Verfassungsmäßigkeit der Bundestagsausschüsse: Zulässigkeit und Grenzen der Delegation parlamentarischer Aufgaben unter besonderer Berücksichtigung von Entscheidungsbefugnissen [1 ed.] 9783428552979, 9783428152971

Die Arbeit untersucht die Verfassungsmäßigkeit von Parlamentsausschüssen. Es ist ein viel beachtetes und kontrovers disk

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Verfassungsmäßigkeit der Bundestagsausschüsse: Zulässigkeit und Grenzen der Delegation parlamentarischer Aufgaben unter besonderer Berücksichtigung von Entscheidungsbefugnissen [1 ed.]
 9783428552979, 9783428152971

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Beiträge zum Parlamentsrecht Band 76

Verfassungsmäßigkeit der Bundestagsausschüsse Zulässigkeit und Grenzen der Delegation parlamentarischer Aufgaben unter besonderer Berücksichtigung von Entscheidungsbefugnissen

Von

Oliver Moench

Duncker & Humblot · Berlin

OLIVER MOENCH

Verfassungsmäßigkeit der Bundestagsausschüsse

Beiträge zum Parlamentsrecht Band 76

Verfassungsmäßigkeit der Bundestagsausschüsse Zulässigkeit und Grenzen der Delegation parlamentarischer Aufgaben unter besonderer Berücksichtigung von Entscheidungsbefugnissen

Von

Oliver Moench

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2016 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-6674 ISBN 978-3-428-15297-1 (Print) ISBN 978-3-428-55297-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-85297-0 (Print & E-Book)

Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Delegation von Parlamentsaufgaben auf Ausschüsse. Der Umstand, dass in der repräsentativen Demokratie des Grundgesetzes der Bundestag zwar das zentrale Repräsentationsorgan ist, gleichwohl die Ausschüsse den Großteil der Parlamentsarbeit erledigen und zum Teil sogar letztverbindlich darüber entscheiden, ist ein viel beachtetes und kritisiertes Phänomen. Die Thematik ist einerseits eingebettet in die großen zeitlosen Themen der Demokratie und Repräsentation, andererseits ist sie verfassungsrechtlich und -politisch von hoher Aktualität, da einzelne (entscheidende) Ausschüsse des Bundestages zumindest in ihrer konkreten Ausgestaltung verfassungswidrig sein dürften. Die Arbeit wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Hamburg im Sommersemester 2016 als Dissertation angenommen. Für die außerordentlich gute Betreuung, für wichtige Anregungen und Ratschläge sowie für die schnelle Erstellung des Erstgutachtens bedanke ich mich ganz herzlich bei meinem Doktorvater Prof. Dr. Markus Kotzur, LL.M. (Duke Univ.). Für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens bedanke ich mich bei Prof. Dr. Hans-Heinrich Trute. Mein besonderer Dank gilt zudem Prof. Dr. Helmut Goerlich, der bereits in meinen ersten Studiensemestern eine Faszination für das Verfassungsrecht geweckt hat und danach über die Jahre hinweg ein sehr wertvoller Ratgeber und Unterstützer geblieben ist. Abschließend möchte ich mich bei meiner hoffentlich zukünftigen Ehefrau Laura Vásárhelyi Nagy, meinen Geschwistern Nikolaus, Katharina und Maximilian und bei meinen Eltern für ihre Unterstützung bedanken. Ohne diesen familiären Rückhalt wäre nicht nur diese Promotion, sondern eine insgesamt erfolgreiche akademische Ausbildung nicht möglich gewesen. Berlin, im Juli 2017

Oliver Moench

Inhaltsverzeichnis Kapitel 1

Einführung in die Untersuchung 

A. Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausschüsse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Delegation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Entscheidungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 15 15 17 17

B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Kapitel 2

Verfassungsrechtliche Ausgangslage 

22

A. Demokratie und Repräsentation im Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 B. Wähler, Bundestag, Abgeordnete und Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wähler  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bundestag  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abgeordnete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abgeordnete als Repräsentanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Repräsentation des Volkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zur Problematik des Volkswillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zur Problematik einer idealisierten Repräsentation . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesamtrepräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgeordnetenstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gleichheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abgeordnetenrechte und ihre Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abgeordnete, Fraktion und Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einbindung der Abgeordneten in Partei und Fraktion . . . . . . . . . . . b) Freies Mandat und Fraktionszugehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 26 28 29 30 30 31 34 36 37 38 39 41 43 43 45 45 47 49

C. Autonomie und Funktionsfähigkeit des Parlaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 I. Parlamentsautonomie und Selbstorganisationsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

8 Inhaltsverzeichnis II. Parlamentsautonomie als Ausdruck der Gewaltenteilung und des Demokratieprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Parlamentsautonomie und Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Parlamentsautonomie, Gewaltenteilung und Demokratie . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Funktionsfähigkeit des Parlaments  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Arbeitsteilung und Arbeitsentlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geheimhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eilbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gestaltungsspielraum im Bereich der Parlamentsautonomie  . . . . . . . . . .

53 54 55 56 57 60 61 63 64

D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Kapitel 3

Grundgesetz und Ausschüsse 

68

A. Ausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausschüsse des Deutschen Bundestages  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geschäftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zusammensetzung und Arbeitsweise der Ausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . III. Qualität und Bedeutung der Ausschussarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Interessenvertretung in den Ausschüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Gesetz als zulässige Regelungsform für Ausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsnatur der Geschäftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Charakteristika der Geschäftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rang der Geschäftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Höherrangigkeit der Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gleichstufigkeit zwischen Gesetz und Geschäftsordnung  . . . . . . . . . . IV. Ausschüsse durch Gesetz   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliche Regelung unzulässig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eingeschränkte Wahl zwischen Gesetz und Geschäftsordnung . . . . . . 3. Unbeschränkte Wahl zwischen Gesetz und Geschäftsordnung . . . . . . . V. Entscheidungsdelegationen nur durch Gesetz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Verfassungsrechtliche Delegationsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 D. Verfassungsrechtliche Bewertung der Fachausschüsse  . . . . . . . . . . . . . . . I. Fachausschüsse, § 54 GOBT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Generelle Erwägungen der Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zu prüfende Verfassungsgüter  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prüfungsmaßstab Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfassungsrechtlicher Kontext der Güterabwägung  . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis9 III. Verfassungsrechtliche Würdigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesamtrepräsentation und Abgeordnetenstatus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eingriffsintensität  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gesamtrepräsentation, Abgeordnetenstatus und Ausschusstätigkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zur Problematik des fraktionslosen Abgeordneten . . . . . . . . . b) Verhältnismäßigkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Legitimer Zweck und Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grundsatz der Spiegelbildlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Anspruch jedes Abgeordneten auf einen Ausschusssitz . . (3) Zur Problematik des fraktionslosen Abgeordneten  . . . . . cc) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geltung des Öffentlichkeitsprinzips für Ausschüsse . . . . . . . . . . . . aa) Sitzungsöffentlichkeit nach Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG . . . . . . . bb) Allgemeines Öffentlichkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Öffentlichkeit und Ausschussarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Legitimes Ziel und Geeignetheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erforderlichkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Aus empirischen Gründen nicht erforderlich? . . . . . . . . . . (2) Nichtöffentlichkeit als Ausnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99 100 100 100 103 104 104 105 106 108 109 113 114 114 114 116 117 119 119 120 121 123 124 125 126

Kapitel 4

Delegation von Entscheidungsbefugnissen 

A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen . . . . . I. Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entscheidungsdelegationen grundsätzlich unzulässig . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erfordernis einer verfassungsrechtlichen Ermächtigung . . . . . . . . . . . . a) Verfassungsvorbehalt bei Kompetenzübertragungen . . . . . . . . . . . . b) Verfassungsvorbehalt wegen indizierter Plenarzuständigkeit . . . . . c) Einheit der Verfassung und die Art. 44 ff. GG . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vermittlungsausschuss und Richterwahlausschuss . . . . . . . . . . bb) Untersuchungsausschüsse, Art. 44 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Auswärtiger Ausschuss, Art. 45a Abs. 1 Alt. 1 GG . . . . . . . . . dd) Verteidigungsausschuss, Art. 45a Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . ee) Petitionsausschuss, Art. 45c Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . .

128 128 128 132 133 133 135 138 139 140 142 143 145

10 Inhaltsverzeichnis ff) Parlamentarisches Kontrollgremium, Art. 45d GG  . . . . . . . . . gg) Gremium nach Art. 13 Abs. 6 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Ständiger Ausschuss, Art. 45 GG a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ii) Europaausschuss, Art. 45 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Befugnis zur Entscheidungsdelegation? . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rückschluss auf Verfassungsvorbehalt? . . . . . . . . . . . . . . . jj) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gewaltenteilung – Zuständigkeit, Verantwortung, Funktion . . . . . . . . 3. Repräsentation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Repräsentation durch Ausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfassungswidrige Verkürzung der Abgeordnetenrechte . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Entscheidungsdelegationen unter Voraussetzungen zulässig . . . . . . . . . . . 1. Delegation von Entscheidungen ohne Außenwirkung  . . . . . . . . . . . . . 2. Gewohnheitsrechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wesentlichkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Repräsentation in Ausschüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Funktion und Repräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Delegation je nach Bedeutung der betroffenen Aufgabe . . . . . . . . . b) Delegation je nach Art der Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Delegation bei sachlicher Notwendigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Öffentlichkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 42 Abs. 1 GG – Sitzungsöffentlichkeit und Ausschüsse  . . . . . b) Allgemeines Öffentlichkeitsprinzip  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Entscheidungsdelegationen  . . I. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eurorettungsmaßnahmen im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sondergremium nach § 3 Abs. 3 StabMechG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfassungsmäßigkeit der Entscheidungsdelegation . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesamtrepräsentation und Abgeordnetenstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eingriffsintensität  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abgeordnetenstatus und Gesamtrepräsentation . . . . . . . . . . . . bb) Besondere Bedeutung des Budgetrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnismäßigkeit des Eingriffs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Legitimer Zweck und Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Geheimschutz als legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Eilbedürftigkeit als legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Geeignetheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

186 186 187 189 190 190 190 190 192 194 194 194 196 197

Inhaltsverzeichnis11 bb) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Delegation für den Geheimschutz erforderlich . . . . . . (b) Vertraulichkeit aller delegierten Aufgaben? . . . . . . . . (2) Eilbedürftigkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Delegation wegen Eilbedürftigkeit erforderlich . . . . . (b) Eilbedürftigkeit aller delegierten Aufgaben? . . . . . . . . (3) Ausschussgröße und Spiegelbildlichkeit . . . . . . . . . . . . . . (4) Ausschussbesetzung und Spiegelbildlichkeit  . . . . . . . . . . (5) Bestimmtheit der übertragenen Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . (6) Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Rückholbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (8) Ernennungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (9) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Öffentlichkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Legitimer Zweck, Geeignetheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Angemessenheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel 5

Verfassungsrechtliche Bewertung einzelner Ausschüsse 

221

A. Haushaltsausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 I. Sperrvermerke und Zustimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 1. Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 2. Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 a) Abgeordnetenstatus und Gesamtrepräsentation  . . . . . . . . . . . . . . . 226 aa) Legitimes Ziel und Geeignetheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 bb) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 (1) Arbeitsentlastung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 (2) Erforderlichkeit im Übrigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 cc) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 b) Öffentlichkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 II. Befugnisse nach § 4 Abs. 2 StabMechG n. F. und § 5 Abs. 2 ESMFinG . 231 1. Abgeordnetenstatus und Gesamtrepräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 a) Legitimes Ziel und Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 b) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 c) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234

12 Inhaltsverzeichnis 2. Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 B. Richterwahlausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Richterwahlausschuss grundsätzlich unzulässig? . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wortlaut des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Legitimation durch Plenum erforderlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Richterwahlausschuss grundsätzlich zulässig? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesamtrepräsentation und Abgeordnetenstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eingriffsintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Öffentlichkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Legitimer Zweck und Geeignetheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erforderlichkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Exkurs: § 6 BVerfGG n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

238 239 240 240 241 243 245 245 245 246 246 249 251 252 253 254 255

C. Hauptausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verfassungsmäßigkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Legitimes Ziel und Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erforderlichkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

257 258 260 261 261

Kapitel 6 Zusammenfassung 

263

Anlagen 

275

Anlage 1: StabMechG – in der ursprünglichen Fassung vom 22.05.2010  . . . 275 Anlage 2: StabMechG – in der Fassung vom 09.10.2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 Anlage 3: StabMechG – in der Fassung vom 23.05.2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301

Kapitel 1

Einführung in die Untersuchung Es ist schon lange ein viel beachtetes und gleichermaßen kritisiertes Phänomen, dass zwar der Bundestag das zentrale Repräsentationsorgan ist, gleichwohl aber der Großteil der eigentlichen Arbeit in Ausschüssen geleistet wird.1 Die umfassende Einbindung der Ausschüsse in den parlamentarischen Arbeitsprozess stellt sich dabei in zweifacher Hinsicht als sachliche Notwendigkeit für die Funktionsfähigkeit des Bundestages dar. Zunächst einmal bringt es die Größe des Kollegialorgans Bundestag schon aus soziologischen Gründen mit sich, dass die Arbeit im Plenum auf eine umfassende Vorstrukturierung und Kanalisierung der vielfältigen Meinungsströmungen angewiesen ist.2 Eine effektive Arbeit ist schlechterdings nicht möglich, wenn über 600 individuelle und gleichberechtigte Meinungen in endlosen Diskussionsrunden im Plenum einzeln dargelegt und erörtert werden. Hinzu kommt, dass die bereits häufig beobachtete und weiter zunehmende Komplexität der parlamentarischen Aufgaben aus faktischen Gründen zu einer Arbeitsteilung und Spezialisierung der Repräsentanten zwingt.3 Zahlreiche Themenfelder bedürfen einer umfassenden Einarbeitung, um überhaupt einen groben Überblick zu gewinnen. Politische und wirtschaftliche Zusammenhänge sind in einer globalisierten und vielfach vernetzten Welt selbst für die einschlägigen Experten nur schwer zu erklären und ihre zukünftige Entwicklung noch viel schwerer vorherzusagen. Es gibt eine beträchtliche Zahl einflussreicher Akteure, die mehr oder weniger unmittelbar in Erscheinung treten und deren Beweggründe sich nur vor dem Hintergrund einer regionalen, nationalen, europäischen und globalen Perspektive erklären lassen. Eindrucksvoll wird das anhand der Subprimekrise, der europäischen Staatsschuldenkrise oder den aktuellen Migrationsbewegungen deutlich. Nicht 1  Magiera,

in: Sachs, GG, Art. 38 Rn. 4 f., 58; Sachs, in: JuS 2012, S. 955. in: Dreier, GG, Art. 38 Rn. 31; Böckenförde, in: FS Kurt Eichenberger, S.  301 (306 ff.). 3  BVerfGE 44, 308, 317; BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 115, 120 = BVerfGE 130, 318 (348, 350); BVerfGE 102, 224 (236); Steiger, Organisatorische Grundlagen, S. 124; Dreier, in: JZ 1990, S. 310 (318); Partsch, in: VVDStRL 16 (1958), S. 74 (77 f.); Kreuzer, in: Der Staat 7 (1968), S. 183; vgl. Brocker, in: BK, GG, Art. 40 Rn. 165; von Lucius, in: AöR 1972, S. 568 f.; Kasten, in: DÖV 1985, S. 222 (224). 2  Morlok,

14

Kap. 1: Einführung in die Untersuchung

weniger bedeutsam und kompliziert sind wissenschaftliche oder technische Megatrends, die oftmals durch Begriffsschöpfungen gekennzeichnet sind, deren tieferen Bedeutungsgehalt die Mehrheit der Wähler gar nicht mehr durchschaut. Beispielhaft können hier Schlagwörter wie Cloud-Computing oder Industrie 4.0 genannt werden. Die Komplexität der durch den Gesetzgeber zu regelnden Themenbereiche wird dabei in Zukunft mit aller Wahrscheinlichkeit weiter zunehmen. Soll sich vor diesem Hintergrund die Demokratie als Herrschaftsform behaupten, ist sie auf sachkundige Repräsentanten angewiesen, die diese Prozesse aus eigener Urteilskraft politisch begleiten und gestalten und nicht vollständig der Einschätzung externer Experten ausgeliefert sind.4 Das entsprechende Fachwissen über die entscheidungsrelevanten Umstände ist die Prämisse für die Akzeptanz, Autorität und damit auch die Legitimität parlamentarischer Entscheidungen.5 Um eine solche Expertise der Abgeordneten im Deutschen Bundestag bilden und nutzbar machen zu können, sind die Ausschüsse als parlamentarischer Unterbau unerlässlich. Zugleich scheint aber gerade diese Kompetenzverlagerung von der Volksvertretung auf kleine Gremien unter dem Prinzip der repräsentativen Demokratie bedenklich. Besonders kontrovers wird in diesem Rahmen die Verlagerung von Entscheidungsbefugnissen diskutiert. Der Meinungsstreit kann dabei auf eine lange Tradition in der deutschen Verfassungsgeschichte zurückblicken. Aktuell hat die Diskussion durch zwei Urteile des Bundesverfassungsgerichts neuen Schwung erhalten.6 Eine umfassende Aufarbeitung der Thematik ist dabei, so weit ersichtlich, bis heute nicht erfolgt. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist in dieser Frage durch Widersprüche gekennzeichnet und dogmatisch wenig aussagekräftig.7 Die Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Delegation parlamentarischer Aufgaben und insbesondere von Entscheidungsbefugnissen auf Ausschüsse soll deshalb in der vorliegenden Arbeit untersucht werden. Bevor in die eigentliche Untersuchung eingestiegen wird, soll zunächst der Untersuchungsgegenstand „Ausschussdelegation“ näher erläutert (A.) und ein Ausblick auf den Gang der Untersuchung gegeben werden (B.).

Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, S. 27. in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, § 38 Rn. 6 ff. 6  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012 = BVerfGE 130, 318  ff.; BVerfG, 2 BvC 2/10 vom 19.06.2012 = BVerfGE 131, 230 ff. 7  Vgl. BVerfG, 2 BvE 1/11 vom 22.09.2015, Rn. 91 und 98; vgl. Nettesheim, in: NJW 2012, S. 1409 (1410 f.). 4  Vgl.

5  Krüper,



A. Untersuchungsgegenstand15

A. Untersuchungsgegenstand Kern der Untersuchung ist die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Delegation parlamentarischer (Entscheidungs-)Befugnisse auf Ausschüsse. In materieller Hinsicht steht die Aufgabenübertragung innerhalb des Bundestages in einem ureigenen Bezug zu grundlegenden Fragen der parlamentarischen Repräsentation. Wird eine Aufgabe dem Zuständigkeitsbereich aller Abgeordneten im öffentlichen Plenum entzogen und einigen wenigen Abgeordneten in einem nichtöffentlichen Parlamentsausschuss anvertraut, so berührt das im Kern die Fragen demokratischer Egalität und Publizität. Erfasst werden dadurch vielfältige Verfassungsgüter, wie zum Beispiel der Status der Abgeordneten, der Grundsatz der Gesamtrepräsentation, die Wahlrechtsgleichheit, das Öffentlichkeitsprinzip, die Parlamentsautonomie oder das Verfassungsgebot der Funktionsfähigkeit des Bundestages. Zum Gegenstand der Untersuchung gehören quasi akzessorisch diese verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen. Das Aufzeigen und Auflösen dieses verfassungsrecht­ lichen Geflechts, in welches die Ausschussdelegationen eingewoben sind, ist Inhalt der vorliegenden Arbeit. Um späteren Missverständnissen vorzubeugen, sind zuvor die den Untersuchungsgegenstand prägenden Begriffe näher zu bestimmen. Einer genaueren Definition bedürfen dabei zunächst die Ausschüsse als Objekt der Aufgabenübertragung (I.). Zudem sind die Begriffe der Delegation (II.) sowie der Entscheidungsbefugnisse (III.) näher zu umreißen.

I. Ausschüsse Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich auf die Betrachtung von Bundestagsausschüssen. Unter Ausschüssen werden dabei alle Gremien verstanden, die ausschließlich aus Mitgliedern des Bundestages bestehen und als Organe des Bundestages Parlamentsaufgaben übernehmen.8 Die terminologische Unterscheidung zwischen Ausschüssen und Gremien ist hier insoweit von Bedeutung, als dass Gremien tatbestandlich nicht unter die besonderen Vorschriften des GG oder der GOBT fallen, die sich terminologisch allein auf Ausschüsse beziehen. Wird ein Ausschuss vom Gesetz- oder Geschäftsordnungsgeber als Gremium bezeichnet, kommt ihm beispielsweise kein Zitierrecht nach Art. 43 Abs. 2 GG zu und die Verfahrensvorschriften der

8  Vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 2, S. 53; vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 135 f.; vgl. Frost, in: AöR 1970, S. 38 (40); vgl. Kasten, Ausschußorganisation und Ausschußrückruf, S. 21 f.

16

Kap. 1: Einführung in die Untersuchung

§§ 54 GOBT ff. über die Ausschüsse sind nicht anwendbar.9 Gleichwohl handelt es sich auch bei Gremien der Sache nach um Ausschüsse im Sinne der vorliegenden Untersuchung, sofern sie ausschließlich mit Parlamentsabgeordneten besetzt werden.10 Die verfassungsrechtliche Problematik, nämlich die Übertragung parlamentarischer Aufgaben auf einen kleinen Kreis von Abgeordneten, ist hier identisch. Keine Ausschüsse im Sinn dieser Untersuchung sind dagegen Kommissionen. Der wesentliche Unterschied zwischen Ausschüssen und Kommissionen besteht darin, dass sich die Kommissionen nicht ausschließlich aus Mitgliedern des Bundestages zusammensetzen.11 Auch andere Gremien, die sich nicht ausschließlich aus Parlamentsabgeordneten zusammensetzen, sind nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Kein Ausschuss ist folglich das Gremium zur Wahl der Bundesrichter, welches hälftig aus den Ministern der Länder besteht, Art. 95 Abs. 2 GG. Ebenso handelt es sich bei dem Vermittlungsausschuss gemäß Art. 77 Abs. 2 GG und dem Gemeinsame Ausschuss gemäß Art. 53a GG um keine Bundestagsausschüsse, da beide auch aus Mitgliedern des Bundesrates bestehen.12 Auch die G-10-Kommission nach Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG muss nicht aus Abgeordneten bestehen und ist insofern kein Bundestagsausschuss.13 Schließlich handelt es sich auch bei besonderen EnquêteKommissionen um keine Bundestagsausschüsse, da in diesen externe Sachverständige mitwirken.14 Im Übrigen ist eine sachliche Differenzierung zwischen Ausschüssen, Gremien und Kommissionen im Grundgesetz nicht angelegt.15 Für die hier zu untersuchende Problemstellung kann in Folge eine weitergehende terminologische Abgrenzung dahingestellt bleiben.

9  Troßmann, in: JöR 1979, S. 1 (62); Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 45d Rn. 13 f.; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 45d Rn. 24; vgl. Hempel, Der Bundestag und die Nachrichtendienste, S. 160. 10  Vgl. Zeh, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 39 Rn. 23. 11  Brocker, in: BK, GG, Art. 40 Rn. 170; Achterberg, Parlamentsrecht, S. 160 f. 12  Achterberg, Parlamentsrecht, S. 137, 366 ff.; Trossmann, in: JöR 1979, S. 231 f. 13  Pagenkopf, in: Sachs, GG, Art. 10 Rn. 49; vgl. Hermes, in: Dreier, GG, Art. 10 Rn. 63. 14  Brocker, in: BK, GG, Art. 40 Rn. 171; Achterberg, Parlamentsrecht, S. 137 f., 160 f.; Kasten, Ausschußorganisation und Ausschußrückruf, S. 22 f. 15  Vgl. Brocker, in: BK, GG, Art. 40 Rn. 170.



A. Untersuchungsgegenstand17

II. Delegation Delegation im rechtlichen Sinne bedeutet zunächst einmal nichts anderes als die Verschiebung von Kompetenzen.16 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wird darunter speziell die Übertragung von Zuständigkeiten vom Bundestag auf seine Ausschüsse verstanden.17 Von der Delegation kann der Sache nach das Mandat abgegrenzt werden. Die Feinheiten der juristischen Differenzierung wurden bereits an anderer Stelle umfassend aufgearbeitet und können in Folge hier unterbleiben.18 Losgelöst vom konkreten Terminus geht es um eine Kompetenzübertragung vom Bundestag auf seine Ausschüsse. Ob dabei formaljuristisch der Bundestag als Delegant oder als Mandant fungiert, ist für die vorliegende Untersuchung unerheblich. Die verfassungsrechtliche Problemstellung ist die Gleiche.19 Die Übertragung von Zuständigkeiten vom Bundestag auf seine Ausschüsse soll daher im Folgenden, in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Sprachgebrauch in der Literatur, einheitlich als Delegation bezeichnet werden.20

III. Entscheidungsbefugnisse Näher auszuführen bleibt, was genau unter Entscheidungsbefugnis zu verstehen ist. In der Literatur wird der Entscheidungsbegriff regelmäßig vorbereitenden und kontrollierenden Parlamentsaufgaben gegenüber gestellt.21 Eine nähere Definition des Entscheidungsbegriffs erfolgt dabei jedoch nicht. Zwar wird gerade durch die Abgrenzung zu vorbereitenden Aufgaben greifbar, was mit Entscheidungsbefugnissen gemeint sein muss. Allerdings zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass der Entscheidungsbegriff mit erheblichen Unschärfen verbunden ist. So ist es grundsätzlich möglich, den Entscheidungsbegriff weit zu verstehen. Dann liegt es in der Natur der Sache, dass auch vorbereitende Aufgaben 16  Triepel, Delegation und Mandat im Öffentlichen Recht, S. 23, umfassend zur Etymologie des Begriffs S. 9 ff. 17  Vgl. Berg, in: Der Staat, 1970, S. 30. 18  Triepel, Delegation und Mandat im Öffentlichen Recht, u. a. S. 8 ff.; Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, S. 167 ff.; Pietzner, Petitionsausschuß und Plenum, S. 52 ff. 19  Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, S. 168. 20  Vgl. Mandelartz, Das Zusammenwirken von Parlament und Regierung beim Haushaltsvollzug, S.  276 ff. 21  Achterberg, Parlamentsrecht, S. 136; Moench/Ruttloff, in: DVBl 2012, S. 1261 ff.; vgl. BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 122 m. w. N. = BVerfGE 130, 318 (351).

18

Kap. 1: Einführung in die Untersuchung

mit vielfältigen Entscheidungen verbunden sind. So entscheiden die Fachausschüsse auch nur im Rahmen von vorbereitenden Beratungen, ob sie öffentliche Anhörungen nach § 70 GOBT durchführen, wie sie die Vorlagen und Beschlussempfehlungen an das Plenum fassen oder ob sie von ihrem Zitierrecht gemäß Art. 43 Abs. 1 GG Gebrauch machen. Jeder Arbeitsschritt und jede Erklärung ist zwangsläufig mit Entscheidungen verbunden. Indem sich Ausschüsse für und gegen Handlungsalternativen entscheiden und damit Vorfestlegungen treffen, nehmen sie „einen Teil des Entscheidungsprozesses“ vorweg.22 Bei diesem Begriffsverständnis kommen jedem Ausschuss Entscheidungsbefugnisse zu. Die besondere Problematik von Entscheidungsdelegationen lässt sich dann schon aufgrund der Begriffsweite nicht mehr herauskristallisieren. Eine weite Begriffsbestimmung ist daher im Rahmen der vorliegenden Untersuchung abzulehnen. Auch eine Abgrenzung zu kontrollierenden Aufgaben ist bei näherer Betrachtung zur Konkretisierung des Entscheidungsbegriffs nicht zielführend. Zwar bedeutet parlamentarische Kontrolle zu wesentlichen Teilen eine nachvollziehende Überprüfung der Exekutive.23 Kontrolle ist schon aufgrund ihrer Funktion für die Gewaltenteilung nicht mit gestaltenden, politischen Initiativen verbunden.24 Allerdings ist die Ausübung parlamentarischer Kontrolle gleichwohl ohne Zweifel mit Entscheidungsbefugnissen im engeren Sinne verknüpft. So gehört das Abhalten eines Misstrauensvotums nach Art. 67 GG oder die Anklage gegen den Bundespräsidenten, Art. 61 GG, zum Repertoire parlamentarischer Kontrollinstrumente. Aber auch der Erlass des Haushaltsgesetzes und die damit verbundenen Entscheidungsbefugnisse können der parlamentarischen Kontrollfunktion zugeordnet werden.25 Der Übergang zwischen „positiv-gestaltenden“ und „ausgrenzend-kontrollierenden“ Kompetenzen ist fließend.26 Oftmals vollzieht sich Kontrolle durch Entscheidungen.27 Eine Abgrenzung von Kontrollbefugnissen und Entscheidungsbefugnissen ist insofern nicht sachgerecht. Überzeugend ist es daher, als Entscheidungsbefugnis eine Ermächtigung eines Ausschusses zur aktiv gestaltenden Beschlussfassung an Stelle des Plenums zu begreifen.28 Erfasst werden davon unproblematisch alle formel22  Vgl.

BVerfGE 80, 188 (221). in: JZ 2010, S. 173 (174); Stern, Staatsrecht II, S. 454. 24  Hirsch, Die Kontrolle der Nachrichtendienste, S. 57 ff. 25  Vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 739; a. A. Stern, Staatsrecht II, S. 454. 26  Vgl. Moeser, Die Beteiligung des Bundestages an der staatlichen Haushaltsgewalt, S. 172; vgl. Hirsch, Die Kontrolle der Nachrichtendienste, S. 57. 27  Di Fabio, in: Der Staat 1990, S. 599 (610 f.); Steffani, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 49 Rn. 5, 8. 28  Vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 136. 23  Wolff,



B. Gang der Untersuchung19

len Gesetzesbeschlüsse. Für schlichte Parlamentsbeschlüsse gilt das allerdings nur eingeschränkt. Ein schlichter Parlamentsbeschluss ist ein parlamentarischer Hoheitsakt, „der nicht im Gesetzgebungsverfahren ergeht und sich nicht alleine auf intraparlamentarische Rechtsverhältnisse bezieht“.29 Eine rechtliche Bindungswirkung kommt ihm oftmals nicht zu.30 Schlichte Parlamentsbeschlüsse werden insofern auch oftmals dazu genutzt, eine unverbindliche Stellungnahme abzugeben oder die politische Meinung kund zu tun.31 Wenn Ausschüsse solche Beschlüsse fassen, ist damit noch kein abschließendes Handeln an Stelle des Plenums gegeben. Auch beim Ausüben schlichter Informationsrechte oder des Zitierrechts nach Art. 43 Abs. 1 GG durch Ausschüsse liegt kein abschließender, plenarersetzender Beschluss vor. Die Rechte des Plenums und der übrigen Abgeordneten bleiben davon grundsätzlich unberührt. Dagegen handelt es sich bei formellen Parlamentsbeschlüssen mit konstitutiver Wirkung, wie das etwa beim Misstrauensvotum gemäß Art. 67 Abs. 1 GG oder dem Beschluss über den Einsatz der Streitkräfte der Fall ist, eindeutig um Entscheidungsbefugnisse im Sinne dieser Arbeit.

B. Gang der Untersuchung Damit eine überzeugende Untersuchung der vorliegenden Fragestellung gelingen kann, ist es zunächst erforderlich, die verfassungsrechtliche Ausgangslage genau zu erfassen und darzustellen (Kapitel 2). Die Frage der Zulässigkeit von Ausschussdelegationen wird unter einer Vielzahl verschiedener Begriffe und Topoi diskutiert, die alle in einer engen Wechselbeziehung zueinander stehen.32 Derselbe Sachverhalt lässt sich insofern als Kolli29  Achterberg,

Parlamentsrecht, S. 738. Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 252; Kretschmer, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 9 Rn. 64. 31  Hölscheidt, in: DÖV 2012, S. 105 (109); Kretschmer, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 9 Rn. 64. Um einen solchen deklaratorischen Parlamentsbeschluss handelt es sich beispielsweise bei der Feststellung des Bundestages vom 10.06.2011, dass „die nachhaltige Stabilisierung der Eurozone im Interesse Deutschlands und seiner europäischen Partner“ ist, BT-Drs. 17/6163, siehe BT- Protokoll 17/115, vom 10.07.2011, S. 13230 (D). Auch die Feststellung, dass die zur Verfügung gestellten Hilfsgelder durch die EFSF „möglichst effizient eingesetzt werden sollen“ und die Aufforderung an die Bundesregierung „die strikte Einhaltung des vorgegebenen Garantievolumens (…) zu gewährleisten“, stellen einen schlichten Parlamentsbeschluss dar, BT-Drs. 17/7500 vom 26.10.2011. Zuletzt stellte der Bundestag durch Beschluss vom 16/17.03.2016 fest, dass sich „die Arbeitswelt (…) in einem stetigen Wandel“ befindet und begrüßte in diesem Zusammenhang das Grünbuch „Arbeiten 4.0“ der Bundesregierung, BT-Drs. 18/7363 vom 26.01.2016. 32  Vgl. Di Fabio, in: Der Staat 1990, S. 599 (617). 30  Hesse,

20

Kap. 1: Einführung in die Untersuchung

sion zwischen dem Abgeordnetenstatus und der Parlamentsautonomie oder zwischen der Wahlrechtsgleichheit und der Funktionsfähigkeit des Parlaments begreifen. Gleichermaßen lässt sich aber auch der Eingriff in den Öffentlichkeitsgrundsatz, das Prinzip der Gesamtrepräsentation oder das Freie Mandat in den Vordergrund stellen. Ein klares und systematisches Verständnis dieses Beziehungsgeflechts aus verschiedenen verfassungsrechtlichen Normen und Prinzipien ist daher Grundvoraussetzung für eine übersichtliche und strukturierte Untersuchung. Durch das Herausarbeiten der übergreifenden Sinnzusammenhänge wird die komplexe und vielschichtige Problemstellung einfacher zu erfassen. Anschließend soll näher auf das Ausschusswesen des Deutschen Bundestages unter der Herrschaft des Grundgesetzes eingegangen werden (Kapitel 3). Dabei ist zunächst einmal die Vielfältigkeit der Parlamentsausschüsse darzulegen sowie auf ihre Zusammensetzung, Arbeitsweise und Bedeutung für die Parlamentsarbeit einzugehen. In diesem Kontext ist auch zu untersuchen, ob das Gesetz eine zulässige Regelungsform für die Ausschüsse darstellt. Dabei ist es unerlässlich, das Rangverhältnis zwischen der Geschäftsordnung des Bundestages und dem formellen Parlamentsgesetz zu klären. Ferner sollen in diesem Kapitel schon einmal die Parlamentsaufgaben he­ rausgefiltert werden, die das Grundgesetz ohne Zweifel dem Plenum vorbehält und die einer Ausschussdelegation deshalb von vorneherein nicht zugänglich sind. Schließlich soll eine verfassungsrechtliche Bewertung gewöhnlicher Fachausschüsse anhand der in Kapitel 2 aufgezeigten Rahmenbedingungen vorgenommen werden. Danach soll als Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Übertragung von Entscheidungsbefugnissen untersucht werden (Kapitel 4). Dabei wird vorweg auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Thematik eingegangen. In Folge sind die für und gegen die Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen vorgebrachten Argumente in der Literatur darzulegen. Dabei soll ihre jeweilige Überzeugungskraft insbesondere auch im Lichte der in Kapitel 2 aufgezeigten verfassungsrechtlichen Strukturen genauer untersucht werden. Anschließend erfolgt die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Entscheidungsdelegationen anhand der allgemeinen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und praktischen Konkordanz. Exemplarisch soll für diese Prüfung das EFSFSondergremium gemäß § 3 Abs. 3 StabMechG a. F. dienen. Im Rahmen des legitimen Zwecks, der Geeignetheit sowie der Erforderlichkeit sind dabei verschiedene Kriterien und Parameter herauszuarbeiten, die es für die Verfassungsmäßigkeit von Entscheidungsdelegationen zu beachten gilt. Schließlich soll unter Rückgriff auf die zuvor gewonnenen Erkenntnisse die Verfassungsmäßigkeit einzelner entscheidender Parlamentsausschüsse



B. Gang der Untersuchung21

untersucht werden (Kapitel 5). Zu prüfen ist hier der seit langer Zeit umstrittene Ausschuss zur Wahl der Bundesverfassungsrichter gemäß § 6 Abs. 1 BVerfGG a. F. Weiterhin ist die Verfassungsmäßigkeit des Haushaltsausschusses in dem Umfang zu untersuchen, in dem ihm eigenständige Entscheidungsbefugnisse eingeräumt werden. Schließlich erfolgt eine Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des für kürzere Zeit zu Beginn der 18. Legislaturperiode bestehenden Hauptausschusses.

Kapitel 2

Verfassungsrechtliche Ausgangslage Bei der Frage einer Ausschussdelegation geht es in erster Linie um die Rechtsstellung des Parlaments, der Abgeordneten und der Wähler. Die verfassungsrechtliche Problematik einer Delegation ist die, dass durch die Aufgabenübertragung auf einen Ausschuss zugleich die am Ausschuss nicht beteiligten Abgeordneten in ihren Mitwirkungsrechten eingeschränkt werden. Der in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GG verwurzelte Grundsatz der Abgeordnetengleichheit wird beeinträchtigt. Automatisch ist damit eine Verkürzung des Prinzips der Gesamtrepräsentation und der Wahlrechtsgleichheit verbunden. Eine Ausschussdelegation berührt folglich zentrale Prinzipien demokratischer Repräsentation. Ausgangspunkt für die folgende Untersuchung soll aus diesem Grund das im Grundgesetz verankerte Prinzip der repräsentativen Demokratie sein (A.). Unmittelbar daraus können die konkret betroffenen Verfassungsgüter, namentlich der Abgeordnetenstatus, die Wahlrechtsgleichheit, das Prinzip der Gesamtrepräsentation und der Öffentlichkeitsgrundsatz hergeleitet werden (B.). Auf der anderen Seite lassen sich auch die Parlamentsautonomie und das Verfassungsgebot der Funktionsfähigkeit des Bundestages als gedankliche Ausprägung des übergeordneten Demokratie- und Repräsentationsprinzips begreifen (C.).

A. Demokratie und Repräsentation im Grundgesetz Die Demokratie als Staatsform wird zunächst in Art. 20 GG bestimmt. Nach Art. 20 Abs. 1 GG ist Bundesrepublik Deutschland ein „demokratischer (…) Bundesstaat“. Gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG geht „alle Staatsgewalt (…) vom Volke aus“. Das „Legitimationsprinzip Volkssouveränität“ wird hier konstitutiv festgeschrieben.1 Weiter heißt es in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG, dass die Staatsgewalt „vom Volke in Wahlen (…) und durch besondere Organe (…) ausgeübt“ wird. Es geht im Grundgesetz folglich um eine repräsentative Demokratie und nicht um eine identitäre, unmittelbare Volksherrschaft.2 Der hier verankerte Repräsentationsgedanke schlägt die 1  Badura, in: HStR II (3. Auflage), § 25 Rn. 1; vgl. Böckenförde, in: HStR II (3. Auflage), § 24 Rn. 1 ff. 2  Böckenförde, in HStR II (3. Auflage), § 24 Rn. 1.



A. Demokratie und Repräsentation im Grundgesetz23

Brücke zwischen der Herrschaftsausübung durch besondere Organe und der Volkssouveränität im eigentlichen Wortsinn. Er ermöglicht, dass die Staatsgewalt vom Volk als Souverän ausgeht, nicht aber vom Volk selbst ausgeübt wird. Repräsentation bedeutet dabei zunächst einmal eine Organisationsform, wie die Staatsgewalt vom Volke ausgehen soll. Hier besteht übrigens eine grundlegende Gemeinsamkeit zur unmittelbaren Demokratie, die gleichermaßen zwingend auf Organisationsstrukturen angewiesen ist.3 Nur so kann eine sonst diffuse Masse an Individuen handlungsfähig werden. Bereits einer simplen Volksabstimmung liegen zahlreiche Organisationsschritte voraus, etwa die Formulierung der Abstimmungsfrage und der Antwortalternativen, die sich als repräsentative Strukturen erweisen.4 Tatsächlich ist insofern jede Form der Demokratie auf repräsentative Elemente angewiesen.5 Die Repräsentation bildet ein zwingendes „Struktur­ element realer Demokratie“.6 In dieser Unumgänglichkeit wurzelt die Kontroverse, ob die Repräsentation nicht die „eigentliche Form der Demokratie“ sei.7 Unstreitig kann zumindest konstatiert werden, dass das Grundgesetz eindeutig den Schwerpunkt auf die Repräsentation setzt, zugleich aber punktuell ergänzend plebiszitäre Elemente zulässt.8 Repräsentation auf dem Boden der Verfassung kann dabei nicht losgelöst von der Demokratie gedacht 3  Morlok, in: Dreier, GG, Art. 38 Rn. 31; Böckenförde, in: FS Kurt Eichenberger, S.  301 (306 ff.). 4  Vgl. Böckenförde, in: FS Kurt Eichenberger, S. 301 (306 ff.); Rhinow, in: ZSR, 1984 II, S. 111 (174); Dreier, in: Jura 1997, S. 249 (251); vgl. Badura, in: FS Helmut Simon, S. 193 (207). 5  Wefelmeier, Repräsentation und Abgeordnetenmandat, S. 75 ff.; Schmitt, Verfassungslehre, S.  205 f.; Schuler-Harms, in: VVDStRL 72 (2013), S. 417 (440, 442 f. m. w. N.). 6  Dreier, in: JZ 1990, S. 310 (316); vgl. Badura, in: FS Helmut Simon, S. 193 (195); vgl. Dreier, in: Jura 1997, S. 249 (250 f.); vgl. Klein, in: ZRP 1976, S. 81; vgl. Meyer, in: FS Hasso Hofmann, S. 99 (104). 7  Böckenförde, in: FS Kurt Eichenberger, S.  301 (313  f.); Böckenförde, in: HStR III (3. Auflage) § 34 Rn. 3, 4 ff.; Badura, in: HStR II (3. Auflage), § 25 Rn. 35; i. d. S.  Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, S. 27; i. d. S. Schmitt, Verfassungslehre, S. 204ff.; kritisch: Häberle, Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, S.  623 f.; Morlok, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, § 3 Rn. 3; Kotzur, in: BK, GG, Vorb. Art. 38, Rn. 46; vgl. Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 – Demokratie Rn. 106; Dreier, in: Jura 1997, S. 249 (251); umfassend zu dem Meinungsstreit: Krüper, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, § 37 Rn. 25 f.; Möstl, in: VVDStRL 72 (2012), S. 355 ff.; vgl. Schuler-Harms, in: VVDStRL 72 (2013), S. 417 (425 ff., 445 f.); repräsentative Demokratie als Minus einer direkten Demokratie: Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, S. 189 ff., 198; vgl. hierzu auch Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste, S. 111. 8  Krüper, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, §  37 Rn.  25  ff.; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 – Demokratie Rn. 104; Kotzur, in: BK, GG, Vorb. Art. 38 Rn. 72; Möstl, in: VVDStRL 72 (2013), S. 355 (365 ff.); Schuler-Harms, in:

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Kap. 2: Verfassungsrechtliche Ausgangslage

werden. Repräsentation koppelt funktional die Herrschaft an das Volk und gewährleistet so dessen Souveränität.9 Das Volk regiert sich gewissermaßen durch seine Repräsentanten selbst. Dabei darf aber die Repräsentation nicht verkürzt als eine „Art verlängerte unmittelbare Demokratie“ verstanden werden.10 Die Repräsentation ist vielmehr durch die zentralen Elemente der Freiheit und Verantwortlichkeit gekennzeichnet. Die Repräsentanten bilden einen eigenständigen Willen und dienen nicht als Hilfswerkzeug für die Verwirklichung irgendeines Volkswillens.11 Die in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG in aller Abstraktheit festgeschriebene repräsentative Demokratie wird in zahlreichen Artikeln des Grundgesetzes näher bestimmt und ausgeformt.12 So prägen nicht nur die Normen hinsichtlich der Beteiligungsrechte der Staatsorgane, hinsichtlich der Rechtsstellung der Abgeordneten oder der Ausgestaltung des Wahlrechts, sondern etwa auch die Menschenwürde, die Gewaltenteilung und die Grundrechte das Demokratiemodell des Grundgesetzes.13 Die Ideen von Demokratie und Repräsentation,14 die in der Staatsphilosophie mit mannigfaltigen und teils konträren Bedeutungsgehalten ausgefüllt werden, werden hier im Kontext des kulturellen Erbes, historischer Erfahrungen und politischer Erwartungen in ein für die Bundesrepublik Deutschland charakteristisches Demokratiemodell übersetzt.15 Um Inhalt und Konturen dieser Staatsprinzipien zu bestimmen, ist es insofern notwendig, die konkreten Ausformungen dieser Staatsprinzipien heranzuziehen.16 Umgekehrt muss dabei stets ihre Rolle im System der repräsentativen Demokratie des Grundgesetzes beachtet werden. Ein abschließender und ausformulierter Demokratie- oder Repräsentationsbegriff lässt VVDStRL 72 (2013), S. 417 (418 ff., 428, 432 ff., 440); vgl. Cancik, in: VVDStRL 72 (2013), S. 268 (319 f.). 9  Stern, Staatsrecht II, § 26, S. 38; Badura, Staatsrecht, S. 524. 10  Vgl. Krbek, in: FS Leibholz Band II, S. 69 (71); kritisch zum Begriff der „verlängerten“ Volkssouveränität Rhinow, in: ZSR 1984 II, S. 111 (170). 11  Siehe Kapitel 2: B. III. 1. a).  12  Dreier, in: Jura 1997, S. 249 (253); Robbers, in: BK, GG, Art. 20 Abs. 1 Rn.  479 ff.; vgl. Badura, in: FS Helmut Simon, S. 193 (193 ff., 204). 13  Vgl. Häberle, in: HStR II (3. Auflage), § 22, Rn. 61 ff.; vgl. Kotzur, in: HStR XII (3. Auflage), § 260, Rn. 13 f. 14  Vgl. zu den Begriffsschwierigkeiten der Repräsentation Dreier, in: AöR 1988, S. 450 ff.; vgl. auch Meyer, in: VVDStRL 33 (1975), S. 69 (80). 15  Vgl. Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 45  ff.; vgl. Morlok, in: FS Bundesverfassungsgericht II, S. 559  ff.; vgl. Kotzur, in: BK, GG, Vorb. Art. 38 Rn.  8 f.; vgl. Häberle, Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, S. 28 ff.; vgl. Möstl, in: VVDStRL 72 (2013), S. 355 (367 f.). 16  Kriele, in: VVDStRL 29 (1970), S. 46 ff.; Schröder, Grundlagen und Anwendungsbereich des Parlamentsrechts, S. 212; vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 58.



B. Wähler, Bundestag, Abgeordnete und Öffentlichkeit25

sich dem Verfassungstext nicht entnehmen und wurde so vom Grundgesetzgeber auch nicht gewollt.17 Die Auslegung dieser konkretisierenden Verfassungsbestimmungen hat wiederum vor dem Hintergrund des überwölbenden Demokratie- und Repräsentationsprinzips – nebst deren europäischen und völkerrechtlichen Implikationen –18 zu erfolgen.19 Demokratie und Repräsentation im Grundgesetz lassen sich insofern als Einheit des in Art. 20 GG abstrakt festgeschriebenen Kerngehalts und der in zahlreichen weiteren Verfassungsnormen konkretisierenden Ausgestaltungen verstehen. Wie etwa die Abgeordnetenrechte und Wahlrechtsgrundsätze als notwendige Bedingung einer repräsentativen Demokratie zu sehen sind, lassen sich ihr Bedeutungsgehalt und rechtlicher Geltungsanspruch nur aus ihrer Funktion für das übergeordnete Repräsentationsprinzip begreifen. Im Ergebnis folgt daraus, dass ein verfassungsrechtlich unzulässiger Eingriff in die einzelnen Ausprägungen demokratischer Repräsentation denknotwendig auch eine Verletzung des grundgesetzlichen Repräsentationsprinzips als solchem bedeutet. Umgekehrt kann unter Umständen die Frage, ob eine konkrete Ausformung der Repräsentation unzulässig beschränkt wird, erst unter Rückgriff auf den Gehalt des übergeordneten Repräsentationsprinzips geklärt werden. Prüfungsmaßstab bleiben dabei jedoch stets die konkretisierenden Verfassungsbestimmungen. Weitere Ausführungen zum Wesen und der Funktion von Demokratie und Repräsentation sollen deshalb anhand dieser ausgestaltenden Verfassungsgrundsätze erfolgen.

B. Wähler, Bundestag, Abgeordnete und Öffentlichkeit Von besonderem Interesse sind in diesem Zusammenhang die Verfassungsbestimmungen über das Wahlrecht, die Rechtsstellung der Abgeordneten und den Bundestag. Es handelt sich hierbei um die tragende Säule demokratischer Repräsentation. Auf dem Volk als Souverän baut die repräsentative Stellung der Abgeordneten und des Bundestages, die selbst wiederum der Ursprung für die weitere Vermittlung demokratischer Legitimation sind.20 Das Verständnis dieses tragenden Zusammenhangs zwischen dem Wähler, dem Bundestag und seinen Abgeordneten, auf welchem letzten Endes der Gedanke der Repräsentation und der Volkssouveränität ruht, ist dabei von herausragender Bedeutung, um die verfassungsrechtliche Bedeutung einer Ausschuss17  Stern,

Staatsrecht I, S. 599. Kotzur, in: BK, GG, Vorb. Art. 38 Rn. 23, 59. 19  Morlok, in: FS Bundesverfassungsgericht II, S. 559; vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 11, vgl. BVerfGE 19, 206 (220); vgl. Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 649. 20  Vgl. Morlok, in: FS Bundesverfassungsgericht II, S. 559 (561). 18  Vgl.

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Kap. 2: Verfassungsrechtliche Ausgangslage

delegation zutreffend einschätzen zu können. Nachfolgend wird daher zunächst auf die Stellung der Wähler (I.), des Bundestages (II.) und der Abgeordneten (III.) unter dem Gesichtspunkt der Repräsentation eingegangen.

I. Wähler Bezugspunkt der Repräsentation muss zwangsläufig das repräsentierte Staatsvolk sein. Nur weil staatliche Herrschaftsgewalt vom Volk dazu legitimiert ist und sich auf den Willen seiner Staatsbürger zurückführen lässt, kann von einer Demokratie und Volkssouveränität die Rede sein.21 Demokratie soll in ihrem Ursprung die „bürgerliche Freiheit“ der Individuen durch gleiche Teilhabe an der Ausübung der Staatsgewalt gewährleisten.22 Der Citoyen ist nur dann frei, wenn er nicht einem gänzlich fremden Willen unterworfen ist. Diese demokratische Freiheit übt das Volk nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG insofern „durch besondere Organe“ aus, indem es diese zur Herrschaftsausübung legitimiert. Die Herrschaftsgewalt leitet sich stets vom Volk als Souverän her.23 Dabei ist der herausragende und de facto einzige direkte Legitimationsakt im Grundgesetz die Wahl zum Deutschen Bundestag, Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG.24 Die Parlamentswahlen sind die „ursprünglichste und wichtigste Äußerungsform der repräsentativen Demokratie überhaupt“25 Die Wahl ist das Moment, in dem tatsächlich ganz im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG „alle Staatsgewalt (…) vom Volke“ ausgeht.26 Dieser ursprüngliche Legitimationszusammenhang ist dabei nicht nur einmalig, gewissermaßen als Ausgangspunkt herzustellen, sondern muss fortlaufend in periodischen Wahlen erneuert und bestätigt werden.27 Demokratische Herrschaft ist stets nur „Herrschaft auf Zeit“.28 Die Wähler können so in festen Abständen neue Prioritäten setzen und so einen engen Zurech21  Morlok, in: Dreier, GG, Art. 38 Rn. 94; Böckenförde, in: HStR II (3. Auflage), § 24 Rn. 26 f.; vgl. Meyer, in: HStR III (3. Auflage), § 45 Rn. 2, 4; Badura, in: HStR II (3. Auflage), § 25 Rn. 27; Degenhart, Staatsrecht I, S. 11 Rn. 24 f. 22  Vgl. Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag, 1. Buch, 8. Kapitel; vgl. Badura, in: FS Helmut Simon, S. 193 ff. 23  Böckenförde, in: HStR II (3. Auflage), § 24 Rn. 11. 24  Meyer, in: HStR III (3. Auflage), § 45 Rn. 1; vgl. Badura, Staatsrecht, S. 510. 25  BVerfGE 3, 19 (26); vgl. Morlok, in: Festschrift Bundesverfassungsgericht II, S. 559. 26  Meyer, in HStR III (3. Auflage), § 45 Rn. 1. 27  Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 69, Rn. 153, 155; Badura, in: HStR II (3. Auflage), § 25 Rn. 4; BVerfGE 44, 125 (138 f.). 28  Morlok, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, § 3 Rn. 2; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 73; BVerfGE 119, 247 (261).



B. Wähler, Bundestag, Abgeordnete und Öffentlichkeit27

nungszusammenhang zur Politik aufrechterhalten.29 Nur so wird ein Abgleiten der besonderen Organe in eine eigenständige, souveräne Stellung verhindert.30 Das Volk bleibt aufgrund der Wahl der einzige maßgebliche Träger der Staatsgewalt.31 Aufgrund dieser Konnexität zwischen Herrschaftsgewalt und Volk kann auch in der repräsentativ-mittelbaren Form von Demokratie von einer Herrschaft des Volkes die Rede sein. Die herausragende Funktion der Wahl des Deutschen Bundestages für die demokratische Selbstbestimmung des Staatsvolks wird nur dann erfüllt, wenn dem gewählten Bundestag und der von ihm getragenen Bundesregierung tatsächlich weitreichende Gestaltungsmacht zukommt, die Wahl also mit tatsächlicher politischer Herrschaftsmacht verbunden ist.32 Das demokratische Wahlrecht in Art. 38 Abs. 1 GG bedeutet das Recht der Staatsbürger auf „wirksame Volksherrschaft“ und schützt vor einem „Substanzverlust ihrer im verfassungsstaatlichen Gefüge maßgeblichen Herrschaftsgewalt“.33 Über Art. 38 GG wird das Recht der Staatsbürger auf Demokratie zumindest in gewissen Grenzen justiziabel.34 Grundbedingung für den demokratischen Charakter des Wahlaktes selbst ist der Grundsatz der gleichen Wahl.35 Gleiche politische Mitwirkungsrechte und der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit sind die Prämisse für eine demokratische Legitimation und repräsentative Zusammensetzung des Parlaments.36 Die formale Gleichheit der Staatsbürger ist dem Gedanken der Demokratie immanent.37 Schon bei Rousseau ging es um eine Verwirklichung 29  Morlok, in: FS Bundesverfassungsgericht II, S. 559 (568); Grzeszick, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 73. 30  Böckenförde, in: FS Kurt Eichenberger, S. 301 (314 f.). 31  Stern, Staatsrecht I, S. 594. 32  BVerfGE 123, 267 (356); Stern, Staatsrecht I, S. 594. 33  BVerfG, 2 BvR 987/10 (u. a.) vom 07.09.2011, Rn. 98 = BVerfGE 129, 124 (168); vgl. BVerfGE 89, 155 (171 f.); 97, 350, 369); 123, 267 (330); BVerfG, 2 BvE 6/11 (u. a. vom 12.09.2012, Rn. 104 f. = BVerfGE 132, 195 (Rn. 104 f.); Schreiber, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 38 Rn. 34 ff. 34  BVerfG, 2 BvE 6/12 (u.  a.) vom 18.03.2014, Rn. 125 = BVerfGE 135, 317 (Rn. 125); BVerfGE 123, 267 (340); Nettesheim, in: EuR 2011, S. 765 (768); Murswiek, in: JZ 2010, S. 702 (704); kritisch hierzu: Schönberger, in: JZ 2010, S. 1160 ff.; BVerfGE 123, 267 (330). 35  Kotzur, in: HGR V, § 120 Rn. 1  ff.; Meyer, in: HStR III (3. Auflage), § 46 Rn. 30; Böckenförde, in: HStR II (2. Auflage), § 24 Rn. 42; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 65; Stern, Staatsrecht I, S. 595; u. a. BVerfGE 6, 84 (91); 11, 351 (360); 41, 399 (413); 51, 222 (234); 89, 408 (417); 104, 14 (20). 36  Morlok, in: FS Bundesverfassungsgericht II, S. 559 (590 f.); Meyer, in: HStR III (3. Auflage), § 46 Rn. 30. 37  Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie), Rn. 87; Robbers, in: BK, GG, Art. 20 Abs. 1 Rn. 557; Stern, Staatsrecht I, S. 594 f.

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Kap. 2: Verfassungsrechtliche Ausgangslage

der Freiheit durch Gleichheit.38 Freiheit und Gleichheit beziehen sich aufeinander und bedingen sich gegenseitig. Nur bei jeweils gleichen politischen Mitwirkungsrechten ist die demokratische „Idee der freien Selbstbestimmung aller Bürger“39 verwirklicht. Werden die Wählerstimmen nicht gleich gewichtet, wird zwangsläufig einem Teil des Staatsvolks ein mehr an Herrschaftsgewalt gegenüber und über einem anderen Teil eingeräumt.40 Die Freiheit der einen wird zu Gunsten der Freiheit der anderen beschränkt. Zudem sei bereits an dieser Stelle angemerkt, dass von einem gleichen Erfolgswert der Stimmrechte nur dann gesprochen werden kann, wenn auch den gewählten Abgeordneten grundsätzlich die gleichen Mitwirkungsrechte zustehen. Der Grundsatz der Stimmgleichheit auf Ebene der Staatsbürger darf nicht durch eine Verzerrung der Stimmgleichheit auf Ebene der Abgeordneten ausgehöhlt werden. Ansonsten hätte wiederum die Stimme, die auf einen mit besonderen Befugnissen ausgestatteten Abgeordneten entfällt, ein anderes Gewicht als die, die auf einen Abgeordneten mit nur eingeschränkten Teilhaberechten entfällt. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit muss sich mithin zwingend im Grundsatz der Abgeordnetengleichheit fortsetzen.41

II. Bundestag Das besondere Organ schlechthin im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG, durch welches die Wähler die Staatsgewalt ausüben, ist der Deutsche Bundestag.42 Das Parlament als Volksvertretung „verknüpft das Prinzip der Volkssouveränität mit der sehr viel älteren Repräsentationsidee“.43 Weil das Parlament unmittelbar von den Repräsentanten durch die Wahlen legitimiert wird, ist es das zentrale Legitimations- und Repräsentationsorgan.44 Es ist dabei symptomatisch für die besondere Bedeutung des Parlaments, dass die Begriffspaare „parlamentarische Demokratie“ und „repräsentative Demokratie“ häufig bedeutungsäquivalent verwendet werden. Der Bundestag ist das erste und damit „notwendige Glied innerhalb jeder demokratischen Legitimationskette“ und damit das Schlüsselelement für die Rechtfertigung 38  Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag, 1. Buch, 4. Kapitel; vgl. Heun, in: HGR II, § 34 Rn. 7; vgl. Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, S. 1, 4 ff. 39  BVerfGE 44, 125 (142). 40  Vgl. Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag, 1. Buch, 6. Kapitel. 41  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 124 = BVerfGE 130, 318 (352 f.); vgl. BVerfGE 112, 118 (134). 42  Vgl. Badura, in: HStR II (3. Auflage), § 25 Rn. 35. 43  Dreier, in: Jura 1997, S. 249 (253); Kotzur, in: BK, GG, Vorb. Art. 38 Rn. 20. 44  Böckenförde, in: HStR III (3.  Auflage), § 34 Rn. 27; Badura, in: HStR II (3. Auflage), § 25 Rn. 3; Dreier, in: Jura 1997, S. 249 (253).



B. Wähler, Bundestag, Abgeordnete und Öffentlichkeit29

staatlicher Herrschaftsgewalt überhaupt.45 Der direkte, gebündelte, vom Staatsvolk ausgehende Legitimationsstrang wird hier gebrochen und fließt in zahlreiche Legitimationsketten ab.46 Mit dieser zentralen Rolle im Staatsgefüge korreliert denknotwendig eine große Gestaltungsmacht.47 Diese muss der Bundestag aufgrund seiner Repräsentationsfunktion auch grundsätzlich selbst ausüben und darf sie nur innerhalb bestimmter, verfassungsrechtlicher Grenzen auf andere Staatsorgane,48 einen supranationalen Staatenverbund49 oder aber auch auf parlamentsinterne Ausschüsse delegieren.50 Dadurch entsteht die auf den ersten Blick paradoxe Situation, dass dem Deutschen Bundestag aufgrund des Prinzips repräsentativer Demokratie eine große Aufgabenfülle zukommt, die er prima facie selbst wahrzunehmen hat; zugleich aber diese Aufgabenvielfalt die Notwendigkeit einer Ausschussdelegation mit sich bringt, um durch eine Arbeitsteilung und Spezialisierung überhaupt die Funktionsfähigkeit des Parlaments sicherzustellen.

III. Abgeordnete Die entscheidende Rolle bei der Repräsentation erfüllen die Bundestagsabgeordneten. Gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG sind sie „die Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“. Insofern erhellt sich, dass der Bundestag das Repräsenta­ tionsorgan ist, jedoch die Abgeordneten als dessen Organwalter die Repräsentanten sind.51 Die Repräsentation vollzieht sich im Parlament durch die Abgeordneten.52 Bundestag und Abgeordnete lassen sich dabei faktisch nicht isoliert betrachten. Die Bedeutung des Bundestages wird maßgeblich durch das in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte freie Mandat der Abgeordneten 45  Böckenförde, in: HStR II (Dritte Auflage), § 24 Rn. 16; Badura, in: HStR II (3. Auflage), § 25 Rn. 1, 3, 34; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 30. 46  Es ist darauf hinzuweisen, dass das Konzept der Legitimationsketten jedenfalls bei einer formalistischen und engen Anwendung umstritten ist, vgl. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 (Demokratie), Rn. 152 ff.; Volkmann, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20 Rn. 47; vgl. Pünder, in: VVDStRL 72 (2013), S.  191 (197 ff.). 47  Vgl. Badura, in: HStR II (3. Auflage), § 25 Rn. 5, 36; BVerfGE 123, 267 (356). 48  Vgl. BVerfGE 49, 89 (126 f.); 88, 103 (116). 49  BVerfGE 123, 267 (356); 89, 155 (186, 207). 50  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 119 = BVerfGE 130, 318 (350); vgl. BVerfGE 44, 308 (317). 51  Vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 215; Waldhoff, in: ZParl 2006, S. 251 (252). 52  BVerfGE 44, 308 (315); 56, 396 (405); Badura, in: BK, GG, Art. 38 Rn. 48; vgl. Morlok, in: Dreier, GG, Art. 38 Rn. 128.

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Kap. 2: Verfassungsrechtliche Ausgangslage

geprägt.53 Der erste Artikel im Grundgesetz unter dem Kapitel „Der Bundestag“ konstituiert die Wahl und den Status der Abgeordneten. Die Abgeordneten sind „die Grundlage der repräsentativen Stellung des Bundestages“.54 Umgekehrt sind die Abgeordnetenrechte keine Individualrechte, sondern werden allein durch die Mitgliedschaft im Bundestag begründet.55 Nur aufgrund seiner Stellung als Organwalter des Bundestages erhält der Abgeordnete die Rechte nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG. Für die vorliegende Untersuchung ist es von grundlegender Bedeutung, Inhalt und Reichweite der Abgeordnetenrechte im Wechselspiel mit dem Repräsentationsprinzip genauer zu erfassen. Denn nur dann kann beurteilt werden, inwiefern eine Ausschussdelegation überhaupt in den Abgeordnetenstatus eingreift und inwiefern ein solcher Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann. Art. 38 Abs. 1 GG ist dabei vor dem Hintergrund des übergeordneten Demokratie- und Repräsentationsprinzips zu interpretieren und konkretisieren.56 1. Abgeordnete als Repräsentanten Der Status der Abgeordneten ist durch ihre Rolle als Volksvertreter geprägt. Sie repräsentieren das Volk. Um den Inhalt des Abgeordnetenstatus genauer bestimmten zu können, muss unweigerlich der Begriff der Repräsentation genauer umrissen werden. Denn um die Rechte von Repräsentanten erfassen zu können, muss zunächst einmal geklärt werden, was es überhaupt genau bedeutet, zu repräsentieren. Dabei ist der Repräsentationsbegriff schon deshalb ausgesprochen schwer fassbar, weil es bezüglich der Funktion und des Wesens der Repräsentation vielerlei verschiedene Auffassungen gibt.57 Dabei neigt das Repräsentationsverständnis oftmals durch eine idealistische Überhöhung in „den Bereich des Magischen“ abzudriften.58 Für die hier vorliegende Untersuchung kann jedoch allein die Ausprägung der Repräsentation im Grundgesetz maßgeblich sein. a) Repräsentation des Volkes Ausgehend von Art. 20 Abs. 2 GG – die Staatsgewalt geht vom Volk aus, wird aber durch besondere Organe ausgeübt – muss Repräsentation zunächst 53  Badura,

in: HStR II (3. Auflage), § 25 Rn. 4; Badura, Staatsrecht, S. 510. in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 40. 55  BVerfGE 6, 445 (448); 80, 188 (219); Häberle, in: NJW 1976, S. 537 (539). 56  Vgl. Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 649; Badura, Staatsrecht, S. 541. 57  Hofmann, Repräsentation, S. 15 ff. 58  Meyer, in: VVDStRL 33 (1975), S. 69 (80); vgl. Hofmann/Dreier, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 5 Rn. 10 ff. 54  Klein,



B. Wähler, Bundestag, Abgeordnete und Öffentlichkeit31

einmal dahingehend verstanden werden, dass die besonderen (Repräsentations-)Organe anstelle des Volkes für das Volk handeln.59 Dieses Repräsentationsverständnis bestätigt sich in der Formulierung von Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, welcher die Abgeordneten als Vertreter des Volkes bezeichnet. Freilich darf die Bezeichnung der Abgeordneten als Vertreter nicht zu einem zivilrechtlich geprägten Repräsentationsverständnis im Sinne der Stellvertretung, der Botenschaft oder des Auftrags verleiten.60 Das Parlament handelt aus eigenem Recht.61 Die Abgeordneten sind nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ausdrücklich „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“. Sie sind prinzipiell unabhängig.62 Durch die Auftragsfreiheit und die Gewissensbindung der Abgeordneten umfasst die Repräsentation Aspekte der Freiheit und Verantwortlichkeit. Repräsentation wird häufig dergestalt geschildert, dass das Volk im Parlament „verkörpert“ oder „vergegenwärtigt“ wird.63 Es ist insofern klarzustellen, dass solche Formulierungen nicht dazu verleiten dürfen, das Repräsentationsprinzip des Grundgesetzes mit identitär demokratischen Elementen anzureichern. Ebenso darf sich das Repräsentationsverständnis der Verfassung nicht in einer Art transzendenter Idealisierung verlieren. aa) Zur Problematik des Volkswillens Ausgesprochen problematisch ist der im Kontext der Repräsentation regelmäßig anzutreffende Begriff des Volkswillens. Parlamentarische Repräsentation kann gerade nicht darin liegen, dass die Abgeordneten irgendwie den Willen des Volkes bilden oder artikulieren. Das ist zunächst einmal der Tatsache geschuldet, dass es einen solchen Volkswillen nicht geben kann.64 Eine Repräsentation des Volkswillens ist daher zwangsläufig „sehr auf Fiktionen und der Wirklichkeit nicht entsprechenden Idealtypen aufgebaut.“65 In einer 59  Stern,

Staatsrecht II, S. 37; Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38 Rn. 8. in: von Münch/Kunig, GG, Art. 38 Rn. 75; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 41; Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38 Rn. 4; Achterberg, Parlamentsrecht, S.  216 f.; vgl. Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 38 f. 61  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 41. 62  Stern, Staatsrecht II, S.  37; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 41; Magie­ra, in: Sachs, GG, Art. 38 Rn. 4. 63  Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38 Rn. 6; Trute, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 38 Rn. 75; Hoffmann/Dreier, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 5 Rn. 25. 64  Vgl. hierzu bereits Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag, 2. Buch, 3., 6. und 7. Kapitel. 65  Jellinek, Verfassungsänderung und Verfassungswandlung, S. 64; vgl. Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, S. 30 ff.; vgl. Hofmann/Dreier, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 5 Rn. 16; vgl. hierzu bereits Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag, Zweites Buch, 6. Kapitel; vgl. auch Schmitt, Die geistesgeschichtliche 60  Trute,

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Kap. 2: Verfassungsrechtliche Ausgangslage

(zwingend) pluralistischen Gesellschaft gibt es eine unüberschaubare Vielzahl verschiedener, häufig gegenläufiger Interessen der repräsentierten Staatsbürger.66 Diese Einzelwillen lassen sich zwar punktuell bündeln und kanalisieren und können insofern je nach Themenkomplex politisch mehrheitsfähig sein oder eben auch nicht. Allerdings kann auch bei einer gewissen Schnittmenge vieler Einzelinteressen bezüglich eines bestimmten Themas, die schließlich zu einem Mehrheitsvotum führt, keineswegs von einem einheitlichen Volkswillen gesprochen werden.67 Eine solche Mehrheit derer, die überhaupt ihren Willen artikulieren konnten und artikuliert haben, stellt nur eine „zwar fluktuierende, aber doch faktisch regelmäßig schmale Minderheit des Gesamtvolkes dar.“68 Die Bürger, die nicht zur gestaltenden (vermeint­ lichen) Mehrheit gehören, müssen zwar diese Entscheidung aufgrund des Mehrheitsprinzips akzeptieren,69 allerdings bedeutet dies keineswegs, dass die Entscheidung auch von ihrem Willen getragen wird.70 Der Begriff des Volkswillens suggeriert eine homogene Einheit, die tatsächlich in einer äußerst komplexen und vielschichtigen Gesellschaft nicht gegeben ist. Dogmatisch lässt sich der Begriff nur durch den Kunstgriff retten, dass von einem „pluralistisch aufgespaltenen Volkswillen“71 gesprochen wird.72 Der Begriff des Volkswillens ist losgelöst hiervon auch deshalb fragwürdig, weil ihm letztendlich eine identitäre Demokratievorstellung immanent ist.73 Anschaulich wird dies, wenn man sich die zentrale Rolle des Gemeinwillens (volonté générale) in Rousseaus Gesellschaftsvertrag (contrat social) Lage des heutigen Parlamentarismus, S. 36; Dreier, in: Jura 1997, S. 249 (251); Morlok, in: FS Bundesverfassungsgericht II, S. 559 (578 f.); am Begriff des Volkswillens bewusst festhaltend: Böckenförde, in: FS Kurt Eichenberger, S. 301 (306 f.). 66  Rhinow, in: ZSR 1984 II, S. 111 (172 f.). 67  Vgl. Hesse, in: VVDStRL 17, 1959, S. 11 (17 f.); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 62; Böckenförde, in: HStR III (3. Auflage), § 34 Rn. 32; vgl. Kurz, Volkssouveränität und Volksrepräsentation, S. 213 f.; Häberle, in: HStR II (3. Auflage), § 22 Rn. 61. 68  Rhinow, in: ZSR 1984 II, S. 111 (173 f.). 69  Zum Mehrheitsprinzip als zentrales Element der Repräsentation: Badura, in: FS Helmut Simon, S. 193 (198 f.); Hoffmann/Dreier, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 5 Rn. 5, 48 ff. 70  A. A. Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag, Viertes Buch, 2. Kapitel. 71  Hesse, in: VVDStRL 17, 1959, S. 11 (18); vgl. Böckenförde, in: FS Kurt Eichenberger, S. 301 (306 f.). 72  Vgl. hierzu Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 8 ff., der von einem „Willensverband“ spricht. 73  Vgl. Böckenförde, in: FS Kurt Eichenberger, S. 301 (303); vgl. Nettesheim, in: EuR 2011, S. 765 (771); vgl. Nettesheim, in: NJW 2012, S. 1409 (1411); vgl. Steinberg, Die Repräsentation des Volkes, S. 7 ff.; vgl. Wefelmeier, Repräsentation und Abgeordnetenmandat, S.  79 f.



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vergegenwärtigt. Die volonté générale ist gemeinwohlorientiert auf das Glück aller gerichtet und hat dabei einen absoluten Wahrheitsanspruch.74 Dabei grenzt Rousseau die volonté générale selbst von den Individualinteressen (volonté particulière) und dem aus der Summe der Einzelinteressen bestehenden Willen aller (volonté de tous) ab. Erst der Gemeinwille ist hier der Schlüssel dazu, dass sich der Souverän – das Volk – unmittelbar selbst beherrscht. Die volonté générale ist der Wille, nach dem der Souverän herrscht und beherrscht wird.75 Dieser Volkswille gewährleistet bei Rousseau die totale Volkssouveränität im Sinne einer Identität von Herrschenden und Beherrschten. Denn der höhere Gemeinwille des politischen Körpers wird dem Individuum zugerechnet. Hat der einzelne Staatsbürger gleichwohl einen entgegenstehenden volonté particulière, so bedeutet für ihn die Unterwerfung unter den kollektiven Gemeinwillen, „dass man ihn zwingt, frei zu sein“.76 Dieser Identitätsgedanke Rousseaus schwingt im Hintergrund auch noch heute mit, wenn von der „parlamentarischen Repräsentation des Volks­ willens“77 gesprochen wird. Denn die Formulierung impliziert erstens, dass es überhaupt einen solchen Willen des Volkes gibt, und zweitens, dass es Aufgabe des Parlaments sei, diesen vorfindlichen Willen zu entdecken. Wenn aber das Volk durch den parlamentarisch vermittelten Volkswillen beherrscht wird, so führt das konsequent zur Identität von Herrschenden und Beherrschten. Der Wille des Volkes beherrscht das Volk, es herrscht also über sich selbst. Der Begriff des Volkswillens trägt also in sich die Gefahr, die Repräsentation des Volkes im Sinne einer Repräsentation des Volkswillens oder einer repräsentativen Hervorbringung des Volkswillens zu verstehen.78 Ein solches Verständnis der Repräsentation verbietet sich aber nicht nur deshalb, weil es schon gar keinen vorformulierten Volkswillen gibt, sondern auch deshalb, weil es dem in Art. 38 Abs. 1 GG garantierten freien Mandat der Abgeordneten diametral entgegenstünde. Die Abgeordneten sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Das Repräsentationsmodell des Grundgesetzes baut auf der heterogenen Vielfalt individueller Einzelwillen.79 Das Volk ist in der „pluralistischen Vielfalt seiner Bürgerinnen und Bürger“ das Bezugsobjekt der Reprä74  Rousseau,

Der Gesellschaftsvertrag, Zweites Buch, 3. und 4. Kapitel. Der Gesellschaftsvertrag, Zweites Buch, 1. Kapitel. 76  Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag, Erstes Buch, 7. Kapitel. 77  BVerfG, 2 BvR 987/10 (u. a.) vom 07.09.2011, 1. Leitsatz = BVerfGE 129, 124. 78  Problematisch etwa Morlok, in: Dreier, GG, Art. 40 Rn. 6; vgl. Hofmann/ Dreier, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 5 Rn. 16 f.; vgl. Meyer, in: FS Hasso Hofmann, S. 99 (100, 102), der den Begriff der Repräsentation als solchem nur auf eine Einheit bezieht, vgl. Böckenförde, in: FS Kurt Eichenberger, S. 301 (308). 79  Hofmann/Dreier, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 5 Rn. 12. 75  Rousseau,

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Kap. 2: Verfassungsrechtliche Ausgangslage

sentation.80 Der Begriff des Volkswillens ist insofern irreführend und sollte vermieden werden.81 bb) Zur Problematik einer idealisierten Repräsentation Beschreibungen der Repräsentation als Verkörperung oder Vergegenwärtigung des Staatsvolkes dürfen schließlich auch nicht zu einem transzendenten oder qualitativ überladenen Repräsentationsverständnis verleiten.82 Denn das führt unweigerlich zu einem mit dem Demokratieprinzip schwerlich zu vereinbarenden Bedeutungsgehalt der Repräsentation.83 Der Konflikt offenbart sich bei einem Blick auf die gerade in der deutschen Verfassungslehre besonders einflussreichen Repräsentationstheorien von Carl Schmitt84 und Gerhard Leibholz.85 Bei Leibholz entspringt das „Wesen der Repräsentation“ einer höheren, „spezifisch ideellen Wertsphäre“.86 Nach Schmitt ist Repräsentation etwas „Existenzielles“. „Repräsentieren heißt ein unsichtbares Sein (…) sichtbar machen und vergegenwärtigen“.87 Es geht dabei nicht um irgendein Sein, sondern um etwas, das durch „Worte wie Größe, Hoheit, Majestät, Ruhm, Würde und Ehre“ beschrieben werden kann.88 Eine solche „höhere, gesteigertere, intensivere Art Sein“ sieht er in der „politischen Einheit des Volkes“.89 Eine solche existenzielle, wesenhafte Repräsentation entzieht sich einer rationalen Kritik und damit auch der demokratischen Kontrolle.90 Sie besteht aus nicht verifizierbaren Werturteilen, die sich jeder 80  Kotzur,

in: BK, GG, Vorb. Art. 38 Rn. 41. Badura, Staatsrecht, S. 525. 82  Kotzur, in: BK, GG, Vorb. Art. 38 Rn. 45, 63 f.; vgl. Kurz, Volkssouveränität und Volksrepräsentation, S. 299; Steiger, Organisatorische Grundlagen, S. 153 ff. 83  Hofmann, Repräsentation, S.  17; Badura, in: BK, GG, Art. 38 Rn. 24  ff.; Dreier, in: AöR 1988, S. 450 (452). 84  Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass Carl Schmitt ein überzeugter Nationalsozialist war, der bereitwillig Hitlers Terrorherrschaft zu legitimieren versuchte. Er spielte eine außerordentlich beschämende Rolle in der deutschen Rechtswissenschaft während der Herrschaft der Nationalsozialisten, vgl. Gross, Carl Schmitt und die Juden. Die Möglichkeit zur Legitimation totaler Herrschaft ist in Schmitts Denken angelegt, vgl. Fijalkowski, Die Wendung zum Führerstaat, S. 208 ff. 85  Wefelmeier, Repräsentation und Abgeordnetenmandat, S. 55  ff. m. w. N.; Hofmann, Repräsentation, S. 17. 86  Leibholz, Das Wesen der Repräsentation, S. 32 ff., 37. 87  Schmitt, Verfassungslehre, S. 209 f.; vgl. Badura, in: BK, GG, Art. 38 Rn. 25. 88  Schmitt, Verfassungslehre, S. 210; vgl. Leibholz, Das Wesen der Repräsentation, S. 32. 89  Schmitt, Verfassungslehre, S. 210; Wefelmeier, Repräsentation und Abgeordnetenmandat, S. 56. 90  Heyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, S. 123 ff. 81  Vgl.



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argumentativen Hinterfragung entzieht.91 Wahlen und Parteien verlieren ihre repräsentative Legitimität, da sich das qualitativ höhere Wesen oder Sein nicht durch ein plebiszitär quantitatives Element erzeugen lässt. Eine relative (Parlaments-)Mehrheit vermag kaum den fingierten Willen einer Volksganzheit darzustellen.92 Konsequent grenzen sowohl Schmitt als auch Leibholz die Repräsentation von der Demokratie ab.93 Ungeachtet dieser ausdrücklichen Abgrenzung zur (identitären) Demokratie stellt sich hier im Prinzip die gleiche Problematik wie bereits zuvor bei Rousseau.94 Die Repräsentation soll hier Vergleichbares leisten wie die ebenfalls transzendente und gemeinwohlorientierte volonté générale. Damit ist aber das Problem der Artikulation eines idealisierten Volkswillens nur von der Ebene der Repräsentierten auf die Ebene der Repräsentanten verlagert.95 Diese idealisierte Repräsentation trägt die Züge einer „aristokratischen Staatsform“, weil sie nur von besonders würdevollen und intelligenten und gebildeten Personen geleistet werden kann.96 Die Repräsentation bleibt einer „exklusiven bildungsbürgerlichen Werteelite“ vorbehalten.97 Sie ist dabei losgelöst von Demokratie oder Legitimität zu denken.98 Eine demokratische Wahl ist hier der Sache nach nicht geeignet, echte Repräsentation zu begründen.99 Eine solche existenzielle, wesenhafte Repräsentationsvorstellung ist mit dem Grundgesetz evident nicht in Einklang zu bringen.

91  Wefelmeier,

Repräsentation und Abgeordnetenmandat, S. 62. Verfassungsänderung und Verfassungswandlung, S. 62 ff. 93  Schmitt, Verfassungslehre, S. 210; Leibholz, Das Wesen der Repräsentation, S. 231, siehe auch S. 100 ff., 214 ff.; Hofmann/Dreier, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 5 Rn. 10; Hofmann, Repräsentation, S. 17; Badura, in: BK, Art. 38 Rn.  24 f.; Wefelmeier, Repräsentation und Abgeordnetenmandat, S. 58 f.; Klein, in: ZRP 1976, S. 81. 94  Vgl. Steinberg, Die Repräsentation des Volkes, S. 12 f.; vgl. Dreier, in: AöR 1988, S. 450 (456 ff., 460 f., 462 f. 470 f.); vgl. Häberle, in: JZ 1977, S. 361 (363 f., insbesondere Fn. 37). 95  Vgl. Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, S.  36 f. 96  Schmitt, Verfassungslehre, S. 219; Leibholz, Das Wesen der Repräsentation, S. 73; Hofmann/Dreier, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 5 S. 168; Steiger, Organisatorische Grundlagen, S. 154. 97  Hofmann, Repräsentation, S. 17. 98  Schmitt, Verfassungslehre, S.  211 f. 99  Schmitt, Verfassungslehre, S.  219; vgl. Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag, Zweites Buch, 1. Kapitel; vgl. Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 43. 92  Jellinek,

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Kap. 2: Verfassungsrechtliche Ausgangslage

cc) Ergebnis Demokratische Repräsentation kann im Ergebnis nur dann zutreffend erfasst werden, wenn sie von identitären oder idealisierenden Ansätzen befreit wird. Sie ist nüchtern betrachtet ein „Modus der Zurechnung und Legitimierung“.100 Die Abgeordneten werden durch periodische und demokratische Wahlen dazu legitimiert, für das Volk mit verbindlicher Wirkung zu handeln.101 Es geht insofern streng genommen nicht um Herrschaft durch das Volk, sondern für das Volk.102 Wegen des freien Mandats tragen die Abgeordneten die Entscheidungsfreiheit und Verantwortung. Die Willensbildung im Parlament und im Volk stehen nebeneinander. Repräsentative Demokratie bedeutet zwangsläufig eine „Duplizität“ zwischen Volk und Parlament.103 Die Parlamentarier bringen keinen Volkswillen zum Ausdruck und der Bundestag wird nicht zu einem fingierten „Ersatzvolk“.104 Die Entscheidungen der Abgeordneten treten rechtlich an die Stelle eines imaginären Volkswillens.105 Zumindest juristisch decken sich folglich die Entscheidungen des Parlaments mit dem pluralistisch aufgespaltenen Volkswillen.106 Sie binden das Volk, unabhängig davon, ob sie im Einzelfall die Zustimmung der Mehrheit der Staatsbürger finden oder nicht.107 Die Repräsentanten unterliegen dabei neben einer möglichen verfassungsgerichtlichen Kontrolle allein der Kontrolle durch die Öffentlichkeit und des Wählers. Diese Kontrolle führt schließlich zu der für die Repräsentation so wichtigen „Responsivität“ zwischen den Abgeordneten und den Wählern.108 Ein laufender Prozess politischer Kommunikation erneuert ständig die Legi100  Badura,

in: BK, GG, Art. 38 Rn. 28 ff. Rhinow, in: ZSR 1984 II, S. 111 (193). 102  Vgl. Hesse, in: VVDStRL 17, 1959, S. 11 (19 f.), in Anlehnung an Abraham Lincolns Definition der Demokratie in seiner Gettysburg Address Rede vom 19.11.1863 als „government of the people, by the people and for the people“, hierzu Jünemann, in: JZ 2013, S. 1128 ff. 103  Leibholz, Das Wesen der Repräsentation, S. 37; vgl. Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, S. 30 ff.; Hofmann/Dreier, in: Parlamentsrecht und Parlaments­ praxis, § 5 Rn. 12 ff.; vgl. Stern, Staatsrecht II, S. 37; Magiera, in: Sachs, GG; Art. 38 Rn. 6. 104  Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38 Rn. 8; hierzu Kotzur, in: BK, GG, Vorb. Art. 38 Rn. 43. 105  Stern, Staatsrecht II, S. 38. 106  Trute, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 38 Rn. 75; Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38 Rn. 6, 9; Stern, Staatsrecht II, S. 37 f.; vgl. Achterberg, Parlamentsrecht S.  216 f. 107  Badura, in: BK, GG, Art. 38 Rn. 33; vgl. Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38 Rn.  9; a. A. Kurz, Volkssouveränität und Volksrepräsentation, S. 320 ff., 323 f. 108  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 41; Butzer, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 38 Rn. 20 f.; vgl. Pünder, in: VVDStRL 72 (2013), S. 191 (198 ff.); vgl. 101  Vgl.



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timität und Anerkennung der Repräsentanten.109 Responsivität ist dabei schon vom Wortsinn her mit Verantwortung verbunden – Verantwortung bedeutet nämlich Antwort geben zu müssen (vgl. lat. respondere: antworten, versprechen; vgl. engl.: responsibility: Verantwortung). Die Repräsentanten stehen also, obwohl sie nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen sind, unter einem Rechtfertigungszwang.110 Sie haben für das Volk und im Interesse des Volkes zu handeln.111 Diese dem Freien Mandat immanente Verantwortlichkeit kann das Volk über die Wahlen oder die öffentliche Meinung auch durchsetzen.112 In der repräsentativen Demokratie besteht anstatt einer Identität eine sich fortlaufend erneuernde Identifikation der Repräsentierten mit den Repräsentanten.113 Repräsentation ist folglich als permanenter Prozess zu begreifen und nicht als einmalig durch Wahlen zu erreichender Zustand. b) Gesamtrepräsentation Das repräsentative Mandat der Abgeordneten als Volksvertreter bezieht sich gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG auf das „ganze“ Volk. Darin kommt zum Ausdruck, dass der Abgeordnete das Volk in seiner pluralistischen Verschiedenheit vertritt und nicht etwa nur seinen Wahlkreis oder bestimmte Interessengruppen repräsentiert.114 Der Begriff Repräsentation ist in der parlamentarischen Demokratie mit dem des Volkes verknüpft115 und nicht mit einzelnen Gruppen oder Ständen. Das bedeutet aber nicht, dass der einzelne Abgeordnete alleine zur Vertretung des gesamten Volkes berufen ist. In der parlamentarischen Demokratie ist grundsätzlich das gesamte Parlament als Vollversammlung zur Repräsentation berufen.116 Der Grundsatz der GeUppendahl, ZParl 1981, 123 (126 ff.); vgl. im Bezug auf Uppendahl; v. Alemann, in: Zparl 1981, (438 ff.); vgl. Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 39. 109  Hoffmann/Dreier, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 5 Rn. 23. 110  BVerfGE 102, 224 (239); Hofmann/Dreier, in: Parlamentsrecht und Parlaments­ praxis, 1989, § 5 Rn. 44. 111  Häberle, in: NJW 1976, S. 537 (539). 112  Trute, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 38 Rn. 79; Steinberg, Die Repräsentation des Volkes, S. 162 f.; vgl. Badura, in: BK, GG, Art. 38 Rn. 33. 113  Achterberg, Parlamentsrecht, S. 78; vgl. Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S.  18 ff. 114  Morlok, in: Dreier, GG, Art. 38 Rn. 129; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 192, vgl. auch Rn. 10; kritisch Meyer, in: FS Hasso Hofmann, S. 99 (105 f.). 115  Stern, Staatsrecht I, § 22 S. 963; Böckenförde, in: HStR III (3. Auflage), § 34 Rn. 32. 116  BVerfGE 44, 308 (315 f.); 56, 396 (405); 80, 188 (217 f.); 84, 304 (321), 92, 130 (135); 102, 224 (237); 104, 310 (329 f.); 118, 277 (324); Morlok, in: Dreier, GG, Art. 38 Rn. 129; Schneider, in: AK-GG, Art. 38 Rn. 18.

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Kap. 2: Verfassungsrechtliche Ausgangslage

samtrepräsentation lässt sich dabei verfassungsrechtlich in zweifacher Hinsicht begründen. Zunächst einmal knüpft bereits der Wortlaut des Grundgesetzes in Art. 38 Abs. 1 GG an „die Abgeordneten“ und Vertreter im Plural an und bestimmt folglich die Gesamtheit der Abgeordneten zu Vertretern des Volkes.117 Gemäß Art. 20 Abs. 2 GG übt das Volk die Staatsgewalt durch Wahlen und besondere Organe aus. Das besondere, vom Volk gewählte Organ ist dabei der Bundestag und nicht ein einzelner seiner Abgeordneten. Der Bundestag besteht als Körperschaft aus der Gesamtheit seiner Mitglieder und Bundestagsentscheidungen sind allen Abgeordneten zurechenbar. Entsprechend ist auch das Gesamtorgan Bundestag und nicht der einzelne Mandatsträger mit der Ausübung der Staatsgewalt im Sinne von Art. 20 Abs. 2 GG betraut.118 Das Prinzip der Gesamtrepräsentation ist im Übrigen auch im demokratischen Prinzip der Wahlrechtsgleichheit angelegt. Wie bereits angedeutet, muss sich die Gleichheit der Wähler in der Gleichheit der Abgeordneten fortsetzen, um den Gedanken demokratischer Egalität nicht ad absurdum zu führen.119 Die Gleichheit der Abgeordneten bedeutet die gleichen Teilhaberechte aller Abgeordneten und führt damit zwingend zum Prinzip der Beteiligung aller Abgeordneten und dem Grundsatz der Gesamtrepräsentation.120 Es bleibt mithin festzuhalten, dass demokratische Repräsentation die Repräsentation des gesamten Volkes durch die Gesamtheit der Abgeordneten bedeutet. 2. Abgeordnetenstatus Der repräsentative Charakter des Bundestages fundiert auf einer repräsentativen Stellung der Bundestagsabgeordneten.121 Aus diesem Grund wird den Abgeordneten ein besonderer verfassungsrechtlicher Status verbürgt. Sie sind „Inhaber eines öffentlichen Amtes, Träger des „freien Mandats“ und „Vertreter des ganzen Volkes“.122 Der Abgeordnetenstatus ist als Oberbegriff für die „verfassungsmäßig gewährleistete Rechtsstellung“ der Abgeordneten zu 117  Meyer,

in: FS Hasso Hofmann, S. 105 f. in: Sachs, GG, Art. 38 Rn. 4; vgl. auch Magiera, Parlament und Staatsleitung, S.  145 f.; Morlok, in: JZ, 1989, S. 1035 (1037); Dreier, in: JZ 1990, S. 310 (317); Badura, in: BK, GG, Art. 38 Rn. 50; vgl. Meyer, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 4 Rn. 8. 119  Robbers, in: BK, GG, Art. 20 Abs. 1 Rn. 568; siehe Kapitel 2: B. III. 2. b). 120  BVerfGE 80, 188 (218); Morlok, in: JZ 1989, S. 1035 (1037 f.). 121  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 101 = BVerfGE 130, 318 (342). 122  BVerfGE 40, 296, (314); Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 GG Rn. 190. 118  Magiera,



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verstehen.123 Essenz des Abgeordnetenstatus ist dabei das in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte freie Mandat.124 Der verfassungsrechtliche Status kommt den Parlamentariern in ihrer Funktion als Organwalter des Bundestages zu. In Ausübung dieser Funktion können sie sich nicht zugleich auf ihre Rechte als Staatsbürger, insbesondere die Grundrechte berufen.125 Die Statusrechte sind Mandatsrechte zur Absicherung der Repräsentationsfunktion der Abgeordneten und damit der des Bundestages.126 Der Abgeordnetenstatus ist „auf die Funktion des Parlaments ausgerichtet“.127 Das Repräsentationsprinzip muss daher der Ausgangspunkt zur Bestimmung des Abgeordnetenstatus sein.128 Aus seiner Repräsentationsfunktion heraus kann dabei grundsätzlich festgestellt werden, dass der Abgeordnetenstatus durch Elemente der „Freiheit, Gleichheit und Öffentlichkeit“ gekennzeichnet ist.129 a) Freiheit Die Freiheit und Unabhängigkeit der Abgeordneten ist schon begrifflich von dem in Art 38 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten freien Mandat umfasst. Dabei regelt das freie Mandat zunächst einmal die Art und Weise, wie die Abgeordneten ihre Mandatsrechte wahrnehmen können.130 Die Abgeordneten üben ihr Mandat in Unabhängigkeit aus, sind an „Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“, Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG.131 Die Freiheit der Repräsentanten ist in Abgrenzung zum Impe123  BVerfGE 10, 4 (10); ausführlich zum Abgeordnetenstatus: Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten, S. 34 ff., 44 ff. 124  Vgl. BVerfGE 80, 188 (Leitsatz 2, S. 188, 217 f.); Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 192; Badura, in: BK, GG, Art. 38 Rn. 48. 125  Schreiber, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 38 Rn. 172; BVerfGE 60, 374 (380). 126  BVerfGE 80, 188 (217); Morlok, in: JZ 1989, S. 1035 (1037 f.); Klein, in: HStR III (3. Auflage), § 51 Rn. 2; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 38 Rn. 130; Morlok/ Hientzsch, in: JuS 2011, S. 1 (4); Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 38 Rn. 71; vgl. Schreiber, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 38 Rn. 69. 127  Waldhoff, in: ZParl 2006, S. 251 (260); vgl. Hesse, in: VVDStRL 17 (1959), S. 11 (46). 128  Stern, Staatsrecht I, § 24 S. 1069; Trute, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 38 Rn. 73. 129  Vgl. Häberle, in: NJW 1976, S. 537 ff.; Häberle, Verfassung als öffentlicher Prozess, S. 505; in Bezug auf Häberle: Morlok, in: Dreier, GG, Art. 38 Rn. 132 ff.; vgl. zum „Status der Freiheit, Gleichheit und Öffentlichkeit“ von Parteien bereits Hesse, in: VVDStRL 17 (1959), S. 11 (27 ff., 46). 130  Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten, S. 48 ff. 131  Vgl. BVerfGE 118, 227 (324).

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Kap. 2: Verfassungsrechtliche Ausgangslage

rativen Mandat kennzeichnend für die Repräsentationsidee des Grundgesetzes.132 Nur ein freier Abgeordneter ist in der Lage, auf die öffentliche Meinung einzugehen, autonome Entscheidungen zu treffen und so verantwortlich Antwort zu geben. Nur die aus eigener Überzeugung und in Freiheit getroffenen Entscheidungen begründen Verantwortlichkeit gegenüber dem Wahlvolk.133 Die Freiheit des Mandats ist gerade die logische Prämisse dafür, dass die Abgeordneten einen eigenen Willen bilden und keinem hypothetischen Volkswillen unterworfen sind. Ein gebundenes Mandat lässt keinen Spielraum für eigenverantwortliche Entscheidungen. Die Abgeordnetenfreiheit stellt mithin eine klare Absage an identitäre Repräsentationsvorstellungen dar, bei denen die Repräsentanten lediglich einem imperativen Mandat folgende Volkskommissare sind.134 Die Abgeordneten unterstehen eben keinem vermeintlichen Volkswillen.135 Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG begründet den für die Repräsentation maßgeblichen Verantwortungszusammenhang.136 Die Freiheit des Mandats richtet sich dabei gegen jede Form unzulässiger Einflussnahme, sei es seitens der Parteien und Fraktionen, der Exekutive, gesellschaftlichen Interessengruppen oder auch von den Wählern.137 Freilich geht es dabei um ein rechtliches und nicht um ein soziales Verständnis von Freiheit und Unabhängigkeit.138 Die Freiheit der Abgeordneten führt nicht zu einem „beziehungslosen Individualismus.“139 Die Vorstellung eines in aller Freiheit von der Gesellschaft abgeschotteten Volksvertreters liegt dem Status der Freiheit nicht zugrunde.140 Eine solche Idealisierung und Verabsolutierung des freien Mandats ist im Grundgesetz nicht angelegt.141 Das freie Mandat verbürgt auch parlamentarische Gestaltungsmöglichkeiten. Es verbürgt den Abgeordneten die Rechte, die zur „sinnvollen Mitwir132  Siehe

Kapitel 2: B. III. 1. a). in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 38 Rn. 183. 134  Badura, in: BK, GG, Art. 38 Rn. 10; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 189. 135  Siehe Kapitel 2: B. III. 1. a) aa). 136  Waldhoff, in: ZParl 2006, S. 251 (252); vgl. Badura, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 15 Rn. 11, 12 f.; vgl. Kissler, in: Parlamentsrecht und Parlaments­ praxis, § 36 Rn. 17. 137  Schreiber, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 38 Rn. 172; Badura, in: BK, GG, Art. 38 Rn. 49. 138  Vgl. Steiger, Organisatorische Grundlagen, S. 187 f. 139  BVerfGE 80, 188 (242) – Sondervotum Richter Kruis. 140  Dreier, in: Jura 1997, S. 249 (255). 141  Dreier, in: Jura 1997, S. 249 (255, Fn. 87); Dreier, in: AöR 1988, S. 450 (464 f.); Steiger, Organisatorische Grundlagen, S. 184 ff. 133  Schreiber,



B. Wähler, Bundestag, Abgeordnete und Öffentlichkeit41

kung bei der Willensbildung im Bundestag“ notwendig sind.142 Von einem freien Mandat kann dann keine Rede sein, wenn den Abgeordneten die entscheidenden Teilhaberechte verwehrt bleiben. Der Status der Freiheit wird schließlich durch die in Art. 46 GG gesicherte Indemnität und Immunität der Bundestagsabgeordneten143 sowie das Behinderungsverbot und den Anspruch auf „ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung“ in Art. 48 Abs. 2 und Abs. 3 GG abgesichert.144 b) Gleichheit Der verfassungsrechtliche Status der Abgeordneten ist weiterhin durch den Grundsatz der Gleichheit gekennzeichnet. Die Bundestagsabgeordneten sind bei der freien Ausübung ihres Mandats streng formal gleichgestellt.145 Dabei bezieht sich Gleichheit auf die mit dem Mandat verbundenen Rechte, also eine Chancengleichheit.146 Der Status der Gleichheit kann sowohl aus dem in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG147 geschützten freien Mandat, als auch unmittelbar aus der in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG148 verankerten Wahlrechtsgleichheit hergeleitet werden.149 Das Bundesverfassungsgericht hat eine isolierte Herleitung der Abgeordnetengleichheit aus einem der beiden Sätze in Art. 38 Abs. 1 GG aufgegeben. Denn der Status der Abgeordneten und die Wahlrechtsgleichheit, „stehen im Hinblick auf das durch sie konkretisierte Prinzip der repräsentativen Demokratie in einem unauflösbaren, sich wechselseitig bedingenden Zusammenhang.“150 Der Grundsatz der Abgeordnetengleichheit ist zunächst in dem in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG angelegten Prinzip der Gesamtrepräsentation und dem freien Mandat angelegt. Eine Repräsentation des Volkes durch die Gesamtheit der Abgeordneten ist nur dann stringent durchgesetzt, wenn dabei allen 142  Morlok, in: Dreier, GG, Art. 38 Rn. 142; Kisker, in: JuS 1980, S. 284 (287); Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten, S. 60 f.; vgl. Badura, in: BK, GG, Art. 38 Rn. 48. 143  Vg. BVerfGE 104, 310 (329 f.). 144  Vgl. BVerfGE 40, 296 (315 f.); 76, 256 (341 f.); Häberle, in: NJW 1976, 537 (538). 145  Badura, in: BK, GG, Art. 38 Rn. 56; 2 BvE 8/11, Rn. 124. 146  Birk, in: NJW 1988, S. 2521; Dreier, in: JZ 1990, S. 317. 147  BVerfGE 84, 304 (325), 96, 264 (278). 148  BVerfGE 80, 188 (218); 112, 118 (133 f.); BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 124 = BVerfGE 130, 318 (352). 149  Cancik, in: VVDStRL 72 (2013), S. 268 (280 f.); kritisch Nettesheim, in: NJW 2012, S. 1409 (1410). 150  BVerfGE 102, 224 (238); BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 124 = BVerfGE 130, 318 (352); vgl. kritisch Rau, in: JuS 2001, S. 755 (758).

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Kap. 2: Verfassungsrechtliche Ausgangslage

Abgeordneten auch die gleichen Mitwirkungsbefugnisse zustehen.151 Die Abgeordneten sind alle gleichermaßen als freie Mandatsträger zur Repräsentation berufen und müssen in Folge auch mit den gleichen Mandatsrechten ausgestattet sein. Ein Mehr an Teilhaberechten einzelner Abgeordneter würde sich zugleich auf die Mitwirkungsrechte der übrigen Abgeordneten auswirken. Der Status der Freiheit bedingt den Status der Gleichheit.152 Es besteht hier auf Ebene der Repräsentanten der selbe im Demokratieprinzip angelegte Sinnzusammenhang zwischen Freiheit und Gleichheit wie er auch auf Ebene der Repräsentierten besteht.153 Die Gleichheit der Abgeordneten lässt sich daher auch gleichermaßen aus der Gleichheit der Wähler herleiten, vgl. Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG. Wie zuvor ausgeführt, ist der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit unabdingbare Voraussetzung für demokratische Wahlen.154 Die Gleichheit der Wahl ist aber obsolet, wenn sie sich nicht in dem gewählten Repräsentationsorgan fortsetzt.155 Der gleiche Erfolgswert einer Stimme ist tatsächlich nur dann gegeben, wenn der durch sie legitimierte Volksvertreter auch die gleichen Einflussmöglichkeiten hat, wie die durch andere Stimmen gewählten Abgeordneten. Eine Stimme, die auf einen an Machtoptionen ungleich einflussreicheren Abgeordneten entfällt, wäre ungleich mehr wert als eine Stimme, die auf einen an Einflussmöglichkeiten sehr beschränkten Abgeordneten entfällt. Wahlrechts- und Abgeordnetengleichheit stehen insofern „in einem unauflösbaren, sich wechselseitig bedingenden Zusammenhang“.156 Die Wahlrechtsgleichheit muss sich im Übrigen über den einzelnen Abgeordneten hinaus auch in der Chancengleichheit von Fraktionen157 und Parteien158 niederschlagen. Einschränkungen der demokratischen Egalität, egal auf welcher Ebene, müssen sich deshalb an denselben Voraussetzungen messen lassen wie Eingriffe in die Wahlrechtsgleichheit.159 151  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 103 = BVerfGE 130, 318 (342), mit Verweis auf: BVerfGE 80, 188 (218), s. a. 40, 296 (317 f.); 43, 142 (149); 56, 396 (405); 70, 324 (354); 96, 264 (278); 112, 118 (134); Trute, in: von Münch/Kunig, Art. 38 Rn. 78; Böckenförde, in: HStR II, § 24 Rn. 45; Morlok, in: JZ 1989, S. 1035 (1038). 152  Häberle, in: NJW 1976, S. 537 (539); Ziekow, in: JuS 1991, S. 28 (29). 153  Vgl. Kapitel 2: B. I. 154  Siehe Kapitel 2: B. I. 155  Birk, in: NJW 1988, S. 2521; Badura, in: BK, Art. 38 Rn. 56; vgl. BVerfGE 102, 224 (237 ff.); 112, 118 (134). 156  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 124 = BVerfGE 130, 318 (352); vgl. BVerfGE 102, 224 (238); 112, 118 (134). 157  Morlok, in: JZ 1989, S. 1035 (1038). 158  Böckenförde, in: HStR II (3. Auflage), § 24 Rn. 44. 159  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 124 = BVerfGE 130, 318 (352); vgl. BVerfGE 95, 408, 417, vgl. ferner BVerfGE 6, 84 (92); 51, 222 (236).



B. Wähler, Bundestag, Abgeordnete und Öffentlichkeit43

Im Ergebnis stützen Art. 38 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GG den „Repräsentationsgedanken aus unterschiedlichen Richtungen.“160 Egalität ist im Wesen der demokratischen Repräsentation angelegt.161 Entsprechend ist auch der Status der Gleichheit eine Grundvoraussetzung für Repräsentativität der Abgeordneten.162 Die Gleichheit ist insofern als Leitgedanke bei der Ausgestaltung ihrer Rechte zu beachten.163 c) Öffentlichkeit Schließlich ist die Stellung der Abgeordneten auch durch einen „Status der Öffentlichkeit“ gekennzeichnet.164 Die Abgeordneten sind Inhaber eines „öffentlichen“ Amtes.165 Das freie Mandat, Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG begründet Repräsentationsöffentlichkeit. Die Abgeordneten sind eben nicht wie beim imperativen Mandat an eine feste Marschroute gebunden und zur Umsetzung eines präexistenten Volkswillens verpflichtet. Die Ausübung des freien Mandats ist vielmehr mit einem kommunikativen Prozess verbunden, in dem die Abgeordneten auf die Interessen der Wähler eingehen und zugleich für ihre Überzeugungen werben.166 Diese freie Wechselwirkung der Meinungen und diskursiven Prozesse bedingt aber eine Offenheit und Öffentlichkeit der Repräsentanten, die weit über die in Art. 42 Abs. 1 GG geregelte Sitzungsöffentlichkeit des Bundestages hinausgeht.167 Das Abgeordnetenmandat ist insofern auch durch einen Status der Öffentlichkeit gekennzeichnet.168 3. Abgeordnetenrechte und ihre Grenzen Das freie und repräsentative Mandat verbürgt den Abgeordneten schließlich eine Vielzahl von Mitwirkungsrechten im parlamentarischen Prozess.169 160  BVerfGE

102, 224 (238). Badura, in: BK, GG, Art. 38 Rn. 56. 162  Trute, in: von Münch/Kunig, Art. 38 Rn. 78; Birk, in: NJW 1988, S. 2521; BVerfGE 70, 324 (367), Minderheitenvotum Richter Mahrenholz. 163  Fragwürdig insofern Nettesheim, in: NJW 2012, S. 1409 (1410 f.). 164  Häberle, in: NJW 1976, 537 (539); zum Öffentlichkeitsprinzip siehe Kapitel 2: B. IV. 165  BVerfGE 32, 157 (166); Morlok, in: Dreier, GG, Art. 38 Rn. 168. 166  Kissler, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 36 Rn. 17; Müller-Terpitz, in: BK, GG, Art. 42 Rn. 26; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 42 Rn. 2; Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 38. 167  Morlok, in: Dreier, GG, Art. 42 Rn. 20. 168  Vgl. Kissler, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 36 Rn. 6 ff., 10, 17; Steiger, Organisatorische Grundlagen, S. 190, 192. 169  Butzer, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 38 Rn. 108 ff. 161  Vgl.

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Kap. 2: Verfassungsrechtliche Ausgangslage

Aufgrund ihres Mandats haben sie grundsätzlich das Recht, „an allen Spielarten“ der parlamentarischen Willensbildung teilzuhaben.170 Die Abgeordnetenrechte sind insofern nicht etwa durch die Verfassung oder den Gesetzgeber abschließend kodifiziert, sondern sie sind jeweils unter Rückgriff auf ihren repräsentativen Status zu bestimmen. Die aus dem repräsentativen Mandat fließenden Rechte haben dabei eine wesentliche Konkretisierung durch die GOBT erhalten.171 Von besonderer Bedeutung sein dabei das Rederecht,172 die Frage- und Informationsrechte und173 schließlich das Recht, an parlamentarischen Wahlen und Abstimmungen teilzunehmen.174 Dabei werden die Abgeordnetenrechte nicht nur durch das freie Mandat begründet, sondern zugleich auch begrenzt. Das ist dem mit über 600 Organwaltern versehenen Kollegialorgan Bundestag immanent. Für eine geordnete Ausübung der Mandatsrechte bedürfen diese einer Regelung und mithin auch einer Begrenzung. Sie müssen „einander zugeordnet und aufeinander abgestimmt“ werden.175 Rechtlich gesehen sind die Abgeordneten in das Staatsorgan Bundestag „eingeordnet“ und leiten aus dieser Mitgliedschaft erst ihre Rechtsstellung her.176 Die Abgeordnetenrechte können folglich nur als Mitgliedschaftsrechte gedacht werden, die auf das Gesamtorgan Bundestag bezogen sind. Entsprechend finden die Statusrechte des einzelnen Abgeordneten ihre Grenzen im verfassungsrechtlichen Status der übrigen Abgeordneten. Im Übrigen finden die Abgeordnetenrechte ihre Grenzen im übergeordneten Repräsentationsprinzip selbst.177 Die Abgeordnetenrechte finden ja gerade ihren Ursprung im Repräsentationsprinzip und werden durch dieses definiert, so dass es ausgeschlossen ist, dass sie zugleich den Gedanken der parlamentarischen Repräsentation verkürzen. Sie dürfen nicht über ihre Funktion für das Repräsentationsprinzip hinaus als Selbstzweck betrachtet werden. Das freie Mandat der Abgeordneten kann also nicht gegen die „parlamentarische Repräsentation ausgespielt werden“,178 sondern ist in seinem 170  Morlok,

in: Dreier, Art. 38 GG, Rn. 149. in: BK, GG, Art. 40 Rn. 80; BVerfGE 80, 188 (219). 172  BVerfGE 10, 4 (12); 60 374 (379). 173  BVerfGE 57, 1 (5); 67, 100 (129); 70, 324 (355). 174  BVerfGE 80, 188 (218); BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 104 = BVerfGE 130, 318 (342); vgl. Brocker, in: BK, GG, Art. 40 Rn. 80 ff.; vgl. Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 38 Rn. 81. 175  BVerfGE 80, 188, 219; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 40 Rn. 133; vgl. Häberle, in: NJW 1976 S. 537 (539); Linck, in: DÖV 1975, S. 689 (690). 176  Waldhoff, in: ZParl 2006, S. 251 (257); Steiger, Organisatorische Grundlagen, S. 70; vgl. BVerfGE 80, 188 (242) – Sondervotum Richter Kruis. 177  Vgl. Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages, S. 159. 178  Badura, in: BK, GG, Art. 38 Rn. 52. 171  Brocker,



B. Wähler, Bundestag, Abgeordnete und Öffentlichkeit45

Bedeutungsgehalt aus dieser heraus zu bestimmen und wird so zugleich auch in seiner Reichweite funktional limitiert. Daraus folgt, dass eine verfassungswidrige Verletzung des Abgeordnetenstatus zugleich auch mit einem verfassungswidrigen Verstoß gegen das Repräsentationsprinzip verbunden ist. Es wäre insofern paradox, eine Ausschussdelegation unter dem Gesichtspunkt der Repräsentation als zulässig zu erachten, gleichzeitig aber wegen einer Verletzung des Abgeordnetenstatus für verfassungswidrig zu halten.179 Die Rechtsstellung der Abgeordneten kann nicht losgelöst von ihrer funktionalen Einbindung in das Repräsenta­ tionsprinzip untersucht werden. 4. Abgeordnete, Fraktion und Partei Eine Besonderheit des freien Mandats nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ist schließlich, dass es zwar durch Freiheit und Unabhängigkeit gekennzeichnet ist, gleichwohl aber seine Ausübung in enger Abstimmung mit den Parteien und Fraktionen erfolgt.180 Den politischen Parteien selbst wird in Art. 21 Abs. 1 GG ganz bewusst ein verfassungsrechtlicher Status verliehen. Sie wirken an der politischen Willensbildung des Volkes mit und sind damit selbst ein zentraler Baustein der repräsentativ-demokratischen Ordnung des Grundgesetzes.181 Der repräsentative Status der Abgeordneten lässt sich dabei ohne seine Einbindung in die Parteien und Fraktionen nicht begreifen. Im Folgenden soll zunächst die Interdependenz zwischen den Abgeordneten und ihren Parteien und Fraktionen gezeigt (a)) und schließlich dieses Abhängigkeitsverhältnis unter dem Gesichtspunkt des Repräsentationsgedankens beurteilt werden (b)). a) Einbindung der Abgeordneten in Partei und Fraktion Die enge Verknüpfung der Bundestagsabgeordneten mit ihrer Partei lässt sich darauf zurückführen, dass bereits vor dem Erhalt eines Bundestagsmandats die politische Laufbahn in aller Regel eine parteipolitische ist. Der Abgeordnete wird von seiner Partei nominiert, wird hauptsächlich wegen seiner Parteizugehörigkeit gewählt und gelangt folglich erst über seine Partei ins Parlament.182 Die Abgeordneten einer Partei bilden wiederum innerhalb des Kischel, in: HStR III (3. Auflage), § 69, Rn. 52. in: BK, GG, Vorb. Art. 38, Rn. 2, 21; Linck, in: DÖV 1975, S. 689 (690 f.); Achterberg, Parlamentsrecht, S. 220; Badura, in: BK, Art. 38 Rn. 87. 181  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 21 Rn. 160 f.; vgl. BVerfGE 91, 276 (284 f.); vgl. Volkmann, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, § 4 Rn. 1 ff. 182  Meyer, in VVDStRL 33 (1975), S. 69 (93); Arndt, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 21 Rn. 8. 179  So

180  Kotzur,

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Kap. 2: Verfassungsrechtliche Ausgangslage

Bundestages Bündnisse in Form der Fraktionen. Als freiwilliger Zusammenschluss von Abgeordneten finden Fraktionen selbst ihre verfassungsrecht­ liche Verankerung in Art. 38 Abs. 1  GG.183 Sie sind das „politische Gliederungsprinzip für die Arbeit des Bundestages“184 und eine „notwendige Einrichtung des Verfassungslebens“.185 Diese Gliederung und Strukturierung ist ein Schlüsselelement für die Funktionsfähigkeit des Parlaments.186 Erst durch die Fraktionen werden eine Vielzahl von Individualpositionen zu handlungsfähigen Meinungsströmungen gebündelt und erst so eine strukturierte Argumentation im Parlament ermöglicht.187 Ein Organ aus über 600 Einzelkämpfern würde sich selbst lähmen.188 Der Verbund zur Fraktion ermöglicht die Spezialisierung einzelner Abgeordneter auf ein bestimmtes Fachgebiet und den Rückgriff der übrigen Abgeordneten auf das Wissen ihrer Fraktionskollegen.189 Die mit der Fraktionsmitgliedschaft verbundene Arbeitsteilung erweitert die politischen Gestaltungsmöglichkeiten der einzelnen Abgeordneten erheblich.190 Im Übrigen ist die Durchsetzung eigener Ideen und Interessen und die Gewinnung der hierfür erforderlichen Mehrheiten zumeist nur mit der Unterstützung der eigenen Fraktion möglich.191 Die Fraktionen stellen dabei ein Bindeglied zwischen den Bundestagsabgeordneten und ihren Parteien dar. Die politische Willensbildung in den Parteien wird mit der politischen Entscheidungsfindung im Parlament verbunden.192 Fraktionen erfüllen damit eine für die Demokratie wichtige „Scharnier­funk­ tion“.193 Dabei führt diese politische Einbindung der Abgeordneten zu einer gewissen Abhängigkeit von der jeweiligen Fraktion und Partei.194 Die Fraktionszugehörigkeit fordert Fraktionsdisziplin und Fraktionsloyalität ein.195 183  BVerfGE 70, 324 (362 f.); vgl. BVerfGE 80, 188 (220), 112, 118 (135); Klein, in: HStR III, § 51 Rn. 13; Badura, in: BK, Art. 38 Rn. 89. 184  BVerfGE 84, 304 (322); vgl. BVerfGE 88, 188 (223). 185  BVerfGE 70, 324 (350); 80, 188 (219); Degenhart, Staatsrecht I, S. 261. 186  BVerfGE 96, 264 (278 f.); 112, 118 (135); Klein, in: HStR III, § 51 Rn. 13; Scholz, Parlamentarische Demokratie in der Bewährung, S. 165. 187  Zeh, in: HStR III, § 52 Rn. 6; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 248 Rn. 579. 188  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 199. 189  Arndt, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 21 Rn. 5. 190  Hölscheidt, in: DVBl 1989, S. 291 (293). 191  Vgl. BVerfGE 118, 277 (329); vgl. BVerfGE 102, 224 (239 f.); 112, 118 (135). 192  Scherer, in: AöR 1987, S. 189 (191 f.). 193  BVerfGE 70, 324 (374) – Sondervotum Richter Mahrenholz; BVerfGE 80, 188 (241) – Sondervotum Richter Kruis; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 236; Trute, in: Jura 1990, S. 184 (188 f.). 194  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 197 und 237. 195  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 197 ff., 203; Arndt, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 21 Rn. 23 f.; vgl. auch Achterberg, Parlamenstrecht, S. 221.



B. Wähler, Bundestag, Abgeordnete und Öffentlichkeit47

Im Ergebnis stimmen daher die Mitglieder einer Fraktion in der Regel einheitlich ab.196 Parlamentsmehrheiten werden in der Praxis durch das Überzeugen entsprechend großer Fraktionsblöcke organisiert. Fraktionen sind mithin entscheidende „Faktoren der politischen Willensbildung“.197 Die Repräsentation des Volkes im Bundestag erfolgt daher maßgeblich durch die von den „Abgeordneten – in Ausübung des freien Mandats – gebildeten Fraktionen“.198 b) Freies Mandat und Fraktionszugehörigkeit Der Bundestag besteht demnach nicht aus einer Ansammlung völlig freier und unabhängiger Volksvertreter. Zwischen dem freien Mandat, Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, und der Parteienstaatlichkeit, Art. 21 GG, könnte also augenscheinlich ein „Spannungsverhältnis“ bestehen.199 Schon die Vorgängerregelung des freien Mandats in der Weimarer Reichsverfassung, der inhaltsgleiche Art. 21 WRV, wurde angesichts der Abhängigkeit der Abgeordneten von den Fraktionen und Parteien als realitätsfern kritisiert.200 Gleichermaßen wird in dem freien Mandat in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ein offener Widerspruch zur Realität im Parteienstaat und ein „unkorrigierbarer Kon­ struktionsfehler“ des Grundgesetzes gesehen.201 Allerdings vermag diese Ansicht bei näherer Betrachtung nicht zu überzeugen. Ein Spannungsverhältnis oder eine Kollision zwischen dem freien Mandat und dem Fraktionseinfluss entsteht der Sache nach erst dann, wenn das freie Mandat als Idealvorstellung eines von äußeren Einflüssen völlig unabhängigen und freien „Honoratiorenabgeordneten“ gedacht wird.202 Im Prinzip liegt der These vom Spannungsverhältnis eine grundsätzlich problematische Vorstellung zugrunde, bei der die Repräsentanten eine qualitativ höherwertige volonté générale hervorbringen oder verkappt identitär den Volkswillen ermitteln. Nur bei einem solchen Verständnis steht die Repräsen196  Vgl.

BVerfGE 44, 308 (318 f.). 84, 304 (322); 70, 324 (351); 80, 188 (219 f.); 112, 118 (135); Degenhart, Staatsrecht I, S. 261; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 40 Rn. 127; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 40 Rn. 237 ff. 198  BVerfGE 112, 118 (135); vgl. Borchert, in: AöR 1977, S. 210 (223); Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 237. 199  BVerfGE 2, 1 (72); 11, 266 (273); 95, 335 (349); vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 197 f.; Morlok, in: JZ 1989, S. 1035 (1038). 200  Wefelmeier, Repräsentation und Abgeordnetenmandat, S. 134. 201  Loewenstein, in: JZ 1972, S. 352 f. 202  Wefelmeier, Repräsentation und Abgeordnetenmandat, S. 134 f.; vgl. Arndt, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 21 Rn. 4 f. 197  BVerfGE

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Kap. 2: Verfassungsrechtliche Ausgangslage

tation für sich genommen in einem Spannungsverhältnis zu dem Einfluss von Fraktionen und Parteien.203 Ein solches überhöhtes Repräsentationsverständnis ist im Grundgesetz aber schon der Sache nach nicht angelegt. Angesichts der Lebenswirklichkeit in einer Parteiendemokratie ist die Annahme fernliegend, dass der Verfassungsgeber in einem Anfall von „traditionsgläubiger Blindheit“ das freie Mandat in einen Kontrast zur Parteienstaatlichkeit gesetzt hat.204 Die Bildung von Parteien und Fraktionen ist für die repräsentative Demokratie eine Existenzbedingung.205 Das freie Mandat ist selbst im weiteren Kontext der Verfassung und damit im Bezug auf Art. 21 GG, Art. 20 Abs. 2 GG und Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG zu sehen.206 Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgt insofern das „freie Mandat des parteigebundenen Abgeordneten“.207 Freies Mandat und parteigebundenes Mandat sind insofern zwei verschiedene Funktionsbedingungen für die Demokratie, die sich gegenseitig ergänzen.208 Fraktionen und Parteien sind selbst wesentliche Faktoren demokratischer Willensbildung, die ihrerseits in einer Responsivität zum Volk und den Abgeordneten stehen.209 Werden Abgeordnete maßgeblich wegen der Parteipolitik gewählt, so ist das Einfordern von Loyalität ein Element der Repräsentation.210 Zugleich werden die Wirkungsmöglichkeiten der Abgeordneten durch die Fraktionsmitgliedschaft erheblich erweitert und effektiviert und somit auch das freie und repräsentative Mandat des einzelnen gestärkt.211 Das freie Mandat des parteigebundenen Abgeordneten ist insofern eine Spielart des Repräsentationsverhältnisses, das insgesamt durch die komplementären Topoi von Freiheit und Verantwortlichkeit geprägt ist.

203  Wefelmeier, Repräsentation und Abgeordnetenmandat, S. 136 f.; vgl. Morlok, in: Dreier, GG, Art. 38 Rn. 144, Fn. 446; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 199. Bezeichnend hierfür: Leibholz, Das Wesen der Repräsentation, S. 91; Schmitt, Verfassungslehre, S. 210 ff.; siehe Kapitel 2: B. III. 1. a) aa) und bb). 204  Badura, in: BK, GG, Art. 38 Rn. 100. 205  Kriele, in: VVDStRL 29 (1970), S. 46 (69 f.); Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 199 f.; Badura, in: BK, GG, Art. 38 Rn. 101. 206  Badura, in: BK, GG, Art. 38 Rn. 100. 207  Badura, in: BK, GG, Art. 38 Rn. 101; kritisch Wefelmeier, Repräsentation und Abgeordnetenmandat, S.  146 f. 208  Hofmann/Dreier, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 5 Rn. 42; Badura, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 15 Rn. 17 ff. (19). 209  Vgl. Magiera, Parlament und Staatsleitung, S. 105. 210  Vgl. Arndt, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 21 Rn. 8; vgl. Pünder, in: VVDStRL 72 (2013), S. 191 (257 ff.); vgl. Wefelmeier, in: Repräsentation und Abgeordnetenmandat, S.  162 f. 211  Vgl. Trute, in: Jura 1990, S. 184 (185); Hölscheidt, in: DVBl 1989, S. 291 (293); BVerfGE 43, 142 (149); 70, 324 (374 ff.) – Sondervotum Richter Mahrenholz.



B. Wähler, Bundestag, Abgeordnete und Öffentlichkeit49

IV. Öffentlichkeit Von herausragender Bedeutung für das Repräsentationsprinzip ist schließlich der Grundsatz der Öffentlichkeit.212 Erst durch die Öffentlichkeit entfaltet die Verknüpfung zwischen Abgeordneten und Bundestag sowie den Wählern eine repräsentative Wirkung. Nur durch Öffentlichkeit lässt sich die vielschichtige und komplexe Beziehung zwischen Repräsentanten und Repräsentierten, die zugleich durch Freiheit und Verantwortlichkeit gekennzeichnet ist, erklären.213 Bereits der demokratische Charakter der Wahl selbst bedingt notwendigerweise, dass sich die Politik grundsätzlich im Lichte der Öffentlichkeit vollzieht.214 Nur dann können die Wähler mit ihrer Stimmabgabe die Verantwortlichkeit der Regierenden einfordern. Geheime Vorgänge entziehen sich von vorneherein jeder demokratischen Kontrolle.215 Erst die Öffentlichkeit bewirkt die Inklusion des Wahlvolkes und ermöglicht eine Einflussnahme durch Wahlen und die öffentliche Meinung.216 Die Wahl ist nur dann eine rationale Entscheidung und Ausdruck demokratischer Gestaltungsmacht, wenn die für die Entscheidung relevanten Informationen für die Wähler einsehbar sind. Ohne Transparenz und Öffentlichkeit verkommt die Wahl zu einer inhaltsleeren Fassade.217 Das Volk hat dann keinen effektiven Einfluss mehr auf die Ausübung der Staatsgewalt und verliert in letzter Konsequenz seinen Status als Souverän.218 Aber auch über den Wahlakt hinaus ist eine unabhängige öffentliche Meinung für eine effektive Kontrolle und Kritik des staatlichen Handelns unerlässlich.219 Die Interessen der Wähler stehen als öffentliche Meinung gerade 212  Häberle, Die Verfassung des Pluralismus, S. 130 f.; Kotzur, in: BK, GG, Vorb. Art. 38 Rn. 58; Schmitt, Verfassungslehre, S. 208; Kißler, Die Öffentlichkeitsfunktion des Deutschen Bundestages, S. 65 ff.; vgl. Häberle, Verfassung als öffentlicher Prozeß, S. 227; Robbers, in: BK, GG, Art. 20 Abs. 1 Rn. 624 ff.; Hett, Die Öffentlichkeit der Parlamentsverhandlungen, S. 123 ff. 213  Bauer, in: Der Staat 2010, S. 587 (591); Kotzur, in: BK, GG, Vorb. Art. 38 Rn.  57 f.; vgl. Morlok, in: JZ 1989, S. 1035 (1038); Klein, in: ZRP 1979, S. 81 f.; vgl. Dreier, in: Jura 1997, S. 449 (456). 214  Vgl. BVerfGE 44, 124 (139). 215  Kotzur, in: HGR V, § 120 Rn. 21. 216  Morlok, in: VVDStRL 62 (2003), S. 37 (62). 217  Vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 563; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn.  83 f.; Kissler, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 36 Rn. 16. 218  Morlok, in: Dreier, GG, Art. 42 Rn. 20. 219  Trute, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 38 Rn. 79; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 38 Rn. 32, Art. 42 Rn. 2 und 20; vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 69 Rn. 152; vgl. Häberle, Die Verfassung des Pluralismus, S. 130, 137; Krbek, in:

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Kap. 2: Verfassungsrechtliche Ausgangslage

im Vorgriff auf die nächsten Bundestagswahlen in einem permanenten Dialog mit den Repräsentanten und begleiten deren Entscheidungen kontinuierlich. Es besteht eine permanente kommunikative Verklammerung zwischen Wählern und Gewählten. Die öffentliche Meinung ermöglicht so eine dauernde Beziehung der Verantwortlichkeit und Legitimation zwischen den Repräsentanten und Repräsentierten. Sie ist gerade im Zusammenspiel mit den Wahlen für das Prinzip der Repräsentation und der Volkssouveränität unerlässlich.220 Dabei kann es eine unabhängige öffentliche Meinung nur bei einem umfangreichen, freien Informationszugang und transparenten Entscheidungsverfahren geben.221 Die öffentliche Meinung als abstrakte Größe ist dabei auf die Gewährleistung der Informationsgrundrechte für die einzelnen Staatsbürger angewiesen. Meinungs-, Informations-, und Pressefreiheit können nur im Zusammenspiel mit Öffentlichkeit und Transparenz ihren besonderen demokratischen Gehalt entfalten.222 Insofern ist nicht nur die staatsorganisatorische, sondern auch die grundrechtliche Begründung der Öffentlichkeit vom Demokratieprinzip getragen.223 Die Demokratie ist gerade „nach ihrem Grundprinzip eine Sache mündiger, informierter Staatsbürger, nicht einer unwissenden, dumpfen, nur von Affekten und irrationalen Wünschen geleiteten Masse, die von wohl- oder übelmeinenden Regierenden über die Frage ihres eigenen Schicksals im Dunkeln gelassen wird“224 Das Parlament als politisches Forum und unmittelbar gewähltes Organ ist dabei im besonderem Maße der Öffentlichkeit verpflichtet.225 Die Repräsentationsfunktion umfasst eine Öffentlichkeitsfunktion.226 Im Verfassungstext verankert ist die Parlamentsöffentlichkeit in Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG – „Der Bundestag verhandelt öffentlich“. Vor dem Hintergrund des RepräsentationsFS Gerhard Leibholz, Band II, S. 69 (84 f.); Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, S.  204 f.; Badura, in: VVDStRL 29, 1971, S. 96 f. 220  Vgl. Dreier, in: JZ 1997, S. 249 (256). 221  Kissler, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 36 Rn. 6 f.; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 – Demokratie, Rn. 83 f.; Morlok, in: FS Bundesverfassungsgericht II, S. 559 (574); Häberle, in: NJW 1976, S. 537 (541); vgl. Hofmann, Repräsentation, S. 22; Jestaedt, in: AöR 2001, S. 204 (216  f.) vgl. BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 108 = BVerfGE 130, 318 (344); BVerfGE 125, 104 (125). 222  Vgl. Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 56 f.; vgl. Leibholz, Das Wesen der Repräsentation, S. 177; vgl. Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, S. 46; Häberle, in: JZ 1977, S. 361 (366). 223  Vgl. Häberle, in: JZ 1977, S. 361 (366). 224  Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 69. 225  Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 35; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 42 Rn. 20. 226  Ob die Öffentlichkeit eine eigenständige Parlamentsfunktion darstellt oder nur eine Facette der Repräsentationsfunktion ist, ist dabei im Rahmen der vorliegenden Untersuchung unerheblich, vgl. hierzu: Kissler, in: Parlamentsrecht und Parlaments­ praxis, § 36 Rn. 8; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 38 Rn. 32 m. w. N.



C. Autonomie und Funktionsfähigkeit des Parlaments 51

prinzips kann sich die Öffentlichkeit nicht in einer öffentlichen Plenarverhandlung erschöpfen. Die eigentlichen Vermittler der Öffentlichkeit und Bezugspartner für politische Kommunikation sind dabei die Bundestagsabgeordneten. Öffentlichkeit ist deshalb auch eine wesentliche Ausprägung des freien Mandats.227 Das allgemeine Öffentlichkeitsprinzip erfasst insofern nicht nur die Arbeit des Plenums, sondern grundsätzlich den gesamten parlamentarischen Willensbildungsprozess.228 Nur wenn sich frühzeitig eine öffentliche Meinung bildet, kann diese ihre Wirkungsmacht auf den politischen Prozess entfalten und von den Abgeordneten rezipiert werden. Die demokratische Legitimation läuft dagegen weitgehend ins Leere, wenn die Entscheidungen hinter verschlossenen Türen getroffen und nur nachträglich öffentlich präsentiert werden.

C. Autonomie und Funktionsfähigkeit des Parlaments Von entscheidender Bedeutung für die vorliegende Arbeit sind zudem die Grundprinzipien der Autonomie und der Funktionsfähigkeit des Parlaments. Auch hierbei handelt es sich um Verfassungsprinzipien, die ebenso als Ausprägung des Demokratie- und Repräsentationsprinzips betrachtet werden können. Dabei unterscheiden diese sich in ihrer Rolle und ihrem Zweck für den Repräsentationsgedanken ganz grundlegend von der zuvor beschriebenen Verflechtung von Wählern, Abgeordneten und Bundestag sowie der Öffentlichkeit. Auch wenn es sich bei allen genannten Topoi um zentrale Elemente der repräsentativen Demokratie handelt, treten sie doch gerade im Rahmen von Ausschussdelegationen in ein gewisses Spannungsverhältnis. Inwiefern dabei die Parlamentsautonomie oder das Verfassungsgebot der Funktionsfähigkeit des Bundestages Eingriffe in den Status der Abgeordneten, die Rechte der Wähler oder den Grundsatz der Öffentlichkeit rechtfertigen können, bleibt nachfolgend zu untersuchen. Hierfür ist zunächst der verfassungsrechtliche Gehalt der Parlamentsautonomie sowie des parlamentarischen Selbst­ organisationsrechts (I.) näher zu umreißen sowie die dogmatischen Bezüge zum Demokratieprinzip aufzuzeigen (II.). Anschließend ist Bedeutung und Tragweite des Vefassungsgebots der Funktionsfähigkeit des Bundestages aufzuzeigen (III.) und schließlich auf den parlamentarischen Ermessensspielraum bei der Ausübung des Selbstorganisationsrechts einzugehen (IV.).

227  Morlok, 228  Vgl.

in: Dreier, GG, Art. 42 Rn. 20. BVerfG, 2 BvE 4/11 vom 19.06.2012, Rn. 113 = BVerfGE 131, 152 (205).

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Kap. 2: Verfassungsrechtliche Ausgangslage

I. Parlamentsautonomie und Selbstorganisationsrecht Die Parlamentsautonomie schützt umfassend die Unabhängigkeit und Unverletzlichkeit des parlamentarischen Bereichs und verbürgt insofern ganz grundsätzlich die „Befugnis des Parlaments, seine eigenen Angelegenheiten selbst zu regeln“.229 Verfassungstextlich ist die Parlamentsautonomie in den Art. 39 GG ff. kodifiziert, sie entfaltet sich darüber hinaus aber auch im ungeschriebenen parlamentarischen Gewohnheitsrecht und bloßem Parlamentsbrauch.230 Dabei lassen sich zwei übergeordnete Teilbereiche der Parlamentsautonomie erkennen.231 Die Unabhängigkeit des Parlaments umfasst zunächst einmal die körperliche Integrität des Bundestages und der Abgeordneten und schützt vor äußeren Übergriffen anderer Staatsgewalten.232 Art. 46 GG gewährleistet hierfür die Immunität des Abgeordneten und Art. 40 Abs. 2 GG behält dem Bundestagspräsidenten Hausrecht und Polizeigewalt im Parlamentsgebäude vor. Parlamentsautonomie ist in dieser Ausprägung als Staatsorganautonomie zu begreifen.233 Die andere wesentliche Stoßrichtung der Parlamentsautonomie ist das innere Selbstorganisationsrecht des Bundestages, Art. 40 Abs. 1 GG. Es ist dem Parlament vorbehalten, die Regeln für das eigene Verfahren und die eigene Organisation zu erlassen.234 In diesem Zusammenhang wird auch häufig von der Organisations-, Verfahrens-235 und Geschäftsordnungsautonomie236 gesprochen.237 Hierbei handelt es sich jeweils um Facetten parlamentarischer Selbstorganisation, die sich erheblich überschneiden und zum Teil als Syno229  BVerfGE 102, 224, 234; 104, 310, 332; Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke, GG, Art. 40 Rn. 8. 230  Brocker, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 40 Rn. 1.1 f.; vgl. BVerfGE 102, 224 (236); Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu, Art. 40, Rn. 8; ausführlich hierzu: SchulzeFielitz, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 11 Rn. 4 ff. 14 ff. 231  Versteyl, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 40 Rn. 1; vgl. Bollmann, Verfassungsrechtliche Grundlagen des Selbstorganisationsrechts, S. 33 f.; vgl. Brocker, in: BK, GG, Art. 40 Rn. 56, 57, 62, 65. 232  Morlok, in: Dreier, Art. 40 Rn. 5; Brocker, in: BK, Art. 40, Rn. 56, 62 ff.; ders., in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 40 Rn. 40 ff. 233  Schneider, in: AK-GG, Art. 40 Rn. 2; vgl. Brocker, in: BK, GG, Art. 40 Rn.  62 ff. 234  Brocker, in: BK, GG, Art. 40 Rn. 57; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 40 Rn. 32; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 40 Rn. 22. 235  Vgl. Brocker, in: BK, GG, Art. 40 Rn. 57. 236  Vgl. Morlok, in: Dreier, GG, Art. 40 Rn. 6. 237  Bollmann, Verfassungsrechtliche Grundlagen des Selbstorganisationsrechts, S.  28 f.; vgl. Brocker, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 40 Rn. 1, 4, 23, 40.



C. Autonomie und Funktionsfähigkeit des Parlaments 53

nym verwendet werden.238 Durch seine Organisationsautonomie schafft sich der Bundestag die für seine Arbeit notwendigen Gliederungen und Organe, wie den Präsidenten, das Präsidium, den Ältestenrat und die Ausschüsse.239 Die Verfahrensautonomie betrifft das parlamentarische Verfahren im weiten Sinne, insbesondere den Arbeitsablauf im Plenum und in den Ausschüssen. Dabei übt der Bundestag seine Organisations- und Verfahrensautonomie im Regelfall durch den Erlass der GOBT aus, Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG.240 Eine trennscharfe Abgrenzung der Begriffe Organisations-, Verfahrens- und Geschäftsordnungsautonomie ist deshalb weder möglich noch erforderlich. Die Einsetzung von Bundestagsausschüssen berührt sämtliche Teilbereiche der Parlamentsautonomie.241 Durch die GOBT erlässt der Bundestag die wesentlichen Regelungen bezüglich der Rechtstellung der Abgeordneten, der Ausschüsse sowie der Fraktionen.242 Der verfassungsrechtliche Status der Bundestagsabgeordneten wird also maßgeblich durch die Geschäftsordnung konkretisiert. Mit der Normierung der Abgeordnetenrechte und der Art und Weise ihrer Ausübung ist dabei zwingend auch eine Begrenzung derselben verbunden.243 Die Ausformulierung, wann und wie die Repräsentanten zur Ausübung ihrer Rechte befugt sind, bedeutet zugleich, dass diese Rechte nicht völlig schrankenlos und absolut bestehen. Es bleibt mithin festzuhalten, dass der Bundestag in Ausübung seiner Parlaments- und Geschäftsordnungsautonomie den Status der Abgeordneten zugleich ausdifferenziert und beschränkt.

II. Parlamentsautonomie als Ausdruck der Gewaltenteilung und des Demokratieprinzips Die Feststellung, dass der Bundestag durch die Geschäftsordnung den Abgeordnetenstatus formt und begrenzt, besagt noch nicht, inwiefern diese Beschränkung verfassungsrechtlich auch durch die Geschäftsordnungs- oder Parlamentsautonomie gerechtfertigt werden kann. Für diese Frage muss das 238  Vgl. Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages, S.  50 ff.; vgl. Schneider, in: AK-GG, Art. 40 Rn. 2; vgl. Morlok, in: Dreier, GG, Art. 40 Rn. 23; vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 40 Rn. 3 ff.; Bollmann, Verfassungsrechtliche Grundlagen des Selbstorganisationsrechts, S. 135 ff. 239  Brocker, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 40 Rn. 4 ff.; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 40 Rn. 23; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 40 Rn. 82. 240  Morlok, in: Dreier, GG, Art. 40 Rn. 23. 241  Vgl. Brocker, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 40 Rn. 17. 242  Vgl. BVerfGE 80, 188 (219); 44, 308 (317  f.); 84, 304 (323); BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 120 f. = BVerfGE 130, 318 (350 f.). 243  BVerfGE 84, 304 (321).

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Kap. 2: Verfassungsrechtliche Ausgangslage

Verhältnis zwischen dem Abgeordnetenstatus und der Parlamentsautonomie geklärt werden. Dafür ist es zunächst einmal erforderlich, die verfassungsrechtliche Bedeutung der Parlamentsautonomie genauer zu erfassen. 1. Parlamentsautonomie und Gewaltenteilung Die Parlamentsautonomie ist verfassungsrechtlich im Grundsatz der Gewaltenteilung verwurzelt, Art. 20 Abs. 2 und Abs. 3  GG.244 Der Zusammenhang zwischen Parlamentsautonomie und Gewaltenteilung wird bereits aufgrund der historischen Entwicklung beider Institute anschaulich. In ihrem Ursprung wurde die Unabhängigkeit und Integrität des Parlaments zum Schutz der Volksvertretung vor Übergriffen durch den Monarchen etabliert.245 Sie ist im Ergebnis das verfassungsrechtliche Produkt eines im 17. Jahrhundert in England beginnenden „ständigen Machtkampfes mit der Krone“.246 Die Parlamentsautonomie reicht daher in die Zeit des Konstitutionalismus zurück und ist insofern ein ursprüngliches Element der Gewaltenteilung. Diese ursprüngliche herausragende Bedeutung hat die Parlamentsautonomie mit dem Wandel der konstitutionellen Monarchie hin zur parlamentarischen Demokratie verloren.247 Der vormals scharfe Gegensatz zwischen monarchischer Exekutive und der Legislative besteht in einer Parteiendemokratie, in der die Regierung von der Zustimmung des Parlaments getragen wird, nicht mehr. Die veränderte Bedeutung der Parlamentsautonomie korreliert hier mit einer veränderten Bedeutung der Gewaltenteilung, die im modernen Verfassungsstaat im Sinne einer Gewaltentrennung und Gewaltenverschränkung zu verstehen ist.248 Bei der Gewaltenteilung, verstanden als checks and balances, geht es um die Kontrolle und Hemmung staatlicher Herrschaftsgewalt sowie um eine sachgerechte Kompetenzzuordnung.249 Innerhalb dieses Balancegefüges kommt der Parlamentsautonomie auch unter dem Regime des Grundgesetzes eine maßgebliche Rolle zu. Denn einerseits schirmt die Parlamentsautonomie den legislativen Bereich vor externen Eingriffen ab, sichert die parlamentarische Unabhängigkeit und ist so ein Schlüsselelement der Gewaltentren244  Brocker,

in: BK, GG, Art. 40 Rn. 50. 70, 324, 361; Schneider, in: AK-GG, Art. 40 Rn. 2. 246  Brocker, in: BK, GG, Art. 40, Rn. 6 ff.; vgl. Wittreck, in: Morlok/Schliesky/ Wiefelspütz, Parlamentsrecht, § 2 Rn. 7 ff., 11 ff.; vgl. Maunz/Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 39 Rn. 62; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 40 Rn. 10 f.; vgl. BVerfGE 70, 324 (361). 247  Schneider, in: AK-GG, Art. 40 Rn. 2; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 40 Rn. 18. 248  Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 207 ff.; BVerfGE 3, 225 (247); 102, 224 (235 f.). 249  Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 209, 212. 245  BVerfGE



C. Autonomie und Funktionsfähigkeit des Parlaments 55

nung.250 Andererseits ist die Parlamentsautonomie auch ein Aspekt einer sachgerechten und funktionalen Kompetenzordnung.251 Sie begründet eine exklusive Zuständigkeit des Bundestages, „das Ideal seines guten Funktionierens zu definieren.“252 Zweckmäßig ist diese alleinige Zuständigkeit für parlamentsinterne Angelegenheiten deshalb, weil das Parlament durch die Selbstbetroffenheit naturgemäß das größte Problembewusstsein hat und selbst am schnellsten und sachgerechtesten die Lösung finden kann.253 Die Parlamentsautonomie gehört hier als Ausdruck der Gewaltenteilung zum „Kernbereich parlamentarischer Eigengestal­tung“.254 Aus diesem systematischen Zusammenhang zwischen Parlamentsautonomie und Gewaltenteilung folgt schließlich auch, dass Maßnahmen auf dem Gebiet des Selbstorganisationsrechts schlechterdings nicht gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung verstoßen können. Entsprechend berührt auch die von der Parlamentsautonomie umfasste, interne Kompetenzabgrenzung zwischen Parlamentsplenum und Parlamentsausschüssen nicht den Grundsatz der Gewaltenteilung. Der Grundsatz der Gewaltenteilung greift erst hinsichtlich der Kompetenzabgrenzung verschiedener Staatsgewalten untereinander und nicht bei rein organinternen Zuständigkeitsverlagerungen.255 2. Parlamentsautonomie, Gewaltenteilung und Demokratie Über den Grundsatz der Gewaltenteilung lässt sich die Parlamentsautonomie schließlich auch auf das Demokratieprinzip zurückführen.256 Die Gewaltenteilung selbst ist nicht nur Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips, sondern gleichermaßen auch Ausprägung der Volkssouveränität und des Demokratieprinzips.257 Ohne eine Untergliederung und Mäßigung der vom Volk legi250  Schröder, Grundlagen und Anwendungsbereich des Parlamentsrechts, S. 201 f.; vgl. Robbers, in: BK, GG, Art. 20 Abs. 2 Rn. 3192 f.; vgl. Theodossis, in: JöR 1996, S. 155 (157). 251  Morlok, in: VVDStRL 62 (2003), S. 37 (60 Fn. 80). 252  Morlok, in: VVDStRL 62 (2003), S. 37 (65); vgl. Linck, in: DÖV 1975, S. 689 (690 f.); BVerfGE 96, 264 (278). 253  Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages, S. 60 f. 254  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 40 Rn. 20; Brocker, in: BK, GG, Art. 38 Rn. 50; Rau, in: JuS 2001, S. 755 (757); vgl. BVerfGE 80, 188 (219); 102, 224 (235 f.); 104, 310 (332). 255  Kapitel 4: A. II. 2. 256  Morlok, in: Dreier, GG, Art. 40 Rn. 5; Rau, in: JuS 2001, S. 755 (757). 257  Di Fabio, in: HStR II (3. Auflage), § 27 Rn. 7, 11; Morlok, in: FS Bundesverfassungsgericht II, S. 559 (571); Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 39 Rn. 24; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, V. Die Verfassungsentscheidung für die Gewaltenteilung, Rn. 20, insbesondere Rn. 57 f.; Bollmann, Verfas-

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Kap. 2: Verfassungsrechtliche Ausgangslage

timierten Herrschaftsgewalt besteht die latente Gefahr, dass die grenzenlos Herrschenden in eine autonome Stellung abdriften und ihre Rückbindung an das Volk verlieren. Erst Begrenzung und Mäßigung der Staatsgewalten garantieren die Souveränität des Staatsvolkes.258 Demokratie ist insofern auf die Gewaltenteilung angewiesen.259 Auch dies kann wiederum anhand der historischen Entwicklung der Parlamentsautonomie verdeutlicht werden. Die Autonomie des Parlaments ist geschichtlich mit seinem „Selbstverständnis als Vertretung der souveränen Nation“ verbunden.260 Mit der Funktion als Repräsentationsorgan wäre es unvereinbar, das Parlament den „Gängelungsversuchen“ anderer Gewalten und Organe auszusetzen.261 Aus dieser gedanklichen Verwurzelung folgt aber auch, dass die Parlamentsautonomie im Besonderen wie die Gewaltenteilung im Allgemeinen nur „innerhalb und auf dem Boden des demokratischen Prinzips“ einen Geltungsanspruch haben.262 Es kann nur um die Balancierung und Gliederung demokratischer Staatsgewalt gehen. Die Gewaltenteilung kann demnach denknotwendig nicht gegen das demokratische Prinzip ausgespielt werden. Sie findet selbst ihre Grenzen im Demokratieprinzip und damit auch in dessen besonderen Ausprägungen wie dem Abgeordnetenstatus und der Gesamtrepräsentation.263 Eine Einschränkung dieser Verfassungsprinzipien kann durch die Gewaltenteilung nicht gerechtfertigt werden. 3. Ergebnis Im Ergebnis handelt es sich bei der Parlamentsautonomie um eine Ausprägung der Gewaltenteilung und so letztlich auch des Demokratieprinzips. Die repräsentative Stellung des Parlaments und seiner Abgeordneten wird durch die Gewährleistung der parlamentarischen Autonomie abgesichert. Der Gedanke der Autonomie zum Schutz der repräsentativen Demokratie vermag allerdings alleine die kompetenzielle Regelungszuständigkeit auf dem Gebiet sungsrechtliche Grundlagen des Selbstorganisationsrechts, S. 37 f., 47 ff.; Böckenförde, in: HStR II (3. Auflage), § 24 Rn. 87 ff. 258  Vgl auch: Di Fabio, in: HStR II (3. Auflage), § 27 Rn. 3. 259  Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, V. Die Verfassungsentscheidung für die Gewaltenteilung, Rn. 57; Di Fabio, in: HStR II (3. Auflage), § 27 Rn. 11; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 214. 260  BVerfGE 70, 323, 361; Brocker, in: BK, GG, Art. 40 Rn. 7; vgl. Maunz/Klein, in: Maunz/Dürig, Art. 39 Rn. 65. 261  BVerfGE 70, 324 (361); 44, 308 (314); Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages, S. 59; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 40 Rn. 6. 262  Böckenförde, in: HStR II (3. Auflage), § 24 Rn. 87. 263  Vgl. BVerfGE 102, 224 (237); vgl. BVerfGE 80, 188 (221); vgl. Rau, in: JuS 2001, S. 755 (757); vgl. Pietzcker, in: Parlamentsrecht und Parlamenspraxis, § 10 Rn. 7.



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der Parlamentsorganisation zu erklären. Dagegen kann die Parlamentsautonomie allerdings keine Eingriffe in das Demokratie- oder Repräsentationsprinzip rechtfertigen, sondern muss im Einklang mit diesen ausgeübt werden.264 Die Parlamentsautonomie begründet die formelle Zuständigkeit zur Selbstorganisation innerhalb der verfassungsrechtlichen Ordnung. Eine Ermächtigung zur Begrenzung anderer Verfassungsgüter, insbesondere tragender Grundsätze des Demokratieprinzips, ist in ihr nicht angelegt.265 Eine Gegenüberstellung und Ausgleichung von Parlamentsautonomie und Abgeordnetenstatus im Sinne der praktischen Konkordanz ist deshalb schon dem Grunde nach ausgeschlossen.

III. Funktionsfähigkeit des Parlaments Da die Parlamentsautonomie nicht aus sich selbst heraus zur Rechtfertigung von Eingriffen in den Status der Abgeordneten oder den Grundsatz der Gesamtrepräsentation in der Lage ist, stellt sich die Frage, welches andere Verfassungsgut hierfür heranzuziehen ist. Nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz darf eine Verfassungsposition nur dann eingeschränkt werden, wenn dies für die wirksame Entfaltung eines anderen Verfassungswertes erforderlich ist, und im Ergebnis beide Verfassungsgüter durch eine „verhältnismäßige Zuordnung“ zu „optimaler Wirksamkeit“ gelangen.266 Anders gesagt bedürfen Eingriffe in die Grundprinzipien repräsentativer Demokratie zu ihrer Rechtfertigung eines besonderen, „zwingenden Grundes“,267 der der Wahlrechtsgleichheit oder dem Abgeordnetenstatus die Waage halten kann.268 Ein solches Rechtsgut von Verfassungsrang ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Verfassungsgebot der Funktionsfähigkeit des Bundestages.269 „Ein verfassungsrechtlich tragfähi264  Vgl. Trute, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 38 Rn. 94; BVerfGE 102, 224 (237); Linck, in: DÖV 1975, S. 689. 265  Vgl. Linck, in: DÖV 1975, S. 689 f. 266  Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 142; Morlok, in: JZ 2011, S. 234 (237); Moench/Ruttloff, in: DVBl 2012, S. 1261 (1264). 267  BVerfGE 1, 208 (248 f.); 14, 121 (133); 34, 81 (99); 44, 125 (146); 78, 350 (358); 82, 353 (364); 89, 266 (270); 93, 195 (204); 96, 264 (278); vgl. kritisch zum Kriterium „zwingender Gründe“ Morlok, in: JZ 2011, S. 234 (237). 268  Vgl. BVerfGE 129, 300 (320 f.); Schleswig-Holsteinisches LVerfG, Urteil vom 30.08.2010, LVerfG 3/09, in: JZ 2011, S. 261 (266); vgl. BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 124 = BVerfGE 130, 318 (352 f.). 269  BVerfGE 129, 300 (321); 118, 277 (324); 112, 118 (133 ff., 140); 99, 19 (32); 96, 264 (278 f.); 94, 351 (369); 80, 188 (219) vgl. ferner BVerfGE 51, 222 (236); 41, 399 (421); 24, 300 (341); 14, 121 (135); 4, 31 (40); 6, 84 (92); 1, 208 (248 f.); Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten, S. 64; Manger-Nestler, in: NJ 2012, S. 159; vgl. Linck, in: DÖV 1975, S. 689 f.

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Kap. 2: Verfassungsrechtliche Ausgangslage

ger Grund [für die Beschränkung der Abgeordnetenrechte] liegt in der Autonomie des Deutschen Bundestages, durch seine Geschäftsordnung die Funktionsfähigkeit des Parlaments zu gewährleisten.“270 Die Beschränkungen anderer Verfassungsgüter beim Erlass der GOBT sind insofern in der Regel auf den Schutz der Funktionsfähigkeit des Bundestages gerichtet und erfolgen in Ausübung des parlamentarischen Selbstverwaltungsrechts. Die formelle Zuständigkeit des Bundestages wird durch die Parlamentsautonomie begründet, die materielle Rechtfertigung erfolgt über das Prinzip der Funk­ tionsfähigkeit des Bundestages. Dem Selbstorganisationsrecht ist gewissermaßen „das Verfassungsgebot der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Parlaments zugeordnet“.271 Der Verfassungsrang der Funktionsfähigkeit des Bundestages folgt wiederum aus seiner Stellung als Repräsentationsorgan, der er nur als handlungsfähiges Organ gerecht werden kann. Nur ein tatsächlich funktionierender Bundestag kann auch repräsentieren. Es geht insofern um eine Funktionsfähigkeit als Repräsentationsorgan.272 Das Bundesverfassungsgericht spricht in diesem Zusammenhang fast schon tautologisch von der „Repräsentationsund Funktionsfähigkeit“ des Bundestages.273 Die Funktionsfähigkeit des Bundestages ist insofern, genau wie der verfassungsrechtliche Status der Abgeordneten, darauf gerichtet, die Repräsentationsfunktion des Bundestages insgesamt zu stärken.274 Aus dieser gemeinsamen funktionalen Bestimmung folgt, dass der Funktionsfähigkeit des Parlaments und dem Status seiner Abgeordneten das gleiche verfassungsrechtliche Gewicht zukommt. Die Funk­ tionsfähigkeit kann insofern auch weitreichende Eingriffe in den Abgeordnetenstatus rechtfertigen.275 Die Funktionsfähigkeit des Bundestages ist dabei stets im Bezug auf das Repräsentationsprinzip und dessen vielseitige Facetten zu denken. Ihre verfassungsrechtliche Dimension kommt insofern nicht erst in Abgrenzung zur Handlungs- oder Funktionsunfähigkeit des Parlaments zum Tragen.276 Dem Verfassungsgebot der Funktionsfähigkeit kommt dabei ein weiter, durch die Rolle des Bundestages im Staatsgefüge determinierter Anwendungsbereich 270  BVerfGE

96, 264 (278). in: Schmiedt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 40 Rn. 8; Brocker, in: BK, GG, Art. 40 Rn. 52. 272  Waldhoff, in: ZParl 2006, S. 251 (257); vgl. Ossenbühl, in: NVwZ 1982, S. 465 (466 f.); vgl. Murswiek, in: DVBl. 1980, S. 123 f. 273  BVerfGE 118, 277 (324); 99, 19 (32); vgl. BVerfGE 84, 304 (321); 80, 188 (219); vgl. Cancik, in: VVDStRL 72 (2013), S. 268 (296 f.). 274  Siehe Kapitel 2: B. III. 275  A. A. Moench/Ruttloff, in: DVBl 2012, S. 1261 (1264). 276  Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten, S. 65; vgl. Fischer, in: DVBl 1981, S. 517 (521). 271  Kretschmer,



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zu.277 So kommt die Funktionsfähigkeit des Bundestages zunächst einmal bei der Begrenzung des Abgeordnetenstatus im Rahmen der parlamentarischen Selbstorganisation als Rechtfertigungsgrund zum Tragen. Die Arbeitsfähigkeit eines Organs mit hunderten Organwaltern bedingt zwingend eine Organisation und Koordination des Arbeitsablaufs und damit eine Strukturierung und Begrenzung der einzelnen Abgeordnetenrechte. Das Verfassungsgebot der Funktionsfähigkeit des Parlaments kommt daneben in vielfältigen anderen Konstellationen zum Tragen. So kann etwa in den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit eingegriffen werden, um eine übermäßige Zersplitterung des Parlaments zu verhindern und so dessen Arbeitsfähigkeit zu gewährleisten.278 Gleichmaßen ist auch eine Verkürzung der Fraktionsgleichheit möglich, wenn dies für die Arbeitsfähigkeit des Parlaments insgesamt erforderlich ist.279 Da der Gedanke der Repräsentation auch auf ein grundsätzliches Vertrauen zwischen Staatsvolk und Repräsentanten angewiesen ist, kann gegebenenfalls zum Schutz dieses Vertrauens mitunter sogar tiefgreifend in den Abgeordnetenstatus eingegriffen werden.280 Aber auch der Ausschluss der Öffentlichkeit kann für eine funktionale Parlamentsarbeit bis zu einem gewissen Grad erforderlich sein.281 Schließlich ist im Verfassungsgebot der Funktionsfähigkeit des Bundestages auch der Gedanke der Effizienz angelegt.282 Auch die verfassungsrechtliche Qualität der Effizienz wird alleine über das Prinzip der Repräsentationsfähigkeit vermittelt.283 Maßnahmen zur Effizienzsteigerung des Parlaments müssen sich insofern stets zu Gunsten der Repräsentationsfähigkeit insgesamt auswirken und dürfen nicht auf Kosten der parlamentarischen Repräsentation gehen.284 Verfehlt wäre insofern eine reine Effizienzmaximierung im Sinne einer ökonomischen Verfahrensbeschleunigung ohne Rücksichtnahme auf die Grundprinzipien repräsentativer Demokratie.285 Funktionsfähigkeit und EffiNettesheim, in: NJW 2012, S. 1409 (1411). schon BVerfGE 1, 208 (247). 279  BVerfGE 96, 264 (278). 280  BVerfGE 99, 19 (32), vgl. BVerfGE 94, 351 (368) – Die Überprüfung von Bundestagsabgeordneten auf hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR durch den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung war insofern rechtmäßig. 281  Linck, in: ZParl 1992, S. 673 (694). 282  Vgl. BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 116 = BVerfGE 130, 318 (348 f.); Steinbach, in: DÖV 2016, S. 286. 283  Vgl. Häberle, in: AöR 1973, S. 625 (631). 284  Vgl. Häberle, in: AöR 1973, S. 625 (631); vgl. Ossenbühl, in: NVwZ 1982, S.  465 (477 f.). 285  Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abeordneten, S. 66; vgl. Fischer, in: DVBl 1981, S. 517 (521 f.). 277  A. A. 278  So

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Kap. 2: Verfassungsrechtliche Ausgangslage

zienzsteigerung kommen vielmehr dann in Einklang, wenn im Wege der Arbeitsteilung und Spezialisierung die parlamentarischen Wirkungsmöglichkeiten insgesamt und damit auch die Repräsentation gesteigert werden. Von besonderer Bedeutung für die Rechtfertigung einer Ausschussdelegation zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundestages sind dabei insbesondere der Gesichtspunkt der Arbeitsteilung und Arbeitsentlastung (1.) sowie Gründe des Geheimschutzes (2.) und der Eilbedürftigkeit (3.).286 Der verfassungsrechtlich rechtfertigende Grund bleibt dabei jedoch stets die Funktionsfähigkeit des Bundestages, die jeweils aus Gründen der Arbeitsentlastung, des Geheimschutzes oder der Eilbedürftigkeit sicherzustellen ist.287 1. Arbeitsteilung und Arbeitsentlastung Die umfangreiche Ausschusstätigkeit dient überwiegend der Entlastung des Plenums und soll so dessen Funktionsfähigkeit sicherstellen.288 Die grundsätzlich hohe Arbeitsbelastung des Plenums und die Komplexität der gesetzgeberischen Regelungsbedürfnisse bringen das Erfordernis einer Arbeitsteilung und Spezialisierung der Bundestagsabgeordneten mit sich.289 Eine gleichmäßige Befassung sämtlicher Bundestagsabgeordneten mit sämtlichen Parlamentsaufgaben ist praktisch ausgeschlossen und würde bestenfalls eine oberflächliche und minderwertige Parlamentsarbeit ermöglichen.290 Allein 2014 umfasste das Bundesgesetzblatt Teil I 2492 Seiten.291 Dabei handelt es sich nur um die erfolgreich abgeschlossene und in Gesetzesform gegossene Parlamentsarbeit. Dahinter steht ein enormer Arbeitsaufwand, der sich andeutungsweise mit einem Blick auf die unzähligen Bundestags- und Ausschussdrucksachen ermessen lässt, in denen auch die verschiedenen Entwürfe, Anträge, Sitzungsprotokolle etc. wiedergegeben werden. Dabei lässt sich die nötige fachliche Expertise häufig nur mit einem erheblichen zeitlichen Einarbeitungsaufwand erwerben. Die Ausschüsse wirken angesichts dieser Arbeitsbelastung wie ein Multiplikator. Die 30 ständigen Ausschüsse beraten je Sitzungswoche im Regelfall einen Tag. Diese hohe Zahl planmä286  Steinbach, in: DÖV 2016, S. 286 (288 f.); Moench/Ruttloff, in: DVBl 2012, S.  1261 (1264 f.). 287  Vgl. BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 141 = BVerfGE 130, 318 (358). 288  Vgl. Degenhart, Staatsrecht I, S. 249 Rn. 643. 289  Vgl. BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 115, 120 = BVerfGE 130, 318 (348, 350); BVerfGE 102, 224 (236), 44, 308 (317); Steiger, Organisatorische Grundlagen, S. 124; Dreier, in: JZ 1990, S. 310 (318); Partsch, in: VVDStRL 16 (1958), S.  74 (77 f.); Arndt, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 21 Rn. 2 f. 290  Magiera, Parlament und Staatsleitung, S. 146. 291  BGBl I 2014.



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ßiger Beratungen kann schlechthin vom Plenum nicht erreicht werden.292 Ein arbeitsfähiger Bundestag ist daher auf eine umfangreiche und sachkundige Vorbereitung durch Fachausschüsse angewiesen.293 2. Geheimhaltung Weiterhin können Belange des Geheimschutzes eine Aufgabenwahrnehmung durch Ausschüsse erfordern. Auch im demokratischen Verfassungsstaat gibt es Bereiche, in denen eine Geheimhaltung von Informationen für den Bestand des Staates und seiner freiheitlich demokratischen Ordnung schlechthin erforderlich sind.294 Das gilt insbesondere bei „militärischen Geheimnissen oder sonstigen aus Gründen des Staatsschutzes geheim zu haltenden Informationen“.295 Geheimhaltungserfordernisse können aber auch für den Schutz der Privatsphäre, privater Geheimnisse oder für den Schutz strafrechtlicher Ermittlungen erforderlich sein.296 Als ein solcher verfassungsrechtlich anerkannter Geheimhaltungsgrund kommen schließlich auch „zwingende Gründe des Staatswohls“ in Betracht.297 Die Geheimhaltung muss dabei aber immer darauf gerichtet sein, andere Verfassungsprinzipien wie zum Beispiel die Grundrechte vor Schäden durch eine ungewollte Preisgabe vertraulicher Informationen zu bewahren.298 Für sich genommen vermag die Vertraulichkeit, anders als häufig suggeriert,299 keinen eigenständigen Rechtfertigungsgrund für Eingriffe in den Abgeordnetenstatus, die Gesamtrepräsentation oder das Öffentlichkeitsprinzip darzustellen. In einer Demokratie, die entscheidend auf dem Grundsatz der Öffentlichkeit aufbaut,300 kann es schlechterdings kein Selbstzweck sein, Geheimnisse vor dem Staatsvolk oder aber seinen Repräsentanten zu bewahren.301 Die Geheimhaltung muss daher für 292  Borgs-Maciejewski/Drescher, 293  Geis,

Parlamentsorganisation, S. 71 f. in: HStR III (3. Auflage), § 54 Rn. 1; Partsch, in: VVDStRL 16 (1958),

S.  77 ff. 294  Jestaedt, in: AöR 2001, S. 204 (238 f.); Wolff, in: JZ 2010, S. 173 (175); Schürmann, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, § 19 Rn. 30. 295  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 149 f. = BVerfGE 130, 318 (362 f.). 296  Linck, in: ZParl 1992, S. 673 (690 ff.). 297  BVerfGE 70, 324 (358 ff.); vgl. BVerfGE 67, 100 (135 f., 144); 77, 1 (47 f.); BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 143 = BVerfGE 130, 318 (359); Dreier, in: JZ 1990, S. 310 (319); Jestaedt, in: AöR 2001, S. 204 (238 ff.). 298  Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 158. 299  Vgl. Wolff, in: JZ 2010, S. 173 (175). 300  Siehe Kapitel 2: B. IV. 301  Dreier, in: JZ 1990, S. 310 (319); Rösch, Geheimhaltung in der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 92, 140 ff., 158; Schürmann, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, § 19 Rn. 30; vgl. BVerfG 2 BvE 4/11, Rn. 112 f., 119, 153; BVerfGE 124, 78 (123 f.).

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Kap. 2: Verfassungsrechtliche Ausgangslage

Funktionsfähigkeit des Bundestages erforderlich sein und auf das Repräsentationsprinzip bezogen werden. In seine Rolle als Repräsentationsorgan muss das Parlament insbesondere im Bereich des Haushaltsrechts und der Kontrolle Zugang zu geheimen Informationen der Exekutiven haben.302 Sofern die Geheimhaltung dann durch andere Verfassungsprinzipien gerechtfertigt ist, wie etwa durch zwingende Gründe des Staatswohls, setzt sie eine äußere Funktionsbedingung für die Parlamentsarbeit. Das Parlament muss dann grundsätzlich die Vertraulichkeit wahren. Es besteht hier die Verkettung, dass der Bundestag bei der Gestaltung seines Arbeitsablaufs die Erfordernisse der Geheimhaltung gewährleisten muss, welche wiederum zum Schutz des Staatswohls oder der Grundrechte Dritter oder aus sonstigen verfassungsrechtlich anerkannten Gründen zwingend erforderlich sind. Es geht um das Problem, wie der Bundestag seine Arbeitsfähigkeit unter der Vorgabe der Geheimhaltung organisiert. Diese Aufgabenstellung kann der Sache nach dem parlamentarischen Selbstorganisationsrecht in Verbindung mit dem Verfassungsgebot der Funktionsfähigkeit des Bundestages zugeordnet werden.303 Erst die Geheimhaltung gewährleistet dann die Funktionsfähigkeit, da „ansonsten eine sach­ angemessene parlamentarische Entscheidungsfindung nicht gewährleistet ist.“304 Für die Behandlung vertraulicher Angelegenheiten wurde grundsätzlich die Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages (GeheimSchutzO) erlassen,305 welche verschiedenen Stufen der Vertraulichkeit vorsieht.306 Die Verletzung der Geheimschutzordnung durch die Abgeordneten ist strafbar, § 353b StGB.307 Gleichwohl gibt es auch Fallgestaltungen, in denen die Vorgaben der Geheimschutzordnung nicht ausreichen, um die Vertraulichkeit einer Angelegenheit im Plenum hinreichend zu gewährleisten. Dies gilt einerseits deshalb, weil in einem so großen und anonymen Kreis von Geheimnisträgern immer eine latente Gefahr besteht, dass ein Abgeordneter vertrauliche Informationen nach außen verrät. Das gilt ganz besonders dann, wenn 302  BVerfGE 303  Vgl.

67, 100 (135). BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 141, 143 = BVerfGE 130, 318

(358 f.). 304  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 141 = BVerfGE 130, 318 (359); Schnelle, in: NVwZ 2012, S. 1597 (1598). 305  Anlage 3 zur GOBT. 306  Verschlusssachen (VS) werden danach je nach Schutzbedürfnis in 4 Geheimhaltungsgrade eingestuft: Streng geheim; geheim; VS-Vertraulich; VS-Nur für den Dienstgebrauch, vgl. § 2 Abs. 1 GeheimSchutzO. Vgl. hierzu BVerfG, 2 BvE 4/11 vom 19.06.2012, Rn. 119 = BVerfGE 131, 152 (208); BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 149 = BVerfGE 130, 318 (362); Wolff, in: JZ 2010, S. 173 (175). 307  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 224.



C. Autonomie und Funktionsfähigkeit des Parlaments 63

eine Preisgabe vertraulicher Informationen für eine Fraktion politisch gelegen kommt. Besonders deutlich wurde das zuletzt an der Publikation nichtöffentlicher und geheimer Protokolle des NSA-Untersuchungsausschusses.308 Darüber hinaus droht stets auch die Gefahr eines Vertraulichkeitsbruchs durch ein ungewolltes und unerlaubtes Ausspähen von Kommunikationsvorgängen der Abgeordneten durch Dritte. Es kann insofern auf die jüngeren NSA-Abhörskandale verwiesen werden, die offenkundig nicht zuletzt auch dem Mobiltelefon der Bundeskanzlerin galten.309 Ebenso zeigt das durch unbekannte Hacker umfassend infiltrierte und über Wochen lahm gelegte Netzwerk des Parlaments, wie schwer es ist, eine absolute Vertraulichkeit zu gewährleisten.310 In solchen Fällen kann es angezeigt sein, eine Aufgabe einem Ausschuss zu übertragen, um so den Kreis der Geheimnisträger zu reduzieren und damit eine vertrauliche und funktionale Wahrnehmung durch das Parlament zu gewährleisten.311 Der Zweck einer solchen Ausschussdelegation muss dabei vor dem Hintergrund des Demokratieprinzips stets die Geheimhaltung durch das Parlament insgesamt sein und nicht etwa eine Geheimhaltung vor den am Ausschuss nicht beteiligten Abgeordneten.312 3. Eilbedürfnis Die Funktionsfähigkeit des Parlaments kommt schließlich auch dann zum Tragen, wenn eine Aufgabenwahrnehmung durch das Plenum „ihren Zweck aus zeitlichen Gründen verfehlen würde“.313 Eine Ausschussdelegation kann 308  SZ, „NSA-Ausschuss kritisiert Veröffentlichung von Protokollen“, veröffentlicht am 12.05.2015 auf www.sueddeutsche.de, http://www.sueddeutsche.de/politik/ wikileaks-nsa-ausschuss-kritisiert-veroeffentlichung-von-protokollen-1.2477321 (zuletzt abgerufen am 08.10.2015). 309  FAZ, „Es war Merkels Parteihandy“, veröffentlicht am 24.10.2013 auf www. faz.de, http://www.faz.net/aktuell/politik/kanzlerin-abgehoert-es-war-merkels-partei handy-12631977.html (zuletzt abgerufen am 08.10.2015). 310  SZ, „Bundestag bekommt Hackerangriff nicht unter Kontrolle“, veröffentlicht am 10.06.2015 auf www.sueddeutsche.de, http://www.sueddeutsche.de/politik/berlinbundestag-bekommt-hackerangriff-nicht-unter-kontrolle-1.2515345 (zuletzt abgerufen am 08.10.2015). 311  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 143 = BVerfGE 130, 318 (359); BVerfGE 70, 324 (364); vgl. BVerfGE 77, 1 (47 f.); 67, 100 (135 f., 144); Dreier, in: JZ 1990, S. 310 (319). 312  Dreier, in: JZ 1990, S. 310 (319); vgl. BVerfGE 70, 380 (383) – Sondervotum Richter Böckenförde. Freilich ist hiervon der Fall abzugrenzen, in dem das Parlament insgesamt – etwa aufgrund der Gewaltenteilung – keinen Informationsanspruch hat. So in den Fällen, in denen der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung berührt ist, BVerfGE 124, 78 (120 ff.); vgl. hierzu Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste, S.  138 ff. 313  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 145 = BVerfGE 130, 318 (360).

64

Kap. 2: Verfassungsrechtliche Ausgangslage

insofern die Handlungsmöglichkeiten des Plenums erweitern, weil die Ladung und Versammlung des Plenums mit seinen über 600 Abgeordneten schon aus praktischen Gründen sehr viel zeitaufwändiger ist als die eines kleinen Sondergremiums.314 Das Verfassungsgebot der Funktionsfähigkeit des Parlaments gebietet in einem solchen Fall die Delegation auf einen Bundestagsausschuss, da eine repräsentative Aufgabenwahrnehmung durch den Bundestag ansonsten gänzlich ausgeschlossen und eine Angelegenheit dem parlamentarischen Verantwortungsraum damit entzogen wäre.315 Besonders deutlich wird der Zusammenhang von Eilbedürftigkeit, Funk­ tionsfähigkeit und Ausschussdelegation beim Parlamentsvorbehalt für den Streitkräfteeinsatz. Es ist hier seit langer Zeit anerkannt, „dass bei Gefahr im Verzug einstweilen die Bundesregierung über den Einsatz der Streitkräfte entscheidet […].316“ Anstatt wegen der besonderen Eilbedürftigkeit alleine die Bundesregierung anstelle des Parlaments über den Einsatz entscheiden zu lassen, wäre es also durchaus denkbar, den Verteidigungsausschuss oder ein noch kleineres Sondergremium mit der Aufgabe zu betrauen und so den Parlamentarischen Einfluss nicht einstweilen vollständig aufzugeben.317

IV. Gestaltungsspielraum im Bereich der Parlamentsautonomie Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass dem Bundestag bei der Ausübung seines Selbstorganisationsrechts grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt.318 Zweckmäßig ist das schon deshalb, weil die Abgeordneten selbst durch ihre unmittelbare Betroffenheit und Sachnähe die Regelungsbedürfnisse am besten einschätzen können.319 Verfassungsrechtlich geboten wird der Gestaltungsspielraum überdies aufgrund der Parlamentsautonomie und deren Bezüge zur Gewaltenteilung.320 Die parlamentarische Selbstorga314  BVerfG,

2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 146 = BVerfGE 130, 318 (361). in: DVBl 2012, S. 1261 (1265). 316  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 142 = BVerfGE 130, 318 (359); mit Verweis auf BVerfGE 90, 286 (388), 121, 135 (162 f.). 317  Moench/Ruttloff, in: DVBl 2012, S. 1261 (1265). 318  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 117 = BVerfGE 130, 318 (349); BVerfGE 80, 188 (220); 84, 304 (322); 112, 118 (150 f.) – Sondervoten Richterin Osterloh und Richter Gerhardt; vgl. BVerfGE 1, 144 (149); 10, 4 (19 f.); 96, 264 (283); Brenner, in: HStR III (3. Auflage), § 44 Rn. 42; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 40 Rn. 7, 30; Magiera, in: Sachs, GG, Art. 40 Rn. 27; Hölscheidt/Menzenbach, in: DÖV 2008, S. 139 (141). 319  Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages, S. 60; vgl. Bauer, in: Der Staat 2010, S. 587 (598); Morlok, in: Dreier, GG Art. 40 Rn. 6 f. 320  Vgl. Brocker, in: BK, GG, Art. 40 Rn. 50 ff., 54; siehe Kapitel 2: C. II. 1. und 2. 315  Moench/Ruttloff,



C. Autonomie und Funktionsfähigkeit des Parlaments 65

nisation ist, wie dargelegt, zwingend mit Eingriffen in zentrale Verfassungsgüter verbunden.321 Bei einer zu engen verfassungsgerichtlichen Kontrolle dieser Selbstorganisation würde das Bundesverfassungsgericht faktisch die Rolle des Geschäftsordnungsgebers übernehmen.322 Der Gedanke eines autonomen Parlamentsrechts würde dadurch untergraben.323 Dem Bundestag steht folglich eine Einschätzungsprärogative im Bereich des Selbstverwaltungsrechts zu. Gleichwohl sind auch dem parlamentarischen Gestaltungsspielraum Grenzen gesetzt.324 Die Geschäftsordnungsregelungen stehen im Rang unter dem Grundgesetz und dürfen nicht dagegen verstoßen.325 Besondere Bedeutung kommt hier den Verfassungsnormen zu, die das parlamentarische Verfahren betreffen, also dem Abgeordnetenstatus, der Gesamtrepräsentation und dem Öffentlichkeitsgrundsatz.326 Um dabei nicht den parlamentarischen Gestaltungsspielraum auszuhöhlen, ist an die Prüfung von Selbstorganisationsregelungen grundsätzlich ein weiter Kontrollmaßstab anzulegen.327 Dabei verdichtet sich der Prüfungsmaßstab nach überzeugender Ansicht des Bundesverfassungsgerichts mit zunehmenden Eingriffsintensität.328 Bei schwerwiegenden Eingriffen in die Grundprinzipien der Demokratie und Repräsentation unterliegen die Selbstorganisationsregelungen schließlich einer „strengen verfassungsgerichtlichen Kontrolle“.329 Der parlamentarische Ermessensspielraum kommt dann nur noch im Rahmen einer sonst strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung zum Tragen.330

321  Vgl. 322  Vgl.

hoff.

BVerfGE 96, 264 (278). BVerfGE 129, 300 (350) – Sondervotum Richter Di Fabio und Melling-

323  Vgl. Bauer, in: Der Staat 2010, S. 587 (598); Brocker, in: BK, GG, Art. 40 Rn. 232. 324  Fuchs, in: DVBl 2014, S. 886 (887). 325  Theodossis, in: JöR 1996, S. 155 (158). 326  Achterberg, Parlamentsrecht, S. 329; Schmidt, in: AöR 2003, S. 608 (641); Brocker, in: BK, GG, Art. 40 Rn. 67 f.; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 40 Rn. 7; BVerfGE 44, 308 (315). 327  Brocker, in: BK, GG, Art. 40 Rn. 233 ff. 328  Vgl. BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 124 = BVerfGE 130, 318 (352 f.). 329  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 124 = BVerfGE 130, 318 (352 f.); vgl. BVerfGE 94, 351 (369); vgl. Hölscheidt/Menzenbach, in: DÖV 2008, S. 139 (141); kritisch Brocker, in: BK, GG, Art. 40 Rn. 234 ff., der die Kontrolle grundsätzlich auf einen Willkürmaßstab einschränkt. 330  Vgl. BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 119 = BVerfGE 130, 318 (350).

66

Kap. 2: Verfassungsrechtliche Ausgangslage

D. Ergebnis Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass es sich bei den von einer Ausschussdelegation berührten Verfassungsgütern im Prinzip nicht um widerstreitende, im Konflikt stehende Rechtspositionen handelt, sondern vielmehr um verschiedene Ausprägungen des übergeordneten Demokratie- und Repräsenta­ tionsprinzips. Dabei lassen sich im Wesentlichen zwei große Grundströmungen erkennen, die sich beide gleichermaßen auf das übergeordnete Repräsentationsprinzip zurückführen lassen. Erstens fungiert als tragende Säule der Repräsentation die Verknüpfung von Wählern, Bundestag und den Abgeordneten. Verfassungsrechtlich spiegelt sich diese Verkettung in den Prinzipien der Wahlrechtsgleichheit, der Gesamtrepräsentation und dem verfassungsrechtlichen Status der Abgeordneten, insbesondere in Gestalt des freien Mandats und dem Grundsatz der Abgeordnetengleichheit. Wesentliches Element für die repräsentative Wirkung dieser Verkettung ist dabei das Öffentlichkeitsprinzip. Zweitens lässt sich das Zusammenspiel von Parlamentsautonomie und der ihr zugeordneten Funktionsfähigkeit des Bundestages als eigener Teilbereich erkennen. Auch hierbei handelt es sich um eine fundamentale Ausprägung des Repräsentationsgedankens. Es wird in funktioneller Hinsicht die tatsächliche Repräsentationsvermittlung durch die Säule Wähler – Bundestag – Abgeordnete abgestützt. Durch die Verbürgung der Unabhängigkeit und Autonomie des parlamentarischen Bereichs wird das freie, kommunikative und schließlich repräsentative Wechselspiel zwischen Wählern und Abgeordneten von externen Verfälschungen abgeschirmt und die Souveränität des Volkes als Ursprung staatlicher Gewalt abgesichert. Beide Teilbereiche stehen also im Grunde genommen nicht in einem Gegensatz zueinander, sondern wirken zusammen und sind gemeinsam auf eine „Effizienz des Ganzen“ – namentlich der repräsentativen Demokratie – gerichtet.331 Beide sind in ihrem Ursprung in dem Gedanken demokratischer Repräsentation zu verorten. Gleichwohl kommt es zwischen beiden Teilbereichen zu zahlreichen Kollisionen. Das ist auf eine gewisse Ambivalenz zwischen den verschiedenen Zielrichtungen beider Regelungsbereiche zurückzuführen. So basiert der Repräsentationsgedanke auf einer möglichst starken Stellung der Repräsentanten mit ihrem verfassungsrechtlich abgesicherten Status. Andererseits ist die repräsentative Stellung der Abgeordneten auf eine effiziente Arbeitsfähigkeit des Gesamtorgans Bundestag und damit auf eine Begrenzung der Abgeordnetenrechte angewiesen. Der Abgeordnetenstatus muss insofern von vorneherein im Kontext der parlamentarischen 331  Vgl.

Häberle, in: AöR 1973, S. 625 (631).



D. Ergebnis67

Repräsentationswirkung insgesamt betrachtet und in seiner Reichweite auf die Funktionsfähigkeit des Bundestages abgestimmt werden.332 Zu beachten ist dabei stets die „normative Wechselwirkung“ dieser Verfassungswerte mit dem Demokratie- und Repräsentationsprinzip.333 Es ist eine Gratwanderung zwischen der Funktionsfähigkeit des Bundestages als Ganzem und dem Status des einzelnen Abgeordneten, die nur mit Blick auf das gemeinsame Ziel demokratischer Repräsentation gelingen kann.

Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten, S. 62 ff. in: Der Staat 2010, S. 587 (598); vgl. Magiera, in: Sachs, GG, Art. 40 Rn. 27; BVerfGE 44, 308 (315). 332  Vgl.

333  Bauer,

Kapitel 3

Grundgesetz und Ausschüsse Ausgehend von dieser verfassungsrechtlichen Ausgangslage soll nun in einem nächsten Schritt die Arbeit der Ausschüsse des Deutschen Bundestages näher untersucht werden. Dabei ist zunächst ein Überblick über die Ausschüsse, ihre Zusammensetzung und ihre Arbeitsweise zu geben. Anschließend ist zu untersuchen, ob das Gesetz oder die Geschäftsordnung die zulässige Regelungsform für die Ausschusseinsetzung ist. Danach sollen Parlamentsaufgaben herausgestellt werden, die grundsätzlich nicht auf Bundestagsausschüsse delegiert werden dürfen und vom Plenum wahrzunehmen sind. Schließlich soll die Verfassungsmäßigkeit der Fachausschüsse anhand der aufgezeigten verfassungsrechtlichen Ausgangslage beurteilt werden.

A. Ausschüsse Das Grundgesetz enthält keine konkreten Regelungen, wie die Ausschüsse einzusetzen und auszugestalten sind oder welche Kompetenzen grundsätzlich von Ausschüssen wahrgenommen werden können. Allein der Umstand, dass das Parlament im Rahmen seiner Tätigkeit grundsätzlich Ausschüsse einrichtet, wird implizit vorausgesetzt, vgl. Art. 43 Abs. 1 GG. Rechtlich gesehen sind die Ausschüsse Organe des Parlaments und damit Unterorgane des Staats.1 Bevor im Einzelnen auf die Verfassungsmäßigkeit der Bundestagsausschüsse eingegangen wird, sollen einige grundlegende Ausführungen zu den Parlamentsausschüssen erfolgen. Dabei wird zunächst einmal eine Typisierung der Parlamentsausschüsse vorgenommen (I.). Anschließend wird auf die Zusammensetzung und die Arbeitsweise in den Ausschüssen eingegangen (II.) sowie die Qualität und tatsächliche Bedeutung der Ausschusstätigkeit näher untersucht (III.). Schließlich wird der für die Ausschüsse kennzeichnende Umstand einer verschärften Interessenvertretung dargelegt (IV.).

1  Achterberg, Parlamentsrecht, S. 135  f.; Brocker, in: BK, GG, Art. 40 Rn. 98, 166 ff.



A. Ausschüsse69

I. Ausschüsse des Deutschen Bundestages Entsprechend der Vielseitigkeit der Bundestagsaufgaben gibt es eine Vielzahl verschiedener Ausschüsse mit unterschiedlichsten Aufgaben. Dabei parzellieren sich die bestehenden Ausschüsse oftmals weiter in Unterausschüsse, denen wiederum jeweils vorbereitende Aufgaben zukommen, vgl. § 55 Abs. 1 Satz 2 GOBT.2 Für eine systematische Untergliederung des Ausschusswesens kommen entsprechend der Vielseitigkeit der Ausschüsse verschiedene Unterteilungskriterien in Betracht.3 Naheliegend ist insbesondere eine Einteilung in ständige Ausschüsse und nicht ständige Ausschüsse, abhängig davon, ob sie für die Dauer einer ganzen Legislaturperiode eingerichtet werden oder nur temporär zur Erledigung einer bestimmten Aufgabe.4 Zu den ständigen Ausschüssen gehören etwa die Fachausschüsse oder auch die verfassungsrechtlich vorgegebenen Pflichtausschüsse der Art. 45 GG ff.5 Zu den nicht ständigen Ausschüssen gehören die nur für die Vorbereitung einzelner Gesetzesvorhaben ad hoc eingerichteten Sonderausschüsse, § 54 Abs. 1 Satz 2 GOBT, oder die Untersuchungsausschüsse.6 Daneben ist eine Unterteilung in offene und geschlossene Ausschüsse möglich, je nachdem, ob die Ausschusssitzungen wegen der besonderen Vertraulichkeit des Beratungsgegenstandes den übrigen Abgeordneten offen zugänglich sind oder nicht. Der Regelfall ist der offene Ausschuss.7 Geschlossene Ausschüsse in diesem Sinne sind zum Beispiel der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, Art. 45 Abs. 1 GG, und für Verteidigung, Art. 45 Abs. 2 GG. Häufig werden Ausschüsse, je nach ihrem Aufgabenschwerpunkt, in vorbereitende, kontrollierende oder entscheidende Gremien unterteilt.8 Zu beachten ist dabei jedoch, dass eine solche trennscharfe Abgrenzung tatsächlich nicht möglich ist. So bereiten die Fachausschüsse nicht nur Bundestagsentscheidungen vor, sondern begleiten mit ihrer Arbeit umfassend die korrelierenden Fachressorts der Bundesregierung und ermöglichen, insbesondere bei Gesetzesentwürfen der Bundesregierung, bereits eine frühzeitige und fortlau2  Dach,

in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 40 Rn. 6 f. Kasten, Ausschußorganisation und Ausschußrückruf, S. 32 ff.; Zeh, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 39 Rn. 14 ff., Frost, in: AöR 1970, S. 38 (52 ff.). 4  Vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 134 ff. 5  Zeh, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 39 Rn. 20. 6  Vgl. Kasten, Ausschußorganisation und Ausschußrückruf, S. 30 f. 7  Kasten, Ausschußorganisation und Ausschußrückruf, S. 32. 8  Achterberg, Parlamentsrecht, S. 136 f. 3  Vgl.

70

Kap. 3: Grundgesetz und Ausschüsse

fende Überprüfung der Exekutiven.9 Kontrolle erschöpft sich hier nicht in einer nachvollziehenden Überprüfung und Beaufsichtigung, sondern ist im Sinne der checks and balances als kooperatives Zusammenwirken zwischen Parlament und Bundesregierung zu verstehen.10 Ausdruck dieser Kontrollfunktion sind das Zitierrecht gemäß Art. 43 Abs. 1 GG11 und das Selbstbefassungsrecht, wonach sich Ausschüsse auch ohne konkrete Veranlassung durch das Plenum mit bestimmten Fragestellungen befassen können.12 Dabei ist nicht nur die vorbereitende Tätigkeit zugleich auch eine Form der Kon­ trolle, sondern jede Kontrolle dem Charakter nach auch eine potentiell vorbereitende Aufgabe. Kontrolle ist darauf ausgerichtet, dass das Parlament gegebenenfalls auf Missstände reagiert und insofern Entscheidungen trifft. Der vorbereitende Charakter der Ausschusstätigkeit geht schließlich auch dann nicht verloren, wenn einem Gremium zusätzliche Entscheidungskompetenzen verliehen werden.13 Beispielhaft kann hier auf den Haushaltsausschuss verwiesen werden, der im Ausgangsfall ein vorbereitender Fachausschuss ist, dem gleichwohl vereinzelt Entscheidungsbefugnisse zukommen.14 Sowohl in seiner vorbereitenden als auch in seiner beschließenden Funktion spielt der Haushaltsausschuss hier eine wichtige Rolle. Im Folgenden soll eine Bestandsaufnahme der Bundestagsausschüsse anhand einer Zuordnung je nach Rechtsgrundlage erfolgen. Dabei dokumentiert eine summarische Aufzählung der Ausschüsse und ihrer Funktionen auch den Umfang und die Vielfältigkeit der Ausschusstätigkeit. Unterscheiden lassen sich Ausschüsse, die ihre Rechtsgrundlage unmittelbar im Grundgesetz finden (1.), sowie solche Ausschüsse, die durch die GOBT (2.) oder durch Gesetz eingerichtet werden (3.). 1. Verfassung Die Einrichtung einiger Ausschüsse beruht unmittelbar auf dem Grundgesetz. Zwar erfolgt auch hier die konkrete Einsetzung durch Gesetz oder entsprechend der GOBT durch Parlamentsbeschluss;15 gleichwohl werden diese 9  Vetter, Die Parlamentsausschüsse, S. 253 ff.; Zeh, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 39 Rn. 12. 10  Schulze-Fielitz, Theorie und Praxis parlamentarischer Gesetzgebung, S. 292 ff.; Kewenig, Staatsrechtliche Probleme parlamentarischer Mitregierung, S. 31. 11  Geis, in: HStR III, § 54 Rn. 4. 12  Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, S. 162. 13  Vgl. Kasten, Ausschußorganisation und Ausschußrückruf, S. 32. 14  Vgl. Schreiber, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, GG, Art. 38 Rn. 177; siehe Kapitel 5: B. I. 15  Achterberg, Parlamentsrecht, S. 193.



A. Ausschüsse71

Ausschüsse von einer ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Ermächtigung getragen. Außer dem Sonderfall der Untersuchungsausschüsse handelt es sich dabei durchweg um ständige Ausschüsse. Zu nennen sind im Einzelnen:16 •• Art. 44 GG, Untersuchungsausschüsse, gegenwärtig vier: 1. Untersuchungsausschuss, eingesetzt am 20.03.2014,17 zur Aufklärung der NSA-Affäre (8) 2. Untersuchungsausschuss, eingesetzt am 02.07.2014,18 zur Aufklärung der Edathy-Affäre (8) 3. Untersuchungsausschuss, eingesetzt am 11.11.2015,19 zur Untersuchung der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (8) 4. Untersuchungsausschuss, eingesetzt am 19.02.2016,20 zur Aufklärung von Cum / Ex-Geschäften (8) •• Art. 45 GG, Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union (34, dazu 15 mitwirkungsberechtigte Mitglieder des Europäischen Parlaments) •• Art. 45a Abs. 1 GG, Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten (37) •• Art. 45a Abs. 1 GG, Ausschuss für Verteidigung (32) •• Art. 45c Abs. 1 GG, Petitionsausschuss (26) •• Art. 45d Abs. 1 GG, Parlamentarisches Kontrollgremium (9) •• Art. 13Abs. 6 GG, Gremium nach Art. 13 Abs. 6 GG (9) 2. Geschäftsordnung Der weit überwiegende Teil der Ausschüsse wird vom Grundgesetz nicht vorausgesetzt, sondern wird nach den Regeln der GOBT durch einfachen Parlamentsbeschluss eingerichtet, § 54 Abs. 1 GOBT.21 Der schlichte Parla16  Quelle: http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse18/(zuletzt abgerufen am 08.08.2015). Die Zahl in der Klammer gibt die Zahl der Bundestagsabgeordneten in den jeweiligen Ausschüssen an. 17  Quelle: http://www.bundestag.de/dokumente/protokolle/amtlicheprotokolle/2014/ ap18023/262878 (zuletzt abgerufen am 19.04.2016). 18  Quelle: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2014/kw27_pa_2ua/28 5994 (zuletzt abgerufen am 19.04.2016). 19  Quelle: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2015/kw46-de-nsu/395 022 (zuletzt abgerufen am 19.04.2016). 20  Quelle: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2016/kw07-angenommenabgelehnt/408168 (zuletzt abgerufen am 19.04.2016). 21  Kasten, Ausschußorganisation und Ausschußrückruf, S. 47 ff.; Geis, in: HStR III (3. Auflage), § 54 Rn. 28.

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Kap. 3: Grundgesetz und Ausschüsse

mentsbeschluss setzt einen Antrag aus der Mitte des Bundestages voraus und legt die Mitgliederzahl sowie den Aufgabenbereich fest.22 Die ohne explizite verfassungsrechtliche Grundlage durch die GOBT eingesetzten ständigen Ausschüsse der 17. Wahlperiode sind: •• Arbeit und Soziales (41), •• Bildung, Forschung und Technikabschätzung (34), •• Digitale Agenda (16), •• Ernährung und Landwirtschaft (34), •• Familie, Senioren, Frauen und Jugend (36), •• Finanzen (37), •• Gesundheit (37), •• Haushaltsausschuss (41), •• Innenausschuss (37), •• Kultur und Medien (18), •• Menschenrechte und humanitäre Hilfe (16), •• Recht und Verbraucherschutz (39), •• Sport (18), •• Tourismus (18), •• Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (36), •• Verkehr und Digitale Infrastruktur (41), •• Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (14), •• Wirtschaft und Energie (46), •• Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (21). 3. Gesetz Schließlich wird ein Teil der Ausschüsse durch einfaches Bundesgesetz, wiederum ohne explizite verfassungsrechtliche Rückbindung geregelt.23 Darunter fallen: •• Finanzmarktgremium, § 10a FMStFG24 (9), •• EFSF-Sondergremium, § 3 Abs. 3 StabMechG25 (7), 22  Steiger, Organisatorische Grundlagen, S. 122; Kasten, Ausschußorganisation und Ausschußrückruf, S. 49. 23  Unzutreffend insofern: Kasten, Ausschußorganisation und Ausschußrückruf, S.  36 f.; Frost, in: AöR 1970, S. 38 (48). 24  Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz, BGBl. I 2008, S. 1982. 25  Siehe Kapitel 4: B. I.



A. Ausschüsse73

•• Wahlprüfungsausschuss, § 3 Abs. 2 WahlPrG26 (9), •• Richterwahlausschuss, § 6 Abs. 2 BVerfGG27 (12), •• Vertrauensgremium, § 10a Abs. 2 BHO28 (9).

II. Zusammensetzung und Arbeitsweise der Ausschüsse Neben der Einsetzung als solchen richtet sich auch die Zusammensetzung und das Verfahren der Ausschüsse nach den Vorschriften der GOBT. Nach § 54 Abs. 2 GOBT gilt dies losgelöst davon, ob die Ausschüsse durch die GOBT oder Gesetz eingerichtet sind. Die Zusammensetzung richtet sich gemäß der §§ 57, 12 GOBT nach der Stärke der Fraktionen im Bundestag (Spiegelbildlichkeitsprinzip). Auch die Benennung der einzelnen Ausschussmitglieder und deren Stellvertreter erfolgt gemäß § 57 Abs. 2 GOBT durch die Fraktionen.29 Die Größe der Ausschüsse schwankt dabei erheblich. Neben sehr kleinen Gremien wie dem EFSF-Sondergremium mit derzeit nur 7 Mitgliedern gibt es auch recht große Ausschüsse mit 40 oder mehr Abgeordneten, wie beispielsweise den Haushaltsausschuss mit 41 Mitgliedern und den Ausschuss für Wirtschaft und Energie mit sogar 46 Abgeordneten.30 Nach § 58 GOBT bestimmen die Ausschüsse einen Vorsitzenden, der aufgrund seiner Aufgaben und Befugnisse besondere Einflussmöglichkeiten hat, vgl. § 59 Abs. 1 GOBT.31 Dabei fällt der Ausschussmehrheit und damit den regierungstragenden Fraktionen nicht automatisch auch der Ausschussvorsitz zu. Die Vorsitzpositionen werden vielmehr für sich abermals nach § 12 GOBT im Verhältnis der Fraktionsstärken des Plenums vergeben, so dass jeder Fraktion zumindest ein Ausschussvorsitz zukommt.32 In den §§ 60 GOBT ff. werden die Verfahrensvorschriften und Rechte der Ausschüsse geregelt. Von besonderer Bedeutung ist hier § 74 GOBT, wonach die Verfahrensvorschriften des Plenums auch für die Ausschüsse gelten. Die Regelungen der GOBT 26  Wahlprüfungsgesetz, zuletzt geändert durch BGBl. I 2012, S. 1501; vgl. Zeh, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 39 Rn. 20. 27  Siehe Kapitel 5: A.  28  BGBl. I, 1969, S. 1284, zuletzt geändert durch BGBl. I 2013, S. 2395. 29  Zu den Kriterien, die dabei in der Praxis einer Rolle spielen, siehe Steiger, Organisatorische Grundlagen, S. 127; von Beyme, Der Gesetzgeber, S. 189. 30  Siehe hierzu Winkelmann, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, § 23 Rn. 30; Dach, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 40 Rn. 4; Zeh, in: HStR III (3. Auflage), § 52 Rn. 48. 31  Frost, in: AöR 1970, S. 38 (58); Dach, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 40 Rn. 12, 41 ff. 32  Dach, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 40 Rn. 8.

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Kap. 3: Grundgesetz und Ausschüsse

für den Bundestag insgesamt bestimmen also auch den Verfahrensgang der Ausschüsse.33 Eine wichtige Abweichung davon normiert § 69 GOBT, wonach die Ausschüsse grundsätzlich nichtöffentlich beraten.34

III. Qualität und Bedeutung der Ausschussarbeit Der wesentliche Unterschied zwischen Ausschuss- und Plenararbeit ist, dass die Ausschüsse aufgrund der Expertise ihrer Mitglieder und des großzügigeren Zeitrahmens wesentlich detaillierter und gründlicher beraten. Im Plenum sind dagegen aufgrund der großen Abgeordnetenzahlen und kurzen Redezeiten nur grobe Stellungnahmen und generelle Fraktionslinien vermittelbar.35 Eine akribische Detailarbeit ist im Plenum schon aus zeitlichen Gründen nicht möglich. Ob daneben der politischen Diskussion in Ausschüssen eine höhere Qualität zukommt, wird uneinheitlich beurteilt. Häufig findet sich das Bild einer sachkundigen, konsensorientierten und ergebnisoffenen Diskussion in den Ausschüssen.36 Das wird zunehmend bezweifelt. Danach sollen die Positionen in den Ausschüssen ähnlich verhärtet sein wie im Plenum. Das erscheint zumindest insofern plausibel, als dass gleichermaßen die Fraktionen und Parteien die Direktiven bestimmen. Ein kompromissbereites Einlenken der einzelnen Ausschussabgeordneten im Widerspruch zur Frak­ tionslinie ist auch hier kaum vorstellbar. Die eigentliche Willensbildung findet daher zu erheblichen Teilen bereits in den Fraktionen statt.37 Im Fall der regierungstragenden Mehrheitsfraktionen wird die Willensbildung zudem entscheidend von der Exekutiven gesteuert. In dieses Bild passt es auch, dass die Gesetze vom Parlament gegeben, hier aber nicht im eigentlichen Sinne gemacht werden. Gesetzesvorhaben werden politisch im Regelfall von der Bundesregierung dirigiert.38 Der Erfolg eines Gesetzesvorhabens hängt entscheidend von einer Kompromissfindung innerhalb der regierungstragenden Koalitionsfraktionen ab.39 In den Ausschüssen wird nach der Vorklärung durch die Fraktionen eine fraktionsübergreifende Einigung gesucht.40 Insbe33  Vetter,

Die Parlamentsausschüsse, S. 106 ff., 170 ff. in: HStR III (3. Auflage), § 54 Rn. 52. 35  Dach, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 40 Rn. 49. 36  Vgl. Berg, in: Der Staat 1970, S. 21 (27 f.). 37  Melzer, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 41 Rn. 39 f.; von Beyme, Der Gesetzgeber, S. 197 f.; vgl. Oertzen, Das Expertenparlament, S. 194 f.; Vetter, Die Parlamentsausschüsse, S. 136, 172; siehe Kapitel 3: D. III. 1. a) aa). 38  Kropp, in: ZParl 2002, S. 436 ff. 39  Schulze-Fielitz, Theorie und Praxis parlamentarischer Gesetzgebung, S. 285, 346. 40  Vetter, Die Parlamentsausschüsse, S. 136. 34  Geis,



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sondere die fachliche Konfrontation zwischen Oppositions- und Regierungsfraktionen findet hier statt. Die Ausschüsse betreiben ausgehend von einem Gesetzesentwurf die Kompromisssuche und Feinarbeit im Detail. Die richtungsweisende materielle Stoßrichtung eines Gesetzes wird hier normalerweise nicht verändert.41 Die Arbeit in den Ausschüssen hat insofern wenig Einfluss auf die Leitlinien der Politik.42 Allerdings können die Ausschüsse mit ihrem Expertenwissen und fachkundigen Abgeordneten die ihnen überwiesenen Gesetzesentwürfe optimieren und veredeln.43 Änderungen und neue Wünsche sind dabei keine Ausnahme.44 Die fachliche Arbeit und Kompromisssuche dürfte dabei innerhalb der von den Fraktionen und Parteien gegebenen Verhandlungsspielräume sachlicher und effektiver verlaufen. Trotz Fraktionsbindung ist die Arbeitsatmosphäre in den Ausschüssen kollegialer und entspannter.45 Der Ausschluss der Öffentlichkeit führt zu einer Versachlichung der Debatte. Es geht nicht darum, vor Publikum medienwirksam Recht zu behalten und sich vor der versammelten eigenen Fraktion zu profilieren, sondern politische Positionen auszuloten und so Entscheidungen des Plenums vorzubereiten. Öffentlichkeit, Partei und Fraktion interessieren sich in erster Linie für das Ergebnis der Ausschussarbeit und weniger für die Beratungen selbst. Scheitert ein Ausschuss an der Kompromissfindung, so können daraus grundsätzlich Zweifel an dem politischen und diplomatischen Geschick der verhandelnden Abgeordneten erwachsen. Die Verhandlungen im Ausschuss sind insofern nicht unbedingt ergebnisoffener, dafür aber ergebnisorientierter.46 In diesem Zusammenhang ist zudem zu beachten, dass die Ausschüsse durch die Vernetzung ihrer Mitglieder eine wichtige Querverbindung zwischen den Fraktionen, Parteien, anderen Ausschüssen, Wahlkreisen, Interessenverbänden und Ministerien darstellen. Die Ausschüsse erfüllen so eine wichtige Koordinationsfunktion. Im Ergebnis sollten weder die Qualität der Ausschussberatung positiv „mystifiziert“, noch deren Bedeutung und Effektivität unterschätzt werden.47

41  Schneider, Gesetzgebung, S. 93; Schulze-Fielitz, Theorie und Praxis parlamentarischer Gesetzgebung, S. 305 ff., 312 ff.; a. A. Kißler, die Öffentlichkeitsfunktion des Deutschen Bundestages, 328; vgl. Pünder, in: VVDStRL 72 (2013), S. 191 (242). 42  Melzer, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 41 Rn. 2 f. 43  Melzer, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 41 Rn. 2. 44  Schneider, Gesetzgebung, S. 84. 45  von Beyme, Der Gesetzgeber, S. 191 f. 46  Dach, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 40 Rn. 49 ff. 47  von Beyme, Der Gesetzgeber, S. 192.

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Kap. 3: Grundgesetz und Ausschüsse

IV. Interessenvertretung in den Ausschüssen Ein besonderes Charakteristikum der Bundestagsausschüsse ist, dass sie im besonderen Maße der Einflussnahme durch Interessenverbände und Lobbygruppen ausgesetzt sind.48 Gerade weil in den Ausschüssen entscheidende Details der Gesetzgebung verhandelt werden, ist eine Einflussnahme in dieser Phase besonders interessant. Das ist verfassungsrechtlich auch gewollt, schließlich kann von einer demokratischen Responsivität und einem Dialog zwischen Repräsentanten und Repräsentierten nur dann gesprochen werden, wenn die betroffenen gesellschaftliche Strömungen und Interessen sich frühzeitig in den Willensbildungsprozess einbringen.49 Eine strukturierte Interessenvertretung des Volks durch die Bandbreite gesellschaftlicher Themen ist insofern ein wichtiges Element der Repräsentation.50 Für den Bundestag bringt die Verzahnung mit den Experten aus den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen zudem den Vorteil, dass er einen freien Zugang zu einem Fachwissen hat, das unabhängig von dem exekutiven Expertenapparat ist, den das Parlament gerade kontrollieren soll.51 Gegenüber dem Bundestagsplenum ist dieses Phänomen in den Ausschüssen insofern verschärft, als dass sich in den Ausschüssen in konzentrierter Form die Abgeordneten finden, die entsprechenden Interessenverbänden nahestehen.52 Die Parlamentarier bemühen sich gerade in die Ausschüsse, die thematisch mit ihren außerparlamentarischen Interessen und Engagements korrespondieren. Auch das ist grundsätzlich ganz im Sinne demokratischer Repräsentation. Die Mandatsträger werden oftmals gerade wegen der Nähe ihrer Partei oder ihrer persönlichen Affinität zu besonderen gesellschaftlichen Interessengruppen in den Bundestag gewählt. Entsprechend muss es ihnen dann auch möglich sein, an der Umsetzung dieser politischen Programmatik in den Ausschüssen mitzuarbeiten.53 Freilich gilt auch hier der Grundsatz, dass der demokratische Gehalt einer solchen Wechselwirkung sich nur dann entfalten kann, wenn sie zumindest in Grundzügen transparent und öffentlich 48  Steinberg, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 7 Rn. 36 ff.; von Beyme, Der Gesetzgeber, S. 210 f.; vgl. von Arnim, in: NVwZ 2006, S. 249 (252). 49  Vgl. Dach, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 40 Rn. 63 ff.; vgl. Morlok, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, § 3 Rn. 36. 50  Piechaczek, Lobbyismus im Deutschen Bundestag, S. 127; Pünder, in: VVDStRL 72 (2013), S. 191 (204, 235); vgl. Krüper, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, § 38 Rn. 61 f. 51  Berg, in: Der Staat 1970, S. 21 (27 f.); Morlok, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, § 3 Rn. 36 f. 52  Steiger, Organisatorische Grundlagen, S. 127; Steinberg, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 7 Rn. 37 ff. 53  Dach, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 40 Rn. 17.



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ist. Die allgemeine Nichtöffentlichkeit der Ausschussberatungen steht hierzu in einem gewissen Spannungsverhältnis.54 Der Einfluss von Interessengruppen auf die Ausschusstätigkeit sollte jedoch nicht überbewertet werden. Das liegt zunächst einmal daran, dass der gestaltende, richtungsweisende Einfluss der Ausschüsse auf die Gesetzgebung relativ gering ist. Tonangebend bleibt die Bundesregierung. Entsprechend setzt auch der Schwerpunkt der Lobbytätigkeit bereits im Bereich Ministerialbürokratie an, in der die Gesetzesentwürfe und ihre wesentliche Stoßrichtung zumeist ausgearbeitet werden.55 Begrenzend wirkt sich zudem der Umstand aus, dass die verschiedenen Interessenverbände oftmals auf gegensätzliche Ziele zuarbeiten und sich so gewissermaßen gegenseitig hemmen und kontrollieren.56 Strukturell wird dieser Effekt noch dadurch verstärkt, dass häufig verschiedene Ausschüsse an der Beratung von Gesetzesentwürfen beteiligt sind und so die Einbindung vielseitiger Interessen gewährleistet wird. Wenn etwa der Umwelt- und der Wirtschaftsausschuss eine gemeinsame Lösung finden müssen, hemmen sich die divergierenden Interessen der Gewerkschaften, Wirtschafts- und Umweltverbände und der Kirchen oftmals gegenseitig.57 Dem Einfluss der Lobbyisten auf die Ausschüsse ist schließlich durch die Einbindung der Abgeordneten in ihre Fraktion und Partei Grenzen gesetzt.58 Auch in den Ausschüssen können sich die einzelnen Abgeordneten nicht von der Position und den Werten ihrer Partei und Fraktion distanzieren. Ein Gesetzesvorhaben muss am Ende von der gesamten Fraktion öffentlich verantwortet werden. Betreibt eine Fraktion in den Augen der öffentlichen Meinung eine zu einseitige Klientelpolitik, so kann das verheerende Folgen haben. Exemplarisch kann hier auf die von der FDP vorangetriebene „Mövenpick Steuer“ und das Scheitern der Partei bei der nachfolgenden Bundestagswahl verwiesen werden.59 Der tatsächliche Einfluss von Lobbygruppen in den Ausschüssen sollte daher nicht überhöht werden. 54  Dach, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 40 Rn. 63 ff.; Krüper, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, § 38 Rn. 64; vgl. Kapitel 3: D. III. 2. 55  Schulze-Fielitz, Theorie und Praxis parlamentarischer Gesetzgebung, S. 264 ff., vgl. Steinberg, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 7 Rn. 3 und 19; vgl. von Beyme, Der Gesetzgeber, S. 198 f. 56  Piechaczek, Lobbyismus im Deutschen Bundestag, S. 25 ff.; Dach, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 40 Rn. 17. 57  Steiger, Organisatorische Grundlagen, S. 128. 58  Vgl Steinberg, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 7 Rn. 29; vgl. Kapitel 3: D. III. 1. a) aa). 59  Vgl. König, Die FDP und die Lobbyisten – Zu Laut geflüstert, auf: www.sueddeutsche.de, http://www.sueddeutsche.de/politik/die-fdp-und-die-lobbyisten-zu-lautgefluestert-1.1082632 (zuletzt abgerufen am 10.08.2015).

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Kap. 3: Grundgesetz und Ausschüsse

B. Gesetz als zulässige Regelungsform für Ausschüsse Obwohl, wie bereits gezeigt, verschiedene Ausschüsse durch Gesetz eingesetzt wurden, ist die Frage, ob eine solche gesetzliche Regelung verfassungsrechtlich überhaupt zulässig ist, immer noch äußerst umstritten. Die zentrale Problematik ist hier die Frage, ob das parlamentarische Selbstverwaltungsrecht überhaupt durch Gesetz ausgeübt werden darf, oder ob das Mitwirkungsrecht der Bundesregierung, des Bundespräsidenten und des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren eine unzulässige Beschränkung der parlamentarischen Autonomie bedeutet. Von entscheidender Bedeutung ist für diese Problematik folglich, inwiefern durch eine gesetzliche Regelung überhaupt die parlamentarische Unabhängigkeit und Organisationsfreiheit beeinträchtigt werden kann. Für eine systematische Untersuchung dieser Fragestellung sollen zunächst die Rechtsnatur (I.) und typischen Merkmale (II.) der GOBT erläutert werden. Anschließend ist das Rangverhältnis zwischen Geschäftsordnung und Gesetz zu klären (III.), um schließlich Rückschlüsse auf die zulässige Regelungsform für Ausschüsse ziehen zu können (IV. und V.).

I. Rechtsnatur der Geschäftsordnung Die Rechtsnatur der GOBT ist nach wie vor nicht abschließend geklärt. Dabei werden eine große Vielfalt verschiedener Rechtsformen diskutiert und mit mehr oder weniger überzeugenden Argumenten wieder verworfen.60 Das Bundesverfassungsgericht geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, es handele sich um eine autonome Satzung.61 Daneben wird unter anderem der Charakter als Verfassungssatzung, Verwaltungsvorschriften, öffentlich-rechtliche Vereinbarungen etc. pp. diskutiert.62 Überzeugend erscheint im Ergebnis die Einordnung als Regelung sui generis, da eine saubere Subsumtion unter die ins Gespräch gebrachten Regelungsformen nicht möglich ist.63 Im Übrigen bleibt der Erkenntniswert einer Festlegung der RechtsKretschmer, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 39 Rn. 43 ff. 1, 144 (148); 44, 308; 70, 324 (366 ff.); 80, 188 (218); 84, 304 (321 f.); 91, 148 (167). 62  Vgl. Versteyl, in: von Münch/Kunig, Art. 40 Rn. 17; Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages, S. 62 ff.; Achterberg, Parlamentsrecht, S.  49 ff.; Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 40 Rn. 34 ff.; Steiger, Organisatorische Grundlagen, S. 37 ff.; Schmidt, in: AöR 2003, S. 608 (610 ff.). 63  Schmidt, in: AöR 2003, S. 608 (610 ff.); Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 40 Rn. 37; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 40 Rn. 55 ff., 61; vgl. Morlok, in: Dreier, Art. 40 GG Rn. 18; Robbers, in: Sachs, Art. 40 Rn. 25. 60  Vgl.

61  BVerfGE



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natur zweifelhaft.64 Für die vorliegende Bearbeitung ist eine terminologische Einordnung nicht weiter erforderlich. Vielmehr sind die maßgeblichen rechtlichen Eigenschaften und Wirkungen der Geschäftsordnung auszuarbeiten.65 Ausgangspunkt hierfür ist das Grundgesetz.

II. Charakteristika der Geschäftsordnung Für ein genaueres Verständnis der GOBT ist es zunächst aufschlussreich, ihren besonderen Charakter als Regelungsinstrument der Parlamentsautonomie zu vergegenwärtigen. Die besonderen Merkmale der GOBT sind Ausfluss ihrer verfassungsrechtlichen Funktion und lassen zugleich Rückschluss auf ihre Stellung im Verfassungsgefüge zu. Dieses verfassungsrechtliche Verständnis ist auch die Prämisse dafür, dass man die GOBT in einen sinnvollen Bezug zum Gesetz setzen kann. Insofern ist hier auf die markanten und wesentlichen Besonderheiten der Geschäftsordnung hinzuweisen: •• Bemerkenswert sind die geringen Anforderungen, die an den Erlass von Geschäftsordnungsvorschriften zu stellen sind. Besondere formelle Verfahrensvorschriften gibt es nicht. Aus Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG folgt allein die Pflicht, dass der Bundestag eine Geschäftsordnung erlassen muss. Der Bundestag kann die GOBT durch einfachen Parlamentsbeschluss konstituieren und ändern.66 Dieses „vereinfachte Rechtsetzungsverfahren“ erfolgt in der Regel nach den Verfahrensregeln für Vorlagen und Sachanträge.67 Es genügt ein Beschluss im Plenum mit einfacher Mehrheit. Eine Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt ist grundsätzlich nicht erforderlich, auch wenn eine solche regelmäßig erfolgt.68 •• Eine weitere Besonderheit ist der Grundsatz der Diskontinuität. Die Geschäftsordnung muss von jedem Bundestag jeder Wahlperiode erneut beschlossen werden. „Er gibt sich eine Geschäftsordnung“ ist dahingehend zu verstehen, dass der konkrete, durch die Wahlen individuell zusammengesetzte Bundestag sich eine Geschäftsordnung gibt. Dies lässt sich insbesondere aus dem Gedanken der Parlamentsautonomie erklären. Ein neu zusammengetretener Bundestag ist nur dann autonom, wenn er nicht einer 64  Bollmann, Verfassungsrechtliche Grundlagen des Selbstorganisationsrechts, S. 137. 65  Brocker, in: BK, Art. 40 Rn. 26; Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages, S. 91. 66  Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages, S. 68; Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 40 Rn. 54; Achterberg, Parlamentsrecht, S. 326. 67  Brocker, in: BK, GG, Art. 40 Rn. 213. 68  Brocker, in: BK, GG, Art. 40 Rn. 215.

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Kap. 3: Grundgesetz und Ausschüsse

fortdauernden Verbindlichkeit der alten Geschäftsordnung unterliegt.69 Gleichwohl wird im Regelfall die Geschäftsordnung des vorherigen Bundestages in der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestages durch Beschluss übernommen.70 Aufgrund der Diskontinuität ist die zeitliche Geltungsdauer der GOBT von vorneherein auf die jeweilige Wahlperiode begrenzt. •• Eine weitere charakteristische Eigenschaft des Geschäftsordnungsrechts ist die Tatsache, dass es sich um parlamentarisches Innenrecht handelt.71 Der Bundestag „gibt sich eine Geschäftsordnung“ zur autonomen Regelung seiner Angelegenheiten, Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG. Die GOBT ist daher nur für die Mitglieder des Deutschen Bundestages bindend.72 Als Norm des Innenrechts kann die Geschäftsordnung prinzipiell keine Außenwirkung gegenüber Dritten entfalten. •• Ein Alleinstellungsmerkmal ist schließlich auch die in § 126 GOBT vorgesehene Abweichungsmöglichkeit im Einzelfall. Auch das ist in gewisser Weise dem Charakter der GOBT geschuldet. Könnte das Parlament durch einfachen Beschluss die GOBT dauerhaft ändern, erscheint es unbedenklich, wenn unter den erhöhten Anforderungen des § 126 GOBT eine Abweichung im Einzelfall möglich ist.

III. Rang der Geschäftsordnung Für die Frage, ob Ausschüsse auch durch Gesetz zulässigerweise eingerichtet werden können, muss zunächst die Frage geklärt werden, in welchem Verhältnis die Geschäftsordnung zum Gesetz steht. Auch hier handelt es sich um eine äußerst kontrovers diskutierte Problemstellung.73 Die wesentlichen Strömungen vertreten dabei entweder eine Nachrangigkeit der Geschäftsordnung oder eine Gleichrangigkeit von Geschäftsordnung und Gesetz. Dabei hängt von diesem Verhältnis ab, ob der Bundestag gesetzliche Regelungen im Bereich seines Selbstorganisationsrechts eigenmächtig durch Geschäftsordnungsregelungen ablösen kann oder nicht. Je nachdem stellen Gesetze im Anwendungsbereich des Geschäftsordnungsrechts normhierarchisch einen tiefgreifenden Eingriff in die Parlamentsautonomie dar. Eine Einsetzung der 69  Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages, S. 70; vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 330. 70  Brocker, in: BK, GG, Art. 40 Rn. 212. 71  Schmidt, in: AöR 2003, S. 609 (616); Achterberg, Parlamentsrecht, S. 59 f. 72  Brocker, in: BK, GG, Art. 40 Rn. 218; Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages, S. 74 ff. 73  Cancik, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, § 9 Rn. 10.



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Ausschüsse durch Gesetz könnte dann mit einem verfassungswidrigen Eingriff in das parlamentarische Selbstorganisationsrecht verbunden sein. 1. Höherrangigkeit der Gesetze Für das Verhältnis einer Unterordnung der GOBT unter das Gesetz hat sich das Bundesverfassungsgericht bereits in einer seiner ersten Entscheidungen überhaupt ausgesprochen: „Die Geschäftsordnung des Bundestages ist eine autonome Satzung (…). (…) aus dieser Rechtsnatur der Geschäftsordnung [folgt], dass sie der geschriebenen Verfassung und den Gesetzen im Range nachsteht.“74 Das Verfassungsgericht stellte damit in einem kurzen Absatz gleich zwei bis heute ausgesprochen umstrittene Behauptungen auf, ohne diese jedoch näher zu begründen. Eine klare Bestätigung gibt es weder hinsichtlich der Rechtsnatur,75 noch hinsichtlich der Rangfolge zwischen Gesetz und Geschäftsordnung.76 Für eine hierarchische Unterordnung der Geschäftsordnung wird in der Literatur insbesondere deren „leichte Änderbarkeit und ihre relative Schwäche hinsichtlich Bindungsumfang und Bindungsdauer“ angeführt.77 Es wird im Prinzip aus der Diskontinuität und dem Charakter als Innenrecht auf ein geringeres Gewicht geschlossen. Diese Argumentation überzeugt bei näherer Betrachtung nicht. Warum aus einer geringeren zeitlichen Geltungsdauer und personellen Bindungswirkung eine niedrigere Rangstufe folgen soll, erhellt sich nicht. In zeitlicher Hinsicht kann darauf verwiesen werden, dass auch zahlreiche Gesetze in ihrer Geltungsdauer befristet werden, ohne dass ein solches Verfallsdatum negative Auswirkungen auf die normhierarchische Einordnung hätte.78 Bezüglich des eingeschränkten Adressatenkreises ist anzumerken, dass es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz gibt, nachdem individuell-abstrakte Normen per se untergeordnet wären.79 Die Allgemeinverbindlichkeit einer Rechtsnorm ist ein 74  BVerfGE

1, 144 (148). als in zahlreichen Quellenangaben suggeriert, übernimmt BVerfGE 44, 308 (315) den Satzungsbegriff nicht, unpräzise insofern Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 40 Rn. 59; Brocker, in: BK, GG, Art. 40 Rn. 216; Versteyl, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 40 Rn. 17. 76  Unpräzise insofern die Quellenangabe von Versteyl, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 40, Rn. 18 und Schneider, in: AG-GG, Art. 40 Rn. 10. Die hier angeführten Verfassungsgerichtsentscheidungen bestätigen alleine, dass die GOBT der Verfassung untergeordnet ist. Einen Bezug zum Gesetz gibt es nicht. 77  Morlok, in: Dreier, GG, Art. 40 Rn. 17; Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages, S. 80 ff.; im Ergebnis so auch Schneider, in: AK-GG, Art. 40 Rn. 11; vgl. Pietzcker, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 10 Rn. 41. 78  Vgl. Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 131. 79  Vgl Schmidt, in: AöR 2003, S. 608 ff. 75  Anders

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Kap. 3: Grundgesetz und Ausschüsse

quantitatives Merkmal, nicht aber ein qualitatives.80 Im Übrigen würde es der herausgehobenen verfassungsrechtlichen Funktion der Geschäftsordnungsautonomie nicht gerecht, aus ihrer personell und zeitlich eingeschränkten Bindungswirkung eine geringere Rangstufe abzuleiten. Es hat vielmehr den Anschein, dass verwaltungsrechtlich geprägte Denkmuster auf die hier gegebene verfassungsrechtliche Konstellation übertragen werden. Auch das Zitat des Bundesverfassungsgerichts, dass die Rechtsnatur der Geschäftsordnung eine autonome Satzung sei, legt einen solchen Schluss nahe. Es wird hier suggestiv vom Satzungsbegriff auf die Rangstufe geschlossen. Dass aber die – wie auch immer geartete – Bezeichnung der Geschäftsordnung nicht taugt, um ihre Rechtswirkung zu determinieren, liegt schon daran, dass nach sämtlichen Argumentationsmustern die „richtige“ Bezeichnung gerade aus der (jeweils unterstellten) Rechtswirkung gefolgert wird. Es liegt ein irreführender Zirkelschluss vor.81 Gänzlich unbeachtet von dieser Argumentation bleibt zudem die Ursache der personell und zeitlich eingeschränkten Bindungswirkung. Ein zahlenmäßig beschränkter Adressatenkreis und die Diskontinuität von autonomen Parlamentsregelungen liegt in der Natur der Sache. Die Parlamentsautonomie verlangt aufgrund ihrer Funktion notwendiger Weise, dass die Geschäftsordnung des Bundestages nur die Mitglieder des jeweiligen Bundestages bindet. Die Ursache der eingeschränkten Bindungswirkung liegt damit gerade nicht in einer vermeintlich schwächeren Rechtsform als Satzung, Konventionalregelung oder Rechtsverordnung, sondern in der Funktion der GOBT als Organisationsregelung einer auf Zeit gewählten Volksvertretung. Aus den Besonderheiten der verfassungsrechtlich geschützten Parlamentsautonomie eine Nachrangigkeit der Geschäftsordnung begründen zu wollen, ist widersinnig. Die vorgebrachten Argumente könnten ebenso gut ins Gegensätzliche verkehrt werden und im Sinne von „lex specialis derogat legi generali“ verstanden werden. Freilich ist auch diese Überlegung schon aufgrund der diffusen Rechtsnatur der GOBT nicht zielführend. Sie ginge als Prämisse von dem Status der „Geschäftsordnung“ als „lex“ aus. Die zu begründende Tatsache würde wiederum selbst zur Argumentationsbasis (petitio principii). Jedoch wird dadurch die fehlende Überzeugungskraft des ersten Arguments deutlich. Aus dem gleichen Grund überzeugt es auch nicht, dem Gesetz eine höhere Geltungskraft einzuräumen, weil bei seiner Schaffung gleich mehrere oberste Staatsorgane mitwirken.82 Die Mit- und Fremdbestimmung anderer Staatsor80  Haug, Bindungsprobleme und Rechtsnatur parlamentarischer Geschäftsordnungen, S. 53. 81  Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages, S. 66. 82  So aber Haug, Bindungsprobleme und Rechtsnatur parlamentarischer Geschäftsordnungen, S. 53.



B. Gesetz als zulässige Regelungsform für Ausschüsse 83

gane und damit die Verkürzung der Parlamentsautonomie würde dann zu einem eigenen Rechtfertigungsmoment. Die Argumentation verkennt die verfassungsrechtliche Bedeutung und Funktion der Parlamentsautonomie und überzeugt deshalb nicht. Weder die eingeschränkte zeitliche und personelle Bindungswirkung noch die leichtere Abänderbarkeit der Geschäftsordnung sprechen daher für eine geringere Rangstufe der GOBT gegenüber dem ­Gesetz. Schließlich wird für eine Höherstufigkeit der Gesetze argumentiert, dass im Falle einer Gleichstufigkeit zwischen Gesetz und Geschäftsordnung der Bundestag durch formlose Beschlüsse im Alleingang die im aufwändigen Verfahren erlassenen Gesetze aushebeln könnte.83 Dabei ist bei genauerer Betrachtung nicht ersichtlich, was das argumentative Element dieser Rechtsfolgebetrachtung sein soll. Es wird eine negative Konsequenz suggeriert, die den tatsächlich gegebenen verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen nicht gerecht wird. Der Gedanke läuft darauf hinaus, dass es problematisch sein soll, dass der Bundestag Regelungen, die unter Mitwirkung der Bundesregierun und anderer Staatsorgane erlassen wurden und die in seinen verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich eingreifen,84 durch autonome Bestimmungen ersetzt. Es ist daran zu erinnern, dass die Geschäftsordnungsautonomie nur Regelungen auf dem kompetenziell eng umgrenzten Feld der Selbstorganisation ermöglicht. Nur in diesem überschaubaren Bereich ist eine Kolli­ sionslage denkbar, in welcher das Parlament vom Gesetz abweichende Regelungen erlassen kann. Da aber genau dieses Gebiet zu seinem konstitutionellen Hoheitsbereich gehört, erscheint eine solche Abweichungsbefugnis unproblematisch. Die für den Vorrang der Gesetze sprechenden Argumente überzeugen im Ergebnis nicht. 2. Gleichstufigkeit zwischen Gesetz und Geschäftsordnung Allein überzeugender Ansatz kann im Ergebnis nur der Rückgriff auf die Verfassung selbst sein. Unstreitig ist das Grundgesetz sowohl der Geschäftsordnung als auch den Gesetzen übergeordnet. Zugleich sind beide Rechtsinstitute unmittelbar im Grundgesetz verankert.85 Sowohl Gesetz als auch Geschäftsordnungsregelungen können auf Parlamentsentscheidungen zurückgeführt werden und damit höchste demokratische Legitimation beanspruchen. Gesetz und Geschäftsordnung erfüllen aber im Staatsgefüge eine grundlegend verschiedene Funktion. Gesetze sind der Ausdruck des vom Parlament für 83  Kühnreich, 84  Vgl.

Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages, S. 85. BVerfGE 102, 224, 235 f.; Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 40

Rn. 4A, 8. 85  Theodossis, in: JöR 1996, S. 155 (162).

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Kap. 3: Grundgesetz und Ausschüsse

das Staatsvolk betätigten Willens – der Repräsentation. Die Parlamentsautonomie wiederum schützt im Sinne der Gewaltenteilung die Unabhängigkeit des Parlaments und damit die Repräsentationsfähigkeit. Es handelt sich daher um zwei verschiedene Regelungsmaterien, die beide Ausdruck des Repräsentationsprinzips sind. Dabei haben beide Normtypen eine andere Zielrichtung und stehen demnach der Sache nach in keinem Konkurrenzverhältnis. Dieser grundlegende Bedeutungsunterschied zeigt sich auch darin, dass es sich bei der Geschäftsordnung um Innenrecht handelt, bei den Gesetzen um Außenrecht.86 Im Prinzip liegt damit zuvorderst ein Problem der Kompetenz und nicht des Rangs vor.87 Das Problem des Rangverhältnisses stellt sich nur dann, wenn der Gesetzgeber auf dem Gebiet des internen Parlamentsrechts tätig wird. Nur dann ist eine Kollision zwischen Gesetz und Geschäftsordnung denkbar. In dieser Situation wird der Gesetzgeber in dem der Parlamentsautonomie unterfallenden Regelungsbereich tätig. Dadurch kann die Materie allerdings sachlich nicht dem Selbstorganisationsrecht entzogen werden.88 Der Kompetenzbereich des Selbstorganisationsrechts bleibt unverändert bestehen, unabhängig davon, ob eine bestimmte Regelung durch Gesetz oder autonome Parlamentsregelung erfolgt.89 Eine gesetzgeberische Tätigkeit darf die verfassungsrechtlich begründete Zuständigkeitsordnung nicht verändern. Das Verfassungsprinzip der Parlamentsautonomie kann nicht zur Dispositionsbefugnis des einfachen Gesetzgebers stehen. Vielmehr gebietet es die Funktion der Parlamentsautonomie, dass gerade in einem solchen Fall das parlamentarische Selbstorganisationsrecht weiterhin effektiv fortbesteht. Ein Über- oder Unterordnungsverhältnis kann zwischen Gesetz und Geschäftsordnung des Bundestages in Folge nicht festgestellt werden. Eine gesetzliche Regelung ist im Regelungsbereich des autonomen Parlamentsrechts einer Geschäftsordnungsregelung nicht vorrangig. Dem entspricht auch der neuere verfassungsgerichtliche Ansatz, dass Gesetze auf dem Gebiet der Parlamentsautonomie „dem Geschäftsordnungsrecht zumindest nahe stehen“90 und als „GesetzesGeschäftsordnung“91 den flexiblen Auslegungsregeln des Geschäftsordnungsrechts unterliegen.92 Eine Ausstrahlung der Wesensmerkmale der Ge86  Dreier, in: JZ 1990, S. 310 (313); Ziekow, in: JuS 1991, S. 28 (29), Achterberg, Parlamentsrecht, S. 328. 87  Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 40 Rn. 40; Dreier, in: JZ 1990, S. 310 (313); Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 40 Rn. 74; Theodossis, in: JöR 1996, S. 155 (164 f.). 88  Vgl. Schmidt, in: AöR 2003, S. 608 (639). 89  Vgl. Brocker, in: BK, GG, Art. 40 Rn. 221. 90  BVerfGE 118, 277 (359). 91  VerfG Brandenburg, Urteil vom 19.06.2003, NVwZ-RR 2003, S. 798 (800). 92  Brocker, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 44 Rn. 4.1.



B. Gesetz als zulässige Regelungsform für Ausschüsse 85

schäftsordnung durch Auslegung auf eine gesetzliche Regelung ist nur dann statthaft, wenn das Geschäftsordnungsrecht dem Gesetz nicht grundsätzlich untergeordnet ist. Beide Regelungen stehen mithin gleichrangig nebeneinander.93 Es gilt im Falle einer Kollision daher der allgemeine Grundsatz: Lex posterior derogat legi priori.94

IV. Ausschüsse durch Gesetz Ausgehend von dieser Erkenntnis ist schließlich die Frage zu klären, ob die Regelung von Geschäftsordnungsangelegenheiten durch Gesetzt überhaupt zulässig ist. Die Bildung von Ausschüssen ist grundsätzlich vom Selbstorganisationsrecht umfasst. Ausschüsse, die durch Gesetz eingerichtet werden, können nur dann verfassungsmäßig sein, wenn dem Gesetzgeber die Regelungsbefugnis zusteht.95 Diese Befugnis ist unstreitig gegeben, wenn eine gesetzliche Regelung im Grundgesetz vorgesehen ist, wie etwa in Art. 45 Abs. 2 GG für den Petitionsausschuss. Streitig hingegen ist die Einrichtung von Ausschüssen durch den Gesetzgeber, ohne hierzu ausdrücklich verfassungsrechtlich ermächtigt zu sein.96 Vertreten werden dabei im Wesentlichen drei verschiedene Ansichten, nämlich ein Verbot gesetzlicher Regelungen ohne verfassungsrechtliche Ermächtigung (1.), ein eingeschränktes Wahlrecht (2.) und schließlich ein unbeschränktes Wahlrecht (3.) zwischen beiden Regelungsformen. 1. Gesetzliche Regelung unzulässig Ein Teil der Literatur hält eine Selbstorganisation durch Gesetz außerhalb der vom Grundgesetz ausdrücklich vorgesehenen Fälle für generell unzulässig. Aus der verfassungsrechtlich geschützten Parlamentsautonomie folge zugleich die Pflicht des Bundestags, seine Angelegenheiten in Form der Geschäftsordnung zu organisieren.97 Die in Art. 40 Abs. 1 GG liegende Kom93  Im Ergebnis ebenso: Achterberg, Parlamentsrecht, S. 328 f.; Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 40 Rn. 40; Dreier, in: JZ 1990, S. 310 (313); Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 40 Rn. 74; Magiera, in: Sachs, GG, Art. 40 Rn. 26; Brocker, in: BK, GG, Rn. 219 ff.; Brocker, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 40 Rn. 34. 94  Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 40 Rn. 42; Brocker, in: BK, GG, Art. 40 Rn. 221. 95  Vgl. Klein, in: JZ 1990, S. 310 (312). 96  BVerfGE 70, 324 (360 ff.), insbesondere mit den Minderheitenvoten der Richter Mahrenholz (366 ff.) und Böckenförde (380 ff.); Morlok, in: Dreier, GG, Art. 40 GG Rn. 29. 97  Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 40 Rn. 46 ff.; Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, S. 176; vgl. Goerlich, „For-

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Kap. 3: Grundgesetz und Ausschüsse

petenz stehe in einem notwendigen Zusammenhang mit der Wahl der dort vorgesehenen Regelungsform.98 Handelt der Bundestag im Bereich der Selbstorganisation, so handelt er als Verfassungsorgan, welchem zur Wahrnehmung dieses Rechts die Form der Geschäftsordnung zugedacht ist. In diese verfassungsrechtlich konstituierte Kompetenz darf der einfache Gesetzgeber nicht eingreifen.99 Weiterhin wird direkt auf den Gedanken der Parlamentsautonomie abgestellt. Bei einer Regelung durch Gesetz erhalten die Bundesregierung, der Bundesrat und der Bundespräsident zwangsläufig in gewissem Umfang Einfluss auf die zu erlassende Norm. Das Parlament ist beim Gesetzgebungsverfahren nicht gänzlich autonom, es ist nicht mehr vollständig „Herr des Verfahrens“.100 Hinzu kommt, dass gesetzliche Regelungen nicht dem Prinzip der Diskontinuität unterliegen. Es bindet auch die Volksvertretungen kommender Legislaturperioden, so dass auch deren verfassungsrechtlich verbürgte Autonomie tangiert wird.101 Dieses Argument wird auch mit dem Hinweis unterstützt, der Geschäftsordnung komme neben der Gewährleistung der Unabhängigkeit des Bundestages auch die Funktion des Minderheitenschutzes zu.102 Das Recht zur Selbstorganisation stelle ein zentrales Element des Schutzes parlamentarischer Minderheiten dar. Diese eigenständige Funktion würde dadurch umgangen, indem ein Gesetz erlassen wird, welches nicht den Vorschriften der GOBT entsprechen muss. Der „Formenmißbrauch“ sei daher verfassungswidrig.103 Nach dieser Auffassung wäre eine gesetzliche Regelung interner Parlamentsangelegenheiten – so auch die Bildung von Ausschüssen – grundsätzlich unzulässig. Im Ergebnis überzeugen diese Argumente jedoch nicht. Dabei ist zunächst festzustellen, dass das Argument, eine gesetzliche Regelung verstoße gegen menmißbrauch“ und Kompetenzverständnis, S. 33; Ziekow, in: JuS 1991, S. 28 (29); Troßmann, in: JöR 1979, S. 1 (45); BVerfGE 70, 366 (376 f.) – Sondervotum Richter Mahrenholz; vgl. Pietzcker, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 10 Rn. 15 ff. 98  Goerlich, „Formenmißbrauch“ und Kompetenzverständnis, S. 1, 33. 99  BVerfGE 70, 324 (387) – Sondervotum Richter Böckenförde; Bollmann, Verfassungsrechtliche Grundlagen des Selbstorganisationsrechts, S. 143 ff.; Dreier, in: JZ 1990, S. 310 (312). 100  BVerfGE 70, 324 (387) – Sondervotum Richter Böckenförde; Achterberg/ Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 40 Rn. 47; Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, S. 46 ff.; Sachs, in: JuS 2012, S. 955 (956). 101  Dreier, in: JZ 1990, S. 310 (315); Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages, S. 128 f. 102  BVerfGE, 70, 324 (377) – Sondervotum Richter Mahrenholz; Dreier, in: JZ 1990, S. 310 (315); Scherer, in: AöR 1987, S. 189 (204 ff.). 103  Vgl. Goerlich, „Formenmißbrauch“ und Kompetenzverständnis, S. 33.



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die verfassungsrechtliche Kompetenzordnung, weitgehend dem Einwand entspricht, eine solche Regelung verstoße gegen die Parlamentsautonomie. Die Geschäftsordnungsautonomie des Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG ist eine Ausprägung der Gewaltenteilung und Kompetenzordnung im Grundgesetzt. Gemeinsam kommt ihnen die verfassungsrechtliche Funktion zu, die Parlamentsautonomie in kompetenzieller Hinsicht abzusichern.104 Die Parlamentsautonomie muss daher auch Ausgangspunkt zur Bestimmung des Bedeutungsgehalts und der Reichweite der anderen Verfassungsprinzipien sein. Ob die denkbar offene Formulierung des Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG – Er gibt sich eine Geschäftsordnung – eine abschließende Regelungsform für die parlamentarische Selbstorganisation vorschreibt, ist also durch Auslegung mit Blick auf die verfassungsrechtliche Bedeutung der Parlamentsautonomie zu klären. Bei näherer Betrachtung steht der Grundsatz der Parlamentsautonomie einer gesetzlichen Regelung in dem Bereich des Selbstorganisationsrechts nicht entgegen. Wie dargestellt, besteht zwischen Gesetz und Geschäftsordnung ein Verhältnis der Gleichrangigkeit. Es gilt grundsätzlich der lex posterior Grundsatz, so dass eine nachhaltige Einschränkung der Parlamentsautonomie durch den Gesetzgeber nicht möglich ist. Dem Bundestag steht es jederzeit offen, von einer gesetzlichen Regelung durch eine autonome ­ Geschäftsordnungsbestimmung abzuweichen. Die Möglichkeiten zur Ein­ flussnahme anderer Staatsgewalten, im Wege der Gesetzgebung die parlamentarische Unabhängigkeit einzuschränken, sind daher sehr begrenzt.105 Auch eine dem Grundsatz der Diskontinuität widersprechende Selbstbindung des Bundestages steht deshalb durch eine gesetzliche Regelung nicht zu befürchten. Jeder neue Bundestag kann durch den erneuten Erlass seiner Geschäftsordnung zugleich von bestehenden Gesetzen abweichen. Ein Gesetz wirkt sich danach nicht anders auf die Parlamentsautonomie und den Grundsatz der Diskontinuität aus als parlamentarisches Gewohnheitsrecht oder Parlamentsbräuche.106 Ein Autonomieverzicht ist deshalb nicht gegeben.107 Es ist insofern unzutreffend, dass die Parlamentsautonomie in einem notwendigen Zusammenhang zur Wahl der Geschäftsordnung steht. Da eine gesetzliche Regelung die Parlamentsautonomie grundsätzlich nicht beeinträchtigt, bleibt auch die in Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG normierte Geschäftsordnungsautonomie sowie der Grundsatz der Gewaltenteilung davon unberührt. 104  Vgl.

Kapitel 2: C. I. Bindungsprobleme und Rechtsnatur parlamentarischer Geschäftsordnungen, S. 50 f.; a. A. Bollmann, Verfassungsrechtliche Grundlagen des Selbstorganisa­ tionsrechts, S. 148. 106  Vgl. Cancik, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, § 9 Rn. 45 f., 50. 107  Achterberg, Parlamentsrecht, S. 328 f.; a. A. Kretschmer, in: Zparl, 1986, S. 334 (338); Bücker, in: ZParl 1986, S. 324 (331). 105  Haug,

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Kap. 3: Grundgesetz und Ausschüsse

Dieses Ergebnis wird auch von einer grammatikalischen Auslegung des Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG gestützt. Dem weit gefassten Wortlaut – Er gibt sich eine Geschäftsordnung – kann keineswegs das Verbot entnommen werden, Angelegenheiten der parlamentarischen Selbstorganisation durch Gesetz zu regeln.108 Dies gilt erst Recht bei einer historischen Betrachtung, da beide Normtypen bereits seit dem Konstitutionalismus zur Regelung der parlamentarischen Selbstorganisation herangezogen wurden.109 Es kann insofern nicht davon ausgegangen werden, dass der Verfassungsgeber die Möglichkeit einer gesetzlichen Regelung auf dem Gebiet des Selbstorganisationsrechts bei der offenen Formulierung des Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG übersehen hätte. Ebenso kann aus einer systematischen Betrachtung im Zusammenhang mit den Art. 70 GG ff. keine Exklusivität der Geschäftsordnung geschlossen werden.110 Eine Pflicht zur Wahl der Geschäftsordnung kann schließlich auch nicht aus dem Gedanken des Minderheitenschutzes folgen. Es handelt sich hierbei vordergründig um ein rechtshistorisches Argument. Im 18. Jahrhundert wurde die Entwicklung von Minderheitenrechten im parlamentarischen Binnenrecht erst durch äußere Unabhängigkeit von der Exekutiven ermöglicht.111 Mit der Auflösung des scharfen Gegenübers von monarchischer Exekutiven und Parlament hat die Parlamentsautonomie diese Bedeutung allerdings verloren. Der Minderheitenschutz ist unmittelbar im Grundgesetz festgeschrieben und wird durch die Geschäftsordnung ausgestaltet und konkretisiert.112 Eine selbstständige Funktion „Minderheitenschutz“ der Geschäftsordnung existiert nicht. Die Geschäftsordnung muss gleichermaßen wie ein Gesetz die Vorgaben des Grundgesetzes beachten. Ist ein Gesetz verfassungskonform, kann daran eine Missachtung irgendwelcher Geschäftsordnungsvorschriften nichts ändern. Ein Gesetz, welches unter Missachtung der Verfassung die Rechte der parlamentarischen Minderheit einschränkt, ist verfassungswidrig, ohne dass dies auf einen Formmissbrauch zurückzuführen wäre. Im gleichen Maße wäre eine entsprechende Geschäftsordnungsregelung des Bundestages verfassungswidrig. Die Oppositionsrechte lassen sich aus der Verfassung ableiten und haben folglich unabhängig von der Regelungsform gleichermaßen Bestand.113 Schließlich erscheint das Argument des Minderheitenschutzes schon aufgrund der leichten Änderbarkeit der Geschäftsordnung ausgesprochen zweifelhaft. So 108  Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages, S. 124; Kretschmer, in: ZParl 1986, S. 334 (337 ff.). 109  Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 40 Rn. 45. 110  Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages, S. 124 f. 111  Scherer, in: AöR 1987, S. 189 (204 ff.). 112  Scherer, in: AöR 1987, S. 189 (204 ff.; 210); vgl. Kretschmer, in: ZParl 1986, S. 334 (337); vgl. BVerfGE 70, 324 (363). 113  Schröder, in: Jura 1987, S. 469 (473); vgl. Waack, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, § 22 Rn. 6 ff.; 55; BVerfG, Urteil vom 03.05.2016 – 2 BvE 4/14, Rn. 86 ff.



B. Gesetz als zulässige Regelungsform für Ausschüsse 89

wird sogar umgekehrt für ein Wahlrecht zwischen Geschäftsordnung und Gesetz mit dem Gedanken des Minderheitenschutzes argumentiert. Das Parlament könne besonders sensible Rechte fixieren und der „Disposition der Parlamentsmehrheit“ entziehen.114 Zwar überzeugt auch dieses Argument nicht, da es grundlegend die Bedeutung der Parlamentsautonomie verkennt, allerdings zeigt sich, dass die gegen eine gesetzliche Regelung vorgebrachten Argumente im Ergebnis nicht verfangen. 2. Eingeschränkte Wahl zwischen Gesetz und Geschäftsordnung Das Bundesverfassungsgericht und der wohl überwiegende Teil der Literatur115 hält die Gesetzesform grundsätzlich für zulässig, „wenn der Bundesregierung dadurch keine ins Gewicht fallenden Einwirkungsmöglichkeiten auf das Verfahren und die Willensbildung des Bundestages eröffnet werden, wenn weder das Gesetz noch dessen Aufhebung der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, der Kern der Geschäftsordnungsautonomie unberührt bleibt und überdies gewichtige sachliche Gründe für die Wahl der Gesetzesform sprechen“.116 Dem Grunde nach erkennt das Bundesverfassungsgericht die Argumente der Literatur an, die gegen ein Wahlrecht zwischen Getz und Geschäftsordnungsregelung sprechen. Das ist insofern folgerichtig, da nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung die Geschäftsordnung dem Gesetz nachrangig ist und das Parlament somit keine Möglichkeit hat, von Gesetzen abweichende Geschäftsordnungsregelungen zu erlassen. Die Parlamentsautonomie wird in diesem Fall durch Gesetze nachhaltig eingeschränkt. Das Bundesverfassungsgericht macht deshalb die Zulässigkeit gesetzlicher Organisationsregelungen von einer Reihe ausgesprochen unbestimmter Kriterien abhängig. Vor diesem Hintergrund sind die aufgestellten Bedingungen, dass kein Eingriff in den „Kernbereich“ der Geschäftsordnungsautonomie vorliegen darf und „gewichtige sachliche Gründe“ für eine gesetzliche Regelung sprechen müssen, zu erklären.117 114  Bücker, in: ZParl 1986, S. 324 (331); Kretschmer, in: ZParl 1986, S. 334 (338); das Argument verfängt nicht, da es grundlegend die Bedeutung der Parlamentsautonomie verkennt. 115  Brocker, in: BK, Art. 40 Rn. 225; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 40 Rn. 16; Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Art. 40 Rn. 28 f.; Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages, S. 131; Schröder, in: Jura 1987, S. 469 (473); Haug, Bindungsprobleme und Rechtsnatur parlamentarischer Geschäftsordnungen, S.  50 f. 116  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 118 und 140 = BVerfGE 130, 318 (350, 358); skeptisch hierzu Sachs, in: JuS 2012, S. 955 (956), m. w. N. 117  Vgl. BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 118, 140 = BVerfGE 130, 318 (350, 358); kritisch hierzu Sachs in: JuS 2012, S. 995 f.; ebenso Bollmann, Verfas-

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Kap. 3: Grundgesetz und Ausschüsse

Da aber, wie bereits aufgezeigt, nach überzeugender Ansicht die Geschäftsordnung dem Gesetz gleichrangig ist, überzeugen die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Kriterien zur Zulässigkeit einer gesetzlichen Regelung nicht. Durch ein Gesetz wird die Parlamentsautonomie als solche nicht beeinträchtigt. In Folge wird der Bundesregierung aufgrund der Gesetzesform auch „keine ins Gewicht fallenden Einwirkungsmöglichkeiten auf die Willensbildung des Bundestages eröffnet“ und auch zustimmungspflichtige Gesetze entfalten im Anwendungsbereich des Selbstorganisationsrechts keine Bindungswirkung, die nicht durch eine Geschäftsordnungsregelung außer Kraft gesetzt werden könnte. Ohne ein hierarchisches Stufenverhältnis zwischen Geschäftsordnung und Gesetz entfallen Sinn und Zweck der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien. Ein nur eingeschränktes Wahlrecht zwischen der Geschäftsordnung und dem Gesetz überzeugt daher nicht. 3. Unbeschränkte Wahl zwischen Gesetz und Geschäftsordnung Im Ergebnis überzeugt daher allein ein uneingeschränktes Wahlrecht zwischen Gesetz und Geschäftsordnung zur Regelung der parlamentsinternen Angelegenheiten.118 Da zwischen Gesetz und Geschäftsordnung eine Gleichrangigkeit besteht, kann der Bundestag jederzeit von gesetzlichen Bestimmungen im Anwendungsbereich des Selbstorganisationsrechts durch eine Geschäftsordnungsregelung abweichen. Die Gesetzgebungskompetenz zur Regelung parlamentsinterner Angelegenheiten ergibt sich dabei kraft Natur der Sache.119 Diese ungeschriebene Kompetenz kann bei solchen Angelegenheiten angenommen werden, „die sich unmittelbar aus dem Wesen und der verfassungsmäßigen Ordnung des Bundes ergeben“120 und daher „begriffsnot­ wendig“121 nur vom Bundesgesetzgeber geregelt werden können.122 Das ist grundsätzlich dann der Fall, wenn eine bestimmte Gesetzgebungskompetenz verfassungsrechtlich nicht ausdrücklich geregelt ist und eine Regelung durch sungsrechtliche Grundlagen des Selbstorganisationsrechts, S. 161 ff.; Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, S. 46 ff.; Schröder, in: Jura 1987, S. 469 (473). 118  Brocker, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 40 Rn. 36; im Ergebnis auch: Schmidt, in: DöV 1986, S. 236 (239); Kretschmer, in: ZParl 1986, S. 334 ff.; Bücker, in: ZParl 1986, S. 324 (332 f.); Achterberg, Parlamentsrecht, S. 326; so wohl auch Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 40 Rn. 19 f., 79 f.; vgl. Cancik, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, § 9 Rn. 10 f. 119  Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages, S. 118 f.; vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 44 Rn. 27. 120  BVerfGE 3, 407 (421 f.). 121  BVerfGE 11, 89 (99). 122  Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 70 Rn. 31 ff.; Heintzen, in: BK, GG, Art. 70 Rn. 124.



B. Gesetz als zulässige Regelungsform für Ausschüsse 91

die Länder ausgeschlossen ist.123 Die Voraussetzungen liegen bei der Selbstorganisation des Bundestages vor.124 Ein ausdrücklicher Kompetenztitel ist hierfür in den Art. 71 ff. GG nicht enthalten. Eine Regelung durch die Landesgesetzgeber ist hier begriffsnotwendig ausgeschlossen. Im Ergebnis hat das Parlament prinzipiell ein freies Wahlrecht, ob es im Einzelfall Selbst­ organisationsregelungen durch die Geschäftsordnung oder aufgrund einer Kompetenz kraft Natur der Sache durch formelles Gesetz erlässt.

V. Entscheidungsdelegationen nur durch Gesetz? Fraglich ist schließlich, ob in bestimmten Konstellationen der Bundestag sogar auf die Wahl der Gesetzesform für die Selbstorganisation zurückgreifen muss. So wird hinsichtlich der Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf Ausschüsse argumentiert, eine solche könne in der Regel nur aufgrund einer gesetzlichen Regelung erfolgen. Gefolgert wird dies aus dem Charakter der Geschäftsordnung als parlamentarisches Innenrecht, welches der Sache nach nicht dazu geeignet ist, Außenwirkung zu entfalten.125 Eine Delegation von Entscheidungsbefugnissen sei daher durch eine Geschäftsordnungsregelung nur dann zulässig, wenn es sich ausschließlich um interne Entscheidungen handelt, die gewissermaßen ein „Selbstgespräch“ darstellen.126 In den weit überwiegenden Fällen, in denen die auf einen Ausschuss delegierten Entscheidungen mit einer Außenwirkung verbunden sind, wäre dagegen – sofern eine solche Entscheidungsdelegation überhaupt zulässig ist – eine gesetzliche Grundlage erforderlich.127 Bei näherer Betrachtung erscheint die Überzeugungskraft dieser Argumentation allerdings ausgesprochen zweifelhaft. Dabei ist zunächst einmal darauf hinzuweisen, dass das formelle Entscheidungsverfahren und die materielle Wirkung einer Entscheidung separat zu betrachten sind. Hinsichtlich der materiellen Wirkung einer Parlamentsentscheidung ist es richtig, dass diese nicht durch parlamentarisches Selbstgestaltungsrecht normiert werden kann. Sofern einer Entscheidung Außenwirkung zukommt, kann dies nicht auf autonomes Parlamentsrecht zurückzuführen sein. Die 123  Uhle,

in: Maunz/Dürig, GG, Art. 70 Rn. 75. Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 70 Rn. 78. 125  Hierzu Wiefelspütz, in: ZParl 2012, S. 227 (246 f.); Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 40 Rn. 64 ff.; Schmidt, in: DöV 1986, S. 236 (239); vgl. Kapitel 2: C. I. 126  Troßmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, § 60 Rn. 4 ff.; Preuß, in: ZRP 1988, S. 389 (390). 127  Wiefelspütz, in: ZParl 2012, S. 227 (247); Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 45c Rn. 32; Würtenberger, in: BK, GG, Art. 45c Rn. 119; vgl. Pietzner, Petitionsausschuss und Plenum, S. 98 f. 124  Vgl.

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Kap. 3: Grundgesetz und Ausschüsse

Rechtswirkung gegenüber Dritten geht prinzipiell über den Zuständigkeitsbereich des Selbstorganisationsrechts hinaus und kann daher auch nicht durch die Geschäftsordnung des Bundestages geregelt werden. Die Außenwirkung von Parlamentsbeschlüssen muss sich folglich prinzipiell auf gesetzliche oder verfassungsrechtliche Ermächtigungsgrundlagen zurückführen lassen. Von der materiellen Wirkung einer Entscheidung ist allerdings das formelle Verfahren, wie die entsprechende Entscheidung getroffen wird, abzugrenzen. Es geht hier darum, unter welchen Voraussetzungen der Bundestag eine Entscheidung trifft. Diese Verfahrensvorschriften werden umfangreich in der Geschäftsordnung des Bundestages normiert. Eine Außenwirksamkeit ist damit grundsätzlich nicht verbunden. So können etwa die Beschlussfähigkeit des Bundestages, § 45 GOBT, oder die Ausschussüberweisung nach der ersten Lesung, § 80 GOBT, ohne weiteres im Rahmen des Selbstorganisa­ tionsrechts geregelt werden. Zu dem formellen Verfahren, das in den Regelungsbereich des parlamentarischen Binnenrechts fällt, gehört aber auch die Frage, in welchem Forum die Entscheidung getroffen wird. Auch mit der Überweisung einer Beschlussfassungskompetenz ist für sich genommen keine Außenwirkung verbunden. Ausschüsse sind Organe des Bundestages, und ihre Handlungen werden dementsprechend dem Parlament zugerechnet.128 Rechtlich gesehen ist eine Ausschussentscheidung eine Entscheidung des Bundestages. Ob nun der Bundestag insgesamt oder einer seiner Ausschüsse einen Beschluss trifft, ist für dessen Außenwirkung unbeachtlich. Die Außenwirkung selbst ist losgelöst von einer etwaigen Ausschussdelegation alleine auf die gesetzliche oder verfassungsrechtliche Norm zurückzuführen, die dem Staatsorgan Bundestag die Entscheidungskompetenz einräumt. Mit einer parlamentsinternen Verlagerung dieser Kompetenz vom Plenum auf einen Ausschuss ist dagegen keine eigenständige Außenwirkung verbunden. Das freie Wahlrecht zwischen Gesetz und Geschäftsordnung gilt daher auch der Sache nach für Entscheidungsdelegationen.129 Zumindest gegenüber Wahl der Gesetzesform bestehen daher auch im Fall einer Entscheidungsdelegation keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

C. Verfassungsrechtliche Delegationsverbote Das Grundgesetz sieht in einigen Fällen nicht nur ausdrücklich eine Ausschussdelegation vor, namentlich in den Art. 45 GG ff., sondern es lassen sich an anderer Stelle auch unstreitige Delegationsverbote entnehmen. Das 128  Achterberg, Parlamentsrecht, S. 135 f., 518; Pietzcker/Pallasch, in: JuS 1995, S. 511 (512); Preuß, in: ZRP 1988, S. 389. 129  Im Ergebnis ebenso: Krings, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art.  45c Rn.  20 m. w. N.; Brücker, in: ZParl 1986, S. 324 (330 ff.).



D. Verfassungsrechtliche Bewertung der Fachausschüsse 93

Plenum muss dann die Zuständigkeit für die Aufgabe selbst behalten.130 Das gilt insbesondere dann, wenn das Grundgesetz für eine Entscheidung eine qualifizierte Mehrheit verlangt, also die Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl des Parlaments, Art. 121 GG.131 Die Zuständigkeit des Plenums muss also für die Präsidentenklage, Art. 61 GG, die Kanzlerwahl, Art. 63 GG, das Misstrauensvotum nach Art.  67 GG sowie die Vertrauensfrage nach Art. 68 GG und selbstverständlich auch für Änderungen des Grundgesetzes nach Art. 79 GG bestehen bleiben.132 Auch der Ausschluss der Öffentlichkeit gemäß Art. 42 Abs. 1 GG kann schon nach Sinn und Zweck nur durch das Plenum beschlossen werden. Ebenso muss auch die Gesetzgebungskompetenz vom Plenum wahrgenommen werden.133 Dies folgt bereits aus dem systematischen Zusammenhang zu Art. 77 Abs. 4 GG, wonach ein Einspruch des Bundesrates nur durch die Mehrheit der Mitglieder der Bundestages zurückgewiesen werden kann.134 Daneben fordert auch die zentrale Bedeutung des Gesetzes in einer demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung die öffentliche und transparente Legitimation durch das Plenum.135 Danach müssen zumindest „wesentliche“ Entscheidung vom Gesetzgeber getroffen und damit von der parlamentarischen Vollversammlung legitimiert werden.136 Der Vorbehalt des Gesetzes und die Wesentlichkeitstheorie korrelieren insofern mit einem Plenarvorbehalt.137

D. Verfassungsrechtliche Bewertung der Fachausschüsse Außerhalb der eindeutigen Delegationsverbote stellt sich die Frage, inwiefern eine Ausschussdelegation verfassungsrechtlich zu bewerten ist. Dabei soll die verfassungsrechtliche Problemstellung zunächst anhand der regulären 130  Schürmann, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, § 19 Rn. 15; Pietzner, Petitionsausschuß und Plenum, S. 79 ff. 131  Achterberg, Parlamentsrecht, S. 680; Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, S. 169; vgl. Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 600; Moench/ Ruttloff, in: DVBl 2012, S. 1261 (1267). 132  Berg, in: Der Staat 1970, S. 21 (25 f., 33); Preuß, in: ZRP 1988, S. 389 (390). 133  Kasten, in: DÖV 1985, S. 222 (223). 134  Mandelartz, Das Zusammenwirken von Parlament und Regierung beim Haushaltsvollzug, S. 287; Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, S. 169; vgl. Berg, in: Der Staat 1970, S. 21 (25). 135  Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 217; Moench/Ruttloff, in: DVBl 2012, S. 1261 (1267). 136  Kasten, in: DÖV 1985, S. 222 (225); Moench/Ruttloff, in: DVBl 2012, S. 1261 (1267). 137  Vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat), Rn. 105 ff., 113 ff.

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Kap. 3: Grundgesetz und Ausschüsse

Fachausschüsse aufgezeigt und untersucht werden. Ohne auf die besonderen Spezifika von Entscheidungsdelegationen eingehen zu müssen, kann hier zunächst einmal für sich die Ausschussdelegation in die aufgezeigte verfassungsrechtliche Rahmenkonstellation eingebettet werden. Hierfür ist es zweckmäßig, zunächst einmal Wesen und Funktion der Fachausschüsse darzulegen (I). Anschließend sind der Prüfungsmaßstab darzulegen sowie die zu prüfenden Verfassungsgüter herauszustellen (II). Schließlich ist die Verfassungsmäßigkeit der Fachausschüsse darzustellen (III).

I. Fachausschüsse, § 54 GOBT Die Fachausschüsse werden entsprechend dem Grundsatz der Diskontinuität zu Beginn jeder neuen Legislaturperiode als „vorbereitende Beschlussorgane“, vgl. § 62 Abs. 1 Satz 2 GOBT, vom Parlament eingerichtet.138 Die Rechtsgrundlage für Fachausschüsse ist in aller Regel die Geschäftsordnung. Ob und wie der Einrichtung steht grundsätzlich im freien Ermessen des Bundestages. Wie aus § 54 Abs. 1 Satz 1 GOBT hervorgeht, handelt es sich dabei in der Regel um ständige Ausschüsse, sie werden für die Dauer der gesamten Legislaturperiode gebildet. Die Arbeit in den Ausschüssen richtet sich nach den Verfahrensvorschriften der GOBT. Die Größe der Fachausschüsse schwankt in der 17. Wahlperiode zwischen 46 Abgeordneten im Ausschuss für Wirtschaft und Energie und jeweils 16 Abgeordneten in dem Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe sowie dem für Digitale Agenda. Die Aufgabenbereiche werden für gewöhnlich entsprechend denen der Bundesministerien zugeschnitten. Ermöglicht wird dadurch die fachkundige Begleitung der korrespondierenden Ressorts der Bundesregierung.139 Dabei übernehmen die Fachausschüsse mit ihrem Aufgabenschwerpunkt im Bereich der Gesetzgebung einen Großteil der eigentlichen Bundestagsarbeit. Die Ausschüsse bereiten die Gesetze nicht nur vor, sondern sie leisten häufig die eigentliche parlamentarische Gesetzgebungsarbeit bis hin zum fertigen Gesetzesentwurf.140 Die Ausschussphase im Gesetzgebungsverfahren beginnt im Anschluss an die erste Beratung im Bundestagsplenum, wenn der Gesetzesentwurf nach § 80 Abs. 1 GOBT an den zuständigen Fachausschuss überwiesen wird. Nur mit einer 2 / 3-Mehrheit kann der Bundestag von einer Ausschussüberweisung ausnahmsweise absehen, § 80 Abs. 2 GOBT. Berührt 138  Geis, 139  Geis,

in: HStR III (3. Auflage), § 54 Rn. 28. in: HStR III (3. Auflage), § 54 Rn. 3 f.; Zeh, in: HStR III (3. Auflage),

§ 52 Rn. 41. 140  Bryde, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 30 Rn. 36; Zeh, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 39 Rn. 2; Zeh, in: HStR III (3. Auflage), § 52 Rn. 39.



D. Verfassungsrechtliche Bewertung der Fachausschüsse 95

ein Entwurf den Fachbereich mehrerer Bundestagsausschüsse, so wird er auch separat in alle betroffenen Ausschüsse zur Beratung überwiesen. Dabei übernimmt einer der Ausschüsse die Rolle des federführenden Ausschusses und koordiniert so die mehrgleisige Gesetzesberatung. Anders als der Wortlaut des § 80 Abs. 1 Satz 1 GOBT nahe legt, ist die gleichzeitige Überweisung an mehrere Ausschüsse keineswegs der Ausnahmefall.141 Nach der Ausschussarbeit, die grundsätzlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, § 69 Abs. 1 GOBT, ist der Entwurf häufig bereits beschlussreif. Der zweiten Beratung kommt dann im Wesentlichen die Funktion zu, den gefundenen Gesetzesentwurf öffentlich zu präsentieren und die Argumentations­ linien nachzuzeichnen.142 Insbesondere über Änderungen der Ausschussempfehlungen gegenüber der ursprünglichen Gesetzesvorlage entzündet sich im Plenum aber regelmäßig eine lebhafte Debatte.143 Die häufig unmittelbar an die 2. Lesung anschließende 3. Lesung sowie der formelle Parlamentsbeschluss sind dann meist reine Formsache.144 Die Schlussabstimmung im Plenum baut insofern auf der Willensbildung im Ausschuss auf und kann nicht ohne diese gedacht werden.145 Die Ausschüsse formen die spätere Plenarentscheidung „der Sache nach vor“.146 Anders gesagt wird die Entscheidung selbst und damit die Repräsentation in einem gewissen Umfang in die Ausschüsse „vorverlagert“.147

II. Generelle Erwägungen der Verfassungsmäßigkeit Bevor im Einzelnen die Verfassungsmäßigkeit der Ausschussdelegation geprüft wird, sollen zunächst einmal allgemeine Ausführungen hinsichtlich des Prüfungsmaßstabes und der zu prüfenden Rechtsgüter erfolgen. Dabei sollen zuvorderst die notwendig zu prüfenden Verfassungsgüter herausgestellt werden (1.). Weiterhin bedarf die Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einer näheren Erläuterung (2.). Schließlich ist auf die übergeordneten verfassungsrechtlichen Zusammenhänge hinzuweisen, in deren Kontext die Frage der Verfassungsmäßigkeit zu beantworten ist (3.). 141  Dach,

in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis (1. Auflage), § 39 Rn. 34. Macht und Arbeit der Ausschüsse, S. 96 ff.; Dreier, in: JZ 1990,

142  Dechamps,

S. 310 (318). 143  Schneider, Gesetzgebung, S. 85 f. 144  Schulze-Fielitz, Theorie und Praxis parlamentarischer Gesetzgebung, S. 353. 145  Kewenig, Staatsrechtliche Probleme parlamentarischer Mitregierung, S. 41. 146  BVerfGE 44, 308 (318). 147  BVerfGE 44, 308 (319); vgl. BVerfGE 80, 188 (221); Dechamps, Macht und Arbeit der Ausschüsse, S. 104; Schulze-Fielitz, Theorie und Praxis parlamentarischer Gesetzgebung, S. 351; Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, S. 163.

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Kap. 3: Grundgesetz und Ausschüsse

1. Zu prüfende Verfassungsgüter Wie bereits einführend erwähnt, bewegt sich die Ausschussdelegation in einem dichten Geflecht verschiedener Ausprägungen des Repräsentationsprinzips und lässt sich insofern unter vielfältigen verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten problematisieren. So berührt eine Aufgabenübertragung nicht nur den Grundsatz der Gesamtrepräsentation, sondern ebenso den Abgeordnetenstatus respektive das freie Mandat, die Abgeordnetengleichheit und damit inbegriffen den Grundsatz der Wahl- und Fraktionsgleichheit und schließlich auch das Öffentlichkeitsprinzip. Aufgrund der im Rahmen der verfassungsrechtlichen Ausgangslage aufgezeigten Sinnzusammenhänge lässt sich allerdings feststellen, dass nicht alle dieser Verfassungsprinzipien einer separaten Untersuchung bedürfen. So ist zunächst einmal festzustellen, dass das freie Mandat und die Abgeordnetengleichheit notwendige Elemente des Abgeordnetenstatus sind, die sich in ihrem Sinngehalt nicht isoliert betrachten lassen und deshalb auch einheitlich als Bestandteil des Abgeordnetenstatus zu prüfen sind.148 Die Einschränkung der Abgeordnetengleichheit ist folglich im Rahmen des Eingriffs in den Status der Abgeordneten zu untersuchen. Da weiterhin die Abgeordnetengleichheit, Wahlrechtsgleichheit und Fraktionsgleichheit als Ausdruck demokratischer Egalität in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, bedürfen nach einer Untersuchung des Eingriffs in den gleichen Status der Abgeordneten die beiden anderen Gleichheitssätze keiner eigenständigen Untersuchung mehr. Ist eine Differenzierung auf der Ebene der Abgeordneten gerechtfertigt, muss das zwangsläufig auch auf der Ebene der Wähler sowie der Fraktionen gelten. Die Untersuchung des Eingriffs in den Abgeordnetenstatus soll dabei zusammen mit der Verkürzung der Gesamtrepräsentation erfolgen. Status und Gleichheit der einzelnen Abgeordneten korrelieren mit dem Verfassungsprinzip der Gesamtrepräsentation bezogen auf das Kollegialorgan Bundestag. Eine gemeinschaftliche Prüfung ist insofern angezeigt. Einer gesonderten Überprüfung bedarf allerdings daneben die mit der Ausschussarbeit verbundene Einschränkung des Öffentlichkeitsprinzips. Gleichheit und Öffentlichkeit erfüllen in der repräsentativen Demokratie grundsätzlich verschiedenartige Funktion. Der Eingriff in den Abgeordnetenstatus sowie die Gesamtrepräsentation auf der einen Seite und die Verkürzung des Öffentlichkeitsprinzips auf der anderen Seite sind insofern isoliert zu untersuchen.

148  Vgl.

Kapitel 2: B. III. 2.



D. Verfassungsrechtliche Bewertung der Fachausschüsse 97

2. Prüfungsmaßstab Verhältnismäßigkeit Die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit soll im Folgenden anhand des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen. Zwar könnte die Anwendbarkeit der Verhältnismäßigkeit insbesondere auf das Öffentlichkeitsprinzip und den Grundsatz der Gesamtrepräsentation durchaus bezweifelt werden. So lehnen etwa Teile der Literatur und der Rechtsprechung eine Anwendung der Verhältnismäßigkeit auf staatsorganisationsrechtliche Fragestellungen grundsätzlich ab.149 Begründet wird ein solcher eingeschränkter Geltungsbereich mit den historischen Wurzeln der Verhältnismäßigkeit. Die Verhältnismäßigkeit wurde im Polizeirecht des 19. Jahrhunderts entwickelt150 und ist aus dieser geschichtlichen Perspektive heraus zunächst einmal auf die Sicherung der Rechts- und Freiheitssphäre der Staatsbürger gegen hoheitliche Eingriffe gemünzt.151 Bei einem streng historischen Verständnis ist daher die Verhältnismäßigkeit auf Eingriffe in objektive Staatsprinzipien oder in die Rechtsstellung von Staatsorganen nicht anwendbar. Indes überzeugt es nicht, die Anwendbarkeit der Verhältnismäßigkeit auf staatsorganisationsrechtliche Sachverhalte alleine mit einem Verweis auf ihren historischen Ursprung abzulehnen. Ein dogmatischer Gehalt lässt sich dieser Argumentation nicht entnehmen. Vielmehr handelt es sich beim Verhältnismäßigkeitsprinzip im modernen Verfassungsrecht um eine „übergreifende Leitregel allen staatlichen Handelns“.152 Eine Reduzierung auf das Verhältnis zwischen Bürger und Staat greift zu kurz. Die herrschende Literaturmeinung wie auch zunehmend die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erstrecken die Anwendbarkeit der Verhältnismäßigkeit insofern auch auf subjektive Rechte von Staatsorganen und den Status der Abgeordneten.153 Überzeugender ist es noch, darüber hinausgehend auch objektive Verfassungsprinzipien nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen. Das entspricht auch dem Grundsatz der praktischen Konkordanz, wonach verfassungsrecht149  BVerfGE 81, 310 (338); Degenhart, Staatsrecht I, S. 164; vgl. Voßkuhle, in: JuS 2007, S. 429 (430). 150  Degenhart, Staatsrecht I, S. 158 f. 151  Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 – VII. Art. 20 und die allgemeine Rechtsstaatlichkeit, Rn. 108. 152  BVerfGE 23, 127 (133), m. w. N.; Degenhart, Staatsrecht I, S. 164; vgl. Voßkuhle, in: JuS 2007, S. 429. 153  Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 – VII, Rn. 109; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 – Rechtsstaat, Rn. 188; vgl. Bollmann, Verfassungsrechtliche Grundlagen des Selbstorganisationsrechts, S. 89 ff.; Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, S. 199 f.; Hempel, Der Bundestag und die Nachrichtendienste, S. 172 ff.; BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 119, 125 = BVerfGE 130, 319 (350, 353).

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Kap. 3: Grundgesetz und Ausschüsse

lich geschützte Rechtsgüter so auszubalancieren sind, dass alle zur „optimalen Wirksamkeit gelangen können“.154 Verhältnismäßigkeit ist der Sache nach ein Zustand praktischer Konkordanz.155 Schließlich spricht auch der Grundsatz der Einheit der Verfassung156 dafür, objektive Verfassungsprinzipien und subjektive Staatsorganrechte nach einem einheitlichen Prüfungsmaßstab zu beurteilen. Eingriffe in den subjektiven Status der Gleichheit und der Öffentlichkeit der Abgeordneten können keinen anderen Anforderungen unterliegen als Eingriffe in die objektiv korrespondierenden Prinzipien der Gesamtrepräsentation und der Öffentlichkeit. Wie dargelegt, stehen die betroffenen Verfassungsgüter in einer engen Wechselwirkung zueinander, so dass ein einheitlicher Prüfungsmaßstab hier geboten ist. Dabei muss nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit eine Ausschussdelegation zunächst einmal einem verfassungsrechtlich legitimen Zweck dienen und zur Erreichung dieses Zwecks auch geeignet sein. Weiterhin muss die Delegation auch erforderlich sein, es darf also kein gleich geeignetes, milderes Mittel zur Realisierung des verfolgten Zwecks geben. Schließlich muss die Beeinträchtigung der betroffenen Verfassungsgüter – also einerseits der Gesamtrepräsentation und des Abgeordnetenstatus und andererseits des Öffentlichkeitsprinzips – in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehen.157 Für eine sachgerechte Abwägung ist hierbei insbesondere auch die Intensität des Eingriffs in die betroffenen Verfassungsgüter zu berücksichtigen.158 Zu bedenken ist dabei stets, dass die Eingriffsintensität nur im Bezug auf die tatsächliche Realisierung der betroffenen Verfassungsgüter im Bundestagsplenum festgestellt werden kann. Als Referenz für die Beteiligung aller Abgeordneten und das Maß demokratischer Öffentlichkeit darf nicht fälschlicherweise ein hypothetischer Idealzustand herangezogen werden, sondern der Ist-Zustand in der alltäglichen Bundestagsarbeit. Anhand dieses Bezugspunkts ist zu prüfen, wie intensiv eine Ausschussdelegation die betroffenen Verfassungsgüter verkürzt. Schließlich gilt es bei der Güterabwägung, den Zugewinn für das mit der Delegation verfolgte Ziel, also für die Funktionsfähigkeit des Bundestages, zu würdigen. Es geht im Ergebnis um die Herstellung praktischer Konkordanz zwischen Abgeordnetenstatus, Gesamtrepräsentation und Öffentlichkeit auf der einen sowie der Funktionsfähigkeit des Bundestages auf der anderen Seite.

154  Hesse,

Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 28. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 142. 156  Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 27. 157  Vgl. hierzu Degenhart, Staatsrecht I, S. 158 ff. 158  Vgl. BVerfGE 129, 300 (321). 155  Vgl.



D. Verfassungsrechtliche Bewertung der Fachausschüsse 99

3. Verfassungsrechtlicher Kontext der Güterabwägung Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist zu bedenken, dass die abzuwägenden Verfassungsprinzipien gleichermaßen dem Repräsentationsgedanken zuzuordnen sind. Gesamtrepräsentation, Abgeordnetenstatus und Öffentlichkeit sind ebenso eine Funktionsbedingung der Repräsentation wie die tatsächliche Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Bundestags selbst.159 Es geht hier folglich darum, widerstreitende Verfassungspositionen in Gleichklang zu bringen, die nicht von vorneherein in einer klassischen Kollisionslage zueinander stehen, sondern gleichermaßen auf das übergeordnete Repräsentationsprinzip ausgerichtet sind und insofern in einem engen Sinnzusammenhang stehen. Bei allen betroffenen Verfassungsgütern handelt es sich um Ausprägungen parlamentarischer Repräsentation, die sich gegenseitig bedingen. Wird durch eine Maßnahme die Zielbestimmung der Repräsentation gestärkt, kann diese aus einer teleologischen Logik heraus nicht wegen der Verkürzung einer Ausprägung des Repräsentationsprinzips – beispielsweise der Gesamtrepräsentation – verfassungswidrig sein. Wenn summarisch ein mehr an Repräsentation nur dadurch erreicht werden kann, dass das Prinzip der Beteiligung aller Abgeordneten am parlamentarischen Verfahren zu Gunsten der Funktionsfähigkeit des Bundestages eingeschränkt wird, ist dies im Ergebnis verfassungsrechtlich unbedenklich. Freilich ist die Bedingung hierfür, dass die betroffenen Verfassungsgüter auch jeweils in ihrer Funktion für das Repräsentationsprinzip verstanden werden, also etwa die Funktionsfähigkeit des Bundestages mit Hinblick auf die Repräsentationsfähigkeit gesehen wird. Entscheidend für die Frage, ob eine Ausschussdelegation verfassungsrechtlich zulässig ist, ist insofern ihre Auswirkung auf das Repräsentationsprinzip insgesamt. Es ist zu untersuchen, ob die Ausschusstätigkeit einen Zugewinn für die Repräsentation unter dem Gesichtspunkt der Funktionsfähigkeit bringt, der die Verkürzung der Gesamtrepräsentation, des Abgeordnetenstatus und der Öffentlichkeit zumindest aufwiegt.

III. Verfassungsrechtliche Würdigung Es bleibt schließlich eine verfassungsrechtliche Würdigung der Fachausschüsse anhand der aufgezeigten Grundsätze vorzunehmen. Dabei soll zunächst einmal der mit der Ausschussdelegation verbundene Eingriff in die Gesamtrepräsentation und in den Abgeordnetenstatus auf seine Verfassungsmäßigkeit hin überprüft werden (1.). Anschließend soll die mit der Ausschuss­ 159  Vgl.

Kapitel 2: C. III.

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Kap. 3: Grundgesetz und Ausschüsse

tätigkeit verbundene Einschränkung der Öffentlichkeit verfassungsrechtlich untersucht werden (2.). 1. Gesamtrepräsentation und Abgeordnetenstatus Durch die Übertragung von Bundestagsaufgaben auf Ausschüsse wird das Prinzip der Gesamtrepräsentation gleichermaßen wie der Abgeordnetenstatus beeinträchtigt. Nur die kleine Minderheit der am Ausschuss beteiligten Abgeordneten können hier unmittelbar an der Aufgabenwahrnehmung teilnehmen und ihre Rede- und Mitwirkungsrechte ausüben. Entsprechend wird die Mitwirkung der Gesamtheit der Abgeordneten an der parlamentarischen Aufgabenwahrnehmung begrenzt. Dabei ist nachfolgend zunächst einmal die Intensität des Eingriffs in die Gesamtrepräsentation und den Abgeordnetenstatus darzulegen (a)). Anschließend ist die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieses Eingriffs zu untersuchen (b)). a) Eingriffsintensität Es ist genauer aufzuzeigen, inwiefern der Grundsatz der Gesamtrepräsentation und der Status der Abgeordneten durch eine Aufgabenwahrnehmung im Ausschuss gegenüber einer Plenarbefassung beeinträchtigt wird. Dafür ist im Ausgangsfall die Eingriffsintensität mit Hinblick auf den Normalfall eines fraktionsangehörigen Bundestagsabgeordneten zu untersuchen (aa)). Anschließend ist auf die besondere Problematik fraktionsloser Abgeordneter einzugehen (bb)). aa) Gesamtrepräsentation, Abgeordnetenstatus und Ausschusstätigkeit Hinsichtlich der Eingriffsintensität ist darauf hinzuweisen, dass die Ausschussphase nicht mit einem totalen Ausschluss der am Ausschuss nicht beteiligen Bundestagsabgeordneten einhergeht. Durch die zuvor geschilderte Einbindung in die Parteien und Fraktionen verbleibt eine mittelbare Einflussnahme sämtlicher Abgeordneten auch während der Ausschussphase möglich. Denn die Abgeordneten handeln eben nicht völlig frei und damit unberechenbar, sondern richten sich nach Fraktionsbeschlüssen und Parteiprogrammen. In den innerfraktionellen oder innerparteilichen Willensbildungsprozess bleibt die Gesamtheit der Abgeordneten ungeachtet einer Ausschussdelegation eingebunden.160 Dabei findet dieser Willensbildungsprozess im Wesent160  Vgl.

Pünder, in: VVDStRL 72 (2013), S. 191 (203 f.; 258 f.).



D. Verfassungsrechtliche Bewertung der Fachausschüsse 101

lichen bereits vor der Ausschusstätigkeit statt. Die Fraktionen einigen sich für ein einheitliches und überzeugendes Auftreten frühzeitig auf eine gemeinsame Linie. Zum Zwecke dieser fraktionsinternen Vorbereitung auf die Ausschusstätigkeit werden insbesondere Fraktionsarbeitsgruppen eingeschaltet, die bewusst auf die Bundestagsausschüsse ausgerichtet sind. So sind die Fraktionsarbeitsgruppen thematisch den Ausschüssen zugeordnet und beraten unter Mitwirkung und Leitung der jeweiligen Ausschussmitglieder.161 Noch vor der Ausschusssitzung wird hier geklärt, ob die in den Fraktionsgruppen und Arbeitskreisen gefundenen Ergebnisse mit dem politischen Gesamtbild der Fraktion und Partei übereinstimmen.162 In diesen, der Ausschusstätigkeit noch vorgelagerten Willensbildungsprozess können sich grundsätzliche alle Fraktionsabgeordnete einbringen. Die hier festgelegten politischen Leitlinien bleiben in aller Regel richtungsweisend, da die Abgeordneten auch im Ausschuss der Fraktionsdisziplin unterliegen.163 Die Rückbindung der Ausschussabgeordneten an ihre Fraktionen wird durch den Wahlmodus der Ausschussmitglieder verstärkt. Die Abgeordneten werden von ihrer Fraktion in den Ausschuss entsandt. Ein überzeugendes Einbinden der gesamten Fraktion liegt schon deshalb im Interesse der Ausschussabgeordneten, um sich als fähig zu beweisen und in einer nachfolgenden Legislaturperiode in einen Ausschuss der eigenen Wahl entsandt zu werden. Hinzu kommt, dass die Abgeordneten in der späteren Schlussabstimmung von der Zustimmung ihrer Fraktionskollegen für die Durchsetzung der Ausschussposition abhängig sind.164 Aus diesem Grund werben die im Ausschuss beteiligten Abgeordneten schon früh für ihre Ideen und versuchen, ihre Fraktionskollegen zu informieren und überzeugen. Die Ausschussabgeordneten prägen so auch maßgeblich die Meinung ihrer Fraktion.165 Der politische Wettbewerb entfaltet insofern nicht nur eine Integrationskraft zwischen Parlament und Volk, sondern auch zwischen Ausschussabgeordneten und Plenum.166

161  Melzer, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 41 Rn. 10 f.; aktuell stehen sämtlichen Fachausschüssen sowohl bei der Fraktion der CDU/CSU als auch der SPD 23 thematisch korrelierende Arbeitsgruppen gegenüber. Die kleinen Fraktionen bilden aufgrund ihrer geringeren personellen Stärke Arbeitskreise, die sich jeweils übergreifend mehreren Aufgabengebieten widmen. Die Arbeitsgruppen der Fraktionen sowie deren personelle Zusammensetzung sind auf den jeweiligen Internetseiten der Fraktio­ nen einsehbar. 162  Melzer, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 41 Rn. 26. 163  Melzer, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 41 Rn. 19. 164  Kropp, in: ZParl 2002, S. 436 (445). 165  Borgs-Maciejewski/Drescher, Parlamentsorganisation, S. 73. 166  Vgl. Kotzur, in: VVDStRL 29 (2010), S. 173 (188 ff.).

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Kap. 3: Grundgesetz und Ausschüsse

Umgekehrt können so auch die am Ausschuss nicht beteiligten Abgeordneten Einfluss auf ihre Ausschussabgeordneten nehmen und so auf den Willensbildungsprozess im Ausschuss einwirken. Es besteht insofern eine Wechselwirkung zwischen den Ausschussmitgliedern und den übrigen Abgeordneten einer Fraktion. Der konkrete Meinungsaustausch erfolgt dabei insbesondere in den Arbeitskreisen und Fraktionsgruppen, die sich wiederum gegenseitig besprechen und koordinieren.167 Die zunächst im kleinen Kreis getroffenen Verabredungen ziehen so durch eine Vielzahl von Einzelgesprächen, informellen Besprechungen und Fraktionssitzungen durch das Parlament immer weitere Kreise. Durch diese „tägliche Mikropolitik“ werden die übrigen Abgeordneten in den Entscheidungsfindungsprozess integriert. Es gibt eine weitreichende „Inklusionsdynamik“,168 die eine Rückbindung der Ausschusstätigkeit an das Parlament und die Gesamtheit der Abgeordneten absichert. Dabei üben die Ausschussmitglieder ihr Mandat im Sinne ihrer Fraktionen aus und repräsentieren diese gewissermaßen in den Ausschüssen.169 Die am Ausschuss nicht beteiligten Abgeordneten werden durch ihre Fraktion „mediatisiert“.170 Die Ausschüsse fungieren als „Clearingstelle“, als Schaltstelle zwischen den Fraktionen und dem Plenum.171 Die delegierte Materie verbleibt daher, vermittelt durch die Fraktionen, im Wirkungskreis sämtlicher Abgeordneten. Die Abgeordneten können so vermittelt durch ihre Fraktion ihre repräsentative Funktion auch außerhalb des Plenums wahrnehmen.172 Diese organisatorische Einbindung ermöglicht schließlich eine berechenbare Übertragung der plenaren Kräfteverhältnisse auf Ausschüsse.173 Der Willensbildungsprozess in den Ausschüssen verläuft in Folge normalerweise parallel zu dem des Plenums.174 Die starke Rolle der Fraktionen stärkt hier den repräsentativen Status der Abgeordneten und stützt den Gedanken der Gesamtrepräsentation. Der Eingriff in den Grundsatz der Gesamtrepräsentation und den Status der Abgeordneten verliert durch die mittelbaren Einwirkungsmöglichkeiten an Gewicht. 167  Dach, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 40 Rn. 25 ff.; Frost, in: AöR 1970, S. 38 (83). 168  Morlok, in: VVDStRL 62 (2003), S. 37 (67 f.). 169  Troßmann, in: JöR 1979, S. 1 (271); Dechamps, Macht und Arbeit der Ausschüsse, S.  109 ff. 170  BVerfGE 43, 142 (149); Di Fabio, in: Der Staat 1990, S. 616; vgl. Mandelartz, Das Zusammenwirken von Parlament und Regierung beim Haushaltsvollzug, S. 296. 171  Troßmann, in: JöR, 1979, S. 1 (270 ff.). 172  BVerfGE 44, 308 (318); Badura, in: BK, GG, Art. 38 Rn. 90; vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 221; vgl. Kropp, in: ZParl 2002, S. 436 (444). 173  BVerfGE 112, 118 (136). 174  Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, S.  162; Schneider, Gesetzgebung, S. 87; vgl. BVerfGE 44, 308 (318).



D. Verfassungsrechtliche Bewertung der Fachausschüsse 103

bb) Zur Problematik des fraktionslosen Abgeordneten Eine besondere Eingriffsintensität bringt die Ausschusstätigkeit für die fraktionslosen Bundestagsabgeordneten mit sich.175 Die Abgeordneten, die keine Ausschussmitglieder sind, haben nur marginale Einwirkungsmöglichkeiten auf den Willensbildungsprozess im Ausschuss. Die sonst über die Fraktionen und Parteien vermittelten Einflussmöglichkeiten auf die Ausschusstätigkeit ist hier nicht eröffnet. Es gibt schlicht keine Fraktionskollegen, über die eigene Ideen in die Ausschusssitzungen eingebracht werden könnten. Eigene Vorstellungen können folglich nur bereits vorzeitig über das Plenum eingebracht werden oder aber in dem Versuch, außerhalb der regulären Partei-, Fraktionsgruppen unmittelbar Ausschussmitglieder zu kontaktieren und zu überzeugen. Aufgrund der Partei- und Fraktionszugehörigkeit der allermeisten Bundestagsabgeordneten und ihrer insofern eingebundenen Interessenschwerpunkte dürfte dies allerdings nur mit geringen Erfolgsaussichten verbunden sein. Daneben bleibt den fraktionslosen Abgeordneten während der Ausschussphase alleine die Möglichkeit, an den Ausschusssitzungen als Zuhörer teilzunehmen, § 69 Abs. 2 Satz 1 GOBT. Um zumindest eine informative Integration der frak­ tionslosen Abgeordneten in die Ausschussphase zu ermöglichen, sind ihnen von der Bundestagsverwaltung und dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages die Informationen zur Verfügung zu stellen, die andere Abgeordnete in der Regel von ihren Fraktionen erhalten.176 Die parlamentarische Inklu­ sionsdynamik erfasst fraktionslose Abgeordnete gleichwohl nur am Rande. Darüber hinaus wird aber auch in die Rechte von solchen fraktionslosen Abgeordneten eingegriffen, die Mitglied eines bestimmten Ausschusses sind.177 Sie werden von dem Bundestagspräsidenten nur als „beratende Ausschussmitglieder“ ernannt, § 57 Abs. 2 Satz 2 GOBT. Ihnen kommt insofern lediglich ein Rede- und Antragsrecht zu, ein Stimmrecht hingegen nicht.178 Das Stimmrecht der Abgeordneten in den Ausschüssen ist also faktisch an eine Fraktionszugehörigkeit gebunden. Die damit verbundene Kollision mit 175  Es sei an dieser Stelle darauf verwiesen, dass die praktische Relevanz dieses Phänomens stark abgenommen hat. Im 17. Deutschen Bundestag gab es für kurze Zeit mit Wolfgang Neskovic einen einzigen fraktionslosen Abgeordneten, einsehbar unter www.bundestag.de, http://webarchiv.bundestag.de/cgi/show.php?fileToLoad=30 41&id=1223 (zuletzt aufgerufen am 28.10.2015). Im aktuellen Bundestag gibt es gar keinen, vgl. www.bundestag.de/abgeordnete (zuletzt abgerufen am 27.10.2015). 176  BVerfGE 80, 188 (230 ff.); Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 221. 177  Das Recht auf eine Ausschussmitgliedschaft kommt den fraktionslosen Abgeordneten erst seit dem Wüppesahl-Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1989 zu, vgl. BVerfGE 80, 188; Edinger, Wahl und Besetzung parlamentarischer Gremien, S.  338 f.; Trute, in: Jura 1990, S. 184 (189 f.). 178  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 221.

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Kap. 3: Grundgesetz und Ausschüsse

dem freien und gleichen Mandat der Bundestagsabgeordneten ist offenkundig. Die Mitwirkungsbefugnisse der fraktionslosen Abgeordneten werden durch den Entzug des Stimmrechts stark eingeschränkt.179 Das wird auch nicht durch das Stimmrecht im Plenum aufgewogen. Denn durch die Abstimmungen in den Ausschüssen werden die Details und Entscheidungsalternativen festgelegt, über die im Plenum regelmäßig nicht mehr verhandelt wird.180 Die Ausschusstätigkeit ist insofern sowohl für die Abgeordneten, die einem bestimmten Ausschuss angehören, als auch die, die ihm nicht angehören, mit einer besonderen Eingriffsqualität verbunden. b) Verhältnismäßigkeit Es stellt sich schließlich die Frage, ob der Eingriff in den Status der Abgeordneten sowie in das Prinzip der Gesamtrepräsentation dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt. Die Delegation vorbereitender Aufgaben auf Fachausschüsse müsste dafür einem verfassungsrechtlich legitimen Zweck dienen und zur Erreichung dieses Zwecks geeignet sein (aa)). Weiterhin muss die Delegation dem Grundsatz der Erforderlichkeit genügen (bb)). Schließlich muss der mit der Ausschussdelegation verbundene Eingriff in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehen (cc)). aa) Legitimer Zweck und Geeignetheit Die Delegation vorbereitender Aufgaben auf Ausschüsse muss einem legitimen Zweck dienen. Der Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation können als Verfassungsgüter ihrerseits nur durch andere „Rechtsgüter von Verfassungsrang“ beschränkt werden.181 Dem entspricht die Forderung nach einem besonderen „zwingenden“ Grund, der dem Grundsatz der Gesamtrepräsentation sowie dem Abgeordnetenstatus die Waage halten kann.182 Als ein solcher Grund von Verfassungsrang kommt grundsätzlich die Funktionsfähigkeit des Bundestages in Betracht.183 Mit der umfassenden 179  BVerfGE

80, 188 (237 f.) – Sondervotum Richter Mahrenholz. 80, 188 (237) – Sondervotum Richter Mahrenholz; vgl. Ziekow, in: JuS 1991, S. 28 (31). 181  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 124 f. = BVerfGE 130, 318 (352 f.); BVerfG, 2 BvC 2/10 vom 19.06.2012, Rn. 13 = BVerfGE 131, 230 (235 f.); BVerfGE 118, 277 (324); Schreiber, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, GG, Art. 38 Rn. 176; Moench/Ruttloff, in: DVBl 2012, S. 1261 (1264 m. w. N.). 182  Schleswig-Holsteinisches LVerfG, Urteil vom 30.08.2010, LVerfG 3/09, JZ 2011, S. 261 (266); vgl. BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 124 = BVerfGE 130, 318 (352); BVerfGE 129, 300 (320 f.). 183  Siehe Kapitel 2: C. III. 180  BVerfGE



D. Verfassungsrechtliche Bewertung der Fachausschüsse 105

Übertragung vorbereitender Aufgaben auf Fachausschüsse wird das Ziel verfolgt, eine Spezialisierung und Arbeitsteilung der Abgeordneten zu ermög­ lichen und so das Parlament insgesamt zu entlasten. Es kommt folglich die Sicherung der Funktions- und Repräsentationsfähigkeit des Bundestags zum Tragen. Mit der Ausschussdelegation wird insofern ein legitimer, vom Grundgesetz anerkannter Zweck verfolgt. Die umfassende Einbindung von Fachausschüssen in die Parlamentsarbeit ist zur Erreichung dieses Ziels auch grundsätzlich ein geeignetes Mittel. bb) Erforderlichkeit Weiterhin muss der Eingriff in den Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation für Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundestages erforderlich sein. Eine Maßnahme ist nur dann erforderlich, wenn es kein gleich geeignetes, milderes Mittel zur Erreichung des verfolgten Ziels gibt. Die Delegation muss dem „Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs“ genügen.184 Die Einrichtung von Fachausschüssen muss insofern nicht nur als solche grundsätzlich erforderlich sein, sondern die Ausschüsse müssen auch in einer Art und Weise eingerichtet werden, dass hiermit ein möglichst geringer Eingriff in die betroffenen Verfassungsgüter verbunden ist. Die Erforderlichkeit erfasst somit Gesichtspunkte des „ob“ und des „wie“ einer Aufgabenübertragung. Insofern ist zunächst einmal hinsichtlich des ob festzustellen, dass die Einbindung der Fachausschüsse zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Bundestages grundsätzlich erforderlich ist. Das Parlament ist zum Erhalt seiner Arbeitsfähigkeit zwingend auf eine Arbeitsteilung und Entlastung angewiesen. Das Plenum ist schon aufgrund seiner Größe und „Schwerfälligkeit“ zu einer effizienten und zügigen Detailarbeit nicht in der Lage.185 Da­ rüber hinaus zwingt die „zunehmende Komplexität der zu behandelnden Sachverhalte“ zu einer Spezialisierung und damit auch Arbeitsteilung im Bundestag.186 Die Aneignung fundierter Kenntnisse auf der gesamten Bandbreite der politischen Agenda, mit der auf Seiten der Exekutiven derzeit 14 Bundesministerien samt zugehörigem ministerial-bürokratischem Unterbau befasst sind, ist für einen einzelnen Abgeordneten undenkbar. Eine qualifizierte und sachkundige Entscheidung kann es nur dann geben, wenn die Repräsentanten die Zeit und Ressourcen haben, sich in die verschiedenen Materien vertieft einzuarbeiten und so inhaltlich eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen. Bei einer gleichmäßigen Beteiligung aller Abgeordneten 184  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 131 = BVerfGE 130, 318 (355); Moench/Ruttloff, in: DVBl 2012, S. 1261 (1265). 185  BVerfGE 44, 308, (317). 186  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 120 = BVerfGE 130, 318 (350).

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Kap. 3: Grundgesetz und Ausschüsse

mit sämtlichen parlamentarischen Aufgaben wären sie zwangsläufig abhängig von Empfehlungen und Ratschlägen der Bundesregierung, ihrer Parteikörper oder Interessenverbände. Dem Gedanken der Repräsentation wäre damit nicht gedient. Die Ausschusstätigkeit ist für die Funktionsfähigkeit des Bundestages daher zwingend erforderlich.187 Die Ausschussdelegation muss darüber hinaus auch hinsichtlich des „wie“ erforderlich sein. Die Ausschüsse müssen also dergestalt eingerichtet werden, dass der hiermit verbundene Eingriff in den Abgeordnetenstatus sowie die Gesamtrepräsentation möglichst gering ausfällt. Das ist dann der Fall, wenn bei der Delegation die Abgeordnetenrechte und die Gesamtrepräsentation möglichst umfassend berücksichtigt werden. Hierfür ist grundsätzlich erforderlich, dass die Ausschüsse nach dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit zusammengesetzt werden (1) und, dass jedem Abgeordneten ein Anspruch auf zumindest einen Ausschusssitz zukommt (2). Zu untersuchen bleibt anschließend, ob die fehlende Stimmberechtigung der fraktionslosen Abgeordneten mit dem Grundsatz der Erforderlichkeit vereinbar ist (3). (1) Grundsatz der Spiegelbildlichkeit Um dem Repräsentationsgedanken bereits in den Ausschüssen gerecht zu werden, „muss grundsätzlich jeder Ausschuss ein verkleinertes Abbild des Plenums sein und in seiner Zusammensetzung die Zusammensetzung des Plenums widerspiegeln“.188 Nur wenn die Ausschüsse die politische Zusammensetzung des Parlaments widerspiegeln, kann bereits hier eine parallele und repräsentative Willensbildung stattfinden. Zum Tragen kommt hier der dem Demokratieprinzip inbegriffene Gleichheitssatz. Wie oben gezeigt erfordert die Gesamtrepräsentation eine möglichst umfassende und gleichberechtigte Einbindung sämtlicher Abgeordneten.189 Setzt sich die demokratische Gleichheit der Wähler zwingend in der Gleichheit des Abgeordnetenmandats fort, so muss die Gleichheit der Abgeordneten in einem zweiten Schritt in der Gleichheit der – aus den Abgeordneten bestehenden – Fraktionen münden. „So ergibt sich die Reihung: Wahlrechtsgleichheit – Abgeordnetengleichheit – Fraktionsgleichheit“.190 Eine Gleichbehandlung der Fraktionen bedeutet, sie entsprechend der Zahl ihrer Abgeordneten zu behandeln.191 Nur 187  Geis, in: HStR III (3. Auflage), § 54 Rn. 1; Partsch, in: VVDStRL 16 (1958), S.  77 ff. 188  BVerfGE 80, 188 (222); 84, 304 (322); vgl. Steinbach, in: DÖV 2016, S. 286 (287 ff.). 189  Siehe Kapitel 2: B. III. 1. b) und 2. b). 190  Dreier, in: JZ 1990, 310 (318); vgl. BVerfGE 112, 118 (133 ff.). 191  BVerfGE 112, 118 (133 f.).



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wenn so die Chancengleichheit der Abgeordneten gewahrt bleibt, kann von einem geringstmöglichen Eingriff ausgegangen werden. Der Gedanke der Spiegelbildlichkeit ist folglich ein elementares Kriterium für die Ausschussbesetzung. Normiert ist er in § 12 GOBT. Danach sind die Ausschüsse entsprechend der Stärkeverhältnisse der Fraktionen zusammenzusetzen. Aufgrund der Gleichheit der Fraktionen und der hohen Bedeutung, welche diese für die Repräsentation in den Ausschüssen haben, folgt zudem der Grundsatz, dass jeder Fraktion mindestens ein Sitz in jedem Ausschuss zukommen muss.192 Eine streng proportionale Ausschussbesetzung darf nicht dazu führen, dass bei kleinen Ausschüssen eine Fraktion gar nicht mehr repräsentiert ist. Dann würde nämlich die durch die Fraktionen gemittelte Repräsentation der nicht im Ausschuss vertretenen Abgeordneten gänzlich entfallen. Eine erhebliche Meinungsströmung im Parlament, nach § 10 Abs. 1 GOBT zumindest 5 % der Bundestagsabgeordneten, würden von der Willensbildung partiell ausgeschlossen. Das ist mit dem Abgeordnetenstatus sowie dem Prinzip der Gesamtrepräsentation unvereinbar. Eine Ausnahme von diesem elementaren Prinzip ist auch nicht über die Funktionsfähigkeit des Bundestages – respektive durch Belange des Geheimschutzes – zu rechtfertigen.193 Gründe, warum für die Funktions- und Repräsentationsfähigkeit des Bundestages der Ausschluss einer gesamten Fraktion vom Willensbildungsprozess abhängen soll, sind in einer parlamentarischen Demokratie kaum vorstellbar. Führen bei sehr kleinen Ausschüssen die zur Anwendung kommenden Berechnungsverfahren Hare / Niemeyer, d’Hondt oder Sainte-Laguë /  Schepers194 zu einem Fraktionsausschluss, muss ein Ausschusssitz in Abweichung von einer streng mathematischen Spiegelung durch eine Grundmandatsklausel sichergestellt werden.195 Schließlich erfordert die zentrale Bedeutung des Mehrheitsprinzips für die repräsentative Demokratie,196 dass auch in den Ausschüssen die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse gewahrt werden. Durch die verkleinerte Spiegelung darf keine Pattsituation zwischen 192  Steiger, Organisatorische Grundlagen, S. 124 ff.; Achterberg, Parlamentsrecht, S. 292; Birk, in: NJW 1988, S. 2521 (2524); BVerfGE 70, 324 (363); vgl. BVerfGE 70, 324 (363); 112, 118 (135 ff.); a. A. BVerfG, Urteil vom 22.09.2015 – 2 BvE 1/11, juris Rn. 96. 193  Dreier, in: JZ 1990, S. 310 (320); anders im Ergebnis Bayrischer VerfGH, Vf. 118-IV-89 vom 14.12.1988, BayVBl. 1989, S. 173 f.; BVerfGE 70, 324 ff.; kritisch die Sondervoten von Richter Mahrenholz (BVerfGE 70, 324 (366 ff.)) und Böckenförde (BVerfGE 70, 324 (380 ff.)). 194  www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse18/azur/azur/214062, zuletzt aufgerufen am 15.09.2025. 195  Birk, in: NJW 1988, S. 2521 (2524 f.). 196  Vgl. BVerfGE 1, 299 (315); 5, 85 (231 f.); 29, 154 (165); 106, 253 (273); vgl. Lang, in: NJW 2005, S. 189 ff.; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 42 Rn. 31.

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Kap. 3: Grundgesetz und Ausschüsse

Oppositions- und Regierungsfraktionen entstehen. Auch im Ausschuss muss daher die regierungstragende Parlamentsmehrheit gewahrt werden.197 Das Prinzip der Spiegelbildlichkeit schreibt zwar keine Mindestgröße von Ausschüssen fest, allerdings verliert die Spiegelung bei abnehmender Ausschussgröße an Präzision.198 Da nur ganze Ausschusssitze vergeben werden können, lässt sich grundsätzlich keine exakte Proportionalität durchsetzen.199 Allerdings können größere Ausschüsse die Mehrheitsverhältnisse des Plenums genauer spiegeln. Ihnen kommt in Folge nicht nur deshalb eine größere Repräsentationswirkung zu, weil eine tatsächlich größere Zahl an Repräsentanten unmittelbar beteiligt ist, sondern auch deshalb, weil so die Stärkeverhältnisse im Plenum genauer übertragen werden können und so die Chancengleichheit der Abgeordneten in größerem Umfang sichergestellt wird.200 Im Übrigen wird durch die aufgezeigten Grundsätze eine natürliche Mindestgröße gesetzt, die je nach Zahl der im Bundestag vertretenen Fraktionen und eventuell erforderlichem „Mehrheitszuschlag“ verschieden groß ist. Die Größe des aktuell kleinsten Fachausschusses mit 16 Mitgliedern scheint diesbezüglich allerdings unbedenklich. (2) Anspruch jedes Abgeordneten auf einen Ausschusssitz Aus der Abgeordnetengleichheit und der Gesamtrepräsentation folgt prinzipiell auch der Anspruch eines jeden Volksvertreters auf Mitgliedschaft in zumindest einem Ausschuss, vgl. § 57 Abs. 1 Satz 2 GOBT.201 Die große Bedeutung der Ausschusstätigkeit bringt die politische Bedeutung einer Ausschussmitgliedschaft mit sich. Besonders hier haben die Abgeordneten die Möglichkeit, auf die parlamentarische Willensbildung unmittelbar selbst gestaltend einzuwirken.202 Dabei flankieren auch hier der Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation das Repräsentationsprinzip. Eine möglichst breit gestreute und umfassende Einbindung sämtlicher Volksvertreter in die Willensbildung ist in der Idee der Repräsentation angelegt. Würden über die Fraktionen dieselben Abgeordneten in eine Vielzahl von Ausschüssen entsendet – etwa aufgrund ihrer parteiinternen Machtposition – und infolge dessen dieselben individuellen Politikvorstellungen in einer Vielzahl von Ausschüssen die ganze Breite der Gesetzgebung vorprägen, so wäre das ein massiver 197  BVerfGE

112, 118 (141). in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 4 Rn. 108. 199  Geis, in: HStR III (3. Auflage), § 54 Rn. 42. 200  Vgl. BVerfG, Urteil vom 22.09.2015 – 2 BvE 1/11, Rn. 97; a. A. Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, S. 162. 201  Vgl. Brocker, in: BK, GG, Art. 40 Rn. 81. 202  Geis, in: HStR III (3. Auflage), § 54 Rn. 59. 198  Meyer,



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Verstoß gegen die aus der Wahlrechtsgleichheit folgende Abgeordnetengleichheit und den Repräsentationsgedanken. Insofern hat grundsätzlich jeder Abgeordnete einen Anspruch darauf, in mindestens einem Bundestagsausschuss mitzuwirken.203 Ein Anspruch auf Mitgliedschaft in einem bestimmten Ausschuss besteht jedoch nicht. Die aus der Abgeordnetengleichheit folgenden Rechte können wie dargelegt nur als Mitgliedschaftsrechte bestehen.204 Entsprechend ihrer großen Bedeutung für die Vermittlung indirekter Repräsentation werden die Ausschussmitglieder durch die Fraktionen bestimmt, § 57 Abs. 2  GOBT.205 Durch dieses Verfahren wird sichergestellt, dass die Abgeordneten in die Fachausschüsse entsendet werden, die hinsichtlich der entsprechenden Materie das Vertrauen der Fraktion genießen und deren Wirkung bei der Willensbildung im Ausschuss der Fraktionsvorstellung entspricht. Die Abgeordneten fungieren in den Ausschüssen gewissermaßen als Repräsentanten der übrigen Fraktionsabgeordneten. (3) Zur Problematik des fraktionslosen Abgeordneten Vor dem Hintergrund der Abgeordnetengleichheit erscheint es schließlich besonders problematisch, inwiefern der Ausschluss des Stimmrechts für fraktionslose Abgeordnete zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundestages erforderlich ist. Als milderes Mittel kommt augenscheinlich ein Stimmrecht gleichermaßen für fraktionslose wie fraktionsangehörige Ausschussabgeordnete in Betracht. Die Einräumung des Stimmrechts auch für fraktionslose Abgeordnete müsste darüber hinaus aber auch zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundestages gleichermaßen geeignet sein. In diesem Zusammenhang ist abermals darauf hinzuweisen, dass das Verfassungsgebot der Funktionsfähigkeit des Bundestages stets in seinem Bedeutungsgehalt für das Repräsenta­ tionsprinzip zu sehen ist. Es darf insofern nicht alleine auf eine Schnelligkeit und Effizienz des Entscheidungsfindungsprozesses abgestellt werden.206 Der Bundestag muss gerade als Repräsentationsorgan funktionsfähig sein.207 Allein festzustellen, dass eine Arbeitsteilung und Arbeitsentlastung auch bei einem Stimmrecht der fraktionslosen Abgeordneten möglich ist, wäre insofern verkürzt. Der Entzug des Stimmrechts für fraktionslose Abgeordnete könnte insofern zunächst einmal dadurch begründet werden, dass dies erforderlich sei, 203  BVerfGE

80, 188 (224). 80, 188/219); Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 40 Rn. 133. 205  BVerfGE 80, 188 (223). 206  Vgl. Hölscheidt, in: DVBl 1989, S. 291 (292 f.). 207  Siehe Kapitel 2: C. III. 204  BVerfGE

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Kap. 3: Grundgesetz und Ausschüsse

um die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse beizubehalten.208 Denn die erhebliche Verkleinerung der Ausschüsse gegenüber dem Plenum kann schnell dazu führen, dass der Vorsprung der Regierungsfraktionen gegenüber den Oppositionsfraktionen auf nur einen Sitz zusammenschrumpft und in Folge ein einziger fraktionsloser Abgeordneter eine Pattsituation erreichen könnte.209 Grundsätzlich richtig ist daran, dass eine in die Ausschüsse vorverlagerte Repräsentation notwendig bedingt, dass auch hier die parlamentarische Mehrheit entscheidet. Ausschussvorlagen, welche auf einen gemeinsamen Beschluss der Oppositionsfraktionen und fraktionsloser Abgeordneter im Ausschuss – also auf Abgeordnete einer parlamentarischen Minderheit – zurückzuführen sind, können kaum als repräsentativ für die Volksvertretung angesehen werden. Eine solche Ausschussvorlage wäre im Plenum kaum mehrheitsfähig. Die Funktion der Ausschüsse, nämlich die Entscheidungen des Plenums durch „die Erarbeitung mehrheitsfähiger Entscheidungs­grund­ lagen“210 vorzubereiten, wäre verfehlt. Gleichwohl vermag diese Argumentation deshalb nicht zu überzeugen, weil der Entzug des Stimmrechts für fraktionslose Abgeordnete zur Wahrung der Mehrheitsverhältnisse gar nicht erforderlich ist. Die Mehrheit der Regierungsfraktionen könnte ohne weiteres auch im Ausschuss durch einen zusätzlichen Ausschusssitz gewährleistet werden.211 Das fehlende Stimmrecht könnte jedoch für die Bewahrung der parlamentarischen Stärkeverhältnisse erforderlich sein. Hintergrund ist auch hier der Spiegelbildlichkeitsgrundsatz als zentrales Aufbauprinzip für die Bundestagsausschüsse. Eine repräsentative Ausschusszusammensetzung bedingt nicht nur gleichbleibende Mehrheiten, sondern eben darüber hinaus auch eine Wiedergabe der parlamentarischen Stärkeverhältnisse. Eine Schlüsselfunktion für die Spiegelung kommt dabei, wie dargestellt, den Bundestagsfraktionen zu.212 Erst durch die Bündelung vieler Abgeordneter zu größeren Meinungsströmungen wird eine Übertragung der Stärkeverhältnisse möglich. Leitgedanke bei der Ausschussbesetzung ist insofern die Chancengleichheit der Fraktionen,213 die sich freilich selbst aus der Abgeordnetengleichheit und Wahlrechtsgleichheit herleitet.214 Verbunden damit ist ein konzeptioneller Einfluss der Fraktionen auf die Ausschüsse. Den Fraktionen werden anhand 208  BVerfGE

80, 188 (225). Ziekow, in: JuS 1991, S. 28 (31). 210  BVerfGE 80, 188 (222, 225). 211  BVerfGE 80, 188 (240) – Minderheitenvotum Richter Mahrenholz; Trute, in: Jura 1990, S. 184 (191); Schulze-Fielitz, in: DÖV 1989, S. 829 (833). 212  Siehe Kapitel 3: D. III. 1. a) aa) und b) bb) (1). 213  Vgl. Schneider, in: AK-GG, Art. 38 Rn. 35a. 214  BVerfGE 70, 324 (382) – Sondervotum Richter Böckenförde. 209  Vgl.



D. Verfassungsrechtliche Bewertung der Fachausschüsse 111

ihrer Größe im Plenum die Ausschusssitze zugeordnet, vgl. § 12 Satz 1 GOBT. Die Abgeordneten werden durch ihre Fraktionen in die Ausschüsse entsandt, § 57 Abs. 2 Satz 1 GOBT. Die funktionale Verschränkung von Abgeordneten und Fraktionen in den Ausschüssen führt so weit, dass die Fraktionen ihre Abgeordneten im Zweifelsfall auch wieder abberufen können.215 Die Ausübung des freien Mandats der Abgeordneten in den Ausschüssen ist folglich im besonderen Maße durch die Fraktionsmitgliedschaft geprägt. Die Abgeordneten sitzen und sprechen in den Ausschüssen eben auch für ihre Frak­ tionen.216 Die Fraktionsabgeordneten mediatisieren die mittelbaren Beteiligungsmöglichkeiten ihrer Fraktionskollegen und sitzen nicht als parlamentarische Einzelkämpfer alleine in Ausübung ihres freien Mandats im Ausschuss. Das Mandat des einzelnen Abgeordneten erhält insofern durch die dahinter stehende Fraktion ein besonderes Gewicht.217 Eine solche parlamentarische Tiefenwirkung kommt den fraktionslosen Abgeordneten nicht zu. Einem Abgeordneten, der im Plenum wie im Ausschuss nur für sich steht, kommt im Ausschuss ein weit überproportionaler Stellenwert zu.218 Wird angesichts dieser Verzerrung den fraktionslosen Abgeordneten noch ein Stimmrecht verliehen, so ist das gerade nicht im Sinne der Spiegelbildlichkeit und einer repräsentativen Ausschussbesetzung. Die Repräsentations- und Funktionsfähigkeit des Bundestages wird insofern durch eine Stimmbefugnis der frak­ tionslosen Abgeordneten in den Ausschüssen nicht gleichermaßen effektiv gesichert. Etwas anderes ergibt sich erst dann, wenn der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit vom einzelnen Ausschuss gelöst wird und auf die Summe der insgesamt zur Verfügung stehenden Ausschusssitze bezogenen wird.219 Ein einzelner, vollwertiger Ausschusssitz für fraktionslose Abgeordnete bringt bei diesem Maßstab keine Verzerrung der parlamentarischen Kräfteverhältnisse mit sich, da er in den allermeisten Ausschüssen gar nicht vertreten ist. Folglich könnte argumentiert werden, dass es gerade dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit entspräche, dem fraktionslosen Abgeordneten in einem einzigen Ausschuss einen überdurchschnittlichen Einfluss einzuräumen. In der Gesamtschau kommt dem fraktionslosen Abgeordneten schließlich gleichwohl kein überproportionales Stimmgewicht zu. Allerdings überzeugt dieser An215  Vgl. 80, 188 (233); Badura, in: BK, GG, Art. 38 Rn. 96; Höscheidt, in: DVBl 1989, S. 291 (294 f.); Schulze-Fielitz, in: DÖV 1989, S. 829 (835); Schreiber, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 38 Rn. 200 ff. m. w. N. 216  BVerfGE 80, 188 (224). 217  Trute, in: Jura 1990, S. 184 (190). 218  BVerfGE 80, 188 (224). 219  So Trute, in: Jura 1990, S. 184 (191); Schreiber, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 38 Rn. 219.

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Kap. 3: Grundgesetz und Ausschüsse

satz, den Spiegelbildlichkeitsgrundsatz von den einzelnen Ausschüssen zu lösen und auf eine parlamentarische Gesamtbetrachtung auszuweiten, nicht. Denn der Repräsentationsgedanke muss bei jedem einzelnen parlamentarischen Willensbildungsprozess zum Tragen kommen. Es genügt gerade nicht, dass eine Vielzahl für sich genommen unproportional zusammengesetzter und damit einseitig gelagerter Ausschüsse im Durchschnitt die Stärkeverhältnisse des Bundestages widerspiegeln. Ein Mehr an Gestaltungseinfluss eines Abgeordneten in einem Ausschuss kann nicht durch dessen Vakanz in den anderen Ausschüssen kompensiert werden. Insofern muss jeder einzelne Ausschuss, der Entscheidungen des Plenums vorbereitet, nach den Grundsätzen der Spiegelbildlichkeit repräsentativ zusammengesetzt werden. Aus dem gleichen Grund kann gegen die nur beratende Stellung der fraktionslosen Abgeordneten auch nicht der Grundsatz der Abgeordnetengleichheit in Stellung gebracht werden.220 Der Status der Gleichheit der Abgeordneten ist darauf gerichtet, die repräsentative Stellung des Parlaments zu stützen. Die Gleichstellung der Abgeordneten soll gerade verhindern, dass es zu einem Übergewicht einzelner Repräsentanten kommt und damit zu einer Verzerrung der Wahlrechtsgleichheit auf der Ebene der gewählten Abgeordneten.221 Zu genau so einem Ungleichgewicht käme es aber, würde der Grundsatz der Abgeordnetengleichheit schematisch auf einen verkleinerten Ausschuss angewandt, ohne dabei Gewicht und Bedeutung der Bundestagsfraktionen zu berücksichtigen. Das führte zu einer Gleichbehandlung von Ungleichem. Zwar kommt allen Abgeordneten grundsätzlich der gleiche Status zu, losgelöst von einer etwaigen Fraktionsmitgliedschaft.222 Allerdings lässt dies die Tatsache unberührt, dass bei den Fraktionsabgeordneten in den Ausschüssen nicht nur deren verfassungsrechtlicher Status zu berücksichtigen ist, sondern aufgrund ihrer Bündelungsfunktion auch der ihrer Fraktionskollegen.223 Eine strikte Gleichbehandlung mit den fraktionslosen Einzelgängern wird von dem Grundsatz der Abgeordnetengleichheit insofern gar nicht verlangt. Die nur beratende Ausschussmitgliedschaft der fraktionslosen Abgeordneten ist im Ergebnis zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundestages erforderlich.

220  So aber BVerfGE 80, 188 (238 f.) – Sondervotum Richter Mahrenholz; Trute, in: Jura 1990, S. 184 (190 f.); Hölscheidt, in: DVBl 1989, S. 291 (293). 221  Siehe Kapitel 2: B. III. 2. b). 222  BVerfGE 70, 324 (354); 80, 188 (232); Schreiber, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 38 Rn. 219. 223  Vgl. BVerfGE 70, 324 (382) – Sondervotum Richter Böckenförde.



D. Verfassungsrechtliche Bewertung der Fachausschüsse 113

cc) Angemessenheit Die Tätigkeit der Fachausschüsse und die Beschränkung der Gesamtrepräsentation müsste schließlich auch verhältnismäßig im engeren Sinne sein. Zwischen der Funktionsfähigkeit des Bundestages und dem Abgeordnetenstatus sowie der Gesamtrepräsentation muss nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz ein angemessener Ausgleich gefunden werden.224 Zunächst einmal ist dabei festzustellen, dass der mit der vorbereitenden Ausschusstätigkeit verbundene Eingriff in den Grundsatz der Gesamtrepräsentation sowie den Abgeordnetenstatus von überschaubarem Ausmaß ist. Durch die Einbindung der Abgeordneten in die Fraktionen wird bereits vor und auch parallel zur Ausschusstätigkeit ihre mittelbare Beteiligung an dem parlamentarischen Willensbildungsprozess in den Ausschüssen ermöglicht. Auch den Rechten der fraktionslosen Abgeordneten wird durch deren Anspruch auf einen beratenden Ausschusssitz und den damit verbundenen Antrags- und Rederechten Rechnung getragen.225 Die fehlende Stimmberechtigung ist hier angesichts der fehlenden fraktionellen Rückbindung verfassungsrechtlich geboten oder zumindest vertretbar.226 Zu berücksichtigen bleibt, dass die Ausschussphase nur einen Ausschnitt des parlamentarischen Verfahrens betrifft. Außerhalb der Ausschussphase bleibt eine unmittelbare Einbindung aller Abgeordneter an den Beratungen im Plenum und schließlich der Schlussabstimmung bestehen. Dem Status der Abgeordneten und dem Grundsatz der Beteiligung aller Abgeordneter an der Parlamentsarbeit wird hier umfassend Rechnung getragen. Zugleich ist die Delegation vorbereitender Aufgaben auf Fachausschüsse für die Arbeitsfähigkeit des Bundestages und damit auch für dessen Repräsentationsfunktion zwingend erforderlich. Erst durch die Fachausschüsse wird eine Spezialisierung und Aneignung profunden Expertenwissens der Abgeordneten möglich. Die Einbindung der Fachausschüsse ist mithin eine elementare Prämisse für eigenverantwortliche Entscheidungen der Repräsentanten. Im Ergebnis wird daher der übergeordnete Repräsentationsgedanke durch die Ausschusstätigkeit erheblich gestärkt. Sofern zugleich in den Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation als Unterfall des Repräsentationsprinzips eingegriffen wird, ist das bei der gebotenen Gesamtbetrachtung angemessen. Der Eingriff ist damit gerechtfertigt.

224  BVerfG,

2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 144 = BVerfGE 130, 318 (359 f.). 80, 188 (221 f.); Ziekow, in: JuS 1991, S. 28 (32); kritisch BVerfGE 80, 188 (235 ff.) – Sondervotum Richter Mahrenholz. 226  Vgl. BVerfGE 80, 188 (241 ff.) – Sondervotum Richter Kruis. 225  BVerfGE

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Kap. 3: Grundgesetz und Ausschüsse

2. Öffentlichkeit Zu untersuchen bleibt weiterhin, wie eine Ausschusstätigkeit unter dem Gesichtspunkt des Öffentlichkeitsprinzips zu beurteilen ist. Die Ausschüsse beraten nach § 69 Abs. 1 Satz 1 GOBT grundsätzlich nichtöffentlich. Dabei stellt sich zunächst die Frage, inwiefern die Ausschüsse selbst überhaupt von dem Öffentlichkeitsprinzip erfasst werden (a)). Anschließend ist zu untersuchen, in welchem Ausmaß die Ausschusstätigkeit dem Zugang der Öffentlichkeit entzogen ist (b)). Schließlich ist zu prüfen, ob die Beschränkung der Öffentlichkeit verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann (c)). a) Geltung des Öffentlichkeitsprinzips für Ausschüsse Vorweg ist die Frage zu untersuchen, ob und inwiefern die Bundestagsausschüsse überhaupt von dem Öffentlichkeitsprinzip erfasst werden. In Betracht kommt sowohl eine Einbeziehung in die Sitzungsöffentlichkeit gemäß Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG als auch ein Rückgriff auf das allgemeine verfassungsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip. aa) Sitzungsöffentlichkeit nach Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG Nach Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG verhandelt der Bundestag öffentlich. Der Wortlaut erstreckt den Anwendungsbereich insofern zunächst einmal nur auf die Sitzungsöffentlichkeit des Plenums.227 Gleichwohl wird in der Literatur zum Teil vertreten, dass die Ausschüsse aufgrund der herausragenden Bedeutung des Öffentlichkeitsprinzips in den Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit mit einzubeziehen sind.228 Unter Verhandeln im Sinne des Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG sei der „gesamte der Entscheidung vorgeschaltete Prozess“ zu verstehen.229 Mithin haben auch die Ausschüsse nach Art. 42 GG grundsätzlich öffentlich zu verhandeln.230

227  Versteyl, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 45 Rn. 2 f.; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 42 Rn. 32; Müller-Terpitz, in: BK, GG, Art. 42 Rn. 50; BVerfGE 1, 144 (152). 228  Appoldt, Die Öffentlichen Anhörungen, S. 100 f. (102); Morlok, in: Dreier, GG, Art. 42 Rn. 24; Kluth, in: Schmitdt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 42 Rn. 7; vgl. Versteyl, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 42 Rn. 5 ff.; Schuster, in: DÖV 2014, S. 516 (521); vgl. Linck, in: DÖV 1973, S. 513 (516 f.); vgl. Linck, in: ZParl 1992, S. 673 (680). 229  BVerfGE 89, 291 (303). 230  Schuster, in: DÖV 2014, S. 516 (521); vgl. hierzu Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 42 Rn. 32.



D. Verfassungsrechtliche Bewertung der Fachausschüsse 115

Allerdings sprechen der Wortlaut und die Systematik der Verfassung gegen eine unmittelbare Einbeziehung der Ausschussberatungen in die Sitzungsöffentlichkeit von Art. 42 GG. Das Grundgesetz meint mit dem Bundestag die Vollversammlung der Abgeordneten im Plenum.231 Eine Regelung für Ausschusssitzungen enthält Art. 42 Abs. 1 GG nicht. Anders dagegen Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, der die grundsätzliche Öffentlichkeit für Verhandlungen der Untersuchungsausschüsse explizit anordnet.232 Auch Art. 42 Abs. 3 GG bezieht den Regelungsbereich ausdrücklich auf den Bundestag und seine Ausschüsse. Das Grundgesetz differenziert also bewusst zwischen dem Bundestag und den Ausschüssen. Eine ausdrückliche Sitzungsöffentlichkeit für die Ausschüsse wird dabei nicht normiert.233 Das Verfahren zum Ausschluss der Öffentlichkeit in Art. 42 Abs. 1 Satz 2 GG ist der Sache nach nur auf das Bundestagsplenum anwendbar und kann auch nicht analog auf Ausschüsse übertragen werden. Dass es sich hierbei um eine planwidrige Regelungslücke handelt, kann im Kontext der Art. 42 GG ff. nicht angenommen werden. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Parlamentsausschüsse bei der Schaffung des Grundgesetzes bereits eine lange Tradition in der deutschen Verfassungsgeschichte hatten.234 Dabei war die Nichtöffentlichkeit der Ausschusssitzungen bereits zur Zeit der Weimarer Republik in § 34 der Geschäftsordnung für den Reichstag235 festgelegt, obgleich auch in Art. 29 WRV die Sitzungsöffentlichkeit des Reichstages festgeschrieben war. Insofern ist anzunehmen, dass der Verfassungsgeber die Ausschüsse von der Sitzungsöffentlichkeit des Bundestagsplenums bewusst ausgenommen hat, um hier zumindest optional den Ausschluss der Öffentlichkeit und damit eine Entschärfung und Versachlichung der Diskussion zu ermöglichen.236 Eine Einbeziehung der Ausschüsse in den Regelungsbereich von Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG überzeugt daher nicht.237

231  Kißler, Die Öffentlichkeitsfunktion des Deutschen Bundestages, S. 331; Brocker, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 42 Rn. 2; Dicke, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 42 Rn. 10, BVerfGE 1, 144 (152). 232  Linck, in: ZParl 1992, S. 673 (680 f.); Binder, in: DVBl 1985, S. 1112 (1117 f.). 233  Müller-Terpitz, in: BK, GG, Art. 42 Rn. 50; Linck, in: DÖV 1973, S 513 (516); Linck, in: ZParl 1992, S. 673 (680 f.). 234  Vgl. Vetter, Die Parlamentsausschüsse, S. 13  f.; Frost, in: AöR 1970, S. 38 (45 f.). 235  Amtliche Ausgabe vom 31.12.1922. 236  Ausführlich hierzu s. u., Kapitel 3: D. III. 2. c) bb). 237  Müller-Terpitz, in: BK, GG, Art. 42 Rn. 52; Magiera, in: Sachs, GG, Art. 42 Rn. 2.

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Kap. 3: Grundgesetz und Ausschüsse

bb) Allgemeines Öffentlichkeitsprinzip Allerdings unterliegt die Ausschusstätigkeit auch ohne Einbeziehung in den Regelungsbereich von Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG dem allgemeinen verfassungsstaatlichen Öffentlichkeitsgebot.238 Das Öffentlichkeitsprinzip ist unmittelbar mit dem Demokratie- und Repräsentationsprinzip verbunden und bedarf für sich genommen gar keiner Vermittlung durch Art. 42 GG.239 Demokratische Repräsentation kann das Parlament nur durch die Öffentlichkeit seiner Verhandlungen vermitteln.240 Im Demokratieprinzip ist eine „grundsätzliche Tendenz zur Publizität“ für politisch-repräsentative Aufgaben angelegt.241 Die Öffentlichkeit von Entscheidungsprozessen ist die Prämisse für eine politische Meinungsbildung des Wahlvolkes. Die Öffentlichkeit ist damit eine parlamentarische Verfahrensmaxime, losgelöst von der Frage, ob Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG greift.242 Der Ausschluss der Öffentlichkeit ist schon deshalb rechtfertigungsbedürftig, weil hiermit auch eine Verkürzung demokratischer Repräsentation verbunden ist.243 Die Parlamentsbeschlüsse verlieren mit abnehmender Transparenz an Legitimität.244 Diese Tendenz zur Öffentlichkeit ist dabei grundsätzlicher Art und erfasst der Sache nach den gesamten Bereich der parlamentarischen Entscheidungsfindung. Die Argumentation, die Öffentlichkeit sei wegen der „fachspezifischen Kompliziertheit“ der Ausschussangelegenheiten oder des nur geringen 238  Linck, in: ZParl 1992, S. 673 (699 ff.); Steiger, Organisatorische Grundlagen, S. 141 ff., 144; a. A. wohl Schürmann, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, § 19 Rn. 37. 239  Vgl. BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 108 = BVerfGE 130, 318 (344); BVerfGE 70, 324 (358); siehe Kapitel 2: B. IV. 240  Kissler, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 36 Rn. 1 ff.; Binder, in: DVBl 1985, S. 1112 ff. 241  Vgl. Leibholz, Das Wesen der Repräsentation, S. 176 f.; Brocker, in: Epping/ Hillgruber, GG, Art. 42 Rn. 1 ff.; a. A. Kretschmer, in: BK, GG, Art. 45 Rn. 230. 242  Achterberg, Parlamentsrecht, S. 562; Linck, in: DVBl 2005, S. 793 (794 f.); vgl. Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 42 Abs. 1; Dicke, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 42 Rn. 11. Dieses Öffentlichkeitsgebot gilt nur für den parlamentarischen Raum selbst. Fraktionssitzungen sind keine Veranstaltungen, die dem Bundestag als Verfassungsorgan zuzurechnen sind. Die Behauptung, wenn eine grundsätzliche Öffentlichkeit der Ausschüsse gefordert würde, müsse auch konsequenterweise eine Öffentlichkeit der Fraktionssitzungen verlangt werden, ist insofern unzutreffend, vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 42 Rn. 44; Kluth, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 42 Rn. 8. 243  Vgl. Jestaedt, in: AöR 2001, S. 204 (220); Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 42 Rn. 3; vgl. Pieper, Verfassungsrichterwahlen, S. 34. 244  Vgl. Morlok, in: VVDStRL 62 (2003), S. 37 (59 ff., 62); Schulze-Fielitz, Theorie und Praxis parlamentarischer Gesetzgebung, S. 208; Klein, in: ZRP 1976, S. 81 (82); Kriele, in: VVDStRL 29 (1970), S. 68.



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Interesses der Bevölkerung an der Ausschussarbeit gar nicht erst erforder­ lich,245 überzeugt insofern nicht. Denn in einer Demokratie kann es schlechterdings nicht Aufgabe des Parlaments sein, zu beurteilen, wofür der Wahlbürger sich interessiert und woran er seine Wahlentscheidung festmacht. Zudem sind es häufig gerade die vermeintlichen Details, an denen sich ein besonderes öffentliches Interesse entfacht. Auch die Nichtöffentlichkeit vorbereitender Beratungen über Gesetzgebungsdetails ist damit prinzipiell rechtfertigungsbedürftig. b) Öffentlichkeit und Ausschussarbeit Der Sache nach findet die Ausschussarbeit gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 GOBT unter grundsätzlichem Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Um Missverständnissen vorzubeugen sei an dieser Stelle klargestellt, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit nicht den Zugang für die übrigen Bundestagsabgeordneten oder die Mitglieder der Bundesregierung und des Bundesrates begrenzt.246 Die Nichtöffentlichkeit wirkt sich insofern allein auf die Beziehung zwischen dem Wahlvolk und seinen Repräsentanten aus. Die Beziehung der Abgeordneten untereinander sowie die zwischen Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat bleibt davon unberührt. Allerdings bedeuten die nicht öffentlichen Ausschusssitzungen keineswegs einen konsequenten Ausschluss der Öffentlichkeit von der Ausschussarbeit insgesamt. Auch während der Ausschussphase bestehen diverse Möglichkeit zur Herstellung der Öffentlichkeit. So besteht die, in der Praxis allerdings kaum genutzte,247 Möglichkeit, die Öffentlichkeit in der Ausschusssitzung durch Beschluss zuzulassen, § 69 Abs. 1 Satz 2 GOBT. Eine Durchbrechung der Nichtöffentlichkeit liegt ferner in der Möglichkeit einer erweiterten öffentlichen Ausschussberatung nach § 69a GOBT, von der in der Praxis allerdings ebenfalls kaum Gebrauch gemacht wird.248 Von erheblicher Bedeutung 245  Kasten, in: DÖV 1985, S: 222 (225); Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, S. 174; vgl. von Lucius, in: AöR 1972, S. 568 (586); vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 676. 246  Linck, in: DÖV 1973, S. 513 (514); Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 42 Rn. 38. 247  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 42 Rn. 39; siehe Bundestag Datenhandbuch, Kapitel 8.1, S. 2 ff., einsehbar im Internet unter https://www.bundestag.de/dokumente/ datenhandbuch/08, zuletzt abgerufen am 15.09.2015. 248  Es ist zudem darauf hinzuweisen, dass § 69a GOBT für den Gedanken demokratischer Publizität insgesamt keinerlei Mehrwert bringt. Tatsächlich wird hier zur Entlastung des Plenums eine Bundestagsdebatte in den Ausschuss vorverlagert. Eine allgemeine Aussprache im Bundestag ist nach einem Beschluss im erweiterten öffentlichen Verfahren nicht mehr vorgesehen, § 69a Abs. 5 GOBT. Öffentlichkeit und

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Kap. 3: Grundgesetz und Ausschüsse

unter dem Gesichtspunkt der Öffentlichkeit ist dagegen die Möglichkeit einer öffentlichen Anhörung gemäß § 70 GOBT. Sachverständige werden hier zu einer in Öffentlichkeit stattfindenden Anhörung und Befragung eingeladen. Diese Möglichkeit wird gerade bei wichtigen Gesetzesvorhaben regelmäßig genutzt.249 Der Inhalt von Ausschusssitzungen wird zudem häufig durch Pressemitteilungen und die Veröffentlichung von Ausschussdrucksachen öffentlich wiedergegeben. Daneben wird über jede Ausschusssitzung ein schriftliches Protokoll angefertigt, § 73 Abs. 1 Satz 1 GOBT. Nur durch besonderen Vermerk werden die Protokolle der Öffentlichkeit nicht „ohne weiteres zugänglich“ gemacht, § 73 Abs. 2 Satz 2 GOBT. Kritisch ist diesbezüglich allerdings anzumerken, dass nach der gemäß § 73 Abs. 3 GOBT erlassenen Richtlinie ein Einblick durch die Öffentlichkeit erst nach Verkündung des betreffenden Gesetzes und nur in den der Verwaltung des Bundestages unterstehenden Räumen möglich ist.250 Gleichwohl wird so zumindest eine nachträgliche Publikation gewährleistet. Die Öffentlichkeitswirkung dieser Instrumente wird durch den Internetauftritt des Bundestages verstärkt. Auf der Homepage des Bundestages lassen sich zudem die öffentlichen Anhörungen im Livestream verfolgen oder später noch in der Mediathek durch den interessierten Bürger abrufen.251 Die Ausschusssitzungen unterliegen ­insofern einer nicht unbeachtlichen amtlichen „Berichterstattungsöffentlich­ keit“.252 Diese Berichterstattung wird schließlich durch die Medien gefiltert und verstärkt, die die politisch besonders interessanten Parlamentsthemen über Zeitungen, Internet und Rundfunk weiter publizieren, kommentieren und kritisieren.253 Die fehlende Sitzungsöffentlichkeit wird so durch die parlamentarische Berichtsöffentlichkeit und durch die Presse zu einem bestimmten Umfang kompensiert.254 Zudem bleibt es den Fraktionen – allen voran den Oppositionsfraktionen – unbenommen, umstrittene und kontroverse Fragen jederzeit im Plenum zu Transparenz werden durch eine erweiterte öffentliche Ausschussberatung insofern eher beschränkt als erweitert, so dass es unter dem Gesichtspunkt der Transparenz nicht erstrebenswert erscheint, von § 69a GOBT verstärkt Gebrauch zu machen. Vgl. Zeh, in: HStR III (3. Auflage), § 53 Rn. 42, 60. 249  Versteyl, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 42 Rn. 3; Schneider, Gesetzgebung, S. 82; vgl. Appoldt, Die Öffentlichen Anhörungen, S. 101 f. 250  Richtlinien für die Behandlung der Ausschußprotokolle gemäß § 73 Abs. 3 GOBT – einsehbar unter: https://www.bundestag.de/bundestag/aufgaben/rechtsgrund lagen/go_btg/anhang2/249292, zuletzt abgerufen am 15.09.2015. 251  Http://www.bundestag.de/mediathek, zuletzt abgerufen am 15.09.2015; MüllerTerpitz, in: BK, GG, Art. 42, Rn. 44. 252  Achterberg, Parlamentsrecht, S. 568, 572; vgl. Bauer, in: Der Staat 2010, S.  587 (592 ff.). 253  Binder, in: DVBl 1985, S 1112 (1114 f.). 254  Kloepfer, in: HStR III (3. Auflage), § 42 Rn. 62; vgl. BVerfGE 1, 144 (152).



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thematisieren oder sonst in die Öffentlichkeit zu bringen.255 Geheimhaltungsvorgaben bestehen hier nicht. Eine wirksame öffentliche Begleitung parlamentarischer Projekte während der Ausschussphase liegt mit Hinblick auf die nächste Bundestagswahl auch im Interesse der Abgeordneten, Fraktionen und Parteien. Denn sie haben den späteren Gesetzesbeschluss gegenüber den Wählern zu vertreten, was durch einen frühzeitigen öffentlichen Diskurs, ein Bewerben und Argumentieren erheblich einfacher fallen dürfte als durch den Anschein von Verschleierung und Intransparenz.256 c) Verhältnismäßigkeit Schließlich bleibt zu untersuchen, ob die nichtöffentlichen Sitzungen der Fachausschüsse gerechtfertigt werden können. An der Verfassungsmäßigkeit dieser Parlamentspraxis bestehen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken.257 Nach dem hier anwendbaren Grundsatz der Verhältnismäßigkeit müsste mit der Nichtöffentlichkeit ein legitimes Ziel verfolgt werden, sie müsste zum Erreichen dieses Ziels geeignet und erforderlich sein und schließlich dem Grundsatz der Angemessenheit genügen. aa) Legitimes Ziel und Geeignetheit Mit dem Ausschluss der Öffentlichkeit wird der Zweck verfolgt, ein freies Redeverhalten der Abgeordneten in den Ausschüssen zu ermöglichen und somit in Folge eine rationale und effektive Kompromisssuche zu begünstigt.258 Die Funktionsfähigkeit des Bundestages soll so gewährleistet werden. Mit dem Ausschluss der Öffentlichkeit wird insofern ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel verfolgt. Die Nichtöffentlichkeit ist auch grundsätzlich dazu geeignet, eine schnelle und informelle Kompromisssuche zu befördern und so die Funktionsfähigkeit des Parlaments zu stärken. 255  Kropp, in: ZParl 2002, S. 436 (451); Magiera, Parlament und Staatsleitung, S. 157; Steiger, Organisatorische Grundlagen, S. 143. 256  Hett, Die Öffentlichkeit der Parlamentsverhandlungen, S. 195; Kißler, Die Öffentlichkeitsfunktion des Deutschen Bundestages, S. 332; vgl. Magiera, Parlament und Staatsleitung, S. 155. 257  Morlok/Hientzsch, in: JuS 2011, S. 1 (3); Morlok, in: Dreier, GG, Art. 42 Rn. 24; Versteyl, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 42 Rn. 5 ff.; Meyer, in: VVDStRL 33 (1975), S. 69 (117); Mengel, in: ZRP 1984, S. 153 (157); Vetter, Die Parlamentsausschüsse, S.  205 ff.; Linck, in: ZParl 1992, S. 673 (700 f.). 258  Morlok, in: Dreier, GG, Art. 42 Rn. 24; Zeh, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 53 Rn. 60; Linck, in: DÖV 1973, S. 513 (519) m. w. N.; Frost, in: AöR 1970, S. 38 (61); Di Fabio, in: Der Staat 1990, S. 599 (604); kritisch Meyer, in: VVDStRL 33 (1974), S. 69 (117); kritisch Mengel, in: ZRP 1984, S. 153 (157).

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bb) Erforderlichkeit Der Ausschluss der Öffentlichkeit müsste für die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundestages auch erforderlich sein. Dabei ist die Erforderlichkeit nicht anhand „abstrakt konstruierter Fallgestaltungen, sondern an der politischen Wirklichkeit“ zu messen.259 Die Bedeutung der Nichtöffentlichkeit für eine funktionsfähige Entscheidungsfindung im Bundestag lässt sich dabei anhand eines für Kollegialorgane typischen dreistufigen Entscheidungsfindungsprozesses darstellen:260 •• Zuerst werden die Konfliktpositionen öffentlich dargestellt und der politische Gegner kritisiert. •• Anschließend wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit die Kompromissbereitschaft ausgelotet, Lösungsvorschläge erarbeitet oder Änderungsmöglichkeiten diskutiert. •• Im dritten Schritt wird der gefundene Mittelweg der Öffentlichkeit präsentiert. Am Ende können sich alle als politische Gewinner darstellen. Der zweite Schritt – die Ausschussphase – ist dabei schon aus sozialpsychologischen Gründen für die Effektivität des gesamten Ablaufs wichtig. Um in der Öffentlichkeit ein Bild der Geschlossenheit abzugeben und so Angriffsflächen für die politische Konkurrenz zu vermeiden, wird die Entscheidungsfindung in geschlossener Runde gesucht und erst die Entscheidungsdarstellung in aller Öffentlichkeit vollzogen.261 Die Nichtöffentlichkeit ermöglicht eine Versachlichung der Arbeit und vermindert die Versuchung politischer Profilierung.262 So können auch spontane, nicht ausgereifte oder unorthodoxe Gedankengänge zur Sprach gebracht werden. Die Gefahr, sich am nächsten Tag mit einem unklugen oder aus dem Kontext gerissenen Zitat in der Zeitung konfrontiert zu sehen, besteht hier nicht.263 Die Nichtöffentlichkeit ermöglicht zudem in den Verhandlungen den Einsatz von Druckmitteln oder Tauschangeboten, die öffentlich den Wählern nur schwer zu vermitteln wären. Das Nachgeben in einem der eigenen Fraktion unliebsamen anderen Gesetzgebungsverfahren wird kaum in aller Öffentlichkeit offeriert werden. Ebenso wird ein konsens­ orientierter, weicher Verhandlungsstil ermöglicht, der sonst dem eigenen Image widerspräche und den parteiinternen Hardlinern kaum zu erklären wäre.264 259  BVerfGE

129, 300 (321); vgl. BVerfGE 120, 82 (107). in: AöR 2001, S. 204 (231). 261  Morlok, in: VVDStRL 62 (2003), S. 37 (47); Zeh, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 39 Rn. 26. 262  Melzer, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 41, Rn. 2; Kriele, in: VVDStRL 29 (1970), S. 46 (67 f.); Linck, in: DÖV 1973, S. 513 (519). 263  Borgs-Maciejewski/Drescher, Parlamentsorganisation, S. 80. 264  Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 189 f. 260  Jestaedt,



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Niemand möchte in der Öffentlichkeit durch ein Nachgeben und Einlenken als Verlierer dastehen. Schließlich können auch die Abgeordneten der Regierungsfraktionen in der Nichtöffentlichkeit die eigene Regierung kritisieren, ohne hierdurch erheblichen politischen Schaden anzurichten.265 Die Nichtöffentlichkeit kann also als Bedingung für Offenheit der Repräsentanten gesehen werden und führt zu einer Versachlichung der Ausschussverhandlungen.266 Würde die Ausschussarbeit grundsätzlich in aller Öffentlichkeit stattfinden, bestünde die Gefahr, dass dann die offene und tastende Ausschussarbeit durch die Präsentation bereits in den Fraktionen abschließend vorgefertigter, plakativer Stellungnahmen ersetzt würde. Die bis jetzt von den Bundestagsausschüssen wahrgenommene informelle Beratung und Kompromisssuche würde dann noch weiter aus dem parlamentarischen Bereich verdrängt.267 Der Willensbildungsprozess würde sich verstärkt in informelle Gesprächsrunden und „parakonstitutionelle Entscheidungsgremien“ verlagern, die sich der parlamentarischen und der öffentlichen Kontrolle entziehen.268 Es ist anzunehmen, dass dann zugleich auch die Einflüsse außerparlamentarischer Interessenverbände zunähmen.269 Die nichtöffentliche Arbeitsweise ist daher erforderlich, um eine effektive und sachliche Aufgabenwahrnehmung durch die Ausschüsse zu gewährleisten. (1) Aus empirischen Gründen nicht erforderlich? Gegen das Erfordernis der Nichtöffentlichkeit wird häufig das Argument vorgebracht, dass in einigen Landesparlamenten270 und im Europäischen Parlament271 die Ausschüsse grundsätzlich öffentlich verhandeln.272 Eine 265  Borgs-Maciejwski/Drescher,

Parlamentsorganisation, S. 72. in: AöR 2001, S. 204 (222 ff.); Kloepfer, in: HStR II (1. Auflage), § 35 Rn. 57; Steffani, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 49 Rn. 82. 267  Kißler, Die Öffentlichkeitsfunktion des Deutschen Bundestages, S. 330; Achterberg, Parlamentsrecht, S. 571 Fn. 49; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 42 Rn. 24; Frost, in: AöR 1970, S. 38 (85); Linck, in: DÖV 1973, S. 513 (520); Versteyl, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 42 Rn. 4; vgl. Klein, in: ZRP 1976, S. 81 (82). 268  Vgl. Steinbach, in: DÖV 2016, S. 286 (287, 292). 269  Morlok, in: Dreier, GG, Art. 42 Rn. 24. 270  Grundsätzlich öffentlich tagen die Ausschüsse von: Bayern (§ 138 GO BayLT), Brandenburg (§ 80 Abs. 1 LTGO BrandB), Berlin (§ 26 Abs. 5 GO Abghs), Bremen (§ 63a GO BremB), Hamburg (§ 56 Abs. 1 GO HamB), Niedersachsen (§§ 93, 10 LTGO NdrS), Nordrhein-Westfalen (§ 56 Abs. 1 LTGO NRW); Rheinland-Pfalz (§ 80 Abs. 1 GO LT-RLP), Schleswig-Holstein (§ 17 LTGO SH). 271  Art. 103 Abs. 3 Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments, in der Fassung vom 12.2009. 272  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 42 Rn. 44 Fn. 3; Vetter, Die Parlamentsausschüsse, S.  206 ff., 210 f.; Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 42 Rn. 10; Dicke, in: Clemens/Umbach, GG, Art. 42 Rn. 11. 266  Jestaedt,

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Kap. 3: Grundgesetz und Ausschüsse

Einschränkung der Funktionsfähigkeit sei dabei weder auf europäischer Ebene noch auf Landesebene zu beobachten.273 Es sei mithin empirisch belegt, dass die Nichtöffentlichkeit von Ausschüssen keineswegs für die Funktionsfähigkeit eines Parlaments erforderlich sei.274 Die Überzeugungskraft dieses Arguments erscheint allerdings ausgesprochen zweifelhaft. Denn von der Bedeutung und Funktionsweise her unterscheiden sich Länderparlamente, Bundestag und Europäisches Parlament erheblich. Die Parlamente befinden sich schon deshalb in einer verschiedenen Ausgangslage, weil das öffentliche Interesse an ihrer Tätigkeit sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Die Landesparlamente stehen noch nicht einmal ansatzweise so stark im öffentlichen Fokus wie der Deutsche Bundestag.275 Erfahrungsgemäß ist das Interesse der Wahlbürger an der Bundespolitik erheblich ausgeprägter als an der Landespolitik. Das mag darauf zurückzuführen sein, dass nach der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung der tatsächliche Schwerpunkt der politischen Gestaltungsmacht dem Bund und nicht den Ländern zukommt.276 Belegt wird dieses Interessenungleichgewicht nicht nur durch die Wahlbeteiligungen, sondern auch dadurch, dass die Bundespolitik oftmals erheblichen Einfluss auf Landtagswahlen hat, umgekehrt dieses Phänomen aber nicht beobachtet werden kann.277 Jedenfalls erleichtert das schwächere öffentliche Interesse auf Landesebene einen sachlichen Diskurs in offen zugänglichen Ausschüssen. Eingeschränkt gilt dies auch für das Europäische Parlament, das trotz seiner erheblich gewachsenen Bedeutung nach wie vor deutlich weniger stark im Fokus der Öffentlichkeit steht als der Bundestag.278 Die Ausschussöffentlichkeit spielt hier jedoch vor allem auch deshalb eine wesentlich zentralere Rolle, weil der überwiegende Teil der Rechtsetzungsvorhaben aufgrund informeller Verhandlungen zwischen Rat, Parlament und Kommission bereits nach der ersten Lesung im Anschluss an die Ausschussphase verabschiedet wird („first reading agreement“).279 Eine nachfolgende öffentliche Politisierung im Plenum erfolgt dann nicht mehr. Die Ausschussöffentlichkeit ist in diesem Verfahren vor dem Hintergrund des Repräsentationsprinzips unverzichtbar. Ein Vergleich mit dem Europäischen Parlament erscheint zudem 273  Hett, Die Öffentlichkeit der Parlamentsverhandlungen, S. 198 f.; Oberreuter, in: ZParl 1975, S. 77 (80 ff.); Schneider, in: AK-GG, Art. 42 Rn. 5; vgl. Versteyl, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 42 Rn. 7; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 42 Rn. 24. 274  Zeh, in: ZParl 1986, S. 396 (411 f.). 275  Morlok, in: Dreier, GG, Art. 42 Rn. 24 Fn. 71. 276  Vgl. Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 70 Rn. 2, 24. 277  Vgl. Möstl, in. VVDStRL 72 (2013), S. 355 (370). 278  Vgl. Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, S. 34, 41 f. 279  BVerfGE 129, 300 (333, 337).



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auch deshalb wenig überzeugend, weil sich dessen Funktionsbedingungen grundlegend von denen des Bundestages unterscheiden. Das Europäische Parlament ist nicht durch den scharfen Kontrast zwischen Regierungsmehrheit und Opposition geprägt. Es geht hier nicht um das dauerhafte Wahren eines Koalitionsfriedens und das Tragen einer Regierung über eine gesamte Legislaturperiode. Das Organisieren von Parlamentsmehrheiten ist durch eine Vielfalt verschiedener denkbarer Allianzen erheblich flexibler, einzelne fraktionsinterne Gegenstimmen sind zugleich weniger folgenschwer. Entsprechend ist auch der innere Fraktionszusammenhalt geringer ausgeprägt und den einzelnen Abgeordneten wird grundsätzlich ein größeres Maß an Offenheit und Unabhängigkeit eingeräumt.280 Das Bedürfnis nach einer nichtöffentlichen Kompromisssuche ist folglich geringer. Schließlich wird es gerade auf europäischer Ebene kritisiert, dass die politische Willensbildung in erheblichem Umfang außerhalb des parlamentarischen Raums stattfindet. Die nationalen Interessen, Sprachen, Kulturen und Lobbygruppen spielen hier eine gewichtige Rolle, die beim Deutschen Bundestag mit dieser Intensität nicht zu beobachten ist.281 Das Europäische Parlament steht aus diesem Grund in besonderem Maße in der Pflicht, demokratische Öffentlichkeit herzustellen, vgl. auch Art. 10 Abs. 3 Satz 2 EUV und Art. 15 Abs. 1 und Abs. 2  AEUV.282 Transparenz ist für die Akzeptanz europäischer Entscheidungen von herausragender Bedeutung.283 Dabei scheint es für eine stärkere Rückbindung der Willensbildung in den (europa-)parlamentarischen Raum durchaus erwägenswert, ob nicht zugleich ein ergänzender nichtöffentlicher Abschnitt der Ausschussverhandlungen sinnvoll wäre. Im Ergebnis überzeugt der Verweis auf die öffentlich tagenden Ausschüsse auf Landes- und Europaebene nicht, um die Erforderlichkeit der nichtöffentlichen Arbeitsweise von Bundestagsausschüssen in Frage zu stellen. (2) Nichtöffentlichkeit als Ausnahme Es wird zudem argumentiert, dass jedenfalls die grundsätzliche Nichtöffentlichkeit der Ausschusssitzungen nach § 69 Abs. 1 Satz 1 GOBT zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundestages nicht erforderlich ist. Als gleich geeignetes, milderes Mittel wird eine Umkehrung des Regel-Ausnahmeverhältnisses zu Gunsten einer allgemeinen Ausschussöffentlichkeit vor280  BVerfGE

129, 300 (327, 329). Europarecht, S. 109; vgl. BVerfGE 129, 300 (327). 282  Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur, Art. 15 AEUV Rn. 1 ff. 283  Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur, Art. 15 AEUV Rn. 1; Krajewski/Rösslein, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim I, Art. 15 AEUV Rn. 3 f. 281  Streinz,

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gebracht, vergleichbar etwa zu Art. 42 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GG.284 Die Nichtöffentlichkeit könnte vom Ausschuss dann für bestimmte Verhandlungsgegenstände angeordnet werden, bei denen im besonderen Maße das Bedürfnis einer informellen Kompromisssuche besteht. Dagegen spricht allerdings, dass die aufgezeigten Gründe für eine nichtöffentliche Ausschussverhandlung sehr grundlegender Natur sind und nicht erst in irgendwelchen besonderen Fallkonstellationen zum Tragen kommen. Die Vorteile nichtöffentlicher Verhandlungen für eine effiziente und sachorientierte Entscheidungsfindung haften den Rahmenbedingungen parlamentarischer Arbeit als solchen an. Eine Umkehrung des Regel-Ausnahmecharakters führte im besseren Fall dazu, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit durch explizite Anordnung der Regelfall wäre. Sollte sich die Initiative zum Ausschluss der Öffentlichkeit als politisch unklug erweisen, so drohte die beschriebene Gefahr einer weitergehenden Entfernung der Kompromisssuche von dem parlamentarischen Bereich. Auch die Nichtöffentlichkeit der Ausschusstätigkeit auf Ausnahmefälle zu beschränken überzeugt deshalb nicht. (3) Ergebnis Im Ergebnis ist der Ausschluss der Öffentlichkeit von den Ausschussberatungen zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundestages erforderlich. Es ist dabei noch einmal darauf hinzuweisen, dass das Verfassungsgebot der Funktionsfähigkeit des Bundestages nicht erst in Abgrenzung zum funktionsunfähigen Parlament zum Tragen kommt.285 Auch eine Effizienzsteigerung durch den Ausschluss der Öffentlichkeit ist insofern ein Aspekt der Funk­ tionsfähigkeit des Bundestages. Bei der Frage, ob der Ausschluss der Öffentlichkeit schlussendlich tatsächlich für den Erhalt der Funktionsfähigkeit des Parlaments erforderlich ist, ist zudem der Einschätzungsspielraum des Parlaments auf dem Gebiet des Selbstorganisationsrechts zu beachten.286 Die in täglicher Arbeit mit den Funktionsbedingungen parlamentarischer Verhandlungen konfrontierten Abgeordneten können den Wert der Nichtöffentlichkeit im Zweifelsfall besser einschätzen als der aus der Distanz urteilende Beobachter. Zum Erreichen einer sachlicheren und effizienteren Entscheidungsfindung ist der Ausschluss der Öffentlichkeit von Teilen des parlamentarischen Verfahrens damit erforderlich.

284  Morlok, in: Dreier, GG, Art. 42 Rn. 24; Pünder, in: VVDStRL 72 (2013), S. 191 (242). 285  Siehe Kapitel 2: C. III. 286  Siehe Kapitel 2: C. IV.



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cc) Angemessenheit Die nichtöffentliche Arbeitsweise müsste schließlich dem Grundsatz der Angemessenheit genügen. Es ist auch hier ein Ausgleich nach den Grundsätzen der praktischen Konkordanz zwischen Öffentlichkeit und Funktionsfähigkeit des Bundestages herzustellen, so dass beide zu ihrer optimalen Wirksamkeit gelangen. Es ist zunächst festzustellen, dass die Verkürzung des Öffentlichkeitsprinzips von nicht unerheblicher Intensität ist. In quantitativer Hinsicht gewinnt der Eingriff dadurch an Bedeutung, dass numerisch die Ausschusssitzungen die Plenarsitzungen um ein Vielfaches übertreffen. Hinzu kommt, dass in qualitativer Hinsicht ein nicht unerheblicher Teil der parlamentarischen Willensbildung in den Ausschüssen stattfindet.287 Insgesamt wird ein beträchtlicher Teil der Parlamentsarbeit in den Ausschüssen erledigt und damit dem unmittelbaren Zugang der Öffentlichkeit entzogen.288 Andererseits ist zu berücksichtigen, dass trotz der Nichtöffentlichkeit der Ausschussberatungen ein hohes Maß an Öffentlichkeit und Transparenz des parlamentarischen Verfahrens gewahrt bleibt. So werden der Öffentlichkeit bereits vor der Ausschussphase die von den Fraktionen angestrebten Ziele erklärt und in einer argumentativen Auseinandersetzung nähergebracht. Die Gesetzesvorlage wird bereits frühzeitig in einer ersten öffentlichen Beratung im Plenum des Bundestages dargestellt, § 80 Abs. 1 GOBT. Auch nach der Ausschussphase werden in der zweiten und dritten Lesung sowie in der Schlussabstimmung die in den Ausschüssen gefundenen Kompromisse öffentlich dargestellt. Die Argumente werden hier nochmals öffentlich nachvollzogen und die wesentlichen Positionen und Informationen den Wählern kommuniziert und durch die Repräsentanten verantwortet.289 Durch diese grundsätzlich öffentliche Einbettung der Ausschussberatungen verliert der Eingriff in den Öffentlichkeitsgrundsatz erheblich an Schärfe. Zusätzlich wird während der Ausschussphase durch die Berichterstattungsöffentlichkeit und die parallele politische Begleitung der Gesetzesvorhaben durch die Fraktionen und Parteien sowie die Presse ein beträchtliches Maß an Öffentlichkeit erreicht. Ein öffentlicher Diskurs findet so vor, parallel und im Anschluss an die Ausschussphase statt. Mit Hinblick auf das Repräsentationsprinzip erfüllt 287  Appoldt, Die Öffentlichen Anhörungen, S. 100; Kissler, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 36 Rn. 27 ff. 288  Ellwein, in: DÖV 1984, S. 748 (753 f.). 289  Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 190; Kriele, in: VVDStRL 29 (1970), S. 46 (68); Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 42 Rn. 11; Pünder, in: VVDStRL 72 (2013), S. 191 (253 f.); vgl. Habermas, Strukturwandel und Öffentlichkeit, S. 223 ff.

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Kap. 3: Grundgesetz und Ausschüsse

so die Öffentlichkeit ihre Funktion im Wesentlichen. Die Wähler erhalten die Möglichkeit, sich zu informieren und durch Einblicke in die staatlichen Entscheidungsprozesse eine Meinung zu bilden und gegebenenfalls durch politischen Druck Einfluss auf den Willensbildungsprozess zu nehmen.290 Dabei ist auch stets zu beachten, dass eine allgemeine Ausschussöffentlichkeit in Anbetracht der politischen Wirklichkeit keineswegs automatisch zu mehr demokratischer Transparenz führen würde. Es bestünde dann die Gefahr, dass sich der Entscheidungsfindungsprozess weitergehend aus dem parlamentarischen Raum entfernt. Werden noch vor der Ausschussarbeit die politischen Zugeständnisse und Kompromisse im Rahmen informeller außerparlamentarischer Treffen ausgehandelt, so ist mit der durch solche Vorabsprachen geprägten öffentlichen Ausschussberatung kein Zugewinn an Transparenz verbunden. Zugleich ist zu berücksichtigen, dass durch den Ausschluss der Öffentlichkeit die Ausschussphase sachlicher und damit auch effizienter wird. Der parlamentarische Entscheidungsfindungsprozess wird dadurch insgesamt verbessert und so schließlich auch die Funktionsfähigkeit des Bundestages als Ganzes gestärkt. Die Einschränkung der repräsentativen Öffentlichkeit wird durch die Stärkung der repräsentativen Funktionsfähigkeit zumindest aufgewogen. Die Nichtöffentlichkeit der Ausschussberatungen ist daher bei einer Gesamtwürdigung angemessen und genügt mithin dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 3. Ergebnis Die weitreichende Einschaltung von Fachausschüssen für die Vorbereitung von Parlamentsentscheidung ist im Ergebnis verfassungskonform. Die Ausschusstätigkeit selbst ist durch die Einbindung der Abgeordneten in die Fraktionen sowie die damit verbundene Inklusionsdynamik und auch die begleitende Berichterstattungsöffentlichkeit zu einem bestimmten Grad repräsentativ. Die Ausschüsse sind so „in die Repräsentation des Volkes durch das Parlament einbezogen“.291 Von maßgeblicher Bedeutung ist dabei, dass die Ausschussarbeit nur einen Ausschnitt des gesamten Gesetzgebungsverfahrens betrifft. In den Lesungen im Bundestag sowie bei der Schlussabstimmung können sämtliche Abgeordnete in aller Öffentlichkeit ihr Rede- und Stimmrecht ausüben.292 Dem Repräsentationsgedanken wird hier in vollem Umfang Rechnung getragen. Der Eingriff in den Status der Abgeordneten, in den 290  Magiera,

Parlament und Staatsleitung, S. 152 f. 80, 188 (222); 84, 304 (323). 292  BVerfGE 80, 188 (230 und 255); vgl. BVerfGE 44, 308 (317); 56, 396 (405); 84, 304 (321 ff.); Pietzcker/Pallasch, in: JuS 1995, S. 511 (514). 291  BVerfGE



D. Verfassungsrechtliche Bewertung der Fachausschüsse 127

Grundsatz der Gesamtrepräsentation und das Prinzip der Öffentlichkeit wird so erheblich entschärft. Bei einer Gesamtschau werden die Vorteile einer Arbeit im kleinen, geschlossenen Kreis mit denen einer öffentlichen, inklusiven Debatte und Entscheidung im Plenum zur Optimierung der Funktionsfähigkeit des Parlaments insgesamt kombiniert.293 Zugleich erweisen sich die Ausschüsse als solche als unabdingbar und ihre nichtöffentliche Arbeitsweise zumindest als stark begünstigend für eine funktionierende Parlamentsarbeit. Mit Hinblick auf das Repräsentationsprinzip bestehen daher gegen die regulären Fachausschüsse keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

293  Morlok,

in: VVDStRL 62 (2003), S. 37 (69).

Kapitel 4

Delegation von Entscheidungsbefugnissen Es stellt sich schließlich die Frage, inwiefern auch die Delegation von Entscheidungsbefugnissen verfassungsrechtlich zulässig ist. Eine abschließende Beteiligung des Bundestagsplenums findet hier nicht statt. Sofern die Verfassung nicht selbst zu einer solchen Aufgabenübertragung ermächtigt, ist diese ausgesprochen problematisch.1 Im Folgenden soll zunächst einmal untersucht werden, ob eine Übertragung von Entscheidungskompetenzen auf Bundestagsausschüsse schlechthin verfassungswidrig ist (A.). Nachfolgend soll geklärt werden, unter welchen Voraussetzungen eine solche Entscheidungsdelegation gegebenenfalls verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann (B.).

A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen Da durch eine Delegation von Entscheidungsbefugnissen den Bundestagsabgeordneten das zentrale Recht zur Beschlussfassung entzogen wird, stellt sich zunächst einmal die Frage, ob eine solche Maßnahme überhaupt einer Rechtfertigung zugänglich ist. Vorweg soll in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu der Problematik von Entscheidungsdelegationen dargelegt werden (I.). Anschließend wird auf die Literatur eingegangen, die eine solche Entscheidungsdelegation ohne verfassungsrechtliche Ermächtigung grundsätzlich ablehnt (II.). Schließlich wird auf die Meinung eingegangen werden, die eine Delegation von Letztentscheidungen unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig erachtet (III.).

I. Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts Der Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen ist nicht abschließend geklärt. In der älteren Rechtsprechung kommt unter Verweis auf das Prinzip der Gesamtrepräsentation eine deutlich ablehnende Haltung des Verfassungsgerichts zum Aus1  Steiger,

Organisatorische Grundlagen, S. 185.



A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen 129

druck.2 So konstatiert das Bundesverfassungsgericht bereits 1952 schlicht, dass „ein Ausschuss immer nur vorbereitendes Beschlussorgan (ist). Er kann nie endgültig über einen Antrag entscheiden.“3 In einem wegweisenden Urteil aus dem Jahr 1977, in dem es um die Frage einer Mindestzahl anwesender Abgeordneter für die Beschlussfähigkeit des Bundestages ging, lehnte das Gericht die Möglichkeit von Entscheidungsdelegationen prinzipiell ab: „Bei der Bildung des staatlichen Willens im parlamentarischen Bereich ist das Volk nur dann angemessen repräsentiert, wenn das Parlament als Ganzes an dieser Willensbildung beteiligt ist.“4 „Indessen darf nicht übersehen werden, dass ein wesentlicher Teil der Parlamentsarbeit traditionell außerhalb des Plenums geleistet wird. (…) Dabei ist jedoch vorausgesetzt, dass die endgültige Beschlussfassung über ein Parlamentarisches Vorhaben im Plenum verbleibt“5

Eine grundsätzliche Ablehnung gegenüber Entscheidungsdelegationen kommt auch in einem Urteil aus dem Jahr 1989 zum Ausdruck, in dem das Bundesverfassungsgericht sich mit den Mitwirkungsbefugnissen fraktionsloser Abgeordneter in Ausschüssen befasste: „Allerdings darf – gerade um der Repräsentationsfähigkeit und Funktionstüchtigkeit des Parlaments willen – das Recht des einzelnen Abgeordneten, an der Willensbildung und Entscheidungsfindung des Bundestages mitzuwirken (…) nicht in Frage gestellt werden; die Rechte des einzelnen Abgeordneten dürfen zwar im Einzelnen ausgestaltet und insofern auch eingeschränkt, ihm jedoch grundsätzlich nicht entzogen werden (…). Richtmaß für die Ausgestaltung der Organisation und des Geschäftsgangs muß das Prinzip der Beteiligung aller Abgeordneten bleiben.“6

Allerdings zeichnet sich in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein Wandel hinsichtlich dieser Fragestellung ab. Die vormals kategorische Ablehnung von Entscheidungsdelegation ist einer diffusen Position gewichen, in der die Problematik teils explizit offengelassen wird. In dem ersten Urteil zu den Euro-Rettungsmaßnahmen – den bilateralen Griechenlandhilfen – hat das Gericht implizit eine Verlagerung von Entscheidungsbefugnissen auf den Haushaltsausschuss für zulässig erachtet, ohne jedoch die verfassungsrechtliche Problematik von Entscheidungsdelegationen überhaupt zu thematisieren.7 Einigermaßen diffus ist im Folgenden das Urteil zu dem EFSF Sondergremium: 2  Vgl. BVerfGE 1, 144 (154); 44, 308 (315 f.); 70, 324 (367) – Sondervotum Mahrenholz; 80, 188 (219); 84, 304 (321); 102, 224 (237 f.). 3  BVerfGE 1, 144 (154). 4  BVerfGE 44, 308 (315 f.). 5  BVerfGE 44, 308 (317). 6  BVerfGE 80, 188 (219); bestätigt in BVerfGE 84, 304 (321 f.). 7  BVerfG, 2 BvR 987/10 (u. a.) vom 07.09.2011, Rn. 141 = BVerfGE 129, 124 (185 f.); vgl. Nettesheim, in: NJW 2012, S. 1409 (1410).

130

Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

„Ausgangspunkt und Grundlage für die Ausgestaltung und Beschränkung der Abgeordnetenrechte ist das Prinzip der Beteiligung aller Abgeordneten an den Entscheidungen des Deutschen Bundestages (…). Soweit Abgeordnete durch Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf einen beschließenden Ausschuss von der Mitwirkung an der parlamentarischen Entscheidungsfindung ausgeschlossen werden sollen, ist dies nur zum Schutz anderer Rechtsgüter mit Verfassungsrang und unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig. Die Befugnis erlaubt es dagegen nicht, den Abgeordneten Rechte vollständig zu entziehen (vgl. BVerfGE 44, 308 (316); 80, 188 (219); 84, 304 (321 f.).“8

Einerseits wird eine plenarersetzende Delegation zum Schutz von kollidierendem Verfassungsrecht und unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit für zulässig erachtet, andererseits wird unter Verweis auf die bisher ablehnende Rechtsprechung der vollständige Entzug von Abgeordnetenrechten und damit verbunden eigentlich auch die Delegation von Entscheidungsbefugnissen abgelehnt. Diese augenscheinlich widersprüchliche Passage löst das Bundesverfassungsgericht im Anschluss wie folgt: „Ob und inwieweit der Bundestag, weitergehend, durch Gesetz oder aufgrund seiner Geschäftsordnungsautonomie generell Entscheidungsbefugnisse auf von ihm eingerichtete Untergremien übertragen kann – was von der überwiegenden Auffassung im Schrifttum jedenfalls für staatsleitende und andere wesentliche Entscheidungen verneint wird (…) – bedarf hier keiner grundsätzlichen Entscheidung.“9

Offensichtlich will das Bundesverfassungsgericht hier eine grundsätzliche Stellungnahme vermeiden, was zu einer gewissen Inkonsistenz führt. Die Frage nach der Delegierbarkeit von Entscheidungsbefugnissen ist von zentraler Bedeutung für das Urteil. Schließlich geht es gerade um die Frage der Verfassungskonformität des beschließenden Sondergremiums. Im Ergebnis hat das Bundesverfassungsgericht die Entscheidungsdelegation implizit akzeptiert.10 Zwar erklärt es das angegriffene Gesetz in Teilen für verfassungswidrig, aber gerade nicht wegen einer grundsätzlichen Unzulässigkeit von Entscheidungsdelegationen. Diese Tendenz lässt das Gericht auch in mehreren Passagen des Urteils anklingen: „Der vorgesehene Ausschluss der Antragssteller von mit ihrem Abgeordnetenstatus verbundenen Rechten lässt sich zwar grundsätzlich mit an der Funktionsfähigkeit des Parlaments orientierten Gründen rechtfertigen.“11 „Der Ausschluss der in einem solchen Untergremium nicht vertretenen Abgeordneten von ihren Mitwirkungsbefugnissen kann prinzipiell auch im Hinblick auf die besondere Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit einer Angelegenheit gerechtfertigt werden.“12 8  BVerfG,

2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 119 = BVerfGE 130, 318 (350). 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 122 = BVerfGE 130, 318 (351). 10  Vgl. BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 144 = BVerfGE 130, 318 (359 f.). 11  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 138 = BVerfGE 130, 318 (357 f.). 12  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 139 = BVerfGE 130, 318 (358). 9  BVerfG,



A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen 131

Eine profunde dogmatische Begründung oder sogar ein obiter dictum, wie es aufgrund der faktischen Abkehr von der vorangegangenen Rechtsprechung durchaus wünschenswert gewesen wäre, bietet das Bundesverfassungsgericht nicht. In seiner Eilentscheidung vom 12.09.2012 bezüglich eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz u. a. gegen das Gesetz zur Ratifikation des Vertrages zur Einrichtung des ESM13 sowie gegen das Gesetz zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESMFinG)14 führt das Bundesverfassungsgericht wiederum aus: „Soweit staatliche Vereinbarungen getroffen werden, die aufgrund ihrer Größenordnung für das Budgetrecht von struktureller Bedeutung sein können, hat der Deutsche Bundestag im Plenum über jede ausgabenwirksame Maßnahme größeren Umfangs (…) zu entscheiden. Eine selbständige und plenarersetzende Tätigkeit des Haushaltsausschusses darf demgemäß lediglich bei untergeordneten oder bereits ausreichend klar durch das Plenum vorherbestimmten Entscheidungen erfolgen.“15

Weitergehende Ausführungen erfolgen in der dazugehörigen Hauptsacheentscheidung vom 18.03.2014 nicht. Die Verfassungsbeschwerde sei un­ zulässig, weil die Zuständigkeitsverteilung zwischen dem Parlament und seinen Ausschüssen nicht zum rügefähigen Kern des Art. 38 Abs. 1 GG ­gehören.16 Das korrelierende Organstreitverfahren wird ebenso mangels hinreichender Begründung als unzulässig abgelehnt.17 In dem jüngsten diesbezüglichen Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 22.09.2015 lässt sich schließlich wieder verstärkt eine Anlehnung an die ältere Rechtsprechungs­ linie erkennen: „Nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG sind die Abgeordneten des Deutschen Bundestages Vertreter des ganzen Volkes. Diese Regelung ist Ausfluss des Prinzips der repräsentativen Demokratie. Der Deutsche Bundestag ist das unmittelbare Repräsentationsorgan des Volkes und übt als ‚besonderes Organ‘ im Sinne von Art. 20 Abs. 2 GG die vom Volk ausgehende Staatsgewalt aus (…). Grundsätzlich wird das Volk bei parlamentarischen Entscheidungen nur durch das Parlament als Ganzes, das heißt durch die Gesamtheit seiner Mitglieder, angemessen repräsentiert (…). Dies bedeutet nicht, dass die Abgeordneten das Volk ausschließlich im Plenum repräsentieren könnten. Ein wesentlicher Teil der Parlamentsarbeit wird traditionell außerhalb des Plenums geleistet, (…). Dies setzt aber voraus, dass die endgültige Beschlussfassung über ein parlamentarisches Vorhaben dem Plenum vorbehalten bleibt, die 13  BT-Drs.

17/9045, vom 20.03.2012. 17/9048, vom 20.03.2012; 17/10126, vom 20.03.2012. 15  BVerfG, 2 BvE 6/12 (u.  a.) vom 12.09.2012, Rn. 190 = BVerfGE 132, 195 (Rn. 190). 16  BVerfG, 2 BvE 6/12 (u. a.) vom 18.03.2014, Rn. 127 f., 225 = BVerfGE 135, 317 (Rn. 127 f., 225). 17  BVerfG, 2 BvE 6/12 (u. a.) vom 18.03.2014, Rn. 133 ff. = BVerfGE 135, 317 (Rn.  133 ff.). 14  BT-Drs

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

Mitwirkung der Abgeordneten bei der Vorbereitung der Parlamentsbeschlüsse außerhalb des Plenums ihrer Art und ihrem Gewicht nach der Mitwirkung im Plenum im Wesentlichen gleich zu erachten ist und der parlamentarische Entscheidungsprozess institutionell in den Bereich des Parlaments eingefügt bleibt (…). Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG setzt daher die gleiche Mitwirkungsbefugnis aller Abgeordneten des Deutschen Bundestages voraus (…) und umfasst das Recht auf gleiche Teilhabe am Prozess der parlamentarischen Willensbildung (…).“18 „Soweit Abgeordnete durch die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf einen Ausschuss von der Mitwirkung an der parlamentarischen Entscheidungsfindung ausgeschlossen werden, ist dies nur zum Schutz anderer Rechtsgüter mit Verfassungsrang und unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig.“19

Diese Ausführungen greifen sowohl die Passagen der älteren Rechtsprechung auf, wonach eine Entscheidungsdelegation per se unzulässig ist, als auch – in puristischer Kürze – den Kerngehalt der jüngeren Rechtsprechung, wonach die Delegation von Entscheidungsbefugnissen unter „strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit“ zulässig sein kann. Die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf Ausschüsse am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu prüfen, bietet dabei grundsätzlich einen dogmatisch tragfähigen Ansatz. Dazu steht es allerdings in einem offenkundigen Widerspruch, sofern das Gericht zugleich an der Idee festhält, dass „das Volk bei parlamentarischen Entscheidungen nur durch das Parlament als Ganzes (…) angemessen repräsentiert“20 sei und insofern zwingend „die endgültige Beschlussfassung (…) dem Plenum vorbehalten“ bleiben müsse. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vermag daher nicht zu überzeugen.

II. Entscheidungsdelegationen grundsätzlich unzulässig In der Literatur werden Entscheidungsdelegationen auf Bundestagsausschüsse vielfach abgelehnt.21 Die Begründungen für dieses Ergebnis variieren dabei erheblich. Häufig wird ganz ohne nähere Ausführung die Rolle der Ausschüsse auf eine vorbereitende und beratende Funktion begrenzt und damit eine Letztentscheidungsbefugnis ausdrücklich oder zumindest implizit 18  BVerfG,

2 BvE 1/11 vom 22.09.2015, Rn. 91. 2 BvE 1/11 vom 22.09.2015, Rn. 98. 20  BVerfG, 2 BvE 1/11 vom 22.09.2015, Rn. 91; vgl. kritisch Nettesheim, in: NJW 2012, S. 1409 (1410 f.). 21  Goltz, in: DÖV 1965, S. 605 (615); Kreuzer, in: Der Staat 1968, S. 183 (186 ff.); vgl. Berg, in: Der Staat 1970, S. 21 (31, 40 f.); vgl. Troßmann, in: JöR 1979, S. 1 (60 und 272 f.); vgl. Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 43 Rn.  8 f.; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23 Rn. 155 S. 181b; vgl. Brocker, in: BK, GG, Art. 40 Rn. 81. 19  BVerfG,



A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen 133

abgelehnt.22 Inwiefern die verschiedenen Argumentationen zu überzeugen vermögen, bleibt zu untersuchen. 1. Erfordernis einer verfassungsrechtlichen Ermächtigung Zunächst einmal wird aus eher formalistischen Erwägungen heraus ein grundsätzlicher Verfassungsvorbehalt für die Delegation von Entscheidungsbefugnissen gefordert.23 Das Erfordernis einer verfassungsrechtlichen Ermächtigungsgrundlage wird hier nicht mit dem Eingriff in den Abgeordnetenstatus oder das Repräsentationsprinzip begründet, sondern mit allgemeinen Erwägungen der Zuständigkeit sowie mit dem Wortlaut und der Systematik des Grundgesetzes. Insofern wird darauf verwiesen, dass eine Zuständigkeit nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Kompetenzgebers – hier des Verfassungsgebers – übertragen werden könne (a)). Daneben wird argumentiert, dass das Grundgesetz mit dem Bundestag grundsätzlich die Vollversammlung adressiert und mithin verfassungsrechtlich dem Bundestag übertragene Aufgaben nur vom Plenum wahrgenommen werden können (b)). Schließlich wird aus den ausdrücklichen Delegationsermächtigungen in den Art. 44 GG ff. der Umkehrschluss gezogen, dass ohne explizite verfassungsrechtliche Ermächtigung eine Delegation unzulässig sei (c)). a) Verfassungsvorbehalt bei Kompetenzübertragungen Das Erfordernis einer verfassungsrechtlichen Grundlage wird mit dem Argument zu begründen versucht, dass eine verfassungsrechtlich verbürgte Kompetenz auch nur aufgrund einer verfassungsrechtlichen Delegationsnorm übertragen werden könne.24 Insofern wird der allgemeine verwaltungsrechtliche Grundsatz, dass eine Kompetenz nur mit einer Ermächtigung des Kompetenzgebers weiter delegiert werden kann, auf die vorliegende verfassungsrechtliche Konstellation übertragen.25 Die vom Volk den Repräsentanten anvertraute Herrschaftsgewalt kann von diesen schlechterdings nicht selbst weiter übertragen werden – „potestas delegata non potest delegari“.26 Ob 22  Troßmann, Aufgaben und Arbeitsweise des Deutschen Bundestages, S. 168; Schneider, in: AK-GG, Art. 40 Rn. 8; vgl. Zeh, in: HStR III (3. Auflage), § 52 Rn. 40; Geis, in: HStR III (3. Auflage), § 54 Rn. 3. 23  Kretschmer, in: BK, GG, Art. 45 Rn. 210  f.; vgl. Pieper, Verfassungsrichterwahlen, S. 33. 24  Steiger, in: Organisatorische Grundlagen, S. 138. 25  Ruppert, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, § 6 Rn. 8; Kreuzer, in: Der Staat 1968, S. 183 (184), m. w. N. 26  Vgl. Morlok/Hientzsch, in: JuS 2011, S. 1 (2); vgl. Pietzner, Petitionsausschuß und Plenum, S. 62 ff.

134

Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

dieses Argument zu überzeugen vermag, erscheint dabei ausgesprochen zweifelhaft. Im Verwaltungsrecht ist dieser Grundsatz damit zu begründen, dass die vom demokratisch legitimierten Gesetzgeber gestaltete Kompetenzordnung nicht durch eigenmächtiges Verwaltungshandeln verwässert werden soll. Eine Aufgabendelegation ist deshalb hier nur dann zulässig, wenn ausdrücklich zur Delegation einer Kompetenz ermächtigt wird, vgl. auch Art. 80 Abs. 1 Satz 4 GG. Zweifelhaft ist allerdings, ob dieser verwaltungsrechtliche Grundsatz auf die hier einschlägige verfassungsrechtliche Problematik übertragen werden kann. Es ist bereits fragwürdig, inwiefern bei einer Aufgabenverlagerung vom Parlament auf seine Ausschüsse eine vergleichbare Situation wie bei einer Delegation im Bereich der Verwaltung gegeben ist. Denn es geht bei einer Ausschussdelegation nicht um eine Kompetenzübertragung von einem Kompetenzträger auf einen anderen („horizontale Delegation“), sondern um eine Aufgabenübertragung von einem Staatsorgan auf Teile seiner selbst („vertikale Delegation“).27 Das Parlament bleibt auch nach einer Delegation das zuständige und handelnde Staatsorgan. Für eine solche vertikale Delegation auf Bundestagsausschüsse kann aber in dem verfassungsrechtlich verbürgten Selbstverwaltungsrecht durchaus eine Ermächtigung gesehen werden. Ungeachtet dessen lässt sich auch die dogmatische Begründung für das verwaltungsrechtliche Delegationsverbot auf eine verfassungsrechtliche Ausschussdelegation nicht übertragen. Denn hier ordnet das Parlament selbst als unmittelbar demokratisch legitimiertes Verfassungsorgan die Aufgabenübertragung an. Von einer Kompetenzverwässerung ohne oder gegen den Willen der Legislativen kann dann keine Rede sein. Für eine Anwendbarkeit des genannten verwaltungsrechtlichen Grundsatzes besteht schließlich auch deshalb kein Bedarf, weil es mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung ein verfassungsrechtliches Äquivalent gibt, das situationsbezogene und insofern sachgerechte Lösungen ermöglicht.28 Kompetenzproblemen im staatsorganisa­ tionsrechtlichen Bereich ist mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung zu begegnen. Da aber bei einer Ausschussdelegation das Parlament weiterhin das kompetenziell zuständige Staatsorgan bleibt, wird der Grundsatz der Gewaltenteilung hiervon gar nicht berührt.29 Das Argument verfängt im Ergebnis daher nicht.

27  Kreuzer,

in: Der Staat 1968, S. 183 (184). Kreuzer, in: Der Staat 1968, S. 183 (184 f.); Goltz, in: DÖV 1965, S. 605 (608, 611); BVerfGE 9, 268 (279 ff.). 29  Wiefelspütz, in: DÖV 2012, S. 961 (964); siehe Kapitel 4: A. II. 2. 28  Vgl.



A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen 135

b) Verfassungsvorbehalt wegen indizierter Plenarzuständigkeit Das Erfordernis eines Verfassungsvorbehalts für die Delegation von Entscheidungsbefugnissen auf Ausschüsse könnte sich jedoch aus einer grundsätzlich indizierten Zuständigkeit des Plenums ergeben. Ist im Grundgesetz vom Bundestag die Rede, so ist das Parlament als Kollegialorgan und damit das Plenum gemeint.30 Das entspricht nicht nur dem natürlichen Wortverständnis vom Bundestag als Volksvertretung und Parlament, sondern folgt auch aus seiner Rolle als Repräsentationsorgan im Staatsgefüge. Daraus wird nun das Argument entwickelt, dass auch das Bundestagsplenum handeln müsse, wenn das Grundgesetz eine Kompetenz dem Bundestag als Plenum zuweist, ohne diese Zuständigkeit auch ausdrücklich den Bundestagsausschüssen zugänglich zu machen.31 Das Entscheidungsmonopol des Bundestagsplenums lässt sich auch an anderer Stelle mit dem Wortlaut der Verfassung begründen. Das Grundgesetz differenziert ausdrücklich zwischen dem Bundestag und seinen Ausschüssen. So verhandelt nach Art. 42 Abs. 1 GG der Bundestag öffentlich, gemäß Art. 43 Abs. 1 GG können hingegen der Bundestag und seine Ausschüsse die Anwesenheit eines jeden Mitglieds der Bundesregierung verlangen. Art. 42 Abs. 2 GG spricht schließlich allein von Beschlüssen des Bundestages und nicht von solchen seiner Ausschüsse. Die Beschlusskompetenz könnte insofern dem Plenum vorbehalten sein.32 In dieses Argument fügt sich auch die Bezeichnung der Ausschüsse in der GOBT als „vorbereitende Beschlussorgane“, § 62 GOBT.33 Würde die Differenzierung im Wortlaut des Grundgesetzes zwischen dem Bundestag und den Ausschüssen missachtet, so wird argumentiert, stünde es quasi im freien Ermessen des Parlaments, jede Zuständigkeit auch auf Ausschüsse zu verlagern.34 Der Gedanke der Gesamtrepräsentation könnte nach diesem Begründungsansatz dann nach Belieben ausgehöhlt werden. Deshalb müsse eine Kompetenz, die dem Bundestag zugewiesen ist, auch zwingend vom Bundestag als Gesamtorgan wahrgenommen werden. Eine Entscheidungsdelegation auf Ausschüsse bedarf demnach grundsätzlich einer verfassungsrechtlichen Ermächtigung. 30  BVerfGE 44, 308 (316); Kreuzer, in: Der Staat 1968, S. 183 (188, 191); Berg, in: Der Staat 1970, S. 21 (23); Steiger, Organisatorische Grundlagen, S. 136; Kasten, in: DÖV 1985, S. 222 (224); Pieper, Verfassungsrichterwahlen, S.  29 f. 31  Vgl. Voßkuhle, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art.  94 Rn. 10; Klein, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 6 Rn. 3; vgl. Mandelartz, Das Zusammenwirken von Parlament und Regierung beim Haushaltsvollzug, S. 270. 32  Preuß, in: ZRP 1988, S. 389 (390); vgl. von Eichborn, Die Bestimmungen über die Wahl der Bundesverfassungsrichter, S. 15 f. 33  Troßmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, § 60 Rn. 4. 34  Kreuzer, in: Der Staat 1968, S. 183 (191); Steiger, Organisatorische Grundlagen, S. 136.

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

Im Ergebnis vermag allerdings diese Wortlautargumentation nicht zu überzeugen. Grundsätzlich zutreffend ist dabei allerdings, dass mit der Zuständigkeit des Bundestages zunächst einmal auch die Regelzuständigkeit des Plenums verbunden ist. Das ist schon der Funktion des Parlaments als Repräsentationsorgan immanent.35 Eine Begründung dieser indizierten Plenarzuständigkeit mit dem Wortlaut der Verfassung ist überflüssig. Aus dieser grundsätzlichen Plenarzuständigkeit lässt sich allerdings keine obligatorische Wahrnehmungspflicht des Plenums herleiten.36 Eine solche stünde in einem eklatanten Widerspruch zu dem verfassungsrechtlich verbürgten Selbstorganisationsrecht. Es bleibt dem Bundestag gerade selbst vorbehalten, über seine interne Organisation einschließlich der Ausschusstätigkeit zu entscheiden und so seine Funktions- und Repräsentationsfähigkeit zu gewährleisten. Aus einer indizierten Plenarzuständigkeit ein Delegationsverbot zu folgern, wäre nur dann überzeugend, wenn sich dem Grundgesetz ein eindeutiger Vorrang der Gesamtrepräsentation gegenüber der Funktionsfähigkeit des Parlaments entnehmen ließe. Das ist aber nicht der Fall. Sowohl die Gesamtrepräsentation als auch die Funktionsfähigkeit des Bundestages lassen sich gleichberechtigt auf den Repräsentationsgedanken zurückführen.37 Eine eindeutige Entscheidung für die Gesamtrepräsentation und ein damit verbundener eingeschränkter Delegationsspielraum des Bundestages lässt sich auch nicht mit dem Wortlaut des Grundgesetzes begründen. Die Formulierung „der Bundestag und seine Ausschüsse“ in Art. 43 GG bedeutet zunächst einmal nur, dass der Verfassungsgeber von einer Ausschussbildung und einer Ausschussarbeit grundsätzlich ausgeht. Eine genauere Differenzierung zwischen dem Bundestag und seinen Ausschüssen findet in den Art. 42 GG ff. bei näherer Betrachtung nicht statt. Es werden keinerlei Ausführungen hinsichtlich des ob und des wie einer Ausschusstätigkeit gemacht. Gemäß Art. 42 Abs. 1  GG verhandelt der Bundestag öffentlich und gemäß Art. 42 Abs. 2 GG ist zu einem Beschluss die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich. Daraus lassen sich keinerlei Rückschlüsse auf die Fähigkeit der Ausschüsse ziehen, zu verhandeln oder zu beschließen.38 Art. 42 Abs. 2 GG regelt bloß die Voraussetzungen, „wann ein Beschluss des Bundestages“ vorliegt,39 nicht aber „wann das Plenum zu beschließen hat“.40 Die Frage, wann ein Beschluss eines Ausschusses vorliegt, bleibt von Art. 42 35  Siehe

Kapitel 2: B. II.  Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten, S. 80; Achterberg, Die parlamentarische Verhandlung, S. 152 f. 37  Kapitel 2: B. III. 1. b) und C. III. 38  Vgl. BVerfGE 1, 144 (152). 39  BVerfGE 2, 143 (161). 40  Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten, S. 81; Kröger, in: FS Bundesverfassungsgericht I, S. 76 (92). 36  Abmeier,



A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen 137

Abs. 2 GG unberührt.41 Die Verfassung ist hier bewusst offen und gibt dem Parlament mit der Geschäftsordnungsautonomie ein probates Instrumentarium an die Hand, diese Lücke selbst zu schließen. Etwas Anderes folgt auch nicht aus dem in Art. 43 Abs. 1 GG geregelten Zitierrecht. „Der Bundestag und seine Ausschüsse können die Anwesenheit jedes Mitgliedes der Bundesregierung verlangen“. Die explizite Nennung sowohl des Bundestages als auch der Ausschüsse ist an dieser Stelle einer verfassungsrechtliche Notwendigkeit, da das Zitierrecht mit einer Außenwirkung gegenüber der Bundesregierung verbunden ist und es sich mithin nicht um eine Entscheidung des autonomen Parlamentsrechts handelt.42 Es ist insofern ein erheblicher Unterschied, ob die Mitglieder der Bundesregierung bei einem entsprechenden Verlangen alleine dem Bundestagsplenum oder auch seinen zahlreichen Ausschüssen zur Anwesenheit verpflichtet sind. In diese Argumentation fügt es sich im Ergebnis, dass ein Zitierrecht für Unterausschüsse von der überwiegenden Meinung in der Literatur abgelehnt wird.43 Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus der Charakterisierung der Ausschüsse als „vorbereitende Beschlussorgane“ in § 62 GOBT. Wie bereits ausgeführt kommt der GOBT kein Verfassungsrang zu, die Beschreibung der Ausschüsse ist insofern für die vorliegende verfassungsrechtliche Problematik unbeachtlich. Losgelöst davon verweist § 54 Abs. 2 GOBT für das Verfahren in den Ausschüssen uneingeschränkt auf die GOBT, mithin auch auf die Abstimmungsregeln. Es kann daher auch nicht von einer allgemeinen Rechtsauffassung des Geschäftsordnungsgebers gesprochen werden, dass eine endgültige Beschlussfassung den Ausschüssen vorenthalten sein soll. Prinzipiell unterscheidet das Grundgesetz, abgesehen von wenigen Ausnahmen sowie den ausdrücklich normierten Ausschüssen in den Art. 44 GG ff., nicht zwischen dem Bundestag und seinen Ausschüssen. Normiert wird alleine eine Zuständigkeit des Bundestages als Verfassungsorgan.44 Diese Zuständigkeit wird auch in jedem Fall gewahrt, ungeachtet der Frage, ob das Plenum oder ein Ausschuss entscheidet. Die Ausschüsse sind Organe des Bundestages und ihre Entscheidungen werden dem Bundestag zugerechnet.45 Die Organzuständigkeit bleibt daher auch bei einer Ausschussdelegation erhalten, das handelnde Organ ist verfassungsrechtlich in jedem Fall der Bundestag. Spricht das Grundgesetz also vom Bundestag, so ist zwar aufgrund 41  Müller-Terpitz,

in: BK, Art. 42 Rn. 80. Troßmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, § 60 Rn. 4 f. 43  Vgl. Schröder, in: BK, GG, Art. 43 Rn. 18, m. w. N.; Trossmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, § 73 Rn. 1. 44  Klein, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG Band 1, § 6 Rn. 4. 45  Pietzcker/Pallasch, in: JuS 1995, S. 511 (512). 42  Vgl.

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

des Repräsentationsprinzips damit prinzipiell das Plenum gemeint, das schließt aber eine Verlagerung der Kompetenz auf einen Ausschuss keineswegs aus.46 Eine Delegation in Ausübung des Selbstorganisationsrechts ist prinzipiell innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen zulässig. Fehl geht deshalb auch das Argument, dass es dann ja im freien Ermessen des Bundestages stünde, nach Belieben seine Kompetenzen auf Ausschüsse zu übertragen. Aus einem fehlenden kategorischen Delegationsverbot eine unbegrenzte Delegationsmöglichkeit zu folgern, ist nicht nachvollziehbar. Die grundsätzliche Möglichkeit einer Entscheidungsdelegation befreit nicht von dem Erfordernis einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Aus der prinzipiellen Plenarzuständigkeit kann also im Ergebnis keineswegs auf eine Unzulässigkeit von Ausschussdelegationen geschlossen werden. c) Einheit der Verfassung und die Art. 44 ff. GG Das Erfordernis eines Verfassungsvorbehalts könnte sich insbesondere aus einer systematischen Gesamtbetrachtung der Verfassung ergeben. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang der Grundsatz der „Einheit der Verfassung“ als „vornehmstes Interpretationsziel“.47 Das Grundgesetz ist als Gesamtwerk zu begreifen, in dem die verschiedenen Verfassungsbestimmungen in Bezug zueinander stehen.48 Einzelne Verfassungsprinzipien oder Normen können nicht losgelöst von der Systematik des Gesamtgefüges ausgelegt werden. Innerhalb des verfassungsrechtlichen Gesamtgefüges fällt nun auf, dass in den Art. 44 GG ff. eine ganze Reihe von Ausschüssen mit plenarersetzenden Befugnissen normiert werden. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Untersuchung könnte daraus gefolgert werden, dass das Grundgesetz die Möglichkeit zur Einrichtung entscheidender Bundestagsausschüsse selbst abschließend regelt.49 Das fügt sich insofern in das Gesamtbild der Verfassung, welche die Leitgedanken staatlicher Organisation und die Zuordnung staatlicher Kompetenzen grundsätzlich selbst regelt.50 Sollte es dem Willen des Verfassungsgebers entsprechen, Ausschüsse nur in verfassungsrechtlich ausdrücklich vorgesehenen Fällen mit Entscheidungsbefugnissen auszustatten, so wäre ein entscheidendes Gremium neben den ausdrücklich verfassungsBerg, in: Der Staat 1970, S. 21 (34). 19, 206 (220). 48  Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 11; Sachs, in: Sachs, GG, Einführung, Rn. 50; Stern, Staatsrecht I, S. 131 ff.; BVerfGE 1, 14 (32); 19, 206 (220); 33, 23 (27); 49, 24 (56); 55, 274 (300); 99, 1 (12). 49  Kreuzer, in: Der Staat 1968, S. 183 (191). 50  Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 12 f. 46  Vgl.

47  BVerfGE



A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen 139

rechtlich eingebetteten Ausschüssen alleine aufgrund einer autonomen Parlamentsentscheidung verfassungswidrig.51 Diese Argumentation ist allerdings nur dann folgerichtig, wenn sich die verfassungsrechtliche Normierung der Ausschüsse in den Art. 44 GG ff. auf etwaige Entscheidungsbefugnisse zurückführen lässt. Der Gedanke der Einheit der Verfassung greift nur, wenn sich entscheidende Ausschüsse in die Systematik der verfassungsrechtlich normierten Gremien einfügen ließen. Umgekehrt verfängt der Gedanke nicht, wenn es sich bei den verfassungsrechtlich normierten Ausschüssen selbst um isoliert zu betrachtende Sonderfälle handelt, die keinen Sinnbezug zu Entscheidungskompetenzen aufweisen und insofern hier einer systematischen Verallgemeinerung nicht zugänglich sind. Es bedarf daher einer näheren Untersuchung, ob sich ein Zusammenhang zwischen der verfassungsrechtlichen Normierung eines Ausschusses und seinen besonderen Befugnissen herstellen lässt. aa) Vermittlungsausschuss und Richterwahlausschuss In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass es sich weder beim Richterwahlausschuss des Art. 95 Abs. 2 GG noch beim Vermittlungsausschuss des Art. 77 Abs. 2 GG um Ausschüsse im Sinne dieser Untersuchung handelt. Denn in beiden Fällen handelt es sich nicht um originäre Bundestagsausschüsse, die staatsorganisationsrechtlich allein dem Bundestag als Verfassungsorgan zugeordnet werden können.52 Der Vermittlungsausschuss besteht gemäß Art. 77 Abs. 2 Satz 1 GG aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates. Er gibt sich eine eigene Geschäftsordnung, die sowohl der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat bedarf. Der Vermittlungsausschuss stellt mit seiner besonderen Schlichtungsfunktion eine staatsrechtliche Eigenart im Gesetzgebungsverfahren dar.53 Losgelöst von der Frage, ob es sich hierbei überhaupt um einen entscheidenden Ausschuss im Sinne dieser Untersuchung handelt, kann jedenfalls die verfassungsrechtliche Normierung nicht in einen Sinnbezug zu beschließenden Bundestagsausschüssen gestellt werden. Entsprechendes gilt für den Ausschuss zur Berufung der Richter für die obersten Bundesgerichte, Art. 95 Abs. 2 GG. Er setzt sich je zur Hälfte aus Landesministern und Bundestagsabgeordneten zusammen und entscheidet 51  In diesem Sinne Kreuzer, in: Der Staat 1968, S. 183 (199 f.); Scholz, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 23 Rn. 155 S. 181a ff.; Moench/Ruttloff, in: DVBl 2012, S. 1261 (1263). 52  Siehe Kapitel 1: A. I. 53  Vgl. Kokott, in: BK, GG, Art. 77 Rn. 46 ff.

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

zusammen mit dem zuständigen Bundesminister.54 Ein Parlamentsausschuss ist auch hier nicht gegeben. Ein systematischer Bezug zu entscheidenden Bundestagsausschüssen lässt sich nicht herstellen. Es handelt sich daher in beiden Fällen um verfassungsrechtliche Sonderausschüsse, die schon der Sache nach keine exklusive Kompetenz des Bundestages wahrnehmen und insofern auch dem parlamentarischen Selbstverwaltungsrecht entzogen sind. Parallelen zur Übertragbarkeit von Parlamentsaufgaben auf Bundestagsausschüsse lassen sich nicht herstellen. bb) Untersuchungsausschüsse, Art. 44  GG Um tatsächliche Parlamentsausschüsse handelt es sich dagegen bei den Untersuchungsausschüssen, Art. 44 GG. Die Untersuchungsausschüsse stellen ein zentrales parlamentarisches Kontrollinstrumentarium dar und dienen vor allem der Regierungskontrolle.55 Ihre Aufgabe ist es, Sachverhalte, an deren Aufklärung ein öffentliches Interesse besteht, zu ermitteln und dem Bundestag hierüber zu berichten.56 Sie bleiben dabei auf eine vorbereitende und kontrollierende Funktion beschränkt,57 eine etwaige Beschlussfassung als Konsequenz des Untersuchungsberichts bleibt dem Plenum vorbehalten. In dieser Kontrollfunktion kommen den Untersuchungsausschüssen weitgehende Informations- und Aufklärungsrechte zu. Dem Parlament wird so verbürgt, sich unabhängig von anderen Staatsorganen die notwendigen Informationen zu beschaffen.58 Dabei handelt es sich bei den Untersuchungsausschüssen um mit eigenen Rechten ausgestattete „Hilfsorgane“ des Bundestages.59 Der Bundestag kann schon nach dem Grundgesetz nicht die besonderen Untersuchungs- / Enquêterechte selbst wahrnehmen, sondern muss diese durch die Untersuchungsausschüsse ausüben.60 Das Parlamentsplenum kann sich also auch nicht etwa selbst als Untersuchungsausschuss deklarieren. Gleichwohl bleibt das Plenum auch 54  Detterbeck,

in: Sachs, GG, Art. 95 Rn. 12. 124, 78 (114); 105, 197 (222); 49, 70 (85); vgl. Magiera, in: Sachs, GG, Art. 44 Rn. 1. 56  Brocker, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 44 Rn. 5. 57  BVerfGE 49, 70 (85); Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 44 Rn. 3. 58  Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 44 Rn. 3. 59  BVerfGE 67, 100 (124); 77, 1 (41); 113, 113 (120); Magiera, in: Sachs, GG, Art. 44 Rn. 11. 60  BVerfGE 105, 197 (220); 113, 113 (121 f.); vgl. BVerfGE 67, 100 (124); Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 44 Rn. 3; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 44 Rn. 62, 64. 55  BVerfGE



A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen 141

nach der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses „Herr des Unter­su­ chungs­verfahrens“.61 Die weitreichenden Befugnisse der Untersuchungsausschüsse folgen aus Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG. Danach finden „auf Beweiserhebungen (…) die Vorschriften des Strafprozeß sinngemäß Anwendung.“ Diese pauschale Verweisung wird durch das Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (PUAG)62 normative ausgestaltet.63 In den §§ 17 PUAG ff. werden eine Vielzahl von Befugnissen unter vereinzelter Verweisung auf die Strafprozessordnung geregelt. Den Untersuchungsausschüssen stehen sämtliche Mittel der StPO zur Beweiserhebung, Beweisverschaffung und Beweisauswertung offen.64 Über den Verweis auf die Strafprozessordnung werden den Untersuchungsausschüssen auch Zwangsmittel für die Beweiserhebung zur Verfügung gestellt, die zugleich aber den rechtsstaatlichen Vorgaben der Strafprozessordnung unterliegen.65 Daneben sind die Gerichte und Verwaltungsbehörden zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet, Art. 44 Abs. 3 GG. Die Untersuchungsausschüsse stellen ein wichtiges Element der Gewaltenteilung dar. Sie verkörpern mit ihren weitreichenden Informations- und Kon­ trollbefugnissen nicht nur selbst einen wichtigen Parameter der Gewalten­ teilung,66 sondern finden selbst wiederum ihre Grenzen im Grundsatz der Gewaltenteilung.67 So ist das Untersuchungsrecht prinzipiell auf den Zuständigkeitsbereich des Bundestages beschränkt, § 1 Abs. 3 PUAG (Korollar­ theorie),68 und sie haben den Kernbereich der Exekutiven zu beachten.69 Als funktionales Element der Gewaltenteilung lassen sie sich auf Art. 34 WRV zurückführen.70 Die Notwendigkeit einer verfassungsrechtlichen Normierung ergibt sich zudem daraus, dass nur so die besonderen Beweiserhebungsrechte der Strafprozessordnung exklusiv den Ausschüssen zugeordnet werden können. 61  BVerfGE 105, 197 (220); 113, 113 (121 f.); 124, 78 (114); 77, 1 (41); Brocker, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 44 Rn. 1; Magiera, in: Sachs, GG, Art. 44 Rn. 11. 62  Gesetz vom 19.06.2001, BGBl 1 S. 1142. 63  Zum Streit, ob Art. 44 GG eine unzulängliche Verfassungsgrundlage für das PUAG darstellt, siehe Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 44 Rn. 27 ff. 64  BVerfGE 76, 363 (383 ff.); 124, 78 (115). 65  BVerfGE 124, 78 (115); Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 44 Rn. 206. 66  Vgl. BVerfGE 77, 1 (43); 49, 70 (85); 22, 106 (111); 9, 268 (279). 67  BVerfGE 110, 199 (219); Brocker, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 44 Rn. 9. 68  Glauben, in: BK, GG, Art. 44 Rn. 43; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 44 Rn.  99 f. 69  Vgl. Morlok, in: Dreier, GG, Art. 44 Rn. 26 f. 70  Vgl. Morlok, in: Dreier, GG, Art. 44 Rn. 4.

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

Durch Geschäftsordnung oder Gesetz lassen sich weder besondere Rechte dem Bundestagsplenum vorenthalten, noch können in diesem Wege einem Ausschuss Kompetenzen eingeräumt werden, die das Parlament als solches gar nicht hat. Das Begründen einer originären Ausschusskompetenz ist insofern eine grundlegend andere Fallgestaltung als die Delegation originärer Parlamentsaufgaben auf einen Ausschuss. Schließlich bedürfen exklusive Ausschussrechte auch deshalb einer verfassungsrechtlichen Grundlage, weil sie mit einem erheblichen Eingriff in den Grundsatz der Parlamentsautonomie verbunden sind. Ein verfassungsrechtlich in einem Ausschuss fixiertes Kompetenzmonopol kann der Bundestag nicht durch das Ausüben einer Rückholbefugnis durchbrechen und die Zuständigkeit ins Plenum verlagern. Die Untersuchungsausschüsse entziehen sich insofern dem parlamentarischen Selbstorganisationsrecht. Allgemeine Rückschlüsse der nur vorbereitenden und kontrollierenden Untersuchungsausschüsse auf das Erfordernis eines Verfassungsvorbehalts für Entscheidungsdelegationen lassen sich aus Art. 44 GG nicht ziehen. cc) Auswärtiger Ausschuss, Art. 45a Abs. 1 Alt. 1 GG Der in Art. 45a Abs. 1 Alt. 1 GG vorgesehene Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten ist von der Funktion und den Aufgaben her ein Fachausschuss und mithin einfaches „Hilfsorgan des Bundestages“.71 Einziger Unterschied ist, dass seine Einrichtung durch die verfassungsrechtliche Normierung obligatorisch ist und nicht im fakultativen Ermessen des Parlaments steht.72 Eine Entscheidungskompetenz hat der Ausschuss nicht.73 Die verfassungsrechtliche Verankerung ist historisch zu erklären. Waren im Konstitu­ tionalismus die auswärtigen Beziehungen noch gänzlich der parlamentarischen Kontrolle entzogen, wurden mit Art. 35 WRV dem Parlament auch hier Kontrollrechte eingeräumt.74 Eine Nachfolgenorm wurde bei Verabschiedung des Grundgesetzes zunächst nicht geregelt, was auf die Unklarheiten außenpolitischer Kompetenzen der jungen Bundesrepublik im Verhältnis zu den Besatzungsmächten zurückzuführen ist.75 Die spätere Einführung des Art. 45a GG als Nachfolgenorm des Art. 35 WRV steht im Kontext der zunehmenden Unsicherheiten, die mit dem verschärften Ost-West-Konflikt in den frühen fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts verbunden waren. Konkret ursächlich waren die Beratungen hinsichtlich der Europäischen Verteidi77, 1 (41); Dürig/Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 45a Rn. 11. in: Maunz/Dürig, GG, Art. 45a Rn. 2. 73  Dürig/Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 45a Rn. 27, 29. 74  Heun, in: Dreier, GG, Art. 45a Rn. 1. 75  Pilz, Der Auswärtige Ausschuss, S. 57. 71  BVerfGE

72  Dürig/Klein,



A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen 143

gungsgemeinschaft (EVG) und die damit einhergehende Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland.76 Den Begleitmaterialien zum Einführungsgesetz des Art. 45a GG kann entnommen werden, dass die verfassungsrechtliche Kodifizierung des Auswärtigen Ausschusses quasi eine „Begleiterscheinung“ des Verteidigungsausschusses war.77 Art. 45a Abs. 1 Alt. 1 GG wurde gewissermaßen traditionsbewusst als Nachfolgenorm des Auswärtigen Ausschusses der Weimarer Reichsverfassung im Windschatten des Verteidigungsausschusses normiert.78 Hinweise für das allgemeine Erfordernis einer verfassungsrechtlichen Rückbindung entscheidender Ausschüsse gibt Art. 45a Abs. 1 GG nicht. dd) Verteidigungsausschuss, Art. 45a Abs. 2  GG Zeitgleich mit dem Auswärtigen Ausschuss wurde auch der Verteidigungsausschuss in das Grundgesetz eingefügt. Der historische Hintergrund ist der gleiche. Auch beim Verteidigungsausschuss handelt es sich um einen Pflichtausschuss, also einen obligatorisch zu bestellenden Ausschuss. Im Gegensatz zum Auswärtigen Ausschuss werden dem in Art. 45a Abs. 1 Alt. 2 GG vorgesehenen Verteidigungsausschuss in Art. 45a Abs. 2 GG die Rechte eines Untersuchungsausschusses eingeräumt. Entscheidungsbefugnisse sind damit jedoch, wie bereits zuvor festgestellt, nicht verbunden.79 Der Verteidigungsausschuss als ständiger Ausschuss kann jederzeit selbst beschließen, eine Angelegenheit zum Gegenstand einer Untersuchung zu machen, vgl. Art. 45a Abs. 2 S. 2  GG.80 Beim Verteidigungsausschuss liegt gemäß Art.  45a Abs. 3 GG das parlamentarische Untersuchungsmonopol auf dem Gebiet der Verteidigung. Das Tätigwerden eines Untersuchungsausschusses ist in Verteidigungsfragen ausgeschlossen. Allein der Verteidigungsausschuss gewährleistet die parlamentarische Kontrolle des Verteidigungswesens und der Bundeswehr. Historisch ist auch hier der Bruch mit dem vormaligen Grundsatz gegeben, wonach die auswärtige Gewalt und insbesondere die Streitkräfte einer parlamentarischen Kontrolle bis zur Weimarer Reichsverfassung weitestgehend entzogen waren.81 76  Berg,

in: BK, GG (51. Lieferung, 1986), Art. 45a S. 1 ff. in: BK, GG (51. Lieferung 1986), Art. 45a Rn. 64 f.; Pilz, Der Auswärtige Ausschuss, S.  58 f. 78  Magiera, in: Sachs, GG, Art. 45a Rn. 1; Pilz, Der Auswärtige Ausschuss, S.  58 f. 79  Dürig/Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 45a Rn. 29 f. 80  Heun, in: Dreier, GG, Art. 45a Rn. 8. 81  Heun, in: Dreier, GG, Art, 45a Rn. 1; Dürig/Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 45a Rn. 6 f. 77  Berg,

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

Ursächlich für die verfassungsrechtliche Verankerung des Verteidigungsausschusses war der Hintergrund der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland, über die kontrovers und heftig debattiert wurde. Für eine derart weitreichende Grundsatzentscheidung wurde vielfach eine Verfassungsänderung für erforderlich gehalten.82 In Folge wurde an zahlreichen Stellen des Grundgesetzes durch die beiden Wehrnovellen von 1954 und 1956 das Wehrverfassungsrecht implementiert, vgl. Art. 17a, 36 Abs. 2, 45b, 59a a. F., 65a, 87a, 87b und 143 GG.83 Als Teil dieser Wehrverfassung wurde auch der Verteidigungsausschuss durch Art. 45a GG eingefügt.84 Der erhebliche Machtzuwachs der Exekutiven in Folge der Aufstellung von Streitkräften sollte durch eine verstärkte parlamentarische Kontrolle begleitet werden.85 Die Ursache für die Schaffung des Verteidigungsausschusses ist unmittelbare in der deutschen Geschichte zu suchen. Noch wenige Jahre vor der Einfügung der Wehrverfassung, nämlich bei der Schaffung des Grundgesetzes in den Jahren 1948 und 1949, war die Aufstellung deutscher Streitkräfte undenkbar.86 Verfassungsrechtlich notwendig war die Einfügung des Verteidigungsausschusses in das Grundgesetz, um dessen Fortbestand auch zwischen den Legislaturperioden zu gewährleisten. Art. 45a Abs. 1 Satz 2 GG a. F.87 hat die Fortdauer sowohl des Auswärtigen- als auch des Verteidigungsausschusses über das Ende einer Legislaturperiode hinaus angeordnet.88 Hintergrund ist, dass vormals das Ende der alten Wahlperiode und der Beginn der neuen Wahlperiode nicht nahtlos aneinander anknüpften. Gemäß Art. 39 Abs. 1 Satz 2 GG a. F. endete die Wahlperiode „vier Jahre nach dem ersten Zusammentritt oder mit seiner Auflösung“ und nicht wie in der aktuell gültigen Fassung erst mit „dem Zusammentritt eines neuen Bundestages“, Art. 39 Abs. 1 Satz 2 GG.89 Mit dem Ende der Wahlperiode verlieren aufgrund der Diskontinuität die Abgeordneten ihr Mandat und die Ausschüsse lösen sich automatisch auf.90 Um eine parlamentarische Kontrolle auch in der Zwi82  Berg,

in: BK, GG (51. Lieferung, 1986), Art. 45a S. 5 ff. in: NJW 1963, S. 2145; Dürig/Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 45a GG Rn. 5. 84  Berg, in: BK, GG (51. Lieferung, 1986), Art. 45a, S. 7; vgl. BGBl. I S. 111 ff., vom 21.03.1956. 85  Hahnenfeld, in: NJW 1963, S. 2145 f.; Berg, in: BK, GG (51. Lieferung, 1986), Art. 45a Rn. 67. 86  Berg, in: BK, GG (51. Lieferung, 1986), Art. 45a Rn. 71; Hahnenfeld, in: NJW 1963, S. 2145. 87  Aufgehoben durch Gesetz vom 23.08.1976, BGBl. I S. 2381. 88  Dürig/Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 45a Rn. 1. 89  Die Änderung des Art.  39 GG wurde ebenfalls durch das Gesetz vom 23.08.1976, BGBl. I S. 2381 eingeführt. 90  Kretschmer, in: BK, GG, Art. 39 Rn. 144, 193 ff. 83  Hahnenfeld,



A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen 145

schenzeit zu ermöglichen, war eine verfassungsrechtliche Normierung erforderlich.91 Im Übrigen besteht bei dem Verteidigungsausschuss der gleiche Grund für eine verfassungsrechtliche Verankerung wie bei den Untersuchungsausschüssen. In beiden Fällen wird ein Ausschuss mit Befugnissen ausgestattet, die über die des Plenums hinausgehen.92 Das Parlament kann aber schlechterdings weder durch Gesetz noch durch die Geschäftsordnung einem seiner Ausschüsse Kompetenzen verleihen, die es selbst gar nicht hat.93 Ein Rückschluss grundsätzlicher Art auf das Erfordernis einer verfassungsrechtlichen Grundlage für entscheidende Ausschüsse lässt sich aus Art. 45a GG nicht ziehen. ee) Petitionsausschuss, Art. 45c Abs. 1 GG Dem Petitionsausschuss obliegt gemäß Art. 45c Abs. 1 GG die „Behandlung der nach Art. 17 an den Bundestag gerichteten Bitten und Beschwerden“. Dabei existierte bereits vor dem erst 1975 ins Grundgesetz eingefügten Art. 45c GG ein Petitionsausschuss, dessen Effizienz aber wegen unzureichender Befugnisse stark begrenzt war.94 Die Rechtsstellung des Petitionsausschusses sollte damals mit dem Ziel gestärkt werden, die Bearbeitungsdauer zu beschleunigen und die Sachaufklärung zu erleichtern. Um den Petitionsausschuss mit den entsprechenden Rechten ausstatten zu können, wurde eine verfassungsrechtliche Verankerung notwendig.95 Durch das Ausführungsgesetz zu Art. 45c Abs. 2 GG (Gesetz nach Art. 45c GG – PetG)96 werden dem Ausschuss weitreichende Rechte gegenüber der Exekutiven verliehen, die anderen Ausschüssen nicht zukommen.97 So kann nach § 1 PetG der Petitionsausschuss von den Bundesbehörden Aktenvorlagen, Auskünfte oder Zutritt zu den Einrichtungen verlangen und hat das Recht, Amtshilfe von Gerichten und Verwaltungsbehörden zu fordern.98 Der Peti­ tionsausschuss hat insofern gegenüber der Exekutiven besondere Informa­ tionsrechte, die über die allgemeinen Informationsansprüche des Plenums oder der normalen Fachausschüsse hinausgehen.99 Hinsichtlich dieser Rechte 91  Vgl.

Kapitel 4: A. II. 1. c) hh). Berg, in: BK, GG (51. Lieferung, 1986), Art. 45a S. 12 f. 93  Vgl. Kapitel 4: A. II. 1. c) bb). 94  Bauer, in: Dreier, GG, Art. 45c Rn. 3. 95  Bauer, in: Dreier, GG, Art. 45c Rn. 3, 10; BT-Drs. 7/580, S. 4, vom 17.05.1973. 96  Gesetz vom 19.07.1975, BGBl. I, S. 1921. 97  Würtenberger, in: BK, GG, Art. 45c Rn. 127, 138. 98  Magiera, in: Sachs, GG, Art. 45c Rn. 13. 99  Würtenberger, in: BK, GG, Art. 45c Rn. 127; Klein, in: Maunz/Dürig, Art. 45c Rn. 51, 70; vgl. BVerfGE 67, 100 (128 ff.). 92  Vgl.

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

ist der Petitionsausschuss der Rechtsstellung eines Untersuchungsausschusses angenähert.100 Daneben kommt dem Parlament ein allgemeines Petitionsüberweisungsrecht zu. Es kann die Petition mit der Aufforderung an die Regierung weiterleiten, hierzu eine Stellungnahme oder Entscheidung abzugeben.101 Bemerkenswert ist schließlich mit Hinblick auf den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung, dass nach dem Wortlaut des Art. 45c Abs. 1 GG zudem eine Übertragung der abschließenden Petitionsentscheidung auf den Ausschuss möglich ist.102 In der Parlamentspraxis entscheidet allerdings über den Petitionsbescheid weiterhin das Plenum, vgl. § 112 Abs. 1 GOBT.103 Dabei wird dem Bundestag vom Petitionsausschuss ein Bericht über die von ihm behandelten Petitionen samt Beschlussempfehlung „in einer Sammelübersicht vorgelegt“, § 112 Abs. 1 Satz 1 GOBT. Einzelheiten zu den Peti­ tionen enthalten die Sammelübersichten nicht.104 Im Übrigen sind auch die Petenten aus datenschutzrechtlichen Gründen anonymisiert.105 Eine Aussprache im Plenum erfolgt in Abweichung von § 23 GOBT nur in Ausnahmefällen, § 112 Abs. 2 Satz 2 GOBT. Die Beschlussfassung im Bundestag ist eine reine Formalie, und es erscheint fraglich, ob hiermit ein repräsentativ-demokratischer Mehrwert verbunden ist.106 Freilich ist eine vertiefte Befassung des Plenums schon aufgrund der immensen Anzahl an Petitionen nicht darstellbar.107 Gleichwohl stellt sich die Frage, ob die verfassungsrechtliche Normierung von Art. 45c GG auf die hiermit verbundene Möglichkeit zur Entscheidungsdelegation zurückzuführen ist. Dagegen spricht zunächst einmal die Geset100  Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 45c Rn. 9; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 45c Rn. 18. 101  Langenfeld, in: HStR III (3. Auflage), § 39 Rn. 70 f. 102  Krings, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 45c Rn. 18 ff.; Würtenberger, in: BK, GG, Art. 45c Rn. 117; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 45c Rn. 24 f.; Bauer, in: Dreier, GG, Art. 45 c Rn. 19; Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 45c Rn. 9, 30 ff.; Brink, in: NVwZ 2003, S. 953 (954 f.). 103  Bauer, in: Dreier, GG, Art. 45 c Rn. 19, 24. 104  Röper, in: NVwZ 2002, S. 53 (54). 105  Würtenberger, in: BK, GG, Art. 45c Rn. 117. 106  Röper, in: NVwZ 2002, S. 53 (54); Würtenberger, in: BK, GG, Art. 45c Rn. 117; Krings, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 45c Rn. 19. 107  Bauer, in: Dreier, GG, Art. 45c Rn. 13; Seit dem Jahr 2000 bewegt sich die Zahl der Petitionen zwischen 13832 im Jahr 2002 und 22144 im Jahr 2005. 2014 wurden 15325 Petitionen eingereicht. Dabei wurden vom Ausschuss 64280 Schreiben an Petenten, Abgeordnete, Ministerien u. a. verfasst. Die Zahlen sind einsehbar im Jahresbericht des Petitionsausschusses, Ausgabe 2015, einsehbar im Internet unter http://www.bundestag.de/petition, http://www.bundestag.de/blob/379464/8187a86db3 b9db4e9100050e4790ee23/der-jahresbericht-des-petitionsausschusses--ausgabe-2015data.pdf (zuletzt abgerufen am 28.10.2015).



A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen 147

zesbegründung.108 Die verfassungsrechtliche Kodifizierung von Art. 45c GG wurde als Notwendigkeit gesehen, den Petitionsausschuss mit eigenständigen Kontrollrechten gegenüber der Exekutiven auszustatten wie den unmittelbaren Auskunftsrechten gegenüber der Verwaltung, das Recht auf Aktenvorlage, Inspektion und Amtshilfe.109 Die verfassungsrechtliche Notwendigkeit des Art. 45c GG ergibt sich zudem auch hier daraus, dass dem Petitionsausschuss Befugnisse eingeräumt werden sollen, „die über die des Gesamtparlaments (…) hinausgehen“.110 Dem Petitionsausschuss wird eine exklusive und originäre Zuständigkeit für die Behandlungen der Petitionen sowie der damit verbundenen besonderen Informationsbefugnisse verbürgt.111 Schließlich wird durch diese besonderen Befugnisse das Interorganverhältnis zwischen Parlament und Bundesregierung erheblich modifiziert, so dass auch hier die verfassungsrechtliche Kodifizierung im Lichte der Gewaltenteilung zu sehen ist.112 Im Ergebnis lassen sich daher aus Art. 45c GG keine Schlüsse für die Frage eines allgemeinen Verfassungsvorbehalts für Entscheidungsdelegationen ziehen. ff) Parlamentarisches Kontrollgremium, Art. 45d  GG Möglicherweise könnte das in Art. 45d GG geregelte Parlamentarische Kontrollgremium für einen grundsätzlichen Verfassungsvorbehalt für entscheidende Ausschüsse sprechen. Trotz seiner ausdrücklichen Bezeichnung als Gremium handelt es sich um ein Unterorgan des Bundestages und damit der Sache nach um einen Ausschuss.113 Die Verankerung des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Grundgesetz erfolgte erst durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 17.07.2009.114 Die Aufgabe des Kontrollgremiums liegt darin, die Bundesregierung mit Blick auf die nachrichtendienstliche Tätigkeit zu kontrollieren, Art. 45d Abs. 1 GG. Die Befugnisse des Gremiums sind im Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (PKGrG) geregelt.115 So obliegt der 108  Begründung

des Gesetzesentwurfs vom 17.05.1973, BT-Drs. 7/580, S. 4. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 45c Rn. 8. 110  Begründung des Gesetzesentwurfs vom 17.05.1973, BT-Drs. 7/580, S. 4. 111  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 45c Rn. 22; Würtenberger, in: BK, GG, Art. 45c Rn. 45; Langenfeld, in: HStR III (3. Auflage), § 39 Rn. 56; Krings, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, § 45c Rn. 17; Bauer, in: Dreier, GG, Art. 45c Rn. 18; vgl. Kapitel 4: A. II. 1. c) bb). 112  Vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 45c Rn. 74, 77 ff. 113  Hermes, in: Dreier, GG, Art. 45d Rn. 17, 34. 114  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 45d Rn. 12; Wolff, in: BK, GG, Art. 45d Rn. 14. 115  BGBl. 2009 I S. 2346. 109  Vgl.

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

Bundesregierung eine umfassende Informationspflicht über die Tätigkeit der Nachrichtendienste, § 4 PKGrG. Damit korreliert zugleich ein umfangreiches Informationsrecht des Gremiums selbst. So kann es die Herausgabe von Akten, Schriftstücken und Dateien verlangen, Zugang zu den Gebäuden der Nachrichtendienste erhalten oder Mitarbeiter der Bundesregierung oder der Nachrichtendienste befragen, § 5 PKGrG. Das umfangreiche Selbstinforma­ tionsrecht des Kontrollgremiums wird schließlich durch die Pflicht zur Rechts- und Amtshilfe der Gerichte und Behörden abgesichert, § 5 Abs. 4 PKGrG.116 Nach § 13 PKGrG setzt das Kontrollgremium den Deutschen Bundestag mindestens in der Mitte und zum Ende einer Wahlperiode über seine Tätigkeit in Kenntnis. Das parlamentarische Kontrollgremium leistet eine mitlaufende Kontrolle der Nachrichtendienste auf deren rechtmäßiges Handeln. Tatsächliche Konsequenzen aus der fortlaufenden Überprüfung vermag das Gremium selbst aber nicht zu ziehen. Eine Entscheidungsbefugnis im Sinne dieser Untersuchung, die über ein Informations- und Auskunftsverlangen hinausgeht, wird dem Parlamentarischen Kontrollgremium mithin nicht eingeräumt.117 Ungeachtet der Tatsache, dass das Parlamentarische Kontrollgremium nicht mit Entscheidungsbefugnissen ausgestattet ist, handelt es sich bei dem Gremium um einen verfassungsrechtlichen Spezialfall, aus dem nur schwerlich verallgemeinerungsfähige Schlüsse gezogen werden können. Dies ist auf die besonders gelagerte Situation des Gremiums zurückzuführen, die mit Kontrolle der Nachrichtendienste in einer Demokratie zu erklären ist.118 Um hier eine effektive Kontrolle zu ermöglichen, ohne Schaden für die Arbeit der Nachrichtendienste zu verursachen, bedarf es besonderer Kontrollinstrumente unter Ausschluss der Öffentlichkeit.119 Mit den umfassenden Informationsansprüchen korrelieren deshalb auch weitreichende Geheimschutzmaßnahmen.120 Bereits die Bezeichnung als Gremium und nicht als Ausschuss ist eine bewusste Entscheidung aus Gründen der Geheimhaltung und Vertraulichkeit.121 Denn in Folge sind die Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestages auf das Parlamentarische Kontrollgremium nicht anwendbar. So werden die Mitglieder des Gremiums nicht durch ihre Fraktionen bestimmt, 116  Magiera, in: Sachs, GG, Art. 45d Rn. 9; Hermes, in: Dreier, GG, Art. 45d Rn. 43; Huber, in: NVwZ 2009, S. 1321 (1322); Shirvani, in: VBlBW 2010, S. 99 (102 f.). 117  Vgl. hierzu Hirsch, Die Kontrolle der Nachrichtendienste, S. 59 f. 118  Vgl. Achterberg, in: DÖV 1977, S. 548 (553); Magiera, in: Sachs, GG, Art. 45d Rn. 3; vgl. ferner Bull, in: DÖV 2008, S. 751 ff. 119  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 45d Rn. 1 f., 28; vgl. Wolff, in: BK, GG, Art. 45d Rn. 18, 46 ff. 120  Christopeit/Wolff, in: ZG 2010, S. 77 (80). 121  BT-Drs. 16/12412, S. 5, vom 24.03.2009.



A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen 149

§ 57 Abs. 2 GOBT, sondern aus der Mitte des Bundestages gewählt, § 2 Abs. 1 und Abs. 3 PKGrG. Auch der in der § 12 GOBT niedergelegte Grundsatz der Spiegelbildlichkeit findet keine unmittelbare Anwendung.122 Die Abgeordneten sollen das Vertrauen des gesamten Deutschen Bundestages genießen und nicht nur einer Mehrheit einer einzelnen Fraktion. Gleichwohl gebietet das Repräsentationsprinzip auch hier, dass die Zusammensetzung des Gremiums sich an der Stärke der Fraktionen orientiert und so im Ergebnis der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit auch hier gewahrt wird.123 Aus Gründen des Geheimschutzes ist das Kontrollgremium zudem mit nur 9 Mitgliedern ausgesprochen klein. Das Parlamentarische Kontrollgremium als Geheimschutzvorkehrung geht noch über die Maßnahmen der Untersuchungsausschüsse oder des Verteidigungsausschusses hinaus.124 Es ergeben sich daraus sowohl Besonderheiten in der Beziehung zwischen Parlament und Ausschuss als auch zwischen Parlament und Regierung, die für die verfassungsrechtliche Verankerung ursächlich sind.125 Insbesondere die Geheimhaltungserfordernisse und die damit einhergehende Eigenständigkeit des Gremiums – die Kontrollbefugnisse sind exklusive Rechte des Parlamentarischen Kontrollgremiums – erfordern eine verfassungsrechtliche Verankerung.126 Eine Rückholbefugnis der Kompetenzen des Gremiums hat das Plenum in Folge nicht.127 Zudem dürfte das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, dem Gremium die Möglichkeit zu eröffnen, eigene Rechte vor dem Bundesverfassungsgericht geltend zu machen, für eine verfassungsrechtliche Verankerung gesprochen haben.128 Schließlich ist im Zusammenhang mit dem Parlamentarischen Kontrollgremium bemerkenswert, dass die verfassungsrechtliche Verankerung keineswegs zwingend erscheint. So bestanden sowohl das Parlamentarische Kon­ trollgremium als auch seine Vorgängerinstitutionen – das Parlamentarische Vertrauensmännergremium von 1956–1976 sowie die parlamentarische Kontrollkommission von 1978–1999 – zuvor ohne verfassungsrechtliche Grundlage.129 Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gab es dagegen 122  Hermes,

in: Dreier, GG, Art. 45d Rn. 17. in: Sachs, GG, Art. 45d Rn. 4; Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste, S. 127, 129 f.; Hermes, in: Dreier, GG, Art. 45d Rn. 38; vgl. Achterberg/ Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 45d Rn. 13 f., Rn. 18. 124  Wolff, in: BK, GG, Art. 45d Rn. 55 f.; Magiera, in: Sachs, GG, Art. 45d Rn. 2 f. 125  Hermes, in: Dreier, GG, Art. 45d Rn. 12; BT-Drs. 16/12412, S. 5. 126  Vgl. BT-Drs. 16/12412, S. 5, vom 24.03.2009; Huber, in: NVwZ 2009, S. 1321; vgl. Kapitel 4: A. II. 1. c) bb). 127  Hermes, in: Dreier, GG, Art. 45d Rn. 34. 128  BT-Drs. 16/12412, S. 1, vom 24.03.2009; Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste, S. 123; vgl. Christopeit/Wolff, in: ZG 2010, S. 77 (91 f.). 129  Wolff, in: BK, GG, Art. 45d Rn. 1 ff. 123  Magiera,

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

nicht. Die durch die Reform des Gremiums „behutsam“ erweiterten Befug­ nisse130 führten nach der wohl überwiegenden Literaturmeinung keineswegs zu einer zwingenden Kodifizierung von Art. 45d GG.131 Dementsprechend ist noch im Gesetzesentwurf von einer „klarstellenden Verankerung“ des Kontrollgremiums die Rede.132 Das entscheidende Motiv dürfte insofern verfassungspolitischer Natur gewesen sein, namentlich die erweiterten Befugnisse der Nachrichtendienste in Folge des Irakkriegs durch eine demons­ trativ verstärkte Kontrolle zu kompensieren.133 Rückschlüsse auf die Notwendigkeit einer verfassungsrechtlichen Einbettung von Entscheidungsdelegationen lassen sich aus Art. 45d GG im Ergebnis nicht ziehen. gg) Gremium nach Art. 13 Abs. 6 GG Anders als bei der G-10-Kommission handelt es sich bei dem Gremium nach Art. 13 Abs. 6 GG um ein originäres Bundestagsgremium, das sich aus Abgeordneten zusammensetzen muss.134 Das Gremium übt grundsätzlich die parlamentarische Kontrolle auf Grundlage der jährlichen Berichte der Bundesregierung an den Bundestag aus. Besondere Kompetenzen, Informationsrechte oder Entscheidungsbefugnisse kommen dem Gremium dabei nicht zu. Das ist für sich genommen auch nicht erforderlich, da das Gremium die allgemeinen parlamentarischen Kontrollrechte und so auch die Zuständigkeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums unberührt lässt.135 Gleichwohl erhellt sich in diesem Kontext, dass die verfassungsrechtliche Verankerung des Gremiums auf die Übernahme politischer Verantwortlichkeit zielt und nicht mit der Übertragung spezieller Entscheidungsbefugnisse zu begründen ist.136 Auch dem Gremium nach Art. 13 Abs. 6 GG lassen sich daher keine Hinweise auf einen allgemeinen Verfassungsvorbehalt für entscheidende Ausschüsse entnehmen. 130  BT-Drs.

16/12411, S. 7, vom 24.03.2009. Die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, S. 123 ff.; Wolff, in: BK, GG, Art. 45d Rn. 62; vgl. Christopeit/Wolff, in: ZG 2010, S. 77 (87 f.); vgl. Shirvani, in: VBlBW 2010, S. 99 (101). 132  BT-Drs. 16/12412, S. 5  f., vom 24.03.2009; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 45d Rn. 11. 133  Vgl. Hermes, in: Dreier, GG, Art. 45d Rn. 7 f.; vgl. BT-Drs. 16/12412, S. 4; BT-Drs. 16/7540, S. 11; vgl. BT-Drs. 15/5989, S. 7; Huber, in: NVwZ 2009, S. 1321; vgl. hierzu Borgs-Maciejewski, in: ZRP 1997, S. 361 (362); vgl. Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 45d Rn. 1; vgl. Achterberg, in: DÖV 1977, S.  548 (552 f.). 134  Fink, in: BeckOK, GG, Art. 13 Rn. 25; Gornig, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 13 Abs. 6 Rn. 144 f.; Hermes, in: Dreier, GG, Art. 13 Rn. 106. 135  Vgl. Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste, S. 161. 136  Vgl. BVerfGE 109, 279 (373); Hermes, in: Dreier, GG, Art. 13 Rn. 102. 131  Kumpf,



A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen 151

hh) Ständiger Ausschuss, Art. 45 GG a. F. In der bis zum 14.12.1976 gültigen Fassung des Art. 45 GG wurde der ständige Ausschuss geregelt. Gemäß Art. 45 Abs. 1 GG a. F. hatte der ständige Ausschuss „die Rechte des Bundestages gegenüber der Bundesregierung zwischen zwei Wahlperioden zu wahren (…). Der ständige Ausschuß hat auch die Rechte eines Untersuchungsausschusses.“137 In Art. 45 Abs. 2 GG a. F. wurde explizit festgeschrieben, dass „weitergehende Befugnisse, insbesondere das Recht der Gesetzgebung, der Wahl des Bundeskanzlers und der Anklage des Bundespräsidenten“ dem ständigen Ausschuss nicht zustehen. Entscheidungsbefugnisse wurden mithin qua Verfassung aus dem Zuständigkeitsbereich des Ausschusses ausgenommen. Wie Art. 45a Abs. 1 Satz 2 GG a. F. ist der gesamte Art. 45 GG a. F. auf den Umstand zurückzuführen, dass ursprünglich die Legislaturperioden nicht nahtlos aneinander anschlossen. Die Wahlperiode endete in der Regel vier Jahre nach dem ersten Zusammentritt des Parlaments und nicht erst mit dem Zusammentritt des neuen Bundestages, Art. 39 Abs. 1 Satz 2 GG.138 Für den Zeitraum zwischen den Wahlperioden sollte der ständige Ausschuss die Rechte des Bundestages wahrnehmen. Das Erfordernis einer verfassungsrechtlichen Verankerung des ständigen Ausschusses ist auf den Grundsatz der Diskontinuität zurückzuführen, der automatisch mit dem Ende einer Wahlperiode greift. Danach verliert der alte Bundestag seine Handlungsbefugnisse und die Abgeordneten ihr Mandat.139 Mit dem Mandatsverlust erlöschen auch sämtliche Teilhaberechte am parlamentarischen Verfahren einschließlich die Mitgliedschaft in den Ausschüssen.140 Der Grundsatz der Diskontinuität bedeutet in institutioneller Hinsicht das Ende der Ausschüsse.141 Sollte also in einer solchen Zeit zwischen zwei Wahlperioden gleichwohl ein ständiger Bundestagsausschuss bestehen bleiben, der die Rechte des institutionell nicht existierenden Parlaments wahrnimmt, ist hierfür eine verfassungsrechtliche Festschreibung des Ausschusses zwingend. Der ständige Ausschuss des Art. 45 GG a. F. war mithin ein ausgesprochener verfassungsrechtlicher Spezialfall, von dem keinerlei Rückschlüsse auf die allgemeine Frage der Delegierbarkeit von Parlamentsaufgaben und Entscheidungsbefugnissen gezogen werden können. 137  Art. 45 GG a. F. wurde durch das Gesetz vom 23.08.1976 mit Wirkung zum 14.12.1976 gestrichen, BGBl. I S. 2381 f., vom 27.08.1976. 138  Die Änderung des Art.  39 GG wurde ebenfalls durch das Gesetz vom 23.08.1976 vorgenommen, BGBl. I S. 2381 f., vom 27.08.1976. 139  Kretschmer, in: BK, GG, Art, 39 Rn. 144. 140  Kretschmer, in: BK, GG, Art. 39 Rn. 182 und 185. 141  Kretschmer, in: BK, GG, Art. 39 Rn. 193 ff.

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

ii) Europaausschuss, Art. 45  GG Einer genaueren Betrachtung bedarf schließlich der in Art. 45 Satz 1 GG geregelte Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Europaausschuss). Dem Europaausschuss gehören derzeit neben 34 Bundestagsabgeordneten 14 deutsche Mitglieder des Europäischen Parlaments an. Diesen 14 Europaabgeordneten kommt aber nicht die Rechtsstellung von ­ Bundestagsabgeordneten zu, es handelt sich insbesondere auch nicht um Ausschussmitglieder im Sinne des Parlamentsrechts.142 Sie sind nur „mitwirkungsberechtigt“, nicht aber stimmberechtigt. Folglich handelt es sich beim Europaausschuss trotz der Abgeordneten des Europäischen Parlaments um einen Bundestagsausschuss im Sinne dieser Untersuchung. Die Einsetzung des Europaausschusses ist verfassungsrechtlich verpflichtend.143 Der Europaausschuss hat zunächst einmal die Kernkompetenzen eines normalen Fachausschusses, namentlich die Beratung und Vorbereitung von Bundestagsbeschlüssen.144 Dabei kommt ihm eine besondere „Querschnittsfunktion“ zu.145 Der Ausschuss befasst sich mit sämtlichen Politikfeldern, sofern ein Bezugspunkt zu den Angelegenheiten der Europäischen Union besteht.146 Inwiefern der Europaausschuss mit weitergehenden Befugnissen ausgestattet wird, steht gemäß Art. 45 Satz 2 und 3 GG zur Disposition des Bundestages.147 (1) Befugnis zur Entscheidungsdelegation? Dabei ist zunächst einmal zu untersuchen, inwiefern Art. 45 GG zu Entscheidungsdelegationen ermächtigt. Nach Art. 45 Satz 2 GG kann der Europaausschuss ermächtigt werden, „Rechte des Bundestages gemäß Art. 23 GG gegenüber der Bundesregierung“ wahrzunehmen. Nach Art. 45 Satz 3 GG148 kann der Europaausschuss zudem ermächtigt werden, die Rechte wahrzunehmen, die dem Bundestag in den Verträgen der Europäischen Union eingeräumt werden.149 Art. 45 Satz 2 und 3 GG eröffnen damit explizit die Mög142  Kretschmer,

in: BK, GG, Art. 45 Rn. 189. in: Dreier, GG, Art. 45 Rn. 5. 144  Pernice, in: Dreier, GG, Art. 45 Rn. 7; Kretschmer, in: BK, GG, Art. 45 Rn. 154. 145  Pernice, in: Dreier, GG, Art. 45 Rn. 9; Kretschmer, in: BK, GG, Art. 45 Rn.  50 ff.; Sannwald, in: ZParl 1994, S. 15 (21). 146  Möller/Limpert, in: ZParl 1993, S. 21 (31 f.). 147  Kretschmer, in: BK, GG, Art. 45 Rn. 153. 148  Satz 3 wurde durch das Gesetz vom 08.10.2008 mit Wirkung zum 01.12.2009 in das Grundgesetz eingefügt, BGBl. I S. 1926. 149  Art. 45 Satz 3 GG wurde erst durch Gesetz vom 08.10.2008 (BGBl. I S. 1926) eingefügt. 143  Pernice,



A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen 153

lichkeit, dass der Europaausschuss die Rechte des Bundestages plenarersetzend wahrnimmt.150 Fraglich bleibt, ob es sich dabei um Entscheidungsbefugnisse handelt. Nach Art. 23 Abs. 2 Satz 1 GG „wirkt“ der Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union mit. Dabei handelt es sich um einen allgemeinen Grundsatz, der für sich genommen keine Rechte begründet.151 Die konkreten Mitwirkungsrechte folgen aus dem übrigen Regelungsgehalt von Art. 23 GG.152 So ist etwa nach Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG der Bundestag von der Bundesregierung „umfassend und zum frühest möglichen Zeitpunkt zu unterrichten“. Es wird eine Informationspflicht der Bundesregierung und ein damit korrelierendes Informationsrecht des Bundestages begründet.153 Ein Beschlussrecht ist mit Art. 23 Abs. 2 GG nicht verbunden. Eine Entscheidungsdelegation ist allerdings dann gegeben, wenn das Recht zur Erhebung einer Subsidiaritätsklage gemäß Art. 23 Abs. 1a GG auf den Europaausschuss delegiert werden kann. Das ist insofern problematisch, als dass Art. 45 GG nur zur Übertragung von Rechten des Bundestages gegenüber der Bundesregierung ermächtigt. Art. 23 Abs. 1a GG räumt aber dem Bundestag das Recht ein, wegen eines Verstoßes gegen das Subsidiaritätsprinzip „vor dem Gerichtshof der Europäischen Union Klage zu erheben“. Nach dem Wortlaut handelt es sich folglich um ein unmittelbares Klagerecht und nicht um ein Recht gegenüber der Bundesregierung. Allerdings ist hier zu beachten, dass eine Norm des nationalen Verfassungsrechts keine Klagebefugnis vor dem Gerichtshof der Europäischen Union begründen kann. Art. 263 Abs. 2 AEUV begründet für die nationalen Parlamente allerdings kein Klagerecht. Insofern handelt es sich bei Art. 23 Abs. 1a GG um ein „mittelbares“ Klagerecht, welches die Bundesregierung zur fristgerechten Klageerhebung verpflichtet.154 Faktisch wird daher dem Bundestag gegenüber der Bundesregierung ein Recht verbürgt. Dieses Recht ist auch nach Art. 45 GG grundsätzlich auf den Europaausschuss übertragbar. Eine Möglichkeit zur Entscheidungsdelegation ist damit gegeben. Ferner könnte mit dem Recht des Bundestages zur Stellungnahme nach Art. 23 Abs. 3 GG eine Entscheidungsbefugnis verbunden sein. Das hier verfassungsrechtlich kodifizierte Recht zur Stellungnahme geht über eine bloße Meinungskundgabe oder Absichtserklärung, wie sie der Bundestag 150  Kretschmer,

in: BK, GG, Art. 45 Rn. 210. Möller/Limpertz, in: ZParl 1993, S. 21 (25 ff.). 152  Classen, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 23 Rn. 71. 153  Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 45 Rn. 22; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23 Rn. 157. 154  Schorkopf, in: BK, GG, Art. 23 Rn. 108. 151  Vgl.

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

oder seine Ausschüsse grundsätzlich jederzeit abgeben können, hinaus.155 Sie begründet die Pflicht der Bundesregierung, sich mit der Stellungnahme zu befassen und sie in ihren Entscheidungsfindungsprozess einfließen zu lassen.156 Der Regierung obliegt eine „Befassungs-, Begründungs-, und Sorg­ falts­pflicht“.157 Gemäß § 9 Abs. 2 und Abs. 4 EUZBBG legt die Bundesregierung die Stellungnahmen „ihren Verhandlungen zugrunde“.158 Rechtspolitisch kommt dem Stellungsnahmerecht deshalb ein besonderes Gewicht zu, weil es praktisch das einzige Mitwirkungsinstrumentarium des Bundestages im Bereich der europäischen Rechtsetzung darstellt.159 Losgelöst von der genauen rechtlichen Einordnung der Stellungnahme160 und ungeachtet der Tatsache, dass mit ihr keine endgültigen Fakten für den Bürger geschaffen werden, kommt ihr damit Entscheidungscharakter im Sinne der vorliegenden Untersuchung zu. Art. 45 GG ermächtigt auch in dieser Hinsicht zur Entscheidungsdelegation. Eine theoretische Befugnis zur Delegation von Entscheidungsbefugnissen enthält schließlich auch Art. 45 Satz 3 GG. Der Bundestag kann danach die Rechte, die ihm in „den vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union eingeräumt sind“, auf den Europaausschuss übertragen. Bei näherer Betrachtung ist der Anwendungsbereich der Norm allerdings sehr eingeschränkt. Denn die Rechte, welche in den europäischen Verträgen dem Bundestag eingeräumt werden, bedürfen in aller Regel aufgrund der von dem Bundesverfassungsgericht postulierten Integrationsverantwortung eines Parlamentsgesetzes.161 Art. 45 Satz 3 GG ermöglicht deshalb zwar der Sache nach zur Delegation von Entscheidungsbefugnissen, begründet jedoch zumindest in der gegenwärtigen Praxis keine neuen Zuständigkeiten des Europaausschusses.162 (2) Rückschluss auf Verfassungsvorbehalt? Zu untersuchen bleibt schließlich die Frage, ob aus der verfassungsrechtlichen Ermächtigung zur Entscheidungsdelegation in Art. 45 GG der Schluss 155  Möller/Limpert,

(109).

156  Hölscheidt,

in: ZParl 1993, S. 21 (28); Hölscheidt, in: DÖV 2012, S. 105

in: DÖV 2012, S: 105 (109). in: ZG 2010, S. 20. 158  Klein, in: ZG 2012, S. 209 (222). 159  Vgl. Pernice, in: Dreier, GG, Art. 23 Rn. 103. 160  Zu dem Meinungsstreit Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art.  45 Rn.  14 m. w. N. 161  Siehe §§  3  ff. IntVG, Integrationsverantwortungsgesetz vom 22.09.2009, BGBl. I S. 3022; BVerfGE 123 267 (432 ff.); Magiera, in: Sachs, GG, Art. 45 Rn. 7; Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 45 Rn. 30. 162  Vgl. Magiera, in: Sachs, GG, Art. 45 Rn. 7. 157  Calliess,



A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen 155

gezogen werden kann, eine Übertragung von Entscheidungsbefugnissen bedürfe grundsätzlich einer Verankerung im Grundgesetz. Für einen solchen Schluss spricht zumindest die Begründung des Änderungsgesetzes zum Grundgesetz, aufgrund dessen Art. 45 GG eingefügt wurde. Darin wird ausdrücklich vorgetragen, dass mit Art. 45 GG „erstmals“ ein Ausschuss das Recht bekomme, „für das Parlament gegenüber der Bundesregierung zu handeln“, sofern von der verfassungsrechtlichen De­ ­ lega­ tionsermächtigung Gebrauch gemacht wird.163 Die Verankerung des Art. 45 GG wurde vom verfassungsändernden Gesetzgeber insofern auch mit der Delegationsermächtigung begründet. Entsprechend wird der Europaausschuss auch in der Literatur vielfach als „staatsrechtliche Novität“ bezeichnet.164 Das impliziert die Annahme, dass Ausschüsse mit Entscheidungsbefugnissen grundsätzlich „einer verfassungsrechtlichen Ermächtigung nach dem Muster der Art. 45 Satz 2–3 GG“ bedürfen.165 Die ansonsten nur vorbereitende und empfehlende Funktion der Bundestagsausschüsse werde gerade durch die Ausnahmevorschrift des Art. 45 Satz 2 GG bestätigt.166 Bei näherer Betrachtung überzeugt dieses Argument allerdings nicht. Denn zunächst einmal stellte der Europaausschuss bereits zum Zeitpunkt seiner verfassungsrechtlichen Einführung keineswegs unter dem Gesichtspunkt von Entscheidungsbefugnissen eine „staatsrechtliche Novität“ dar.167 Ausschüsse mit Letztentscheidungsbefugnissen gibt es schon wesentlich länger als den Europaausschuss. Insofern kann auf den verfassungsrechtlich kodifizierten Petitionsausschuss, der zumindest potentiell entscheidungsbefugt ist, oder aber den Haushaltsausschuss und den Ausschuss zur Wahl der Bundesverfassungsrichter verwiesen werden, denen jeweils eine verfassungsrechtliche Grundlage fehlt.168 Die Formulierung in der Gesetzesbegründung, dass dem Europaausschuss erstmals eine solche Handlungsbefugnis zukomme, ist insofern falsch. Eine entsprechende Formulierung gab es bezeichnenderweise auch in dem Vorschlag der gemeinsamen Verfassungskommission aus dem Jahr 1993, welcher der Gesetzesfassung zugrunde lag, nicht. Diese betonte vielmehr, dass für den Europaausschuss bewusst der damals freie Art. 45 GG gewählt werde, „um auf diese Weise die besondere Bedeutung des AusschusDrucksache 12/3896, S. 21; Sannwald, in: ZParl 1994, S. 15 (20 f.). in: FS Schambeck, S. 887 (901); Pernice, in: Dreier, GG, Art. 45 Rn. 5; Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Art. 45 Rn. 12. 165  Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23 Rn. 155 (S. 181a); vgl. Morlok/Hientzsch, in: JuS 2011, S. 1 (2 – Fn. 11). 166  Moench/Ruttloff, in: DVBl 2012, S. 1261 (1264). 167  Wiefelspütz, in: ZParl 2012, S. 227 (237); a. A. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23 Rn. 155 (S. 181a). 168  Vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 678 f. 163  BT

164  Badura,

156

Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

ses für den weiteren europäischen Integrationsprozeß kenntlich zu ma­ chen.“169 Der Ausschuss wurde als Instrument des Bundestages konzipiert, „um seine Informations- und Mitwirkungsrechte institutionell abzusichern“.170 Diese Begründung der gemeinsamen Verfassungskommission verdeutlicht, dass die verfassungsrechtliche Normierung des Europaausschusses nur vor dem Hintergrund des europäischen Einigungsprozesses erklärt werden kann. Art. 45 GG und Art. 23 GG stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang zu dem Vertrag von Maastricht aus dem Jahr 1992.171 Beide Artikel waren Teil einer umfassenden Verfassungsreform im Kontext der Gründung der Europäischen Union.172 Im Zuge des Vertrags von Lissabon wurde schließlich Art. 45 Satz 3 GG und Art. 23 Abs. 1a GG eingefügt.173 Gemeinsam ist den Verfassungsbestimmungen, dass ihnen der Wunsch zugrunde lag, die Mitwirkungsrechte des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union zu verbessern.174 Sowohl bei der Schaffung als auch der Ergänzung von Art. 23 GG war die zur Integrationsverantwortung mahnende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von maßgeblicher Bedeutung.175 Zur effektiven und umfangreichen Wahrnehmung dieser Beteiligungsrechte kann der Bundestag diese Rechte auf den Europaausschuss delegieren.176 Der Ausschuss sollte insofern eine tatsächliche Wahrnehmung dieser Rechte in den Angelegenheiten der Europäischen Union forcieren und so die Kontrolle der Exekutive in diesem Politikfeld garantieren.177 Sowohl Art. 23 GG als auch Art. 45 GG sind darauf gerichtet, die demokratische Repräsentation in europäischen Angelegenheiten zu stärken und so das Demokratiedefizit auf europäischer Ebene abzufedern.178 Mitnichten war es aber die Intention des Verfassungsgebers, durch Art. 45 GG eine Verkürzung demokratischer Repräsentation verfassungsrechtlich zu legitimieren. In diesem Sinne ist auch der verfassungsrechtliche Zwang zur Einsetzung des Ausschusses zu verstehen.179 169  BT

Drucksache 12/6000 vom 05.11.1993, S. 24. Drucksache 12/6000 vom 05.11.1993, S. 24. 171  Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23 Rn. 1. 172  BGBl. I S. 2086 (1992); vgl. die zahlreichen Änderungen in BT Drucksache 12/3896 vom 01.12.1992. 173  Classen, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 23 Rn. 58. 174  Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 45 Rn. 2; Kretschmer, in: BK, GG, Art. 45 Rn. 19 ff.; Möller/Limpert, in: ZParl 1993, S. 21 (30 ff.). 175  Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23 Rn. 17 ff. 176  Pernice, in: Dreier, GG, Art. 45 Rn. 1. 177  Pernice, in: Die Verwaltung 1993, S. 449 (466 f.); Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 45 Rn. 4. 178  Möller/Limpert, in: ZParl 1993, S. 21 (24); vgl. zur Integrationsverantwortung Nettesheim, in: NJW 2010, S. 177 ff. 179  Kretschmer, in: BK, GG, Art. 45 Rn. 57. 170  BT



A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen 157

Es geht darum, die vom Bundesverfassungsgericht geforderte demokratische Rückkoppelung der Regierung an das Parlament zu stärken.180 Der Europaausschuss als Integrationsinstrument der Europapolitik hat aus diesem Grund eine verfassungspolitische Dimension, die ihn aus dem Bereich des autonomen Parlamentsrechts heraushebt.181 Aus all dem folgt, dass die verfassungsrechtliche Normierung des Europaausschusses nicht auf die damit verbundene Möglichkeit zur Verlagerung von Entscheidungsbefugnissen zurückzuführen ist. Wäre dies die Intention gewesen, so wäre es naheliegender gewesen, zunächst die Entscheidungsbefugnisse des Ausschusses zur Wahl der Verfassungsrichter sowie die des Haushaltsausschusses grundgesetzlich festzuschreiben. Beide Ausschüsse waren auch zum Zeitpunkt der Einführung des Europaausschusses in das Grundgesetz verfassungsrechtlich umstritten.182 Auch aus Art. 45 GG kann insofern nicht das Erfordernis einer verfassungsrechtlichen Ermächtigung für Entscheidungsdelegationen gefolgert werden. jj) Ergebnis Aus den in Art. 44 GG ff. geregelten Ausschüssen kann im Ergebnis nicht geschlossen werden, dass entscheidende Ausschüsse prinzipiell einer verfassungsrechtlichen Grundlage bedürften. Bei keinem der Ausschüsse lässt sich die verfassungsrechtliche Verankerung im Grundgesetz auf eine Entscheidungsbefugnis zurückführen. Sofern die verfassungsrechtliche Verankerung überhaupt mit den besonderen Befugnissen eines Ausschusses zusammenhängt, so liegt das daran, dass dem Ausschuss weitergehende Rechte als dem Parlament im Plenum eingeräumt werden. Zum Teil ist die Aufnahme in den Verfassungstext historisch zu begründen, zum Teil ist sie auch nur politischer Natur. Eine Entscheidungskompetenz lässt sich keineswegs als gemeinsamer Nenner der verfassungsrechtlich kodifizierten Pflichtausschüsse ausmachen. Im Übrigen lassen sich dem Grundgesetz neben den ausdrücklichen Delegationsnormen der Art. 44 GG ff. gleichermaßen eindeutige Delegationsverbote entnehmen.183 Vor diesem Hintergrund ist es wenig sinnvoll, aus den Ausschüssen der Art. 44 GG ff. den Umkehrschluss zu ziehen, in allen anderen Fällen seien Aufgabenübertragungen verboten. Gleichermaßen könnte 180  Vgl. Maastricht-Entscheidung, BVerfGE 89, 155 (182 ff.); Pernice, in: Dreier, GG, Art. 45 Rn. 3; Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 45 Rn. 10. 181  Kretschmer, in: BK, GG, Art. 45 Rn. 28; vgl. Sannwald, in: ZParl 1994, S. 15 (19). 182  Siehe Kapitel 5: A. und B. 183  Siehe Kapitel 3: C. 

158

Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

aus den einzelnen Delegationsverboten gefolgert werden, in allen anderen Fällen sei eine Ausschussdelegation zulässig.184 Ein argumentum e contrario ist in dieser Situation nicht hilfreich.185 Ein grundsätzliches Verbot von Entscheidungsdelegationen lässt sich den Art. 44 GG ff. daher nicht entnehmen. d) Ergebnis Im Ergebnis überzeugen die für einen Verfassungsvorbehalt vorgebrachten formalen Argumente nicht. Zwar ist es grundsätzlich zutreffend, dass im Grundgesetz mit einer Kompetenzzuweisung an das Parlament zunächst einmal auch die Regelzuständigkeit des Bundestagsplenums begründet wird. Das steht aber einer Ausschussdelegation weder bei vorbereitenden oder kontrollierenden noch bei entscheidenden Aufgaben im Wege. Die Einrichtung von Ausschüssen wird vom Grundgesetz vorausgesetzt, Art. 43 GG. Die Aufgabenverteilung zwischen Bundestag und Plenum wird im Übrigen aber von der Verfassung grundsätzlich offengelassen. Auch aus der partiellen Normierung von Ausschüssen mit besonderen Befugnissen kann kein genereller Verfassungsvorbehalt für entscheidende Ausschüsse gefolgert werden. Es obliegt dem Parlament selbst, innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen im Wege seines Selbstorganisationsrechts seine interne Aufgabenverteilung vorzunehmen. Diese Offenheit liegt in der Natur der Verfassung als rechtliches Grundgerüst und nicht als „kodifikatorische Vollverfassung“.186 So wird eine flexible Problemlösung innerhalb der geltenden Verfassung ermöglicht. Eine Verfassungsänderung wird danach erst dann erforderlich, wenn die Offenheit und Flexibilität der geltenden Verfassung eine sachgerechte Problemlösung nicht mehr zulässt.187 Die formalistische Argumentation für einen Verfassungsvorbehalt läuft letzten Endes auf das Erfordernis eines detaillierten Regelungskatalogs im Sinne einer „Vollverfassung“ hinaus,188 bei der im Zweifelsfall die Zulässigkeit einer Ausschussdelegation und damit verbunden die Handlungsfähigkeit des Bundestages an dem Zustandekommen einer verfassungsändernden 2 / 3-Mehrheit nach Art. 79 Abs. 2 GG abhinge. Das Grundgesetz als Rahmenordnung setzt aber der „Staatsgewalt Grenzen“ und ist nicht „der Grund staatlichen aber Nawiasky, in: FS Apelt, S. 137 (140). Das Zusammenwirken von Parlament und Regierung beim Haushaltsvollzug, S. 288; Berg, in: Der Staat 1970, S. 21 (26); Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, S. 171; vgl. Kreuzer, in: Der Staat 1968, S. 183 (194). 186  Kingreen, in: HStR XII (3. Auflage), § 263, Rn. 41 ff., 46 ff. 187  Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 15. 188  Kingreen, in: HStR XII (3. Auflage), § 263 Rn. 7, insbesondere 47 f. 184  So

185  Mandelartz,



A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen 159

Handelns“.189 Folglich kann sich ein Regelungsverbot nicht schon aus der „fehlenden verfassungsrechtlichen Ermächtigung, sondern nur aus den verfassungsrechtlichen Schranken staatlicher Entscheidungen ergeben.“190 Auf dem Gebiet der parlamentarischen Selbstorganisation gewinnt die Offenheit der Verfassung im Übrigen einen konkreten normativen Gehalt, da nur so Raum für den Gedanken der Parlamentsautonomie verbleibt. In dieses Konzept fügt es sich, dass das Grundgesetz keinen abschließenden Katalog delegierbarer Aufgaben vergleichbar den Art. 70 GG ff. enthält.191 Ein grundsätzliches Delegationsverbot für Entscheidungsbefugnisse lässt sich im Ergebnis weder dem Wortlaut der Verfassung noch der grundsätzlich indizierten Plenarzuständigkeit oder den Art. 44 GG ff. entnehmen. 2. Gewaltenteilung – Zuständigkeit, Verantwortung, Funktion Verschiedentlich wird im Zusammenhang mit Entscheidungsdelegationen auch ein Zuständigkeits- und Kompetenzproblem gesehen.192 Es wird argumentiert, dass mit der Kompetenzzuweisung an den Bundestag zugleich eine Aufgabenwahrnehmung im Wege der charakteristischen „Struktur und Handlungsweise“ des Parlaments als Plenarorgan vorgesehen ist.193 Gedanklich wird hier an die Gewaltenteilung angeknüpft, die auch darauf abzielt, „daß staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen (…).“194 Mit der Größe des Parlaments als Kollegialorgan ist eine typische Verfahrensweise verbunden, die funktional auch der Qualität und Glaubwürdigkeit einer Entscheidungsfindung dient.195 Die als Ausprägung der Gewaltenteilung im Grundgesetz festgeschriebene Kompetenzordnung begründet nach dieser Argumentation nicht nur die Zuständigkeit des Parlaments als Verfassungsorgan, sondern ebenso die öffentliche Verantwortlichkeit sämtlicher Abgeordneter.196 Die zentrale Funktion 189  Kingreen, in: HStR XII (3. Auflage), § 263 Rn. 48; Christopeit/Wolff, in: ZG 2010, S. 77 (89). 190  BVerfGE 98, 218 (246); Kingreen, in: HStR XII (3. Auflage), § 263 Rn. 49. 191  Vgl. Ruppert, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, § 6 Rn. 10; Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, S. 172; Berg, in: Der Staat 1970, S. 21 (25 f.). 192  Goltz, in: DÖV 1965, S. 605 (615 f.). 193  Vgl. Kreuzer, in: Der Staat 1968, S. 183 (196). 194  BVerfGE 68, 1 (86); 95, 1 (15); 98, 218 (252); hierzu Grzeszick, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 20 V Rn. 90 f. 195  Morlok, in: VVDStRL 62 (2003), S. 37 (60 f.). 196  Berg, in: Der Staat 1970, S. 21 (40 f.).

160

Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

des Parlaments „als das große Forum für die Debatten über die hohe Politik und als Platz, auf dem die mannigfaltigen Wünsche und Ziele des Volkes aneinander angeglichen werden“, ist eine völlig andere als die der Ausschüsse, mit der „mühsamen Facharbeit (…) in Stille“.197 Aufgrund der gänzlich unterschiedlichen Größe und Arbeitsweise sind die Ausschüsse trotz Spiegelbildlichkeit kein „Miniaturbundestag“, sondern funktionell ein aliud.198 Nach dieser Argumentation können also Ausschüsse aufgrund ihrer andersartigen Struktur nicht dieselbe Funktion erfüllen wie das Plenum. Aus der anderen Arbeitsweise, prozedual verschiedenen Verfahren und unterschiedlicher Zusammensetzung wird hier eine andere Funktion gefolgert, die auf rein vorbereitende Hilfstätigkeiten reduziert ist.199 Arbeitsweise, Funktion und Aufgabenbereich stehen in gegenseitiger Wechselwirkung. Die andere Arbeitsweise führt zu einer anderen Funktion – die des kleinen Expertenkreises anstelle des Forums der Nation –, die andere Funktion wiederum erlaubt erst eine andere Arbeitsweise. Je nach Art und Charakter einer wahrzunehmenden Aufgabe ist diese nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes funktionell dem Plenum oder den Ausschüssen zuzuordnen. Dabei können nach dieser Auffassung Entscheidungen grundsätzlich nur im Plenum funktionsadäquat getroffen werden. Wird eine Entscheidungsbefugnis auf Ausschüsse verlagert, verstößt das demnach gegen die Gewaltenbalancierung der Verfassung.200 Bei genauerer Untersuchung zeigt sich allerdings, dass auch diese Argumentation nicht zu überzeugen vermag. Denn der Grundsatz der Gewaltenteilung wird von einer Ausschussdelegation gar nicht erst berührt. Auch bei einer Ausschussentscheidung bleibt das Parlament das zuständige Organ. Das „Verfassungsgebot der Organspezifität“ bleibt in jedem Fall gewahrt.201 In der Außenwirkung sind Entscheidungen des Plenums oder von Ausschüssen gleich, verantwortlich sind in jedem Fall sämtliche Abgeordnete.202 Zwar ist die Kontrolle und Verantwortlichkeit ein elementarer Bestandteil der Gewal197  Partsch, in: VVDStRL 16 (1958), S. 74 (79), der einen Redebeitrag von Webb aus dem Englischen Unterhaus im Jahr 1945 zitiert; Berg, in: Der Staat 1970, S. 21 (28 f.). 198  Kreuzer, in: Der Staat 1968, S. 183 (198); BVerfGE 118, 277 (333). 199  Berg, in: Der Staat 1970, S. 21 (29). 200  Partsch, in: VVDStRL 16 (1958), S. 74 (79); Kreuzer, in: Der Staat 1968, S. 183 (196); Kewenig, Staatsrechtliche Probleme parlamentarischer Mitregierung, S. 55; vgl. Berg, in: Der Staat 1970, S. 21 (34); Kasten, in: DÖV 1985, S. 222 (224); vgl. auch Achterberg, Parlamentsrecht, S. 680 f. 201  Wiefelspütz, in: ZParl 2012, S. 227 (233); vgl. Morlok, in: VVDStRL 62 (2003), S. 60; Pietzcker/Pallasch, in: JuS 1995, S. 511 (512). 202  Vgl. Kewenig, Staatsrechtliche Probleme parlamentarischer Mitregierung, S. 53.



A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen 161

tenteilung. Allerdings gilt das nur für die Kontrolle anderer Staatsgewalten durch das Parlament und damit um die Ausprägungen der checks and balances. Sofern die Argumentation allerdings an die Rolle des Parlaments als Repräsentationsorgan anknüpft und mit der Vollversammlung eine eigenständige Funktionalität verbindet, so zielt das im Ergebnis auf das Verhältnis zwischen Staatsvolk und Parlament. Die Beziehung zwischen dem Parlament und den anderen Staatsorganen bleibt von dem Forum einer Entscheidungsfindung – ob Plenum oder Ausschuss – unberührt.203 Die Verantwortlichkeit des Parlaments gegenüber dem Staatsvolk, welche grundsätzlich im Wege der Wahlen und der öffentlichen Meinung gewährleistet wird, wird vom Grundsatz der Gewaltenteilung aber nicht erfasst. Es handelt sich hier um den zentralen Kern der repräsentativen Demokratie. Den Verantwortungsund Kontrollzusammenhang zwischen Wählern und Gewählten in das Prinzip der Gewaltenteilung mit einzubeziehen ist falsch. Die Anwendbarkeit der Gewaltenteilung ist erst dann eröffnet, wenn die Aufgabenzuweisung an das Parlament als solche bezweifelt wird oder eine Aufgabenübertragung auf die Exekutive in Frage steht. Dann allerdings stellt sich die Problematik der Gewaltenteilung unabhängig von einer Ausschussdelegation.204 Dass die Zuordnung der Problematik zur Gewaltenteilung nicht überzeugt, lässt sich auch bei einer näheren Betrachtung des Funktionsbegriffs erkennen. Was genau mit der Funktion des Bundestages in diesem Argumentationszusammenhang gemeint ist, wird nicht näher präzisiert. Denkbar wären sowohl einerseits die Repräsentationsfunktion als auch andererseits die parlamentarische Kontroll- und Kreationsfunktion, also die Rolle des Parlaments im Gefüge der Gewaltenteilung.205 Aus dem Kontext der Diskussion lässt sich allerdings schließen, dass allein die Repräsentationsfunktion gemeint sein kann. Wenn eine Delegation von Befugnissen vom repräsentativen Plenum in die kleine Ausschussrunde „dysfunktional“ sein soll,206 so ist das nur unter dem Topos der Repräsentation nachvollziehbar.207 Die Gesetzgebungs-, Kontroll- oder Kreationsfunktion können isoliert betrachtet, also losgelöst von dem Repräsentationsprinzip, genauso gut von Bundestagsausschüssen wahrgenommen werden. Für sich genommen steht nur die Repräsentationsfunktion in enger Verbindung mit der Arbeit im Bundestagsplenum. Leitgedanke für die Arbeit im Bundestag als Repräsentationsorgan ist deshalb der Grundsatz der Gesamtrepräsentation. 203  Achterberg,

Parlamentsrecht, S. 680 Fn. 41. Brügel, in: DVBl 1968, S. 873 f. 205  Vgl. Degenhart, Staatsrecht I, S. 14 f.; umfassend Schliesky, in: Parlamentsrecht, § 5 Rn. 7 ff.; vgl. Kotzur, in: BK, GG, Vorb. Art. 38, Rn. 47 ff. 206  Achterberg, Parlamentsrecht, S. 681. 207  Vgl. Kasten, in: DÖV 1985, S. 222 (224). 204  Vgl.

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

Darin liegt schließlich der logische Bruch der Argumentation mit den Begriffen der Zuständigkeit und Funktion. Es wird eine Problematik, welche richtigerweise dem Repräsentationsprinzip zuzuordnen ist, unter dem Grundsatz der Gewaltenteilung erörtert. Freilich ist die eingangs genannte Problemanalyse zutreffend, dass mit der Aufgabenzuweisung an den Bundestag prinzipiell die Zuständigkeit des Plenums mit seiner charakteristischen „Struktur und Handlungsweise“ begründet wird. Auch unterscheidet sich die Rolle des Plenums unter dem Gesichtspunkt der Repräsentationsfunktion grundlegend von der Rolle der Ausschüsse. Folgerichtig muss dann aber die Diskussion an das Repräsentationsprinzip und nicht an die Gewaltenteilung angeknüpft werden. 3. Repräsentation Entsprechend werden auch unter dem Gesichtspunkt der Repräsentation massive Bedenken gegen eine Entscheidungsdelegation vorgebracht. Dabei lassen sich zwei Begründungsansätze unterscheiden. Einerseits ist nach einem fundamentalen Ansatz eine Beschlussfassung schon deshalb dem Plenum vorbehalten, weil Ausschüsse schlechthin nicht in der Lage seien, den Volkswillen zu repräsentieren (a)). Andererseits wird zwar grundsätzlich ein Repräsentationsbeitrag von Ausschüssen anerkannt, da mit einer Delegation aber in den Abgeordnetenstatus eingegriffen und das Prinzip der Gesamtrepräsentation verkürzt wird, müsse zumindest die Schlussabstimmung selbst im Plenum stattfinden (b)). a) Keine Repräsentation durch Ausschüsse Gegen eine Delegation von Entscheidungsbefugnissen wird das Argument vorgebracht, dass eine Entscheidungsverlagerung auf Ausschüsse bereits mit „dem Wesen des Parlaments als der Repräsentation des Staatsvolks“ unvereinbar sei.208 Repräsentieren könne das Parlament nur, wenn es im Rahmen eines „dialektischen Entscheidungsverfahrens im Plenum“ alle gesellschaftlichen Interessen und widerstreitenden Kräfte austariert.209 Das können Ausschüsse aufgrund der vom Plenum grundverschiedenen Konstruktion und Konzeption nicht leisten. Schon wegen der wesentlich kleineren Zahl der 208  Vgl. Kreuzer, in: Der Staat 1968, S. 182 (186 ff.), mit Verweis auf Carl Schmitt, vgl. hierzu Kapitel 2: B. III. 1. a) bb); Goltz, in: DÖV 1965, S. 605 (615). 209  Kreuzer, in: Der Staat 1968, S. 182 (187); Morlok/Hientzsch, in: JuS 2011, S. 1 (2); Tomuschat, in: Der Staat, 1980, S. 1 (14); Mandelartz, Das Zusammenwirken von Parlament und Regierung beim Haushaltsvollzug, S. 297 ff.



A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen 163

Ausschussmitglieder kann hier nur ein Bruchteil der Interessenströmungen vertreten sein. Zudem ist wegen der kleineren Besetzung und der nichtöffentlichen Arbeitsweise der Willensbildungsprozess ein anderer und die Ergebnisse können von einer hypothetischen Entscheidung im Plenum abweichen.210 Genauso wenig wie zwei verschiedene Ausschüsse, die mit der gleichen Materie befasst sind, zu dem gleichen Ergebnis kommen müssen, sind die Willensbildungsprozesse zwischen Ausschuss und Plenum identisch. Der Ausschuss ist eben kein gespiegelter „Miniaturbundestag“ sondern ein „aliud“.211 Es wird hier abermals auf die andersartige Funktionsweise und Struktur abgestellt, allerdings unter dem einschlägigen Oberbegriff der Repräsentation. Aus dem verschiedenartigen Entscheidungsfindungsprozess und in der Konsequenz aus einem nicht notwendig identischen Ergebnis wird geschlossen, dass eine Ausschussentscheidung nicht repräsentativ sei. Die dem Bundestag als Repräsentationsorgan anvertrauten Entscheidungsbefugnisse könne dieser daher selbst nicht weiter übertragen.212 Entscheidungsdelegationen sind danach schlechthin unzulässig. Dieser Argumentation liegt eine nicht unproblematische Vorstellung des zu repräsentierenden Volkswillens zugrunde.213 Die Überlegung, dass eine Entscheidungsdelegation deshalb unzulässig sei, weil ein Ausschuss nicht den Willen des Bundestages hervorbringen kann, überzeugt nicht. Zum Ausdruck kommt letztendlich ein identitäres oder zumindest ein qualitativ überhöhtes Repräsentationsverständnis.214 Denn ein vom Plenum abweichender Entscheidungsfindungsprozess mit gegebenenfalls abweichenden Entscheidungsergebnissen ist nur dann nicht mehr repräsentativ, wenn von der Prämisse ausgegangen wird, dass allein der Bundestag in der Lage ist, repräsentative Entscheidungen zu treffen. Hier werden Parlamentsentscheidungen in gewisser Hinsicht verabsolutiert, mit dem Ergebnis, dass jede abweichende Entscheidungsfindung daneben keinen Repräsentationsanspruch erheben kann. Einem solchen Stellenwert von Plenarentscheidungen liegt die Vorstellung von der Repräsentation des einen Volkswillens zugrunde. Das ist aber, wie bereits oben gezeigt, mit der Repräsentationsidee des Grundgesetzes unvereinbar. Es ist nicht die Aufgabe des Bundestages, einen qualitativ überhöhten, transzendenten Volkswillen zu artikulieren. In Folge muss weder der Bundestag ein „Miniaturvolk“ sein, noch muss ein Ausschuss einen „Miniaturbundestag“ darstellen. Um Ungenauigkeiten und Irr210  von

Lucius, in: AöR 1972 S. 568 (583 f.). in: Der Staat 1968, S. 192 (198). 212  Morlok/Hientzsch, in: JuS 2011, S. 1 (2) m. w. N. 213  Siehe Kapitel 2: B. III. 1. a) aa). 214  Vgl. Badura, in: BK, GG, Art. 38 Rn. 25 ff.; Badura, in: HStR II (3. Auflage), § 25 Rn. 36; Nettesheim, in: NJW 2012, S. 1409 (1411). 211  Kreuzer,

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

tümer zu vermeiden, muss hier präzise unterschieden werden.215 Zwar ist es richtig, dass der Grundsatz der Gesamtrepräsentation prinzipiell die Beteiligung aller Abgeordneter erfordert. Das liegt aber daran, dass alle Abgeordneten in einer Gesamtvertretung und mit gemeinschaftlicher Verantwortung einen Willen für das Volk bilden sollen – nicht den Volkswillen (ab)bilden. Der Begriff des Volkswillens ist insofern irreführend.216 Dass sich die parlamentarische Willensbildung in „Struktur und Handlungsweise“ von der imaginären Willensbildung des Volkes unterscheidet, bedarf keiner Erklärung. Gleiches gilt für das Verhältnis zwischen Ausschuss und Bundestag. Auch hier bildet der Ausschuss einen Willen für den Bundestag und soll keinen Willen des Plenums simulieren oder nachbilden. Insofern kann es aber auch nicht schlechthin unstatthaft sein, dass der Entscheidungsfindungsprozess im Ausschuss von dem des Plenums abweicht. Nur ein identitäres Repräsentationskonzept steht und fällt mit der Fähigkeit, ein identisches Abbild hervorbringen zu können. Mit der Erkenntnis, dass bereits das Plenum nicht einen wie auch immer gearteten, exakten und identischen Volkswillen generieren kann, weil ein solcher eben wegen der unendlichen Vielschichtigkeit und Komplexität gesellschaftlicher Strukturen nicht existieren kann, verliert auch die Argumentation, ein Ausschuss müsse unbedingt den Willen des Bundestages hervorbringen, ihren Boden. Der logische Bruch liegt also streng genommen bereits auf der Ebene Staatsvolk – Parlament und setzt sich auf der Ebene Parlament – Ausschuss fort. Die parlamentarische Repräsentation verkommt hier der Sache nach zu einer „Fiktion“,217 die mit den faktischen Begebenheiten einer Gesellschaft unvereinbar ist. Im Übrigen führt dieses Argumentationsmuster in letzter Konsequenz dazu, dass auch die Delegation von vorbereitenden und kontrollierenden Aufgaben ausgesprochen problematisch ist. Denn auch hier wird immer ein Teil der Entscheidungsfindung vorweggenommen. Würde man diesen Ausschussbeiträgen die Repräsentativität absprechen, führte das zu dem realitätsfernen Ergebnis, dass die Tätigkeit von Ausschüssen insgesamt mit einer repräsentativen Demokratie kaum vereinbar wäre.218 Den qualitativen Unterschied zwischen nur vorbereitenden und kontrollierenden Aufgaben, die grundsätzlich zulässig sein sollen, und Entscheidungsbefugnissen, welche schlechthin unzulässig sein sollen, vermag diese Argumentation nicht überzeugend zu erklären. Wird das Repräsentationskonzept des Grundgesetzes zugrunde gelegt, trägt diese Argumentation nicht mehr. Repräsentation muss danach – frei von jeNettesheim, in: EuR 2011, S. 765 (771). Kapitel 2: B. III. 1. a) aa).  217  Jellinek, Verfassungsänderung und Verfassungswandlung, S. 64. 218  Vgl. BVerfGE 44, 308 (318 f.). 215  Vgl.

216  Siehe



A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen 165

der transzendenten Überhöhung – dahingehend verstanden werden, dass die Abgeordneten durch demokratische und periodische Wahlen dazu legitimiert sind, für das Volk zu handeln und für das Volk einen Willen zu bilden. Es bleibt zwar bei der Reihung Wahlrechtsgleichheit, Abgeordnetengleichheit, Gesamtrepräsentation. Die Gesamtheit der Abgeordneten ist grundsätzlich zur Vertretung des ganzen Volkes berufen.219 Allerdings sind ohne einen identitären Repräsentationsanspruch strukturelle Unterschiede im Willensbildungsprozess nicht ausgeschlossen. Auch eine Gruppe von demokratisch legitimierten Abgeordneten kann prinzipiell einen repräsentativen Willen für das Volk bilden. Freilich ist dabei zwischen mehr und weniger repräsentativen Entscheidungen zu differenzieren. Danach kann aber eine Entscheidungsdelegation auf Ausschüsse, auch wenn sie zu einer geminderten demokratischen Repräsentation führt, nicht von vorneherein kategorisch ausgeschlossen werden. Sie bedarf vielmehr als Verkürzung – nicht Ausschaltung – des Repräsentationsprinzips einer Rechtfertigung. Die dargestellte Ansicht überzeugt deshalb nicht. b) Verfassungswidrige Verkürzung der Abgeordnetenrechte Entscheidungsdelegationen werden aber auch von solchen Teilen der Literatur abgelehnt, die den Ausschüssen nicht grundsätzlich eine repräsentative Wirkung absprechen. Im Zentrum steht die bereits aufgezeigte verfassungsrechtliche Problematik. Das Prinzip der Gesamtrepräsentation wird nicht gewahrt und die Rechte des einzelnen Abgeordneten sind unzulässig verkürzt.220 Gegenüber der vorbereitenden Tätigkeit von Fachausschüssen sind hier die Eingriffe erheblich schwerwiegender. Einem weit überwiegenden Teil der Bundestagsabgeordneten wird hier das Recht zu Abstimmung gänzlich entzogen. In Folge reduziert sich auch der mittelbare Einfluss dieser Abgeordneten über die Parteien und Fraktionen. Die oben gezeigte parlamentarische „Inklusionsdynamik“ wird erheblich durch die Beteiligung sämtlicher Abgeordneter an der Beschlussfassung begünstigt. Nur dann führt Abhängigkeit von der Zustimmung der Fraktionskollegen in der Schlussabstimmung zu einem frühzeitigen Bewerben, Überzeugen und Einbinden der Fraktionskollegen durch die Ausschussmitglieder. Der Abgeordnetenstatus wird demnach durch den Entzug der zentralen Entscheidungsbefugnis in seinem Kernbereich eingeschränkt. Ein solcher Eingriff sei aber nur mit einer verfassungsrechtlichen Grundlage zulässig.221 Dem Recht auf Teilnahme an der Schlussabstimmung 219  Siehe

Kapitel 2: B. III. 1. b). Organisatorische Grundlagen, S. 137; Kischel, in: HStR III (3. Auflage), § 69 Rn. 51; vgl. Robbers, in: BK, GG, Art. 20 Abs. 1 Rn. 837. 221  Berg, in: BK, GG (51. Lieferung 1986), Art. 45a Rn. 61; Moench/Ruttloff, in: DVBl 2012, S. 1261 (1263); Steiger, Organisatorische Grundlagen, S. 137 ff. 220  Steiger,

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

wird hier – anders als etwa dem Rederecht oder dem Recht auf Teilnahme an der vorbereitenden Ausschusstätigkeit – ein absoluter Geltungsanspruch verliehen. Die Argumentation spricht den Ausschüssen also nicht grundsätzlich ihre Repräsentationswirkung ab, sondern hält nur die Delegation von Letztentscheidungsbefugnissen grundsätzlich für unzulässig, da die damit verbundenen Eingriffe in den Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation zu schwerwiegend seien.222 An der Argumentation überzeugt jedoch im Ergebnis der kategorische Ansatz nicht. Die Delegation von Entscheidungsbefugnissen per se für verfassungswidrig zu erklären, ohne überhaupt eine Rechtfertigung zu Gunsten kollidierenden Verfassungsrechts zu überprüfen, lässt sich mit dem Grundgesetz nicht erklären. Ein unbedingtes Stimmrecht wird den Abgeordneten von der Verfassung nicht verliehen. Vielmehr ist das Grundgesetz hinsichtlich der Ausgestaltung der Abgeordnetenrechte bewusst offen und lässt so Raum für die Ausübung des Selbstorganisationsrechts. Dass das Parlament im Wege des Selbstorganisationsrechts den gesamten parlamentarischen Verfahrensgang regeln darf, das Beschlussrecht aber vom Grundsatz der Parlamentsautonomie ausgenommen sein soll, überzeugt nicht. Ein Regelungsverbot für den Gesetzgeber kann vor dem Hintergrund der Offenheit der Verfassung nicht aus einer fehlenden verfassungsrechtlichen Ermächtigung gefolgert werden.223 Das Grundgesetz enthält eben keinen abschließenden Regelungskatalog und stellt keine „kodifikatorische Vollverfassung“ dar.224 Ein Delegationsverbot lässt sich aber weder dem Grundgesetz im Allgemeinen noch dem Status der Abgeordneten oder dem Grundsatz der Gesamtrepräsentation im Besonderen entnehmen. Es ist grundsätzlich zu beachten, dass der Status der Abgeordneten und der Grundsatz der Gesamtrepräsentation keinen verfassungsrechtlichen Selbstzweck darstellen, sondern in ihrer Funktion für das übergeordnete Repräsentationsprinzip zu sehen sind.225 Dieses fordert aber nicht nur die Beteiligung aller Abgeordneten am parlamentarischen Verfahren und ihre repräsentative Stellung, sondern ist gleichermaßen zwingend auch auf die Funktionsfähigkeit des Bundestages angewiesen. Wenn nun aber eine parlamentarische Aufgabenwahrnehmung einschließlich der Beschlussfassung etwa aus Gründen der Geheimhaltung oder Eilbedürftigkeit nur in einem Ausschuss stattfinden kann, so müssen im Zweifelsfall auch hier die Abgeordnetenrechte zu Gunsten der Funktionsfähigkeit des Bundestages und damit zu Gunsten des Reprä222  Vgl. Berg, in: BK, GG (51. Ergänzungslieferung 1986), Art. 45a Rn. 61; Kreuzer, in: Der Staat 1968, S. 183 (196). 223  BVerfGE 98, 218 (246); vgl. Kapitel 4: A. II. 1. d). 224  Kingreen, in: HStR XII (3. Auflage), § 263, Rn. 41 ff., 46 ff. 225  Siehe Kapitel 2: B. III. 2.



A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen 167

sentationsprinzips insgesamt zurücktreten. Einzige Alternative wäre de constitutione lata sonst eine Aufgabenwahrnehmung ohne parlamentarischer Beteiligung allein durch die Exekutive.226 Der damit verbundene Eingriff in das Repräsentationsprinzip wäre jedoch erheblich schwerwiegender. Systematisch lässt sich an dieser Stelle eine Parallele zu den Eingriffen in die Wahlrechtsgleichheit ziehen.227 So wird etwa in Folge der 5 % Sperrklausel einem erheblichen Teil der Wählerstimmen der Erfolgswert entzogen. Bei der Bundestagswahl 2013 wurden so 15,7 % der abgegebenen Stimmen entwertet.228 Eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Ermächtigung besteht auch hierfür nicht. Gleichwohl kann der Eingriff zu Gunsten der Funktionsfähigkeit des Bundestages nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gerechtfertigt werden.229 Schließlich sind auch an anderer Stelle weitreichende Eingriffe in den Abgeordnetenstatus möglich, wie etwa ein Fraktions-230 oder Parteiausschluss.231 Im Ergebnis ist es daher nicht überzeugend, den Status der Abgeordneten und den Grundsatz der Gesamtrepräsentation alleine im Bezug auf Entscheidungsdelegationen zum Dogma zu erklären und der Frage einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung von vorneherein zu entziehen. 4. Ergebnis Im Ergebnis überzeugen die Argumente, welche die Delegation von Entscheidungsbefugnissen nur in Folge einer verfassungsrechtlichen Ermächtigungsgrundlage für zulässig erachten, nicht. Weder die Kodifizierung besonderer Ausschüsse in den Art. 44 GG ff. noch die besondere Intensität des Eingriffs in den Abgeordnetenstatus und in die Gesamtrepräsentation, der mit dem Entzug des Stimmrechts verbunden ist, lassen einen allgemeinen Schluss auf einen Verfassungsvorbehalt zu. Es zeigt sich vielmehr, dass der Verfassungsgeber von einer abschließenden Regelung der Ausschusstätigkeit bewusst abgesehen hat. Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grenzen bleibt es dem Gesetz- oder Geschäftsordnungsgeber unbenommen, Parlamentsauf226  Vgl. BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 141 f. = BVerfGE 130, 318 (358 f.). 227  Vgl. BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 124 = BVerfGE 130, 318 (352). 228   Amtliches Ergebnis unter http://www.bundeswahlleiter.de/de/bundestagswah len/BTW_BUND_13/ergebnisse/bundesergebnisse/index.html, zuletzt abgerufen am 02.10.2015. 229  BVerfGE 6, 84 (92 f., m. w. N.); 51, 222 (236 f., m. w. N.); 95, 408 (418 f.); 129, 300 (320 ff.). 230  Vgl. Brenner, in: DVBl 2009, 1129 (1134); BbgVerfG, 4/03 vom 16.10.2003, NVwZ-RR 2004, 161 ff. 231  Vgl. Kotzur, in: JuS 2001, S. 54 ff.

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

gaben auf Ausschüsse zu delegieren. Ein grundsätzliches Delegationsverbot für Entscheidungsdelegationen lässt sich auch nicht aus dem Repräsenta­ tionsprinzip oder dem Abgeordnetenstatus herleiten. Denn beide Verfassungsgüter stehen nicht alleine für sich, sondern sind in ihrem Bedeutungsgehalt über das Repräsentationsprinzip zu determinieren. Insofern stehen sie in einer gegenseitigen Abhängigkeit mit dem Verfassungsgebot der Funktions- und Repräsentationsfähigkeit des Bundestages. Das Zusammenspiel muss mit Hinblick auf eine bestmögliche Repräsentationswirkung des Parlaments austariert werden. Ein unbedingter Geltungsanspruch im Bezug auf Letztentscheidungen kann dabei weder dem Abgeordnetenstatus noch dem Grundsatz der Gesamtrepräsentation zukommen. Gegen das Erfordernis eines Verfassungsvorbehalts für Entscheidungsdelegationen spricht schließlich auch der Grundsatz der einheitlichen Verfassungsinterpretation. In diesem Zusammenhang ist nochmals auf die systematische Verklammerung von Wahlrechtsgleichheit und Abgeordnetengleichheit hinzuweisen.232 Es erscheint vor diesem Hintergrund widersprüchlich, einerseits weitreichende Eingriffen in den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundestages zuzulassen, andererseits aber den mit einer Entscheidungsdelegation verbundenen Verlust des Stimmrechts der Abgeordneten kategorisch auszuschließen. In diesem Kontext ist zudem zu berücksichtigen, dass auch die Reichweite vorbehaltlos verbürgter Grundrechte durch kollidierendes Verfassungsrecht begrenzt werden kann.233 Es ist dem Grundgesetz insofern keineswegs fremd, dass auch in zentrale Verfassungsgüter ohne explizite verfassungsrechtliche Ermächtigung eingegriffen werden kann. Die Argumentation, die Entscheidungsdelegationen ohne verfassungsrechtliche Verankerung grundsätzlich ablehnt, vermag daher im Ergebnis nicht zu überzeugen.

III. Entscheidungsdelegationen unter Voraussetzungen zulässig Die Delegation von Entscheidungsbefugnissen auf Ausschüsse wird vielfältig auch für zulässig erachtet. Höchst unterschiedlich fallen dabei die dogmatischen Begründungen aus. Ebenso unterschiedlich sind in Folge auch die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen, unter denen die Verlagerung von Entscheidungsbefugnissen zulässig sein soll. Es ist nachfolgend zu untersuchen, ob die Argumente für eine Übertragbarkeit von Entscheidungsbefugnissen überzeugen. 232  Siehe

Kapitel 2: B. III. 2. b).

233  Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher,

Grundrechte Staatsrecht II, S. 80.



A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen 169

1. Delegation von Entscheidungen ohne Außenwirkung Es wird vertreten, dass zumindest Entscheidungsdelegationen in dem Bereich des parlamentarischen Selbstverwaltungsrechts uneingeschränkt auf Ausschüsse übertragen werden können. Denn der Grundsatz der Parlamentsautonomie ermögliche es auch, autonome Parlamententscheidungen auf Ausschüsse zu delegieren.234 Da die Entscheidungen im Innenrecht keine Außenwirkung haben und mithin auch keine Rechte des Volks berühren, sei „der Gedanke der Repräsentation in diesem Bereich überhaupt nicht berührt“.235 Nach dieser Ansicht muss die parlamentarische Selbstverwaltung nicht repräsentativ erfolgen. Entscheidungen mit Außenwirkung sind dagegen grundsätzlich nicht auf Ausschüsse übertragbar.236 Allerdings kann dieser Ansicht bei näherer Betrachtung nicht gefolgt werden. Denn die Geschäftsordnungsregelungen sind von herausragender Bedeutung für den Gang des parlamentarischen Verfahrens und damit auch für das Repräsentationsprinzip.237 Es handelt sich hier um Normen, die den repräsentativen Status der Abgeordneten wesentlich definieren und zugleich begrenzen. Entscheidungen über die Ausübung der Abgeordnetenrechte sind zwingend mit Eingriffen in das Freie Mandat verbunden. Entscheidungen über das Ausmaß parlamentarischer Öffentlichkeit, über die Rede- Antragsund Stimmrechte der Abgeordneten oder die Befugnisse der Fraktionen berühren im Kern den Repräsentationsgedanken. Es ist insofern unzutreffend, wenn argumentiert wird, mangels Außenwirkung sei das Repräsenta­ tionsprinzip gar nicht erst berührt und in Folge eine Delegation deshalb möglich. Vielmehr handelt es sich um für das Repräsentationsprinzip he­ rausragende Entscheidungen, die der Legitimation durch das gesamte Parlament bedürfen.238 Die Entscheidungen über das parlamentarische Innenrecht können insofern zumindest nicht ohne weiteres auf Ausschüsse delegiert werden.239 Ausschüsse können in Folge noch nicht einmal nur für den eigenen, ausschussinternen Verfahrensgang besondere Regelungen erlassen. Die Verfah234  Kasten, in: DÖV 1985, S. 222 (224); Pietzcker/Pallasch, in: JuS 1995, S. 511 (513); Preuß, in: ZRP 1988, S. 389 (391). 235  Kasten, in: DÖV 1985, S. 222 (224); Berg, in: Der Staat 1970, S. 21 (37). 236  Geis, in: HStR III (3. Auflage), § 54 Rn. 2; vgl. Eickenboom, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 44 Rn. 37. 237  Vgl. Cancik, in: VVDStRL 72 (2013), S. 268 (280 ff.). 238  Brenner, in: DVBl 2009, S. 1129 (1132); mit Verweis auf das Urteil des MVVerfG vom 31.05.2001, LVerfG 2/00, abrufbar im Internet unter http://www.landes verfassungsgericht-mv.de/index_aktuell.htm, zuletzt abgerufen am 02.10.2015. 239  Achterberg, Parlamentsrecht, S. 327; Badura, in: BK, GG, Art. 40 Rn. 214.

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

rensregeln der Geschäftsordnung gelten nach § 54 Abs. 2 GOBT auch für die Ausschüsse. Ein eigenmächtiges Abweichen von dieser Regel ist in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Formulierung „es sei denn, dass (…) in besonderen Geschäftsordnungen etwas anderes bestimmt ist“, § 54 Abs. 2 Halbsatz 3 GOBT. Hiermit sind allein die von den allgemeinen Regelungen abweichenden besonderen Verfahrensvorschriften innerhalb der GOBT gemeint, wie zum Beispiel § 93b GOBT für den Europaausschuss.240 2. Gewohnheitsrechtliche Zulässigkeit Die Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen wird weiter mit der vermeintlichen Existenz eines entsprechenden Verfassungsgewohnheitsrechts zu begründen versucht. Eine entsprechende Argumentation wurde schon frühzeitig zur Legitimation des Ausschusses zur Wahl der Bundesverfassungsrichter vorgebracht. So sei der Ausschuss zwar zum Zeitpunkt seiner Einsetzung verfassungswidrig gewesen, was aber später durch die „normative Kraft des Faktischen“ bzw. Verfassungsgewohnheitsrecht überwunden worden sei.241 In diese Richtung geht auch die nüchterne Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass jedenfalls in der „Staatspraxis“ Ausschüsse mit Entscheidungsbefugnissen Anerkennung gefunden haben.242 Verwiesen wird in diesem Kontext auch auf die Entscheidungsbefugnisse des Haushaltsausschusses. Dabei ist die Tragfähigkeit dieser Argumentation ausgesprochen zweifelhaft. Denn ungeachtet der umstrittenen Frage, ob es überhaupt Verfassungsgewohnheitsrecht geben kann,243 wäre hier jedenfalls ein Rückgriff auf ein solches Verfassungsgewohnheitsrecht von vorneherein nicht möglich. Es liegt dem Gedanken einer geschriebenen Verfassung zugrunde, dass ein Ausweichen auf ungeschriebenes Verfassungsrecht respektive Verfassungsgewohnheitsrecht nur dann zulässig ist,244 wenn die aufgeworfene Problematik nicht anhand des Verfassungstextes selbst, gegebenenfalls durch Auslegung, 240  Roll,

Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, § 54 Rn. 5. in: JöR 1957, S. 161 (188). 242  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 123 = BVerfGE 130, 318 (351); Wiefelspütz, in: ZParl 2012, S. 227 (238); a. A. Moench/Ruttloff, in: DVBl 2012, S. 1261 (1263). 243  Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, S. 428 ff.; Moench/Ruttloff, in: DVBl 2012, S. 1261 (1263); Sachs, in: Sachs, GG, Einführung Rn. 11; Stern, Staatsrecht I, S.  109 ff. 244  Zum Verhältnis zwischen ungeschriebenem Verfassungsrecht und Verfassungsgewohnheitsrecht vgl. Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, S. 402 f.; Badura, in: HStR VII (1. Auflage), § 160 Rn. 9 f. 241  Thoma,



A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen 171

gelöst werden kann.245 Eine Anwendbarkeit der geschriebenen Verfassung und mithin eine Sperrwirkung für ungeschriebenes Verfassungsrecht liegt auch dann vor, wenn dies im Wege der Interpretation, Konkretisierung oder sogar einer analogen Anwendung zur Lückenfüllung geschieht. Denn hier geht es gerade darum, den Sinn und Inhalt der geschriebenen Verfassung zu ermitteln.246 Insofern darf auch eine vom Wortlaut losgelöste Verfassungsauslegung nicht als ungeschriebenes Verfassungsrecht missverstanden werden.247 Erst wenn die Vorgaben der geschriebenen Verfassung nicht greifen, darf auf außerhalb des Grundgesetzes (praeter constitutionem) entwickeltes Verfassungsgewohnheitsrecht zurückgegriffen werden.248 Dass ist aber aufgrund der gewollten Offenheit und Elastizität des Grundgesetzes der seltene Ausnahmefall.249 Gerade die Offenheit des Grundgesetzes hinsichtlich der Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen ist der Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung. Das Grundgesetz sieht in einer Reihe von Fällen ausdrücklich die Bildung entscheidender Ausschüsse vor, vgl. Art. 45 GG ff. In anderen Fällen kann ein Delegationsverbot ausgemacht werden, wie etwa bei der Gesetzgebung oder der Kanzlerwahl.250 Im Übrigen fehlt es an einem genauen Regelungskatalog. Es ist aber gerade nicht so, als wären in der geschriebenen Verfassung keine Rechtssätze vorhanden, anhand derer die Problematik zu lösen wäre und folglich auf ungeschriebenes Recht ausgewichen werden müsste. Die Fragestellung ist durch zentrale Normen des Grundgesetzes, insbesondere Art. 20 Abs. 2 GG, Art. 38 Abs. 1 GG und Art. 40Abs. 1 Satz 2 GG, klar abgesteckt. Es geht hier um die Auslegung von verfassungstextlich normiertem oder zumindest unmittelbar aus dem Grundgesetz hergeleiteten Verfassungsrecht. Die Kollision von Gesamtrepräsentation, Abgeordnetenstatus und Funktionsfähigkeit des Bundestages stellt einen Konflikt innerhalb der geschriebenen Verfassung dar und ist mithin im Wege der Auslegung zu lösen. Ein Überspringen dieser normativen Kollisionslage mit dem einfachen Verweis auf Verfassungsgewohnheitsrecht ist weder zulässig noch sinnvoll. Anstatt im Rahmen einer differenzierten und passgenauen Zuordnung der Verfassungsgüter eine praktische Konkordanz herzustellen, in der die optimale Wirksamkeit fundamentaler demokratischer Verfassungsprinzipien ein245  Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 14  f.; Stern, Staatsrecht I, S.  109 f.; vgl. Sachs, in: Sachs, GG, Einführung Rn. 47 f. 246  Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, S. 198 ff., 200 f. 247  Stern, Staatsrecht I, S. 110 f. 248  Badura, in: HStR VII (1. Auflage), § 160 Rn. 10; vgl. Stern, Staatsrecht I, S. 111. 249  Badura, in: HStR VII (1. Auflage), § 160 Rn. 10; Stern, Staatsrecht II, S. 580; vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 14 f. 250  Siehe Kapitel 3: C. 

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

zelfallgerecht sichergestellt wird,251 würde mit einem Verweis auf eine vermeintliche Gewohnheit eine pauschale Lösung praeter legem konstruiert. Der Verweis auf Verfassungsgewohnheitsrecht oder eine Staatspraxis kann daher schon von der Grundidee her nicht überzeugen. Losgelöst davon liegen auch die Voraussetzungen für die Entstehung eines entsprechenden Verfassungsgewohnheitsrechts nicht vor. Aus diesem Grund hat auch das Bundesverfassungsgericht selbst in unmittelbarer Reaktion auf das Rechtsgutachten von Thoma den Versuch einer gewohnheitsrechtlichen Rechtfertigung der Entscheidungsbefugnisse des Richterwahlausschusses vehement zurückgewiesen.252 Es wird nachdrücklich darauf verwiesen, dass die Entstehung von Verfassungsgewohnheitsrecht sowohl eine entsprechend dauernde und längere Übung (consuetudo), als auch eine entsprechende allgemeine Rechtsüberzeugung (opinio iuris) voraussetzt.253 Da bis heute die Frage der Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen hoch umstritten ist, was auch das Bundesverfassungsgericht konstatiert hat,254 fehlt es bereits an einer einheitlichen Rechtsüberzeugung. Daneben vermag zwar die jahrzehntelange Praxis des Richterwahlausschusses und des Haushaltsausschusses in engen Grenzen tatsächlich eine gewisse consuetudo begründen. Allerdings darf es bezweifelt werden, ob diese Gewohnheit in zwei eng gelagerten Fällen dazu geeignet ist, die Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen darüber hinausgehend gewohnheitsrechtlich zu legitimieren. Die Frage kann jedenfalls dahingestellt bleiben, da alleine eine Staatspraxis für sich genommen das Grundgesetz nicht modifizieren kann.255 Im Ergebnis verfängt daher ein Verweis auf die Staatspraxis bzw. ein vermeintliches Verfassungsgewohnheitsrecht nicht. 3. Wesentlichkeit Es wird auch versucht, die Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen mit Hilfe der Wesentlichkeitstheorie zu beantworten.256 Die politisch wesent251  Hesse,

Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 142. i.A. Richter Höpker-Aschoff, in: JöR 1957, S. 194

252  Bundesverfassungsgericht,

(202, Fn. 26). 253  BVerfGE 34, 293 (303  f.); Stern, Staatrecht II, S. 580; Moench/Ruttloff, in: DVBl 2012, S. 1261 (1263 f.). 254  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 122 = BVerfGE 130, 318 (351). 255  Sachs, in: Sachs, GG, Einführung, Rn. 48. 256  Kasten, in: DÖV 1985. S. 222 (225 f.); Berg, in: Der Staat 1970, S. 21 (34), der abschließende Entscheidungen jedoch prinzipiell für wesentlich hält und eine Delegation solcher Befugnisse deshalb grundsätzlich ablehnt; Kisker, in: HStR IV (2. Auflage), § 89 Rn. 56; Moench/Ruttloff, in: DVBl 2012, S. 1261 (1267); Wiefelspütz, in: ZParl 2012, S. 227 (238); vgl. Vetter, Die Parlamentsausschüsse, S. 134.



A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen 173

lichen Entscheidungen unterliegen danach – in Korrelation zum Gesetzesvorbehalt – einem „Plenarvorbehalt“.257 Die Delegation von Entscheidungsbefugnissen ist, je nach Verständnis der Wesentlichkeit, mehr oder weniger weitgehend möglich.258 Dabei scheint ein Rückgriff auf den Wesentlichkeitsgedanken zunächst naheliegend, denn er ist in gewisser Hinsicht schon im Aufbau des Grundgesetzes angelegt. Die elementaren Parlamentsaufgaben wie beispielsweise die Gesetzgebung, Kanzlerwahl oder das Misstrauensvotum bleiben wie selbstverständlich dem Plenum vorbehalten.259 Umgekehrt ist es schlüssig, dass demgegenüber weniger wesentliche, also vorbereitende und kontrollierende Aufgaben, auf Ausschüsse verlagert werden können. Denn die Abweichung vom Prinzip der Gesamtrepräsentation und die Beschränkung der Abgeordnetenrechte wiegt weit weniger schwer, wenn es um die Delegation von wenig bedeutsamen Aufgaben geht. Insofern kann durchaus die Tendenz festgestellt werden, dass wesentliche Entscheidungen eher dem Plenum vorbehalten bleiben als unwesentliche. Gleichwohl überzeugt die Argumentation mit der Wesentlichkeitstheorie zur Lösung der hier gegebenen verfassungsrechtlichen Kollisionslage nicht. Die Wesentlichkeitstheorie wurde in ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als Instrument zur Abgrenzung der Rechtsetzungsbefugnisse zwischen Legislative und Exekutive etabliert.260 Die Grundproblematik ist, wie weitreichend der Gesetzgeber die Verwaltung mit dem Erlass von Verordnungen betrauen darf, bzw. wie viel Ermessensspielraum er der Verwaltung in den Gesetzen belassen kann.261 Die Wesentlichkeitstheorie ist auf die Abgrenzung legislativer und exekutiver Entscheidungsspielräume gerichtet. Ausgangspunkt ist der Vorbehalt des Gesetzes. Es ist im Gedanken des Rechtsstaatsprinzips und des Demokratieprinzips angelegt, dass das Parlament als Volksvertretung und Legitimationsorgan die für Staat und Gesellschaft grundlegenden Fragen selbst durch Gesetze regelt.262 Die anderen Staatsgewalten sind an diese demokratisch legitimierten Leitregeln gebunden, Art. 20 Abs. 3 GG. Das Grundgesetz sieht aus diesem Grund eine Handlungspflicht des Plenums im Bereich der Gesetzgebung vor. Anhand der Wesentlichkeitstheorie lässt sich hier bestimmen, wann das Plenum als Ge257  Kasten,

in: DÖV 1985, S. 222 (226); Berg, in: Der Staat 1970, S. 21 (34). in: DÖV 1985, S. 222 (226). 259  Berg, in: Der Staat 1970, S. 21 (30 ff., 33). 260  Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 34; BVerfGE 33, 303 (345 f.); 34, 165 (192 f.); 41, 251 (259 f.); 45, 400 (417 f.); 47, 46 (79); 49, 89 (126 f.); 57, 295 (320 f.); 58, 257(268 f.); 83, 130 (152); 84, 212 (226). 261  Degenhart, Staatsrecht I, S. 125 f. 262  Degenhart, Staatsrecht I, S. 16, 125; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S.  219 f. 258  Kasten,

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

setzgeber tätig werden muss, und damit wann ein unstreitiges verfassungsrechtliches Delegationsverbot greift.263 Die Wesentlichkeitstheorie ist aber der Sache nach nicht dazu geeignet, um sie über die Gesetzgebungskompetenz hinausgehend allgemein auf die Frage der Zuständigkeitsverteilung zwischen Plenum und Ausschüssen auszudehnen. Sie ist auf einen einzigen Aspekt beschränkt, nämlich die Frage nach der Bedeutung einer zu übertragenden Kompetenz. Das führt zu adäquaten Ergebnissen, wenn isoliert die Frage beantwortet werden soll, ob im Einzelfall eine gesetzliche Regelung als Mittel demokratischer Eigengestaltung erforderlich ist oder nicht. Darüber hinausgehend kann allerdings die Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen nicht anhand einer pauschalen wesentlich – nichtwesentlich Formel beurteilt werden.264 Denn die Wesentlichkeitstheorie lässt keinen Raum für eine Abwägung und passgenaue Zuordnung verschiedener Verfassungsgüter. Die Frage der Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen, die sich im verfassungsrechtlichen Spannungsfeld zwischen Abgeordnetenstatus, Gesamtrepräsentation, Parlamentsautonomie und Funktionsfähigkeit des Bundestages bewegen, kann nicht überzeugend mit dem monothematischen Wesentlichkeitsgedanken beantwortet werden. Im Ergebnis wären sonst unwesentliche Entscheidungsbefugnisse schlechthin auf Ausschüsse übertragbar, ohne überhaupt nach dem Zweck oder einer Rechtfertigung der Delegation zu fragen. Die Beeinträchtigung zentraler Verfassungsprinzipien wie dem Grundsatz der Gesamtrepräsentation und dem Status der Abgeordneten wird nicht berücksichtigt. Allein der Verweis auf eine vermeintlich geringe Bedeutung kann einen solchen Eingriff nicht legitimieren. Umgekehrt wäre die Delegation wesentlicher Entscheidungsbefugnisse grundsätzlich ausgeschlossen, im Zweifelsfall um den hohen Preis, dass die entsprechende Aufgabe vom Bundestag faktisch gar nicht vernünftig wahrgenommen werden kann. Eine Übertragung der Wesentlichkeitstheorie auf die Problematik der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen überzeugt daher nicht. 4. Repräsentation in Ausschüssen Es wird auch argumentiert, dass die Delegation von Entscheidungsbefugnissen keine oder zumindest keine durchgreifende Verkürzung der Repräsentation bewirkt und folglich verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig sein müsse.265 Solange ein entscheidender Ausschuss dem Spiegelbildlichkeits263  Siehe

Kapitel 3: C.  kritisch zur Wesentlichkeitstheorie Peine, in: Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 34. 265  Vgl. Hölscheidt, Der Haushaltsausschuß des Bundestags, S. 95 f. 264  Insofern



A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen 175

prinzip entspricht, wird nach dieser Argumentation auch dem Ziel demokratischer Legitimation und Repräsentation genüge getan. Grundlage dieser Überlegung ist die durch die Fraktionen vermittelte Übertragung der politischen Kräfteverhältnisse vom Plenum auf die Ausschüsse.266 Aus der spiegelbildlichen Rückkoppelung der Ausschüsse an das Plenum und der daraus folgenden Parallelität im Willensbildungsprozess wird gefolgert, dass der Ausschusstätigkeit unter dem Gesichtspunkt der Repräsentation auch prinzipiell die gleiche Qualität wie dem Bundestagsplenum zukommen müsse.267 Die Ausschüsse „repräsentieren insofern adäquat das Parlament“.268 Da im Übrigen der einzelne Abgeordnete zur Vertretung des ganzen Volkes berufen ist, komme es „nicht darauf an, ob seine Meinungsäußerung in der Vollversammlung oder in einem Ausschuss erfolgt.“269 Die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf Ausschüsse stellt nach dieser Argumentation keinen oder zumindest keinen erheblichen Eingriff in das Repräsentationsprinzip dar, sofern die Willensbildung im Ausschuss derjenigen im Plenum möglichst weitgehend angenähert ist.270 Die Ausschussentscheidung kann sogar aufgrund der effizienteren Entscheidungsfindung in kleiner und sachlicher Runde außerhalb der Öffentlichkeit einer Beschlussfassung im Plenum unter dem Gesichtspunkt der Repräsentation überlegen sein.271 Die gesteigerte Effizienz und letzten Endes die maximierte Funktionalität des Bundestages genügen dabei für sich genommen als „verfassungsrechtlich zulässige Motive“,272 um Entscheidungen auf Ausschüsse zu delegieren. Eine Abwägung mit dem Prinzip der Gesamtrepräsentation und dem Abgeordnetenstatus wird nicht vorgenommen. Denn das Ziel der Funktionsfähigkeit des Bundestages „wäre dadurch konterkarikiert, wenn nahezu jedem Abgeordneten die Möglichkeit der Mitwirkung in dem Hauptausschuss eingeräumt worden wäre.“273 Der Argumentation kann schon in ihrer Grundstruktur nicht gefolgt werden, weil sie von der falschen Prämisse ausgeht, die Ausschusstätigkeit sei vergleichbar repräsentativ wie die des Bundestagsplenums. Zwar trifft es zu, 266  Siehe

Kapitel 3: D. III. 1. b) bb) (1). Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, S. 163. 268  Kasten, in: DÖV 1985, S. 222 (225); vgl. auch Stern, in: BK, GG, Art. 94 Rn. 83 (Zweitbearbeitung 1965); im Ergebnis ebenso von Lucius, in: AöR 1972, S. 568 (584); vgl. hierzu Kewenig, Staatsrechtliche Probleme parlamentarischer Mitregierung, S.  48 f. 269  Achterberg, Die parlamentarische Verhandlung, S. 154. 270  Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, S. 163; vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 681. 271  von Lucius, in: AöR 1972, S. 568 (584); Kasten, in: DÖV 1985, S. 222 (224). 272  Fuchs, in: DVBl 2014, S. 886 (888). 273  Fuchs, in: DVBl 2014, S. 886 (890). 267  Schwerin,

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dass gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG die Abgeordneten „Vertreter des ganzen Volkes“ sind. Das ist aber in Abgrenzung zu dem Gedanken zu verstehen, sie könnten nur Vertreter ihres Wahlkreises oder ihrer Wähler sein.274 Das Parlament als Ganzes bleibt das „besondere Organ“ im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG, das zur Vertretung des Volkes berufen ist, und nicht der einzelne Abgeordnete.275 Werden Abgeordnete von dem parlamentarischen Entscheidungsfindungsprozess ausgeschlossen, wird dadurch nicht nur der Grundsatz der Gesamtrepräsentation und der Abgeordnetenstatus beeinträchtigt, sondern mittelbar auch die Wahlrechtsgleichheit.276 Durch die Delegation werden insofern zentrale Ausprägungen des Repräsentationsprinzips eingeschränkt. Dass aufgrund der komplexen Vernetzung der in den Ausschüssen vertretenen Abgeordneten mit ihren Parteien und Fraktionen eine Parallelität zwischen Ausschussverhandlung und Plenarverhandlung erreicht wird,277 relativiert zwar den Eingriff in den Abgeordnetenstatus, beseitigt ihn aber keinesfalls. Dies gilt erst recht, wenn den Ausschussabgeordneten auch die Letztentscheidungsbefugnis zukommt und mithin die oben gezeigte Inklusionsdynamik erheblich eingeschränkt ist. Hier von einer gleichen „Qualität“ zwischen der Repräsentation im Ausschuss und im Plenum zu sprechen, verkennt die Wirkungsweise der Repräsentation und ignoriert die Bedeutung der grundgesetzlichen Ausprägungen dieses Prinzips, insbesondere des Abgeordnetenstatus und der Gesamtrepräsentation. Ergebnisgleichheit bedeutet eben nicht, dass beide Entscheidungen gleichermaßen repräsentativ sind. Dann würde die Repräsentation losgelöst vom Demokratieprinzip gedacht und in letzter Konsequenz könnte der einzelne Abgeordnete wie ein Regent repräsentative Entscheidungen treffen. Faktisch klingt bei dieser Argumentation die Idee einer „output“-Legitimation an.278 Die effizientere und rationalere Entscheidungsfindung legitimiert hier für sich genommen ihre Delegation. Gedanklich ist das der Repräsentationstheorie des Liberalismus zuzuordnen, die sich, wie oben dargelegt, ausdrücklich vom Prinzip demokratischer Repräsentation abgrenzt.279 Es kann aber im Grundgesetz alleine um demokratisch legitimierte Repräsentation gehen. Die Funktionsfähigkeit des Bundestages hat nur vor dem Hintergrund des Demokratie- und Repräsentationsprinzips einen Verfassungswert. Weil nur ein funktionsfähiger Bundestag demokratisch repräsentieren und Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 10 f. und 191 f. 40, 309 (316). 276  BVerfGE 118, 227 (324); vgl. Kapitel 2: B. III. 2. b). 277  Siehe Kapitel 3: D. III. 1. a) aa). 278  Vgl. Morlok, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, § 3 Rn. 4; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim I, Art. 10 EUV Rn. 19, 21; vgl. Cancik, in: VVDStRL 72 (2013), S. 269 (279 – Fn. 39). 279  Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie und Anpassung, S. 21 ff., 23 f. 274  Vgl.

275  BVerfGE



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legitimieren kann, ist die Funktionsfähigkeit von Bedeutung. Eine Delegation bzw. eine effizientere Entscheidungsfindung kann folglich nur in dem Umfang gerechtfertigt werden, in dem sie erforderlich ist, um die Funktions­ fähigkeit des Bundestages sicherzustellen. Effizienz und Funktionsfähigkeit dürfen nicht zum Selbstzweck werden, sondern sind in Zusammenhang mit dem Repräsentationsprinzip zu sehen.280 Allein das Motiv, das Parlament durch eine Delegation zu entlasten oder eine effizientere Entscheidungsfindung zu bezwecken, genügt nicht.281 5. Funktion und Repräsentation Ferner wird die Delegation von Entscheidungsbefugnissen dann für zulässig erachtet, wenn sie einer „funktionalen Richtigkeit“282 oder der „Funktions­ gerechtigkeit“283 entspricht. Insofern wird wie bei der grundsätzlich ablehnenden Meinung auch hier auf den Funktionsbegriff zurückgegriffen.284 Es gehe „um die funktionale Analyse von institutionellen ‚settings‘.“285 Je nach Art und Qualität einer bestimmten Aufgabe lasse sich die Kompetenzsphäre zwischen Parlament und Ausschüssen funktional abgrenzen. Eine Erklärung, was unter „funktionaler Richtigkeit“ zu verstehen sei, fehlt dabei auch hier. Jedoch ergibt sich aus dem Zusammenhang, dass die Funktion auch hier im Bezug auf die Repräsentation gedacht werden muss.286 Auch wenn die Funktion im Sinne der Funktionsfähigkeit des Parlaments aufzufassen ist,287 führt das unweigerlich zurück zum Repräsentationsgedanken.288 Die Funktionsfähigkeit des Bundestages gewährleistet erst, dass dieser seine demokratischrepräsentative Funktion im Staatsgefüge ausfüllen kann und erhält auch nur vor diesem Hintergrund verfassungsrechtliches Gewicht. Eine Funktionsfähigkeit aus praktischen Gründen zur Reduzierung von Arbeitsaufwand ist kein verfassungsrechtlich geschütztes Rechtsgut. Aus der Sicht des Demokratie- und Repräsentationsprinzips kann in der Sphäre des RepräsentationsHäberle, Verfassung als öffentlicher Prozess, S. 296 f. diesem Sinne aber Fuchs, in: DVBl 2014, S. 886 (888). 282  Achterberg, Parlamentsrecht, S. 680 f.; Achterberg, Die parlamentarische Verhandlung, S.  153 ff. 283  Kewenig, Staatsrechtliche Probleme parlamentarischer Mitregierung, S. 55. 284  Nettesheim, in: NJW 2012, S. 1409 (1410 f.); Kasten, in: DÖV 1985, S. 222 (224); vgl. Kapitel 4: A. II. 2. 285  Nettesheim, in: NJW 2012, S. 1409 (1412). 286  Vgl. Degenhart, Staatsrecht I, S. 14. Rn. 35 f. 287  In diesem Sinne wohl Achterberg, Parlamentsrecht, S. 681; Kasten, in: DÖV 1985, S. 222 (224 f.); vgl. Kewenig, Staatsrechtliche Probleme parlamentarischer Mitregierung, S.  55 f. 288  Vgl. Kapitel 2: C. III. 280  Vgl. 281  In

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organs Bundestag nur das funktional richtig sein, was seiner Repräsentationsfunktion dient. Der Begriff der Funktionsgerechtigkeit muss folglich aus der parlamentarischen Repräsentationsfunktion heraus begriffen werden. Es stellt sich folglich die Frage, ob unter dem Repräsentationsprinzip die Delegation von Entscheidungsbefugnissen funktionsgerecht sein kann. Denkbar ist dabei, die funktionale Richtigkeit einer Delegation danach zu beurteilen, inwiefern eine Angelegenheit einer Politisierung im Plenum bedarf (a)). Ferner könnte man die funktionale Richtigkeit auch danach beurteilen, ob die übertragene Kompetenz überhaupt in vollem Umfang repräsentativ wahrzunehmen ist (b)).289 Möglich scheint schließlich, die funktionale Richtigkeit als sachliche Notwendigkeit zu verstehen (c)). a) Delegation je nach Bedeutung der betroffenen Aufgabe Denkbar ist es zunächst, die Frage der funktionalen Richtigkeit nach der politischen Bedeutung einer Aufgabe zu beurteilen. Dann ist der „politische Gehalt“ einer Aufgabe das maßgebliche Kriterium dafür, ob sie vom Plenum wahrzunehmen ist oder auf Ausschüsse delegiert werden kann.290 Politisch bedeutungsvolle oder staatsleitende Entscheidungen können demnach nur vom Plenum funktionsgerecht wahrgenommen werden.291 Stehen hingegen sachliche und nicht politische Aspekte im Vordergrund, so ist nach dieser Ansicht eine Entscheidungsverlagerung auf einen Ausschuss grundsätzlich funktionsgerecht. Die Repräsentationsfunktion ist danach bei rein sachlichen und unpolitischen Angelegenheiten nicht oder zumindest nicht entscheidend berührt. Nicht-politische Aufgaben sollen demnach sogar der öffentlichen Politisierung im Plenum entzogen werden, um eine fachlich bessere Entscheidung zu begünstigen.292 Die Repräsentationsfunktion des Parlaments wird folglich mit politisch wichtigen Fragestellungen verknüpft. Dass die Delegierbarkeit einer Aufgabe von deren politischer Bedeutung – ungeachtet der Frage, was genau darunter zu verstehen ist – abhängt, erscheint zuerst einmal schlüssig. Dass die Übertragung von Entscheidungen Nettesheim, in: NJW 2012, S. 1409 (1410 ff.). Nettesheim, in: NJW 2012, S. 1409 (1410 f.); Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, S. 175 f.; vgl. Steinbach, in: DÖV 2016, S. 286 (288). 291  Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 45c Rn. 30; Kasten, in: DÖV 1985, S. 222 (225); Berg, in: Der Staat 1970, S. 21 (34, 42); Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten, S. 82; Morlok, in: VVDStRL 62 (2003), S. 37 (60 ff.); vgl. Ruppert, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, § 6 Rn. 8; vgl. Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, S. 175 f. 292  von Lucius, in: AöR 1972, S. 568 (584); Kasten, in: DÖV 1985, S. 222 (224). 289  Vgl. 290  Vgl.



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über zentrale politische Themen auf einen Ausschuss die repräsentative Demokratie wesentlich gravierender berührt als die Delegation nebensächlicher Detailarbeit, liegt auf der Hand. Es kommt die Formel zum Ausdruck, dass je „grundlegender [die] Bedeutung für die Allgemeinheit ist, desto höher (…) auch das demokratische Legitimationsniveau ausfallen“ muss.293 Die repräsentative Demokratie ist darauf angewiesen, dass eine Entscheidung von einem öffentlichen, politischen, demokratischen Interesse rezipiert wird. Berührt eine Materie von vorneherein gar nicht die Interessen des Souveräns, so läuft auch der Gedanke der Repräsentation leer. Die Überlegung, dass solche Aufgaben nur einer eingeschränkten Repräsentation bedürfen, ist daher zunächst einmal nachvollziehbar. Bei näherer Betrachtung überzeugt gleichwohl auch diese Ansicht nicht.294 Insofern ist darauf hinzuweisen, dass der Gedanke des Politischen dem des Wesentlichen im Rahmen der bereits zuvor abgelehnten Wesentlichkeitstheorie mehr oder weniger entspricht. Insofern lassen sich auch die zwei Grundvorwürfe aus der Argumentation gegen die Wesentlichkeitstheorie übertragen. So ist auch der Begriff des Politischen völlig unbestimmt und konturlos.295 Eine Differenzierung zwischen politisch-repräsentativen und unpolitischsachlichen Aufgaben ist im Grundgesetz nicht angelegt. Aufgrund der Stellung des Parlaments als Repräsentations- und Legitimationsorgan ist vielmehr davon auszugehen, dass dem Grunde nach alle seine Aufgaben eine politische Dimension aufweisen und repräsentativ wahrzunehmen sind. Entsprechend sind auch die Aufgaben der Fachausschüsse ohne Zweifel politischer Art und insofern grundsätzlich repräsentativ zu bearbeiten.296 Schon deshalb überzeugt eine Differenzierung zwischen politischen und weniger politischen Aufgaben nicht. Hinzu kommt, dass vergleichbar dem Wesentlichkeitsansatz diese Argumentation alleine auf die Bedeutung der zu übertragenden Aufgabe abstellt. Unwichtige respektive unpolitische Materien wären grundsätzlich auf Ausschüsse übertragbar, politische dagegen einer Delegation prinzipiell nicht zugänglich. Da eine Ausschussdelegation in jedem Fall mit einem Eingriff in die Gesamtrepräsentation und den Abgeordnetenstatus verbunden ist, bedarf sie aber generell einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Eine solche muss wiederum zwangsläufig über den einen Parameter des Politischen oder Wesentlichen hinausgehen und danach fragen, aus welchem Grund in einen 293  BVerfG, 2 BvE 6/12 (u. a.) vom 18.03.2014, Rn. 235 – BVerfGE 135, 317 (Rn. 235). 294  Vgl. Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, S. 175. 295  Vgl. Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, S. 175 m. w. N.; vgl. Nettesheim, in: NJW 2012, S. 1409 (1411). 296  Vgl. Kapitel 3: D. I.

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

Verfassungswert eingegriffen wird und ob der Eingriff erforderlich ist. Insofern spielt die Rolle der politischen Bedeutung einer übertragenen Kompetenz durchaus eine Rolle im Rahmen der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer solchen Delegation. Für sich genommen bringt das Kriterium der Bedeutung der Kompetenz allerdings keinerlei Erkenntniswert. Die Argumentation überzeugt deshalb nicht. b) Delegation je nach Art der Kompetenz Möglich ist es ferner, die Frage der funktionalen Richtigkeit im Hinblick auf die Art einer bestimmten Bundestagskompetenz zu stellen. So wäre es denkbar, dass es Aufgaben gibt, die dem Bundestag funktionell als Kontrollorgan und nicht als Repräsentationsorgan zugeordnet sind, mithin auch nicht uneingeschränkt repräsentativ wahrzunehmen sind. So könnte argumentiert werden, dass die Kontrollaufgaben des Bundestags Ausdruck der Gewaltenteilung und der checks and balances sind und mithin gedanklich auch dem Rechtsstaatsprinzip zuzuordnen sind. Eine demokratisch-repräsentative Aufgabenwahrnehmung wäre dann möglicherweise nicht im gleichen Umfang erforderlich wie bei solchen Kompetenzen, die alleine Ausfluss des Demokratieprinzips sind. In der Konsequenz könnte dann auch zutreffend davon gesprochen werden, dass eine nur eingeschränkt repräsentative Aufgabenwahrnehmung funktionsgerecht ist. Dagegen kann eine dem Bundestag als Repräsentationsorgan übertragene Aufgabe – wie etwa die Gesetzgebung – schlechthin nicht von einem Ausschuss funktional richtig ausgeübt werden. Allerdings lässt sich eine klare Trennung und Zuordnung einzelner Parlamentskompetenzen zu den einzelnen Parlamentsfunktionen nicht durchführen. Das ist der Natur des Parlaments als Repräsentationsorgan immanent. Der Repräsentationsgedanke haftet an sämtlichen anderen Parlamentsfunk­ tionen und steht mit diesen in Wechselwirkung.297 Das zeigt sich beispielhaft an der Kontrollfunktion. Denn Kontrolle unter dem Regime des Grundgesetzes bedeutet im Wesentlichen Kontrolle durch Mitbestimmung. Auch die urpolitische Gesetzgebungsfunktion und das Budgetrecht sind zentrale Kon­ troll­instrumentarien des Parlaments.298 Parlamentarische Kontrolle muss daher demokratisch repräsentative Kontrolle sein. Die demokratische Legitimation wird hier durch Kontrolle geschaffen, die in ihrer Funktion weit über die rein rechtsstaatliche Kontrolle durch die Gerichte hinausgeht.299 Es geht auch 297  Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 246; vgl. Kotzur, in: BK, GG, Vorb. Art. 38 Rn. 8, 60, der von einer übergreifenden „Integrationsfunktion“ spricht. 298  Vgl. Zeh, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 39 Rn. 12. 299  Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, S. 204 f.; Kumpf, Die Kontrolle der Nachrichtendienste, S.  109 ff.; Gusy, in: ZRP 2008, S. 36 (37).



A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen 181

bei der Kontrolle um die Rückbindung der Staatsgewalt an den Willen des Volkes durch eine parlamentarische und öffentliche Verantwortlichkeit der Exekutiven.300 Richtigerweise muss die parlamentarische Kontrollfunktion daher grundsätzlich uneingeschränkt repräsentativ wahrgenommen werden.301 Entsprechendes gilt auch für die Kreations- und Öffentlichkeitsfunktion, die gleichermaßen in einem untrennbaren Bezug zur Repräsentationsfunktion stehen. Parlamentsaufgaben, die funktional nicht repräsentativ wahrzunehmen wären, gibt es insofern nicht. c) Delegation bei sachlicher Notwendigkeit Schließlich wird die Funktionsgerechtigkeit auch im Sinne einer sachlichen Notwendigkeit verstanden. Eine Entscheidungsdelegation ist demnach dann funktionsgerecht, „wenn das Plenum selbst nicht in der Lage ist, die in Frage stehende Aufgabe ordnungsgemäß wahrzunehmen“, ein Bundestagsausschuss dagegen schon.302 Eine Entscheidungsdelegation ist also funktional richtig, wenn eine effektive Parlamentsarbeit erst durch die Ausschusseinbindung ermöglicht und damit der Repräsentationsgedanke als solcher gestärkt wird.303 Ein funktionsfähiger Bundestag entspricht hier dem Gebot der funktionalen Richtigkeit. Überzeugend ist an dieser Argumentation, dass sie sich auch aus Sicht des übergeordneten Repräsentationsprinzips gut begründen lässt. Zugleich ist eine Argumentation mit einer funktionalen Richtigkeit oder der Funktionsgerechtigkeit auf den dogmatischen Bezug zum Repräsenta­ tionsprinzip angewiesen. Für sich genommen und ohne argumentativen Unterbau die Einschränkung der Repräsentation bezüglich einer delegierten Aufgabe mit einem Verweis auf die Funktionsgerechtigkeit zu begründen, überzeugt nicht und ist bestenfalls irreführend. Denn vordergründig entsprechen doch gerade auf Interessenausgleich bedachte, öffentliche Entscheidungen im Plenum der parlamentarischen Repräsentationsfunktion.304 Klarer ist es insofern, bei der Frage der Verfassungsmäßigkeit von Entscheidungsdelegationen nicht von funktionaler Richtigkeit, sondern von einer Rechtfertigung aufgrund der Funktionsfähigkeit des Bundestages zu sprechen. Alleine der Verweis auf eine Funktionsgerechtigkeit greift hingegen zu kurz und kann deshalb nicht überzeugen.

300  Stern,

Staatsrecht II, S. 51; Böckenförde, in: HStR III (3. Auflage), § 34 Rn. 19. in: JöR, 28. Band, 1979, S. 1 (60); Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 35. 302  Kewenig, Staatsrechtliche Probleme parlamentarischer Mitregierung, S. 55 f. 303  Vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, S. 681. 304  Vgl. Kreuzer, in: Der Staat 1968, S. 183 (187). 301  Troßmann,

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

6. Öffentlichkeitsprinzip Losgelöst von der Frage, wann überhaupt die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf Ausschüsse zulässig ist, wird von der überwiegenden Literaturmeinung jedenfalls gefordert, dass dann die Ausschüsse öffentlich entscheiden müssten.305 Argumentiert wird hier einerseits mit der in Art. 42 Abs. 1 GG normierten parlamentarischen Sitzungsöffentlichkeit (a)), und andererseits mit der grundsätzlichen Bedeutung des Öffentlichkeitsprinzips (b)). a) Art. 42 Abs. 1 GG – Sitzungsöffentlichkeit und Ausschüsse Zunächst einmal wird die Ansicht vertreten, entscheidende Ausschüsse seien in den Anwendungsbereich des Art. 42 Abs. 1 GG einzubeziehen. Der Ausschuss trete durch die Beschlussfassung funktional an die Stelle des Plenums und handele folglich als „der Bundestag“ i. S. d. Art.  42 Abs.  1 ­ Satz 1 GG. Die Sitzungsöffentlichkeit des Art. 42 GG sei somit unmittelbar oder zumindest analog anwendbar.306 Ansonsten würde eine Entscheidungsdelegation zu einer Umgehung von Art. 42 Abs. 1 GG führen.307 Die Nichtöffentlichkeit von Ausschussentscheidungen bedürfe in Folge einer ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Ermächtigung, die als Spezialvorschrift von der prinzipiellen Sitzungsöffentlichkeit des Art. 42 Abs. 1 GG befreit. Allerdings ändert auch die Delegation von Entscheidungsbefugnissen nichts daran, dass Art. 42 GG de constitutione lata alleine auf Verhandlungen und Beschlüsse des Bundestages im Plenum anwendbar ist. Das folgt aus einer grammatikalischen, systematischen und historischen Interpretation der Verfassungsnorm.308 Für eine analoge Anwendung besteht auch gar kein Bedarf, da auch hier – wie allgemein bei der Ausschusstätigkeit – das allgemeine Verfassungsgebot der Öffentlichkeit zum Tragen kommt.309 Es mangelt insofern für eine analoge Anwendung von Art. 42 GG bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Aufgrund des allgemeinen Öffentlichkeits305  Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 42 Rn. 46; Versteyl, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 42 Rn. 9; Müller-Terpitz, in: BK, GG, Art. 42 Rn. 53; Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 42 Rn. 15 f.; Magiera, in: Sachs, GG, Art. 45 Rn. 8; Vetter, Die Parlamentsausschüsse, S. 214; vgl. Steiger, Organisatorische Grundlagen, S. 141 ff.; vgl. Linck, in: DVBl 2005, S. 793 (797 f.); a. A. Leisner, in: Sodan, GG, Art. 42 Rn. 2. 306  Müller-Terpitz, in: BK, GG, Art. 42 Rn. 53; Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 42 Rn. 15; Linck, in: ZParl 1992, S. 673 (681). 307  Linck, in: DÖV 1973, S. 513 (517). 308  Siehe Kapitel 3: D. III. 2. a) aa). 309  Siehe Kapitel 3: D. III. 2. a) aa).



A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen 183

prinzips droht auch bei der Delegation von Entscheidungsbefugnissen keine Umgehung der parlamentarischen Sitzungsöffentlichkeit. Wie dargelegt, muss die Nichtöffentlichkeit in den Ausschüssen grundsätzlich dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügen. Der Ausschluss der Öffentlichkeit von der Beschlussfassung selbst ist dabei nur unter besonderen Umständen zu rechtfertigen, so dass eine Ausschlussdelegation kein gangbarer Weg zur Umgehung öffentlicher Parlamentsentscheidungen ist. b) Allgemeines Öffentlichkeitsprinzip Problematisch ist dagegen, ob eine Beschlussfassung unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit der zentralen Bedeutung des allgemeinen Öffentlichkeitsprinzips vereinbar ist. Findet eine Entscheidung unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, ist es für den Wähler nicht erkennbar, welchen Abgeordneten oder Fraktionen die Entscheidung zuzurechnen ist.310 Der demokratische Verantwortungszusammenhang wird so erheblich beeinträchtigt. Es wird insofern argumentiert, dass delegierte Entscheidungen grundsätzlich öffentlich zu treffen seien. Eine nichtöffentliche Beschlussfassung im Ausschuss bedürfe dagegen prinzipiell einer verfassungsrechtlichen Ermächtigung. Die Argumentation ist dabei zumindest insofern zutreffend, dass die Nichtöffentlichkeit der Entscheidungsfindung selbst einer separaten und besonderen Rechtfertigung bedarf. Die verfassungsrechtlichen Erwägungen für den Ausschluss der Öffentlichkeit von der Arbeit in den Fachausschüssen sind nicht übertragbar. Weder bleibt in der Gesamtbetrachtung ein hohes Maß an Publizität durch die Einbettung in öffentliche Plenarsitzungen und eine öffentliche Schlussabstimmung gewahrt, noch geht es der Sache nach nur um vorbereitende und beratenden Aufgaben.311 Schließlich ist auch der mit der Nichtöffentlichkeit der Fachausschüsse verfolgte Zweck nicht geeignet, um auch die Nichtöffentlichkeit der Beschlussfassung selbst zu legitimieren. Denn die Nichtöffentlichkeit ist hier darauf gerichtet, eine offene und ergebnisorientierte Kompromisssuche zu ermöglichen. Diese Funktion der Nichtöffentlichkeit ist für die Beschlussfassung selbst unerheblich. Die Nichtöffentlichkeit der Ausschussberatungen gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 GOBT darf daher, wie es auch der Wortlaut der Norm nahelegt, nicht auf Ausschussentscheidungen erstreckt werden. Problematisch ist es insofern, dass der Europaausschuss seine Beschlusskompetenzen unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausübt. §§ 54 Abs. 2, 69 Abs. 1 GOBT ermächtigen nur zur nichtöffentlichen Beratung. Auch Art. 45 GG legitimiert nicht den Ausschluss der Öffentlich310  Linck,

in: ZParl 1992, S. 673 (700); Linck, in: DVBl 2005, S. 793 (795). Linck, in: ZParl 1992, S. 673 (700 f.); a. A. vgl. Kretschmer, in: BK, GG, Art. 45 Rn. 228. 311  Vgl.

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

keit. Die geäußerten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der nichtöffentlichen Entscheidungen des Europaausschusses sind insofern berechtigt.312 Gleichwohl überzeugt es nicht, die Delegation von Entscheidungsbefugnissen grundsätzlich nur unter der Bedingung der Öffentlichkeit zuzulassen. Aus „zwingenden Gründen des Staatswohls“ können auch geheime Beschlussfassungen in kleinen Gremien durchaus erforderlich sein.313 Dass die abschließende Beratung in Ausschüssen ohne Zugang der Öffentlichkeit gerechtfertigt sein kann, zeigt sich in der Staatspraxis etwa an den Untersuchungsausschüssen, Art. 44  GG,314 dem Verteidigungsausschuss, Art. 45a Abs. 2 GG oder dem Parlamentarischen Kontrollgremium, Art. 45d GG.315 Die Verfassungsartikel sehen dabei jeweils nur die Einrichtung der Ausschüsse vor, nicht aber eine geheime Arbeitsweise. An der Verfassungsmäßigkeit dieser plenarersetzenden, nichtöffentlichen Ausschusstätigkeit bestehen gleichwohl keine Zweifel. Entsprechendes muss der Sache nach auch für Entscheidungsdelegationen gelten. Bestehen aus zwingenden Gründen des Staatswohls dringende Geheimhaltungserfordernisse, so kann auch der mit einer geheimen Beschlussfassung im Ausschuss verbundene Eingriff in das Öffentlichkeitsprinzip gegebenenfalls gerechtfertigt werden. Nichtöffentliche Ausschussentscheidungen sind insofern nicht kategorisch unzulässig. Wegen der Intensität des Eingriffs in das Öffentlichkeits- und Repräsentationsprinzip bleiben sie dabei jedoch im besonderen Maße rechtfertigungsbedürftig. 7. Ergebnis Auch die Argumente für eine prinzipielle Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen unter bestimmten Voraussetzungen überzeugen im Ergebnis nicht. Als struktureller Schwachpunkt verschiedener Argumentationen lässt sich dabei der Ansatz erkennen, die Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen anhand eines einzelnen Parameters wie der Wesentlichkeit, der politischen Bedeutung oder einer vermeintlichen Funktionsgerechtigkeit bestimmen zu wollen. Dabei sind die jeweiligen Argumente insofern zunächst einmal schlüssig, als dass sich ein Bezug zum Repräsentationsprinzip herstellen lässt. So liegt prima facie der Schluss nahe, dass wesentliche und politisch 312  Im Ergebnis ebenso Pernice, in: Dreier, GG, Art. 45 Rn. 11; Magiera, in: Sachs, GG, Art. 45 Rn. 8. 313  BVerfGE 70, 324 (358 ff.); BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 143 = BVerfGE 130, 318 (359); Vetter, Die Parlamentsausschüsse, S. 215; vgl. Kapitel 2: C. III. 2. 314  Der in Art. 44 Abs. 1 GG normierte Grundsatz der öffentlichen Verhandlung bezieht sich lediglich auf die Beweiserhebungen. Beratungen und Beschlüsse erfolgen nichtöffentlich, § 12 Abs. 1 PUAG, Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 44 Rn. 172 f. 315  § 10 Abs. 1 PKGrG.



A. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen 185

bedeutsame Parlamentsentscheidungen grundsätzlich im Plenum zu treffen sind. Das ist im Grundprinzip der repräsentativen Demokratie angelegt. Gleichwohl vermögen diese Ansichten insofern nicht zu überzeugen, als dass sie den Aspekt der Funktionsfähigkeit des Bundestages respektive die Frage nach einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung außer Acht lassen. Es wird gewissermaßen nur auf einen Ausschnitt der notwendigen Gesamtabwägung abgestellt, ohne das Gewicht anderer Verfassungsgüter zu würdigen. So lassen sich die Kriterien der Bedeutung und Wesentlichkeit der betroffenen Aufgaben schematisch dem Bereich der Eingriffsintensität zuordnen, ohne allerdings die Frage nach einem legitimen Zweck oder der Erforderlichkeit aufzuwerfen. Entsprechend überzeugt es auch nicht, die Delegation von Entscheidungsbefugnissen zumindest unter die zwingende Prämisse einer öffentlichen Schlussabstimmung zu stellen. Auch hier wird Einschränkung der Öffentlichkeit isoliert betrachtet, ohne sie in Relation zu anderen Verfassungsprinzipien zu setzen.

IV. Ergebnis Im Ergebnis ist allein der Rückgriff auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip zur Lösung der mit einer Entscheidungsdelegation verbundenen verfassungsrechtlichen Kollisionslage überzeugend. Dabei ist stets zu beachten, dass zwischen den betroffenen Verfassungsgütern eine enge Wechselwirkung besteht, die als Ganzes thematisch dem Repräsentationsprinzip zuzuordnen ist. Die Repräsentationsfunktion des Bundestages, die Rechte der Abgeordneten und der Grundsatz der Gesamtrepräsentation, das Öffentlichkeitsprinzip sowie die Parlamentsautonomie und die Funktionsfähigkeit des Bundestages können nicht isoliert betrachtet werden. Entsteht hier etwa eine Kollision zwischen den Rechten der Abgeordneten oder der Gesamtrepräsentation mit dem Verfassungsgebot der Funktionsfähigkeit des Bundestages, so kann dies nur bei einer gesamtheitlichen Betrachtung vor dem Hintergrund des übergeordneten Repräsentationsprinzips gelöst werden. Es geht um das Herstellen einer mit Hinblick auf das Repräsentationsprinzip ausgerichteten praktischen Konkordanz.316 Dieser Ansatz ist auch zum Zwecke einer kohärenten Verfassungsauslegung notwendig. Wenn die Beschränkung von Abgeordnetenrechten oder des Wahlrechts im Allgemeinen zum Schutz anderer Verfassungsbestimmungen gerechtfertigt werden kann, so muss dies im Besonderen auch im Zusammenhang mit Entscheidungsdelegationen gelten. Der methodische Rückgriff auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung befreit schließlich auch von der Verlegenheit, die Zulässigkeit einer Entscheidungsdelegation alleine an316  Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 142 Rn. 318; vgl. Häberle, in: VVDStRL 29 (1971), S. 98 f.

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

hand von unscharfen und unbestimmten Begrifflichkeiten bestimmen zu müssen. Durch die Kriterien des legitimen Ziels und der Erforderlichkeit wird die Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen in einen konkret nachprüfbaren konstitutionellen Rahmen eingefügt. Im Ergebnis ist daher dem Bundesverfassungsgericht zuzustimmen, nach dessen jüngerer Rechtsprechung die Delegation von Entscheidungsbefugnissen „zum Schutz anderer Rechtsgüter mit Verfassungsrang und unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig“ ist.317

B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Entscheidungsdelegationen Es stellt sich schließlich die Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen eine Delegation von Entscheidungsbefugnissen auf Bundestagsausschüsse oder -gremien verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann. Es gilt anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes318 die verfassungsrechtlichen Grenzen und Gebote einer Entscheidungsdelegation auszuloten. Dabei soll die Untersuchung für eine bessere Anschaulichkeit instruktiv anhand eines konkreten Gremiums erfolgen. Als Beispiel soll das Sondergremium nach § 3 Abs. 3 StabMechG in der Fassung vom 09.10.2011 zugrunde gelegt werden,319 welches in bestimmten Fällen über die Zustimmung des Bundestages zu Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) zu entscheiden hat. Die Verfassungsmäßigkeit dieses Sondergremiums war Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.02.2012.320

I. Sachverhalt Damit eine anschauliche Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Sondergremiums gelingen kann, ist vorweg der Sachverhalt darzustellen. Dabei soll für eine bessere Übersicht zunächst kurz die EFSF in den Kontext der verschiedenen Euro-Rettungsmaßnahmen eingeordnet werden (1.). Anschließend ist der Zuständigkeitsbereich, die Arbeitsweise sowie die Zusammensetzung des Sondergremiums genauer darzulegen (2.).

317  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 119, 144 = BVerfGE 130, 318 (350, 359 f.). 318  Siehe Kapitel 3: D. II. 2. 319  BGBl I 2011, S. 1992, siehe Anlage 2. 320  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012 = BVerfGE 130, 318 ff.



B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Entscheidungsdelegationen 187

1. Eurorettungsmaßnahmen im Überblick Im Rahmen der weltweiten Finanzmarktkrise und der in Folge aufkommenden europäischen Staatsschuldenkrise wurde als Reaktion der Eurostaaten zur Stabilisierung der Währungsunion in kürzester Zeit eine Vielzahl von Hilfsmaßnahmen ergriffen.321 Im Kern sind dabei folgende Programme zu unterscheiden: •• 02.05.2010, Griechenland-Hilfen: Die Minister der EU Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, kommen überein, Griechenland bilaterale Kredite in Höhe von insgesamt 80 Milliarden Euro zu gewähren. Zusätz­ liche 30 Milliarden Euro werden durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) bereitgestellt.322 Zur nationalen Umsetzung wurde in Deutschland das Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz (WFStG) erlassen, welches das Bundesfinanzministerium ermächtigt, Gewährleistungen in Höhe von 22,4 Milliarden Euro zu übernehmen. Eine Mitwirkung des Deutschen Bundestages wurde nicht vorgesehen. Lediglich der Haushaltsausschuss sollte vor Übernahme von Gewährleistungen unterrichtet werden.323 •• 11.05.2010, Europäischer Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM): Durch Verordnung des Rates für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN-Rat), gestützt auf Art. 122 Abs. 2 AEUV, hat die Europäische Union den EFSM geschaffen. Danach wird die Kommission ermächtigt, nach einem vorhe­ rigen zustimmenden Beschluss des Rats Anleihen in Höhe von bis zu 60 Milliarden Euro an den Kapitalmärkten aufzunehmen und als Finanzhilfen an die betroffenen Mitgliedstaaten auszukehren.324 •• 07.06.2010, Europäische Finanzstabilisierungsfaszilität (EFSF): Die Staats- und Regierungschefs der Euro-Gruppe gründen die EFSF als privatrechtlich organisierte Zweckgesellschaft luxemburgischen Rechts für die Dauer von zunächst einmal 3 Jahren. Die EFSF nimmt am Kapitalmarkt Anleihen auf und kann so in Not geratenen Eurostaaten Kredite in Höhe von bis zu 440 Milliarden Euro gewähren. Durch das Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilitätsmechanismus (StabMechG) wurde das Bundesfinanzministerium zunächst ermächtigt, Bürgschaften für Kredite der EFSF in Höhe von bis zu 123 Milliarden Euro zu übernehmen. Die Beteiligungsrechte des Bundes321  Daiber,

in: DÖV 2014, S. 809 ff.; Gröpl, in: Der Staat 2013, S. 1 (16 ff.). der Euro-Gruppe vom 02.05.2010, abrufbar im Internet unter https:// www.consilium.europa.eu/uedocs/cmsUpload/st02492.de10.pdf (zuletzt abgerufen am 08.10.2015). 323  Daiber, in: DÖV 2014, S. 809 (810). 324  VO (EU) Nr. 407/2010 des Rates vom. 11.05.2010, Abl. EU 2010 Nr. L 118 S.  1 ff.; Wieland, in: NVwZ 2011, S 340 f. 322  Erklärung

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

tages erschöpften sich zunächst gemäß § 1 Abs. 4 StabMechG a. F. darin, dass die Bundesregierung sich „bemüht (…), Einvernehmen mit dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages herzustellen.“ Das Bundesverfassungsgericht stellt diesbezüglich fest, dass das Gesetz dahingehend zu verstehen sei, dass die Bundesregierung grundsätzlich „verpflichtet ist, die vorherige Zustimmung des Haushaltsausschusses einzuholen.“ Durch eine Gesetzesänderung vom 09.10.2011 wurden in den §§ 2, 3 und 4 StabMechG umfassende Beteiligungsrechte des Bundestages normiert. Zugleich wurde die maximale Bürgschaftssumme der Bundesrepublik Deutschland auf ca. 211,05 Milliarden Euro erhöht. In Fällen besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit sollte ein aus Mitgliedern des Haushaltsausschusses bestehendes Sondergremium die Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages wahrnehmen und für das Plenum entscheiden, § 3 Abs. 3 StabMechG. Die Delegationsmöglichkeit auf das Sondergremium wurde in Folge vom Bundesverfassungsgericht als zu weitgehend und damit verfassungswidrig erklärt. Entsprechend wurde das StabMechG durch ein weiteres Änderungsgesetz vom 23.05.2012 nach Maßgabe der Rechtsprechung verfassungskonform angepasst. •• 02.02.2012, Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM): Der ESM wurde im Gegensatz zur EFSF als dauerhafter Rettungsschirm eingerichtet. Er ist eine durch einen völkerrechtlichen Vertrag begründete Finanzinstitution und keine privatrechtliche Zweckgesellschaft. Das Volumen beträgt insgesamt 700 Milliarden Euro, von denen 80 Milliarden Euro tatsächlich einbezahlt werden. Mögliche Instrumente sind die Einräumung vorsorglicher Kreditlinien, die Gewährung von Darlehen oder das Ankaufen von Staatsanleihen des betroffenen Mitgliedstaates am Primär- oder Sekundärmarkt (Art. 14 bis 17 ESMV). Nach dem ESM-Finanzierungsgesetz (ESM­FinG) beteiligt sich die Bundesrepublik Deutschland mit ca. 21,72 Milliarden Euro am tatsächlich einzuzahlenden Kapital sowie mit ca. 168,31 Milliarden Euro am abrufbaren Kapital. Für das abrufbare Kapital wird das Bundesfinanzministerium zur Gewährleistungsübernahme ermächtigt. Die Gewährung der Hilfsmaßnahmen hängt nach dem ESMFinG von der Zustimmung des Deutschen Bundestages ab. Der Bundestag kann die Entscheidung auf den Haushaltsausschuss delegieren (§ 5 Abs. 1 ESMFinG). In besonderen Fällen ist auch hier nur die Zustimmung durch ein Sondergremium vorgesehen (§ 6 ESMFinG). Die Gewährung der Hilfsmaßnahmen durch die EFSF und den ESM wurden also in den jeweiligen deutschen Umsetzungsgesetzen von einer zustimmenden Beschlussfassung des Deutschen Bundestages abhängig gemacht. Dabei wurde diese Zustimmungsbefugnis in Fällen besonderer Vertraulichkeit oder Eilbedürftigkeit jeweils auf ein kleines, aus Mitgliedern des Haushaltsausschusses bestehendes Sondergremium übertragen.



B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Entscheidungsdelegationen 189

2. Sondergremium nach § 3 Abs. 3 StabMechG Maßgeblich soll für die weitere Untersuchung das Sondergremium in seiner rechtlichen und tatsächlichen Gestalt sein, die es zum Zeitpunkt der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom 28.02.2012 hatte. Gemäß § 3 Abs. 3 StabMechG in der Fassung vom 09.10.2011325 sollen die Mitglieder auf Vorschlag der Fraktionen vom Bundestag gewählt werden. Die Anzahl der am Sondergremium beteiligten Abgeordneten sollte die „kleinstmögliche“ sein, „bei der jede Fraktion zumindest ein Mitglied benennen kann und die Mehrheitsverhältnisse gewahrt werden“, § 3 Abs. 3 Satz 2 StabMechG. In Folge setzte sich das Gremium aus 9 Bundestagsabgeordneten zusammen, wobei 3 Abgeordnete von der CDU / CSU-Fraktion, jeweils 2 Abgeordnete von der FDP-Fraktion und der SPD-Fraktion sowie jeweils 1 Abgeordneter von der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen und der Fraktion Die Linke gestellt wurden.326 In der gegenwärtig 18. Wahlperiode besteht das Gremium aus 7  Abgeordneten, darunter 3 von der CDU / CSU-Fraktion, 2 von der SPDFraktion sowie jeweils 1 Abgeordneter von den Oppositionsfraktionen Bündnis 90 / Die Grünen und Die Linke.327 Die Zuständigkeit des Gremiums, an Stelle des Bundestages zu handeln sollte „in Fällen besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit“ eingreifen, § 3 Abs. 3 Satz 1 StabMechG. Dabei wird die besondere Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit regelmäßig bei allen Notmaßnahmen nach § 1 Abs. 2 Satz 3 StabMechG vermutet. Erfasst werden durch diesen Verweis ein Großteil der relevanten Handlungsinstrumente der EFSF, nämlich „vorsorgliche Maßnahmen, Kredite zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten und der Aufkauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt“, § 1 Abs. 2 Satz 3 StabMechG. Darüber hinaus kann die Bundesregierung auch in den übrigen Fällen die besondere Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit geltend machen und so die Zuständigkeit des Sondergremiums begründen, § 3 Abs. 3 Satz 4 StabMechG. Durch Mehrheitsbeschluss können die Mitglieder des Sondergremiums der Annahme der besonderen Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit widersprechen und so die Angelegenheit zurück in das Bundestagsplenum bzw. den Haushaltsausschuss überweisen, § 3 Abs. 3 Satz 5 StabMechG. Die Beteiligungsrechte des Bundestages und die Wahrnehmung der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung des Parlaments (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 StabMechG) wurden insofern in erheblichem Umfang auf das aus nur wenigen Abgeordneten bestehende „Kleinst-Gremium“ delegiert.328 In den Fällen der besonderen Vertraulichkeit unterliegen die mit der 325  Nachfolgende Verweise auf das StabMechG ohne weitere Angaben beziehen sich auf die Fassung vom 09.10.2011. 326  BT-Drs. 17/7454 vom 26.10.2011; BT-Protokoll 17/135 S. 15976 (A). 327  BT-Drs. 18/378 vom 29.01.2014; BT-Protokoll 18/11 S. 723 (C). 328  Vgl. BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 76 = BVerfGE 130, 318 (332).

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

Aufgabenwahrnehmung des Sondergremiums verbundenen Unterlagen und Informationen grundsätzlich der Einstufung als „VERTRAULICH“ oder „GEHEIM“ gemäß § 2a GHSO BT.329

II. Verfassungsmäßigkeit der Entscheidungsdelegation Zu untersuchen bleibt, ob die Verlagerung der Zustimmungsbefugnis des Bundestages für die Notmaßnahmen der EFSF auf ein denkbar kleines Sondergremium verfassungsrechtlich zulässig ist. Dabei sind die Auswirkungen der Entscheidungsverlagerung auf die Gesamtrepräsentation und den Abgeordnetenstatus einerseits sowie auf das Öffentlichkeitsprinzip andererseits separat zu untersuchen.330 1. Gesamtrepräsentation und Abgeordnetenstatus Indem die Beteiligungsrechte des Bundestages an den EFSF-Nothilfen in besonderen Fällen der Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit von dem Sondergremium wahrgenommen werden, § 3 Abs. 3 Satz 1StabMechG, werden das Prinzip der Gesamtrepräsentation und der Abgeordnetenstatus erheblich verkürzt. Durch eine abschließende Beschlussfassung im Ausschuss wird den hieran nicht beteiligten Bundestagsabgeordneten das Stimmrecht hinsichtlich der delegierten Aufgabe entzogen. Ebenso wird das Prinzip der Beteiligung des gesamten Parlaments an der Aufgabenwahrnehmung durchbrochen. Es stellt sich die Frage, inwiefern dieser Eingriff gerechtfertigt ist. Hierfür ist zunächst die Eingriffsqualität der Entscheidungsdelegation genauer darzulegen (a)). Anschließend ist eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung zu untersuchen (b)). a) Eingriffsintensität Es stellt sich die Frage, mit welcher Intensität durch die Entscheidungsdelegation in den verfassungsrechtlichen Status der Abgeordneten sowie in das Prinzip der Gesamtrepräsentation eingegriffen wird. aa) Abgeordnetenstatus und Gesamtrepräsentation Durch die Entscheidungsverlagerung auf das Sondergremium wird in die Rechte der daran nicht beteiligten Abgeordneten und in den Grundsatz der 329  BVerfG, 330  Siehe

2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 91 = BVerfGE 130, 318 (338 f.). Kapitel 3: D. II. 1.



B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Entscheidungsdelegationen 191

Gesamtrepräsentation massiv eingegriffen. Betroffen ist insbesondere das Recht der Abgeordneten, „über eine Angelegenheit des Deutschen Bundestages zu beraten (…) und zu ihr zu reden (…), das Frage- und Informationsrecht des Parlaments auszuüben (…) und schließlich darüber abzustimmen (…).“331 Eine vorausgehende oder nachfolgende Beratung im Plenum findet bei der Entscheidungsdelegation nicht statt. Auch das Recht zur Schlussabstimmung wird der großen Mehrzahl der Abgeordneten entzogen. Gerade der Entzug des Stimmrechts verschärft dabei den Eingriff in den Abgeordnetenstatus und das Prinzip der Gesamtrepräsentation gegenüber dem Eingriff, der auch mit der Bildung gewöhnlicher Fachausschüsse verbunden ist,332 erheblich. So wird nicht nur das zentrale Mitwirkungsrecht der überwältigenden Mehrheit der Abgeordneten entzogen, sondern es werden auch deren mittelbare Beteiligungsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt. Die Ausschussmitglieder sind in der Schlussabstimmung eben nicht auf das Votum ihrer Fraktionskollegen angewiesen. Das politische Erfordernis, die eigene Fraktion und Partei einzubinden und zu überzeugen, entfällt. Erschwerend kommt der Umstand hinzu, dass die Arbeit des Sondergremiums im Wesentlichen unter der Auflage strenger Geheimhaltung erfolgt. Die Abgeordneten dürfen in den Fällen der besonderen Vertraulichkeit ihre Fraktionskollegen über die Ausschussarbeit gar nicht in Kenntnis setzen, vgl. § 353b StGB. Die am Gremium nicht beteiligten Abgeordneten sind so von den Informationen über dessen Arbeit ausgeschlossen. Eine politische Diskussion und Willensbildung zu konkreten Entscheidungen findet außerhalb des Gremiums schon mangels Faktenkenntnis nicht statt. Die zuvor beschriebene umfassende Wechselwirkung zwischen Ausschussmitgliedern und den übrigen Abgeordneten über Arbeitskreise und Fraktionsgruppen entfällt. Die parlamentarische Inklusionsdynamik kann sich unter der Vorgabe der Geheimhaltung und ohne jede Verfahrenseinbettung in das Bundestagsplenum nicht entfalten. Durch die Geheimhaltung wird zudem insbesondere den Oppositionsabgeordneten die Möglichkeit genommen, politischen Druck auf die Regierung und die Parlamentsmehrheit auszuüben.333 Den am Sondergremium nicht beteiligten Abgeordneten werden ihre parlamentarischen Mitwirkungsbefugnisse in den Fällen besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit faktisch vollständig entzogen. Dies gilt gleichermaßen für fraktionslose wie fraktionsangehörige Abgeordnete, so dass sich diesbezüglich kein gesondertes Problemfeld eröffnet. Der Eingriff in den Abgeordnetenstatus und den Grundsatz der Gesamtrepräsentation ist in beiden Fällen erheblich weitreichender als bei der Tätigkeit normaler Fachausschüsse. 331  BVerfG,

2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 136 = BVerfGE 130, 318 (357). Kapitel 3: D. III. 1. a) aa). 333  Vgl. Wolff, in: JZ 2010, S. 173 (177). 332  Siehe

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

bb) Besondere Bedeutung des Budgetrechts Die Übertragungen von Entscheidungsbefugnissen auf das Sondergremium wiegt dabei besonders schwer, weil es sich bei der delegierten Zustimmungsbefugnis zu den Notmaßnahmen der ESFS um Angelegenheiten des parlamentarischen Budgetrechts handelt, vgl. Art.  110 Abs.  2 GG, Art.  115 Abs. 1 GG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die haushaltspolitische Gesamtverantwortung, vgl. § 3 Abs. 2 StabMechG, ein grundlegender Teil der „demokratischen Selbstgestaltungsfähig­ keit“.334 Die Entscheidungen „über Einnahmen und – gerade auch sozial­ politisch motivierte – Ausgaben der öffentlichen Hand“ sind besonders sensibel für die demokratische Selbstgestaltungsfähigkeit einer Gesellschaft.335 Die fiskalische Verantwortlichkeit des Bundestages gegenüber dem Volk ist ein ganz „zentrales Element der demokratischen Willensbildung“.336 Schließlich stellt das Budgetrecht auch eines der „wesentlichen Instrumente der parlamentarischen Regierungskontrolle“ dar.337 Gemäß Art. 114 Abs. 1 GG hat der Bundesfinanzminister dem Bundestag über „alle Einnahmen und Ausgaben sowie über das Vermögen und die Schulden“ Rechnung zu legen. Die Aufstellung des Haushaltsplans sowie die Aufnahme von Krediten oder die Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen bedürfen eines Bundesgesetzes und unterliegen damit einem Ple­ narvorbehalt, Art. 110 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 115 Abs. 1 GG.338 Es ist eine „notwendige Bedingung für die Sicherung politischer Freiräume im Sinne des Identitätskerns der Verfassung (Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 79 Abs. 3 GG)“, dass der Haushaltsgesetzgeber die Entscheidungshoheit über die Einnahmen und Ausgaben behält und dauerhaft „Herr seiner Entschlüsse“ bleibt.339 Der demokratische Wert der Bundestagswahl darf nicht durch die „Fesselung des 334  BVerfG, 2 BvR 987/10 (u. a.) vom 07.09.2011, Rn. 121 f. = BVerfGE 129, 124 (177); BVerfG, 2 BvE 6/12 (u. a.) vom 12.09.2012, Rn. 106 = BVerfGE 132, 195 (239 – Rn. 106). 335  BVerfGE 123, 267 (359); BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 105 = BVerfGE 130, 318 (342 f.); BVerfG 2 BvR 987/10 (u. a.) vom 07.09.2011, Rn. 121 f. = BVerfGE 129, 124 (177). 336  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 105 = BVerfGE 130, 318 (343); BVerfG, 2 BvR 987/10 (u. a.) vom 07.09.2011, Rn. 122 = BVerfGE 129, 124 (177); BVerfGE 70, 324 (355 f.); 79, 311 (329). 337  BVerfGE 55, 274 (303); BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 105 = BVerfGE 130, 318 (343). 338  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 111 = BVerfGE 130, 318 (345 f.) m. w. N. 339  BVerfG, 2 BvR 987/10 (u. a.) vom 07.09.2011, Rn. 127 = BVerfGE 129, 124 (179 f.).



B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Entscheidungsdelegationen 193

Haushaltsgesetzgebers“ entleert werden.340 Die haushaltspolitische Gestaltungsfähigkeit des Bundestages darf weder in Folge von Aufgabenübertragungen auf die europäische Ebene341 noch aufgrund einer eigenen ausgreifenden Kreditaufnahme verloren gehen.342 Garantiert wird dieser fiskalische Handlungsspielraum des Bundestages auch durch die im Jahr 2009 ins Grundgesetz eingefügte „Schuldenbremse“, Art. 109 Abs. 3, Art. 115  GG, Art. 143d Abs. 1 GG.343 Eine Begrenzung der finanziellen Spielräume für den amtierenden Bundestag ist zum Erhalt der langfristigen demokratischen Gestaltungsspielräume der Parlamente künftiger Wahlperioden notwendig.344 Der Grundsatz, dass das Parlament die Entscheidungshoheit über das Budgetrecht behalten muss, erfordert auch eine wirksame parlamentarische Einbindung von Hilfsmaßnahmen im Rahmen der Euro-Krise. Es besteht eine „Integrationsverantwortung“ des Bundestages für das Budgetrecht.345 Fiskalische Maßnahmen der Europäischen Union bedürfen entsprechend einer wirksamen Begleitung durch den nationalen Gesetzgeber.346 Das bedeutet der Sache nach, dass die europäische Integration nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung erfolgen muss und Blankettermächtigungen zu vermeiden sind.347 Dabei bedarf nicht nur jede einzelne ausgabenwirksame Hilfsmaßnahme „größeren Umfangs“ einer Zustimmung des Deutschen Bundestages, sondern darüber hinausgehend muss auch ein fortbestehender parlamentarischer Einfluss auf die konkrete Mittelverwendung gesichert sein.348 Je größer dabei das Ausmaß der finanziellen Verpflichtung ist, „umso wirksamer müssen Zustimmungs- und Ablehnungsrechte sowie Kontrollbefugnisse des Bundestages ausgestaltet werden.“.349 Eingriffe in den Grund340  BVerfG, 2 BvR 987/10 (u. a.) vom 07.09.2011, Rn. 104 = BVerfGE 129, 124 (170 f.). 341  BVerfG, 2 BvR 987/10 (u. a.) vom 07.09.2011, Rn. 104 = BVerfGE 129, 124 (170 f.); vgl. BVerfGE 89, 155 (172); 123, 267 (330). 342  Puhl, in: HStR III (3. Auflage), § 48 Rn. 34. 343  Vgl. Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 109 Rn. 49 ff., 56 ff. 344  BVerfG, 2 BvE 6/12 (u. a.) vom 18.03.2014, Rn. 169 = BVerfGE 135, 317 (Rn. 169); BVerfGE 132, 195 (239); BVerfG, 2 BvR 987/10 (u. a.) vom 07.09.2011, Rn. 104 = BVerfGE 129, 124 (170). 345  BVerfG, 2 BvR 987/10 vom 07.09.2011, Rn. 128 = BVerfGE 129, 124 (181); vgl. BVerfGE 123, 267 (356 ff.). 346  Calliess, in: ZG 2010, S. 1 (2 f.). 347  Vgl. BVerfGE 123, 267 (364). 348  BVerfG, 2 BvR 987/10 (u.  a.) vom 07.09.2011, Leitsatz 2, Rn. 127  f. = BVerfGE 129, 124 (124, 179 f.); BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 109, 112 = BVerfGE 130, 318 (344 f.; 346 f.); BVerfG, 2 BvE 6/12 (u. a.) vom 12.09.2012, Rn. 190 = BVerfGE 132, 195 (Rn. 190). 349  BVerfG, 2 BvE 6/12 (u. a.) vom 18.03.2014, Rn. 163 = BVerfGE 135, 317 (Rn. 163).

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

satz der Gesamtrepräsentation oder den Abgeordnetenstatus als Ausdruck der repräsentativen Demokratie bedürfen im Bereich des Budgetrechts insofern einer Rechtfertigung durch „besonders gewichtige Gründe“.350 b) Verhältnismäßigkeit des Eingriffs Zu untersuchen bleibt, ob dieser besonders intensive Eingriff in den Abgeordnetenstatus und den Grundsatz der Gesamtrepräsentation auf dem Gebiet des demokratie-sensiblen Budgetrechts gerechtfertigt werden kann. Prüfungsmaßstab ist auch hier der allgemeine Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.351 Die Delegation muss einem legitimen Zweck dienen, zum Erreichen des Zwecks geeignet und erforderlich sein und schließlich auch angemessen sein. aa) Legitimer Zweck und Geeignetheit Die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf das Sondergremium muss einen legitimen Zweck verfolgen. Dabei kann ein legitimer Zweck zur Einschränkung des Abgeordnetenstatus und der Gesamtrepräsentation nur im Schutz anderer Rechtsgüter von Verfassungsrang liegen. Nach der Gesetzesformulierung erfolgt die Delegation aus Gründen des Geheimschutzes und der Eilbedürftigkeit, vgl. § 3 Abs. 3 Satz 1 StabMechG. Als verfassungsrechtlich anerkannter Zweck kommt insofern der Schutz der Funktionsfähigkeit des Bundestages in Verbindung mit besonderen Eil- und Geheimhaltungserfordernissen in Betracht. (1) Geheimschutz als legitimer Zweck Zunächst einmal müsste dann die Geheimhaltung einen verfassungsrechtlich legitimen Zweck für die Ausschussdelegation darstellen. Dabei ist zu beachten, dass Vertraulichkeit und Geheimhaltung in der repräsentativen Demokratie grundsätzlich keinen Selbstzweck erfüllen. Sie müssen vielmehr zum Schutz anderer Verfassungsgüter notwendig sein. Nur dann stellt der Geheimschutz eine verfassungsrechtlich legitime Rahmenbedingung für die Funktionsfähigkeit des Bundestages dar. Bei den Notmaßnahmen zu Gunsten anderer Euro-Mitgliedstaaten kommt die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Fallgruppe zwingender Gründe des Staatswohls als Anlass für die Geheimhaltung in Betracht.352 Was genau zu den zwingenden Gründen des 350  BVerfG,

2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 144 = BVerfGE 130, 318 (360). Kapitel 3: D. II. 2. 352  Vgl. BVerfGE 70, 324 (358 ff.); 67, 100 (135 f., 144); 77, 1 (47 f.); BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 143 = BVerfGE 130, 318 (359); siehe Kapitel 2: C. III. 2. 351  Siehe



B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Entscheidungsdelegationen 195

Staatswohls gehört, ist im Einzelfall anhand der Verfassung zu bestimmen. Jedenfalls kann der Kern staatlicher Funktions- und Gestaltungsfähigkeit darunter gefasst werden.353 Darüber hinaus können aber auch europäische Belange zu solchen zwingenden Gründen gehören. Verfassungstextlich ist in der Präambel des Grundgesetzes sowie in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG das Staatsziel eines vereinten Europas festgeschrieben.354 Wesentlicher Bestandteil eines vereinten Europas ist dabei der wirtschaftliche und politische Zusammenhalt der Europäischen Union.355 Durch die EFSF soll die gemeinsame Währung sowie die Wirtschaft der Eurozone insgesamt stabilisiert werden. Zugleich werden damit auch erhebliche fiskalische wie politische Interessen der Bundesrepublik Deutschland verfolgt. Die Krise in der Währungsunion und die Spekulationen an den Finanzmärkten betrafen nicht nur einzelne Mitgliedstaaten der Eurozone, sondern richteten sich gegen den Euro insgesamt.356 Damit waren auch erhebliche Gefahren für die politische Einheit der Europäischen Union verbunden. Insofern kann die Wirksamkeit der Rettungsmaßnahmen angesichts der unkalkulierbaren und in jedem Fall schwerwiegenden Folgen eines Zusammenbruchs der Eurozone ohne weiteres zu den zwingenden Belangen des Staatswohls gerechnet werden. Die Geheimhaltung selbst ist wiederum auf den Schutz dieser zwingenden Gründe des Staatswohls gerichtet. Durch den vertraulichen Umgang mit den wirtschaftlichen Fundamentaldaten der betroffenen Staaten und Finanzinstitute soll die Stabilität der Eurozone geschützt werden. Auch die Wirksamkeit einzelner Hilfsmaßnahmen soll gegebenenfalls durch eine Geheimhaltung derselben geschützt werden.357 Denn allein die Kenntnis von der Tatsache, dass ein betroffener Mitgliedstaat auf unterstützende Maßnahmen der EFSF angewiesen ist, könnte das Vertrauen in dessen Kreditwürdigkeit wiederum erheblich beschädigen und damit dem Ziel der Hilfsmaßnahmen entgegenlaufen. Verstärkt wird dies durch internationale Finanzspekulanten, die – in Kenntnis des maximal möglichen Hilfsvolumens der EFSF – auf die anstehende Insolvenz eines betroffenen Euro-Staates wetten und dabei die finanziellen Möglichkeiten der EFSF bewusst überspannen könnten. Die Publikation geplanter Notmaßnahmen könnte insofern deren Wirksamkeit schlechthin gefährden und damit auch die staatliche Gestaltungsfähigkeit insgesamt Jestaedt, in: AöR 2001, S. 204 (238 f.). 123, 267 (346 f.). 355  Vgl. Dreier, in: Dreier, GG, Präambel Rn. 47; Schorkopf, in: BK, GG, Art. 23 Rn. 30. 356  Vgl. Stellungnahme des Sachverständigen Axel Weber [Anmerkung: Zu diesem Zeitpunkt Präsident der Deutschen Bundesbank], Stenographisches Protokoll Nr. 17/21 zur Sitzung des Haushaltsausschusses vom 19.05.2010, S. 10 f. 357  Vgl. BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 83 = BVerfGE 130, 318 (334 f.). 353  Vgl.

354  BVerfGE

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

beeinträchtigen. Die Funktionsfähigkeit des Bundestages, gedacht vor dem Hintergrund seiner Repräsentationsfunktion,358 würde ohne entsprechende Geheimschutzmaßnahmen in Folge beeinträchtigt. Die Wahrung dieser Vertraulichkeit zum Schutz des Staatswohls und für eine funktionsfähige Beschlussfassung des Parlaments über die Notmaßnahmen der EFSF ist folglich ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel für die Delegation auf das Sondergremium. (2) Eilbedürftigkeit als legitimer Zweck Fraglich bleibt, inwiefern auch die Eilbedürftigkeit einen verfassungsrechtlich legitimen Zweck für die Delegation von Entscheidungsbefugnissen darstellt. Prinzipiell kommt auch der Schnelligkeit einer Entscheidungsfindung für sich genommen kein verfassungsrechtlicher Eigenwert zu, sondern sie ist im Zusammenspiel mit dem Verfassungsgebot der Funktionsfähigkeit des Bundestages zu sehen. Die Eilbedürftigkeit ist insofern dann ein legitimer Zweck für eine Ausschussdelegation, wenn dadurch rechtzeitige und damit sachgerechte Parlamentsentscheidungen ermöglicht werden sollen. Eine Mitwirkung des Bundestages, die den zeitlichen Anforderungen einer Aufgabe nicht gerecht wird, bringt keinerlei repräsentativ-demokratischen Mehrwert. Die Funktionsfähigkeit des Bundestages wäre dann nicht gegeben. Im vorliegenden Fall soll durch die Delegation auch eine rasche Entscheidungsfähigkeit des Bundestages gewährleistet und dadurch die Wirksamkeit der zustimmungsbedürftigen Rettungsmaßnahme gesichert werden. Denn die Notwendigkeit von Hilfsmaßnahmen der EFSF hängt entscheidend von Finanzmarktbewegungen ab, die durch kurzfristige politische Ereignisse, gezielte Spekulationen oder sonstige externe Schocks ohne größere Vorlaufzeit ausgelöst werden können.359 In Folge können sich etwa die Finanzierungsbedingungen von Staaten oder Banken massiv verändern und damit eine Intervention der EFSF durch Notmaßnahmen erfordern. So sind etwa die Renditen für italienische Staatsanleihen innerhalb nur eines Tages um fast einen Prozentpunkt angestiegen,360 was mit gravierenden Konsequenzen für die Zinslast und in Folge für die Bonität des hoch verschuldeten Staates verbunden war. Effektive Nothilfen durch die EFSF müssen dann notfalls innerhalb weniger Tage, wenn nicht Stunden gewährt werden. Gelingt dies nicht und tritt auch nur ein kurzfristiger Zahlungsausfall von Staaten oder Finanzinstituten ein, so wird das Vertrauen der Märkte gegebenenfalls nachhaltig beschädigt und weitere Hilfsmaßnahmen der EFSF haben nur noch begrenzte 358  Vgl.

Kapitel 2: C. III. Bericht des Haushaltsausschusses vom 26.09.2011, BT-Drs. 17/7130, S. 4. 360  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 88 = BVerfGE 130, 318 (337). 359  Vgl.



B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Entscheidungsdelegationen 197

Wirkungskraft. Entsprechend muss auch eine enorm kurzfristige Reaktionsfähigkeit des Bundestages sichergestellt sein. Mit der Übertragung der Zustimmungsbefugnis auf ein kleines und kompaktes Sondergremium soll gerade die Handlungsfähigkeit des Bundestages unter diesen zeitlichen Funk­ tionsbedingungen gewährleistet werden. Ein verfassungsrechtlich legitimer Zweck ist folglich auch mit der Eilbedürftigkeit in Verbindung mit der Funktionsfähigkeit des Bundestages gegeben. (3) Geeignetheit Die Delegation ist auch grundsätzlich geeignet, um das Ziel der Vertraulichkeit und Eilbedürftigkeit zu erreichen. Durch die Arbeit des Sondergremiums wird der Kreis der Informationsträger möglichst gering gehalten und so ein möglichst hohes Maß an Geheimhaltung gewährleistet. Ebenso kann die kleine Runde von Ausschussabgeordneten wesentlich schneller zusammentreten, die erforderlichen Informationen austauschen und schließlich einen Beschluss fassen, als dass das Bundestagsplenum dazu im Stande wäre.361 Die Delegation ist somit ein geeignetes Mittel zur Erreichung verfassungsrechtlich legitimer Ziele. bb) Erforderlichkeit Die Delegation der Entscheidungsbefugnisse muss weiterhin zum Schutz des legitimen Zwecks, also vorliegend zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundestages unter besonderen Anforderungen der Geheimhaltung und Schnelligkeit, erforderlich sein. Dabei muss sich die Erforderlichkeit auf die Aspekte des ob und wie erstrecken. Hinsichtlich des ob ist zu untersuchen, ob die Aufgabenübertragung tatsächlich zur Sicherung einer schnellen und vertraulichen Parlamentsarbeit erforderlich ist. Hinsichtlich des wie muss nach dem Grundsatz des „geringstmöglichen Eingriffs“ die Delegation dergestalt erfolgen, dass der hiermit verbundene Eingriff in den Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation möglichst schonend ausfällt.362 (1) Vertraulichkeit Fraglich ist, ob die Übertragung der Zustimmungsbefugnis zu den Notmaßnahmen der EFSF auf ein Sondergremium überhaupt erforderlich ist, um die 361  BVerfG,

2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 142 = BVerfGE 130, 318 (359). 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 125, 131 = BVerfGE 130, 318 (353, 355); Moench/Ruttloff, in: DVBl 2012, S. 1261 (1265); siehe Kapitel 3: D. III. 1. b) bb). 362  BVerfG,

198

Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

Vertraulichkeit der parlamentarischen Beschlussfassung zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang ist einerseits zu überprüfen, inwiefern die Delegation für sich genommen zur Wahrung der Vertraulichkeit erforderlich ist (a). Andererseits ist zu klären, ob auch tatsächlich die delegierten Kompetenzen in ihrem gesamten Umfang vom Erfordernis der Geheimhaltung erfasst werden (b). (a) Delegation für den Geheimschutz erforderlich Zunächst einmal müsste die Delegation auf ein kleines Sondergremium überhaupt als Maßnahme zur Sicherung der Vertraulichkeit erforderlich sein. Insofern könnte erwogen werden, als gleich geeignetes und milderes Mittel auf die Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages zurückzugreifen.363 So können Informationen als Verschlusssachen deklariert werden, wenn sie gegen Kenntnisnahme durch Unbefugte geschützt werden sollen, vgl. §§ 16 Abs. 4, 17, 69 Abs. 7 GOBT. Die Geheimschutzordnung sieht dabei als höchsten Geheimhaltungsgrad für Verschlusssachen die Einstufung als „streng geheim“ vor. Darunter fallen Verschlusssachen, „deren Kenntnis durch Unbefugte den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden würde“, § 2 Abs. 2 GeheimSchutzO. Durch die Delegation die Zahl der Geheimnisträger auf eine kleinstmögliche zu reduzieren ist nur dann erforderlich, wenn die Möglichkeiten der Geheimschutzordnung zur Sicherung der Vertraulichkeit nicht gleichermaßen geeignet sind. Zu berücksichtigen ist an dieser Stelle zunächst, dass eine absolute Geheimhaltung schon aufgrund der großen Zahl von Abgeordneten im Plenum nicht zu gewährleisten ist. Es droht prinzipiell nicht nur eine Informationspreisgabe durch die Parlamentarier selbst, sondern auch durch die Spionage ausländischer Nachrichtendienste und zunehmend durch Privatpersonen wie etwa Hacker. Zu erinnern ist an die NSA-Spionageaffäre oder das durch einen Hackerangriff über Wochen lahmgelegte Bundestagsnetzwerk.364 Schließlich ist zu beachten, dass sich bei einem Teil der Euro-Rettungsmaßnahmen die Geheimhaltung nicht nur auf den Inhalt der Beratung bezieht, sondern selbst der Umstand, dass der Bundestag überhaupt über Notmaßnahmen entscheiden muss, unter strenger Geheimhaltung steht. Zumindest der Umstand, dass überhaupt eine Beratung über Notmaßnahmen zur Rettung von Euro-Mitgliedstaaten vor einem Zahlungsausfall stattfindet, lässt sich bei einer Plenarversammlung schlechterdings nicht verbergen. Die Delegation der Entscheidungsbefugnis auf einen Ausschuss oder ein Sondergremium ist insofern grundsätzlich zur Sicherung der Vertraulichkeit erforderlich. 363  Anlage 3 zur GOBT, vgl. BVerfGE 67, 100 (135 f.); Heun, in: Dreier, GG, § 45a Rn. 7. 364  Siehe Kapitel 2: C. III. 2.



B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Entscheidungsdelegationen 199

(b) Vertraulichkeit aller delegierten Aufgaben? Weiterhin müsste sich die Erforderlichkeit auch auf den gesamten Umfang der übertragenen Aufgaben erstrecken. Der Eingriff in den Status der Abgeordneten sowie den Grundsatz der Gesamtrepräsentation kann nur dann gerechtfertigt werden, wenn die Vertraulichkeit auch im konkreten Fall eine Funktionsbedingung für die parlamentarische Arbeit darstellt. Besteht für ein bestimmtes Handlungsinstrument gar kein Geheimhaltungserfordernis, so ist diese Befugnis nach dem Grundsatz des geringst möglichen Eingriffs vom Bundestagsplenum wahrzunehmen. Diesem Gedanken wird vom StabMechG der Sache nach dadurch Rechnung getragen, dass nach dem Wortlaut die Zuständigkeit des Sondergremiums nur in den Fällen „besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit“ begründet wird, § 3 Abs. 3 Satz 1 StabMechG. Problematisch erscheint dabei jedoch, dass das Gesetz selbst den Anwendungsbereich der besonderen Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit sehr weit fasst. § 3 Abs. 3 Satz 3 StabMechG stellt eine Regelvermutung für das Vorliegen dieser Tatbestandsmerkmale auf. Danach liegen die Voraussetzungen für eine Beschlussfassung durch das Sondergremium bei allen „Notmaßnahmen zur Verhinderung von Ansteckungsgefahren nach § 1 Abs. 2 Satz 3“ vor. Erfasst werden dadurch „vorsorgliche Maßnahmen, Kredite zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten und der Ankauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt“, also praktisch alle wesentlichen Handlungsinstrumente der EFSF.365 Zusätzlich kann in allen übrigen Fällen die Bundesregierung die besondere Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit geltend machen. Ein tatsächliches Geheimhaltungserfordernis kann dabei zunächst einmal für Ankäufe von Staatsanleihen durch die EFSF am Sekundärmarkt ausgemacht werden. Diese Maßnahme zielt auf die Beeinflussung des Marktgeschehens ab, wenn dieses unter außergewöhnlichen Umständen zu Preisbildungen führt, die durch die wirtschaftlichen Fundamentaldaten des betroffenen Mitgliedstaates nicht zu erklären sind.366 Eine Intervention der EFSF zur Marktstabilisierung würde in diesem Fall durch eine Veröffentlichung in ihrer Wirksamkeit konterkariert.367 Hätten die Marktteilnehmer Kenntnis davon, dass die Preisbildung nicht auf das Vertrauen der Investoren, sondern auf 365  Insofern hatte die SPD-Fraktion bereits frühzeitig Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des StabMechG geäußert, Bericht des Haushaltsausschusses vom 26.09.2011, BT-Drs. 17/7130 S. 5; vgl. die Skepsis verschiedener Abgeordneter, BTPlenarprotokoll 17/130, vom 29.09.2011, S. 15412 ff. 366  EFSF Guideline on interventions in the secondary market vom 29.11.2011, S. 1. 367  Bericht des Haushaltsausschusses vom 26.09.2011, BT-Drs. 17/7130, S. 4.

200

Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

eine quasi staatliche Marktmanipulation zurückzuführen ist, so würde der Ankauf den erstrebten Effekt verlieren. Institutionelle Anleger könnten sogar, in Kenntnis des nur beschränkten Budgets der EFSF, gezielt gegen die langfristige Wirksamkeit der Maßnahme spekulieren. Hinsichtlich der Ankäufe von Staatsanleihen am Sekundärmarkt ist die Geheimhaltung demnach regelmäßig erforderlich. Auch die Möglichkeit der Bundesregierung, die besondere Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit im Einzelfall geltend zu machen, § 3 Abs. 3 Satz 4 StabMechG, genügt dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs. Die Norm kann ohne weiteres dahingehend verfassungskonform ausgelegt werden, dass die jeweilige Maßnahme dann auch tatsächlich unter einer besonderen Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit zu beschließen ist. Sie ermöglicht insofern eine einzelfallgerechte Handhabe der Aufgabenübertragung auf das Sondergremium. Sollte das Sondergremium die Auffassung der Bundesregierung nicht teilen, kann es nach § 3 Abs. 3 Satz 5 StabMechG der Annahme der besonderen Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit widersprechen. Dagegen bestehen erhebliche Zweifel, ob die Regelvermutung einer besonderen Vertraulichkeit auch bei den vorsorglichen Maßnahmen zur Sicherung der Handlungsfähigkeit des Bundestages erforderlich ist. Die vorsorg­ lichen Maßnahmen sind nämlich an die Voraussetzung gekoppelt, dass der Hilfe ersuchende Mitgliedstaat zunächst einen förmlichen Antrag auf Erlass solcher Nothilfen stellt.368 Dieser Vorgang wird im Regelfall schon im antragstellenden Staat in der Öffentlichkeit stattfinden.369 Eine Geheimhaltung durch die Hilfe leistenden Staaten ist dann obsolet. Die pauschale Übertragung auf das Sondergremium zum Zwecke der Geheimhaltung ist nicht erforderlich. Auch im Fall von Krediten an einen Mitgliedstaat zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten kann regelmäßig kein Geheimhaltungsbedürfnis angenommen werden. Dieses Hilfsinstrument ist grundsätzlich an zwei Voraussetzungen gebunden, die schlechterdings nicht vertraulich erfüllt werden können. Die Kredite werden nur dann gewährt, wenn zuvor ein Versuch gescheitert ist, die Finanzinstitute zunächst durch den Privatsektor und anschließend durch den ersuchenden Staat selbst zu rekapitalisieren.370 Bei solchen öffentlichen Verfahrensschritten in einem Krisenstaat ist eine Geheimhaltung durch den Deutschen Bundestag selbst evident nicht erforderlich. 368  EFSF

Guideline on Precautionary Programmes vom 29.11.2011, S. 4. 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 151 = BVerfGE 130, 318 (363). 370  EFSF Guideline on Recapitalisation of Financial Institutions (Fis) via loans to non-programme countries, S. 2; BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 151 = BVerfGE 130, 318 (363). 369  BVerfG,



B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Entscheidungsdelegationen 201

Die parlamentarische Geheimhaltung ist im Ergebnis nur hinsichtlich eines Teils der auf das Sondergremium übertragenen Aufgaben erforderlich. Sofern das StabMechG die besondere Geheimhaltung auch auf die vorsorglichen Maßnahmen oder die Kredite an die Mitgliedstaaten zur Rekapitalisierung der Banken erstreckt, ist es verfassungswidrig. Folgerichtig wurde die Zuständigkeit des Sondergremiums in § 3 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 StabMechG n. F. auf Notmaßnahmen in Form von Ankäufen von Staatsanleihen am Sekundärmarkt beschränkt. Sofern auch diesbezüglich die Regelvermutung für die besondere Geheimhaltung oder Eilbedürftigkeit aus dem Gesetz gestrichen wurde, handelt es sich um eine verfassungsrechtlich nicht zwingend gebotene Vorsichtsmaßnahme. (2) Eilbedürftigkeit Ferner stellt sich die Frage, ob für eine zeitnahe Beschlussfassung eine Delegation der Entscheidungsbefugnis auf das Sondergremium erforderlich ist. Voraussetzung ist dafür, dass die Entscheidungsdelegation zur Sicherung einer schnellen Entscheidungsfähigkeit überhaupt notwendig ist (a), und andererseits, dass auch alle übertragenen Beschlusskompetenzen vom Kriterium der Eilbedürftigkeit erfasst sind (b). (a) Delegation wegen Eilbedürftigkeit erforderlich Die Delegation ist zunächst einmal nur dann erforderlich, wenn das Plenum selbst nicht dazu in der Lage ist, den zeitlichen Anforderungen einer Beschlussfassung gerecht zu werden. Dabei ist grundsätzlich zu würdigen, dass auch das Plenum durchaus fähig ist, unter hohem Zeitdruck angemessene Entscheidungen zu treffen. So hat sich der Bundestag im Zusammenhang mit den Einsätzen der Bundeswehr auch unter engen zeitlichen Rahmenbedingungen als entscheidungsfähig erwiesen.371 Ebenso kann hier auf die rasche Reaktionsfähigkeit im Rahmen der Eurokrise verwiesen werden, in welcher der Bundestag wiederholt zum Erlass der entsprechenden Zustimmungsgesetze binnen weniger Tage in der Lage war.372 Gleichwohl ist unter dem Aspekt der Schnelligkeit eine Entscheidungsfindung im Plenum kein gleichermaßen geeignetes Mittel wie eine Beschlussfassung im Ausschuss. Eine Plenarentscheidung erfordert zunächst einmal die Wiefelspütz, in: ZParl 2012, S. 227 (241). das Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz, das am 07.05.2010 – nur 5 Tage nach dem entsprechenden Beschluss der Eurogruppe – in Kraft getreten ist; vgl. hierzu BVerfG, 2 BvR 987/10 (u. a.) vom 07.09.2011, Rn. 5 ff. = BVerfGE 129, 124 (126 ff.). 371  Vgl. 372  Vgl.

202

Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Bundestagsabgeordneten, also gegenwärtig zumindest 316 der 631 Abgeordneten, § 45 Abs. 1 GOBT. Eine kurzfristige, außerplanmäßige Versammlung des Plenums ist folglich mit einem nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand verbunden. Überdies dürfte außerhalb der Sitzungswochen, wenn die Abgeordneten grundsätzlich zur Arbeit in ihren Wahlkreisen zur Verfügung stehen,373 sowie während der Sommerpause die Möglichkeit eines kurzfristigen Zusammentritts auch nur der Hälfte der Bundestagsabgeordneten keineswegs selbstverständlich sein. Schließlich ist zu beachten, dass es für eine repräsentativ-demokratische Entscheidung über Notmaßnahmen der EFSF nicht mit einem raschen Zusammentritt des Bundestages getan ist. Vielmehr müssen die Abgeordneten für eine sachgerechte Entscheidung zuvor über die fraglichen Umstände einer Rettungsmaßnahme informiert werden. Diese zwingend erforderliche Informationsverbreitung wird jedoch wiederum durch die Geheimhaltung erheblich verzögert und erschwert. Streng geheime Verschlusssachen sind in ihrer Weiterleitung und Verbreitung durch Kopien etc. stark beschränkt. Das Versorgen des gesamten Plenums mit den notwendigen Informationen ist daher mit Verzögerungen verbunden. Die Beschlussfassung im Bundestagsplenum ist folglich unter dem Gesichtspunkt der Eilbedürftigkeit kein gleich geeignetes Mittel. (b) Eilbedürftigkeit aller delegierten Aufgaben? Schließlich müsste die besondere Schnelligkeit und Eilbedürftigkeit für die gesamte Bandbreite der delegierten Kompetenzen gelten. Insofern könnte gegen die Erforderlichkeit der Entscheidungsdelegation zunächst argumentiert werden, dass die Maßnahmen der EFSF nicht zwingend „unmittelbar im Anschluss an die Beratung und Beschlussfassung“ des Deutschen Bundestages umgesetzt werden.374 Die Beschlussfassung durch das Sondergremium könnte nur dann erforderlich sein, wenn eine Maßnahme auch im direkten zeitlichen Anschluss an die Entscheidung des Bundestages umgesetzt werden muss. Allerdings überzeugt die Argumentation mit einer solchen zeitlichen Verengung nicht. Bei den Hilfsmaßnahmen durch die EFSF sind auch die besonderen Wirkungsmechanismen der Finanzmärkte zu berücksichtigen. Der Zeitpunkt einer konkreten Abrufung von Hilfsgeldern lässt sich dabei nicht mechanisch vorherbestimmen. Insofern kann es durchaus sein, dass ein zustimmender Beschluss auch auf Lager eingeholt wird und es sich im Nachhinein herausstellt, dass es zu einer tatsächlichen Notmaßnahme gar nicht kommen musste. Ebenso gut kann es aber auch sein, dass die freigegebenen 373  Roll,

in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 28 Rn. 21. diesem Sinne aber BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 145 = BVerfGE 130, 318 (360). 374  In



B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Entscheidungsdelegationen 203

Mittel direkt in Anspruch genommen werden. Eine Konzeption, in der alle Euro-Mitgliedstaaten just in time über Hilfsmaßnahmen der EFSF entscheiden, ist vor diesem Hintergrund nicht praktikabel. Allerdings scheint eine prinzipielle Regelvermutung der Eilbedürftigkeit in den Fällen des § 1 Abs. 2 Satz 3 StabMechG ebenso wie die regelmäßig vermutete Vertraulichkeit nicht erforderlich. So ist auch hier eine Kreditvergabe zur Rekapitalisierung von Banken durch die EFSF an die Voraussetzung gebunden, dass eine Rekapitalisierung durch den Privatsektor und den um Hilfe ersuchenden Staat gescheitert sein muss. Diese Verfahrensabfolge dürfte regelmäßig hinreichend Zeit bieten, eine Beschlussfassung über eine solche vorhersehbare Hilfsmaßnahme durch den Bundestag herbeizuführen. Auch das Antragserfordernis für die Initiierung vorsorglicher Maßnahmen durch einen ersuchenden Staat dürfte hinreichend zeitlichen Vorlauf schaffen, um auch eine Plenarentscheidung im Bundestag zu ermöglichen.375 Ebenso wenig ist eine große Eilbedürftigkeit in Fällen des Ankaufs von Staatsanleihen am Primär- oder Sekundärmarkt ersichtlich. Auch hier dürften sich ein wachsender Vertrauensverlust, nervöse Marktbewegungen und einbrechende Kurse gegebenenfalls bereits im Vorfeld abzeichnen. Die Regelvermutung zu Gunsten der besonderen Eilbedürftigkeit ist insofern nicht erforderlich. Allein die Möglichkeit der Bundesregierung, nach § 3 Abs. 3 Satz 4 StabMechG die besondere Eilbedürftigkeit im Einzelfall geltend zu machen, genügt hier dem Grundsatz des geringst möglichen Eingriffs. Die Regelvermutung einer Eilbedürftigkeit in § 3 Abs. 3 Satz. 3 StabMechG ist im Ergebnis nicht zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundestages notwendig. Sofern diese pauschale Delegation auf das Sondergremium nicht aus Gründen der Geheimhaltung erforderlich ist, wird dieses Defizit auch nicht durch eine vermutete Eilbedürftigkeit kompensiert. Durch den Wegfall der Regelvermutung in § 3 Abs. 3 StabMechG n. F. wurden allerdings auch im Zusammenhang mit der Eilbedürftigkeit die Befugnisse des Sondergremiums in verfassungskonformer Weise angepasst. (3) Ausschussgröße und Spiegelbildlichkeit Weiterhin ist zu untersuchen, ob die Ausgestaltung der Entscheidungsdelegation dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs genügt. Dabei nimmt die Intensität des Eingriffs in den Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation mit abnehmender Größe des Sondergremiums grundsätzlich zu.376 375  BVerfG,

2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 146 = BVerfGE 130, 318 (361). Morlok, in: Dreier, GG, Art. 40 Rn. 30; vgl. BVerfG, Urteil vom 22.09. 2015 – 2 BvE 1/11, juris Rn. 97. 376  Vgl.

204

Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

Je exklusiver der Kreis der Ausschussabgeordneten ist, desto mehr Abgeordnete werden an der Ausübung ihrer Statusrechte gehindert und desto geringer fällt die Inklusionsdynamik hinsichtlich der am Ausschuss nicht beteiligten Abgeordneten aus.377 Die Rückbindung der Ausschusstätigkeit an die Parteien und Fraktionen nimmt ab. Die Entsendung verschiedener Fraktionsmitglieder als Vertreter verschiedener parteiinterner Flügel und Meinungsströmungen ist so praktisch ausgeschlossen. Auch die Fähigkeit, die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag zu spiegeln, reduziert sich mit abnehmender Ausschussgröße.378 Ein Gremium, das beim 17. Deutschen Bundestag 9 von insgesamt 620 Abgeordneten379 und beim 18. Deutschen Bundestag 7 von insgesamt 631 Abgeordnete umfasst, muss die Mehrheitsverhältnisse des jeweiligen Bundestages auf ca. 11 % oder 14 % Stufen herunterbrechen. Auf etwa 69 bzw. 90 Bundestagsabgeordnete kommt dann jeweils nur ein einziges Mitglied im Sondergremium. So ergeben sich bei einer streng nach den Kriterien der Spiegelbildlichkeit erfolgenden Besetzung des Sondergremiums des 17. Deut­schen Bundestages folgende Verzerrungen gegenüber der Sitzverteilung des Bundestages: Sitze im Bundestag (%)

Sitz im Gremium (%)

Verzerrung

CDU / CSU

237 (38,23 %)

4 (44,44 %)

+ 6,21 %

SPD

146 (23,55 %)

2 (22,22 %)

– 1,33 %

FDP

  93 (15,00 %)

1 (11,11 %)

– 3,89 %

Linke

  75 (12,10 %)

1 (11,11 %)

– 0,99 %

Grüne

  68 (10,97 %)

1 (11,11 %)

+ 0,14 %

Würde die Anzahl der Ausschusssitze nur auf 18 verdoppelt werden, so würde sich die maximale Verzerrung auf + 1,66 % bei der FDP-Fraktion belaufen, gefolgt von unveränderten – 1,33 % bei der SPD-Fraktion. Es stellt sich mithin die Frage, ob die Einrichtung eines kleinstmöglichen Gremiums zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundestages erforderlich ist. Unter dem Gesichtspunkt der Eilbedürftigkeit scheint dies ausgesprochen zweifelhaft. So ist zwar eine Delegation auf einen Ausschuss an sich erforderlich, um eine kurzfristige und sachgerechte Entscheidungsfindung im 377  Vgl.

(354).

378  Siehe

BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 128 = BVerfGE 130, 318 Kapitel 3: D. III. 1. b) bb) (1). vom 27.10.2009 bis zum 22.10.2013.

379  Legislaturperiode



B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Entscheidungsdelegationen 205

Einzelfall zu gewährleisten. Allerdings bedeutet das nicht, dass dadurch die Aufgabenübertragung auf ein Kleinstgremium erforderlich wäre. So scheint es zur Wahrung der Funktionsfähigkeit des Bundestages gleichermaßen effektiv, anstatt des Sondergremiums den Haushaltsausschuss mit seinen derzeit 41 Mitgliedern mit den Notmaßnahmen zu befassen. Eine weitergehende nennenswerte Beschleunigung ist durch die Befassung eines Kleinstgremiums nicht ersichtlich.380 Der Zugewinn an Effizienz überwiegt mitnichten den Verlust an Repräsentanz. Es kommt auch hier zur Geltung, dass die Funktionsfähigkeit des Bundestages mit Blick auf seine Repräsentationsfunktion hin zu untersuchen ist. Gegen die Erforderlichkeit der Delegation auf das Sondergremium spricht zudem, dass noch nicht einmal Stellvertreter für die Gremiumsmitglieder vorgesehen sind. Schon das Fehlen von nur wenigen Abgeordneten – etwa aus gesundheitlichen Gründen oder auch nur außerhalb der Sitzungswochen – führt in Folge zu einer Beschlussunfähigkeit.381 Dagegen wird eine rasche Beschlussfähigkeit des Haushaltsausschuss schon dadurch gewährleistet, dass für dessen Mitglieder jeweils stellvertretenden Ausschussmitglieder ernannt sind, die im Fall der Verhinderung einspringen.382 Folgerichtig erscheint es insofern, dass in § 3 Abs. 3 Satz 3 StabMechG n. F. auch für die Mitglieder des Sondergremiums Stellvertreter vorgesehen sind. Eine kleinstmögliche Ausschussgröße ist gleichwohl für die Belange der Eilbedürftigkeit nicht erforderlich. Die geringe Ausschussgröße könnte allerdings für den Geheimschutz erforderlich sein. Dabei ist erneut darauf hinzuweisen, dass eine Gefährdung der Vertraulichkeit nicht nur durch einen Geheimnisverrat durch die Bundestagsabgeordneten selbst droht. Gegen einen unmittelbaren Geheimnisbruch durch die Abgeordneten könnte die strafrechtlich bewehrte Geheimschutzordnung auch in einem größeren Gremium hinreichend Schutz gewährleisten. Die Vertraulichkeit wird aber insbesondere auch durch eine mögliche Spionage von dritter Seite gefährdet, etwa staatliche Nachrichtendienste oder private Hacker­ angriffe. Mit der Zahl der eingeweihten Parlamentarier steigt dabei zwangsläufig die Gefahr einer solchen unfreiwilligen Informationspreisgabe. Dagegen vermag die Geheimschutzordnung keinen zuverlässigen Schutz zu bieten. Im Übrigen gilt es vorliegend zu berücksichtigen, dass hinsichtlich einzelner Instrumente der EFSF nicht nur der Inhalt von Parlamentsberatungen der Vertraulichkeit unterliegt, sondern der Umstand, dass das Parlament überhaupt über akute Notmaßnahmen beschließt, geheim zu bleiben hat.383 Der Zusam380  Wiefelspütz,

in: ZParl 2012, S. 227 (241). Stellungnahme des Abgeordneten Danckert, BT-Plenarprotokoll 17/130 vom 29.09.2011, S. 15417 ff. 382  BVerfGE, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 146 f. = BVerfGE 130, 318 (361). 383  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 149 f. = BVerfGE 130, 318 (362 f.). 381  Vgl.

206

Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

mentritt und die Beratung des Plenums oder eines großen Ausschusses lassen sich dem neugierigen Beobachter schlechterdings nicht verheimlichen. Auch die Instrumente der Geheimschutzordnung sind nicht dazu geeignet, den Zusammentritt als solchen zu verschleiern. Dagegen ist es durchaus möglich, dass sich eine nur sehr kleine Zahl von Abgeordneten zur Beratung trifft, ohne dass die Öffentlichkeit hiervon Kenntnis erlangt. Die Delegation auf ein kleinst mögliches Gremium ist insofern hinsichtlich der Beschlüsse über mögliche Anleihenkäufe am Sekundärmarkt durch die EFSF erforderlich. (4) Ausschussbesetzung und Spiegelbildlichkeit Weiterhin stellt sich die Frage, ob die Zusammensetzung des Sondergremiums den Anforderungen der Erforderlichkeit genügt. Um den Eingriff möglichst gering zu halten, muss das Sondergremium dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit genügen.384 Danach müssen Ausschüsse oder Gremien grundsätzlich als verkleinertes Abbild des Plenums eingerichtet werden und sich in ihrer Zusammensetzung an der Stärke der Fraktionen orientieren. Nach § 3 Abs. 3 Satz 2 StabMechG ist das Sondergremium so zu besetzen, dass „jede Fraktion zumindest ein Mitglied benennen kann und die Mehrheitsverhältnisse gewahrt werden.“ Bei einer genauen Betrachtung wird die Spiegelbildlichkeit durch den Wortlaut der Norm nicht zwingend vorgeschrieben. Die Mehrheitsverhältnisse müssen nicht mit dem „Verhältnis der Stärke der einzelnen Fraktionen“, vgl. § 12 Satz 1 GOBT, gleichbedeutend sein. Allerdings kann das Gesetz ohne weiteres dahingehend verfassungskonform ausgelegt werden, dass es dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit genügt.385 Verfassungsrechtlich problematisch ist es jedoch, dass bei der erstmaligen Zusammensetzung des Sondergremiums am 26.10.2011 in Abweichung von einer schematischen Spiegelung der FDP-Fraktion 2 Sitze und der CDU / CSUFraktion nur 3 Sitze zugewiesen wurden. Die CDU / CSU hat zu Gunsten der FDP auf einen Ausschusssitz verzichtet. So wurden zwar die Mehrheitsverhältnisse zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen gewahrt, die Stärkeverhältnisse der einzelnen Fraktionen zueinander wurden aber stärker verzerrt als notwendig. In Folge stellte sich die Verzerrung der Ausschusszusammensetzung gegenüber der Sitzverteilung im Plenum wie folgt dar:

384  Siehe

Kapitel 3: D. III. 1. b) bb) (1). 2 BvE 8/11vom 28.02.2012, Rn. 138, 154 ff., 157 = BVerfGE 130, 318 (357, 364 ff.). 385  BVerfG,



B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Entscheidungsdelegationen 207 Sitze im Bundestag (%)

Sitze im Gremium (%)

Verzerrung

CDU / CSU

237 (38,23 %)

3 (33,33 %)

– 4,90 %

SPD

146 (23,55 %)

2 (22,22 %)

– 1,33 %

FDP

  93 (15,00 %)

2 (22,22 %)

+ 7,22 %

Linke

  75 (12,10 %)

1 (11,11 %)

– 0,99 %

Grüne

  68 (10,97 %)

1 (11,11 %)

+ 0,14 %

Gründe von Verfassungsrang, nach denen eine Abweichung von einer schematischen Spiegelung erforderlich wäre, sind dabei nicht ersichtlich. Es steht grundsätzlich nicht zur freien Disposition der Koalitionsfraktionen, in Abweichung vom Wählervotum und den Stärkeverhältnissen im Plenum die Zusammensetzung der Ausschüsse und Gremien zu modifizieren. Die konkrete Zusammensetzung des Sondergremiums war insofern verfassungswidrig.386 § 3 Abs. 3 Satz 3 StabMechG n. F. stellt nunmehr klar, dass das Sondergremium dergestalt zu besetzen ist, dass „die Mehrheitsverhältnisse gewahrt werden und (…) die Zusammensetzung des Plenums widergespiegelt wird (…).“ Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen somit nicht mehr. (5) Bestimmtheit der übertragenen Aufgabe Für den Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs muss darüber hinaus das Bundestagsplenum die übertragenen Kompetenzen möglichst detailliert und präzise festlegen. Nicht nur Inhalt und Umfang der delegierten Kompetenz, sondern auch die Art und Weise der Aufgabenwahrnehmung und Ermessensausübung muss möglichst genau festgelegt werden.387 Durch das Vorgeben einer möglichst engen Marschroute für den Ausschuss wird nicht nur ein größtmöglicher – mittelbarer – Einfluss des Parlaments auf die Entscheidung selbst erreicht, sondern überdies auch gewährleistet, dass tatsächlich nur Kompetenzen im unbedingt notwendigen Umfang übertragen werden. Im Prinzip klingen hier Bestimmtheitsgebot und Wesentlichkeitsgrundsatz in ihrer Bedeutung für das Demokratieprinzip an.388 Das Parlament als Plenum muss prinzipiell auch bei der Aufgabenübertragung auf Ausschüsse 386  BVerfG,

2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 167 = BVerfGE 130, 318 (365 f.). 2 BvE 6/12 (u. a.) vom 12.09.2012, Rn. 190 = BVerfGE 132, 195 (275 – Rn. 190); Kewenig, Staatsrechtliche Probleme parlamentarischer Mitregierung, S. 52. 388  Vgl. Kapitel 4: A. III. 3. 387  BVerfG,

208

Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

und Gremien mit hinreichender Bestimmtheit die wesentlichen Entscheidungen so weit wie möglich selbst treffen. Je weiter die Ausführung einer Parlamentsaufgabe durch die Delegationsnorm schon vorgezeichnet ist und je kleiner dadurch der Entscheidungsspielraum der Ausschussmitglieder wird, desto geringer ist auch der Eingriff in den Status der übrigen Abgeordneten und den Grundsatz der Gesamtrepräsentation.389 Aus Gründen der Haushaltspolitischen Gesamtverantwortung des Bundestages ist insbesondere eine Höchstgrenze für die Gewährleistungsübernahmen notwendig.390 Die Erforderlichkeit verlangt, dass die Rahmenbedingungen für eine Ausschussentscheidung durch das Bundestagsplenum möglichst weitreichend determiniert werden.391 Diesen Anforderungen wird das StabMechG gerecht. Die maximale Höhe der möglichen Gewährleistungsübernahmen wird auf 211,0459 Milliarden Euro beschränkt, § 1 Abs. 1 Satz 1 StabMechG. In zeitlicher Hinsicht wurde die Möglichkeit zur Gewährleistungsübernahme und damit auch der Zustimmungsbefugnis des Sondergremiums auf den 30.06.2013 begrenzt, § 1 Abs. 1 Satz. 3 StabMechG. Die zur Verfügung stehenden Notmaßnahmen sind in § 1 Abs. 1 Satz 2 StabMechG katalogisiert. Neben der vorherigen Zustimmung durch den Bundestag bzw. das Sondergremium werden darüber hinaus auch andere Auszahlungsvoraussetzungen festgelegt. So können Notmaßnahmen nur dann ergriffen werden, wenn zuvor ein Antrag des betroffenen Mitgliedstaates gestellt wurde und wenn die Maßnahmen zur Wahrung der Stabilität der Währungsunion unabdingbar sind, § 1 Abs. 2 Satz 1 StabMechG. Dabei ist die Erforderlichkeit der Maßnahmen zur Bewahrung der Stabilität des Euro-Währungsgebietes durch die Mitgliedstaaten der Währungsunion unter Ausschluss des betroffenen Staates gemeinsam mit der EZB und nach Möglichkeit mit dem IWF einvernehmlich festzustellen, § 1 Abs. 2 Satz 2 StabMechG. Schließlich werden die Notmaßnahmen unter strenge Auflagen gestellt, die mit der Europäischen Kommission unter Mitwirkung der EZB, des IWF und den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes vereinbart werden, § 1 Abs. 3 StabMechG. Nähere Bestimmungen über Bedingungen und prozessuale Vorgaben für die Notmaßnahmen finden sich zudem in den „Guidelines“ für die Arbeit der EFSF. Der Bundestag hat mit dem Erlass des StabMechG insofern Umfang, Erscheinungsform und 389  Nettesheim,

in: NJW 2012, S. 1409 (1411). 2 BvE 6/12 (u. a.) vom 12.09.2012, Rn. 137 ff. = BVerfGE 132, 195 (251 ff. – Rn. 137 ff.); BVerfG, 2 BvR 987/10 (u. a.) vom 07.09.2011, Rn. 139 = BVerfGE 129, 124 (185 f.). 391  Vgl. BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 111 f. = BVerfGE 130, 318 (345); BVerfG, 2 BvR 987/10 (u. a.) vom 07.09.2011, Rn. 139 = BVerfGE 129, 124 (185); vgl. BVerfG, 2 BvE 6/12 (u. a.) vom 12.09.2012, Rn. 190 = BVerfGE 132, 195 (Rn. 190); Calliess, in: NVwZ 2012, S. 1 (4, 6). 390  BVerfG,



B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Entscheidungsdelegationen 209

Bedingungen für Nothilfen durch die EFSF, denen das Sondergremium gegebenenfalls zustimmen muss, umfassend determiniert. Die Entscheidungsdelegation auf das Sondergremium genügt in dieser Hinsicht daher dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs. (6) Informationspflichten Nach dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs ist der Bundestag zudem umfangreich über die Tätigkeit und Beschlüsse des Sondergremiums zu unterrichten.392 Eine wirksame öffentliche Begleitung und demokratische Rückbindung der Ausschusstätigkeit an das Plenum ist erst dann möglich, wenn der Bundestag über die erforderlichen Informationen verfügt.393 Nur dann können die am Ausschuss nicht beteiligten Abgeordneten gegebenenfalls ihre Rückholbefugnis sachgerecht ausüben. Auch eine Kontrolle, ob sich der Ausschuss im Rahmen der vorgegebenen Leitlinien hält, ist für den Bundestag nur anhand hinreichender Informationen möglich.394 Ein fortlaufender Einfluss des gesamten Parlaments ist auf ein entsprechendes Informationsniveau angewiesen. Dabei sind die Informationsrechte des Bundestages gerade in den für die Demokratie besonders sensiblen Bereichen395 wie dem Budgetrecht396 oder in Angelegenheiten der Europäischen Union397 besonders ausgeprägt. Sofern der Bundestag entscheidende Informationsrechte auf einen geheimen Ausschuss delegiert, muss auch dies auf solche Informationen begrenzt sein, die auch tatsächlich der Vertraulichkeit unterliegen.398 Darüber hinausgehend ist das Bundestagsplenum dann nachträglich zu informieren, sobald die Gründe des Geheimschutzes für die Wirksamkeit der Maßnahmen nicht mehr vorliegen. Diesen Anforderungen genügt das StabMechG. § 5 StabMechG normiert umfassende, fortlaufende und frühzeitige Unterrichtungspflichten der Bundesregierung. Nach § 5 Abs. 5 StabMechG ist der Haushaltsausschuss losgelöst von besonderen Anlässen vierteljährlich hinsichtlich der übernommenen Gewährleistungen sowie der ordnungsgemäßen Mittelverwendung zu unter392  BVerfG,

2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 131 = BVerfGE 130, 318 (355). BVerfG, 2 BvE 6/12 (u. a.) vom 12.09.2012, Rn. 111 = BVerfGE 132, 195 (241 f.), Rn.  111. 394  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 159 = BVerfGE 130, 318 (366). 395  Vgl. BVerfG, 2 BvE 4/11 vom 19.06.2012, Leitsatz 2 = BVerfGE 131, 152 (152). 396  Vgl. BVerfG, 2 BvE 6/12 (u. a.) vom 12.09.2012, Rn. 155 = BVerfGE 132, 195 (260, Rn. 155). 397  Vgl. BVerfG, 2 BvE 4/11 vom 19.06.2012, Rn. 96 ff. = BVerfGE 131, 152 (194 ff.). 398  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 131 = BVerfGE 130, 318 (355). 393  Vgl.

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

richten. Die Übertragung der Informationsrechte auf das Sondergremium ist nach § 5 Abs. 7 StabMechG nur möglich, „solange die Gründe für die besondere Vertraulichkeit bestehen“. Die Delegation der Informationsrechte ist folglich durch ein temporales Moment gekennzeichnet und zeitlich an das Bestehen der Geheimschutzerfordernisse gekoppelt. Eine Informationspflicht des Bundestages nach dem Wegfall der Gründe für die Vertraulichkeit ist insofern bei einer verfassungskonformen Gesetzesauslegung anzunehmen. Die dahingehende ausdrückliche Formulierung in dem neu eingefügten § 5 Abs. 7 Satz 2 StabMechG n. F. ist demnach nur deklaratorischer Natur. (7) Rückholbefugnis Weiterhin muss es dem Plenum grundsätzlich offenstehen, die delegierte Materie wieder an sich zu ziehen. Eine irreversible Kompetenzübertragung auf einen Ausschuss erhöht die Eingriffsintensität erheblich.399 Nicht nur der Abgeordnetenstatus und der Grundsatz der Gesamtrepräsentation, sondern auch die verfassungsrechtlich verbürgte Parlamentsautonomie gebieten es, dass die Entscheidungshoheit über die Delegation beim Bundestagsplenum verbleibt. Die dauerhafte parlamentarische Rückbindung der Ausschüsse wird so gewährleistet. Wenn die Aufgabenübertragung auf einen Ausschuss nicht mehr von dem Willen der Bundestagsmehrheit getragen wird, kann das Parlament die Kompetenz wieder an sich ziehen.400 Sofern die Gründe der Vertraulichkeit oder Eilbedürftigkeit wegfallen, die Delegation also schlechthin nicht mehr für die Funktionsfähigkeit des Bundestages erforderlich ist, muss die Entscheidungsbefugnis sogar zurück ins Plenum verlagert werden. Dabei ist nach der hier vertretenen Auffassung das Revokationsrecht im Gedanken der Parlamentsautonomie angelegt und bleibt dem Bundestag grundsätzlich erhalten. Auch im Fall einer Delegation durch Gesetz kann der Bundestag durch eine Geschäftsordnungsregelung die Zuständigkeit von einem Ausschuss wieder zurück ins Plenum verlagern.401 Es gilt wegen der Gleichrangigkeit von Gesetz und Geschäftsordnung grundsätzlich der lex posterior Grundsatz.402 Eine ausdrückliche Normierung der Rückholbefugnis im StabMechG ist danach verfassungsrechtlich nicht zwingend. Sofern abweichend davon angenommen wird, dass eine gesetzliche Aufgabenübertragung nicht im Wege der Geschäftsordnungsautonomie revidiert werden 399  Vgl.

Kretschmer, in: BK, GG, Art. 45, Rn. 212. 2 BvE 6/12 (u. a.) vom 12.09.2012, Rn. 190 = BVerfGE 132, 195

400  BVerfG,

(Rn. 190). 401  Ebenso Achterberg, Parlamentsrecht, S. 329. 402  Siehe Kapitel 3: B. III. und IV. 3.



B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Entscheidungsdelegationen 211

kann, ist die Rückholbefugnis grundsätzlich in der gesetzlichen Delegationsermächtigung selbst – also im StabMechG – zu normieren. Würde die Revokation ein gegebenenfalls langwieriges Gesetzgebungsverfahren erfordern, wäre dies mit dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs unvereinbar. Bei geheim beratenden und beschließenden Gremien muss darüber hinaus den Ausschussmitgliedern selbst ein Zurückverweisungsrecht zukommen. Denn die Revokationsbefugnis des Plenums läuft hier aufgrund der Geheimhaltung faktisch ins Leere. Die notwendigen Informationen für die Beurteilung der Frage, ob die besonderen Gründe der Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit tatsächlich vorliegen, sind dem Plenum im Zweifelsfall gar nicht zugänglich. Sollten die verfassungsrechtlichen Gründe für die Delegation – etwa die Vertraulichkeit oder Eilbedürftigkeit – wegfallen, so besteht eine Rückverweisungspflicht des Ausschusses. Ein solches Zurückverweisungsrecht ist in § 3 Abs. 3 Satz 5 StabMechG geregelt, wonach die Mitglieder des Sondergremiums der besonderen Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit „unverzüglich mit Mehrheit widersprechen“. Zu erwägen bleibt, ob das Recht zur Verweisung ins Plenum als Minderheitenrecht auszugestalten ist.403 Dafür spricht grundsätzlich, dass eine „effektive Opposition“ ein zentraler Grundsatz der repräsentativen Demokratie ist.404 Hierzu gehört insbesondere auch die öffentliche Kritik und öffentliche Kontrolle der Regierungsarbeit durch die Oppositionsabgeordneten.405 Aus diesem Grund werden im Grundgesetz bestimmte Rechte als Minderheitenrechte ausgestaltet, vgl. im Kontext der Ausschüsse Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 45a Abs. 2 Satz 2 GG.406 In dem geheimen Sondergremium kann die Opposition aber ihre Kontrollfunktion nur sehr eingeschränkt ausüben. Den Zugang zur Öffentlichkeit kann sie nur mit Hilfe der Regierungsfraktionen herstellen. Das Rückverweisungsrecht ins Plenum dürfte dabei insbesondere in den Fällen praktisch nicht durchsetzbar sein, in denen die Bundesregierung die besondere Vertraulichkeit geltend macht. Die Ausschussmehrheit der regierungstragenden Fraktionen wird dann kaum im offenen Widerspruch zur eigenen Regierungsentscheidung eine Angelegenheit ins Plenum verweisen. Für einen effektiven Schutz der Opposition und eine kritische Kontrolle 403  In diesem Sinne Moench/Ruttloff, in: DVBl 2012, S. 1261 (1266); vgl. Calliess, in: NVwZ 2012, S. 1 (6); vgl. BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 153 = BVerfGE 130, 318 (364). 404  BVerfG, Urteil vom 03.05.2016 – 2 BvE 4/14, Leitsatz 1, Rn. 85 ff. 405  BVerfG, Urteil vom 03.05.2016 – 2 BvE 4/14 –, Rn. 87 ff.; Schliesky, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, §  5 Rn.  84  ff.; Waack, in: Morlok/ Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, § 22 Rn. 14 ff., 46 ff.; Zeh, in: HStR III (3. Auflage), § 52 Rn. 21 f., 23 ff.; Kissler, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 36 Rn. 20; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 75. 406  BVerfG, Urteil vom 03.05.2016 – 2 BvE 4/14, Rn. 88, 107.

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

der Exekutiven wäre es daher vorteilhaft, das Plenarverweisungsrecht als Minderheitenrecht auszugestalten. Gleichwohl ist hier zu beachten, dass auch für die Ausschüsse grundsätzlich das der Demokratie immanente Mehrheitsprinzip gilt.407 Die Übertragung der Zustimmungsbefugnis auf das geheime Sondergremium zum Schutz zwingender Gründe des Staatswohls ist auf eine Entscheidung des Bundestagsplenums selbst zurückzuführen. Eine solche, im demokratischen Gesetzgebungsverfahren getroffene Grundsatzentscheidung darf nicht durch eine Minderheitenentscheidung im Sondergremium unterlaufen werden.408 Die Wirksamkeit der Nothilfen und damit der Zweck der Delegation wären gefährdet, wenn durch eine Rückverweisung durch die Opposition eine erhebliche Verzögerung und eine Preisgabe der Vertraulichkeit riskiert würden. Der Beschluss einer kleinen Minderheit im Sondergremium würde dann im Einzelfall eine parlamentarische Grundsatzentscheidung außer Kraft setzen. Gerade mit Hinblick auf das Demokratieprinzip wird daher eine Ausgestaltung als Oppositionsrecht nicht gefordert. Den Minderheitenrechten wird nicht nur durch die Partizipation von Oppositionsabgeordneten im Sondergremium Rechnung getragen, sondern auch ganz grundsätzlich durch eine konsequente Beachtung der Erforderlichkeit und des geringstmöglichen Eingriffs. Insbesondere eine enge Eingrenzung des Delegationsumfangs, der Bestimmtheit und die nachfolgenden Informationspflichten durch das Gremium dienen auch dem Schutz der Opposition. Darüber hinausgehend der Opposition das Recht einzuräumen, im Einzelfall über das Vorliegen der besonderen Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit zu entscheiden, ist unter dem Gesichtspunkt demokratischer Repräsentation nicht geboten. (8) Ernennungsverfahren Schließlich bleibt zu prüfen, ob auch das Ernennungsverfahren der Ausschussabgeordneten dem Grundsatz der Erforderlichkeit genügt. Das Sondergremium setzt sich nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StabMechG aus Mitgliedern des Haushaltsausschusses zusammen, die vom Bundestag gewählt werden. Das Ernennungsverfahren weicht insofern von § 57 Abs. 2 Satz 1 GOBT ab, wonach die Ausschussmitglieder grundsätzlich von den Fraktionen benannt werden. Da der GOBT selbst kein Verfassungsrang zukommt, ist das nicht per se problematisch. Die Wahl durch das Bundestagsplenum verfolgt den Zweck, dass die Mitglieder des Sondergremiums das Vertrauen des ganzen 407  Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 67; vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S.  63 f.; Hofmann/Dreier, in: Parlamentsrecht und Parlaments­ praxis, § 5 Rn. 49 ff. 408  Vgl. BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 84 = BVerfGE 130, 318 (336).



B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Entscheidungsdelegationen 213

Bundestages und nicht nur ihrer Fraktion genießen. Den Belangen des Geheimschutzes wird hier, vergleichbar wie beim Parlamentarischen Kontrollgremium des Art. 45d GG, Rechnung getragen.409 Ein gesonderter Eingriff in den Abgeordnetenstatus oder die Gesamtrepräsentation ist damit nicht verbunden. Zwar wird der Einfluss der Abgeordneten auf die Entscheidung, wer für die eigene Fraktion in das Gremium ernannt wird, verringert. Zugleich wird aber ein Einfluss auf die Abgeordneten der anderen Fraktionen begründet. In der Summe werden die Abgeordnetenrechte dadurch nicht eingeschränkt. Die Wahl der Abgeordneten aus der Mitte des Bundestages hat augenscheinlich zudem den Vorteil, dass hierbei auch den fraktionslosen Abgeordneten ein Einfluss auf die Ausschusszusammensetzung eingeräumt wird. Das Verfahren zur Ernennung der Mitglieder des Sondergremiums genügt insofern dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs. (9) Ergebnis Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der Eingriff in den Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation, der mit der Delegation von Entscheidungsbefugnissen nach dem StabMechG in der Fassung vom 09.10.2011 verbunden ist, den Anforderungen der Erforderlichkeit nicht genügt. Die Delegation zur Wahrung der Eilbedürftigkeit ist in Form einer Regelvermutung für kein einziges Hilfsinstrument der EFSF erforderlich. Es kann gerade nicht angenommen werden, dass der Bundestag den Notmaßnahmen regelmäßig unter großem Zeitdruck zustimmen müsste. Die Delegation zum Schutz der Geheimhaltung ist nur hinsichtlich der Ankäufe von Staatsanleihen am Sekundärmarkt erforderlich. In allen übrigen Fällen ist schon von der Konzeption der Nothilfen her kein regelmäßiges Geheimhaltungsbedürfnis zu erkennen. Sowohl die vorsorglichen Maßnahmen als auch die Kredite zur Rekapitalisierung von Banken sind an förmliche Verfahren in den entsprechenden Staaten gekoppelt, die schlechterdings nicht geheim erfolgen können. Allein die Möglichkeit der Bundesregierung, im Einzelfall die besondere Vertraulichkeit oder Eilbedürftigkeit geltend zu machen und damit die Zuständigkeit des Sondergremiums zu begründen, genügt umfänglich dem Grundsatz der Erforderlichkeit. Die Konzeption des Sondergremiums als Kleinstgremium lässt sich nur insofern rechtfertigen, als auch die besonderen Geheimschutzgründe bestehen. Schließlich widerspricht auch eine Ausschussbesetzung in Abweichung von einer strengen Spiegelbildlichkeit dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs. 409  Vgl.

Kapitel 4: A. II. 1. c) gg).

214

Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

cc) Angemessenheit Schließlich müssen die Delegation von Entscheidungsbefugnissen und die damit verbundene Verkürzung der Gesamtrepräsentation und des Abgeordnetenstatus zu Gunsten der Funktionsfähigkeit des Bundestages auch angemessen sein. Dabei ist Gegenstand der Angemessenheitsprüfung das Sondergremium in der (hypothetischen) Gestalt, in der es den Anforderungen der Erforderlichkeit genügt. Zunächst ist grundsätzlich festzustellen, dass mit der Übertragung von Entscheidungskompetenzen massiv in den Status der am Ausschuss unbeteiligten Abgeordneten sowie in den Grundsatz der Gesamtrepräsentation eingegriffen wird. Mit dem Stimmrecht wird einem Großteil der Parlamentarier das elementare Mitwirkungsrecht entzogen. Verbunden hiermit ist eine weitgehende Außerkraftsetzung der Inklusionsdynamik, welche sonst bei der Arbeit der herkömmlichen Fachausschüsse zu beobachten ist.410 Die Ausschussabgeordneten sind von vorneherein nicht auf die abschließende Zustimmung ihrer Fraktionskollegen angewiesen. Ein frühzeitiges Überzeugen und Werben für die eigene Position und eine enge Abstimmung mit den Interessen der eigenen Fraktion ist schon deshalb im Prinzip entbehrlich. Im Falle von geheim beschließenden Gremien ist im Übrigen eine Einbindung der Fraktionskollegen schon aus Gründen der Vertraulichkeit kaum möglich. Die konkrete Entscheidungsfindung ist dann dem Einfluss der übrigen Abgeordneten praktisch gänzlich entzogen. Erschwerend kommt beim EFSF-Sondergremium hinzu, dass die Letztentscheidungsbefugnis den Bereich des besonders demokratiesensiblen Budgetrechts betrifft. Über gegebenenfalls immense Gewährleistungsübernahmen durch die EFSF entscheidet im Falle der besonderen Vertraulichkeit anstatt des Bundestages ein Kleinstgremium. Neben den erheblichen fiskalischen Implikationen ist mit der Zustimmungsbefugnis zu etwaigen Rettungsmaßnahmen eine weitreichende politische Bedeutung verbunden. Im Extremfall kann ein ablehnender Beschluss die Zahlungsunfähigkeit eines Euro-Mitgliedstaats und damit dessen Ausscheiden aus der Eurozone insgesamt nach sich ziehen. Dem Sondergremium sind insofern durchaus wesentliche Entscheidungsbefugnisse übertragen. Zugleich ist allerdings festzustellen, dass die Eingriffsintensität durch die strikte Beachtung der Erforderlichkeitskriterien etwas entschärft wird. Die Kompetenzen des Sondergremiums wurden zuvor von der Gesamtheit der Abgeordneten beim Erlass des StabMechG gebilligt. In diesem Zusammenhang wurden die wesentlichen Rahmenbedingungen für die Genehmigung der Nothilfen durch die EFSF sowie eine Höchstgrenze für Haftungsübernahmen festgelegt. Die Entscheidungskompetenz des Sondergremiums beschränkt sich 410  Siehe

Kapitel 3: D. III. 1. a) aa).



B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Entscheidungsdelegationen 215

folglich auf den konkreten Abruf bereits abstrakt vom Plenum gebilligten Kapitals. Die haushaltspolitische Gesamtverantwortung wird insofern von der Gesamtheit der Abgeordneten getragen.411 Im Rahmen dieser Abwägung ist daran zu erinnern, dass die Delegation von Entscheidungsbefugnissen darauf gerichtet ist, die Funktionsfähigkeit des Bundestages – hier unter der Funktionsbedingung der Geheimhaltung – zu sichern. Die Geheimhaltung selbst ist dabei auf den Schutz zwingender Gründe des Staatswohls gerichtet. Es sind also Verfassungsgüter in Ausgleich zu bringen, bei denen es sich gleichermaßen um Ausprägungen des Repräsentationsprinzips handelt. Sowohl der verfassungsrechtliche Status der Abgeordneten und der Grundsatz der Gesamtrepräsentation auf der einen Seite als auch die Parlamentsautonomie in Verbindung mit der Funktionsfähigkeit des Bundestages auf der anderen Seite zielen darauf ab, die Repräsentationsfunktion des Parlaments insgesamt zu stärken.412 Wird durch eine Entscheidungsdelegation eine funktionale Einbindung des Parlaments überhaupt erst möglich, so kann der damit verbundene Eingriff in den Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation kaum unangemessen und verfassungswidrig sein. Abgeordnetenstatus und Gesamtrepräsentation stellen gerade keinen Selbstzweck dar. Eine parlamentarische Partizipation sämtlicher Abgeordneten bringt dagegen keinerlei Zugewinn demokratischer Legitimation mit sich, wenn sie zugleich die Handlungsunfähigkeit des Repräsentationsorgans bewirkt und damit einen Verlust demokratischer Gestaltungsmacht verursacht. Ein formalistisches Beharren auf Plenarentscheidungen beeinträchtigt dann das Prinzip der repräsentativen Demokratie. Die Frage der Angemessenheit muss folglich im Hinblick auf das überwölbende Prinzip demokratischer Repräsentation beantwortet werden. Vorliegend bedingt die Wirksamkeit bestimmter Hilfsmaßnahmen der EFSF eine strenge Geheimhaltung. Diese Geheimhaltungsanforderungen stellen insofern eine Funktionsbedingung für den parlamentarischen Zustimmungsbeschluss dar. Könnte das Parlament dieser Funktionsbedingung nicht gerecht werden, so würde die demokratische Gestaltungsfähigkeit, die durch das Zustimmungserfordernis gerade gewährleistet werden soll, aus faktischen Gründen aufgehoben. Erst die Ausschussdelegation zur Sicherung der Geheimhaltung ermöglicht im vorliegenden Fall eine funktional-repräsentative Parlamentseinbindung. Unter den gegebenen Umständen wird also mit der Entscheidungsdelegation der Repräsentationsgedanke insgesamt gestärkt und nicht verkürzt. Von einer verfassungswidrigen Verkürzung des Abgeordne411  Vgl. BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 112 f. = BVerfGE 130, 318 (346 f.); vgl. BVerfG, 2 BvE 6/12 (u. a.) vom 12.09.2012, Rn. 180, 190 = BVerfGE 132, 195 (Rn. 180, 190). 412  Siehe Kapitel 2: B. III. 1. b) und 2. sowie Kapitel 2: C. II. 2.

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

tenstatus und der Gesamtrepräsentation kann dann im Hinblick auf das Repräsentationsprinzip nicht gesprochen werden. Der mit dem Sondergremium verbundene Eingriff in diese Verfassungsprinzipien ist folglich angemessen und daher verfassungskonform. 2. Öffentlichkeitsprinzip Weiterhin bleibt die Tätigkeit des geheim arbeitenden Sondergremiums unter dem Gesichtspunkt des Öffentlichkeitsprinzips zu untersuchen.413 Dabei ist zunächst einmal festzustellen, dass nur durch die Geheimhaltung in den allgemeinen Öffentlichkeitsgrundsatz eingegriffen wird, nicht aber durch die Delegation auf das Sondergremium. Es zeigt sich insofern ein erheblicher Unterschied zur verfassungsrechtlichen Ausgangslage normaler Fachausschüsse. Dort steht die nichtöffentliche Beratung in den Ausschüssen einer öffentlichen Beratung und Beschlussfassung im Bundestagsplenum gegenüber. Die Parlamentsöffentlichkeit wird erst durch die Beratung im Fachausschuss eingeschränkt. Die Nichtöffentlichkeit ist dort eine spezifische Ausschussproblematik. Davon ist aber die vorliegende Konstellation abzugrenzen, in der eine Geheimhaltung losgelöst von einer Aufgabenwahrnehmung im Bundestag oder im Sondergremium angeordnet ist, vgl. § 5 Abs. 3 und Abs. 7 StabMechG. Die Ausschussdelegation ist insofern mit keiner eigenständigen Verkürzung des Öffentlichkeitsprinzips verbunden. Im ursächlichen Zusammenhang mit der Entscheidungsdelegation steht damit allein der Eingriff in den Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation. Dieser Eingriff gewinnt hier durch die Geheimhaltung eine besondere Qualität, weil die am Ausschuss nicht beteiligten Abgeordneten von ihren Informationsrechten und indirekten Einflussmöglichkeiten abgeschnitten werden. Das allgemeine staatsrechtliche Öffentlichkeitsprinzip, das die Beziehung zwischen Repräsentanten und Repräsentierten kennzeichnet, bleibt von der Ausschussdelegation allerdings unberührt. Die Geheimhaltung als Eingriff in das Öffentlichkeitsprinzip stellt vorliegend eine Problematik dar, die unabhängig von der Frage zu sehen ist, in welchem Forum eine Entscheidung getroffen wird. Ungeachtet dessen soll die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung nachfolgend kurz untersucht werden. a) Legitimer Zweck, Geeignetheit Die Geheimhaltung dient dem Zweck, die Wirksamkeit der Notmaßnahmen der EFSF zu gewährleisten. Es geht um die Sicherung der staatlichen Handlungsfähigkeit im Zusammenhang mit der Währungskrise im Euroraum 413  Vgl.

hierzu Kapitel 2: B. IV.



B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Entscheidungsdelegationen 217

und letztlich um eine demokratische Lenkfähigkeit hinsichtlich essentieller fiskalischer und politischer Interessen. Folglich ist die Geheimhaltung auf den Schutz elementarer verfassungsrechtlicher Güter – auf zwingende Gründe des Staatswohls – gerichtet. Der Ausschluss der Öffentlichkeit zur Wahrung der Vertraulichkeit dient somit einem verfassungsrechtlich anerkannten Zweck.414 Die Maßnahmen der Geheimschutzordnung sowie die Delegation auf das Sondergremium stellen zur Wahrung der Vertraulichkeit auch grundsätzlich ein geeignetes Mittel dar. b) Erforderlichkeit Der Eingriff in das Öffentlichkeitsprinzip muss weiterhin dem Gebot des geringst möglichen Eingriffs genügen. Die Geheimhaltung darf nicht über das hinausgehen, was für den Schutz der zwingenden Gründe des Staatswohls erforderlich ist. Insofern kann auf die Ausführungen zur Erforderlichkeit im Zusammenhang mit der Verkürzung des Abgeordnetenstatus und der Gesamtrepräsentation verwiesen werden.415 Wie in diesem Zusammenhang bereits festgestellt, geht die Regelvermutung zu Gunsten der Geheimhaltung in § 3 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. Satz 1 StabMechG für alle „Notmaßnahmen zur Verhinderung von Ansteckungsgefahren“ über das erforderliche Maß hinaus. Eine Mehrzahl der Handlungsinstrumente der EFSF ist an Verfahrensschritte in dem betroffenen Mitgliedstaat gebunden, die eine Geheimhaltung weder erfordern noch ermöglichen. Demnach beschränkt sich auch hier die Erforderlichkeit der Geheimhaltung auf den Ankauf von Staatsanleihen durch die EFSF am Sekundärmarkt. In den übrigen Fällen ist der Ausschluss der Öffentlichkeit nicht erforderlich und daher verfassungswidrig. Die Geheimhaltung darf weiterhin auch in zeitlicher Hinsicht nicht über das erforderliche Maß hinausgehen. Fallen die Gründe für die Geheimhaltung weg, sind die entsprechenden Vorgänge zu publizieren. Nur so wird eine nachträgliche Diskussion und Verantwortungszuschreibung sowie eine demokratische Sanktionierung durch den Wähler ermöglicht. Dem genügt § 5 Abs. 7 StabMechG grundsätzlich. Die Informationsrechte sind nur solange auf das Sondergremium zu übertragen, als dass die besonderen Gründe der Vertraulichkeit bestehen. Schließlich gilt auch unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Öffentlichkeitsprinzips, dass bereits im Vorfeld der geheimen Aufgabenwahrnehmung eine möglichst breite Öffentlichkeitseinbindung stattzufinden hat. Das Bundestagsplenum hat hierfür die vertraulich auszuübenden Aufgaben möglichst 414  Vgl.

Kapitel 4: B. II. 1. b) aa) (1). Kapitel 4: B. II. 1. b) bb) (1).

415  Siehe

218

Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

genau und für den Wähler nachvollziehbar festzulegen. Diesem Grundsatz wird durch das StabMechG genügt. Das Bundestagsplenum hat hier in einem formellen Gesetzgebungsverfahren über die Höchstsumme sowie die Auszahlungsmodalitäten der von der EFSF zu erlassenden Notmaßnahmen entschieden. Der unter Geheimhaltung erfolgende Zustimmungsbeschluss durch das Sondergremium erstreckt sich insofern nur auf den konkreten Abruf bereits abstrakt gebilligter Finanzhilfen. Der Eingriff in das Öffentlichkeitsprinzip genügt zumindest in dieser Hinsicht dem Grundsatz der Erforderlichkeit. c) Angemessenheit Der Eingriff in das Öffentlichkeitsprinzip zum Schutz zwingender Gründe des Staatswohls müsste schließlich auch dem Grundsatz der Angemessenheit genügen. Insofern ist festzustellen, dass durch die Geheimhaltungspflicht die Parlamentsöffentlichkeit faktisch gänzlich ausgeschlossen wird. Bei der geheimen Behandlung im Sondergremium findet im Gegensatz zu den herkömmlichen Fachausschüssen keine öffentliche Einbettung der Ausschusstätigkeit statt. Weder eine erste öffentliche Beratung noch die Schlussabstimmung im Plenum vermitteln parlamentarische Transparenz und Publizität. Durch die Geheimhaltung entfällt zudem die Berichterstattungsöffentlichkeit während der Ausschussphase und die Möglichkeit der Ausschussabgeordneten, einen Beratungsgenstand im Plenum oder über die Presse zum Gegenstand öffentlicher Diskussion zu machen. Ein öffentlicher Austausch von Argumenten und Gegenargumenten, eine Anhörung und ein Ausgleich verschiedener Interessen durch einen öffentlichen Diskurs findet nicht statt. Die Geheimhaltung schaltet die parlamentarische Öffentlichkeit im Plenum und in den Ausschüssen bewusst und vollständig aus. Eine Einflussnahme der öffentlichen Meinung auf die Entscheidungsfindung ist folglich ausgeschlossen. Zugleich können bei anhaltender Geheimhaltung die Wähler aus den parlamentarischen Entscheidungen keine Rückschlüsse für ihr Wahlverhalten ziehen. Erschwerend kommt zudem auch in diesem Kontext die besondere Bedeutung des Budgetrechts für das Demokratieprinzip hinzu. Der Budgetöffentlichkeit kommt hier ein herausgehobener Stellenwert zu.416 Der Eingriff in das Öffentlichkeitsprinzip wird dadurch weiter intensiviert. Andererseits verliert der Eingriff dadurch an Gewicht, dass die geheim zu beschließenden Hilfsinstrumente zuvor abstrakt vom Bundestagsplenum in der Öffentlichkeit diskutiert und durch ein formelles Gesetzgebungsverfahren gebilligt wurden. Die Öffentlichkeit hat die grundsätzliche Möglichkeit, die verschiedenen Hilfsinstrumente sowie ihre Anwendungs416  Vgl. BVerfGE 131, 152 (205  f.); BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 108 = BVerfGE 130, 318 (344); BVerfGE 70, 324 (358); siehe Kapitel 4: B. II. 1. a) bb).



B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Entscheidungsdelegationen 219

voraussetzung und die Haftungshöchstgrenzen einzusehen. Die Möglichkeit einer geheimen Entscheidung, die der Kenntnis des Souveräns zumindest temporär entzogen wird, wurde insofern abstrakt bewusst in Kauf genommen. Der geheime Beschluss selbst ist auf die Freigabe bereits zuvor in der Öffentlichkeit vom Plenum gebilligter Haushaltsmittel beschränkt. Schließlich wird durch das Herstellen einer nachträglichen Publizität beim Wegfall der Geheimhaltungsgründe die Eingriffsintensität weiter abgeschwächt. Die Güterabwägung hat schließlich auch hier vor dem Hintergrund des Demokratie- und Repräsentationsprinzips zu erfolgen. Zu beachten ist dabei, dass ein Mehr an Öffentlichkeit und Transparenz keineswegs zu einer Stärkung der Demokratie führt, wenn hiermit zugleich ein Verlust staatlicher Gestaltungsfähigkeit verbunden ist. Demokratie ist zuallererst ein Modus der Herrschaftsausübung und darf sich nicht in endlosen, deliberativen, öffentlichen Diskursrunden verlaufen.417 Demokratie muss entscheidungsfähig sein. Öffentlichkeit, Responsivität und Kontrolle bewirken nur im Zusammenspiel mit einem funktionsfähigen Parlament einen Zugewinn demokratischer Legitimation. Die Steigerung der Öffentlichkeit um den Preis staatlicher Handlungsunfähigkeit führte zum Verlust demokratischer Herrschaftsgewalt. Im vorliegenden Fall ist die Geheimhaltung auf den Schutz elementarer Verfassungsgüter gerichtet. Es geht um die Sicherung der staatlichen Handlungsfähigkeit während einer gravierenden Währungs- und Wirtschaftskrise im Euroraum. Die Geheimhaltung ermöglicht hier erst in gewissem Umfang eine demokratische Lenkfähigkeit hinsichtlich essentieller fiskalischer und politischer Interessen. Gerade mit Blick auf die anderen am Marktgeschehen beteiligten Akteure ist der Ankauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt für seine Wirksamkeit zwingend auf eine strikte Geheimhaltung angewiesen. Die mit dem Ankauf bezweckte Stabilisierung einzelner Euro-Mitgliedstaaten und damit der Währungsunion insgesamt funktioniert nur dann, wenn das Parlament zur Gewährung einer solchen Vertraulichkeit in der Lage ist. Publizität und Öffentlichkeit der Parlamentsbeschlüsse führte daher nur vordergründig zu einer Stärkung der Responsivität und Kontrolle durch das Volk. Tatsächlich würden die Maßnahmen ihre Wirkungskraft verlieren und die demokratische Gestaltungsmacht würde insgesamt gelähmt. Insofern ist im Hinblick auf das Repräsentationsprinzip der Ausschluss der Öffentlichkeit und die Geheimhaltung im vorliegenden Fall angemessen. 3. Ergebnis Das Sondergremium nach § 3 Abs. 3 StabMechG a. F. stellt einen verfassungswidrigen Eingriff in den Status der Abgeordneten sowie die Gesamtre417  Vgl.

Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 62.

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Kap. 4: Delegation von Entscheidungsbefugnissen

präsentation dar und verkürzt in unzulässiger Weise das Prinzip der Öffentlichkeit. Die Funktionsfähigkeit des Bundestages erfordert weder aus Gründen der Eilbedürftigkeit noch des Geheimschutzes die umfangreiche Delegation von Entscheidungen über EFSF Notmaßnahmen auf einen Ausschuss. Allein der Ankauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt bedingt für seine Wirksamkeit eine strenge Vertraulichkeit und rechtfertigt insofern die Delegation. Gleichwohl unzulässig ist es dann aber, sofern das Gremium nicht streng nach dem Kriterium der Spiegelbildlichkeit zusammengesetzt wurde. Der mit der Entscheidungsdelegation gemäß § 3 Abs. 3 StabMechG a. F. verbundene Eingriff in den Abgeordnetenstatus und den Grundsatz der Gesamt­ repräsentation lässt sich folglich nicht rechtfertigen. Auch die Verkürzung des Öffentlichkeitsprinzips kann nur in dem Umfang gerechtfertigt werden, in dem tatsächlich zwingende Gründe des Geheimschutzes vorliegen. Entscheidung des Bundestages bezüglich vorsorglicher Maßnahmen oder Kredite zur Rekapitalisierung von Kreditinstituten müssen daher grundsätzlich unter Einbeziehung der Öffentlichkeit getroffen werden. Das gilt losgelöst davon, ob sie vom Sondergremium, dem Haushaltsausschuss oder dem Bundestagsplenum getroffen werden. Im Ergebnis kann daher sowohl die Delegation von Entscheidungsbefugnissen als auch der Ausschluss der Öffentlichkeit nur hinsichtlich des Ankaufs von Staatsanleihen am Sekundärmarkt gerechtfertigt werden. Prämisse ist dabei, dass die Grundsätze des geringstmöglichen Eingriffs eingehalten werden. In dem Umfang, in dem weitergehende Kompetenzen delegiert werden oder das Gremium bezüglich des wie nicht den Anforderungen der Erforderlichkeit genügt, ist die Delegation verfassungswidrig.

Kapitel 5

Verfassungsrechtliche Bewertung einzelner Ausschüsse Es stellt sich schließlich die Frage, wie anhand der aufgezeigten Grundsätze einzelne Bundestagsausschüsse zu bewerten sind. Im Einzelnen soll dabei nachfolgend zunächst auf den Haushaltsausschuss eingegangen werden (A.). Im Anschluss soll die Verfassungsmäßigkeit des Ausschusses zur Wahl der Bundesverfassungsrichter untersucht werden (B.). Zum Schluss soll die Verfassungsmäßigkeit des für nur kurze Zeit zu Beginn der 18. Legislaturperiode bestehenden Hauptausschusses bewertet werden (C.).

A. Haushaltsausschuss Es stellt sich die Frage, ob der Haushaltsausschuss den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Der in der gegenwärtigen Legislaturperiode 41 Mitglieder zählende Ausschuss ist zunächst einmal der Sache nach ein ständiger Fachausschuss, der als vorbereitendes Beschlussorgan in die Haushaltsgesetzgebung beratend eingebunden ist. Im Verhältnis zu den anderen Fachausschüssen kommt dem Haushaltsausschuss allerdings ein besonderes Gewicht zu, welches mit der herausgehobenen Bedeutung des Budgetrechts verbunden ist.1 Durch seine Zuständigkeit für Haushaltsfragen ist er grundsätzlich an allen Gesetzesvorhaben beteiligt, die mit größeren Auswirkungen auf den Haushalt verbunden sind, § 96 Abs. 2 GOBT.2 Es kommt ihm so ein mittelbarer Einfluss auf weite Teile der Gesetzgebung zu. Daneben sind dem Haushaltsausschuss sämtliche Haushaltsvorlagen, auch außerplanmäßige Ausgaben oder Nachtragshaushalte, vorzulegen, § 95 Abs. 1 GOBT. Insbesondere seine Mitwirkung am jährlich zu verabschiedenden Haushaltsgesetz verschafft ihm einen besonderen Kontrolleinfluss.3 Dabei führt der große Umfang des Haushaltsplans – für das Jahr 2014 3.216 Sei1  Geis, in: HStR III (3.  Auflage), § 54 Rn. 30; Borgs-Maciejewski/Drescher, Parlamentsorganisation, S. 90 f.; vgl. Kapitel 4: B. II. 1. a) bb). 2  Eickenboom, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 44 Rn. 4 f.; Geis, in: HStR III (3. Auflage), § 54 Rn. 32. 3  Vgl. Hirsch, Parlament und Verwaltung II, S. 101 f.

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Kap. 5: Verfassungsrechtliche Bewertung einzelner Ausschüsse

ten –4 zu einer gewissen Eigenständigkeit und besonderen Machtstellung des Haushaltsausschusses.5 Ein Überblick lässt sich nur mit einer akribischen Einarbeitung gewinnen, was für die am Ausschuss nicht beteiligten Abgeordneten schon aus zeitlichen Gründen kaum möglich ist. Der besonderen Rolle des Haushaltsausschusses bei der Exekutivkontrolle ist es schließlich geschuldet, dass nach dem Parlamentsbrauch die größte Oppositionsfraktion den Ausschussvorsitz übernimmt.6 Im Rahmen seiner Tätigkeit kommen dem Haushaltsausschuss auch Letztentscheidungsbefugnisse zu. Inwiefern diese Praxis verfassungskonform ist, soll nachfolgend einerseits im Hinblick auf die qualifizierten Sperrvermerke und Zustimmungsvorbehalte (I.), andererseits hinsichtlich der besonderen Befugnisse im Rahmen der europäischen Rettungsschirme EFSF und ESM (II.) untersucht werden.

I. Sperrvermerke und Zustimmungsvorbehalte Als besonderes Instrument der Kontrolle kann der Haushaltsausschuss den Haushaltsvollzug mit Hilfe sogenannter qualifizierter Sperrvermerke und Zustimmungsvorbehalte begleiten.7 Indem der Bundestag im Haushaltsgesetz einzelne Haushaltsposten mit einem qualifizierten Sperrvermerk i. S. d. § 22 Satz 3 BHO versieht, bedarf die konkrete Freigabe der Mittel abermals einer parlamentarischen Zustimmung.8 Dadurch erlangt das Parlament eine fortbestehende Kontrollmöglichkeit hinsichtlich einer ordnungsgemäßen Verwendung der bewilligten Mittel durch die Exekutive. Das Instrument der Sperrvermerke und Zustimmungsvorbehalte ermöglicht zudem eine flexi­ blere und dynamischere Haushaltsplanung. Besteht etwa bei der Haushaltsberatung grundsätzliche Einigkeit über die Bereitstellung bestimmter Mittel, fehlt aber noch eine Einigung im Detail, oder besteht noch keine Etatreife, 4  Bundeshaushaltsplan 2014, BGBl I S.  914 (924  ff.) vom 15.07.2014; vgl. Hirsch, Parlament und Verwaltung II, S. 105; Gröpl, in: BK, GG, Art. 110 Rn. 179, Fn. 795. 5  Eickenboom, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, §  44 Rn.  1; vgl. Hirsch, Parlament und Verwaltung II, S. 105, 113, 118. 6  Di Fabio, in: Der Staat 1990, 599 (614); Geis, in: HStR III (3. Auflage), § 54 Rn. 33. 7  Morlok/Hientzsch, in: JuS 2011, S. 1 (6); Geis, in: HStR III (3. Auflage), § 54 Rn. 34; Di Fabio, in: Der Staat 1990, S. 599 (614); Moeser, Die Beteiligung des Bundestages an der staatlichen Haushaltsgewalt, S. 173 f. 8  In Abgrenzung zum einfachen Sperrvermerk, § 22 Satz 1 BHO, der nach § 36 Abs. 1 BHO zur Aufhebung lediglich die Zustimmung des Bundesfinanzministers braucht, ist hier die Zustimmung des Bundestages erforderlich. Vgl. Heintzen, in: von Münch/Kunig, GG, Vorb. Art. 110–115, Rn. 9.



A. Haushaltsausschuss223

kann gleichwohl der Ausgabenposten bereits im Haushaltsplan unter einem qualifizierten Sperrvermerk oder einem Zustimmungsvorbehalt eingestellt werden. Treten schließlich die Bedingungen ein, können die Mittel freigegeben werden, ohne dass ein ganzes Jahr bis zum nächsten Haushaltsgesetz abgewartet werden muss. Daneben besteht so gerade bei langfristigen Großprojekten die Möglichkeit, haushaltsrechtliche Budgetauflagen durch sukzessive parlamentarische Zustimmungserfordernisse effektiv durchzusetzen.9 Die jeweilige Zustimmung erfolgt dabei in der Regel durch den Haushaltsausschuss.10 Diese im Haushaltsplan und Haushaltsgesetz verankerten Beschlusskompetenzen des Haushaltsausschusses sind zahlreich. Allein im Bundeshaushaltsplan 201411 sind an über 40 Stellen solche Vermerke und Vorbehalte verankert.12 Häufig bezieht sich dabei die Zustimmungsbefugnis des Haushaltsausschusses gleich auf ein ganzes Bündel von Haushaltstiteln13 oder auf abstrakte Tatbestände.14 So sieht der Zustimmungsvorbehalt in § 15 Abs. 1 des Haushaltsgesetzes 2014 etwa vor, dass neue Planstellen nur mit „Einwilligung des Haushaltsausschusses“ ausgebracht werden dürfen.15 Die potentielle Zahl erforderlicher Einzelentscheidungen liegt in Folge um ein Vielfaches höher. Gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Parlamentspraxis bestehen in der Literatur Bedenken.16 1. Verfassungsmäßigkeit Die Übertragung der Entscheidungskompetenz zur Aufhebung der qualifizierten Sperrvermerke oder über die Zustimmungsvorbehalte wird von Teilen der Literatur für verfassungswidrig gehalten. Neben den grundsätzlichen 9  Eickenboom, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, §  44 Rn.  36, vgl. Rn. 17; Heintzen, in: HStR V (3. Auflage), § 120 Rn. 75; vgl. Pünder, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 110 Rn. 104. Zur Verfassungsmäßigkeit dieser Praxis unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung siehe Wieland, in : Der Staat 1987, S.  449 (478 ff., m. w. N.). 10  Heintzen, in: HStR V (3. Auflage), § 120 Rn. 75. 11  BGBl. I S. 914, vom 15.07.2014. 12  Vgl. § 3 Abs. 6; § 3 Abs. 7; § 4 Abs. 3; § 6 Abs. 5 (2 Sperrvermerke); § 15 Abs. 1 etc.; die Zahl rührt aus einer eigenen, rasterartigen Durchsicht des Haushaltsplans und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. 13  Vgl. zu Titel 42201, Ziffer 5 auf Seite 297 des Haushaltsplans 2014. 14  Z.  B. Titelgruppe 01, Ziffer 11 und 13 auf Seite 2882 des Haushaltsplans 2014. 15  Vgl. Mussgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 371. 16  Troßmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, § 60 Rn. 5.7; Tomuschat, in: Der Staat 1980, S. 1 (14); vgl. Borgs-Maciejewski/Drescher, Parlamentsorganisation, S. 91; Mussgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S 376; Berg, in: Der Staat 1970, S. 21 (40 f.).

224

Kap. 5: Verfassungsrechtliche Bewertung einzelner Ausschüsse

Einwänden gegen die Delegation von Entscheidungsbefugnissen,17 auf die bereits zuvor umfassend eingegangen wurde,18 wird im Zusammenhang mit der Beschlussfassung über haushaltsrelevante Fragestellungen insbesondere ein Verstoß gegen Art. 110 Abs. 2 GG gesehen.19 Dieser schreibe eben ausdrücklich eine Feststellung des Haushaltsplans durch Gesetz vor. Auch die nachträgliche Freigabe von Mitteln könne nur als Nachtragshaushalt i. S. d. Art. 110 GG und damit durch den Haushaltsgesetzgeber erfolgen.20 Ausgabenbewilligungen seien demnach qua Verfassung nur durch das Plenum als ganzes möglich.21 Ferner wird die Unzulässigkeit der Entscheidungsdelegation mit einem Verstoß gegen den Wortlaut von § 22 Satz 3 BHO, § 36 Satz 3 BHO begründet, wonach die Inanspruchnahme der gesperrten Gelder einer Einwilligung des „Bundestages“ bedarf.22 Diese Argumentation überzeugt allerdings gleich aus mehreren Gründen nicht. Zunächst einmal ist festzustellen, dass sich diese Argumentation weniger gegen die Ausschussdelegation, sondern vielmehr gegen die Möglichkeit einer Aufhebung der Sperrvermerke durch Parlamentsbeschluss insgesamt richtet. Denn auch ein Plenarbeschluss ist keine Gesetzgebung i. S. d. Art. 110 Abs. 2  GG.23 In der Konsequenz müsste nach diesem Argumentationsmuster die Bewilligung der gesperrten Ausgaben wiederum im Wege eines zeitaufwendigen Gesetzgebungsverfahren erfolgen. Das wird aber schon von den Vertretern dieser Auffassung nicht gewollt und erscheint auch angesichts der Vielzahl der Haushaltssperren nicht praktikabel.24 Ungeachtet dessen überzeugt diese Argumentation im Kern nicht. Bei der Freigabe der Sperrvermerke handelt es sich gerade nicht um Haushaltsgesetzgebung i. S. d. Art. 110 Abs. 2  GG.25 Die qualifizierten Haushaltssperren sind aufschiebend bedingte Ermächtigungen, über die der Haushaltsgesetzgeber bereits im Hausu. a. Goltz, in: DÖV 1965, S. 605 (615). Kapitel 4: A. II.  19  Hillgruber, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 110 Rn. 72. 20  Wieland, in: AöR 1987, S. 449 (484). 21  Hillgruber, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 110 Rn. 71; vgl. Mahrenholz, in: AK-GG, Art. 110 Rn. 68a; Wieland, in: AöR 1987, S. 449 (482 ff.); vgl. Heintzen, in: von Münch/Kunig, GG, Vorb. Art. 110–115, Rn. 13; vgl. Kisker, in: HStR IV (2. Auflage), § 89 Rn. 56; vgl. Moeser, Die Beteiligung des Bundestages an der staatlichen Haushaltsgewalt, S. 181 f. 22  Moeser, Die Beteiligung des Bundestages an der staatlichen Haushaltsgewalt, S.  170 f.; Hölscheidt, Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestags, S. 97 f.; Tomuschat, in: Der Staat 1980, S. 1 (14); vgl. Mussgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S.  374 ff. 23  Vgl. Kisker, in: HStR IV (2. Auflage), § 89 Rn. 56. 24  Vgl. Mussgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 375; vgl. Hillgruber, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 110 Rn. 71. 25  Heintzen, in: HStR V (3. Auflage), § 120 Rn. 75. 17  Vgl.

18  Siehe



A. Haushaltsausschuss225

haltsgesetz entschieden hat.26 Ein Verbot, im Rahmen mit der gesetzlichen Feststellung des Haushaltsplans einzelne Budgetposten unter einen Parlamentsvorbehalt zu stellen, lässt sich aus dem Grundgesetz nicht herleiten. Entsprechend lässt sich dann aber auch über Art. 110 Abs. 2 GG kein grundsätzliches Verbot konstruieren, die Entscheidung über solche Parlamentsvorbehalte auf einen Bundestagsausschuss zu übertragen. Etwas Anderes folgt auch nicht aus einem vermeintlichen Verstoß gegen § 22 Satz 3 BHO. Bei der Bundeshaushaltsordnung handelt es sich um ein formelles Gesetz, das dem Haushaltsgesetz nicht übergeordnet ist. In einem Kollisionsfall gilt der lex posterior Grundsatz und die explizite Aufgabenzuweisung im Haushaltsgesetz an den Haushaltsausschuss verdrängt den § 22  BHO.27 Dies gilt vorliegend erst recht, weil die Ausschussdelegation als Ausfluss des parlamentarischen Selbstorganisationsrechts zu sehen ist. Eine gesetzliche Regelung wie § 22 BHO vermag die verfassungsrechtlich verbürgte Parlamentsautonomie nicht einzuschränken.28 Im Übrigen steht der Wortlaut des § 22 BHO einer Ausschussdelegation keineswegs entgegen. Wie bereits dargestellt, wird durch eine Aufgabenzuweisung an den Bundestag keineswegs ein Plenarvorbehalt begründet. Ein Beschluss des Deutschen Bundestages kann gleichermaßen vom Plenum wie von den Ausschüssen gefasst werden.29 Es besteht insofern auch keinerlei Bedarf, de lege ferenda die Möglichkeit einer Ausschussentscheidung in den Wortlaut des § 22 Satz 3 BHO aufzunehmen.30 2. Verhältnismäßigkeit Da auch hier die kategorischen Einwände gegen die Delegation der Entscheidungsbefugnisse nicht überzeugen, ist die Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit anhand des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu beurteilen.31 Die Eingriffe in den Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation einer26  Pünder, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 110 Rn. 105; vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 110 Rn. 8. 27  Heintzen, in: von Münch/Kunig, GG, Vorb. Art. 110–115, Rn. 14; a.  A. Hölscheidt, Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestags, S. 97; ebenso Mandelartz, Das Zusammenwirken von Parlament und Regierung beim Haushaltsvollzug, S.  304 ff. 28  Siehe Kapitel 3: B. III. und IV. 3. 29  Vgl. Kapitel 4: A. II. 2.; a. A. Moeser, Die Beteiligung des Bundestages an der staatlichen Haushaltsgewalt, S. 170 f. 30  So aber Heintzen, in: von Münch/Kunig, GG, Vorb. Art. 110–115, Rn. 14; Mahrenholz, in: AK-GG, Art. 110 Rn. 68a. 31  Siehe Kapitel 3: D. II. 2.; vgl. BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 119, 144 = BVerfGE 130, 318 (350, 359 f.).

226

Kap. 5: Verfassungsrechtliche Bewertung einzelner Ausschüsse

seits (a)), und in das Öffentlichkeitsprinzip andererseits (b)) sind dabei separat zu prüfen. a) Abgeordnetenstatus und Gesamtrepräsentation Der Eingriff in den verfassungsrechtlichen Status der Bundestagsabgeordneten sowie den Grundsatz der Gesamtrepräsentation muss einem legitimen Zweck dienen sowie zur Erreichung des Zwecks geeignet und erforderlich und angemessen sein. aa) Legitimes Ziel und Geeignetheit Als verfassungsrechtlich legitimer Zweck kommt auch hier grundsätzlich die Funktionsfähigkeit des Bundestages in Betracht. Durch die Übertragung der Zustimmungsbefugnis zur Aufhebung der qualifizierten Sperrvermerke wird das Ziel verfolgt, das Bundestagsplenum zu entlasten und so dessen Arbeitsfähigkeit zu gewährleisten.32 Ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel ist damit gegeben.33 Gerade im Hinblick auf die große Zahl der Haushaltssperren ist die Delegation der Zustimmungsbefugnis auf den Haushaltsausschuss auch grundsätzlich dazu geeignet, die Arbeitslast des Plenums zu reduzieren und somit dessen Funktionsfähigkeit zu begünstigen. bb) Erforderlichkeit Fraglich ist dagegen, ob die Delegation der Zustimmungsbefugnisse dem Grundsatz der Erforderlichkeit genügt. Das ist nur dann der Fall, wenn zur Erreichung des angestrebten Zwecks kein gleichermaßen geeignetes und milderes Mittel zur Verfügung steht. Die Erforderlichkeit muss sich auch hier sowohl auf das „ob“ der Delegation, als auch das „wie“ erstrecken.34 (1) Arbeitsentlastung Zu untersuchen ist, ob die Entscheidungsdelegation überhaupt zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundestages erforderlich ist. Anders als etwa beim EFSF-Sondergremium greifen hier besondere Gründe der Eilbe32  Hölscheidt, Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestags, S. 96; Moeser, Die Beteiligung des Bundestages an der staatlichen Haushaltsgewalt, S. 172. 33  Siehe Kapitel 2: C. III. 1. 34  Vgl. Kapitel 4: B. II. 1. b) bb).



A. Haushaltsausschuss227

dürftigkeit oder Geheimhaltung nicht. Die Funktionsfähigkeit des Bundestages muss also alleine vor dem Hintergrund einer quantitativen Arbeitsbelastung die Delegation der Entscheidungsbefugnisse erfordern. Hier stellt sich bereits die Frage, ob die Funktionsfähigkeit des Parlaments überhaupt beeinträchtigt würde, wenn es im Plenum mit der Entscheidung über die Aufhebung der qualifizierten Sperrvermerke und Zustimmungsvorbehalte befasst wäre. Um hier eine überzeugende Würdigung vornehmen zu können, ist zunächst an die Interdependenz zwischen der repräsentativen Stellung des Bundestages und derjenigen seiner Abgeordneten zu erinnern.35 Die Repräsentationsfunktion des Parlaments baut auf dem repräsentativen Status seiner Abgeordneten auf. Die Ausübung des repräsentativen und deshalb freien Mandats ist selbst wiederum mit einem erheblichen zeitlichen Aufwand verbunden.36 Das Repräsentieren erschöpft sich eben nicht in einer liberalen Honoratiorentätigkeit in der Vollversammlung. Gefordert ist auch die Mitarbeit in zumindest einem Bundestagsausschuss. Bestandteil des repräsentativen Mandats ist zudem eine Verzahnung der Abgeordneten zu den Fraktionen, Parteien, Wahlkreisen und dem Wahlvolk. Teil dieser Tätigkeit ist auch die Einbindung verschiedener gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Interessengruppen. Das freie Mandat verbürgt zudem, in gewissem Umfang die eigene berufliche Tätigkeit fortzuführen, vgl. Art. 48 Abs. 2 Satz 2 GG.37 Eine zeitliche Mehrbelastung durch zusätzliche Entscheidungen im Plenum korreliert keineswegs mit einer Stärkung der Repräsentationsfunktion des Bundestages, wenn dadurch andere Facetten des repräsentativen Mandats zurückgedrängt werden. Die Einschätzung, dass die Übertragung der zahlreichen und insofern zeitaufwändigen Zustimmungsbefugnisse im Haushaltsplan auf den Haushaltsausschuss die Funktions- und Repräsenta­ tionsfähigkeit des Bundestages stärkt, ist daher im Ergebnis nachvollziehbar. Gleichwohl könnte als milderes Mittel erwogen werden, an Stelle der Entscheidungsbefugnisse im Rahmen des Haushaltsplans andere, weniger einschneidende Aufgaben zur Entlastung des Plenums auf Ausschüsse zu übertragen. So könnten anstatt finaler Entscheidungsbefugnisse nur vorbereitende oder kontrollierende Aufgaben in noch größerem Ausmaß auf die Ausschüsse übertragen werden. Bei einer genaueren Betrachtung zeigt sich allerdings, dass der Bundestag genau nach diesem Schema verfahren ist. Er hat im Rahmen seines Selbstorganisationsrechts zunächst die vorbereitenden und kon­ trollierenden Aufgaben auf seine Ausschüsse übertragen. Die Möglichkeit zur Delegation solcher Aufgaben innerhalb der verfassungsrechtlichen Gren35  Siehe

Kapitel 2: B. III. 2. Schäfer, Der Bundestag, S. 293 f.; vgl. BVerfGE 76, 256 (342). 37  Umfassend hierzu Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 223 ff.; BVerfGE 40, 296 (318 f.); vgl. von Arnim, in: NVwZ 2006 S. 249 (250). 36  Vgl.

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Kap. 5: Verfassungsrechtliche Bewertung einzelner Ausschüsse

zen sind ausgeschöpft. Eine weitergehende Verlagerung solcher Zuständigkeiten, um Raum im Plenum für Entscheidungen zum Haushaltsplan zu schaffen, kommt daher nicht in Betracht. Als milderes Mittel könnte schließlich angedacht werden, zunächst einmal formalistische und unbedeutende Entscheidungen auf einen Ausschuss zu delegieren, um so weitere Kapazitäten im Plenum für die Entscheidungen bezüglich der qualifizierten Sperrvermerke zu schaffen. So könnte in Betracht gezogen werden, zur Entlastung des Plenums etwa die Entscheidungen über die Petitionen auf den Petitionsausschuss zu delegieren.38 Allerdings handelt es sich bei den Zustimmungsvorbehalten des Haushaltsausschusses selbst um verhältnismäßig unbedeutende Detailentscheidungen, die der Sache nach zuvor bereits vom Plenum legitimiert und determiniert wurden. Verfassungsrechtlich lässt sich kein qualitativer Unterschied in der Bedeutung zwischen der Aufhebung von qualifizierten Sperrvermerken und der Bescheidung von Bürgerpetitionen erkennen. Die Entscheidungsbefugnisse des Haushaltsausschusses entsprechen einer grundsätzlichen Tendenz, zunächst einmal kleinteilige Entscheidungen ohne Gestaltungsspielraum auf Ausschüsse zu delegieren. Gerade unter Berücksichtigung des parlamentarischen Einschätzungsspielraums im Bereich des Selbstorganisationsrechts kann die Erforderlichkeit der Entscheidungsdelegation bejaht werden.39 (2) Erforderlichkeit im Übrigen Weiterhin muss auch das wie der Entscheidungsübertragung dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs genügen. Der Sache nach kann dabei auf die Kriterien, die im Hinblick auf das EFSF-Sondergremium herausgestellt wurden, verwiesen werden.40 Der Haushaltsausschuss gehört mit 41 Mitgliedern zu den größten Bundestagsausschüssen und wird nach dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit zusammengesetzt. Die Ausschussarbeit findet in aller Regel ohne Vorgaben der Geheimhaltung statt und gestattet den am Ausschuss nicht beteiligten Abgeordneten umfangreiche Informationsansprüche. Die Ausschussentscheidungen bleiben so für die Fraktionen nachvollziehbar und transparent. Das Plenum kann ohne weiteres jederzeit seine Rückholbefugnis ausüben. Zu beachten bleibt schließlich, dass die jeweiligen Bedingungen für die Freigabe der Haushaltsmittel in den Sperrvermerken hinreichend bestimmt sein müssen.41 38  Vgl.

Kapitel 4: A. II. 1. c) ee). Kapitel 1: C. IV. 40  Siehe Kapitel 4: B. II. 1. b) bb). 41  Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 110 Rn. 91. 39  Siehe



A. Haushaltsausschuss229

Auch davon kann bei dem gegenwärtigen Haushaltsplan ohne weiteres ausgegangen werden. Die Übertragung der Zustimmungsbefugnisse genügt daher im Ergebnis dem Grundsatz der Erforderlichkeit. cc) Angemessenheit Schließlich muss der Eingriff in den Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation verhältnismäßig im engeren Sinne sein. Abgeordnetenstatus, Gesamtrepräsentation und die Funktionsfähigkeit des Bundestages sind mit Blick auf das Repräsentationsprinzip in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Einerseits ist hier die besondere Eingriffsintensität zu berücksichtigen, die prinzipiell mit der Delegation von Letztentscheidungsbefugnissen verbunden ist.42 Den am Ausschuss nicht beteiligten Abgeordneten wird das zentrale Stimmrecht entzogen. Die Entscheidung über die Mittelfreigabe, und damit oftmals über die Realisierbarkeit bestimmter Regierungsvorhaben, wird abschließend von den Abgeordneten im Haushaltsausschuss getroffen. Ohne die Befassung sämtlicher Abgeordneter im Plenum sind die Ausschussmitglieder nicht auf das zustimmende Votum ihrer Fraktionskollegen angewiesen. Die Mediatisierung sämtlicher Abgeordneter durch die Fraktionen und die zuvor beschriebene „Inklusionsdynamik“ geht so hinsichtlich der delegierten Materien zu erheblichen Teilen verloren.43 Andererseits handelt es sich bei den Ausschussentscheidungen um einen letzten Teilabschnitt der Mittelfreigabe, die zuvor durch das Plenum determiniert und weitestgehend vorgezeichnet wurde.44 Die Ausschussentscheidung beschränkt sich auf eine Überprüfung, ob die zuvor vom Plenum aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sind. Inhaltlich neue Fragestellung werden gar nicht erst aufgeworfen. Die Höhe der zur Entscheidung stehenden Mittel wird vom Plenum abschließend festgesetzt und kann vom Ausschuss weder erhöht noch reduziert werden. Die haushaltspolitische Verantwortung wird dadurch vom gesamten Bundestag getragen.45 Die vorgeschaltete Legitimation durch die Gesamtheit der Bundestagsabgeordneten beim Erlass des Haushaltsplans wirkt so bei den konkreten Entscheidungen des Haushaltsaus42  Vgl.

Kapitel 4: B. II. 1. a) aa). Kapitel 3: D. III. 1. a) aa). 44  Mandelartz, Das Zusammenwirken von Parlament und Regierung beim Haushaltsvollzug, S.  299 ff.; Gröpl, in: BK, GG, Art. 110 Rn. 74; vgl. BVerfG, 2 BvR 987/10 (u. a.) vom 07.09.2011, Rn. 139 = BVerfGE 129, 124 (185). 45  Vgl. BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 112 f. = BVerfGE 130, 318 (346 f.); vgl. BVerfG, 2 BvE 6/12 (u. a.) vom 12.09.2012, Rn. 190 = BVerfGE 132, 195 (Rn. 190); Kube, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 110 Rn. 79; vgl. Kapitel 4: B. II. 1. b) cc). 43  Vgl.

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Kap. 5: Verfassungsrechtliche Bewertung einzelner Ausschüsse

schusses fort. Da das Haushaltsgesetz zudem jährlich neu erlassen wird, sind den hier delegierten Entscheidungsbefugnissen zeitlich enge Grenzen gesetzt. In Jahresintervallen kann das Plenum die Zweckmäßigkeit solcher Zustimmungsvorbehalte überprüfen, die Konditionen anpassen oder sie gänzlich aus dem Haushaltsplan entfernen. Im Übrigen wird die Eingriffsintensität auch dadurch entschärft, dass es den Abgeordneten unbenommen bleibt, den Ausschusssitzungen als Zuhörer beizuwohnen, § 69 Abs. 2 GOBT, ihre parlamentarischen Informationsrechte auszuüben und bei Bedarf die Angelegenheit zurück ins Plenum zu verlagern. Für sich genommen erweist sich damit die Delegation der Entscheidungsbefugnisse im Haushaltsplan und Haushaltsgesetz als angemessen und damit verfassungskonform. b) Öffentlichkeitsprinzip Problematisch erscheint allerdings die Frage, ob auch der mit der Ausschussentscheidung verbundene Eingriff in das allgemeine Öffentlichkeitsprinzip gerechtfertigt ist. Der Haushaltsausschuss berät nicht nur hinter verschlossenen Türen, sondern fasst auch seine Beschlüsse unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Anders als bei der Arbeit normaler Fachausschüsse findet hier keine öffentliche Lesung oder Schlussabstimmung im Plenum statt. Der Eingriff in das Öffentlichkeitsprinzip ist insofern erheblich weitreichender. In Abgrenzung zu geheim beratenden Gremien wird der Eingriff allerdings insofern abgemildert, als dass die Arbeit im Haushaltsausschuss zumindest ­einer mittelbaren Berichterstattungsöffentlichkeit unterliegt.46 Außerdem bleibt es den einzelnen Abgeordneten unbenommen, über die Beratungen und Beschlussfassungen im Ausschuss öffentlich zu berichten oder sie im Plenum zu thematisieren. Es besteht insofern ein wesentlich höheres Maß an Transparenz als bei vertraulich beschließenden Gremien wie etwa dem Richterwahlausschuss oder dem EFSF-Sondergremium. Gleichwohl bedarf die Verkürzung der Öffentlichkeit einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Das ist vorliegend noch nicht einmal ansatzweise ersichtlich. Es ist schon kein verfassungsrechtlich legitimer Zweck erkennbar, zu dessen Gunsten die Öffentlichkeit eingeschränkt wird. Eine Arbeitsentlastung des Plenums zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundestages stellt einen legitimen Zweck nur für die Ausschussdelegation selbst und damit für den Eingriff in den Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation dar. Eine Arbeitsentlastung kann aber keinen schlüssigen Grund zum Ausschluss der Öffentlichkeit darstellen. Auch das Ermöglichen einer schnelleren und effizienteren Kompromissfindung und damit die Sicherung der 46  Siehe

Kapitel 3: D. III. 2. b).



A. Haushaltsausschuss231

Funktionsfähigkeit des Parlaments vermag nur die Nichtöffentlichkeit des vorgelagerten Beratungsprozesses zu legitimieren.47 Die Schlussabstimmung selbst unter Ausschluss der Öffentlichkeit lässt sich dadurch nicht erklären. Zwingende Gründe des Staatswohls, die eine Vertraulichkeit oder Geheimhaltung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Es fehlt insofern bereits an einem verfassungsrechtlich legitimen Zweck. Die Nichtöffentlichkeit der Schlussabstimmung im Haushaltsausschuss ist daher verfassungswidrig.48 3. Ergebnis Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der mit der Entscheidungsdelegation verbundene Eingriff in den Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation verfassungsgemäß ist. Die mit der Arbeitsentlastung verbundenen Vorteile für die Funktionsfähigkeit des Bundestages überwiegen die Nachteile, die mit der Beeinträchtigung des Abgeordnetenstatus und der Gesamtrepräsentation verbunden sind. Verfassungswidrig ist allerdings der Umstand, dass der Haushaltsausschuss seine Entscheidungsbefugnisse hinter verschlossenen Türen wahrnimmt. Ein verfassungsrechtlich fundierter Grund zum Ausschluss der Öffentlichkeit ist nicht ersichtlich. Es ist insofern verfassungsrechtlich geboten, dass der Bundestag künftig in aller Öffentlichkeit über die qualifizierten Sperrvermerke und die Zustimmungsvorbehalte entscheidet. Die Möglichkeit, diese Entscheidung durch nichtöffentliche Beratungen vorzubereiten, bleibt freilich davon unberührt.

II. Befugnisse nach § 4 Abs. 2 StabMechG n. F. und § 5 Abs. 2  ESMFinG Besondere Entscheidungsbefugnisse kommen dem Haushaltsausschuss ferner im Rahmen der Euro-Rettungsprogramme, namentliche der EFSF und des ESM zu. So ist es gemäß § 4 Abs. 2 StabMechG n. F. dem Haushaltsausschuss vorbehalten, möglichen Änderungen der Leitlinien des EFSF-Direktoriums zuzustimmen. Dabei wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das nicht für Fälle im Anwendungsbereich von § 3 Abs. 2 Nr. 5 StabMechG n. F. 47  Vgl.

Kapitel 3: D. III. 2. c) bb). Ergebnis ebenso Linck, in: ZParl 1992, S. 673 (681); Linck, in: DÖV 1973, S. 513 (518); Achterberg, Parlamentsrecht, S. 572; Hölscheidt, Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags, S. 95; Mandelartz, Das Zusammenwirken von Parlament und Regierung beim Haushaltsvollzusg, S. 302; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 45 Rn. 11; vgl. Magiera, in: Sachs, GG, Art. 45 Rn. 8; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 45 Rn. 2. 48  Im

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Kap. 5: Verfassungsrechtliche Bewertung einzelner Ausschüsse

gilt. „Wesentliche“ Änderungen der Leitlinien bedürfen danach grundsätzlich der Zustimmung des Bundestagsplenums. Erheblich weitreichender sind die Zustimmungsbefugnisse des Haushaltsausschusses bei der Beteiligung am ESM gemäß § 5 Abs. 2 ESMFinG. So entscheidet der Haushaltsausschuss unter anderem über „die Bereitstellung zusätzlicher Instrumente (…) oder wesentliche Änderungen der Bedingungen der Finanzhilfefazilität“, § 5 Abs. 2 Nr. 1 ESMFinG. Ferner bleibt es dem Haushaltsausschuss nach dieser Norm vorbehalten, dem Abruf noch nicht einbezahlten Kapitals zuzustimmen. Auch „wesentliche Änderungen der Regelungen und Bedingungen“ für solche Kapitalabrufe bedürfen nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 ESMFinG nur der Zustimmung des Haushaltsausschusses. Schließlich erstreckt sich die Zustimmungsbefugnis des Haushaltsausschusses auf die „Annahme oder wesentliche Änderung der Leitlinien für die Durchführungsmodalitäten“ sämtlicher Handlungsinstrumente des ESM, § 5 Abs. 2 Nr. 3 ESMFinG. Zu den jeweiligen Beratungen und Entscheidungen des Haushaltsausschusses hat die allgemeine Öffentlichkeit grundsätzlich keinen Zugang. Inwiefern die Maßnahmen verfassungskonform sind, ist nachfolgend zu untersuchen. Dabei ist auch hier der Eingriff in den Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation einerseits und der in das allgemeine Öffentlichkeitsprinzip andererseits zu prüfen. 1. Abgeordnetenstatus und Gesamtrepräsentation Es stellt sich die Frage, ob der mit der Delegation verbundene Eingriff in den Status der Abgeordneten und den Grundsatz der Gesamtrepräsentation einer Verhältnismäßigkeitsprüfung Stand hält. a) Legitimes Ziel und Geeignetheit Als verfassungsrechtlich legitimes Ziel kommt auch vorliegend alleine eine Entlastung des Plenums zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundestages in Betracht. Besondere Gründe der Geheimhaltung oder Eilbedürftigkeit sind für die Delegation der Beschlusskompetenzen auf den Haushaltsausschuss nicht ersichtlich. Für den Fall, dass besondere Gründe der Vertraulichkeit vorliegen, wird gesondert die Zuständigkeit des EFSF-Sondergremiums gemäß § 3 Abs. 3 StabMechG n. F. und des ESM-Sondergremiums gemäß § 6 Abs. 1 ESMFinG begründet. Als verfassungsrechtlich legitimier Zweck verbleibt mithin die Entlastung des Bundestages zur Sicherung seiner Funktionsfähigkeit. Der Sache nach ist die Übertragung von Entscheidungskompetenzen auch dazu geeignet, das Plenum zu entlasten und so die Funktionsfähigkeit des Bundestages zu gewährleisten.



A. Haushaltsausschuss233

b) Erforderlichkeit Weiterhin müsste die Delegation der Entscheidungsbefugnisse gemäß § 4 Abs. 2 StabMechG n. F. und § 5 Abs. 2 ESMFinG zur Entlastung des Plenums und damit zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundestages erforderlich sein. Ob dabei überhaupt eine die Funktionsfähigkeit des Plenums beeinträchtigende Arbeitsüberlastung drohte, wenn die entsprechenden Entscheidungsbefugnisse vom Plenum wahrgenommen würden, könnte bezweifelt werden. So hat sich gezeigt, dass die Leitlinien von EFSF und ESM von einer ausgesprochenen Kontinuität und Beständigkeit sind. Änderungen und insbesondere wesentliche Änderungen gehören nicht zum politischen Tagesgeschäft, sondern sind der seltene Ausnahmefall. So sind die Leitlinien der EFSF seit ihrer Annahme durch den Haushaltsausschuss im Spätherbst 2011 unverändert geblieben.49 Allerdings ist an dieser Stelle anzumerken, dass sich aus der Anzahl delegierter Entscheidungen keine Rückschlüsse auf die Erforderlichkeit der Entscheidungsdelegation ziehen lassen. Denn auch die Übertragung vereinzelter Entscheidungen trägt zur Entlastung des Plenums bei und kann sich so im Ergebnis positiv auf das repräsentative Mandat der Abgeordneten auswirken. Dabei korreliert eine geringe Zahl übertragener Entscheidungen prinzipiell mit einer relativ geringen Eingriffsintensität. Wird dagegen eine große Zahl an Entscheidungsbefugnissen übertragen, ist zwar der Entlastungseffekt stärker, zugleich nimmt aber auch die Intensität des Eingriffs in den Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation zu. Die Erforderlichkeit einer Delegation kann insofern nicht deshalb entfallen, weil davon rein praktisch zu wenige Beschlussfassungen betroffen sind. Der Gedanke des geringstmöglichen Eingriffs würde sonst ad absurdum geführt, wenn eine kleinere Zahl delegierter Entscheidungsbefugnisse zum Wegfall der Erforderlichkeit führte. Mit Hinblick auf den parlamentarischen Ermessensspielraum kann bezüglich des ob von der Erforderlichkeit einer Aufgabenübertragung ausgegangen werden. Hinsichtlich des wie der Delegation könnten unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit Bedenken vorgebracht werden. Weder das StabMechG noch das ESMFinG ziehen inhaltliche Grenzen für die Änderungsbefugnis der Leitlinien. Von einer Vorbestimmung oder Determination durch das Plenum kann insofern keine Rede sein. Jedoch ist in diesem Zusammenhang zu be49  Vgl. die aktuell gültigen Guidelines vom 21.07.2011 bzw. 29.11.2011, abrufbar unter http://www.efsf.europa.eu/about/legal-documents/index.htm (zuletzt abgerufen am 12.10.2015).

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Kap. 5: Verfassungsrechtliche Bewertung einzelner Ausschüsse

achten, dass sowohl der ESM als auch die EFSF von den Vertragsstaaten bewusst als offene Rahmenvereinbarungen konzipiert wurden, um so „eine Fülle von Entwicklungsmöglichkeiten sowie Raum für Konkretisierungen“ zu ermöglichen.50 Das war gerade zu Beginn der in ihrem Verlauf weitestgehend unvorhersehbaren Eurokrise von großem Vorteil, da so ein flexibler Einsatz der Rettungsschirme ermöglicht wurde. Dieses Ziel würde durch eine weitgehende Beschränkung und Festlegung der Zustimmungsbefugnisse des Haushaltsausschusses durch den nationalen Gesetzgeber konterkariert. Der mit der Delegation verbundene Eingriff wäre dann zwar weniger intensiv, zugleich wäre die Aufgabenübertragung aber für die Entscheidungsfähigkeit des Bundestages auch nicht gleichermaßen geeignet. § 4 Abs. 2 StabMechG und § 5 Abs. 2 ESMFinG genügen mithin auch mit Hinblick auf ihre Bestimmtheit dem Grundsatz der Erforderlichkeit. c) Angemessenheit Schließlich bleibt zu prüfen, ob die Delegationen auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne genügen. Die Intensität des Eingriffs in den Status der Abgeordneten und den Grundsatz der Gesamtrepräsentation ist dem Zugewinn für die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Bundestages gegenüber zu stellen. Dabei muss die Abwägung der verschiedenen Verfassungsgüter mit Hinblick auf ihre Bedeutung für das übergeordnete Repräsentationsprinzip erfolgen. Insofern ist zunächst zu würdigen, dass die Zahl der tatsächlich auf den Haushaltsausschuss delegierten Entscheidungen ausgesprochen gering ist. Eine großflächige Arbeitsentlastung ist, im Gegensatz etwa zu den im Haushaltsplan verankerten Entscheidungsbefugnissen, mit der Delegation der Entscheidungen im Zusammenhang mit der EFSF und dem ESM nicht verbunden. Der Zugewinn für die Arbeitsfähigkeit des Bundestages ist daher relativ gering. Zugleich ist hinsichtlich der Quantität der delegierten Beschlussfassungen der Eingriff in den Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation relativ gering. Es geht eben nur um wenige, punktuelle Entscheidungen. Allerdings kommt der Entscheidung gerade zu den Leitlinien für die einzelnen Hilfsinstrumente sowohl der EFSF als auch des ESM51 eine erhebliche qualitative Bedeutung zu. Durch sie werden die abstrakten Befugnisse der EFSF und des ESM im Wesentlichen konkretisiert. Wann und unter welchen Bedingun50  BVerfG, 2 BvE 6/12 (u.  a.) vom 12.09.2012, Rn. 194 = BVerfGE 132, 195 (Rn. 194). 51  Die einzelnen Guidelines sind im Internet unter http://www.esm.europa.eu/ about/legal-documents/index.htm einsehbar (zuletzt abgerufen am 19.07.2015).



A. Haushaltsausschuss235

gen die Rettungsschirme von ihren Handlungsinstrumenten Gebrauch machen, wird in den zugehörigen Leitlinien („Guidelines“) bestimmt.52 Bezeichnend ist insofern die vorangestellte Formulierung in der „EFSF Guideline on interventions in the secondary market“ vom 29.11.2011: „This guideline outlines the main approach which could trigger the decision to intervene in the secondary bond market of a country. The main operational aspects of the organisation and of the funding strategy are also described.“ Entsprechende Formulierungen finden sich auch in den anderen Leitlinien. Diese Gestaltungsmacht der Leitlinien ist wiederum auf die bewusst offene und weite Konzeption der EFSF und ESM Rahmenvereinbarungen zurückzuführen. Die Reichweite zeigt sich bei einer Gegenüberstellung der im ESMV formulierten Hilfsinstrumente und den zugehörigen Leitlinien. So enthält die „Guideline on Loans“, welche im Detail eine Darlehensvergabe nach Art. 16 ESMV regelt, die Möglichkeit, Kredite auf mehrere Tranchen aufzusplitten und Vorgaben für ein strenges Monitoring des Empfängerstaates. Beides ist in Art. 16 ESMV nicht normiert. Die große politische Bedeutung der Frage, ob eine Kreditvergabe mit einem strengen Monitoring verbunden ist und ob die Auszahlung in Tranchen erfolgt, liegt auf der Hand. Exemplarisch kann auch auf die Gedankenspiele im Bundestag verwiesen werden, die EFSF-Mittel durch eine schlichte Änderung der Leitlinien zu hebeln und damit die finanzielle Schlagkraft der Fazilität zu vervielfachen. In der Plenardebatte am 21.10.2011 zu einem Antrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen53 konstatierte der Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Opperman, treffend: „Die Leitlinien sind jetzt der Ort, wo aus den Milliarden, die wir hier [im Plenum] beschlossen haben, plötzlich Billionen werden.“54 Auch wenn es zu keiner Hebelung des EFSF Kapitals über eine Änderung der Leitlinien kam, zeigt es doch den potentiell enormen Einfluss, der mit der Gestaltung der Leitlinien verbunden ist. Entsprechend ist die Delegation der Zustimmungsbefugnis zu den Leitlinien auf den Haushaltsausschuss mit einer erheblichen Eingriffsintensität verbunden. Daraus folgt im Ergebnis, dass § 5 Abs. 2 ESMFinG insofern verfassungswidrig ist, als dass die Zustimmungsbefugnis über „wesentliche“ Änderungen der Leitlinien der einzelnen Finanzhilfeinstrumente des ESM auf den Haushaltsausschuss delegiert wird. Grundsätzlich ist der Bundestag dazu 52  Vgl. BVerfG, 2 BvE 6/12 (u. a.) vom 12.09.212, Rn. 194 = BVerfGE 132, 195 (Rn. 194); vgl. BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 63 = BVerfGE 130, 318 (328 f.). 53  BT-Drs. 17/7410 vom 20.10.2011. 54  Bundestags Textarchiv, Eintrag vom 18.10.2011, „Debattentext am Freitag, 21. Oktober: Euro Stabilisierung“, http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/ 2011/36203636_kw42_de_euro_stabilisierung/206592 (zuletzt abgerufen am 19.07. 2015).

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Kap. 5: Verfassungsrechtliche Bewertung einzelner Ausschüsse

gehalten, bei tendenziell generell gehaltenen Ausgabenermächtigungen wie im Rahmen der EFSF und des ESM im Wege einer späteren Plenarbeteiligung über die wesentlichen Kriterien der späteren Mittelvergabe selbst zu entscheiden.55 Die Übertragung solcher Entscheidungsbefugnisse auf den Haushaltsausschuss bedürfte zur Rechtfertigung besonders gewichtiger Gründe. Solche Gründe liegen hier aber nicht vor. Weder eine besondere Eilbedürftigkeit, noch Vertraulichkeit oder sonstige zwingende Gründe des Staatswohls sprechen für die Entscheidungsdelegation. Eine nennenswerte Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit des Bundestages durch eine Beschlussfassung zumindest über die wesentlichen Änderungen der Leitlinien ist nicht zu befürchten. Zugleich wird aber durch den Entzug des Stimmrechts in den Status der am Haushaltsausschuss nicht beteiligten Abgeordneten sowie in den Grundsatz der Gesamtrepräsentation erheblich eingegriffen. Die Repräsentationsfähigkeit des Bundestages insgesamt wird folglich durch die Ausschussdelegation beeinträchtigt und nicht gestärkt. Die Delegation der Zustimmungsbefugnis zu wesentlichen Änderungen der Leitlinien des ESM ist daher unverhältnismäßig und somit verfassungswidrig.56 Die Verfassungsmäßigkeit von § 5 Abs. 2 ESMFinG lässt sich auch nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung erreichen. Der Wortlaut der Norm überträgt ausdrücklich und abschließend die Zustimmungsbefugnis zu wesentlichen Änderungen der Leitlinien auf den Haushaltsausschuss. Die Verfassungsmäßigkeit ließe sich daher nur im Wege einer unzulässigen contra legem Auslegung erreichen. Entsprechend dieser Ausführungen war auch § 4 Abs. 2 StabMechG a. F.57 verfassungswidrig, der vergleichbar wie § 5 Abs. 2 ESMFinG die Zustimmungsbefugnis über „die Annahme oder Änderung der Leitlinien des Direktoriums der“ EFSF sowie die „Entscheidung über den Einsatz weiterer Instrumente“ übertragen hat. Die gegenwärtige Geltung der Leitlinien des EFSF ist insofern allein auf einen Beschluss des Haushaltsausschusses zurückzuführen.58 Das widerspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Begrüßenswert ist es daher, dass der Gesetzgeber, ohne hierzu konkret vom Bundesverfassungsgericht veranlasst worden zu sein, die Zustimmungsbefugnisse des Haushaltsausschusses hinsichtlich der EFSF erheblich eingeschränkt hat. 55  Vgl. BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 109, 112 = BVerfGE 130, 318 (344 f.; 346 f.); BVerfG, 2 BvR 987/10 (u. a.) vom 07.09.2011, Leitsatz 2, Rn. 127 f. = BVerfGE 129, 124 (124, 179 f.); BVerfG, 2 BvE 6/12 (u. a.) vom 12.09.2012, Rn. 190 = BVerfGE 132, 195 (Rn. 190); vgl. BVerfG, 2 BvE 6/12 (u. a.) vom 18.03.2014, Rn. 217, 224 ff. = BVerfGE 135, 317 (Rn. 217, 224 ff.); vgl. Kapitel 4: B. II. 1. a) bb). 56  Vgl. BVerfG, 2 BvE 6/12 (u. a.) vom 12.09.2012, Rn. 193 ff. = BVerfGE 132, 195 (Rn.  193 ff.). 57  In der Fassung vom 09.10.2011, BGBl I 2011, S. 1992 ff. 58  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 63 = BVerfGE 130, 318 (328).



A. Haushaltsausschuss237

Offenkundig hatte der Bundestag selbst Bedenken angesichts der weitreichenden Beschlusskompetenz des Haushaltsausschusses. Der insofern reformierte § 4 Abs. 2 StabMechG n. F. entspricht daher den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Der Haushaltsausschuss entscheidet danach nur in den Fällen, in denen nicht das Plenum gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 5 StabMechG n. F. beschließen muss. Eine Plenarbefassungspflicht gilt danach bei „der Annahme oder einer wesentlichen Änderung der Leitlinien des Direktoriums“ der EFSF. Die Entscheidung des Plenums ist ferner bei einer Änderung der Instrumente der EFSF zwingend, § 3 Abs. 2 Nr. 2  StabMechG n. F. Die Maßnahmen, die im ESMFinG explizit dem Haushaltsausschuss übertragen werden, werden gleichermaßen explizit im StabMechG n. F. dem Bundestagsplenum vorbehalten. Der Haushaltsausschuss entscheidet hier mittlerweile nur noch bei unbedeutenden Änderungen der Leitlinien. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen in diesem Fall nicht. Der mit der Delegation verbundene Zugewinn für die Funktionsfähigkeit des Parlaments hält dann dem Eingriff in den Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation die Waage. Die Aufgabenübertragung nach § 4 Abs. 2 StabMechG n. F. ist mithin verfassungskonform. 2. Öffentlichkeit Schließlich erweist sich auch hier die Praxis, dass der Haushaltsausschuss seine Beschlüsse unter Ausschluss der Öffentlichkeit trifft, als verfassungswidrig. Als verfassungsrechtlich legitimer Zweck käme alleine eine effizientere Entscheidungsfindung zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundestages in Betracht.59 Allerdings vermag die Funktionsfähigkeit des Bundestages die Nichtöffentlichkeit nur für den Prozess der Kompromisssuche im Vorfeld der Entscheidung zu rechtfertigen. Eine öffentliche und transparente Darstellung eines gefundenen Kompromisses beeinträchtigt die Entscheidungsfähigkeit des Bundestages nicht. Sonstige verfassungsrechtlich tragfähige Gründe zur Einschränkung der Öffentlichkeit, insbesondere Erfordernisse der Geheimhaltung, bestehen nicht. Es kann hier grundsätzlich auf die Ausführungen zur Nichtöffentlichkeit der Ausschussentscheidungen über die qualifizierten Sperrvermerke und Zustimmungsvorbehalte im Haushaltsplan verwiesen werden.60 Die Nichtöffentlichkeit der Beschlussfassung im Ausschuss ist folglich verfassungswidrig.

59  Vgl. BVerfG, 2 BvE 6/12 (u. a.) vom 18.03.2014, Rn. 111 = BVerfGE 135, 317 (Rn. 111). 60  Siehe Kapitel 5: B. I. 2. b).

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Kap. 5: Verfassungsrechtliche Bewertung einzelner Ausschüsse

3. Ergebnis Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass mit der Delegation der Zustimmungsbefugnis auf den Haushaltsausschuss gemäß § 5 Abs. 2 ESMFinG, insbesondere bezüglich wesentlicher Änderungen der Leitlinien des ESM, eine verfassungswidrige Verkürzung des Abgeordnetenstatus und der Gesamt­ repräsentation verbunden ist. Der erheblichen Verkürzung der Gesamtrepräsentation und des Abgeordnetenstatus stehen keine gleichwertigen, an der Funktionsfähigkeit des Bundestages orientierten Gründe gegenüber. Die Übertragung der Entscheidungen nach § 4 Abs. 2 StabMechG n. F. kann dagegen durch Gründe der Funktionsfähigkeit des Bundestages gerechtfertigt werden, weil wesentliche Befugnisse nach § 3 Abs. 2 Nr. 5 StabMechG n. F. gezielt von der Delegation ausgeschlossen werden. Der Eingriff in den Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation wird so durch den Zugewinn für die Funktionsfähigkeit des Bundestages aufgewogen. Dass der Haushaltsausschuss in der Praxis seine Beschlusskompetenzen sowohl nach § 4 Abs. 2 StabMechG n. F. als auch nach § 5 Abs. 2 ESMFinG unter Ausschluss der Öffentlichkeit wahrnimmt, ist in beiden Fällen verfassungswidrig. Ein verfassungsrechtlich legitimer Zweck zur Einschränkung des allgemeinen Öffentlichkeitsprinzips ist nicht ersichtlich.

B. Richterwahlausschuss Es stellt sich weiterhin die Frage, ob der Richterwahlausschuss gemäß § 6 Abs. 2 BVerfGG in der bis zum 30.06.2015 wirksamen Fassung verfassungskonform war. Die nach Art. 94 Abs. 1 Satz 2 GG „je zur Hälfte vom Bundestage“ zu wählenden Verfassungsrichter wurden nach § 6 Abs. 1 BVerfGG a. F. in indirekter Wahl gewählt. Die Richter wurden von einem aus 12 Abgeordneten bestehenden Bundestagsausschuss gewählt, § 6 Abs. 2 und Abs. 3 BVerfGG a. F. Um gewählt zu werden, bedurften die Richter nach § 6 Abs. 5 BVerfGG  a. F. mindestens 8 Stimmen, also einer 2 / 3 Mehrheit. Die Ausschussmitglieder waren hinsichtlich ihrer Beratungen und der Wahl zur Verschwiegenheit verpflichtet, § 6 Abs. 4 BVerfGG a. F.61 Zwar werden seit der Gesetzesänderung vom 24.06.2015 die Bundesverfassungsrichter durch den Bundestag auf Vorschlag des Wahlausschusses gewählt, § 6 Abs. 1 BVerfGG n. F.62 Der Wahlausschuss verfügt mithin gar nicht mehr über eine Entscheidungskompetenz im Sinne der vorliegenden 61  Lenz/Hansel, 62  BGBl.  I,

18/2737.

BVerfGG, § 6 Rn. 2. 2015, S.  973; vgl. Gesetzesvorschlag vom 07.10.2014, BT-Drs.



B. Richterwahlausschuss239

Arbeit. Gleichwohl ist eine Untersuchung des vormals entscheidenden Richterwahlausschusses in seiner bis zum 30.06.2015 bestehenden Form sowohl aus dogmatischer als auch aus verfassungsgeschichtlicher Sicht von größtem Interesse. Denn seit dem Inkrafttreten von § 6 Abs. 2 BVerfGG a. F.63 im Jahr 1951 ist die Verfassungsmäßigkeit des Richterwahlausschusses heftig umstritten.64 Das Bundesverfassungsgericht hat erst in seinem Urteil vom 19.06.2012 hierzu klar Stellung bezogen und den Wahlausschuss für verfassungskonform erachtet.65 Eine eingehende, dogmatische Begründung fehlt in dem Urteil allerdings. Besonders bemerkenswert ist das insbesondere deshalb, weil Andreas Voßkuhle als Präsident des Bundesverfassungsgerichts und vorsitzender Richter des entscheidenden 2. Senats sich bereits Jahre zuvor unmissverständlich gegen die Verfassungsmäßigkeit des Wahlmodus positioniert hatte.66 Die Kritik erheblicher Teile der Literatur an der Wahlpraxis ist auch in Folge der Verfassungsgerichtsentscheidung nicht verstummt und hatte sich zuletzt wieder verstärkt.67 Ein erheblicher Teil der Literatur hegt große Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des ehemaligen indirekten Wahlmodus.68 Nachfolgend soll zunächst untersucht werden, inwiefern grundsätzliche verfassungsrechtliche Erwägungen für oder gegen die Möglichkeit der Delegation der Richterwahl auf einen Ausschuss sprechen. (I.). Anschließend soll die Verfassungsmäßigkeit des Richterwahlausschusses anhand einer Verhältnismäßigkeitsprüfung untersucht werden (II.). Schließlich soll eine kurze Bewertung der aktuellen Gesetzesfassung erfolgen (III.).

I. Verfassungsmäßigkeit Es stellt sich zunächst die Frage, inwiefern grundsätzliche Argumente für oder gegen die Verfassungsmäßigkeit des Richterwahlausschusses in seiner bis zum 30.06.2015 gültigen Fassung sprechen. Sowohl die Befürworter als auch die Gegner des Wahlgremiums argumentieren hier mit dem Wortlaut 63  BGBl. I,

1951, S. 243 ff. in: Der Staat 1968, S. 183 (189 ff.). 65  BVerfG, 2 BvC 2/10 vom 19.06.2012 = BVerfGE 131, 230 ff. 66  Voßkuhle, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 94 Rn. 10; vgl. Wiefelspütz, in: DÖV 2012, S. 961 (962). 67  Ruppert, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, § 6 Rn. 4  ff.; Wiefelspütz, in: DÖV 2012, S. 961 ff.; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 94 Rn. 1; vgl. Schnelle, in: NVwZ 2012, S. 1597 ff.; vgl. Handelsblatt, „Lammert will Verfassungsrichterwahl ändern“ veröffentlicht am 14.07.2012 auf www.handelsblatt.com, http:// www.handelsblatt.com/politik/deutschland/bundesverfassungsgericht-lammert-willverfassungsrichter-wahl-aendern/6879086.html (zuletzt abgerufen am 10.10.2015). 68  Vgl. enumarativ Wiefelspütz, in: DÖV 2012, S. 961 (963). 64  Kreuzer,

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Kap. 5: Verfassungsrechtliche Bewertung einzelner Ausschüsse

und der Systematik des Grundgesetzes, insbesondere von Art. 94 GG. Dar­ über hinaus werden die allgemeinen Argumente, die grundsätzlich für oder gegen Entscheidungsdelegationen sprechen, vorgetragen. 1. Richterwahlausschuss grundsätzlich unzulässig? Die Übertragung der Wahl der Bundesverfassungsrichter auf einen Bundestagsausschuss wird von einer starken Meinung in der Literatur bereits aus grundsätzlichen Erwägungen heraus für unzulässig erachtet. Eine Auseinandersetzung mit den Argumenten, die auch ganz allgemein gegen die Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen vorgebracht werden, muss an dieser Stelle nicht mehr erfolgen.69 Spezifisch gegen die Delegation der Richterwahl wird einerseits der Wortlaut von Art. 94 GG vorgebracht (a)), andererseits wird mit der großen Macht des Verfassungsgerichts und dem daraus folgenden hohen Legitimationsbedürfnis argumentiert (b)). a) Wortlaut des Grundgesetzes Gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 6 BVerfGG a. F. wird vielfach der Wortlaut des Grundgesetzes angeführt.70 Die Richter seien gemäß Art. 94 Abs. 1 Satz 2 GG vom Bundestag zu wählen, womit grundsätzlich das Plenum als Ganzes gemeint sei. Eine mittelbare Wahl sei in Folge verfassungsrechtlich ausgeschlossen. Diese Schlussfolgerung überzeugt allerdings im Ergebnis nicht.71 Mit dem Bundestag wird ganz allgemein die Zuständigkeit des Parlaments begründet, ohne damit eine Differenzierung zwischen Plenum und Ausschüssen vorzunehmen. Art. 94 GG stellt also die Verfassungsorgane Bundestag und Bundesrat gegenüber, ohne dabei eine exklusive Plenarzuständigkeit zu begründen.72 Zwar wird auch hier aufgrund des Repräsentationsprinzips die Zuständigkeit des Plenums indiziert, ein Delega­ tionsverbot lässt sich allerdings daraus nicht herleiten. Für ein verfassungsrechtliches Verbot der Übertragung der Wahlentscheidung auf einen Ausschuss wird ferner die Systematik der Art. 94 GG und Art. 95 GG vorgebracht. Die Richter der obersten Bundesgerichte werden von 69  Siehe

hierzu unter Kapitel 4: A. II. in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 94 Rn. 10; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 94 Rn. 14; Kreuzer, in: Der Staat 1968, S. 183 (190); von Eichborn, Die Bestimmung über die Wahl der Bundesverfassungsrichter, S. 11 ff., 21 f.; Pieper, Verfassungsrichterwahlen, S.  29 ff. 71  Vgl. Kapitel 4: A. II. 1. b). 72  Ruppert, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, § 6 Rn. 10; Gusy, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 60 Rn. 7. 70  Voßkuhle,



B. Richterwahlausschuss241

dem „zuständigen Bundesminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschuss“ berufen. Anders als bei den Bundesverfassungsrichtern, die ausdrücklich vom Bundestag zu wählen sind, wird bei den Bundesrichtern explizit die mittelbare Wahl durch einen Ausschuss geregelt. Wenn der Verfassungsgeber offenkundig die verfassungsrechtliche Verankerung dieses Wahlausschusses für notwendig erachtet hat, sei im Umkehrschluss die mittelbare Wahl der Verfassungsrichter ohne verfassungsrechtlicher Ermächtigung ausgeschlossen.73 Allerdings ist dabei zu beachten, dass es sich bei dem Wahlgremium nach Art. 95 Abs. 2 GG um gar keinen Bundestagsausschuss handelt.74 Der Ausschuss setzt sich paritätisch aus den jeweils zuständigen 16 Ministern der Länder zusammen sowie gleich vielen Mitgliedern, die vom Bundestag zu benennen sind. Bei den vom Bundestag zu benennenden Mitgliedern handelt es sich noch nicht einmal notwendigerweise um Bundestagsabgeordnete.75 Die Richter werden dann im Einvernehmen mit dem zuständigen Bundesminister berufen. Das Wahlgremium nach Art. 95 Abs. 2 GG stellt insofern eine besondere Verschränkung zwischen der Exekutiven und der Legislativen sowie zwischen dem Bund und den Ländern dar.76 Es handelt sich um ein eigenständiges Verfassungsorgan, das eine besondere Ausprägung im System der checks and balances darstellt und mitnichten dem Parlament zuzuordnen ist. Rückschlüsse auf die innerparlamentarische Übertragbarkeit originärer Parlamentsaufgaben, wie es bei der Ernennung von Bundesverfassungsrichtern nach Art. 94 GG der Fall ist, können daraus nicht gezogen werden. b) Legitimation durch Plenum erforderlich Gegen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Richterwahlausschusses nach § 6 BVerfGG a. F. wird ferner argumentiert, dass die Bundesverfassungsrichter einer umfassenden Legitimation durch das Bundestagsplenum bedürften. Auch die Judikative ist mit der Ausübung von Staatsgewalt befasst und muss in Folge durch das Volk legitimiert sein, Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG.77 Dabei steigen die Anforderungen an das Legitimationsniveau mit der zunehmenden politischen Macht und der Bedeutung der Akteure.78 In besonderem Maße gilt das für das Bundesverfassungsgericht als selbstständiges Verfas­ 73  Berg, in: Der Staat 1970, S. 21 (37); Kasten, in: DÖV 1985, S. 222 (226); Kreuzer, in: Der Staat 1968, S. 183 (192 ff.). 74  Vgl. Kapitel 1: A. I. 75  Jachmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 95 Rn. 129. 76  Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 95 Rn. 24. 77  Böckenförde, Verfassungsfragen der Richterwahl, S. 71 ff.; vgl. Pieper, Verfassungsrichterwahlen, S. 32 f.; vgl. Berg, in: Der Staat 1970, S. 21 (37 f.). 78  Kröger, in: FS Bundesverfassungsgericht I, S. 76 (79); Billing, Das Problem der Richterwahl zum Bundesverfassungsgericht, S. 95.

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Kap. 5: Verfassungsrechtliche Bewertung einzelner Ausschüsse

sungs­organ,79 das nicht nur über die Rechtsauslegung, sondern über die „Geltung des Rechts“ selbst entscheidet.80 Das Bundesverfassungsgericht bewegt sich hier in einem „Spannungsfeld zwischen Recht und Politik“.81 Es kann Gesetze, die durch ein komplexes Zusammenwirken von Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat und dem Bundespräsidenten zustande gekommen sind, für ungültig erklären und greift so in den Kompetenzbereich des Gesetzgebers über.82 Im Übrigen steht die Verfassungsrechtsprechung durch die Auslegung, Konkretisierung und Definition des Grundgesetzes in einem Sinnbezug zur Verfassungsänderung,83 welche selbst wiederum der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages bedarf, Art. 79 Abs. 2GG. Aufgrund dieser Wirkungsmacht an der Grenze zur politischen Willensbildung und Gestaltung bedürfe das Bundesverfassungsgericht einer unmittelbaren Legitimation durch das Bundestagsplenum.84 Die Argumentation überzeugt bei näherer Betrachtung nicht. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht mit einer umfassenden Macht ausgestattet ist, die im Einzelfall sogar die Nichtigkeit von Parlamentsgesetzen bewirken kann, so kann daraus keineswegs ein ähnliches Legitimationsbedürfnis gefolgert werden. Das hängt mit der von der Gesetzgebung grundverschiedenen Funktion der Verfassungsgerichtsbarkeit zusammen. Die gestaltende, aktive Herrschaftsausübung, also Demokratie im ureigenen Wortsinn, muss unmittelbar auf das Volk zurückzuführen sein. Davon abzugrenzen ist allerdings die kontrollierende, reaktive Macht des Bundesverfassungsgerichts, dem als Instrument der Gewaltenteilung die Kontrolle von Gesetzgebungsakten auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin obliegt. Demokratische Willensbildung und positive Gestaltungsmacht ist damit nicht verbunden. Die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts bedarf insofern auch nicht grundsätzlich einer vergleichbaren Legitimation wie die Gesetzgebung. Im Übrigen überzeugt die Argumentation alleine mit der Bedeutung der delegierten Materie nicht, um eine exklusive Plenarzuständigkeit zu begründen.85 Wie auch bei einem Begründungsansatz mit der Wesentlichkeitstheo­ rie bleiben hier mögliche Verfassungsgüter, zu deren Schutz die Entschei79  Hierzu 80  Preuß,

Stern, Staatsrecht II, S. 342 ff. in: ZRP 1988, S. 389 (390); Pietzcker/Pallasch, in: JuS 1995, 511

(512). 81  Geiger, in: EuGRZ 1985, S. 401 (403 ff.). 82  Teubner, Die Bestellung zum Berufsrichter, S. 7. 83  Vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 94 Rn. 4. 84  Teubner, Die Bestellung zum Berufsrichter, S. 23; vgl. Preuß, in: ZRP 1988, S. 389 (393); vgl. Ruppert, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, § 6 Rn. 9; vgl. Stern, Staatsrecht II, S. 359; Wiefelspütz, in: DÖV 2012, S. 961 (968). 85  Vgl. Kapitel 4: A. III. 5. a).



B. Richterwahlausschuss243

dungsdelegation dient, außen vor.86 Unberücksichtigt bleibt zudem, dass eine demokratische Legitimation auch mittelbar über Ausschüsse erfolgen kann.87 Der isolierte Verweis auf die Bedeutung des Bundesverfassungsgerichts, losgelöst von einer ganzheitlichen Abwägung, überzeugt daher nicht. 2. Richterwahlausschuss grundsätzlich zulässig? Eine systematische Argumentation mit dem Wortlaut von Art. 94 GG wird auch für die Möglichkeit einer mittelbaren Wahl durch einen Bundestagsausschuss angeführt. Denn Art. 94 GG schreibt im Gegensatz zu Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG die Unmittelbarkeit der Wahl nicht ausdrücklich vor. Die Übertragung der Richterwahl auf einen Ausschuss sei daher verfassungskonform.88 Grundsätzlich zutreffend ist dabei, dass anders als bei den Bundes- oder Landtagswahlen als ursprünglichster Legitimationsakt eine Delegation von Parlamentsaufgaben verfassungsrechtlich nicht kategorisch ausgeschlossen ist.89 Das ist schlicht darauf zurückzuführen, dass mit Hinblick auf das Prinzip der repräsentativen Demokratie ein qualitativer Unterschied zwischen den Wahlen des Volkes und den Wahlen, die durch die Volksvertretung erfolgen, besteht.90 Allerdings kann daraus mitnichten eine prinzipielle Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen gefolgert werden. Auch hier müssen Demokratie und Repräsentation als Strukturprinzipien parlamentarischer Arbeit beachtet werden. So steht es allgemein außer Frage, dass, obwohl in Art. 63 Abs. 1 GG und Art. 40 Abs. 1 GG nicht explizit angeordnet, die Wahl des Bundeskanzlers oder die des Bundestagspräsidenten unmittelbar durch das Plenum erfolgen müssen.91 Im Übrigen könnte mit diesem Argument ebenso vertreten werden, dass neben der Unmittelbarkeit auch die Wahlgrundsätze der Freiheit und Gleichheit, welche in Art. 28 GG und Art. 38 GG explizit vorgesehen werden, für die Wahl der Verfassungsrichter nach Art. 94 GG nicht gelten.92 Eine allgemeine verfassungsrechtliche Zulässig86  Vgl.

Kapitel 4: A. III. 3. Verfassungsfragen der Richterwahl, S. 74; vgl. Kröger, in: FS Bundesverfassungsgericht I, S. 76 (79). 88  Arndt, in: DVBl 1951, S. 297 (298); vgl. Gusy, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 60 Rn. 12. 89  Kröger, in: FS Bundesverfassungsgericht I, S. 76 (92). 90  Kreuzer, in: Der Staat, 1968, S. 183 (195); vgl. Preuß, in: ZRP 1988, S. 389 (390). 91  Stern, Staatsrecht II, S. 363; Pietzcker/Pallasch, in: JuS 1995, S. 511 (512); Kreuzer, in: Der Staat 1968, S. 183 (195). 92  Kreuzer, in: Der Staat 1968, S. 183 (195); vgl. Berg, in: Der Staat 1970, S. 21 (37). 87  Böckenförde,

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Kap. 5: Verfassungsrechtliche Bewertung einzelner Ausschüsse

keit des Richterwahlausschusses lässt sich folglich mit Wortlaut und Systematik des Grundgesetzes nicht überzeugend begründen. Schließlich wird die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Richterwahlausschusses in seiner alten Fassung im Hinblick auf die sehr lange Praxis unter Rückgriff auf ein vermeintliches Verfassungsgewohnheitsrecht bzw. die „normative Kraft des Faktischen“ begründet.93 Das Bundesverfassungsgericht führte selbst in seiner Entscheidung vom 19.06.2012 das eigene jahrzehntelange Schweigen als Begründung für die Verfassungsmäßigkeit der Delegation an.94 Gleichwohl bleibt festzustellen, dass eine gewohnheitsrechtliche Rechtfertigung des Richterwahlausschusses an einer fehlenden opinio iuris scheitert.95 Bezeichnend ist insofern, dass das Bundesverfassungsgericht selbst keine 4 Monate zuvor konstatiert hatte, dass die Delegation von Entscheidungsbefugnissen jedenfalls „von der überwiegenden Auffassung im Schrifttum“ für unzulässig erachtet wird.96 Verfassungsgerichtspräsident Voßkuhle selbst hatte zuvor bezüglich des Richterwahlausschusses zutreffend kommentiert, dass der häufig anzutreffende schlichte Verweis auf die normative Kraft des Faktischen vielmehr eine Ratlosigkeit und „gewisse Resignation“ hinsichtlich dessen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung indiziert.97 Von einer opinio iuris oder allgemeinen Rechtsauffassung kann angesichts der zuvor aufgezeigten Literaturmeinungen, die eine Wahl durch das Plenum für verfassungsrechtlich zwingend erachten, nicht ausgegangen werden. Entsprechend überzeugt auch nicht der Ansatz, aus der langjährigen erfolgreichen Arbeit des Richterwahlausschusses nachträglich dessen verfassungsrechtliche Legitimation zu konstruieren.98 Der Sache nach klingt hier das Konzept einer „output“ Legitimation an.99 Die im Ergebnis gesicherte Qualität der Gerichtsbarkeit soll den Wahlmodus selbst rechtfertigen. Da es im Grundgesetz aber um demokratische „input“ Legitimation gehen muss,100 kann auch dieser Argumentation kein dogmatisch tragfähiger Gehalt entnom93  Klein, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 6 Rn. 4; Stern, Staatsrecht II, S. 362; Thoma, in: JöR 1957, (Band. 6), S. 161 (188); Trautwein, Bestellung und Ablehnung von Bundesverfassungsrichtern, S. 9. 94  BVerfG, 2 BvC 2/10 vom 19.06.2012, Rn. 11 = BVerfGE 131, 230 (234 f.); dazu kritisch Wiefelspütz, in: DÖV 2012, S. 961 (968). 95  Kischel, in: HStR III (3. Auflage), § 69 Rn. 48; Pieper, Verfassungsrichterwahlen, S. 31; siehe Kapitel 4: A. III. 2. 96  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 122 = BVerfGE 130, 318 (351). 97  Voßkuhle, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 94 Rn. 10. 98  In diesem Sinne Scholz, in: ZRP 2012, S. 191; Schnelle, in: NVwZ 2012, S. 1597 (1599). 99  Vgl. Morlok, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, §  3 Rn. 4; s.  o. Kapitel 4: A. III. 4. 100  Vgl. Morlok, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, § 3 Rn. 19 ff.



B. Richterwahlausschuss245

men werden.101 Die Zulässigkeit der Entscheidungsdelegation lässt sich daher weder dem Wortlaut und der Systematik des Grundgesetzes entnehmen noch mit dem Verweis auf ein vermeintliches Verfassungsgewohnheitsrecht begründen.

II. Verhältnismäßigkeit Überzeugend erscheint auch hier, die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Richterwahlausschusses nach § 6 BVerfGG a. F. anhand des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu beurteilen. Der Eingriff in den Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation einerseits und der in den Grundsatz der Öffentlichkeit andererseits sind dabei separat zu untersuchen. 1. Gesamtrepräsentation und Abgeordnetenstatus Es stellt sich die Frage, ob der mit der vormaligen Entscheidungsbefugnis des Richterwahlausschusses verbundene Eingriff in den Grundsatz der Gesamtrepräsentation und den Status der Abgeordneten mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar war. Dabei ist zunächst die besondere Intensität des Eingriffs darzulegen (a)) und anschließend auf die Frage der Verhältnismäßigkeit einzugehen (b)). a) Eingriffsintensität Durch die Verlagerung der Richterwahl in einen vertraulichen und ausgesprochen kleinen Bundestagsausschuss wurden den am Ausschuss nicht beteiligten Bundestagsabgeordneten ihre unmittelbaren Mitwirkungsrechte an der Richterwahl gänzlich entzogen. Hinzu kommt, dass die Mitglieder des Wahlausschusses gemäß § 6 Abs. 4 BVerfGG, der nach der Gesetzesänderung unberührt fortbesteht, über die persönlichen Verhältnisse der Bewerber sowie die diesbezüglichen Erörterungen und die Abstimmung im Wahlausschuss zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Da der Begriff des Persön­ lichen weiter zu verstehen ist als etwa der des Privaten, werden auch die Erörterungen zu der politischen Einstellung der Kandidaten im Ausschuss von der Verschwiegenheitspflicht erfasst.102 Der Informationsfluss zwischen Ausschuss und Plenum wird so erheblich beeinträchtigt. In Folge war auch der mittelbare Einfluss der am Ausschuss nicht beteiligten Parlamentarier stark eingeschränkt. Die tatsächliche Entscheidungsfindung blieb nur weni101  Vgl.

Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 94 Rn. 1. in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 6 Rn. 13.

102  Klein,

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Kap. 5: Verfassungsrechtliche Bewertung einzelner Ausschüsse

gen Mandatsträgern vorbehalten.103 Bei fraktionslosen Abgeordneten bestand darüber hinaus schon aufgrund der geringen Größe des Ausschusses keine realistische Aussicht auf eine Mitgliedschaft. Die Intensität des Eingriffs in den Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation wurde zudem durch die große Bedeutung des Bundesverfassungsgerichts verstärkt. Die Richterwahl als Unterfall der parlamentarischen Kreationsfunktion ist im besonderen Maße legitimationsbedürftig.104 Erschwerend kommt hinzu, dass eine nachträgliche Kontrolle der Richterwahl durch das Plenum aufgrund der Unabhängigkeit der Verfassungsrichter, § 1 Abs. 1 BVerfGG, sowie der Vertraulichkeit der Wahl praktisch ausgeschlossen ist. Eine „Korrektur“ der Richterwahl ist nicht möglich. Die demokratische Legitimation der Richter erfolgt einmalig über das Wahlverfahren.105 Der mit dem Wahlausschuss verbundene Ausschluss des Großteils der Abgeordneten von dem Wahlvorgang war insofern besonders schwerwiegend. b) Verhältnismäßigkeit Zu prüfen bleibt, ob dieser Eingriff in den Abgeordnetenstatus und den Grundsatz der Gesamtrepräsentation verfassungsrechtlich gerechtfertigt war. Prüfungsmaßstab ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. aa) Legitimer Zweck Die Übertragung der Verfassungsrichterwahl auf einen Ausschuss musste zunächst einmal einem verfassungsrechtlich legitimen Zweck dienen. Dabei ist daran zu erinnern, dass die Parlamentsautonomie aus sich selbst heraus keine Eingriffe in den Status der Abgeordneten oder die Gesamtrepräsentation zu rechtfertigen vermag. Eine Ausschussdelegation erfolgt stets in Ausübung der Parlamentsautonomie und muss dabei auf den Schutz anderer Rechtsgüter von Verfassungsrang gerichtet sein.106 Als solches Rechtsgut kommt grundsätzlich die Funktionsfähigkeit des Bundestages in Betracht – oftmals im Zusammenspiel mit anderen Verfassungsgütern. So kann etwa eine Geheimhaltung zum Schutz zwingender Gründe des Staatswohls verfassungsmäßig sein, wie etwa die Arbeitsfähigkeit der Nachrichtendienste oder die Wirksamkeit von Euro-Rettungsmaßnahmen. Es werden dann gewisser103  Vgl. Geck, in: HStR II (2. Auflage), § 55 Rn. 15; vgl. Geck, Wahl und Amtsrecht der Bundesverfassungsrichter, S. 34 f. 104  Vgl. Wiefelspütz, in: DÖV 2012, S. 961 (968 f.). 105  Böckenförde, Verfassungsfragen der Richterwahl, S. 72; Preuß, in: ZRP 1988, S. 389 (394). 106  Siehe Kapitel 2: C. II. 2. und III.



B. Richterwahlausschuss247

maßen von außen Funktionsbedingungen an die parlamentarische Arbeit gesetzt, deren verfahrensrechtliche Handhabung formal in den Kompetenzbereich des Selbstorganisationsrechts fällt.107 Als Ziel der Ausschussdelegation wird vielfach eine Entpolitisierung und Versachlichung der Richterwahl angeführt.108 Die Richterkandidaten sollen nicht vor ihrer Wahl öffentlich demontiert oder stigmatisiert werden.109 Unabhängigkeit und Distanz zu den Parteien und Fraktionen sollen gewahrt bleiben.110 Inwiefern diese Zielsetzung allerdings verfassungsrechtlich legitimiert ist, erscheint ausgesprochen fraglich. Dem Bundesverfassungsgericht kommt schon von seiner Aufgabenstellung her eine politische Dimension zu.111 Das Verfassungsrecht ist „politisches Recht“.112 Die Urteile des Verfassungsgerichts entscheiden nicht nur über die Auslegung von Recht, sondern auch über dessen Geltungskraft. Verfassungsgerichtsbarkeit ist zwingend mit der Einwirkung auf die Verfassung und staatliche Herrschaftsordnung verbunden. Das Verfassungsgericht ist ein „machtvoller Akteur im politischen Prozess“.113 Wie die Gerichtsbarkeit selbst, so ist auch die Richterwahl „systemnotwendig“ politisch.114 Entsprechend ist auch de constitutione lata ein politisches Wahlverfahren, nämlich durch den Bundestag als Volksvertretung sowie den Bundesrat vorgesehen, Art. 94 Abs. 1 Satz 2 GG. Ein unpolitischer Wahlmodus kann dann aber kaum als Rechtsgut mit Verfassungsrang angesehen werden, zu dessen Gunsten zentrale Prinzipien demokratischer Repräsentation eingeschränkt werden können.115 Das Argument ist verfassungspolitischer und nicht-rechtlicher Art.116 Die Entpolitisierung und Versachlichung der Richterwahl ist kein verfassungsrechtlich legitimer Zweck.117 Ferner wird argumentiert, die Entpolitisierung der Richterwahl stelle zumindest insofern einen verfassungsrechtlich legitimen Zweck dar, als dass sie dazu diene, die fachlich besten Kandidaten zu finden. Eine öffentliche Wahl 107  A. A. Schnelle, in: NVwZ 2012, S. 1597 (1598); Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, S. 29; Preuß, in: ZRP 1988, S. 389 (390). 108  Scholz, in: ZRP 2012, S. 191. 109  Stern, Staatsrecht II, S. 358. 110  Isensee, in: JZ 1996, S. 1085 (1092); Koch, in: ZRP 1996, S. 41 (43). 111  Geiger, in: EuGRZ 1985, S. 401 (402 ff.); Billing, Das Problem der Richterwahl zum Bundesverfassungsgericht, S. 42 ff. 112  Isensee, in: HStR VII (1. Auflage), § 162 Rn. 1 ff., 7 ff., 76 ff. 113  Grimm, in: ZRP 2014, S. 125. 114  Gusy, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 60 Rn. 16. 115  Vgl. Preuß, in: ZRP 1988, S. 389 (392). 116  Kischel, in: HStR III (3. Auflage), § 69 Rn. 49; vgl. Stern, in: BK, GG, Art. 94 Rn. 83. 117  Böckenförde, Verfassungsfragen der Richterwahl, S. 72; Gusy, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 60 Rn. 23.

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Kap. 5: Verfassungsrechtliche Bewertung einzelner Ausschüsse

durch das Plenum berge die Gefahr, eloquente Selbstdarsteller zu bevorzugen und die fachliche Qualifikation zu vernachlässigen.118 Die breite Masse der Abgeordneten hätte gar nicht die notwendige Fachkenntnis, die Kompetenz und Qualifikation der Kandidaten zu beurteilen.119 Zutreffend ist diese Argumentation zumindest insofern, dass die Qualität und fachliche Eignung der Richter und damit auch die Qualität der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein verfassungsrechtlich schützenswertes Rechtsgut darstellen.120 Allerdings ist dabei zu beachten, dass sich die qualitative Eignung der Kandidaten für ein politisch geprägtes Richteramt nicht alleine an fach-juristischen Kriterien messen lässt. Ein Qualitätsmerkmal der Richterschaft ist nicht nur der rechtswissenschaftliche Sachverstand, sondern eben auch eine politische Komponente. Dieser politischen Dimension trägt auch das Grundgesetz Rechnung, wenn es eine Wahl durch den Bundestag und den Bundesrat vorsieht.121 Eine Entpolitisierung und Versachlichung ist folglich auch insofern kein verfassungsrechtlich legitimer Zweck. Im Übrigen erscheint es ausgesprochen fragwürdig, dem Plenum zu unterstellen, im Zweifelsfall für die charismatischen Selbstdarsteller zu votieren. Faktisch wird dann dem Volk und seinen Repräsentanten überhaupt die Fähigkeit abgesprochen, sachliche Entscheidungen zu treffen. Eine solche Argumentation stellt letztlich die Demokratie als solche in Frage.122 Ein Rechtsgut mit Verfassungsrang, zu dessen Gunsten die Gesamtrepräsentation und der Abgeordnetenstatus eingeschränkt werden können, liegt damit jedenfalls nicht vor. Als verfassungsrechtlich legitimen Zweck für die Ausschussdelegation stellt schließlich das Bundesverfassungsgericht unmittelbar auf die „Funk­ tionsfähigkeit“ seiner eigenen Gerichtsbarkeit ab. Um das zu gewährleisten, sei „das Ansehen des Gerichts und das Vertrauen in seine Unabhängigkeit zu festigen (…)“.123 Auch in der Literatur wird vielfach schlicht konstatiert, dass mit der Richterwahl eine Verschwiegenheit zwingend verbunden sei.124 Eine tragfähige Erklärung für den behaupteten Konnex zwischen Funktionsfähigkeit des Gerichts und einer vertraulichen Wahl im Ausschuss fehlt dabei.125 Allerdings scheint es der Sache nach ausgesprochen bedenklich, Vertrauen durch Verschweigen zu fördern. Wenn das Ansehen des Bundesverfassungsgerichts dadurch gefördert werden soll, dass das Volk gar nicht erst 118  Isensee,

in: JZ 1996, S. 1085 (1092). Das Problem der Richterwahl zum Bundesverfassungsgericht, S. 281 f. 120  Vgl. Grimm, in: ZRP 2014, S. 125. 121  Gusy, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 60 Rn. 20. 122  Häberle, in: Der Souverän auf der Nebenbühne, S. 131 (133). 123  BVerfG, 2 BvC 2/10 vom 19.06.2012, Rn. 14 = BVerfGE 131, 230 (Rn. 14). 124  Achterberg, Parlamentsrecht, S. 518. 125  Vgl. Kreuzer, in: Der Staat 1968, S. 183 (192 f.). 119  Billing,



B. Richterwahlausschuss249

mitbekommt, wie seine Richter gewählt werden, so hat das zumindest einen faden Beigeschmack. Es wird so ein Nährboden für Legendenbildung und Verschwörungstheorien bereitet. Ein im wahrsten Sinne des Wortes blindes Vertrauen in das Staatsorgan Verfassungsgericht kann vor dem Hintergrund des Demokratieprinzips kein verfassungsrechtlich legitimes Ziel sein. Im Übrigen wird damit die Ursache für ein mögliches Misstrauen des Volkes gegenüber der Unabhängigkeit der Verfassungsrichter, nämlich deren Wahl durch den Bundestag und den damit verbundenen maßgeblichen Einfluss der politischen Parteien, nicht beseitigt, sondern nur verschleiert. Von einem verfassungsrechtlich legitimen Zweck kann insofern nur dann ausgegangen werden, wenn dafür abstrakt die Funktionsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts ohne nähere Begründung für hinreichend erachtet wird.126 bb) Geeignetheit Ob eine vertrauliche Wahl durch den Richterwahlausschuss ein geeignetes Mittel ist, das Ansehen des Gerichts und das Vertrauen in seine Unabhängigkeit und damit seine Funktionsfähigkeit zu sichern, scheint ebenfalls ausgesprochen fragwürdig. Geheimhaltung und Intransparenz einer Wahl im kleinen Kreise sind kaum dazu angetan, das Vertrauen in die Unabhängigkeit der gewählten Richter und das Ansehen des Gerichts insgesamt zu fördern. Vielmehr werden so Spekulationen und Diskussionen über die parteipolitischen Hintergründe, Interessen und Ursachen einer bestimmten Wahl gefördert.127 Für den Schutz von Vertrauen und Ansehen scheint ein Mindestmaß an Transparenz und öffentlicher Kontrolle wesentlich förderlicher als eine strukturelle Vertuschung der Richterwahl.128 Nachweislich ist der Wahlmodus auch nicht dazu geeignet, die parteipolitische Neutralität der Kandidaten oder das Vertrauen in deren Unabhängigkeit zu sichern. Vielmehr ist das „richtige“ Parteibuch oder zumindest eine entsprechende Parteinähe für die Wahl zum Bundesverfassungsrichter in den überwiegenden Fällen eine Grundvoraussetzung.129 Die Kandidaten werden hinter verschlossener Tür nach dem Motto do ut des von den Parteien ausgehandelt. In Anbetracht des politischen Einschlags des Verfassungsrichteramtes ist das in der ParteiendeStern, Staatsrecht II, S. 362. in: ZRP 2012, S. 191; Preuß, in: ZRP 1988, S. 389 (389, 392) m. w. N.; Pietzcker/Pallasch, in: JuS 1995, S. 511 (513); Gusy, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 60 Rn. 17, 23. 128  Vgl. Großfeld, in: NJW 1995, S. 1719 (1722). 129  Geck, Wahl und Amtsrecht der Bundesverfassungsrichter, S. 31  ff. m. w. N.; Frank, in: FS Faller, S. 37 ff.; Geiger, in: EuGRZ 1985, S. 401 (402); Geiger, in: EuGRZ 1983, S. 397 (398). 126  Vgl.

127  Landfried,

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Kap. 5: Verfassungsrechtliche Bewertung einzelner Ausschüsse

mokratie des Grundgesetzes nicht schlechthin zu beanstanden.130 Gleichwohl ist zu konstatieren, dass der Wahlmodus nicht dazu geeignet ist, das Vertrauen in die Neutralität und politische Unabhängigkeit zu fördern.131 Zur Klarstellung sei an dieser Stelle angemerkt, dass weder das große Ansehen noch das allgemeine Vertrauen in die Integrität der Institution Verfassungsgericht bezweifelt werden soll. Falsch wäre es jedoch, diesen Umstand auf den Wahlmodus zurückzuführen. Das große Ansehen und Vertrauen hat sich das Bundesverfassungsgericht vielmehr selbst durch seine Rechtsprechung erworben, die über Jahrzehnte in aller Regel von hoher Qualität und oftmals unbequem für die regierenden Parteien ist. Förderlich für diese vorgelebte richterliche Unabhängigkeit ist dabei sicherlich das hohe 2 / 3 Wahlquorum gemäß § 6 Abs. 5 BVerfGG a. F., das für die Wahlvorschläge auch in § 6 Abs. 5 BVerfGG n. F. beibehalten wurde. Ein überparteilicher Konsens sichert grundsätzlich eine politische Ausgewogenheit der Verfassungsrichter und verhindert ein exekutivlastiges „Regierungsgericht“.132 Dagegen ist für einen tatsächlich breiten parteiübergreifenden parlamentarischen Konsens der vertrauliche Wahlmodus selbst hinderlich. In die Konsenssuche wird hier nur die verschwindend geringe Zahl der Abgeordneten im Richterwahlausschuss einbezogen. Dass die vertrauliche Wahl zur Stärkung der Funktionsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts geeignet sein soll, kann schließlich auch nicht durch einen Vergleich mit dem U.S. Supreme Court belegt werden.133 Die damit verbundene – äußerst fragwürdige – Implikation,134 dass die Funktionsfähigkeit des U.S. Supreme Courts nicht im gleichen Maße wie die des Bundesverfassungsgerichts gewährleistet sei, soll an dieser Stelle dahingestellt bleiben. Die womöglich stärkere parteipolitische Ausrichtung der amerikanischen Justices ist darauf zurückzuführen, dass sie auf Vorschlag des Präsidenten der Vereinigten Staaten durch einfache Mehrheit im Senat gewählt werden. Ein überparteilicher Konsens ist demnach nur dann erforderlich, wenn der Präsident nicht über die Senatsmehrheit verfügen sollte. Verbunden mit einer Amtsdauer auf Lebenszeit sorgt dies für eine enorme Tragweite der Entschei130  Müller,

in: ZRP 2008, S. 103. in: NJW 1995, S. 1719 (1720 f.); vgl. Trautwein, Bestellung und Ablehnung von Bundesverfassungsrichtern, S. 9. 132  Gusy, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 60 Rn. 21; Hopfauf, in: ZRP 1994, S. 89 f.; Stern, Staatsrecht II, S. 362; Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, Rn.  43 ff. 133  So Koch, in: ZRP 1996, S. 41 (43); Wiefelspütz, in: DÖV 2012, S. 961 (969); den öffentlichen Wahlmodus in den Vereinigten Staaten prinzipiell befürwortend: Häberle, in: FS Friesenhahn, S. 79 f. 134  Vgl. Detjen, in: ZRP 2008, S. 103. 131  Großfeld,



B. Richterwahlausschuss251

dung, die in Folge mit einer erheblichen politischen Bedeutung verbunden ist.135 Die Nominierung und Wahl neuer Supreme Court Richter und das damit verbundene parteipolitische Taktieren wird in Folge mit großem Inte­ resse von den Medien und der Öffentlichkeit begleitet. Wie jüngst das Beispiel der Nachfolge für Richter Scalia zeigt,136 findet die Richterwahl sogar in der internationalen und deutschen Presse große Resonanz.137 Eine vermeintlich geringere Neutralität der amerikanischen Verfassungsrichter kann diesem öffentlichen Prozess jedenfalls nicht zugeschrieben werden.138 Verschwiegenheit und Intransparenz sind im Ergebnis nicht dazu geeignet, die Funktionsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts zu stärken. cc) Erforderlichkeit Ungeachtet dessen genügte die Wahl der Verfassungsrichter im Ausschuss auch nicht dem Grundsatz der Erforderlichkeit. Der Eingriff in den Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation darf grundsätzlich nicht weiter gehen, „als dies unbedingt erforderlich ist.“139 Das war bei § 6 BVerfGG a. F. nicht der Fall. Die Verlagerung der Wahl selbst in den Ausschuss und damit der Entzug des Stimmrechts für die am Ausschuss nicht beteiligten Abgeordneten ist auch dann nicht zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundestages erforderlich, wenn ein legitimes Ziel und die Geeignetheit der Delegation unterstellt werden. Wie die Reform des § 6 BVerfGG offenlegt, war die Wahl selbst im Ausschuss zur Verhinderung einer öffentlichen Demontage der Richterkandidaten keinesfalls erforderlich. Als gleich geeignetes und milderes Mittel ist es in jedem Fall möglich, die Suche nach geeigneten, mehrheitsfähigen Kandidaten auf einen vertraulichen Ausschuss zu übertragen und die Wahl selbst im Plenum mit verdeckten Stimmzetteln und ohne vorheriger Aussprache vorzunehmen. Auf diese Möglichkeit wurde bereits lange vor der jüngsten Gesetzesänderung vielfach in der Literatur aufmerksam ge135  Brugger,

in: ZaöRV 2006, S. 415 ff. New York Times, „Strategy on Garland: Act as Though He’ll Get Senate Hearing“, veröffentlicht am 03.04.2016 auf http://www.nytimes.com/2016/04/04/us/ politics/supreme-court-nominee-pushes-ahead-despite-fracas.html?_r=0 (zuletzt abgerufen am 10.05.2016). 137  Vgl. anstatt vieler: Spiegel, „Streit um Scalia-Nachfolge: Obama macht den Republikanern Druck“, veröffentlicht am 17.02.2016 auf http://www.spiegel.de/poli tik/ausland/barack-obama-will-antonin-scalia-nachfolger-noch-selbst-vorschlagen-a1077758.html (zuletzt abgerufen am 10.05.2016). 138  Vgl. Häberle, in: Der Souverän auf der Nebenbühne, S. 131 (132 f.). 139  BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.02.2012, Rn. 125 = BVerfGE 130, 318 (353); vgl. BVerfGE 94, 351 (369). 136  Vgl.

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Kap. 5: Verfassungsrechtliche Bewertung einzelner Ausschüsse

macht.140 Auch der Umstand, dass der Bundesrat die Richter traditionell durch unmittelbare und öffentliche Wahl ernennt, vgl. § 7 BVerfGG, die durch eine nichtöffentliche Wahlkommission lediglich vorbereitet wird,141 belegt die fehlende Erforderlichkeit einer umfassenden Geheimhaltung. Dass das Bundesverfassungsgericht gleichwohl dem Richterwahlausschuss in seinem Urteil vom 19.06.2012 die Verfassungsmäßigkeit attestierte, ist nur deshalb möglich, weil es weder die Geeignetheit noch die Erforderlichkeit oder die Verhältnismäßigkeit im engen Sinne prüft. Allein das „vom Gesetzgeber verfolgte Anliegen“ sei von „von hinreichendem verfassungsrechtlichen Gewicht“, um die Verlagerung der Wahl auf das Wahlmännergremium zu legitimieren.142 Der Verzicht auf eine Erforderlichkeitsprüfung und eine Güterabwägung konterkariert allerdings nicht nur die im Urteil zum StabMechG aufgestellten Prüfungsmaßstäbe,143 sondern missachtet auch das elementare Prinzip der praktischen Konkordanz. Dass durchaus gleich geeignete und mildere Maßnahmen denkbar sind, deutet das Gericht schließlich selber an, wenn es konstatiert, dass die Wahl durch einen Ausschuss nicht „in dem Sinne geboten sein mag, dass sie den Gesetzgeber hinderte, andere Modalitäten der Richterwahlen zu bestimmen“.144 Der Eingriff in den Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation genügte im Ergebnis auch nicht dem Grundsatz der Erforderlichkeit und war folglich verfassungswidrig. 2. Öffentlichkeitsprinzip Es stellt sich ferner die Frage, ob der mit der Wahl im geheimen Ausschuss verbundene Eingriff in das allgemeine Öffentlichkeitsprinzip verfassungskonform war. Die vertrauliche Wahl im Ausschuss ist für den Bürger völlig undurchsichtig und nicht nachvollziehbar.145 Der parteipolitische Proporz, der bei der Richterwahl eine zentrale Rolle spielt, war für die allgemeine Öffentlichkeit bei den durch den Bundestag zu wählenden Richtern kaum zu durchschauen. Eine demokratische Kontrolle durch den Wähler war so praktisch ausgeschlossen. Ob dieser Wahlmodus verfassungskonform war, erscheint fragwürdig. 140  Kischel, in: HStR III (3. Auflage), § 69 Rn. 52; Pietzcker/Pallasch, in: JuS 1995, S. 511 (513); Koch, in: ZRP 1996, S. 41 (44); Wiefelspütz, in: DÖV 2012, S. 961 (969); Berg, in: Der Staat 1970, S. 21 (38); Ruppert, in: Burkiczak/Dollinger/ Schorkopf, BVerfGG, § 6 Rn. 10 f. 141  Lenz/Hansel, BVerfGG, § 7. 142  BVerfG, 2 BvC 2/10 vom 19.06.2012, Rn. 14 = BVerfGE 131, 230 (Rn. 14). 143  Zwischen beiden Entscheidungen liegen keine 4 Monate, vgl. Schnelle, in: NVwZ 2012, S. 1597 (1598). 144  BVerfG, 2 BvC 2/10 vom 19.06.2012, Rn. 14 = BVerfGE 131, 230 (Rn. 14). 145  Detjen, in: ZRP 2008, S. 103.



B. Richterwahlausschuss253

a) Legitimer Zweck und Geeignetheit Es erscheint auch diesbezüglich bereits zweifelhaft, inwiefern für den Ausschluss der Öffentlichkeit ein legitimer Zweck bestanden hat. Eine Entpolitisierung und Versachlichung der Wahl ist jedenfalls auch hier kein verfassungsrechtlich anerkanntes Ziel, um das gesamte Wahlverfahren praktisch vollständig dem Lichte der Öffentlichkeit zu entziehen. Die zuvor unter dem Gesichtspunkt des Abgeordnetenstatus und der Gesamtrepräsentation dargelegten Erwägungen lassen sich übertragen. Ein legitimer Zweck ist nur dann gegeben, wenn pauschal auf die Funktionsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts abgestellt wird. Allerdings ist auch hier festzustellen, dass eine Wahl der Verfassungsrichter unter Ausschluss der Öffentlichkeit nicht dazu geeignet war, das Vertrauen in die Unabhängigkeit des Gerichts im Besonderen oder seine Funktionsfähigkeit im Allgemeinen zu steigern. Zwar teilt das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 19.06.2012 der Sache nach die gesetzgeberische Einschätzung, dass das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Bundesverfassungsrichter beschädigt werden könnte, wenn die Wahlen öffentlich wären. Daraus kann aber nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, das Wahlverfahren müsse intransparent und undurchsichtig bleiben. Es wird hier grundlegend verkannt, dass die Nichtöffentlichkeit die entscheidende Ursache für Zweifel an der Neutralität der Richter darstellt und insofern kein probates Mittel zur Bekämpfung eines Vertrauensverlustes darstellen kann. Erst die Postenvergabe nach parteipolitischem Proporz im Hinterzimmer bedroht das Vertrauen in die Unabhängigkeit des Gerichts. Ein öffentlicher Diskurs im Vorfeld einer Wahl wird gezielt unterbunden. Die nach der Bekanntgabe eines Wahlergebnisses erfolgende öffentliche Debatte ist dann aufgrund der fehlenden Informationen in besonderem Maße anfällig für Spekulationen und Legendenbildungen bezüglich der politischen Hintergründe einer Wahl.146 Eine solche nachfolgende Debatte vermag kaum demokratische Legitimation zu entfalten. Die strukturell vorgesehene Intransparenz bringt schließlich die besondere Problematik mit sich, dass die Kandidatensuche durch selektive Indiskretionen manipuliert werden kann. Erinnert sei an den Fall Dreier, bei dem das frühzeitige Durchstecken von Informationen – womöglich mit dem Ziel, die Wahl eines männlichen Kandidaten zu verhindern –147 kaum zu einer sachli146  Landfried, in: ZRP 2012, S. 191; vgl. Gusy, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 60 Rn. 17. 147  Vgl. Die Welt, „Ein Professor zwischen den Mühlen der Politik“, veröffentlicht am 05.02.2008 auf http://www.welt.de/politik/article1635227/Ein-Professorzwischen-den-Muehlen-der-Politik.html (zuletzt abgerufen am 16.05.2016); bei Horst Dreier handelte es sich allerdings um einen potentiellen Kandidaten des Bundesrates.

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Kap. 5: Verfassungsrechtliche Bewertung einzelner Ausschüsse

chen Debatte beigetragen hat.148 Ein Verfahren, das eigentlich gar keine Öffentlichkeit vorsieht, bietet den Kandidaten oder ihren Befürwortern kein adäquates Forum, auf solche „Heckenschüsse“ zu reagieren.149 Für das Vertrauen in die Institution Verfassungsgericht wäre es daher förderlich, einen transparenten und für den Wähler nachvollziehbaren Richterwahlmodus einzurichten. Die fachliche Qualität und die politische Ausrichtung würden dann unter den Augen der Öffentlichkeit verstärkt in den Fokus rücken und die parteipolitischen Sympathien und Kalküle in den Hintergrund gedrängt.150 Die kritische Öffentlichkeit könnte so ihrer demokratischen Kontrollfunktion gerecht werden. Die geheime Wahl ist dagegen kein geeignetes Mittel, um das Vertrauen in die Integrität des Bundesverfassungsgerichts zu stärken. b) Erforderlichkeit Zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts wäre schließlich auch der Eingriff in das Öffentlichkeitsprinzip nicht in dem Ausmaß des § 6 BVerfGG a. F. erforderlich gewesen. Auch hier käme als milderes, nach hier vertretener Auffassung wesentlich geeigneteres Mittel eine zumindest partielle Einbindung der Öffentlichkeit in Betracht. So könnte die Suche mehrheitsfähiger Kandidaten zur Vermeidung öffentlicher Personaldiskussionen in politischen Grabenkämpfen von einem verschwiegenen Ausschuss übernommen werden. Im Sinne einer Berichterstattungsöffentlichkeit könnten die wesentlichen Gründe für einen Wahlvorschlag veröffentlicht werden. Die Wahl selbst könnte dann in der Öffentlichkeit vom Plenum vorgenommen werden.151 Die Wahlbürger hätten so die Möglichkeit, die Wahlen nachzuvollziehen und gegebenenfalls ein offenkundiges parteipolitisches Postengeschacher bei der nächsten Parlamentswahl zu sanktionieren. Dass die Öffentlichkeit regelmäßig erst nach dessen Wahl erstmals von einem neuen Verfassungsrichter erfährt, ist jedenfalls nicht erforderlich.152

148  Vgl. ZEIT, „Verbrannt“, veröffentlicht am 07.02.2008 auf http://www.zeit. de/2008/07/Dreier (zuletzt aufgerufen am 10.05.2016); Schneider, in: ZRP 2008, S.  229 f. 149  Schneider, in: ZRP 2008, S. 229 (230). 150  Vgl. Pieper, Verfassungsrichterwahlen, S. 33  ff.; vgl. Preuß, in: ZRP 1988, S. 389 (393 f.); vgl. Häberle, in: Der Souverän auf der Nebenbühne, S. 131 (133); vgl. Geck, in: HStR II (2. Auflage), § 55 Rn. 20 f. 151  Wiefelspütz, in: DÖV 2012, S. 861 (869). 152  Vgl. Müller, in: ZRP 2008, S. 103.



B. Richterwahlausschuss255

III. Exkurs: § 6 BVerfGG n. F. Angesichts der fehlenden verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des bis zum Sommer 2015 bestehenden Richterwahlausschusses ist die Änderung von § 6 BVerfG grundsätzlich zu begrüßen.153 Der Gesetzgeber konnte bei der Reform auf vielfältige Änderungsvorschläge für den Wahlmodus in der Literatur zurückgreifen.154 Überraschend ist gleichwohl, dass die Gesetzesänderung ausgerechnet zu einem Zeitpunkt kommt, nachdem bereits zuvor parlamentarische Initiativen zur Reform der Richterwahl gescheitert waren155 und schließlich die Verfassungsmäßigkeit des Richterwahlausschusses in der alten Fassung erst im Jahr 2012 vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden war. Offenkundig konnte das Urteil des Verfassungsgerichts auch die Parlamentarier selbst nicht restlos überzeugen. In der Begründung des Gesetzesentwurfs wird auf die verfassungsrechtlichen Zweifel in der Literatur an dem alten Wahlmodus hingewiesen. Anschließend wird schlicht festgestellt, dass „jedenfalls verfassungspolitisch (die Wahl) durch das Plenum des Deutschen Bundestages vorzugswürdig“ erscheine.156 Gemäß § 6 Abs. 1 BVerfGG n. F. werden die Verfassungsrichter nunmehr vom Bundestagsplenum „auf Vorschlag des Wahlausschusses (…) ohne Aussprache mit verdeckten Stimmzetteln gewählt“. Die Wahl durch den ganzen Bundestag entschärft den Eingriff in den Abgeordnetenstatus und den Grundsatz der Gesamtrepräsentation erheblich. Den Abgeordneten wird ihr Stimmrecht belassen. Die Verfassungsrichter bedürfen in Zukunft nicht nur der Zustimmung weniger Abgeordneter, sondern sie werden von dem Konsens einer breiten 2 / 3 Mehrheit des Bundestagsplenums getragen. Eine breite demokratische Legitimation des Bundesverfassungsgerichts wird so sichergestellt.157 Das hohe Quorum dürfte auch den indirekten Einfluss der am Ausschuss nicht beteiligten Abgeordneten verstärken. Nur wenn deren Wünsche frühzeitig berücksichtigt werden, haben die vom Ausschuss vorgeschlagenen Kandidaten gute Aussichten, die erforderliche Zustimmung bei der Wahl zu erhalten. Bedenklich ist dagegen, dass die Wahl im Plenum gemäß § 6 Abs. 1 BVerfGG  n. F. „ohne Aussprache“ und mit „verdeckten Stimmzetteln“ er153  BGBl. I,

2015, S. 973. in: FS Bundesverfassungsgericht I, S. 76 (98 f.); Geck, in: HStR II (2. Auflage), § 55 Rn. 19; Kischel, in: HStR III (3. Auflage), § 69 Rn. 52; vgl. Häberle, in: Der Souverän auf der Nebenbühne, S. 131 (132). 155  Vgl. Gesetzesentwurf der Fraktion die Grünen vom 20.03.1987, BT-Drs. 11/73, Plenarprotokoll vom 16.10.1987, S. 2312 ff. 156  BT-Drs. 18/2737 vom 07.10.2014. 157  Wiefelspütz, in: DÖV 2012, S. 961 (969); kritisch Lenz/Hansel, BVerfGG, § 6 Rn. 1, 10; vgl. Geck, Wahl und Amtsrecht der Bundesverfassungsrichter, S. 44 ff. 154  Kröger,

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Kap. 5: Verfassungsrechtliche Bewertung einzelner Ausschüsse

folgt. Der Bürger erfährt also weiterhin nichts über die Gründe, die zur Wahl eines bestimmten Richters geführt haben. Es wird noch nicht einmal offengelegt, welche Abgeordneten und Fraktionen für oder gegen bestimmte Kandidaten gestimmt haben. Das Wahlverfahren bleibt insofern auch nach der geplanten Neufassung weitestgehend intransparent. Der Eingriff in das allgemeine Öffentlichkeitsprinzip besteht insofern unvermindert fort. Es kann auf die vorstehenden Ausführungen zum Eingriff in das Öffentlichkeitsprinzip verwiesen werden. Für eine verfassungskonforme Richterwahl wäre zumindest eine öffentliche Stimmabgabe notwendig. Wünschenswert wäre darüber hinaus eine öffentliche Aussprache vor der Wahl, damit die Abgeordneten gegebenenfalls ihre ablehnende Haltung gegenüber den einzelnen Kandidaten begründen können. Nur so wird eine kritische Kontrolle der Wahlentscheidung durch den Souverän ermöglicht. Eine gesteigerte Verantwortlichkeit und Transparenz des Kreationsaktes dürfte eine Stärkung des Ansehens und des Vertrauens der Gerichtsbarkeit zur Folge haben. Verfassungswidrig ist zudem, dass die Verschwiegenheitspflicht des nunmehr vorbereitenden Richterwahlausschusses gemäß § 6 Abs. 4 BVerfGG unverändert fortbesteht. Die Gesamtheit der Abgeordneten über Richterkandidaten abstimmen zu lassen, ohne sie umfassend vorher über die Erwägungen und Motive eines Wahlvorschlages zu informieren, ist unter dem Gesichtspunkt der repräsentativen Demokratie unhaltbar. § 6 Abs. 4 BVerfGG ist daher verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verschwiegenheitspflicht über die persönlichen Verhältnisse und die Abstimmung einer vollständigen Information des Plenums über die fachliche Eignung, die politischen Ansichten im weiten Sinne und über sonstige mit der Person verbundene Eigenschaften, die für die Wahl zu einem politischen Richteramt mit gutem Grund von Interesse sein können, nicht entgegenstehen. Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte und zur Vermeidung einer öffentlichen Diskreditierung der Richterkandidaten ist es ausreichend, die Sphäre der Verschwiegenheit auf die Beziehung zwischen den Abgeordneten und dem Volk einzugrenzen. Schließlich ist angesichts der weiterhin sehr großen Bedeutung des Richterwahlausschusses, die nach wie vor mit dem Vorschlagsrecht und der Vorauswahl von Richterkandidaten verbunden ist, die äußerst kleine Besetzung mit nur 12 Abgeordneten bedenklich. Um informelle Absprachen über die Postenvergabe zurückzudrängen und vielschichtigere Interessenströmungen zu berücksichtigen sowie gegebenenfalls auch fraktionslosen Abgeordneten die Mitgliedschaft im Ausschuss zu ermöglichen, wäre es verfassungsrechtlich geboten, die Größe des Ausschusses der eines normalen Fachausschusses anzupassen.



C. Hauptausschuss257

C. Hauptausschuss Abschließend soll die Verfassungsmäßigkeit des Hauptausschusses genauer untersucht werden. Der aus 47 Abgeordneten bestehende Hauptausschuss wurde am 28.11.2013 für die Zeit bis zur Einsetzung der ständigen Bundestagsausschüsse durch Beschluss des Bundestagsplenums konstituiert.158 Die Bildung des Hauptausschusses ist mit den komplizierten und langwierigen Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl 2013 zu erklären. Obwohl der erste Zusammentritt des Bundestages am 22.10.2013 genau einen Monat nach dem Urnengang stattfand und damit die Frist des Art. 39 Abs. 2 GG voll ausschöpfte,159 war zu diesem Zeitpunkt noch kein Ende der Koalitionsverhandlungen zwischen den Fraktionen der CDU / CSU und SPD in Sicht. Besondere Unwägbarkeiten waren dabei mit dem von der SPD-Fraktion angekündigten Mitgliederentscheid verbunden. Der parlamentarischen Gewohnheit, die Bundestagsausschüsse auf die Bundesministerien zuzuschneiden,160 war ohne eine stehende Bundesregierung die Grundlage entzogen. Die personelle Besetzung der Ausschüsse und ihrer Vorsitze konnte so nicht parteipolitisch auf die entsprechenden Bundesminister abgestimmt werden. Wegen des Risikos, schließlich die Ausschüsse umbesetzen oder gar neu bilden zu müssen, wurde ihr Zusammentritt vor Abschluss der Koalitionsverhandlungen von den Fraktionen der CDU / CSU und SPD verhindert.161 Am 19.12.2013 wurde die Einsetzung der Ausschüsse vom Bundestag beschlossen.162 Die Konstituierung der Ausschüsse wurde allerdings durch den Jahreswechsel verzögert und erfolgte erst am 15.01.2014.163 Mit der Konstituierung der Ausschüsse wurde der Hauptausschuss aufgelöst. Der Hauptausschuss war für diese Zeit seines Bestehens Ausschuss „im Sinne der Art. 45, 45a und 45c“ GG und „zudem Haushaltsausschuss im Sinne der entsprechenden gesetzlichen und geschäftsordnungsrechtlichen Vorgaben.“164 Zusätzlich konnte die Zuständigkeit des Hauptausschusses in 158  Pressemitteilung des Bundestages vom 28.11.2013, abrufbar unter http://www. bundestag.de/presse/hib/2013_11/01/260310 (zuletzt abgerufen am 12.10.2015); vgl. Antrag der CDU/CSU- und SPD-Fraktionen vom 27.11.2013, BT-Drs. 18/101. 159  Abrufbar unter: http://www.bundestag.de/service/glossar/Z/zus_tritt/246402 (zu­letzt abgerufen am 01.07.2015); Heppner/Wierny, auf: https://www.juwiss.de/1162013/, veröffentlicht am 22.11.2013 (zuletzt aufgerufen am 20.07.2015). 160  Vgl. Kapitel 3: D. I. 161  Vgl. Antrag der Fraktion Die Grünen vom 27.11.2013, BT-Drs. 18/102; ­Koschmieder, in: NVwZ 2014, S. 852 f. 162  Vgl. BT-Plenarprotokoll vom 19.12.2013, S. 1, 8 ff. 163  Fuchs, in: DVBl 2014, S. 886. 164  BT-Drs. 18/101 vom 27.11.2013.

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Kap. 5: Verfassungsrechtliche Bewertung einzelner Ausschüsse

sonstigen Fällen durch eine Überweisung des Plenums begründet werden. Im Prinzip wurden im Hauptausschuss sämtliche Ausschusszuständigkeiten gebündelt.165 Ob die Bildung eines solchen „Super-Ausschusses“ verfassungskonform ist, bleibt im Folgenden zu untersuchen.166

I. Verfassungsmäßigkeit Gegen den Hauptausschuss bestehen bereits grundlegende verfassungsrechtliche Bedenken, die damit verbunden sind, dass qua Parlamentsbeschluss alle verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Pflichtausschüsse, namentlich Europaausschuss, Auswärtiger Ausschuss, Verteidigungsausschuss und Petitionsausschuss, von einem einzigen Gremium verkörpert werden. So wird zunächst argumentiert, dass dem Hauptausschuss faktisch parallel zu den Ausschüssen der Art. 45 GG ff. deckungsgleiche Kompetenzen verliehen würden. Der Hauptausschuss höhle damit die Kompetenzen dieser im Grundgesetz vorgesehen Pflichtausschüsse aus und sei daher verfassungswidrig. Auch wenn die nach Art. 45 GG ff. obligatorisch einzurichtenden Ausschüsse noch nicht eingesetzt worden seien, so bestünden sie doch wegen ihrer verfassungsrechtlichen Institutionalisierung zwischen den Legislaturperioden „latent“ weiter.167 Parallel dazu einen Hauptausschuss einzusetzen, sei unzulässig. Allerdings vermag diese Ansicht von ihrer Grundannahme her, Hauptausschuss und Pflichtausschüsse bestünden nebeneinander, nicht zu überzeugen. Auch die Pflichtausschüsse unterliegen dem Grundsatz der Diskontinuität und hören mit dem Ende einer Legislaturperiode auf zu existieren.168 Die institutionelle Garantie der Art. 45 GG ff. beschränkt sich alleine darauf, dass der Bundestag diese Ausschüsse einrichten muss, verbürgt aber keinen ungebrochenen Fortbestand über Bundestagswahlen hinaus. Das ist auch im Wortlaut der Verfassung angelegt, wonach der Bundestag die Pflichtausschüsse „bestellt“, und nicht jeweils bestehende Ausschüsse lediglich personell neu besetzt. Dies ist auch nur folgerichtig, unterliegt doch die Geschäftsordnung des Bundestages selbst, obwohl ihr Erlass nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich verpflichtend ist, gleichermaßen unstreitig der Diskontinuität. Eine Kollision oder Überschneidung zwischen 165  Presseerklärung von Bundestagspräsident Lammert vom 20.11.2013, http:// www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2013/47861748_kw47_statement_lammert/ 214042 (zuletzt abgerufen am 01.07.2015); Koschmieder, in: NVwZ 2014, S. 852 (853); vgl. Fuchs, in: DVBl 2014, S. 886 (890 f.). 166  Vgl. Zur Bezeichnung Koschmieder, in: NVwZ 2014, S. 852. 167  Koschmieder, in: NVwZ 2014, S. 852 (854); vgl. Maunz/Klein, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 39 Rn. 50. 168  Brocker, in: BeckOK GG, Art. 39 Rn. 4.



C. Hauptausschuss259

dem Hauptausschuss und den Pflichtausschüssen liegt daher nicht vor. Das Argument verfängt nicht. Gleichwohl ist der Hauptausschuss insofern verfassungswidrig, als dass dadurch der Vorgabe in den Art. 45 GG ff. zur Einsetzung der Pflichtausschüsse nicht entsprochen wird.169 Das Grundgesetz sieht ausdrücklich vor, dass der Bundestag jeweils einen Ausschuss für die in den Art. 45 GG ff. beschriebenen Sachgebiete einrichtet. Damit besteht in organisatorischer Hinsicht eine „Bestandsgarantie“, nämlich dass die Ausschüsse obligatorisch einzurichten sind, und eine „Substanzgarantie“, die deren Zuständigkeitsbereich gewährleistet und eine Zusammenlegung mit anderen Ausschüssen unterbindet.170 Die Bildung dieser Ausschüsse steht nicht zur freien Disposition des Parlaments.171 Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben kann nicht dadurch entsprochen werden, dass einem einzigen temporären Ausschuss die Aufgaben sämtlicher Pflichtausschüsse zugeschrieben werden. Denn der Hauptausschuss kann eben nicht zugleich Ausschuss „im Sinne der Art. 45, 45a und 45c“ GG sein. Die Intention des Verfassungsgebers, besonderen Themenfeldern aufgrund ihrer besonderen Bedeutung mit eigens und exklusiv hierfür eingerichteten Ausschüssen gerecht zu werden, würde unterlaufen, könnten beliebige Fachausschüsse formal als Ausschuss im Sinne der Art. 45 GG ff. deklariert werden. Es verstößt zudem gegen den Grundsatz der checks and balances, einem einzigen Hauptausschuss die besonderen Machtbefugnisse sämtlicher grundgesetzlich verankerten Pflichtausschüsse anzuvertrauen. Das Grundgesetz gesteht einzelfallgerecht und funktionsbezogen den besonderen Ausschüssen der Art. 45 GG ff. besondere Handlungsinstrumente zu. In einigen Fällen handelt es sich dabei um spezifische Ausschusskompetenzen, die über die Befugnisse des Bundestagsplenums hinausgehen.172 Diese vom Verfassungsgeber gewollte Machtbalancierung wird durch eine Bündelung sämtlicher Kompetenzen und Spezialbefugnisse in einem Superausschuss untergraben.173 Der, wenn auch nur kurzfristig eingesetzte, Hauptausschuss war folglich verfassungswidrig.174 Zudem ist mit dem Hauptausschuss auch insofern ein Verfassungsverstoß verbunden, als dass in Folge die Pflichtausschüsse nicht rechtzeitig konstituiert wurden. Die in den Art. 45 GG ff. geregelten Ausschüsse sind verfas169  Vgl. Koschmieder, in: NVwZ 2014, S. 852 (854); Dürig/Klein, in: Maunz/ Dürig, Art. 45a Rn. 2. 170  Fuchs, in: DVBl 2014, S. 886 (891). 171  Dürig/Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 45a Rn. 2. 172  Vgl. Kapitel 4: A. II. 1. c) bb), dd), ff). 173  Vgl. Fuchs, in: DVBl 2014, S. 886 (892 f.). 174  A. A. Winkelmann, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, § 23 Rn. 6.

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Kap. 5: Verfassungsrechtliche Bewertung einzelner Ausschüsse

sungsrechtlich zwingend vorgeschrieben. Zwar enthält das Grundgesetz keine explizite Angabe darüber, wann diese Ausschüsse einzusetzen sind.175 Allerdings muss das nach einhelliger Auffassung in der Literatur „zu Beginn“176 einer neuen Legislaturperiode oder „unverzüglich nach“ dem Zusammentritt des Bundestages erfolgen.177 Die verfassungsrechtliche Bestandsgarantie soll gerade einen möglichst dauerhaften Bestand der Pflichtausschüsse gewährleisten. Das ist auch mit Blick auf die besonderen Aufgabenbereiche der Pflichtausschüsse zweckmäßig. Das Petitionsrecht der Bürger sowie die Materien der Europa-, Außen- und Verteidigungspolitik erfordern eine kontinuierliche parlamentarische Aufmerksamkeit, losgelöst von der jeweiligen nationalstaatlichen Regierungsbildung. Der Verfassungsgeber wollte den Bestand dieser Ausschüsse gerade nicht vom parteipolitischen Taktieren um eine Regierungsbildung abhängig machen. Die Konstituierung der Pflichtausschüsse fast 4 Monate nach der Wahl zum Deutschen Bundestag und immerhin knapp 3 Monate nach dem ersten Zusammentritt des 18. Deutschen Bundestages genügt diesen Anforderungen nicht. Auch in der zeitlichen Verzögerung der Einsetzung der Pflichtausschüsse liegt daher ein Verfassungsverstoß.

II. Verhältnismäßigkeit Losgelöst von der grundsätzlichen Unvereinbarkeit des Hauptausschusses mit dem Wortlaut und Telos der Art. 45 GG ff. stellt sich die Frage, ob der Hauptausschuss dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügte. Dabei kann vorliegend eine gesonderte Prüfung des Eingriffs in das allgemeine Öffentlichkeitsprinzip unterbleiben. Die Öffentlichkeit wurde durch den Hauptausschuss nicht weitergehend verkürzt, als dass dies auch bei den normalen Fach- oder Pflichtausschüssen der Fall gewesen wäre. Es kann insofern auf die Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit der Nichtöffentlichkeit der normalen Fachausschüsse verwiesen werden.178 Zu untersuchen bleibt vorliegend, ob die Beeinträchtigung des Abgeordnetenstatus und der Gesamtrepräsentation durch die Bildung des Hauptausschusses gerechtfertigt war. Dabei ist grundsätzlich festzustellen, dass durch die Bündelung sämtlicher Ausschusszuständigkeiten in einem einzigen Gremium besonders schwerwiegend in den Abgeordnetenstatus und die Gesamt­ repräsentation eingegriffen wurde. Der Grundsatz, dass jeder Abgeordnete Anspruch auf zumindest einen Ausschusssitz hat,179 wurde durch die Bil175  Koschmieder,

in: NVwZ 2014, S. 852 (853). in: NVwZ 2014, S. 852 (853) m. w. N. 177  Dürig/Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 45a Rn. 12. 178  Siehe Kapitel 3: D. III. 2. c). 179  Siehe Kapitel 3: D. III. 1. b) bb) (2). 176  Koschmieder,



C. Hauptausschuss261

dung eines einzigen Hauptausschusses suspendiert. Die am Ausschuss nicht beteiligten Abgeordneten wurden von der parlamentarischen Tätigkeit weitgehend ausgeschlossen.180 Die vorbereitende Parlamentsarbeit blieb exklusiv den Ausschussmitgliedern vorbehalten. Der Hauptausschuss führte so zu einer Zweiklassengesellschaft unter den Abgeordneten. Die Eingriffsintensität wurde lediglich dadurch abgeschwächt, dass sich während der Koalitionsverhandlungen – ohne eine funktionierende Regierung – das Parlament ohnehin in einem Wartemodus befand und die Bundestagsarbeit in Folge stark gedrosselt war.181 Gleichwohl erscheint die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in den Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation äußerst problematisch. 1. Legitimes Ziel und Geeignetheit Fraglich ist zunächst einmal, inwiefern mit der Einsetzung des Hauptausschusses ein verfassungsrechtlich legitimiertes Ziel verfolgt wurde. Erkennbar ging es den Fraktionen der CDU / CSU und SPD darum, eine herkömm­ liche Ausschussbildung noch vor Abschluss der Koalitionsverhandlungen he­rauszuzögern. Eine spätere Ausschussumbildung oder personelle Neubesetzung sollte vermieden werden. Um eine rudimentäre Funktionsfähigkeit des Parlaments auch während des langfristigen Regierungsbildungsprozesses zu gewährleisten, sollte der Hauptausschuss gewissermaßen als Notlösung fungieren. Allerdings ist zu beachten, dass es dem Bundestag jederzeit möglich war, das reguläre Ausschusswesen einzusetzen. Eine Art Verfassungsnotstand, der den Hauptausschuss hätte rechtfertigen können, war tatsächlich nicht gegeben. Alleine das Hinausschieben der Ausschusseinsetzung zur Vermeidung eines späteren Mehraufwandes kann aber kein legitimer Zweck sein, um in den Status der Abgeordneten und den Grundsatz der Gesamtrepräsentation einzugreifen. Ein solcher liegt erst dann vor, wenn pauschal auf die Funktionsfähigkeit des Bundestages abgestellt wird. Bei einer solchen Betrachtungsweise war die Bildung eines Hauptausschusses auch grundsätzlich dazu geeignet, die Funktionsfähigkeit des Bundestages noch vor der Einsetzung der eigentlichen Bundestagsausschüsse sicherzustellen. 2. Erforderlichkeit Die Einsetzung des Hauptausschusses genügte allerdings nicht dem Grundsatz der Erforderlichkeit. Es wäre zwar völlig widersinnig gewesen, als milFuchs, in: DVBl 2014, S. 886 (890). Kämmerer, in: NVwZ 2014, S. 29 (31); vgl. Winkelmann, in: Morlok/ Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, § 23 Rn. 6. 180  A. A. 181  Vgl.

262

Kap. 5: Verfassungsrechtliche Bewertung einzelner Ausschüsse

deres Mittel alle Bundestagsabgeordneten an dem Hauptausschuss zu beteiligen.182 Allerdings kam als milderes Mittel in jedem Fall die Konstituierung der regulären Fach- und Pflichtausschüsse in Betracht. In diesem Fall wäre eine umfassende Einbindung aller Bundestagsabgeordneten in die Parlamentsarbeit sichergestellt gewesen und es hätte keine Kompetenzbündelung der Bundestagsaufgaben in den Händen weniger Abgeordneter in einem einzigen Superausschuss gegeben. Der mit dem Hauptausschuss verbundene Eingriff in den Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation wäre schlicht entfallen. Zugleich hätte man durch dieses Mittel die Funktionsfähigkeit des Parlaments gestärkt. Nur so würde die mit den Bundestagsausschüssen grundsätzlich verfolgte Zwecksetzung einer Arbeitsteilung und Arbeitsentlastung des Plenums erreicht. Indem anstatt des gesamten Plenums ein einziger Ausschuss alle Aufgaben wahrnehmen sollte, wurde der Spezialisierungsgedanke ad absurdum geführt.183 Die jeweiligen Experten unter den Fraktionen konnten gerade nicht den entsprechenden Sachgebieten zugeordnet werden. Stattdessen wurden sämtliche Parlamentsaufgaben von nur 47 Angeordneten wahrgenommen, die in die einzelnen Fachgebiete im Zweifelsfall gar nicht eingearbeitet waren und sich fundierte Detailkenntnisse erst noch aneignen mussten. Daneben blieben die allermeisten Abgeordneten, die oftmals noch aus der vorherigen Legislaturperiode fundierte Kenntnisse auf einem bestimmten Fachgebiet besaßen, unbeschäftigt. Anstatt einer Arbeitsteilung wurde der Großteil der Abgeordneten mit ihrer Arbeitskraft und ihrem Expertenwissen schlicht von der eigentlichen Parlamentsarbeit ausgeschlossen.184 Ein verfassungsrechtlich zwingender Grund, die Ausschussbildung erst nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen vorzunehmen, war dabei nicht ersichtlich. Selbst wenn die Fraktionen in Folge der Regierungsbildung eine Umgestaltung der Ausschüsse für erforderlich gehalten hätten, wäre dies ohne größeren Aufwand möglich gewesen.185 Eine Neubesetzung der Ausschüsse ist durch eine formlose Mitteilung der Fraktionen an das Parlament möglich, in der die neuen Abgeordneten benannt und die alten abgezogen werden. Die Konstituierung gänzlich neuer Ausschüsse ist durch einen einfachen Parlamentsbeschluss möglich. Die Einsetzung des Hauptausschusses anstelle des komplexen und ausdifferenzierten Ausschusswesens genügte daher nicht dem Grundsatz der Erforderlichkeit und war auch deshalb verfassungswidrig.

Fuchs, in: DVBl 2014, S. 886 (890). auf: http://www.juwiss.de/116-2013/, veröffentlicht am 22.11. 2013 (zuletzt abgerufen am 20.07.2015). 184  Kämmerer, in: NVwZ 2014, S. 29 (31). 185  Fuchs, in: DVBl 2014, S. 886 (892). 182  Vgl.

183  Heppner/Wierny,

Kapitel 6

Zusammenfassung 1.  Die Delegation parlamentarischer Befugnisse vom Bundestag auf Ausschüsse berührt im Kern das Prinzip demokratischer Repräsentation. Das Repräsentationsprinzip ist im Grundgesetz unmittelbar nur in Art.  20 Abs. 2 GG festgeschrieben, manifestiert sich daneben aber in zahlreichen anderen Verfassungsnormen. So können die Bestimmungen über das Wahlrecht, das freie Mandat der Abgeordneten oder das Parlament als Ausprägungen des Repräsentationsprinzips begriffen werden. Es ist dabei stets zu berücksichtigen, dass die jeweiligen Ausprägungen in ihrem Bedeutungsgehalt in Bezug auf das dahinter stehende Repräsentationsprinzip zu bestimmen sind. So kommt etwa der verfassungsrechtliche Status den Abgeordneten nur in ihrer Funktion als Repräsentanten zu. Die Geltungskraft des Abgeordnetenstatus ist insofern anhand seiner Bedeutung für das Repräsenta­ tionsprinzip zu bestimmen und darf nicht isoliert als Selbstzweck betrachtet werden.1 2.  Die tragende Säule demokratischer Repräsentation im Grundgesetz ist die Verkettung von Wählern, Abgeordneten und Bundestag. Fundamental für die Übertragung politischer Macht vom Volk ins Parlament ist das Prinzip demokratischer Egalität. Die Gleichheit der Wähler bedingt die Gleichheit der Abgeordneten und führt zur Gleichheit der Fraktionen. Damit korreliert das Prinzip der Gesamtrepräsentation für die Arbeit des Bundestages. Nur wenn alle gewählten Abgeordneten gleichermaßen in die Parlamentsarbeit eingebunden sind, kann von einer tatsächlichen Erfolgsgleichheit der einzelnen Wahlstimmen gesprochen werden. Das Verhältnis zwischen Repräsentanten und Repräsentierten ist dabei durch Elemente der Freiheit und Verantwortlichkeit geprägt. Dieser Zurechnungszusammenhang wird zunächst einmal im Wahlakt selbst hergestellt. Darüber hinaus entfaltet er sich in einem fortlaufenden Prozess demokratischer Responsivität zwischen der öffentlichen Meinung und den gewählten Abgeordneten. Dieses Repräsentationskonzept des Grundgesetzes darf nicht mit identitär-demokratischen Vorstellungen vermengt werden. Es ist nicht Aufgabe der Abgeordneten, einen hypothetischen, präexistenten Volkswillen herauszufiltern und greifbar zu machen. Die Repräsentanten bilden einen politischen Willen für das Volk und nicht den 1  Kapitel 2:

A. und B. III.

264

Kap. 6: Zusammenfassung

Willen des Volkes. Das Bilden eines Willens für das Volk setzt aber nicht zwingend die Mitwirkung sämtlicher Abgeordneten daran voraus.2 3.  Weitere zentrale Elemente des Repräsentationsprinzips sind der Grundsatz der Parlamentsautonomie und das Verfassungsgebot der Funktionsfähigkeit des Bundestages. Die Parlamentsautonomie schützt die Unabhängigkeit des parlamentarischen Raums und der Repräsentanten vor der Einwirkung anderer Staatsgewalten. Insbesondere bleibt es dem Parlament vorbehalten, die Regelungen für die internen Arbeitsabläufe und die konkreten Beteiligungsrechte der Abgeordneten über die Geschäftsordnung selbst zu bestimmen. Leitendes Motiv ist dabei das Verfassungsgebot der Funktionsfähigkeit des Bundestages. Auch hierbei handelt es sich um einen zentralen Aspekt des Repräsentationsprinzips. Die Arbeits- und Entscheidungsfähigkeit des Parlaments sind logische Grundvoraussetzung für die demokratische Herrschaftsausübung. Nur der funktionierende Bundestag kann seiner Repräsentationsfunktion gerecht werden. Die Funktionsfähigkeit als abstrakte Prämisse muss sich dabei gegenüber vielfachen konkreten Anforderungen behaupten. So ist die Funktionsfähigkeit des Parlaments nicht nur unter den Anforderungen einer gestiegenen Arbeitslast und Komplexität parlamentarischer Aufgaben zu gewährleisten, sondern muss zuweilen auch unter den Bedingungen strenger Geheimhaltung oder großer Eilbedürftigkeit sichergestellt werden.3 4. Ein wesentliches Instrument parlamentarischer Selbstorganisation ist die Einrichtung von Ausschüssen. Der Bundestag hat sich ein umfassendes Ausschusswesen geschaffen, in dem der überwiegende Anteil der parlamentarischen Arbeit geleistet wird. In den Ausschüssen finden sich im Regelfall die einschlägigen Experten unter den Abgeordneten. Die Ausschüsse steuern so oftmals das notwendige Expertenwissen der Parlamentsarbeit bei. Außerdem vervielfältigen die Ausschüsse die Berührungspunkte zwischen Parlament und Gesellschaft und bewirken damit eine breite und tief reichende Verzahnung zwischen der Volksvertretung und gesellschaftlichen Interessengruppen aller Art. Zugleich sind die Ausschüsse besonders empfänglich für eine Einflussnahme durch Interessengruppen und Lobbyverbände. Die Macht der Ausschüsse ist dabei aufgrund der Einbindung der Abgeordneten in ihre Parteien und Fraktionen nicht zu überschätzen. Auch die Ausschussabgeordneten unterliegen der Fraktionsdisziplin und -loyalität. Sie stehen insofern nicht nur gegenüber den Wählern in der Verantwortung, sondern auch unter dem prüfenden Blick ihrer Fraktionen und Parteien.4

2  Kapitel 2:

B. C.  4  Kapitel 3: A.  3  Kapitel 2:



Kap. 6: Zusammenfassung265

5.  Die weit überwiegende Zahl der Ausschüsse wird durch die Geschäftsordnung des Bundestages eingerichtet. Daneben finden sich verfassungsrechtliche und gesetzliche Rechtsgrundlagen für Ausschüsse. Gegen keine der möglichen Rechtsgrundlagen bestehen Bedenken. Auch gesetzlich normierte Ausschüsse sind verfassungsrechtlich legitim. Da das Gesetz gleichermaßen wie die Geschäftsordnung unmittelbar auf die Verfassung zurückzuführen ist und sowohl die Gesetzgebungsfunktion wie auch die Parlamentsautonomie in einem unmittelbaren Bezug zum Demokratieprinzip stehen, ist von einer Gleichrangigkeit beider Normtypen auszugehen. In Folge gilt zwischen beiden Regelungssystemen der lex posterior-Grundsatz. Gesetze können also durch die GOBT überlagert und modifiziert werden, sofern der Anwendungsbereich des Selbstorganisationsrechts gegeben ist. Eine Gefährdung der parlamentarischen Unabhängigkeit durch eine gesetzliche Durchbrechung der Diskontinuität oder durch die Mitwirkungsrechte der Exekutiven im Gesetzgebungsverfahren droht daher nicht.5 6. Auch in materieller Hinsicht bestehen gegen die vorbereitenden Fachausschüsse keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Zu untersuchen ist dabei die Verfassungsmäßigkeit einerseits mit Hinblick auf den Eingriff in den Abgeordnetenstatus und den Grundsatz der Gesamtrepräsentation und andererseits hinsichtlich der Verkürzung des allgemeinen Öffentlichkeitsprinzips. Die Einschränkung der Wahlrechts- und Fraktionsgleichheit bedarf daneben keiner separaten Untersuchung. Prüfungsmaßstab ist jeweils das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Es ist dabei zu beachten, dass es sich bei den betroffenen Verfassungsgütern um verschiedenartige Ausprägungen des Repräsentationsprinzips handelt. Die Abwägung und Zuordnung der verschiedenen betroffenen Verfassungswerte ist nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz vorzunehmen. Es muss dabei stets das Ziel sein, dass das Repräsentationsprinzip insgesamt zur optimalen Wirksamkeit gelangt. Die Beeinträchtigung der Gesamtrepräsentation, des Abgeordnetenstatus und der Öffentlichkeit muss durch einen Zugewinn für die Funktionsfähigkeit des Parlaments zumindest aufgewogen werden. Bei einer Gesamtwürdigung muss das Prinzip der parlamentarischen Repräsentation insgesamt gestärkt werden.6 7.  Der Eingriff in den Abgeordnetenstatus und den Grundsatz der Gesamt­ repräsentation durch die Delegation vorbereitender Aufgaben auf die Fachausschüsse ist danach gerechtfertigt. Die Fachausschüsse sind wegen ihrer Spezialisierung und der Entlastung des Plenums wesentliche Bedingung für die Funktionsfähigkeit des Bundestages. Da die Ausschusstätigkeit durch die Beratungen und Beschlussfassung im Plenum an die Gesamtheit der Abge5  Kapitel 3: 6  Kapitel 3:

A. I. und B. D. II. 

266

Kap. 6: Zusammenfassung

ordneten rückgebunden ist, wird zudem eine weitreichende Inklusionsdynamik ermöglicht. Durch vielfältige Verbindungen und Wechselwirkungen zwischen den Ausschussabgeordneten mit ihren Fraktionen und Parteien wird eine gesamtheitliche Einbindung der Ausschussarbeit in den parlamentarischen Raum bewirkt. Von zentraler Bedeutung ist hierfür auch die Abhängigkeit der Ausschussabgeordneten von der Zustimmung ihrer Fraktionskollegen bei der späteren Schlussabstimmung im Plenum. Die Eingriffsintensität wird so im Ergebnis erheblich reduziert. Das Repräsentationsprinzip wird insgesamt gestärkt.7 8.  Ebenso ist die Verkürzung des Öffentlichkeitsprinzips durch die nichtöffentlichen Ausschussberatungen verfassungskonform. Mit dem Ausschluss der Öffentlichkeit wird das Ziel verfolgt, eine offene Ausschussberatung zu ermöglichen und die Kompromissbereitschaft zu steigern. Zudem soll das weitergehende Verlagern der Entscheidungsfindung in informelle Räume außerhalb des parlamentarischen Bereichs verhindert werden. Der Ausschluss der Öffentlichkeit von den Ausschussverhandlungen ist dafür grundsätzlich geeignet und erforderlich. Schließlich gilt es, auch hier die relativ geringe Eingriffsintensität zu beachten. Die wesentlichen Argumente für und gegen bestimmte Gesetzesvorhaben werden in den vorausgehenden und nachfolgenden Beratungen im Plenum für die Öffentlichkeit nachvollziehbar dargestellt. Hinzu kommt, dass durch die fehlende Geheimhaltung und die Berichterstattungsöffentlichkeit durch die Ausschüsse auch hier ein gewisses Maß an Publizität erreicht wird. Es steht allen Abgeordneten offen, den Ausschusssitzungen als Zuhörer beizuwohnen und gegebenenfalls den Inhalt im Plenum oder der Presse zu kommentieren. Durch das Schaffen nichtöffentlicher Räume für die Repräsentanten wird der Repräsentationsgedanke insgesamt daher gestärkt.8 9. Die Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen ist umstritten. Die jüngere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geht in besonders gelagerten Fällen implizit von der Verfassungsmäßigkeit beschließender Gremien aus. Eine fundierte dogmatische Begründung gibt das Bundesverfassungsgericht dabei nicht ab. Das ist deshalb besonders augenfällig, weil die Rechtsprechung nicht frei von Widersprüchen ist. Auf der einen Seite vertritt die Verfassungsgerichtsbarkeit den Standpunkt, das Volk würde nur durch das Plenum angemessen repräsentiert und Entscheidungen seien daher der Vollversammlung vorbehalten. Auf der anderen Seite wird allerdings die Beschlussfassung im Ausschuss unter strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen für zulässig erachtet.9 7  Kapitel 3:

D. III. 1. D. III. 2. 9  Kapitel 4: A. I. 8  Kapitel 3:



Kap. 6: Zusammenfassung267

10. In der Literatur werden vielfältige Meinungen zu der Problematik vertreten. Eine überwiegende Tendenz oder gar eine herrschende Lehre lässt sich nicht erkennen. Das Meinungsspektrum reicht dabei von einer kategorischen Unzulässigkeit von Entscheidungsdelegationen bis hin zum freien Ermessen des Parlaments, ob es eine Beschlussfassung selbst vornimmt oder auf seine Ausschüsse überträgt. Die Begründungen für die eine wie die andere Seite variieren dabei stark.10 11. Ein Delegationsverbot lässt sich dem Wortlaut des Grundgesetzes nicht entnehmen. Zwar wird in der Verfassung mit dem Bundestag grundsätzlich das Parlament und damit zunächst einmal die Vollversammlung ­adressiert. Es ist dem Prinzip der repräsentativen Demokratie immanent, dass mit einer Zuständigkeit des Bundestages grundsätzlich die Zuständigkeit des Plenums begründet wird. Daraus folgt allerdings nicht, dass Ausschüsse der Sache nach keine Entscheidungen treffen könnten. Das Demokratieprinzip verbürgt zugleich die Parlamentsautonomie, welche umfassend zur parlamentarischen Selbstorganisation ermächtigt. Es ist nicht ersichtlich, dass der Verfassungsgeber Entscheidungsbefugnisse dem Anwendungsbereich der Parlamentsautonomie entziehen wollte. Bei einer Aufgabenverschiebung innerhalb des Parlaments bleibt die Organzuständigkeit des Bundestages unberührt. Ausschussentscheidungen werden dem Bundestag zugerechnet, so dass die verfassungsrechtliche Kompetenzordnung erhalten bleibt. Die Regelzuständigkeit des Plenums schließt die Möglichkeit einer (Entscheidungs-)Delegation nicht grundsätzlich aus.11 12. Auch aus den verfassungsrechtlich normierten Ausschüssen der Art. 44 GG ff. in Verbindung mit dem Grundsatz der Einheit der Verfassung lässt sich kein Delegationsverbot für Entscheidungsbefugnisse konstruieren. Bei keinem einzigen Pflichtausschuss ist die verfassungsrechtliche Kodifikation auf eine etwaige Entscheidungsbefugnis zurückzuführen. Bei der überwiegenden Zahl der Pflichtausschüsse ist die verfassungsrechtliche Normierung deshalb eine sachliche Notwendigkeit, weil dem Ausschuss besondere Informations- und Kontrollbefugnisse verliehen werden, die dem Plenum vorenthalten bleiben. Bei einigen Ausschüssen lässt sich die Kodifizierung im Grundgesetz mit verfassungspolitischen oder historischen Gründen erklären. Eine Verbindung zu Entscheidungskompetenzen gibt es nicht.12 13.  Das Grundgesetz enthält keinen abschließenden Regelungskatalog für delegierbare Kompetenzen. Es enthält sowohl Regelungen, die eine Ausschussentscheidung ausdrücklich vorsehen, als auch solche, die offenkundig 10  Kapitel 4:

A. II. und III. A. II. 1. a) und b). 12  Kapitel 4: A. II. 1. c). 11  Kapitel 4:

268

Kap. 6: Zusammenfassung

die Beschlussfassung durch das Plenum erfordern. In den weit überwiegenden Fällen lässt es die Verfassung offen, ob ein Beschluss im Ausschuss oder im Plenum zu treffen ist. Das Grundgesetz ist insofern eine offene Verfassung, die nur die rechtlichen Grundlagen und Rahmenbedingungen selbst regelt. Die Offenheit der Verfassung gewinnt gerade im Bereich der Parlamentsautonomie einen besonderen Stellenwert. Denn erst durch einen offenen Raum, den es normativ auszugestalten gilt, gewinnt die Parlamentsautonomie Wirkungsmacht.13 14. Entscheidungsdelegationen sind auch nicht wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung unzulässig. Die Gewaltenteilung ist bei näherer Betrachtung von einer parlamentsinternen Aufgabenverschiebung gar nicht tangiert. Gewaltenteilung und checks and balances regeln das Verhältnis zwischen den verschiedenen Staatsgewalten und -organen. Davon wird aber nicht eine Aufgabenverteilung innerhalb eines Staatsorgans erfasst. Die Parlamentsausschüsse sind staatsorganisationsrechtlich dem Parlament zugeordnet. Ausschussentscheidungen sind in ihrer Außenwirkung Parlamentsentscheidungen. Eine Gewichtsverschiebung im Rahmen der checks and balances droht bei einer Ausschussdelegation nicht.14 15.  Die Delegation von Entscheidungsbefugnissen ist mit dem Repräsentationsprinzip nicht prinzipiell unvereinbar. Sofern argumentiert wird, dass repräsentative Entscheidungen einen dialektischen Prozess unter Einbeziehung aller Einzelinteressen im Plenum voraussetzen, Ausschüsse zur Vermittlung von Repräsentation folglich nicht fähig wären, ist das unzutreffend. Dieser Argumentation liegt eine Repräsentationsidee zugrunde, die mit dem Grundgesetz nicht in Einklang zu bringen ist. Die Repräsentation wird hier metaphysisch überhöht oder mit identitären Demokratievorstellungen vermengt. In der Repräsentation ist es weder die Aufgabe des Bundestages, einen vermeintlichen Volkswillen unverfälscht wiederzugeben, noch ist es die Aufgabe eines Ausschusses, einen vermeintlich wahrhaftigen Willen des Plenums zu ermitteln. Vielmehr geht es um ein demokratisch legitimiertes und verantwortliches Handeln für das Volk, was auch eine Repräsentation in Ausschüssen nicht schlechthin ausschließt.15 16. Ebenso ist eine Entscheidungsdelegation nicht deshalb grundsätzlich verfassungswidrig, weil mit ihr zugleich den am Ausschuss nicht beteiligten Abgeordneten das Stimmrecht entzogen wird. Das Stimmrecht der Abgeordneten wird vom Grundgesetz nicht absolut verbürgt. Die mit dem Abgeordnetenstatus verbundenen Rechte sind stets vor dem Hintergrund der Rolle der 13  Kapitel 4:

A. II. 1. d). A. II. 2. 15  Kapitel 4: A. II. 3. a). 14  Kapitel 4:



Kap. 6: Zusammenfassung269

Abgeordneten als Repräsentanten zu bestimmen. Die Abgeordnetenrechte stellen keinen Selbstzweck dar, sondern sind Ausfluss des Repräsentationsprinzips. Das Repräsentationsprinzip fordert aber nicht nur die prinzipiell gleichen Beteiligungsrechte für alle Abgeordneten, sondern es ist zugleich auf einen funktionsfähigen und damit repräsentationsfähigen Bundestag angewiesen. Angesichts der konstitutiven Bedeutung eines funktionsfähigen Parlaments für die Repräsentation hat das Stimmrecht des einzelnen Abgeordneten wie auch das Stimmrecht des einzelnen Wählers keinen absoluten Geltungsanspruch.16 17.  Die Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen lässt sich nicht über ein vermeintliches Verfassungsgewohnheitsrecht konstruieren. Unabhängig von der Frage, ob es überhaupt Verfassungsgewohnheitsrecht geben kann, liegen die Voraussetzungen dafür jedenfalls nicht vor. Ein Ausweichen auf Verfassungsgewohnheitsrecht ist vorliegend schon deshalb unstatthaft, weil die Verfassungsproblematik durch Auslegung und Interpretation des geschriebenen Verfassungstextes gelöst werden kann. Zudem fehlt es an einer für das Entstehen von Gewohnheitsrecht konstitutiven allgemeinen Rechtsüberzeugung bezüglich der Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen.17 18.  Die Zulässigkeit kann auch nicht aus dem Umstand gefolgert werden, dass jeder einzelne Abgeordnete zur Vertretung des ganzen Volkes berufen ist und dem Gedanken demokratischer Repräsentation daher auch durch Ausschussentscheidungen hinreichend Rechnung getragen werde. Zentrale Elemente der Repräsentation wie die Wahlrechts- und Abgeordnetengleichheit sowie die Gesamtrepräsentation werden durch die Ausschussdelegation beeinträchtigt. Dem Repräsentationsprinzip wird in den Ausschüssen insofern nicht gleichermaßen Rechnung getragen wie im Bundestagsplenum.18 19. Es kann nicht konstatiert werden, dass es Parlamentsaufgaben gäbe, die gar keiner repräsentativen Wahrnehmung bedürften und die daher problemlos von Ausschüssen ausgeführt werden könnten. Die elementare Repräsentationsfunktion erfasst sämtliche parlamentarischen Aufgabenbereiche. Auch vorbereitende und kontrollierende Aufgaben sind prinzipiell repräsentativ wahrzunehmen. Die Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen kann daher nicht von der Art einer Aufgabe abhängen.19 20.  Entsprechend kann die Übertragbarkeit von Entscheidungsbefugnissen nicht von einer etwaigen Außenwirkung abhängen. Auch Entscheidungen im Rahmen des parlamentarischen Binnenrechts müssen grundsätzlich repräsen16  Kapitel 4:

A. II. 3. b). A. III. 2. 18  Kapitel 4: A. III. 4. 19  Kapitel 4: A. III. 5. b).  17  Kapitel 4:

270

Kap. 6: Zusammenfassung

tativ erfolgen. Gerade die Geschäftsordnungsregelungen des Bundestages, die den Status der Abgeordneten wesentlich konkretisieren und ausgestalten, bedürfen ohne Zweifel der Zustimmung des gesamten Bundestages, obgleich ihnen keine Außenwirkung zukommt.20 21. Auch der Ansatz, die Zulässigkeit der Delegation pauschal anhand einzelner Kriterien wie der Wesentlichkeit oder Funktionsgerechtigkeit bestimmen zu wollen, überzeugt nicht. Das komplexe Zusammenspiel verschiedener Verfassungsgüter kann nicht anhand der Betrachtung eines einzelnen Parameters aufgelöst werden. Es wird dann alleine auf den Charakter oder die Bedeutung der delegierten Materie abgestellt, ohne dabei den Zweck der Aufgabenübertragung zu würdigen. Diese methodische Herangehensweise lässt keinen Raum für eine gesamtheitliche Berücksichtigung der verschiedenen betroffenen Verfassungsgüter.21 22. Entscheidende Ausschüsse müssen auch für die Schlussabstimmung nicht immer zwingend die Öffentlichkeit zulassen. Allerdings ist zu beachten, dass der Rechtfertigungsgrund einer effizienteren und offeneren Kompromisssuche eine nichtöffentliche Entscheidung selbst nicht zu rechtfertigen vermag. Aufgrund zwingender Gründe des Staatswohls, die eine vertrauliche Behandlung im Parlament erfordern, kann jedoch der Ausschluss der Öffentlichkeit gerechtfertigt werden. Eine funktionsfähige Parlamentsarbeit erfordert dann eine vertrauliche Aufgabenwahrnehmung. Liegen solche rechtfertigenden Gründe nicht vor, muss die Endabstimmung im Lichte der Öffentlichkeit erfolgen. Die davon abweichende Staatspraxis, in der etwa der Europaausschuss Beschlüsse nichtöffentlich trifft, ist verfassungswidrig.22 23.  Im Ergebnis kann die Zulässigkeit von Entscheidungsdelegationen nur anhand einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall überzeugend beantwortet werden. Voraussetzungen und Grenzen der Verhältnismäßigkeit einer Entscheidungsdelegation lassen sich dabei instruktiv anhand des EFSF-Sondergremiums gemäß § 3 Abs. 3 StabMechG a. F. aufzeigen. Auch hier gilt es, einerseits den mit der Ausschussdelegation originär verbundenen Eingriff in den Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation und andererseits den mit der nichtöffentlichen Beschlussfassung verbundenen Eingriff in das allgemeine Öffentlichkeitsprinzip separat zu untersuchen. Wegen der besonders hohen Eingriffsintensität sind daran strenge Anforderungen zu stellen.23 24.  Der mit der Delegation auf das Sondergremium verbundene Eingriff in den Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation genügt diesen An20  Kapitel 4:

A. III. 1. A. III. 3. und 5. a). 22  Kapitel 4: A. III. 6. 23  Kapitel 4: B. II. 21  Kapitel 4:



Kap. 6: Zusammenfassung271

forderungen nicht. Zwar wird mit der Übertragung der Beschlussfassung über die EFSF-Notmaßnahmen das verfassungsrechtlich legitime Ziel verfolgt, die Funktionsfähigkeit des Bundestages unter den besonderen Anforderungen strenger Geheimhaltung und besonderer Eilbedürftigkeit zu gewährleisten. Die Kompetenzübertragung auf das Sondergremium ist auch der Sache nach dazu geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Allerdings genügt das Sondergremium den Anforderungen der Erforderlichkeit nicht. Zu beachten ist dabei, dass nicht nur die Delegation als solche erforderlich sein muss, sondern auch auf eine Art und Weise zu erfolgen hat, dass sie dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs genügt. Zu berücksichtigen sind insofern Kriterien wie die Ausschussgröße, Spiegelbildlichkeit, Informationspflichten des Ausschusses und korrelierende Informationsrechte des Plenums, eine möglichst weitgehende Determination der übertragenen Aufgabe durch den gesamten Bundestag sowie eine effektiv fortbestehende Rückholbefugnis des Plenums. Da die Mehrzahl der EFSF- Notmaßnahmen für ihre Wirksamkeit weder auf eine Geheimhaltung noch auf besonders kurzfristige Entscheidungen angewiesen ist, ist die Delegation in diesen Fällen schon der Sache nach nicht erforderlich, um eine funktionale Mitwirkung des Deutschen Bundestages sicherzustellen. Indem bei der Zusammensetzung des Sondergremiums der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit missachtet wurde, wird zudem gegen den Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs verstoßen.24 25. Auch der mit der Geheimhaltung verbundene Eingriff in das Öffentlichkeitsprinzip ist verfassungswidrig. Zwar liegt auch hier mit dem Schutz zwingender Gründe des Staatswohls ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel vor, zu dessen Erreichung die Geheimhaltung auch prinzipiell geeignet ist. Allerdings geht die Verkürzung demokratischer Publizität und Transparenz über das erforderliche Maß hinaus. Die Beschlüsse über EFSF-Sondermaßnahmen wurden in weiten Teilen dem Zugang der Öffentlichkeit entzogen, obwohl tatsächliche Geheimhaltungserfordernisse oftmals bei den einzelnen Maßnahmen gar nicht bestanden. Allein der Ankauf von Staatsanleihen durch die EFSF am Sekundärmarkt ist für eine stabilisierende Funktion auf eine strenge Geheimhaltung angewiesen. Da die Beschlusskompetenzen des Sondergremiums in diesem Fall auch möglichst weitreichend durch das Plenum in aller Öffentlichkeit determiniert wurden, genügt das Sondergremium insofern dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs. Nur in diesem Umfang ist eine geheime Beschlussfassung im Sondergremium erforderlich. Da erst durch die Vertraulichkeit die Funktionalität der EFSF-Notmaßnahmen und damit die parlamentarische Gestaltungsmacht gewährleistet wird, ist der Eingriff in das Öffentlichkeitsprinzip in diesem Maße auch angemessen.25 24  Kapitel 4: 25  Kapitel 4:

B. II. 1. B. II. 2.

272

Kap. 6: Zusammenfassung

26. Auch die Entscheidungsbefugnisse des Haushaltsausschusses sind in der gegenwärtigen Form verfassungswidrig. Die Übertragung der Zustimmungsbefugnis zur Aufhebung qualifizierter Sperrvermerke des Haushaltsgesetzes ist zwar für sich genommen verfassungskonform. Allerdings stellt die Praxis, dass der Haushaltsausschuss die Entscheidung unter Ausschluss der Öffentlichkeit trifft, einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in das Öffentlichkeitsprinzip dar. Verfassungswidrig ist es zudem, sofern der Haushaltsausschuss über „wesentliche Änderungen der Leitlinien“ für die Hilfsinstrumente des ESM beschließt, § 5 Abs. 2 ESMFinG. Der Zugewinn für die Funktionsfähigkeit des Bundestages steht in keinem angemessenen Verhältnis zu der erheblichen Beeinträchtigung des Abgeordnetenstatus und der Gesamtrepräsentation, die mit der Delegation solch weitreichender Entscheidungsbefugnisse verbunden ist. Verfassungswidrig ist es schließlich, wenn der Haushaltsausschuss seine Entscheidungsbefugnisse im Rahmen der EFSF oder des ESM unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausübt. Gründe der Geheimhaltung oder andere verfassungsrechtlich legitime Zwecke sind für den Ausschluss der Öffentlichkeit nicht ersichtlich.26 27. Auch der Ausschuss zur Wahl der Bundesverfassungsrichter nach § 6 Abs. 2 BVerfGG in der bis zum 30.06.2015 gültigen Fassung war verfassungswidrig. Es erscheint dabei schon fraglich, ob mit der Delegation der Richterwahl ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel verfolgt wurde. Eine Entpolitisierung und Versachlichung der Richterwahl wird jedenfalls vom Grundgesetz nicht legitimiert. Ein legitimer Zweck ist auch dann nicht gegeben, wenn pauschal angenommen wird, die geheime Wahl in einem Ausschuss sichere das Ansehen des Bundesverfassungsgerichts und das Vertrauen in seine Unabhängigkeit. In einer repräsentativen Demokratie kann es schlechterdings kein legitimes Anliegen sein, ein blindes Vertrauen der Repräsentierten durch planmäßiges Verschweigen zu fördern. Ungeachtet dessen war die Wahl in einem kleinen Ausschuss auch kein geeignetes Mittel, um das Vertrauen in die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts zu fördern. Der geheime Wahlmodus bereitete gerade den Nährboden für Spekulationen über mögliche Motive einer Richterwahl. Im Übrigen war die geheime Wahl auch nicht erforderlich, um das Vertrauen in das Bundesverfassungsgericht zu schützen. Wie von der Literatur bereits seit langer Zeit angemerkt, war es zur Vermeidung einer öffentlichen Demontage der potentiellen Verfassungsrichter in jedem Fall möglich, die kritische Bewertung der Kandidaten auf einen nichtöffentlichen Ausschuss zu übertragen, die Wahl selbst aber dem Plenum vorzubehalten.27

26  Kapitel 5:

27  Kapitel 5:

A.  B. I. und II.



Kap. 6: Zusammenfassung273

28. Die jüngste Reform des Richterwahlausschusses, wonach die Verfassungsrichter nunmehr vom gesamten Bundestag gewählt werden, ist grundsätzlich zu begrüßen. Zu kritisieren bleibt daran, dass die Wahl ohne vorheriger öffentlicher Aussprache und mit verdeckten Stimmzetteln erfolgt. Es ist für den Wähler nach wie vor undurchsichtig, welche Abgeordneten aus welchem Grund für oder gegen bestimmte Kandidaten gestimmt haben. Die Wahl ist daher weiterhin mit einem schwerwiegenden Eingriff in das Öffentlichkeitsprinzip verbunden, der verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist. Es ist zudem problematisch, dass die Mitglieder des nunmehr vorbereitenden Wahlausschusses nach § 6 Abs. 4 BVerfGG die Erörterungen im Ausschuss über die persönlichen Verhältnisse der Richterkandidaten geheim halten müssen. Die Norm ist dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass sie einer vollständigen Information des Plenums über sämtliche für die Wahl eines bestimmten Kandidaten relevanten Aspekte nicht im Wege steht. Zum Schutz der persönlichen Integrität der Wahlkandidaten ist es ausreichend, die Sphäre der Verschwiegenheit auf das Verhältnis zwischen dem Bundestag und dem Wahlvolk zu beschränken.28 29. Schließlich war auch der zwischen Ende November 2013 und Mitte Januar 2014 bestehende Hauptausschuss verfassungswidrig. Der verfassungsrechtlichen Pflicht gemäß den Art. 45 GG ff. zur Einrichtung besonderer Ausschüsse kann nicht dadurch entsprochen werden, dass ein gewöhnlicher Ausschuss zum Ausschuss im Sinne der „Art. 45, 45a und 45c“ GG deklariert wird. Das Grundgesetz sieht ausdrücklich verschiedene Spezialausschüsse für verschiedene Themenfeder vor. Dieser Vorgabe kann nicht durch eine pauschale Einrichtung eines Superausschusses entsprochen werden. Da der Hauptausschuss eben nicht der Vorgabe zur Einrichtung der Pflichtausschüsse in den Art. 45 GG ff. genügte, wurde deren verfassungsrechtliche Bestandsgarantie verletzt. Die Pflichtausschüsse sind zum Beginn einer jeden Legislaturperiode einzurichten und können nicht von dem Verlauf der Koalitionsverhandlungen abhängig gemacht werden. Im Übrigen war der Hauptausschuss auch mit einem verfassungswidrigen Eingriff in den Abgeordnetenstatus und die Gesamtrepräsentation verbunden. Seine Einsetzung war schlicht nicht erforderlich. Als wesentlich geeigneteres und milderes Mittel zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Parlaments kam die Einrichtung sämtlicher ständigen Ausschüsse in Betracht. Dem stand es auch nicht im Wege, dass die Koalitionsverhandlungen noch nicht abgeschlossen waren. Ein nachträgliches Umgestalten der Ausschüsse und eine Anpassung an die korrelierenden Fachministerien wäre ohne weiteres möglich gewesen.29

28  Kapitel 5: 29  Kapitel 5:

B. III. C. 

274

Kap. 6: Zusammenfassung

30.  Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Voraussetzungen und Grenzen parlamentarischer Ausschussdelegationen im Verfassungstext selbst nicht kodifiziert sind. Grundsätzlich ist es Teil der Parlamentsautonomie, dass der Bundestag seine internen Organisationsstrukturen und Arbeitsabläufe und damit auch das Ausschusswesen selbst regelt. Inwiefern ihm dabei verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt sind, ist durch Auslegung und Konkretisierung des Grundgesetzes zu ermitteln. Es gilt dabei zu beachten, dass eine Ausschussdelegation im Kern die zentralen Aspekte der Egalität, Publizität und Funktionalität demokratischer Repräsentation berührt. Es werden vielfältige verschiedene Verfassungsprinzipien betroffen, die sich allesamt auf das Repräsentationsprinzip zurückführen lassen. Entsprechend sind Bedeutungsgehalt und Reichweite dieser Verfassungsbestimmungen jeweils aus ihrer Funktion für das übergeordnete Repräsentationsprinzip zu bestimmen. Von zentraler Bedeutung ist es in diesem Zusammenhang, auf den Repräsentationsgedanken des Grundgesetzes abzustellen. Repräsentation ist hier frei von identitären oder transzendenten Elementen im Sinne einer demokratisch legitimierten, responsiven und verantwortlichen Willensbildung für das Volk zu verstehen. Eine solche Repräsentation kann nicht nur durch das Bundestagsplenum, sondern grundsätzlich – graduell mehr oder weniger – auch durch Ausschüsse oder andere staatliche und überstaatliche Institutionen vermittelt werden. Die mit einer Ausschussdelegation verbundene verfassungsrechtliche Konfliktlage lässt sich in Folge mit einer auf den Gedanken demokratischer Repräsentation ausgerichteten praktischen Konkordanz und Verhältnismäßigkeit auflösen. Als verfassungsrechtlich legitimes Ziel für den Eingriff in den Status der Abgeordneten und die Gesamtrepräsentation oder das Öffentlichkeitsprinzip kommt regelmäßig die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Bundestages in Betracht. Im Rahmen der Erforderlichkeit ist darauf zu achten, dass die Aufgabenübertragung nicht nur als solche zur Gewährleistung der parlamentarischen Funktionsfähigkeit erforderlich ist, sondern auch in ihrer konkreten Ausgestaltung dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs genügt. Angemessen ist die Delegation schließlich dann, wenn der Zugewinn für die Funktionsfähigkeit des Bundestages den Eingriff in den Status der Abgeordneten, die Gesamtrepräsentation oder das Öffentlichkeitsprinzip überwiegt und im Ergebnis das übergeordnete Repräsentationsprinzip insgesamt gestärkt wird.

Anlagen Anlage 1: StabMechG – in der ursprünglichen Fassung vom 22.05.2010 – BGBl I S. 627 – § 1  Gewährleistungsermächtigung (1)  1 Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, für Kredite, die eine von den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes gegründete oder beauftragte Zweckgesellschaft zur Finanzierung von Notmaßnahmen zum Erhalt der Zahlungsfähigkeit eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes aufnimmt, Gewährleistungen bis zur Höhe von insgesamt 123 Milliarden Euro zu übernehmen, sofern diese Notmaßnahmen zum Erhalt der Zahlungsfähigkeit des betroffenen Mitgliedstaates erforderlich sind, um die Finanzstabilität in der Währungsunion sicherzustellen. 2 Vo­ raussetzung ist, dass der betroffene Mitgliedstaat mit dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Kommission unter Mitwirkung der Europäischen Zentralbank ein wirtschafts- und finanzpolitisches Programm vereinbart hat und dass dies von den Staaten des Euro-Währungsgebietes einvernehmlich gebilligt wird. 3 Die Gefährdung der Zahlungsfähigkeit eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes ist zuvor durch die Staaten des Euro-Währungsgebietes unter Ausschluss des betroffenen Mitgliedstaates gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank einvernehmlich festzustellen. 4 Gewährleistungen nach Satz 1 können nur bis zum 30. Juni 2013 übernommen werden. (2) (…) (3) (…) (4)  Vor Übernahme von Gewährleistungen nach Absatz 1 bemüht sich die Bundesregierung, Einvernehmen mit dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages herzustellen. 2 Der Haushaltsausschuss hat das Recht zur Stellungnahme. 3 Sofern aus zwingenden Gründen eine Gewährleistung bereits vor Herstellung eines Einvernehmens übernommen werden muss, ist der Haushaltsausschuss unverzüglich nachträglich zu unterrichten; die Unabweisbarkeit der Übernahme der Gewährleistung vor Herstellung des Einvernehmens ist eingehend zu begründen. 4 Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages ist darüber hinaus vierteljährlich über die übernommenen Gewährleistungen und die ordnungsgemäße Verwendung zu unterrichten. (5) (…)

276 Anlagen

Anlage 2: StabMechG – in der Fassung vom 09.10.2011 – BGBl I S. 1992 – § 1  Gewährleistungsermächtigung (1)  1 Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, für Finanzierungsgeschäfte, die die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität zur Durchführung von unter der Voraussetzung der Absätze 2 und 3 gewährten Notmaßnahmen zugunsten eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes tätigt, Gewährleistungen bis zur Höhe von insgesamt 211,0459 Milliarden Euro zu übernehmen. 2 Notmaßnahmen im Sinne von Satz 1 sind Darlehen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität an den betroffenen Mitgliedstaat, einschließlich solcher, die der Mitgliedstaat zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten verwendet, vorsorgliche Maßnahmen sowie Ankäufe von Staatsanleihen dieses Mitgliedstaates am Primärmarkt oder Sekundärmarkt. 3 Gewährleistungen nach Satz 1 können nur bis zum 30. Juni 2013 übernommen werden. 4 Zu diesem Zeitpunkt verfällt die Ermächtigung für den nicht ausgenutzten Teil des Gewährleistungsrahmens. 5 Eine Gewährleistung ist auf den Höchstbetrag dieser Ermächtigung in der Höhe anzurechnen, in der der Bund daraus in Anspruch genommen werden kann. 6 Zinsen und Kosten sind auf den Ermächtigungsrahmen nicht anzurechnen. (2)  1 Notmaßnahmen im Sinne von Absatz 1 können auf Antrag eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes zum Erhalt seiner Zahlungsfähigkeit ergriffen werden, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt zu wahren. 2 Die Gefährdung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes ist vor der Gewährung von Notmaßnahmen durch die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes unter Ausschluss des betroffenen Mitgliedstaates gemeinsam mit der Euro­ päi­schen Zentralbank und nach Möglichkeit mit dem Internationalen Währungsfonds einvernehmlich festzustellen. 3 Vorsorgliche Maßnahmen, Kredite zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten und der Aufkauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt erfolgen unter diesen Voraussetzungen zur Verhinderung von Ansteckungsgefahren. 4  Der Aufkauf von Staatsanleihen eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes am Sekundärmarkt erfordert zudem die Feststellung außergewöhnlicher Umstände auf dem Finanzmarkt durch die Europäische Zentralbank. (3)  1 Notmaßnahmen werden an strenge Auflagen gebunden, die der betroffene Mitgliedstaat grundsätzlich im Rahmen eines wirtschafts- und finanzpolitischen Programms vor Gewährung der Notmaßnahme mit der Europäischen Kommission unter Mitwirkung der Europäischen Zentralbank und nach Möglichkeit mit dem Internationalen Währungsfonds vereinbart und die von den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes einstimmig gebilligt werden. 2 Sollte wegen der Natur der Notmaßnahme die Vereinbarung aller erforderlichen Auflagen vor Beginn der Notmaßnahme nicht möglich sein, ist diese Vereinbarung unverzüglich und vor Abschluss der Notmaßnahme nachzuholen. (4) Vor Übernahme von Gewährleistungen durch das Bundesministerium der Finanzen muss dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages der Vertrag über die Zweckgesellschaft vorgelegt werden. (5) Der Gewährleistungsrahmen nach Absatz 1 kann unter den Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 2 der Bundeshaushaltsordnung mit Einwilligung des Haus-

Anlagen277 haltsausschusses des Deutschen Bundestages um bis zu 20 Prozent der in Absatz 1 genannten Summe überschritten werden. § 2  Haushalts- und Stabilitätsverantwortung (1)  Der Deutsche Bundestag nimmt in Angelegenheiten der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität zur Durchführung von Notmaßnahmen zugunsten eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes seine Haushaltsverantwortung und seine Verantwortung für die Fortentwicklung der Stabilität der Währungsunion insbesondere nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen wahr. (2)  1 Der Deutsche Bundestag berät und beschließt über Vorlagen nach diesem Gesetz in angemessener Frist. 2 Dabei berücksichtigt er die für die Beschlussfassung auf der Ebene des Euro-Währungsgebietes maßgeblichen Fristvorgaben. § 3 Parlamentsvorbehalt für Entscheidungen in der Europäischen ­Finanzstabilisierungsfazilität (1)  1 Die Bundesregierung darf in Angelegenheiten der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität einem Beschlussvorschlag, der die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages berührt, durch ihren Vertreter nur zustimmen oder sich bei einer Beschlussfassung enthalten, nachdem der Deutsche Bundestag hierzu einen zustimmenden Beschluss gefasst hat. 2 Ohne einen solchen Beschluss des Deutschen Bundestages muss der deutsche Vertreter den Beschlussvorschlag ablehnen. (2)  Die haushaltspolitische Gesamtverantwortung ist insbesondere berührt 1.  beim Abschluss einer Vereinbarung über eine Notmaßnahme der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität auf Antrag eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes, 2. bei einer wesentlichen Änderung einer Vereinbarung über eine Notmaßnahme und bei einer Änderung, die Auswirkungen auf die Höhe des Gewährleistungsrahmens hat, 3.  bei Änderungen des Rahmenvertrags der Europäischen Finanz-stabilisierungsfazilität und 4. bei der Überführung von Rechten und Verpflichtungen aus der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität in den Europäischen Stabilitätsmechanismus. (3)  1 In Fällen besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit werden die in Absatz 1 bezeichneten Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages von Mitgliedern des Haushaltsausschusses wahrgenommen, die vom Deutschen Bundestag für eine Legislaturperiode gewählt werden. 2 Die Anzahl der zu benennenden Mitglieder ist die kleinstmögliche, bei der jede Fraktion zumindest ein Mitglied benennen kann und die Mehrheitsverhältnisse gewahrt werden. 3 Bei Notmaßnahmen zur Verhinderung von Ansteckungsgefahren nach § 1 Absatz 2 Satz 3 liegt die besondere Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit regelmäßig vor. 4 In allen übrigen Fällen kann die Bundesregierung die besondere Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit einer Angelegenheit geltend machen. 5 Die oben genannten Mitglieder des Haushaltsausschusses können der Annahme der besonderen Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit in den Fällen der Sät­ ze 3 und 4 unverzüglich mit Mehrheit widersprechen. 6 Im Falle des Widerspruchs

278 Anlagen nimmt der Deutsche Bundestag die in Absatz 1 bezeichneten Beteiligungsrechte wahr, bei Widersprüchen in Fällen von Satz 3 der Haushaltsausschuss. 7 In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 3 und 4 sowie im Falle des erstmaligen Antrags eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes für eine Notmaßnahme, die nicht unter § 1 Absatz 2 Satz 3 fällt, nimmt stets der Deutsche Bundestag seine Beteiligungsrechte wahr. § 4  Beteiligung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages (1)  1 In allen die Haushaltsverantwortung des Deutschen Bundestages berührenden Angelegenheiten der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität, in denen eine Entscheidung des Deutschen Bundestages gemäß § 3 nicht vorgesehen ist, wird der Haushaltsausschuss beteiligt. 2 Er hat das Recht zur Stellungnahme. 3 Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages überwacht die Vorbereitung und den Vollzug der Vereinbarungen über Notmaßnahmen. (2)  1 Der vorherigen Zustimmung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages bedürfen: 1.  die Annahme oder Änderung der Leitlinien des Direktoriums der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität durch die Bundesregierung und 2.  die Zustimmung der Bundesregierung zu Entscheidungen über den Einsatz weiterer Instrumente auf der Grundlage einer bestehenden Vereinbarung über eine Notmaßnahme der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität oder der Änderung der Bedingungen einer Notmaßnahme, sofern diese nicht bereits unter den Parlamentsvorbehalt nach § 3 fallen. 2  Die Bundesregierung darf in diesen Fällen einem Beschlussvorschlag in Angelegenheiten der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität durch ihren Vertreter nur zustimmen oder sich bei der Beschlussfassung enthalten, nachdem der Haushaltsausschuss hierzu einen zustimmenden Beschluss gefasst hat. 3 Einen entsprechenden Antrag im Haushaltsausschuss kann auch die Bundesregierung stellen. 4 Ohne einen solchen Beschluss des Haushaltsausschusses muss der deutsche Vertreter den Beschlussvorschlag ablehnen. 5 In Fällen besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit gilt die Regelung in § 3 Absatz 3 entsprechend.

(3)  1 In den nicht von Absatz 2 erfassten Fällen, die die Haushaltsverantwortung des Deutschen Bundestages berühren, beteiligt die Bundesregierung den Haushaltsausschuss und berücksichtigt seine Stellungnahmen. 2 Dies gilt insbesondere für Beschlüsse, die nach dem Rahmenvertrag der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität nur einstimmig getroffen werden können, sowie für die Benennung des deutschen Vorstandsmitglieds für das Direktorium der Europäischen Finanzstabilisierungsfazi­ lität. (4)  Das Plenum des Deutschen Bundestages kann die Befugnisse des Haushaltsausschusses jederzeit durch einen mit einfacher Mehrheit gefassten Beschluss an sich ziehen und durch einfachen Beschluss ausüben.

Anlagen279 § 5  Unterrichtung durch die Bundesregierung (1)  1 Die Bundesregierung hat den Deutschen Bundestag in Angelegenheiten dieses Gesetzes umfassend, zum frühestmöglichen Zeitpunkt, fortlaufend und in der Regel schriftlich zu unterrichten. 2 Die Bundesregierung unterrichtet den Bundesrat schriftlich. 3  Einzelheiten bleiben einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern vorbehalten. (2)  Die Bundesregierung übermittelt dem Deutschen Bundestag alle ihr zur Verfügung stehenden Dokumente, die zur Ausübung der Mitwirkung des Deutschen Bundestages nach den §§ 3 und 4 dienlich sind. (3)  Dem besonderen Schutzbedürfnis laufender vertraulicher Verhandlungen trägt der Deutsche Bundestag durch eine vertrauliche Behandlung Rechnung. (4)  Im Falle eines Antrags eines Mitgliedstaates auf Notmaßnahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität übermittelt die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag binnen sieben Tagen nach Antragstellung eine Bewertung zu Inhalt und Umfang der zu gewährenden Hilfen sowie eine Abschätzung der finanziellen Folgen. (5)  Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages ist darüber hinaus vierteljährlich über die übernommenen Gewährleistungen und die ordnungsgemäße Verwendung schriftlich zu unterrichten. (6)  Die fortlaufende Unterrichtung der Bundesregierung enthält auch Angaben zur jeweiligen Berücksichtigung der nach diesem Gesetz abgegebenen Stellungnahmen des Deutschen Bundestages und des Haushaltsausschusses bei den Verhandlungen. (7)  Die Unterrichtungsrechte nach den Absätzen 1 bis 6 können in Fällen besonderer Vertraulichkeit nach § 3 Absatz 3 auf die beteiligten Mitglieder des Haushaltsausschusses beschränkt werden, solange die Gründe für die besondere Vertraulichkeit bestehen.

Anlage 3: StabMechG – in der Fassung vom 23.05.2012 – BGBl I S. 1166 – § 1  Gewährleistungsermächtigung (s. Anlage 2). § 2  Haushalts- und Stabilitätsverantwortung (s. Anlage 2). § 3 Parlamentsvorbehalt für Entscheidungen in der Europäischen ­Finanzstabilisierungsfazilität (1)  Die Bundesregierung darf in Angelegenheiten der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität einem Beschlussvorschlag, der die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages berührt, durch ihren Vertreter nur zustimmen oder sich bei einer Beschlussfassung enthalten, nachdem der Deutsche Bundestag hierzu einen zustimmenden Beschluss gefasst hat. Ohne einen solchen Beschluss des Deutschen Bundestages muss der deutsche Vertreter den Beschlussvorschlag ablehnen.

280 Anlagen (2)  Die haushaltspolitische Gesamtverantwortung ist insbesondere berührt 1.  beim Abschluss einer Vereinbarung über eine Notmaßnahme der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität auf Antrag eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebietes, 2.  bei einer wesentlichen Änderung einer Vereinbarung über eine Notmaßnahme, einer Änderung ihrer Instrumente und Bedingungen und bei einer Änderung, die Auswirkungen auf die Höhe des deutschen Gewährleistungsrahmens hat, 3.  bei Änderungen des Rahmenvertrags der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität, 4. bei der Überführung von Rechten und Verpflichtungen aus der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität in den Europäischen Stabilitätsmechanismus und 5.  bei der Annahme oder einer wesentlichen Änderung der Leitlinien des Direktoriums der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität durch die Bundesregierung. (3) Soweit ein Aufkauf von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt geplant ist, kann die Bundesregierung die besondere Vertraulichkeit der Angelegenheit geltend machen. In diesem Fall werden die in Absatz 1 bezeichneten Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages von Mitgliedern des Haushaltsausschusses wahrgenommen, die vom Deutschen Bundestag für eine Legislaturperiode mit der Mehrheit seiner Mitglieder in geheimer Wahl gewählt werden. Die Anzahl der Mitglieder und eine gleich große Anzahl von Stellvertretern ist die kleinstmögliche, bei der jede Fraktion zumindest ein Mitglied benennen kann, die Mehrheitsverhältnisse gewahrt werden und bei der die Zusammensetzung des Plenums widergespiegelt wird (Sondergremium). Das Sondergremium kann der Annahme der besonderen Vertraulichkeit widersprechen. Im Falle des Widerspruchs nimmt der Deutsche Bundestag die in Absatz 1 bezeichneten Beteiligungsrechte wahr. Das Sondergremium berichtet dem Deutschen Bundestag über Inhalt und Ergebnis seiner Beratungen unverzüglich nach Fortfall der besonderen Vertraulichkeit. § 4  Beteiligung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages (1)  In allen die Haushaltsverantwortung des Deutschen Bundestages berührenden Angelegenheiten der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität, in denen eine Entscheidung des Deutschen Bundestages gemäß § 3 nicht vorgesehen ist, wird der Haushaltsausschuss beteiligt. Er hat das Recht zur Stellungnahme. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages überwacht die Vorbereitung und den Vollzug der Vereinbarungen über Notmaßnahmen. (2)  Der vorherigen Zustimmung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages bedürfen sonstige Änderungen der Leitlinien des Direktoriums der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität durch die Bundesregierung, sofern diese nicht unter § 3 Absatz 2 Nummer 5 fallen. Die Bundesregierung darf in diesen Fällen einem Beschlussvorschlag in Angelegenheiten der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität durch ihren Vertreter nur zustimmen oder sich bei der Beschlussfassung enthalten, nachdem der Haushaltsausschuss hierzu einen zustimmenden Beschluss gefasst hat. Einen entsprechenden Antrag im Haushaltsausschuss kann auch die Bundesregierung stellen. Ohne einen solchen Beschluss des Haushaltsausschusses muss der deutsche Vertreter den Beschlussvorschlag ablehnen.

Anlagen281 (3)  In den nicht von Absatz 2 erfassten Fällen, die die Haushaltsverantwortung des Deutschen Bundestages berühren, beteiligt die Bundesregierung den Haushaltsausschuss und berücksichtigt seine Stellungnahmen. Dies gilt insbesondere für Beschlüsse, die nach dem Rahmenvertrag der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität nur einstimmig geschlossen werden können wie etwa die Leistung von Finanzhilfe gemäß einer bestehenden Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität, sowie für die Benennung des deutschen Vorstandsmitglieds für das Direktorium der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität. (4)  Das Plenum des Deutschen Bundestages kann die Befugnisse des Haushaltsausschusses jederzeit durch einen mit einfacher Mehrheit gefassten Beschluss an sich ziehen und durch einfachen Beschluss ausüben. (5)  Ein Antrag oder eine Vorlage der Bundesregierung gilt als dem Haushaltsausschuss überwiesen im Sinne der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. § 70 der Geschäftsordnung gilt entsprechend, wobei das Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Haushaltsausschusses von mindestens zwei Fraktionen im Ausschuss unterstützt werden muss.

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300 Literaturverzeichnis Wefelmeier, Christian: Repräsentation und Abgeordnetenmandat: Zur aktuellen Bedeutung des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, Stuttgart/München/Hannover/Berlin 1991 Wiefelspütz, Dieter: Das Primat des Parlaments. Zum Danckert/Schulz-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Europäischen Finanzstabilisierungsfaszilität, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 2012, 43. Jahrgang, S. 227 ff. – Die Bundesverfassungsrichter werden vom Deutschen Bundestag direkt gewählt!, in: DÖV 2012, 65. Jahrgang, S. 961 ff. Wieland, Joachim: Der Rettungsschirm für Irland, in: NVwZ 2011, 30. Jahrgang, S.  340 ff. – Haushaltsentscheidungen im gewaltenteiligen Staat – Zur Wiederbelebung der Gewaltentrennungsdoktrin in den USA, in: AöR 1987, 112. Band, S. 449 ff. Winkelmann, Helmut: Parlamentarische Ausschussarbeit, in: Morlok, Martin/Schliesky, Utz/Wiefelspütz, Dieter (Hrsg.), Parlamentsrecht – Praxishandbuch, BadenBaden 2016, § 23 S. 754 ff. Wittreck, Fabian: Genese und Entwicklung des deutschen Parlamentsrechts, in: Morlok, Martin/Schliesky, Utz/Wiefelspütz, Dieter (Hrsg.), Parlamentsrecht – Praxishandbuch, Baden-Baden 2016, § 2 S. 105 ff. Wolff, Heinrich: Der Nachrichtendienstliche Geheimnisschutz und die parlamentarische Kontrolle, in: JZ 2010, S. 173 ff. – Ungeschriebenes Verfassungsrecht unter dem Grundgesetz, Tübingen 2000 (zitiert als: Ungeschriebenes Verfassungsrecht) Zeh, Wolfgang: Altersschichten in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundes­ tages, in: ZParl 1986, 17. Jahrgang, S. 396 ff. – Das Ausschußsystem im Bundestag, in: Schneider, Hans-Peter/Zeh, Wolfgang (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland: Ein Handbuch, Berlin 1989, § 39, S. 1087 ff. (zitiert als: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis) – Gliederung und Organe des Bundestages, in: Isensee, Josef/Kirchhof, Paul (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band III: Demokratie – Bundesorgane, 3. Auflage, Heidelberg 2005, § 52, S. 769 ff. (zitiert als: HStR III (3. Auflage)) – Parlamentarisches Verfahren, in: Isensee, Josef/Kirchhof, Paul (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band III: Demokratie – Bundesorgane, 3. Auflage, Heidelberg 2005, § 53, S. 807 ff. (zitiert als: HStR III (3. Auflage)) Ziekow, Jan: Der Status des fraktionslosen Abgeordneten – BVerfGE 80, 190, in: JuS 1991, 31. Jahrgang, S. 28 ff.

Sachwortverzeichnis Abgeordnete  29 –– fraktionslose  103, 109 Abgeordnetenstatus  29, 30, 38, 47, 100, 102, 165, 166 –– Freiheit  39 –– Gleichheit  41, 106, 108 –– Grenzen  44, 59 –– Öffentlichkeit  43 Ausschussdelegation  siehe Delegation Ausschüsse  15, 68 –– Arbeit  73, 74, 94, 102 –– Fachausschüsse  94 –– Geschäftsordnung  71, 85 –– Gesetz  72, 78, 85 –– Gremien  148 –– Interessenvertretung  76 –– Minderheitenrechte  211 –– Öffentlichkeit  117 –– Verfassung  70 –– Willensbildung  74, 100, 102 –– Zusammensetzung  73, 212 Auswärtiger Ausschuss  142 Beschluss  19, 92 Bestimmtheit  207 Budgetrecht  192 Bundestag  siehe Parlament checks and balances  siehe Gewalten­ teilung Delegation  17, 22, 66 –– Entscheidungsbefugnisse  128 –– Verbote  92 Demokratie  22, 36, 56 –– Freiheit  26, 28 –– Gleichheit  28, 38, 42, 66, 106

–– repräsentative  23 –– unmittelbare  23, 33 Effizienz  59, 66 EFSF  187 EFSM  187 Entscheidungen  17 –– Außenwirkung  169 ESM  188 Eurokrise  187 Europaausschuss  152 Europäisches Parlament  122 Fraktionen  45, 46, 47, 100 freies Mandat  siehe Abgeordneten­ status, Freiheit Funktionsfähigkeit Bundestag  51, 57, 58, 104, 166, 177 –– Arbeitsteilung  60, 226 –– Eilbedürftigkeit  63, 196 –– Geheimhaltung  61, 194 –– Nichtöffentlichkeit  120, 121 Geheimschutzordnung  62 Gesamtrepräsentation  37, 41, 100, 166 Geschäftsordnung  79, 87 –– Diskontinuität  79, 87, 94, 144, 151 –– Rang  80 –– Rechtsnatur  78 Gesetzesvorbehalt  93, 173 Gewaltenteilung  18, 54, 56, 141, 159 Gremium  siehe Ausschüsse Gremium nach Art. 13 Abs. 6 GG  150 Griechenland-Hilfen  187 Hauptausschuss  257 Haushaltsausschuss  221

302 Sachwortverzeichnis –– ESM Befugnisse  231 –– Sperrvermerke  222 identitäre Demokratie  siehe ­Demokratie, unmittelbare Informationspflichten  209 Integrationsverantwortung  156, 193 Kontrolle  siehe Gewaltenteilung Leibholz, Gerhard  34 Lobbyismus  siehe Ausschüsse, Interessenvertretung Öffentlichkeit  43, 49, 114, 116, 182 –– Sitzungsöffentlichkeit  114, 182 Parlament  28 –– Funktionen  161, 180 Parlamentarisches Kontrollgremium  147 Parlamentsautonomie  51, 54, 56, 86, 142 Parlamentsbeschlüsse  siehe Beschluss Parteien  45, 47, 100 Petitionsausschuss  145 Repräsentation  30, 34, 50, 58, 66, 99, 162, 166, 227

–– Ausschüsse  162, 174 –– demokratische  22, 25, 36 –– Kontrolle  180 –– output-Legitimation  176, 244 Rousseau, Jean-Jacques  32 Rückholbefugnis  210 Schmitt, Carl  34 Selbstorganisationsrecht  52 –– Gestaltungsspielraum  64 Sondergremium  189 Spiegelbildlichkeit  106, 203 Staatsbürger  siehe Wähler Ständiger Ausschuss  151 Untersuchungsausschüsse  140 Verfassungsgewohnheitsrecht  170 Verhältnismäßigkeit  97, 99, 104 Vermittlungsausschuss  139 Verteidigungsausschuss  143 Volkswille  31, 163 Wahlausschuss Bundesrichter  139, 240 Wahlausschuss Bundesverfassungs­ richter  238 Wähler  26, 49 Wesentlichkeitstheorie  172, 207