft somit nicht.

435 

Pentz, in Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  16 Rn.  135. So bereits der Gesetzgeber bei der Erneuerung der Vorschrift durch das ARUG 2009 (Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie vom 30.07.2009, BGBl.  I 2009, S.  2479 ff.), BT.Drucks. 16/11642, S.  23; desw. Arnold, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  34 Rn.  14; Bayer, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  34 Rn.  14; Polley, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  34 AktG Rn.  7. 437  Arnold, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  37a Rn.  3 ff.; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  37a Rn.  1 ff.; Terbrack, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  37a AktG Rn.  2 ff. 436 

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5. Nachgründung Soll ein Vertrag geschlossen werden, der den Regeln der Nachgründung unterfällt, so treffen den Vorstand verschiedene Pflichten. a. Publizitätspflichten, §  52 Abs.  2 AktG Insbesondere muss der Vorstand den Vertragsentwurf ab dem Zeitpunkt der Einberufung der Hauptversammlung gem. §  52 Abs.  2 S.  2 AktG in den Geschäftsräumen der AG zur Einsicht auslegen und Aktionären gem. §  52 Abs.  2 S.  3 AktG auf deren Verlangen hin Abschriften erteilen.438 Beide Pflichten belassen keinen Raum für unternehmerische Entscheidungen. Eine Ausnahme gilt gem. §  52 Abs.  2 S.  4 AktG, sofern der Vertragsentwurf auf der Internetseite der Gesellschaft veröffentlicht wird. Der Regierungsentwurf zur Novelle der Vorschrift im Zuge des ARUG hat deutlich gemacht, dass die Wahl eines solchen Vorgehens im Wesentlichen von den Eigenschaften des Unternehmens abhängt,439 und über ihre Eignung vor diesem Hintergrund im Einzelfall zu entscheiden ist.440 Bei der Wahl der Publizitätsmöglichkeiten handelt es sich demnach um eine unternehmerische Entscheidung, da der Vorstand das „Wohl der Gesellschaft“ hinsichtlich dieser Maßnahme bewerten muss und im Rahmen seiner Leitungsverantwortung frei entscheiden kann. Ebenso stellt sich die in §  52 Abs.  2 S.  5 AktG normierte, ansonsten strikt ausgestaltete Pflicht des Vorstands zur Auslegung des Vertragsentwurfs während der Hauptversammlung dar: Hinsichtlich der Form der Auslegung wurde im Zuge der Novelle der Vorschrift die Möglichkeit der Gesellschaft anerkannt, der Auslegungspflicht entweder in herkömmlicher Papierform oder in elektronischer Form, z. B. durch das Aufstellen von Monitoren, zu genügen.441 Die Wahl zwischen diesen Medien bildet demnach ebenfalls eine unternehmerische Entscheidung.

438  Dazu Arnold, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  52 Rn.  29; Pentz, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2008), §  52 Rn.  27. 439  BT.-Drucks. 16/11642, S.  24. 440  Ebenso wohl Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  52 Rn.  13. 441  BT.-Drucks. 16/11642, S.  25; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  52 Rn.  13 („Auswahl und Ausgestaltung der Technik obliegen der AG“).

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b. Erläuterung, §  52 Abs.  2 S.  6 AktG Des Weiteren muss der Vorstand den jeweiligen Nachgründungsvertrag gem. §  52 Abs.  2 S.  6 AktG im Rahmen der Hauptversammlung erläutern.442 Hinsichtlich der grundsätzlichen Verpflichtung zur Erläuterung443 bleibt für den Vorstand bereits kein Spielraum für abweichendes Verhalten. Die Art der Erläuterung ist dagegen gesetzlich nicht vorgegeben und erfordert eine individuelle Beurteilung durch den Vorstand, da er nicht jedes Detail in seine Erläuterung mit einbeziehen muss.444 Wie der Vorstand die Erläuterung durchführt, ist freilich nicht eine Angelegenheit des allgemeinen „Wohls der Gesellschaft“, sondern hat sich am Informationsinteresse der Aktionäre zu orientieren, dem die Erläuterung dient.445 Hier bestehen anerkannte Modalitäten, denen die Erläuterung genügen muss. So muss der Vorstand die Erläuterung „zusammenhängend und in mündlicher Form“ betreiben, eine schwerpunktmäßige Zusammenfassung des Vertrags liefern und auf die „rechtlichen und wirtschaftlichen Vorund Nachteile“ des Vertragsabschlusses eingehen.446 Um eine unternehmerische Entscheidung handelt es sich demnach nicht. Lässt der Vorstand die Erläuterung aus oder berücksichtigt er einzelne der notwendigen Modalitäten nicht, so wird ein in Bezug auf den Nachgründungsvertrag möglicherweise gefasster Hauptversammlungsbeschluss gem. §  243 Abs.  4 AktG anfechtbar.447 Ermessensentscheidungen liegen damit im Rahmen der Erläuterung nicht vor. c. Nachbereitung der Nachgründung, §  52 Abs.  2 AktG Schließlich muss der Vorstand gem. §  52 Abs.  2 S.  7 AktG den Nachgründungsvertrag der Niederschrift über die Hauptversammlung hinzufügen. Des Weiteren muss er den Nachgründungsvertrag gem. §  52 Abs.  6 S.  1 AktG einschließlich des Nachgründungsberichts und der in §  52 Abs.  6 S.  2 AktG aufgezählten Anlagen in das Handelsregister eintragen lassen.448 Bei diesen klar vorgezeichneten Verhaltenspflichten steht ihm kein Ermessensspielraum zu.

442  Arnold, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  52 Rn.  29; Pentz, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2008), §  52 Rn.  31 ff. 443  Arnold, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  52 Rn.  29; Pentz, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2008), §  52 Rn.  32. 444  Priester, in: Großkomm-AktG (4. Aufl., Stand 01.07.2003), §  52 Rn.  67. 445  Priester, in: Großkomm-AktG (4. Aufl., Stand 01.07.2003), §  52 Rn.  66 f. 446  Pentz, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2008), §  52 Rn.  32; ebenso Priester, in: Großkomm-AktG (4. Aufl., Stand 01.07.2003), §  52 Rn.  67. 447  Pentz, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2008), §  52 Rn.  67; Priester, in: Großkomm-AktG (4. Aufl., Stand 01.07.2003), §  52 Rn.  67. 448  Siehe dazu Solveen, in: Hölters, AktG, §  52 Rn.  25.

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

II. Aktienrechtliche Pflichten im Kontext von Buchführung und Rechnungslegung 1. Führung der Handelsbücher, §  91 Abs.  1 AktG Obwohl die Buchführung keine originäre Pflicht des Vorstands selbst ist, sondern die AG von den handelsrechtlichen Vorschriften adressiert wird, legt §  91 Abs.  1 AktG die Zuständigkeit für die Führung der Bücher des Unternehmens in die Gesamtverantwortung des Vorstands.449 Die Inhalte dieser Pflicht ergeben sich indessen nicht direkt aus §  91 AktG, sondern aus den einschlägigen Vorschriften des AktG in §§  150 ff. AktG sowie darüber hinaus aus handelsrechtlichen Vorschriften.450 Ob der Vorstand der Verpflichtung zur Führung der Handelsbücher nachkommt, liegt nicht in seinem Ermessen, sondern bildet eine strikte Handlungsverpflichtung.451 Des Weiteren treffen den Vorstand als Annex dieser Pflicht präzise festgelegte Aufbewahrungspflichten gem. §  238 Abs.  2 HGB und §  257 HGB,452 hinsichtlich deren Einhaltung ihm ebenfalls kein Ermessenspielraum verbleibt. 2. Jahresabschluss und Lagebericht Im Rahmen der Buchführung hat der Vorstand besondere handelsrechtliche Vorgaben zu beachten. Dabei handelt es sich zum einen gem. §  264 Abs.  2 S.  1 HGB um die Pflicht, ein den „tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln“.453 Hinsichtlich des Konzernabschlusses regelt dies §  297 Abs.  2 S.  2 HGB.454 Des Weiteren unterliegt der Vorstand dem „Gebot der Ansatz- und Bewertungsstetigkeit“ i. S. d. §§  246 Abs.  3, 252 Abs.  1 Nr.  6 HGB.455 Im Kontext der speziellen handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften bieten sich ihm diverse Entscheidungsspielräume, die indes nicht dem aktienrechtlichen Pflichtenkreis des Vorstands unterfallen und deshalb hier nicht weiter zu vertiefen sind.456 Des Weiteren treffen den Vorstand näher zu betrachtende aktienrechtliche Pflichten hinsichtlich des Jahresabschlusses. 449  Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  91 AktG Rn.  2; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  91 Rn.  2; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  91 Rn.  4. 450  Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  91 Rn.  9 f. 451  Goette, in: Hdb. Corporate Governance, 713 (726), auch m. w. N. zur Rspr. 452  Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  91 Rn.  11. 453  Dazu Hennrichs/Pöschke, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  171 Rn.  36. 454  Hennrichs/Pöschke, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  171 Rn.  36. 455  Hennrichs/Pöschke, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  171 Rn.  36. 456  Siehe dazu Hennrichs, AG 2006, 698 (703 f.); Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  171 Rn.  7; Müller, in: Liber Amicorum Happ, 179 ff.; ders., in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  8 Rn.  191 ff.; Spindler, NZG 2005, 865 (871).

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a. Erstellungs- und Vorlagepflichten Zunächst ergibt sich aus §  170 Abs.  1 S.  1 AktG i. V. m. §  264 Abs.  1 und §  242 Abs.  3 HGB die Pflicht des Vorstands, neben Jahresabschluss und Vorschlag zur Gewinnverwendung einen Lagebericht zu erstellen.457 Weitere Aufstellungsverpflichtungen können sich insbesondere in Konzernsachverhalten ergeben.458 Die Aufstellung hat gem. §  264 Abs.  1 S.  3 AktG – ausweislich S.  4 mit Ausnahmen für kleine Kapitalgesellschaften i. S. v. §  267 Abs.  1 HGB – innerhalb der „ersten drei Monate des Geschäftsjahres für das vergangene Geschäftsjahr“ zu erfolgen.459 Hinsichtlich der Wahrnehmung dieser strikt ausgestalteten Erstellungspflichten verbleibt dem Vorstand kein Ermessensspielraum. Nach Fertigstellung ist der Vorstand gem. §  170 Abs.  1 S.  1 AktG „unverzüglich“, also ohne schuldhaftes Zögern i. S. v. §  121 Abs.  1 S.  1 BGB, zur Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts an den Aufsichtsrat verpflichtet.460 Nach S.  2 gilt dies auch für den Einzelabschluss gem. §  325 Abs.  2a HGB sowie für Konzernabschlüsse und Lageberichte, sofern es sich um ein Mutterunternehmen im Konzern handelt.461 Gem. §  170 Abs.  2 S.  1 AktG hat er zudem einen Gewinnverwendungsvorschlag zu unterbreiten, der nach den weiteren Vorgaben des S.  2 zu gliedern ist.462 Diese Pflichten sind einschließlich der „Unverzüglichkeit“ als zeitlichem Maßstab sämtlich strikt zu befolgen und lassen keinen Raum für unternehmerische Entscheidungen. b. Forcierung der Prüfung durch den Aufsichtsrat, §  171 AktG Gleichermaßen präzisen Pflichtenbindungen unterliegt der Vorstand auch im weiteren Kontext der Prüfung der Unterlagen durch den Aufsichtsrat. So muss er gem. §  171 Abs.  3 S.  2 AktG bei nicht fristgerechter Zuleitung des Prüfungsberichts durch den Aufsichtsrat eine maximal einmonatige Nachfrist setzen.463 Angesichts dieser strikten Vorgaben verbleibt dem Vorstand auch hier kein Ermessensspielraum. Bei einer erneuten Verletzung dieser Frist ersetzt §  171 457  Näher Hennrichs/Pöschke, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  170 Rn.  6 und a. a. O., Rn.  12 ff.; Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  23 Rn.  610 f.; Reiner, in: MüKoHGB, §  264 Rn.  17 f. 458  Hennrichs/Pöschke, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  170 Rn.  25 ff. 459  Näher zu den Fristen Reiner, in: MüKo-HGB, §  264 Rn.  19 ff. 460  Hennrichs/Pöschke, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  170 Rn.  33 ff.; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  170 Rn.  3; Steiner, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  170 AktG Rn.  3 ff. 461  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  170 Rn.  2a f.; Steiner, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  170 AktG Rn.  2 ff. 462  Dazu im Detail Steiner, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  170 AktG Rn.  10 ff. 463  Hennrichs/Pöschke, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  171 Rn.  216 ff.; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  171 Rn.  26; Waclawik, in: Hölters, AktG, §  171 Rn.  26.

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Abs.  3 S.  3 AktG die mangelnde Billigung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat mit der Konsequenz einer Hauptversammlungszuständigkeit gem. §  173 Abs.  1 S.  1, 2. Alt. AktG.464 Konsequenz einer nicht erfolgten Zuleitung ist für den Vorstand das aus §  171 Abs.  4 S.  2 AktG resultierende Verbot einer Offen­legung der genannten Abschlüsse mangels Billigung.465 Auch hier verbleibt ihm kein Ermessen und damit kein Raum für eine unternehmerische Entscheidung. c. Einstellung in Gewinnrücklagen, §  58 Abs.  2 AktG Bei der Feststellung des Jahresabschlusses, zu der die AG im Rahmen ihrer Buchführung gem. §  170 Abs.  1 S.  1 AktG, §  264 Abs.  1 S.  1 und §  242 Abs.  3 HGB verpflichtet ist,466 wird der Vorstand zusammen mit dem Aufsichtsrat gem. §  58 Abs.  2 S.  1 AktG ermächtigt, maximal die Hälfte des erwirtschafteten Überschusses in „andere Gewinnrücklagen ein[zu]stellen“. Aus der Per­ spektive des Vorstands betrachtet liegt diese Maßnahme aufgrund der eingeräumten Wahlfreiheit in seinem Ermessen und ist eine unternehmerische Entscheidung, da er hier frei ist, sich im Rahmen seines Leitungsauftrags nach den von ihm als solchen verstandenen Interessen des Unternehmens zu richten.467 Gleiches gilt auch für die Auflösung der Rücklagen, wobei auch hier im Einzelnen Einschränkungen gelten können.468 Die Grenzen dieser Befugnis können gem. §  58 Abs.  2 S.  2 AktG in der Satzung auf variierende Beträge beziffert werden. Deren Einhaltung steht – ebenso wie die betragsmäßige Begrenzung des §  58 Abs.  2 S.  3 AktG – jedoch nicht im Ermessen des Vorstands, sondern ist im Rahmen seiner Legalitätsbindung uneingeschränkt nachprüfbar.469 Inhaltliche Grenzen des Vorstandsermessens er464  Hennrichs/Pöschke, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  171 Rn.  221 ff.; Waclawik, in: Hölters, AktG, §  171 Rn.  26. 465  Dazu Hennrichs/Pöschke, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  171 Rn.  224. 466  Siehe nur Schiessl, in: Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  3 Rn.  2. 467  Baums, in: FS K. Schmidt, 57 (67 f.); Drygala, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  58 Rn.  54 (s. dort Rn.  55 ff. auch zu Grenzen im Einzelnen); Fleischer, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  58 Rn.  18 f. (vgl. auch a. a. O., Rn.  18 Fn.  60 m. w. N.); Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  58 Rn.  9 („Ob und in welchem Umfang sie davon Gebrauch machen, entscheiden sie […] iR ihres Leitungsermessens“); gleichsinnig wohl Henze, BB 2000, 209 (210 f.) sowie Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Großkomm-GmbHG, §  43 Rn.  64. 468  Drygala, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  58 Rn.  88. 469  In diesem Sinne wohl auch BGH, Urt. v. 01.03.1971 – II ZR 53/69 = NJW 1971, 802 (803 f.): „Bei diesen Rücklagen ist das freie Ermessen der Verwaltung […] in doppelter Hinsicht begrenzt, nämlich einmal durch die Abhängigkeit von einer Satzungsermächtigung, soweit die Hälfte des Jahresüberschusses überschritten wird (§  58 Abs.  2 Satz  2 AktG), zum anderen durch die Schranke des §  58 Abs.  2 Satz  3 AktG, die selbst durch die Satzung nicht durchbrochen werden kann und deshalb auch die Minderheit unbedingt sichert“; OLG Stuttgart, Urt. v. 16.11.2005 – 20 U 2/05 = NJOZ 2006, 2226 (2231): „Verwaltung [kann] den durch §  58 Abs.  2 S.  1 AktG gesetzten Rahmen

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geben sich insbesondere auch bei einer drohenden Existenzvernichtung: Der Vorstand darf dann nicht mehr „vernünftigerweise annehmen, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“ ohne Thesaurierungen vorzunehmen.470 Ebenfalls im Ermessen des Vorstands steht es, gem. §  58 Abs.  2a S.  1 AktG Einstellungen in andere Gewinnrücklagen anlässlich von Wertaufholungen bei Vermögensgegenständen und bei bestimmten Passivposten vorzunehmen.471 Gleiches gilt auch für die Auflösung solcher Rücklagen.472 Eine strikte Folgepflicht entsteht bei dieser Maßnahme jedoch gem. §  58 Abs.  2a S.  2 AktG hinsichtlich des Ausweises bzw. der Angabe des jeweils eingestellten Betrags.473 d. Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn, §  59 Abs.  1 AktG Wird der Vorstand gem. §  59 Abs.  1 AktG durch die Satzung zu Abschlagszahlungen ermächtigt, so betrifft diese Ermächtigung einen Sachzusammenhang, der nicht in die originäre Kompetenz des Vorstands fällt.474 Da der Vorstand die Entscheidung zur Ausführung jedoch – im Rahmen der durch den Ermächtigungsbeschluss vorgegebenen Grenzen – allein an dem von ihm interpretierten Unternehmensinteresse auszurichten hat, wird die Entscheidung zu Recht von der h. M. in seinem Ermessen475 verortet, und bildet somit nach hier vertretener Auffassung eine unternehmerische Entscheidung i. S. v. §  93 Abs.  1 S.  2 AktG. Zu beachten ist indes, dass die in §  59 Abs.  2 AktG aufgeführten Grenzen hinsichtlich „Grund und Höhe“ eingehalten werden.476 Diese Parameter sind wiederum voller richterlicher Nachprüfung zugänglich und unterfallen nicht der BJR.477 Darüber hinaus muss gem. §  59 Abs.  3 AktG die getroffene Entscheidung dem Aufsichtsrat zur Zustimmung vorgelegt werden. Diese Vorlagepflicht ist als strikte Bindung ohne Ermessensspielraum zu verstehen.478 mit Rücklagen bis zur Hälfte des Jahresüberschusses grundsätzlich in eigener Verantwortung nach ihrem Ermessen ausschöpfen“. 470  Baums, in: FS K. Schmidt, 57 (68); Drygala, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  58 Rn.  55. 471  Ebenso („pflichtgemäßes Ermessen“) Bayer, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2008), §  58 Rn.  77; Drygala, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  58 Rn.  87. 472  Drygala, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  58 Rn.  88. 473  Dazu Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  58 Rn.  21. 474  Waclawik, in: Hölters, AktG, §  59 Rn.  7; ferner Bayer, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2008), §  59 Rn.  4. 475  Bayer, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2008), §  59 Rn.  9; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, §  59 Rn.  7; für den Aufsichtsrat ders., WM 2013, 1293; Henze, in: Großkomm-AktG (4. Aufl., Stand 01.03.2000), §  59 Rn.  14; Waclawik, in: Hölters, AktG, §  59 Rn.  7; a. A. Drygala, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  59 Rn.  21. 476  Dazu Henze, in: Großkomm-AktG (4. Aufl., Stand 01.03.2000), §  59 Rn.  14; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  59 Rn.  3. 477  Ebenso Drygala, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  59 Rn.  21. 478  Siehe dazu abermals Waclawik, in: Hölters, AktG, §  59 Rn.  7.

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

3. Maßnahmen zur Früherkennung und Überwachung, §  91 Abs.  2 AktG a. Grundsätzliche Verpflichtung Gem. §  91 Abs.  2 AktG ist der Vorstand verpflichtet, „geeignete Maßnahmen“ vorzunehmen und „insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten“, anhand dessen Entwicklungen, die potentiell für den Bestand des Unternehmens bedrohlich sind, früh erkennbar gemacht werden sollen.479 Dem Vorstand verbleibt aufgrund der Verbindlichkeit dieser Vorgabe keine Wahlmöglichkeit, ob er diese Maßnahmen tatsächlich betreibt.480 Insofern scheidet auch eine unternehmerische Entscheidung aus.481 b. Individuelle Ausgestaltung Bei dem soeben erwähnten Überwachungssystem handelt es sich nicht um eine Pflicht zur Einführung eines selbständigen Risikomanagements, sondern um eine Präzisierung der ohnehin bestehenden Pflicht des Vorstands zur Kontrolle der eigenen Organisation bezüglich der gem. §  92 Abs.  2 S.  1 AktG getroffenen Früherkennungsmaßnahmen.482 Hier besteht eine Überschneidung mit der Zielrichtung von Compliance-Maßnahmen.483 Hinsichtlich der Ausführung muss es sich um „geeignete Maßnahmen“ handeln. Dazu kann das Gesetz angesichts der Vielgestalt der Faktoren, die die Eignung im Einzelfall beeinflussen, schwerlich eine allgemeine Aussage treffen.484 Zielrichtung der vom Vorstand geforderten Maßnahmen ist eine planmäßige Identifikation bestandsgefährdender Entwicklungen485 und damit die Sicherung der dauerhaften Rentabilität des Unternehmens. Welche Maßnahmen dazu im Einzelfall geeignet und zweckmäßig erscheinen, muss der Vorstand für das Unternehmen selbständig entscheiden. Einschränkungen können sich hier ergeben, sofern im Einzelfall bestimmte Parameter der Einrichtung vorgegeben werden, wie es etwa im Fall von Versicherungsgesellschaften gem. §  64a VAG und für Banken gem. §  25a KWG der 479 

Näher dazu Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  91 Rn.  23 f. Goette, in: Hdb. Corporate Governance, 713 (727); Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  98. 481  Ebenso Goette, in: Hdb. Corporate Governance, 713 (727); Grunewald, NZG 2013, 841 (842). 482  Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, §  91 Rn.  8; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/ Lutter, AktG, §  91 Rn.  13 f.; vgl. zur Organisationskontrolle oben Teil 3 §  2 B. III. 3. 483  Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  91 Rn.  34; vgl. auch oben Teil 3 §  2 III. 2. e. 484  Als Faktoren können sich neben der allgemeinen Situation des Unternehmens, dessen Marktlage und individueller Strukturen auch konkrete Faktoren wie z. B. eine Börsennotierung darstellen, Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  91 Rn.  28, Fn.  108 m. w. N. und Mertens/ Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2013), §  91 Rn.  37. 485  Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  91 Rn.  20. 480 

§  2 Verortung in der Leitungstätigkeit des Vorstands

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Fall ist.486 Abseits dieser präzisen Vorgaben liegt die konkrete Ausgestaltung der Vorkehrungen zur Früherkennung und Überwachung im Ermessen des Vorstands und ist als unternehmerische Entscheidung einzuordnen.487 4. Pflichten bei drohenden Verlusten a. Einberufung der Hauptversammlung, §  92 Abs.  1 AktG Gem. §  92 Abs.  1 AktG hat der Vorstand unter bestimmten Modalitäten die Hauptversammlung einzuberufen und sie über drohende bzw. eingetretene Verluste in Kenntnis zu setzen. Dies gilt namentlich, wenn „bei der Aufstellung der Jahresbilanz oder einer Zwischenbilanz […] ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals“ festgestellt wird, oder ein solcher „bei pflichtmäßigem Ermessen anzunehmen“ ist. In den ersten Fällen stellt sich die Pflicht als Konsequenz einer konkreten Rechnung dar und eröffnet dem Vorstand keinen Ermessensspielraum.488 Nichts anderes ergibt sich, sofern die Norm eine Einberufungsund Anzeigepflicht fordert, falls eine solche bei „pflichtmäßigem Ermessen“ indiziert ist. Hier besteht entgegen des Worlauts kein Ermessen des Vorstands im Sinne der BJR.489 Der Vorstand muss vielmehr andauernd überwachen, ob sich ausweislich der Jahresbilanz oder einer Zwischenbilanz eine Verlustsitua­ tion in der als Hälfte des Grundkapitals vorgegebenen Dimension ergeben könnte.490 Diese Überwachung ist zwar von Prognosen abhängig, stellt sich aber nicht als allgemeine Projektionsfläche des Unternehmensinteresses dar: Sie bezweckt in erster Linie die Information der Aktionäre und deren Möglichkeit zur Reaktion auf eine potentiell bedrohliche Situation.491 Es erscheint deshalb nicht gerechtfertigt, an dieser Stelle im Sinne von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG lediglich evidente Verstöße des Vorstands gegen das „Wohl der Gesellschaft“ zum Maß486  Vgl. dazu näher nur Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, §  25a Rn.  106 ff.; Laars, Versicherungsaufsichtsgesetz, §  64a Rn.  2 ff. 487  Ebenso Bosch/Lange, JZ 2009, 225 (230); Eckert, in: Wachter, AktG, §  91 Rn.  10; Kort, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  91 Rn.  47; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  4 Rn.  98; Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2013), §  91 Rn.  37; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  91 Rn.  17, Rn.  70; ebenso als Teil des „Leitungsermessens“ von Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  91 Rn.  7 eingeordnet. 488  Goette, in: Hdb. Corporate Governance, 713 (727). 489  Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  92 AktG Rn.  9; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands, S.  193 f.; ebenso wohl Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S.  141 f. 490  Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  92 Rn.  9; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  92 Rn.  3; Müller-Michaels, in: Hölters, AktG, §  92 Rn.  5. 491  Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  92 Rn.  4 m. w. N.; Habersack/Foerster, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  92 Rn.  2; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  92 Rn.  1. Das heißt freilich nicht, dass die Einberufung der Hauptversammlung nicht im Ergebnis auch dem Unternehmenswohl dient, wie Müller-Michaels, in: Hölters, AktG, §  92 Rn.  10 treffend anmerkt.

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

stab der Überprüfung auf Pflichtverletzungen zu machen. Hier kommt letztlich nur die Gewähr eines abseits von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG zu verortenden Beurteilungsspielraums in Betracht.492 b. Zahlungsverbote, §  92 Abs.  2 AktG Der Vorstand darf gem. §  92 Abs.  2 S.  1 AktG keine Zahlungen leisten, wenn „die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eingetreten ist oder sich ihre Überschuldung ergeben hat“. Insofern muss der Vorstand erneut eine Sachverhaltsfeststellung betreiben.493 Folge einer ermittelten Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ist ein strikt bindendes Zahlungsverbot.494 Eine unternehmerische Ermessensentscheidung liegt aufgrund des präzisen Ermittlungsauftrags nicht vor. Ausgenommen von dieser Bindung werden gem. §  92 Abs.  2 S.  2 AktG nur Zahlungen, „die auch nach diesem Zeitpunkt [der Zahlungsunfähigkeit] mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind“. Typischerweise wird damit eine Ausnahme für sogenannte „masseneutrale“ Zahlungen statuiert, mit denen eine werthaltige Gegenleistung korrespondiert.495 Zweck der ausnahmsweisen Zahlungserlaubnis ist nicht, Zahlungen allein aufgrund der Interessen der Gesellschaft zu ermöglichen, sondern – mit der Ratio des Zahlungsverbots ingesamt – der „Masseerhaltung und dem Interesse der Gläubiger“ zu dienen.496 Bei der Frage, ob eine ausnahmsweise zulässige Zahlung vorliegt, scheidet deshalb die Einräumung eines Ermessenspielraums i. S. v. §  93 Abs.  1 S.  2 AktG aus.497 Gleiches ergibt sich deshalb auch für das nach Abs.  2 S.  3 bestehende Verbot, Zahlungen an Aktionäre zu leisten „soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten“ und dessen korrespondierende Ausnahme für Zahlungen, bei denen der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit „auch bei Beachtung der in §  93 Abs.  1 Satz  1 bezeichneten Sorgfalt nicht erkennbar“ war.

492 

Vgl. dazu oben Teil 3 §  1 D. III. 4. c. Vgl. nur Semler, Leitung und Überwachung, §  4 Rn.71 und oben Teil 3 §  1 D. III. 4. c. 494  Zur Ermittlung der Überschuldung vgl. Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  92 Rn.  13 ff.; Schröder, in: HK-Insolvenzrecht, §  19 InsO Rn.  5 ff.; zur Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit Koch, in: Hüffer, a. a. O., Rn.  11 f. und Schröder, in: HK-Insolvenzrecht, §  17 InsO Rn.  4. 495  Siehe nur Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  92 AktG Rn.  13 m. w. N. 496  BGH, Urt. v. 16.03.2009 – II ZR 280/07 = NJW 2009, 2454 (2455) („Durch das Zahlungsverbot soll sichergestellt werden, dass das noch vorhandene Gesellschaftsvermögen zur gleichmäßigen und ranggerechten Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erhalten bleibt“); ebenso hinsichtl. §  64 Abs.  2 GmbHG bereits BGH, Urt. v. 29.11.1999 – II ZR 273/98 = NZG 2000, 370; desw. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  92 Rn.  29 m. w. N.; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, §  92 Rn.  36 i. V. m. 24; Habersack/Foerster, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  92 Rn.  3. 497  A.A. Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  92 Rn.  29. 493 

§  2 Verortung in der Leitungstätigkeit des Vorstands

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III. Aktienrechtliche Pflichten im Verhältnis zu den Aktionären 1. Aufforderung zur Einzahlung, §  63 Abs.  1 AktG Gemäß §  63 Abs.  1 AktG kann der Vorstand die Aktionäre zur rechtzeitigen Einzahlung ihrer Einlagen auffordern.498 Insofern liegt ein Ermessensspielraum und damit nach hier vertretenem Verständnis eine unternehmerische Entscheidung des Vorstands vor, da er in der Frage, ob und wenn ja, in welcher Höhe er die Aufforderung zur Zahlung geltend macht, frei ist, sich nach dem von ihm als solchen verstandenen Unternehmensinteresse zu richten.499 Verpflichtend ist allerdings, falls der Vorstand sich zur Aufforderung entschließt, die Einhaltung der Bekanntmachungsmodalitäten im Bundesanzeiger bzw. in durch die Satzung bestimmten sonstigen Publizitätsmedien.500 Insbesondere muss der Vorstand an dieser Stelle auch den aktienrechtlichen Gleichbehandlungssatz gem. §  53a AktG berücksichtigen.501 Der Inhalt der Aufforderung muss „eindeutig und bestimmt“ sein.502 Sie muss neben weiteren Parametern insbesondere ausdrücklich die Schuldner als Adressaten bezeichnen sowie die Modalitäten (Umfang, Fristen etc.) der offenen Einlageforderung nennen.503 Hinsichtlich dieser verpflichtenden Daten verbleibt demnach kein Ermessensspielraum. 498  Zum Kontext Bayer, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2008), §  63 Rn.  1 f. Die Aufforderung wird im Schrifttum teilweise als Geschäftsführungsmaßnahme angesehen, vgl. Drygala, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  63 Rn.  15; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  63 Rn.  5. Der Wortlaut lässt dagegen nur den Schluss auf den Gesamtvorstand als Adressat zu, was wiederum auf das Vorliegen einer Leitungsaufgabe schließen lässt. Jedoch wird die Aufforderung durchweg auch als unabdingbare und – außer im Rahmen satzungsmäßig festgelegter Zustimmungserfordernisse – Einflüssen der Hauptversammlung unzugängliche Vorstandsaufgabe bezeichnet, siehe Drygala, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  63 Rn.  15; Laubert, in: Hölters, AktG, §  63 Rn.  5 („Vorstand […] ausschließlich und unabdingbar […] zuständig“; Befugnis könne „weder in der Satzung noch durch Beschluss der Hauptversammlung auf ein anderes Organ der Gesellschaft übertragen werden“); gleichsinnig z. B. Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, §  63 Rn.  10 und Fleischer, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  63 Rn.  11. Die Bezeichnung als Geschäftsführungsmaßnahme dürfte vor diesem Hintergrund nicht technisch – als Abgrenzung zur Leitungsaufgabe – zu verstehen sein, sondern der Kennzeichnung als „Aufgabe der Geschäftsführung“ dienen; für die hier vorzunehmende Betrachtung ergeben sich jedenfalls aufgrund der Orientierung an der Erwähnung des Vorstands als ausdrücklichem Normadressaten ohnehin keine Unterschiede. 499  So bzw. im Sinne eines Ermessens Bayer, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2008), §  63 Rn.  28; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, §  63 Rn.  12; Drygala, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  63 Rn.  16; Fleischer, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  63 Rn.  13; Lange, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  63 AktG Rn.  4; Laubert, in: Hölters, AktG, §  63 Rn.  6; Paul, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  63 AktG Rn.  2. 500  Siehe dazu nur Laubert, in: Hölters, AktG, §  63 Rn.  8. 501  Drygala, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  63 Rn.  17; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  63 Rn.  6. 502  Drygala, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  63 Rn.  19. 503  Drygala, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  63 Rn.  19; Paul, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  63 AktG Rn.  3.

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

2. Anlage eines Aktienregisters, §  67 AktG Im Schrifttum wird die Pflicht des Vorstands, ein Aktienregister anzulegen, unter die Kategorie der Leitungsaufgaben aufgrund ihrer besonderen Tragweite für das Unternehmen gefasst.504 Dem ist zuzustimmen. Zwar wird der Vorstand als Organ im Rahmen der durch §  67 AktG vorausgesetzten Erstellung eines Aktienregisters nicht ausdrücklich als Adressat erwähnt.505 Jedoch ist die Verantwortung für Aufstellung und Pflege gleichwohl aufgrund ihrer Bedeutung nach allgemeiner Ansicht als Leitungspflicht des Vorstands unter Zuweisung an den Vorstand als Kollegialorgan anerkannt.506 Da hinsichtlich des Aktienregisters in der Sache ein präzise vorbestimmter Katalog aufzunehmender Daten besteht,507 verbleibt dem Vorstand bei der Wahrnehmung dieser Verpflichtung kein Ermessensspielraum. 3. Zustimmung zur Übertragung von Namensaktien, §  68 Abs.  2 AktG Wenn gem. §  68 Abs.  2 S.  1 AktG die Übertragung von Namensaktien durch die Satzung an die Zustimmung des Unternehmens gebunden ist, obliegt die Zustimmung bzw. Ablehnung der Übertragung gem. §  68 Abs.  2 S.  2 AktG dem Vorstand,508 sofern in der Satzung keine abweichenden Zuständigkeitsregelungen zugunsten der Hauptversammlung oder des Aufsichtsrats getroffen wurden.509 In diesem Fall liegt die Entscheidung im Ermessen des Vorstands510 und bildet damit eine unternehmerische Entscheidung.511 Der BGH hat, wie auch die Literatur, diese Entscheidungsbefugnis als Ausübung „pflichtgemäßen Ermessens“ durch den Vorstand bezeichnet, wobei sich die „Ermessensausübung […] dabei 504 

Kort, NZG 2005, 963 (963 f.). Zum Zweck des Registers vgl. Bezzenberger, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  67 Rn.  1; Lutter/ Drygala, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  67 Rn.  3 ff. 506  Bezzenberger, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  67 Rn.  10; Lutter/Drygala, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  67 Rn.  9; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  76 Rn.  16. 507  Das betrifft insb. die Namen der Aktionäre; deren Geburtsdaten, sofern es sich um nat. Personen handelt bzw. die Firma bei Unternehmen; die Postanschrift und den jeweiligen Aktienbestand mit Rücksicht auf die Art der Aktien, siehe Bezzenberger, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  67 Rn.  12 ff. 508  Näher Bezzenberger, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  68 Rn.  15 ff.; Lutter/Drygala, in: KKAktG (3. Aufl. 2011), §  68 Rn.  2 ff. 509  Näher dazu Pentz, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  16 Rn.  141. 510  Für („pflichtgemäßes“) Ermessen BGH, Urt. v. 01.12.1986 – II ZR 287/85 = NJW 1987, 1019 (1020); Bayer, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2008), §  68 Rn.  72; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, §  68 Rn.  54; Grigoleit/Rachlitz, in: Grigoleit, AktG, §  68 Rn.  24; Heinrich, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  68 AktG Rn.  17; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  68 Rn.  15; Lange, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  68 AktG Rn.  9; Laubert, in: Hölters, AktG, §  68 Rn.  20; Lutter/Drygala, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  68 Rn.  78. 511  Ausdrücklich Parmentier, in: Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  2 Rn.  107; ebenso wohl Merkt, in: Großkomm-AktG (4. Aufl., Stand 01.06.2008), §  68 Rn.  407. 505 

§  2 Verortung in der Leitungstätigkeit des Vorstands

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zwar in erster Linie am Wohl der Gesellschaft zu orientieren [hat, der Vorstand], […] bei ihrer Entscheidung aber auch die berechtigten Interessen des betroffenen Aktio­närs nicht außer acht lassen [darf]“.512 Der dem Vorstand zustehende Ermessensspielraum ist demnach unter Berücksichtigung der Interessen des Unternehmens und der Interessen des jeweiligen Aktionärs bzw. der Aktionäre im Einzelfall sowie weiterer beschränkender Faktoren, insbesondere einschließlich des (grundsätzlich zu berücksichtigenden513) Gleichbehandlungsgebots, zu bedienen.514 Die Willensbildung des Vorstands betrifft demnach das allgemeine „Wohl der Gesellschaft“, in welches die Aktionäre – als in das kongruente Unternehmensinteresse involvierte Interessengruppe – ohnehin in die Überlegungen des Vorstands einzubeziehen und ihre Interessen ohnehin zu gewichten sind.515 Zugleich erlaubt die Leitungsverantwortung des Vorstands auch, wie durch das OLG Frankfurt im Jahr 2011 präzisiert wurde, eine Entscheidung entgegen einzelner Aktionärsinteressen.516 Eine Entscheidungskontrolle ist somit, da die BJR auch einen Blick auf den Entscheidungsinhalt ermöglicht,517 am Maßstab der „vernünftigerweise“ legitimen Entscheidung durchzuführen. Potentielle Verstöße gegen das vom Vorstand zu berücksichtigende Gleichbehandlungsgebot sind freilich auch hier zu berücksichtigen.518 Aufgrunddessen kann ein Ermessensspielraum des Vorstands ausscheiden, wenn in einem vergleichbaren Fall bereits anderweitig gehandelt wurde und somit ein Fall der Selbstbindung vorliegt.519 4. Erwerb und Einziehung eigener Aktien Grundsätzlich verbietet das AktG den Erwerb eigener Aktien, was insbesondere mit dem Schutz des Gesellschaftskapitals sowie der Kompetenzverteilung innerhalb der AG begründet wird.520 Gleichwohl bietet das AktG der AG unter 512  BGH, Urt. v. 01.12.1986 – II ZR 287/85 = NJW 1987, 1019 (1020); ebenso z. B. Bezzenberger, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  68 Rn.  30; Lutter/Drygala, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  68 Rn.  79. 513  Siehe nur Westermann, in: Bürgers/Körber, AktG, §  53a Rn.  21. 514  Bayer, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  68 Rn.  72; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, §  68 Rn.  54; Heinrich, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  68 AktG Rn.  17; Lange, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  68 AktG Rn.  9; Laubert, in: Hölters, AktG, §  68 Rn.  20; Lutter/ Drygala, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  68 Rn.  79; Wieneke, in: Bürgers/Körber, AktG, §  68 Rn.  21. 515  Siehe oben Teil 2 §  1 B. I. 2. 516  Siehe oben Teil 2 §  1 B. II. 517  Siehe oben Teil 2 §  2 D. I. 518  Bayer, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2008), §  68 Rn.  73; Grigoleit/Rachlitz, in: Grigoleit, AktG, §  68 Rn.  24; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  68 Rn.  15; Lange, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  68 AktG Rn.  9; Laubert, in: Hölters, AktG, §  68 Rn.  20. 519  Grigoleit/Rachlitz, in: Grigoleit, AktG, §  68 Rn.  24. 520  Drygala/Staake/Szalai, KapitalgesellschaftsR, §  20 Rn.  45 f.; Lutter/Drygala, in: KK-AktG

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit zu ihrem Erwerb oder ihrer Einziehung. a. Erwerb Der Erwerb eigener Aktien richtet sich nach §  71 Abs.  1 Nr.  1 AktG, der verschiedene Ausnahmetatbestände aufzählt. aa. Katalog der Ausnahmetatbestände, §  71 Abs.  1 S.  1 Nr.  1–7 AktG Zunächst ist der Erwerb eigener Aktien in den in §  71 Abs.  1 S.  1 Nr.  1–7 AktG erwähnten Ausnahmetatbeständen erlaubt.521 aaa. Feststellung der Voraussetzungen Angesichts der Legalitätsbindung und der strikt vorgegebenen Fallkonstellationen verbleibt bei der Identifikation eines Ausnahmetatbestands kein Raum für eine Ermessensausübung des Vorstands: Der Vorstand muss zunächst bewerten, ob die Situation den einzelnen Tatbestandsmerkmalen entspricht; nicht dagegen, ob ein Erwerb allgemein den von ihm verstandenen Unternehmensinteressen dient. Die Identifikation der Ausnahmetatbestände bildet demnach noch keine unternehmerische Entscheidung. bbb. Ausübungsentscheidung Sofern die Voraussetzungen eines Erwerbs vorliegen, ist der Vorstand nicht verpflichtet einen Erwerb vorzunehmen; §  71 Abs.  1 AktG erlaubt diesen lediglich durch die Formulierung, ein Rückerwerb „dürfe“ in den vorgegebenen Fällen durchgeführt werden. Ob der Vorstand Gebrauch von der Möglichkeit eines Rückerwerbs macht, muss er selbst im Rahmen seiner Leitungsverantwortung nach dem „Wohl der Gesellschaft“ bewerten. Liegen die Voraussetzungen eines Erwerbs vor, so bildet der darauf aufbauende Entschluss zum Rückerwerb eine unternehmerische Entscheidung. Dabei ist freilich der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten.522

(3. Aufl. 2011), §  71 Rn.  16 ff. (siehe auch dort hinsichtlich weiterer Aspekte); zum historischen Hintergrund Bezzenberger, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  71 Rn.  11 ff. 521  Näher zu den Erwerbszwecken Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, §  71 Rn.  47 ff.; Lutter/Drygala, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  71 Rn.  46 ff. 522  BT.-Drucks. 13/9712, S.  13; siehe auch Oechsler, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2008), §  71 Rn.  22.

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bb. Ermächtigung durch die Hauptversammlung, §  71 Abs.  1 S.1 Nr.  8 AktG §  71 Abs.  1 S.  1 Nr.  8 AktG ermöglicht einen Erwerb eigener Aktien ohne konkrete Zweckvorgabe523 aufgrund eines Hauptversammlungsbeschlusses.524 aaa. Rahmenbedingungen Bedient sich der Vorstand der Ermächtigung, so hat er aufgrund seiner Legalitätsbindung die von der Hauptversammlung im Beschluss formulierten Grenzen einzuhalten. Diese sind mindestens die Geltungsdauer der Ermächtigung, der Preisrahmen für den Rückkauf, Schranken des Erwerbsvolumens im Verhältnis zum Grundkapital und schließlich ein fakultativ festsetzbarer Zweck des Erwerbs.525 Diese Vorgaben sind vom Vorstand beim Erwerb zu berücksichtigen und als Element der ihm obliegenden Legalitätsbindung voller richterlicher Nachprüfung zugänglich. bbb. Ausübungsentscheidung Im Schrifttum wird die Ausübung der Ermächtigung als „Akt der Geschäftsführung“ des Vorstands bezeichnet, ohne dass näher auf das mögliche Vorliegen einer Ermessensentscheidung eingegangen wird.526 Gleiches gilt für die korrespondierende Festlegung eines Zwecks zum Erwerb durch die Hauptversammlung.527 Wenn die oben aufgeführten Modalitäten eingehalten werden, muss freilich der verbleibende Rest der Entscheidung als Ermessensentscheidung und damit als unternehmerische Entscheidung gelten, da der Vorstand hier – innerhalb der vorgegebenen Rahmenbedingungen – das „Wohl der Gesellschaft“ zum Maßstab seiner Entscheidung machen kann.528

523  Deshalb ist hier konsequenterweise jeder im Rahmen der Vorschrift ansonsten legale Zweck ausreichend, vgl. Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  71 Rn.  19g. Ausgeschlossen wird gem. §  71 Abs.  1 S.  1 Nr.  8 S.  2 AktG der „Handel in eigenen Aktien“, siehe dazu Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  71 Rn.  19i. 524  Siehe dazu nur Lutter/Drygala, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  71 Rn.  117 ff. 525  Laubert, in: Hölters, AktG, §  71 Rn.  20; Lutter/Drygala, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  71 Rn.  125 ff. 526  Bezzenberger, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  71 Rn.  16. 527  Lange, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  71 AktG Rn.  11; Lutter/Drygala, KKAktG (3. Aufl. 2011), §  71 Rn.  139. 528  Im Ergebnis wohl gleichsinnig Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  71 Rn.  19f („Geschäftsführungsermessen“), ebenso Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, §  71 Rn.  93; Lange, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  71 AktG Rn.  14.

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

b. Einziehung, §  71 Abs.  1 Nr.  8 S.  6 AktG Gem. §  71 Abs.  1 Nr.  8 S.  6 AktG kann der Vorstand von der Hauptversammlung dazu ermächtigt werden, eigene Aktien der Gesellschaft einzuziehen, ohne dass dafür ein gesonderter Beschluss der Hauptversammlung notwendig ist.529 Grundsätzlich müsste eine Einziehung als Ausführung eines Hauptversammlungsbeschlusses angesichts der Verpflichtung des Vorstands zur Ausführung eines solchen gem. §  83 Abs.  2 AktG sofort umgesetzt werden.530 Angesichts dieser strikten Verpflichtung verbliebe kein Raum mehr für den Vorstand, die Einziehung von einer günstigen Marktsituation abhängig zu machen.531 Ob und wann er diese Entscheidung trifft, kann deshalb durch §  71 Abs.  1 Nr.  8 S.  6 AktG in sein Ermessen gelegt werden.532 Somit bildet die Entscheidung zur Einziehung nach hier vertretener Auffassung eine unternehmerische Entscheidung. Die gesetzlichen Vorgaben des Erwerbs und mögliche Vorgaben der Hauptversammlung – insbesondere zeitliche533 oder solche hinsichtlich des Erwerbszwecks534 – sind als Bindungen der Legalitätspflicht im Rahmen der Rechtmäßigkeit der jeweiligen unternehmerischen Entscheidung zu prüfen und begrenzen das Ermessen des Vorstands.535 Gleiches gilt, wie hinsichtlich der anderen Erwerbstatbestände, gem. §  71 Abs.  1 Nr.  8 S.  3 AktG ausdrücklich auch für das Gleichbehandlungsgebot.536 c. Informationspflichten, §  71 Abs.  3 S.  1 AktG Gem. §  71 Abs.  3 S.  1 AktG treffen den Vorstand Informationspflichten im Fall eines Erwerbs oder einer Einziehung von Aktien. Die nächste Hauptversammlung muss über die „Gründe und den Zweck des Erwerbs, über die Zahl der erworbenen Aktien und den auf sie entfallenden Betrag des Grundkapitals, über deren Anteil am Grundkapital sowie über den Gegenwert der Aktien“ unterrichtet werden.537 Die Bedienung dieser strikt ausgestalteten Informationspflichten 529  Dazu Block, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  71 AktG Rn.  72; Lange, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  71 AktG Rn.  14. 530  Lutter/Drygala, KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  71 Rn.  196. 531  Lutter/Drygala, KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  71 Rn.  196. 532  Für ein („pflichtgemäßes“) Ermessen Grigoleit/Rachlitz, in: Grigoleit, AktG, §  71 Rn.  62; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  71 Rn.  19n; Lange, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  71 AktG Rn.  14; Laubert, in: Hölters, AktG, §  71 Rn.  31; Lutter/Drygala, KK-AktG (3.  Aufl. 2011), §  71 Rn.  196; Oechsler, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2008), §  71 Rn.  285 („Einziehungsermessen“); a. A. Servatius, in: Wachter, AktG, §  71 Rn.  29. 533  Dazu Lutter/Drygala, KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  71 Rn.  198. 534  Dazu Drygala/Staake/Szalai, KapitalgesellschaftsR, §  20 Rn.  53. 535  Ebenso Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  71 Rn.  19n; Laubert, in: Hölters, AktG, §  71 Rn.  31. 536  Siehe nur Servatius, in: Wachter, AktG, §  71 Rn.  35. 537  Näher dazu Laubert, in: Hölters, AktG, §  71 Rn.  36.

§  2 Verortung in der Leitungstätigkeit des Vorstands

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steht weder hinsichtlich ihrer Vornahme, noch hinsichtlich der Art ihrer Durchführung im Ermessen des Vorstands. 5. Ausschluss von Minderheitsaktionären, §  327a ff. AktG a. Information des Hauptaktionärs, §  327b Abs.  1 AktG Im Vorfeld einer Ausschlussmaßnahme trifft den Vorstand gem. §  327b Abs.  1 S.  2 AktG die Pflicht, dem Hauptaktionär der Gesellschaft Unterlagen zugänglich zu machen, die dieser für die von ihm gem. §  327b Abs.  1 S.1 AktG vorzunehmende Festlegung der Höhe der Barabfindung braucht. Dazu können sensible Informationen über die Gesellschaft zählen, insb. solche hinsichtlich der ­Planung der Unternehmenstätigkeit, des Gesellschaftsvermögens oder des Risikomanagements.538 Diese Norm gilt als lex specialis zur Verschwiegenheitspflicht des §  93 Abs.  1 S.  3 AktG539 und gibt dem Vorstand neben der grundsätzlichen Verpflichtung zur Auskunftserteilung die Prüfung auf, ob die Voraussetzungen von §  327a AktG überhaupt vorliegen, ob die verlangten Informationen zur Bewertung relevant sind oder ob deren Anforderung sich nicht als missbräuchlich darstellt.540 Diese Verpflichtung im Einzugsbereich des Geheimnisschutzes und damit der Verschwiegenheitspflicht lässt keinen Raum für eine Ermessensentscheidung und damit für unternehmerische Entscheidungen des Vorstands. b. Zugänglichmachung und Erläuterung des Entwurfs, §  327d AktG Während der Hauptversammlung muss der Vorstand gem. §  327d S.  1 AktG den Aktionären die wesentlichen, in §  327c Abs.  3 AktG aufgelisteten Unterlagen über das Ausschlussvorhaben zugänglich machen.541 Diese muss er nach h. M. zusätzlich zu der vom Gesetz geforderten Auslage auch erläutern.542 Hier verbleibt dem Vorstand ebenfalls kein Ermessensspielraum und damit keine unternehmerische Entscheidung. Zum anderen sieht §  327d S.  2 AktG vor, dass der Vorstand „dem Hauptaktionär Gelegenheit geben [kann], den Entwurf des Übertragungsbeschlusses und die Bemessung der Höhe der Barabfindung zu 538  Grunewald, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2010), §  327b Rn.  5; Singhof, in: Spindler/Stilz, AktG, §  327b Rn.  6. 539  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  327b Rn.  9; Müller-Michaels, in: Hölters, AktG, §  327b Rn.  13; vgl. auch Singhof, in: Spindler/Stilz, AktG, §  327b Rn.  6. 540  Heidel/Lochner, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  327b AktG Rn.  6; Grunewald, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2010), §  327b Rn.  4 f.; Müller-Michaels, in: Hölters, AktG, §  327b Rn.  15. 541  Dazu Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  327d Rn.  1 f. 542  Siehe nur Heidel/Lochner, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  327d AktG Rn.  4 (Fn.  12 m. w. N.).

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

Beginn der Verhandlung mündlich zu erläutern“. Ob er dies zulässt, ist an keine weiteren inhaltlichen Voraussetzungen gebunden und steht daher nach wohl h. M. grundsätzlich in seinem Ermessen,543 womit nach hier vertretener Auffassung auch eine unternehmerische Entscheidung vorliegt. c. Anmeldung des Übertragungsbeschlusses, §  327e AktG Schließlich hat der Vorstand gem. §  327e AktG den Übertragungsbeschluss einschließlich der notwendigen Anlagen beim Handelsregister anzumelden.544 Bei dieser strikten Verpflichtung verbleibt ihm kein Ermessensspielraum und damit auch keine unternehmerische Entscheidung. IV. Aktienrechtliche Pflichten bezüglich vorstandsinterner Sachverhalte 1. Erlass einer Geschäftsordnung, §  77 Abs.  2 AktG Ob der Vorstand, sofern dies gem. §  77 Abs.  2 S.  1 AktG mangels Übertragung auf den Aufsichtsrat möglich ist, eine Geschäftsordnung für die eigene Arbeit erlässt, bildet aufgrund der freien Befugnis zur Durchführung oder Unterlassung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften eine unternehmerische Entscheidung.545 Bei der Ausgestaltung dieser Geschäftsordnung ist der Vorstand an gesetzliche Vorgaben ebenso wie an die in §  77 Abs.  1 S.  2 AktG festgelegten Entscheidungsmehrheiten gebunden. Die Einhaltung dieser Bindung ist wiederum keine unternehmerische Entscheidung, sondern verpflichtend und vollständig nachprüfbar. 2. Interessenkonflikte bei der Willensbildung Sofern potentielle Interessenkonflikte bei der Willensbildung des Vorstands auftreten, ändern diese nichts am Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung. Interessenkonflikte sind erst auf der Ebene der Prüfung eines Handelns zum „Wohl der Gesellschaft“ zu verorten.546

543  Heidel/Lochner, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  327d AktG Rn.  3; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  327d Rn.  3; Müller-Michaels, in: Hölters, AktG, §  327d Rn.  5; Singhof, in: Spindler/Stilz, AktG, §  327d Rn.  3; Wilsing, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  327d AktG Rn.  2. 544  Dazu Heidel/Lochner, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  327e AktG Rn.  2 f.; Singhof, in: Spindler/Stilz, AktG, §  327e Rn.  3. 545  S. dazu die Ausführungen zur Selbstorganisation des Vorstands oben Teil 3 §  2 B. III. 2. c. 546  S. dazu Teil 2 §  2 B. I. 3.

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V. Aktienrechtliche Pflichten im Verhältnis zwischen den Organen und der AG 1. Pflichten gegenüber der AG Das AktG trägt dem Vorstand verschiedene Aufgaben gegenüber der AG selbst auf. a. Vertretung der AG, §  78 AktG Gem. §  78 Abs.  1 S.  1 AktG ist es Aufgabe des Gesamtvorstands, die AG „gerichtlich und außergerichtlich“ zu vertreten. Angesichts dieser strikt ausgestalteten Pflicht steht die Wahrnehmung der Vertretungsaufgabe nicht im Ermessen des Vorstands. Das Gesetz sieht allerdings auch Abweichungsmöglichkeiten vor. So können gem. §  78 Abs.  4 S.  1 AktG einzelne Vorstandsmitglieder, sofern sie „zur Gesamtvertretung befugt“ sind, wiederum „einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen.“ Die Ausübung dieser Ermächtigung liegt mangels konkreter Vorgaben als unternehmerische Entscheidung im Ermessen des Vorstands zur Selbstorganisation.547 Zu berücksichtigen ist, dass gem. §  81 Abs.  1 S.  1 AktG eine Meldepflicht beim Handelsregister hinsichtlich möglicher Änderungen in der Zusammensetzung des Vorstands als Organ oder der jeweils vereinbarten Vertretungsbefugnis besteht.548 Diese Meldepflicht verlangt zudem gem. §  81 Abs.  3 S.  1 AktG eine ausdrückliche Versicherung mit dem Inhalt, dass hinsichtlich der „neuen Vorstandsmitglieder […] keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach §  76 Abs.  3 Satz  2 Nr.  2 und 3 sowie Satz  3 entgegenstehen, und daß sie über ihre unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden sind.“ Weder hinsichtlich der Meldung an sich, noch hinsichtlich der vorgeschriebenen Versicherung bleibt Raum für im Ermessen des Vorstands liegende Abweichungsmöglichkeiten. b. Bindung an die Verfassung der AG, §  82 Abs.  2 AktG §  82 Abs.  2 AktG bindet den Vorstand an die Einhaltung der Kompetenzzuweisungen, „die im Rahmen der Vorschriften über die Aktiengesellschaft die Satzung, der Aufsichtsrat, die Hauptversammlung und die Geschäftsordnungen des Vorstands und des Aufsichtsrats für die Geschäftsführungsbefugnis getroffen haben“.549 Da sich bei entgegenstehendem Verhalten des Vorstands ein Verstoß gegen die Legalitätspflicht ergeben würde, bleibt auch hier keine Abweichungs547 

Siehe dazu oben Teil 3 §  2 B. III. 2. c. Näher Fleischer, NZG 2006, 561 (562). 549  Vgl. dazu Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  82 Rn.  32 ff. 548 

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möglichkeit550 und es werden dem Vorstand gerade keine Ermessensspielräume eröffnet.551 2. Pflichten gegenüber dem Aufsichtsrat Weiterhin weist das Gesetz dem Vorstand verschiedene Aufgaben gegenüber dem Aufsichtsrat zu. a. Berichtspflicht, §  90 Abs.  1 S.  1 AktG Im Rahmen der in §  90 Abs.  1 S.  1 AktG normierten Berichtspflicht des Vorstands verbleibt hinsichtlich der zu berichtenden Inhalte und der zeitlichen Intervalle der Berichterstattung kein Spielraum: Der Vorstand muss über sämtliche Themen, die in §  90 Abs.  1 S.  1 Nr.  1–4 AktG aufgeführt werden, anlässlich der in §  90 Abs.  2 AktG vorgegebenen Situationen berichten.552 Gem. §  90 Abs.  3 S.  1 AktG kann der Aufsichtsrat vom Vorstand Berichte einfordern, die der Vorstand sodann zu liefern hat. In Konzernsachverhalten ist zudem §  90 Abs.  1 S.  2 AktG zwingend zu berücksichtigen. Die vorzunehmende Berichterstattung liegt auch – obwohl keine präzisen Vorgaben bestehen – ihrem Inhalt nach nicht im Ermessen des Vorstands: §  90 Abs.  4 S.  1 AktG sieht vor, dass die „Grundsätze einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft“ vom Vorstand zu berücksichtigen sind, deren Einhaltung gerichtlicher Nachprüfung zugänglich sein muss.553 Des Weiteren eröffnet die in §  90 Abs.  4 S.  2 AktG geforderte „Rechtzeitigkeit“ der Erstattung ebenfalls keinen Ermessensspielraum für den Vorstand, sondern konkretisiert als unbestimmter Rechtsbegriff lediglich den zeitlichen Rahmen für die Berichterstattung, dessen Einhaltung gerichtlich voll überprüfbar ist.554 Verbindlich und keinen Raum für Ermessen belassend sind schließlich auch die gem. §  90 Abs.  4 S.  2 AktG zu beachtenden Vorgaben hinsichtlich der Form der Berichterstattung. b. Pflichten hinsichtlich der Zusammensetzung des Aufsichtsrats aa. Überwachung der Zusammensetzung, §  97 Abs.  1 S.  1 AktG Aus §  97 Abs.  1 S.  1 AktG ergibt sich zunächst eine Pflicht des Vorstands zur Überwachung der gesetzlich vorgeschriebenen Zusammensetzung des Auf550 

Paefgen, AG 2014, 554 (558); Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  73. Ebenso Goette, in: Hdb. Corporate Governance, 713 (728). 552  Näher zu den Inhalten Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  90 Rn.  4 ff.; zu den Zeitpunkten a. a. O., 9 f.; ausführlich zur Berichterstattung Pohle, in: Semler/Peltzer, Arbeitshdb. für Vorstandsmitglieder, §  5 Rn.  1 ff. 553  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  90 Rn.  13. 554  Zu den inhaltlichen Vorgaben Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  90 Rn.  13a. 551 

§  2 Verortung in der Leitungstätigkeit des Vorstands

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sichtsrats.555 Dabei kommt ihm kein eigener Entscheidungs- bzw. Ermessensspielraum zu; vielmehr handelt es sich allein um die Aufgabe einer Sachverhaltsermittlung.556 bb. Mögliche Konsequenzen Hinsichtlich der Konsequenzen, die der Vorstand aus der gewonnenen Erkenntnis einer fehlerhaften Besetzung ziehen kann, stehen ihm zwei verschiedene Möglichkeiten offen. aaa. Bekanntmachung, §  97 Abs.  1 S.  1 AktG Zum einen hat er seine Auffassung zu formulieren und diese unter Darlegung der seiner Auffassung nach für eine korrekte Zusammensetzung maßgeblichen Vorschriften (§  97 Abs.  1 S.  2 AktG) sowie unter Nennung der möglichen Konsequenzen einer weiterhin falschen Zusammensetzung (§  97 Abs.  1 S.  3 AktG) in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen.557 bbb. Einleitung eines Gerichtsverfahrens, §  98 Abs.  1, Abs.  2 Nr.  1 AktG Zum anderen kann der Vorstand neben einer Bekanntmachung auch direkt gem. §  98 Abs.  1, Abs.  2 Nr.  1 AktG ein Gerichtsverfahren herbeiführen, in dem die korrekte Zusammensetzung des Aufsichtsrats geklärt wird.558 ccc. Verhältnis beider Konsequenzen zueinander Beide Möglichkeiten stehen in einem alternativen Verhältnis zueinander, sofern Unklarheit über die korrekte Besetzung besteht.559 Bei der Auswahl einer Alternative darf der Vorstand allerdings nicht willkürlich zur Einleitung eines Gerichtsverfahrens schreiten; er hat vielmehr zu analysieren, welcher Weg dem Unternehmensinteresse am besten dient, wobei er insbesondere berücksichtigen muss, ob eine Gerichtsentscheidung hinsichtlich des finanziellen Aufwands gerechtfertigt erscheint und inwiefern die Anfechtung einer möglichen Bekanntmachung zu erwarten wäre.560 Welche Variante der Vorstand auf Basis dieser 555 

Zu den insofern relevanten Vorschriften Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  97 Rn.  3. Siehe dazu nur Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  26 Rn.  956. 557  Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  97 Rn.  8 ff.; Habersack, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  97 Rn.  20 ff.; Mertens/Cahn, KK-AktG (3. Aufl. 2013), §  97–99 Rn.  9 ff. 558  Ausführlich dazu Hopt/Roth/Peddinghaus, in: Großkomm-AktG (4. Aufl., Stand 01.10.2005), §  98 Rn.  4 ff.; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, §  98 Rn.  4 ff. 559  Habersack, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  97 Rn.  15 f.; Simons, in: Hölters, AktG, §  97 Rn.  1. 560  Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  97 Rn.  2; a. a. O., §  98 Rn.  6; Hopt/Roth/Peddinghaus, 556 

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Überlegungen wählt, liegt in seinem Ermessen561 und bildet damit eine unternehmerische Entscheidung. Ob er dagegen überhaupt im Wege einer der beiden Alternativen tätig wird, bildet keine unternehmerische Entscheidung, sondern verpflichtet ihn strikt. cc. Folgepflicht bei Änderungen im Handelsregister, §  99 Abs.  5 S.  3 AktG Im Falle einer gerichtlichen Entscheidung ergeben sich für den Vorstand Folgepflichten hinsichtlich der Publizität der Entscheidung. Wenn eine gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats ergeht, muss der Vorstand diese gem. §  99 Abs.  5 S.  3 AktG zum Handelsregister einreichen.562 Dabei kommt aufgrund der strikten Ausgestaltung dieser Pflicht kein Ermessensspielraum in Betracht. dd. Antrag auf Ergänzung, §  104 Abs.  1 AktG Wenn der Aufsichtsrat für eine Beschlussfassung nicht ausreichend besetzt ist, muss der Vorstand gem. §  104 Abs.  1 S.  1 AktG einen Antrag auf dessen Ergänzung durch das Gericht stellen.563 Dazu verbleibt ihm ebenfalls kein Ermessen. Auch hier liegt eine strikte Verpflichtung vor, die auf einer Tatsachenermittlung und Rechtsanwendung basiert und gem. §  104 Abs.  1 S.  2 AktG unverzüglich vorzunehmen ist.564 Eine Ausnahme von dieser strikten Verpflichtung gilt gem. §  104 Abs.  1 S.  2 AktG, sofern „die rechtzeitige Ergänzung vor der nächsten Aufsichtsratssitzung zu erwarten ist“. Die Voraussetzungen pflichtgemäßen Vorstandsverhaltens in dieser Situation werden dahingehend konkretisiert, dass der Vorstand sich zunächst „mit dem Gremium, das zur Bestellung des fehlenden Aufsichtsratsmitglieds oder der fehlenden Aufsichtsratsmitglieder berufen ist, in Verbindung setzen“ muss.565 Sofern „das fehlende Mitglied von der Hauptversammlung oder von den Arbeitnehmern zu wählen ist, muss der Vorstand klären, ob die Wahl noch vor der nächsten Aufsichtsratssitzung durchgein: Großkomm-AktG (4. Aufl., Stand 01.10.2005), §  97 Rn.  30; Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  26 Rn.  968; Mertens/Cahn, KK-AktG (3. Aufl. 2013), §  97–99 Rn.  4. 561  Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  97 Rn.  2; Henssler, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  97 AktG Rn.  1; Hopt/Roth/Peddinghaus, in: Großkomm-AktG (4. Aufl., Stand 01.10.2005), §  97 Rn.  30; Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  26 Rn.  968; Mertens/Cahn, KK-AktG (3. Aufl. 2013), §  97–99 Rn.  4. 562  Näher dazu Habersack, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  99 Rn.  26; Hopt/Roth/Peddinghaus, in: Großkomm-AktG (4. Aufl., Stand 01.10.2005), §  99 Rn.  38. 563  Ausführlich zum Verfahren Habersack, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  104 Rn.  37 ff.; Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (4. Aufl., Stand 01.10.2005), §  104 Rn.  88 ff. 564  Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  104 Rn.  4. 565  Habersack, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  104 Rn.  17; ebenso Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (4. Aufl., Stand 01.10.2005), §  104 Rn.  31.

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führt werden kann“.566 Schließlich ist „bei einem zu entsendenden Mitglied […] der Entsendungsberechtigte zu befragen, ob er rechtzeitig von seinem Entsendungsrecht Gebrauch macht.“567 Damit wird vom Vorstand eine Sachverhaltsermittlung und eine Lageeinschätzung im Hinblick auf eine konkrete Fragestellung gefordert; namentlich, ob die Ergänzung des Aufsichtsrats in der konkreten Situation zu erwarten ist.568 Der Vorstand wird dagegen nicht zu einem Handeln ermächtigt, bei dem er allein das „Wohl der Gesellschaft“ artikulieren kann. Hier kann dem Vorstand kein Ermessensspielraum einzuräumen sein und damit keine unternehmerische Entscheidung in der Frage vorliegen. ee. Anmeldung von Personalien der Verwaltung, §§  106, 107 AktG Gemäß §  106 AktG muss der Vorstand, sofern sich die Besetzung des Aufsichtsrats ändert, „unverzüglich“ i. S. v. §  121 Abs.  1 S.  1 BGB eine vollständige Liste der Personalien der Aufsichtsratsmitglieder beim Handelsregister einreichen.569 Insofern verbleibt ihm kein Ermessensspielraum. Gleiches ergibt sich auch hinsichtlich der gem. §  107 Abs.  1 S.  2 AktG bestehenden Verpflichtung, bei der Wahl eines Aufsichtsratsvorsitzenden dessen Personalien, Adresse und Stellvertreter zum Handelsregister einzureichen.570 c. Einberufung des Aufsichtsrats, §  110 AktG Grundsätzlich steht die Einberufung des Aufsichtsrats im Ermessen des Aufsichtsratsvorsitzenden; begrenzt wird dies insbesondere durch die Pflicht zur unverzüglichen Einberufung auf ein Verlangen gem. §  110 Abs.  1 AktG hin sowie durch bestimmte turnusmäßige Vorgaben.571 Der Vorstand wird in diesem Kontext gem. §  110 Abs.  1 AktG dazu ermächtigt, vom Aufsichtsratsvorsitzenden die Einberufung des Aufsichtsrats zu verlangen; §  110 Abs.  2 AktG bietet ihm die Möglichkeit, die Einberufung selbst vorzunehmen, falls der Vorsitzende seinem Verlangen nicht nachkommt. Die Ausübung des Einberufungsverlangens muss sich an den Interessen der Gesellschaft orientieren,572 steht somit mangels anderweitiger Vorgaben im Er566  Habersack, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  104 Rn.  17; ebenso Hopt/Roth, in: Großkomm-AktG (4. Aufl., Stand 01.10.2005), §  104 Rn.  31. 567  Habersack, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  104 Rn.  17. 568  Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, §  104 Rn.  15. 569  Näher Drygala, in: Schmidt/Lutter, §  106 Rn.  2 ff.; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  106 Rn.  2; Mertens/Cahn, KK-AktG (3. Aufl. 2013), §  106 Rn.  4. 570  Dazu Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  107 Rn.  14; Habersack, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  107 Rn.  37; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  107 Rn.  11. 571  Siehe statt vieler Henssler, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  110 AktG Rn.  7 (Orientierung am Gesellschaftsinteresse); Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2013), §  110 Rn.  2. 572  Henssler, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  110 AktG Rn.  14.

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messen des Gesamtvorstands573 und bildet eine unternehmerische Entscheidung. Falls die Einberufung nicht durchgeführt wird, kann der Vorstand den Aufsichtsrat gem. §  110 Abs.  2 AktG selbst einberufen. Auch bei der Frage, ob der Vorstand sich zu einer solchen Einberufung veranlasst sieht, handelt es sich um einen Auftrag zur Artikulation der Gesellschaftsinteressen574 und somit um eine unternehmerische Entscheidung. Der Spielraum des Vorstands kann allerdings insofern verengt sein, als die Interessen des Unternehmens die Einberufung des Aufsichtsrats dringend erfordern.575 In beiden Fällen müssen zudem verpflichtende Anforderungen eingehalten werden,576 bei denen jedoch kein Ermessen verbleibt und es sich demnach nicht um eine unternehmerische Entscheidung handelt. d. Zustimmungspflichtige Aufgaben, §  111 Abs.  4 S.  3 AktG Sofern Maßnahmen des Vorstands gem. §  111 Abs.  4 S.  3 AktG zustimmungspflichtig ausgestaltet sind, und der Aufsichtsrat die für eine Maßnahme notwendige Zustimmung dem Vorstand gegenüber nicht erteilt, kann der Vorstand die jeweilige Entscheidung der Hauptversammlung vorlegen. Diese kann dann darüber entscheiden, anstelle des Aufsichtsrats die Zustimmung zu erteilen. Die Entscheidung des Vorstands, von der Möglichkeit der Vorlage an die Hauptversammlung Gebrauch zu machen, liegt – sofern sich die Hauptversammlung mit der Frage befassen darf – als unternehmerische Entscheidung in seinem Ermessen.577 Dem entspricht auch die Natur von §  111 Abs.  4 S.  3 AktG als „Ergänzung und Modifikation von §  119 Abs.  2 AktG“,578 mithin der Norm, die dem Vorstand die Vorlage von Entscheidungen an die Hauptversammlung ermöglicht und ebenfalls als unternehmerische Entscheidung zu qualifizieren ist.579 3. Pflichten gegenüber der Hauptversammlung Schließlich weist das Gesetz dem Vorstand verschiedene Aufgaben gegenüber der Hauptversammlung zu.

573 

Habersack, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  110 Rn.  23. Henssler, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  110 AktG Rn.  14. 575  Henssler, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  110 AktG Rn.  14. 576  Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  110 Rn.  8 ff. 577  In diesem Sinne wohl Götz, ZGR 1990, 633 (644 f.); vgl. auch Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2013), §  111 Rn.  111. 578  Habersack, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  111 Rn.  130. 579  Zu §  119 Abs.  2 AktG sogleich unten Teil 3 §  2 C. V. 3. c. cc. 574 

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a. Einberufung, §  121 AktG Hinsichtlich der Einberufung der Hauptversammlung, die gem. §  121 Abs.  2 S.  1 AktG durch den Vorstand zu besorgen ist,580 kommen verschiedene, in §  121 Abs.  1 AktG geregelte Modalitäten in Betracht. aa. Anordnung durch Gesetz oder Satzung, §  121 Abs.  1, 1. Alt. AktG Sofern ein gesetzlicher oder satzungsmäßig bestimmter Anlass vorliegt, ist der Vorstand zur Einberufung der Hauptversammlung verpflichtet.581 Insbesondere sind dies die in §  119 Abs.  1 AktG aufgelisteten Fallkonstellationen sowie etwa §§  92 Abs.  1, 122 Abs.  1 S.  1, 179a Abs.  1 S.  1, 293 Abs.  1 S.  1, 319 Abs.  1 S.  1 oder 320 Abs.  1 S.  1 AktG.582 Unter die Kategorie gesetzlicher Einberufungsnotwendigkeiten sind auch die Fälle ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten bzw. Vorlagen des Vorstands an die Hauptversammlung gem. §  119 Abs.  2 AktG zu fassen.583 Sofern die Satzung Einberufungsgründe vorsieht, müssen sich diese gem. §  23 Abs.  5 AktG im Rahmen der aktienrechtlichen Kompetenzverteilung als Zuständigkeitsbereiche der Hauptversammlung darstellen.584 Raum für Ermessen bzw. unternehmerische Entscheidungen verbleibt beim Vorliegen von Einberufungsgründen aufgrund der dann strikten Bindung des Vorstands nicht.585 580  Dadurch ändert sich aber die Befugnis anderer Akteure zur Einberufung gem. §  121 Abs.  2 S.  3 AktG nicht; vgl. zu diesem Adressatenkreis Noack/Zetsche, KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  121 Rn.  41 ff.; Ziemons, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  121 Rn.  21 ff. 581  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  121 Rn.  3 f. 582  Kubis, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  121 Rn.  7; Ziemons, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  121 Rn.  10. 583  Kubis, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  121 Rn.  7 m. w. N.; Ziemons, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  121 Rn.  10; a. A. wohl Noack/Zetsche, KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  121 Rn.  27 (Verortung auf der Ebene als Einberufung zum „Wohl der Gesellschaft“). Gegen die Ansicht von Noack/Zetsche spricht, dass Fälle einer Anordnung zum „Wohl der Gesellschaft“ grundsätzlich ein Ermessen des Vorstands eröffnen, was Noack/Zetsche auch selbst anerkennen. Die Einräumung eines Ermessensspielraums scheidet aber in Fällen der gesetzlichen Anordnung ebenso aus, wie sie auch dem verpflichtenden Charakter der ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeiten widerspricht. 584  Herrler, in: Grigoleit/Tomasic, AktG, §  121 Rn.  5; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  121 Rn.  4 und a. a. O., §  119 Rn.  10. 585  Ebenso Noack/Zetsche, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  121 Rn.  16; exemplarisch hinsichtlich §  122 Abs.  1 AktG vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.07.2012 – I-6 U 69/11 = NZG 2013, 546 (547): „Unter den Voraussetzungen des §  122 AktG ist der Vorstand […] nicht nur berechtigt, sondern grundsätzlich auch verpflichtet, eine Hauptversammlung einzuberufen. Es handelt sich um eine gebundene Vorstandsentscheidung“. Ausnahmen können sich bei rechtsmissbräuchlichen Einberufungsverlangen ergeben, s. OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.11.2008 – 8 W 370/08 = AG 2009, 169 ff. Insofern wird ebenfalls keine Ermessensentscheidung, sondern eine präzise rechtliche Beurteilung vom Vorstand verlangt.

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

bb. Einberufung zum „Wohl der Gesellschaft“, §  121 Abs.  1, 2. Alt. AktG Neben den gesetzlich oder durch Satzungsregelung festgelegten Fällen kann der Vorstand durch einfachen Mehrheitsbeschluss die Hauptversammlung gem. §  121 Abs.  1, 2. Alt. AktG einberufen, wenn seiner Ansicht nach „das Wohl der Gesellschaft es fordert“ und die jeweiligen Beschlussgegenstände in die organschaftliche Kompetenz der Hauptversammlung fallen.586 Es handelt sich hinsichtlich des „Wohls der Gesellschaft“ um den Fall eines unbestimmten Rechtsbegriffs, der ausnahmsweise auf die Artikulation des Unternehmenswohls abstellt.587 Der Maßstab der Orientierung am „Wohl der Gesellschaft“ qualifiziert insoweit die Einberufung nach hier vertretener Auffassung zu einer unternehmerischen Entscheidung des Vorstands. Strikt gebunden ist der Vorstand dagegen an die in §  121 Abs.  3 AktG niedergelegten Modalitäten der Einberufung. Namentlich muss er gem. S.  1 „die Firma, den Sitz der Gesellschaft sowie Zeit und Ort der Hauptversammlung“ erwähnen und gem. S.  2 die Tagesordnung hinzufügen.588 Gem. §  121 Abs.  3 S.  3 AktG ergeben sich weitere Besonderheiten, sofern es sich um eine börsennotierte AG handelt. Bei sämtlichen dieser Modalitäten steht dem Vorstand kein Ermessensspielraum im Sinne einer unternehmerischen Entscheidung zu. b. Vorbereitung der HV Weitere Pflichten des Vorstands statuiert das AktG hinsichtlich der Vorbereitung der Hauptversammlung. aa. Mitteilungspflichten Den Vorstand treffen unterschiedliche Mitteilungspflichten zur Information verschiedener Adressaten. aaa. Mitteilung über die Einberufung, §  125 AktG Zunächst betrifft dies gem. §  125 AktG die durch den Vorstand wahrzunehmende Pflicht der Gesellschaft,589 Kreditinstitute und „Vereinigungen von Aktionären“ mindestens 21 Tage vor dem angesetzten Termin über die Einberufung der 586  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  121 Rn.  5; Herrler, in: Grigoleit/Tomasic, AktG, §  121 Rn.  6; Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, §  121 Rn.  10. 587  Siehe dazu oben Teil 3 §  1 D. III. 3. d. bb. ccc.; prägnant hinsichtlich der Situation Noack/ Zetsche, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  121 Rn.  27 und a. a. O., Rn.  16 („Die Einschätzung, was dem Wohl der Gesellschaft entspricht, ist freilich Sache des Vorstands“); für „pflichtgemäßes Ermessen“ denn auch etwa Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, §  121 Rn.  10 m. w. N. 588  Im Detail siehe statt vieler Noack/Zetsche, KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  121 Rn.  62 ff. 589  Noack/Zetsche, KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  125 Rn.  102 f. m. w. N.

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Hauptversammlung zu informieren.590 Beide Parteien muss der Vorstand gem. §  125 Abs.  1 S.  3 AktG auf Änderungen in der Tagesordnung hinweisen. Aufsichtsratsmitglieder und sonstige Aktionäre können gem. §  125 Abs.  2, 3 AktG Informationsverlangen über die Einberufung geltend machen, die der Vorstand zu bedienen hat. Die Einhaltung dieser Fristen und die Befriedigung der Informationsverlangen durch korrekte Mitteilungen stehen nicht im Ermessen des Vorstands.591 bbb. Mitteilung von Beschlussanträgen, §  126 Abs.  1 AktG Den in §  125 Abs.  1 S.  1 AktG konkretisierten Kreditinstituten und „Vereinigungen von Aktionären“ müssen Gegenanträge von Aktionären einschließlich deren Begründung nach den Voraussetzungen von §  126 Abs.  1 AktG übermittelt werden. Bei dieser strikten Verpflichtung verbleibt kein Raum für eine Ermessensentscheidung des Vorstands. ccc. Ausnahmen von der Pflicht zur Zugänglichmachung, §  126 Abs.  2 AktG Das Gesetz sieht des Weiteren in §  126 Abs.  2 S.  1 Nr.  1–7 AktG einen Katalog von Fällen vor, in denen der Vorstand im Gegensatz zu den Vorgaben von §  126 Abs.  1 AktG gerade nicht zur Zugänglichmachung verpflichtet ist.592 Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Nummern 1–7 sind voller richterlicher Überprüfung zugänglich.593 Liegen sie vor, so kann der Vorstand gleichwohl eine Veröffentlichung des jeweiligen Antrags vornehmen. Der Katalog bildet somit die Voraussetzung für die Ausübung der darauf aufbauenden Ermessensentscheidung des Vorstands. Bei dieser Entscheidung ist der Vorstand frei, die Interessen der Gesellschaft zu artikulieren, womit es sich um eine unternehmerische Entscheidung handelt.594 Eingeschränkt wird das Ermessen neben den Fällen von §  126 Abs.  2 S.  1 S.  1 AktG insbesondere durch die Beachtung des aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes.595

590 

Vgl. zum Hintergrund statt vieler Noack/Zetsche, KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  125 Rn.  4 ff. Ebenso Kubis, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  125 Rn.  3; Noack/Zetsche, KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  125 Rn.  103. 592  Ausführlich zu den einzelnen Fallgruppen Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, §  126 Rn.  28 ff. 593  Kubis, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  126 Rn.  25. 594  In diesem Sinne wohl Kubis, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  126 Rn.  25; i.E. wohl gleichsinnig Noack/Zetsche, KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  126 Rn.  74 („Wahlrecht“); Werner, in: Großkomm-AktG (4. Aufl., Stand 01.02.1993), §  126 Rn.  36 („bleibt […] dem Vorstand unbenommen“). 595  Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, §  126 Rn.  27; Kubis, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  126 Rn.  25. 591 

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ddd. Zusammenfassung von Anträgen, §  126 Abs.  3 AktG Gem. §  126 Abs.  3 AktG kann der Vorstand thematisch gleiche Anträge verschiedener Aktionäre zusammenfassen, sofern sie denselben „Gegenstand der Beschlussfassung“ betreffen.596 Dazu dürfen „Wiederholungen […] weggelassen, überflüssige Ausführungen gestrichen“, und auf eine „Versachlichung“ bzw. „verbale […] Glättung“ von Anträgen hingewirkt werden.597 Zunächst spiegeln sich in der Zusammenfassungsmöglichkeit Interessen des Unternehmens wider, die aus der Normgeschichte zu erklären sind und aus der Reduzierung des Aufwands resultieren, der mit der früher notwendigen Erstellung und dem posta­lischen Versand von Kopien verbunden war.598 Diese Situation hat sich indes durch die Möglichkeiten elektronischer Kommunikation grundlegend geändert.599 Indes besteht die Gefahr, dass die einzelnen Anträge durch die redaktionelle Zusammenfassung inhaltliche Verzerrungen bzw. sachliche Verkürzungen erleiden.600 Hier muss gewährleistet werden, dass die „Gegenanträge und Begründungen in ihrem wesentlichen Kern ohne Verkürzungen oder sachliche Verfälschungen erhalten bleiben“.601 Zur Feststellung dieses Maß­ stabs und damit der Interessenwahrung der Aktionäre an ihrem jeweiligen Antrag reicht die im Rahmen der BJR vorzunehmende Kontrolle anhand des lediglich „vernünftigerweise“ auf das „Wohl der Gesellschaft“ gerichteten Maßstabs nicht aus. Vielmehr liegt hier ein reiner Erkenntnisauftrag und nicht eine Ermessensentscheidung vor, bei der der Vorstand beurteilen muss, ob seine Zusammenfassung noch den Inhalten der einzelnen Anträge gerecht wird. Vor diesem Hintergrund erscheint hinsichtlich der Anwendung der BJR eine Zweiteilung geboten. Sofern die objektiv nachprüfbaren Voraussetzungen insbesondere des identischen Beschlussgegenstandes vorliegen, verbleibt hinsichtlich des „Ob“ der Zusammenfassung noch ein Ermessensspielraum und eine unternehmerische Entscheidung des Vorstands. Wie dieser Spielraum ausgeübt wird – mithin die Art der Zusammenfassung – ist dagegen nicht mehr dem Ermessensbereich zuzurechnen, sondern muss voller gerichtlicher Nachprüfung zugänglich bleiben. 596 

Kubis, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  126 Rn.  39. So Noack/Zetsche, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  126 Rn.  112; gleichsinnig Kubis, in: ­MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  126 Rn.  40. 598  Noack/Zetsche, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  126 Rn.  109. 599  Noack/Zetsche, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  126 Rn.  109; gleichsinnig Müller, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  126 AktG Rn.  42. 600  Noack/Zetsche, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  126 Rn.  109; „Redaktionsrecht“ als Terminus von Mayrhofer, in: Wachter, AktG, §  126 Rn.  15. 601  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  126 Rn.  10; Kubis, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  126 Rn.  40 m. w. N.; Werner, in: Großkomm-AktG (4. Aufl., Stand 01.02.1993), §  126 Rn.  94. 597 

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eee. Mitteilung von Wahlvorschlägen, §  127 AktG Aufgabe des Vorstands ist es, gem. §  127 AktG auch Wahlvorschläge für die Besetzung des Aufsichtsrats gegenüber der Hauptversammlung zugänglich zu machen. Dies stellt sich als Ergänzung seiner in §  126 AktG niedergelegten Pflicht zur Zugänglichmachung von Beschlussanträgen dar.602 Wahlvorschläge von Aktionären für die Wahl des Aufsichtsrats unterliegen gem. §  127 S.  1 AktG den in §  126 AktG dargelegten Kriterien; ebenso gem. §  127 S.  3 AktG auch den Kriterien aus §  124 Abs.  3 S.  4 AktG603 und §  125 Abs.  1 S.  5 AktG.604 Sofern die aufgeführten Angaben jedoch nicht vollständig sind und die jeweiligen Kriterien nicht erfüllen, ist der Vorstand zu einer Zugänglichmachung gem. §  127 S.  3 AktG nicht verpflichtet. Gleichwohl bleibt es ihm aufgrund des Verweises von §  127 S.  1 AktG auf §  126 AktG erlaubt, derlei unvollständige Vorschläge dennoch zugänglich zu machen.605 Die Ermittlung der Vollständigkeit ist somit ein an den Vorstand gerichteter Beurteilungsauftrag, der keinen Ermessensspielraum belässt. Ob der Vorstand dagegen den unvollständigen Wahlvorschlag dennoch veröffentlicht, hängt mangels sonstiger Vorgaben von seinem Verständnis der Interessen des Unternehmens ab und steht als unternehmerische Entscheidung in seinem Ermessen, dürfte aber regelmäßig unnütz erscheinen und deshalb unterbleiben. bb. Vorbereitung von Hauptversammlungsbeschlüssen, §  83 Abs.  1 AktG Auch bei der gem. §  83 Abs.  1 AktG „auf Verlangen der Hauptversammlung“ vom Vorstand verpflichtend606 durchzuführenden Vorbereitung von „Maßnahmen, die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen“, bleibt für den Vorstand kein Spielraum für abweichendes Verhalten und damit kein Ermessen übrig. Nichts anderes ergibt sich, wenn es sich gem. §  83 Abs.  1 S.  2 AktG um „die Vorbereitung und den Abschluß von Verträgen, die nur mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam werden“, handelt.

602 

Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  127 Rn.  1 i. V. m. §  126 Rn.  2. Bei dem Hinweis auf §  124 Abs.  3 S.  3 AktG handelt es sich um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers, siehe Kubis/Oelkers, MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  127 Rn.  7. 604  Kubis/Oelkers, MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  127 Rn.  7. 605  Vgl. dazu und zum Folgenden die Ausführungen zu §  126 Abs.  2 AktG Teil 3 §  2 C. V. 3. b. aa. ccc. 606  Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  83 Rn.  26; Vedder, in: Grigoleit, AktG, §  83 Rn.  4. 603 

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c. Durchführung der Hauptversammlung Auch bei der Durchführung der Hauptversammlung weist das Gesetz dem Vorstand verschiedene Aufgaben zu. aa. Teilnahme des Vorstands, §  118 Abs.  3 AktG Der Vorstand selbst „soll“ gem. §  118 Abs.  3 AktG zwar lediglich an der Hauptversammlung teilnehmen. Ob er dies auch tatsächlich macht, steht nach ganz h. M. allerdings entgegen dem Wortlaut nicht in seiner Wahl und bildet damit auch keine unternehmerische Entscheidung, sondern eine strikte Pflicht des Vorstands.607 Die Regelung wurde im Zuge der Aktienrechtsreform von 1965 von einer bloß ermächtigenden Vorschrift – §  102 Abs.  2 AktG (1937)608 –, die ein Recht zur Teilnahme einräumte, in eine Soll-Vorschrift geändert, um gerade diese Verpflichtung auszudrücken.609 bb. Teilnahmemodalitäten Sofern der Vorstand durch die Satzung dazu ermächtigt wurde, kann er gem. §  118 AktG über verschiedene Modalitäten der Teilnahme und der Willensbildung von Aktionären sowie der Übertragung der Hauptversammlungssitzung entscheiden. aaa. Elektronische Teilnahme, §  118 Abs.  1 S.  2 AktG Das betrifft die in §  118 Abs.  1 S.  2 AktG gefasste Ermächtigung des Vorstands, eine Teilnahme von Aktionären auch ohne persönliche Anwesenheit an der Versammlung zu gestatten und im Wege „elektronischer Kommunikation“ aktiv durch Ausübung ihrer Rechte daran zu partizipieren. Die Entscheidung umfasst das „Ob“ und das „Wie“ der Übertragung.610 Maßgeblich für den jeweiligen Entschluss des Vorstands ist allerdings nicht eine freie Artikulation des „Wohls 607  Siehe etwa Henssler/Liebscher, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  118 AktG Rn.  14; Herrler, in: Grigoleit, AktG, §  118 Rn.  19; Krenek/Pluta, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  118 AktG Rn.  39; Mülbert, in: Großkomm-AktG (4. Aufl., Stand 01.09.1999), §  118 Rn.  33; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  118 Rn.  38. 608  So das AktG 1937 mit der Konsequenz, dass Pflichten zur Teilnahme im Anstellungsvertrag vereinbart wurden oder sich „nach den Erfordernissen des Falls“ beurteilen sollten, siehe Baumbach, AktG, §  102 Nr.  3) B.; vgl. auch W. Schmidt, in: Großkomm-AktG (1. Aufl.1939), §  102 Anm.  5. 609  Begründung RegE, in: Kropff, §  118 AktG, S.  164; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, §  118 Rn.  4; Mülbert, in: Großkomm-AktG (4. Aufl., Stand 01.09.1999), §  118 Rn.  33; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  118 Rn.  38. 610  Drinhausen/Keinath, BB 2009, 2322 (2326); Noack, WM 2009, 2289 (2292 f.); Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  118 Rn.  53.

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der Gesellschaft“, sondern eine Tatsachenermittlung, aufgrund derer eine Abwägung zwischen den technischen Möglichkeiten der Übertragung und den Zugangsmöglichkeiten der beteiligten Aktionäre durchzuführen ist.611 Zudem könnte eine in das freie Ermessen des Vorstands gestellte Regelung der Teilnahme ihm ermöglichen, taktische Motive – insbesondere je nach Situation auch die Unterdrückung oppositioneller Aktionäre – zum Maßstab seiner Entscheidung zu machen.612 Die Entscheidung zur Ermöglichung einer elektronischen Teilnahme liegt deshalb nicht als unternehmerische Entscheidung im Ermessen des Vorstands. bbb. Briefwahl, §  118 Abs.  2 AktG Gem. §  118 Abs.  2 AktG kann der Vorstand ermächtigt werden, den Aktionären die Ausübung ihrer Stimmrechte „schriftlich oder im Wege elektronischer Kommunikation“ zu gestatten, was wiederum das „Ob“ und das „Wie“ einer solchen Wahl umfasst.613 Ob der Vorstand von einer solchen Ermächtigung Gebrauch macht, liegt zunächst als unternehmerische Entscheidung in seinem Ermessen. Die Ausgestaltung muss dagegen weitergehenden inhaltlichen Vorgaben gerecht werden. Grenzen bilden hierbei zunächst präzisierende Satzungsregelungen.614 Des Weiteren muss u. a. die Identifikation der abstimmenden Aktionäre gewährleistet sein.615 Wie der Vorstand die Stimmrechtsausübung ausgestaltet, bildet somit keinen Ermessensgegenstand mehr. ccc. Übertragung, §  118 Abs.  4 AktG Schließlich liegt es – bei entsprechender Gestaltung der Satzung – im Ermessen des Vorstands, gem. §  118 Abs.  4 AktG die Versammlung per „Bild- und Tonübertragung“ zugänglich zu machen. Hier ist der Vorstand bei entsprechender Ermächtigung frei in der Beurteilung, ob es dem Wohl des Unternehmens dient, die Versammlung zu übertragen.616 Ermächtigt werden kann er auch hinsichtlich der „Wahl des Mediums“, womit die Übertragung insbesondere über einen Internet-Stream oder über TV in Betracht kommt.617 Grenzen können sich aus Satzungsregelungen oder dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben, was aber nur in Ausnahmesituationen zu einer wirklichen Einschränkung des Entschei611 

Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  118 Rn.  54. Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, §  118 Rn.  37. 613  Noack, WM 2009, 2289 (2289 f.); Reger, in: Bürgers/Körber, AktG, §  118 Rn.  5e f. 614  Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  118 Rn.  59. 615  Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  118 Rn.  58. 616  Vgl. Kubis, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  118 Rn.  120. 617  Kubis, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  118 Rn.  119 f.; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  118 Rn.  64. 612 

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

dungsspielraums führen dürfte.618 Dass hier nicht in erster Linie weitergehende bzw. spezielle Aktionärsinteressen zu berücksichtigen sind, sondern dem Vorstand die Möglichkeit verbleibt, vorrangig das von ihm verstandene Unternehmensinteresse zu artikulieren, drückt sich auch darin aus, dass den Aktionären kein Widerspruchsrecht gegen eine Übertragung eingeräumt wird.619 Es handelt sich aus der Perspektive des Vorstands demnach um eine unternehmerische Entscheidung. Strikte Folgepflicht ist wiederum die Mitteilung der Übertragung und ihrer Modalitäten bei der Einberufung der Hauptversammlung.620 cc. Abstimmungsvorschläge, §  119 Abs.  2 AktG Gem. §  119 Abs.  2 AktG kann der Vorstand der Hauptversammlung Beschlussvorschläge zur Abstimmung unterbreiten.621 Ob er dies unternimmt oder unterlässt, liegt – sofern keine weiteren Vorgaben bestehen – in seinem Ermessen und stellt deshalb nach hiesigem Verständnis eine unternehmerische Entscheidung dar.622 Inhaltliche Grenzen können sich dabei allerdings aus dem Gegenstand des jeweiligen Abstimmungsvorschlags ergeben. Ist dieser z. B. so weitreichend, dass der Vorstand sich damit seiner eigenverantwortlichen Leitungskompetenz berauben würde, kann er nicht mehr nach eigenem Ermessen entscheiden, da insofern ein Verstoß gegen die aktienrechtliche Kompetenzordnung vorläge.623 Umgekehrt besteht in wenigen, gleichwohl umstrittenen Ausnahmefällen die

618  Kubis, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  118 Rn.  119 f.; pointiert auch Noack, NZG 2004, 297 (300): „Abwegig ist die allen Ernstes geäußerte Vorstellung, die Gesellschaft müsse sich vergewissern, dass die Aktionäre über eine hinreichende Empfangsausstattung verfügen. Sowenig die Gesellschaft etwa über die Fahrtkosten der an der Präsenzhauptversammlung teilnehmenden Aktionäre besorgt sein muss, sowenig muss sie die Nutzer des Zusatzangebots einer audiovisuellen Übertragung dabei unterstützen“. 619  Herrler, in: Grigoleit/Tomasic, AktG, §  118 Rn.  23; Kubis, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  118 Rn.  118. 620  Kubis, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  118 Rn.  120. 621  Vgl. zu §  119 Abs.  2 AktG als Instrument der Haftungsvermeidung Dietz-Vellmer, NZG 2014, 721 ff. 622  Dietz-Vellmer, NZG 2014, 721 (722); Kubis, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  119 Rn.  22 m. w. N.; Rohde/Geschwandtner, NZG 2005, 996 (997); deutlich auch bereits der BGH in der „Holzmüller“-Entscheidung, vgl. BGH, Urt. v. 25.02.1982 – II ZR 174/80 = NJW 1982, 1703 (1705): „[…] soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, [steht es] grundsätzlich im Ermessen des Vorstands, ob er nach §  119 Absatz II AktG eine Entscheidung der Hauptversammlung herbeiführen will“; a. A. Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  119 Rn.  17 mit der Aussage, die Anrufungsentscheidung des Vorstands stünde zwar „im freien Ermessen des Vorstands“, es fehle aber „an einer unternehmerischen Entscheidung“. 623  Kubis, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  119 Rn.  22 mit Beispielen; Mülbert, in: Großkomm-AktG (4. Aufl., Stand 01.09.1999), §  119 Rn.  46 f.; gleichsinnig Rohde/Geschwandtner, NZG 2005, 996 (999).

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ermessensausschließende Pflicht des Vorstands zur Vorlage der Entscheidung an die Hauptversammlung.624 dd. Beschlussvorschläge, §  124 Abs.  3 AktG Der Vorstand muss gem. §  124 Abs.  3 AktG zusammen mit dem Aufsichtsrat Vorschläge zu den Tagesordnungspunkten erarbeiten, über die die Hauptversammlung beschließen soll. Die Wahrnehmung dieser Pflicht liegt aufgrund der strikten Verpflichtung des Vorstands – er hat Vorschläge zu erarbeiten – nicht in seinem Ermessen. Die Vorbereitung der Beschlussvorschläge ist nicht mit der Zielrichtung versehen, das Wohl der Gesellschaft zu konkretisieren, sondern dient der Information der Aktionäre und ihrer inhaltlichen Vorbereitung bzw. der Vorbereitung ihrer Stimmrechtsvertreter auf die Hauptversammlung.625 Das erfordert die Einhaltung weitergehender inhaltlicher Vorgaben.626 Eine unternehmerische Entscheidung liegt damit ebenfalls nicht vor. Inhaltlich ist der Vorstand jedoch verpflichtet und – sofern mit dem jeweiligen Beschluss keine speziellen Vorgaben umgesetzt werden – frei, die Vorschläge nach dem von ihm verstandenen „Wohl der Gesellschaft“ auszuarbeiten, womit es sich insofern um Ermessensentscheidungen i. S. v. §  93 Abs.  1 S.  2 AktG handelt. ee. Auskunftsrechte der Aktionäre, §  131 AktG Der Vorstand muss grundsätzlich gem. §  131 Abs.  1 AktG in der Hauptversammlung Auskunftsverlangen von Aktionären über „Angelegenheiten der Gesellschaft“ erfüllen. aaa. Maßstab für die Erteilung, §  131 Abs.  1 S.  1 AktG Auskünfte sind gem. §  131 Abs.  1 S.  1 AktG allerdings nur zu erteilen, „soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich“ sind.627 Die Prüfung, ob ein Auskunftsverlangen diesen Vorgaben entspricht, hat sich demnach nicht am Maßstab des Unternehmensinteresses zu orientieren, sondern an dem Bedürfnis an der jeweiligen Auskunft aus der Perspektive eines „objektiv denkenden Durchschnittsaktionär[s]“.628 Damit liegt die Frage nicht im Ermessen des Vorstands, dem hier ein nicht allein am Wohl 624  Dazu Drygala/Staake/Szalai, KapitalgesellschaftsR, §  21 Rn.  199 ff.; Kubis, in: MüKoAktG (3. Aufl. 2013), §  119 Rn.  31 ff. 625  Herrler, in: Grigoleit, AktG, §  124 Rn.  11; Kubis, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  124 Rn.  1, 26. 626  Kubis, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  124 Rn.  35 ff. 627  Zu den Tatbestandsmerkmalen s. nur Kersting, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  131 Rn.  90 ff. 628  Kubis, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  131 Rn.  41 ff.

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des Unternehmens orientierter Beurteilungsauftrag zukommt, dessen Ergebnis wiederum uneingeschränkter richterlicher Überprüfung zugänglich ist.629 bbb. Ausnahmsweise Verweigerung, §  131 Abs.  3 AktG Jedoch „darf “ der Vorstand gem. §  131 Abs.  3 AktG unter verschiedenen Umständen die Auskunft an den Aktionär verweigern. So wird in §  131 Abs.  3 S.  1 Nr.  1 AktG die Möglichkeit zur Verweigerung eröffnet, wenn die Auskunft „nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Schaden zuzufügen“. Hier handelt es sich um eine Erkenntnis, die sich – so der BGH – an dem Maßstab „vernünftiger kaufmännischer Beurteilung“ zu orientieren hat und die mit „besonders sorgfältiger Prüfung“ zu gewinnen ist, nicht aber um eine Ermächtigung des Vorstands, allein nach dem von ihm subjektiv als solchen verstandenen Wohl bzw. Interesse des Unternehmens zu handeln.630 In Einzelfällen kann der Vorstand hier bereits zur Auskunft verpflichtet sein, wenn es sich um sein eigenes, möglicherweise pflichtwidriges Verhalten oder dergleichen anderer Organe handelt.631 Spiegelbildlich kann eine Pflicht vorliegen, die Auskunft zu verweigern, die sich teils direkt aus §  131 Abs.  3 S.  1 Nr.  1 AktG, teils aus §  93 Abs.  1 S.  3 AktG ergibt.632 Weitere zulässige Gründe zur Auskunftsverweigerung finden sich in den in §  131 Abs.  3 S.  1 Nr.  2–7 AktG aufgeführten Fallkonstellationen; hier obliegt dem Vorstand ebenfalls der Erkenntnisauftrag, ob eine der einschlägigen Fallgestaltungen gegeben ist. Sind die Voraussetzungen zutreffend ermittelt und hat sich nicht ausnahms­weise eine Verweigerungspflicht ergeben, so besteht ein Ermessensspielraum des Vorstands, der die Auskunft verweigern „kann“; dieser Ermessensspielraum betrifft mithin nicht das „Warum“, sondern das „Ob“ der Verweigerung.633 Bei der Ausübung dieser Befugnis muss es sich mangels weitergehender inhaltlicher Vorgaben um eine unternehmerische Entscheidung des 629  Herrler, in: Grigoleit, AktG, §  131 Rn.  18; Kersting, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  131 Rn.  106 (m. Nachw. zur Rspr. in Fn.  224); Kubis, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  131 Rn.  45. 630  BGH, Urt. v. 29.11.1982 – II ZR 88/81 = NJW 1983, 878 (882); siehe desw. Decher, in: Großkomm-AktG (4. Aufl., Stand 01.03.2001), §  131 Rn.  299 f.; Kersting, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  131 Rn.  293 ff.; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  131 Rn.  77 m. w. N. zur Rechtsprechung; Wachter, in: Wachter, AktG, §  131 Rn.  22 f. Gleichwohl wird in diesem Zusammenhang überlegt, dem Vorstand anhand des „vernünftigerweise“ einen der BJR vergleichbaren Spielraum zu eröffnen, siehe Bachmann, in: FS Stilz, 25 (32). 631  BGH, Urt. v. 29.11.1982 – II ZR 88/81 = NJW 1983, 878 (882 f.); Goette, in: Hdb. Corporate Governance, 713 (729 f.). 632  Dazu Kersting, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  131 Rn.  376; Wachter, in: Wachter, AktG, §  131 Rn.  22. 633  Kersting, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  131 Rn.  375; gleichsinnig wohl Goette, in: Hdb. Corporate Governance, 713 (729 f.); ohne ausdrückliche Erwähnung eines Ermessens, aber unter

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Vorstands handeln. Daneben sind allerdings die Fälle des §  131 Abs.  4 AktG zu beachten, in denen in jedem Fall zwecks Gleichbehandlung der Aktionäre einem Informationsverlangen durch den Vorstand entsprochen werden muss634 und dem Vorstand kein Ermessensspielraum verbleibt. d. Nachbereitung der Hauptversammlung Auch im Nachgang der Hauptversammlung verpflichtet das AktG den Vorstand zu verschiedenen Maßnahmen. aa. Pflichten hinsichtlich der Beschlüsse Dabei handelt es sich um Pflichten zur Niederschrift und zur Mitteilung der von der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse. aaa. Niederschrift, §  130 AktG Beschlüsse der Hauptversammlung müssen grundsätzlich gem. §  130 Abs.  1 S.  1 AktG in Form eines Ergebnisprotokolls mit den in §  130 Abs.  2 AktG vorgegebenen Inhalten und den in §  130 Abs.  3 AktG aufgezählten Anhängen niedergeschrieben und notariell beurkundet werden, wobei im Falle eines nicht börsennotierten Unternehmens gem. §  130 Abs.  1 S.  3 AktG auch die Unterschrift des Aufsichtsratsvorsitzenden anstatt der Beurkundung ausreicht.635 Nach der Versammlung muss der Vorstand unverzüglich gem. §  130 Abs.  5 AktG Abschriften dieser Niederschriften samt ihrer Anlagen zum Handelsregister einreichen.636 Bei börsennotierten Unternehmen kommt eine Veröffentlichungspflicht der Abstimmungsergebnisse im Internet gem. §  130 Abs.  6 AktG hinzu.637 Im Rahmen dieser strikten Verpflichtungen steht dem Vorstand kein Ermessensspielraum und damit keine unternehmerische Entscheidung zu.

Hervorhebung der mangelnden Pflicht zur Verweigerung Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  131 Rn.  72. 634  Dazu Herrler, in: Grigoleit, AktG, §  131 Rn.  54 ff.; Kubis, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  131 Rn.  141 ff. 635  Zur Niederschrift Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  130 Rn.  15 ff.; Noack/Zetsche, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), §  130 Rn.  3 ff.; Ziemons, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  130 Rn.  3 und 7 ff. 636  Siehe dazu Kubis, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  130 Rn.  3 ff.; Ziemons, in: Schmidt/ Lutter, AktG, §  130 Rn.  78 ff. 637  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  130 Rn.  29a; Herrler, in: Grigoleit, AktG, §  130 Rn.  50; Ziemons, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  130 Rn.  85 ff.

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bbb. Mitteilung, §  125 Abs.  4 AktG Einen Annex zur Niederschriftspflicht bildet die Verpflichtung des Vorstands zur Mitteilung der niedergeschriebenen Beschlüsse, die gem. §  125 Abs.  4 AktG – einen entsprechenden Antrag vorausgesetzt – gegenüber interessierten Aktionären und Mitgliedern des Aufsichtsrats besteht.638 Sie ist, auch hinsichtlich ihrer inhaltlichen Voraussetzungen, vom Vorstand unbedingt und unverzüglich zu erfüllen,639 sodass kein Ermessensspielraum verbleibt. bb. Ausführung der Beschlüsse, §  83 Abs.  2 AktG Sofern die Hauptversammlung konkrete Maßnahmen beschließt, ist der Vorstand gem. §  83 Abs.  2 AktG zu deren Ausführung verpflichtet.640 Nach ganz h. M. trifft ihn eine Pflicht zur Prüfung der Rechtmäßigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen, da er nur zur Ausführung rechtmäßiger Beschlüsse verpflichtet ist.641 Ergibt diese Prüfung die Rechtmäßigkeit des Beschlusses, so bleibt dem Vorstand grundsätzlich keine Abweichungsmöglichkeit und kein Ermessensspielraum. Ein Spielraum für eigenständige Entscheidungen kommt dagegen in Betracht, wenn die durch die Hauptversammlung vorgegebene Maßnahme bei ihrer Ausführung ausdrücklich mehrere Wahlmöglichkeiten für den Vorstand übrig lässt.642 Sofern es sich nicht allein um rechtliche bzw. tatsächliche Unsicherheiten handelt, die z. B. in einer unklaren Fassung des Beschlusses bestehen, sondern um inhaltlich ausdrücklich eingeräumte Möglichkeiten, handelt es sich um die gleiche Ausgangssituation wie im Fall übertragener Aufgaben der Hauptversammlung.643 Der Vorstand kann dann im Rahmen einer unternehmerischen Entscheidung zwischen den verschiedenen Möglichkeiten wählen. Voraussetzung ist, dass keine weiteren inhaltlichen Anforderungen an seine Entscheidung gestellt werden, sondern dass er frei ist, innerhalb der gebotenen Möglichkeiten nach seinem Ermessen zum „Wohl der Gesellschaft“ zu handeln.

638  Siehe dazu Herrler, in: Grigoleit, AktG, §  125 Rn.  20; Kubis, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  125 Rn.  1 und 32; Ziemons, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  125 Rn.  49 ff. 639  Kubis, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  125 Rn.  32 ff. 640  Näher Fleischer, BB 2005, 2025; Leuering/Stein, NJW-Spezial 2013, 271 f. 641  Eckert, in: Wachter, AktG, §  83 Rn.  9; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  83 Rn.  9 f.; ders., BB 2005, 2025 (2025 f.); Hölters, in: Hölters, AktG, §  93 Rn.  66; Leuering/Stein, NJW-Spezial 2013, 271; Pentz, in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, §  17 Rn.  131; Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  83 Rn.  12; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  83 Rn.  24; Volhard, ZGR 1996, 55 (59). 642  Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  83 Rn.  17. 643  Siehe dazu oben Teil 3 §  1 D. III. 3. d. dd.

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cc. Erhebung von Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen, §§  245, 249 AktG Kommt der Vorstand bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses zu dem Ergebnis, dass es sich um einen anfechtbaren Beschluss handelt, so „kann“ er gem. §  243 i. V. m. §  245 Nr.  4 AktG Anfechtungsklage erheben. Dies betrifft gem. §  245 Nr.  4 AktG den Gesamtvorstand sowie gem. §  245 Nr.  5 AktG jedes einzelne Vorstandsmitglied. Des Weiteren ist, sofern von einer Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses auszugehen ist, gem. §  249 Abs.  1 S.  1 AktG dem Gesamtvorstand sowie jedem einzelnen Vorstandsmitglied die Erhebung von Nichtigkeitsklagen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse möglich. Nichtige Beschlüsse sind im Gegensatz zu anfechtbaren Beschlüssen bereits ipso iure unwirksam.644 Beide Klagemöglichkeiten kommen jedoch auch außerhalb einer konkreten Ausführungspflicht gem. §  83 Abs.  2 AktG in Betracht. Es stellt sich die Frage, ob dem Vorstand ein Ermessensspielraum hinsichtlich der Konsequenzen dieser Erkenntnis einzuräumen ist: Nach wohl h. M. ist er nicht generell zur Erhebung einer Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage verpflichtet, sondern muss beurteilen, ob die Anfechtung zur Wahrung des Unternehmensinteresses geboten ist.645 Das ist nach wohl h. M. der Fall, wenn sich der jeweilige Beschluss schädigend auf das Unternehmen auswirkt.646 Insofern könnte man davon ausgehen, dass hier durch den bezweckten Schutz vor einem Schaden der AG die langfristige Rentabilität in Form des „Wohls der Gesellschaft“ den Maßstab für die Entscheidung des Vorstands bildet, mithin also die Voraussetzungen der BJR erfüllt wären. Die Bewertung lässt sich allerdings nicht von der Legalitätspflicht des Vorstands trennen, in deren Kontext dem Vorstand ebenfalls eine „Rechtswahrungsfunktion“ für die Prozesse und Entscheidungen des Unternehmens obliegt.647 Als Grund zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage wird im Schrifttum das Vorliegen von „besonders schwerwiegenden Rechtsverstößen“ durch den jeweiligen Hauptversammlungsbeschluss betrachtet.648 Dieser Maßstab mag unklar und unausgereift erscheinen. Deutlich wird daran aber jedenfalls für die hier zu klärende Frage, dass der Vorstand nicht allein inhaltliche Überlegungen zur Grundlage seiner Entscheidung machen kann. Vielmehr scheidet eine unternehmerische Entscheidung des Vorstands in diesem Zusammenhang aus, da er nicht lediglich das allgemeine „Wohl 644  Dazu und allgemeiner Drygala/Staake/Szalai, KapitalgesellschaftsR, §  21 Rn.  288 ff.; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  6 Rn.  222 ff. 645  Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  30 Rn.  1200 f. m. w. N.; a. A. Heidel, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  243 AktG Rn.  40. 646  Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  30 Rn.  1200 f. 647  Fleischer, BB 2005, 2025 (2029). 648  Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, §  30 Rn.  1200.

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der Gesellschaft“ artikulieren muss, sondern auch die Reichweite eines potentiellen Rechtsverstoßes in seine Entscheidung einbeziehen muss. Gegen die Einordnung dieser Situation als Ermessensspielraum des Vorstands spricht schließlich, dass die Legalitätspflicht des Vorstands nützliche Gesetzesverletzungen zugunsten der AG vom Ermessensspielraum des Vorstands ausschließt.649 Inwiefern die Erhebung einer Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage im Einzelfall geboten ist, kann vor diesem Hintergrund keine unternehmerische Entscheidung bilden, sondern muss vollständiger richterlicher Kontrolle unterliegen. dd. Vertretungsregeln bei Anfechtung, §  246 AktG Wenn Anfechtungsklagen gegen einen Beschluss erhoben werden, treffen den Vorstand Vertretungspflichten. Gem. §  246 Abs.  2 S.  2 AktG vertritt er die Gesellschaft zusammen mit dem Aufsichtsrat – sog. „Prinzip der Doppelvertretung“ – sofern der Vorstand nicht selbst als Kläger auftritt.650 Wenn die Klage von einem Aufsichtsratsmitglied erhoben wird, vertritt der Vorstand gem. §  246 Abs.  2 S.  3 AktG die Gesellschaft alleine.651 Jegliche Klageerhebung ist vom Vorstand gem. §  246 Abs.  4 S.  1 AktG einschließlich des Termins der mündlichen Verhandlung innerhalb der Gesellschaftsblätter zu publizieren.652 Bei keiner dieser strikten Verpflichtungen verbleibt Raum für unternehmerische Entscheidungen. ee. Einreichung zum Handelsregister, §  248 Abs.  1 S.  2 AktG Ebenso bleibt kein Raum für unternehmerische Entscheidungen bei der Pflicht des Vorstands, gem. §  248 Abs.  1 S.  2 AktG auf eine Anfechtungsklage hin ergangene Urteile „unverzüglich zum Handelsregister einzureichen“.653 VI. Aktienrechtliche Pflichten im Kontext der Sonderprüfung 1. Mitteilungspflichten im Kontext der Bestellung, §  142 Abs.  7 AktG Sofern Sonderprüfer gem. §  142 AktG bestellt werden, treffen den Vorstand nach den Voraussetzungen654 von §  142 Abs.  7 AktG strikte Mitteilungspflich649 

Siehe oben Teil 3 §  1 D. II. 1. Näher zum Prinzip der Doppelvertretung Heidel, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  246 AktG Rn.  46; Hüffer, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2011), §  246 Rn.  55. 651  Hüffer, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2011), §  246 Rn.  66; a. a. O., Rn.  67 auch zum Sonderfall einer Klage durch Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder. 652  Näher dazu Schwab, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  246 Rn.  35. 653  Zum Registerverfahren Hüffer, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2011), §  248 Rn.  29. 654  Insbesondere betrifft das den Handel von Wertpapieren am regulierten Markt, Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  142 Rn.  35 i. V. m. §  3 Rn.  6. 650 

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ten gegenüber der BaFin, deren Wahrnehmung nicht in seinem Ermessen steht.655 2. Rechte der Prüfer und Umgang mit dem Prüfungsbericht, §  145 AktG Gegenüber den Sonderprüfern ist der Vorstand gem. §  145 Abs.  1 AktG verpflichtet, die „Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie die Vermögensgegenstände, namentlich die Gesellschaftskasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren“ zugänglich zu machen. Gleiches gilt hinsichtlich weitergehender notwendiger „Aufklärungen und Nachweise“ gem. §  145 Abs.  2 AktG. Dabei hat er – abseits rechtsmissbräuchlicher Auskunftsersuchen – keine Berechtigung, Auskünfte im Zusammenhang mit dem Prüfungsgegenstand zu verweigern,656 womit auch kein Ermessensspielraum verbleiben kann. Indes verbleibt dem Vorstand in diesem Kontext die Möglichkeit, gem. §  145 Abs.  4 AktG einen Antrag zu stellen, aufgrund dessen nach Entscheidung des Gerichts von der Veröffentlichung bestimmter Umstände im Bericht abgesehen werden kann. Voraussetzung ist, dass „überwiegende Belange der Gesellschaft dies gebieten und sie zur Darlegung der Unredlichkeiten oder groben Verletzungen gemäß §  142 Abs.  2 nicht unerlässlich sind.“ Die zur Beantwortung dieser Vorgabe notwendige Abwägungsentscheidung trifft das Gericht. Die Entscheidung, einen entsprechenden Antrag zu stellen, erfordert vom Vorstand als „Herrn der Gesellschaftsgeheimnisse“657 eine Ermittlung der Bedürfnisse des Unternehmens an der Geheimhaltung. Die Wahrung der Geheimhaltung ist wiederum dem Bereich der Verschwiegenheitspflicht und damit der Treuepflicht des Vorstands zuzuordnen.658 Sie stellt sich somit nicht als Ermessensentscheidung bzw. als unternehmerische Entscheidung dar und ist demnach gerichtlich voller Nachprüfung zugänglich.659 Strikte Verpflichtungen ergeben sich gem. §  145 Abs.  6 S.  4, 5 AktG hinsichtlich der Erteilung von Abschriften der Prüfungsberichte an Aktionäre, deren Vorlage an den Aufsichtsrat und ihrem Einbezug in die nächste Hauptversammlung.660 Hierbei liegt es nach h. M. allerdings – alternativ zum Zuwarten auf die nächste reguläre Hauptversammlung – im Ermessen des Vorstands, eine außer655 

Zum Inhalt Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  142 Rn.  35. Herrler, in: Grigoleit, AktG, §  145 Rn.  2; Hirschmann, in: Hölters, AktG, §  145 Rn.  8; Schröer, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  145 Rn.  7. 657  BGH, Urt. v. 05.06.1975 – II ZR 156/73 = BGHZ 64, 325 (329) = NJW 1975, 1412 (1413); Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  119. 658  Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  113 sowie oben Teil 2 §  1 C. I. 2. a. bb. 659  A.A. wohl Mock, in: Spindler/Stilz, AktG, §  145 Rn.  32 („pflichtgemäßes Ermessen“). 660  Vgl. dazu Rieckers/Vetter, in: KK-AktG (3. Aufl. 2015), §  145 Rn.  158 ff. und a. a. O., Rn.  168 ff. 656 

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ordentliche Hauptversammlung einzuberufen, sofern kein Einberufungsverlangen durch Aktionäre gem. §  122 Abs.  1 S.  1 AktG geltend gemacht wird.661 Insofern handelt es sich bei der Einberufung nach hier vertretener Ansicht um eine unternehmerische Entscheidung. 3. Sonderprüfung wegen unzulässiger Unterbewertung, §  259 Abs.  5 AktG Sofern gem. §§  258 ff. AktG eine Sonderprüfung aufgrund unzulässiger Unterbewertung gerichtlich angeordnet und von den Prüfern durchgeführt wurde, ist der Vorstand gem. §  259 Abs.  5 AktG verpflichtet, die dabei ermittelten Prüfungsergebnisse in den Gesellschaftsblättern zu publizieren.662 Im Rahmen dieser strikten Verpflichtung bleibt kein Raum für unternehmerische Entscheidungen. VII. Aktienrechtliche Pflichten im Kontext des DCGK 1. Erklärung zum DCGK, §  161 Abs.  1 AktG Die nach den Voraussetzungen von §  161 Abs.  1 AktG notwendige jährliche Erklärung zum DCGK samt vorgeschriebener Erläuterungen hat der Vorstand zusammen mit dem Aufsichtsrat abzugeben. Es handelt sich dabei um eine auf die Vergangenheit bezogene Erklärung, bei der der Vorstand prüfen und – in begrenztem Umfang begründet663 – erklären muss, ob die Empfehlungen des Kodex umgesetzt wurden oder nicht.664 Bei dieser strikten Verpflichtung verbleiben keine Abweichungsmöglichkeiten und damit auch kein Raum für unternehmerische Entscheidungen.665 2. Inhaltliche Abweichungen vom DCGK In Betracht kommt aber eine Abweichung hinsichtlich inhaltlicher Vorgaben des DCGK, soweit sich diese nicht mit sonstigen, insbesondere der Legalitäts661  Rieckers/Vetter, in: KK-AktG (3. Aufl. 2015), §  145 Rn.  168 m. w. N. („pflichtgemäßes Ermessen“). 662  Dazu Euler/Sabel, in: Spindler/Stilz, AktG, §  259 Rn.  15; Hüffer, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2011), §  259 Rn.  19. 663  v. Falkenhausen/Kocher, ZIP 2009, 1149 ff. 664  Goette, in: Hdb. Corporate Governance, 713 (727); Lutter, in: KK-AktG (3. Aufl. 2015), §  161 Rn.  77; Semler/Wagner, NZG 2003, 553 (554). 665  Goette, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  161 Rn.  39; Lutter, in: KK-AktG (3. Aufl. 2015), §  161 Rn.  77 (m. w. N. in Fn.  192); E. Vetter, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  161 AktG Rn.  25; Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, Haftung, §  15 Rn.  53 (aus der Perspektive des Aufsichtsrats); vgl. auch OLG Frankfurt, Urt. v. 01.10.2013 – 5 U 214/12 = NZG 2014, 1017 (1019) (Anfechtbarkeit eines Entlastungsbeschlusses aufgrund unzutreffender Entsprechenserklärung möglich).

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bindung des Vorstands unterfallenden Pflichten decken. Eine rechtliche Bindung des Vorstands besteht ansonsten nicht.666 Es ist Aufgabe des Vorstands, die Interessen des Unternehmens an der Anwendung der jeweiligen Empfehlungen zu bewerten.667 Hier liegt deshalb nach zustimmungswürdiger h. M. ein Ermessensspielraum bzw. eine unternehmerische Entscheidung vor.668 Nachprüfbare Grenzen dieses Spielraums können sich insbesondere auf der Ebene der Legalitätspflicht des Vorstands ergeben, sofern die AG einzelne Vorgaben des DCGK in die eigene Satzung, die Geschäftsordnung oder den Anstellungsvertrag inkorporiert hat.669 VIII. Aktienrechtliche Pflichten bei Rechnungslegung und Gewinnverwendung 1. Übertragung an die Hauptversammlung, §  172 S.  1 AktG Vorstand und Aufsichtsrat können gem. §  172 S.  1 AktG der Hauptversammlung die Billigung des Jahresabschlusses übertragen. Dies muss formell gebunden durch einen Beschluss geschehen.670 Abgesehen von diesem Formerfordernis liegt die Entscheidung mangels weiterer zu berücksichtigender Vorgaben als unternehmerische Entscheidung im Ermessen des Vorstands. 2. Einberufung der Hauptversammlung, §  175 AktG Sobald der Prüfungsbericht des Aufsichtsrats dem Vorstand vorliegt, ist dieser gem. §  175 Abs.  1 S.  1 AktG verpflichtet, die Hauptversammlung einzuberufen, damit sie den Jahresabschluss, den Lagebericht sowie mögliche Einzelabschlüsse bzw. Konzernabschluss sowie Konzernlagebericht entgegennehmen und über die Verwendung des Bilanzgewinns beschließen kann.671 Gem. §  175 Abs.  1 S.  2 AktG ist die Hauptversammlung „in den ersten acht Monaten des

666  BT.-Drucks. 14/8769. S.  22; LG Krefeld, Urt. v. 20.12.2006 – 11 O 70/06 = ZIP 2007, 730 ff.; Semler/Wagner, NZG 2003, 553 (557); Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  161 Rn.  16. 667  Grigoleit/Zellner, in: Grigoleit, AktG, §  161 Rn.  14; Lutter, in: KK-AktG (3. Aufl. 2015), §  161 Rn.  79 m. w. N. 668  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  161 Rn.  21; Lutter, in: KK-AktG (3. Aufl. 2015), §  161 Rn.  79; Goette, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  161 Rn.  39; Grigoleit/Zellner, in: Grigoleit, AktG, §  161 Rn.  14; E. Vetter, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  161 AktG Rn.  25; Weber-Rey/Buckel, AG 2011, 845 (849); Wittmann/Kirschbaum, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  161 AktG Rn.  44 ff. 669  Lutter, in: KK-AktG (3. Aufl. 2015), §  161 Rn.  78; Wittmann/Kirschbaum, in: Heidel, Ak­ tien- und Kapitalmarktrecht, §  161 AktG Rn.  47 und 68 ff. 670  Hennrichs/Pöschke, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  173 Rn.  12 f. 671  Näher Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  175 Rn.  1 f.

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Geschäftsjahrs“ zu terminieren.672 Schließlich sind gem. §  175 Abs.  2 S.  1 AktG der Jahresabschluss, der Lagebericht, ein gebilligter Einzelabschluss, der Bericht des Aufsichtsrats und der Vorstandsvorschlag hinsichtlich der Verwendung des Bilanzgewinns samt eines – bei börsennotierten Gesellschaften – weiteren erläuternden Berichts ab dem Zeitpunkt der Einberufung der Hauptversammlung auszulegen, sodass die Aktionäre Einsicht nehmen können.673 Zudem muss ihnen gem. §  175 Abs.  2 S.  2 AktG auf Wunsch eine Abschrift dieser Dokumente ausgehändigt werden. Bei diesen strikt ausgestalteten Pflichten bleibt dem Vorstand kein Ermessensspielraum. 3. Vorlagen, Bericht und Stellungnahmen, §  176 AktG Die gem. §  175 Abs.  2 AktG auszulegenden Unterlagen – bei Börsennotierung des Unternehmens kommt noch eine Erläuterung der handelsrechtlichen Vorgaben gem. §  289 Abs.  4 HGB und §  315 Abs.  4 HGB hinzu – muss der Vorstand gem. §  176 Abs.  1 S.  1 AktG auch in der Hauptversammlung zugänglich machen. Dabei steht ihm kein Ermessensspielraum zu. Des Weiteren „soll“ er gem. §  176 Abs.  1 S.  2 AktG die von ihm erstellten Vorlagen erläutern.674 Obwohl die Wortwahl hier mit „soll“ in Richtung einer freiwilligen Disposition des Vorstands deutet, wird der Vorschrift im Schrifttum contra legem teilweise eine „Erläuterungspflicht“ des Vorstands entnommen.675 Der gegenteilige Fall findet sich in §  179a Abs.  2 S.  5 AktG, in dem eine Erläuterungspflicht des Vorstands ausdrücklich verpflichtend ausgestaltet ist.676 Von der Beantwortung dieser Sachfrage hängt auch die Beantwortung der Frage nach einer unternehmerischen Entscheidung des Vorstands ab. Bejaht man eine Pflicht, so kann die Entscheidung des Vorstands nicht als Ermessensentscheidung betrachtet werden. Das Festhalten des Gesetzgebers am Wortlaut des „sollens“ trotz anderweitiger Änderungen innerhalb des §  176 AktG in jüngerer Zeit – etwa im Zuge des ARUG – spricht indes gegen die Annahme einer strikten Pflicht.677 Als Sonderfall sind hier lediglich Situationen zu behandeln, in denen die Erläuterungen für den Minderheitenschutz notwendig sind.678 In einem solchen Sonderfall liegt dann kein Ermessen des Vorstands mehr vor; ansonsten bildet die Vornahme 672  Näher Ekkenga, in: KK-AktG (3. Aufl. 2015), §  175 Rn.  8; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  175 Rn.  4. 673  Näher Ekkenga, in: KK-AktG (3. Aufl. 2015), §  175 Rn.  16; Hennrichs/Pöschke, in: MüKoAktG (3. Aufl. 2013), §  175 Rn.  26 ff. 674  Dazu im Einzelnen Steiner, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  176 AktG Rn.  3 ff. 675  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  176 Rn.  3; Steiner, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  176 AktG Rn.  3. 676  Siehe dazu sogleich unten Teil 3 §  2 C. IX. 1. 677  Zu den Änderungen Hennrichs/Pöschke, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  176 Rn.  3. 678  Ekkenga, in: KK-AktG (3. Aufl. 2015), §  176 Rn.  9 m. w. N.

§  2 Verortung in der Leitungstätigkeit des Vorstands

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der Erläuterung – lehnt man eine strikte Pflicht ab – eine unternehmerische Entscheidung.679 Das gilt auch für die gem. §  176 Abs.  1 S.  3 AktG als „soll“ ausgestaltete Erläuterung von einem möglichen „Jahresfehlbetrag oder einem Verlust […] der das Jahresergebnis wesentlich beeinträchtigt hat“.680 Darüber hinaus bleibt auch die Art der Erläuterung selbst – also das „Wie“ der Erläuterung – Gegenstand des Ermessens des Vorstands und bildet somit eine unternehmerische Entscheidung.681 IX. Aktienrechtliche Pflichten im Kontext von Kapitalmaßnahmen 1. Erläuterungspflicht bei Übertragung des ganzen Vermögens, §  179a Abs.  2 AktG Zunächst trifft den Vorstand eine Auslage- und Erläuterungspflicht gem. §  179a Abs.  2 S.  5 AktG gegenüber der Hauptversammlung hinsichtlich des zugrundeliegenden Vertrags, sofern beabsichtigt wird, das gesamte Gesellschaftsvermögen zu übertragen.682 Hier kann angesichts der strikten Ausgestaltung keine unternehmerische Entscheidung vorliegen. Die Vorschrift ist bereits anders als §  176 Abs.  1 S.  2 AktG nicht dahingehend formuliert worden, dass der Vorstand den Vertrag lediglich erläutern „soll“, sondern in Richtung einer Erläuterungspflicht.683 2. Kapitalerhöhung a. Eintragung der Satzungsänderung, §  181 Abs.  1 S.  1 AktG Die im Zuge von Kapitalmaßnahmen im Sinne der §§  179 ff. AktG anfallenden Satzungsänderungen müssen gem. §  181 Abs.  1 S.  1 AktG nach den übrigen Modalitäten des §  181 AktG vom Vorstand zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden.684 Für Abweichungen von dieser Maßnahme verbleibt dem Vorstand kein Ermessensspielraum.685 679  Ausdrücklich für Ermessen Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  176 Rn.  9; Hennrichs/ Pöschke, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  176 Rn.  13 (m. w. N. in Fn.  38); gleichsinnig wohl Ekkenga, in: KK-AktG (3. Aufl. 2015), §  176 Rn.  9: „Abgesehen von diesem Sonderfall ist der Vorstand in der Themenauswahl frei.“ 680  Dazu Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  176 Rn.  5; Steiner, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  176 AktG Rn.  6. 681  Hennrichs/Pöschke, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2013), §  176 Rn.  13 (m. w. N. in Fn.  38). 682  Näher dazu Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  179a Rn.  19; Stein, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2011), §  179a Rn.  63; Wagner, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  179a AktG Rn.  2 ff. 683  Stein, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2011), §  179a Rn.  63 („zwingende Vorstandspflicht“). 684  Näher Seibt, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  181 Rn.  3 ff.; Stein, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2011), §  181 Rn.  14; Wagner, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  181 AktG Rn.  4 ff.

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

b. Anmeldung beim Handelsregister, §  184 Abs.  1 S.  1 AktG Ebenso besteht die Verpflichtung des Vorstands, gem. §  184 Abs.  1 S.  1 AktG mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden den nach §§  182 ff. AktG zu fassenden Kapi­ tal­erhöhungs­beschluss einschließlich der entsprechenden Anlagen beim Handelsregister einzureichen.686 Raum für unternehmerische Entscheidungen verbleibt dabei nicht. c. Publizitätspflichten, §  186 AktG Hinsichtlich des den Aktionären im Rahmen der Kapitalerhöhung zustehenden Bezugsrechts treffen den Vorstand im Rahmen von §  186 AktG verschiedene, gleichwohl sämtlich strikt ausgestaltete und keinen Raum für Ermessen überlassende Publizitätspflichten. Gem. §  186 Abs.  2 S.  1 AktG muss er den Ausgabebetrag der neuen Aktien oder dessen Berechnungsgrundlagen samt der Bezugsfrist in den Gesellschaftsblättern veröffentlichen.687 §  186 Abs.  4 S.  2 AktG verpflichtet den Vorstand zur Zugänglichmachung eines Berichts über den Ausschluss des Bezugsrechts, der auch eine Begründung des vorgeschlagenen Ausgabe­betrags der neuen Aktien enthält.688 Im Hinblick auf den Inhalt der Begründung liegt keine unternehmerische Entscheidung vor, da der Zweck der Begründung in der Information der Hauptversammlung zur Vorbereitung der Abstimmung besteht und der Vorstand sich an dieser Zielvorgabe, nicht aber an dem jeweils von ihm bestimmten Interesse des Unternehmens, messen lassen muss.689 Schließlich treffen den Vorstand die strikten Bekanntmachungspflichten des §  186 Abs.  5 S.  2 AktG. d. Eintragung der Durchführung Die Durchführung der Kapitalerhöhung ist gem. §  188 Abs.  1, 2 AktG vom Vorstand und dem Aufsichtsratsvorsitzenden samt der in §  188 Abs.  3 AktG darge685  In diesem Sinne Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  181 Rn.  5; Wagner, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  181 AktG Rn.  9; siehe auch LG Frankfurt, Urt. v. 29.01.1990 – 3/1 O 109/89 = AG 1990, 169 (170) zum Verbot einer Ermessenseinräumung zugunsten des Vorstands für Satzungsänderungen durch die Hauptversammlung. 686  Elser, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  184 AktG Rn.  3 ff. (zu den Anlagen 11 f.); Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  184 Rn.  3; Peifer, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2011), §  184 Rn.  6 ff.; vgl. auch das Muster bei Terbrack/Lohr, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  182 AktG Rn.  78. 687  Rebmann, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  186 AktG Rn.  23 ff.; siehe dort auch näher zum Hintergrund der Mitteilung. 688  Siehe nur Rieder/Holzmann, in: Grigoleit, AktG, §  186 Rn.  48. 689  Zum Zweck und den resultierenden Anforderungen Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  186 Rn.  23 f.

§  2 Verortung in der Leitungstätigkeit des Vorstands

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legten Anlagen beim Handelsregister anzumelden.690 Dabei handelt es sich aufgrund der verpflichtenden Ausgestaltung ebenfalls nicht um eine unternehmerische Entscheidung. 3. Bedingte Kapitalerhöhung, §§  192 ff. AktG a. Anmeldung des Beschlusses, §  195 Abs.  1 AktG Der Beschluss über eine bedingte Kapitalerhöhung ist vom Vorstand zusammen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden gem. §  195 Abs.  1 AktG samt der in §  195 Abs.  2 AktG aufgeführten Anlagen zur Eintragung beim Handelsregister anzumelden.691 Hier verbleibt kein Raum für unternehmerische Entscheidungen. Jedoch hat die Hauptversammlung die Möglichkeit, einen weiteren Zeitrahmen festzulegen, innerhalb dessen der Vorstand die Anmeldung nach seiner Entscheidung ausüben kann.692 Die von der Hauptversammlung dazu vorgegebenen Grenzen sind auf der Ebene der Legalitätspflicht voller Nachprüfung zugänglich; innerhalb dieser Grenzen verbleibt allerdings eine unternehmerische Entscheidung des Vorstands.693 b. Ausgabe der Aktien, §  199 Abs.  1 AktG §  199 Abs.  1 AktG bindet den Vorstand bei der Ausgabe von Bezugsaktien u. a. an den Zweck der bedingten Kapitalerhöhung sowie an die vollständige Erwirkung des Gegenwerts.694 §  199 Abs.  2 AktG legt Modalitäten für die Ausgabe von Bezugsaktien gegen Wandelschuldverschreibungen fest. Da Abs.  1 konkrete Parameter für die Ausgabe vorgibt, deren Verifizierung Aufgabe des Vorstands ist, verbleibt kein Raum für eine Ermessensausübung. Gleiches gilt für Abs.  2, der eine präzise Bestimmung der Zulässigkeit hinsichtlich der Höhe des Betrags und des Zwecks verlangt. c. Anmeldung der Ausgabe, §  201 Abs.  1 AktG Die Ausgabe ist gem. §  201 Abs.  1 AktG schließlich auch durch den Vorstand beim Handelsregister anzumelden, wobei ihn wiederum strikte Pflichten treffen. Gem. §  201 Abs.  1 AktG wird dazu eine Frist von einem Monat gesetzt, innerhalb derer nach Ende eines Geschäftsjahrs die Anzahl der im jeweiligen 690  Elser, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  188 AktG Rn.  2 ff.; Peifer, in: MüKoAktG (3. Aufl. 2011), §  188 Rn.  24; vgl. auch das Muster bei Terbrack/Lohr, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  182 AktG Rn.  82. 691  Ausführlich zur Ameldung Fuchs, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2011), §  195 Rn.  4 ff. 692  Fuchs, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2011), §  195 Rn.  10. 693  Gleichsinnig Fuchs, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2011), §  195 Rn.  10 (Ermessen). 694  Siehe zu den Voraussetzungen etwa Veil, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  199 Rn.  3 ff.

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

Geschäftsjahr ausgegebenen Bezugsaktien mitzuteilen ist. Des Weiteren sind die in §  201 Abs.  2 AktG aufgeführten Anlagen sowie gem. Abs.  3 eine Erklärung des Vorstands hinzuzufügen, dass mit der Ausgabe der Bezugsaktien die Voraussetzungen von §  199 Abs.  1 AktG – Bindung an den beschlossenen Zweck und Ausgabe nach vollständiger Erbringung des Gegenwerts – eingehalten wurden. Keine dieser strikten Bindungen belässt Raum für unternehmerische Entscheidungen. 4. Genehmigtes Kapital, §§  202 ff. AktG Der Vorstand kann in der Satzung gem. §  202 Abs.  1 AktG zur Erhöhung des Grundkapitals ermächtigt werden. Im Zuge einer solchen Kapitalerhöhung eröffnet das AktG dem Vorstand im Gegensatz zu einer regulären Kapitalerhöhung eigenständige Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten, zwischen denen im Einzelnen näher zu differenzieren ist. a. Ausübung, §  202 Abs.  1 AktG Die Ausübung der Ermächtigung und damit die Durchführung der Kapitalerhöhung werden teilweise von der Hauptversammlung und dem AktG vorbestimmt, teilweise vom Vorstand selbst entschieden. aa. Vorgaben der Satzung und des Gesetzes Die Hauptversammlung muss hinsichtlich des Betrags der Kapitalerhöhung und des zeitlichen Rahmens der Ausübungsmöglichkeit zentrale Parameter für die Entscheidung des Vorstands vorgeben.695 Dabei darf die Ermächtigung gem. §  202 Abs.  1 AktG nur für einen Zeitraum von maximal fünf Jahren getroffen werden und der Betrag darf gem. §  202 Abs.  3 S.  1 AktG nicht höher angesetzt werden als die Hälfte des Grundkapitals der AG.696 Der Vorstand hat bei einer beabsichtigten Ausübung der Ermächtigung Sorge für die Einhaltung der Vorgaben der Hauptversammlung zu tragen und muss, wie der BGH im „Siemens/ Nold“-Urteil präzisiert hat, prüfen, ob eine beabsichtigte Kapitalerhöhung den Vorgaben der Hauptversammlung – der „abstrakten Umschreibung“ nach – entspricht.697 Insofern wird er zur Ermittlung bzw. Beurteilung tatsächlicher Sachverhalte verpflichtet, was keinen Raum für eine unternehmerische Entscheidung übrig lässt. Die Einhaltung der durch die Hauptversammlung konkretisierten 695 

Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  202 Rn.  11 ff. Näher zur Frist im Einzelnen Bayer, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2011), §  202 Rn.  58 ff.; zum Umfang a. a. O., Rn.  64 ff. 697  BGH, Urt. v. 23.06.1997 – II ZR 132/93 (Leitsatz 2) = NJW 1997, 2815. 696 

§  2 Verortung in der Leitungstätigkeit des Vorstands

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Grenzen der Ermächtigung und der gesetzlichen Grenzen sind auf der Ebene der Legalitätsbindung des Vorstands nachprüfbar. Sie schränken die eigene Entscheidung des Vorstands zur Ausübung ein.698 bb. Ausübungsentscheidung Abseits der Einhaltung der zwangsläufig nötigen gesetzlichen und statutarischen Vorgaben obliegt es dem Vorstand, die Interessen des Unternehmens an der Durchführung der Maßnahme zu bewerten. Dies hat der BGH ebenfalls im „Siemens/Nold“-Urteil formuliert: Es obliegt demnach ausdrücklich dem Vorstand, zu bewerten, ob die Ausübung der Ermächtigung „im Zeitpunkt seiner Realisierung noch im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liegt“.699 Er kann die Kapitalerhöhung innerhalb des vorgegebenen zeitlichen Korridors und des vorgegebenen Volumens vornehmen, sobald sich seiner Ansicht nach die Gelegenheit dazu bietet. Die Entscheidung des Vorstands zur Ausübung liegt demnach in seinem Ermessen700 und ist nach hiesigem Verständnis als unternehmerische Entscheidung einzuordnen. Mitunter wird seine Entscheidung dagegen als eine stellvertreterähnliche Handlung für die Hauptversammlung eingeordnet, weshalb eine Einordnung als unternehmerische Entscheidung anzu­ zweifeln sei.701 Richtigerweise kann jedoch auch bei Aufgaben, die von der Hauptversammlung auf den Vorstand übertragen wurden, von einer unternehmerischen Entscheidung auszugehen sein, sofern der Maßstab für die jeweilige Vorstandsentscheidung das „Wohl der Gesellschaft“ bzw. das Unternehmensinteresse ist.702 Eine unternehmerische Entscheidung liegt somit für den Vorstand innerhalb der von der Hauptversammlung vorgesehenen Grenzen einerseits bezüglich des „Ob“ der Ausübung, andererseits bezüglich des „Wie“ vor. Dem Vorstand ist es insbesondere erlaubt, die Kapitalerhöhung nicht in voller Höhe der Ermächtigung durchzuführen, sondern in mehrere Tranchen bis zur Gesamtsumme der Ermächtigung aufzuteilen.703 698 

Gleichsinnig Goette, in: Hdb. Corporate Governance, 713 (729). BGH, Urt. v. 23.06.1997 – II ZR 132/93 (Leitsatz 2) = NJW 1997, 2815. 700  Ausdrücklicher Bezug auf unternehmerisches Ermessen: Bank, in: Patzina/Bank/Schimmer/Simon-Widmann, Haftung von Unternehmensorganen, Kap.  6 Rn.  95; Bungert, BB 2005, 2757 (2759); Goette, in: Hdb. Corporate Governance, 713 (729); Sven H. Schneider, DB 2005, 707 (711) („unternehmerische Entscheidung“); desw. Ekkenga/Bernau, in: Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  5 Rn.  78 („pflichtgemäßes Ermessen“); ebenso Bayer, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2011), §  202 Rn.  87; Drygala/Staake/Szalai, KapitalgesellschaftsR, §  25 Rn.  35; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  202 Rn.  20; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  10 Rn.  82; Marsch-Barner, in: Bürgers/Körber, AktG, §  202 Rn.  15. 701  Ekkenga/Bernau, in: Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  4 Rn.  53. 702  Siehe oben Teil 3 §  1 D. III. 3. d. dd. 703  Drygala/Staake/Szalai, KapitalgesellschaftsR, §  25 Rn.  35; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  10 Rn.  82. 699 

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

Eine einschränkende inhaltliche Bindung des Vorstands kann allerdings in der Satzung getroffen werden, indem der Zweck einer Kapitalerhöhung vorgegeben wird. Ist dies der Fall, verengt sich der Ermessensspielraum des Vorstands im Rahmen der getroffenen Vorgabe.704 Strikte Folgepflicht ist die Berichterstattung des Vorstands über den Ausschluss des Bezugsrechts bei der nächsten Hauptversammlung nach der Durchführung der Maßnahme.705 Davon kann nicht abgesehen werden, womit insofern kein Ermessensspielraum verbleibt. b. Ausschluss des Bezugsrechts, §  203 Abs.  2 S.  1 AktG Gem. §  203 Abs.  2 S.  1 AktG kann in der Satzung auch eine Ermächtigung des Vorstands zum Ausschluss des mit der Kapitalerhöhung verbundenen Bezugsrechts erteilt werden. Der Aufsichtsrat muss dieser Entscheidung zustimmen. Maßgeblich für die Entscheidung ist, dass der Vorstand das von ihm als solches verstandene „Wohl der Gesellschaft“ und damit das Unternehmensinteresse zum Maßstab seiner Entscheidung machen muss, was der BGH ebenfalls in der „Siemens/Nold“-Entscheidung formuliert hat: Pflicht des Vorstands sei es, „in eigener Verantwortung zu prüfen, ob aus unternehmerischer Sicht der Ausschluß des Bezugsrechts der Aktionäre im Interesse der Gesellschaft liegt“.706 Im Schrifttum wird deshalb vertreten, dass die Entscheidung über den Ausschluss des Bezugsrechts Gegenstand unternehmerischen Ermessens bzw. ausdrücklich als unternehmerische Entscheidung des Vorstands einzuordnen sei.707 Nach der hier vertretetenen Ansicht bildet der Ausschluss des Bezugsrechts aufgrund der auch vom BGH vorgegebenen Orientierung am Interesse der AG ebenfalls eine unternehmerische Entscheidung des Vorstands, die es ihm erlaubt, seinen „unternehmerischen Handlungsspielraum […] voll zur Geltung“ zu bringen.708 Auch aus der nachfolgenden „Mangusta/Commerzbank“-Entscheidung des BGH ergibt sich keine Einschränkung des in der „Siemens/ Nold“-Entscheidung festgelegten unternehmerischen Ermessensspielraums.709

704 

Dazu Bayer, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2011), §  202 Rn.  76 ff. Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  10 Rn.  81. 706  BGH, Urt. v. 23.06.1997 – II ZR 132/93 = NJW 1997, 2815 (2816). 707  Bank, in: Patzina/Bank/Schimmer/Simon-Widmann, Haftung von Unternehmensorganen, Kap.  6 Rn.  95; Cahn, ZHR 163 (1999), 554 (577 ff.); Goette, in: Hdb. Corporate Governance, 713 (729); Henze, BB 2001, 53 (58); Krause, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, §  7 Rn.  52; Marsch-Barner, in: Bürgers/Körber, AktG, §  203 Rn.  13; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, Großkomm-GmbHG, §  43 Rn.  117; Wamser, in: Spindler/Stilz, AktG, §  203 Rn.  85. 708  So prägnant Henze, ZHR 167 (2003), 1 (3). 709  Bürgers/Holzborn, BKR 2006, 202 (205). 705 

§  2 Verortung in der Leitungstätigkeit des Vorstands

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c. Inhalt und Bedingungen der Ausgabe, §  204 Abs.  1 S.  1 AktG Sofern in der Ermächtigung keine konkreten Angaben getroffen werden, obliegt es gem. §  204 Abs.  1 S.  1 AktG dem Vorstand, im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen die näheren Modalitäten der Aktienausgabe zu bestimmen.710 Das betrifft insbesondere die Entscheidung über die Art der Aktien einschließlich der Festlegung eines Nennbetrags bei Nennbetragsaktien, den Zeitpunkt der Aktienausgabe und den Ausgabebetrag.711 Die Ermächtigung des Vorstands zur Entscheidung über den Ausgabebetrag ermöglicht die Berücksichtigung aktueller wirtschaftlicher, insbesondere kapitalmarktrechtlicher Rahmenbedingungen zum Zeitpunkt der Ausgabe.712 Die Hauptversammlung könnte diese Bedingungen aufgrund des offenen Zeitpunkts der Emission nicht antizipieren.713 Maßgeblich für die Höhe des Ausgabebetrags ist nach Vorgabe des BGH, dass der Vorstand seine Kompetenz zur Festsetzung „nicht zum Schaden der Gesellschaft“ mißbraucht „oder sich bei Ausübung dieser Ermächtigung von sachfremden Gesichtspunkten leiten“ lässt.714 Er darf „einzelnen Aktionären oder Dritten nicht Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft zuwenden […] und nicht vorsätzlich zum Schaden der Gesellschaft handeln“.715 Beide Voraussetzungen werden im Rahmen der BJR berücksichtigt, indem sie den Vorstand auf das „Wohl der Gesellschaft“ verpflichten.716 Gleichzeitig wird durch ihre Anwendung die selbständige Entscheidungsverantwortung des Vorstands gewahrt. Somit liegt, sofern die Entscheidung dem Vorstand verbleibt, die Festlegung des Ausgabebetrags der Aktien gem. §  204 Abs.  1 S.  1 AktG wie auch die Festlegung der sonstigen Bedingungen der Aktienausgabe in seinem Ermessen bzw. bildet eine unternehmerische Entscheidung.717 Voraussetzung der wirksamen Festlegung durch den Vorstand ist allerdings gem. §  204 Abs.  1 S.  2 AktG die Zustimmung des Aufsichtsrats.718

710  Siehe nur BGH, Urt. v. 23.06.1997 – II ZR 132/93 = NJW 1997, 2815 (2817); Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  204 Rn.  2 f. 711  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  204 Rn.  4 f. 712  BGH, Urt. v. 23.06.1997 – II ZR 132/93 = NJW 1997, 2815 (2817). 713  BGH, Urt. v. 23.06.1997 – II ZR 132/93 = NJW 1997, 2815 (2817). 714  BGH, Urt. v. 27.09.1956 – II ZR 144/55 = NJW 1956, 1753 (1754). 715  BGH, Urt. v. 27.09.1956 – II ZR 144/55 = NJW 1956, 1753 (1754). 716  Siehe zu dem Tatbestandsmerkmal oben Teil 2 §  2 B. 717  Für pflichtgemäßes bzw. unternehmerisches Ermessen im Einzelnen Bank, in: Patzina/ Bank/Schimmer/Simon-Widmann, Haftung von Unternehmensorganen, Kap.  6 Rn.  88; Goette, in: Hdb. Corporate Governance, 713 (728 f.); Heider, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2008), §  9 Rn.  37; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  204 Rn.  3; Marsch-Barner, in: Bürgers/Körber, AktG, §  204 Rn.  3; Rieder/Holzmann, in: Grigoleit, AktG, §  204 Rn.  3. 718  Näher Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  204 Rn.  6.

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d. Festsetzungen bei Sacheinlagen, §  205 Abs.  2 S.  1 AktG Sofern im Zuge des genehmigten Kapitals Aktien gegen Sacheinlagen ausgegeben werden, ist der Vorstand gem. §  205 Abs.  2 S.  1 AktG strikt dazu verpflichtet, verschiedene Festsetzungen über Modalitäten der Sacheinlage zu treffen und diese im Zeichnungsschein aufzuführen. Das kann mangels Vorgaben der Hauptversammlung den jeweiligen Gegenstand, die Personalien des Inferenten und den Nennbetrag bzw. die Anzahl der Aktien betreffen.719 Die für die Festsetzung gem. §  205 Abs.  2 S.  2 AktG einzuholende Genehmigung durch den Aufsichtsrat steht nicht im Ermessen des Vorstands, sondern bindet ihn strikt.720 Das gilt auch für die Vorgaben im Kontext der Wertprüfung der jeweiligen Sach­einlage. Hier sind gem. §  205 Abs.  5 S.  2 AktG die Vorschriften über das Kaptialerhöhungsverfahren ohne Prüfung der Sacheinlagen anwendbar. In diesem Fall sind die Eintragungen gem. §  183a Abs.  2 AktG notwendig, jedoch modifiziert durch §  205 Abs.  5 S.  3 AktG.721 Der Vorstand ist strikt daran gebunden, diese Angaben zu machen; es verbleibt kein Raum für Ermessensentscheidungen. 5. Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, §  214 Abs.  1 S.  1 AktG Sofern Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln im Sinne der §§  207 ff. AktG durchgeführt wurden, muss der Vorstand gem. §  214 Abs.  1 S.  1 AktG nach Eintragung des Beschlusses die Aktionäre unter den in der Norm aufgeführten Modalitäten zur Abholung der erworbenen Aktienurkunden auffordern.722 Im Rahmen dieser strikt ausgestalteten Verpflichtung723 verbleibt ihm kein Ermessensspielraum und damit keine unternehmerische Entscheidung. 6. Ausgabe von Schuldverschreibungen, §  221 AktG a. Ermächtigung zur Ausgabe, §  221 Abs.  2 S.  1 AktG Der Vorstand kann gem. §  221 Abs.  2 S.  1 AktG von der Hauptversammlung zur Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen sowie darüber hinaus nach allgemeiner Auffassung zur Ausgabe von Gewinnschuldverschreibungen oder Op­ 719 

Näher Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  205 Rn.  6. Durch die übergangene Zustimmung des Aufsichtsrats wird zwar nicht die Wirksamkeit der Festsetzung beeinträchtigt, gleichwohl setzt sich der Vorstand jedoch im Innenverhältnis dem Vorwurf einer Pflichtverletzung aus, siehe Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  205 Rn.  5. 721  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  205 Rn.  10. 722  Vgl. dazu Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  214 Rn.  1 ff.; Wagner, in: Heidel, Ak­ tien- und Kapitalmarktrecht, §  214 AktG Rn.  3 ff. 723  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  214 Rn.  3. 720 

§  2 Verortung in der Leitungstätigkeit des Vorstands

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tionsanleihen verpflichtet oder ermächtigt werden.724 Sofern er lediglich ermächtigt wurde und keine weiteren Vorgaben bestehen, liegt die Ausübung dieser Ermächtigung insofern in seinem Ermessen und es steht ihm im Rahmen seiner Finanzierungsverantwortung frei, nach seiner eigenen Überzeugung zum „Wohl der Gesellschaft“ davon Gebrauch zu machen.725 Die Entscheidung, dieses Finanzierungsmittel zu wählen, bildet deshalb eine unternehmerische Entscheidung.726 Begrenzt wird diese Ausübungsermächtigung mindestens durch die jeweils vorgegebene Art der Schuldverschreibung, den volumenmäßigen Vorgaben und durch die in §  221 Abs.  2 S.  1 AktG vorgegebene und im Beschluss zu datierende Ermächtigungsdauer von maximal fünf Jahren,727 deren Einhaltung jeweils uneingeschränkt nachprüfbar sein muss. Je nach Art des jeweiligen Finanzierungsinstruments kann bzw. muss die Hauptversammlung weitere, den Vorstand bindende Vorgaben treffen.728 b. Folgepflichten, §  221 Abs.  2 S.  2 und S.  3 AktG Publizitätsbezogene Folgepflichten treffen den Vorstand, sofern er zur Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen ermächtigt wurde. Einerseits wird er gem. §  221 Abs.  2 S.  2 AktG verpflichtet, den Ausgabebeschluss und die Erklärung der Ausgabe beim Handelsregister zu hinterlegen, andererseits muss er gem. §  221 Abs.  2 S.  3 AktG einen Hinweis auf den Beschluss und die Erklärung in den Gesellschaftsblättern publizieren.729 Dabei verbleibt mangels Wahlmöglichkeit kein Ermessen. 7. Kapitalherabsetzung, §§  222 ff. AktG a. Anmeldung von Beschluss und Durchführung, §§  223, 227 AktG Sofern eine Kapitalherabsetzung beschlossen wird, ist der Beschluss gem. §  223 AktG vom Vorstand und dem Aufsichtsratsvorsitzenden beim Handelsregister 724  Hermanns, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  221 AktG Rn.  9 f.; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  221 Rn.  9 ff. 725  Habersack, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2011), §  221 Rn.  153; Stadler, in: Bürgers/Körber, AktG, §  221 Rn.  20 f.; gleichsinnig wohl Früchtl, in: Wachter, AktG, §  221 Rn.  7l; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  221 Rn.  9 und 13. 726  Habersack, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2011), §  221 Rn.  153; Krecek/Röhricht, ZIP 2010, 413; Schröer, in: Ekkenga/Schröer, Hdb. AG-Finanzierung, Kap.  6 Rn.  174 (pflichtgemäß auszuübendes Ermessen); Stadler, in: Bürgers/Körber, AktG, §  221 Rn.  20 f. 727  Habersack, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2011), §  221 Rn.  160; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  221 Rn.  10; Rieder/Holzmann, in: Grigoleit, AktG, §  221 Rn.  11 ff. 728  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  221 Rn.  10 ff. 729  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  221 Rn.  20 f.; Rieder/Holzmann, in: Grigoleit, AktG, §  221 Rn.  16 ff.

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anzumelden.730 Gleiches gilt gem. §  227 Abs.  1 AktG für die Durchführung der Herabsetzung, allerdings trifft diese Pflicht allein den Vorstand. Insofern steht dem Vorstand angesichts der strikten Ausgestaltung beider Pflichten kein Ermessensspielraum und damit keine unternehmerische Entscheidung zu. Eine solche ergibt sich allerdings gem. §  227 Abs.  2 AktG: Die Norm erlaubt dem Vorstand, beide Maßnahmen miteinander zu kombinieren. Dies steht mangels weiterer Vorgaben in seinem Ermessen; einzig die Beteiligung des Aufsichtsratsvorsitzenden muss hinsichtlich der folgenden Anmeldung des Kapitalherabsetzungsbeschlusses berücksichtigt werden. b. Einziehung von Aktien, §  237 Abs.  1 S.  1 AktG Eine Möglichkeit zur Kapitalherabsetzung bietet die Einziehung von Aktien gem. §  237 AktG.731 Sie basiert gem. §  237 Abs.  1 S.  2 AktG auf einer Ermächtigung in der Satzung bzw. auf einer Satzungsänderung, die vor dem Erwerb der jeweiligen Aktien vorgenommen wurde.732 Der Vorstand wird durch das AktG an der Durchführung der Einziehung beteiligt. Das betrifft zum einen die in §  237 Abs.  6 S.  2 AktG erwähnte „Entscheidung“ des Vorstands zur Zwangseinziehung. Hier liegt indes, obwohl der Wortlaut dies nahelegen mag, keine eigenständige Entscheidung des Vorstands vor: Die Norm bezeichnet lediglich die tatsächliche Ausführung der in der Satzung determinierten und im Detail vorgegebenen Zwangseinziehung.733 Gleiches gilt, wenn ein vereinfachtes Verfahren zur Einziehung vorgenommen wird und der Vorstand gem. §  237 Abs.  3 Nr.  3 AktG zur Einziehung und zur Eintragung der veränderten Stückzahlen in der Satzung ermächtigt wird. Sofern er die Eintragung der Aktien vornimmt, handelt es sich lediglich um eine Folgepflicht einer satzungsmäßig festgelegten Maßnahme und nicht um eine eigenständige Entscheidung. Ein Ermessensspielraum bzw. eine unternehmerische Entscheidung verbleibt dem Vorstand dabei nicht. Der Beschluss der Einziehung ist gem. §  237 Abs.  4 S.  5 AktG vom Vorstand und dem Aufsichtsratsvorsitzenden beim Handelsregister zur Eintragung anzumelden, was eine reine Ausführungshandlung ohne Spielraum für eine unternehmerische Entscheidung darstellt. Die Durchführung der Herabsetzung ist gem. §  239 Abs.  1 AktG vom Vorstand zum Handelsregister anzumelden. Diese Pflicht zur Vornahme eines Real­akts belässt dem Vorstand keinen Ermessensspielraum. 730 

Zur Anmeldungspflicht Oechsler, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2011), §  223 Rn.  2 f. Dazu Galla, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  237 AktG Rn.  1 f. 732  Näher Haberstock/Greitemann, in: Hölters, AktG, §  237 Rn.  1 ff. 733  Oechsler, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2011), §  237 Rn.  111 und 113; Terbrack, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  237 AktG Rn.  94. 731 

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Ein solcher ergibt sich allein mangels anderweitiger Vorgaben hinsichtlich der in §  239 Abs.  2 AktG vorgehaltenen Möglichkeit der Kombination der Anmeldung von Durchführung und Beschlussfassung. X. Aktienrechtliche Pflichten bei Auflösung der Gesellschaft 1. Anmeldung zur Auflösung, §  263 S.  1 AktG Wird die Gesellschaft aufgelöst, so ist es gem. §  263 S.  1 AktG Aufgabe des Vorstands, die Auflösung bei dem Handelsregister anzumelden. Dabei verbleibt kein Ermessensspielraum und damit keine unternehmerische Entscheidung. 2. Abwicklung, §  265 Abs.  1 AktG Ebenso ist der Vorstand dazu verpflichtet, sich gem. §  265 Abs.  1 AktG als Abwickler der Gesellschaft zu betätigen. Gleichermaßen sind die Personalien der Abwickler sowie Änderungen in ihrer Zusammensetzung gem. §  266 Abs.  1 AktG, jeweils einschließlich der in §  266 Abs.  2 AktG aufgeführten Anlagen sowie der in §  266 Abs.  3 S.  1 AktG vorgeschriebenen Versicherung, beim Handelsregister anzumelden. Hier verbleibt ebenfalls kein Raum für Ermessensausübung bzw. unternehmerische Entscheidungen des Vorstands. 3. Klage auf Nichtigkeit, §  275 AktG a. Befugnis, §  275 Abs.  1 S.  1 AktG Die Klage auf Nichtigkeit der Gesellschaft ist gem. §  275 Abs.  1 1 AktG möglich, sofern in der Satzung keine Grundkapitalsumme oder kein Unternehmensgegenstand festgelegt wurde oder ein solcher zwar festgelegt wurde, sich aber als nichtig erweist. Bei diesen Konstellationen handelt es sich um Gründungsmängel der Gesellschaft.734 Der Vorstand ist ausweislich §  275 Abs.  1 S.  1 AktG in diesem Fall zur Klage auf Nichtigkeit der Gesellschaft ermächtigt; dies betrifft aber nicht den Gesamtvorstand, sondern nur einzelne Vorstandsmitglieder.735 Die Vorschrift bezweckt den „Schutz der Aktionäre und des Rechtsverkehrs“.736 Zugleich ist der Vorstand verpflichtet, im Rahmen der ihm obliegenden Legalitätspflicht und der daraus resultierenden Legalitätskontrollpflicht auch die Rechtmäßigkeit der Strukturen der AG zu überwachen.737 Da somit den einzelnen Vorstandsmitgliedern nicht die Bewertung des „Wohls der Ge734 

Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  275 Rn.  1. Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, §  275 Rn.  14; Hüffer, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2011), §  275 Rn.  48; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  275 Rn.  22. 736  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  275 Rn.  2. 737  S. oben Teil 2 §  1 C. I. 2. a. aa. bbb. 735 

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sellschaft“ obliegt, handelt es sich bei der Erhebung der Nichtigkeitsklage nicht um einen Ermessensspielraum und damit nicht um eine unternehmerische Entscheidung. b. Einreichung einer Abschrift beim Handelsregister, §  275 Abs.  4 S.  2 AktG Die Klage auf Nichtigkeit muss gem. §  275 Abs.  4 S.  2 AktG zusammen mit dem rechtskräftigen Urteil durch den Vorstand zum Handelsregister eingereicht werden.738 Diese strikte Pflicht lässt keinen Raum für unternehmerische Entscheidungen. XI. Aktienrechtliche Pflichten in der konzernverbundenen Aktiengesellschaft 1. Unternehmensverträge a. Berichterstattung, §  293a AktG Gemäß §  293a Abs.  1 S.  1 AktG ist der Vorstand einer AG zur schriftlichen Berichterstattung über Unternehmensverträge, die einer Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen, verpflichtet. Insofern besteht bereits eine strikte Bindung, die sich auch auf die Inhalte des Berichts erstreckt. Diese müssen gem. §  293a Abs.  1 AktG vorgeschriebene Details abbilden, die zur Erläuterung des Vertrags dienen.739 Ein Ermessensspielraum besteht hier nicht. Gleiches gilt für den in §  293a Abs.  2 AktG beschriebenen Fall. Danach braucht der Vorstand Umstände nicht in den Bericht aufzunehmen, „deren Bekanntwerden geeignet ist, einem der vertragschließenden Unternehmen oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen“. Hier ist der Vorstand nicht zur Artikulation des „Wohls des Gesellschaft“ ermächtigt, sondern zur Ermittlung der konkreten Sachfrage, ob ein im Sinne des Gesetzes erheblicher Nachteil im Fall einer Veröffentlichung droht. Das wiederum erfordert eine Beurteilung der „Informationsinteressen der Aktionäre einerseits und dem Geheimhaltungsinteresse des Unternehmens andererseits“.740 Es handelt sich mithin nicht um eine unternehmerische Entscheidung.741

738  Näher zur Einreichung und Eintragung Hüffer, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2011), §  275 Rn.  60 f. 739  Vgl. dazu im Einzelnen Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, §  293a Rn.  19 ff. 740  Altmeppen, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2010), §  293a Rn.  59 ff. 741  Gleichsinnig Altmeppen, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2010), §  293a Rn.  60 („Der Maßstab der Abwägung ist in vollem Umfang einer objektiven gerichtlichen Nachprüfung unterworfen“).

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b. Informationspflichten gegenüber der Hauptversammlung, §  293g AktG In der Hauptversammlung muss der Vorstand gem. §  293g Abs.  1 AktG die „in §  293f Abs.  1 bezeichneten Unterlagen zugänglich […] machen“. Der Unternehmensvertrag ist vom Vorstand am Anfang der Hauptversammlung gem. §  293g Abs.  2 S.  1 AktG zu erläutern und der Niederschrift der Beschlussfassung hinzuzufügen. Schließlich ist es Aufgabe des Vorstands, Auskunftsverlangen von Aktionären gem. §  293g Abs.  3 AktG zu befriedigen. Bei sämtlichen dieser Informationspflichten verbleibt kein Ermessensspielraum und damit keine unternehmerische Entscheidung des Vorstands. c. Anmeldung zum Handelsregister, §  294 Abs.  1 S.  1 AktG Der Unternehmensvertrag ist gem. §  294 Abs.  1 S.  1 AktG vom Vorstand unter zutreffender Bezeichnung und unter Nennung des Vertragspartners zum Handelsregister anzumelden. Sofern es sich um mehrere Teilgewinnabführungsverträge handelt, kann „anstelle des Namens des anderen Vertragsteils auch eine andere Bezeichnung eingetragen werden, die den jeweiligen Teilgewinnabführungsvertrag konkret bestimmt“. Zweck der Anmeldung des Vertrags zum Handelsregister ist die Information der Öffentlichkeit, der Aktionäre und der Gläubiger der AG.742 Die Wahl des Namens steht nicht im Ermessen des Vorstands und bildet somit keine unternehmerische Entscheidung, da der Maßstab der Beurteilung des Namens sich an diesem Zweck der Handelsregisteranmeldung orientieren muss, nicht aber allein an der Konkretisierung der Unternehmensinteressen durch den Vorstand. Die Anmeldung muss gem. §  294 Abs.  1 S.  2 AktG neben dem Vertrag an sich einen evtl. notwendigen Hauptversammlungsbeschluss der Gegenseite in Niederschrift „und ihre Anlagen in Urschrift, Ausfertigung oder öffentlich beglaubigter Abschrift“ enthalten. Bei diesen strikten Verpflichtungen verbleibt kein Ermessensspielraum und damit keine unternehmerische Entscheidung. d. Kündigung, §  297 AktG §  297 AktG regelt – nur teilweise ausdrücklich – die ordentliche und außerordentliche Kündigung von Unternehmensverträgen der Ober- und Untergesellschaft.743 Hier stellt sich die Frage, ob dem Vorstand bei der Kündigung Ermessensspielräume verbleiben.

742 

Altmeppen, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2010), §  294 Rn.  1. Peres, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  297 AktG Rn.  14 ff., 26 ff.; Servatius, in: Grigoleit, AktG, §  297 Rn.  1. 743 

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aa. Identifikation von Kündigungsgründen Zunächst müssen Kündigungsgründe vorliegen; möglich ist grundsätzlich eine außerordentliche oder eine ordentliche Kündigung. Voraussetzung einer außerordentlichen Kündigung ist gem. §  297 Abs.  1 S.  1 AktG ein wichtiger Grund. Bei der Beurteilung, ob ein wichtiger Grund vorliegt, handelt es sich nicht um eine unternehmerische Entscheidung: Der Vorstand muss das Vorliegen eines wichtigen Grunds bewerten und ist damit einer konkreten sachlichen Zielvorgabe, nicht aber der allgemeinen Artikulation des Unternehmensinteresses an der Kündigung, verpflichtet. Prognosen, die dafür im Rahmen des Regelbeispiels eines wichtigen Grunds in §  297 Abs.  1 S.  2 AktG notwendig sind, richten sich nicht unmittelbar auf das „Wohl der Gesellschaft“: Dem Vorstand wird aufgegeben, die wirtschaftliche Lage des Vertragspartners auf dessen zukünftige Fähigkeit zur Einhaltung seiner vertraglichen Verpflichtungen einzuschätzen.744 Neben der Vorgabe des §  297 Abs.  1 S.  2 AktG sind weitere Umstände als wichtige Gründe anerkannt.745 Bei der Feststellung, ob es sich um einen wichtigen Grund handelt, trifft der Vorstand somit nicht eine unternehmerische Entscheidung, sondern ist zunächst zu einer Sachverhaltserkenntnis verpflichtet. Gleiches gilt bei einer ordentlichen Kündigung. Hier muss der Vorstand prüfen, ob ein allgemeines schuldrechtliches Kündigungsrecht einschlägig ist bzw. ob die Voraussetzungen eines vereinbarten Kündigungsrechts vorliegen.746 Bei Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen muss nach h. M. ein ordentliches Kündigungsrecht ausdrücklich vertraglich vereinbart werden, ansonsten scheidet eine ordentliche Kündigung aus.747 Ob demnach ein Kündigungsgrund einschlägig ist, beurteilt der Vorstand nicht am Maßstab des „Wohls der Gesellschaft“, sondern anhand einer Prüfung möglicher Kündigungsvoraussetzungen im Einzelfall.748

744  Näher Altmeppen, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2010), §  297 Rn.  19 ff; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  297 Rn.  4; Paschos, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, §  297 AktG Rn.  3; Peres, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  297 AktG Rn.  16. 745  Altmeppen, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2010), §  297 Rn.  22 ff.; Peres, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  297 AktG Rn.  17 ff.; Servatius, in: Grigoleit, AktG, §  297 Rn.  25 ff. und 35 f. 746  Zu vertraglichen Vereinbarungen und ordentlichen Kündigungsrechten siehe Peres, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  297 AktG Rn.  3 ff.; Servatius, in: Grigoleit, AktG, §  297 Rn.  6 ff. und Rn.  14. 747  Peres, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  297 AktG Rn.  27 f. m. w. N. in Fn.  71; Servatius, in: Grigoleit, AktG, §  297 Rn.  6 und Rn.  14. 748  Vgl. dazu nochmals oben Teil 3 §  1 D. III. 3 d. bzw. Teil 3 §  1 D. III. 4. c.

§  2 Verortung in der Leitungstätigkeit des Vorstands

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bb. Kündigungsentscheidung Liegt ein außerordentlicher oder ein ordentlicher Grund vor, so ist der Vorstand dadurch noch nicht zur Kündigung verpflichtet.749 Er darf und muss sodann die Interessen bzw. das Wohl des eigenen Unternehmens am Fortbestehen des Unternehmensvertrags zum Maßstab seines Handelns machen.750 Demnach handelt es sich bei der Frage, ob der Vorstand von einer identifizierten Kündigungsmöglichkeit Gebrauch macht, um eine Ermessensentscheidung751 und nach hier vertretener Auffassung um eine im Rahmen seiner Leitungsautonomie zu treffende unternehmerische Entscheidung. Inhaltlich kann im Einzelfall bei Vorliegen eines außerordentlichen Kündigungsgrunds die Kündigung gleichwohl den einzigen Weg zur Wahrung des „Wohls der Gesellschaft“ bilden.752 Sofern keine weiteren Zustimmungsregelungen getroffen wurden,753 kann gem. §  297 Abs.  2 S.  1 AktG ein Sonderbeschluss betroffener Aktionäre Voraussetzung der Kündigung sein.754 Solche Vorgaben sind strikt einzuhalten und bilden für sich genommen keine unternehmerische Entscheidung. e. Anmeldung der Beendigung beim Handelsregister, §  298 AktG Sofern der Unternehmensvertrag beendet wird, trifft den Vorstand gem. §  298 AktG die strikte Verpflichtung zur Anmeldung der Beendigung samt deren Grund und Zeitpunkt beim Handelsregister.755 Dabei verbleibt kein Raum für unternehmerische Entscheidungen. 2. Leitungsentscheidungen im Vertragskonzern a. Vorstand des beherrschenden Unternehmens, §  308 Abs.  1 AktG Grundsätzlich obliegt dem Vorstand im Konzern die Wahrnehmung einer Leitungssorgfalt, die er zugunsten des Konzerns ausüben muss, auch wenn diese 749 

Laule, AG 1990, 145 (155). Deilmann, in: Hölters, AktG, §  297 Rn.  7; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktienund GmbH-Konzernrecht, §  297 Rn.  7 und 25; Mülbert, in: Großkomm-AktG (4. Aufl., Stand 01. 10.2012), §  297 Rn.  10; desw. Riegger/Mutter, DB 1997, 1603 (1604 f.). 751  So auch Altmeppen, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2010), §  297 Rn.  62; Laule, AG 1990, 145 (155 f.); Mülbert, in: Großkomm-AktG (4. Aufl., Stand 01. 10.2012), §  297 Rn.  10; Riegger/Mutter, DB 1997, 1603 (1604 f.); ebenso wohl Koppensteiner, in: KK-AktG (3. Aufl. 2004), §  297 Rn.  11 und 23. 752  Gleichsinnig Laule, AG 1990, 145 (155 f.); zurückhaltend aber Riegger/Mutter, DB 1997, 1603 (1605 f.) („kaum je gegeben“). 753  Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, §  297 Rn.  7. 754  Näher dazu Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, §  297 Rn.  8 f.; Peres, in: Heidel, Aktien- und Kapitalmarktrecht, §  297 AktG Rn.  31 ff. 755  Zur Anmeldung Altmeppen, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2010), §  298 Rn.  8; Mülbert, in: Großkomm-AktG (4. Aufl., Stand 01. 10.2012), §  298 Rn.  7 ff. 750 

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

nach h. M. nicht die Intensität einer zentralen Konzernleitungspflicht annimmt.756 Daraus resultieren wiederum konzernrechtliche Aufgaben, die hier im Einzelnen nicht zu vertiefen sind.757 Das zentrale Steuerungsinstrument für den Vorstand bildet die Weisungsbefugnis gem. §  308 Abs.  1 S.  1 AktG. Anhand dieser Weisungsbefugnis kann er im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben Weisungen an das beherrschte Unternehmen erteilen, die nach seiner Auffassung dem Wohl der herrschenden Gesellschaft dienen. Dabei obliegt es dem Vorstand, auf diese Art das „Wohl der Gesellschaft“ – welches auch bereits ausweislich der Gesetzesbegründung weitere konzernangehörige Unternehmen einschließt758 – zu artikulieren. Deshalb kommt ihm im Rahmen dieser Befugnis ein Ermessensspielraum – und somit nach hier vertretener Auffassung der Schutz der BJR – hinsichtlich der Art sowie auch hinsichtlich der Frage nach dem „Ob“ der Erteilung von Weisungen zugute.759 Eine Grenze dieses Ermessens gilt neben den im Rahmen der Legalitätspflicht üblichen Bindungen an die Satzung und das Gesetz vorbehaltlich einer vertraglichen Regelung gem. §  308 Abs.  1 S.  2 AktG für Weisungen, die für das beherrschte Unternehmen nachteilig und für das beherrschende Unternehmen oder weitere konzernangehörige Unternehmen dienlich sind. b. Vorstand des beherrschten Unternehmens aa. Befolgungspflicht, §  308 Abs.  2 S.1 AktG Der Vorstand des beherrschten Unternehmens ist gem. §  308 Abs.  2 S.  1 AktG grundsätzlich zur Befolgung von Weisungen des beherrschenden Unternehmens verpflichtet. Eine Ausnahme bietet sich, sofern derlei Weisungen „offensichtlich nicht diesen Belangen dienen“. Offensichtlichkeit liegt in diesem Zusammenhang vor, wenn die mangelnde Eignung, den Belangen des herrschenden Unternehmens oder weiterer konzernverbundener Unternehmen zu dienen,

756  Siehe dagegen etwa Drygala/Staake/Szalai, KapitalgesellschaftsR, §  33 Rn.  5; Fleischer, DB 2005, 759 (759 ff. und 765 f., Fazit 2); Kort, in: Großkomm-AktG (5. Aufl. 2015), §  76 Rn.  177 f.; Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  76 Rn.  65; a. A. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, passim. 757  Näher etwa Fleischer, DB 2005, 759 (762 ff.); Mertens/Cahn, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), §  76 Rn.  65. 758  BT.-Drucks. 15/5092, S.  11; siehe desw. Spindler, MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  93 Rn.  46. 759  Altmeppen, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2010), §  309 Rn.  54; Drygala/Staake/Szalai, KapitalgesellschaftsR, §  33 Rn.  5; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, §  308 Rn.  34; Leuering/Goertz, in: Hölters, AktG, §  308 Rn.  47; Mertens/Cahn, in: KKAktG (3. Aufl. 2010), §  76 Rn.  65; Spindler, in: MüKo-AktG (4. Aufl. 2014), §  76 Rn.  42; eine analoge Geltung der BJR befürwortend Servatius, in: Grigoleit, AktG, §  309 Rn.  4; mit Einschr. Sven H. Schneider, in: Lutter/Krieger, Hdb. Managerhaftung, §  8 Rn.  18 ff.

§  2 Verortung in der Leitungstätigkeit des Vorstands

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„für jeden Sachkenner ohne weitere Nachforschungen erkennbar“ wird.760 Das erfordert eine „krasse Ausnahmesituation“ und einen „evidenten Fehlgebrauch der Leitungsmacht“.761 Dies deckt sich spiegelbildlich mit dem Maßstab, den §  93 Abs.  1 S.  2 AktG statuiert: Was danach nicht mehr „vernünftigerweise“ angenommen werden kann, würde demnach auch die Voraussetzungen der „für jeden Sachkenner ohne weitere Nachforschungen erkennbaren“ Belange erfüllen.762 Damit liegt seitens des Vorstands des beherrschten Unternehmens kein Ermessensspielraum vor, sondern vielmehr ein Auftrag zur Sachverhaltsermittlung anhand dieses Maßstabs.763 Kommt der Vorstand dabei zu dem Ergebnis, dass diese Voraussetzungen vorliegen, so ist er zur Unterlassung der Maßnahme verpflichtet.764 Damit mangelt es bei der Frage, ob eine „offensichtlich nicht den Belangen dienende“ Weisung vorliegt, an einer unternehmerischen Entscheidung; vielmehr wird hier ein konkreter Erkenntnisauftrag erteilt. bb. Mitteilungspflicht, §  308 Abs.  3 S.  1 AktG Eine strikte Mitteilungspflicht trifft den Vorstand des beherrschten Unternehmens gem. §  308 Abs.  3 S.  1 AktG, sofern er eine Anweisung aufgrund mangelnder fristgerechter Zustimmung durch den Aufsichtsrat nicht befolgen kann.765 Wenn die Weisung erneut ausgesprochen wird, ist – sofern ein solcher besteht – nur noch die Zustimmung des Aufsichtsrats des herrschenden Unternehmens notwendig. Liegt diese vor, ist der Vorstand zur Vornahme der angewiesenen Maßnahme verpflichtet.766 Raum für eine Ermessensentscheidung verbleibt in beiden Fällen nicht. 3. Leitungsentscheidungen bei mangelndem Beherrschungsvertrag a. Nachteilige Maßnahmen zuungunsten des beherrschten Unternehmens, §§  311 Abs.  1, 317 AktG Gemäß §  311 Abs.  1 AktG ist es dem Vorstand eines herrschenden Unternehmens im faktischen Konzern767 verboten, das beherrschte Unternehmen zu nachteiligen Weisungen zu veranlassen.768 Nachteilige Weisungen verpflichten das herrschende Unternehmen gem. §  317 Abs.  1 AktG zum Schadensersatz, 760 

Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  308 Rn.  22. Altmeppen, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2010), §  308 Rn.  141. 762  Servatius, in: Grigoleit, AktG, §  308 Rn.  27; vgl. dazu oben Teil 2 §  2 D. III. 1. e. 763  Servatius, in: Grigoleit, AktG, §  308 Rn.  26 f. 764  Altmeppen, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2010), §  308 Rn.  141. 765  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  308 Rn.  23. 766  Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  308 Rn.  24. 767  Dazu allgemein Drygala/Staake/Szalai, KapitalgesellschaftsR, §  31 Rn.  1 ff. 768  Zum Zweck der Regelung Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  311 Rn.  1. 761 

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Teil 3: Der von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG eröffnete Handlungsspielraum

und somit mittelbar den Vorstand selbst, wie es hinsichtlich des Vertragskonzerns in §  309 Abs.  1, 2 AktG der Fall ist.769 Gleichwohl handelt es sich, wie auch der BGH in der „UMTS“-Entscheidung angenommen hat, bei dieser Haftung letztlich um eine konzerndimensional ausgerichtete Haftung des Vorstands für pflichtverletzendes Verhalten.770 §  317 Abs.  2 AktG schließt die Ersatzpflicht aus, sofern „auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer unabhängigen Gesellschaft das Rechtsgeschäft vorgenommen oder die Maßnahme getroffen oder unterlassen hätte“. Dieser Maßstab erlaubt dem Vorstand des herrschenden Unternehmens die Artikulation der Interessen des Unternehmens hinsichtlich einer möglichen Maßnahme und bildet nach in der Literatur vertretener Ansicht,771 nach der Rechtsprechung des BGH772 – und nach hier vertretener Auffassung – eine unternehmerische Entscheidung. b. Berichtspflicht, §  312 AktG Sofern kein Beherrschungsvertrag geschlossen wurde, trifft den Vorstand gem. §  312 Abs.  1 S.  1 AktG die Verpflichtung, einen Bericht „über die Beziehungen der Gesellschaft zu verbundenen Unternehmen“ zu verfassen. Die Inhalte dieses Berichts werden durch §  312 AktG strikt vorgegeben. Der Bericht ist zudem mit einer Erklärung gem. §  312 Abs.  3 AktG zu versehen.773 Weder der Inhalt, noch die Form des Berichts bilden somit eine unternehmerische Entscheidung und damit keinen Anwendungsfall der BJR. c. Vorlage an den Aufsichtsrat, §  314 AktG Den im Sinne von §  312 AktG verfassten Bericht hat der Vorstand gem. §  314 Abs.  1 S.  1 AktG dem Aufsichtsrat vorzulegen.774 Außerdem muss er gem. S.  2 den Bericht und, je nach Sachlage, auch den durch einen Abschlussprüfer angefertigten Prüfungsbericht, an jedes Mitglied des Aufsichtsrats oder – gem. mög769  Näher zu dieser Haftungskonstellation Altmeppen, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2010), §  317 Rn.  8 ff. 770  Altmeppen, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2010), §  311 Rn.  163 ff. (insb. Rn.  171) und a. a. O., §  317 Rn.  30 f. 771  Altmeppen, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2010), §  317 Rn.  31 i.V.m §  311 Rn.  168; ders., NJW 2008, 1553 (1554); Balthasar/Hamelmann, WM 2010, 589 (590 f); Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, §  311 Rn.  53; ders., JuS 2008, 843 (844); Fleischer, NZG 2008, 371 (372 f.); Leuering/Goertz, in: Hölters, AktG, §  317 Rn.  23 und a. a. O., §  311 Rn.  52 f.; im Ergebnis ebenso Paefgen, AG 2014, 554 (567 f.). 772  BGH, Urt. v. 03.03.2008 – II ZR 124/06 = NZG 2008, 389 (389 f.). 773  Ausführlich zum Bericht Altmeppen, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2010), §  312 Rn.  77 ff.; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, §  312 Rn.  21 ff. 774  Zum Gegenstand und Zweck dieser Vorlage Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktienund GmbH-Konzernrecht, §  314 Rn.  1 f.

§  2 Verortung in der Leitungstätigkeit des Vorstands

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lichem Aufsichtsratsbeschluss – einem bestehenden Aufsichtsratsausschuss zukommen lassen. Im Rahmen dieser strikten Verpflichtungen bleibt ebenfalls kein Raum für eine unternehmerische Entscheidung. 4. Eingliederung a. Beantragung der Eingliederungsprüfer, §  320 Abs.  3 AktG Gem. §  320 Abs.  3 S.  2 AktG obliegt es dem Vorstand durch die Eingliederung zu einer solchen werdenden Hauptgesellschaft, die nach §  320 Abs.  3 S.  1 AktG notwendige Auswahl und Bestellung von Eingliederungsprüfern bei Gericht zu beantragen.775 Bei dieser Pflicht zur Vornahme eines Realakts kann der Vorstand keine unternehmerische Entscheidung treffen. b. Eingliederungsbericht Bevor die Hauptversammlung, auf der über die Eingliederung beschlossen wird, einberufen wird, muss der Vorstand zur Information der Aktionäre gem. §  319 Abs.  3 S.  1 Nr.  3 AktG einen Eingliederungsbericht anfertigen. Dieser Bericht dient den Aktionären dazu, einschätzen zu können, ob die von ihnen gehaltenen Aktienwerte von einer Verwässerung bedroht sind und ihnen die im Zusammenhang mit der Eingliederung „wesentlichen entscheidungsrelevanten Umstände und Sachverhalte“776 zu verdeutlichen.777 Um die dafür notwendige Information zu gewährleisten, hat der Vorstand gem. §  320 Abs.  4 S.  2 AktG insbesondere „auch Art und Höhe der Abfindung nach §  320b rechtlich und wirtschaftlich zu erläutern und zu begründen“ und „auf besondere Schwierigkeiten bei der Bewertung der beteiligten Gesellschaften sowie auf die Folgen für die Beteiligungen der Aktionäre […] hinzuweisen“. Da keine Artikulation des Unternehmensinteresses vom Vorstand gefordert wird, sondern die vom Vorstand zu gewährenden Informationen ausschließlich den skizzierten Informationsinteressen der Aktionäre dient, liegt hier keine unternehmerische Entschei­dung vor. Zudem schließt auch die Nachprüfbarkeit des Eingliederungsberichts auf mögliche Fehler – deren Konsequenz die Anfechtbarkeit des Beschlusses gem. §  243 Abs.  1 S.  1 AktG wäre778 – die Anwendung von unternehmerischen Entscheidungen aus.

775 

Zur Eingliederungsprüfung Leuering/Goertz, in: Hölters, AktG, §  320 AktG Rn.  15 ff. Leuering/Goertz, in: Hölters, AktG, §  319 Rn.  12. 777  Grunewald, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2010), §  319 Rn.  30; Koch, in: Hüffer, AktG (11. Aufl. 2014), §  319 Rn.  11. 778  Grunewald, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2010), §  319 Rn.  25. 776 

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c. Anmeldung der Eingliederung Die Eingliederung ist gem. §  319 Abs.  4 S.  1 AktG vom Vorstand unter Beifügung der in §  319 Abs.  4 S.  2 AktG aufgeführten Dokumente zum Handelsregister anzumelden.779 Dies stellt angesichts der strikten Ausgestaltung lediglich eine Pflicht zur Vornahme eines Realakts und somit keine unternehmerische Entscheidung dar. d. Anmeldung der Beendigung der Eingliederung Sofern die Eingliederung beendet wird, trifft den Vorstand gem. §  327 Abs.  3 AktG die strikte Verpflichtung zur Anmeldung der Beendigung samt deren Grund780 und Zeitpunkt zum Handelsregister.781 Dabei verbleibt ebenfalls kein Raum für unternehmerische Entscheidungen.

779  Zur Anmeldung Grunewald, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2010), §  319 Rn.  35 ff.; Ziemons, in: Schmidt/Lutter, AktG, §  319 Rn.  30 ff. 780  Gründe einer Beendigung finden sich in §  327 Abs.  1 Nr.  1–4 AktG; dazu Grunewald, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2010), §  327 Rn.  2 ff. 781  Zu den Modalitäten der Anmeldung Grunewald, in: MüKo-AktG (3. Aufl. 2010), §  327 Rn.  15 f.

Teil 4:

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen 1. Die BJR des §  93 Abs.  1 S.  2 AktG baut auf das bereits vor dem UMAG entwickelte Konzept des Geschäftsleiterermessens, auf die Rechtsprechung des BGH im „ARAG/Garmenbeck“-Urteil und ferner auf den Grundgedanken der BJR des angelsächsischen – namentlich US-amerikanischen – Rechts auf. Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei der Regelung, wie im Schrifttum zu Recht betont wird, nicht um die bloße Übernahme eines fremden Rechtsinstituts, sondern jedenfalls zu maßgeblichen Teilen auch – wie von Semler klargestellt – um die Umsetzung hergebrachter Erkenntnisse der deutschen Rechtswissenschaft und -praxis. 2. Aus der Stellung des Vorstands innerhalb der Struktur der AG als eigenverantwortlichem Leitungsorgan resultiert die Notwendigkeit, seine Tätigkeit gegenüber dominanten Einflüssen einzelner, am Unternehmen beteiligter Interessengruppen sowie gegenüber unternehmensexternen Fremdeinflüssen, insbesondere richterlicher Intervention, abzusichern. 3. Der im Rahmen der Innenhaftung geltende, weite Schadensbegriff und der extensive Verschuldensmaßstab, der jegliche Art von Fahrlässigkeit ausreichen lässt, setzen den Vorstand einer erheblichen Haftungsgefahr aus. Diese Gefahr wird durch die eingeschränkten Möglichkeiten zum Haftungsausschluss bzw. Vergleich und Verzicht seitens der AG und die langen Verjährungsfristen erhöht. Insbesondere ist auch der Aufsichtsrat grundsätzlich zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen verpflichtet; versäumt er ihre Verfolgung, so droht ihm selbst der Vorwurf pflichtverletzenden Verhaltens. D&O-Versicherungen und rechtliche Beratung erscheinen nicht geeignet, die Haftungsgefahren wesentlich zu reduzieren. Das liegt auch an der immateriellen, sozialen Relevanz, die Haftungsprozesse auf Vorstandsmitglieder ausüben. Zudem bildet die Pflichtwidrigkeit einer Vorstandshandlung die Schwelle zu strafrechtlicher Sanktion durch den Untreuetatbestand, womit der Reichweite unternehmerischer Entscheidungen im Sinne der BJR auch aus dieser Perspektive erhebliche Bedeutung zukommt.

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Teil 4: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen

4. Vor dem Hintergrund der scharfen Haftungsbedrohung entsteht das Bedürfnis nach der Absicherung von Vorstandsentscheidungen zur Abwehr drohender Risikoaversion, da gerade das Eingehen von Risiken eine unverzichtbare Grundlage unternehmerischen Handelns bildet. Dieses Bedürfnis wird durch die Gefahr einer von Rückschaufehlern verzerrten richterlichen Bewertung verstärkt. 5. Die BJR erklärt Handlungen des Vorstands für konform mit dessen Sorgfaltspflichten, sofern sie grundsätzlich auf das „Wohl der Gesellschaft“ gerichtet sind. Damit wird die zu überprüfende Zielrichtung des Vorstandshandelns im Sinne des Unternehmensinteresses festgelegt und gleichzeitig loyales und gutgläubiges Verhalten des Vorstands zur Voraussetzung der Ermessensausübung erklärt. 6. Der Vorstand muss Entscheidungen im Rahmen seines durch die BJR abgesicherten Ermessens zudem auf der Basis „angemessener Informationen“ treffen. Welche Information angemessen ist, muss er in der jeweiligen Situation insbesondere anhand der Zugänglichkeit und des Nutzens der jeweiligen Information sowie des Aufwands der Informationsbeschaffung entscheiden; eine Pflicht zur Einholung sämtlicher, hinsichtlich einer Maßnahme einschlägiger Informationen ist mit der h. M. abzulehnen. 7. Entgegen jüngerer Zweifel aus dem Schrifttum bietet die BJR ein haftungsrechtliches Privileg für den Vorstand, welches im Tatbestandsmerkmal des „vernünftigerweise annehmen dürfens“ enthalten ist. Das Privileg der BJR besteht in der Reduktion richterlicher Inhaltskontrolle auf evidente und grobe Abweichungen von der durch §  93 Abs.  1 S.  2 AktG an den Vorstand gerichteten Vorgabe eines Handelns „auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft“. Eine Maßnahme kann erst dann nicht mehr als auf das „Wohl der Gesellschaft“ gerichtet und als auf der Basis „angemessener Information“ getroffen betrachtet werden, wenn sie eine der Zielvorgaben im Sinne der „ARAG/Garmenbeck“-Rechtsprechung des BGH unter schwerwiegenden, „schlechthin unvertretbaren“ Fehleinschätzungen verletzt. 8. Daraus folgt, dass bei sämtlichen Entscheidungen, die im Rahmen der Voraussetzungen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG – insbesondere ohne grobe, unverantwortliche Fehleinschätzungen, zustande kamen – eine haftungsrechtliche Sanktion ausscheidet. Auf diese Weise kann der Vorstand bei Ermessensentscheidungen, wie von Bachmann zutreffend herausgearbeitet, de facto erst bei grob fahrlässigen, jedenfalls deutlichen und gravierenden Fehlern im Rahmen des Entscheidungsverfahrens haftungsrechtlich sanktioniert werden. Für darunter liegende, leichtere Fehler scheidet – bei Einhaltung der übrigen Voraussetzun-

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gen der BJR – eine Haftung aus. Eine weitergehende Konturierung des im Merkmal „vernünftigerweise“ enthaltenen Maßstabs steht allerdings noch aus, sodass sich hier weiterer Forschungsbedarf konstatieren lässt. 9. Auch hinsichtlich des regelmäßig als solchen bezeichneten „prozeduralen“ Charakters der BJR ist der von Bachmann konturierten Auffassung zu folgen: Entgegen der wohl h. M. ist im Bereich der BJR keineswegs eine richterliche Kontrolle des Inhalts der Vorstandsentscheidung ausgeschlossen. Ohne eine Betrachtung des Inhalts einer Maßnahme kann der Richter schlechthin nicht entscheiden, ob der Vorstand „vernünftigerweise annehmen durfte, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“ und somit deren Verfahrensvoraussetzungen einhielt. 10. Hinsichtlich der mitunter vertretenen inhaltlichen Kriterien zur Ermittlung der Reichweite unternehmerischer Entscheidungen – insbesondere Risiken, Unsicherheiten, Chancen oder Prognosen – ist Einschätzungen aus der Literatur zuzustimmen, dass diese Merkmale zwar durchaus der zutreffenden Illustration typischer Eigenschaften von Vorstandsentscheiden dienen, ihnen aber eine allgemeine definitorische Qualität mangels entsprechenden gesetzgeberischen Willens, mangelnder begrifflicher Präzision, aufgrund von Widersprüchen zur Funktion der BJR sowie inhaltlicher und struktureller Wertungswidersprüche nicht beigemessen werden kann. Ebenfalls kann einer Orientierung unternehmerischer Entscheidungen an strukturellen Kriterien – insbesondere dem exklusiven Bezug auf Handlungen im Außenverhältnis des Unternehmens – nicht gefolgt werden. 11. Entscheidungen im Kontext der den Vorstand bindenden Legalitätspflicht sind nach zutreffender h. M. von unternehmerischen Entscheidungen auszuschließen, sofern der Vorstand strikten Vorgaben gerecht werden muss. Darunter fallen auch Entscheidungen für eine Rechtsansicht bei unklarer Rechtslage und nützliche Pflichtverletzungen. Auch Verstöße gegen die den Vorstand bindende Treuepflicht führen nach zutreffender h. M. zum Ausschluss unternehmerischer Entscheidungen. 12. Eine gesetzliche Vorgabe stellt entgegen verbreiteter Auffassung nicht zwangsläufig ein Ausschlusskriterium für das Vorliegen unternehmerischer Entscheidungen dar. Hier ist der insbesondere von Paefgen konturierten Auffassung zu folgen: Sofern die jeweils zu betrachtende Norm dem Vorstand mangels Vorgaben oder aufgrund einer konkreten Ermächtigung in einem verbleibenden Bereich erlaubt, die Interessen des Unternehmens zu konkretisieren bzw. nach den solchermaßen erkannten Interessen des Unternehmens zu handeln, verbleibt auch Raum für unternehmerisches Ermessen und damit für die Anwendung der BJR. Das zentrale Kriterium zur Bestimmung des Anwen-

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dungsbereichs unternehmerischer Entscheidungen im Sinne der BJR liegt somit in der Freiheit des Vorstands, allein die Interessen des Unternehmens in der jeweiligen Entscheidungssituation zu artikulieren und nach den Vorgaben seines Leitungsauftrags zu handeln. Einer im Vordringen befindlichen Gegenauffassung, die unternehmerische Entscheidungen bei Spielräumen innerhalb gesetzlich vorgeprägter Maßnahmen kategorisch ausschließen möchte, ist damit entgegenzutreten. 13. Das Vorliegen unternehmerischer Entscheidungen und damit die Anwendung der BJR ist vor diesem Hintergrund in gesetzlich vorgeprägten Bereichen nicht zwangsläufig auszuschließen. Das kann ausnahmsweise auch unbestimmte Rechtsbegriffe einschließen, sofern der jeweilige Begriff dem Vorstand die Freiheit zur Konkretisierung des Unternehmenswohls belässt bzw. ihm gerade diese aufträgt. Möglich ist das Vorliegen unternehmerischer Entscheidungen des Weiteren bei Entscheidungsfreiräumen des Vorstands im Kontext von übertragenen Maßnahmen, die nicht grundsätzlich in die Zuständigkeit des Vorstands fallen, sofern ihm bei ihrer Ausführung Möglichkeiten zur eigenverantwortlichen Gestaltung ohne weitere inhaltliche Vorgaben belassen werden. Sofern der Vorstand für eine Maßnahme die Zustimmung eines anderen Organs einholen muss, kann es sich bei der Maßnahme um eine unternehmerische Entscheidung handeln; der Zustimmungsbedarf an sich bindet den Vorstand hingegen strikt und schließt das Vorliegen unternehmerischer Entscheidungen aus. 14. Die nach h. M. vorzunehmende terminologische Abgrenzung unternehmerischer Entscheidungen gegenüber „gebundenen Entscheidungen“ kann beibehalten werden. Sie bedarf aber inhaltlicher Präzisierung: Entscheidend ist, dass anhand dieses Merkmals nicht etwa grundsätzlich an ein Gesetz gebundene Entscheidungen bzw. aufgrund einer gesetzlichen Regelung vorgenommene Handlungen von der BJR auszusondern sind; auch in solchen Bereichen kann Raum für unternehmerische Entscheidungen verbleiben. Vielmehr sind an dieser Stelle Entscheidungen auszusondern, bei denen der Vorstand an einen anderen Maßstab als an das „Wohl der Gesellschaft“ und damit die Artikulation der Unternehmensinteressen gebunden ist. 15. Der Begriff des unternehmerischen Ermessens ist zugunsten eines einheitlichen institutionellen Verständnisses mit den Fällen unternehmerischer Entscheidungen im Sinne der BJR gleichzusetzen. Die BJR sollte als die exklusive, normative Ausprägung des unternehmerischen Ermessens behandelt werden. Zwecks Anwendungssicherheit sollte insofern eine klare Trennung, derer sich bereits Teile von Rechtsprechung und Schrifttum bedienten und bedienen, eingehalten werden. Kategorisch abzugrenzen sind demnach unternehmerische

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Entscheidungen, die als Ermessensentscheidungen nur eingeschränkter richterlicher Prüfung nach den Voraussetzungen von §  93 Abs.  1 S.  2 AktG unterliegen, von sonstigen Entscheidungen, deren Bedienung durch den Vorstand voller richterlicher Prüfung bzw. anderweitiger Maßstäbe unterliegt. Diese sollten nicht als Ermessensspielräume bezeichnet werden. Solch eine klare Trennung dürfte auch die praktische Anwendbarkeit der Norm erhöhen. Die Regelung dürfte so, als einheitliche Verkörperung von Ermessensspielräumen interpretiert, gerade auch für juristisch nicht vorgebildete Anwender – insbesondere für Unternehmensorgane als ihre Adressaten – verständlicher, damit besser handhabbar und effektiver werden. 16. Innerhalb sämtlicher Teilbereiche der dem Vorstand typischerweise obliegenden Führungsfunktionen wurden unternehmerische Entscheidungen und die das Ermessen des Vorstands jeweils beschränkenden Parameter identifiziert. Dabei stellen sich die Unternehmensplanung, die Koordination und die Besetzung von Führungsposten weitgehend als Ermessensentscheidungen dar. Auch im Bereich der Kontroll- und Organisationspflichten ist in weiten Teilen auf die BJR zurückzugreifen. Insbesondere im Bereich der Compliance- und Kontrollverantwortung des Vorstands werden die Grenzen des Ermessens durch Literatur und Rechtsprechung noch weiter zu ermitteln sein. Hinsichtlich der Ausgestaltung von Compliance-Maßnahmen sollte die Anwendung der BJR den Ausgangspunkt der weiteren Diskussion bilden. 17. Schließlich wurden diejenigen aktienrechtlichen Vorschriften auf unternehmerische Entscheidungen hin untersucht, die den Vorstand ausdrücklich als Adressaten erwähnen. Dabei zeigt sich anhand der Vielfalt der verschiedenen Entscheidungssituationen und anhand der mitunter anzunehmenden Tragweite der einzelnen Maßnahmen, dass es – wie bereits im Verlauf der allgemeinen Betrachtung argumentiert – einer nicht gebotenen Verkürzung des Anwendungsbereichs der BJR gleichkäme, wollte man dem Vorstand den Zugang zu unternehmerischen Entscheidungen mit dem bloßen Hinweis auf die gesetzliche Normierung eines Verhaltens trotz gleichzeitiger Möglichkeit zur Konkretisierung des Unternehmensinteresses versagen. Die Abgrenzung nach „Pflichtaufgaben“ orientiert sich zu sehr an begrifflichen Schemata, ohne die individuelle Zielrichtung und damit die Umstände einzelner Entscheidungssituationen ausreichend zu würdigen. Um auch hier einer unnötigen Verkomplizierung entgegenzuwirken und die Anwendungssicherheit im Umgang mit der BJR und damit ihren praktischen Nutzen zu erhöhen, sollten – sofern ihre Anwendung der jeweiligen Interessenlage gerecht wird – auch die einheitlichen Maßstäbe der BJR angewandt werden. Im Einzelnen sei dazu auf die im letzten Kapitel vorgenommene Betrachtung verwiesen.

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255

Zöllner, Wolfgang; Noack, Ulrich (Hrsg.): Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Band 1, §§  1–75 AktG, 3. Aufl., Köln 2011 (zit.: Bearbeiter, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), § … Rn. …) dies. (Hrsg.): Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Band 2/1, §§  76–94 AktG, 3. Aufl., Köln 2010 (zit.: Bearbeiter, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), § … Rn. …) dies. (Hrsg.): Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Band 2/2, §§  95–117 AktG, 3. Aufl., Köln 2013 (zit.: Bearbeiter, in: KK-AktG (3. Aufl. 2013), § … Rn. …) dies. (Hrsg.): Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Band 3, 2. Teillieferung, §§  121–130 AktG, 3. Aufl., Köln 2011 (zit.: Bearbeiter, in: KK-AktG (3. Aufl. 2011), § … Rn. …) dies. (Hrsg.): Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Band 3, 1. Teillieferung, §§  131, 132 AktG, 3. Aufl., Köln 2010 (zit.: Bearbeiter, in: KK-AktG (3. Aufl. 2010), § … Rn. …) dies. (Hrsg.): Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Band 3/2, §§  142–178 AktG, 3. Aufl., Köln 2015 (zit.: Bearbeiter, in: KK-AktG (3. Aufl. 2015), § … Rn. …) dies. (Hrsg.): Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Band 3, 3. Teillieferung, §§  150–178 AktG, 3. Aufl., Köln 2012 (zit.: Bearbeiter, in: KK-AktG (3. Aufl. 2012), § … Rn. …) dies. (Hrsg.): Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Band 6, §§  15–22 AktG, §§  291–328 AktG und Meldepflichten nach §§  21 ff. WpHG, SpruchG, 3. Aufl., Köln 2004 (zit.: Bearbeiter, in: KK-AktG (3. Aufl. 2004), § … Rn. …)

Sachregister Aktienregister  178 ARAG/Garmenbeck-Urteil  16 f. Auflösung der Gesellschaft  219 f. Aufsichtsrat – ARAG/Garmenbeck  16 f. – Berichtspflichten des Vorstands  186 – Einberufung  189 f. – Geltung der Untersuchungsergebnisse  10 – Prüfungspflichten, Forcierung der  171 f. – Verhältnis/Pflichten gegenüber dem Vorstand  20, 35 f., 128, 204, 226 f. – Zusammensetzung  166, 186 ff. – Zustimmungspflichtige Maßnahmen  190 Buchführung und Rechnungslegung  170 ff. Compliance-Verantwortung  157 ff. D&O-Versicherung  37 ff. DCGK  206 f. Eigene Aktien, Erwerb und Einziehung  179 ff. Einzahlung, Aufforderung der Aktionäre zur  177 Ermessen bzw. Geschäftsleiterermessen  5 ff., 11, 15 ff., 63, 78 ff., 124, 127 Früherkennung, Maßnahmen zur  174 f. Gebundene Entscheidungen  111 ff. Gründung der AG  165 ff. – Anmeldung  167 – Aufsichtsrat  166 – Gründungsprüfung  166 f. – Haftungsmaßstab bei Gründung  165 f. – Nachgründung  168 f.

Hauptversammlung – Durchführung  196 ff. – Einberufung  175 f., 191 f. – Nachbereitung  201 ff. – Vorbereitung  192 ff. Informationsbasis unternehmerischer Entscheidungen  59 ff. Informationsverantwortung  155 ff. Jahresabschluss  170 ff., 207 ff. Kapitalerhöhung  209 ff. Kapitalerhöhung, bedingte  211 f. Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital  212 ff. Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln  216 Kapitalherabsetzung  217 ff. Konzern – Eingliederung  227 f. – Fehlen eines Beherrschungsvertrags  225 ff. – Unternehmensverträge  220 ff. – Vertragskonzern  223 ff. Legalitätspflicht  111 ff., 122 ff. Leitungsaufgaben  142 ff., 147 ff. Minderheitsaktionäre, Ausschluss von  183 f. Namensaktien, Zustimmung zur Übertragung  178 f. Personalverantwortung  163 ff. Pflichtaufgaben  115 ff.

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Sachregister

Risikoaversion  44 ff. Rückschaufehler  48 ff. Schuldverschreibungen, Ausgabe von  216 f. Sicherer Hafen  8 f., 91 ff. Sonderprüfung  204 ff. Treuepflicht  139 ff. Übertragung des ganzen Vermögens, Erläuterung  209 UMAG  4 Unbestimmte Rechtsbegriffe  130 ff. Unklare Rechtslage  112 ff. Unternehmensplanung  149 ff. Unternehmenskoordinierung bzw. -organisation  152 ff. Unternehmenskontrolle  162 ff.

US-amerikanische Varianten der BJR  17 ff. Vernünftigerweise annehmen dürfen  66 ff. Vorstand – Aufgaben und Tätigkeit  19 ff. – Aufsichtsrat, Pflichten gegenüber dem  186 ff. – Hauptversammlung, Pflichten gegenüber der  190 ff. – Geschäftsordnung  184 – Haftung  25 ff. – Interessenkonflikte  56 ff., 184 – Selbstorganisation des  154 f. – Vertretung der AG  185 Wohl der Gesellschaft  53 ff. Zahlungsverbote  176