Abgabenhoheit der Europäischen Gemeinschaft in der Umweltpolitik: Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Möglichkeiten und Grenzen einer Ertragshoheit der Europäischen Gemeinschaft [1 ed.] 9783428504268, 9783428104260

Der Autor untersucht umfassend die Rechtsetzungs-, Verwaltungs- und Ertragshoheit der EG in bezug auf Umweltabgaben. Aus

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German Pages 614 Year 2001

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Abgabenhoheit der Europäischen Gemeinschaft in der Umweltpolitik: Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Möglichkeiten und Grenzen einer Ertragshoheit der Europäischen Gemeinschaft [1 ed.]
 9783428504268, 9783428104260

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F. SEBASTIAN M. HESELHAUS

Abgabenhoheit der Europäischen Gemeinschaft in der Umweltpolitik

Hamburger Studien zum Europäischen und Internationalen Recht Herausgegeben von Thomas Bruha, Meinhard Hilf, Hans Peter Ipsen t, Rainer Lagoni, Gert Nicolaysen, Stefan Oeter

Band 28

Abgabenhoheit der Europäischen Gemeinschaft in der Umweltpolitik Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Möglichkeiten und Grenzen einer Ertragshoheit der Europäischen Gemeinschaft

Von

F. Sebastian M. Heselhaus

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme

Heselhaus, F. Sebastian M.:

Abgabenhoheit der Europäischen Gemeinschaft in der Umweltpolitik : eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Möglichkeiten und Grenzen einer Ertragshoheit der Europäischen Gemeinschaft I F. Sebastian M. Heselhaus.- Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Hamburger Studien zum europäischen und internationalen Recht ; Bd. 28) Zug!.: Gießen, Univ., Diss., 1998 ISBN 3-428-10426-9

Alle Rechte vorbehalten Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany

© 2001 Duncker &

ISSN 0945-2435 ISBN 3-428-10426-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97069

Meinen Eltern Latte Heselhaus Clemens D. Hes'elhaus

t

,./lest ainsi que /es nerfs de Ia Republique sont auxfinances" Jean Bodin

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist im Sommer 1998 vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Justus Liebig-Universität Gießen als Dissertation angenommen worden. Für die Drucklegung wurde sie gekürzt. Literatur und Rechtsprechung konnten bis einschließlich März 2000 eingearbeitet werden. Insbesondere berücksichtigt die Arbeit die Änderungen nach dem Amsterdamer Vertrag vom I. Mai 1999. Der Abschnitte über die Vorgaben im internationalen Recht, insbesondere im Recht der Welthandelsorganisation wird getrennt veröffentlicht. Mein Dank gilt Herrn Prof. Dr. Heinhard Steiger, LL. M. (Harvard) für die Betreuung und Begutachtung der Arbeit und die fachliche und menschliche Unterstützung in der Zeit als sein wissenschaftlicher Mitarbeiter. Weiter bin ich Herrn Prof. Dr. Friedrich von Zezschwitz, der die Zweitbegutachtung übernommen hat, für die fruchtbaren Denkanstöße zu Dank verpflichtet. Für die Anregung, eine Arbeit über die Umweltabgaben der Europäischen Gemeinschaft zu schreiben, danke ich Herrn Prof. Dr. Eckard Rehbinder. Mein weiterer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Thomas Bruha und Herrn Prof. Dr. Meinhard Hilf für die ehrenvolle Aufnahme in die Schriftenreihe zum internationalen Recht der Universität Hamburg. Nicht zuletzt möchte ich mich bei Frau Ulrike Schöne für die Unterstützung in technischen Fragen bedanken. Gießen, im Juli 2000

Sebastian Heselhaus

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 21 I. Einführung in die Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Umweltabgaben und Ertragshoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der gemeinschaftsrechtliche Abgabebegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . .. . . III. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Umweltabgaben in der EG . . ......................... . ......... . ... .. ..... . ...... V. Abgaben- und Ertragshoheit der Gemeinschaft . . ..... . ............ . ....... . . . . . .

30 30 34 50 116 151

B. Rechtsetzungskompetenzen der EG bezüglich Umweltabgaben . .. . ... . ... .. . . . . . I. Umweltabgaben aufgrundvon Art.l75 I, II EGV .. .. .. .................. .. . .... II. Umweltabgaben aufgrundvon Art. 95 I (ex-Art.lOOa I) EGV ................ .. III. Umweltabgaben aufgrundder Art. 93 und 94 (ex-Art. 99 und 100) EGV . . .. .. . IV. Umweltabgaben aufgrundanderer Rechtsetzungskompetenzen ........ . . . ......

168 168 254 275 279

C. Allgemeine Anforderungen an eine gemeinschaftliche Rechtsetzung über Umweltabgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 I. Subsidiaritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 II. Verhältnismäßigkeitsprinzip nach Art. 5 (ex-Art. 3 b) III EGV ........ .. .... .... 314 D. Abgabenverwaltungskompetenzen und Finanzierungszuständigkeit der EG . . . . 319 I. Abgabenverwaltungskompetenzen der EG . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 II. Finanzierungszuständigkeit der Gemeinschaft zu umweltpolitischen Zwecken . 345 E. Eigene Einnahmen der EG aufgrund von Umweltabgaben- Bedingungen und Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Finanzierungssystem der Europäischen Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Definition der Eigenmittel nach Art. 269 EGV .. . . . . . . . ............... . ... . . . . . . III. Zulässige Ausgestaltung eines Eigenmittelbeschlusses bezüglich Umweltabgaben . .. . ... ......... .... .... . ... . ..... . ... . .. .. .. . .. ... . . . .. ..... . . . . . ... . .. . .. . . . . IV. Eigene Einnahmen der Gemeinschaft aus Umweltabgaben aufgrund von Sachkompetenzen . .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. . . . . .. .. .. .. .. . . .. . .. . . .. .. . .. .. . .

364 365 423 455 513

F. Zusammenfassung in Thesen .. . . .......... . . . . ... . . .. . . . . . ........ . . . .. . . ... . . . . .. . 557 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Einführung in die Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Umweltabgaben und Ertragshoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der gemeinschaftsrechtliche Abgabebegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abgabe als Oberbegriff im Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Definition der Abgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .. . . . . . . a) Finanzielle Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hoheitliche Auferlegung der Abgabenlast .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. c) Zweck der finanziellen Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erhebungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . .. . . . . . . bb) Verwendungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . cc) Öffentliches Interesse .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. . .. .. .. 111. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Maßgebliche Rechtsordnung für eine Typenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedingungen einer Typenbildung für Abgaben im Gemeinschaftsrecht.. 2. Gebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . . . a) Definition . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. .. .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . b) Besondere Gebührentypen .. .. ...... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. c) Verwendung zu Umweltzwecken .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 3. Beiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. . . . . . . a) Definition . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . b) Nutzung zu Zwecken des Umweltschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Parafiskalische oder steuerähnliche Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsvergleichender Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Parafiskalische/steuerähnliche Abgaben im EG-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begriffswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einnahmen außerhalb der allgemeinen Haushalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Keine individualisierbare Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Weitere materielle Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nutzung für Umweltzwecke .. .. . .. .. . .. .. . .. . .. .. .. .. .. .. .. . .. . .. .. .. .. . . 5. Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . a) Regelungen im Primärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einnahmen zugunsten des Staates oder seiner Gebietskörperschaften . . . c) Keine unmittelbare Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bemessung nach der Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zweck der Steuer . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . f) Verwendung zu Umweltzwecken . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .

30 30 34 34 40 40 42 45 45 47 48 50 50 50 51 56 56 60 63 64 64 67 67 67 70 70 71 73 73 74 74 74 76 78 79 82 83

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Inhaltsverzeichnis g) Indirekte und direkte Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Meinungsstand zur Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Besondere Steuerabgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedürfnis nach einem weiteren Abgabentyp im Gemeinschaftsrecht . . . . b) Kriterien aus der Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besondere Verantwortlichkeit der Abgabenpflichtigen gemäß grundrechtlieber Bindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsquellen der Gemeinschaftsgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Abgabenrelevante Freiheitsgrundrechte und Rechtsgrundsätze auf EG-Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gleichheitssatz . . . . .... . ................ . ................... . . . .. . . . .. (1) Grundsätze der inhaltlichen Prüfung .. . ... . ........... . . . . . ... .. . (2) Gleichbehandlung bei der Auferlegung finanzieller Lasten im Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Ansätze in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Besondere Differenzierungskriterien in der Rechtsprechung des EuGH . .. .... . . .. . . . ........ ............... ... .. ... .. . ..... (c) Bewertung unter der Europäischen Menschenrechtskonvention ...... . . . ................... . .... . ............... .. . . .. . .... (d) Schlußfolgerungen .......... ... ..... . ... . ............. . .. .. ... d) Rechtfertigung der Begriffsbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Nutzung zu Umweltzwecken ..... . . . .... . . ....... . .... . ....... . . .. .. . . . . . 7. Sicherheitsleistungen und Pfandregelungen . . . .. . . . .... . . . . . . . . . . ... . .... . . . . 8. Fazit ......... . ... . ..... . ........... . .. . . . ..... . ... . . . .............. . .... . ...... IV. Umweltabgaben in der EG ........ ... .... ...... . .. .. . .. . ............. ....... . .. . . 1. Umweltbegriff ........ . . . ........ . ........... . . . . ... . .. . .... . . . ..... .. . . . . .... a) Streitstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme .... . ... . . . . . .................... . . ............... . ......... c) Anthropozentrischer Umweltbegriff . . .. . ..... . . . ...... . ..... ........... .. d) Räumliche Weite des Umweltbegriffs . . . ........ ... . . . . ...... . . ... ..... .. 2. Umweltbezug einer Abgabe .. . .......... . . . . . . ..... . . . ...... .. . . ...... . ...... 3. Klassifikationen von Umweltabgaben ... . ... . . . . .. . . . .... . ................... a) Unterscheidung nach der Funktion .... . ... . . . . . . . ................. . ...... aa) Umweltlenkungsabgaben ..... . .... . . .. ... . . . ............ . . . .... . . .. . bb) Umweltfinanzierungsabgaben ......... . . . . . . . ... . ........ . . . .... . . .. . cc) Umweltnutzungsabgaben .... ... .. ..... .................. . ....... .. .. dd) Umweltausgleichsabgaben .. . .. . ...... . ... . . . .... . . . ...... . .. . . . . . . . . b) Unterscheidung nach der tatbestandliehen Anknüpfung ........ . ........ . aa) Klassifizierungen aus ökonomischer/ökologischer Sicht . . . . . . . . . . . . bb) Klassifizierungen aus rechtswissenschaftlicher Sicht ... .. . .. . .. .. .. . 4. Vor- und Nachteile von Umweltabgaben . . .... . ..... . ............ . . . .... . . .. . a) Funktionsweise von Umweltabgaben ...... . ..... . . . ........... .. . . .. . . . . . b) Hauptvorteile von Umweltabgaben .. . .. . .. ... . .. . . . . . .. . . . . .. .. . . . .. . .... c) Hauptkonfliktfelder . ........ . .. . . . ........ . ....... . . . .. . .......... . ....... aa) Grundsätzliche Kritik ........ . . . ................ . . . . . . . ...... . .... . . . bb) Informationsbedarf ..... . . . . . .. ....... .. .. . ............ . .. .. .. . .. . ... .

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Inhaltsverzeichnis cc) Abgabenerhebung ..................... . . . . . ................ . .... . ... . dd) Fazit .......... .... ......................................... .. ....... .. d) Umweltabgaben im Vergleich mit anderen Instrumenten der Umweltpolitik .......................................... . .. ....................... . ... aa) Abgaben und Zertifikatslösungen ...... . . . .......... . ... . .... . . . . . . . . bb) Abgaben und Subventionen ......... .... . .... ................ ..... ... V. Abgaben- und Ertragshoheit der Gemeinschaft . . .. .... ................. .... . .. .. 1. Begriffsbestimmung ... . ... . .................. . . . . . ................ . .... ... . .. 2. Systeme der Verteilung der Ertragshoheit .... . . . . . . . .............. . ...... . . . . 3. Verhältnis der Ertrags- zur Abgabenverwaltungs- und Rechtsetzungshoheit . 4. Aufgaben- und Ausgabenkompetenz . . ............. . .............. . . . . . .... . . B. Rechtsetzungskompetenzen der EG bezüglich Umweltabgaben ......... .... . . .. . I. Umweltabgaben aufgrundvon Art.1751,11 EGV . .. ................... . . . .. . ... 1. Grundsätzliche Rechtsetzungskompetenz für abgabenrechtliche Regelungen in der Umweltpolitik ......................... . ....... . ........................ 2. Tatbestandliehe Voraussetzungen nach Art. 174 EGV . . ... .. ..... . .... . . . . ... a) Ziele der Umweltpolitik . ...... . .. . ........ . . . . . ........ . . . ... . ...... . ... . b) Verhältnis zur ökonomischen Ausrichtung des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bestmöglicher Umweltschutz und Ziel eines hohen Schutzniveaus nachArt.17411EGV ................. ... . ... .............. . . . .. ... .. bb) Ziel einer nachhaltigen Entwicklung . .. . ... . . .............. . ........ . cc) Präferenz für Umweltabgaben ? ............ . ........... . .. . ... . . . .. . c) Prinzipien der Umweltpolitik ............... . ....... . . .. .......... . . ...... aa) Rechtscharakter der Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Regionalprinzip .. . . . . . ...... .. . ... .... .. . . . ... ... . . . . .. . . ... . . . . . ..... cc) Vorbeugungs- und Vorsorgeprinzip . . . . .. . .. .. .. . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . dd) Prinzip der Bekämpfung am Ursprung . . . . . . .. . . .... . .. . .... . . . . .. . .. ee) Verursacherprinzip . ................. . ...... . ................ . .... . .. . (1) Bedeutung für Umweltabgaben ... . . . ... . ............... .. .. . . . . . . (2) Abgrenzung vom Gemeinlastprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Abgrenzung zum kollektiven Verursacherprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Integrationsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Prinzip der gemeinsamen Verantwortung und Partnerschaft . . . . . . . . . d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abgrenzung der Rechtsetzungsverfahren nach Art. 175 (ex-Art. 130 s) I und II EGV ................... . ... . . . .................. . . . . . . ............... . .... . . .. . a) Meinungsstand in der Literatur zur Definition von .,Vorschriften überwiegend steuerlicher Art" . . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . b) Rechtsprechung und Praxis ... . .. .. . . . ... . . .. . ... . .. ...... . ....... . ....... c) Stellungnahme . .. . .... . . . .......... .. .. . . .. .. ...... ...... .. . . . . . . . . .. ..... aa) Gewöhnliche Wortbedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wortbedeutung im Vergleich mit anderen Vorschriften . ..... . . . . . ... cc) Verhältnis zwischen Art.175 I und li EGV ..... . . ... ...... .. .... . .. . (1) Ausdrückliche Ermächtigung zur Rechtsetzung über Abgaben nach Art. 175 EGV . . ... . .. . ........ . .... .. .. ........ . .. .. ... .. ... (2) Spezialität von Art. 17511 EGV ..... .. . . ....... . .. . . . ...... . ..... (3) Auslegungsregel für Ausnahmen . . ... .. . ..... ... ... ... . ... ... . ...

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Inhaltsverzeichnis dd) Vergleich mit Abgabenregelungen aufgrund anderer Sachkompetenzen .... . .... . .. ... . . .................. . . . ... . .............. . . . .... . .. . (1) Rechtsprechung und Gemeinschaftsorgane ........ ..... . ... . .... (2) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Stellungnahme .. .. ... . ........ ... . . .... . ...................... . ... (a) Prinzip der begrenzten Ermächtigung ............. . . ......... (b) Bereichsausnahmen im Primärrecht ................ . ......... (c) Anwendung auf Abgabenregelungen ............. . . . .. ..... . . ee) Vergleich mit Art. 95 (ex-Art.100a) II EGV ................ . . . .. . .. . ff) Problem der Doppelabstützungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Sinn und Zweck der Vorschrift ... . . . .. . . .... . .. . .. . ....... . . . . . .... . . hh) Kompetenz zur Bestimmung des Verwendungszwecks von Einnahmen aus Umweltabgaben ............. ...... ............... . .. . ...... ii) Anwendung auf Abgabenregelungen . ..... . .. ............. . ......... II. Umweltabgaben aufgrundvon Art. 95 I (ex-Art. 100a I) EGV ........ . ... .. .... 1. lnstrumentalisierung von Harmonisierungskompetenzen für den Umweltschutz .. . . .... . ... . . . .. . . . . . . . . . . .. . ............... ... ..... . ......... . . . .. .. . . . 2. Abgrenzung zwischen Art. 95 I und II EGV bezüglich Abgaben . . . . . . . . . . . . . a) Meinungsstand in der Literatur . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . b) Stellungnahme ........ . . .. . . ............. . .. . ................. . ... . .. . . . .. aa) Wortlaut im Vergleich mit anderen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Historische Auslegung ................... . . . ........ . ........ . .... ... cc) Systematische Auslegung . . .......... . . . . . . . ................... . . . ... dd) Sinn und Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abgrenzung zu Art.175 I EGV ........ ..... . .. . . .. .......... . .. .. .. . . . ... aa) Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Meinungsstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . (1) Spezialität von Art. 175 EGV . . ... ....... .. . .............. . . ... ... (2) Spezialität von Art. 95 I EGV ... . . . .... . ....... . ...... . . . ..... . . . . (3) Objektive Sachnähe .. . .. .. ........ . .. . . . . .. . . . .. . . ...... . ..... . ... (4) Spezielle Abgrenzungskriterien bei Umweltabgaben . ... .... . ... cc) Stellungnahme ............ . . . ....... . . . ........ . ......... . .... . .... . . (1) Keine Beschränkung des Art. 95 I EGV auf Abgaben nicht überwiegend steuerlicher Art mit Lenkungswirkung ....... . . . . . . . . . . (2) Keine Abgrenzungsregel im Zweifel für die Anwendung des Art. 95 I EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Umweltabgaben aufgrundder Art. 93 und 94 (ex-Art. 99 und 100) EGV .. . .... 1. Anwendungsbereich .. . . . . . . . . . .. .. .. . . . . . . ...... . . . . . ... . . .. . ... ... . ......... 2. Nutzung zu Umweltzwecken ... . . . . . . . ........ . . . . . . . ... . . . .... . ... . . ... . . .. . 3. Abgrenzung zwischen Art. 93 EGV und Art. 175 II EGV ..... .. . . . . ..... . .. . 4. Abgrenzung zwischen Art. 94 (ex-Art. 100) EGV und Art. 175 (ex-Art. 130s) II EGV . . ........ . . . .. .. . . . . . . .................. . ..... . .............. . . . .. . . .. . IV. Umweltabgaben aufgrund anderer Rechtsetzungskompetenzen ....... . .... . . ... 1. Umweltabgaben aufgrundvon Art. 37, 71 (ex-Art. 43, 75) EGV ... . . . . .. .. . . a) Rechtsetzungskompetenz für Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nutzung für Umweltzwecke . .. .. . ...... . .. . . . . .. . .. ..... . ... . .... . ....... c) Abgrenzung zu Art. 93, 94, 95 I EGV ..... . . . . . . . . . ..... . ... .. . . . . .. . . . ..

213 214 215 217 217 225 227 229 232 238 241 247 254 254 256 256 258 258 259 259 260 262 263 264 264 265 266 269 271 271 273 275 275 276 276 278 279 279 279 279 279

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d) Abgrenzung zu Art. 175 I, II EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 2. Umweltabgaben unter Art.133 (ex-Art.113) EGV ...................... ... .. 280 3. Umweltabgaben aufgrundvon Art. 308 (ex-Art. 235) EGV ......... . ... . . .. . 281 C. Allgemeine Anforderungen an eine gemeinschaftliche Rechtsetzung über Umweltabgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 I. Subsidiaritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 1. Konzept der Subsidiarität in der Gemeinschaft .. . . . .................. ....... . 282 2. Nicht ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft .......... . .. . . ..... . . . 286 a) Ansicht des EuGH .... . ... ... . . .... . . ... . .. .. .. . ... . . ....... . ..... . .. . .... 286 b) Vorstellungen in der Praxis ..................................... ..... .. ... 287 c) Maßgebliche Ansätze in der Literatur .... . . . ................ . . . .... . . . ... 288 d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 e) Keine ausschließliche Zuständigkeit kraft Sperrwirkung des Sekundärrechts ............. .. .. .... ................. . . . ... . ............. .. .... . ..... 292 3. Inhaltliche Prüfung . ... . . . . . ................. . .. . . . . . ........ . . . ... . ... . .. ... . 295 a) Nicht ausreichende Zielerfüllung durch die Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . 295 b) Bessere Zielerreichung durch die Gemeinschaft ........ . . . ... . ........... 299 aa) Eigenständige Bedeutung ......... . ... . . ... . .. ........ .... ... . .. ..... 299 bb) Besondere Vorteile von gemeinschaftlich geregelten Umweltabgaben ......... . . . . . . . ..... . ........ . ..... . . . .................... . .. . .. . . 300 cc) Besondere Nachteile von gemeinschaftlich geregelten Umweltabgaben ........ . .. . . . . . . . . . ............. . . . .. . . . ........... . .. . . . ..... .. . . 302 (1) Hoher Informationsbedarf ....... .. .... .. .... .. ........... ...... .. 302 (2) Politikverflechtung auf Gemeinschaftsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 (3) Grundsätzliche Relevanz möglicher Auswirkungen auf andere Politikbereiche . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. . .. . . . . . . 304 (4) Beispiele für Auswirkungen auf andere Politikbereiche . ........ 305 (5) Ambivalente Auswirkungen auf den Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . 307 (6) Stellungnahme . .. .. . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . 309 4. Justiziabilität und Bewertung ... . .. . .. . . ..... . ... .. . . . . . . .. ........ .. ... .. . .. . 310 5. Unmittelbare Wirksamkeit . . ... . ..... . ..... ... .. .. .. . ... .. . ... . .... . ...... . ... 312 6. Fazit .............. . . . ..... . . . ................. .. ................. .. ... . ...... . . 313 II. Verhältnismäßigkeitsprinzip nach Art. 5 (ex-Art. 3 b) III EGV .. . .. . . . ....... . .. 314 1. Begriff und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 2. Abgrenzung zum Subsidiaritätsprinzip ....... .......... ................. .... . 316 3. Inhaltliche Konkretisierung und Anwendung auf EG-eigene Abgaben . . . . . . . 317 D. Abgabenverwaltungskompetenzen und Finanzierungszuständigkeit der EG .... I. Abgabenverwaltungskompetenzen der EG . . . . . . . . . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundsätze der Abgabenverwaltung in der EG .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . a) Verwaltung und Vollzugsarten .. .. .. .. .. .. .. .. . . .. . . .. . . .. .. .. . . .. .. .. . .. . b) Praxis der Abgabenverwaltung in der EG ..... .. ........ . ..... .... .. .. . .. 3. Kompetenzen der EG zur Regelung des Verwaltungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . 4. Möglichkeit und Grenzen der Bildung parafiskalischer Einrichtungen aufEGEbene . ... ............... . .. . ........ . ..... . .. .. ..................... . . . . . ..... a) Meinungsstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis b) Rechtsprechung des EuGH ................ .. . .. ................ . ... . ..... c) Stellungnahme ........ . .................... . . . .................. . .... . . . . . 5. Parafiskalische Einrichtungen auf der Ebene der Mitgliedstaaten .... . . . .... . 6. Begrenzungen durch die Prinzipien der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Besondere Grenzenaufgrund von Art. 175 IV EGV ................. . ... . . . .. II. Finanzierungszuständigkeit der Gemeinschaft zu umweltpolitischen Zwecken . 1. Bedeutung der Finanzierungszuständigkeit für die Abgabenhoheit in der Umweltpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umweltpolitisch genutzte Finanzinstrumente in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Struktur- und Kohäsionsfonds ... . . . ...... . ..... . ..... . ........ . .... . . . ... b) Bereichsspezifische Instrumente .......... . . . . . . . .............. . .... . ..... aa) Umweltpolitik ..... . ..... . ........... . ...... . .. . ........... . . . . . .. . ... bb) Andere Politiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Haushaltsplan als nicht ausreichende Rechtsgrundlage für Ausgaben . . . 4. Begrenzungen der Finanzierungszuständigkeit aufgrund des Konnexitätsprinzips ............. . . . . . ................... ... .... . ...... ...... . .. . ... . .. . ... a) Rechtsprechung des EuGH und Praxis der EG-Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Meinungsstand in der Literatur ... .. .... . .... . ........................... . c) Stellungnahme ........ . ......... . .......... . . . . .. .... . ............. . . . .... 5. Beschränkungen aufgrund des Subsidiaritätsprinzips nach Art. 5 li EG V . . . . 6. Besondere Grenzenaufgrund von Art. 175 IV EGV .......... . ..... . .. ..... .. 7. Zulässigkeit einer Mischfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .

E. Eigene Einnahmen der EG aufgrund von Umweltabgaben- Bedingungen und Grenzen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Finanzierungssystem der Europäischen Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Entwicklung des Finanzierungssystems der Europäischen Gemeinschaft a) Das Finanzierungssystem der Montanunion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Finanzierungssystem der EAG . ...... . . ... . . .............. .. ... . ..... c) Das ursprüngliche Finanzierungssystem des EWG-Vertrages . . ..... . ... . d) Vorgeschichte zum Eigenmittelbeschluß von 1970 (EMB-1970) ... . . .... e) Überblick über die Entwicklung des Finanzierungssystems bis heute . ... 2. Analyse der einzelnen bestehenden Eigenmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die traditionellen Eigenmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kritik des Begriffs "traditionell" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zölle . ....... . . . ... .. .. . . . . .. . ...... .. ........ . . . ............ . . . .. . .. . cc) Wlihrungs- und Beitrittsausgleichsbeträge ... ... . . .......... . .... . .. . dd) Andere Abgaben in den Marktordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Abgaben im Rahmen der Marktorganisation für Zucker .. . . . .. . ..... (1 ) Die Abgaben der Isoglucose-Marktordnung in der Rechtsprechung .. .. ... .. . .. . . ..... ... ... .. .. . ... . .. ... .. ............. . . ... . . . (2) Die zusätzlichen Tilgungsabgaben .. .. . . .. .. .. . . .. . . . . . . . . . . .. .. . ff) Bewertung der traditionellen Eigenmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Anteil der Gemeinschaft an der Mehrwertsteuer . ............. . ...... c) Die BSP-Mittel ... . ........ . .. ... .. . . . . . . . . . ....... . ...... . ........ . ...... d) Verbleibende Möglichkeiten einer Finanzierung durch Finanzbeiträge .. 3. Die bestehenden sonstigen Einnahmen der Gemeinschaft .... . ... . . . ..... . ...

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a) Steuern auf Bezüge, Verwaltungseinnahmen und ähnliche Einnahmen .. b) Die besonderen Abgaben in der gemeinsamen Agrarpolitik ......... . . . .. aa) Mitverantwortungsabgaben im Milchsektor ................ . ... . . . .. (1) Rs.l38n8 ..Stölting" (2) Rs. 179/84 ..Bozzetti" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Mitverantwortungsabgaben im Getreidesektor ................. . . . . . cc) Kautionen 4. Zusammenfassende Bewertung ................ ................... . . . ........ . II. Definition der Eigenmittel nach Art. 269 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Meinungsstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Befürworter eines engen, auf Steuern der EG beschränkten Eigenmittelbegriffs ............................... b) Vertreter eines Eigenmittelbegriffs unter Ausschluß von Steuern i. e. Sinn ........... oo ... .. ..... ................ ..................... ... ........ c) Befürwortereines weiten Eigenmittelbegriffs ................. . . . .. . . . ... 2. Ansichten der EG-Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme ................... . ............ . . . . . . . a) These zum Umfang des Eigenmittelbegriffs .... . ....... . . . ...... . . . ...... b) Gewöhnliche Wortbedeutung ............ . .. . . . . . ........... .. ..... . . . .... c) Eigenmittel anderer Einrichtungen der Gemeinschaft .. . ...... . . . . . .... . . d) Eigenmittel im Völkerrecht ................ .. . . . . ... . ............ . . . ...... e) Vergleich mit anderen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften . . . . . . . . . .. aa) Die früheren Art. 201 EWGV und 173 EAGV a. F. .. . ...... . ........ bb) Art. 270 EGV . . .. .. .. ..... . ... . . .. ....... ... .. ... . .. . . .... . .. . .... . . . cc) Sonstige Einnahmen nach Art. 269 (ex-Art. 201) I EGV ... .... . . . ... f) Historischer Ursprung ... .......... . . . ... . . . . . . . .. . .... .. ...... . .. . .. .. .. . g) Ziel einer finanziellen Autonomie der Gemeinschaft ... . ....... . ..... .. . . aa) Zulässigkeil .,unechter" Finanzbeiträge . . . . . ............... . . . . . .... . bb) Höhere qualitative Anforderungen an die finanzielle Autonomie . . . h) Weitere Ziele der EG-Finanzverfassung . ... . ..................... . . . . .. .. i) Fazit III. Zulässige Ausgestaltung eines Eigenmittelbeschlusses bezüglich Umweltabga···.. .... ................. ... ....................... ..... ... ......... ben oo········ 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ansichten der EG-Organe und Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ansichten in der Literatur ..................... . . . . . . . ............... . . ...... . . 4. Stellungnahme . . . ....... . ..... a) These .... . ...... . . . .. . . . .. ... . ..... . ............... .. . ..... . . . ..... .. .. . . . . b) Qualifizierung des Eigenmittelbeschlusses nach Art. 269 II EGV . ... .. .. aa) Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Art. 269 II EGV als Kompetenznorm zur Einführung einer EG-Umweltsteuer i. e. Sinn .... . . . . . . . ................. . . . . . . . .. ... . ................. . . aa) Einwand der fehlenden Kompetenznormstruktur ... . ............... . bb) Das Prinzip begrenzter Ermächtigung . (1) Keine ausdrückliche Ermächtigung (2) Abgrenzung zu den autonomen Rechtsetzungskompetenzen der 00

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·······oo ·············· ·oo·········oo·······oo ·oo ··········oo ··· 472

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Inhaltsverzeichnis Die Steuerhoheit als den Mitgliedstaaten vorbehaltener Bereich . .. . 474 Nationale Identität der Mitgliedstaaten .. . . . ........................ . 476 Effizienz der Aufgabenerledigung ... . . . . . . . ........ .. .. . . . . . . . . . . . . . 479 Begrenzte fiskalische Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 Kumulationsfragen . ...... . ............. . . . . . ............ . . . . . .. . . . ... 483 hh) Auswirkungen auf weitere den Mitgliedstaaten vorbehaltene Politikbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 ii) Grenzen aufgrund der Haushaltsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 jj) Demokratische Legitimation und Budgetrecht ................ . .... . . 489 d) Zulässigkeil der Delegation von Entscheidungsbefugnissen im Eigenmittelbeschluß . . . . . . . .. . . . . ... . .. .. . .... . . . .. .. . .. . . . . ..... .. . . . .. . .. . . . .. . . . . 494 aa) Problemstellung und These ................................ . . . .. . . ... 494 bb) Delegationsregelungen und das Prinzip begrenzter Ermächtigung .. 494 cc) Sicherung einer finanziellen Autonomie der EG nach Art. 269 II EGV ........... . . .... . ... . ............ . ... . ......................... . . 496 dd) Demokratische Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 (1 ) Demokratische Legitimation in den Mitgliedstaaten im Bereich der Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 (2) Gefahr der Verstärkung des demokratischen Defizits auf EG-Ebene ........ . . . . . . . . . ............... . . . ...... ............. . . . ... . .. ... 500 (3) Pflicht zur Beachtung des Demokratiegebotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 (4) Probleme bei der Auswahl der zuständigen EG-Organe ..... . ... 503 ee) Budgetrecht .. .. . .. . . .. ... . .. . . . . . . . . .. . . . . . . .. .... . . . ... .. ... . .... ... 506 ff) Auswirkungen auf Politikbereiche der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . 507 e) Zulässigkeil der Einführung von EG-Umweltabgaben über autonome Rechtsetzungskompetenzen i. V. mit einem Eigenmittelbeschluß . . . . . . . . 508 aa) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 bb) Prinzip begrenzter Ermächtigung und Abgrenzung zu den autonomen EG-Rechtsetzungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 cc) Demokratische Legitimation .................. . ............ . . . .. . . ... 512 dd) Auswirkungen auf andere Politikbereiche und Kumulationsfragen . 512 ee) Grenzen aufgrund von Art. 175 IV EGV ....... . .. .. . .. ... . .. . .... . . . 513 IV. Eigene Einnahmen der Gemeinschaft aus Umweltabgaben aufgrund von Sachkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 1. Problemstellung .......... . . .... ............... ... . . . . .. . .. . ........ . ... . . . . . . . 513 2. Ansichten der Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 3. Stellungnahmen in der Literatur . . ... . . . . .. . ... . . . . . . .. .. . . .. . . . . . . . . . .. . . . .. . 517 a) Gegner einer Ertragshoheit aufgrund von autonomen Sachkompetenzen 517 b) Befürworter eigener Einnahmen der EG jenseits der Anwendung des Art. 269 II EGV . ... . . ..... ............ . .. . . .. . . . .. . ..... . . .. . . . .. . . . . . . . . . 519 4. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 a) Prinzip begrenzter Ermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . ........ . .. . . . . . . .. . 523 aa) Fehlen einer ausdrücklichen autonomen EG-Kompetenz zur Ertragszuweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 bb) Möglichkeiten einer impliziten Ertragszuweisung an die EG . .... . . 525 b) Abgrenzung zum Verfahren nach Art. 269 II EGV .. .. ... . . . . . . ... . ... . . . 529 cc) dd) ee) ff) gg)

Inhaltsverzeichnis aa) Sonstige Einnahmen der EG als eigenständige Kategorie neben den Eigenmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Exklusivität des Art. 269 II EGV für eine EG-Ertragshoheit . cc) Einschränkungenaufgrund von Art. 270 (ex-Art. 201 a) EGV .. ... . . dd) Kein Mitteltransfer von den Mitgliedstaaten zur Gemeinschaft . . . . . ee) Demokratieprinzip . .................. .. .. . . . .............. . . . . . .... . . ff) Finanzierungszuständigkeit der Gemeinschaft als alleinige Voraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Keine Sperrwirkung aufgrund von Art. 2 II des Eigenmittelbeschlusses von 1994 ........................ . .................. . . . .. . ... . .... c) Grenzenaufgrund der Rechtsetzungskompetenzen für Umweltabgaben . aa) Umweltpolitik nach Art.l75 I EGV .... . . . ..................... . .... bb) Andere Sachkompetenzen, insbesondere nach Art. 37, 71 (ex-Art. 43, 75) EGV ....... . .......................... . ................ . ........ . cc) Harmonisierungskompetenz nach Art. 95 (ex-Art. lOOa) I EGV .... dd) Anwendbarkeit von Art. 308 (ex-Art. 235) EGV ............. . . . ..... d) Auswirkungen auf den Mitgliedstaaten vorbehaltene Bereiche und Kumulationsproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Haushaltsgrundsätze . . . . .... . ............. . . . . . . . .............. . . . .. . . . . . . f) Institutionelles Gleichgewicht der Organe im Rahmen des Haushaltsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Der Sonderfall der parafiskalischen Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis und Überprüfung von bisherigen Regelungen in Praxis und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Anwendung auf einzelne Umweltabgabentypen . . . . . .. .... . . ...... . . . . .. . . . ..

15 529 530 533 534 535 536 537 539 540 540 541 541 542 543 545 549 551 554

F. Zusammenfassung in Thesen . . . . . . .......... . ......... . . . . . ................ . .. . . . . . 557 Literaturverzeichnis .................... . ............... . ............. . ........... . ... . ... 569 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. ABI. Abs. AdR a.F. AfP AJPIL AKUR AöR Art. Aufl. Ausg. AVR BayVBI BayVGH BB BBergG BBPS Bd. BGBI. Bsp./bspw. BSP Bull. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE bzgl. ca.

c.c. CD

CDE CELEX CMLRev

C02

CSD

anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt Absatz Ausschuß der Regionen alte Fassung Archiv für Presserecht Austrian Journal of Public and International Law Arbeitskreis für Umweltrecht Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Auflage Ausgabe Archiv des Völkerrechts Bayerische Verwaltungsblätter Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Betriebsberater Bundesberggesetz Beutler/Bieber/Pipkom/Streil Band Bundesgesetzblatt Beispiel/beispielsweise Bruttosozialprodukt Bulletin Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes, amtliche Sammlung Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, amtliche Sammlung bezüglich circa Cour constitutionnel Recueil des Decisions de Ia Commission Europeenne des Droits de l'Homme Cahiers de droit europeen Communitatis Europeae Lex Common Market Law Review Kohlendioxid Conference on Sustainable Development

Abkürzungsverzeichnis DB ders. d.h. dies. Diss. DÖV Dok. DR DSUG DStZ DV DVBl

E

EA EAG ECHR EEA

EEF

EELR EG EGKS EGKSV EGMR EGV EJIL EKMR ELQ ELR EMB EMRK eng!. EOU EP EPL etc. EU EUA EuG EuGH EuGHE EuGRZ EuR EUV EuZW EVP EWG EWGV 2 Heselhaus

Der Betrieb derselbe das heißt dieselbe Dissertation Die öffentliche Verwaltung Dokument Decisions and Reports Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft Deutsche Steuer-Zeitung Die Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Entscheidung Europa-Archiv Europäische Atomgemeinschaft European Court on Human Rights Einheitliche Europäische Akte Europäischer Entwicklungshilfefonds European Environmental Law Review Europäische Gemeinschaft Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EG-Vertrag European Journal of International Law Europäische Kommission für Menschenrechte Environmental Law Quarterly European Law Review Eigenmittelbeschluß Europäische Menschenrechtskonvention englisch Europäische Organisation für das Umweltzeichen Europäisches Parlament Environmental Policy and Law et cetera Europäische Union Europäische Umweltagentur Europäisches Gericht erster Instanz Europäischer Gerichtshof Entscheidungssammlung des EuGH Europäische Grundrechte Zeitschrift Europarecht EU-Vertrag Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Volkspartei Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG-Vertrag

17

18 EWR EWRA EWS

f./ff.

FAZ FinArch Fn.

FR

frz. Fs. GA GAP GASP GBT GBTE GewArch GG GMO Gs. GTE GVBI. HarvELR Hdb HdbStR HdUR Hess. VGH HEStAR h.M. HO Hrsg./hrsg. HwStR i.d. F.

i.e.

ILM ital. IUR

i.V.

IVU

JEL JIR

J.O. JuS JZ Kfz Korn. KSE

Abkürzungsverzeichnis Europäischer Wirtschaftsraum Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung Finanz-Archiv Fußnote Frankfurter Rundschau französisch Festschrift Generalanwalt gemeinsame Agrarpolitik Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik v. der Groeben/von Boeckh!Thiesing v. der Groeben/von Boeckh!Thiesing/Ehlermann Gewerbearchiv Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gemeinsame Marktorganisation Gedächtnisschrift v. der Groeben/Thiesing/Ehlermann Gesetz- und Verordnungsblatt Harvard Environmental Law Review Handbuch Handbuch des Staatsrechts Handbuch des Umweltrechts Hessischer Verwaltungsgerichtshof Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts herrschende Meinung Haushaltsordnung Herausgeber/herausgegeben Handwörterbuch des Steuerrechts in der Fassung im engeren International Legal Materials italienisch Informationsdienst Umweltrecht in Verbindung integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung Journal of Environmental Law Jahrbuch des internationalen Rechts Journal officiel Juristische Schulung Juristenzeitung Kraftfahrzeug Kommentar Kötner Schriften zum Europarecht

Abkürzungsverzeichnis KStZ LIEI Lkw MVA m.w.N. MWSt

n. F.

NJW NOA Nr. NuR NVwZ OA OECD PCP RdE Rdnr. Rec. Red. RFFP

RIW RJE RL RMC Rs. RTDE Rspr. S./s. S.E.W. sog. Sp. span. SpStr. SRU StuSt StuW Tz. u.a. UA UK UN UNCTAD UNEP Univ. UPR

u.s.

UTR

2*

Kommunale Steuerrechtszeitschrift Legal Issues of European Integration Lastkraftwagen Mitverantwortungsabgabe mit weiteren Nachweisen Mehrwertsteuer neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift nichtobligatorische Ausgaben Nummer Natur und Recht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht obligatorische Ausgaben Organisation for Economic Co-operation and Development Pentachlorphenol Recht der Energiewirtschaft Randnummer Receuil Redaktion Revue Fran~aise de Finances Publiques Recht der Internationalen Wirtschaft Revue Juridique d'Environnement Richtlinie Revue du Marche Commun Rechtssache Revue trimesterielle de droit europeen Rechtsprechung Seite/siehe Sociaal-Economische Wetgiving sogenannt Spalte spanisch Spiegelstrich Rat von Sachverständigen für Umweltfragen Staatswissenschaften und Staatspraxis Steuer und Wirtschaft Textzeichen unter anderem Unterabsatz United Kingdom Vereinte Nationen United Nations Conference on Trade and Development UN Environment Programme Universität Umwelt- und Planungsrecht United States Umwelt- und Technikrecht

19

20 UVP V.

VBIBW veröff. VG vgl.

vo

Vol. vs. VVDStRL WAB WirtschaftsR WSA WTO Yb/YECHR ZaöRV z.B. ZfU

ZfV Ztz ZG ZHR ZJI ZP ZParl ZRP ZUR

Abkürzungsverzeichnis Umweltverträglichkeitsprüfung von Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg veröffentlicht Verwaltungsgericht vergleiche Verordnung Volume versus Veröffentlichungen der Vereinigung deutscher Staatsrechtslehrer Währungsausgleichsbeträge Wirtschaftsrecht Wirtschafts- und Sozialausschuß World Trade Organisation Yearbook of the European Convention on Human Rights Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zeitschrift für Umweltpolitik und Umweltrecht Zeitschrift für Verwaltung Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres Zusatzptotokoll Zeitschrift für Parlamentsfragen Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Umweltrecht

Einleitung I. Einführung in die Problematik Ungeachtet der nach wie vor bestehenden, teilweise auch wachsenden Umweltproblematik weltweit und in der Europäischen Gemeinschaft' ist dieselbe auf der politischen Agenda angesichts aktueller Herausforderungen in anderen Bereichen in den Hintergrund getreten.2 Davon ist auch die praktische Verwirklichung von Umweltabgaben als neuer Lösungsansatz für spezifische Umweltproblematiken nicht unberührt geblieben. Daß dieser Ansatz dennoch Aktualität besitzt, belegt die Einführung der sogenannten Ökosteuer in der Bundesrepublik Deutschland, die Energie verteuert und deren Aufkommen zu einer Verringerung der Lohnnebenkosten verwendet werden solJ.3 Bereits 1994 ist mit der Umstellung der Kfz-Steuer auf den Emissionsausstoß und ihrer erneuten Verschärfung ein erster Schritt hin zur Ökolo1 In der Literatur und der politischen Praxis beginnt sich die Bezeichnung ,,Europäische Union" durchzusetzen, vgl. v. Bogdandy/Nettesheim, NJW 1995, 2324 (2325 f.), die die Einheit der EU herausstellen m. w. N. auf die Bezeichnungen "Rat der Europäischen Union" und "Kommission der Europäischen Gemeinschaften". Juristisch bestehen demgegenüber aber Bedenken, da die Europäische Union im Gegensatz zur Europäischen Gemeinschaft nicht über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügt und mit der ZJI und der GASP Bereiche erfaßt, die von der EG zu unterscheiden sind. In dieser Untersuchung wird der Begriff der Europäischen Gemeinschaft verwendet, da es um ihre Kompetenzen zur Erhebung von Umweltabgaben und der Zuweisung der Erträge geht. Damit soll aber keine politische Sicht des Integrationsprozesses präjudiziert werden, wie sie sich oft in den unterschiedlichen Bezeichnungen widerspiegelt. Ein Beispiel dafür ist die Bezeichnung der ZJI als JI in den offiziellen Veröffentlichungen (bspw. Gemeinsame Maßnahme 95/401/JI, ABI. 1995, L 238, S. 1), wodurch die besondere Hervorhebung des Aspektes der Zusammenarbeit in Abgrenzung zu einer überwiegend supranationalen Ausrichtung unterschlagen wird. In ähnlicher Weise wurde bereits vor dem Maastricht-Vertrag in der offiziellen Terminologie die Bezeichnung Europäische Gemeinschaft vorweggenommen (bspw. EP, ABI. 1978, C73, S. 76), obwohl der Vertrag zu jener Zeit nur die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft kannte. 2 Zur Lage der Umwelt EUA, Die Umwelt in Europa: Der zweite Lagebericht, 1998; EUA, Environmentai signals 2000, 2000; EUA, State and pressures of the marine and coastal Mediterranean environment, 1999; EUA, Umwelt in der Europäischen Union - an der Wende des Jahrhunderts, 1999; zur geringeren Bedeutung der Umweltpolitik s. EU-Nachrichten 7/1998, S. 19 ff., Arbeitsprogramm der Kommission 1999; EU -Nachrichten 8/1998, Europäischer Rat in Wien; EU-Nachrichten 2/99, Europäischer Rat in Köln. 3 Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform, BGBI. 1999 I, 378. Kritisch dazu Friedrich, DB 1999, 661 ff.; Kruhl, BB 1999, 1240ff.; Hidien, BB 1999, 341 ff.; zu EG-rechtlichen Aspekten der Steuer s. Frenz, EuZW 1999, 616ff.; Bongartz/Schröer-Schalenberg, DStR 1999, 962ff.; vgl. die Pläne zur steuerlichen Förderung schwefelarmer und -freier Kraftstoffe in Umwelt 10/1999,474.

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Einleitung

gisierung des Steuerrechts unternommen worden. 4 Auch darf die Zurückhaltung in der Bundesrepublik Deutschland auf Bundesebene in der Vergangenheit5 nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Konzept der Umweltabgaben sowohl in der wissenschaftlichen6 und politischen Diskussion vorangetrieben als auch in der politischen Praxis unterhalb derB undesebene in Ansätzen umgesetzt wurde. Dazu zählen die Regelungen über sogenannte Wasserpfennige in einigen Bundesländern, die Neukonzipierung der Müllgebühren, die einschneidende Erfolge gebracht hat, sowie die inzwischen vom BVerfG zwar für verfassungswidrig erklärte Einführung von Abgaben auf Sonderabfalle und einer kommunalen Verpackungssteuer7 , deren lenkende Wirkung jedoch erfolgreich gewesen ist8 • Im Rahmen der EG haben längst andere Mitgliedstaaten, vor allem Schweden, Dänemark und die Niederlande trotz der gegenwärtigen widrigen wirtschaftlichen Situation eine Vorreiterrolle in Sachen Umweltabgaben übernommen. 9 Die dort vorgesehenen C02- und Schwefelabgaben sind zum Teil zu den fiskalisch nutzbaren Abgaben zu rechnen 10, die der Forderung nach einem Umbau des Steuersystems, einer ökologischen Steuerreform entgegenkommen. Eine solche umfassende Reform ist in der deutschen Diskussion bisher auf erhebliche Kritik gestoßen. Favorisiert werden Umweltabgaben von der wohl überwiegenden Ansicht in der juristischen Diskussion eher im kleinen Rahmen als in einer Gesamtreform des Steuersystems. 11 Doch ist die Idee einer ökologischen Steuerreform nicht nur umweltpolitisch motiviert, sondern entspringt auch der Überlegung, die Einführung von Umweltabgaben fiskalisch neutral zu gestalten, um die Abgabenlast nicht zusätzlich zu erhöhen. Insbesondere steuerliche Entlastungen des Faktors Arbeit werden befürwortet. 12 Insgesamt ist die Euphorie über Umweltabgaben § 3f Kraftfzg-SteuerG 1994 vom 24.5.1994, BGBI. 1994 I, S.ll02. Die Koalitionsvereinbarungen für die 13. Legislaturperiode erwähnten nur eine EU-weite C02-/Energiesteuer, Umwelt 1995, Nr. l, S. 7; vgl. Hennig, DVBI1993, 1195 (1197); später ist die Frage einer Ökosteuer aber auch für die frühere Bundesregierung aktuell geworden, FR v.8.4.1998, S.l ; FR v.20.4.1998, S.l. 6 Vgl. nur RSU, Umweltgutachten 1996, S. 317 ff.; Koschel!Weinreich, in: Hohmeyer, Ökologische Steuerreform, S. 9ff. Zu Umweltabgaben nach dem Umweltgesetzbuch Michaelis, ZUR 1998, 300 (301 ff.). 7 BVerfG, NJW 1998, 2341 ff., 2346ff. Kritisch dazu Frenz, DÖV 1999, 41 ff.; Jobs, DÖV 1998, 1039ff. 8 RSU, Umweltgutachten 1996, S. 395 ff., 405f.; zu weiteren Ansätzen Köck, JZ 1993, 59 (62). 9 Vgl. Überblick über den derzeitigen Stand in EUA, Ökosteuem, S. 8; RSU, Umweltgutachten 1996, S. 325ff.; weitere Nachweise unter A. I. Differenzierend zum Begriff des "Vorreiters" und der Bewertung der deutschen Umweltpolitik Demmke, DV 1999, 43 ff. 10 EUA, Ökosteuem, S. 8. 11 Vgl. einerseits Hansmeyer, UTR 16, S. 1 ff.; Selmer, UTR 16, S. 15 ff.; Lang, UTR 16, S.55ff.; andererseits Hendler, AöR 115 (1990), S.577ff.; Koschel!Weinreich, in: Hohmeyer, Ökologische Steuerreform, S. 9 ff.; vgl. auch die Nachweise bei Helbig, DVB11999, 688 ff.; für begrenzten Einsatz von Steuern Borgsmidt, EELR 1999, 270ff. 12 SRU, Umweltgutachten 1996, S.406ff. m. w. N.; Koalitionsabsprachen der 14. Legislaturperiode, Umwelt 12/1998, 551 ff.; zu Ansätzen auf EG-Ebene s. Kommission, Weißbuch 4

5

I. Einführung in die Problematik

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in den ersten Jahren der politischen Diskussion einer heilsamen Ernüchterung gewichen13, die eine realistische Sicht der Vor- und Nachteile ennöglicht, ohne welche eine erfolgreiche Einführung in die Umweltpolitik nicht denkbar wäre. Auf EG-Ebene besteht ein besonderes Interesse an UmweltabgabenY Man verspricht sich von ihnen nicht nur die gleichen Vorteile wie in der nationalen Diskussion.15 Ihnen ist ferner eine ergänzende Funktion bezüglich der Überwachung der verwaltungsmäßigen Umsetzung der Umweltpolitik zugedacht, zu welcher es der Gemeinschaft bislang an einer Regelung mangelt. 16 Die Versuche der Kommission, Umweltinspektoren in die Mitgliedstaaten zu entsenden, sind bisher wegen des erbitterten nationalen Widerstandes gescheitert. Gerade in diesem Bereich liegen aber die besonderen Vorzüge von Umweltlenkungsabgaben, die aufgrund ihrer lenkenden Wirkung die Umsetzung der Umweltpolitik effektivieren sollen. Zeitgleich ist aber in den letzten fünf Jahren eine politische Gegenentwicklung zu beobachten. Denn auch auf der Gemeinschaftsebene haben sich die politischen Prioritäten verschoben und ist die Umweltpolitik mehr in den Hintergrund getreten. 17 In der Literatur wird dies teilweise kritisch pointiert als ,,roll back" bezeichnet. 18 Das dürfte indes zu weit gehen. Vielmehr ist die Umweltpolitik in besonderem Maße von der aktuellen Deregulierungsdebatte betroffen, die auf flexible Instrumente, wie Umweltabsprachen fokussiert ist. 19 Auch wenn das Aaggschiff der EG-Umweltpolitik, die COdEnergiesteuer wohl nicht mehr von Stapellaufen wird20 und sich in EinzelbeWachstum, Wettbewerb, Beschäftigung, 1994, S. 165 f. ; EuZW 1998, 2; EP-Dok. A.4-2000/98. 13 Vgl. die Aussage von Hansmeyer, UTR 16, S. 1 (13); Köck, JZ 1993, 59 (60f.); eher für Zertifikatsmodelle Keohane!Revesz!Stavins, HarvELR 1998, 313ff., für ein neues ordnungsrechtliches Konzept Steinzor, HarvELR 1998, 103 ff. 14 Vgl. nur die umfassenden Erörterungen in Kommission, Bericht der Arbeitsgruppe, S. 12ff. und den Vohrer-Bericht an das EP, PE 145.367 mit zahlreichen Vorschlägen für Umweltabgaben. Weitere Vorschläge finden sich in der Entschließung des EP zur Mitteilung der Kommission über Umweltsteuern und -gebühren, EP, A4-200/98, Tz. 26. Der WSA begrüßt eine Besteuerung von Energieprodukten, ABI. 1997, C296, S. 37, Tz. 2.2.4. 15 EUA, Ökosteuem, S. 6 f. 16 Dazu Winter, CMLRev 1996, 689ff.; zu weiteren EG-spezifischen Problemen Neumann! Pastowski, in: Jarass/Neumann, Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, S. 49 (69ff.); Hansmann, NVwZ 1995, 320ff.; Mindestkriterien für nationale Umweltinspektionen schlägt KOM (98) 772 vor. 17 Während das Arbeitsprogramm der Kommission für 1998, KOM (97) 517 die Umweltpolitik nicht besonders erwähnt, wird ihr im Arbeitsprogramm für 1999 wenigstens ein kurzer Abschnitt gewidmet, EU-Nachrichten, Nr. 7/1998, S.14, 21. 18 Hey, S. 53; positive Wertungen dagegen bei Krämer, ZUR 1994, 172 ff.; Lueder, ZUR 1994, 165ff.; Neumann!Pastowski, in: Jarass/Neumann, Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, S. 49 (53 ff.). 19 Dazu Huber, DVBI. 1999, 489 (491); zur Instrumentenauswahl Scheuing, NVwZ 1999, 475 (481 ff.); Schmidt, DVBI. 1998, 1271 ff. Auch auf deutscher Ebene beherrschen die Umweltabgaben nicht mehr die lnstrumentendiskussion, vgl. Meinken, NuR 1998, 592ff. 20 Nach Wägenbaur, EuZW 1998, 2, soll das Projekt in der Versenkung verschwunden sein; zu den nationalen Widerständen FAZ vom 23.3.1993, S. 17; Mohl!Dicken, NuR 1996, 328ff.

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Einleitung

reichen die Widerstände verstärkt haben, ist die Umweltpolitik kontinuierlich von der Kommission ausgebaut worden21 und wird auch durch den Vertrag von Amsterdam nicht in ihrer Bedeutung im Primärrecht zurückgedrängt.22 Im Hinblick auf das Instrument der Umweltabgabe hat die Kommission allerdings für die nächste Zeit keine konkreten Vorhaben ins Auge gefaßt, weil entsprechende Vorschläge bislang am Erfordernis einstimmiger Beschlußfassung in den relevanten Rechtsetzungskompetenzen gescheitert sind.2J Bezüglich der Einführung von Umweltabgaben treten neben gegenläufige wirtschaftliche Interessen der Betroffenen und der Mitgliedstaaten auch nationale finanzpolitische Interessen. Deren Überwindung wird durch die herrschende Einstimmigkeitsregel im EG-Vertrag in Fragen mit besonderer fiskalischer Bedeutung erschwert.24 Es ist ein Dilemma der Umweltabgaben, daß sie durch ihre Konzeption, die Auswirkungen auf die Umwelt monetär zu bewerten, zugleich den Betroffenen die monetäre Belastung deutlicher vor Augen führen als das im Ordnungsrecht möglich ist. 25 So zeugt die sinnvolle Forderung nach "fiskalischer Neutralität" der Erhebung von Umweltsteuern vom Wissen um die Einwirkungen des EG-Rechts selbst auf angestammte nationale Reservate wie die Haushaltspolitik. Es kann daher nicht verwundern, wenn der große Schritt bisher noch nicht erfolgt ist, sondern das Konzept der Umweltabgaben-durchaus sinnvoll- erst im Kleinen gemeinschaftsweit vorangetrieben wird. In der EG bestehen neben Gebührenregelungen in der Umweltpolitik26 Regelungen über fiskalische Anreize für den Gebrauch von PKW mit besseren AbgaswerDagegen begrüßt der Bundesrat den Kommissionsvorschlag, EuZW 1998, 291 f. Die Chancen einer Realisierung würden bei einer Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen in der nächsten Revision des EU-Vertrages, EU-Nachrichten Nr. 18, 2000, S. 3, steigen. 21 Zu neueren Ansätzen vgl. Heselhaus, in: Lange, Gesamtverantwortung, S. 93 ff.; vgl. zu Umweltsteuern KOM (99) 263, S. 12. 22 So wird der Umweltschutz ausdrücklich zu den Vertragszielen nach Art. 2 EGV erklärt und die Integrationsklausel bezüglich des Umweltschutzes in Art. 6 EGV unter den Grundsätzen der EG e!Wähnt; dazu Schrader, UPR 1999, 201 (203f.) Calliess, DVBl 1998, 559ff. Ferner soll das EP nach Art. 175 I (ex-Art. 130 s I) EGV nunmehr im Mitentscheidungsverfahren tätig werden; umfassend Sehröder NuR 1998, 1 ff.; Bär!Mazurek, RJE 1999, 375 ff.; Kienle, in: Bergmann/Lenz (Hrsg.), Der Amsterdamer Vertrag, S.122ff. 23 Mitteilung der Kommission zur Bewertung des 5. Umweltprogramms, KOM (99) 543, Tz. 6.1; vgl. das Arbeitsprogramm der Kommission für 1999, EU-Nachrichten Nr. 7/1998. 24 Vgl. Art. 93 (ex-Art. 99), 94 (ex-Art. 100), 175 II (ex-Art. 130 s II) EGV. Frankreich legt darauf zum Schutz seiner fiskalischen Souveränität besonderen Wert, London, RJE 1998, 31 (36); ebenso Großbritannien und Spanien, Krämer, in: GTE, EUV/EGV, Vorb. Art. 130r, Rdnr.6. 2s Zu Belastungsunterschieden zwischen Ordnungsrecht und fiskalischen Instrumenten s. Kommission, Priorities, Nr. 5.9. 26 Zu Wassergebühren ABI. 1998, C 191, S.2 (26); zu Flughafengebühren ABI. 1998, C319, S. 4; Weißbuch der Kommission, Faire Preise für die Infrastrukturbenutzung KOM (98) 466; ausführlich unter A. III. 2.

I. Einführung in die Problematik

25

ten27 sowie mit leiseren Geräuschemissionen28 . Ferner existieren Regelungen über die Steuerspreizung zwischen verbleitem und bleifreiem Benzin29, und es ist auf die früheren Vorschriften über Steuern auf AltöP0 und gefährliche Abfalle31 hinzuweisen. Nicht oder nur in abgeschwächter Form durchsetzen konnten sich Abgabenregelungen im Rahmen der Richtlinie über Deponien32 und der Verpackungsrichtlinie33. Mit Ausnahme der erst genannten Gebührenregelungen stimmt für diese Maßnahmen auch noch heute die Beobachtung von Deketelaere, daß die Zahl der Abgabenregelungen sehr gering ist und sie vornehmlich einen optionalen Charakter haben.34 Dennoch spielen Umweltabgaben weiterhin keine unwichtige Rolle in der Politikformulierung und -umsetzung.35 Während in der umweltpolitischen Diskussion die Lenkungswirkung von Umweltabgaben im Vordergrund steht, gerät allzuleicht in Vergessenheit, daß es auch Umweltfinanzierungsabgaben gibt und selbst die primär lenkenden Abgaben regelmäßig zu nicht unerheblichen Einnahmen führen. 36 Reine Lenkungsabgaben sind 27 Richtlinie 88/77/EWG, ABI. 1988, L 36; geändert durch Richtlinie 91/542/EWG, ABI. 1991, L 295; Richtlinie 70/220/EWG, ABI. 1970, L 76; zuletzt geändert durch Richtlinie 93/59/EWG, ABL. 1993, L 186. 28 Richtlinie 70/157/EWG, ABI. 1970, L42; geändert durch Richtlinie92/97/EWG, ABI. 1992, L186. 29 Dazu Deketelaere, EELR 1996, 9 (11). 3° Richtlinie 75/439/EWG, ABI. 1975, L 194. 31 Richtlinie 78/319/EWG, ABI. 1978, L84. 32 Art.18 des Richtlinienvorschlages, ABI. 1991, C 190, S.1; diese Regelung ist in derneuen Fassung des Vorschlages nicht mehr enthalten, KOM (97) 105; geändert in KOM (99) 116. 33 Die Entstehungsgeschichte der Verpackungsrichtlinie 94/62/EG ist besonders interessant. Im internen zweiten Vorschlag der Kommission, DG XI-A4, 30/09/1991, Draft No. 2, waren in Art. 9 Vorgaben für ökonomische Instrumente der Mitgliedstaaten vorgesehen und in Art. 9 Nr. 6, 7 eine EG-weite Abgabe, deren Modalitäten die Kommission festlegen sollte. Im ersten offiziellen Vorschlag, ABI. 1992, C 263, S. 1, ist davon in Art. 11 nur eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten übrig geblieben. Doch sollte im geänderten Vorschlag, ABI. 1993, C 285, S. 1, eine eigene Ermächtigung für den Rat vorgesehen werden, der nach Art. 11 auf Vorschlag der Kommission marktwirtschaftliche Instrumente einführen sollte. Letztendlich bestimmt Art. 15 der Richtlinie 94/62/EG, ABI. 1994, L 365, S. 10, daß der Rat marktwirtschaftliche Instrumente auf Grundlage der einschlägigen Bestimmungen des Vertrages einsetzt. Damit wird den kompetenzrechtlichen Bedenken gegenüber den ersten Vorschlägen Rechnung getragen. 34 Deketelaere, EELR 1996, 9 (12). 35 Vgl. zur Politik der Generaldirektorin Bjerregaard (Red.) EuZW 1998, 2; Kommission, Stellungnahmen des Allgemeinen Beratenden Forums für Umweltfragen, S. 8, 10; EUA, Jahresbericht 1996, S. 17 f. m. w. N .; für die Einführung einer Flugverkehr-Sonderabgabe Lienemeyer, EuR 1998, 478 ff. Die Frage der umweltgerechten Energiebesteuerung steht nach wie vor auf der Tagesordnung des Europäischen Rates, EU-Nachrichten Nr. 2/1999, S. 8, zum Gipfel in Köln; s. auch KOM (99) 263, S.12f. "Binnenmarkt und Umwelt"; KOM (99) 543, S. 19 "Die Umwelt Europas"; ein Tätigwerden der Mitgliedstaaten favorisiert der Europäische Rat, ABI. 1998, C 198, S. 1 (2). Zur Zeit hat die Diskussion die allgemeine Steuerharmonisierung erfaßt, Schön, CMLR 1999, 911 ff. 36 EUA, Environmental signals 2000, S. 97 f.

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Einleitung

selten anzutreffen, da in den sensiblen, die größeren Unternehmen als verstärkte Nachfrager knapper "Umweltgüter" betreffenden Bereichen ein optimaler Lenkungseffekt in der Praxis fast immer einem wirtschaftlichen Kompromiß geopfert werden muß. 37 Aktuelles Beispiel sind die Steuerermäßigungen im neuen deutschen Stromsteuergesetz.38 Beachtliche Einnahmen ergeben sich aber auch aus Lenkungsabgaben, deren Abgabetatbestand an schwer substituierbare Güter anknüpft. So ist für die C02-/Energiesteuer in der EG mit einem Aufkommen von 50 Mrd. Ecu gerechnet worden. 39 Bei solchen Einnahmen werden aber die fiskalischen Begehrlichkeiten der Hoheitsträger geweckt.40 Daher ist der Erhebung von Umweltabgaben in Systemen mit mehreren hoheitlichen Handlungsebenen, in Bundesstaaten oder in der EG, die Konkurrenz um das Abgabenaufkommen immanent. 41 So ist es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis auf EG-Ebene über die Einführung einer Umweltabgabe als 5. Einnahmequelle der Gemeinschaft nachgedacht wurde.42 Die Überlegungen der Kommission sind allerdings noch nicht ins Bewußtsein einer weiten Öffentlichkeit gerückt. Das liegt daran, daß die internen Vorstellungen nicht an exponierter Stelle veröffentlicht werden. 1997 konstatierte die Kommission in der Agenda 2000 keine wichtigen Gründe für eine baldige Änderung des Finanzierungssystems, da die Ausgaben in der näheren Zukunft noch mit dem alten System zu bewältigen seien. Die Einführung neuer "echter" Eigenmittel aus Steuern und Abgaben hätte zwar gewisse Vorteile, brächte aber Nachteile in der gerechten Verteilung der Finanzierungslasten auf die Mitgliedstaaten.43 Dagegen erkennt man im Bericht über die Finanzierung der Europäischen Union von 1998 eine neue Nuance: Die Mängel des bestehenden Systems würden noch keine "sofortige" Änderung rechtfertigen. Bei einer Änderung des Eigenmittelbeschlusses hält die Kommission aber die Einführung neuer Eigenmittel für eine sinnvolle Option. 44 Erst aus dem Anhang II zum Bericht geht hervor, daß die Kommission die Einführung einer C02-/Energiesteuer als direkte Einnahme der EG favorisiert. Jedoch bestünden diesbezüglich "tiefer liegende Schwierigkeiten in der derzeitigen Phase der europäischen Integration". 45 Das mag der Grund dafür sein, daß im Vorschlag für einen neuBspw. bei der deutschen Abwasserabgabe, Berendes, S. 151 f. Dazu Friedrich, DB 1999, 661 (664). 39 Hilf, UTR 16, S. 121 (136). 40 F. Kirchhof, in: Rengeling, EUDUR I, S. 1226 (1234f.). 41 Vogel, StuW 1971, 308ff. 42 Kommission, Finanzverfassung, S.47; Peffekoven, S. 113ff.; Colasanti, in: Caesar, Reform der Finanzverfassung, S.185 (187); zu vergleichbaren Vorschlägen des EP aus dem Jahre 1981 Weidenfeld, in: Biehl/Winter/Bohlender/Kaiser, Europa finanzieren, S. 9 (11); zu Vorschlägen der Kommission von 1969 Morawitz, EuR 1970,232 (242); theoretische Überlegungen bei Birk, in: Birk, HEStAR, S. 296. 43 KOM (97) 2000, Teil I, Nr. III 2. 44 KOM (98) 560, S. 36. 45 KOM (98) 560, Anhang II, S. 25. Das übersieht Griese, EuR 1998,462 (471 f.). Der WSA ist wegen der Unvorhersehbarkeit der Einnahmen skeptisch, CES 328/99, Tz. 3.6. 37

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I. Einführung in die Problematik

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en Eigenmittelbeschluß für 2002 keine neuen Eigenmittel enthalten sind.46 Damit sind entsprechende Änderungen frühestens 2006 zu erwarten. Die bisherigen Pläne für eine Steuer als Einnahmequelle der EG sind von Stimmen in der Literatur begrüßt worden, die sich von einer EG-Steuer eine disziplinierende Wirkung auf das Haushaltsgebahren der Gemeinschaft versprechen.47 Das wirft die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen der Einführung entsprechender Umweltabgaben in das Finanzsystem der EG oder sogar nach dessen grundlegender Ökologisierung auf, wie es in einzelnen Mitgliedstaaten zumindest für die Steuern diskutiert wird. Aber auch jenseits des Eigenmittelsystems der EG ist zu erörtern, ob und wie das Aufkommen aus Umweltabgaben eventuell einem selbständigen Fonds auf EGEbene zugewiesen werden kann, der dann ebenfalls der Abgabenhoheit der Mitgliedstaaten entzogen wäre.48 Für die COrfEnergiesteuer ist das bereits vom WSA vorgeschlagen worden. 49 Darüber hinaus könnte in der Umweltpolitik eine ähnliche Entwicklung angestrebt werden wie in der gemeinsamen Agrarpolitik, in der EGAbgaben zur Finanzierung von Gemeinschaftsausgaben verwendet werden. Zu beachten ist dabei, daß selbst bei effektiv wirkenden Umweltlenkungsabgaben europaweit ein erhebliches Aufkommen zumindest anfanglieh zu erwarten wäre. Angesprochen wird damit die Problematik, inwieweit die EG überhaupt Vorschriften über die Verwendung von Einnahmen aus Abgaben erlassen darf. Solche Fragen sind bisher in der Literatur erst vorsichtig gestellt worden. 50 In bezug auf die allgemeine Steuerpolitik werden zwar in neuerer Zeit Stimmen laut, die eine stärkere Rolle der EG fordern, jedoch geht es dabei vorrangig um eine Koordinierung, um Wettbewerbsstörungen zu vermeiden.5 ' Die Antworten auf diese komplexen Fragen sind hoch umstritten. Allein Dänemark hatte unter den Mitgliedstaaten zur Revision des Maastricht-Vertrages in Amsterdam eine Klärung der Kompetenzen der Gemeinschaft bezüglich der Erhebung und der Ertragshoheit angemahnt.52 In der Vertragsrevision haben sie aber keinen Niederschlag gefunden. Damit ist die Frage einer 5. Einnahmequelle der EG auf den Zeitpunkt einer Revision des Eigenmittelbeschlusses zur Zeit der kommenden EUErweiterung vertagt worden. Für andere Abgaben wird in der nächsten Zukunft abzuwarten sein, ob und wie sich die EG einen Zugriff auf die Erträge verschaffen 46 KOM (99) 333; zustimmend die Schlußfolgerungen des Europäischen Rates im März 1999 in Berlin, EU-Nachrichten, Nr. 1/1999, S. 17. 47 Esser, DStZ 1992, 725 (728); Lesch, DB 1993, 847 (859). 48 So der Vorschlag von Lienemeyer für eine Flugverkehr-Sonderabgabe, EuR 1998, 478 (488). Vgl. den Vorschlag über eine Europäische Behörde für die Luftfahrtsicherheit mit eigenem Gebührenautkommen, KOM (2000) 144, Tz. 36. 49 ABI. 1993, C 108, S. 20 (23); aufgegeben in ABI. 1996, C 174, S.47ff. so Hilf, UTR 16, S. 121 (134ff.); knapp gestreift bei Müller, S. 47, 64, 88 f; speziell für eine C02-Abgabe Klacke, S. 87 ff.; in neuester Zeit Lienemeyer, EuR 1998, 478 (488). 51 Schön, EuZW 1998, 129; Ohler, EuZW 1997, 370ff. 52 Stellungnahme der dänischen Regierung zur Regierungskonferenz 1996, zitiert nach Piepenschneider, 5.181.

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Einleitung

kann und will. Zu befürchten ist eine schleichende Erosion der Widerstände, die kein umfassendes Konzept anmahnt. Durch Ertragszuweisungen sowohl an supranationale als auch an nationale Stellen könnte der politische Widerstand den Mitgliedstaaten letztendlich "abgekauft" werden. Daß solche Vorstellung durchaus ins tägliche politische Kalkül passen, zeigt die Überlegung, ob nicht bei dem hohen Aufkommen, das aus der COr/Energiesteuer erwartet wird, ein Teil den Mitgliedstaaten zukommen sollte.53 Angesichts des zunehmenden Finanzbedarfs der EG, nicht zuletzt durch die Zuweisung der Ausgaben in der Zusammenarbeit Justiz und Inneres und der Gemeinsamen Außenpolitik an den EG-Haushalt54, finden solche Überlegungen vor einem konkreten Hintergrund statt. Einen Teilaspekt der Problematik betrifft die Frage nach den Rechtsetzungskompetenzen der Gemeinschaft. In ihrem neuesten Vorschlag für eine institutionelle Reform der EU hat die Kommission die Einführung einer entsprechenden Kompetenz für direkte und indirekte Steuern vorgeschlagen, die nicht mehr ausdrücklich auf die Harmonisierung nationaler Vorschriften begrenzt sein würde. 55 Diese Untersuchung will erste Antworten auf Fragen nach dem Bestehen und den etwaigen Grenzen einer EG-Abgabenhoheit in der Umweltpolitik geben.

II. Gang der Untersuchung Die Untersuchung gliedert sich in fünf Teile. Von grundlegender Bedeutung, den Rahmen der Untersuchung abgrenzend, ist der im Teil A untersuchte Abgabebegriff im EG-Recht. Im Anschluß wird versucht, eine gemeinschaftliche Abgabentypologie zu entwickeln, die dann Grundlage der weiteren Terminologie der Unt~rsuchung ist. Die Abgrenzung der Umweltabgaben erfordert eine Auseinandersetzung mit dem Begriff der Umwelt, der im EG-Recht nach wie vor umstritten ist. Im Anschluß daran wird der Wirkungsweise von Umweltabgaben nachgegangen, wobei der Schwerpunkt auf den besonderen Vor- und Nachteilen liegt, die sich gerade auf der EG-Ebene ergeben. Schließlich ist der schillemde Begriff der Abgabenhoheit (bzw. Steuerhoheit) zu klären. Dazu werden die einzelnen Ansichten im Hinblick auf die von ihnen verwendeten Kriterien, insbesondere die Rechtsetzungs-, Verwaltungsund Ertragshoheit untersucht, systematisiert und bezüglich ihrer Aussagekraft über die Machtverteilung in einer supranationalen Organisation wie der Gemeinschaft bewertet. Der Hauptteil B befaßt sich mit den Rechtsetzungskompetenzen. Für die Rechtsetzungshoheit bezüglich Umweltabgaben ist nicht nur Art.l75 (ex-Art.130s) EGV von Bedeutung, sondern auch die anderen Sach- sowie die Harmonisierungskompetenzen. Zu klären ist, welche Vorgaben sich aus dem Umweltschutzziel und den 53 54

55

V gl. dazu Peffekoven, S. 113 ff. Art. 28 II, III und Art. 41 II, III EUV; ausführlich dazu König/Pechstein, S. 394 ff. KOM (2000) 114, Anlage I, Art. 93.

II. Gang der Untersuchung

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Umweltprinzipien im EG-Vertrag für Umweltabgaben ergeben. Bei der Abgrenzung der unterschiedlichen Rechtsetzungskompetenzen geht es inhaltlich nicht darum, der Vielzahl bislang erschienener Abgrenzungsversuche zwischen Art. 175 EGV und den anderen Kompetenzen der Gemeinschaft einen weiteren hinzuzufügen. Im Mittelpunkt steht die Auslegung des neuen Art. 17511 (ex-Art. 130s II) EGV, der eine neue ausdrückliche Kompetenz zur Erhebung von Umweltabgaben darstellt. Auf dieser Grundlage wird dann die Abgrenzung zu den anderen Kompetenzen dargelegt. Im Anschluß werden im Teil C Grenzen der EG-Rechtsetzungshoheit aus den allgemeinen Vorgaben des Primärrechts aufgezeigt. Das betrifft vorrangig das Subsidiaritäts- und das Verhältnismäßigkeitsprinzips nach Art. 5 EGV bezüglich der Rechtsetzungs-, Verwaltungs- und Ertragshoheit der EG. Die interessante Frage der Schranken durch EG-Grundrechte ist einer separaten Veröffentlichung vorbehalten, da sie den Rahmen dieser Untersuchung sprengen würde. Auch bleiben Vorgaben aufgrund des internationalen Rechts, insbesondere der WTO ausgeklammert, da diese Frage einen Wechsel der Untersuchungsperspektive verlangen würde. Teil D ist Vorfragen einer eventuellen EG-Ertragshoheit gewidmet. Zum einen sind die Grenzen einer EG-Umweltabgabenverwaltung aufzuzeigen, vor allem für die Einführung parafiskalischer Einrichtungen im Gemeinschaftsrecht Des weiteren wird die Finanzierungszuständigkeit der EG in der Umweltpolitik untersucht. Unmittelbar mit der Ertragshoheit beschäftigt sich schließlich der Teil E. Ausgangspunkt ist die kritische Darstellung des bisherigen Finanzierungssystems der EG, da es in der Entwicklung des Finanzsystems einige Präzedenzfälle gegeben hat, die richtungweisend für zukünftige Umweltabgaben sein könnten. Die weitere Untersuchung unterscheidet zwischen der Erhebung von Umweltabgaben als Eigenmittel und Umweltabgaben als sonstigen Einnahmen der EG außerhalb des Eigenmittelbeschlusses. Die Untersuchung fußt auf der Rechtslage des Amsterdamer Vertrages, der am 1. Mai 1999 in Kraft getreten ist. Aus Gründen der besseren Verständlichkeit wird regelmäßig auf die frühere Numerierung der Vertragsvorschriften hingewiesen. Vollständigkeit in der Literaturerfassung kann nicht in der Erörterung von gemeinschaftsrechtlichen Grundproblematiken angestrebt werden, da es sich um ein zu umfangreiches Querschnittsthema handelt. Entscheidungen des EuGH werden zur besseren Orientierung des Lesers gegebenenfalls mit einem von der Praxis abweichenden, den Entscheidungsinhalt kennzeichnenden Stichwort versehen. Insgesamt verfolgt die Untersuchung einen EG-rechtlichen Ansatz. Soweit Ausführungen zu den Regelungen in den Mitgliedstaaten ergehen, handelt es sich nicht um eine umfassende Rechtsvergleichung, sondern um eine Plausibilitätskontrolle mit Beispielcharakter.

A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen I. Umweltabgaben und Ertragshoheit Der Begriff der Umweltabgabe hat seit Mitte der siebziger Jahre1 ein weite Verbreitung erfahren. Er ist nicht nur Gegenstand einer Vielzahl von Publikationen2 , sondern auch Oberbegriff für zahlreiche Abgaben3 geworden, die in dieser Zeit nicht nur auf nationaler Ebene in das geltende Recht eingeführt worden sind. Insoweit kennzeichnet er einen Überschneidungsbereich der Gebiete des Umweltrechts4 und des Abgabenrechts5 • Jenseits der rechtssystematischen Bedeutung ist ihm die 1 Zu einer ersten Auseinandersetzung mit dem Thema, vgl. Baumol/Oates, Swedish Journal of Economics 73 (1971), 42ff.; Rehbinder, Fs. Böhm, S.499 (514f.); Kloepfer, DÖV 1975, 593ff. 2 Zu einem Überblick vgl. nur Kloepfer, Umweltrecht, S. 312ff.; grundlegend zum deutschen RechtMeßerschmidt, Umweltabgaben als Rechtsproblem, S.35ff.; v. Zezschwitz, Umweltlenkung durch Steuern und Abgaben; aus neuerer Zeit zur EG-Ebene Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht; Müller, Verhaltenssteuerung durch Abgaben im Umweltrecht; Klokke, Klimaschutz durch ökonomische Instrumente; Eckhardt, Probleme einer Umweltpolitik mit Abgaben; EUA, Environmental Taxes; RSU, Umweltgutachten 1996, S.325ff. 3 Einen Überblick über Umweltabgaben im internationalen Vergleich geben die folgenden Untersuchungen, die zwar im Titel auf "laxes" abstellen, aber im Inhalt a. a. 0. regelmäßig zwischen "laxes", "charges" und "fees", also anderen Abgaben unterscheiden: OECD, Economic Instruments for Environmental Protection; dies., Taxation and the Environment, S. 22 ff.; dies., Environmental Taxes in OECD Countries; Opschoor, Managing the Environment, the RoJe of Econornic Instruments, S. 17 ff.; Gaines/Westin, Taxation for environmental Protection; Golub, New Instruments for Environmental Policy in the EU; 0' Riordan, Ecotaxation, S. 217 ff.; zu den nationalen Umweltabgaben in der EG EUA, Environmental Taxes, S. 15 ff.; dies., Ökosteuern, S. 8; dies., Environmental signals 2000, S. 97 ff.; European Foundation for the Improvement of Living and Warking Conditions, Environmental Taxesand Charges, Report, S. 22 ff.; dies., Environmental Taxesand Charges, Papers; Kommission, Tax Provisions with a potential Impact on environmental Protection, S. 9; zu Vorschlägen für eine Vielzahl von EG-Umweltabgaben s. den Vohrer-Bericht von 1991, EP-Sitzungsdokument, A3-0130/91, S. 20ff.; Entschließung des EP zur Mitteilung der Kommission über Umweltsteuern und -gebühren, A4-200/98; Kommission, Bericht der Arbeitsgruppe über steuerliche Instrumente, S. 12ff.; Dietz!Volebergh/de Vries, Environment, lncentives, and the Common Market; auch in Deutschland kreist die politische Diskussion eher um "Ökosteuern", während die rechtliche Auseinandersetzung dann differenziert und Abgaben als Oberbegriff verwendet; speziell zur Situation in Deutschland v. Zezschwitz, Umweltlenkung durch Steuern und Abgaben; v. Lersner, DStJG 15, S. 103 ff. Zu bestehenden Umweltabgaben im EG-Recht s. unter A. III. 4 Zum Charakter des Umweltrechts als Rechtsgebiet Steiger, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S.l, 9ff. 5 Dazu Kloepfer, Umweltrecht, S. 322 f.; Soell, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S.638ff.

I. Umweltabgaben und Ertragshoheit

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Qualität eines Rechtsbegriffes mit normativem Gehalt bislang abgesprochen worden, da er nicht Tatbestandsmerkmal von Rechtsnormen sei.6 Allein rechtssystematische Funktion wurde ihm bisher attestiert. 7 Diese Sicht mag im deutschen Recht zutreffend damit begründet sein, daß das Umweltrecht ein Rechtsgebiet mit Querschnittscharakter ist, dessen Grenzen schwer zu fassen sind. Jedoch ist der Abgabebegriff in der deutschen Finanzwissenschaft systematisiert worden und hat in der Finanzgesetzgebung und -rechtsprechung eine normative Ausprägung erfahren.s Auf EG-Ebene stellt sich die Situation unterschiedlich dar. Der Abgabebegriff ist zwar ebenfalls durch eine umfangreiche Rechtsprechung deutlich konturiert worden und als Tatbestandsmerkmal mehrerer Normen des Primärrechts9 eindeutig als Rechtsbegriff zu qualifizieren, auch wenn die Bildung einer Typologie von EG-Abgaben bisher erst in rudimentären Ansätzen ersichtlich ist. 10 Gründe dafür sind zum einen die begrenzten Rechtsetzungskompetenzen der EG 11 , zum anderen die Zurückhaltung der Mitgliedstaaten gegenüber einer EG-Politik mittels abgabenrechtlicher Instrumente12 sowie der retardierende Umstand, daß die Mitgliedstaaten jeweils unterschiedliche Abgaben6 Selmer, UTR 16, S. 15 (25); zum normativen Gehalt allgemein Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, S. 315. 7 Wasmeier, S. 12. 8 Vgl. F Kirchhof, in: Achterberg/Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 231 ff. (Rdnr. 151 f.); Tipke/Lang, S. 46-52. 9 Vgl. neben Art.23, 25 und 77 (ex-Art. 9, 12 und 81) EGV vor allem das Diskriminierungsverbot in Art. 90 (ex-Art. 95) EGV und die umfangreiche Rspr. dazu. Einen Überblick gibt Wägenbaur, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 95, Rdnr. 17ff.; vgl. nur EuGHE 1977, 247ff., Rs. 20/76 "Schöttle"; EuGHE 1977, 557ff., Rs. 74/76 "lanelli"; EuGHE 1983, 3537ff., Rs. 158/82 "Erdnüsse". 10 Zu Unrecht behauptet Krämer, in: Rengeling, EUDUR I, S.411 (424f.), es bestünden zur Zeit keine abgabenrechtlichen Vorschriften (Steuern, Abgaben und Gebühren) auf EG-Ebene. s. dagegen die Nachweise über EG-Abgaben unter A. III. 2.-5. und E. I. 2., E. I. 3. 11 Mit Ausnahme von Art. 175 li EGV bestehen keine ausdrücklichen Sachkompetenzen der EG für eine eigene Abgaben- oder Steuerpolitik, sondern nur Harmonisierungskompetenzen in den Art. 93, 94, 95 I (ex-Art. 99, 100, IOOa I) EGV. DieSachkompetenzen sind bisher nur zögerlich für Abgabenregelungen eingesetzt worden, vgl. zu Art. 37 (ex-Art. 43) EGV die verschiedenen Mitverantwortungsabgaben unterE. I. 3; zur Verkehrspolitik die Richtlinie über die Straßengebühren für den Schwerlastverkehr, RL 93/89/EWG, ABI. 1993, L279. 12 Deutlich dazu die Mitteilung der Kommission "Die Umwelt Europas", KOM (99) 543, S. 19; vgl. die Vorbehalte einiger Mitgliedstaaten gegenüber dem Vorschlag für eine Energie-/C02-Steuer, ABI. 1992, C 196, S. 1, völlig überarbeitet in KOM (95) 172; dazu CES 421/96; schließlich reduziert auf den Vorschlag über eine Richtlinie zur Angleichung der Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen, ABI. 1997, C 139, S. 14. Selbst dieser ist bisher nicht vom Rat behandelt worden. Vgl. ferner die Praxis, häufig exArt. 99 EGV als zusätzliche Rechtsgrundlage heranzuziehen, wie es bei dem genannten Vorschlag und der Richtlinie über Straßengebühren für den Schwerlastverkehr geschehen ist, ABI. 1993, L 279. Insbesondere Spanien und Großbritannien legen Wert auf das Einstimmigkeitserfordernis bei der Beschlußfassung, Krämer, in: GTE, EUVJEGV, Vorb. Art. 130r, Rdnr.6.

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

typen und besondere Vorstellungen vom Umfang des Abgabebegriffs haben13 • Im Unterschied zum deutschen Recht verlangt aber die ausdrückliche Umweltkompetenz nach Art. 175 (ex-Art.130s) EGV gerade eine rechtliche Bestimmung dieses Politikbereiches. Dessen Konturen sind zwar noch nicht deutlich von den anderen Politiken der EG zu unterscheiden14, denn aufgrund der Integrationsklausel nach Art. 6 (ex-Art. 130r II) EGV sind die Erfordernisse des Umweltschutzes auch in den anderen Gemeinschaftspolitiken einzubeziehen. In jedem Fall eröffnet aber die Aufgabe des Umweltschutzes die Verbandskompetenz der Gemeinschaft. Auch dem besonderen Begriff der Umweltabgabe kommt im EG-Recht eine rechtliche Bedeutung zu. Seit dem Maastricht-Vertrag besteht mit Art. 175 II (exArt. 130 s II) EGV eine ausdrückliche Kompetenz für umweltpolitische Vorschriften "überwiegend steuerlicher Art", deren Auslegung und Abgrenzung von anderen Kompetenzen eine rechtliche Auseinandersetzung mit dem Begriff der "Umweltabgabe" verlangt. 15 Des weiteren hat der Begriff über das Sekundärrecht Rechtserheblichkeit erlangt. Nachdem bereits im 5. Umweltprogramm der Einsatz von Umweltabgaben anvisiert worden ist, muß nunmehr nach dem Beschluß über die Überprüfung des 5. Umweltprogramms unter Art. 3. 1. lit. c bei der Entwicklung umweltpolitischer Instrumente ausdrücklich besondere Beachtung auf die Entwicklung von Umweltabgaben gelegt werden. 16 Im Gegensatz zu den früheren, nur politisch bedeutsamen Umweltprogrammen kommt dieser Vorschrift nach Art. 175 III EGV für die zukünftige gemeinschaftliche Umweltpolitik rechtliche Bindungswirkung zuP Allen Abgaben ist es wesenseigen, daß der Abgabenpflichtige durch sie dem Staat oder anderen in hoheitlichem Auftrag tätigen Stellen zu Einnahmen verhilft. In der Praxis führen alle Umweltabgaben zumindest als Nebeneffekt zu Einnahmen. 18 13 V gl. zum Steuerbegriff die unterschiedlichen Angaben der Mitgliedstaaten für das Inventar der Steuern, hrsg. von der Kommission, 16. Ausg.; zu den unterschiedlichen Vorstellungen von parafiskalischen Abgaben instruktiv Götz, Fs. Friauf, S. 37 (39ff.). 14 Zur umstrittenen Abgrenzung der Kompetenznormen ausf. unter B. Einen Überblick geben Schröer, S. 97 ff.; Wasmeier, S. 225 ff.; Müller, S. 38 ff. 15 Zur Auslegung vgl. insbesondere Breier!Vygen, in: Lenz, EGV, Art. 175, Rdnr. II; ausf. unter B. I. 3. 16 ABI. 1998, L275, S. l; vgl. KOM (95) 647, S.ll. Diese Bestinunung ist vom AdR, ABI. 1997, C34, 12 (15), und WSA bestätigt worden, der allerdings konkretere Angaben zur Einführung verlangt hat, ABI. 1996, C212, I (4). Zur heftigen Kritik durch das EP wegen fehlenden Fortschritts in der Umweltpolitik vgl. Verhandlungen des Europäischen Parlaments, 1996/97, Anhang zum ABI. Nr.4-490. 17 Vgl. Scherer!Heselhaus, in: Dauses, EU-WirtschaftsR, Umweltrecht, Rdnr. 81; für die Möglichkeit einer Untätigkeitsklage bei Nichtumsetzung plädieren Breier!Vygen, in: Lenz, EGV, Art. 175, Rdnr. 19, ihnen folgend Schmitz, S. 133 f., dessen Vergleich mit ex-Art. 130s II EGV daran leidet, daß dort ausdrücklich eine .,Kann"-Bestimmung vorgesehen ist; dagegen Heselhaus, in: Lange, Gesamtverantwortung, S. 93 (113), unter Hinweis auf die offene Formulierung in der eng!. und frz. Fassung sowie die unterschiedlichen Beschlußverfahren. 18 Grundsätzlich werden Finanzierungs- und Lenkungsfunktion unterschieden, die aber regelmäßig gemeinsam vorhanden sind. Bei letzteren werden aber mit zunehmendem Erfolg des

I. Umweltabgaben und Ertragshoheit

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Diese fast immer vorhandenen Finanzierungseffekte haben bisher in der politischen Diskussion im Gegensatz zur möglichen Lenkungswirkung im Hintergrund gestanden.19 Eine besondere Aufmerksamkeit ist ihnen aber in jüngster Zeit aufgrund der Überlegungen gewidmet worden, das Aufkommen aus Umweltabgaben zur Verringerung der Abgabenbelastung in anderen Bereichen einzusetzen, um auf diese Weise die Belastung der einzelnen Abgabenpflichtigen insgesamt in etwa neutral zu halten.20 Die Einnahmen führen zu einer Konkurrenz zwischen den verschiedenen in der EG bestehenden hoheitlichen Handlungsebenen um die Ertragshoheit, die im Grundsatz auch den bundesstaatlich organisierten Mitgliedstaaten bekannt ist. 21 Angesichts dieses Befundes kann es nicht überraschen, daß in der Kommission Überlegungen angestellt werden, Umweltabgaben als eine neue Quelle für Gemeinschaftseinnahmen zu erschließen.22 Über eigene Einnahmen verfügt die Gemeinschaft grundsätzlich schon seit der Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten nach Art. 200 EWGV a. F. durch EigenmitteL Die rechtlichen Grenzen der Eigenmittel oder sonstiger Einnahmen der EG nach Art. 269 I (ex-Art. 201 I) EGV sind aber heftig umstritten, insbesondere die Frage nach dem Bestehen einer Abgabenhoheit oder gar einer Steuerhoheit der EG. 23 In der Praxis setzt die Ertragshoheit der EG, auch soweit sie über Art. 269 EGV an die Zustimmung der Parlamente der Mitgliedstaaten gebunden ist, zumindest eine Angleichung der betroffenen nationalen Abgabentatbestände voraus und damit eine gewisse Rechtsetzungskompetenz auf der gemeinschaftlichen Ebene.24 Lenkungsappells weniger Einkünfte erzielt, vgl. Kloepfer, Umweltrecht, S. 322 ff.; einen Nachweis für Umweltabgaben im internationalen Vergleich findet man bei OECD, Economic Instruments, S. 73; OECD, Taxation and the Environment, S. 62f.; OECD, Environmental Taxes in OECD-Countries, S. 7 hält die Finanzierungsfunktion für dominant; zu den nationalen Umweltabgaben in der EG s. EUA, Ökosteuern, S. 8; dies., Environmental signals 2000, S. 97 f.; Kommission, Tax Provisions with a potential Impact on environmental Protection, S. 9; kritisch RSU, Umweltgutachten 1996, S. 322ff. m. w. N. 19 Vgl. bspw. Kloepfer, Umweltrecht, S. 322, der von Umweltabgaben im engeren Sinne spricht. Meßerschmidt, S. 42ff., konzentriert sich allein auf Lenkungsabgaben, dagegen untersucht Wasmeier, S. 28 f. auch Umweltfinanzierungsabgaben. 20 EUA, Ökosteuern, S. 8; vgl. auch Art. 15 des ursprünglichen Entwurfs der Kornmission für eine Energie/C02-Steuer, ABI. 1992, C 196, S. 1; allerdings aufgegeben im geänderten Vorschlag, KOM (95) 172, S.41; zustimmend zu einem solchen Zweck Schröer, RIW 1993,914 (919); die Kornmission hält an der Steuerneutralität als Ziel grundsätzlich fest, KOM (97) 30, S.8. 21 Zu einem Überblick über die Verteilung der Finanzen in Bundesstaaten Bothe, S. 232 ff.; zum Finanzausgleich in der BRD und der EU Häde, S. l39ff., 419ff. 22 KOM (98) 560, Anhang II; Kommission, Finanzverfassung, S. 47. Geprüft werden Steuern auf Unternehmensgewinne, Besteuerung des Energieverbrauchs oder eine C02-Steuer sowie gemeinschaftliche Verbrauchsteuer; kritisch dazu Peffekoven, S. 113 ff. Allerdings konnte sich die Kornmission mit diesen Vorstellungen für den Eigenmittelbeschluß 2002 nicht durchsetzen, KOM (99) 333. 23 s. unterE. II.- E. IV. 24 So konnten die MWSt-Eigenmittel erst nach Umsetzung der entsprechenden Harmonisierungsrichtlinien effektiv eingeführt werden, s. ausführlich unterE. I. 5. 3 Heselhaus

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

Für solche Umweltabgaben mit Rechtsgrund im EG-Recht und einer EG-Ertragshoheit wird in dieser Untersuchung die Bezeichnung "EG-eigene Umweltabgabe" verwendet. Sie stellt unabhängig vom Streit über die Bedeutung des Begriffs der Steuerhoheit25 klar, daß es sich um Einnahmen der EG handelt, die die Mitgliedstaaten nicht aus eigenem Recht ihren eigenen Haushalten effektiv zuweisen können.

II. Der gemeinschaftsrechtliche Abgabebegriff 1. Abgabe als Oberbegriff im Gemeinschaftsrecht Im gemeinschaftlichen Primärrecht wird der Begriff Abgabe in einer Vielzahl von Vorschriften verwendet, ohne daß eine Legaldefinition desselben vorgesehen wäre. 1 In der überwiegenden Mehrheit gehen Literatur und Rechtsprechung davon aus, daß es sich dabei um den Oberbegriff für die übrigen im EG-Recht verwendeten abgabenrechtlichen Begriffe, wie Steuern und Gebühren usw. handelt. 2 Allerdings leiten 25 Vgl. nurBieber, in: GTE, EUV/EGV, Art.201, Rdnr.10; Olmi, CDE 1971, 379ff.; Börner, S.64ff. 1 V gl. u. a. Art. 25, 77, 90, 93 EGV; auch im deutschen Recht fehlt eine Legaldefinition, weshalb der Abgabebegriff oft über die Aufzählung der möglichen Abgabentypen näher beschrieben wird, vgl. Meßerschmidt, S. 19f.; Tipke!Lang, S. 46ff.; zum EG-Recht ähnlich Müller, S. 13. Eingehendere Definitionen für das deutsche Recht finden sich dagegen bei F Kirchhof, in: Achterberg/Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 231 ff. (Rdnr. 151 f.). 2 Ständige Rspr. des EuGH zu Art. 90 (ex-Art. 95) EGV, EuGHE 1977, 247 (258f.), Rs. 20n6 "Schöttle"; Beschel!Vaulont, in: GTE, EGV/EUV, Art. 12, Rdnr. 7; Voß, in: Grabitl/ Hilf, EGV/EUV, Art. 90, Rdnr. 14; Wasmeier, S.13ff.; dagegen unter Rückgriff auf deutsche Vorstellungen Schröer, S.156; Müller, S. 13 ff.; Ohler, S.46f.; Kuntze, S.l60. Die Aussagen der Kornmission waren anfangs unpräzise. Sie hat im 5. Umweltprogramm, ABI. 1993, C 138, S.1 (71 f.), zwischen Abgaben sowie Gebühren und steuerlichen Anreizen differenziert, vgl. auch ihren Vorschlag über die Überprüfung des 5. Umweltprogramms (Art. 3.1 lit. a "Umweltabgaben", Art. 3.11it.d "Förderung von Steuerreformen"), KOM (95) 647, S.l1; dagegen geht sie in neuererZeitdeutlich vom Oberbegriff Abgabe aus, unter den sowohl Steuern als auch Gebühren fallen, KOM (97) 9, Mitteilung über Umweltsteuern und -gebühren im Binnenmarkt. Der WSA sieht einen Unterschied zwischen Steuern und Abgaben, wenn er in seiner ersten Stellungnahme zur C02-Steuer die Ausgestaltung der Steuer als Abgabe (gemeint ist wohl die Errichtung eines Fonds) anregt, ABI. 1993, C 108, S. 20 Art. 1). In der englisch-sprachigen internationalen Literatur wird weitgehend in den Titeln "taxes" als Oberbegriff verwendet, dann aber im einzelnen differenziert zwischen "taxes", "charges", "fees" etc.; vgl. OECD: Taxation and the Environment, S. 22ff.; dies.: Environmental Taxes in OECD Countries; vgl. aber auch European Foundation for the Living and Working Conditions, Environmental Taxes and Charges, Report. Die deutsche Übersetzung des Berichts der EUA, Ökosteuern, Zusammenfassung, knüpft im Titel an den Steuerbegriff an, differenziert dann aber zwischen Steuern und anderen Abgaben wie Benutzerabgaben und zweckgebundenen Abgaben, S. 8. Im französischen wird "impöts" als Oberbegriff für "taxe" und "redevance" verwendet, Montaignier, RTDE, 1999, 741 (770). In der Tendenz setzt sich in der Diskussion zunehmend der Begriff der Abgabe durch, wenn auch das Schlagwort der "Ökosteuem" in der politischen Diskussion häufig anzutreffen ist.

II. Der gemeinschaftsrechtliche Abgabebegriff

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nur wenige Autoren diese Ansicht direkt aus dem EG-Recht her3, nicht zuletzt weil die Begriffsverwendung im EG-Vertrag bezüglich Abgaben wenig systematisch ist, zuweilen gar als widersprüchlich bezeichnet wird4 • Grundsätzliches Problem einer einheitlichen Begriffsbildung ist, daß die Verwendung identischer Worte in verschiedenen Normen nicht notwendig auf denselben Begriffsinhalt schließen läßt.5 Gerade im Gemeinschaftsrecht können solche Unterschiede relativ häufig vorkommen und auch gravierend sein. Das liegt vor allem an dem besonderen Gewicht, das der Auslegung nach dem Sinn und Zweck der einzelnen Norm in der Rechtsprechung des Gerichtshofes zukommt. 6 So werden negative Kompetenznormen7 (Art. 90, 23, 25 EGV) regelmäßig weit ausgelegt, um Umgehungen des Gemeinschaftsrechts zu verhindern, während das für positive Kompetenznormen (Art. 95, 175 EGV) so nicht gilt und Ausnahmevorschriften von den grundlegenden Vertragsnormen immer eng auszulegen sinds. Ein konkretes Auslegungsergebnis kann daher nicht automatisch auf andere Bestimmungen des EG-Vertrages übertragen werden, doch kommt ihm in der systematischen Auslegung Gewicht zu. Ohne konkret auf die Begriffsbildung in den unterschiedlichen Vorschriften einzugehen, verwendet auch der EuGH den Begriff der Abgabe als einen Oberbegriff für verschiedene Typen finanzieller Belastungen des einzelnen, insbesondere für Steuem9, Abschöpfungen 1o, aber auch Kautionen 11 • Dieses umfassende BegriffsverJ So grundlegend bereits Kahler, S. 26-47; vgl. dazu vertiefend Wasmeier, S.13 ff., der Meßerschmidt, RdE 1992, 226 (229), folgend allerdings irrtümlich meint, es habe noch keine systematische Untersuchung des Abgabebegriffs stattgefunden. 4 Wolffgang, in: Lenz, EGV, Art. 93, Rdnr. 8, der aber nur auf die deutsche Fassung des EGVertrages abstellt. UnterBerücksichtigung der eng!. und frz. Fassung hältK/ocke, S.118, die Begriffe Steuern und Abgaben für synonyme Oberbegriffe. Jedoch legen die anderen Fassungen nahe, daß die deutsche Übersetzung insofern zur begrifflichen Unschärfe neigt und eher von Besteuerung als von Steuern hätte handeln müssen. 5 Grundsätzlich dazu Larenz, S. 321; näher zur Situationsgebundenheit der Auslegung Schapp, S. 90. 6 Streil, in: BBPS, EU, S.246f; Oppermann, Rdnr.685 f., m. w.N. 7 Darunter sind Vertragsvorschriften zu verstehen, die den Mitgliedstaaten ein Handeln untersagen, bspw. Art. 76 EGV, im Gegensatz zu positiven Kompetenznormen, die die Gemeinschaft zum Handeln ermächtigen. 8 Pernice, in: Grabitz/Hilf, EUVlEGV, Art. 164, Rdnr. 26m. w. N. auf die Rspr. 9 EuGHE 1974, 1037ff., Rs. 27n4 bzgl. Sonderumsatzsteuer; EuGHE 1977, 247ff., Rs. 20n6 "Schöttle" bzgl. Straßengüterverkehrssteuer; EuGHE 1985, 1367ff., Rs. 112/84 "Humblot" bzgl. Kraftfahrzeugsteuer; EuGHE 1988, 1343 ff., Rs. 252/86 bzgl. Spielautomatensteuer; im Grundsatz auch EuGHE 1990, I-4509ff., Rs. C-47/88, bzgl. Kfz-Zulassungssteuer. 10 EuGHE 1977,247 (258f.), Rs.20n6 "Schöttle"; 1991,1-415 (546), Rs.C-143/88 und C-92/89 "Tilgungsabgabe". 11 EuGHE 1981, 1191 ff., Rs.66/80 "International Chemical Corporation", bezeichnet Kautionen als Gemeinschaftsabgaben.

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

ständnis läßt sich aus dem EG-Vertrag herleiten. Denn der Begriff der Abgabe erscheint in Art. 90 (ex-Art. 95) EGV, der als negative Kompetenz einen weiten Anwendungsbereich hat, in der umfassenden Formulierung "Abgaben gleich welcher Art", die auch in der Rechtsprechung als Oberbegriff für die anderen finanzrechtlichen Typen angesehen wird. 12 Aus der Vertragssystematik ergibt sich, daß Art. 90 EGV in diesem Zusammenhang eine zentrale Stellung zukommt, weil er in besonderer Weise mit den anderen einschlägigen Vorschriften des EG-Vertrages korrespondiert. Die Verbote, Rückvergütungen und Ausgleichsabgaben gemäß Art. 90ff EGV ergänzen das Verbot von Zöllen und zollgleichen Abgaben zum Schutz des freien Warenverkehrs in den Art. 23, 25 EGV, indem sie Einbrüche in deren Geltungsbereich, die durch fiskalische Maßnahmen erzielt werden könnten, abfangen. Diese Vorschriften sind dergestalt miteinander verbunden, daß eine warenbezogene Abgabe entweder eine zollgleiche Abgabe nach Art. 25 EGV oder eine inländische Abgaben nach Art. 90 EGV darstellt. 13 Dem Gesamtsystem liegt mithin derselbe Abgabebegriff zugrunde. Gegenüber Art. 28 EGV, der dem Verbot mengenmäßiger Beschränkungen in der Gemeinschaft dient, ist Art. 90 EGV exklusiv für abgabenrechtliche Beschränkungen mit diskriminierender Wirkung. 14 Jedoch kann eine Abgabe im Zusammenhang mit einer an Art. 28 EGV zu messenden Vorschrift durchaus selbständig Gegenstand von Art. 90 EGV sein. 15 Gegen die Qualifizierung von "Abgabe" als Oberbegriff spricht auch nicht, daß in den Überschriften des einschlägigen Titels V EGV von "Steuerfragen" die Rede ist und in dessen 2. Kapitel von "steuerlichen Vorschriften". Zwar müssen beide Bezeichnungen aufgrund ihrer Funktion umfassend gemeint sein, doch kann die Bezeichnung "Steuerfragen" im Titel V als untechnischer Begriff aufgefaßt werden, da sie keinen gebräuchlichen terminus technicus darstellt. Das trifft auch für die französische (fiscalite) und spanische Fassung (fiscalidad) zu. 16 Die adjektivische Bezeichnung "steuerliche Maßnahmen" verwendet der EuGH zuweilen im Gegensatz zum substantivischen "Steuern" ohne eine strikte Abgrenzung zum Begriff der Abgabe. Jedoch hat er dem keine rechtliche Relevanz beigemessen. 17 Demgegenüber Ständige Rspr., vgl. nur EuGHE 1977, 247 (258f.), Rs. 20/76 "Schöttle". Ständige Rspr., vgl. EuGHE 1966, 258ff., Rs.57/65 "Lütticke". 14 Voß, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 90, Rdnr. 1, 61; Matthies/v. Borries, in: Grabitz/ Hilf, EUV/EGV, Art. 30, Rdnr. 48; EuGHE 1988, 1343 (1376), Rs.252/86 "Bergandi", spricht von "steuerlichen Beschränkungen". Außerhalb des Diskriminierungsverbotes nach Art. 90 EGV mißt der EuGH Abgabenregelungen durchaus an Art. 28 EGV, vgl. EuGHE 1990, 1-4509 (4534), Rs. C-47/88, wenn bspw. eine vergleichbare inländische Produktion fehlt. A.A. Wasmeier, S. 112. 15 So ist eine Gebühr, die für eine nach Art. 30 EGV gerechtfertigte Überprüfung erhoben wird, nach Art. 90 EGV zu prüfen, EuGHE 1981,251 (267), Rs. 32/80 "Kortmann"; Wasmeier, S. 20 f., scheint von "Überschneidungen" zwischen Art. 90 und 28 (ex-Art. 5 und 30) EGV auszugehen. 16 V gl. dagegen die englische Fassung "tax provisions". Zum Begriff "taxes" s. unter A. III. 5. 17 Vgl. EuGHE 1988, 1343 (1374), Rs. 252/86 "Bergandi", der unter dem Merkmal "Abgaben" steuerliche Maßnahmen untersucht. 12 13

li. Der gemeinschaftsrechtliche Abgabebegriff

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geht Wasmeier ohne nähere Begründung davon aus, daß dem Attribut "steuerlich" im deutschen Sprachgebrauch eine umfassende Bedeutung zukomme. 18 Dem steht aber entgegen, daß auch im deutschen Sprachgebrauch Gebühren nicht als steuerliche Maßnahmen bezeichnet werden. Nuraufgrund der Systematik ist davon auszugehen, daß die Verwendung in der Kapitelüberschrift umfassend gemeint ist. Dagegen werden in einzelnen Vorschriften in den meisten anderen sprachlichen Vertragsfassungen19 für "steuerlich" zwar relativ weite, aber eben nicht umfassende Begriffe herangezogen (dispositions fiscales, disposizioni fiscali). Denn in dem jeweiligen Sprachgebrauch werden diese "fiskalischen" Vorschriften häufig von den parafiskalischen unterschieden, die auch zu den Abgaben zählen.2 Ferner wird der Begriff der steuerlichen Maßnahme in der EG-Umweltpolitik auch für Maßnahmen der Steuerverschonung, Steuerspreizung oder Steuerrückzahlung verwendet. 21 Das Begriffsfeld weist also Überlappungen mit dem des Abgabebegriffs auf, es handelt sich aber nicht um konzentrische Kreise. Deshalb ist die entsprechende deutsche Bezeichnung "steuerlich" im EG-Vertrag nicht als Oberbegriff anzusehen. Insgesamt bestätigen die Abweichungen in den unterschiedlichen Fassungen, daß die Begriffsverwendung in diesem Bereich des EG-Vertrages wenig systematisch ist.

°

So werden in einigen Vorschriften die Begriffe "Steuern" und "Abgaben" als austauschbar angesehen. 22 Nach dem Wortlaut des Art. 92 (ex-Art. 98) EGV, der von "Abgaben außer Umsatzsteuern, Verbrauchsabgaben und sonstigen indirekten Steuern" handelt, ist das Substantiv "Steuern" ein Unterfall von Abgaben.23 Nach dem Sinn der Vorschrift, eine Sonderregelung für den Ausgleich direkter Belastungen aufzustellen, muß sich aber die Ausnahme auf alle indirekten Abgaben, einschließlich der Steuern beziehen. Daher müßte es im deutschen Text sinnvoller "sonstige indirekte Abgaben" statt "sonstige indirekte Steuern" heißen. Der Wortlaut von Art. 93 (ex-Art. 99) EGV bestätigt diese Kritik, weil er neben Umsatzsteuern und Wasmeier, S. 36. Grundsätzlich zur Auslegung des EG-Rechts nach den verschiedenen sprachlichen Fassungen EuGHE 1982,3415 (3430), Rs.283/81, wonach alle Fassungen gleichermaßen verbindlich sind und daher nach EuGHE 1996, I-5403 (5443), Rs. C-72/95, bei Abweichungen die allgemeine Systematik und der Zweck der Regelung entscheidend sind. Das spricht für den in der umfassenden Norm Art. 90 EGV verwendeten Begriff der Abgabe. Pernice, in: Grabitz/ Hilf, EUV/EGV, Art. 164, Rdnr. 23, sieht im Vergleich der unterschiedlichen sprachlichen Fassungen eine Hilfe für die Auslegung; eingehender zu den Problemen Braselmann, EuR 1992, 55 ff., die letztendlich die Teleologie für entscheidend hält. 20 Maublanc-Fernandez!Maublanc, RMC 1995, 373; ausführlich dazu unter A. III.4. 21 So stellt die Entschließung des Rates über erneuerbare Energieträger, ABI. 1998, C 198, S.1 (2), den steuerlichen Maßnahmen Abgaben gegenüber. Vgl. auch die steuerlichen Anreize für umweltschonende Motoren im Kfz.-Sektor, Art. 5 RL 98/69/EG, ABI. 1998, L 350, S. 1. Steuerrückzahlungen schlägt der WSA für die Beteiligung am Öko-Audit-System der EG vor, CES 560/99, Tz. 2.2.3. Deketelaere, EELR 1996,9 (11). 22 So im Ergebnis auch Wägenbaur, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, (ex-)Art. 98, Rdnr. 6. Vgl. Wolffgang, in: Lenz, EGV, Art. 93, Rdnr. 8. 23 Wägenbaur, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, (ex-)Art. 98, Rdnr. 4. 18 19

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

Verbrauchsabgaben als Auffangbezeichnung "sonstige indirekte Steuern" verwendet.24 Auslegungshilfe bringt der Vergleich mit den anderen sprachlichen Vertragsfassungen. Im englischen und französischen Text wird nämlich in Art. 93 EGV zwischen einerseits "taxes" und andererseits der Auffangbezeichnung "other forrns of indirect taxation" bzw. "impöts" differenziert. Im Französischen kommt dem Begriff "impöts", nicht aber immer dem Begriff "taxes", eine umfassende Bedeutung zu. 25 Auch die englische Version spricht für ein weites Verständnis von "taxation".26 Für die deutsche Übersetzung wäre demnach die untechnische Bezeichnung "Besteuerung" angemessener gewesen, die ebenfalls eher weit zu verstehen ist. 27 Einwände gegen dieses Ergebnis lassen sich auch nicht aus Art. 9511 (exArt. lOOa II) EGV ableiten, der eine Ausnahme von der positiven Kompetenznorm des Art. 95 I EGV für "Steuern" vorsieht. Zwar legen die abweichenden anderen sprachlichen Fassungen (frz.: dispositions fiscales; engl.: fiscal provisions)28 ein weites, über den engen deutschen Steuerbegriff hinausgehendes Verständnis nahe. Doch umfassen auch sie nach richtigem Verständnis nicht alle Abgabentypen. 29 Soweit Art. 77 EGV schließlich von Abgaben und Gebühren spricht, wird dies allgemein als Verdeutlichung im Sinne von "insbesondere Gebühren" verstanden. 30 Dieser Überblick zeigt deutlich, daß das EG-Primärrecht keine strenge Typisierung der finanzrechtlichen Begriffe kennt. Trotz der Ungereimtheiten insbesondere in der deutschen Fassung kann aber festgehalten werden, daß der Begriff der Abgabe den der Steuer mitumfaßt. Das wird sowohl durch die bisherigen Gemeinschaftsakte als auch durch die entsprechenden Vorschläge bestätigt, wenngleich sich noch nicht in allen Fällen eine strikte Begriffsverwendung herausgebildet hat. 31 Bereits im 5. Umweltprogramm sind Umweltabgaben unter der Bezeichnung "steuerliche Instrumente" in AbgrenSo Wolffgang, in: Lenz, EGV, Art. 93, Rdnr. 8; Klocke, S. 118. Zwar findet man die Bezeichnungen "taxes fiscales" und "taxes parafiscales", doch werden unter "impöts" dann "taxes" und "redevances" als Unterbegriffe unterschieden, Montagnier, RTDE 1999, 741 (770), London, RJE 1998, 31, vgl. KOM (97) 9 in der frz. Fassung. 26 Für "tax" läßt sich sowohl ein weites Verständnis feststellen, Smith, West's Law Dictionary, S. 875, wonach die "tax forthe use and service ofthe state" erhoben wird, als auch einengeres, Westin, Lexicon ofTax Terminology, S. 757: ,,not primarily imposed für the purpose of regulation". 27 Nach Wasmeier, S. 36, kommt "Besteuerung" und "steuerlich" im gewöhnlichen Sprachgebrauch die gleiche, umfassende Bedeutung zu. Auch KOM (99) 263, S.12 verwendet "Besteuerung" in einem umfassenden Sinn. 28 Eng!.: fiscal provisions; ital.: disposizioni fiscali; span.: disposiciones fiscales (im Unterschied zu "impuestos" in Art. 93 EGV). 29 Ausführlich dazu unter B. III. 5. 30 Erdmenger, in: GTE, EUV/EGV, Art. 81, Rdnr. 2, weist darauf hin, daß die Verkehrsunternehmen ihren Kunden häufig "Gebühren" in Rechnung stellen, wodurch sie gegebenenfalls entrichtete öffentliche Grenzabgaben wieder einnehmen. 31 Art.l2 RL 69/335/EWG nennt "Abgaben mit Gebührencharakter", dazu EuGHE 1997, I-7683 (6828 f.) "Fantask". 24 23

II. Der gemeinschaftsrechtliche Abgabebegriff

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zung zu "ökonomischen Instrumenten" erlaßt worden. Darunter wurden zwei Kategorien subsumiert: einerseits Abgaben (sehr vergleichbar den deutschen Sonderabgaben) und Gebühren, andererseits steuerliche Anreize, die sowohl die Steuerspreizung beim Benzin als auch die vorgeschlagene Energie-/COrSteuer umfassen sollen. In der Erläuterung ist letztere dann aber ebenfalls als Abgabe bezeichnet worden.32 Dagegen umfaßt der Begriff "steuerliche Instrumente" im Gegensatz zu Abgaben auch steuerliche Vergünstigungen.33 In Fortführung dieses Ansatzes nennen Bericht und Beschluß zur Überprüfung des 5. Umweltprogramms in Art. 3 I lit. b die Erhebung von Umweltabgaben ohne weitere besondere Differenzierung als einen prioritären Bereich im Umweltrecht.34 Konsequent stellt dann Art. 3 I lit. g des Beschlusses den Abgaben den verstärkten Einsatz steuerlicher Instrumente gegenüber.35 Im ursprünglichen Vorschlag hatte die Kommission das Ziel von Steuerreformen anvisiert36, deren besondere Erwähnung sinnvoll ist, da sie sich auf den Gesamtkomplex der staatlichen Einnahmen beziehen. Demgegenüber stellt der Beschluß des Rates eine Verwässerung des ohnehin schon in der Zielvorgabe eher unpräzisen Berichtes der Kommission dar. 37 In ihrer Mitteilung zu Umweltsteuern und -gebühren im Binnenmarkt verwendet die Kommission Steuern und Gebühren als besondere Kategorien von Abgaben. 38 In der politischen Diskussion dominiert hingegen das Schlagwort der "Ökosteuern". Sofern dieser im Titel von rechtlichen Abhandlungen oder Untersuchungen verwendet wird, spricht das nicht für eine grundsätzliche andere Sicht, da jeweils bei der näheren Untersuchung zwischen Steuern und anderen Abgaben unterschieden wird.39

32 ABI. 1992, C 138, S. 1 (71 f.). Dagegen verwendet die Kornmission in ihrer Mitteilung "Binnenmarkt und Umwelt", KOM (99) 263, S. 12, Besteuerung als Oberbegriff. 33 ABI. 1992, C 138, S.1 (71 f.). 34 ABI. 1997, C 157, S.12; ABI. 1996, C 140, S.5 (dort noch Art. 3, 3.1. a); ABI. 1998, L275, S.l. 35 ABI. 1998, L275, S.l. 36 ABI. 1996, C 140, S.5 (dort noch Art. 3, 3.l.d). 37 Zur deutlichen Kritik des Berichtes durch das EP wegen dessen unpräzisen Zielvorgaben Verhandlungen des EP 1996/97, ABI. Anhang Nr. 4-490, S. 107ff. 38 ABI. 1997, C 224, S. 6; allerdings ist sie für die "falsche" Verwendung des Gebührenbegriffs vorn WSA, CES 993/97, S. 2, gerügt worden; auch in Kommission, Tax Provisions, S. 9, wird der Steuerbegriff für eine Abgabenkategorie verwendet. 39 EUA, Ökosteuern, S. 8, differenziert zwischen fiskalischen Steuern, Lenkungssteuern und Abgaben zur Kostendeckung. Vgl. OECD, Taxation and the Environment, S.22ff.; dies.: Environmental Taxes in OECD Countries; Vgl. auch Wilhelm, Ökosteuern, S. 54; Benkert!Bunde/Hansjürgens, Umweltpolitik mit Ökosteuern?, S. 69 ff. , SOff.; s. auch die Koalitionsvereinbarungen für die 14. Legislaturperiode, Umwelt 1998, 551 , zur ökologischen Steuer- und Abgabenreforrn.

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

2. Definition der Abgabe Unter einer Abgabe im Sinne der Art. 90, 23, 25, (ex-Art. 95, 9, 12) EGV versteht der Gerichtshof eine finanzielle Belastung kraft hoheitlicher Anordnung, wobei es weder auf deren Bezeichnung im innerstaatlichen Recht noch auf eine besondere Verwendung ihres Aufkommens oder eines besonderen Zwecks der Abgabe ankommt.40 Diese weite Definition entspricht dem Zweck der genannten Vertragsbestimmungen, die eine mögliche Diskriminierung mittels des Instrumentes der Abgabe verhindern sollen. 4' a) Finanzielle Belastung

Wesensmerkmal einer Abgabe ist die finanzielle Belastung des von ihr Betroffenen.42 Auf die Höhe der Belastung kommt es nach übereinstimmender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur nicht an.43 Grundsätzlich kann über das Merkmal der Belastung die Abgabe von Beihilfen, die dem Regime der Art. 87 ff. EGV unterliegen, klar unterschieden werden. Abgrenzungsprobleme können aber auftreten, wenn aus dem Aufkommen einer Abgabe auf Waren direkte Beihilfen44 in gleicher Höhe gewährt werden, die nur bestimmten inländischen Waren zugute kommen.45 Nach Ansicht des EuGH ist in solchen Fällen bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen eine Abgabe zollgleicher Wirkung nach ex-Art. 12 (Art. 25) EGV gegeben. 46 Konsequent stellt für den Gerichtshof auch im Rahmen des Art. 90 EGV eine etwaige Beihilfe für bestimmte Waren nicht den Abgabecharakter in Frage, sondern erlangt erst Bedeutung für die Frage, ob die Erhebung der Abgabe diskriminierend ist. 47 Die Beihilfe wird als Vorteilsgewährung angesehen48, deren besondere Aus40 EuGHE 1968, 633 (643), Rs. 7/68; EuGHE 1972, 1309 (1318), Rs. 29/72; dazu Voß, in: GTE, EUV/EGV, Art. 90, Rdnr. 15m. w. N. auf die Rspr. 41 Ständige Rspr., vgl. bereits EuGHE 1966, 257 (266), Rs. 57/65 "Lütticke"; Voß, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 90, Rdnr. 1m. w. N. 42 EuGHE 1969, 193 (201), Rs. 24/68 "Statistikgebühr"; 1969,211 (222), Rs. 2, 3/69 "Diamantarbeiders"; 1976, 129ff., Rs. 87/75 "Bresciani"; 1977, 5ff., Rs.46/76 "Bauhuis"; Kohler, S. 29; Wasmeier, S.15; Beschel!Vaulont, in: GTE, EUV/EGV, Art.12, Rdnr. 7. 43 EuGHE 1969, 211 ff., Rs. 2, 3/69 "Diamantarbeiders"; Koh/er, S. 39f.; Voß, in: Grabitz/ Hilf, EUV/EGV, Art.12, Rdnr.IO. 44 Der Beihilfebegriff im EG-Recht erfaßt auch Subventionen, EuGHE 1961, 3 (42f.), Rs.30/59 "Bergmannsprämie"; v. Wallenberg, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Vorb. Art. 87-89, Rdnr. 1; a. A. Grabitz, RIW 1989,623 (624). 45 Dieser wirtschaftlichen Sicht folgtBörner, S. 8, der das Vorliegen einer Abgabe bestreitet, wenn ihr Betrag zugleich von einer zu gewährenden Subvention abgezogen wird. 46 EuGHE 1992, I-6523 (6553), Rs.l7/9l "Lomoy". Entscheidend ist eine Beihilfe für die Waren, d. h. der Empfänger muß nicht notwendig der Abgabenpflichtige sein. So werden auch Beihilfen an Agenturen erfaßt, die auch die Vermarktung der Waren der Abgabenpflichtigen fördern, vgl. EuGHE 1992, 1-1847 (1881), Rs. 78-83/90 "Compagnie commerciale". 47 EuGH EuZW 1994,62 (63, Tz.lO), Rs.C-72/92 "Scharbatke".

II. Der gemeinschaftsrechtliche Abgabebegriff

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wirkungen zusätzlich an Art. 87 EGV überprüft werden müssen, wobei dann auch ihre Finanzierungsweise erheblich sein kann49 • Der Gerichtshof folgt in diesen Entscheidungen also einer formalen Betrachtung, die zunächst für die Definition der Abgabe zwischen der Belastung und der Vorteilsgewährung unterscheidet und erst bei der Beurteilung eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot die wirtschaftlichen Folgen berücksichtigt.50 Weitere Abgrenzungsprobleme können sich beim Abbau von Subventionen ergeben. Insbesondere kann die Beurteilung von Erweiterungen eines Abgabetatbestandes um vorher verschonte Sachverhalte oder die Streichung einer Ausnahmeregelung oder einer dem Abgabenpflichtigen nützenden und daher wirtschaftlich die Abgabenlast mindernden Subvention Anlaß zu Fragen geben. 51 So wird vertreten, daß allein die wirtschaftliche Wirkung entscheidend sein solle, da ansonsten für gleiche Sachverhalte unterschiedliche Regeln angewendet werden müßten.52 In der Rechtsprechung des Gerichtshofs läßt sich hingegen wiederum eine formale Betrachtungsweise für die Voraussetzungen des Abgabebegriffs erkennen. Er hat bisher indirekte Beihilfen im Zusammenhang mit Abgaben, wie besondere Befreiungen von Abgaben oder besondere Vorteile erst unter dem Gesichtspunkt der Diskriminierung bei der Festsetzung der Abgabenhöhe mitberücksichtigt, nicht aber die Abgabeneigenschaft vemeint.53 Dieses Vorgehen ist überzeugend. Die Sorge vor einer ungleichen Behandlung von Sachverhalten in den einzelnen Mitgliedstaaten aufgrund zusätzlicher, vorteilsbegründender Bestimmungen ist unbegründet, wenn man mit dem EuGH für die europarechtliche Überprüfung sowohl die abgabenrechtlichen als auch die beihilferechtlichen Bestimmungen anwendet. Etwaige wirtschaftliche Folgen durch andere Regelungen kommen im Ergebnis erst bei der Bewertung der Abgabenregelung zum Zuge.54 Für die Beurteilung, ob eine Regelung als Abgabe zu EuGH EuZW 1994,62 (63, Tz.lO), Rs.C-72/92 "Scharbatke". EuGHE 1970, 487 (495), Rs.47/69 "Frankreich/Kommission"; vgl. v. Wallenberg, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, (ex-)Art. 92, Rdnr. 83. so Auf dieser Linie liegt durchaus auch die Entscheidung EuGH, EuZW 1992, 390, Rs. C-195/90, zur deutschen Schwerverkehrsabgabe, in welcher der EuGH für die letztendliche Beurteilung unterschiedlicher abgabenrechtlicher Regelungen auf deren wirtschaftliche Wirkung abgestellt hat. In diesem Sinne Hese/haus, EuZW 1993, 311 (312). Sl Zu den Vorteilen entsprechender Bonus/Malus-Systeme für den Lenkungseffekt von Umweltabgaben vgl. v. Zezschwitz, in: Lange, Gesamtverantwortung, S. 251 (256). s2 Wasmeier, S. 23. 53 EuGHE 1977, 247 (260), Rs. 20/76 "Schöttle"; in EuGHE 1994, 1-877 (910), Rs. C-387/92, qualifiziert der Gerichtshof die Befreiung von einer Abgabe als Beihilfe. Vgl. zu steuerlichen Anreizen bei Kfz. Art. 3 RL 96/69/EG, ABI. 1996, L 282, S. 64; Art. 3, RL 99/69/EG, ABI. 2000, L44, S. I. 54 A. A. Wasmeier, S. 23, der ohne Eingehen auf die Rspr. des EuGH generell eine wirtschaftliche Betrachtung bevorzugt, da sonst wirtschaftlich gleiche Sachverhalte in den Mitgliedstaaten u. U. nach verschiedenen Rechtssätzen beurteilt werden müßten. Gegen diese Ansicht spricht, daß der EuGH die bestehenden Unterschiede zwischen den nationalen Steuersystemen anerkennt und insofern nicht völlige Gleichheit verlangt. 48

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

qualifizieren ist, ist dagegen grundsätzlich von der vom Gesetzgeber vorgegebenen Systematik auszugehen. Von den finanziellen Belastungen einer Ware sind ferner die wirtschaftlichen Belastungen eines Unternehmens, wie etwa Verwaltungs-, Betriebs- und Absatzkosten zu unterscheiden. 55 Sie bleiben bei der Betrachtung der Abgabenlast grundsätzlich außer Betracht. b) Hoheitliche Auferlegung der Abgabenlast

Die Art. 23, 25 und 90 EGV wenden sich an die Mitgliedstaaten und beziehen sich daher auf öffentliche Abgaben. Das vom EuGH verwendete Tatbestandsmerkmal der "Auferlegung" der finanziellen Last erfordert ein hoheitliches Tatigwerden, das insbesondere die genaue Höhe derselben festlegt. 56 Das kann grundsätzlich durch alle Träger von Hoheitsgewalt, d. h. durch den Staat selbst, Gebietskörperschaftens7 und andere autonome Körperschaften58 geschehen. Entsprechende hoheitliche Zwangsbefugnisse können aber auch beliehenen Privatrechtssubjekten zukommen. Daher ist es folgerichtig, auch Lasten in den Kreis öffentlicher Abgaben einzubeziehen, die von entsprechend Beliehenen festgesetzt werden. 59 Der EuGH hält das Vorliegen eines förmlichen Beleihungsaktes nicht für entscheidend, sofern insgesamt für den Zahlungspflichtigen eine vergleichbare Zwangssituation entstehe. So hat er es für die Bejahung der Abgabenqualität im Fall von "Gebühren", die ein privates Labor für eine staatlich vorgeschriebene Warenuntersuchung erhoben hatte, für ausreichend erachtet, daß das Labor durch staatliche Stellen bestimmt und die Kostenanlastung durch Rechtsvorschrift angeordnet wurde.60 Daraus läßt sich folgern, daß der Zwang zur Inanspruchnahme einer obligatorischen Leistung61 , die nur von Privaten angeboten wird, der daraus resultierenden 55 EuGHE 1976, 181 (194), Rs.45n5 ,,REWE-Zentrale" ; 1981, 2835 (2850f.), Rs. 4/81 .,Andresen". 56 Ausdrücklich EuGHE 1981,2835 (2850f.), Rs.4/81 "Andresen". 57 Vgl. die Definition der "öffentlichen Hand" in der Transparenz-Richtlinie 80n23/EWG, ABI. 1980, L 195, S. 35, die zumindest einen Mindestgehalt des Begriffes festlegt; EuGHE 1982,2545 (2578), Rs.188-190/80; Rdnr. 17; EuGHE 1988,2479 (2516), Rs.30/87 .,Pompes funebres" nennt die Träger der öffentlichen Gewalt auf der Ebene der Provinzen, Regionen und Gemeinden; zu den Körperschaften des öffentlichen Rechts EuGHE 1992, 1-1847 (1881), Rs. C-78- 83/90. 58 EuGHE 1975, 699 (710), Rs. 94n4 ,,ENCC"; Voß, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 25, Rdnr.6; EuGHE 1976, 181 (194), Rs.45n5 "REWE-Zentrale" zurdeutschen Branntweinmonopolverwaltung. 59 Kohler, S. 36f.; Beschel!Vaulont, in: GTE, EUV/EGV, Art. 12; Rdnr. 7; Wasmeier, S. 17. 60 EuGHE 1983, 3573 (3583f.), Rs. 158/82 "Erdnüsse". 61 In EuGHE 1977, 1355 (1363), Rs. 89n6, hat der Gerichtshof einen "praktischen Zwang" ausreichen lassen. Dort ging es um in einem völkerrechtlichen Vertrag festgelegte Untersuchungen, die nicht Voraussetzungen des freien Warenverkehrs waren, aber wichtige Erleichterungen für denselben brachten.

II. Der gemeinschaftsrechtliche Abgabebegriff

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finanziellen Belastung öffentlich-rechtlichen Charakter verleiht. 62 Anders ist das zu beurteilen, wenn die fragliche Leistung alternativ und kostenlos von staatlichen Stellen erbracht wird.63 Darüber hinaus hat der EuGH den Anwendungsbereich der Art. 23, 25 EGV ebenfalls im Falle einer vertraglich vereinbarten "Durchfahrtsgebühr" zugunsten eines Privatrechtssubjektes für die von ihm vorgenommenen Tätigkeiten, die aber auch die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben durch die Zoll- und Veterinärmedizinischen Dienststellen umfaßte, bejaht. Im wesentlichen hat er darauf abgestellt, daß es um die Deckung von Kosten für öffentliche Aufgaben ging, die von den Mitgliedstaaten zu tragen waren. 64 Dieser weiten Auslegung ist zuzustimmen, da sie eine Umgehung der Art. 23, 25 EGV verhindert. Wenn eine pflichtenähnliche Zwangssituation für den Wirtschaftsteilnehmer besteht, kommt es nicht mehr darauf an, auf welche Art die Kosten ihm auferlegt werden. Jedoch differenziert der EuGH in diesem Zusammenhang zwischen einem unmittelbaren Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht bei einseitigen Handlungen der Behörden und einem mittelbaren Verstoß bei der Auferlegung der finanziellen Last durch privatrechtliche Vereinbarung.65 Die Entscheidung kann dahin verstanden werden, daß durch eine privatrechtliehe Vereinbarung eine öffentliche Abgabe nicht unmittelbar erhoben werden kann, daß jedoch dadurch mittelbar die Wirkungen einer öffentlichen Abgabe den Wirtschaftsteilnehmern auferlegt werden können. Demzufolge kann das Kriterium der hoheitlichen Auferlegung nicht direkt durch Verträge im Rahmen der privatrechtliehen Gleichordnung erfüllt werden. 66 Auch in Art. 77 EGV wird deutlich zwischen den hoheitlich67 geregelten Abgaben und Gebühren und der privatrechtliehen Inrechnungstellung durch die Verkehrsunternehmen unterschieden. Dem entspricht, daß Generalanwalt Mayras bei der Umschreibung des Begriffs der öffentlichen Gewalt in ex-Art. 55 (Art. 46) EGV entscheidend auf die Ausübung von Herrschaftsmacht abstellt, die die Möglichkeit zum Gebrauch von Sonderrechten, Hoheitsprivilegien und Zwangsbefugnissen beinhaltet.68 Dieser Ansatz ist Theorien im deutschen Verwaltungsrecht vergleichbar, die auf das Vorliegen eines Subordinationsverhältnisses abstellen.69 Der Gerichtshof ergänzt ihn um den Aspekt der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, den er bereits in einer Entscheidung zur Abgrenzung der unternehmerischen Tätigkeit zu Erwerbszwecken von der Erhebung öffentlicher Ab-

Koh/er, S. 37. Kohler, S. 37. 64 EuGH, EuZW 1995, 668 (669, Tz.l3f.), Rs. C-16/94. A. A. Voß, in: Grabitz/Hilf, EUV/ EGV, Art. 25, Rdnr. 5. 65 EuGH, EuZW 1995,668 (669, Tz.20), Rs.C-16/94. 66 Ohler, S. 47, hält eine privatrechtliche Vereinbarung nur im Fall des Kontrahierungszwangs für ausreichend. 67 Frohnmeyer, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, (ex-)Art. 81, Rdnr. 1 m. w. N. 68 In EuGHE 1974,657 (665), Rs.2n4 "Reyners". 69 Dazu Maurer,§ 3, Rdnr. 16, m. w. N. 62

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

gaben im Rahmen der Art. 81 ff. (ex-Art. 85) EGV betont hat.7° Diese Differenzierung entspricht einer Ansicht in der Literatur zur Unterscheidung von privatrechtliebem Tätigwerden und hoheitlichem Handeln in den Art. 76, 77 (ex-Art. 80, 81) EGV. Jene versteht unter dem Auferlegen von Frachten und Beförderungsbedingungen ein Handeln auf Initiative des Staates, das den eigenwirtschaftlichen Interessen der Verkehrsunternehmen zuwiderläuft.71 Der Begriff der hoheitlichen Gewalt wird somit sowohl nach formalen als auch materiellen Kriterien bestimmt. Das Merkmal der hoheitlichen Auferlegung kann auch für die Beurteilung der wirtschaftlichen Belastungen eines Produktes, wie Betriebs- und Vermarktungskosten, erheblich werden. Bezieht der nationale Gesetzgeber diese wirtschaftlichen Belastungen eines öffentlichen Unternehmens in die Berechnung der Abgabenhöhe ein, ohne sie zu beziffern, so können sie nach Ansicht des EuGH nicht außer Betracht bleiben, da es ohne sie am formalen Merkmal einer der Höhe nach bestimmten Abgabe fehlen würde.72 Dieses Merkmalliegt jedoch nicht bei der hoheitlichen Festsetzung von Preisregulationen vor, wenn diese in der Höhe variabel sind.73Auch hier ist eine formale Betrachtung zu erkennen, die wirtschaftliche Belastungen den finanziellen gleichstellt, sofern sie hoheitlich eingeführt und der Höhe nach festgesetzt werden.74 Öffentliche Abgaben können auch von der Gemeinschaft selbst erhoben werden. Das hat der EuGH in mehreren Entscheidungen zu Gemeinschaftsabgaben festgestellt.75 Diese sind allerdings nach Ansicht des Gerichtshofes dem Anwendungsbereich der Art. 23, 25, 90 EGV entzogen, der auf einseitig, d.h. von den Mitgliedstaaten im eigenen Interesse erhobene Abgaben beschränkt sei.76 So seien bspw. nationale Abgaben, deren Einführung in internationalen Verträgen vorgesehen ist, nicht erfaßt.77 Gleichwohl handelt es sich in diesen Fällen grundsätzlich um Abgaben, weshalb ihre Einbeziehung in den Untersuchungsgegenstand sinnvoll ist. Insofern ist der Anwendungsbereich des Art. 90 EGV enger als der gemeinschaftliche Abgabebegriff. 70 EuGHE 1975,699 (713), Rs. 94n4 "ENCC" stellt auf öffentliche Interessen ab, GA Trabucchi sprach vom Handeln zur Verwirklichung der durch staatliches Gesetz festgelegten öffentlichen Interessen. Zur Interessentheorie im deutschen Verwaltungsrecht Maurer, § 3,

Rdnr. 15 m. w. N.

71 Frohnmeyer, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, (ex-)Art. 80, Rdnr. 4 m. w. N.; ähnlich Erdmenger, in: GTE, EUV/EGV, Art.80, Rdnr.8. n EuGHE 1981,2835 (2850f.), Rs. 4/81 "Andresen".

s. unten A. II. 2. c). EuGHE 1981, 2835 (2850f.), Rs. 4/81 "Andresen"; ausf. dazu unter A.II. 2. c). 75 Insbesondere EuGHE 1979, 713ff., Rs. 138n8 "Stölting"; 1989, 2237ff., Rs. 265/87 "Schräder"; 1991, I-415ff., Rs.C-92/89 "Tilgungsabgabe". 76 EuGHE 1969, 193, Rs. 24/68 "Kommission/Italien"; 1977, 1355 (1364), Rs.89n6 "Kommission/Niederlande", allerdings kann eine Diskriminierung bei der Abgabenhöhe überprüft werden; 1984, 1543, (1554), Rs. 314/82 "Kommission/Belgien". 77 In EuGHE 1977, 1355 (1364), Rs. 89n6 "Kommission/Niederlande" ging es um Gebühren nach dem internationalen Pflanzenschutzabkommen. 73 74

II. Der gemeinschaftsrechtliche Abgabebegriff

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c) Zweck der finanziellen Belastung

aa) Erhebungszweck Theoretisch kann man bei der Beurteilung des Zwecks einer finanziellen Belastung zwischen dem Erhebungszweck, der sich aus dem Abgabetatbestand ergibt, und dem Verwendungszweck, für den die eingenommenen Mittel benutzt werden, unterscheiden.78 In ständiger Rechtsprechung gehen EuGif79 und weite Teile der Literatur80 davon aus, daß es auf den Zweck der finanziellen Belastung nicht ankomme. Diese Aussage ist indes nicht ohne Einschränkung gültig. Bezüglich der Abgrenzung der abgabenrechtlichen Vertragsvorschriften von Art. 28 (ex-Art. 30) EGV geht der Gerichtshof davon aus, daß unter letzteren Verbote und Beschränkungen fallen, die sich von den wirtschaftlichen Instrumenten dadurch unterscheiden, daß sie einen zwingenden Eingriff in die Entscheidungsfreiheit der Marktteilnehmer darstellen. 81 Ausdrücklich hat er die Zulässigkeit einer Geldstrafe allein an Art. 28 EGV gemessen. 82 Genau genommen knüpft das Kriterium des Gerichtshofes aber nicht an den Zweck, sondern an die Wirkung einer Maßnahme an, doch steht diese regelmäßig in engem Zusammenhang mit dem Erhebungszweck. Zutreffenderweise fallen finanzielle Sanktionen für Ordnungswidrigkeiten oder Strafen unter den Anwendungsbereich des Art. 28 EGV, da ihr Zweck sich in der Durchsetzung des Ordnungsrechts erschöpft. Da aber Art. 90 EGV für abgabenrechtliche Beschränkungen Iex specialis zu Art. 28 EGV ist83 , bedeutet dies folgerichtig, daß entsprechende Sanktionen damit auch nicht den Abgabebegriff des Gemeinschaftsrechts erfüllen. Diese Ansicht korrespondiert mit den Vorstellungen im deutschen Recht.S4 Insofern kommt es für den Abgabebegriff durchaus auf den Zweck der finanziellen Belastung an. Anders als Strafen hat der EuGH Kautionen in der Agrarpolitik bei der Auslegung einer Vorlagefrage als Abgaben bezeichnet. 85 Die fragliche Kaution diente 78 So im Grundsatz auch EuGHE 1968, 633 (643), Rs. 7/68 "Kunstschätze", der aber sogleich darauf hinweist, daß ex-Art. 12 EGV daran keine unterschiedlichen Folgen knüpfe; ebenso EuGHE 1975, 281 (290), Rs. 63n4. 79 EuGHE 1984, 1543 (1555), Rs. 314/82 "Kommission/Belgien"; 1969, 633 (643), Rs. 7/68; 1972, 1309 (1318), Rs.29n2; 1973,1039 (1044), Rs.39n3. so Kahler, S. 38f.; Voß, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 90, Rdnr.15. 81 EuGHE 1968,633 (644), Rs. 7/68 "Kunstschätze". 82 EuGHE 1989,3511 (3531), Rs.212/88 "Levy"; 1989,3851 (3889), Rs.154/88. 83 EuGHE 1988, 1343 (1376) Rs. 252/86 "Bergandi"; Voß, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 90, Rdnr. 61. Sinn der Art. 90, 23, 25 EGV ist es, die neben dem Verbot nach Art. 28 EGV verbleibenden Lücken gegenüber fiskalischen Maßnahmen zu schließen. Allerdings scheint EuGHE 1990,1-4509 (4534), Rs.C-47/88, eine steuerliche Regelung an Art. 28 (ex-Art. 30) EGV messen zu wollen, wenn keine vergleichbare inländische Produktion vorliegt; dagegen zutreffend der Hinweis von Wasmeier, S. 112, auf die einschlägigen Art. 23 ff. EGV. A. A. Krämer, in: GTE, EUV/EGV, Vorb. Art. 130r, Rdnr. 76. 84 Meßerschmidt, S. 20ff.; Bothe/Gündling, S. 226ff. bezeichnen sie als Sanktionsabgaben.

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

nach der maßgeblichen Verordnung EWG/563/7686 der Sicherung der Erfüllung einer AnkaufsverpflichtungP Damit erschöpfte sich ihre Wirkung vergleichbar derjenigen von Sanktionen in der Durchsetzung der primären Verpflichtung. Daß bei Kautionen das Geld bereits im Voraus zu entrichten ist und erst endgültig bei der Exekutive verbleibt, wenn die Pflicht nicht erfüllt wird, ist insofern ohne Bedeutung. Die erwähnte Kaution unterscheidet sich aber von einem Zwangsgeld dadurch, daß bei ihrem Verfall die korrespondierende Verpflichtung nicht aufrechterhalten worden ist. Vielmehr diente sie der Effektivität der Kontrolle durch die Verwaltung und hatte eher den Charakter eines Freikaufs von der korrespondierenden Verpflichtung. Solche Kautionen, mit denen keine weiteren Sanktionsfolgen, wie die sozialethischen Unwerturteile bei Strafen oder Ordnungswidrigkeiten, verbunden sind, sind in ihrer Wirkung auf die Entscheidungsfreiheit der Betroffenen nicht zwingend. Sie überlassen dem Betroffenen die Wahl zwischen Erfüllung der Pflicht oder dem Ertragen des finanziellen Nachteils. Insofern weisen sie eine erhebliche Ähnlichkeit zu Lenkungsabgaben auf, die es gerechtfertigt erscheinen läßt, sie in Übereinstimmung mit dem EuGH, aber in Abweichung von deutschen finanzwissenschaftliehen Vorstellungen88, dem Abgabebegriff des Gemeinschaftsrechts zuzuordnen. Entgegen Stimmen in der Literatur kann in bestimmten Fällen auch eine Pfandregelung eine Abgabe darstellen.89 Wird das Pfand nicht zurückgezahlt, weil der Betroffene dem gewünschten Verhaltensappell nicht nachgekommen ist, so liegt für ihn eine finanzielle Belastung vor, die ihm aber die Entscheidungsfreiheit belassen hat, dem Lenkungsappell zu folgen. In der Regel besteht gar keine korrespondierende Rechtspflicht zum Handeln. Die existierenden Pfandregelungen im Umweltrecht90 sehen zwar im Unterschied zu Abgaben regelmäßig Private als Begünstigte der finanziellen Leistungen vor. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet, hat es aber in der EG-Umweltpolitik Überlegungen zu ausgedehnten Pfandmodellen zugunsten des Staates gegeben.91 Insbesondere im Bereich von Düngemitteln, die sich als sogenannte diffuse Quellen für Umweltbelastungen nur schwer ordnungsrechtlich erfassen lassen, wurden Pfandsysteme vorgeschlagen, die bei Import und Herstellung entsprechender Produkte greifen sollen und Rückzahlungen bei Export EuGHE 1981, 1191 (1217), Rs. 66/80 "International Chemical Corporation". ABI. 1976, L67, S.l8. 87 EuGHE 1981, 1191 (1217), Rs.66/80 "International Chemical Corporation". 88 A. A. Wasmeier, S. 21 f. m. w. N. Die Einbeziehung der Kautionen in den Untersuchungsgegenstand ist sinnvoll, da sich auch bei ihnen die Frage stellt, welcher hoheitlichen Ebene das Aufkommen letztendlich zustehen soll. 89 A. A. Wasmeier, S. 20f.; zurückhaltend Meßerschmidt, S. 26, der wegen der geringen praktischen Bedeutung keine abschließende Entscheidung treffen möchte. 90 Zur dänischen Pfandregelungen für Getränkeverpackungen vgl. EuGHE 1988, 4607ff., Rs. 302/86; zum deutschen Pfandsystem für Plastikflaschen Krämer, in: GTE, EWGV, Vorb. Art. l30r, Rdnr. 75. 91 Huppeslvan der Voet!van der Naald!Maxson!Vonkeman, S. 76ff. 8s

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II. Der gemeinschaftsrechtliche Abgabebegriff

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oder ordnungsgemäßer Entsorgung vorsehen.92 Auch wenn das Aufkommen regelmäßig Privaten zufließt, muß deshalb nicht notwendig der Abgabecharakter verneint werden, hat doch der EuGH auch Zahlungen an Private als Abgabe qualifiziert, soweit eine hoheitliche Festsetzung der Höhe der Zahlung besteht.93 Gegen diese Sicht scheint auf den ersten Blick die Entscheidung des EuGH im Urteil über die dänische Pfandflaschen-Regelung zu sprechen, in welcher ex-Art. 30 (Art. 28) EGV als Prüfungsmaßstab gedient hat.94 Jedoch hat der Gerichtshof in diesem Fall nicht die finanzielle Belastung überprüft, sondern die die Privaten treffende Pflicht zur Errichtung eines Pfandsystems sowie die Genehmigungspflicht bezüglich bestimmter Verpackungsarten.95 Insofern wurde keine Aussage darüber getroffen, an welcher Norm die eigentliche finanzielle Belastung für die Betroffenen zu messen ist. Im Ergebnis ist demnach der Erhebungszweck einer finanziellen Belastung nicht völlig irrelevant. Im übrigen ist es allerdings unerheblich, ob mit der Abgabe ein Finanzierungsoder eine Lenkungseffekt erzielt werden soll.

bb) Verwendungszweck Für den Zweck, dem die Verwendung des Aufkommens dienen soll, wird soweit ersichtlich allgemein vertreten, daß es für die Definition der Abgabe auf einen besonderen Zweck nicht ankomme. 96 Abgaben können sowohl für den Staatshaushalt als auch aufgrund staatlicher Anordnung zugunsten spezieller Einrichtungen erhoben werden97 , insbesondere können sie einen Sonderfonds98 speisen oder auch an Private fließen, für die von ihnen vorgenommenen Leistungen99. Letzteres setzt aber einen staatlichen Zwang zur Inanspruchnahme dieser Leistungen und eine eindeutig festgesetzte Höhe des entsprechenden Betrages voraus. In der Literatur ist dem Gerichtshof vorgeworfen worden, nicht immer zu dieser weiten Auffassung zu stehen, sondern den Verwendungszweck öffentlicher Abgaben auf die Finanzierung öffentlicher Einrichtungen einzuschränken, wenn dies für die Mitgliedstaaten weniger vorteilhaft sei. 100 Diese Ansicht verweist auf die EntHuppes/van der Voetlvan der Naald/Maxson!Vonkeman, S. 77, SOff. EuGHE 1983, 3573 (3583 f.), Rs. 158/82 ,,Erdnüsse"; a. A. Wasmeier, S. 20, der mit dem kategorischen Abstellen auf den Zufluß an Private, aber in Widerspruch zu seinen eigenen Feststellungen aufS. 17 f. gerät. 94 EuGHE 1988, 4607 (4630f.), Rs. 302/86 .,Pfandflaschen". 95 EuGHE 1988,4607 (4630f.), Rs. 302/86 .,Pfandflaschen". 96 Allgemein zum Zweck Voß, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 90, Rdnr. 15; ausdrücklich für den Verwendungszweck Kohler, S. 38; Ehle!Meier, S. 120. 97 EuGHE I 977, 5ff., Rs. 46n6 .,Bauhuis"; 1977, 557 (577), Rs. 74n6 ..Ianelli/Meroni"; 1984, 1543ff., Rs. 314/82; Voß, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 90, Rdnr.15. 98 EuGHE 1975, 699 (710), Rs. 94n4 .,Einfuhrabgabe". 99 EuGHE 1983, 3573 (3583f.), Rs. 158/82 .,Erdnüsse". 100 Wasmeier, S. 18. 92

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

scheidungen des Gerichtshofes zur Monopolausgleichsspitze für Branntwein. Dort hatte der EuGH ausgeführt, daß nur der Teil der Einnahmen des öffentlichen Monopolunternehmens Abgabencharakter haben könne, der an die Staatskasse abgeführt werde. 101 Jedoch ist diese Aussage vor dem Hintergrund des konkreten Falles zu würdigen. Für eine in Deutschland erhobene Monopolausgleichsspitze sollte ein Grenzausgleich auf ausländische Waren erhoben werden. Die vom EuGH zu beurteilende Monopolausgleichsspitze setzte sich aus mehreren Komponenten zusammen. Ein Teil betraf die staatliche Branntweinsteuer, die der Staat der Höhe nach festgesetzt hatte und die in diesem Umfang an die Staatskasse abzuführen war. Der andere Teil, der der öffentlichen Anstalt verblieb, bestand aus dem Branntweingrundpreis und der Preisspitze, die das Unternehmen nach Ermessen festsetzte. Die Preisspitze war eine variable Größe, die nicht erkennen ließ, inwieweit Verwaltungs-, Betriebs- und Absatzkosten in die Berechnung miteinflossen. 102 Solche wirtschaftlichen Belastungen hatte der EuGH bis dahin grundsätzlich nicht beachtet, es sei denn, sie wären pauschaliert in eine der Höhe nach bestimmte Abgabe eingegangen.103 Wegen der variablen Preisspitze kam der EuGH zu der Feststellung, daß es an der Bestimmtheit der Abgabenhöhe fehle. 104 In der Argumentation war also der Abfluß von Mitteln an die Staatskasse nicht das unmittelbar ausschlaggebende Kriterium für eine Abgabe. 105 Er wäre allerdings mittelbar von Bedeutung gewesen, weil eine Abführung bestimmter Summen an die Staatskasse belegen würde, daß es sich bei diesem Betrag nicht um wirtschaftliche Belastungen des Unternehmens handelt. Unter Zugrundelegung dieser Interpretation fügt sich die Entscheidung in die übrige Rechtsprechung zum Abgabebegriff ein.

cc) Öffentliches Interesse Schließlich stellt sich die Frage, ob die Abgabenerhebung nicht zumindest einem öffentlichen Zweck im weiteren Sinne dienen muß. In den betreffenden Entscheidungen hat der EuGH beispielhaft nur auf wirtschaftliche oder Finanzierungszwekke abgestellt. Ferner könne eine Abgabe u. U. ein Entgelt für einen individuellen Vorteil darstellen.Hl6 Insbesondere wird auf die Unerheblichkeit der Zuweisung an einen Sonderfonds oder der Verwendung zu administrativen, fiskalischen, sozialen oder Subventionistischen Zwecken hingewiesen. 107 Ehle/Meier sehen dahinter das Motiv, einer mittelbaren Subventionspolitik einen Riegel vorzuschieben. 108 Auch EuGHE 1976, 181 (194), Rs.45n5 "REWE"; 1981,2835 (2850f.), Rs.4/81 ,,Andresen". EuGHE 1981,2835 (2850), Rs. 4/81 "Andresen". 103 EuGHE 1976,181 (194), Rs.45n5 "REWE". 104 EuGHE 1981. 2835 (2851), Rs.4/81 "Andresen". 105 A. A. Wasmeier, S. 18, der vermutet, daß der EuGH mit zweierlei Maß messe. 106 Vgl. nur EuGHE 1975, 281 (290) Rs.63n4. 107 Kahler, S. 38. 108 Ehle!Meier, S. 120; ihnen schließt sich Kahler, S. 38, an. 101

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II. Der gemeinschaftsrechtliche Abgabebegriff

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für das deutsche BVerfG ist der Verwendungszweck für die Abgabeneigenschaft nicht entscheidend, sondern wird erst bei der Bestimmung des Abgabentyps relevant. Dabei grenzt das BVerfG die "erzwungene Selbsthilfe" von staatlichen Leistungen aus dem allgemeinen Staatshaushalt ab. 109 Es entspricht dieser Tendenz, wenn das BVerfG heute danach differenziert, ob die Leistung überwiegend im Interesse der Allgemeinheit steht. 110 Somit ist es für eine Abgabe zwar unerheblich, ob mit der Verwendung vorrangig besondere oder private Zwecke verfolgt werden, doch erfordert zumindest ihre hoheitliche Auferlegung, daß ein entsprechendes öffentliches Interesse besteht. Dem entspricht es, wenn der EuGH bei finanziellen Belastungen zugunsten von Privaten zusätzlich verlangt, daß diese für gesetzlich oder ähnlich zwingend vorgeschriebene Tätigkeiten geleistet werden müssen und daß sie der Höhe nach festgesetzt sind. 111 Dahinter steht ein Verständnis des öffentlichen Zwecks im Sinne eines dem öffentlichen Interesse dienenden Verhaltens. 112 Man wird diese Rechtsprechung so zusammenfassen können, daß grundsätzlich, wenn auch nicht allein, ein öffentlicher Zweck im weiten Sinne, der auch die Förderung durch Subventionen umfaßt113 , verfolgt werden muß. Denn nur in diesen Fällen kann der Staat den notwendigen hoheitlichen Befehl zur Abgabenerhebung geben oder entsprechende Pflichten aufstellen. Dementsprechend war in der Entscheidung über die Kosten eines privaten Labors zu Recht ausschlaggebend, daß dessen Untersuchungen einem (gesetzlich vorgeschriebenem) öffentlichen Zweck dienten. 114 Auch nach dieser Ansicht lassen sich Umgehungsversuche verhindern.

109 BVerfGE 18, 315 (328); 55, 306 (309); diese strikte Trennung hat das BVerfG insofern nicht durchgehalten, als es später auch Zahlungen durch einen öffentlichen Nebenfiskus zugelassen hat; dazu Götz, Fs. Friauf, S. 37 (43). 110 BVerfGE 91, 186 (202ff.). 111 EuGHE 1983,3573 (3583f.), Rs.l58/82. 112 Vgl. auch die Differenzierung in EuGHE 1975,699 (713), Rs. 94/74, zwischen hoheitlicher Erhebung von Abgaben und der unternehmerischen Tätigkeit zu Erwerbszwecken; zustimmend Wasmeier, S.l7. 113 Das Kriterium der hoheitlichen Festsetzung zeigt erhebliche Ähnlichkeiten mit der von Wolf! begliindeten, heute aber modifizierten Zuordnungstheorie im deutschen Verwaltungsrecht auf, vgl. dazu Maurer,§ 3, Rdnr. 17ff. 114 EuGHE 1983, 3573 (3583 f.), Rs. 158/82 ,,Erdnüsse" .

4 Heselhaus

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

111. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG 1. Maßgebliche Rechtsordnung für eine Typenbildung a) Grundsatz

In der deutschen Literatur zu EG-Umweltabgaben wird oft die deutsche Abgabentypologie unbesehen übemommen1 oder eine "EG-Typologie" nach kurzem Bekenntnis zur Eigenständigkeit des EG-Rechts dann doch unter Rückgriff auf die deutsche Rechtsprechung entwickelt2 • Demgegenüber ist daran festzuhalten, daß der Inhalt der im Gemeinschaftsrecht vorgegebenen Begriffe grundsätzlich durch Auslegung der Gemeinschaftsrechtsordnung zu bestimmen ist.3 Das folgt zum einen aus dem autonomen Charakter der Gemeinschaftsrechtsordnung.4 Zum anderen verlangt auch das Interesse an einer einheitlichen Geltung dieser Rechtsordnung5 , daß deren Begriffe nicht in Anlehnung an eine oder mehrere nationale Rechtsordnungen bestimmt werden. Das Hauptargument des EuGH ist die Wahrung der materiellen Einheit des Gemeinschaftsrechts.6 Den Rückgriff auf die nationalen Rechtsordnungen läßt der EuGH zu, wenn ein ausdrücklicher Verweis vorliegt.7 Nichtsdestotrotz kommt dem rechtsvergleichenden Blick auf die nationalen Rechtsordnungen dennoch eine wichtige Funktion zu, die inderneueren Literatur zu Recht stärker betont wird. 8 Er ist insbesondere notwendig für die Entwicklung der 1 Schröder, DStJG 15, S. 87 (95 f.); zutreffend löst sich dagegen Götz, Fs. Friauf, S. 37 ff. vom nationalen Verständnis. Dagegen moniert F. Kirchhof, in: Rengeling, EUDUR I, S. 1226 (1239}, das Fehlen jeder Abgabensystematik im EG-Recht. 2 Vgl. Müller, S.41, einerseits und andererseits S.42f., der sich zur Herleitung letzten Endes in den Fn. 229-234 nur auf Autoren mit Beiträgen zur deutschen Rechtslage stützt. Seine Anknüpfung bezüglich der Leistungsfähigkeit an den Gleichheitssatz ist keineswegs europäisches Gemeingut und wird vom EGMR nur als zulässige (nicht notwendige) Differenzierung angesehen (dazu unter A. III. 5. d)). Zur Herleitung europäischer Kategorien erste Ansätze bei Hilf, UTR 16, S. 121 ff.; Wasmeier, S. 38 ff., insbesondere zu direkten und direkten Steuern; zu parafiskalischen Abgaben Götz in: Fs. Friauf, S. 37 ff.; Ohler, S. 81 ff.; speziell zu Gebühren Kahler, S. 55 ff.; Kuntze, S. 166ff., interpretiert die EG-rechtlichen Begriffe in bezug zu den deutschen Abgabentypen. 3 Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, 6. Autl., Rdnr. 552; Krück, in: GTE, EUV(EGV, Art. 164, Rdnr. 50, 53; speziell zu Abgaben Wasmeier, S. 13 ff. 4 /psen, Gemeinschaftsrecht, S. 109; EuGHE 1964, 1251 (1269), Rs.6/64 "Costa/ENEL" spricht von autonomer Rechtsordnung; Beutler, in: BBPS, EU, S. 50f. 5 EuGHE 1991, 1-6079 (6102), Gutachten l/91 ,,EWR 1", bezeichnet den EGV als die grundlegende Verfassungsurkunde einer Rechtsgemeinschaft 6 Vgl. nur EuGHE 1979, 3724 (3744), Rs.44n9 "Hauer"; bezüglich einer EG-Abgabenregelung EuGHE 1997, 1-6783 (6833) Rs. C-188/95. 7 EuGHE 1982, 13 (24), Rs. 64/81 "Cormann". 8 Für Pernice, in: Grabitz/Hilf, EUV(EGV, Art. 164, Rdnr. 28 ff., ist die Rechtsvergleichung notwendige Voraussetzung der Wahrung der Rechtseinheit; weitergehend Götz, Fs. Friauf, S. 37 (38), der vor allem auf die rechtspolitische Durchsetzungsfähigkeit nationaler Vorstellungen abhebt, dabei aber eventuelle Besonderheiten der Gemeinschaftsordnung nicht anspricht.

III. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG

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allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts9 und - allerdings in abgeschwächter Weise - für die Erfassung von Begriffen des Gemeinschaftsrechts, die dem nationalen Recht entstammen 10• Denn deren Kenntnis ist in solchen Fällen die Grundlage eines richtigen Begriffsverständnisses und Garant der Anerkennung durch die Mitgliedstaaten. 11 Auf diese Weise wird die Effektivität der regelmäßig durch die Mitgliedstaaten ausgeübten Verwaltungstätigkeit gesichert. Den Gefahren für die Einheitlichkeit der Gemeinschaftsrechtsordnung kann aufpraktischer Ebene durch das Vorlageverfahren entgegen gewirkt werden, durch welches der EuGH einen starken Einfluß auf die zunehmende Homogenisierung der unterschiedlichen Rechtsordnungen ausübt. 12 Im Ergebnis ist daher der rechtsvergleichende Rückgriff auf die nationalen Rechtsordnungen nur hilfreich, soweit sich deutliche Gemeinsamkeiten abzeichnen und die Bedeutung und Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts nicht beeinträchtigt werden. 13 b) Bedingungen einer Typenbildung für Abgaben im Gemeinschaftsrecht Das Gemeinschaftsrecht verfügt zur Zeit noch nicht über einen auch nur annähernd abschließenden Kanon von möglichen Abgabentypen, insbesondere finden sich weder im Primär- noch im Sekundärrecht entsprechende ausdrückliche Definitionen. Zwar existieren einige Untersuchungen zur Herausbildung unterschiedlicher finanzrechtlicher Typen 14 von Umweltabgaben auf internationaler Ebene 15, doch finden sich auf gemeinschaftlicher Ebene in der Rechtswissenschaft erst vorsichtige Ansätze zur Typenbildung, die die Konturen EG-eigener Typen deutlicher fassen und die Besonderheiten des Gemeinschaftsrechts herausstellen. Eine erste Untersuchung zum gemeinschaftsrechtlichen Gebührenbegriff hat Kohler 1978 vorgelegt. Weitere Ansätze finden sich bei Müller, der seine Kriterien weniger aus der Rechtsprechung des EuGH, sondern aus allgemeineren Überlegungen und rechtsvergleichenden Ansätzen gewinnt. 16 Demgegenüber bezieht sich Wasmeier für den Steuerbegriff primär 9 EuGHE 1982, 1575 (1612), Rs. 155n9 ,,AM&S"; Beutler, RIW 1982, 820 (824); Bleckmann, EuGRZ 1981, 257 (263); Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 209 ff., auf die Grundrechtsordnung bezogen. 10 Pernice, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 164, Rdnr. 29. 11 Diese eher pragmatische Sichtweise wird inderneueren Literatur vertreten, Pernice, in: Grabitz./Hilf, EUV/EGV, Art.164, Rdnr. 8, 28. 12 Der EuGH legt dabei die Begriffe des Gemeinschaftsrechts aus und überläßt den nationalen Gerichten die Subsumtion der nationalen Rechtstermini darunter, die aber nie diskriminierende Folgen haben darf, EuGH, EuZW 1995, 707ff., Rs.C-367- 377/93. 13 Krück, in: GTE, EUV/EGV, Art.164, Rdnr. 50; Borchardt, in: Lenz, EUV, Art. 220, Rdnr. 17 stellt auf Begriffe ab, die den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts bestimmen. 14 Zur Typenbildung im Recht allgemein Larenz, S. 461 ff., 466 ff., mit Nachweisen auf H. J. Wolf! zur Unterscheidung der steuerrechtliehen Typen als eine Kategorie. 1S OECD, Taxation and the Environment, S. 33 ff. ; dies., Environmental Taxes, S.13 ff.; Gaines!Westin, S. 7 ff.; EUA, Ökosteuem, S. 8. 16 Müller, S. 41 ff.; nur für den Gebührenbegriffbezieht er sich auf den EuGH, für die übrigen Typen auf eine kurze Rechtsvergleichung, die allerdings Unstimmigkeiten in den nationa-

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

auf die Vorgaben des EG-Vertrages und entwickelt daraus einen guten Einstieg in die Problematik. 17 Für parafiskalische Abgaben liegt seit kurzem eine eingehendere Untersuchung von Götz vor, die einen vertieften rechtsvergleichenden Ansatz verfolgt. 18 Einigkeit ist bisher nur für die Bezeichnung bestimmter Abgabentypen erzielt worden, aber selbst dann nicht immer über alle entscheidenden Merkmale derselben. 19 Für diese Limitierungen des Aussagehaltes gibt es eine Vielzahl von Gründen, die im EG-Recht, aber auch in den nationalen Rechtsordnungen begründet liegen und die auch für die vorliegende Untersuchung Hindernisse darstellen.20 Es fehlt bereits im Primärrecht von EG, EGKS und Euratom an einer systematischen Erfassung von Abgabentypen. Immerhin läßt sich in der deutschen Fassung die Verwendung der Begriffe Steuem21 , Abgaben22, Ausgleichsabgaben23 , Gebühren24 sowie Umlagen25 nachweisen. Auch in der englischen Fassung werden neben den nicht auf einen bestimmten Typ ausgerichteten Begriffen .,taxation" oder .,fiscal provisions"26 .,taxes", .,charges" und .,dues" unterschieden27 . Dagegen wird in der französischen Fassung jenseits der Begriffe .,dispositions fiscales" und .,impositions" nur zwischen .,taxes" bzw. .,impöts" und .,redevances" differenziert.28 Weniger aussagekräftig sind in dieser Hinsicht die Formulierungen in den negativen Kompetenzen, wie Art. 90 EGV, da sie nach dem Sinn der Vorschriften jeweils weit ausgelegt werden müssen. Denn eine Begrenzung auf bestimmte Abgabentypen Jen Typenbildungen unberücksichtigt läßt und Steuern als alle Abgaben definiert, die das Leistungsfähigkeitsprinzip beachten. Daraus schließt er, daß Abgaben mit Gegenleistungscharakter davon zu unterscheiden seien. 17 Wasmeier, S. 36ff.; aus der Sicht seiner Untersuchung bedurfte es nicht einer weiteren Vertiefung, da es um die Interpretation von EG-Kompetenzen im Hinblick auf nationale Abgaben ging. Folgerichtig widmet er weit mehr Aufmerksamkeit der Differenzierung zwischen indirekten und direkten Steuern, S. 39ff. 18 Götz, Fs. Friauf, S. 37 ff.; dieser Ansatz ist gerade für den Begriff der parafiskalischen Abgabe sinnvoll, da er als solcher im EG-Vertrag nicht vorkommt. Vgl. auch Ohler, S. 81 ff. 19 So unterscheiden alle Untersuchungen zwischen Steuern und Gebühren. Negative Ausnahme ist die Mitteilung der Kommission über Umweltsteuern und -gebühren, ABI. 1997, C224, S.6, diebeideBegriffe gleichsetzt, obwohl diese gerade nach dem Merkmal der individuellen Gegenleistung voneinander getrennt werden, zur zutreffenden Kritik vgl. WSA, CES 993/97, S.2, Anrn.1.5. 20 Nichtsdestoweniger handelt es sich um eine Frage der Bildung von rechtlichen Strukturtypen im Sinne von Larenz, S. 466 ff., weil sie in ihrer überwiegenden Zahl als Rechtsbegriffe in Rechtssätzen auftauchen. Larenz, S.470, weist auf die Möglichkeit hin, die Unschärfe von Typenabgrenzungen aufgrund von variablen Merkmalen in Typenreihen besser zu fassen. 21 Vgl. Art. 92, 93, 95 II EGV; zu den Unterschieden in anderen sprachlichen Fassungen s. unter A. II. n Vgl. Art. 23, 25, 77, 90- 93 EGV. n Vgl. Art. 38 EGV. 24 Vgl. Art. 77 EGV. 2~ V gl. Art. 49 EGKSV, 173 EAGV a. F. 26 Art. 90-93 bzw. 95 II EGV. 27 Art. 90-93 bzw. 77 EGV. 28 Vgl. Art. 90-93, 95 II EGV einerseits, Art. 77 EGV andererseits.

III. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG

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würde die Gefahr heraufbeschwören, daß durch den Erfindungsreichtum der Mitgliedstaaten die Wirkung der Normen mittels neuer Typenbildungen unterlaufen werden könnte. Daher kommt es im Rahmen dieser Vorschriften nach ständiger Rechtsprechung nicht auf die Bezeichnung der Abgabe, sondern auf ihre Merkmale an. 29 Oft übernimmt der EuGH in den Entscheidungsgründen die nationalen Begriffe, ohne daß man daraus sicher auf gemeinschaftsrechtliche Kategorien schließen könnte. Allerdings drückt der Gerichtshof manchmal durch die Verwendung von Anführungsstrichen eine gewisse Distanz zur gewählten nationalen Abgabenbezeichnung aus. 30 Zugleich zeigt das Vorbringen der Parteien in solchen Rechtsstreiten rechts vergleichend, auf welche Merkmale es nach Meinung der Mitgliedstaaten ankommt. Im Ergebnis wird man die Hinweise in dieser Rechtsprechung vorsichtig als Indizien für Unterschiede zwischen den einzelnen Bezeichnungen werten können. Behutsam übertragbar unter Berücksichtigung der besonderen Problematik ist ferner die Rechtsprechung des EuGH zur Zulässigkeit der Erhebung nationaler Abgaben von den Bediensteten der EG, die der Gemeinschaftssteuer auf ihre Bezüge unterliegen. 31 Die Befreiung der Bediensteten folgt aus Art. 13 II des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Gemeinschaft. Ebenfalls nur begrenzte Hinweise auf Abgabentypen gibt der Wortlaut der (positiven) EG-Rechtsetzungskompetenzen, da die deutliche Zurückhaltung der Mitgliedstaaten gegenüber dem supranationalen Zugriff auf Finanzierungsquellen nur zu wenigen ausdrücklichen Zuweisungen von Kompetenzen an die Gemeinschaft geführt hat. 32 So besteht eine ausdrückliche Harrnonisierungskompetenz für Abgaben nur in Art. 93 (ex-Art. 99) EGV, beschränkt auf indirekte Abgaben und Steuern. Steuern werden in Art. 95 (ex-Art. lOOa) II EGV ausdrücklich noch als Ausnahmen von dieser Kompetenz erwähnt. Ferner zu nennen sind die Umlagen nach dem EGKS-Vertrag33, die Steuer auf die Bezüge der EG-Bediensteten nach Art. 13 I des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Gemeinschaft sowie die inhaltlich auslegungsbedürftige Formulierung in Art.l75 (ex-Art.130s) II EGV, der Maßnahmen überwiegend steuerlicher Art in der Umweltpolitik ermöglicht.34

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Vgl. nur EuGHE 1977, 577ff. Rs. 74n6 "Ianelli", weitere Nachweise zur Rspr. bei Wä-

genbaur in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 95, Rdnr. 19ff.; Art. 90 (ex-Art. 95) EGV stellt auf

Abgaben "gleich welcher Art" ab. 30 EuGHE, EuZW 1995, 668 (669, Tz. 13f.), Rs. C-16/94 zu einer "Durchfahrtsgebühr". 31 EuGHE 1996, I-1859, Rs.C-191/94 "AGF Belgium". 32 Das ist auch der Grund für den Streit um die Frage, ob und inwieweit der Gemeinschaft überhaupt in diesen Bereichen Rechtsetzungsbefugnisse zustehen; näher dazu unter E.; in jedem Fall ging schon Art. 211 EMB-1970, ABI. 1970, L 94, S. 19, davon aus, daß die Gemeinschaft in den gemeinsamen Politiken Abgabenregelungen treffen könnte, wenn er für die Zuweisung solcher Abgaben zu den Eigenmitteln die Anwendung des Verfahrens nach Art. 201 EWGV forderte. 33 Art. 49 EGKSV, vgl. auch Art. 173 EAGV a. F. 34 Zur Auslegungs. unter B. I. 3.

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

Auch im Sekundärrecht finden sich bisher nur wenige Abgabenregelungen, die relativ unsystematisch aus besonderen Problemlagen entstanden sind35 und die teils Vorgaben für nationale Abgaben, teils supranationale Abgaben selbst enthalten. Insbesondere in der gemeinsamen Agrarpolitik existieren einige wirtschaftspolitisch motivierte Abgabenregelungen.36 In anderen Politikbereichen wächst erst langsam das Bedürfnis nach einer EG-einheitlichen Regelung und entsprechender Typenbildung.37 Weitere Anhaltspunkte kann auch die Rechtsprechung zur Sperrwirkung bereits gemeinschaftsrechtlich geregelter Abgaben, insbesondere der indirekten Steuern nach Art. 93 EGV, gegenüber neuen nationalen Abgaben geben. 38 Bislang hat der EuGH im Grundsatz alle sekundärrechtlichen Abgaben gebilligt, wenn er mit entsprechenden Fragen befaßt worden ist. 39 Grundsätzlich kann auch das Sekundärrecht zur Klärung von Auslegungsfragen im Primärrecht, in concreto zur Bildung übergreifender Abgabentypen herangezogen werden.40 Des weiteren können die Äußerungen der EG-Institutionen zu künftigen Politiken als Indizien berücksichtigt werden. 41 Aufgrund des noch nicht ganz klaren Aussagegehaltes der Gemeinschaftsvorschriften liegt ein Rückgriff auf eine rechtsvergleichende Sicht der nationalen Abgabentypologien auf den ersten Blick nahe. Ein großes Hindernis ist allerdings die Mannigfaltigkeit der Abgabentypen in den Mitgliedstaaten42 und ihre jeweils unterschiedliche Abgrenzung, die sich zu einem großen Teil aus nationalen politischen oder verfassungsrechtlichen Besonderheiten erklärt43. Darüber hinaus sind auch in 35 Art. 12 RL 69/335/EWG, ABI. 1969, L 249, S. 25, zuletzt geändert durch RL 85/303/EWG, ABI. 1985, L 156, S. 23; zu Gebührenregelungen s. unter A. III. 2.; zu Abgaben im Rahmen der GAP ausführlich unter E.I. 2. a), E. I. 3. b). Vgl. zur Harmonisierung der indirekten Steuern Giiinbuch der Kommission zu Finanzdienstleistungen: Wahrung der Verbraucherinteressen, KOM (96) 209, S.11. 36 Es handelt sich insbesondere um Lenkungsabgaben und in Einzelfallen um Finanzierungsabgaben, die der Kostenexplosion in diesem Bereich entgegenwirken sollen; näher dazu unterE. I. 2. a). 37 In der Verkehrspolitik waren es der Konkurrenzdruck durch die unterschiedliche Besteuerung des Schwerlastverkehrs auf der Straße sowie ein Überangebot in der Binnenschiffahrt, die zu entsprechenden abgabenrechtlichen Regelungen geführt haben, RL 93/89/EWG, ABI. 1993, L279, S.32 bzw. VO (EWG) 1101/89, ABI. 1989, LI 16, S.25. Danebenexistierenmehrere Regelungen über Gebühren im Umweltbereich, s. unter A. III. 2. 38 Vgl. nur EuGHE 1993, 1-6273 ff., Rs. C-234/91 "dänische Arbeitsmarktabgabe". 39 Zur Rspr. im einzelnen unterE. I. 2. a), E. I. 3. b). 40 Zu dieser Auslegungsmethode vgl. Pernice in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 164, Rdnr. 31 ff. 41 Bspw. das bereits erwähnte 5. Umweltprogramm, der Beschluß zu dessen Überprtifung, ABI. 1998, L 275, S. 1, und die entsprechenden Stellungnahmen anderer Organe, AdR, ABI. 1997, C34, 12; WSA, ABI. 1996, C212, S.l. 4z Vgl. die Untersuchungen der OECD, Environmental Taxes, S.13ff.; dies., Taxation and the Environment, S. 33 ff.; Kommission, Inventar der Steuern. 43 So wird die Krankenversicherung in Deutschland durch den Typ des Beitrags finanziert, während es sich in Frankreich um besondere parafiskalische Abgaben handelt, die aber durch das Aufkommen aus bestimmten Steuern ergänzt werden. Manche Mitgliedstaaten greifen zur

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den einzelnen Mitgliedstaaten viele Abgrenzungen umstritten und die Differenzierungen keineswegs abschließend. In Deutschland ist nicht einmal der in seinem Kern unumstrittene Typ der Gebühr in seinen verschiedenen Ausprägungen abschließend geklärt. In der Entscheidung zum "Wasserpfennig", der als Ressourcennutzungsentgelt über die bisherigen Kriterien des Gebührenbegriffs hinausgeht, hat sich das BVerfG vielmehr auf das Kriterium der Gegenleistungsabhängigkeit zurückgezogen und den bisher entwickelten nichtsteuerliehen Abgabentypen keine weitergehende verfassungsrechtliche Bedeutung bei der Entscheidung der Streitfrage beigemessen. 44 Zwar hat die Entscheidung des BVerfG zur grundsätzlichen Zulässigkeit kommunaler Verpackungssteuern in der BRD45 einige Streitfragen im Bereich des Art. I 05 a II GG entschieden, doch zeigt der vorangegangene Streit in der Literatur um fast jedes Tatbestandsmerkmal der Norm46 , daß zur Absicherung der Ergebnisse noch erhebliche wissenschaftliche Arbeit zu leisten ist. Selbst die relativ ausdifferenzierte Rechtsprechung des deutschen BVerfG zur Sonderabgabe hat zwar bestimmte Kriterien für Lenkungs- und Finanzierungsabgaben herausgearbeiter'7, aber keine für den Einzelfall immer verläßlichen Kriterien48 vorgegeben. Die LiteFinanzierung der Krankenversicherung auch allein auf das Steueraufkommen zurück; vgl. den kurzen Überblick von GA Jacobs in EuGHE 1996, 1-1859 (1867), Rs. C-191/94 ,,AGF Belgium"; zu parafiskalischen Abgaben in Frankreich, Deutschland und Italien vgl. Götz, Fs. Friauf, S. 37 ff.; zu den unterschiedlichen Auffassungen von Steuern vgl. die Angaben der Mitgliedstaaten in Kommission, Inventar der Steuern. 44 BVerfG, NVwZ 1996, 469 (471), relativiert die frühere Definition als "auf den zu entscheidenden Fall einer Verwaltungsgebühr zugeschnitten". Kritisch zum Gebührenbegriff und seine Tauglichkeit für Lenkungsaufgaben Höfling, in: Lange, Gesamtverantwortung, S. 321 (322f., 329f.). Zur Begründung einer Ressourcennutzungsgebühr Murswiek, NuR 1994, 170ff. 45 BVerfG, NJW 1998, 2341ff. 46 Zum Streitstand vgl. nur Kluth, DVBl 1992, 1261 ff. ; Send/er, WiVerw 1996, 83ff.; Pieroth, WiVerw 1996, 65 ff. Für eine relativ weite Grenzziehung Lange, in: Lange, Gesamtverantwortung, S. 305 (316ff.); BVerwGE 96, 272 (275); Hess. VGH, KStZ 1993, 147 ff. 47 Für eine Finanzierungsonderabgabe wird verlangt, daß sie eine homogene Gruppe betrifft, die eine Verantwortung für die zu finanzierende Aufgabe trifft und daß das Aufkommen gruppennützig verwendet wird, BVerfGE 55,274 (304ff.); 67,256 (276ff.); 82, 159 (178ff.). Das gilt aber für Lenkungsabgaben so nicht, wie die Entscheidung zur Schwerbehindertenabgabe belegt, BVerfGE 57, 139 (167 ff.). Insofern sind die Aussagen von Hilf, UTR 16, S. 121 ( 135) zu eng, weil er sich nur auf Lenkungsabgaben mit gruppennütziger Verwendung bezieht. Im einzelnen ist die Trennung von Finanzierungs- und Lenkungszweck an Idealtypen orientiert. In der Praxis werden oft beideZwecke verfolgt, OECD, Environmental Taxes, S. 6 ff., wobei die Gewichtung umstritten sein kann. 48 Ein Bsp. ist die Entscheidung zum Kohlepfennig, BVerfGE 91, 186 ff. Die entscheidende Frage, ob der Zweck eher der Allgemeinheit oder einer bestimmten Gruppe zugute kommt, beantwortet das BVerfG mit der Bemerkung, die Stromversorgung sei so wichtig wie das tägliche Brot, BVerfGE 91, 186 (206); in besonderem Maße operationabel in der täglichen politischen Praxis ist diese Abgrenzung nicht. Zudem hätte man auch bei der Entscheidung über den Wasserpfennig argumentieren können, daß die Versorgung mit Wasser ebenso wichtig wie das tägliche Brot ist. Dort hat das BVerfG aber das Vorliegen einer Steuer verneint, weil die konkrete Nutzung individuell zurechenbar war, BVerfGE 93, 319 (346).

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

ratur bezeichnet sie zuweilen als Rechtfertigungskriterien anstelle von Abgrenzungskriterien.49 Schwer einzuordnen sind ferner die Abschöpfungsabgaben, die regelmäßig keiner gruppennützigen Finanzierung dienen.50 Die Entwicklungsoffenheit dieses Abgabensystems wird bestätigt, wenn das BVerfG selbst davon ausgeht, daß auch jenseits der bereits entwickelten andere Abgabenarten möglich sein können.51 Diese Brüche in der nationalen Typenbildung werden häufig nicht genug beachtet, wenn vorschnell nationale Kategoriebildungen auf die Gemeinschaft übertragen werden. 52 Wenn aber bereits im relativ entwickelten nationalen Abgabensystem noch Anwendungsgebiete für sonstige, noch nicht einzuordnende Abgaben verbleiben, kann auch ein Versuch der Typenbildung im Gemeinschaftsrecht derzeit noch kein abschließendes Ergebnis haben. Methodische Ansätze für die Typenbildung bieten einerseits die Gemeinschaftsrechtsnormen, andererseits nationale Vorstellungen, wenn sie in allen Mitgliedstaaten akzeptiert werden. Bei Übertragungen ist aber zum einen zu beachten, inwieweit sich Differenzierungen aus besonderen nationalen Problemlagen ergeben, die für Problemlösungen auf der EG-Ebene möglicherweise nicht adäquat sind. Zum anderen können Besonderheiten auf EG-Ebene bei der Abgrenzung der einzelnen Kompetenzvorschriften den gefundenen Begriffen neue Funktionen zuweisen und daher Anlaß für ihre Modifizierung sein. Nur wenn sich die Abgabentypen mit Tatbestandsmerkmalen von Rechtsvorschriften decken, kommt ihnen rechtliche Bedeutung zu.

2. Gebühren a) Definition

Aus der Rechtsprechung des EuGH läßt sich eine Definition der Gebühr heraus destillieren, wonach diese eine Gegenleistung eines Privaten für eine Handlung der Verwaltung, die sowohl in dessen eigenem als auch im öffentlichen Interesse liegen kann, darstellt und deren Höhe in einem angemessenen Verhältnis zu den tatsächlichen Kosten der Verwaltung steht.53 Diese Definition wird vom Primärrecht aller49

Ausdrücklich Pietzcker, DVBl 1987, 774 (780); ähnlich Pieper, DÖV 1996, 232 (233).

50 Pietzcker, DVB11987, 774 (779). 51 Vgl. den selbstreferentiellen Überblick in BVerfGE 93, 319 (344).

Bspw. Müller, S. 43 f. Vgl. EuGHE 1977,5 (15); 1984, 349 (368); 1988, 5427ff., Rs.18/87 "Transportkontrollgebühr"; 1990,1-1735 (1751), Rs.C-111/89 "phytosanitäre Kontrolle", zu Gebührenaufgrund eines internationalen Abkommens. In der Literatur gibt es bislang nur Ansätze für eine Untersuchung eines spezifischen EG-rechtlichen Gebührenbegriffs; Kahler, S. 47-68, geht von einem weiten nationalen Gebührenbegriff aus und entwickelt dann gemeinschaftsrechtliche Kriterien für die Frage, ob es sich um zollgleiche Abgaben handelt. Seine Ergebnisse können aber als Indizien für Mindestvoraussetzungen eines Gebührenbegriffs im EG-Recht verwendet werden. Wie hier auch die Definition von charges/Gebühren in Kommission, Dictionary of Taxa52

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dings nicht ausdrücklich vorgegeben, das den Gebührenbegriff nur in Art. 77 EGV erwähnt, ohne daran besondere Folgen im Gegensatz zu anderen Abgabenarten zu knüpfen. 54 Zwar besteht eine umfangreiche Rechtsprechung des EuGH zu nationalen Gebühren im Rahmen der Art. 23, 25, 90 (ex-Art. 9, 12, 95) EGV, doch übernimmt der Gerichtshofaufgrund der dargestellten Problematik bei der Auslegung negativer Kompetenzen regelmäßig die nationale Bezeichnung, ohne dieser allein rechtliche Bedeutung beizumessen.55 Allerdings hat der EuGH eine gewisse Distanzierung von der nationalen Bezeichnungen als "Durchfahrtsgebühr", die ein privates Unternehmen in Rechnung stellte, durch die Verwendung von Anführungszeichen ausgedrückt56, weil diese nicht unmittelbar hoheitlich auferlegt wurde. Von besonderer Aussagekraft sind jedoch die Entscheidungen zur Zulässigkeit der Gebührenerhebung, wenn diese im gemeinschaftlichen Sekundärrecht vorgesehen ist.57 Denn hier muß die Gebührenerhebung den Vorgaben des Sekundärrechts entsprechen und ihr insofern ein gemeinschaftsrechtlicher Gebührenbegriff zugrundeliegen. Auf eine solche Entscheidung geht die eingangs erwähnte Definition zurück. Während der WSA diese Definition in Abgrenzung zum Steuerbegriff unter Hinweis auf die entsprechenden Definitionen in den Mitgliedstaaten übernimmt58, hat sich die Kommission in den Umweltprogrammen bisher noch nicht auf eindeutig abgrenzbare Bezeichnungen festgelegt59• Die lang erwartete Mitteilung über Umweltabgaben ist ein enttäuschender Rückschritt. In der deutschen Fassung verwendet die Kommission die Bezeichnungen Steuern und Gebühren als gleichbedeutende Oberbegriffe60, obwohl in der Rechtsprechung wie auch unter den Generalanwälten längst die Notwendigkeit anerkannt ist, bezüglich gegenleistungsgebundener Abgaben zusätzlich zu differenzieren61 • Die Europäische Umweltagentur untertion Terms, S. 209; s. auch EuGHE 1997, I-6783ff., Rs. C-188/95 zu Abgaben mit Gebührencharakter. 54 Im Ergebnis auch Mückenhausen, in: Lenz, EUV, Art. 77, Rdnr.l. 55 V gl. insb. EuGHE 1973, 981 (989), Rs. 34/73, wo der EuGH nicht der Frage nachgeht, ob es sich bei der betreffenden Abladesteuer um eine Gebühr für eine Verwaltungshandlung handelt. 56 So distanziert sich der EuGH, EuZW 1995,668 (669), Rs.C-16/94, von einer "Durchfahrtsgebühr", die ein privates Unternehmen zur Bezeichnung seiner Ansprüche gewählt hatte. 57 Vgl. EuGHE 1977,5 (15); 1984,349 (368); 1988,5427, Rs.18/87; 1990,1-1735 (1751), Rs. C-111/89. l 8 WSA, CES 993/97, S. 3; zur neueren Entwicklung in der Rspr. des BVerfG Höfling, in: Lange, Gesamtverantwortung, S. 321 (323), der im Ergebnis einen relativierten Gegenleistungscharakter bejaht. 59 Vgl. das 5. Umweltprogramm, ABI. 1992, C 138, S. 1, und den Beschluß zur Überprüfung des Prograrnrns, ABI. 1998, L275, S . 1. 60 Kommission, Mitteilung Umweltsteuern und -gebühren im Binnenmarkt, KOM (97) 9, S.4; Auch im übrigen ist die Mitteilung sehr oberflächlich gehalten und beschäftigt sich nurmit der Kontrolle von nationalen Umweltabgaben; weitergehend ist der Bericht der EVA, Environmental Taxes, Executive Summary. 61 EuGHE 1997, 1-6783 ff., Rs. C-188/95; EuGHE 1996, 1-1859 (1882; GA Jacobs S. 1870), Rs. C-191/94 "AGF Belgium"; in KOM (96) 331, S. 47 unterscheidet die Kommission selbst Steuern und Gebühren im Rahmen ihres Richtlinienvorschlages über die Erhebung von Stra-

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

scheidet Abgaben zur Kostendeckung für bestimmte Zwecke, benutzt aber den Gebührenbegriff nicht ausdrücklich.62 Ihr Bericht systematisiert allerdings nicht nach finanzrechtlichen Kategorien, sondern nach der Wirkungsweise in der Umweltpolitik. In anderen Untersuchungen wird dagegen strikt zwischen Steuern und Gebühren getrennt.63 Grundsätzlich muß die Gebühr für ein Handeln der Verwaltung erhoben werden. Gebühren werden bspw. erhoben für Statistiken64 , Qualitätskontrollen6S, Gestellungen66, das Zollager67 , Devisenkontrollen68 und andere Kontrollen wie phytosanitäre und gesundheitspolizeiliche Untersuchungen69 . Der Verwaltungsbegriff ist dabei umfassend zu verstehen. 7°Fehlt es am hoheitlichen Zwangscharakter, weil die Gebühr Teil eines vertraglich ausgehandelten Entgeltes ist, so kann dennoch mittelbar eine Gebühr vorliegen, wenn zumindest die Höhe eines Teiles des Entgeltes hoheitlich vorgegeben ist. 71 Die Gebühr muß die Gegenleistung für diese Handlung darstellen. Der EuGH spricht davon, daß die Gebühr für den Kontrollaufwand72 oder die Verrichtung73 zu entrichten ist. An anderer Stelle verlangt er einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Gebühr und der konkreten Untersuchung.74 Für das Kriterium der GeBenbenutzungsgebühren von Nutzfahrzeugen. Vgl. auch den Vorschlag über Gebührengrundsätze auf Flughäfen in AB11998, C319, 5.4; KOM (90) 100. 62 EUA, Environrnental Taxes, 5. 8 ("cost-covering charges" umfassen Benutzergebühren oder Finanzierungsabgaben zu Umweltzwecken, sog. "eannarked charges"). 63 Kommission, Tax Provisions, 5. 9; European Foundation for the Living and Working Conditions, Environmental Taxes ans Charges, Report, 5. 10. 64 EuGHE 1969, 193 (201), Rs. 24/68 "5tatistikgebühr"; 1970, 961 (966), Rs. 8nO "pauschale Verwaltungsgebühr"; 1971, 1039 (1048). 65 EuGHE 1975, 281 (291), Rs.63n4. 66 EuGHE 1983, 19 (34), Rs.39/82. 67 EuGHE 1983, 1669 (1679), Rs. 133/82. 68 EuGHE 1988, 6347ff. 69 EuGHE 1972, 1309 (1319), Rs. 29n2; 1973, 1039 (1044), Rs. 39n3; 1975, 905 (913), Rs. 2In5; 1976, 129 (139), Rs. 87n5; 1976, 1871 (1888), Rs. 35n6; 1977, 4 (20), Rs. 46n6; 1978, 1453 (1469), Rs. 1om; 1979, 1923 (1934), Rs.132nB; 1981,995 (1028), Rs.l32/80; 1981, 251 (269), Rs. 32/80; 1984, 1543 (1555). 10 s. unter A. II. 2. b). 11 s. unter A. II. 2. b). 72 EuGHE 1984, 349 (368), Rs. 1/83. 73 EuGHE 1990, I-1735 (1751), Rs. C-111/89. 74 EuGHE 1977, 1355 (1364), Rs. 89/76 "phytosanitäre Untersuchungsgebühr"; zu Gebühren fürden Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten s. Kommission, ABI. 1996, L247, 5.45; Rat, ABI. 1996, C74, 5. 3; EP, ABI. 1997, L263, 5. 27; Gebühren für Informationen von der EUA, ABI. 1997, C282, 5.5; beim Umweltaudit ist die Gebühr zum Teil auf die Deckung der anfallenden Verwaltungskosten bezogen, Art.16 KOM (99) 313; sofern des weiteren allgemein die Kosten für EMA5 angesetzt werden sollen, ist das nur unter einer einschränkenden Interpretation, bezogen auf tatsächliche Kosten zulässig. s. ferner zu Flughafengebühren ABI. 1998, C319, 5.4.

111. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG

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genleistung spezifizieren die Generalanwälte, daß es sich um das Entgelt für einen tatsächlich geleisteten Dienst der Verwaltung handeln muß.75 Der Dienst der Verwaltung kann nach Ansicht des EuGH sowohl im Interesse des Privaten als auch im öffentlichen Interesse liegen. 76 Wichtig wird diese Unterscheidung allerdings bei der Frage, ob eine Gebührenerhebung zollgleiche Wirkung hat. Das verneint der Gerichtshof, wenn sie zwar nur ausländische Waren betrifft, aber das Entgelt für eine Leistung darstellt, die die Verwaltung nicht für die Allgemeinheit, sondern gerade im Interesse des Betroffenen erbringt_77 Wahrend der Gerichtshof in einigen Entscheidungen fordert, die Gebühr dürfe die tatsächlichen Kosten der Verwaltungshandlung nicht überschreiten78 , stellt er ansonsten darauf ab, daß sie in einem angemessenen Verhältnis zur Verwaltungshandlung bzw. des Vorgangs, für den sie die Gegenleistung darstellt, stehen muß79. Neben den unmittelbaren Sach- und Lohnkosten dürfen auch allgemeine Verwaltungskosten nach den anerkannten Grundsätzen der Kosten- und Betriebsrechnung berücksichtigt werden.80 Die Berechnung kann auch in pauschalierter Form vorgenommen werden, wenn die Ermittlung der genauenKosten schwierig ist und die Sachgerechtigkeit der Pauschalierung regelmäßig überprüft wird. 81 Insofern lassen sich im EGRecht die aus dem deutschen Gebührenrecht bekannten Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzipien82 nachweisen. Dazu hat der EuGH erklärt, daß sich der unmittelbare Zusammenhang zwischen der Gebühr und der Handlung auch aus der Art der Berechnung der Gebühr ergeben muß. 83 Danach sei es zulässig, Kosten für kleinere, gebührenfreie Handlungen einzubeziehen. Die dargestellte Definition der Gebühr als ein eigener Abgabentyp wird durch den Blick auf sekundärrechtliche Gebührenregelungen bestätigt.84 So gestattet GA Mayras in EuGHE 1973,981 (996) "Abladesteuer". EuGHE 1969, 193ff., Rs. 24/68. 77 Vgl. EuGHE I 969, 193 ff., Rs. 24/68, der aber im konkreten Fall das Vorliegen eines Allgemeininteresses bejaht hat. 78 EuGHE 1988,5427 (5441), Rs.18/87. 79 EuGHE 1984, 349 (368); EuGHE 1997, 1-6783 (6833), Rs.C-188/95. 80 EuGHE 1997,1-6783 (6834, 6803), Rs.C-188/95. 8t EuGHE 1997,1-6783 (6834), Rs.C-188/95. 82 Tipke/Lang, S.48, §3, Rdnr. 18. 83 EuGHE 1997, 1-6783 (6833 f.), Rs. C-188/95 zur Auslegung des Begriffs "Abgaben mit Gebührencharakter" nach RL 69/335/EWG. 84 Gebühr für Übermittlung von Informationen durch die Kommission, ABI. 1996, L247, S. 45; Art. 3 I Beschluß des EP über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten, ABI. 1997, L263, S. 27; Beschluß des Generalsekretärs des Rates über Gebühren im Rahmen des Zugangs der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten, ABI. 1996, C74, S. 3; abgeschwächt als Inrechnungstellung der Kosten im neuesten Vorschlag für eine umfassende VO über den Zugang zu Dokumenten bei EP, Rat und Kommission, KOM (2000) 30. Des weiteren bestehen Vorschläge für Flughafengebühren, ABI. 1998, C 319, S. 4; Gebühren für die Infrastrukturbenutzung, Weißbuch der Kommission, KOM (98) 466; WSA, CES 196/99; AdR, CdR 408/98; 75

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

Art. 11 I der Verordnung über ein gemeinschaftliches System zur Vergabe eines Umweltzeichens85 die Erhebung von Gebühren für die Bearbeitung von Anträgen. Nach Art. 5 der Umweltinformations-Richtlinie darf eine Gebühr für die Übermittlung der Information erhoben werden, die aber eine angemessene Höhe nicht überschreiten darf. 86 Der EuGH hat aus dem besonderen Zweck des Informationsanspruches gefolgert, daß wegen des abschreckenden Effektes nicht die gesamten Verwaltungskosten in Rechnung gestellt werden dürfen. 87 Dabei handelt es sich aber um eine Einzelfallproblematik, die nicht die Grundsätze der Gebührenberechnung betrifft. Ein Beispiel dafür, daß die Höhe nicht exakt der Gegenleistung entsprechen muß und daher auch für andere Zwecke genutzt werden kann, bietet Art. 11 Umwelt-Audit Verordnung88 , wonach Gebühren "insbesondere" für die angefallenen Verwaltungskosten erhoben werden können. Denkbar ist demnach auch, daß Gebühren für andere Kosten erhoben werden können. 89 In den englischen und französischen Fassungen der erwähnten Rechtsakte werden jeweils die Begriffe "fee" bzw. "redevance" verwendet. b) Besondere Gebührentypen

Im Sekundärrecht finden sich aber auch Gebührenregelungen, deren Ausgestaltung mit den oben angegebenen Kriterien nicht ohne weiteres übereinstimmt, wie die Straßenbenutzungsgebühr für den Schwerlastverkehr gemäß Richtlinie 93/89/EWG.90 Diese Gebühr wird nach Art. 2 der Richtlinie für die Benutzung bestimmter Fernstraßen erhoben. Die Gebühr ist in diesem Fall das Entgelt für die Nutzung der Straßen, deren Instandhaltung eine besondere Leistung der Verwaltung darstellt.91 Das wirft die interessante Frage auf, ob die Gebührenhöhe noch angeGebühren für die Nutzung von Wasser, Art.12 des RL-Vorschlages, KOM (97) 49; ergänzt in KOM (99) 271. 8~ VO EWG/880/92, ABI. 1992, L99, S.l (4); vgl. die Gebühren in Art.8 III des neuen Vorschlags, ABI. 1997, C 114, S. 9. 86 ABI. 1990, L 158, S. 56; dazu Scherer!Heselhaus, in: Dauses: Hdb. EG-Wirtschaftsrecht, Umweltrecht, Rdnr. 224 a. Der EG-Gebührenbegriff verlangt zumindest, daß eine solche Gebühr nur dem Aufwand entsprechen darf, den die abschlägige Bearbeitung des Antrages erforderte, nicht aber abschreckenden Charakter haben darf. 87 EuGH, EuZW, I 999, 763; kritisch dazu Heselhaus, EuZW 2000, 298 (302). 88 VO EWG/I836/93, ABI. I 993, L I68, S.l (6); vgl. Art. I6 des neuen Vorgaben KOM (99) 313. 89 Zur Anlastung externer Kosten unter A. III. 2. c ); ohne konkrete Vorgaben diesbezüglich ist der Vorschlag für eine Verordnung über Gebührengrundsätze auf Flughäfen, KOM (90) 100, S.lOf. 90 ABI. 1993, L 279, S. 32. Der EuGH hat die Richtlinie zwar für rechtswidrig erklärt, aber ihre Wirkungen bis zum Erlaß einerneuen Richtlinie aufrechterhalten, EuGHE 1995, 1-1827 (1856), Rs. C-2I/94. 91 Vgl. I I. Begründungserwägung RL 93/89/EWG, ABI. I 993, L279, S. 32. Vgl. zum deutschen Recht bzgl. der Parkgebühren für den Parkraum in Innenstädten BayVGH, KStZ 1995, 114 (116).

111. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG

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messen ist und die Abgabe deshalb überhaupt als Gebühr bezeichnet werden darf. Für die in Art. 2, 2. Spiegelstrich der Richtlinie vorgesehene Maut für bestimmte Streckenabschnitte kann das bejaht werden, da sie an die konkrete Nutzungsdauer anknüpft und ausdrücklich nach den Kosten der Instandhaltung festzusetzen ist. Dagegen bestimmt Art. 7 lit. f der Richtlinie für die Höhe der Gebühren im übrigen einen Höchstbetrag, der die Verwaltungskosten einschließt. Innerhalb des vorgegebenen Rahmens können die Mitgliedstaaten aber die Höhe entsprechend der nationalen Kraftfahrzeugsteuer festlegen. Auf den ersten Blick scheint die Höhe sich also eher am Zweck der steuerlichen Einnahmenerzielung zu orientieren. Dadurch wird die Gebühr auch zur Gewinnerzielung nutzbar gemacht. 92 Doch ist nach der 11. Begründungserwägung der Richtlinie die Dauer der Nutzung zu beachten, wodurch ein Bezug mit der tatsächlichen Nutzung hergestellt wird. Ferner sind die Kosten für die Unterhaltung der Verkehrswege höher, als die bisherigen Tarife für die Kraftfahrzeugsteuer93, so daß trotz dieser nutzungsunabhängigen Berechnung die Höhe insgesamt die tatsächlichen Wegekosten nicht überschreitet. Daher ist die Bezeichnung Gebühr noch gerechtfertigt.94 Daneben findet sich im Gemeinschaftsrecht der Typ einer Gebühr für die Benutzung von Rechten, im deutschen Recht auch Verleihungsgebühr genannt. 95 Diese wird nicht nach der Kostendeckung berechnet, sondern sie schöpft den Wert eines Sondervorteils ab, der mit der Rechtseinräumung verbunden ist. Dadurch unterscheidet sie sich erheblich vom übrigen Gebührenbegriff, weshalb im deutschen Recht die Figur der Benutzungs- wie auch der Verleihungsgebühr in die Kritik geraten ist.96 Die BVerfG-Entscheidung zum Wasserpfennig hat die Wasserentnahmeentgelte als gegenleistungsabhängige Abgaben eingestuft und damit diesen einen weiten Anwendungsbereich zugewiesen. Zugleich aber hat sie die kompetenzrechtliche Bedeutung der Typenbildung bezüglich Gebühren und Beiträgen stark relativiert.97 Damit der Zusammenhang mit dem Erfordernis der Gegenleistung gewahrt bleibt, kann eine Rechtseinräumung nur dann als entgeltfahig und damit als Gebühr angesehen werden, wenn sie staatlichem Ermessen unterliegt. 98 92 Zur Zulässigkeil der Gewinnerzielung bei Gebühren im deutschen Recht BVerwGE 12, 162 (167); BayVGH, KStZ 1995, 114 (116). 93 Vgl. die Daten zur Situation in Großbritannien in Bull. EU, Beilage 2/96, Faire und effiziente Preise im Verkehr, S. 22ff.; die Veröffentlichung stützt sich auf KOM (95) 691. 94 Vgl. Stellungnahme des WSA zum Vorschlag der Kommission zur Änderung der Richtlinie 93/89/EG, CES 458/97, S. 6, wonach es nachteilig wäre, wenn die Gebühren mit den steuerpolitischen Bestimmungen des Vertrages in Verbindung gebracht würden. Auch in Zukunft soll für die Anlastung der Kosten, einschließlich der externen, das Instrument der Gebühr genutzt werden, vgl. Bull. EU, Beilage 2/96, S. 22ff., 26ff. 95 Für eine Qualifizierung als Gebühr F. Kirchhof, DVBl 1987, 554ff.; Kluth, NuR 1997, 105 (109); dagegen Jaras, DÖV 1989, 1013 (1016). 96 Pietzcker, DVBl 1987, 775 (779); Köck, JZ 1993,59 (63f.) m. w. N. 97 BVerfGE 93,319 (346). 98 Köck, JZ 1993, 59 (64); Müller, S. 69 differenziert dagegen nicht innerhalb der Verleihungsgebühren, sondern will diese generell wie (deutsche) Sonderabgaben behandeln.

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

Gemäß Art. 11 II Verordnung über das Umweltzeichen kann neben der Bearbeitungsgebühr eine Gebühr für die Benutzung des Umweltzeichens erhoben werden99, ohne daß ein besonderer Verwendungszweck vorgegeben wird. Nach Art. 2 Entscheidung 93/326/EWG richtet sich die Höhe nach dem Jahresumsatz, der durch das mit dem Umweltzeichen versehene Produkt erzielt wird.t 00 Auch in der UmweltAudit-Verordnung findet sich eine Ermächtigung zur Erhebung von Gebühren von den beteiligten Unternehmen, deren Aufkommen für die Förderung der Teilnahme von anderen Unternehmen am EG-Audit-System verwendet werden soll. 101 Da die Teilnehmer am Umweltaudit keine besondere Verantwortung gegenüber Unternehmen tragen, die noch nicht teilnehmen, liegt eine fremdnützige Verwendung vor. Die Zuerkennung des Nutzungsvorteils beruht bei diesen Abgaben auf Eigenleistungen der Unternehmen, die die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen müssen. Da die Verleihung der Rechte jeweils eine gebundene Verwaltungsentscheidung darstellt, handelt es sich nicht um Verleihungsgebühren, sondern um Abschöpfungsabgaben. Insofern ist die Bezeichnung als "Gebühr" in den Sekundärrechtsakten unzutreffend. Gerade die Berechnung der Abgabe nach Art. 111I der Richtlinie über das Umweltzeichen belegt, daß es sich nicht um ein Entgelt, sondern um die Abschöpfung eines wirtschaftlichen Vorteils handelt. Mit dem hier verwendeten Gebührenbegriff wird keine Vorentscheidung bezüglich des Umfangs von EG-Sachkompetenzen getroffen, deren Bestimmung der Auslegung, insbesondere nach dem Zweck, vorbehalten bleibt.I02 Aufgrund des Sachzusammenhangs sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß die Abschöpfungsabgabe im Rahmen des Umweltaudits gegen EG-Grundrechte verstößt. Sie wird anders als die Gebühr für die Verwendung des Umweltzeichens nicht als Abschöpfung eines wirtschaftlichen Vorteils gerechtfertigt, sondern nach den Kosten für die Werbung für neue Teilnehmer berechnet. Auch im neuen Vorschlag ist diese Verwendung der Einnahmen noch vorgesehen, wenn auch relativ versteckt unter der Umschreibung "Kosten für EMAS". 103 Da die Teilnehmer für diese Verwendung keine Finanzierungsverantwortung trifft, werden sie rechtswidrig diskriminiert. Darin liegen zugleich Verstöße gegen das Grundrecht der Teilnehmer auf Berufsfreiheit und gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. 104

VO (EWG) 880/92, ABI. 1992, L99, S.l. too ABI. 1993, L 129, S. 23. Vgl. den neuen Vorschlag, ABI. 1997, C 114, S. 9, Anhang V. 101 Art. 11 VO (EWG) 1836/93, ABI. 1993, L 168, S. I. 102 Das kann wie in BVerfGE 93, 319ff., dazu führen, daß für die Abgrenzung auf andere Kriterien zu rekurieren ist. 1oJ Art.16 I KOM (99) 313. 104 Zur Berufsfreiheit und zum Diskriminierungsverbot bei Abgaben EuGHE 1991, 1-415 (546, 551 f.) Rs. C-143/88, 92/89 "Tilgungsabgabe"; zur Verhältnismäßigkeit finanzieller Belastungen EuGHE 1991, 1-4905 (4932) Rs. C-24/90 "Faust". 99

III. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG

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c) Verwendung zu Umweltzwecken

Die Definition der Gebühr im Gemeinschaftsrecht läßt mit dem Kriterium der Angemessenheil des Verhältnisses zwischen den Kosten und der Gegenleistung einen gewissen Spielraum bei der konkreten Ausgestaltung zur Verfolgung von Umweltschutzzielen, wie es insbesondere im 5. Umweltprogramm beschlossen worden ist105 . Grundsätzlich kann eine Gebühr nicht nur in ihrer klassischen Funktion als Finanzierungsabgabe in der Umweltpolitik genutzt werden, sondern in begrenztem Maße auch als Lenkungsabgabe106 und gestattet im dargestellten Umfang die Abschöpfung von Benutzungsvorteilen. In diesen Ausprägungen wird allerdings das Merkmal der Verwaltungshandlung auf die Gewährung von Nutzungsvorteilen, sei es an Rechten oder öffentlichen Gütern, ausgeweitet. Konkrete Ansätze bestehen diesbezüglich bei der zukünftigen Gestaltung der Gebühren für die Straßennutzung durch schwere Nutzfahrzeuge, die in Zukunft auch bestimmte externe Umweltkosten erfassen sollen107 und in bezug auf die Gebührenbemessung bei Abfalldeponien108. Art. 175 II EGV nennt ausdrücklich die Bewirtschaftung der Wasserressourcen, so daß auch eine EG-weite Einführung von Abgaben, die den deutschen "Wasserpfennigen" vergleichbar sind, möglich wäre. 109 Bei ihren diesbezüglichen Vorarbeiten konzentriert sich die Kommission auf Wassernutzungs gebühren, die die externen Kosten, Umwelt- und Ressourcenkosten in der Kalkulation beachten sollen.ll0 Entsprechende Gebühren müssen aber mit den übrigen Umweltprinzipien, insbesondere dem Verursacherprinzip in Einklang stehen. 111 Die Anlastung externer Kosten ist hinsichtlich der zulässigen Gebührenberechnung problematisch, wie im Beispiel des Straßenverkehrs, da nicht allen externen Kosten eine Verwaltungsleistung entspricht. 112 Wenn in der Richtlinie nähere Spezifizierungen fehlen, ist ein unmittelbarer Bezug zum Gebührenpflichtigen nur anzuABI. 1993, C 138, S.1 (70ff.). So zum deutschen Recht P. Kirchhof, DStJG 15, S. 3 (13). Lübbe-Wolff, Umweltschutz durch kommunales Satzungsrecht, Rdnr. 523ff.; Wiebe/Steenken, in: Lübbe-Wolff, Umweltschutz durch kommunales Satzungsrecht, Rdnr. 435 ff. 107 KOM (96) 331, S. 10 und Art. 7, der Höchstgrenzen für die Anlastung der externen Kosten vorsieht. Zu Infrastrukturgebühren KOM (98) 466; dazu die Stellungnahmen von WSA, CES 196/99; AdR, CdR 408/98. 108 ABI. 1997, C 156, S. 10, Art. 10 des Vorschlags; s. auch den Gemeinsamen Standpunkt ABI. 1998, C333, S. 15. 109 Vgl. zu den Zielen der Umweltpolitik Art. 174 I EGV. 110 Vorschlag für eine Richtlinie zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, KOM (97) 49; S.19ff. 111 Dazu unter B. II.l.c). Vgl. Stellungnahme des Rechnungshofes in ABI. 1998, C 191, S.2; der WSA spricht diesbezüglich von einem umweltpolitischen Verbraucherprinzip, CES 994/97. 112 Zu bejahen für den Polizeidienst, fraglich aber bei der Luftverschmutzung; vgl. zu dieser Problematik den Vorschlag für eine Richtlinie über die Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren bei schweren Nutzfahrzeugen, KOM (96) 331, S. 10, zur Ersetzung der bislang geltenden Richtlinie. 1os

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

nehmen, wenn man auf eine Bemessung nach dem Nutzen für den Betreffenden abstellt. Insofern kommt es auf die Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage an, ob man noch von einem angemessenen Entgelt i. S. des EuGH sprechen kann. In Anlehnung an die Aussage Höflings 113 zur vergleichbaren Problematik im deutschen Recht wird man verlangen müssen, daß der relative Gegenleistungscharakter der Gebühr gewahrt bleiben muß. In ihrem Vorschlag zur Anlastung der externen Kosten untersucht die Kommission eingehend, welche externen Kosten individualisiert zurechenbar seien können, was nicht zuletzt vom technischen Fortschritt der Gebührenerfassungssysteme abhängen wird. 114 Auch wenn dabei Typisierungen notwendig sein können, ergeben sich doch Bedenken vor zu pauschalen Kostenzuweisungen. Es sei ferner angemerkt, daß eine solche Nutzung von Gebühren zu Umweltzwecken im Rahmen des Art. 90 EGV Probleme aufwerfen kann. Dort wäre jeweils genau zu untersuchen, inwieweit eine Kostenanlastung eine diskriminierende Wirkung haben kann, wenn sie sich von dem Wert der Gegenleistung zu weit entfernt.

3. Beiträge a) Definition

Im deutschen Recht ist der Beitrag dadurch gekennzeichnet, daß der Beitragspflichtige mit der Zahlung einen Anspruch auf eine individuelle staatliche Leistung erhält. 115 Von der Gebühr, die mit ihm zu den Vorzugslasten zu rechnen ist116, unterscheidet er sich darin, daß er auch dem potentiellen und nicht nur dem tatsächlichen Nutzer auferlegt werden kannm. Dieses Begriffsverständnis läßt sich auch im Gemeinschaftsrecht nachweisen. 118 Im Primärrecht tauchte bis zum Amsterdamer Vertrag der Begriff des Finanzbeitrags auf1 19, der sich allerdings auf Geldleistungen der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaft bezieht und daher bereits aus dem Abgabebegriff herausflillt.

Höfling, in: Lange, Gesamtverantwortung, S. 321 (323). u• KOM 96 (331), insb. S.IOff. zu den spezifischen Emissionen eines .,repräsentativen EUROI-Lkws" . 115 Vgl. BVerfGE 82, 159 (178 f.) .,Absatzfonds" verlangt den Ausgleich staatlichen Aufwandes. Im konkreten Fall schied der Beitragsbegriff aber aus, weil es sich nicht um eine staatliche Leistung, sondern um die Absatzförderung im Wege staatlich organisierter Selbsthilfe handelte. 116 Vorzugslasten sind die zwei klassischen Sonderlasten, die aber keinen eigenen Abgabentyp bilden, F. Kirchhof, in: Achterberg/Püttner, S. 231 (237). ll 7 F. Kirchhof, in: Achterberg/Püttner, S. 231 (317); vgl. BVerwG, NJW 1987, 793 (794). us Die Literatur geht regelmäßig ohne nähere EG-rechtliche Begründung davon aus, daß es im EG-Recht den Typ des Beitrags gibt, vgl. nur Wasmeier, S. 35, 37; Müller, S. 42. ll 9 Vgl. ex-Art. 207 II EGV, der im Amsterdamer Vertrag weggefallen ist; früher auch in Art. 200 EWGV a. F. 113

III. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG

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Im Sekundärrecht finden sich aber abgabenrechtliche Beitragsregelungen im Zusammenhang mit Fondsregelungen in der Binnenschiffahrt. 1977 wollte sich die Gemeinschaft an einem internationaler Stillegungsfonds beteiligen, der Pflichtbeiträge von den Schiffseignern für ihre genutzten Schiffe erheben und einem gemeinsamen Fonds zuführen sollte, aus dem dann für Stillegungen von Schiffen eine finanzielle Entschädigung zu zahlen war. 120 In seinem Gutachten zur Zulässigkeil einer solchen Beteiligung hat der Gerichtshof zwar im Ergebnis insgesamt negativ über die Gesamtregelung entschieden, doch die Beitragsregelung in der Sache nicht gerügt und den Begriff des Beitrags übernommen. 121 Ein weiteres Beitragssystem hatte die Gemeinschaft EG-intern mit Verordnung (EWG) 1101/89 über die Abwrackfonds in der Binnenschiffahrt eingerichtet. 122 Vereinfacht ausgedrückt verpflichtete es die Eigner von Transportkapazitäten auf den Binnenschiffahrtswegen zur Zahlung einer als Beitrag bezeichneten finanziellen Abgabe. Aus den dadurch eingenommenen Mitteln wurde ein System finanziert, das bei der Abwrackung von Schiffsraum zur Zahlung einer Abwrackprämie an die Betroffenen führte. Auf diese Weise entstanden den Beitragspflichtigen potentielle Ansprüche gegen die Fonds (Kassen), sofern sie in Zukunft die erforderlichen Voraussetzungen erfüllten. Diese Abgabenregelung weist die Merkmale eines Beitrags auf und ist vom EuGH inzident akzeptiert worden.t23 Allerdings hat der EuGH in einigen Entscheidungen zu den zollgleichen Abgaben den Beitragsbegriff auch für parafiskalische Abgaben verwendet, obwohl diese im konkreten Fall nicht der Befriedigung potentieller Ansprüche der Zahlungspflichtigen dienten. 124 Man kann dies als eine Verwendung des Begriffs im untechnischen Sinn als Zahlungsbeitrag ("contribution") interpretieren, da es sich um Entscheidungen zu den negativen Kompetenzvorschriften im EG-Vertrag handelt, für die wegen ihres weiten Anwendungsbereiches die genaue Unterscheidung verschiedener Abgabentypen nicht notwendig ist. So ist der Gerichtshof innerhalb einer Entscheidung denn auch zum Begriff der parafiskalischen Abgabe übergegangen.125 Bei der Auslegung der gemeinschaftlichen Mehrwertsteuerrichtlinien ist "Beitrag" vom Gerichtshof ebenfalls im untechnischen Sinne verwendet worden. 126 Diese Unklarheiten in der Terminologie erklären sich damit, daß sich die Entwicklung gemeinschaftlicher Abgabentypen noch in den Anfängen befindet. Erst allmählich mit zuDer Text des Abkommens findet sich in ABI. 1996, C208, S. 2 ff. EuGHE 1977, 743 (744 f. erwähnt ausdrücklich Beiträge), Gutachten 1n6. "Stillegungsfonds". 122 ABI. 1989, L 116, S. 25. 123 EuGHE 1995,1-1339 (1371 ff.), Rs.C-414/93 "Teirlinck". 124 EuGHE 1975, 699ff., Rs. 94n4; 1977, 557ff., Rs. 74n6; 1988, 5075ff., Rs. 212/87; 1973. 699ff., Rs. 94n4. m EuGHE 1975, 699 (700 einerseits, 709 andererseits), Rs. 94n4; vgl. auch den Pflichtbeitrag zu einem Absatzförderungsfonds, den der EuGH als parafiskalische Abgabe bezeichnet, EuGH, EuZW 1994, 62ff., Rs.C-72/92 "Scharbatke". 126 EuGHE 1988, 1443 ff., Rs. 102/86. 120 121

S Heselhaus

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

nehmender Harmonisierung im Bereich des Abgabenrechts werden sich die Begriffe verfestigen. Die Generalanwälte haben zwar nach dem Grad des Zusammenhangs zwischen Abgaben und Gegenleistungen den Bereich der Vorzugslasten von der Steuer unterschieden, allerdings ohne die Begriffe Gebühren und Beiträge zu verwenden.127 Ihnen folgend hat der EuGH bei der Frage, welche nationalen Abgaben neben der Gemeinschaftssteuer auf die Bezüge der Bediensteten zulässiger Weise von den Mitgliedstaaten erhoben werden dürfen, Sozialversicherungsbeiträgen einen besonderen Status zuerkannt. 12s Auch in einer Entscheidung zu Prämienzuschlägen zur Kraftfahrzeugversicherung hat er auf den Zusammenhang zwischen finanzieller Belastung und Gegenleistung abgestellt. Im konkreten Fall hat er diesen für nicht ausreichend erachtet, da die Abgabenpflichtigen noch nicht einmal der Einrichtung, an die die Abgaben zu zahlen waren, angehören mußten und insofern keine Vorteile zu erwarten hatten.l29 Unter den Vorteilen hat der EuGH tatsächliche und potentielle unterschieden. Der EuGH benutzt dabei zwar den Begriff der "Gebühr" (eng!.: due, fee; frz.: redevance) als Oberbegriff, knüpft aber inhaltlich an die Unterscheidung zwischen Gebühren und Beiträgen im deutschen Recht an.130 Diese grenzt er dann von den Steuern ab.131 Generalanwalt Jacobs sieht ein wichtiges Indiz darin, daß ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Höhe der Abgabe und den Vorteilen besteht, die dem einzelnen zugute kommen sollen. 132 Aufgrund der gleichen materiellen Vorgaben und Ansätze in den Sekundärrechtsakten ist es gerechtfertigt, auch im EG-Recht zwischen Gebühren und Beiträgen zu differenzieren. Das hat den Vorteil, daß die Voraussetzungen des Gebührenbegriffs nicht aufgeweicht werden. Der Beitrag setzt voraus, daß die Gegenleistung zumindest erbracht werden kann133 und der entsprechende Vorteil individualisierbar ist. Damit entspricht er im wesentlichen dem Beitragsbegriff im deutschen Recht. 134 Die festzustellende Differenzierung bezüglich der Re127 GA Jacobs in EuGHE 1996, I-1859 (1869f.), Rs.C-191/94 "AGF Belgium". 128 EuGHE I 969, 43 (Tz. 20), Rs. 23/68 "Klomp". 129 EuGHE 1996, I-1859 (1879f.), Rs. C-191/94 "AGF Belgium".

EuGHE 1996,1-1859 (1882), Rs.C-191/94 "AGF Belgium". Im Ergebnis hat der EuGH den Steuerbegriff nach dem Protokoll über die Befreiungen der Gemeinschaft auf alle Abgaben unter Berufung auf die besondere Erwähnung indirekter Abgaben in Art. 3 des Protokolls erstreckt, EuGHE 1996, I-1859 (1880f.), Rs. C-191/94 ,,AGF Belgium". 132 GA Jacobs in EuGHE 1996, I-1859 (1870), Rs. C-191/94 "AGF Belgium". 133 EuGHE 1996, 1-1859 (1882), Rs.C-191/94 "AGF Belgium". 134 BVerfGE 49,343 (353) verlangt konkrete, einzeln greifbare wirtschaftliche Vorteile. Vgl. Selmer, UTR 16, S. 15 (23); F Kirchhof, in: Achterberg/Püttner, S. 231 (317f.). Allerdings würden die Beiträge zu Absatzfonds, vgl. dazu den Sachverhalt in EuGH, EuZW 1994, 62ff., Rs. C-72/92, wegen fehlender Individualisierbarkeit nicht den Beitragsbegriff im EG-Recht erfüllen. Auch die deutsche Abgabe nach § 10 AbsatzfondsG in BVerfGE 82, 159 (178) würde bereits wegen fehlender Individualisierbarkeit keinen Beitrag im EG-Recht darstellen. Allerdings ist der Begriff im EG-Recht nicht darauf begrenzt, daß es sich um eine staatliche Leistung handeln muß. Sie kann auch von einer verselbständigten Kasse (Fonds) erbracht werden. 130 131

111. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG

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lation zwischen Abgabepflicht und individuellem Vorteil spricht dafür, daß sich der Typ des Beitrages neben der Gebühr etablieren wird. Doch hat sich diese Typisierung noch nicht so weit durchgesetzt, daß von einer konsequenten Unterscheidung in den Äußerungen der Gemeinschaftsorgane ausgegangen werden kann, so daß bei der Analyse entsprechender Äußerungen immer darauf zu achten ist, ob nicht von einem Beitrag im untechnischen Sinn die Rede ist. b) Nutzung zu Zwecken des Umweltschutzes

Der Beitrag ist ein typisches Finanzierungsinstrument und als solches hervorragend für den Einsatz zu Umweltschutzzwecken geeignet. Es sei nur auf die Möglichkeit der Bildung von Fonds zur Altlastensanierung hingewiesen, aus denen im Bedarfsfall Mittel für die Einzahlenden angewiesen werden können. Je nach Konstruktion ist er, wie der Fall der EG-Abwrackprämien zeigt, auch als Lenkungsinstrument tauglich. 135 Dem EG-System der Stillegongsfonds in der Binnenschiffahrt kommt eine vom Normgeber gerade intendierte Lenkungswirkung zu. Sie resultiert jedoch nicht allein aus der Abgabenerhebung, sondern ergibt sich erst aus dem Zusammenhang mit der Mittelverwendung als .,Abwrackprämien". Bei entsprechender Ausgestaltung sind Beiträge auch zur Verhaltenslenkung in der Umweltpolitik einsetzbar.

4. Parafiskalische oder steuerähnliche Abgaben a) Rechtsvergleichender Überblick

Der klassische Begriff der Parafiskalität steht für Einnahmen, die nicht in den allgemeinen Staatshaushalt, sondern an einen Sonderfiskus (Parafiscus) fließen.136 Obwohl solche Parafisci auch im Gemeinschaftsrecht zu finden sind, hat sich die deutsche Literatur zu EG-Umweltabgaben mit ihnen bis vor einiger Zeit noch nicht näher beschäftigt. 137 Einige Autoren setzen die Notwendigkeit der Unterscheidung besonderer Abgaben von den Vorzugslasten und Steuern voraus und übernehmen den deutschen Begriff der Sonderabgabe.tJs Ein Hauptgrund mag darin liegen, daß im deutschen Finanzverfassungsrecht die Unterschiede zwischen parafiskalischen Ab135 P. Kirchhof, DStJG 15, S. 3 (16); a. A. F. Kirchhof, in: Achterberg/Püttner, S. 231 (318), der lenkende Beiträge für kaum denkbar hält. 136 Selmer, DStZ 1975, 396. Zur finanzwissenschaftliehen Bedeutung der Parafiskalität im rechtsvergleichenden Überblick vgl. die Nachweise bei Götz, Fs. Friauf, S. 37 (40f.); zur Theorie Stefani, FinArch 15, 286 (297). 137 Vgl. Wasmeier, S. 38 f., Müller, S. 43f., die jeweils nur den deutschen Begriff der Sonderabgaben ansprechen; anders dagegen Götz, Fs. Friauf, S. 37 ff. 13 8 Schröder, DStJG 15, S. 87 (99); Müller, S. 43.

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

gaben und Sonderabgaben in der Rechtsprechung des BVerfG nicht immer klar herausgestellt werden.I39 Entscheidend hat das BVerfG zur Abgrenzung der Sonderabgaben von den Steuern auf das Vorliegen von drei Tatbestandsmerkmalen abgestellt, die mittlerweile mit den Stichworten der Gruppenhomogenität, Gruppenverantwortung und Gruppennützigkeit gekennzeichnet werden. 140 Zumindest für so allgemeine Zwecke wie die Stromversorgung hat das BVerfG in der Entscheidung zum Kohlepfennig die Gruppenverantwortung vemeint. 141 In der Literatur wird teilweise zusätzlich darauf hingewiesen, daß die Abgabe nicht der allgemeinen Deckung des Finanzbedarfs des öffentlichen Gemeinwesens dienen darf. 142 Streng einzuhalten sind diese Vorgaben bei den Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion. 143 Dagegen will das BVerfG bei Sonderabgaben zur Verhaltenslenkung auf die Voraussetzungen der Gruppenverantwortung und der Gruppennützigkeit verzichten. 144 Bei Lenkungsabgaben relativiert sich die Bedeutung der Finanzierungsverantwortlichkeit, da deren Erhebung schon über ihren Lenkungszweck gerechtfertigt sein kann.145 Unter Umständen kann, insbesondere bei Ausgleichsabgaben, auch die fremdnützige Verwendung des Aufkommens möglich sein. 146 Trotz einer relativ reichhaltigen Rechtsprechung sind die Konturen gegenüber möglichen weiteren besonderen Abgaben noch nicht abschließend geklärt. Daher sehen Teile der Literatur in den aufgestellten Kriterien eher Rechtfertigungsvoraussetzungen als Abgrenzungskriterien zu anderen Abgaben. 147 Im Vergleich zum Begriff der Parafiskalität wird in neueren Stellungnahmen zutreffend herausgestellt, daß in der Rechtsprechung des BVerfG das Merkmal der Zuweisung des Aufkommens an einen Sonderfiskus 139 BVerfGE 55, 274 (298) verzichtet zunächst auf die Bezeichnung ,.parafiskalisch", um sie dann, S. 300, für alle Sonderabgaben unabhängig vom Bestehen einerbesonderen Kasse zu verwenden. In BVerfGE 91, 186 (190) wird der ,.Kohlepfennig", dessen Einnahmen ein unselbständiges Sondervermögen des Bundes bildeten, aber wieder als parafiskalische Abgabe charakterisiert und deren Haushaltsflüchtigkeit besonders problematisiert. Dagegen schon früher Stefani, FinArch 15, 286 (294ff.). 140 BVerfGE 55, 274ff.; 67, 256ff.; 82, 159ff.; BVerfGE 91, 186 (203) problematisiert allein die Finanzierungsverantwortung; vgl. Jarass!Pieroth, GG, Art. 105, Rdnr. !Off., 17ff. m.w.N. 14 1 BVerfGE 91, 186 (205f.). 142 Pieper, DÖV 1996, 232 (233). 143 BVerfGE 67, 256 (277) zählt dazu auch Ausgleichs-Finanzierungsabgaben, die Vorteile oder Belastungen innerhalb einer bestimmten Gruppe ausgleichen sollen. 144 BVerfGE 67, 256 (277 f.) erfaßt auch Ausgleichsabgaben, die nicht primär einem Finanzierungszweck dienen, wie die Feuerwehrabgabe vor ihrem Bedeutungswandel; Franke, ZRP 1991, 24 (26). 14s Vgl. zur Feuerwehrabgabe BVerfGE 13, 167 (170); wegen Wegfall der Ausgleichsfunktion nunmehr verfassungswidrig nach BVerfG, NJW 1995, 1773 ff.; vgl. auch BVerfGE 67, 256 (278); 82, 159 (181); vg!.Jarass DÖV, 1989, 1019f. 146 So zur Schwerbehinderten-Abgabe BVerfGE 57, 139 (167ff.). 147 Pieper, DÖV 1996, S. 232f.

III. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG

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nicht immer ausreichend betont worden ist. 148 So wurde die rückzahlbare Investitionshilfeabgabe, die wegen fehlender Gruppenhomogenität unzulässig gewesen ist, als Sonderabgabe qualifiziert, obwohl sie nicht haushaltsflüchtig war. 149 Erst in den jüngeren Entscheidungen klingt eine Tendenz zur Reaktivierung des ursprünglichen Begriffs der Parafiskalität an, wenn das BVerfG als Besonderheit der Sonderabgaben deren Haushaltsflüchtigkeit herausstellt. 150 Im Ergebnis arbeitet die deutsche Sonderabgabenrechtsprechung wichtige Kriterien heraus, doch erscheint sie in sich im Detail keineswegs so gesichert, wie es die Aussagen mancher Autoren vermuten lassen.'s' Insbesondere ist offen, ob die Sonderabgaben mit den parafiskalischen Abgaben gleichzusetzen sind 152 oder einen Oberbegriff bilden, der auch nicht haushaltsflüchtige besondere Abgaben umfaßt 153 , die allerdings im Haushalt besonders behandelt werden, bspw. in einen nichtselbständigen Fonds eingehen, wie der EAGFL im EG-Haushalt. In Frankreich stellt sich hingegen die Abgrenzung zwischen Steuern und parafiskalischen Abgaben als Auseinandersetzung zwischen Parlament und Exekutive dar. Während Ersteres das alleinige Entscheidungsrecht über die Steuern besitzt, hat Letztere das Recht zur Schaffung von Abgaben, die einem Fonds außerhalb des Staates zustehen. 154 Jedes Jahr muß das Parlament über diese Abgaben im Grundsatz beschließen und behält auf diese Weise ein Kontrollrecht. 155 Bereits 1982 hat der Conseil Constitutionnel auch dem Parlament selbst das Recht zugebilligt, solche Parafisci zu etablieren 156, so daß das Hauptproblem des französischen Abgabenrechts die Begrenzung der Exekutive in diesem Bereich ist. Dazu hat unlängst der Conseil d 'Etat als materielles Differenzierungskriterium gegenüber der Steuer angegeben, daß der Kategorie der Steuern Abgaben vorbehalten seien, die zur Finanzierung von Maßnahmen bestimmt sind, die allgemeinen Zielen dienen und das wirtschaftliche und soziale Eigeninteresse des betreffenden Sektors überschreiten. 157 Zuordnungsobjekt der parafiskalischen Abgaben können auch juristische Personen des öffentlichen Rechts sein. 148

Götz, Fs. Friauf, S. 37 (44); zur Zulässigkeil von Nebenhaushalten des Bundes Kilian,

s. 260ff.

BVerfGE 67, 256 (266f., 279 f.). BVerfGE 91, 186 (202); vgl. BVerfG NJW 1995, 1773 (Feuerwehrabgabe); zu dieser Tendenz Götz, Fs. Friauf, S. 37 (38). ISI Müller, S.44; kritisch dagegen Köck, S. 35ff. 1s2 So Tipke/Lang, S. 50, § 3, Rdnr. 21. ISJ So die Vermutung von Götz, Fs. Friauf, S. 37 (44). 154 Art.4 Verordnung Nr. 59-2 vom 2.1.1959; J. 0. 11.1.1959, S. 756. Vgl. Maublanc-Fernandez/Maublanc, RMC 1995,373 (377f.). m Dabei bleiben die Sozialversicherungsabgaben ausdrücklich ausgeklammert. Ein solches Kontrollrecht könnte auch die Bedenken des BVerfG in Deutschland bezüglich der Haushaltsflüchtigkeit mindern. IS6 C.C.82- 140 D.C. vom 28.6.1982, Rec. S.45. 157 Conseil d'Etat vom 26.10.1990, Rec. 1990, S. 291; Hertzog, in: Tiepelmann/van der Beek, Theorie der Parafiskalität, S. I I 7 ff. 149

Iso

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

Auch in Italien versteht man unter Parafiskalität die öffentliche Finanzwirtschaft der Nicht-Gebietskörperschaften. 158 Hauptprobleme des italienischen Verfassungsrechts sind dabei der Gesetzesvorbehalt und die Legitimation der Abgabenbemessung angesichts Art. 53 der italienischen Verfassung, demzufolge jeder nach seiner Leistungsfaltigkeil zu den öffentlichen Ausgaben beizutragen hat. Auch wenn die Rechtsprechung das Hauptaugenmerk auf den Vorbehalt des Gesetzes richtet, verlangt die finanzwissenschaftliche Doktrin eine besondere Gruppenverantwortlichkeit zur Rechtfertigung der Abgabe.l59 Der kurze rechtsvergleichende Blick zeigt, daß im Grundsatz Parafiskalität in den anderen Mitgliedstaaten enger verstanden wird als der deutsche Begriff der Sonderabgaben in einzelnen Entscheidungen des BVerfG und in seiner ursprünglichen Bedeutung maßgeblich auf den Gläubiger des Abgabenaufkommens abstellt. Diese formale Differenzierung korrespondiert mit dem weiten Steuerbegriff im EG-Vertrag160 als Pendant zur parafiskalischen Abgabe. Ferner ist festzustellen, daß den parafiskalischen Abgaben in den Mitgliedstaaten aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben auch materielle Grenzen gezogen werden. Diesen ist insbesondere gemeinsam, daß allgemeine Aufgaben nicht durch Parafisci finanziert werden dürfen. Bei der Abgrenzung im Detail bestehen dann jedoch Unterschiede. Das französische Kriterium des Eigeninteresses des betreffenden Sektors stößt bei Umweltabgaben in der EG auf Schwierigkeiten, da Umweltschutz als Querschnittsaufgabe gerade sektorenübergreifend ist.161 b) Parafiskalische/steuerähnliche Abgaben im EG-Recht

aa) Begriffswahl Obwohl im Primärrecht nicht ausdrücklich erwähnt, haben parafiskalische Abgaben auch Eingang in das EG-Recht gefunden. Der Begriff selber wurde vom EuGH in Entscheidungen über die Zulässigkeit französischer parafiskalischer Abgaben (taxes parafiscales) verwendet162 , schon früher aber auch zur Bezeichnung von Abgaben anderer Mitgliedstaaten benutzt, deren Aufkommen nicht den staatlichen oder kommunalen Gebietskörperschaften zufließt163 . In manchen Entscheidungen 158 Anders als in Frankreich sind die Sozialversicherungsabgaben ebenfalls erfaßt. Stefani, FinArchiv 15 (1954/55), 286ff.; Götz, Fs. Friauf, S. 37 (41 m. w. N. auf die aktuelle Literatur). 159 Ausführlich dazu Götz, Fs. Friauf, S. 37 (41). 160 Dazu unter A. III. 5. 161 Zur Problematik unter A. III. 6; zum Umweltbegriff im EG-Vertrag unter A.IV. 1. 162 EuGHE 1992, 1-3899 (3901), Rs. C-149, 150/91; EuGHE 1992, 1-1847 (1883), Rs. 78-83/90 "Compagnie Commerciale de !'Quest". s. Reboud, S. 28 f.; Zu einem Überblick s. Nussbaum, DVB11994, 1174ff. 163 EuGHE 1975, 699 (700, 709), Rs. 94n4 "ENCC".

III. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG

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findet sich der Begriff der steuerähnlichen Abgabe 164, der in der Literatur teilweise ohne nähere Begründung von dem der parafiskalischen Abgabe unterschieden worden ist165 • Tatsächlich handelt es sich nur um eine Besonderheit der deutschen Übersetzung, der keine Differenzierung seitens des EuGH zugrundeliegt. 166 Grund für diese besondere Übersetzung 167 mag sein, Verwechslungen mit typisch deutschen Bedeutungsinhalten zu vermeiden, die im deutschen Finanzrecht die Begriffe der parafiskalischen Abgabe 168 sowie der fiskalischen Abgabe 169 haben. bb) Einnahmen außerhalb der allgemeinen Haushalte Wie der EuGH unterscheidet auch die Kommission in ihren Entscheidungen zum Beihilferecht zwischen Steuern und parafiskalischen Abgaben, deren Aufkommen nicht den staatlichen oder kommunalen Gebietskörperschaften zuwächst. 170 Aus der bisherigen Rechtsprechung des EuGH und aus den Entscheidungen der Kommission lassen sich Kriterien für steuerähnliche oder parafiskalische Abgaben herausdestillieren. Als formales Kriterium ergibt sich zunächst, daß alle diese Abgaben zugunsten von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erhoben werden, ausgenommen des Staates selbst und seiner Gebietskörperschaften. Diese verfügen unabhängig von den staatlichen Haushalten über die Einkünfte, insbesondere in Form von autonomen Fonds. Beispielsweise erhob der italienische ENCC, eine nichtstaat164 EuGH in EuZW 1994, 62ff., Rs.C-72/92 "Scharbatke"; EuGHE 1991, 1-5419 (5443f.), Rs. C-235/90, "Aliments Morvan". 165 Vgl. Voß, in: Grabitz/Hilf, EUV!EGV, Art. 12, Rdnr. 18; Wasmeier, S. 39, setzt die steuerähnlichen Abgaben mit den deutschen Sonderabgaben wohl gleich und sieht sie als Unterfall eines weiten Steuerbegriffs an. Dagegen spricht bereits die Wortwahl, denn was nur der Steuer ähnlich ist, kann selbst keine Steuer sein. Daher kann auch die Kompetenzabgrenzung von Wasmeier, S. 232, in dieser Hinsicht nicht überzeugen. Dagegen für eine Gleichsetzung mit dem Begriff der parafiskalischen Abgabe Götz, Fs. Friauf, S. 37 (50); ebenso EuGHE 1994, 1-711 ff., Rs. C-332, 333, 335/92 "Eurico". 166 Deutlich wird dies in EuGHE 1991, I-5419 (5443f.), Rs. C-235/90, "Aliments Morvan", wenn der EuGH eine frz. parafiskalische Abgabe als steuerähnliche Abgabe bezeichnet. Zwar unterscheidet das Datensystem CELEX für die Recherche zwischen beiden Begriffen, doch finden sich auch dort im Ergebnis der Abfrage dann Überschneidungen. Sofern sich Wasmeier, S. 39, darauf beruft, daß EuGH, EWS 1992, S. 309, Rs. C-78-83/90, von einer "steuerähnlichen Abgabe" spreche, belegt der Blick in die amtliche Sammlung, EuGHE 1992, I-1847 ff., daß der EuGH gerade eine "parafiskalische Abgabe" beurteilt hat. 167 In den französischen Fassungen wird durchweg von "taxe parafiscale" gesprochen: Bulletin des Activites de Ia Cour de Justice et du Tribunal de premiere Instance des CE, No. 30-93, S.l8; vgl. auch EuGH, La Semaine Juridique 1994, S. 3748, Rs.C-72/92. 168 Zum Begriffsgebrauch im Vergleich zur Sonderabgabe vgl. unter A. III. 4. a). 169 Darunter werden zum Teil im Gegensatz zu Lenkungsabgaben fiskalisch nutzbare Abgaben verstanden, vgl. EUA, Ökosteuern, S. 8; das weist Ähnlichkeiten mit dem Begriff "fiskalische Maßnahmen" in anderen sprachlichen Fassungen in Art. 95 (ex-Art. 100a) II EGV; vgl. unter B. III. 2. 170 In ABI. 1990 L 105, S. 15 differenziert sie sogar zwischen Steuern, besonderen Steuerabgaben und steuerähnlichen Abgaben.

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

liehe Körperschaft des öffentlichen Rechts 171 , eine Abgabe auf die Einfuhr von Karton und Papier, die zur Finanzierung von Forschungsvorhaben und der Subventionierung von italienischem Zeitungspapier verwendet wurde. In anderen Fällen ging es um eine Abgabe auf bestimmte Erdölerzeugnisse in Frankreich, die zugunsten einer Agentur für Energieeinsparung, einem Wirtschaftsbetrieb der öffentlichen Hand erhoben wurde 172 , oder um einen Pflichtbeitrag zur Förderung des Absatzes bestimmter Erzeugnisse durch einen Fonds, der bei gewerblichen Schlachtungen erhoben wurde 173• Alle diese Abgaben verfolgten besondere Ziele wirtschaftspolitischer, insbesondere ausgleichender oder finanzierender Art.174 In einer neueren Entscheidung 175 hat die Kommission eine griechische Abgabe, die eben diese Merkmale aufwies, statt als steuerähnliche/parafiskalische Abgabe als Umlage bezeichnet. Die Abgabe wurde bei Pharmaunternehmen erhoben und ihr Aufkommen ging zunächst direkt in den Staatshaushalt ein, aus welchem dann aber ein bestimmter Prozentsatz an eine öffentlich rechtliche Körperschaft weitergeleitet und dort zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln verwendet wurde. Entscheidend für die Bezeichnung war also das formale Merkmal der Einstellung der Einnahmen in den allgemeinen Staatshaushalt. Diese Abgrenzung korrespondiert mit der Praxis der Kommission bei der Erstellung des Inventars der Steuern in der EG, in dem als Steuern die Abgaben erfaßt werden, die zugunsten des Staates und seiner Gebietskörperschaften erhoben werden. 176 Im EG-Recht sind auch rechtlich selbständige Fonds der EG als Parafisci zu betrachten, da ihre Einnahmen nicht in den Gesamthaushalt eingehen. 177 Das gilt bspw. für die Europäische Umweltagentur, die keine Gebietskörperschaft ist, aber über einen eigenen Haushalt verfügt. Ob die EG Fonds in eigener Verwaltung errichten darf, hängt davon ab, wieweit ihre Kompetenz zur Verwaltungsorganisation reicht. 178 Entsprechende Fondsregelungen für Beiträge finden sich in mehreren GeZur Beschreibung EuGHE 1975, 699 (701), Rs. 94/74. EuGHE 1992, I-1847ff., Rs.C-78-83/90. 173 EuGHE 1993, I-5509ff., Rs. C-72/92 "Scharbatke"; weitere Entscheidungen zu parafiskalischen Abgaben finden sich in EuGHE 1970, 487 ff., Rs. 47/69; 1973, 865 ff., Rs. 2/73 (Vertragsabgabe auf Rohreis); 1977, 595ff., Rs. 78/76 (Absatzförderungsfonds); 1977, 1029ff., Rs. 77/76 (Förderung der Zuckerwirtschaft); 1986, 2469ff., Rs. 282/85; 1987, 4393ff., Rs. 259/85 (Abgaben zur Finanzierung von Textilbeihilfe); !992, 1-6523 ff., Rs. C-17/91 ; 1992, I-6559ff., Rs. C-114/91; 1992, I-6613ff., Rs. C-144/91 (Absatzförderungsfonds); 1994, 1-711 ff., Rs.C-332, 333,335/92. 174 Vgl. z. B. EuGHE 1975, 79ff., Rs.51/74 "van der Hulst";1992, I-1847ff., Rs.C-78-83/90 "Compagnie Commerciale de !'Quest". 175 ABI. 1995, L265, S. 30; diese Entscheidung ist zwar im Celex unter dem Stichwort "parafiskalische Abgabe" aufgeführt, der Begriff selber taucht aber in der Entscheidung nicht auf. 176 s. Untertitel von Kommission, Inventar der Steuern; dazu unter A. Ill. 5. 177 Bieber, in: GTE, EUV/EGV, Art.199, Rdnr. 3. 178 Lienemeyer, EuR 1998, 478 (488) hält einen Umweltfonds der EG wohl für zulässig; dazu unter 0.!.4. 111 172

III. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG

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meinschaftspolitik:en und sind bislang vom EuGH für zulässig erachtet worden. Zu nennen sind insbesondere der früher geplante internationale Binnenschiffahrtsfonds179 sowie die EG-internen Abwrackfonds für die Binnenschiffahrt180. Ferner bestehen Regelungen für Einlagensicherungsfonds und Garantieeinrichtungen der Arbeitgeber für den Insolvenzfall. 181 Grundsätzlich ist dem EG-Recht also die Zuweisung eines Abgabenaufkommens an einen Fonds nicht fremd. Mit der Zuweisung des Aufkommens aus parafiskalischen Abgaben an selbständige Fonds müssen diese konsequenter Weise besonderen Finanzierungszielen dienen. cc) Keine individualisierbare Gegenleistung Die oben erwähnten Beispiele für parafiskalische Abgaben betrafen durchgängig Fälle, in denen die Leistung des Fonds zwar den Abgabenpflichtigen in irgendeinerweise zugute gekommen ist, aber im einzelnen nicht individuell zurechenbar gewesen ist. Das gilt auch für die parafiskalischen Abgaben mit einem wirtschaftlichen, ausgleichenden Ziel.l 82 Da das EG-Recht die Abgabentypen der Vorzugslasten, Gebühr und Beitrag, kennt, ist der Typ der parafiskalischen Abgabe wie auch im Recht der Mitgliedstaaten davon abzugrenzen. 183 Kennzeichnend ist für die parafiskalischen Abgaben somit, daß keine individualisierbare Gegenleistung erbracht wird. dd) Weitere materielle Merkmale Die parafiskalischen Abgaben müssen im EG-Recht weitere Merkmale erfüllen. Diese hat die Rechtsprechung maßgeblich bei der Beurteilung der später zu behandelnden besonderen Steuerabgaben entwickelt, die aber aufgrundder gleichen Problematik auf die parafiskalischen Abgaben übertragen werden können. 184 Sie dienen besonderen Zwecken in den Sachpolitiken, insbesondere Lenkungs-, Ausgleichsoder Finanzierungszielen. Die Einnahmen dürfen nur für Zwecke innerhalb derbetreffenden Sachpolitik: verwendet werden. Ferner muß die Abgabenpflichtigen eine besondere Verantwortlichkeit in bezug auf das Lenkungs- oder Finanzierungsziel treffen.

179 Vgl. die Darstellung in EuGHE 1977, 743 ff. , Gutachten 1n6. in der der EuGH allerdings von einem Beitrag spricht und die Parafiskalität nicht ausdrücklich erwähnt. 180 Verordnung (EWG) Nr. 1101/89, ABI. 1989, L 116, S . 25; Lienemeyer, EuR 1998, 478 (491), qualifiziert diese Regelung als "Sachbereichsabgabe", obwohl sie inhaltlich eine BeitragsregeJung darstellt. 181 RL 94/29/EWG, ABI. 1994, L 135, S. 5; RL 80/987/EWG, ABI. 1980, L 283, S. 23. 182 EuGHE 1975, 79ff., Rs. 51n4 "van der Hulst"; 1992, l-1847ff., Rs. C-78-83/90 "Compagnie Commerciale de I'Ouest". 183 Wiehier Lienemeyer, EuR 1998,478 (489). Zu Gebühren du Beiträgen unter A.lll. 2. und A. 111. 3. 184 s. unter A. III. 6. c)cc)(2).

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

c) Nutzung für Umweltzwecke

Parafiskalische Abgaben sind hervorragend zur Instrumentalisierung für den Umweltschutz geeignet. Das liegt nicht nur an ihrer möglichen Ausgestaltung als Lenkungsabgabe, sondern vor allem daran, daß sie die Gewähr bieten, daß das gesamte Aufkommen dem Zweck entsprechend verwendet wird. So ist für die Energie-/C02-Steuer vom WSA vorgeschlagen worden, diese zum Teil als Abgabe auszugestalten und aus dem Betrag einen Umweltfonds zu speisen.' 85 In ähnlicher Weise wird in der Literatur vorgeschlagen, das Aufkommen aus einer Flugverkehr-Sonderabgabe einem EG-Umweltfonds zuzuweisen. 186 Im alten Vorschlag über Abfalldeponien fand sich eine Regelung, die den Mitgliedstaaten aufgab, sogenannte Nachsorgefonds zu errichten, die eventuell später auftretende Umweltschäden beseitigen sollten. 187 Das EP schlägt sogar für die Gebühren für den Schwerlastverkehr die Bildung eines gemeinschaftlichen Verkehrswegefonds vor. 188 Die Bildung solcher Fonds für bestimmte Sachaufgaben ist im Grundsatz zulässig, ihre Grenzen sind aber noch klärungsbedürftig.l89

5. Steuern a) Regelungen im Primärrecht

Während weitverbreitet im deutschen Schrifttum zum EG-Recht der enge deutsche Steuerbegriff auf das Gemeinschaftsrecht übertragen wird190, finden sich in der neueren deutschen Literatur zunehmend Versuche einer eigenständigen Definition des gemeinschaftsrechtlichen Steuerbegriffs ohne Rückgriff auf die deutsche Definition191, die den Besonderheiten der deutschen föderalen Finanzverfassung verhaftet ist, insbesondere der Dichotomie von Steuer- und Sachkompetenzen. ABI. 1993, C 108, S.20 (23); aufgegeben in ABI. 1996, C 147, S.47ff. Lienemeyer, EuR 1998,478 (488). 187 Art.18 des Vorschlages für eine Richtlinie über Abfalldeponien, ABI. 1991, C 190, S.1; diese Regelung ist allerdings in der neuen Fassung des Vorschlages nicht mehr enthalten, KOM (97) 105; dagegen aber wieder aufgegriffen von WSA, CES 980/97, S. 6 188 ABI. 1992, C 150 S. 324 (331 ). 189 Ausführlich dazu unter D. I. 4. 190 Zum Steuerbegriff im Rahmen des Art. 175 (ex-Art. 130s) EGV Breier/Vygen, in: Lenz, EUV, Art. 175, Rdnr. 7, 11; Schröder, DStJG 15, 87 (95, 99), der die deutsche Sonderabgabenrechtsprechung über den Gleichheitssatz auf die EG überträgt; dagegen problematisieren Rötringer, in: Lenz, EUV, Art.95, Rdnr.2 undLangeheine, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art.100a, Rdnr. 26, den Steuerbegriff überhaupt nicht. 191 Hilf, UTR 16, 121 (129) hält den EG-Steuerbegriff auch für offen bezüglich Finanzierungssonderabgaben im deutschen Verständnis und differenziert für "Steuern" im Rahmen des ex-Art. 100 a II (Art. 95 II) EGV danach, ob sie primär der Finanzierung oder der Lenkung dienen. Wasmeier, S. 36 ff. plädiert für einen weiten Steuerbegriff, den er letztendlich aus dem Verständnis in anderen Mitgliedstaaten herleitet; zur Begrenzung des deutschen Pendants zur 185

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III. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG

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Da im Gemeinschaftsrecht parafiskalische Abgaben als eigener Abgabentyp behandelt werden, sind diese vom Steuerbegriff zu unterscheiden. 192 Das kommt deutlich zum Ausdruck, wenn sie in der deutschen Übersetzung der EuGH-Entscheidungen als steuerähnliche Abgaben bezeichnet werden. 193 Jenseits dieser Grenzziehung läßt sich aber bei allen Ungereimtheiten in der Verwendung des Steuerbegriffs im Primärrecht eine deutliche Tendenz für ein weites Verständnis erkennen. Die Analyse der Praxis im EG-Recht ergibt, daß alle Abgaben mit Ausnahme der Gebühren und Beiträge, die in die allgemeinen Haushalte der Gebietskörperschaften eingesetzt werden, und sei es in rechtlich unselbständigen Fonds, dem Steuerbegriff des EG-Rechts unterfallen, auch wenn sie besonderen Lenkungs- oder Finanzierungszielen dienen. Wie bereits bei der Definition des Abgabebegriffs aufgezeigt wurde, verwendet der EG-Vertrag den Begriff der Steuern in der adjektivischen Fassung in einem weiten Sinn, der allerdings nicht nur auf finanzielle Belastungen begrenzt ist, sondern bspw. auch Steuerverschonungen umfaßt. 194 In der substantivischen Fassung tritt der Steuerbegriff in der deutschen und englischen Fassung nicht immer in eindeutiger Abgrenzung zum Oberbegriff der Abgabe auf, was zunächst gegen ein enges Verständnis spricht. Dies gilt insbesondere für die Art. 92 und 93 (ex-Art. 98, 99) EGV, in denen andere sprachliche Fassungen eher weit zu verstehende Begriffe, wie "taxation" verwenden, die mit dem auch im Deutschen eher weit zu verstehenden Wort "Besteuerung" übersetzt werden können. Bestätigt wird diese Auslegung auch durch Art. 95 II (ex-Art.lOOa II) EGV, der in der deutschen Fassung eine Ausnahme für "Steuern" vorsieht, während andere sprachliche Fassungen eher eine umfassende Bedeutung durch die Wortwahl "fiskalische Vorschriften" (dispositions fiscales/ fiscal provisions) nahelegen. Nach dem Sprachgebrauch sind davon eindeutig nur die parafiskalischen Vorschriften zu unterscheiden, d. h. die bereits dargelegte Abgrenzung zu den parafiskalischen Abgaben. Auch die Vertragssystematik spricht gegen ein zu enges Verständnis des Art. 95 II EGV, weil dieser sinngemäß auf Art. 93 (ex-Art. 99) EGV verweist, der nach seinem Wortlaut Regelungen über Steuern und Abgaben zuläßt. 195 Welche Kriterien im einzelnen die Steuern erfüllen müssen, läßt der EG-Vertrag indes offen. Steuer, der Sonderabgabe auf ihre ursprüngliche parafiskalische Bedeutung in der EG vgl. Götz, Fs. Friauf, S. 37 ff.; im Ansatz versucht auch Müller, S.42, den Begriffeuroparechtlich zu bestimmen, kommt dann aber durch starke Betonung des Leistungsfahigkeitsprinzips in der Besteuerung im Ergebnis doch zum engeren Steuerbegriff. Kuntze, S. 166, unterwirft auch "Sonderabgaben" dem Steuerbegriff, soweit ihr Finanzierungszweck nicht völlig in den Hintergrund tritt. 192 A. A. Wasmeier, S. 39; wie hier Götz, Fs. Friauf, S. 37 (50). 193 EuGHE 1991,1-5419 (5443f.), Rs.C-235/90; vgl. Götz, Fs. Friauf, S.37 (50). 194 s. unter A. 111. 1. 195 Schon dieser systematische Zusammenhang spricht dagegen, den Anwendungsbereich des Art. 95 li (ex-Art. lOOa li) EGV mit dem engen deutschen Verständnis der Steuern gleichzusetzen, so aber Müller, S. 67 f. Dagegen unter B. li. 2. c)cc).

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

Der Begriff der Steuer taucht des weiteren in Art. 3 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften auf, der eine Befreiung der Gemeinschaft von nationalen Steuern vorsieht. Da dies ausdrücklich auch für Verkaufsabgaben gelten soll, folgert der EuGH, daß der Begriff der Steuern dort sehr weit im Sinne der inländischen Abgaben im Gemeinschaftsrecht (Art. 95 EGV) zu verstehen sei. 196 Aus dem Sinn der Vorschrift, dem Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft, schließt der EuGH, daß keine gegenleistungsabhängigen Abgaben, wie Gebühren und Beiträge, erfaßt werden. Diese Auslegung des Protokolls durch den EuGH würde auch parafiskalische Abgaben erfassen, obwohl diese nahezu einhellig 197 nicht zu den Steuern gezählt werden. Jedoch ist diese weite Auslegung als ein Einzelfall zu verstehen, der sich aus der funktionalen Auslegung nach dem effet utile der Vorschrift ergibt. Dahinter steht der Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft, der es erfordert, eine eventuelle Umgehung des Protokolls auch mit Abgaben zugunsten parafiskalischer Kassen zu verhindern. Festzuhalten ist jedoch, daß nach der Rechtsprechung des EuGH eine Steuer die Erhebung einer finanziellen Last zu Gunsten einer öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaft ohne eine unmittelbare individuelle Gegenleistung ist, die in die Haushalte des Staates oder öffentlicher Gebietskörperschaften eingeht.I 98 Regelmäßig 199, aber nicht notwendig dient sie der Finanzierung der allgemeinen Lasten der öffentlichen Verwaltung. b) Einnahmen zugunsten des Staates oder seiner Gebietskörperschaften

In allen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft gibt es Abgaben der öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften, die als Steuern bezeichnet werden. 200 Diegenaue Begriffsverwendung ist durchaus unterschiedlich und nicht leicht zu verallgemeinern. Jedoch zeigt der rechtsvergleichende Blick auf das Inventar der Steuern, das von der Kommission herausgegeben wird, daß der Begriff in den anderen Mitgliedstaaten wesentlich weiter als in Deutschland verstanden wird. 201 Erläuternd stellt die Korn196 EuGHE 1996,1-1859 (1881) Rs.C-191/94 "AGF Belgium"; allein gegenleistungsabhängige Abgaben nimmt der EuGH aus. 197 Dazu unter A. 111.4. 198 Im Ergebnis auch Wasmeier, S. 36 ff. 199 EuGHE 1996,1-1859 (1882), Rs. C-191/94 "AGF Belgium". 200 s. zu Deutschland Paulinck/Freericks, in: Jura Europae, Bd. 1, Kapitel 10; zu Belgien Bours, in: Jura Europae, Bd.l, Kapitel20; zu Frankreich Zaquin, in: Jura Europae, Bd. l, Kapitel 30; zu Luxemburg Faber, in: Jura Europae, Bd. 2, Kapitel 50; zu den Niederlanden Christiaanse!van der Heeden, in: Jura Europae, Bd. 2, Kapitel 60. In Deutschland hat insbesondere der Fall der mittlerweile für verfassungswidrig erklärten kommunalen Verpackungssteuer für Furore gesorgt; vgl. BVerfG, NJW 1998,2341 ff.; BVerwGE 96, 272ff.; Hess. VGH, GewArch 1996, 233; dazu Lange, in: Lange, Gesamtverantwortung, S. 305 (316ff.). 201 Kommission, Inventar der Steuern, S. I ff., vgl. die gleiche Einschätzung bei Kuntze, S. 166. Nach Art. 106 I portugiesische Verfassung dienen Steuern zur Finanzierung des Staates und anderer öffentlicher Einrichtungen; nach Art. 133 II spanische Verfassung können auch

III. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG

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mission im Untertitel heraus, daß es sich um das Inventar der Steuern, die in den Mitgliedstaaten der EU zugunsten der Staaten und ihrer Gebietskörperschaften (Länder, Departments, Regionen, Provinzen, Gemeinden) erhoben werden, handelt.202 Entsprechend diesem weiten Verständnis finden sich auch Abgaben, die nach deutschem Verständnis nicht zu den Steuern zu rechnen wären, wie die Müllabfuhrgebühr in Frankreich203 , die Steuer auf die Lännbelastung durch Zivilflugzeuge oder die Steuer auf die Versehrnutzung von Oberflächengewässern in den Niederlanden204. Dagegen ist die französische Stempelsteuer für Jagdscheine205 eine alte Steuer, keine Gebühr. Allerdings finden sich auch Beispiele von Abgaben, die nicht an Gebietskörperschaften entrichtet werden. 206 Diese Widersprüche können jedoch vernachlässigt werden, weil gerade in der sie betreffenden Frage der Abgrenzung zwischen Steuern und parafiskalischen Abgaben in der Literatur und Rechtsprechung nahezu Einmütigkeit besteht. 207 Insofern belegt das Inventar zwar die unterschiedlichen Auffassungen der Mitgliedstaaten, denen die Kommission offensichtlich keine Vorgaben für die Angaben bei der Erstellung des Inventars im einzelnen gemacht hat. Gleichwohl kann das Verzeichnis als Beleg für ein weites Verständnis des Steuerbegriffs angesehen werden, das sich insbesondere auch in den unterschiedlichen Terminologien widerspiegelt, die in anderen Mitgliedstaaten verwendet werden. Im wesentlichen entsprechen die Abgaben dem von der Kommission herausgestellten formalen Kriterium der Erhebung zugunsten der allgemeinen Haushalte der Gebietskörperschaften. Aufgrund dieses weiten Verständnisses hilft sich die Gemeinschaft in der Praxis damit, in Rechtsakten die eventuell betroffenen nationalen Steuern enumerativ aufzuzählen. 208 Gemeinden und Gebietskörperschaften Steuern erheben; die eng!. Veto-Bill nimmt nur für einen bestimmten Unterabschnitt Steuern durch örtliche Behörden oder Körperschaften für öffentliche Zwecke vom Begriff der Besteuerung aus; gemäß Art. 110 belgisehe Verfassung werden Steuern zugunsten des Staates, der Gemeinschaft und der Regionen erhoben; Art. 22 I Nr. 2 irische Verfassung zählt auch die Besteuerung durch lokale Behörden und örtliche Körperschaften auf; nach Art. 119 I italienische Verfassung können Staat, Provinzen und Gemeinden Steuerhoheit ausüben; Art. 132 IV niederländische Verfassung bestimmt, welche Steuern die Provinzial- und Gemeindeverwaltungen erheben können. 202 Zwar spricht sie dann in der Vorbemerkung von Steuern und Abgaben, doch werden die einzelnen Abgaben in der Darstellung immer als Steuer bezeichnet, Kommission, Inventar der Steuern, S. III, Vff. 203 Kommission, Inventar der Steuern, S. 317. Zu pauschal Wasmeier, S. 38, der ohne nähere Begründung davon ausgeht, daß in den Fällen, in denen von Gebühren oder Beiträgen die Rede ist, keine strikter Bezug zur Gegenleistung der öffentlichen Hand bestehe. 204 Kommission, Inventar der Steuern, S. 606, 609. 205 Kommission, Inventar der Steuern, S. 360. 206 V gl. die griechischen Abgabe zugunsten der Rentenkasse der Handelsmarine, Kommission, Inventar der Steuern, S. 258, oder die niederländische Verwaltungsabgabe zugunsten öffentlich-rechtlicher Berufsorganisationen, a. a. 0 ., S. 604. 201 Dazu unter A. III. 4. 208 Art. 3 des Vorschlags für eine Richtlinie über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge, KOM (96) 331.

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

Auch in ihrer detaillierten Analyse der Auswirkungen von Umweltabgaben ("tax provisions") definiert die Kommission Steuern ("taxes") als Zahlungen an die staatlichen oder lokalen Gebietskörperschaften ("government"), denen keine proportionalen Vorteile für die Abgabenpflichtigen gegenüberstehen.209 An dieses Kriterium hält sich auch der Bericht der Europäischen Umweltagentur über Öko-Steuern, der unter diese Steuern einerseits die deutsche Abwasserabgabe einordnet, andererseits Gebühren von Steuern unterscheidet. 210 Sofern im Sekundärrecht der Begriff der Steuern auftaucht, handelt es sich um Abgaben, die selbst dem engen deutschen Verständnis von Steuern entsprechen. Das erklärt sich damit, daß sich die Harmonisierungsbestrebungen zunächst auf die wichtigsten indirekten Steuern konzentriert haben, die in den Mitgliedstaaten bestehen und die jeweils die Kriterien eines engen Steuerbegriffs erfüllen würden. 211 Die Vorschläge und Stellungnahmen der EG-Organe zur geplanten C02-Energiesteuer bestätigen die Bedeutung des formalen Kriteriums. Denn die Kommission hat für diese gemeinschaftsweite Steuer vorgeschlagen, daß das Aufkommen in den Staatshaushalt der Mitgliedstaaten fließen soll.212 Dagegen hat der WSA angeregt, den die Energie betreffenden Teil als "Abgabe" auszugestalten, indem das Aufkommen einem Umweltfonds zugewiesen wird.213 c) Keine unmittelbare Gegenleistung

Als eindeutig gesichert kann man die Erkenntnis bezeichnen, daß die Unterscheidung der Steuern von den Gebühren danach erfolgt, daß erstere keine Gegenleistung für bestimmte Dienstleistungen darstellen. Dies ist in der Rechtsprechung des EuGH wie in allen Mitgliedstaaten anerkannt.214 Der Gerichtshofhat diese Differen209 Kommission, Tax Provisions with a potential Impact on environmental Protection, S. 9; zum weiten Steuerbegriff vgl. auch KOM (96) 546, S. 8. 210 EUA, Ökosteuem, Zusammenfassung, S. 8; völlig unbrauchbar dagegen die pauschale Gleichsetzung von Steuern und Gebühren in der Mitteilung der Kommission über Umweltabgaben, KOM (97) 9, S.4, die nicht mit der Rechtsprechung des EuGH vereinbar ist. 211 Dazu zählen die Mehrwert- bzw. Umsatzsteuern, s. RL 77/388/EWG, ABI. 1988, L 145, S. 1; die Verbrauchsteuern für Tabakwaren, Alkohol, alkoholische Getränke und Mineralöl, s. RL 92/12/EWG, ABI. 1992, L 76, S. 1 und die darauf basierendenSteuersatz-und StrukturRichtlinien; ferner RL 69/335/EWG, ABI. 1969, L249, S. 25, im Bereich des Kapitalverkehrs. Ferner bestehen Vorschläge für die Regelung von Versicherungssteuern und der Kfz-Steuern, Oppermann, Rdnr. 1185. 212 ABI. 1996, C 196, S.l. 2IJ ABI. 1993, C 108, S. 20 (22 f.); diesen Vorschlag hat der WSA mittlerweile aufgegeben, ABI. 1996, C 174, S.47 ff. (Nr.4.2.4.), und plädiert füreine mit der Steuer verbundene Senkung der lohnfremden Arbeitskosten. 214 So ausdrücklich EuGHE 1996, 1-1859 (1882), Rs. C-191/94 "AGF Belgium"; für Deutschlands. Scholtz, in: Koch/Scholtz, Abgabenordnung, § 3, Rdnr. 6, mit Nachweisen auf die Rspr. des BVerfG; in Spanien werden Abgaben zur bedingten und zur unbedingten Finanzierung unterschieden, Lopez Pina, in: Lopez Pina, Spanisches Verfassungsrecht, S. 223 (227).

III. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG

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zierung auch auf den Umfang der Befreiung der Gemeinschaft von Steuern angewendet.m Er ist dabei den deutlichen Vorgaben der Generalanwälte gefolgt. 216 Auch im Sekundärrecht läßt sich nachweisen, daß Steuern nicht Zahlungen betreffen, die eine tatsächliche oder potentielle Gegenleistung abgelten sollen.217 Ebenso hat die Kommission im Detail deutlich zwischen Steuern und Abgaben mit Gegenleistungscharakter differenziert. 218 In ähnlicher Weise unterscheidet die Europäische Umweltagentur Umweltsteuern von Abgaben zur Kostendeckung, wobei aber bei letzteren die Abgrenzung zur Gebühr unklar bleibt.219 d) Bemessung nach der Leistungsfahigkeit

In einigen Mitgliedstaaten ist die Beachtung des Leistungsfähigkeitsprinzips bei der Steuererhebung ausdrücklich in der Verfassung festgeschrieben. 220 Deswegen mag es nicht verwundern, daß in der Literatur nicht nur die Forderung aufgestellt wird, daß auch die Rechtsetzung der EG in diesem Bereich das Leistungsfahigkeitsprinzip berücksichtigen müsse, sondern daß seine Beachtung das entscheidende Kriterium für die Abgrenzung der Steuern von "Sonderabgaben" darstelle müsse.221 Jedoch gibt es in der Literatur auch Ansätze für eine Untersuchung der rechtlichen Geltung eines Grundsatzes der Lastengleichheit im Steuerrecht der Mitgliedstaaten, die zu zurückhaltenden Ergebnissen kommen. Dort wird das Leistungsfahigkeitsprinzip weniger auf jede einzelne Steuer, als auf das gesamte Steuersystem bezogen. 222 Diese Zurückhaltung wird durch eine rechtsvergleichende Umschau bestätigt. Nach Art. 13 der französischen Menschenrechtserklärung von 1789 müssen die allgemeinen Abgaben gleichmäßig auf die Bürger entsprechend ihrem Vermögen verteilt werden. Die spanische Verfassung sieht in Art. 3 I I vor, daß alle zur Bestreitung der öffentlichen Ausgaben nach ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten beitragen müssen. Eine vergleichbare Vorschrift findet sich in Art. 4 V der griechischen Verfassung. Art. 53 der italienischen Verfassung verlangt die progressive Ausgestal21 s EuGHE 1968, 63ff., Rs. 32/67 ,.Van Leeuwen"; 1996,1-1859 (1882), Rs.C- 191/94 "AGF Belgium". 216 Generalanwalt Jacobs in EuGHE 1996, 1-1859 (1870), Rs. C-191/94 "AGF Belgium"; GA Roemers in EuGHE 1968, 63 (81), Rs. 32/67 "Van Leeuwen". 217 Vgl. die Nachweise bei Gebühren und Beiträgen unter A. III. 2. und A. III. 3. 218 Kommission, Tax Provisions with a potential Impact on environmental Protection, S. 9, vgl. auch die Mitteilung der Kommission über Umweltsteuern und -gebühren, KOM (97) 9, S.4, die allerdings völlig übersieht, daß die nicht erfaßten Abgaben gerade auch die Gebühren sind, und dafür zu Recht vom WSA, CES 993/97. kritisiert worden ist. 2 19 EUA, Ökosteuem, Zusammenfassung, S. 6, 8; dies., Environmental Taxes, Executive Summary, S. 31. 22o Tipke, StuW 1988,262, 271m. w. N. 221 Müller, S. 42. 222 Vgl. Tipke, StuW 1988, 262 (271m. w. N.); Tipke/Lang, S. 82 (87), beziehen das Prinzip auf das gesamte "Vielsteuersystem".

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

tung des Steuersystems und läßt eine Belastung je nach Steuerkraft zu. Dagegen werden in Art. 107 der Verfassung Portugals verschiedene Steuern unterschieden und nur für die Einkommen- und Erbschaftsteuer eine progressive Ausgestaltung gefordert. In anderen Mitgliedstaaten besteht eine solche Vorgabe nicht, wie die Auseinandersetzung um die britische Poil-tax unter der Thatcher-Regierung gezeigt hat, bei der es sich um eine Kopfsteuer gehandelt hat.223 In Deutschland wird das Leistungsfähigkeitsprinzip zwar nicht ausdrücklich in der Verfassung erwähnt, aber in Literatur und Rechtsprechung mit überzeugenden Argumenten aus dem Gleichheitsgrundsatz abgeleitet.224 Kritiker weisen aber darauf hin, daß die Durchsetzung des Prinzips dadurch relativiert werde, daß es nicht der einzige legitime steuerliche Belastungsgrund sei.225 Zudem entfaltet das Leistungsfahigkeitsprinzip nach dem BVerfG seine Wirkung insbesondere im Bereich des Einkommensteuerrechts226 , außerhalb dieses Bereiches bestehen aber erhebliche Bedenken an seiner generellen Tragweite und umfassenden Geltung227 • Damit wird seine Bedeutung für eine Typenbestimmung im konkreten Fall erheblich relativiert. Ein deutliches Beispiel ist die Umstellung der deutschen Kfz-Steuer von der Motorengröße auf die Schadstoffemissionen, die nach der EG-Klassifizierung der Motoren typisiert werden, und derzufolge im Endeffekt alte Autos höher veranschlagt werden als Neuwagen, die die EG-Normen erfüllen.228 Damit werden leistungsschwächere Haushalte, die nicht zur Anschaffung eines Neuwagens in der Lage sind, stärker belastet. Dennoch bezweifelt niemand den Steuercharakter der Maßnahme. Selbst im deutschen Abgabemecht ist das Leistungsfähigkeitsprinzip demnach nicht ausgeprägt genug, um als entscheidende Voraussetzung einer Abgabentypisierung dienen zu können. Noch weniger kann das aufgrundder Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten im gemeinschaftlichen Kontext gelten. In Deutschland ist zwar im Grundsatz anerkannt, daß die Abgrenzung zwischen Steuern und Sonderabgaben danach vorzunehmen ist, ob die Finanzierung dem allgemeinen Interesse dient. Darin kommen Gedanken einer Lastengleichheit zum Ausdruck. Jedoch kann das Kriterium des allgemeinen Interesses in der konkreten Anwendung durchaus strittig sein. Da ferner anerkannt ist, daß auch Steuern im en223 Kommission, Dictionary of Taxation Terms, S. 219; insofern ist die Untersuchung von Müller, S. 42, nicht abschließend. 224 BVerfGE 74, 182 (199f.); 66, 214 (223); Birk, Leistungsfahigkeitsprinzip, S. 161 ff.; P. Kirchhof, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL, 39 (1981), S.213 (215 ff.). 22s Osterloh, NVwZ 1991,823 (826f.). 226 BVerfGE 82, 60 (86); BVerfG, NJW 1996, 2086 m. w. N. 227 Ausführlich Jobs in: Lange, Gesamtverantwortung, S. 273 (284f.). Hilpold/Steinmair/ Zandanel, S. 3, halten auch aus italienischer Sicht das Leistungsfahigkeitsprinzip für wenig operationabel. Auch Schuppert, Fs. Zeidler, S. 691 (715), weist auf die Schwierigkeiten bei der Operationalisierung des Leistungsfahigkeitsprinzips hin. Tipke!Lang, S. 87, wenden das Prinzip auf das gesamte "Vielsteuersystem" an. 228 § 3 f Kraftfzg.-SteuerG 1994 i. d. F. vom 24.5.1994, BGBI. 1994 I, S. 1102. Zu weiteren Reformvorschlägen bzgl. der Kfz.-Steuer RSU, Umweltgutachten 1996, S. 395 ff.

III. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG

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geren Sinn für die Erreichung von Lenkungszielen instrumentalisiert werden können229, kann die Ausgestaltung nach dem Leitstungsfähigkeitsprinzip durch andere Ziele überlagert werden. So ist in Deutschland durchaus umstritten, ob auch Steuern im engeren Sinn zur Lenkung des Energieverbrauchs eingesetzt werden können. 230 Insofern ist das Prinzip der Lastengleichheit selbst in Deutschland kein entscheidendes Kriterium der Abgrenzung von Abgabentypen. In Frankreich ist die parafiskalische Abgabe von den Steuern abzugrenzen. Nach der Rechtsprechung soll sie die Ausnahme sein und ist auf Abgaben begrenzt, die das wirtschaftliche oder soziale Eigeninteresse des betreffenden Sektors überschreiten.231 Dort ist somit ebenfalls das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht das entscheidende Kriterium. Förderlich für eine Bewertung ist der- immer auch rechtsvergleichende-Blick auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). In dem soweit ersichtlich einzigen Fall, in dem es ausdrücklich um die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ging, hat der Gerichtshof für Menschenrechte dieses Kriterium als eine zulässige Differenzierung im Steuerrecht gewertet232, nicht aber als eine notwendige Vorgabe, deren Nichtbeachtung zwangsläufig zu Diskriminierungen führen würde. Zwar binden die Vorgaben der E.MRK die Gemeinschaft nicht direkt, doch berücksichtigt sie der EuGH im Rahmen der gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten.233 Daher ist im Ergebnis die Beachtung des Prinzips der Lastengleichheit kein entscheidendes Kriterium zur Unterscheidung von Abgabentypen. Jenseits der grundsätzlichen Akzeptanz eines solchen EG-rechtlichen Prinzips für bestimmte Steuern fehlt es ihm jedenfalls derzeit noch an der erforderlichen Trennschärfe in der Ausprägung, um als Unterscheidungskriterium von Abgaben fungieren zu können. 234 Auch wenn sich in den Mitgliedstaaten und in der EG noch keine allgemeinen Besteuerungsgrundsätze entwickelt haben, bietet der Gleichheitssatz einen Ansatz zu entsprechenden Differenzierungen. Eine Herleitung eines EG-rechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzips könnte sich aus Art. 6 I EUV i. V. mit den Grundsätzen der Besteuerung in den Mitgliedstaaten235 , aber auch aus dem Ziel der Hebung der Le229 Vgl. BVerfGE 55, 274 (229), P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, Hdb StR, § 88, Rdnr. 54; Scholtz, in: Koch/Scholtz, Abgabenordnung, § 3, Rdnr. 8. 230 Zum Streitstand Jobs, in: Lange, Gesamtverantwortung, S. 273 (280f.) m. w. N. 231 Conseil d'Etat, Rec. 1990, S. 291 ; dazu Götz, Fs. Friauf, S. 37 (39 ff.). 232 EGMR, E 511/59, Yb 3, 394 "Gudmundsson"; Peukert, in: Frowein/Peukert, EMRK, Art.14, Rdnr.47. 233 Dazu ausführlich unter A. III. 6. c). 234 A. A. Müller, S. 42, der die Beachtung der Leistungsfähigkeit als notwendig ansieht, da eine andere Differenzierung hinsichtlich der Erfüllung der Staatsaufgaben nicht ersichtlich sei. Dagegen im deutschen Recht zu den sehr unterschiedlichen Ausprägungen des Leistungsfahigkeitsprinzips Jobs in: Lange, Gesamtverantwortung, S. 273 (283 f., 287 ff.). 235 Nicht aber der EG selbst, der eine umfassende Steuergewalt fehlt und deren Haushalt auch aus anderen Finanzquellen gespeist werden kann; dazu unten unter E. I.

6 Heselhaus

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

benshaltung und der Lebensqualität nach Art. 2 EGV ergeben236 . Mit der Feststellung, daß das Leistungsfahigkeitsprinzip keine abgabentypenbildende Funktion hat, sind seiner Anwendung im EG-Abgabenrecht noch keine weiteren Grenzen gesetzt. e) Zweck der Steuer

Grundsätzlich gilt im Gemeinschaftsrecht237 wie auch im nationalen Recht238 , daß der Hauptzweck der Steuern darin besteht, Einnahmen zu erzielen, um die allgemeinen Lasten der öffentlichen Verwaltung zu decken. Im nationalen Recht muß dies jedoch nicht der einzige Zweck der Steuer sein, es kann ein Nebenzweck sein.239 Unter diesen Zwecksteuern kann man idealtypisch zwischen einer Zweckbestimmung über die Verwendung des Steueraufkommens (Verwendungszwecksteuer) und einem Lenkungszweck unterscheiden, den die Steuer durch die Art ihrer Erhebung verfolgen kann (Wirkungszwecksteuer}. 240 Erstere dienen unter Durchbrechung des NonAffektationsgrundsatzes der Finanzierung einer bestimmten staatlichen Maßnahme.241 Der Sache nach handelt es sich um Zweckzuwendungen von Steuererträgen.242 Bei letzteren konkurriert der Ertragszweck mit dem nichtfiskalischen Zweck. In der Praxis treten beide Effekte häufig gemeinsam auf, wenn auch unterschiedlich ausgeprägt.243 Auch im EG-Recht ist die Verfolgung von beiden Arten von Zwecken mittels Steuern anerkannt. Die Umlage nach dem EGKSV dient nach Art. 51 § 1 EGKSV u. a. der Finanzierung der Verwaltungsausgaben und geht insofern in den Gesamthaushalt der Gemeinschaft ein. Der Verwendung nach handelt es sich um eine Zwecksteuer.244 Mit dem Vorschlag der Kommission über die Einführung einer C02-Steuer sollten sogar beide Zwecke verfolgt werden. Im ersten Vorschlag wird in den Begründungserwä236 Zu vergleichbaren Ableitungen des Leistungsfahigkeitsprinzips aus dem Sozialstaatsprinzip im deutschen Steuerrecht vgl. Klein, Gleichheitssatz und Steuerrecht, S.191 ff. 237 EuGHE 1996, I-1859 (1882), Rs.C-191/94 "AGF Belgium"; Schröer, RIW 1993,914 (916). 238 BVerfGE 49, 343 (353); 3, 407 (435), ständige Rspr. 239 Die Untersuchung der OECD, Taxation and Environment, S. 58f., sieht rechtsvergleichend eine Forderung nach Verzicht auf jegliche Lenkungswirkung von Steuern, hält diese aber offensichtlich nur für politisch und nicht rechtlich erheblich. Zum deutschen Recht vgl. P. Kirchhof, DStJG 15, 3 (21 ff.). 240 Schmölders/Stickrodt, in: HwStR, Bd. 2, S. 1327. 241 BVerfGE 7, 244 (254) qualifiziert die badische Weinabgabe als Steuer, deren Aufkommen zur Bekämpfung der Reblaus, einer anerkannten staatlichen Aufgabe, verwendet wird. 242 Schmölders/Stickrodt, in: HwStR, Bd. 2, S. 1327 f. 243 Vgl. EUA, Environrnental Taxes, S.31; OECD, Environrnental Taxes, S.8, 46ff. zur Bedeutung des Aufkommens aus Umweltabgaben in verschiedenen Ländern. 244 Der Steuercharakter ist umstritten, aber nach zutreffender Ansicht zu bejahen, vgl. unter E.I. Lienemeyer, EuR 1998, 478 (491), qualifiziert sie als Sachbereichsabgabe. Dagegen spricht aber, daß sie für den Bereich des EGKS-Vertrages umfassende Finanzierungsfunktion hat, und durch die teilweise Verwendung im Gesamthaushalt der EG sogar darüber hinausgeht.

III. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG

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gungen empfohlen, die Einnahmen aus der Steuer zweckgebunden zu verwenden.24S Des weiteren soll diese Steuer in ihrer Wirkung lenkende Effekte auf den Energieverbrauch und den C02-Ausstoß haben.246 Zwar wurde die Möglichkeit eines Lenkungseffektes von den Organen grundsätzlich begrüßt, doch ist die Steuer bisher noch nicht über das Vorschlagsstadium hinausgekommen. Gleichwohl hat die Kommission im Rahmen der Überprüfung des Eigenmittelsystems vorgeschlagen, u. a. eine C02-Steuer in den EG-Haushalt aufzunehmen.247 Es bestehen weitere Abgaben im EG-Haushalt, bei denen die Verfolgung eines besonderen Verwendungszwecks anerkannt ist und die im Anschluß näher erörtert werden. Dazu zählen vor allem die Mitverantwortungsabgaben im Zucker- und Getreidesektor248 , die im EG-Haushalt erlaßt werden und damit dem weiten Steuerbegriff unterfallen. Regelmäßig werden mit ihrer Erhebung Lenkungszwecke verfolgt. Zugleich dient ihr Aufkommen aber zur Finanzierung spezieller Aufgaben in den betreffenden Sektoren, bzw. steilt die Eigenfinanzierung eines Teils des Sektors sicher. 249 Im Vergleich damit wäre die deutsche Investitionshilfeabgabe2so als Steuer zu qualifizieren gewesen, weil sie zwar die materiellen Merkmale einer Sonderabgabe aufgewiesen hat, formal aber in den allgemeinen Haushalt eingesetzt worden ist. t) Verwendung zu Umweltzwecken

Grundsätzlich können Steuern in der Gemeinschaft demnach auch zu Umweltzwecken, sowohl mit lenkender als auch mit finanzierender Wirkung eingesetzt werden.251 In einer neueren Entscheidung252 mußte der Gerichtshof zu der Frage Stellung nehmen, ob in Belgien die Kennzeichnungspflicht für Wegwerf-Rasierer, die als umweltbelastend eingestuft werden und daher der belgiseben Ökosteuer unterliegen, eine Regelung im Bereich einer Harmonisierungsrichtlinie darstellte. Belgien hat dies bestritten, weil es sich um eine umweltpolitische Maßnahme handele, die Kommission mit dem Argument, es liege eine steuerliche Maßnahme vor, die von der Richtlinie nicht erfaßt würde. Der EuGH stellte fest, daß die Ökosteuer umweltpolitische Ziele verfolge, die Kennzeichnungspflicht selbst aber als technische ABI. 1992, C 196, S. 1 ff.; vgl. auch KOM (95) 172, S. 4 ff. KOM (95) 172, S. 11. 247 KOM (98) 560, Anhang II, S. 25. 248 Dazu ausführlich unter E. I. 249 Ausführlicher dazu bei den besonderen Steuerabgaben unter A. 111. 6. 250 Dazu BVerfGE 67, 256 (266f., 279f.). 2SI Konrad, DÖV 1999, 12ff.; zur Lage in Deutschland Franke, ZRP 1991,24 (25); Böhm, in: Lübbe-Wolff, Umweltschutz durch kommunales Satzungsrecht, Rdnr. 552ff.; zum Einsatz steuerlicher Maßnahmen zur Förderung erneuerbarer Energieträger in der EG s. ABI 1998, C 198, S. l. 252 EuGHE 1997,1-1753 (l769ff.), Rs. C-13/96. 245

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

Vorschrift einzustufen sei und deshalb der Richtlinie unterfalle. Inzident hat der EuGH damit anerkannt, daß Steuern auch umweltpolitischen Lenkungszwecken dienen können. 253 Die Kommission konzentriert sich einem Trend in den Mitgliedstaaten folgend auf COr und Energie-Steuern. 2S4 g) Indirekte und direkte Steuern

aa) Meinungsstand zur Abgrenzung Das Primärrecht nennt ausdrücklich die indirekten Steuern, jedoch wiederum ohne eine Legaldefinition vorzugeben. Erwähnt sind sie in den Art. 92 und 93 (exArt. 98, 99) EGV, die sich auf die Umsatzsteuer, die Verbrauchsabgaben und sonstigen indirekten Steuern beziehen. Demgegenüber wird die Kategorie der direkten Steuern im EG-Vertrag nicht ausdrücklich2ss hervorgehoben. Daß der EG-Vertrag jedoch grundsätzlich nicht bestimmte Steuerarten von seinem Anwendungsbereich ausschließt, folgt aus den offenen Formulierungen in Art. 92 und 293 EGV zur Beseitigung der Doppelbesteuerung. Zu Recht folgert daher die h. M. aus dem Umstand, daß Art. 9511 (ex-Art. lOOa II) EGV für "Steuern" eine Ausnahme von der Harmonisierungskompetenz gemäß seinem Abs. 1 vorsieht, daß die direkten Steuern ebenfalls vom EG-Vertrag erfaßt werden. Die entsprechende Kompetenzgrundlage verortet sie als begriffliches Pendant zu den indirekten Steuern nach Art. 93 EGV in Art. 94 (ex-Art. 100) EGV. 256 Die Abgrenzung zwischen beiden Normen ist jedenfalls rechtlich erheblich, da Art. 94 EGV im Gegensatz zu Art. 93 EGV auf die Anwendung von Richtlinien beschränkt ist.257 In vielen Fällen ist die Differenzierung zwischen indirekten und direkten Steuern unstreitig (einerseits Umsatz- und Verbrauchsteuern und andererseits Einkommen-,

253 Vgl. zu einer finnischen Elektrizitätssteuer, die Zwecken des Umweltschutzes dient, EuGHE 1998, 1-1779 (1810) Rs.C-213/96 "Outokumpu". 25• ABI. 1992, C196, S. 1; KOM (95) 172; vgl. KOM (97) 9, Mitteilungüber Umweltsteuern und -gebühren im Binnenmarkt. EUA, Environmental signals 2000, S. 98 f. 255 A. A. Oppermann, Rdnr. 1155, unter Bezug auf die Art. 92 und 293, 2. UA EGV, in denen die direkten Steuern aber gerade nicht ausdrücklich erwähnt werden. Zur Rspr. des EuGH zu direkten Steuern der Mitgliedstaaten Lenz, DStZ 1997, 541 ff. 256 Vgl. nur umgeheine in: Grabitz/Hilf, EG-Vertrag, Art. 100a, Rdnr. 26; Oppermann, Rdnr.1155; Ohler, EuZW 1997, 370(371); KOM (96)546, S.9; Krebs, BB 1990, 1945ff.; Müller, S. 61 f., Ohler, S. 201; Kuntze, S. 203; zweifelnd Hilf, UTR 16, S. 121 (130f.), kritisch Schröder, DStJG 15, S. 87 (95). 257 Ob darüber hinaus aus dem unterschiedlichen Bezug zum Binnenmarkt oder zum Gemeinsamen Markt Unterschiede erwachsen, hängt vom Binnenmarktbegriff ab; dazu unter B. II. 2. c)cc)(1 ).

III. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG

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Körperschaft- und Vermögensteuer258 ), jedoch sind die Unterscheidungskriterien umstritten, so daß sich im Detail Abgrenzungsprobleme ergeben können, wie bspw. bei der Kfz-Steuer.259 Dieser Streit ist gerade für die Qualifizierung von Umweltsteuern auf Emissionen oder den Energieverbrauch von Bedeutung.260 Weite Teile der Literatur stellen den Produktbezug der indirekten Steuern nach den Art. 92, 93 (ex-Art. 98, 99) EGV besonders heraus. 261 Allerdings sollen auch Beförderungssteuern erfaßt sein.262 Das hätte bspw. zur Folge, daß Emissionssteuern nicht aufgrund von Art. 93 EGV harmonisiert werden könnten. Andere Autoren wenden die Vorschriften auf alle Verkehr- und Aufwandsteuern an263 . Hilf vertritt die Auffassung, daß durchaus auch Harmonisierungsregelungen zu anlagen- oder produktionsbezogenen indirekten Steuern auf Art. 93 EGV gestützt werden können, sofern sie den erforderlichen Binnenmarktbezug aufweisen.264 Entsprechend der traditionellen Unterscheidung in der Finanzwissenschaft stellen einige Stimmen zur Differenzierung maßgeblich auf das Kriterium der Überwälzbarkeil der Steuer ab. 265 Danach fallen bei den indirekten Steuern regelmäßig Steuerschuldner und Steuerträger auseinander. Der Steuerschuldner wälzt seine Steuerlast auf Jetzteren ab. Diesen Ansatz scheint auch die Kommission zu favorisieren, die nicht die kritischen Vorschläge der Expertenberichte von Neumark266 und Hesse267 aufgenommen hat, sondern sowohl auf die Überwälzbarkeit als auch auf den Bezug zu Produkten und Dienstleistungen abstellen will.268 Dem ersten Aspekt 258 Einen Überblick über die Verbrauchsteuern gibt KOM (95) 285; im Bericht über den Binnenmarkt differenziert die Kommission zwischen Mehrwertsteuer, Verbrauchsteuern und den direkten Steuern, ohne aber eine Definition darzulegen, KOM (94) 55, S. 100ff. 259 Tipke/Lang, S. 178, qualifizieren sie aus nationaler Sicht als direkte Steuer; dagegen für indirekte Steuer Voß, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 93, Rdnr. 40; Behrens, S. 170; vgl. RL 93/89/EWG zur Besteuerung schwerer Güterfahrzeuge, die auch die Kfz-Steuer erfaßt und auf ex-Art. 75 und 99 EGV gestützt wurde; dazu EuGHE 1995, I-1827ff., Rs. 21/94, der zwar die Nichteinhaltung der Mitwirkungsrechte des EP gerügt hat, aber die Doppelabstützung nicht kritisiert hat. Offengelassen wurde die Qualifizierung einer Sondersteuer auf Kfz. dagegen in EuGHE 1985, 1367 (1367) Rs.112/84 "Humblot". 260 Zu den Problemen der Einordnung im deutschen Recht vgl. Klacke, S. 171 ff.; Kloepfer/ Thull, DVBI 1992, 195 ff. 261 Pernice, NVwZ 1990, 201 (204); auch Oppermann, Rdnr. 1016, wenn er von "indirekten, d. h. produktbezogenen" Abgaben spricht; Förster, in: Bleckmann, Europarecht, 5. Aufl., Rdnr.1447, 1452; Bahlmann, EuR 1985, 43 (44). 262 Schröer, S. 158 f.; wohl auch Müller, S. 40. 263 Selmer!Brodersen!Nicolaysen, S. 130. 264 Hilf, UTR 16, S.121 (131). 265 Nachweise bei Andel, S. 30; Thömmes, in: Lenz, EG-Handbuch, S.471 (473); vgl. zum folgenden ausführlich Wasmeier, S. 40ff. 266 Steuer- und Finanzausschuß, 1962, S. 25 ff. 267 Hesse, S.13ff. 268 Kommission, Steuern im Binnenmarkt, S. 9; Berichte und Aktionsprogramme zu den indirekten Steuern, KOM (96) 681 und KOM (97) 621, sind nicht aussagekräftig, da sie sich nur auf die bereits harmonisierten Steuern beziehen.

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

stehen mittlerweile Praxis und Rechtsprechung entgegen. Denn mit der Richtlinie 93/89/EWG über die Besteuerung und Benutzungsgebühren für den Schwerlastverkehr269 wurden Teile der Kfz-Steuer hannonisiert270, bei der Steuerschuldner und Steuerdestinatar identisch sind. Die Richtlinie ist aber aufgrund von ex-Art. 99 und 75 (Art. 93, 71) EGV ergangen. Der EuGH hat die Rechtsgrundlage in seiner Entscheidung zur Beachtung der Mitwirkungsrechte des EP nicht angezweifelt271 und damit inzident anerkannt, daß unter die indirekten Steuern auch nicht abwälzbare Steuern fallen können. Schon früher wurde in der Finanzwissenschaft darauf hingewiesen, daß im Grunde jede Steuer unter bestimmten Marktsituationen auf die Preise abgewälzt werden kann.272 Allerdings kann die Überwälzung auch mißlingen, selbst wenn sie eigentlich bei der Schaffung der Steuer vorgesehen war.273 Damit die Beurteilung unabhängig den unwägbaren Folgen der Entwicklung der Marktlage erfolgen kann, stellen einige Autoren darauf ab, ob die Steuer nach dem Willen des Gesetzgebers abgewälzt werden soll.274 Dies kann aber für das Gemeinschaftsrecht kein Kriterium sein, da damit die Anwendbarkeit der einschlägigen Kompetenznormen von der Dezision des nationalen Gesetzgebers abhängen würde. Zu Recht geht der EuGH für das Primärrecht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß die Abgrenzung von Kompetenznormen nicht allein nach den subjektiven Vorstellungen der an der Rechtsetzung beteiligten Organe vorzunehmen ist. 275 Ansonsten würde die Anwendbarkeit des Primärrechts vom Willen der einzelnen Mitgliedstaaten abhängen. Wegen der Unwägbarkeiten bei der Anwendung der alten Differenzierung wird von manchen Autoren der neueren Finanzwissenschaft und neueren Ansätzen in der internationalen Praxis276 folgend eine Neuorientierung im EG-Recht nach Steuern auf das Einkommen und Vermögen einerseits und Steuern auf den Gebrauch des Vermögens andererseits vorgeschlagen.277 Danach wäre eine eindeutige Zuordnung der Steuerarten möglich, die allerdings den indirekten Steuern einen wesentlich größeren Anwendungsbereich eröffnen würde. Die Kfz-Steuer würde danach den indi269 Richtlinie über die Besteuerung bestimmter Kraftfahrzeuge zur Güterbeförderung sowie die Erhebung von Maut- und Benutzungsgebühren für bestimmte Verkehrswege durch die Mitgliedstaaten, ABI. 1993, L279, S. 32. 21o Art. 1 I, 3 Richtlinie 93/89/EWG. 271 EuGHE 1995, I-1827ff., Rs.21/94. 272 Birk, Steuerrecht, S.41, unter Hinweis auf Lasalle. 273 Wittmann, S.l01 ff.; Birk, Steuerrecht, S.41. 274 Andel, S. 106. 275 EuGHE 1987, 1493 (1520), Rs.45/86; 1988, 855 (898), Rs.68/86; "Hormone"; 1991, 1-2867 (2898ff.), Rs. C-300/89 "Titandioxid"; s. Scherer!Heselhaus, in: Dauses, EU-WirtschaftsR, Kapitel 0, Rdnr. 37. 276 Vgl. Art. 2 I des OECD-Musterabkommens für Doppelbesteuerungsabkornrnen. 277 So Wasmeier, S. 44f., in der Sache ebenso Debatin, DB 1966, 1321 (1324), und wohl auch Thömmes, in: Lenz, EG-Hdb., S.471 (473), ihm folgend; Vogel, DstZ 1997,269 (272). s. auch Ohler, S. 195; Kuntze, S.175.

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rekten Steuern unterfallen, weil sie tatbestandlieh an das Halten des Kraftfahrzeugs anknüpft. Ebenfalls erfaßt wären Emissionsabgaben, deren Erhebungstatbestand an den Gebrauch der Produktionsanlagen anknüpft. Der EuGH hat trotz zahlreicher Vorlagefragen zum bestehenden Sekundärrecht der EG über indirekte Steuern noch nicht ausdrücklich zur Frage der Abgrenzung Stellung genommen. In einer Entscheidung von 1996 ging es um die Auslegung der Sperrwirkung der Richtlinie 69/335/EWG betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital gegenüber einer Steuer auf die Gewährung eines zinslosen Darlehens durch eine Muttergesellschaft an ihre Tochtergesellschaft.278 Generalanwalt La Pergola hatte zunächst hergeleitet, daß der Anwendungsbereich der Richtlinie auf indirekte Steuern beschränkt sei. Daher erfasse sie zwar die Steuern auf die ersparten Zinsen bei der Tochtergesellschaft, die ein der Tochtergesellschaft von ihrer Muttergesellschaft gewährtes Darlehen unter normalen Marktbedingungen erbracht hätte. Die Steuern bei der Muttergesellschaft auf die Beträge, die sie in Form von Zinsen für das Darlehen erzielt hätte, rechnete er jedoch zu den direkten Einkommensteuern. Die Übertragung von Werten falle unter die indirekten Steuern, während die direkten Steuern die Entstehung von Gewinn beträfen.279 Der EuGH ist der Ansicht gewesen, daß die nachträglich festgesetzten Zinsen für das ursprünglich zinslos gewährte Darlehen der Mutter- an die Tochtergesellschaft unter die direkten Steuern wie die Einkommensteuer falle, die nicht von der Richtlinie erfaßt werden. 280 Ohne die Differenzierungskriterien ausdrücklich zu erwähnen, ist er im Ergebnis dem Antrag des Generalanwalts gefolgt. Dagegen wird nach der deutschen Rechtslage die verdeckte Gewinnausschüttung unter der Körperschaftoder der Einkommensteuer erfaßt. 281

bb) Stellungnahme Im EG-Recht ist die Differenzierung zwischen direkten und indirekten Steuern nach dem Kriterium der Verwendung von Vermögen vorzunehmen. Der Wortlaut des Art. 93 (ex-Art. 99) EGV ist offen. Er deutet an keiner Stelle darauf hin, daß indirekte Steuern einen Produktbezug aufweisen müßten, wie es eine Gegenmeinung behauptet. Diese Forderung ließe sich nur aus einem engen Binnenmarktbegriff ableiten, der an die früher im Streit um die Abgrenzung des ex-Art. lOOa (Art. 95) EGV von ex-Art. 130 s (Art. 175) EGV vertretenen Auffassungen erinnert.282 Müller wendet gegen die Erfassung von anlagebezogenen Steuern in Art. 93 EGV ein, daß EuGHE 1996, 1-4581 ff., Rs. C-287/94 "Frederiksen". GA La Pergola in EuGHE 1996, 1-4581 (4585 f.), Rs. C-287/94 "Frederiksen". 280 EuGHE 1996, 1-4581 (4593f.), Rs.C-287/94 "Frederiksen". 281 Tipke/Lang, S. 394 zur Einkommensteuer, S.460f. zur Körperschaftsteuer. 282 Den engen Binnenmarktbegriff hat aber bereits EuGHE 1991, l-2867ff., Rs. C-300/89 "Titandioxid" verabschiedet; vgl. zur damaligen Auseinandersetzung unter B.II.2.c)cc)(1). 278

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diese gerade typischerweise direkte Steuern seien.m Diese Argumentation setzt aber bereits eine klare Abgrenzung von direkten und indirekten Steuern voraus und setzt sich so dem Verdacht eines Zirkelschlusses aus. Darüber hinaus gibt es auch anlagebezogene Steuern wie die Grundsteuer, die oft auf den Mieter oder Käufer abgewälzt werden können284 und damit nach der älteren Ansicht zu den indirekten Steuern zu zählen wären. Ferner knüpft der Wortlaut auch nicht an die Überwälzbarkeit einer Abgabe an. Zwar wird in Art. 93 EGV "sonstige indirekte Steuern" als Oberbegriff für die betroffenen Abgaben verwendet, doch werden ausdrücklich auch die Verbrauchsabgaben erwähnt. Das spricht dafür, daß in jedem Fall die Verbrauchsteuern erfaßt sein sollen, selbst wenn sie das Merkmal der Überwälzbarkeit nicht erfüllen sollten. Bei einem solchen Verständnis kann die Einbeziehung der Kfz-Steuer durchaus gerechtfertigt werden, und der Wortlaut stände nicht unüberwindbar einer Auslegung im Sinne der neueren finanzwissenschaftliehen Erkenntnisse entgegen, die sich vom Kriterium der Überwälzbarkeit entfernen. Ursprünglich standen die Vertragsparteien unter dem Eindruck der Auseinandersetzung über die Steuern in der Montanunion und gingen davon aus, daß die indirekten Steuern im Gegensatz zu den direkten über die Produktpreise regelmäßig abgewälzt werden könnten. 285 Folgerichtig hielt man die indirekten Steuern für bedeutsamer für den Gemeinsamen Markt. Daraus erklärt sich, warum es an einer ausdrücklichen Kompetenzgrundlage zur Harmonisierung der direkten Steuern fehlt. Spricht damit die Entstehungsgeschichte auf den ersten Blick zu Gunstender traditionellen Differenzierung, so ist doch festzuhalten, daß der Sinn der Vorschrift darin liegen sollte, möglichst Beeinträchtigungen des Gemeinsamen Marktes zu vermeiden. Zu diesem Zweck werden noch heute über Art. 93 EGV der Gemeinschaft mehr Handlungsmöglichkeiten eröffnet286 als in Art. 94 (ex-Art. 100) EGV, der allein das Instrument der Richtlinie vorsieht. Bei der Vertragsänderung durch die Einheitliche Europäische Akte ist ex-Art. 99 EGV dann auf den Binnenmarkt bezogen worden, wodurch seine besondere Bedeutung gegenüber ex-Art. 100 EGV unterstrichen worden ist. Das legt eine weite Auslegung des Merkmals "indirekt" in ex-Art. 99 (Art. 93) EGV nahe. Aus der Systematik des EG-Vertrages ergibt sich, daß die indirekten Steuern nicht auf produktionsbezogene Regelungen beschränkt sind. Zwar ist Art. 92 EGV, 283 284

Müller, S.40.

B irk, Steuerrecht, S. 41.

Easson, Tax Law, Rdnr. 86; Oppermann, Rdnr.l016f. Wägenbaur, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, (ex-)Art. 99, Rdnr. 24 hielt den Erlaß von Verordnungen für zulässig, auch wenn aufgrund der Begrenzung auf Harmonisierung regelmäßig Richtlinien das einschlägige Instrument sein werden; auch vor der EEA war Art. 99 EWGV a. F. insofern nicht auf bestimmte Instrumente begrenzt, wohl aber auf die Rechtsangleichung und machte ein Tatigwerden nicht davon abhängig, ob die nationalen Vorschriften sich unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirkten wie nach Art. 100 EWGV. 285 286

III. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG

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der dieselben Abgaben aufführt wie Art. 93 EGV, eindeutig auf Waren bezogen. Doch folgt dies aus seinem Regelungszusammenhang mit den Art. 90, 91 EGV. Er stellt eine Ausnahme für die Entlastung bestimmter steuerlicher Belastungen dar, die ansonsten nach den Art. 90, 91 EGV nicht vorgenommen werden könnten. Dagegen weist die positive Kompetenznorm des Art. 93 EGV im Gegensatz zu den negativen Kompetenzregeln der Art. 90-92 EGV diesen engen Bezug zu Waren nicht auf. Art. 93 EGV ist vielmehr durch seinen Bezug zum Binnenmarkt gekennzeichnet, dessen Verwirklichung nach Art.l41 (ex-Art. 7 a) EGV eine vordringliche Aufgabe der Gemeinschaft ist und nicht nur die Warenfreiheit, sondern u. a. auch die Dienstleistungs- und Kapitalfreiheit umfaßt. Folgerichtig wurde die Richtlinie 69/335/EWG über die indirekten Steuern auf die Ansammlung von KapitaJ287 auf Art. 93 (ex-Art. 99) EGV gestützt. Bis zum Titandioxid-Urteil des EuGH war umstritten gewesen, ob der Binnenmarkt neben den Grundfreiheiten auch vor Wettbewerbsverzerrungen schützen sollte und daher gegebenenfalls auch anlagenbezogene Regelungen umfassen könnte. Der EuGH hat klargestellt, daß die ebenfalls am Binnenmarkt ausgerichtete Norm des Art. 95 (ex-Art. IOOa) EGV auch auf anlagenbezogene Vorschriften anwendbar sein kann.288 Dieses Ergebnis kann auf Art. 93 EGV übertragen werden.289 Es entspricht der im Maastricht-Vertrag erfolgten Neufassung des Art. 3 lit. g EGV, der nunmehr ausdrücklich den Schutz des Wettbewerbes innerhalb des Binnenmarktes erwähnt. Da der Binnenmarkt eine vordringliche Aufgabe der Gemeinschaft ist, spricht die systematische Auslegung für eine weite Auslegung des Art. 93 EGV und die Einbeziehung anlagenbezogener Maßnahmen wie Emissionsabgaben. Bei der teleologischen Auslegung ist im Gemeinschaftsrecht insbesondere der "effet utile", die Erzielung der nützlichen Wirksamkeit einer Regelung zu beachten.290 Art. 93 EGV kann seine Funktion im Rahmen des Binnenmarktes am besten erfüllen, wenn der Begriff der indirekten Steuern weit ausgelegt wird und entscheidend nach den Auswirkungen von Abgaben auf den Binnenmarkt bestimmt wird. Dem entspricht am besten die neuere Definition der indirekten Steuern, weil gerade die Verwendung von Einkommen und Vermögen grenzüberschreitende Bezüge aufweisen kann. Damit streitet dieses Argument für die Einbeziehung auch anlagenbezogener Steuern. Sofern diese den Binnenmarkt tangieren, ist ihre Harmonisierung über Art. 93 EGV möglich. 291 Über diese Abgrenzung läßt sich die Einbeziehung der Kfz-Steuer rechtfertigen, bei der Steuerschuldner und Steuerdestinatar nicht auseinanderfallen, die aber die Wirkung einer Verbrauchsteuer hat.292 ABI. 1969, L249, S.25; zuletzt geändertdurch RL 85/303/EWG, ABI. 1985, L156, S.23. EuGHE 1991, I-2867ff., Rs. C-300/89 "Titandioxid". 289 Daher ist die Beschränkung bei Pernice, NVwZ 1992, 201 (204 ), auf produktbezogene Vorschriften befremdlich, wenn er selbst für einen weitergehenden Anwendungsbereich des ex-Art. lOOa EGV plädiert. 290 Dazu Oppermann, Rdnr. 527 ff. mit Nachweisen zur Rspr. 291 Wie hier Hilf, UTR 16, S.l21 (131); Wasmeier, S.44f. 292 So zum deutschen Recht Tipke!Lang, S. 165. 287 288

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Im Ergebnis können je nach ihrer Ausgestaltung demnach auch anlagenbezogene umweltpolitische Steuern bei Erfüllung der sonstigen Kriterien als indirekte Steuern zu qualifizieren sein.293 Das trifft insbesondere für umweltpolitische Emissionssteuern zu, denn diese knüpfen an die Emissionen und damit an die Verwendung einer Anlage und letztendlich des Vermögens an. 294 Etwas unterschiedlich stellt sich die Lage bei Abgaben auf die Nutzung von Umweltmedien, insbesondere Wasser dar, wenn diese erst durch die Nutzung dem eigenen Vermögen zugeführt werden sollen. Hier wird eher ein Einkommenszuwachs, der aus der bisherigen unentgeltlichen Nutzung geflossen war, abgeschöpft. Dennoch erschöpft sich die Wirkung nicht innerhalb der Vermögensmasse, wie sie vor der Umweltnutzung bestanden hat, so daß auch solche Regelungen eher den indirekten Steuern zuzurechnen wären, soweit die übrigen Voraussetzungen vorliegen. Nach der Ansicht des BVerfG zur kommunalen Verpackungsteuer295 wäre dabei an den Typ der Verbrauchsteuer zu denken. 6. Besondere Steuerabgaben a) Bedürfnis nach einem weiteren Abgabentyp im Gemeinschaftsrecht

Entgegen den gängigen Unterteilungen von Abgabentypen im Gemeinschaftsrecht besteht ein Bedürfnis für die Anerkennung eines weiteren Typus, der im folgenden als besondere Steuerabgabe bezeichnet werden soll. Dies folgt aus einem Vergleich zwischen dem weiten Steuerbegriffund den parafiskalischen Abgaben im Gemeinschaftsrecht Beide werden entscheidend danach abgegrenzt, ob das Aufkommen aus den Abgaben in die allgemeinen öffentlichen Haushalte eingestellt oder einem rechtlich davon zu unterscheidenden Sonderfiskus zugewiesen wird. Denkbar sind aber auch Abgaben, die zwar im allgemeinen Haushalterfaßt werden, in ihrer materiellen Ausgestaltung aber besondere Finanzierungs-, Lenkungs- oder Ausgleichsfunktionen erfüllen, die denjenigen der parafiskalischen Abgaben entsprechen. Wahrend bei Lenkungsabgaben das Aufkommen auch ohne besonderen Verwendungszweck in den Haushalt eingestellt werden kann, muß bei Finanzierungsabgaben ein solcher vorgegeben werden. Es handelt sich dabei um eine Ausnahme vom haushaltsrechtlichen Non-Affektationsprinzip, doch muß deshalb nicht notwendig ein Sonderfiskus errichtet werden. Ein Beispiel im EG-Haushalt ist der 293 Das betrifft aber nicht anlangenbezogene Absetzungen, die auch von den direkten Steuern abgesetzt werden können; vgl. den ausgelaufenen § 7 d EStG zu erhöhten Absetzungen von Wirtschaftsgütern, die dem Umweltschutz dienen; Drenseck, in: Schmidt (Hrsg.), EStG-Kommentar, § 7 d, Rdnr. 2. 294 Wasmeier, S.45, stellt auf die Verwendung der Umweltmedien ab und spricht daher konsequent von einer Gebrauchsumschichtung (Investition). Doch werden solche Gebrauchsumschichtungen nach Tipke/Lang, S.152ff., gerade nicht den Steuern auf den Gebrauch des Vermögens (Konsum) zugeschlagen, sondern sie erschöpfen sich in einer Wirkung innerhalb der Vermögensrnasse. 29~ BVerfG, NJW 1998, 2341 ff.

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unselbständige EAGFL-Fonds. Da der Steuerbegriff in der EG nicht zuletzt aufgrund der Praxis vieler Mitgliedstaaten weit gefaßt ist, handelt es sich bei diesem weiteren Abgabentyp um einen Unterfall der Steuern. Eine vergleichbare Abgabe ist in Deutschland die rückzahlbare Investitionshilfeabgabe gewesen.296 In Frankreich wird zwar grundsätzlich zwischen den .,taxes parafiscales" und den .,taxes fiscales" unterschieden. Unter den letzteren wird dann aber ein besonderer Abgabentyp als .,taxes specifiques fiscales" bezeichnet. Dazu zählen bspw. Solidarabgaben, die auf gesetzlicher Grundlage beruhen und deren Aufkommen in den Staatshaushalt eingeht.297 Die Kommission hat diesen Begriff in einer Entscheidung übernommen und in der deutschen Übersetzung zwischen .,steuerähnlichen (parafiskalischen) Abgaben" einerseits und .,besonderen Steuerabgaben" andererseits unterschieden. 298 In einer anderen Entscheidung hat sie eine beigisehe Abgabe, die in den Staatshaushalt einging, deren Aufkommen aber dann bestimmungsgemäß einem besonderen Fonds zugewiesen wurde, als .,Umlage" bezeichnet.299 Der Begriff der Umlage wird, wie das Beispiel der allgemeinen Umlage im EGKS-Vertrag belegt, die als erste EG-Steuer bezeichnet wird, vom Steuerbegriff umfaßt. 300 In beiden Fällen haben die besonderen Funktionen und Ausgestaltungen der Abgaben eine Differenzierung innerhalb des weiten Steuerbegriffs sinnvoll erscheinen lassen. Dies ist in der deutschen Literatur bisher nicht näher beachtet worden. Einige Autoren gehen einfach von einer Notwendigkeit eines eigenen Begriffs für besondere Abgaben aus und übernehmen den deutschen Begriff der Sonderabgabe, ohne darzulegen, ob sie die parafiskalische Ausgestaltung derselben voraussetzen. 301 Die Entwicklung des Sonderabgabenbegriffs ist in Deutschland aus der verfassungsrechtlichen Besonderheit der Unterscheidung zwischen im Grundgesetz ausdrücklich geregelten Steuergesetzgebungskompetenzen und den Sachkompetenzen, die eine gewisse Abgabenhoheit umfassen, zu erklären.302 Eine Übertragung der daraus entwickelten Kriterien auf die Gemeinschaft bedarf einer Analyse, ob im EG-Primärrecht eine vergleichbare Problematik vorliegt. 303 Zunächst steht dahinter einenges Verständnis des Steuerbegriffs, wie es der EG gerade nicht eigen ist. Dementsprechend lehnen andere Autoren die Übernahme des Begriffs der Sonderabgabe in das EG-Recht ab, weil dessen weiter Steuerbegriff eine weitere Differenzierung BVerfGE 67, 256 (266f.). Vgl. Art.15loi No. 82-1152 vom 30.12.1982, J.O., 31. Dez., 5.3995. 298 ABI. 1990, L 105, S.l5. Die eng!. Übersetzung lautet .,specific fiscal charges", .,parafiscal charges". 299 ABI. 1995, L265, S. 30. 3oo Dazu unter E. l. 1. a). 3ot Schröder, DStJG 15, S. 87 (99); Müller, S. 43. 3°2 Das stellt insbesondere Götz, Fs. Friauf, S. 37 (38), heraus. 303 Ohne diese Analyse plädieren für eine Übertragung der Kriterien Müller, S. 43 f. ; Schröder, DStJG 15, S. 87 (99); Ansätze bei M eßerschmidt, RdE 1992, 182 (227). 296 297

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

überflüssig mache. 304 Zudem gäbe es im EG-Recht nicht die dem deutschen Recht vergleichbare Auseinandersetzung zwischen Steuer- und Sachkompetenzen.305 Diese Auffassung vermag nicht zu überzeugen. EG-Regelungen über den deutschen Sonderabgaben vergleichbare Abgabentypen sind bisher nur im Rahmen der Rechtsetzung über besondere EG-Abgaben aufgetreten, die den Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik betreffen. Diese Abgaben sind alle in den Haushalt der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten eingestellt worden 306, obwohl sie zur Finanzierung des EAGFL-Fonds dienten. Dieser Fonds ist seit 1970 ein Teil des Gemeinschaftshaushaltes. Daher erfüllen sie den weiten Steuerbegriff. Für die Frage nach den einschlägigen Rechtsgrundlagen für diese Abgaben im EG-Vertrag ist eine Abgrenzung zwischen den Sachkompetenzen und den Harmonisierungskompetenzen nach Art. 93, 94 (ex-Art. 99, 100) EGV notwendig.307 Deshalb besteht auch im EGRecht ein Bedürfnis für eine Differenzierung innerhalb des Steuerbegriffs, für die der EuGH in mehreren Rechtssachen Kriterien entwickelt hat. Gewisse Ähnlichkeiten in der Ausgangsproblematik mit dem deutschen Finanzverfassungsrecht sind nicht zu übersehen. b) Kriterien aus der Rechtsprechung des EuGH

Bereits 1967 stellte sich bezüglich der Abschöpfungsabgaben bei der Einfuhr von Geflügel, deren Einnahmen früher unter besonderer Zwecksetzung in die nationalen Haushalte eingingen, die Frage nach ihrer genauen Qualifizierung.308 Zur Abgrenzung der Sachkompetenz nach ex-Art. 43 (Art. 28) EGV von den Kompetenzen über die Steuerharmonisierung führte der EuGH aus, daß die Abschöpfung ihrem Wesen nach der Erfüllung der gemeinsamen Agrarpolitik diene. Sie habe eine marktordnende Funktion, ihre Höhe richte sich nach Zielen des Gemeinsamen Marktes und ihre Sätze seien beweglich, um je nach Marktlage geändert werden zu können. Daher könne es für die Frage der Kompetenzgrundlage offenbleiben, ob sie ihrem Wesen nach eine Steuer sei.309 Nach dieser noch vorsichtigen Stellungnahme hat der EuGH in zwei Entscheidungen zu ex-Art. 95 EWGV (Art. 90 EGV) aus dem Jahre 1968 den marktordnenden Abgaben "fiskalische" Abgaben gegenübergestellt, die nicht auf die Sachkompetenzen gestützt werden können. Zu den inländischen Abgaben, die im wesentlichen fiskalischen Zwecken dienen, zählt der Gerichtshof insbesondere die UmsatzWasmeier, S. 38 f., Götz, Fs. Friauf, S. 37 (53). Götz, Fs. Friauf, S. 37 (53). 306 Im einzelnen dazu unterE. I. 3°7 Der später eingeführte Art.175 II (ex-Art. 130 s II) EGV könnte diese Problematik im Bereich der EG-Umweltpolitik lösen, dazu unter B.II. 308 EuGHE 1967, 591 ff., Rs. 17/67 .,Neumann" . Zum Sachverhalt ausführlicher unter E. I. 2. a) dd). 309 EuGHE 1967, 591 (607 f.). 304

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steuer. 310 Abgaben, die Teil eines allgemeinen Abgabensystems seien, das wie bei der Umsatzsteuer unterschiedslos alle Arten von Waren erfaßt, sind dem EuGH zu Folge hauptsächlich fiskalischer Art.3 11 Diese Differenzierung ist von der Praxis aufgegriffen worden. So wurde in späteren Entscheidungen jeweils von den Klägern und anderen Beteiligten die Kompetenzgrundlage gerügt mit der Begründung, daß es sich nicht um marktordnende, wirtschaftliche Abgaben, sondern um "allgemeine Fiskalabgaben" handele. Letztere lägen vor, wenn eine Zweckbindung fehle und die Mittel daher in jedem Bereich ausgegeben werden könnten. 312 Kein fiskalisches Ziel sei dagegen das Ziel der Produktionsbeschränkung.313 Ein "wirtschaftlicher Charakter" der Abgabe stehe einer Qualifizierung als fiskalische Abgabe entgegen.314 Der EuGH hat in all diesen Fällen das wirtschaftspolitische Ziel der Abgaben für entscheidend erachtet und sie dadurch von den fiskalischen Abgaben unterschieden, die den Steuerharmonisierungskompetenzen unterfielen. 315 Schließlich hat der Gerichtshof auch Finanzierungsabgaben unter den Sachkompetenzen in Abgrenzung von den fiskalischen Abgaben für zulässig erachtet.316 Allerdings hat er den Typ der Finanzierungsabgabe nicht näher definiert. Im Zusammenhang mit der umstrittenen Frage einer Ertragshoheit der Gemeinschaft haben die Generalanwälte in ihren Anträgen bezüglich der Abgaben in der gemeinsamen Agrarpolitik darauf abgestellt, daß diese nicht ausschließlich der Finanzierung des EG-Haushalts dienenm, sondern innerhalb eines Politikbereiches erhoben werden und auch zur Finanzierung von Aufgaben in diesem Bereich vorgesehen sein müssen.318 Das sei insbesondere dann erfüllt, wenn sich eine besondere Finanzierungsverantwortung in dem betroffenen Politiksektor nachweisen ließe. Diese Kriterien entsprechen den Vorgaben des französischen Rechts an die Ausgestaltung von parafiskalischen Abgaben. Sie folgen für die EG aus dem Prinzip begrenzter Ermächtigung gemäß Art. 5 I EGV, da die Sachkompetenz nur eine Ausgabe in gerade ihrem Sachgebiet stützen kann. Da die besonderen Steuerabgaben ferner in ihrer Ausgestaltung - abgesehen von ihrer Zuweisung an die allgemeinen 310 EuGHE, 1968, 333 (345), Rs. 27/67 ,,Fink-Frucht", grenzt nach diesem Merkmal die Art. 95 und 30 EWGV voneinander ab. 311 EuGHE 1968, 299 (308), Rs. 20/67 ,.Kunstmühle Tivoli". 312 Klägervorbringen in EuGHE 1979, 713 (716), Rs. 138n8 ,.Stölting". 3l3 Vorbringen des Rates in EuGHE 1982,3107 (3120), Rs.108/81 ,.Amylum". 314 Rat in EuGHE 1985,2301 (2317), Rs.l79/84 ,,Bozzetti"; in EuGHE 1989,2237 (2250), Rs. 265/87 ,.Schräder"; im Ergebnis auch GA Lenz in EuGHE 1987,2085 (2099), Rs. l93/85. 315 EuGHE 1979,713 (722), Rs. 138n8 ,.Stölting". EuGHE 1982,3107 (3137 f.), Rs. 108/81 ,.Amylum". EuGHE 1985,2301 (2318), Rs.l79/84 ,.Bozzetti"; EuGHE 1989, 2237 (2266f.), Rs. 265/87 "Schräder". 3l6 EuGHE 1991, 1-415 (546), Rs. C-143/88, C-92/89 ,.Tilgungsabgabe"; ausführlich dazu unter E. l. 2. a)ee) (2). 317 GA Lenz in EuGHE 1991, 1-415 (493). 318 Zu diesem von den Generalanwälten in anderem Zusammenhang entwickelten Kriterium unter E. I. 2. a)ee) (2).

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

Haushalte - vergleichbare Funktionen erfüllen, ist es sinnvoll diese Kriterien zu übernehmen.319 Zur Sicherung der Grenzen des Finanzierungszwecks sollte regelmäßig eine fondsänliche Bindung des Abgabenaufkommens im Haushalt vorgenommen werden, wie das im EG-Haushalt mit dem EAGFL geschehen ist. In der Abgrenzung zu dem oben festgestellten weiten Steuerbegriff320 ist damit festzustellen, daß dieser in den genannten Fällen vom EuGH im Ergebnis noch einmal untergliedert worden ist. Den fiskalischen Steuern321 (Fiskalsteuern, Steuern im engeren Sinn) stehen die wirtschaftspolitischen (lenkenden) Abgaben und besonderen Finanzierungsabgaben gegenüber, die dann dem weiten Steuerbegriff entsprechen, wenn ihr Aufkommen in die allgemeinen öffentlichen Haushalte eingeht. In Abgrenzung zu den fiskalischen Steuern i. e. Sinn dürfen sie nicht allgemein erhoben werden oder Teil des allgemeinen Abgabensystems sein. In diesem Zusammenhang meint die Bezeichnung "fiskalisch", daß die Abgabe in besonderer Weise fiskalisch nutzbar ist. Das ist zu bejahen, wenn die Abgabe dauerhaft Einnahmen einbringt und deren Höhe relativ frei festgesetzt werden kann. Der EG-Vertrag verwendet die Bezeichnung "fiskalisch" in der französischen Fassung zwar als einen Oberbegriff, da der Titel des V. Vertragsabschnittes über die Steuerfragen die "dispositons fiscales" erwähnt. Als Untergliederung bei Abgaben wird fiskalisch aber auch als eine Bezeichnung für die haushaltsrechtliche Nutzbarkeit verwendet. 322 Im folgenden werden diese "Fiskalsteuern" als Steuern i. e. Sinn bezeichnet. Da der vom EuGH verwendete Begriff der "wirtschaftlichen" Abgabe unüblich ist, soll im folgenden jeweils genauer nach der Funktion von Lenkungs-, Finanzierungs- und Ausgleichsabgaben323 die Rede sein. Die Problematik der Abgrenzung ähnelt entgegen Stimmen in der Literatur324 im Grundsatz derjenigen zwischen Steuern und Sonderabgaben im deutschen Recht, denn sie entspringt wie dort einer primärrechtlichen Kompetenzabgrenzung. Für diese Abgaben wird, sofern sie in die staatlichen oder kommunalen Haushalte eingehen, im folgenden die Typenbezeichnung "besondere Steuerabgabe" verwendet.

Vgl. im deutschen Recht Heimlich, NVwZ 1998, 122 (123). Dazu unter A.III.5. 321 s. auch Kommission, Database on Environmental Taxes in the European Union Member States, plus Norway and Switzerland. Evaluation of Environmental Effects of Environmental Taxes, S. 15: ,,fiscal environmental taxes". 322 Kommission, Dictionary of Taxation Terms, S. 13, zu Fiskalpolitik. 323 s. die Ausgleichsabgabe bei Nichteinhaltung des Preises für Weintrauben, VO (EG) 1564/1999, ABI. 1999, L 184, S. 13. 324 Götz, Fs. Friauf, S. 37 (49f.). 3l9 320

III. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG

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c) Besondere Verantwortlichkeit der Abgabenpflichtigen gemäß grundrechtlicher Bindungen

Die besonderen Steuerabgaben müssen in Abgrenzung zu den Steuern i. e. Sinn zwingend besondere Zwecke in den Sachpolitiken der EG verfolgen. Die Sachkompetenzen dienen der Verfolgung von politischen Zielen innerhalb des jeweiligen Politikbereiches, nicht aber der Erzielung allgemeiner Einkünfte der hoheitlichen Ebenen. Daher erlauben sie nur Abgabenregelungen, die primär Zwecke in diesen Politikbereichen verfolgen, sei es durch eine lenkende bzw. ausgleichende Regelung oder durch die Finanzierung bestimmter Aufgaben in diesen Bereichen. Zwar werden auch die Einnahmen aus Steuern i. e. Sinn zur Aufgabenerfüllung der EG, insbesondere in den Sachpolitiken, eingesetzt. In Abgrenzung zu ihnen muß aber die Verwendung der Einnahmen aus besonderen Steuerabgaben in den Sachpolitiken einen engen Zusammenhang mit den ebenfalls in der Sachpolitik festgelegten Abgabentatbeständen haben.325 Weitere Voraussetzungen ergeben sich aus den Anforderungen der Grundrechte der EG an solche Abgaben. aa) Rechtsquellen der Gemeinschaftsgrundrechte Der Umfang des grundrechtliehen Schutzes in der EG bezüglich Abgaben kann je nach dem variieren, ob die Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), ein rechtsvergleichender Mindeststandard oder der weitestgehende Schutzstandard in den Mitgliedstaaten für maßgeblich gehalten wird. In der deutschen Literatur zu den grundrechtliehen Grenzen von EG-Umweltabgaben wird zum Teil auf die deutschen Grundrechte abgestellt mit der Begründung, daß die Konturen eines Grundrechtsschutzes in der EG nur vage auszumachen seien. 326 Einen geschriebenen Grundrechtskatalog kennt das Gemeinschaftsrecht bislang nicht. 327 Dennoch hat der Gerichtshof seit 1969 Grundrechte zu den ungeschriebenen allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gerechnet und in seiner Rechtsprechung angewendet. 328 Diese Rechtsprechung ist im wesentlichen von den Mitgliedstaaten akzeptiert und von politischen Bindungserklärungen der Organe der Gemeinschaft unterstützt worden. 329 Methodisch geht der EuGH zunächst von den s. ausf. unter E. IV. Klacke, 5.137 f., 188 ff. Dagegen verfolgt Müller, S. 30ff., einen EG-rechtlichen Ansatz, der aber erheblich auf die deutsche Rechtsprechung abstellt. 327 Zu den Vorbereitungen einer Grundrechtscharta EU-Nachrichten, Dokumentation Nr. 3, l8.0kt.l999,S.3,17. 328 EuGHE 1969,419 (425ff.), Rs. 29/69 "Stauder"; 1970, 1125 (1135ff.), Rs. 11no "Internationale Handelsgesellschaft"; 1974, 491 (507), Rs.4n3 "Nold" sind die Klassiker dieser Rspr.; Überblick über die weitere Entwicklung bei Schwarze, EuGRZ 1986, 293 ff. 329 Gemeinsame Erklärung von Europäischem Parlament, Rat und Kommission vom 5.4.1977, ABI. 1977, C 103, S. I; Erklärung der Grundrechte und Grundfreiheiten durch das EP von 1989, ABI. 1989, C 120, S. 51 ff.; vgl. auch Mitteilung über das Aktionsprogramm zur Anwendung der Gemeinschaftscharta über soziale Grundrechte, KOM (89) 568; Mitteilung über 325

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

einzelnen im Vertrag bereits enthaltenen Grundrechtspositionen aus.330 Ferner zieht er die gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten heran und berücksichtigt auch völkerrechtliche Bindungen, denen die Mitgliedstaaten unterliegen, insbesondere die EMRK. 331 Es entspricht dieser Sicht, daß der EuGH im Gutachten über die Zulässigkeil eines Beitritts der EG zur EMRK denselben abgelehnt hat. Zur Begründung hat er auf die Andersartigkeit des EMRK-Systems und der dann notwendigen Übernahme sämtlicher Bestimmungen der EMRK hingewiesen332, zugleich unter der Geltung des ex-Art. FII (Art. 6 Il) EUV noch einmal seine frühere Formulierung von den "Hinweisen, die die EMRK und die Verfassungstraditionen geben können", wiederholt. 333 In letzter Zeit verwendet der EuGH die Formulierung vom Grundrecht der EMRK, "das der Gerichtshof bereits ausgelegt hat und das durch die Gemeinschaftsrechtsordnung gewährleistet wird"334 bzw. von einem dem Grundrecht der EMRK "entsprechenden Grundsatz des Gemeinschaftsrechts"335 . Das EuG hat dagegen in seiner Entscheidung "A./Kommission" direkt auf Grundrechte der E:MRK abgestellt. 336 Durch Art. 6 II EUV wird nach Ansicht des Rates die bisherige Rechtsprechung des EuGH zu den Grundrechten bestätigt und abgesichert, aber keine weitergehende Bindung der EG an die EMRK bewirkt. 337 Das Ausmaß der Bindung an die EMRK, die mit ihrer inzwischen reichhaltigen Rechtsprechung auch zu Abgabenpflichten des einzelnen die gemeinschaftlichen Grundrechte insoweit konkretisieren könnte338 , ist in der Literatur unterschiedlich beurteilt worden339. Pernice geht für die Rechtslage vor dem Amsterdamer Vertrag die Menschenrechte in den Außenbeziehungen der Europäischen Union, KOM (95) 567; das EP hat 1994 erneut den Beitritt der EG zur EMRK gefordert, EuGRZ 1994, 191 f.; zur Literatur vgl. Pernice, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 164, Rdnr. 42 ff.; kritisch zur Motivation des EuGH Coppel/O'Neil/, CMLR 1992, 669ff., dagegen Weiler/Lockhart, CMLR 1995,51 ff. und 579ff. 330 Vgl. Oppermann, Rdnr.491; Schwarze, ZfV 1993, I (3). 331 Ständige Rspr., zuletzt EuGH, EuZW 1996, 307 (309), Gutachten 2/94; EuGHE 1991, I-2925 ff. "ERT'; Ausgangspunkt war die noch zögernde Berücksichtigung in EuGHE 1974, 491 ff., Rs.4n3 ,.Nold". 332 EuGH, EuZW 1996,307 (309, Tz.34). 333 EuGH, EuZW 1996, 307 (309); anders das EuG in EuGHE 1994, II-179 (200f.), Rs. T-1 0/93 ,,A./Kornrnission", das unter Bezugnahme auf Art. F II EUV und die ständige Rspr. auf den Schutz des Persönlichkeitsrechts in Art. 8 EMRK abstellt; jedoch hat der EuGH in der zweiten Instanz insofern zurückhaltender formuliert, daß das Recht aus der EMRK ein von der Gemeinschaftsrechtsordnung geschütztes Grundrecht darstelle, es also nicht direkt angewendet, EuGHE I-1994 (4789), Rs. C-404/92P. 334 EuGHE 1996, I-2465 (2546f.), Rs.C-153, 204/94 ,.Faroe Seafood". 335 EuGHE 1997, I-285 (309), Rs. C-29/95; instruktiv auch EuGHE 1997, I-2629 (2645), Rs. C-299/95 "Kremzow". 336 EuG in EuGHE 1994, II-179 (200f.), Rs. T-10/93 ,,A/Kornrnission". 337 So der Vortrag in EuGH, EuZW 1996, 307, Gutachten 2/94. 338 Vgl. die Zusarnrnenstellung der Rspr. bei Frowein/Peukert, EMRK, Art. 1 des 1. ZP, Rdnr. l02ff.; EGMR, VBIBW 1994,402 (Feuerwehrabgabe). 339 Zur vollen Bindung aus dem Gedanken der Rechtsnachfolge Pescatore, Fs. Wiarda, S. 441 ff.; Bleckmann, Bindung der EG an die EMRK, S. 79ff.; Tomuschat, in: Hilf/Tomuschat,

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davon aus, daß Rechtsgrund für die Geltung der Grundrechte ex-Art. 164 (Art. 220) EGV bleibe mit einem Schutzumfang, der nicht einen Maximalstandard aus der Kumulation aller Grundrechte der Mitgliedstaaten und der EMRK verlange.340 Allerdings sind seine Bedenken gegenüber Art. 6 II EUV insoweit überholt, als der Amsterdamer Vertrag in Art. 46 lit. d EUV die Zuständigkeit des EuGH für die Überprüfung der Grundrechtsbindung der EU ausdrücklich statuiert. Zum Teil wird aus Art. 6 (ex-Art. F) II EUV aber eine weitergehende Bindung der EU an die Grundrechte gefolgert. 341 Constantinesco sieht darin zwar die frühere Rechtsprechung \konstitutionalisiert, aber mit der weitergehenden ausdrücklichen Anerkennung aller Rechte in der EMRK sowie der Grundrechte der Mitgliedstaaten.342 Zurückhaltender argumentiert Hilf, der eine materielle Bindung annimmt, aber in der Auslegung die Berücksichtigung der besonderen Struktur und der Ziele der EU für zulässig hält. 343 Sein Hauptargument ist der Gedanke der Rechtsnachfolge der EG in die Pflichten der Mitgliedstaaten nach der EMRK, den die EG nach dem Grundsatz der Gemeinschaftstreue beachten müsse. 344 So geht auch die Kommission für Menschenrechte (EKMR) in ihrer Entscheidung "M" von einer Bindung der EG an die EMRK aus, wenn sie- ähnlich wie das BVerfG- ihre Rechtsprechung zurückstellt, solange der Grundrechtsschutz in der EG dem Standard nach der EMRK vergleichbar sei. 345 Ress spricht sogar von einer Inkorporation der EMRK in das Gemeinschaftsrecht in der jeweiligen Auslegung durch den Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Rahmen der dynamischen Interpretation. Die Bindung der EG umfasse dabei die Gesamtheit der Gehalte der Grundrechte der EMRK und der Mitgliedstaaten als den EG-rechtlichen Grundrechtsstandard.346 Eine umfassende Bindung der EG an die EMRK haben eine Reihe von Autoren schon vor dem EU-Vertrag zu belegen versucht. 347 In der Argumentation knüpfen sie im weEG und Drittstaatsbeziehungen, S.139 (150) argumentiert, daß sich die Mitgliedstaaten durch die Übertragung von Hoheitsgewalt an die EG nicht ihren Bindungen aus der EMRK entziehen können. Für eine nur materielle Bindung dagegen Hilf, Fs. Bemhardt, S.1193 (1206). 340 Pernice, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art.164, Rdnr.48, zum Maximalstandard Rdnr.44; a.A. Baumgartner, ZfV 1996,319 (324), derden Vorbehalt in Art. LEUVallein auf die GASP und die ZJI bezieht. Das entspricht allerdings nicht dem Wortlaut der Vorschrift. 341 Baumgartner, ZfV 1996,319 (324) will ex-Art. FII EUV direkt anwenden, der Vorbehalt in ex-Art. L EUV betreffe nur die GASP und die ZJI. Das entspricht aber nicht dem Wortlaut der letztgenannten Vorschrift, die an Art. F EUV ohne Einschränkung anknüpft; anders der jetzige Art. 46 lit. d EUV. 342 Constantinesco, CDE 1993, 251 (270f.). 343 Hilf, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. F, Rdnr. 32. 344 Hilf, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. F, Rdnr. 28; noch unklar in der Begründung ders., Fs. Bemhardt, S. 1193 (1206f.). 345 EKMR vom 9.2.1990, Decisions and Reports 64 (1990), 138ff. Vgl. BVerfG, Beschluß vom 7. Juni 2000, 2 BvL 1/97, NJW 2000, 3124. 346 Ress, JuS 1992, 985 (990). 347 Zur vollen Bindung aus dem Gedanken der Rechtsnachfolge Pescatore, in Fs. Wiarda, S.441 ff.; Bleckmann, Bindung der EG an die EMRK, S. 79ff.; Tomuschat in: Hilf(fomuschat, EG und Drittstaatsbeziehungen, S. l39 (150). 7 Heselhaus

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

sentlichen an die Pflichten der Mitglieder der EMRK und den Gedanken der Rechtsnachfolge an. Zutreffender Weise ist unter der Geltung des Amsterdamer Vertrages davon auszugehen, daß Art. 6 Il EUV sedes materiae für den Grundrechtsschutz gegenüber Organen der EU ist.348 Die Vorschrift gilt auch für die EG, da der EU-Vertrag als Mantelvertragden EG-Vertrag miteinschließt und für diesen in seinem Titel I allgemeine Bestimmungen aufstellt. Die Überprüfung durch den EuGH wird in Art. 46 lit. d EUV sichergestellt. Gegen eine materiell völlig deckungsgleiche Bindung der EG an die EMRK spricht vor allem der Wortlaut des Art. 6 IIEUV (ex-Art. FII EUV), denn die dort verwendete Formulierung "achten" drückt eine geringere Verbindlichkeit aus als eine volle Verpflichtung.349 Aus der Genese des ex-Art. FII EUV ergibt sich, daß sich weder der Vorschlag eines Beitritts zur EMRK noch die Aufnahme eines Grundrechtskatalogs in den EU-Vertrag durchsetzen konnten. 350 Der Annahme einer Rechtsnachfolge der EG in die Pflichten der Mitgliedstaaten steht entgegen, daß sich erhebliche Probleme bei einer schematischen Übertragung stellen würden. Dazu zählt die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe, bei welcher in der EMRK Rücksicht auf einen wesentlich weniger homogenen Mitgliederkreis nehmen muß. 351 Ferner ergeben sich auch strukturelle Unterschiede. So kennt die EMRK keinen selbständigen Gleichheitssatz. Daher legen die Rechtsprechungsorgane den Schutzbereich der EMRK-Freiheitsrechte tendenziell weit aus, um überhaupt den Gleichheitssatz anwenden zu können.352 Zwar gilt die EMRK nicht direkt für die EG, doch können sich die EMRK-Vertragsstaaten nicht durch Übertragung von Hoheitsgewalt auf supranationale Organisationen ihren vertraglichen Pflichten entziehen.353 Ein weiteres Problem ergibt sich aus den Vorgaben der EMRK an die Rechtfertigung von Eingriffen, wenn sie regelmäßig verlangt, daß der Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein muß.354 Hilf sieht hier Schwierigkeiten bei einer schematischen Übertragung auf die EG, weil diese Besonderheiten in Struktur und Zielen, insbesondere im Bereich der demokratischen Legitimation aufweise, die in Konflikt mit den Vorgaben der EMRK geraten könnten. Dies könnte die Zurückhaltung des EuGH bei der Beachtung der Konvention erklären. 355 Im Ergebnis auch Wachsmann, RTDE 1997, 883 (888). Das anerkennt auch Hilf, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. F, Rdnr. 41. 350 Zur Vorgeschichte Hilf, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. F, Rdnr. 22. 35 1 Calliess, EuGRZ 1996, 293ff. zum Beurteilungsspielraum der Mitgliedstaaten bei Art. 10 EMRK. 352 Vgl. die Entscheidung zur Feuerwehrabgabe, deren Ausgangspunkt eine weite Interpretation von Art. 4 EMRK ist, EGMR, VBlBW 1994, 402, dagegen die dissenting opinion von Richter Bonnici, a. a. 0., 405. 353 EGMR, EuZW 1999, 308 (Denise Matthews vs. Vereinigtes Königreich); EKMR vom 9.2.1990, Decisions and Reports 64 (1990), 138ff. 354 Vgl. Art. 9 II, 10 II, 11 II EMRK. m Hilf, Fs. Bernhardt, S. 1193 (1200) bezieht sich auf die Voraussetzung einer "demokratischen Gesellschaft". Zu materiellen und formellen Divergenzen zwischen EMRK und Gemeinschaftsrecht Chwolik-Lanfermann, S. 63 f. 348 349

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Die besondere Erwähnung der EMRK in Art. 6 II EUV geht über einen Hinweis auf den acquis communautaire hinaus. 356 Im Vergleich zu anderen völkerrechtlichen Verträgen wird sie zunächst auf eine Stufe mit den Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten gestellt. Inhaltlich ist sie sogar bedeutender, da sie bereits Ausdruck der gemeinsamen Verfassungstraditionen ist. Daher muß sie auch in der Auslegung eine gewichtigere Rolle spielen als die eines Hinweisgebers. Hier kann aus dem Wort "achten" gefolgert werden, daß die Rechtsprechung des EuGH zu den Grundrechten in der Effektivität dem Grundrechtsschutz nach der EMRK entsprechen muß.357 Wenn demnach eine Stärkung der Bindung an die EMRK erfolgen sollte, aber keine umfassende Verpflichtung, entspricht es dem Sinn der Vorschrift, einen effektiv vergleichbaren Grundrechtsschutz zu fordern. Auf diese Weise kann ein hoher Standard in der EG gesichert werden. Zugleich bleibt Raum für die Beachtung der Besonderheiten der Gemeinschaft, weil dem EuGH keine Bindungen an eine besondere Dogmatik des EGMR auferlegt werden, die sich aus Besonderheiten der Konvention ergeben können.358 Das Schutzniveau richtet sich also grundsätzlich sowohl nach der EMRK als auch nach den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten. Inhaltlich kann es über das der EMRK hinausgehen359, jedoch ist nicht jedes in einem Mitgliedstaat zu schützende Grundrecht zu beachten, da Art. 6 II EUV bezüglich der nationalen Verfassungen auf die Gemeinsamkeiten abstellt360. Es entspricht dem so verstandenen Zweck der Vorschrift, den Begriff der EMRK in Art. 6 II EUV materiell zu verstehen und auch die von allen Mitgliedstaaten unterzeichneten Zusatzprotokolle zur EMRK, in denen bspw. das Eigentumsrecht garantiert wird, einzubeziehen.36t

bb) Abgabenrelevante Freiheitsgrundrechte und Rechtsgrundsätze auf EG-Ebene Für den Bereich der Wirtschaftsabgaben hat sich inzwischen ein relativ umfangreiches Case-law des Gerichtshofes zur grundrechtliehen Relevanz von Abgaben angesammelt, das sich hauptsächlich mit den unproblematischeren Lenkungsabgaben, aber auch mit Finanzierungsabgaben beschäftigt. Einschlägig ist insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Dieser wird vom Gerichtshof nicht nur bei Im Ergebnis ebenso Pipkorn, RTDE 1993, 221 (229); Krogsgaard, LIEI 1993,99 (108). Das entspricht im Ergebnis der Ansicht von Hilf, Fs. Bemhardt, S. 1193 (1206f.). 358 Ein praktisches Beispiel im Vergleich zum nationalen Grundrechtschutz bietet die "Hoechst" -Entscheidung, EuGHE 1989, 2859 ff., Rs.46/87, 227/88, in der der EuGH zwar den gemeinschaftlichen Grundrechtsschutz eng interpretiert, aber zugleich einen effektiven Schutz über den Hinweis auf die Anwendbarkeit nationaler Verfahrensrechte absichert. 359 Insofern ist Ress, JuS 1992, 985 (990), zuzustimmen. 360 Dazu Pernice, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 164, Rdnr. 44. 361 Vgl. Art. I, I. Zusatzprotokoll zur EMRK; Hilf, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. F, Rdnr. 33, Schermers, Protection of Human Rights, S. 25; im übrigen sind weitere internationale Verträge über den acquis communautaire zu beachten. 356

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

der Prüfung von Eingriffen in die Grundfreiheiten des Vertrages angewendet362, sondern auch als selbständiger Kontrollmaßstab für das Handeln aller Gemeinschaftsorgane363. Unabhängig vom Vorliegen einer Grundrechtsbetroffenheit geht der Gerichtshof davon aus, daß Maßnahmen, durch die den Wirtschaftsteilnehmern finanzielle Belastungen auferlegt werden, verhältnismäßig sein müssen. 364 Der EuGH verwendet bei der Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes365 den Topos des Verbots einer unzumutbaren finanziellen Belastung.366 Demnach sind alle Umweltabgaben unabhängig von einer lenkenden oder finanzierenden Funktion an diesem Grundsatz zu messen.367 Bei der Prüfung geht der Gerichtshof nach der in Deutschland entwickelten Prüfungsreihenfolge vor. 368 Nach ständiger Rechtsprechung müssen die Maßnahmen zur Erreichung eines legitimen Zieles geeignet und erforderlich sein und die Belastungen müssen in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen.369 Der Gerichtshof hat die Anwendung des Grundsatzes zur Beurteilung von Abgaben im Laufe der Zeit in vieler Hinsicht konkretisiert.370 Grundsätzlich können mit Umweltabgaben aufgrundeiner Lenkungs- als auch einer Finanzierungswirkung umweltpolitische Ziele verfolgt werden. Damit stellt sich das Problem einer Unterscheidung nach Finanzierungs- und Lenkungszwekken, die in der Praxis nicht immer trennscharf durchgeführt werden kann. Daher ist in der deutschen Literatur vorgeschlagen worden, auf die Unterscheidung zu verzichten und bei allen Abgaben sowohl Belastungs- als auch Gestaltungswirkung zu unterscheiden und beide Effekte jeweils getrennt an den Grundrechten zu überprüfen. 371 Allerdings können beide Wirkungsabsichten in gegensätzlicher Weise die Auswahl des Kreises der Abgabenpflichtigen beeinflussen. Zudem ist im Rahmen der Überprüfung der Belastungswirkung nicht geklärt, ob man auf einen weiten 362 EuGHE 1969, 419 (425}, Rs. 29/69 "Stauder"; 1979, 3727 (3747), Rs.44/79 "Hauer"; w. N. bei Pernice, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 164, Rdnr.101. 363 EuGHE 1973, 1091 (1112), "Balkan"; ebenso Pernice, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 164, Rdnr.l02; zu eng auf die ordnungsgemäße Verwaltung bezogen v. Milczewski, S.109, die rügt, daß grundrechtliche Wertungen bei einer isolierten Prüfung der Verhältnismäßigkeit nicht beachtet würden. 364 So ausdrücklich EuGHE 1991 1-4905 (4932}, Rs. C-24/90 "Faust". 36~ GA Lenz in EuGHE 1991,1-4156 (503), Rs.C-143/88, 92/89 "Tilgungsabgabe" . 366 EuGHE 1991,1-415 (550f.), Rs.C-143/88, 92/89 "Tilgungsabgabe". 367 In EuGHE 1991, 1-415 ff., Rs. C-143/88, 92/89 "Tilgungsabgabe" ging es um eine rückwirkend erhobene Abgabe, der keine lenkende Funktion mehr zukommen konnte; ausdrücklich bezieht sich der EuGH daher aufS. 546 auf Finanzierungsabgaben. 368 Pernice, in: Grabitz/Hilf, EGV/EUV, Art.164, Rdnr.!Ol. 369 EuGHE 1991,1-4905 (4932), Rs.C-24/90 "Faust"; 1989,2237 (2268) "Schräder". 370 Eine genaue Aufstellung ist diesbezüglich bisher in der Literatur nicht erfolgt, Müller, S. 34ff., erörtert zwar bzgl. Umweltabgaben eine Reihe interessanter Gedanken, bindet die konkrete Untersuchung aber nicht an die Rspr. des EuGH an. 371 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 199ff.; ihm folgend Schuppert, Fs. Zeidler, S. 691 (707); Klacke, S. 210ff.

III. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG

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Gestaltungsspielraum wie bei der klassischen Finanzsteuer372 oder auf einen engeren wie bei parafiskalischen Abgaben abstellen muß. Das wird insbesondere bei der Beurteilung der Zweck-Mittel-Relation bei Umweltabgaben virulent. 373 Rechtfertigt der Lenkungszweck bereits eine Abgabenerhebung, bestehen bezüglich der Festlegung des Verwendungszwecks keine engen grundrechtliehen Schranken. Bspw. kann in Deutschland das Aufkommen aus einer Lenkungsabgabe auch fremdnützig verwendet werden. 374 Der Gestaltungsaspekt von Umweltlenkungsabgaben wäre vom Zweck des Umweltschutzes jedenfalls erfaßt. Zu klären bleibt, ob auch die hauptsächliche Verfolgung eines Finanzierungszwecks zulässig ist. Diesbezüglich ist zwischen speziellen Finanzierungsaufgaben in der Umweltpolitik und bspw. im Falle einer Umweltlenkungssteuer der Finanzierung des allgemeinen Haushalts zu unterscheiden. Die Verfolgung spezieller Finanzierungszwecke ist nach Ansicht des EuGH grundsätzlich möglich. So hat er den Zweck, die Eigenfinanzierung eines Wirtschaftzweiges sicherzustellen, als zulässig anerkannt.375 Finanzierungszwecke können demnach grundsätzlich im Sekundärrecht festgelegt werden, sofern sie den allgemeinen Vertragszielen entsprechen.376 Fraglich ist, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz darüber hinaus bei der Verfolgung spezieller Finanzierungszwecke eine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit der belasteten Gruppe verlangt, wie das im deutschen Recht im Falle der Finanzierungssonderabgaben377 der Fall ist. Im EG-Recht besteht eine enge Verknüpfung zwischen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Diskriminierungsverbot.378 Danach wäre eine Finanzierungsabgabe, die zwischen verschiedenen Gruppen ohne rechtfertigenden Grund differenziert auch unverhältnismäßig. 379 Dementsprechend hat der EuGH im Fall der Tilgungsabgabe sich nicht damit begnügt, die Pflicht zur Eigenfinanzierung in einem bestimmten Wirtschaftszweig mit einem Auswahlermessen des Gesetzgebers zu rechtfertigen, sondern mit dem Hinweis, daß dieser Bereich wesentlich kostenintensiver als die anderen gewesen sei.380 Daraus ergibt sich für besondere Steuerabgaben mit Finanzierungsfunktion eine besondere Rechtfertigungspflicht Demgegenüber bedürfen alle Lenkungszwecke, die mit Abgabenregelungen verfolgt werden, einer besonderen Rechtfertigung, gleichgültig, ob es sich um Steuern i. e. Sinn oder besondere Steuerabgaben handelt. 372 373

gabe.

Zusammenfassend Schuppert, Fs. Zeidler, S. 691 (693 ff.). Vgl. für Abschöpfungsabgaben BVerfGE 57, 139 (167ff.) zur Schwerbehinderten-Ab-

BVerfGE 57, 139 (167ff.) "Schwerbehinderten-Abgabe". m EuGHE 1991,1-415, (501, 550), Rs.C-143/88, 92/89 "Tilgungsabgabe". 376 Zu den Grenzen s. unter D. II. 377 BVerfGE 57, 139 (167ff.) "Schwerbehinderten-Abgabe". 378 Herdegen, CMLRev 1985, 683 (689 ff.). 379 EuGHE 1977, 1211 (1221), Rs. ll4/76 "Bela-Mühle". 380 EuGHE 1991, 1-415, (550), Rs. C-143/88, 92/89 "Tilgungsabgabe". 374

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

Diese Vorgaben sind auch bei der Überprüfung von Abgabenregelungen anhand der Freiheitsrechte zu beachten, da entsprechende Eingriffe jeweils verhältnismäßig sein müssen. Einschlägig kann zum einen die Berufsfreiheit sein.381 Seit der NoldEntscheidung 1974 hat der EuGH die Berufsfreiheit in ständiger Rechtsprechung als Gemeinschaftsgrundrecht anerkannt. 382 Besondere Ausprägungen erlangt sie in der Freiheit des Handels und der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit, auf die sich auch juristische Personen berufen können. In einigen Entscheidungen klingt eine Differenzierung zwischen der Berufsausübung und der Berufswahl an, wobei der Gerichtshof bei letzterer wohl von einem stärkeren Schutz ausgeht.383 Die Auferlegung finanzieller Lasten im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit hat der EuGH bisher immer an der Berufsfreiheit gemessen, sofern das im Verfahren gerügt worden ist. 384 Das entspricht der hier vertretenen Auffassung, nach der die freiheitsbeschränkende Komponente einer finanziellen Belastung immer an den Freiheitsrechten zu überprüfen ist. Auch bei einer besonderen Tilgungsabgabe hat der EuGH einen Eingriff in die Berufsfreiheit zunächst bejaht, obwohl die Abgabe wegen ihrer Rückwirkung keine Gestaltungswirkung für die Tätigkeit der Betroffenen hatte und insofern nach hier vertretener Ansicht als Finanzierungsabgabe zu qualifizieren ist. 385 Vielmehr ist der Klägervortrag unwidersprochen geblieben, wonach der Eingriff daraus folge, daß die finanziellen Mittel aus den Rücklagen des Unternehmens aufgebracht werden mußten. 386 Allein die Pflicht, aufgrundder beruflichen Tätigkeit eine Abgabe zu entrichten, muß also schon als Eingriff angesehen werden. In der Schräder-Entscheidung hat der Gerichtshof die Entrichtungspflicht einschließlich der vorgesehenen Abwälzung der fraglichen Abgabe auf die Erzeuger als Eingriff gewertet. Daß der Gerichtshof dabei nicht allein auf die Handlungsverpflichtung, sondern auch auf die finanzielle Belastung abgestellt hat, ergibt sich daraus, daß er letztere ausdrücklich in der Abwägung berücksichtigt hat. 387 Es werden demnach bei finanziellen Belastungen sowohl die Lenkungswirkung, als auch die Belastungswirkung geprüft. 388 Ob Abgabenregelungen auch einen Eingriff in die Eigentumsfreiheit in der EG darstellen können, ist umstritten, da die Geldleistungspflicht primär eine Belastung des Vermögens darstellt. Die Rechtsprechung des EuGH ist schwankend, tendiert in 381 Ausdrücklich in EuGHE 1986, 2897 (2912) "Keller"; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 22ff. 382 EuGHE 1974,491 (507f.), Rs. 4/73 .,Nold", weitere Nachweise bei Rengeling, Grundrechtsschutz, S.20ff.; Pernice, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 164, Rdnr.66. 383 EuGHE 1992, I-35 (63f.), Rs. C-177/90 "Kühn"; w. N. bei Pernice, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 164. Rdnr. 67. 384 EuGHE 1991, I-415 (552f.), Rs.C-143/88 und C-92/89 "Tilgungsabgabe". 385 Offengelassen von EuGHE 1991, I-415 (552f.), Rs. C-143/88 und C-92/89 "Tilgungsabgabe". 386 EuGHE 1991, I-415 (552f.), Rs. C-143/88 und C-92/89 "Tilgungsabgabe". 387 EuGHE 1989, 2237 (2267 ff.), Rs. 265/87 .,Schräder" . 388 Vgl. zum deutschen Recht Klacke, S. 206ff.

III. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG

I03

neuerer Zeit aber zur Bejahung der Frage. In der Entscheidung von I989 zur Mitverantwortungsabgabe im Getreidesektor verneinte der EuGH eine Beeinträchtigung der Eigentumsfreiheit der Getreideverarbeiter durch die Abgabe, da sie dieselbe obligatorisch vollständig auf die Getreideerzeuger abwälzen konnten. Entscheidend war für den Gerichtshof, daß die finanzielle Belastung wirtschaftlich nicht von den Klägern getragen werden mußte, sondern bei ihnen nur ein administrativer und buchhalterischer Aufwand entstand. 389 I99I entschied der EuGH dann im Fall der zusätzlichen Tilgungsabgabe, daß die Verpflichtung, eine Abgabe zu zahlen, nicht als Verstoß gegen das Eigentumsrecht angesehen werden könne390, unter ausdrücklicher Berufung auf das Vorbringen Großbritanniens391, wonach eine Abgabenpflicht niemals einen Verstoß gegen das Eigentumsrecht darstellen könne. Die Literatur interpretiert diese Entscheidung ganz überwiegend dahin, daß Abgabenpflichten schon den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit nicht betreffen.392 I996 hat der EuGH hingegen in einer Entscheidung über die Nacherhebung von Eingangsabgaben die Möglichkeit einer Verletzung der Eigentumsfreiheit (unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die EMRK) nicht grundsätzlich abgelehnt, sondern nur im Ergebnis verneint, weil die Nachforderung verhältnismäßig gewesen sei. 393 Ausdrücklich hat der Gerichtshof das Vorbringen der Klägerinnen aufgegriffen, das sich auf Art. I II des I . Zusatzprotokolls zur EMRK berufen hat. 394 Diese Vorschrift dehnt den eigentumsrechtlichen Schutz auf alle Abgaben aus. Die EMRK schützt in Art. I des I . Zusatzprotokolls (ZP) die Eigentumsfreiheit Ein Entzug ist nur zulässig unter den gesetzlich vorgesehenen Bedingungen und wenn es das öffentliche Interesse verlangt (Abs. I). Im übrigen besteht eine Regelungsbefugnis hinsichtlich der Eigentumsbenutzung im Einklang mit dem Allgemeininteresse, insbesondere zur Sicherung der Zahlung von Steuern, Abgaben oder Geldstrafen (Abs. 2). In der Literatur wird teilweise der letztere Aspekt nur auf Erzwingungsmaßnahmen bezogen und die Notwendigkeit seiner Erwähnung überhaupt bezweifelt395 , während andere Autoren die Vorschrift dahin interpretieren, daß sie gerade auch gegenüber Abgabenpflichten Eigentumsschutz gewährleiste396 . DarEuGHE 1989, 2237 (2268), Rs. 265/87 "Schräder". EuGHE 1991, 1-415 (552), "Tilgungsabgabe". 391 EuGHE 1991, 1-415 (473), "Tilgungsabgabe". 392 Dazu v. Milczewski, S. 259; Pernice, in: Grabitz/Hilf, EUVJEGV, Art. 164, Rdnr. 75; Schilling, EuZW 1991, 310 (312), hält es dagegen für offen, ob der Gerichtshof die Betroffenheit oder letztendlich die Verletztheil verneint habe. Das läßt sich jedoch angesichts des Hinweises auf die Stellungnahme von Großbritannien und der fehlenden Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit eines eventuellen Eingriffs in das Eigentum nicht überzeugend vertreten. 393 EuGHE 1996, 1-2465 (2546ff.), Rs. C-153/94, 204/94 "Faroe Seafood". 394 EuGHE 1996, I-2465 (2547), Rs.C-153/94, 204/94 "Faroe Seafood". 395 Frowein, in: Macdonald/Matscher/Petzold, Human Rights, S.515 (528). 396 Peukert, in: Frowein/Peukert, EMRK, Art. I des !. ZP, Rdnr.102ff.; Vgl. die Zusammenstellung von Entscheidungen der EKMR in Robertson, S. 121 ff.; Castberg, S. 177f.; Pettiti, S. 994, weist darauf hin, daß Absatz 2 wie ein Recht gelesen wird, obwohl er als Ausnahme geschrieben worden ist. 389

390

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

in folgen sie der Auslegung durch die Kommission für Menschenrechte (EKMR) in ständiger Praxis. 397 Der Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat eine Stellungnahme dazu lange Zeit vennieden398, schließlich aber 1990 ausdrücklich erklärt, daß eine Steuerpflicht in den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit falle 399 . Durch diese Entscheidung sieht sich die EKMR in ihrer bisherigen Auffassung bestätigt, wie sie sie im Fall der Feuerwehrabgabe dargelegt hat. 400 Eine umfassende Begründung hat der Gerichtshof indes nicht abgegeben. Der Hinweis401 auf seine frühere Entscheidung im Inze-Fall ist nicht besonders ergiebig, da es dort im Grunde um Fragen des Erbrechts ging402 • Insgesamt ist unter der EMRK heute davon auszugehen, daß Abgabenpflichten einen Eingriff in die Eigentumsfreiheit darstellen. Allerdings ist zu beachten, daß der Gerichtshof seine Entscheidungen im Ergebnis nicht auf das Eigentumsrecht, sondern auf den Gleichheitssatz gestützt hat. Da die EMRK kein selbständiges Gleichheitsgebot kennt, sondern nur die Überprüfung von Diskriminierungen akzessorisch bei Eingriffen in Schutzbereiche von Freiheitsrechten zuläßt, bedurfte es in den erwähnten Fällen der Ausführungen zum Schutzbereich der Eigentumsfreiheit, um überhaupt den Gleichheitssatz anwenden zu können. Auf eine Entscheidung über einen Verstoß gegen die Eigentumsfreiheit kam es dann im Ende nicht mehr an. In ähnlicher Weise hat der EGMR in der Entscheidung über die Feuerwehrabgabe einen weiten Anwendungsbereich des Verbotes der Zwangsarbeit angenommen, um darüber die Möglichkeit zur Prüfung unzulässiger Diskriminierungen durch die Abgabe zu eröffnen. 403 In ergänzender Weise greift im EG-Recht der Grundsatz des Vertrauensschutzes ein. 404 Der EuGH rechnet ihn zu den Grundprinzipien des Gemeinschaftsrechts im Sinne des Art. 220 (ex-Art. 164) EGV. 405 Gerade gegenüber Abgabenpflichten hat der Gerichtshof den Grundsatz des Vertrauensschutzes angewandt, auch wenn die Eigentumsfreiheit nicht betroffen gewesen ist. 406 Vergleichbar der selbständigen Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips sichert der Gerichtshof dadurch materielle Gerechtigkeit unabhängig vom Grundrechtsschutz für Individualinteressen, 397 Peukert, in: Frowein/Peukert, EMRK, Art. 1 des 1. ZP, Rdnr. 103 f. mit zahlreichen Nachweisen auf die EKMR. 398 So noch sehr ausweichend EGMR, EuGRZ 1980, 667 (675) ,.Deweer". 399 EGMR, Darby v. Schweden, Urteil vom 23.10.1990, Serie A 187, S. 12, Rdnr. 30; der Kläger wollte eine Ausnahme von der Kirchensteuerpflicht erreichen. Zur Rspr. Frowein, Fs. Rowedder, S. 57 (66ff.). 400 In Anhang zu EGMR, Schmidt v. Deutschland, Urteil vom 18.6.1994, Serie A291 , S.43 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Darby-Entscheidung des EGMR. 401 EGMR, Darby v. Schweden, Urteil vom 23.10.1990, Serie A 187, S.12, Rdnr. 30. 402 EGMR, Inze-Fall, Urteil vom 28.10.1987; Serie A 187, S.12. 403 EGMR, EuGRZ 1995, 392ff.; dazu Bleckmann EuGRZ 1995, 387ff. 404 Pernice, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art.164, Rdnr. 93ff. m. w. N. 405 EuGHE 1981, 1095 (1120), Rs. 112/80 ,.Dürbeck"; vgl. den Überblick bei Pernice, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 164 Rdnr. 91 und 97 f.; zur rechtstheoretischen Begründung Borchardt, S. 4- 69. 406 EuGHE 1991,1-415 (547ff.), Rs. C-143/88 und C-92/89 ,.Tilgungsabgabe".

III. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG

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insbesondere bei Vermögenspositionen. Damit erhält der Vertrauensschutz eine Auffangfunktion für den Schutz des Vermögens. 407 Voraussetzungen des Vertrauensschutzes sind das Bestehen einer Vertrauenslage, die Schutzwürdigkeit des Vertrauens und das Überwiegen des Individualinteresses gegenüber dem Gemeinschaftsinteresse.408 Auch hier gelten keine Besonderheiten für besondere Steuerabgaben. Einen möglichen Verstoß gegen die Handlungsfreiheit hat der EuGH erstmals 1987 in einem Vorabentscheidungsverfahren geprüft, im Ergebnis allerdings verneint.409 In der Hoechst-Entscheidung hat der EuGH dann 1989 einen Schutz der Sphäre der privaten Betätigung gegen willkürliche und unverhältnismäßige Eingriffe als allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anerkannt.410 Dabei hat er auf einen entsprechenden Schutz in den Mitgliedstaaten verwiesen, der in Deutschland aus der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG abgeleitet wird411 . In Folge dieser Entscheidungen wird in der Literatur zu Recht davon ausgegangen, daß die allgemeine Handlungsfreiheit auch im Gemeinschaftsrecht geschützt wird. 412 Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit müssen ebenfalls verhältnismäßig sein. 413 Soweit bei Umweltabgaben wegen eines fehlenden Bezuges zum Beruf die Berufsfreiheit nicht einschlägig ist, kommt die allgemeine Handlungsfreiheit zum Tragen. Darüber hinaus ist auch von einem Eingriff auszugehen, wenn die Gemeinschaftsvorschrift die Abgabe bei einem anderen Wirtschaftsteilnehmer, Produzent oder Verkäufer erhebt, rechtlich aber die offene oder verdeckte Abwälzung der Abgabe vorsieht und dies tatsächlich auch möglich ist. Ansonsten würde aufgrundder EuGH-Rechtsprechung, die bei dem nominell Abgabenpflichtigen nur einen geringen Eingriff sieht 41 4, eine erhebliche Lücke im Grundrechtsschutz der Gemeinschaft gegenüber Abgaben klaffen. Im Ergebnis müssen Eingriffe durch den Lenkungszweck von Abgaben, wie auch bereits die Auferlegung einer finanziellen Belastung an sich umfassend gemeinZum deutschen Recht Schmidt, JuS 1973, S. 533 ff. Zusammenfassend Borchardt, EuGRZ 1988, 309 (311 ff.). 409 EuGHE 1987, 2289 (2338), Rs. 133-136/85 "Berlin-Butter"; vgl. Hilf!Willms, EuGRZ 1989, 189. 41 0 EuGHE 1989, 2859 (2924), Rs.46/87 und 227/88 "Hoechst"; der Gerichtshofprüfte dieses Recht subsidiär, nachdem er eine Betroffenheit des Rechts auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 8 EMRK abgelehnt hatte, da es um die Durchsuchung von Geschäftsräumen ging. 411 V gl. zu einem Überblick über die Gewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit in den Mitgliedstaaten Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 135. 4 12 Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 136; etwas zurückhaltender P. Kirchhof, EuR Beiheft 1/1991, S. 24; Steinberger, VVDStRL 50 (1991) S. 26; Pernice, in: Grabitz/Hilf, EUV/ EGV, Art. 164, Rdnr. 65 ausdrücklich; Müller, S. 31 f. geht dagegen auf die Handlungsfreiheit nicht ein. 41 3 EuGHE 1989,2859 (2924), Rs.46/87, 227/88 "Hoechst". 4 14 Vgl EuGHE 1989, 2237 (2267ff.), Rs.265/87 "Schräder"; EuGHE 1991,1-415 (552f.), Rs. C-143/88 und C-92/89 "Tilgungsabgabe". 407 408

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

schaftsrechtlichen Freiheitsrechten und allgemeinen Rechtsgrundsätzen genügen. In der Praxis ist zu jedoch zu rügen, daß der EuGH weder konsequent die Eingriffstiefe ausreichend ausleuchtet4 15 noch einzelnen Freiheitsrechten besondere Bedeutung beimißt4 16 • Ihr Schutz geht daher in der Praxis regelmäßig nicht über den allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hinaus. Des weiteren wird den EG-Rechtsetzungsorganen ein (zu) weiter Ermessensspielraum eingeräumt.417 Nichtsdestotrotz verlangen Lenkungs- oder Finanzierungsfunktion von Abgaben grundsätzlich nach einer Rechtfertigung für die Belastung der Abgabenpflichtigen.

cc) Gleichheitssatz (1) Grundsätze der inhaltlichen Prüfung Ausdrücklich enthält der EG-Vertrag keinen allgemeinen Gleichheitssatz, aber zahlreiche einzelne Regelungen über Diskriminierungsverbote.418 Aus diesen schließt der EuGH in ständiger Rechtsprechung auf die Existenz eines allgemeinen Gleichheitssatzes419 , wobei die ausdrücklichen Diskriminierungsverbote dessen unterschiedliche Ausprägungen darstellen420• Grundsätzlich verbietet der Gleichheitssatz, gleiche Sachverhalte unterschiedlich zu behandeln, sofern eine Differenzierung nicht durch objektive Gründe gerechtfertigt ist.421 Dieser Rechtssatz wendet sich nicht nur an die Verwaltung, sondern bindet auch den Gesetzgeber.422 Die Prüfung des Nettesheim, EuZW 1995, 106ff. v. Milczewski, S.112. 417 EuGH, EuZW 1994, 688 (693) ,.Bananenrnarkt-Ordnung" überprüft nur offensichtliche Fehler; EuGH, EuZW 1996, 313 (316); Pernice, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 164, Rdnr. 101, bezieht die eingeschränkte Prüfung nur auf die Agrarpolitik. 418 Art. 12 I, 39 II, 43 I, 49 I, 34 II UA II EGV, vgl. auch Art. 4 b EGKSV. 419 EuGHE 1977, 1753 (1769f.), Rs.l17/76 und 16/77 ,.Ruckdeschl" ; 1986, 3477 (3507), Rs. 201, 202/85 ,.Klensch"; zustimmend Zuleeg, Fs. Bömer, S.473 (474); Pernice, in: Grabitz/ Hilf, EUV/EGV, Art. 164, Rdnr. 63; grundsätzlich zur Methode der Rechtsfortbildung unter primärer Heranziehung der Gemeinschaftsverträge Meesen, JIR Bd. 17 (1974) S. 283 ff. 420 Daher können auch bei ihnen Differenzierungen aufgrund objektiver Gründe erlaubt sein, vgl. EuGHE 1980, 3005 (3019), Rs. 147/79 ,.Hochstrass"; Zuleeg, Fs. Bömer, S. 473 (481 f.) verlangt zwingende Gründe; dagegen schließen sie nach Pernice, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 164, Rdnr. 64, die Möglichkeit einer Rechtfertigung aus; Mohn, S. 10; differenzierend zwischen mittelbarer und unmittelbarer Diskriminierung v. Bogdandy, in: Grabitz/ Hilf, EUV/EGV, Art. 6, Rdnr. 22ff., der bei seiner Analyse jedoch nicht auf EuGHE 1986, 1663, 1686f. Rs. 222/84 ,.Johnston" eingeht, in der es um eine direkte Diskriminierung bzgl. des Geschlechts und damit ebenfalls um ein besonderes Diskriminierungsverbot ging und der EuGH eine Rechtfertigung für möglich gehalten hat. 421 Für den allgemeinen Gleichheitssatz allg. Ansicht, Pernice, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Rdnr.63; Zu/eeg, Fs. Bömer, S.473 (480f.); v. Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art.6, Rdnr.22. 422 EuGHE 1986, 3477 (3507), Rs. 201 , 202/85 ,.Klensch" unter Hinweis auf Art.40 III UAII EGV; zustimmendZuleeg, Fs. Bömer, S.473 (477); Mohn, S.41; zum Gleichheitsgebot bei der Harmonisierung direkter Steuern Steichen, Fs. Debatin, S. 417 ff. 4 15

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111. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG

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Gleichheitssatzes erfolgt in drei Schritten. Zunächst ist die Vergleichbarkeit von zwei Sachverhalten bezüglich bestimmter Vergleichskriterien auf eine Differenzierung hin festzustellen. 423 Dabei kommt es entscheidend auf die Bildung von Vergleichsgruppen an, die eben von der Auswahl des Vergleichskriteriums abhängen.424 Bereits dieser Vorgang enthält eine Wertung. Anschließend ist danach zu fragen, ob die angegriffene Differenzierung durch objektive Gründe gerechtfertigt werden kann.425 Schließlich muß die Differenzierung zu den zur Rechtfertigung herangezogenen Umständen in einem angemessenen Verhältnis stehen.426 In diesem Zusammenhang ist auch auf die Verhältnismäßigkeit einzugehen, insbesondere wenn es um eine Diskriminierungaufgrund der Höhe einer finanziellen Belastung geht.427 Um Wertungswidersprüche zwischen der Verhältnismäßigkeilsprüfung und dem Gleichheitssatz zu vermeiden, ist davon auszugehen, daß bei der Überprüfung der Wahl der Mittel und deren Ausgestaltung jeweils der gleiche Maßstab anzuwenden ist. Die Prüfungsformel des EuGH ähnelt der früheren Willkür-Formel des deutschen BVerfG zur Auslegung des Art. 3 I GG, die für die Rechtfertigung nicht auf die zweckmäßigste und gerechteste Lösung abstellte, sondern es genügen ließ, daß ein sachlich vertretbarer, zureichender Grund angeführt werden kann.428 Der EuGH hat sich bisher nicht zu einem engeren Prüfungsmaßstab entschließen können. Anklänge finden sich bei der Überprüfung von manchen ausdrücklichen Diskriminierungsverboten.429 In der Praxis sieht sich der Versuch einer Begrenzung der Steuern i. e. Sinn durch Grundrechte erheblichen Schwierigkeiten gegenüber stehen. Denn die klassische Finanzsteuer entzieht sich in vieler Hinsicht einer strikten grundrechtliehen Nachprüfung, insbesondere weil aus dem Non-Affektationsprinzip folgt, daß im Finanzstaat Abgabenerhebung und -zweck entkoppelt werden.430 Die grundsätzliche Trennung zwischen dem Sozialstaat, der Aufgaben veranlaßt, dem Steuerstaat, der sie finanziert, und dem sie erfüllenden Leistungsstaat ist ein Strukturprinzip des Finanzstaates.431 Dieselbe Struktur läßt sich auch in der EG unabhängig von der Frage einer eigenen Steuerhoheit im engeren Sinn nachweisen. Denn die Erbringung der Eigenmittel zur Erfüllung der Aufgaben ist von den Aufgabenkompetenzen der EG im Grundsatz getrennt. 432 Ferner ist die EG auch für die Finanzierung der operativen 423 Pernice, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art.164, Rdnr.63.

424 Zur Bildung von Vergleichsgruppen EuGHE 1991, 1-3479 (3501 ff.), Rs. C-355/89; dazu Zuleeg, Fs. Bömer, S. 473 (479f.). 425 EuGHE 1977, 1753 (1771), Rs. l17/76 "Ruckdeschl". 426 Pernice, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 164, Rdnr. 63 jeweils m. w. N. auf die Rspr. 427 EuGHE 1977, 1211 (1221), Rs. 114/76 "Bela-Mühle"; 1973, 1229 (1248ff.), Rs. 63-69/72; EuGHE 1973, 1055 (1074), Rs.43!72; EuGHE 1974, 877 (886), Rs. 11/74. 428 Vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GO, Art. 3, Rdnr. 11 ff. m. w. N. 429 Vgl. dazu Zuleeg, Fs. Bömer, S. 473 (481 f.). 430 Schuppert, Fs. Zeidler, S.691 (702); kritisch v. Arnim, VVDStRL 39,286 (315). 431 P. Kirchhof, NVwZ 1983, 505 (507). 432 Oppermann, Rdnr. 811 ff. ; das galt eindeutig für die Zeit der ursprünglichen Beitragsfinanzierung, aber auch seit 1980 für die vollständige Finanzierung aus Eigenmitteln, die sich

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

Ausgaben der beiden anderen Pfeiler der Europäischen Union, der GASP und der 433 Die Entkopplung von Abgabenerhebung und -zweck setzt aber einer effektiven Überprüfung von Finanzierungssteuern am Verhältnismäßigkeilsprinzip Grenzen, da der Finanzierungszweckper se legitim ist.434 Effektiver Schutz gegenüber Steuern i. e. Sinn ist daher in der Regel nur über den Gleichheitssatz zu erreichen.435

zn, zuständig.

(2) Gleichbehandlung bei der Auferlegung finanzieller Lasten im Gemeinschaftsrecht

(a) Ansätze in der Literatur Die Anwendbarkeit des allgemeinen Gleichheitssatzes auf finanzielle Belastungen durch die EG ist in der Literatur bisher nicht eingehend am Maßstab des Gemeinschaftsrechts untersucht worden. 436 Sehröder verweist allgemein auf den Gleichheitssatz ohne dies näher auszuführen437 , während Klocke in ihrer Untersuchung ausführlich nur auf den deutschen Gleichheitssatz eingeht und dort auf die vom EuGH bislang nicht übernommene strenge Prüfung durch den 1. Senat des BVerfG438 . Müller bringt zwar einige grundsätzliche Überlegungen zur Beurteilung von Umweltabgaben, insbesondere zur Abgrenzung von Steuern im engeren Sinn und sonstigen Abgaben, ohne diese aber anhand der Rechtsprechung des EuGH zu überprüfen.439 Zur Rechtfertigung einzelner Abgabenarten geht er davon aus, daß Steuern im engeren Sinn in allen Mitgliedstaaten dem Leistungsfahigkeitsprinizip genügen müßten. Dieses sei zu beachten, soweit es um die Finanzierung von Maßnahmen im allgemeinen Interesse gehe. Abgaben, die davon abwichen, bedürften dann einer besonderen Rechtfertigung für die finanzielle Belastung. Bei Umweltbeeinträchtigungen sei der Verursacher der zutreffende Adressat.440 In der Sache referiert Müller damit die Rechtsprechung des deutschen BVerfG und transferiert sie auf die Gemeinschaft, jedoch ohne sie im einzelnen mit der Rechtsprechung des EuGH zu finanziellen Lasten zu vergleichen. Allerdings verfügt auch in Deutschland der vorrangig auf Steueranteile und Zölle stützt; zum Non-Affektationsprinzip im EG-Haushalt s. unterE. III. 4. c) ii). 433 Art. 28 li, 111 und 41 li, III EUV sehen die Finanzierung aus dem Haushalt der EG vor. 434 Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S.l89. 435 Vgl. für Finanzierungssonderabgaben BVerfGE 91, 186 (202) "Kohlepfennig"; Überblick bei Schuppert, Fs. Zeidler, S. 691 (709f.). 436 Wasmeier, S. 190ff., untersucht zwar die Diskriminierungsverbote, doch nur insofern als sie sich gegen die Mitgliedstaaten richten. Daher ist für ihn Art. 6 I EGV ein allgemeines Diskriminierungsverbot, daß aber vom allgemeinen Gleichheitssatz zu unterscheiden ist. 437 Schröder, DStJG 1993, S. 87 (101). 438 Klacke, S. 189ff. 439 Müller, S. 33. 440 Müller. S. 33, 42 f.

III. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG

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Staat bei Steuern i. e. Sinn über einen Spielraum, der Abweichungen vom Leistungsfähigkeitsprinzip bei einzelnen Steuerarten zuläßt.441 So trifft die Umstellung der Kfz-Steuer auf die Umweltverträglichkeit des Wagens diejenigen stärker, die nicht in der Lage sind, Wagen mit der neuesten Abgas-Technik zu kaufen oder nachzurüsten. Diese Abweichung vom Leistungsfahigkeitsprinzip ist durch das Ziel des Umweltschutzes zu rechtfertigen und unterscheidet sich insofern nicht von der Rechtfertigung bei anderen Abgaben. Ferner geht Müller nicht darauf ein, ob bei Steuern i. e. Sinn ein größerer Differenzierungspielraum besteht als bei sonstigen Abgaben. Darüber hinaus ist das Problem der genauen Abgrenzung von Steuern und Abgaben auch im deutschen Recht erst in Ansätzen gelöst. Im folgenden soll eine Annäherung an die spezifischen Probleme des Gleichheitssatzes ausgehend von der vorliegenden EuGH-Rechtsprechung erfolgen. (b) Besondere Differenzierungskriterien in der Rechtsprechung des EuCH Der EuGH und die Generalanwälte messen in ständiger Rechtsprechung Abgaben wirtschaftlicher Art am Maßstab des Gleichheitssatzes. Die Differenzierung bei der Erhebung der Abgabe muß durch das wirtschaftspolitische Ziel der Abgabe gerechtfertigt sein.442 1991 hatte der Gerichtshof über den besonderen Fall zu entscheiden, daß eine bestimmte Gruppe die Finanzierungslast für einen bestimmten Zweck zu tragen hatte, also keine Steuer i. e. Sinne vorgelegen hatte. In dieser Entscheidung über die besondere Tilgungsabgabe ist er insbesondere der Rüge einer verbotenen Diskriminierung nachgegangen. Bei der Untersuchung der einschlägigen Kompetenzgrundlage hat er grundsätzlich offengelassen, ob es sich um eine Finanzierungsabgabe oder eine Abgabe wirtschaftlicher Art, die auch eine Ausgleichsabgabe erfassen würde, handele. 443 Daraus ist zu folgern, daß er den Gleichheitssatz unabhängig von einer solchen Qualifizierung anwendet. Tatsächlich konnte die Abgabe keine wirtschaftlichen Zwecke mehr verfolgen, da sie rückwirkend auf einen abgeschlossenen Sachverhalt bezogen erhoben wurde. Nach Schilling soll der EuGH im Haushaltsinteresse der Gemeinschaft das zur Rechtfertigung notwendige Allgemeininteresse gesehen haben. Das widerspreche dem deutschen Verfassungsrecht, wonach fiskalische Ziele nicht zu den Gemeinwohlinteressen zählten. 444 Jedoch bezieht sich die von ihm angegebene Fundstelle445 nur auf den Sonderfall der Enteignung, die nicht durch Fiskalinteressen zu rechtfertigen sei, sondern nur durch öffentliche Aufgaben. Tatsächlich hat der EuGH in der Entscheidung zunächst untersucht, ob die Einführung der Eigenfinanzierung allein im Zuckersektor gerechtferVgl. Jobs, in: Lange, Gesamtverantwortung, 273 (285). EuGHE 1991,1-415 (546, 551 f.), Rs.C-143/88, 92/89 "Tilgungsabgabe". 443 Einschlägig war das spezielle Diskriminierungsverbot nach Art. 40 III EGV, die Ausführungen können aber au den allgemeinen Gleichheitssatz übertragen werden, EuGHE 1991, 1-415 (546, 551 f.), Rs.C-143/88, 92/89 "Tilgungsabgabe". 444 Schilling, EuZW 1991,310 (312). 44s BVerfGE 38, 175 (180). 441

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

tigt sei und dies unter Hinweis auf die dort bestehenden besonders hohen Preisgarantien im Vergleich zu anderen Sektoren bejaht. Ferner hat er eine Differenzierung zwischen bestimmten Zucker-Erzeugern mit dem Argument für zulässig gehalten, daß für die Betroffenen erhöhte Ausfuhrerstattungen zu zahlen waren. Die Alternative wäre eine Finanzierung aus dem Gesamthaushalt gewesen.446 Damit sucht der EuGH über ein allgemeines Finanzierungsinteresse hinaus nach einer besonderen Verantwortlichkeit der Abgabenpflichtigen. Dies entspricht in Ansätzen der Rechtsprechung des deutschen BVerfG zur Rechtfertigung von Finanzierungssonderabgaben. In den Stellungnahmen der Literatur zur Problematik wird oft versucht, Begrenzungen aus dem nationalen Steuerrecht über die Figur der allgemeinen Rechtsgrundsätze der Mitgliedstaaten für die Diskussion fruchtbar zu machen.447 Daß dies grundsätzlich ein gangbarer Weg ist, haben sowohl die Generalanwälte als auch der Gerichtshof anerkannt. So hat der EuGH in der Rechtssache "Zardi" festgestellt, daß es sich bei den fraglichen Mitverantwortungsabgaben nicht um steuerliche Belastungen handele und diese daher nicht an Kriterien zu messen seien, die dem Steuerrecht entstammten.448 In ähnlicher Weise hat Generalanwalt Lenz später festgestellt, daß nationale Steuergrundsätze insofern zu beachten seien, als sie als Verfassungsgrundsätze zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gezählt werden können.449 Darin liegt implizit die Annahme, daß Steuern i. e. Sinn im Gegensatz zu anderen Abgaben besonderen Kriterien unterworfen sein können. Grundsätzlich sind gegenüber gleichartigen Sachverhalten Differenzierungen bei der Auswahl des Mittels450, der Höhe der Abgabe und den vorgesehenen Befreiungen451 durch objektive Gründe zu rechtfertigen. Sie müssen sich ferner aus dem Zweck der Regelung ergeben, wobei auch Nebenzwecke wie Möglichkeiten einer besseren Betrugsbekämpfung sowie technische oder verwaltungstechnische Schwierigkeiten Differenzierungen rechtfertigen können. 452 Dabei darf es nicht zu einer Diskriminierung zwischen den Mitgliedstaaten kommen. Eine solche scheidet aber aus, wenn die Norm in gleicher Weise auf alle EG-Bürger und Unternehmen anwendbar ist.453 Daß Harmonisierungsmaßnahmen wegen der bestehenden Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten zunächst unterschiedliche Folgen zeigen können, ist zwangsläufig.

EuGHE 1991,1-415 (549, 552), Rs. C-143/88, 92/89 "Tilgungsabgabe". Vgl. nur Müller, S. 33, 42f. 448 EuGHE 1990, 1-2515 (2532), Rs.C-8/89 ,,Zardi". 449 GA Lenz in EuGHE 1991, 1-415 (510), Rs.C-143/88, 92/89 "Tilgungsabgabe". 45° EuGHE 1992, 1-2651 (2684, 2688 ff.), Rs. C-256/90 "Mignini". 451 EuGHE 1985, 2301 (2319, 2322), Rs. 179/84 ,,Bozzetti". 452 GA in EuGHE 1985, 2301 (2311), Rs. 179/84 ,,Bozzetti" ; EuGHE 1992, 1-2651 (2689), Rs. C-256/90 "Mignini". 453 EuGHE 1990,1-4023 (4064), Rs.C-331/88 "Fedesa". 446 447

III. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG

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(c) Bewertung unter der Europäischen Menschenrechtskonvention Die Anwendung des Gleichheitssatzes der EMRK sieht sich mit dem besonderen Problem konfrontiert, daß dieser dort nur als akzessorisches Recht gewährt wird, wenn der Anwendungsbereich eines anderen Freiheitsrechts der Konvention betroffen ist. Während der EGMR in seiner früheren Rechtsprechung weder die Erhebung einer Sonderabgabe, die bei den anliegenden Unternehmen zum Bau einer U-Bahn erhoben wurde, noch Steuern im allgemeinen von einer besonderen Rechtfertigung abhängig machte454, hat die Kommission für Menschenrechte (EKMR) regelmäßig auch bei der Erhebung finanzieller Lasten nach Rechtfertigungsgründen gesucht, dem Staat aber immer ein weites Ermessen eingeräumt. Insbesondere hat sie eine Differenzierung bei der Erhebung nach der Leistungsfahigkeit als gerechtfertigt angesehen.455 Im einzelnen prüft sie, ob eine Ungleichbehandlung durch objektive und vernünftige Gründe gerechtfertigt ist, wobei ein weiter Ermessenspielraum gewährt wird, und ob die Differenzierung verhältnismäßig ist. 456 Erst relativ spät ist auch der EGMR dazu übergegangen, für die Erhebung von Abgaben eine Rechtfertigung zu verlangen. 457 Im jüngeren Fall der baden-württembergische Feuerwehrabgabe hat der EGMR ausgeführt, daß dieser finanzielle Beitrag seinen Ausgleichscharakter verloren habe, weil kein Unterscheidungsgrund aus der Dienstpflicht abgeleitet werden könne. 458 Hervorzuheben ist, daß der EGMR zunächst an den Ausgleichscharakter der Abgabe für die Entlassung aus der korrespondierenden Dienstpflicht abgestellt hat, dann aber aufgrund der tatsächlichen Entwicklung vom Verlust dieser Wirkung ausgegangen ist. 459 Im Ergebnis ist festzustellen, daß unter der EMRK die Abgabenerhebung in jedem Fall der Kontrolle am Gleichheitssatz unterworfen ist. Eine Rechtfertigung finanzieller Belastungen kann durch Lenkungsziele erfolgen, die mit der Abgabenerhebung erreicht werden sollen. Jenseits der Lenkungswirkungen ist die Überprüfung anhand des Gleichheitssatzes auch in bezug auf den Finanzierungszweck vorzunehmen. In der Struktur ähnelt die Prüfung der entsprechenden durch den EuGH. Für Steuern im engeren Sinn wird ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt, nicht E 6087n3, DR 5, 10; vgl. Peukert in: Frowein/Peukert, Art. 14, Rdnr. 53. E511/59 Yb 3, 394 (Vermögensteuer bis zu 25 %); E5168n1, CD42, 137 (Grundsteuer); E5913n2. CD45, 95 (Erbschaftssteuer); E 2717/66, Yb 13, 200, CD 35, 1 (Vermögensabgabe nach dem Lastenausgleichsgesetz); E 6163n3, DR 1, 60 (Einkommenssteuer);YECHR 1986, 102 (110), Lindsay vs. UK (positive Diskriminierung zugunsten verheirateter Frauen zulässig); YECHR 1988,74 (91 ff.) Wasa vs. Sweden (Umverteilung als Rechtfertigungsgrund); YECHR 1989, 24 (34f.) (Abgabe für Angeln gerechtfertigt); ECHR Serie A 187, S. 12ff. (Darby vs. Sweden); ECHR Serie A291, S.43 (Schmidt vs. Germany). 456 YECHR 1988, 74 (93). 457 ECHR Serie A, Nr. 291 (Schmidt vs. Germany); EGMR, EuGRZ 1990, 504 "Darby"; Entscheidung 17522/90, vom 10.1.1992; DR 72, 256. 4ss EGMR, VBlBW 1994, S.402 (Schmidt vs. Germany). 459 EGMR, VBIBW 1994, S.402 (403). 454

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dagegen, wenn der Staat einen anderen Zweck für die Abgabenerhebung angibt, wie bspw. bei einer Ausgleichsabgabe. Das Kriterium der Leistungsfähigkeit ist keine Voraussetzung der Steuer i. e. Sinn, sondern ein zulässiges Differenzierungskriterium. Dabei läßt es der Gerichtshof offen, ob bestimmte Abgabearten wie Steuern besondere Rechtfertigungsgründe erfordern.

(d) Schlußfolgerungen Aus der Untersuchung der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich, daß es zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen in der EG gehört, finanzielle Belastungen des einzelnen am Gleichheitssatz zu überprüfen. Differenzierungen zwischen verschiedenen Abgabenpflichtigen sind Ungleichbehandlungen, die in jedem Fall einer Überprüfung am allgemeinen Gleichheitssatz genügen müssen. Das gilt sowohl für Lenkungs- als auch für Finanzierungsabgaben und dementsprechend für die Gestaltungs- und für die Belastungswirkung einer Abgabe. Für die Rechtfertigung der Belastung hat der EuGH für besondere Steuerabgaben eine besondere Beziehung der Abgabenpflichtigen zum Finanzierungszweck verlangt. Das bedeutsamste Argument in der Rechtfertigung ist die Verursacherverantwortlichkeit. Im Ergebnis setzen demnach besondere Steuerabgaben eine besonderen Verantwortlichkeit der Abgabenpflichtigen voraus, die über die Pflicht, zu den allgemeinen öffentlichen Haushalten beizutragen, hinausgeht. Da sie insofern den parafiskalischen Abgaben gleichen, gilt auch für jene das Erfordernis einer besonderen Finanzierungsverantwortung der Abgabenpflichtigen bzw. einer besonderen Verantwortung für das durch den Lenkungszweck solcher Abgaben anvisierte Ziel .460 Diesen Anforderungen kann die Abschöpfungsabgabe beim Umwelt-Audit461 nicht genügen. Sie schöpft einen Vorteil ab, der aus umweltverträglichem Verhalten resultiert. Gegenüber den aktuellen Teilnehmern wirkt sie insofern in der Tendenz kontraproduktiv. Deshalb kommt ihr keine umweltpolitische Lenkungswirkung zu. Dem Schutz der Umwelt dient sie nur, weil ihr Aufkommen für die Werbung für die Teilnahme weiterer Unternehmen am Auditsystem verwendet wird. Es fehlt aber an einem besonderen Bezug zwischen den aktuellen und den zukünftigen Teilnehmern. Eine Begründung über die besondere Gefährlichkeit der Tätigkeiten, die die Betroffenen verbinden könnte, kann nicht überzeugen. Gegen eine solche Gefährlichkeit spricht schon die Freiwilligkeit der Teilnahme. Insofern sind die Teilnehmer keine Verantwortlichen und keine Verursacher im Sinne der Umweltpolitik. Sofern die Verwendung der Mittel nach neuen Vorschlägen der Kommission nicht festgelegt wird462 , weil sie den nationalen Stellen zustehen sollen, fehlt es ebenfalls an einer Rechtfertigung. Zu denken wäre an eine Rechtfertigung über die Abschöpfung be460

s. unter A. III. 4. b) dd).

Art.ll VO (EWG) 1836/93, ABI. 1993, L168, S. l. 462 KOM (96) 603. 461

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sonderer Vorteile, wobei dann die Festlegung des Verwendungszwecks der EG offenstünde. Dagegen erheben sich aber Bedenken, weil die Betroffenen erhebliche eigene Leistungen erbringen, um in den Genuß der Verwendung des Umwelt-AuditZeichens zu kommen. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz scheidet auch nicht deshalb aus, weil in der freiwilligen Teilnahme der Unternehmen zugleich ein wirksamer Grundrechtsverzicht liegen könnte. Denn die freiwillige Teilnahme kann auch aus Wettbewerbsgründen erfolgen, um gegenüber Konkurrenten in der Gunst der Verbraucher nicht zurückzufallen. d) Rechtfertigung der Begriffsbildung

Die Begriffsbildung "besondere Steuerabgabe" greift die Bezeichnung der Kommission463 für Abgaben auf, die zwar in die öffentlichen Haushalte eingehen, sich von den Steuern i. e. Sinn aber durch ihre besonderen Funktionen unterscheiden, welche denen der parafiskalischen Abgaben entsprechen. Eine Begriffsbildung sollte die besondere Stellung dieser Abgaben hervorheben, sie muß aber nicht vorrangig den durchaus verschiedenen nationalen Termini entsprechen. Für den gefundenen Begriff spricht, daß er die Weite des EG-Steuerbegriffs hervorhebt und den Abgabentyp als eine Untergruppe desselben ausweist. Zudem bestehen gegen die ansonsten naheliegenden Alternativen jeweils Bedenken. So wäre die Bezeichnung "Sonderabgabe" nicht sinnvoll, da diese zu sehr den deutschen Vorgaben und Besonderheiten verhaftet ist. Unabhängig von den besonderen Rechtfertigungsanforderungen an Sonderabgaben werden im deutschen Recht die Steuerkompetenzen gegenüber den Kompetenzen für Sonderabgaben relativ weit ausgelegt, wie im Fall der Abgrenzung zwischen Sonderabgaben und den Gemeindesteuern.464 In der EG ist die Abgrenzung dagegen eher zu Gunsten der Sachkompetenzen erfolgt. Manche Gemeinschaftsorgane wollen sogar schon geringe lenkende oder andere wirtschaftspolitische Wirkung ausreichen lassen.465 Lienemeyer hat die Bezeichnung "Sachbereichsabgabe" vorgeschlagen.466 Diese kann aber nicht befriedigen, weil sie den zutreffenden Aspekt der Rechtsetzungskompetenz über Gebühr in den Vordergrund stellt und den der Berücksichtigung im allgemeinen Haushalt im Gegensatz zur parafiskalischen Abgabe vernachlässigt. So geht Lienemeyer in seinen Ausführungen nicht darauf ein, daß gerade die sogenannten traditionellen Eigenmittel die inhaltlichen Vorgaben seiner "SachbeABI. 1990, L 105, S. 15. Vgl. BVerwGE 96, 272 (275); Hess. VGH, GewArch 1996, 233; zustimmend Lange, in: Lange, Gesamtverantwortung, S. 305 (316 ff.). Insoweit bestätigt durch BVerfG, NJW 1998, 2341 ff. 465 Vgl. das Vorbringen der Kommission und den Antrag des Generalanwaltes in EuGHE 1991,1-415 (495), Rs.C-143/88 und C-92/89 "Tilgungsabgabe". 466 Lienemeyer, EuR 1998,478 (490). 463

464

8 Heselhaus

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

reichsabgabe" erfüllen, dennoch aber in den allgemeinen Haushalt der EG als Eigenmittel eingestellt werden.467 Ebenfalls wenig sinnvoll wäre die Bezeichnung "besondere Abgaben", weil dies einen Auffangbegriff darstellt, der auch alle übrigen Abgaben erfassen würde, die bislang noch nicht bestimmten Typen zugeordnet werden können. Schließlich findet sich auch der Versuch einer Unterscheidung zwischen fiskalischen Steuern und sonstigen Steuern.46s Diese Begriffsbildung hat aber wiederum einen Auffangcharakter. Auch die französische Bezeichnung als "spezifisch fiskalische Steuer" ist nicht hilfreich, weil der EuGH "fiskalisch" in der Abgrenzungsfrage gerade als ein Charakteristikum für die Steuern i. e. Sinn verwendet. 469 Auch scheidet der Begriff "steuerähnliche Abgabe" aus, weil dieser dem der parafiskalischen Abgabe entspricht und entgegen der Ansicht von Wasmeier470 deutlich zwischen diesen und Steuern zu unterscheiden ist.471 Im übrigen kann eine Steuer schon begrifflich nicht zugleich einer Steuer ähnlich sein. Schließlich kann nicht auf die aus dem deutschen Finanzrecht stammenden Bezeichnungen "Lenkungszwecksteuer" und "Verwendungszwecksteuer", da sie gerade auf Besonderheiten der Steuern i. e. Sinn hinweisen. e) Nutzung zu Umweltzwecken Die besonderen Steuerabgaben verfolgen definitionsgemäß besondere lenkende oder finanzierende Zwecke. In ihren Funktionen innerhalb der Sachpolitiken entsprechen sie den parafiskalischen Abgaben. Die besondere Bedeutung dieser Abgaben für die Zwecke des Umweltschutzes ist offensichtlich und es kann hier auf die Literatur zur Rolle der deutschen Sonderabgaben im Umweltschutzes verwiesen werden. 472 Das hat keine Auswirkungen auf die Aussagen zur Instrumentalisierung von Steuern zu Umweltzwecken. Denn auch mit Steuern i. e. Sinn können solche Zwecke in ihrer Eigenschaft als Lenkungs- oder Verwendungszwecksteuern verfolgt werden.473

7. Sicherheitsleistungen und Pfandregelungen Neben den bisher erörterten finden sich noch weitere Abgabentypen, deren Einbeziehung sich aus dem für die Untersuchung umfassend gewählten Abgabebegriff Ausführlichdazu unter E.l. 2. a). Ansätze in dieser Richtung in EUA, Ökosteuem, Zusammenfassung, S. 8. 469 s. die Nachweise unter A. Ill. 6. b). Kommission, Database on Environmental Taxes in the European Union Member States, plus Norway and Switzerland. Evaluation of Environmental Effects of Environmental Taxes, S. 15: ,,fiscal environmental taxes". 470 Wasmeier, S. 39. 47t EuGHE 1994,1-711 ff., Rs.C-332, 333,335/92 ,,Eurico". 472 Meßerschmidt, S. 35 ff.; P. Kirchhof, DStJG 15, S. 3 (17ff.). 473 Zum deutschen Recht Heimlich, NVwZ 1998, 122 (123). 467 468

111. Finanzrechtliche Abgabentypen in der EG

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ergibt. Zu diesen zählen insbesondere die Kautionen, mit den oben genannten Einschränkungen474, und anderen Sicherheitsleistungen, die von ihrer Zwecksetzung her den wirtschaftlichen Abgaben ähnlich sind. Sofern sie in Verbindung mit einem ordnungsrechtlichen Befehl auftreten und einen Ausgleich für die Nichtbefolgung eines Gebotes darstellen, haben sie lenkende Wirkung. In der gemeinsamen Agrarpolitik bestehen entsprechende Regelungen der EG, die in der Praxis gezeigt haben, daß sie auch in ihrer Finanzierungsfunktion interessant sind.475 Daher sind sie in beider Hinsicht als Umweltabgaben nutzbar. Ferner sind noch mögliche Pfandregelungen zu erwähnen, sofern sie auf hoheitlichem Befehl beruhen. Bei ihnen steht die Rückgewähr wie bei den Sicherheitsleistungen zunächst unter dem Vorbehalt, daß das gewünschte Verhalten vom Abgabenpflichtigen später auch gezeigt wird. Sie eignen sich für Umweltzwecke insbesondere im Bereich des Recycling und der Entsorgung. Es gab eine Zeitlang Überlegungen in der EG, umfangreiche Pfandsysteme für den Gebrauch von bestimmten Gefahrstoffen zu errichten, die eine Rückzahlung bei ordnungsgemäßer Entsorgung vorsehen sollten. Dadurch wollte man insbesondere der Umweltverschmutzung aus diffusen Quellen begegnen, die über Emissionsabgaben kaum zu begrenzen ist.476 Der Richtlinienvorschlag der Kommission über Altfahrzeuge sieht zwar nicht ausdrücklich Pfandregelungen vor, gibt aber den Mitgliedstaaten in Art. 5 auf, sicherzustellen daß die Wirtschaftsbeteiligten für alle Altfahrzeuge Rücknahmesysteme einrichten. 477 Diese könnten in entsprechende Pfandregelungen münden.

8. Fazit Im Ergebnis ist festzuhalten, daß sich schon heute bestimmte Abgabentypen im EG-Recht unterscheiden lassen, die Typisierung sich aber noch in den Anfängen befindet. Im Vergleich zum deutschen Abgabenrecht ergeben sich Unterschiede bezüglich der Definition der parafiskalischen Abgabe und des Steuerbegriffs. Dagegen zeigen sich gewisse Ähnlichkeiten im Bedürfnis für den Typ der besonderen Steuerabgabe, der von den Steuern i. e. Sinn (Fiskalsteuern) abzugrenzen ist. Es handelt sich um Lenkungs-, Ausgleichs- oder Finanzierungsabgaben, die im Unterschied zu den parafiskalischen Abgaben in die allgemeinen Haushalte der Gebietskörperschaften eingestellt werden. Grundsätzlich erlauben alle EG-Abgabentypen eine Ausgestaltung zu Zwecken des Umweltschutzes.478 s. unter A. II. EuGHE 1981, 1191 ff., Rs.66/80 "International Chemica1 Corporation", rechnet sie ausdrücklich zu den Gemeinschaftseinnahmen. 476 Huppeslvan der Voetlvan der Naald/Vonkenuzn/Maxson, S. 55 ff. 477 KOM (97) 358, S. 26. 478 Selbst bezüglich der Steuern i.e. Sinn und der Verfolgung von Zielen des Umweltschutzes bestehen gegen diese grundsätzliche Feststellung keine Bedenken aus Gründen der Rechtsetzungskompetenzen der EG. Denn sofern nicht Art. 175 II EGV einschlägig sein sollte, grei474 475

s•

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

IV. Umweltabgaben in der EG 1. Umweltbegriff a) Streitstand in der Literatur

Spätestens mit Einführung eines eigenen Titels "Umwelt" in den EG-Vertrag 1985 muß davon ausgegangen werden, daß es sich bei dem Begriff "Umwelt" um einen Rechtsbegriff handelt. Seine ausdrückliche Erwähnung unter den Zielen des Art. 174 (ex-Art. 130 r) EGV, auf die sich die Kompetenznorm Art. 175 (exArt.l30s) EGV bezieht, weist ihm als Tatbestandsmerkmal eine kompetenzabgrenzende Funktion nicht nur bezüglich der Verbandskompetenz der EG zu, sondern auch in bezug auf die Auswahl zwischen verschiedenen Ermächtigungsgrundlagen der EG und damit der Organkompetenzen in den unterschiedlichen Rechtsetzungsverfahren.1 Tatsächlich hat er diese Funktion schon früher durch die Anerkennung des Umweltschutzes seitens des EuGH als eines Zieles der Gemeinschaft erhalten.2 In der gemeinschaftsrechtlichen Diskussion lassen sich zwei Hauptpositionen unterscheiden, ein extensiver und ein restriktiver Umweltbegriff. 3 Nach der restriktiven Ansicht, die inhaltlich aber bereits über die bis heute h. M. im deutschen Rechr hinausgeht, umfaßt der UmweltbegriffS den Menschen und die fen mit gewissen Beschränkungen die Harmonisierungskompetenzen nach Art. 93, 94 EGV i. V. mit der Integrationsklausel des Art. 6 EGV. 1 Daher kann die Äußerung von Huber zum deutschen Recht, Fs. Klecatsky, 1980, S. 353, 356, es handle sich um einen nicht rechtlichen Sammelnamen, in der EG nicht gelten; zu Recht schon kritisch zum deutschen Recht Meßerschmidt, S. 27; s. auch die Zielvorgabe in Art. 3 lit.l EGV. Trotz seines Rechtscharakters können außerrechtliche Definitionsansätze wertvolle Hinweise zur Bestimmung des Begriffsinhaltes geben, Meßerschmidt, S. 29. 2 Daher konnte die Gemeinschaft bereits vor der EEA im Rahmen der ex-Art. 100, 235 EWGV zur Verfolgung umweltpolitischer Ziele tätig werden, EuGHE 1985, 531 (549), Rs. 240/83 ,,ADBHU". In Art. 2 EGV wird der Umweltschutz nunmehr ausdrücklich erwähnt. 3 Wenn Wasmeier, S. 24, eine vermittelnde Sicht vorschlägt, so grenzt er sich von einem engen, nur auf die natürlichen Lebensgrundlagen, i. S. von unberührter Natur beschränkten Umweltbegriff ab, der in der Literatur zum Gemeinschaftsrecht soweit ersichtlich nicht vertreten worden ist und heute auch kaum zu vertreten wäre angesichts der ausdrücklichen Erwähnung der Raumordnung und Bodennutzung in Art. 175 II EGV. Insofern stellt Wasmeiers Ansicht nicht eine vermittelnde Sicht, sondern die enge Auslegung des EG-Umweltbegriffs dar. Die dogmatische Vertiefung eines gemeinschaftsrechtlichen Umweltbegriffs hat erst nach Einführung der EEA eingesetzt. Ansätze finden sich bereits bei Meßerschmidt, S. 31; Schröer, S. 42, der aber von den nationalen Vorstellungen zunächst ausgeht. Erhebliche Vorarbeit ist in diesem Bereich von Kahl, S. 13 ff., geleistet worden. 4 Dazu schon 1985 Meßerschmidt, S. 30f. m. w.N.; vgl. heute Art.20a GG, der ausdrücklich auf den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen beschränkt ist; dazu Jarass!Pieroth, GG, Art. 20a, Rdnr. 2; für einen weiten Begriff im Bezug zum Umweltrecht zu Recht Steiger, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, l.Aufl., S. 1, 6f. m. w. N.; zu neueren Ansätzen vgl. Kloepfer!Rehbinder!Schmidt-Aßmann!Kunig, S. 37, § 2 I, wonach auch schutzwürdige Sachgüter umfaßt werden.

IV. Umweltabgaben in der EG

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Umweltmedien Boden, Wasser, Luft und Biosphäre sowie sämtliche Organismen und die Beziehungen zwischen diesen Elementen6 , einschließlich der vom Menschen gestalteten natürlichen Umwelt, nicht aber die Sozialbeziehungen der Menschen und das sozio-ökonomische Umfeld'. Allerdings werden teilweise Lärm- und Geruchsbelästigungen als "nicht soziale Formen der Einwirkung auf den Menschen" einbezogen.8 In der Argumentation stützt sich diese Meinung vor allem auf die Abgrenzung zu anderen EG-Kompetenzen. So sei der Differenzierung im EGVertrag zwischen "Umwelt" und "Arbeitsumwelt" in ex-Art. 100a IV, 118a (vgl. Art. 95 V, 137 I) EGV zu entnehmen, daß der Arbeitsumwelt vergleichbare Beziehungen nicht im Umweltbegriff enthalten seien.9 Das gleiche folge aus der separaten Erwähnung der Kompetenzen für kulturelle und sozialpolitische Aktivitäten der EG ex-Art. 117-122, 128 (Art.136-145, 151) EGV sowie des Gesundheitsschutzes in ex-Art. 3 lit. o, 129 (Art. 3 lit. p, 153) EGV. 10 Demgegenüber geht die extensive Ansicht von einem umfassenden Begriff der Umwelt aus, der neben der natürlichen und der vom Menschen geschaffenen Umwelt auch die soziale Umwelt erfaßt. 11 Dieses Begriffsverständnis ermöglicht es, nicht nur die vom Menschen geschaffene Umwelt zu beachten, die erheblichen Einwirkungen ausgesetzt ist, sondern greift darüber hinaus auf andere, soziale Umstände über, die das Wohlbefinden des Menschen betreffen können. 12 Diese Ansicht beruft sich vor allem auf die Entstehungsgeschichte der Umweltkompe3 In der Praxis hat sich der Begriff des Umweltschutzes weitgehend durchgesetzt, obwohl er eine Reduktion der Handlungsdimensionen im Bereich der Umweltpolitik impliziert. So spricht Art. 174 I EG V korrekter von der Erhaltung und dem Schutz der Umwelt sowie der rationellen Verwendung der natürlichen Ressourcen. Daher ist die von Steiger, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, l.Aufl., S.l (8), vorgeschlagene Bezeichnung "Umweltsorge" treffender. Allerdings ist die Gleichsetzung der Begriffe Umwelt und Umweltschutz im EGRecht durch die Erwähnung des letzteren in der Integrationsklausel nach Art. 6 (ex-Art. 130 r II S. 3) EGV angelegt. Dagegen erwähnt Art. 2 EGV neben dem Umweltschutz die Aufgabe der Verbesserung der Umweltqualität 6 Grabitz/Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, EUV{EGV, Art. 130 r, Rdnr. 2, unter Aufgabe der Ansicht in der Vorauflage. 7 Breier!Vygen, in: Lenz, EGV, Art. 174, Rdnr.4; Vorwerk, S. 24; Palme, S. 25ff.; Schröer, S. 43 ff., der den Begriff zwar für entwicklungsoffen hält, aber dennoch an der natürlichen Umwelt festhält; Epiney, S. 6f.; Frenz, S. l9f.; Wasmeier, S. 24 f.; Grabitz!Nettesheim, in: Grabitz/ Hilf, EG V, Art. 130 r, Rdnr. 2, 3, mit der Folgerung, daß Maßnahmen zum Schutz von Sachgütern und dem kulturellen Erbe auf ex-Art. 235 EGV gestützt werden müßten. 8 Grabitz/Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, EUV{EGV, Art. 130r, Rdnr. 2. 9 Schröer, S.43, Grabitz!Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, EUV{EGV, Art. 130r, Rdnr. 2; unklar Wasmeier, S. 27, der die "Arbeitsumwelt" nicht vollständig zur "Umwelt" rechnen will und dies dann als Beleg dafür ansieht, daß die soziale Umwelt nicht erfaßt sei. 10 Vorwerk, S. 24; Palme, S, 25 f.; Schröer, S.43 ff.;Wasmeier, S. 25. 11 Oppermann, Rdnr.2006; Krämer, in: GTE,EUV{EGV, Art. 130r, Rdnr.3; Kahl, S. 18; ihm folgend Breier/Vygen, in: Lenz, EGV, Art. 174, Rdnr. 4; Cal/iess, in: Calliess/Ruffert, EUV/ EGV, Art. 174, Rdnr. 8, unter Bezugnahme auf das Sekundärrecht; Kuntze, S. 208. 12 Sehr weitgehend Krämer, in GTE, EWGV, Art. 130r, Rdnr. 2; zurückhaltender ders., in: GTE, EUV{EGV, Art. l30r, Rdnr. 3.

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

tenzen. Bei ihrer Einführung sei eine nähere Umschreibung des Umweltbegriffs durch Adjektive wie "natürlich" oder durch eine enumerative Aufzählung nicht mehrheitsfahig gewesen.l3 Ferner bestätigten die Umweltprogramme der Gemeinschaft die weite Sicht, da sie sich neben der Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen auch auf die Ausgestaltung der wirtschaftlichen und sozialen Umwelt erstreckten.14 Gestützt werde die weite Interpretation des weiteren durch Art. 3 der UVP-Richtlinie, der explizit auch den Schutz von Sachgütern und des kulturellen Erbes in den Umweltschutz miteinbeziehe.I5 Die Einführung der Kompetenz für Arbeitsschutz stehe dem nicht entgegen, da sie Iex specialis zu Art. 175 (exArt.130s) EGV sei} 6 Zudem sei der Begriff der Arbeitsumwelt nur auf den Schutz der Sicherheit und Gesundheit von Arbeitnehmern bezogen und damit enger als die Bezeichnung soziale Umwelt}? b) Stellungnahme

Weder die restriktive noch die weite, die soziale und kulturelle Umwelt insgesamt umfassende Ansicht können überzeugen, sondern es ist einer vermittelnden Lösung der Vorzug zu geben. Erfaßt werden der Mensch, die natürliche und die von Menschen geschaffene Umwelt. Die soziale und kulturelle Umwelt sind nicht völlig ausgeschlossen, werden aber nur insoweit einbezogen, als sie Ausdruck des Wohlbefindens des Menschen sind und einen engen Zusammenhang mit den anderen geschützten Bereichen aufweisen. Das Kriterium eines engen Zusammenhangs ist auch dem natürlichen Umweltbegriff nicht fremd. So gehört zwar der Schutz des Bodens zur Umweltpolitik, insbesondere im Immissionsschutzrecht oder in der Richtlinie über die Verwendung von Klärschlamm 18 , nicht erfaßt werden aber die zivilrechtliehen Regelungen über das Eigentum am Boden. 19 Auch die Gesundheit des Menschen ist nicht umfassend Teil der EG-Umweltpolitik, sondern nur soweit ein enger Bezug zu den genannten Bereichen besteht, während der Kampf gegen Krankheiten im übrigen der Gesundheitspolitik überantwortet wird.20 Um diese unterschiedlichen Ausprägungen des Umweltbegriffes zu systematisieren, ist in der Literatur ein Modell von primärem Kahl, S. 14, Fn. 26m. w. N. Krämer in: GTE, EUV/EGV, Art. l30r, Rdnr. 3 spricht von den wirtschaftlichen, sozialen und ästhetischen Aspekten der Umwelt. 13 Kahl, S. l7. 16 Kahl, S. 15. 17 Kahl, S. 15 f. 1' RL86/278/EWG, ABI.L 181 , S. 6; geändert durch RL9l/692/EWG, ABI.L377, S.48. 19 Daß auch zwischen Zivilrecht und Umweltrecht enge Verbindungen bestehen, belegt die Entwicklung des Umweltrechts auch aus dem Nachbarrecht heraus. 20 Das Aktionsprogramm über durch Umweltverschmutzung bedingte Krankheiten, ABI. 1997, C214, S. 7, ist auf ex-Art. l29 (152) EGV gestützt worden. 13 14

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und sekundärem System vorgeschlagen worden.21 Grundsätzlich ist einer Systematisierung in verschiedenen Kreisen zuzustimmen, doch sollte nicht der Eindruck einer Rangordnung entstehen. Denn wesentlich für die Definition der Umwelt sind nicht allein die einzelnen Elemente, sondern auch deren Wechselwirkungen untereinander. So können gerade vermeintlich peripher verortete Bereiche, wie soziale Verhaltensweisen, erhebliche Auswirkungen auf die natürlichen Umweltmedien haben. Das primäre Gemeinschaftsrecht enthält keine Definition des Begriffes Umwelt. Jedoch erteilt es einem restriktiven Begriffsverständnis im Sinne einer "natürlichen" Umwelt eine klare Absage. Denn schon bei Einführung der Umweltpolitik in den EG-Vertrag war die nähere Beschreibung des Umweltbegriffs durch das Adjektiv "natürlich" nicht mehrheitsfaltig gewesen. 22 Wenn die restriktive Ansicht daher zugesteht, daß auch die vom Menschen gestaltete natürliche Umwelt einzubeziehen ist, verliert sie im Ergebnis selbst an Überzeugungskraft Denn Steiger hat darauf hingewiesen, daß die vom Menschen gestaltete Umwelt zwar an den natürlichen LebensgrundJagen ansetzt, aber von diesen ausgehend auch die Herstellung neuer Sachen umfaßt, die auch in chemischer Herstellung neu zusammengefügt sein können.23 In diesem Sinne istjede künstliche Produktion im Grunde vom Menschen gestaltete natürliche Umwelt. 24 Mit der Einbeziehung der vom Menschen geschaffenen Umwelt wird der Schutz ausgeweitet auf Sachgüter und kulturelle Güter, im Sinne von Monumenten oder architektonischen Denkmälern. Insofern ergibt sich bereits aus diesem Gedanken, daß unter entsprechenden Voraussetzungen auch Gegenstände des kulturellen Lebens erfaßt sein können. Das wird durch die Veränderungen im Primärrecht durch den Maastricht-Vertrag bestätigt. Nach Art.l74I(ex-Art.130r I) EGV trägt die Umweltpolitik der Gemeinschaft zur Erhaltung und dem Schutz der Umwelt sowie zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der rationellen Verwendung der natürlichen Ressourcen bei. Nach der Systematik sind bei der Definition auch die in Art.175 (ex-Art.130s) II EGV aufgeführten Bereiche zu beachten. Vereinzelt wird dagegen in der Literatur behauptet, Art. 175 II EGV komme nur verfahrensrechtliche Bedeutung zu, er führe 21

Vgl. Steiger, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, l.Aufl., S.1 (5), der allerdings,

S. 7, die nichtgegenständlichen Elemente aus dem Umweltbegriff ausschließen will. 22 Kahl, S. 14m. w. N.

23 Steiger, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, I . Aufl., S. 1 (5) nennt u. a. Städte, Maschinen und chemische Herstellungen. In der Konsequenz dieser Sicht liegt es, auch die soziale Umwelt zu erfassen. Dagegen grenzt Steiger, S. 7, die anderen Menschen und die nichtgegenständlichen Elemente aus und gelangt so zu einem engeren Begriff. 24 Hartkopf/Bohne, S. 3 sehen natürliche und soziale Umwelt als Teile des Umweltbegriffs, die nicht streng voneinander getrennt werden können; dagegen sieht H opfmann, S. 15, zwar die Zusammenhänge zwischen natürlicher und künstlicher Umwelt, meint aber das nur die erstere ohne die letztere überleben könne. Ob diese These einer strengen Evaluierung standhält ist fraglich, denn auch künstlich geschaffene Organismen (Biotechnologie) können überleben und auch in der natürlichen Umwelt können Spezies ohne künstliche Eingriffe untergehen.

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aber nicht zu einer materiellen Erweiterung des Umweltbegriffs.25 Dabei wird übersehen, daß die Vorschrift bereits im Rahmen der systematischen Auslegung des Umweltbegriffs einbezogen werden muß. Sie stellt die Zugehörigkeit zur Umweltpolitik für Bereiche klar, in denen das zuvor umstritten gewesen ist. 26 Aus der systematischen Stellung zu dem die Ziele der Umweltpolitik definierenden Art. 174 EGV folgt allerdings, daß es sich nicht um originäre, umfassende Kompetenzen handelt, sondern daß diese Bereiche nur erfaßt werden, sofern ein enger Zusammenhang mit den anderen Elementen des Umweltbegriffs gegeben ist. 27 So gibt bspw. Art. 175 II 1. Spiegelstrich EGV keine umfassende Kompetenz für Maßnahmen überwiegend steuerlicher Art, sondern nur begrenzt für umweltpolitische Zwecke. In diesem Sinne zählen nach Art. 175 112. Spiegelstrich EGV auch Maßnahmen der Raumordnung zur Umweltpolitik. Hierunter fällt auch die Stadtplanung und somit die vom Menschen geschaffene Umwelt, wie sich aus der gleichermaßen verbindlichen englischen Fassung ("town and country planning") und den insofern offenen Formulierungen in den anderen sprachlichen Fassungen ergibt.28 Demnach ist auch die urbane Umwelt, insbesondere Gebäude, erfaßt. Es gibt keinen Anlaß, aus diesem Verständnis Denkmäler auszunehmen, soweit der erwähnte enge Zusammenhang mit den anderen Elementen des Umweltbegriffs vorliegt. Ferner wird man die Ausweisung von Grüngebieten oder Erholungsgebieten in der Raumordnung darunter fassen müssen. Gerade das Beispiel der Erholung zeigt, daß eben soziale Verhaltensweisen, die für das Wohlbefinden des Menschen erheblich sind, als Schutzgut nicht grundsätzlich ausgeklammert werden. Ein solches Verständnis erlaubt bspw. die Einbeziehung des Schutzes vor Geruchsbelästigungen, die keine unmittelbaren Auswirkungen auf die körperliche Verfassung des Menschen haben. Nur wenn man soziale Verhaltensweisen in diesem Sinn in den Umweltbegriff miteinbezieht, kann man Abgaben für Lärmbelästigungen unterhalb der Schwelle der Gesundheitsbeeinträchtigung, die an Tatigkeiten zu bestimmten Tageszeiten wie Nachtlandungen bei Flugzeugen anknüpfen, zu den Umweltabgaben zählen.29 Auch 25 Frenz, S. 15, 23, unzutreffend unter Berufung auf Matuschak, DVBl 1995, 81 (87), der sich nämlich nur dagegen ausspricht, die in ex-Art.130s II EGV erfaßten Bereiche als umfassende Kompetenzen zu verstehen. 26 Epiney, S. 57; Schmitz, S. 130; Epiney/Furrer, EuR 1992, 369 (397). 27 Im Ergebnis auch Epiney, S. 56. 28 Scherer/Heselhaus, in: Dauses, EU-WirtschaftsR, Umweltrecht, Rdnr. 33; Breyer/Vygen, in: Lenz, EG-Vertrag, Art. 175, Rdnr. 12. Grundsätzlich sind alle Fassungen gleichermaßen verbindlich. Da in diesem Fall aber die deutsche der Interpretation fähig ist und die englische eindeutig, aber im Rahmen der ersteren bleibt, kann von einer Auslegung im englischen Sinne ausgegangen werden. Vgl. auch die Gemeinschaftsinitiative für städtische Gebiete, KOM (94) 61; Initiativstellungnahme des WSA, CES 983/97, Zur nachhaltigen Entwicklung- Bauen und Wohnen in Europa. 29 Insofern zum Umweltbegriff nicht konsequent Wasmeier, S. 26; enger aber Grabitz/Nettesheim in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 130r, Rdnr. 2.

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der Zweck der Vorschrift erfordert die grundsätzliche Einbeziehung sozialen Verhaltens. Denn Umfang und Vielgestaltigkeit der umweltpolitischen Probleme verlangen einen umfassenden Politikansatz, der in immer stärkerem Maße das Verhalten Privater miteinbezieht. 30 Dieses Verständnis kommt beispielhaft in der Umweltinformationsrichtlinie31 zum Ausdruck, die in ihren Wirkungen ein bestimmtes soziales Verhalten, die Informationsbeschaffung, unabhängig von konkreten Gefahrenlagen für die Umwelt fördert. Zugleich zeigt die dort vorgenommene engere Definition des Umweltbegriffs ohne Rekurs auf die soziale oder kulturelle Umwelt32, daß Informationonsbeschaffung nicht an sich geschützt wird, sondern nur im engen Zusammenhang mit den anderen Elementen des Umweltbegriffs. Aufgrund der Aarbus-Konvention wird der Umweltbegriff der Richtlinie aber erweitert auf "Bedingungen für menschliches Leben, Kulturstätten und Bauwerke in dem Maße, in dem sie vom Zustand der Umweltbestandteile oder auf dem Weg über diese Bestandteile und( ...) Tätigkeiten oder Maßnahmen (im Bereich des Umweltschutzes) betroffen sind oder sein können".JJ Dieses Umweltverständnis wird in rechtsvergleichender Sicht durch die Rechtsprechung des Menschenrechtsgerichsthofes in Straßburg zur EMRK bestätigt. Dieser hat aus dem Recht auf ungestörte Privatsphäre Ansprüche des einzelnen auf Informationen über den Stand der Umwelt in seiner Umgebung abgeleitet. 34 Die nationalen Vorstellungen vom Umweltbegriff sind allerdings so unterschiedlich, daß sie nicht die Auslegung des EG-Rechts als allgemeine Rechtsgrundsätze bestimmen können. 35 Der eher restriktiven deutschen Sicht36 steht das relativ weite Begriffsverständnis im englischen und französischen (environment, environnement) gewöhnlichen Sprachgebrauch gegenüber, das die physikalischen, chemischen und biologischen Faktoren, aber auch die sozialen und kulturellen Bedingungen menschlichen Lebens umfaßt. 37 In mehreren europäischen Staaten enthält ferner der rechtliche Umweltbegriffneben den natürlichen Lebensgrundlagen auch das kulturelle Erbe.38 Jedoch zeigt das französische Verständnis beispielhaft Begrenzungen für die Berücksichtigung der sozialen Umwelt. Ausf. zum Prinzip gemeinsamer Verantwortung und Partnerschaft unter B.l. 2. c) gg). RL90/313/EWG, ABI. 1990, L 158, 5.56. 32 RL90/313/EWG, ABI. 1990, L 158, S.56. 33 Art. 2 Nr. 3.c des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, KOM (98) 344. 34 EGMR, EuZW 1999, 188 ff. (Guerra u. a. vs. Italien). 3s Epiney, S.4; Oppermann, Rdnr.482 ff.; dagegen lehnen Palme, S. 24 und Kahl, S. 14 jeden Rückgriff auf nationale Vorstellungen ab. 36 Vgl. die Nachweise bei Kloepfer, S. 17f., der selbst aber für die Einbeziehung der vom Menschen gestalteten Umwelt plädiert. Zum Ursprung des Wortes "Umwelt" als soziale Umwelt Lersner, NuR 1999, 61 (63). 37 Kiss!Shelton, Traite, S. 3m. w. N.; Prieur, S.l. 38 Kiss/Shelton, Traite, S. 3f. m. w. N. auf Bulgarien und Portugal. Jo

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Zwar werden in der französischen Literatur die Beziehungen zwischen den Menschen, die künstlich geschaffene Umwelt, die städtische Umwelt sowie die Arbeitsumwelt miteinbezogen.l9 Das Konzept des Umweltbegriffs umfaßt die natürliche Umwelt, den Lebensrahmen, die Vorstellung eines gemeinsamen "Erbes" sowie die Lebensqualität,40 kennt aber keine umfassende Einbeziehung des sozialen und kulturellen Bereiches. So wird das Konzept der Lebensqualität als inhaltlich wenig faßbar angesehen, soweit es mehr aussagen soll, als daß der Umweltschutz nicht nur eine Frage der Quantität sondern auch der Qualität ist, so daß ihm nur eine Bedeutung als moralische Rechtfertigung zukommt.41 Der Begriff des Lebensrahmens des Menschen (cadre de vie) umfaßt konkreter die urbane Umwelt, wie sie vom Menschen technisch und architektonisch gestaltet wird, zu der sowohl die Grünflächen und Bauten, als auch die soziale Umwelt gerechnet werden.42 Die Verbindung zur weiten Umweltdefinition in der UVP-Richtlinie der EG43 ist offensichtlich. Das Element des "patrimoine" im französischen Umweltbegriff meint schließlich die Verantwortung des Eigentümers sowie die Idee eines "Erbes", das an zukünftige Generationen weiterzugeben ist.44 Auch das 5. Umweltprogramm der EG legt einen Schwerpunkt der nachhaltigen Entwicklung auf die Erhaltung von Entwicklungschancen zukünftiger Generationen45 , zieht damit aber die Verbindungslinie zu den anderen Bereichen des Umweltbegriffs. Es geht im Grunde um ein Verständnis von "Erbe", wie es im Völkerrecht im Begriff des "common heritage of mankind"46 für einen bestimmten Ausschnitt aus der internationalen Umwelt anklingt. Im Ergebnis ist also jeweils ein enger Bezug zu den anderen Gütern des Umweltschutzes zu verlangen. Dagegen kann das Hauptargument der Gegenauffassung, daß mit Einführung der neuen Kompetenzen für Kultur, Arbeitsschutz und Gesundheit, der Umweltbegriff um diese entleert worden sei47 , nicht überzeugen. Grundsätzlich spricht das Erfordernis einer effektiven Abgrenzung der unterschiedlichen Rechtsetzungskompetenzen gegen einen uferlosen Umweltbegriff. Auch die Integrationsklausel nach Art. 6 (ex-Art. 130riiUA 1 S.1) EGV, nach der die Erfordernisse des Umweltschutzes bei den anderen Gemeinschaftspolitiken beachtet werden müssen, legt nahe, daß diese Kiss!Shelton, Traite, S. 4. AusfUhrlieh Prieur, S. 1-6. 41 Nach Prieur, S. 5, kann das Konzept der Lebensqualität in Frankreich vom Umweltschutz unterschieden werden, wie die Aufgabenbeschreibung des 1983 eingeführten Ministeriums für Umwelt und Lebensqualität belege. 42 Prieur, S. 5. 43 RL85/337/EWG, ABI. 1985, L175, S.40; geändert durch RLll/97/EG, ABI. 1997, L 73, S. 5, wonach auch die Wechselwirkungen mit den Sachgütem und dem kulturellen Erbe erfaßt werden. 44 Prieur, S. 5. 45 5. Umweltprogramm, ABI. 1993, C 138, S.l. 46 Vgl. dazu Gloria, in: K. lpsen, Völkerrecht,§ 54, Rdnr. 21 f. 47 Grabitz!Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, EUVlEGV, Art. 130 r, Rdnr. 2; Wasmeier, S. 25. 39

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Bereiche nicht unbegrenzt zur Umweltpolitik gezählt werden können. 48 Jedoch ist die Folgerung, damit sei der Umweltbegriff um diese Bereiche entleert worden, zu weitgehend. Bezüglich des Gesundheitsschutzes nach Art. 152 (ex-Art. 129) EGV spricht dagegen bereits der Wortlaut des Art. 174 EGV, in welchem zugleich der Gesundheitsschutz als Teil des Umweltschutzes bestätigt worden ist. Zwischen beiden Bereichen liegt kein Spezialitätsverhältnis vor, vielmehr überschneiden sie sich.49 Dementsprechend verlangt Art.152IEGV die Integration des Gesundheitsschutzes in die anderen Politiken und damit auch in die Umweltpolitik. Die damit notwendige Kompetenzabgrenzung nimmt der EuGH grundsätzlich nach dem Schwerpunkt der Maßnahme vor. 50 Würde er von einem engen Umweltverständnis ausgehen, müßte er bei Auswirkungen in beiden Bereich nach dem Prinzip begrenzter Ermächtigung eine Abstützung auf doppelte Rechtsgrundlagen verlangen. 51 Ist der Gesundheitsschutz nach Art. 152 EGV somit nicht spezieller, muß für den Gesundheitsschutz in Art. 174 EGV ein enger Zusammenhang mit den anderen Umweltgütern vorliegen. 52 Daran fehlt es bspw. bei Krankenversicherungsbeiträgen, die daher nicht dem Umweltschutz nach Art. 174 EGV unterfallen. In ähnlicher Weise sind die Kompetenzen der Gemeinschaft für Arbeitsumwelt, Sozialpolitik und Kultur wesentlich begrenzter als die Umweltkompetenz. So sieht Art.137IIUA 2 EGV im Bereich der Arbeitsumwelt vor, daß in den Richtlinien keine finanziellen und rechtlichen Auflagen vorgeschrieben werden sollen, die der Gründung und Entwicklung von Klein- und Mittelbetrieben entgegenstehen. Auch die sozialpolitischen Normen nach Art.136ff. EGV und die Kulturkompetenz nach Art. 151 EGV eröffnen der EG nur einen beschränkten Handlungsspielraum. Im Vergleich zur Umweltpolitik unterliegt die Gemeinschaft dort strengeren Beschränkungen, die die Mitgliedstaaten aber nicht für den gesamten Bereich der Umweltpolitik aufstellen wollten. Eine Verringerung des Umweltschutzes um Maßnahmen, die diese Bereiche in irgendeiner Weise berühren, entspricht nicht der Aufwertung des Umweltschutzes durch seine ausdrückliche Erwähnung in den allgemeinen Zielen in Art. 2 EGV im Amsterdamer Vertrag. Mithin sind nicht Bereiche aus der Umweltpolitik herausgelöst worden, sondern die Verbandskompetenz der Gemeinschaft ist ergänzt worden. Auch im Begriff der Arbeitsumwelt wird der Begriffsteil "Umwelt" umfassend verstanden. Er stammt ursprünglich aus dem skandinavischen Recht, wo er auch ergonomische Maßnahmen der Arbeitsorganisation, wie auch die 48 Allerdings folgt aus dem Integrationsprinzip, daß umweltpolitische Maßnahmen auch auf andere Rechtsgrundlagen gestützt werden können, EuGHE 1990, 1527 (1547ff.); 1991, 2867 (2898 ff.); Breier!Vygen, in: Lenz, EGV, Art. 6, Rdnr. 5 ff. 49 Wie hier Epiney, S. 8; Kahl, S. 21. so EuGHE 1991, I-2867ff., Rs. C-300/89, "Titandioxid"; ständige Rspr.; einen Überblick über den Meinungsstand in der Literatur geben Kahl, S. 275 ff.; Schröer, S. 105 ff.; ausführlich dazu unter B. II. 2.c) bb). SI Heselhaus, NVwZ 1999, 1190ff. s2 So ist das Aktionsprogramm über durch Umweltverschmutzung bedingte Krankheiten auf ex-Art.l29 (Art. I 52) EGV gestützt worden, ABI. 1997, C214, S. 7.

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Beziehungen der Arbeitnehmer untereinander umfaßt53 • Dieser Sicht folgt auch der EuGH unter Hinweis darauf, daß die Kompetenzen für Arbeitsschutz im Kapitel über die Sozialvorschriften stehen.54 Im Überlappungsbereich mit der Umweltschutzkompetenz ist die Kompetenzabgrenzung dann nach dem Hauptzweck der Maßnahme vorzunehmen.ss Auch wenn der Umweltbegriff des Primärrechts entwicklungsoffen ist56, wird er damit nicht völlig zur Disposition der EG-Rechtsetzungsorgane gestellt. Im übrigen streiten die umweltrechtlichen Sekundärrechtsakte nicht für eine umfassende Einbeziehung der sozialen Umwelt. Nach einer früheren Mitteilung der Kommission über ein Umweltschutzprogramm der EG57 umfaßt die Umwelt die Gesamtheit der Elemente, die in ihrem komplexen Zusammenwirken den Lebensrahmen, das Milieu und die Lebensbedingungen des Menschen und der Gesellschaft bilden. Im 1. Umweltprogramm waren insbesondere Tätigkeiten in der Stadtentwicklung (Grüngürtel), der Verbesserung der Umwelt am Arbeitsplatz, aber auch die zunehmende Landflucht der Bevölkerung und die Abwanderung in die Städte thematisiert worden.58 In den folgenden Programmen sind die Aspekte der Stadtplanung und des architektonischen Erbes aufgegriffen und vertieft worden.59 Die Entwicklung der Umweltprogramme zeigt, daß der Umweltbegriff nicht pauschal auf die soziale und kulturelle Umwelt ausgedehnt worden ist. Zum einen sind Bereiche wie der Arbeitsschutz in den späteren Umweltprogrammen nicht mehr erwähnt worden. Zum anderen wird das soziale Umfeld nur erfaßt, soweit es mit Problemen in den anderen Bereichen der Umweltpolitik verknüpft ist. Im 5. Umweltprogramm wird das Ziel eines dauerhaften und umweltgerechten Wachstums damit umschrieben, daß eine stetige wirtschaftliche und soziale Entwicklung erreicht werden soll, ohne daß die Umwelt geschädigt wird. 60 Damit werden die Bereiche des Sozialen und der Umwelt 53 Junghanns, in: Lenz, EGV, Art. 137, Rdnr 9. Der Begriff Arbeitsumwelt geht auf einen dänischen Vorschlag zurück, Pipkorn, in: GTE, EGV, Art. 118 a, Rdnr.4, 23 f. 54 EuGHE 1996,1-5755 (5806), Rs. C-84/94. 55 So zur Abgrenzung zwischen ex-Art.118 a und IOOa EGV EuGHE 1996,1-5755 (5808f.), Rs. C-84/94. Zu Unrecht schließen Molkenbur, DVBI. 1990, 683, ihm folgend Kahl, S. 15, aus der Erwähnung der Arbeitsumwelt in Art. 137 EGV sogar auf einen weiten Umweltbegriff, weil es sich dabei um eine speziellere Norm zu Art. 174 EGV handele. A. A. Schröer, S. 267 f. Ob tatsächlich ein Spezialitätsverhältnis anzunehmen ist, wäre jedenfalls die Folge eines weiten Umweltbegriffes und nicht dessen Beleg. 56 Das erkennen auch Vertreter einer engeren Auffassung an, Schröer, S. 44. 57 ABI. 1972, C52, S.1 (4). 58 ABI. 1973, C 112, S. l, (41 f.), insbesondere auch unter Titel II. 59 3. Umweltprogramm, ABI. 1983, C46, S. 5 (24); einen Überblick bietet Kahl, S. 16f. 60 5. Umweltprogramm, ABI. 1993, C 138, S. 1; vgl. zur sozialen Dimension auch WSA, CES 983/97, S. 3, ..Nachhaltige Entwicklung- Bauen und Wohnen in Europa" ; auch die Kommission differenziert in ihrer Antwort, ABI. 1995, C257, S. 23, zwischen Umwelt und der sozio-ökonomischen Entwicklung. Im Beschluß über die Überprüfung des 5. Umweltprograrnms, ABI. 1998, L 275, S. 1, liegt der Schwerpunkt auf einer Vertiefung der Umweltanstrengung in den betroffenen Bereichen.

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begrifflich unterschieden und das soziale Umfeld des Menschen nicht generell dem Umweltbegriff zugewiesen. Zu den Merkmalen der umweltgerechten Entwicklung gehört die Erhaltung der allgemeinen Lebensqualität, die Bewahrung des Zugangs zu den natürlichen Ressourcen und die Vermeidung bleibender Umweltschäden. Diese Formulierung ist deutlich zurückhaltender als im 1. Umweltprogramm von 1973, das noch unter dem Zweck der Umweltpolitik umfassend die Verbesserung des Lebensrahmens, des Lebensraumes und der Lebensbedingungen einschließlich der Lebensqualität verstand.61 Für die Sekundärrechtsakte hat die EG das Problem des Umweltbegriffs dadurch pragmatisch gelöst, daß sie jeweils den Begriff zugeschnitten auf den zu regelnden Sachbereich in den Rechtsakten definiert. 62 Die umfassendste Definition ist in der Umweltverträglichkeitsrichtlinie erfolgt, die dem Schutz von Mensch, Fauna und Flora, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft sowie Sachgütern und dem kulturellen Erbe und auch der Wechselwirkungen zwischen diesen dient.63 Doch zeigt der Anwendungsbereich der UVP-Richtlinie nach den in ihrem Anhang aufgeführten Projekten, daß es dabei nicht um Sozial- oder Kulturpolitik geht, sondern daß das kulturelle Erbe bspw. in Beziehung zu Projekten mit Auswirkungen auf den Menschen und dessen natürlicher oder geformter Umwelt relevant werden kann. Unter Beachtung des hier vertretenen engen Zusammenhangs mit der natürlichen Umwelt ist diese Definition nicht zu beanstanden. Im Hinblick auf die Handlungsdimensionen ist die EG-Umweltpolitik nach einhelliger Ansicht umfassend angelegt. 64 Art. 174 II 1. Spiegelstrich EGV nennt den Schutz und die Erhaltung der Umwelt, während Art. 174 II 3. Spiegelstrich EGV auch den schonenden Umgang mit den natürlichen Ressourcen umfaßt. Insofern wäre es korrekter, umfassend von Umweltsorge als von Umweltschutz zu sprechen.65 Für bestimmte Bereiche, wie die Wasserbewirtschaftung und Maßnahmen, die die Wahl eines Mitgliedstaates zwischen Energiequellen berühren, ist nach Art. 175 II EGV einstimmige Beschlußfassung im Rat erforderlich. Aus der Systematik mit Art. 174 EGV ergibt sich, daß auch die Nutzung von Energiequellen in der Umweltpolitik geregelt werden kann. 66 Daraus können sich für Umweltabgaben be61 ABI. 1973, C 112, 5.1 ff. Allerdings waren auch schon damals die konkreten Vorschläge auf einen wesentlich engeren Umweltbegriff konzentriert, S. II . 62 Vgl. den Überblick bei Kahl, S. 17. 63 RL 85/337/EWG, ABI. 1985, Ll75, S.40. Nach der neuesten Fassung auch die Wechselwirkungen mitden Sachgütem und dem kulturellen Erbe, vgl. Art.3 RL 11/97/EG, ABI. 1997, L 73, S. 5. 64 Zuleeg, NVwZ 1987,280 (281); Vandermeersch, ELRev 1987,407 (423f.); CEDE-Kommentar, S. 10736 D; Kahl, S.!8; Grabitz/Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 130s, Rdnr. 11 ff. 65 So schon allgemein zur Umweltpolitik Steiger, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, 1. Auf!., S. I (8). s. aber die Bezeichnung Umweltschutz in Art. 2 EGV. 66 Der frühere Vorbehalt der Mitgliedstaaten gegenüber Maßnahmen, die sich störend auf die einzelstaatliche Politik der Nutzung der Energieressourcen auswirken ist mit dem Maas-

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sondere Abgrenzungsprobleme im Bereich der Ressourcenbewirtschaftung ergeben.67 Denn aus der Erwähnung von Maßnahmen überwiegend steuerlicher Art in Art. 175 II EGV folgt jedenfalls, daß die instrumentelle Dimension des Umweltbegriffs Abgabenregelungen nicht ausschließt.68

c) Anthropozentrischer Umweltbegriff

Definitionen des Umweltbegriffs kann man ferner danach unterscheiden, ob sie den Schutzzweck des Umweltrechts anthropozentrisch oder ökozentrisch bestimmen.69 Aus dem gemeinschaftlichen Primärrecht läßt sich nicht eindeutig erkennen, welcher der beiden Alternativen es verpflichtet ist, da die Bestimmungen über die Umweltpolitik insofern offen gehalten sind.70 Zur Zeit des Maastricht-Vertrages war die Zielausrichtung in ex-Art. 2 EGV, insbesondere bezüglich Wachstum und der Hebung der Lebenshaltung und Lebensqualität, auf den Menschen und die Gesellschaft ausgerichtet. Doch führt Art. 2 EGV in seiner neuen Fassung den Umweltschutz und die Verbesserung der Umweltqualität separat auf. Die anthropozentrische Sichtweise liegt schon aus erkenntnistheoretischen Gründen nahe. Auch ein Blick auf die Akteure in der gemeinschaftlichen Umweltpolitik erhellt, daß sich regelmäßig nur besondere, Menschen berührende Interessen auf der supranationalen Ebene durchsetzen können. Vereinzelt finden sich im Sekundärrecht zwar Beispiele für einen Schutz der Natur ohne deutlichen Bezug zum Menschen, wie das Verbot der Einfuhr von Robbenfellen71 , bei dem der Mitleidseffektausschlaggebend gewesen ist. Jedoch betrachtet das Gemeinschaftsrecht das Verhältnis zwischen Natur, Fauna und Flora, und dem Menschen als ein auszugleichendes Spannungsverhältnis. Diese Sicht liegt auch dem internationalen Abkommen über die biologische Vielfalt zugrunde.72 Deutlich wurde dies bereits in der früheren Auseinandersetzung, ob der Schutzumfang des Tierschutzes in der EG über das für die wettbewerbsrechtliche Harmonisierung Erforderliche hinausgehen triebt-Vertrag weggefallen; vgl. zur früheren Situation und zur umstrittenen rechtlichen Beurteilung der betreffenden Erklärung Grabitz!Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art.l30r, Rdnr. 27 m. w. N. 67 Dazu unter A. IV. 2. 68 Ausf. unter B. I. 3. 69 Einen Überblick über die Literatur zum anthropozentrischen und zum ökozentrischen Ansatz geben Hoppe/Bleckmann, S.19ff. 70 Der Umweltbegriff bleibt insofern in Art. 174 EGV offen, weil er den Schutz der menschlichen Gesundheit nur als Teilgebiet aufführt; wie hier Palme, S.24; Vorwerk, S.13f.; Wasmeier, S. 24; Insbesondere könnte man die umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen nach Art. 174 I EG V auch als Selbstzweck verstehen; zum ressourcenökonomischen Umweltschutz vgl. die Nachweise bei Hoppe!Bleckmann, S. 21. 71 RL83/129/EWG, ABI. 1983, L91, S. 30. 72 Steiger, NuR 1995,437 (439).

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darf.73 Selbst der in Art. 174 I EGV angelegte ressourcenpolitische Ansatz ist nicht völlig unabhängig von menschlichen Bedürfnissen zu sehen.74 Denn dieser wird im 5. Umweltprogramm in den Rahmen eines dauerhaften und umweltgerechten Wachstums gestellt, dessen Zweck vor allem darin liegt, zukünftigen Generationen Entwicklungs- und Nutzungschancen offenzuhalten.75 Andererseits ergeben sich aus den genannten Vorschriften auch Ansätze für einen ergänzenden ökozentrischen Ansatz. 76 Im Gemeinschaftsrecht werden die Unterschiede zwischen den beiden Grundpositionen allerdings durch die Aufnahme des Vorsorge- und des Vorbeugungsprinzips in Art. 174 II EGV sowie insbesondere durch das Ziel einer dauerhaften und umweltgerechten Entwicklung eingeebnet. Diese beiden Aspekte erlauben ein Tätigwerden schon weit unterhalb der Schwelle von Gefahren für den Menschen. Damit wird auch bei anthropozentrischer Sichtweise ein Handeln zum Schutz der Umwelt schon möglich, ohne daß nachweisbar menschliche Interessen betroffen sein müssen. Ein Beleg dafür ist das Abkommen über die biologische Vielfalt, dem die Gemeinschaft beigetreten ist.77 Dieses wurde zwar in dem Bewußtsein des Eigenwertes der biologischen Vielfalt abgeschlossen. Doch stellt die Präambel zugleich den Bezug zum Menschen her, indem sie die Bedeutung der biologischen Vielfalt für die Evolution und die Bewahrung der lebenserhaltenden Biosphäre hervorhebt und als gemeinsames Anliegen der Menschheit bezeichnet.78 d) Räumliche Weite des Umweltbegriffs

In räumlicher Hinsicht ist der Umweltbegriff nicht nur auf das Gebiet der Gemeinschaft beschränkt. Schon seit langem ist anerkannt, daß die EG auch bei Umweltproblemen in Drittstaaten helfend tätig werden darf, soweit diese Auswirkungen auf die Umwelt in der EG haben.79 Art. 174 I 4. Spiegelstrich EGV erlaubt seit dem Maastricht-Vertrag ausdrücklich auch die Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler oder globaler Umweltprobleme. Schon zuvor ist die Außenkompetenz im Umweltbereich gemäß ex-Art. 130r IV EGV, der die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene geregelt hat, als gesichert angesehen worden. Der neuen Vorschrift kommt daher nur dann ein eigenständiger Sinn zu, wenn sie auch Maßnahmen in Regionen erlaubt, ohne daß ein unmittelba73 Vgl. den Hinweis auf die Ansicht des Rates in EuGHE 1988, 905 (916), Rs. 131/86 "Legehennen". 74 So aber Erbguth, S. 44ff. 75 5. Umweltprogramm, ABI. 1993, C 138, S.l ff. 76 In diesem Sinne zum Umweltbegriff allgemein Steiger, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, l.Aufl., S.l (9). 77 ABI. 1993, L309, S.3. 78 1.-3. Begründungserwägung, Präambel der Konvention über die biologische Vielfalt vom 29.12.1993, abgedruckt in: Burhenne, Internationales Umweltrecht 992:42. 79 Oppermann, Rdnr. 2034; Grabitz!Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 130r., Rdnr.102f.

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

rer Bezug zur Gemeinschaft bestehen muß. 80 Danach kann die EG sowohl als Teil der Region als auch durch grenzüberschreitende Umweltbeeinträchtigungen oder bereits durch ähnliche Auswirkungen der konkreten Problematik in der EG betroffen sein. Folgerichtig kann die EG bspw. in Osteuropa im Umweltschutz fördernd tätig werden, auch wenn es sich nicht um grenzüberschreitende Umweltprobleme handelt. So kann den für einen Beitritt in Frage kommenden mittel- und osteuropäischen Staaten bereits frühzeitig Hilfestellung für das Erreichen eines höheren Umweltschutzniveaus geleistet werden. Daraus folgt, daß das Aufkommen aus gemeinschaftlichen Umweltabgaben unter Umständen auch für umweltpolitische Zwecke in Staaten außerhalb der Gemeinschaft eingesetzt werden könnte, sofern es die allgemeinen Anforderungen an die Rechtfertigung der Erhebung von Abgaben zulassen. 2. Umweltbezug einer Abgabe Der Begriff der Umweltabgabe setzt einen Bezug der Abgabe zur Umwelt voraus, ohne diesen hinsichtlich seiner Art oder Intensität näher zu bezeichnen.S 1 Die Kriterien, deren Erfüllung einer Abgabe die Weihe der Umweltabgabe geben, sind umstritten. Zum Teil werden nur Abgaben, mit deren Erhebung Lenkungsziele verfolgt werden, als Umweltabgaben bezeichnet.82 Diese enge Sicht kann zwar für bestimmte Untersuchungsbereiche sinnvoll sein, beachtet aber für eine allgemeine Abgrenzung nicht genügend, daß sich der Umweltbezug grundsätzlich sowohl auf der Erhebungsseite einer Abgabe und dem damit verfolgten Zweck als auch auf der Verwendungsseite über die Nutzung der Einnahmen ergeben kann. 83 Zu ersteren sind auch Umweltabgaben zu rechnen, die ein Entgelt für die Beeinträchtigung oder die bloße Nutzung der Umwelt darstellen oder wirtschaftliche Vorteile zwischen Umweltnutzern ausgleichen können. 84 Daher ist eine Begrenzung auf Abga80 So schon Scherer!Heselhaus, in: Dauses, EU-WirtschaftsR, Umweltrecht, Rdnr. 16a; ähnliche Bsp. bei Breier!Vygen, in: Lenz, EGV, Art. 174, Rdnr. 9; a. A. Epiney!Furrer, EuR 1992, 369 (382); Grabitz!Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art.130r, Rdnr. 30; vgl. den auf ex-Art. 130r IV EGV gestützten Beschluß zum Abschluß des UN-Übereinkommens zur Bekämpfung der Wüstenbildung, ABI. 1998, L83, S. 1; Mitteilung der Kommission zur Zusammenarbeit zwischen Europa und Asien im Umweltbereich, KOM (97) 430. 8J Meßerschmidt, S. 35; Kloepfer, Hdb Umweltrecht, Sp. 2147. 82 So wohl Hansjürgens, S. 33ff., 108; F. Kirchhof, in: Rengeling, EUDUR I, § 38, Rdnr. 32ff., ihm folgend Oppermann, Rdnr. 2035, wenn sietrotzbestehender Gebührenregelungen im EG-Umweltrecht davon ausgehen, es gäbe noch keine EG-Umweltabgaben. 83 Meßerschmidt, S. 35; Wasmeier, S. 30f.; hauptsächlich werden Lenkungs- und Finanzierungszweck unterschieden, vgl. Kloepfer, Hdb Umweltrecht, Sp. 2152; Knüppel, S.40; Sandhövel, S.147; EUA, Ökosteuem, S.6; RSU, Umweltgutachten 1996, S. 323f.; Kommission, Tax Provisions, S.19; diese Typen stellen allerdings Idealtypen dar und treten in ihrer reinen Form in der Praxis selten auf. Zur instrumentalen Verknüpfung von Steuerrecht und Umweltpolitik Rodi, S. 35. 84 Zu Umweltnutzungs-undAusgleichsabgaben vgl. Meß erschmidt, S. 35, die über ihr Aufkommen sowohl der Finanzierung als auch über die finanzielle Belastung bei ihrer Erhebung

IV. Umweltabgaben in der EG

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ben für umwelterhebliche Handlungen, insbesondere die Verursachung von Emissionen, wie sie im deutschen Entwurf eines Umweltgesetzbuches vorgesehen ist85 , nicht sinnvoll. Sie erklärt sich vor allem aus Besonderheiten des deutschen Abgabenrechts.86 Nach anderer Ansicht sind an den Bezug zur Umwelt keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Insbesondere seien sowohl sogenannte Umweltabgaben im weiteren als auch im engeren Sinn erfaßt. Zu den letzteren sollen alle jene Abgaben zählen, die als Steuerungsinstrumente besonders zur Erreichung umweltpolitischer Ziele geeignet sind.87 Dies drückt sich in Definitionen aus, die entscheidend auf die Anreizfunktion abstellen oder verlangen, daß die Abgaben umweltspezifischen Aufgabenzwecken zu dienen bestimmt sein müssen.S8 Diese Voraussetzungen erfüllen alle Lenkungsabgaben und die Finanzierungsabgaben, deren Aufkommen für Verbesserungen beim Umweltschutz eingesetzt wird. Dagegen werden Abgaben wie die Benutzungs- und Entsorgungsgebühren zu den Umweltabgaben im weiteren Sinne gerechnet89 , weil ihnen gerade die Steuerungsfunktion fehle. Die weite Sicht ist für die vorliegende Untersuchung sinnvoll, denn zum einen können auch mit Umweltabgaben i. w. S. im Rahmen des Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzips in der konkreten Ausgestaltung begrenzte Lenkungseffekte erzielt werden.90 Zum anderen werden gerade mit ihnen dauerhafte Einnahmen erzielt. Deren rechtliche Bewertung kann wichtige Rückschlüsse auf die Behandlung der durch Umweltabgaben i. e. S. erzielten Aufkommen ermöglichen. So dient das Aufkommen aus Gebühren zwar als Entgelt für Verwaltungskosten, doch handelt es sich dabei um Verwaltungstätigkeiten, die ebenfalls dem Umweltschutz, bspw. der ordnungsmäßigen Müllentsorgung dienen. In vergleichbarer Weise sind auch die aufgrund der Umweltinformationsrichtlinie oder der Verordnung über ein EGUmweltzeichen erhobenen Gebühren als Umweltabgaben i. w. S. zu qualifizieren. 91

der Verhaltenslenkung dienen. Daher ist die oft in der Literatur zu findende Zweiteilung der Umweltabgaben verkürzend. 85 Art. 77 UGB-Entwurf, in Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann/Kunig, S. 69. 86 Da in § 81 UGB-Entwurf zugleich die Verwendung des Aufkommens geregelt wird, mußten Abgaben mit bereits bestehender Aufkommenszuweisung wie Steuern (im deutschen Sinne) ausgeklammert werden, vgl. die Begründung bei Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmannl Kunig, S. 339, 342 ff. 87 Kloepfer, Umweltrecht, § 5, Rdnr. 264 ff.; Wicke, S. 129ff.; dagegen verstehen Sprenger u. a., S. 20, unter Umweltabgaben im engeren Sinn die deutschen Sonderabgaben. 88 Kloepfer, Umweltrecht, § 5, Rdnr. 264. 89 Kloepfer, Umweltrecht, § 5, Rdnr.l65 f.; EUA, Ökosteuern, S.6, 8, rechnet sie zu den Urnweltabgaben. 90 Zur Beachtung externer Umweltkosten s. unter A.III.2.c). Vgl. Kloepfer/Rehbinderl Schmidt-Aßmann/Kunig, S. 341 ff., die die unterschiedliche verfassungsrechtlichen Grenzen für eine Lenkungswirkung bei unterschiedlichen Abgabentypen zusammenfassen. 91 A. a. Wasmeier, S. 340, dessen engere Sicht erklärt sich aus seinem UntersuchungszieL Wenn man fragt, ob für nationale Umweltabgaben besondere Ausnahmen von Regeln des EG-Verrages bestehen können, dann müssen diese in einem besonderen Maß der Umwelt dienen. 9 Heselhaus

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

Vereinzelt wird verlangt, daß Umweltabgaben schwerpunktmäßig dem Umweltschutz dienen müßten und dieser eines der wesentlichen Ziele der betreffenden Regelung sein müsse. 92 Eine solche Begrenzung kann sinnvoll sein, wenn man untersucht, ob Umweltabgaben einer besonderen Behandlung unterliegen sollten, insbesondere ob sie Ausnahmen von Art. 90 EGV oder nationale Alleingänge nach Art. 95 IV, 176 EGV rechtfertigen können. Wenn sich aber grundsätzlich der Umweltbezug sowohl aus der Erhebung als auch aus der Verwendung der Einnahmen ergeben kann, ist die Verfolgung mehrerer Zwecke durchaus zulässig. Der Begriff der Umweltabgabe sollte nicht durch zu hohe Anforderungen an die Gewichtung des Umweltbezugs mit den im EG-Recht bestehenden Problemen bei der Kompetenzabgrenzung, die der EuGH in ständiger Rechtsprechung nach dem Gewicht der Maßnahme vomimmt93 , überfrachtet werden. Sonst könnte eine auf Art. 95 EGV gestützte Abgabe nicht als Umweltabgabe bezeichnet werden, weil ihr Schwerpunkt in der Binnenmarktregelung liegen muß, obwohl Art. 95 IIIEGV vorsieht, daß die Vorschläge für Binnenmarktregelungen von einem hohen Umweltschutzniveau ausgehen sollen. 94 Wenn der Umweltbezug auch nicht den Schwerpunkt der Regelung ausmachen muß, so muß ihm doch im Vergleich zu anderen Zwecken ein gewisses Gewicht zukommen, damit man von einer Umweltabgabe sprechen kann. Das ist unzweifelhaft möglich, wenn sich der Umweltbezug aus der tatsächlichen Wirkung der Abgabe ergibt und dies auch der Absicht des Gesetzgebers entspricht. Allerdings kann die Absicht des Gesetzgebers allein nicht ausschlaggebend sein. Der EuGH weist ihr in ständiger Rechtsprechung bei der Kompetenzabgrenzung eine untergeordnete Rolle zu, weil die Abgrenzung nach objektiv nachvollziehbaren Aspekten zu erfolgen habe. 95 Dem ist zuzustimmen, denn sonst hätte es der Rat in der Hand, in Zweifelsfallen die ihm genehmere Kompetenzgrundlage verbindlich auszuwählen. Im Fall der Bewertung der deutschen Schwerverkehrsabgabe hat der EuGH sowohl die Absicht des Gesetzgebers anband der amtlichen Begründung gewürdigt als auch auf mögliche umweltpolitische Wirkungen abgestellt, im Ergebnis aber bei beiden Aspekten den Umweltbezug vemeint. 96 Damit stimmt es überein, wenn man der Begründung eine Indizwirkung zuerkennt, die aber eine fehlende umweltpolitische 92 Wasmeier, S. 27 f.; F Kirchhof, in: Rengeling, EUDUR I,§ 38, Rdnr. 17 verlangt die Spürbarkeil der Abgabe; dagegen EUA, Ökosteuern, S. 6, die auch fiskalische Ökosteuern erfaßt, vgl. dieBsp. S.8. Wenn Ohler, S.210, fordert, daß die Abgabe bewußt und vorrangig dem Umweltschutz dienen müsse, betrifft das aber die Auslegung von Art. 175 II EGV und damit bereits die Abgrenzung zu anderen EG-Rechtsetzungskompetenzen. 93 Ausf. unter B.l. 3. 94 Konsequent insofern die Unterscheidung zwischen Binnenmarktproduktnormen und Umweltproduktnormen bei Grabitz!Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art.l30s, Rdnr. 39f. 9s Vgl. Scherer!Heselhaus, in: Dauses, EU-WirtschaftsR, Umwe1trecht, Rdnr. 37m. w. N. auf die Rspr. Auch eine bestehende Praxis der Organe kann die Auslegung nicht mitbestimmen, EuGHE 1988,855 (898), Rs.68/86 "Hormone"; ebenso Pernice, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 164, Rdnr. 33. 96 EuGH, EuZW 1992, 390ff., Rs. C-195/90.

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Wirkung der Regelung nicht überspielen kann. Die politische Begründung einer Abgabe kann nämlich durchaus vorgeschoben sein, um die Erhöhung der Abgabenlast in der Öffentlichkeit überzeugender rechtfertigen zu können. Nach diesen Kriterien läßt sich in den meisten Zweifelsfällen eine sinnvolle Zuordnung vornehmen, wenngleich fließende Übergänge nicht zu vermeiden sind. Demnach stellt die Straßenbenutzungsgebühr für den Schwerlastverkehr nach Richtlinie 93/89(EWG97 zur Zeit noch keine Umweltabgabe dar, da ihr noch keine lenkende Wirkung zukommt. Diese Bewertung kann sich ändern, falls die bisherigen Pläne der Einbeziehung externer Kosten umgesetzt werden und die dort genannten externen Kosten für Luft- und Wasserverschmutzung und Lärm erkennbar in die Gebührengestaltung einfließen.98 Selektive oder tariflich differenzierende Verbrauchsteuern können aufgrund ihrer Belastungswirkung einen gewissen lenkenden Effekt auf das Verhalten der Verbraucher haben, der je nach Substituierbarkeit der besteuerten Verbrauchsgüter unterschiedlich stark ausfallen kann. Erhöhungen der Mineralölsteuer hatten in Deutschland bis zum Gesetz über den Einstieg in die ökologische Steuerreform99 aufgrund der relativ hohen Kosten für in Konkurrenz zum PKW-Verkehr stehende Verkehrsträger nur geringe lenkende Wirkung. Da die Mineralölsteuer bisher der Finanzierung des Haushalts gedient hat, wird man einen Umweltbezug erst annehmen können, wenn der Gesetzgeber einen diesbezüglichen Willen erkennen läßt und die Abgabe entsprechend hoch ansetzt. Zwar werden tatsächliche Lenkungseffekte erst bei einem Benzinpreis von ca. DM 5,-/Liter erwartet 100, doch wird man der vorgesehenen Staffelung der Erhöhung der Mineralölsteuer eine gewisse lenkende Wirkung nicht absprechen können. Sie illustriert beispielhaft, daß die Übergänge zur Umweltabgabe fließend sein können. 101 Wird dagegen die zur Lenkungswirkung notwendige Höhe erst durch eine nicht vorhergesehene Veränderung wirtschaftlicher Konstellationen, wie der Verteuerung des Mineralölpreises auf dem Weltmarkt, erreicht, so liegt keine Umweltabgabe vor. Denn die Wirkung ist unabhängig von der Konzeption der Abgabe und der Intention des Gesetzgebers eingetreten. Eine ähnliche Problematik tritt beim ökologischen Umbau bestehender Abgaben auf. Nur durch den Einbau einzelner umweltpolitisch motivierter Elemente ändert eine Gesamtregelung noch nicht ihren Charakter. Im Beispiel der Steuerspreizung zwischen unverbleitem und verbleilern Benzin in Deutschland bezüglich der Mineralölsteuer kann man für den letzteren Abgabentatbestand von einer Umweltabgabe ausgehen. Denn die Differenzierung war durchaus erheblich und hatte auch nach der politischen Begründung den Sinn, den Verbrauch von Kraftstoffen aus UmweltABI. 1993, L279, S.32. Zu fairen und effizienten Preisen im Verkehr, KOM (98) 466, S. 3. 99 BGBI.ll999, S. 378. 100 Zu den genauen Auswirkungen unterschiedlicher Vorschläge in Deutschland RSU, Umweltgutachten 1996, S. 390 ff. 101 Ebenso Wasmeier, S. 28. 97

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schutzgründen zu verringern. 102 Daß damit zugleich ein gewichtiger Anreiz für den Kauf von neuen PKW mit entsprechenden Motoren geschaffen worden ist, steht dem nicht entgegen. Nach ihrer Neustrukturierung 1997 knüpft die deutsche Kfz-Steuer im Erhebungstatbestand noch stärker an umweltrelevantes Verhalten an. Der Hauptzweck ist weiterhin die Einnahmenerzielung für den Staatshaushalt. Daneben werden durch die Möglichkeit des Ausweichens auf abgasfreundlichere PKW wirtschaftsfördernde und umweltpolitische Ziele verfolgt. 103 Daher wird man die höhere Veranlagung der Motoren mit höherem Schadstoffausstoß als Umweltabgabe qualifizieren können. 104 Auch aus der Verwendung des Abgabenaufkommens zum Umweltschutz kann sich der Umweltbezug einer Abgabe ergeben. Daher werden die Müllabfuhrgebühren unabhängig davon erfaßt, ob sie durch ihre Staffelung eine lenkende Wirkung auf den Müllanfall haben. 105 Es ist ausreichend, daß sie das Entgelt für die Nutzung einer Einrichtung darstellen, deren Tätigkeit dem Umweltschutz dient. Schwerer fallt die Bewertung, wenn es zu widersprüchlichen Tendenzen zwischen den Zielen der Abgabenerhebung und der Aufkommensverwendung kommt. So hatte der deutsche "Kohlepfennig" einen, wenn auch nur marginalen Einfluß auf den Stromverbrauch gehabt. Sein Aufkommen ist zur Sicherung der Energieversorgung aus Kohle verwendet worden 106, die unter Umweltaspekten wegen der hohen Emissionsbelastungen bedenklich erscheint. In solchen Fällen wird man wiederum den Willen des Gesetzgebers als Indiz werten und im Ergebnis einen Umweltbezug verneinen müssen. Jedoch kann bei entsprechender Ausgestaltung eine Qualifizierung als Umweltabgabe in Frage kommen. So ist der frühere Vorschlag zur Einführung einer EGCOrfEnergie-Steuer als Umweltabgabe zu bewerten. Da das Aufkommen zu allgemeinen Zwecken in den Staatshaushalt eingehen sollte, konnte sich der Umweltbezug nur aus einer lenkenden Wirkung ergeben. Dazu war eine zeitliche Staffelung der Abgabenerhöhung vorgesehen, die die Umstellung der Verbraucher in Rechnung stellen sollte. Während die erste Stufe kaum lenkende Wirkung gehabt hätte, wäre aber mit Eintreten der weiteren Stufen die vom Gesetzgeber gewünschte lenkende Wirkung eingetreten.107 Diese Wirkung ist aber im geänderten Vorschlag stark reduziert worden, der zunächst nur eine Angleichung der unterschiedlichen nationalen Abgabentatbestände auf einem Mindestniveau mit weitem Spielraum der MitgliedA. A. Wasmeier, S. 28. § 3f Kfz.-SteuerG 1994 i. d. F. vom 18.4.1997, BGBI. 1997 I, S. 805. Zu weiteren Reformmodellen RSU, Umweltgutachten 1996, S.395ff. 104 A. A. Wasmeier, S. 28, zur früheren Gesetzesfassung, die nur Erleichterungen für schadstoffarme Kfz. vorgesehen hatte. 1os Zur begrenzten Erweiterung kommunaler Abfallgebühren RSU, Umweltgutachten 1996, S. 405 f.; Queitsch, UPR 1998, S. 88 ff. 106 Dazu BVerfGE 91, 186ff. 1o1 ABI. 1992, C 196, S. 1 ff. 102 103

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staaten vorsieht. Die Literatur sieht daher nur eine geringe umweltpolitische Lenkungswirkung108, die aber noch zur Qualifizierung als Umweltabgabe ausreichen würde. Ansätze für eine spätere Verschärfung der Steuer sind bereits in den Vorschlag aufgenommen worden. 109 Der aktuelle Vorschlag über die Restrukturierung der Besteuerung von Energieerzeugnissen setzt am Verbraucher an und schreibt nur ein Mindestniveau für die Steuerhöhe vor. 110 Zwar erwähnen die 4. und 5. Begründungserwägung die umweltpolitischen Ziele der Begrenzung der C02 - Emissionen und den Schutz des Klimasystems, doch sind die Sätze zu gering, um eine signifikante Lenkungswirkung zu erzielen. Dem Umweltschutz förderlich ist zwar die Begrenzung auf eine Mindestharmonisierung, weil sie schärfere nationale Vorschriften auch unter Art. 93 EGV ermöglicht. Als Umweltabgaben sind aber dann erstjene nationalen Abgaben zu werten, die diesen Spielraum zu Gunsten des Umweltschutzes ausnutzen werden. Eindeutig ist dagegen die Umweltpolitik betroffen, wenn der Zweck einer Abgabe der schonende Umgang mit den Ressourcen ist, wie bei den Regelungen über den sogenannten Wasserpfennig in manchen deutschen Bundesländern.' 11 Die (rechtswidrige) Abschöpfungsabgabe im Rahmen des EG-Umweltaudits 112 zählt aufgrund der vorgesehenen Verwendung der Einnahmen zur Werbung weiterer Teilnehmer zu den Umweltabgaben. Dagegen ist die Abschöpfungsabgabe für die Benutzung des Umweltzeichens 113 wegenFehlenseiner entsprechenden Regelung über die Verwendung des Aufkommens keine Umweltabgabe. Auch die sogenannten "windfall"-Abgaben werden teilweise zu den Umweltabgaben gerechnet.' 14 Sie schöpfen Gewinne ab, die in anderen wirtschaftlichen Sektoren entstehen, weil bspw. bestimmte Produkte durch das Befolgen umweltrechtlicher Vorgaben oder Lenkungsappelle höher belastet sind. Sie sind keine Lenkungsabgaben im engeren Sinn, da sie keine Verhaltenslenkung herbeiführen, sondern im Grunde genommen eine solche bei den Verbrauchern durch ihren Ausgleichscharakter gerade verhindern wollen. Gleichwohl fördern sie indirekt umweltschützendes Verhalten und weisen damit einen ausreichenden Bezug zum Umweltschutz auf. Zwar dienen die deutschen bergrechtliehen Feld- und Förderahgaben in ihrer derzeitigen Ausgestaltung als Verleihungsgebühren der Ausgestaltung der alten Regalität und sind daher als aUgemeine Wirtschaftsabgaben zu qualifizieren.' 15 Sie können nach § 32 II BBergG auf die vierfache Höhe angehoben werden, um "windfa11profits" aus der internationalen Preisentwicklung auszugleichen. De lege lata wäre eine Beachtung von Umweltgesichtspunkten bei der Ausgestaltung nicht gedeckt, da Giesberts, RIW 1995, 847 (852). Art. 8 und 12 des geänderten Vorschlages, KOM (95) 172. uo Art. 4, 6ff., 18 des Richtlinienvorschlages, ABI. 1997, C 139, S. 14. lli Vgl. für Hessen §92 WG, i.d. F. vom 22.1.1990, GVBI I S.ll4; wiehier Wasmeier, S.29. lll Art. 11 VO (EWG) 1836/93, ABI. 1993, L 168, S. 1; zu deren Rechtswidrigkeit s. unter A. III. 6. c)cc) (2)(d). ll J Art.ll II VO (EWG) 880/92, ABI. 1992, L99, S. I. ll 4 Gaines!Westin, S. 9 f. us Bold/We/ler, Einleitung, Rdnr. 85. 108

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A. Begriffsbestinunungen und Grundlagen

§ 32IIBBergG den Umweltschutz nicht erwähnt. 116 Jedoch könnte eine entsprechende Gesetzesänderung Anlaß zur Qualifizierung als Umweltabgabe geben. Ausweislich Art. 175 II EGV könnten entsprechende Maßnahmen im Energiebereich in der EG-Umweltpolitik eingeführt werden.

Als Umweltabgaben können somit alle Abgaben bezeichnet werden, die einen deutlichen Umweltbezug dadurch aufweisen, daß sie zur Erreichung umweltpolitischer Ziele dienen, ihre Bemessung nach umweltrelevanten Tatbeständen erfolgt oder deren Aufkommen zweckgebunden für umweltpolitische Aufgaben verwendet wird.

3. Klassifikationen von Umweltabgaben a) Unterscheidung nach der Funktion

Nach der umweltpolitischen Funktion kann man vier Umweltabgabenarten unterscheiden: Umweltlenkungs-, -finanzierungs-, -nutzungs- und -ausgleichsabgaben.117

aa) Umweltlenkungsabgaben Die in der Literatur häufig anzutreffende Unterscheidung von Umweltabgaben nach ihrer Funktion in Lenkungs- und Finanzierungsabgaben geht von Idealtypen aus, die in ihrer reinen Form in der Paxis kaum anzutreffen sind. Gleichwohl sind die Differenzierungen sinnvoll, da sie es ermöglichen, Besonderheiten exemplarisch herauszuarbeiten. So ist den Umweltlenkungsabgaben gemeinsam, daß sie durch einen negativen finanziellen Anreiz intluenzierend auf die Abgabenpflichtigen in Richtung auf eine Verminderung von Umweltbelastungen wirken. 118 Von ihrer Konzeption her sind sie umweltpolitisch am interessantesten, weil sie die Idee der indirekten Verhaltenssteuerung am deutlichsten umsetzen. 119 Sehr selten sind- auch im internationalen Vergleich120 - reine Lenkungsabgaben. Fast immer dienen sie zugleich der Einnahmenerzielung, was sie für diese Untersuchung gerade interessant macht. Auch die deutsche Abwasserabgabe, früher wegen ihrer reinen Lenkungsform als die erste echte Umweltabgabe gepriesen, hat mittlerweile wegen der zuneh116 Bald/Weller, § 32, Rdnr. 5, halten drastische Preisanhebungen für bestirnrnte Energieträger für möglich. 117 F. Kirchhof, in: Rengeling, EUDUR I,§ 38, Rdnr. 6ff. 118 Meßerschmidt, S. 36; Müller, S. 15; Wasmeier, S. 30 f.; Knüppel, S.40; Kloepfer, Umweltrecht, §5, Rdnr. 266; Foundation for the Living and Working Conditions. Report, S.12f.; EUA, Environmental Taxes, S. 21; RSU, Umweltgutachten 1996, S. 322. 119 Deshalb werden sie auch als Umweltabgaben im engeren Sinn bezeichnet, Kloepfer, Umweltrecht, § 5, Rdnr. 266 f. 120 OECD, Economic Instruments, S.56, 73.

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menden Bedeutung der Restschmutzbegünstigung und der erheblichen Erweiterung der Verrechnungsmöglichkeiten ihre Anreizwirkung weitgehend eingebüßt. 121 Wie bereits gezeigt, eignen sich alle EG-Abgabentypen auch zur Verhaltenslenkung. Eine lenkende Wirkung hat man sich insbesondere vom ersten Vorschlag für eine COr/Energie-Steuer erhofft, wenn nach der Anfangsphase die Abgabenhöhe spürbar angezogen hätte. In der Rechtsprechung zu den Kompetenzgrundlagen für die Abgabenerhebung im Agrarbereich haben die Generalanwälte und ihnen folgend der EuGH das Begriffspaar der wirtschaftlichen Abgaben, die der Erreichung agrarpolitischer Zwekke dienen, und der Finanzierungsabgaben, die der Finanzierung von bestimmten Aufgaben dienen, entwickelt. 122 Auf den ersten Blick liegt hier eine Parallele zur Unterscheidung zwischen Umweltlenkungs- und -finanzierungsabgaben vor. Ein gravierender Unterschied liegt aber in der jeweiligen Abgrenzung untereinander. Der Gerichtshof und noch stärker die Generalanwälte haben den Bereich der wirtschaftlichen Abgaben sehr extensiv interpretiert, wohl nicht zuletzt um dadurch den Handlungsspielraum der EG in den betreffenden Politikbereichen zu erweitern. Selbst im Fall einer rückwirkenden Abgabe hat der Generalanwalt für die Qualifizierung als wirtschaftliche Abgabe plädiert, obwohl ihr Erhebungstatbestand an ein Verhalten angeknüpft hatte, das bereits abgeschlossen war. 123 Bei einer Übertragung dieser Differenzierung würde jeder noch so kleine umweltpolitische Lenkungszweck zur Qualifizierung als Umweltlenkungsabgabe und Ablehnung einer Umweltfinanzierungsabgabe führen. Das ist für die Beschreibung der umweltpolitischen Funktion nicht sinnvoll, da sogar eine wesentliche Finanzierungsfunktion vernachlässigt würde. Der EuGH ist jener Bewertung der rückwirkenden Abgabe zu Recht nicht gefolgt, so daß die Bedeutung der Unterscheidung für die Auswahl der Kompetenzgrundlage seitdem nicht mehr relevant geworden ist. 124

bb) Umweltfinanzierungsabgaben Unter Umweltfinanzierungsabgaben versteht man Abgaben, deren Aufkommen zur Finanzierung von Umweltschutzmaßnahmen dient. 125 Der Bezug zum Umwelt121

höhe.

Berendes, S.l51; schon 1989 kritisch Böhm, S. SOff., wegen der zu geringen Abgaben-

122 Vgl. unter A.III.6. b); insbesondere in EuGHE 1992, I-415 (564), Rs. C-143/88 und C-92/89, "Tilgungsabgabe"; EuGHE 1979,713 (729) "Stölting". 123 Generalanwalt Lenz in EuGHE 1992, I-415 (493) .,Tilgungsabgabe". 124 EuGHE 1992, I-415 (546) .,Tilgungsabgabe"; allerdings sind seitdem auch nicht mehr die Kompetenzen für eine Abgabenregelung vor dem EuGH in Zweifel gezogen worden. Anders ist das hingegen für Steuern i. e. Sinn, s. unter A. III. 6. b ). 12s Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions, Report, S. 14; RSU, Umweltgutachten 1996, S. 322; EUA, Environrnental Taxes, S. 21; Meßerschmidt, S. 36; ihm folgend Müller, S. 14f.; Wasmeier, S. 31; Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rdnr. 268; Wicke, S.l29ff.; F. Kirchhof, in: Rengeling, EUDUR I, §38, Rdnr. 7.

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

schutzkann sich auf die Zweckbindung des Abgabenaufkommens beschränken. 126 Demgemäß zählen hierzu auch die Verwaltungsgebühren im Umweltrecht, weil sie der Finanzierung einer Handlung dienen, die dem Umweltschutz zugute kommt. Umweltpolitisch interessanter werden sie, wenn sie über die Deckung der reinen Verwaltungskosten hinausgehen, wie einige Sonderabfallabgaben in den deutschen Bundesländern. 127 Alle Typen der EG-Abgaben eignen sich als Finanzierungsabgaben. Das Aufkommen aus der geplanten COr/Energie-Steuer sollte im ursprünglichen Vorschlag zweckgebunden eingesetzt werden. 128 Gebühren, wie diejenigen für die Übermittlung der Umweltinformation nach der Umweltinformationsrichtlinie129 oder für die Erteilung des Umweltzeichens nach der Verordnung über ein Umweltzeichen130, dienen der Finanzierung der zu umweltpolitischen Zwecken erbrachten Verwaltungsleistung 131 • Eindeutig ist die Finanzierungsfunktion der Benutzungsgebühr nach der Verordnung über ein Umweltzeichen, deren Aufkommen zur weiteren Verbreitung des Umweltzeichens in der Wirtschaft verwendet werden soll. 132 Den Gebühren für den Schwerverkehr kommt bisher hinsichtlich des Umweltschutzes noch keine Finanzierungsfunktion zu. Je nach der geplanten Einbeziehung externer Umweltkosten könnte sich das ändern, sofern ein entsprechender Verwendungszweck festgelegt wird. 133

cc) Umweltnutzungsabgaben Umweltnutzungsabgaben stellen ein Entgelt für die Inanspruchnahme von Umweltgütern und Umweltmedien dar. 134 Ihre Wirkung beruht darauf, daß sie für die Nutzung von ansonsten kostenfreien öffentlichen Gütern, wie Wasser oder Boden, Preise festsetzen. Sie müssen nicht notwendig so hoch angesetzt werden, daß sie eine spürbare Lenkungsfunktion entfalten, es reicht die Bewußtmachung der Knappheit der betroffenen Umweltgüter. Durch diesen besonderen Umweltbezug sind sie von der Nutzung einer Verwaltungseinrichtung zu unterscheiden. Die Ver126 Meßerschmidt, S. 36; Bothe!Gündling, S. 225,247, differenzieren noch weitergehend nach verursacheTbezogenen und sonstigen Finanzierungsabgaben. Das betrifft aber nur den Aspekt des Erhebungstatbestandes und bezieht sich eher auf die Rechtfertigung der Abgabenerhebung. 127 Queitsch, UPR 1998, S. 88 ff.; Nachweise bei Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 105, Rdnr.10. 12s ABI. 1992, C 196, S. 1 ff. 129 Art. 5 der Richtlinie, ABI. 1990, L 158, S. 56. 13° Art.l1 1 VO (EWG) 880/92, ABI. 1992, L99, S.l. 13 1 Meßerschmidt, S. 42, sieht die kommunalen Gebühren als Umweltabgaben an, berücksichtigt sie dann aber in seiner Untersuchung nicht weiter. A. A. Grabitz, UTR7, S. 85 (113); unklar Wasmeier, ablehnend bezüglich des EG-Umweltzeichens, S. 340, und aufS. 29 bejahend für Gebühren bei der Abfall- und Abwasserbeseitigung. 132 Art.11 II VO (EWG) 880/92, ABI. 1992, L99, S.l. 133 RL93/89/EWG, ABI. 1993, L279, S.32; zur Änderung vgl. CES 458/97; KOM (98) 466. 134 Wie hier differenzierenMeßerschmidt, S. 36; Müller, S.60; Wasmeier, S. 30 sieht die Umweltnutzungsabgaben als Unterfall der Umweltlenkungsabgaben.

IV. Umweltabgaben in der EG

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leihungsabgabe für das Umweltzeichen fällt nicht unter diese Kategorie, weil dort nicht Umweltmedien genutzt werden, sondern ein wirtschaftlicher Vorteil abgeschöpft werden soll. 135 Erfaßt wären aber aufEG-Ebene den deutschen Regelungen über einen Wasserpfennig vergleichbare Maßnahmen im Rahmen der Bewirtschaftung der Wasserressourcen nach Art. 175 li EGV.

dd) Umweltausgleichsabgaben Das Charakteristikum der Umweltausgleichsabgaben ist, daß sie dem wirtschaftlichen Ausgleich unter Umweltnutzern dienen, indem sie Kostenvorteile aus der Inanspruchnahme von Umweltgütern oder aus dem Verzicht auf Umweltschutzmaßnahmen136 oder sonstige Vorteile in Zusammenhang mit umweltrechtlichen Regelungen abschöpfen. Die Nähe zur Umweltnutzungsabgabe ist deutlich. In der Praxis trifft diese Funktion mit den anderen häufig zusammen.137 So kommt dem oft genannten Beispiel der deutschen Abgaben für Eingriffe in die Natur im Rahmen des § 8 li, IX BNatSchG regelmäßig auch verhaltenslenkende Wirkung zu. In internationaler Sicht sind die sogenannten .,Windfall"-Abgaben zu nennen, die die Vorteile abschöpfen, die konkurrierenden Produzenten daraus erwachsen würden, wenn wegen umweltrechtlich bedingter Produktionslimitierungen die Preise am Markt für bestimmte Produkte steigen. 138 Zwar beruhen diese Vorteile nicht direkt auf umweltrelevantem Verhalten, sondern ergeben sich indirekt aus den Marktmechanismen, doch erscheint es angebracht, wegen des engen Zusammenhangs mit der Umweltrechtsetzung diese Abgaben miteinzubeziehen.J39 Allerdings ist diese Art der Ausgleichsabgabe vor allem wettbewerbspolitisch motiviert, so daß ihrer Einführung im internationalen Recht ernste Hindernisse im Rahmen der WTO und im EG-Recht das Diskriminierungsverbot nach Art. 90 EGV entgegenstünden. Zwar wird auch mit der EG-Gebühr für die Benutzung des Umweltaudit-Zertifikates ein wettbewerblicher Vorteil, der sich aus dem Image-Gewinn durch die Verwendung des Zertifikates ergibt, abgeschöpft. Darin liegt aber eine Belastung umweltbewußter Unternehmen, die zusätzliche Anstrengungen auf sich genommen haben, um das Umweltaudit durchzuführen. Die kompensatorisch möglichen Überwachungserleichterungen stehen nicht in Zusammenhang mit der Abgabenpflicht und würden auch nicht den Umweltschutz fördern. Eine den Umweltschutz fördernde Wirkung der Abgabe ist nur festzustellen, soweit das Aufkommen zur Werbung für weitere Teilnehmer am Um135 Die Gebührenhöhe ist an den Umsatz des ausgezeichneten Produktes gekoppelt, KOM (96) 603. 136 Meßerschmidt, S. 36f. mit weiteren Unterteilungen; vgl. Köck, S. 97ff.; Breuer, DVBl 1992,485 (492f.); F. Kirchhof, DÖV 1992,233 (234); Franke, StuW 1994,26 (35). 1l 7 Zur Einstufung der deutschen Abwasserabgabe auch als Umweltausgleichsabgabe vgl. Schröder, DÖV 1983, 667 (670). IJS Gaines/Westin, S. 9 f. ll9 Im Ergebnis ebenso Wasmeier, S. 32.

138

A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

weltauditverwendet wird. 140 Die umweltpolitische Wirkung ergibt sich somit allein aus der Finanzierungsfunktion. Auch die Abschöpfung für die Benutzung des Umweltzeichens dient nach ihrer Erhebung nicht dem Umweltschutz, sondern schöpft wettbewerbliehe Vorteile ab, die gerade aus einem Verhalten zugunsten der Umwelt resultieren. 141 Da die Verordnung über das Umweltzeichen keine Regelung über die Verwendung des Abgabenaufkommens enthält, handelt es sich nicht um eine Umweltabgabe. b) Unterscheidung nach der tatbestandliehen Anknüpfung

aa) Klassifizierungen aus ökonomischer/ökologischer Sicht Nach der Art der tatbestandliehen Anknüpfung der Abgabenerhebung ist es sinnvoll, fünf verschiedene Gruppen zu unterscheiden. 142 Die im Hinblick auf ihre umweltpolitische Wirkung im Verhältnis zum Verwaltungsaufwand ökonomisch effizientesten Abgaben sind die Emissionsabgaben, bei denen die bei der Produktion oder beim Konsum anfallenden Schadstoffemissionen belastet werden. 143 Ferner werden Rohstoff- oder Inputabgaben unterschieden, die die Verwendung bestimmter Eingangsstoffe im Produktionsprozeß belasten. 144 Produktabgaben haben dagegen Fertigprodukte zum Gegenstand, deren Herstellung, Gebrauch oder Beseitigung hohe Umweltbelastungen mit sich bringen. 145 Des weiteren unterscheidet man Verfahrens- oder Technologieabgaben, die bestimmte Prozesse der Gütererzeugung oder -Verarbeitung verteuern, bei denen schadstoffhaltige Emissionen oder umweltbelastende Rückstände anfallen. 146 Die einzelnen Typen stellen verschiedene Möglichkeiten dar, bestimmte Umweltbelastungen zu erfassen. So können schädliche Emissionen direkt durch die Emissionsabgaben, aber auch durch Produktionsabgaben oder Produktabgaben, im Falle einer möglichen Zuordnung zu bestimmten Eingangsstoffen auch über Inputabgaben, finanziell belastet werden. Eine zusätzliche Kategorie bilden die Verhaltensabgaben, die ein umweltbelastendes Verhalten selbst erfassen. Dazu zählen bspw. Abgaben auf umweltschädigendes Freizeitverhalten. 147 Art. 11 VO (EWG) 1836/93, ABI. 1993, L 168, S. 1 Art. ll li VO (EWG) 880/92, ABI. 1992, L99, S.l. 142 Einen Überblick über unterschiedliche Kategorien geben Knüppel, S. 40ff.; Benkert, in: Benkert/Bunde/Hansjürgens, S. 91 ff.; Sprenger u. a., S. 18ff. 143 Dickertmann, DStJG 15 (1993), S. 33 (42); Knüppel, S. 48. 144 Dickertmann, DStJG 15 (1993), S. 33 (42); Knüppel, S.44 und Sandhövel, 5.151. Zum Beispiel kennt das US-Superfund-Gesetz in Section 59 A Abgabentatbestände, die an den Input von bestimmten Stoffen anknüpfen, Gaines!Westin, S. 215ff. 145 Knüppel, S. 44 und Sandhövel, S. 151 fassen die Input- mit den Outputabgaben als Untergruppe der Produktabgaben auf. Wie hier Dickertmann, DStJG 15 (1993), S. 33 (42). 146 Dickertmann, DStJG 15 (1993), S. 33 (42); Knüppel, S. 47; Sandhöve/, S. 151. 147 Meßerschmidt, S. 154. 140 141

IV. Umweltabgaben in der EG

139

bb) Klassifizierungen aus rechtswissenschaftlicher Sicht Umweltabgaben lassen sich ferner wie die gesamten umweltrechtlichen Vorschriften im EG-Recht nach ihren medialen oder funktionalen Aspekten klassifizieren, wie Wasserbewirtschaftung, Luftreinhaltung oder allgemeine Vorschriften. 148 Nach der Unterteilung im EG-Vertrag wäre auch eine Zuordnung zu den einzelnen Sachpolitiken möglich. Das wäre letztendlich aber eher das Ergebnis einer detaillierten Interpretation der einschlägigen Kompetenzvorschriften und ihrer Abgrenzung untereinander und nicht eine Unterscheidung, auf der bereits am Anfang einer Untersuchung aufgebaut werden sollte.149 In der juristischen Diskussion über EG-Umweltabgaben stößt man des weiteren auf eine Differenzierung zwischen produktbezogenen Abgaben einerseits und anlagen- oder produktionsbezogenen andererseits.•so Ansatzpunkt dieser Unterscheidung ist die Abgrenzung der HG-Kompetenzen nach Art. 93 und 17511 EGV. Die Bezeichnung als Produktabgaben ist insofern verkürzend, als Art. 93 EGV auch Dienstleistungen und andere Freiheiten im Binnenmarkt erfaßt. 151 Hintergrund der Differenzierung ist die Auseinandersetzung über die richtige Rechtsgrundlage für EG-Maßnahmen im Umweltrecht Weiterhin kann man Umweltabgaben nach den finanzwissenschaftliehen Abgabentypen unterscheiden. Es wurde bereits dargelegt, daß grundsätzlich alle EG-Abgabentypen zur Ausgestaltung als Umweltabgabe taugen. 152 Unter Beachtung der umweltpolitischen Funktion der Abgabe können bei Umweltsteuern im engeren Sinne zwei Arten unterschieden werden. Die Umweltfinanzierungssteuern dienen unter Durchbrechung des Non-Affektationsprinzips der Erzielung von Einnahmen für Umweltschutzmaßnahmen. Ihnen stehen die Umweltlenkungssteuern gegenüber, bei denen das Aufkommen tendenziell mit zunehmender Zweckerreichung abnimmt. In der Diskussion über einen Umbau des Steuerrechts wird man eher auf solche "Ökosteuern" 153 setzen, die in Hinsicht auf das Staatsbudget eine gewisse nachhaltige Ergiebigkeit versprechen. Dadurch geraten sie aber tendenziell in Konflikt mit der Erreichung eines Lenkungsziels. In der Literatur wird in diesen Fällen 14s Zu einer möglichen Unterteilung vgl. die Differenzierungen im besonderen EG-Umweltrecht von Scherer/Heselhaus, in: Dauses, EU-WirtschaftsR, Kapitel Umweltrecht, S. 1 ff. 149 Wasmeier, S. 33, will die Abgrenzung wohl offen lassen, weist aber darauf hin, daß diese Differenzierung auch dadurch nur begrenzte Bedeutung hat, da sich die Sektoren stark überlagerten. Eine solche Differenzierung ist bereits aufgrund der Integrationsklausel nach Art.l30r II EGV, die Umweltabgaben auch in den anderen Politikbereichen ermöglicht, von geringerer Bedeutung. ISO Pernice, NVwZ 1990,201 (204); Seidel, NVwZ 1993, 105 (112); Breuer, DVB11992, 485 (495); Wasmeier, S.34. 111 s. unter B. 1.- IV. 1s2 Dazu unter A. III. ISJ Vgl. dazu Sprenger u. a., S. 23 f.

140

A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

teilweise von Umweltsteuern mit reiner fiskalischen Zwecksetzung gesprochen. 1s4 Aktuelles Beispiel ist die deutsche Strom- und Energiesteuer, deren Aufkommen zweckgebunden zur Senkung der Sozialversicherungsbeiträge verwendet werden soll. 1ss In der Literatur wird die Erfüllung einer umweltpolitischen Lenkungswirkung bezweifelt.I56 4. Vor- und Nachteile von Umweltabgaben Im Zusammenhang mit der Einführung von Umweltabgaben hat die wissenschaftliche und politische Diskussion eine Vielzahl von Vor- und Nachteilen dieses umweltpolitischen Instrumentes herausgearbeitet. Da diese zwischen den verschiedenen Umweltabgaben in den konkreten Einsatzbereichen erheblich divergieren können, werden im folgenden diejenigen Aspekte herausgegriffen, denen auf der Ebene vergleichender internationaler Untersuchungen maßgebliche Beachtung geschenkt worden ist. 1S7 a) Funktionsweise von Umweltabgaben

Die umweltpolitische Funktionsweise von Umweltabgaben ist je nach ihrer Konzipierung unterschiedlich und kann daher hier nur im Groben nachgezeichnet werden. Die Hauptunterschiede ergeben sich daraus, ob sie eher als Finanzierungs- oder Lenkungsabgaben wirken soll. Die Idee der Umweltlenkungsabgaben geht maßgeblich auf umweltökonomische Ansätze zurück, die Umweltprobleme als eine Überbeanspuchung knapper Ressourcen bzw. als mangelhafte Koordination konkurrierender Verwendungen auffassen. 158 Als Lösung wird angestrebt, daß die Preise für Umweltgüter die externen Kosten der Umweltverschmutzung internalisieren und dadurch aufgrund ökonomischen Kalküls Verhaltensänderungen bei den Verschmutzern auslösen. 159 Sprenger u. a., S. 23, attestieren ihnen allenfalls geringe indirekte Umweltentlastungen. BGBI. 1999 I, 378 t56 Hidien, BB 1999, 341 (342). 157 Die Untersuchung stützt sich insbesondere auf die Arbeiten von OECD, Taxation and the Environment, S. 49ff.; EUA, Environmental Taxes, S. 33ff.; Kommission, Tax Provisions; RSU, Umweltgutachten 1996, S. 325 ff. 158 Kloepfer, Umweltrecht, § 5, Rdnr. 270; Eckhardt, S. 9- 20; Gaines!Westin, S. 3, die offenlassen, ob die Mittelverwendung für den Umweltschutz notwendig für erfolgreiche Lenkungsabgaben ist; vgl. aber auch umweltpolitische Ansätze, die überwiegend das Vollzugsdefizit im Ordnungsrecht im Blickpunkt haben, Winter, CMLRev 1996, S. 689 ff.; EUA, Ökosteuern, S. 6. Diesen Gedanken der knappen Güter verwirklichen auch die Umweltnutzungsabgaben, während Ausgleichsabgaben eher Nachteileaufgrund ökologischen Verhaltens verhindern sollen. 159 Mögliche Wirkungen sind Ausweichreaktionen der VersehTnutzer auf Substitute, eine Reduzierung der Nachfrage nach belasteten Produkten oder Rohstoffen, Einkommensminderungen, wenn es zu Preissteigerungen kommt, und Aktionen zur Verbesserung der Umweltqualität durch die gezielte Verwendung des Abgabenaufkommens, Sprenger u. a ., S. 25; Kloep154 t55

IV. Umweltabgaben in der EG

141

In der Praxis ist das größte Problem dieser Konzeption die Bestimmung der richtigen Preise. Da die Umweltkosten wegen der Unmengen erforderlicher Informationen nicht exakt bestimmt werden können 160, wird heute in der umweltökonomischen Literatur zumeist der Standard-Preis-Ansatz vertreten 161 , der sich an den Vermeidungskosten der Umweltverschmutzung bezogen auf einen festgesetzten Umweltstandard orientiert. Denn die Einbeziehung aller möglichen externen Kosten könnte zu wirtschaftlich nicht gewünschtem Verhalten führen. Die reine Idee einer Selbststeuerung der Umweltpolitik über die externen Kosten läßt sich sinnvoll kaum verwirklichen. Die Festsetzung der Höhe der externen Kosten ist letztendlich Aufgabe der Politik. Daher ist die Bezeichnung von Umweltabgaben als marktwirtschaftliche Instrumente nicht exakt, weil sich ihre Höhe nicht aus dem Marktgeschehen ergibt, sondern die Marktmechanismen benutzt werden, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Insofern ist der Terminus "marktorientierte Instrumente" 162 vorzuziehen. Auch wenn sich die umweltpolitische Literatur bis vor kurzem hauptsächlich mit der interessanteren Funktionsweise des Lenkungsappells von Abgaben beschäftigt hat 163, darf der Finanzierungsaspekt nicht unterschätzt werden. In der politischen Realität kommt ihm bei fast allen Umweltabgaben eine bedeutende Rolle zu. 164 Um den Finanzierungszweck angemessen erfüllen zu können, muß die Abgabe berefer, Umweltrecht, § 5, Rdnr. 273 ff.; Rehbinder, ELQ 1993 (Vol. 20), 57 (66); OECD, Taxation and the Environment, S.18 geht von einem Ausgleich zwischen den gesellschaftlichen Kosten und Nutzen einer sauberen Umwelt aus. Einen Überblick über Umweltabgaben in Europa geben Kloepfer/Mast, S.40ff. 160 Der Ansatz von Pigou sah bereits 1920 die Erhebung von Steuern und Zuteilung von Prämien vor, um die externen Kosten unternehmenscher Tätigkeit zu internalisieren. Allerdings gab er keinen Ansatz zur Bestimmung der Abgabenhöhe vor. Der Ansatz von Coase setzt auf die Verteilung von Verfügungsrechten (property rights) und den sich daraus ergebenden Verhandlungen zwischen den Berechtigten. Daraus soll sich die Höhe der Preise für die Umweltgüter von selbst ergeben. Solche Verhandlungslösungen funktionieren aber nur bei überschaubaren Problemen. Vgl. zum Ganzen ausführlich Eckhardt, S. 6ff.; Hansjürgens, S . 23 ff.; RSU, Umweltgutachten 1996, S. 321 f. Zu den Ramsey-Besteuerungsregeln Fuest/Huber, FinArch 1995, 396ff. 161 Dieser Ansatz von Baumol/Oates, Swedish Journal of Economics 1971 (Vol. 73), S.42 ff., geht von festzusetzenden Umweltstandards aus, die durch die Abgaben erreicht werden sollen. Ausgangspunkt ist die Überlegung, daß eine Bemessung nach allen externen Effekten eine- gemessen an den möglicherweise geringen Reinigungskosten-übermäßige Reduzierung der Verschmutzung anregen würde; vgl. Hansjürgens, S. 31; Eckhardt, S.16, zu neueren Modifikationen S. 18; zu den Problemen in der Praxis siehe OECD, Taxation and the Environment, S. 59ff. 162 Vgl. 20. Begründungserwägung Beschlusses zur Überprüfung des 5. Umweltprogramrns, ABI. 1998, L275, S.l ; ebenso im ursprünglichen Kommissionsvorschlag, KOM (95) 647; Hansjürgens, S. 35 f. 163 Kloepfer, Umweltrecht, § 5, Rdnr. 266ff.; Sprenger u. a., S. 18 ff.; Wasmeier, S.46, erfassen auch die Finanzierungsabgaben; nach dem RSU, Umweltgutachten 1996, S.330ff., liegt weiterhin der Schwerpunkt auf den Lenkungsabgaben als Bausteine einer umweltgerechten Finanzreform. 164 OECD, Taxation and the Environment, S. 68 f.; Sprenger u. a., S. 25; auf bestimmte Abgaben begrenzt EUA, Ökosteuem, S. 6.

142

A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

chenbar, ergiebig und dauerhaft sein. 165 Damit stellen sich für die Konzipierung der Abgabe aus fiskalpolitischer Sicht vergleichbare Probleme wie bei den Steuern i. e. Sinn, die der allgemeinen Bedarfsdeckung dienen. Werden Lenkungs- und Finanzierungsfunktion gekoppelt, so können sich negative Auswirkungen auf erstere ergeben, da die reine Idee der Lenkungsabgabe auf Vermeidung des Abgabetatbestandes und damit auf die Verringerung des Abgabeaufkommens gerichtet ist. 166 Insofern steht die Verfolgung eines Finanzierungszwecks tendenziell lenkenden Wirkungen einer Abgabe entgegen. Beide Funktionen können aber bei gruppennütziger Verwendung des Abgabeaufkommens harmonisiert werden. 167 Im übrigen kann die besondere Zweckbindung zugunsten des Umweltschutzes im Grundsatz sowohl gruppen- als auch fremdnützig 168 sein. Ob durch entsprechende Finanzierungsabgaben das Gemeinlastprinzip oder eher das in der Umweltpolitik favorisierte Verursacherprinzip verwirklicht wird 169, hängt vom Anknüpfungsgegenstand des Abgabentatbestandes ab. Im letzteren Fall wird der Abgabe regelmäßig auch eine gewisse Lenkungswirkung zukommen. b) Hauptvorteile von Umweltabgaben

Umweltabgaben in der EG dienen dem Ziel des Umweltschutzes nach Art. 174 EGV und damit auch der Verwirklichung der ausdrücklichen Ziele des Art. 2 EGV. Ferner ermöglicht die von ihnen angestrebte Internalisierung der externen Kosten über die monetäre Bewertung von Umweltproblemen deren Berücksichtigung als Kostenfaktor in den anderen Gemeinschaftspolitiken. Dadurch kann das Gebot der Integration des Umweltschutzes in die anderen EG-Politiken nach Art. 6 EGV umgesetzt werden. Durch ihre an die Marktkräfte anknüpfende Wirkung und ihren Einfluß auf Verbrauchs- und Verhaltensmuster streben sie einen Ausgleich zwischen ökonomischen und ökologischen Interessen an. Das liegt insbesondere in der Konsequenz des Zieles eines nachhaltigen Wachstums, wie es in der Konkretisierung der Ziele der Umweltpolitik im 5. Umweltprogramm zum Ausdruck gekommen ist. Durch die Anlastung der Kosten verwirklichen sie in der Umweltpolitik stärker das Verursacherprinzip und drängen das Gemeinlastprinzip zurück. 170 Weitere Hauptvorteile der Umweltlenkungsabgaben ergeben sich aus ihrer Anreizwirkung. Sie können die technologische Entwicklung stimulieren, insbesondere Sprenger u. a., S. 74; RSU, Umweltgutachten 1996, S. 322f. Allgemein zum Zusammenhang von Steuern und Umwelt Sprenger u. a., S. 13 ff. 167 Im deutschen Recht werden eher die Abgabentypen Gebühr, Beitrag oder Sonderabgabe als erfolgversprechend angesehen, RSU, Umweltgutachten 1996, S. 323; F. Kirchhof, in: Rengeling, EUDUR I, § 38, Rdnr. 22 ff. l68 Das ist insbesondere bei Ausgleichsabgaben möglich, vgl. die Verwendung des Aufkommens aus der Verleihungsgebühr für das Umwelt-Audit-Zeichen zur Werbung für die Teilnahme weiterer Unternehmen, Art.ll VO (EWG) 1836/93, ABI. 1993, L 168, S. l. 169 Dazu unter B.l.2.c)ee). 170 Müller, S. 20; OECD, Taxation and the Environment, S. 24f. 16l

166

IV. Umweltabgaben in der EG

143

überlassen sie dem einzelnen die freie Wahl der Lösungsmöglichkeiten und spornen gegenüber dem Ordnungsrecht zu überobligatorischen Anstrengungen an, um die Abgabenlast möglichst gering zu halten. 171 Dadurch dienen sie der effizienteren Nutzung der Ressourcen und fördern einen Strukturwandel. 172 Insgesamt sind sie vielseitig verwendbar und lassen flexiblere Reaktionen auf Strukturwechsel zu. 173 Im Vergleich mit dem Ordnungsrecht sind Umweltabgaben für den Staat regelmäßig kosteneffektiver. 174 Allerdings tritt bei ihnen die Lenkungswirkung erst mit Verzögerung ein, weshalb sie anders als das Ordnungsrecht nicht im Bereich der Gefahrenabwehr eingesetzt werden sollten. Dort können sie aber durchaus im Verbund mit dem Ordnungsrecht sinnvoll zum Einsatz kommen. 175 Darüber hinaus sind Umweltabgaben für bestimmte Umweltmaßnahmen sogar besser als das Ordnungsrecht geeignet, bspw. bei der Versehrnutzung aus "diffusen" Schadstoffquellen, wie Emissionen im Verkehr, Abfällen oder Agrochemikalien (z. B. Pestizide und Düngemittel).176 Deutliche Verbesserungen verspricht man sich von ihnen bei der Bekämpfung des chronischen Vollzugsdefizits im Umweltrecht177, insbesondere um die Auswirkungen des Überwachungsdefizits in der Umweltverwaltung zu verringern. Neben den Lenkungseffekt tritt in der Praxis regelmäßig die Finanzierungsfunktion, die politisch angesichts der enormen Kosten für die Beseitigung von bestehenden Umweltschäden sehr willkommen ist. 178 Sie kann ebenfalls zur Verwirklichung des Verursacherprinzips beitragen. Aufgrund des gestiegenen Umweltbewußtseins in der Gemeinschaft bieten die Umweltfinanzierungsabgaben den Vorteil, daß die zusätzliche Abgabenbelastung relativ überzeugend gerechtfertigt werden kann. Zugleich wecken sie aber auch die fiskalischen Begehrlichkeiten der hoheitlichen Handlungsebenen.

171 Rehbinder, ELQ 1993 (Vol. 20), 57 (66); Müller, S. 19; OECD, Taxation and the Environment, S. 20; Kloepfer, Umweltrecht, § 5, Rdnr. 275; kritisch bzgl. der tatsächlichen Umsetzung der sogenannten "doppelten Dividende" von Umweltabgaben RSU, Umweltgutachten 1996, s. 320. 112 EUA, Ökosteuem, S. 6. 173 Rehbinder, ELQ 1993 (Vol. 20), 57 (66); Sprenger u. a., S. 7. 174 Das bezieht sich auf die Überwachungskosten, MüllerS. 20. 175 Rehbinder, in: AKUR, Grundzüge des Umweltrechts, 2.Aufl., Rdnr. 119, sieht generell Schwächen bei der Umsetzung des Kooperationsprinzips im Bereich der Gefahrenabwehr. 176 EUA, Ökosteuem, S.6. m EUA, Ökosteuem, S. 6. 178 EUA, Ökosteuem, S.6; auf den Ausgabenbedarf in der Umweltpolitik weisen nachdrücklich Sprenger u. a., S. 3, hin.

144

A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen c) Hauptkonfliktfelder

aa) Grundsätzliche Kritik Die grundsätzliche Kritik an den Umweltabgaben ist heute eher in den Hintergrund getreten 179 , seit in der Praxis ernsthaft nur mehr eine Anwendung der Umweltabgaben neben dem Ordnungsrecht diskutiert wird180• Durch diese Kombination werden die meisten Vorbehalte, die gegen einen völligen Umbau der Umweltpolitik auf Lenkungsinstrumente vorgebracht werden, gegenstandslos. So kann von einem Ausverkauf der Umwelt1 81 nicht mehr gesprochen werden, wenn durch das Ordnungsrecht ein Mindestniveau an Umweltschutz festgeschrieben wird182 • Das Manko der Umweltabgaben im Bereich der Gefahrenabwehr wegen ihrer im Vergleich zum Ordnungsrecht langsameren Wirkung kann durch einen Instrumentenverbund mit letzterem behoben werden. 183 Auch der Vorwurf einer Privilegierung vermögender Verschmutzer auf lange Sicht kann entkräftet werden, wenn die Abgabe so konzipiert wird, daß Ausweichmöglichkeiten auf Substitutionsgüter für diejenigen bestehen, die dem Lenkungsappell folgen wollen.184 Teilweise wird befürchtet, daß die sogenannten "weichen" Instrumente wie Umweltabgaben zu einer Aushöhlung des Rechtsschutzes führen würden. 185 Das ist weniger bezüglich einer Überprüfung der jeweiligen Abgaben am Maßstab der Prinzipien der Umweltpolitik als am Maßstab der Grundrechte186 virulent. Im Grundsatz stellen sich hier auf EG-Ebene die gleichen Probleme wie in den Mitgliedstaaten. Selbst wenn das insbesondere von deutscher Seite thematisierte strukturelle Defizit im Grundrechtsschutz in der EG 187 zutreffen sollte, so beträfe es auch das Ordnungsrecht und würde daher eine Option nicht speziell gegen das Instrument der Umweltabgaben darstellen, sondern gegen die supranationale Handlungsebene. 179 Auch Müller, S. 21, konstatiert die fehlende Aktualität dieses Streits. Er wird aber noch in OECD, Taxation and the Environment, S. 18- 21, grundsätzlich diskutiert. l8o Seerden/Heldeweg, EELR 1999, 40 (45); Sprenger u. a. S. 7; Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions, Report, S. 16 f. 181 v. Arnim, VVdStRL 39 (1981), S. 286 (331); Kloepfer, JZ 1991, 737 (741); Weyreuther, UPR 1988, 161 (166). t82 Köck, S. 130; Müller, S. 21; skeptisch Martinez, in: Hohmeyer, Ökologische Steuerreform, S. 39ff. 183 Sprenger u. a., S. 33 f.; v. Arnim in: Hansmeyer, S. 725 (730f.). 184 Die wichtige Frage der Substitution des umweltschädlichen Verhaltens ist bei jeder Lenkungsabgabe zu berücksichtigen, da sie bei Fehlen solcher Möglichkeiten nur noch Finanzierungsfunktionen erfüllt, vgl. Sprenger u. a., S. 32. 1ss Kloepfer, JZ 1991, 737 (743). 186 P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, Hdb des Staatsrechts, § 88 Rdnr. 247; P. Kirchhof, DStJG 15, S. 3 (11). In Deutschland geht es insbesondere um den Gleichheitssatz nach Art.3 I GG und die Berufsfreiheit Art.12 I GG. Zum Überprüfungsmaßstab aufEG-Ebene siehe unter A. III.6.c). 187 Vgl. vor allem Nettesheim, EuZW 1995, 106 ff.

IV. Umweltabgaben in der EG

145

Für die übrigen vielgestaltigen Probleme, die das Streben nach einer erfolgreichen Konzipierung von Umweltabgaben aufwirft, besteht die Gefahr, daß sie bei einer Regelung durch die Gemeinschaft verschärft würden. Das liegt vor allem daran, daß es sich um eine höhere hoheitliche Wirkungsebene handelt, auf der sich Probleme potenzieren. Zum anderen ergibt sich das aber auch aus besonderen Limitierungen, die für die EG bestehen. Diesen Problemen soll im folgenden im einzelnen nachgegangen werden.

bb) Informationsbedarf Eine grundsätzliche Schwierigkeit von Umweltabgaben besteht darin, die bei der Abgabenfestsetzung zu beachtenden, externen Kosten zu bestimmen. Allein daraus ergibt sich ein enormer Informationsbedarf der Verwaltung. Hinzu tritt das Bedürfnis nach weiteren Informationen, die notwendig sind, um die unsichere Treffgenauigkeit von Lenkungsabgaben zu verbessern. Diese Ungenauigkeit bezieht sich einerseits sowohl auf die lokale als auch auf die zeitliche und mediale Wirkungiss, andererseits ist auch die gewünschte Verhaltensänderung der betroffenen Umweltverschmutzer nicht sicher, da sie von sehr vielen Faktoren abhängt 1s9 • Da Umweltabgaben in die Zukunft wirken sollen, um Innovationsschübe auszulösen und der Vorsorge zu dienen, kommen weitere Informationsbedürfnisse hinzu. Diese Problematik würde bei Umweltabgaben auf EG-Ebene verschärft, da die sehr unterschiedlichen Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten beachtet werden müßten.

cc) Abgabenerhebung Zwar können Umweltabgaben vom Gesichtspunkt des Verwaltungsaufwandes effektiver als Ordnungsrecht sein, weil sich die Überwachung der Umsetzung im privaten Bereich einfacher gestalten läßt. Andererseits bedeuten sie für die Erhebung der Abgaben oft einen erheblichen verwaltungsmäßigen Mehraufwand, insbesondere bei einem Instrumentenverbund mit dem Ordnungsrecht Diese Auswirkungen lassen sich reduzieren, wenn man die Erhebung bestimmter Umweltabgaben mit der schon bestehenden nationalen Steuerverwaltung koordiniert. 190 Allerdings wird sich 188 Sprenger u.a. S. 30ff., Kloepfer, Umweltrecht, S. 184, Rdnr. 201; vgl. VO (EWG) 1210/90 zur Errichtung der Umweltagentur und eines Europäischen Umweltinformations- und Umweltbeobachtungsnetzes, ABI. 1990, L 120; KOM (94) 670, Leitlinien der EU über Umweltindikatoren und ein "grünes" Rechnungssystem. Zum Einsatz bei ökologischen Unsicherheiten Wätzold!Simonis, Aus Politik und Zeitgeschichte, B 27/97, 3 (4f.). 189 Kloepfer, Umweltrecht, S. 334 ff.; Grawe, RdE 1995, I 0 ( 12); zu Ausweichreaktionen, Sprenger u. a., S. 26f. 190 Hendler, AöR 115, 577 (592); OECD, Taxation and the Environment, S. 50f.; das kann aber zu Problemen mit der Sperrwirkung des Sekundärrechts im Bereich der Mehrwertsteuerregelungen führen.

I 0 Heselhaus

146

A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

bei Ergreifen dieser Option die Auswahl der geeigneten Abgaben auf bestimmte Typen beschränken, eventuell um den Preis optimaler umweltpolitischer Effektivität. Die EG verfügt für Umweltabgaben in der Regel nicht über die Verwaltungshoheit.191 Der verwaltungsmäßige Mehraufwand für Abgaben neben dem Ordnungsrecht würde daher eher bei den Mitgliedstaaten zu Buche schlagen. Gemäß Art. 175 IV EGV kann die EG in der Umweltpolitik nur begrenzt Verwaltungskompetenzen ausüben, doch könnte sie gegebenenfalls Regelungen über die nationale Umweltverwaltung treffen. 192 Noch begrenzter sind die Vorgaben im Bereich der allgemeinen Steuerverwaltung, wo die Gemeinschaft nur über Harmonisierungskompetenzen verfügt, deren Voraussetzung die Auswirkungen auf den Binnenmarkt bzw. den Gemeinsamen Markt sind.193 Dagegen setzt die effektive Nutzung der nationalen Steuerverwaltungen zunächst erhebliche Angleichungsmaßnahmen voraus. dd) Fazit

Die erfolgreiche Installierung von Umweltabgaben hängt von einer Vielzahl zu beachtender Problemkreise ab, die in der Praxis nicht immer zu einer umweltpolitisch optimalen Gestaltung derselben führen. Auf EG-Ebene werden die negativen Einflüsse einer Reihe von Faktoren sogar verstärkt. Dabei handelt es sich nicht nur um die bekannten Schwierigkeiten bei einem Tätigwerden auf einer höheren hoheitlichen Ebene wie sie auch im Ordnungsrecht194 anzutreffen sind, sondern sie tangieren auch den erfolgreichen Einsatz von Umweltabgaben. In der praktischen Bewertung spricht dies eher für einen Einsatz im nationalen Rahmen, zumindest aber für eine Selbstbeschränkung der EG auf den Einsatz von Umweltabgaben in überschaubaren Problembereichen. Ein Tätigwerden der EG verspricht am meisten Erfolg in Bereichen, in denen die nationalen politischen Lösungskapazitäten nicht ausreichend sind, d. h. insbesondere bei grenzüberschreitenden Umweltproblemen.195 Den effektivsten Einsatz sichert eine Kombination mit ordnungsrechtlichen Instrumenten. 196

Zum Umfang der Verwaltungskompetenz in der Umweltpolitik unter D.l. Vgl. die UVP-Rchtlinie und die Umweltinformationsrichtlinie. 193 Zu den Möglichkeiten der Einführung supranationaler Verwaltung in diesen Bereichen s. unter D. I. 194 Für eine Renaissance des Ordnungsrechts plädiert Steinzor, HarvardELR (22) 1998, 103ff. 195 Zur rechtlichen Relevanz dieser Erkenntnisse s. zum Subsidiaritätsprinzip C.l. 196 Gawel, DV 1999, 179 (199ff.). 19 1 19 2

IV. Umweltabgaben in der EG

147

d) Umweltabgaben im Vergleich mit anderen Instrumenten der Umweltpolitik

Aufgrund der aufgezeigten Probleme bei der Einführung von Umweltabgaben ist es im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit197 von EG-Maßnahmen sinnvoll, einen Vergleich zu anderen Instrumenten in der Umweltpolitik und ihres Einsatzes auf EG-Ebene zu ziehen. 198 Sowohl auf nationaler Ebene 199 als auch in internationalen Untersuchungen200 werden alternative Instrumente zu Umweltabgaben erörtert, die ebenfalls zu den flexiblen, "weichen" umweltpolitischen Instrumenten zu rechnen sind. In der EG-Umweltpoliti.k ist im 5. Umweltprogramm und im Beschluß zu dessen Überprüfung die Entwicklung neuer, marktorientierter Instrumente gefordert worden, deren Charakteristikum die Schaffung von ökonomischen und steuerlichen Anreizen ist.201 Allerdings werden konkret nur Umweltabgaben, steuerliche Anreize, umweltbezogene Bilanzprüfungen (Öko-Auditing) und Umwelthaftungsregelungen erwähnt. 202 Das schließt aber nicht aus, daß auch andere indirekte Instrumente in der EG-Umweltpolitik zum Einsatz kommen können, wie Zertifikatsmodelle oder Subventionen. Denn diesen ist ebenfalls eine ökonomische Wirkung, insbesondere als Anreiz für eine gesteigerte Beachtung von Umweltproblemen eigen.203 Im folgenden sollen die Subventionen und Zertifikatsmodelle näher untersucht werden, da ihre Anwendung bei vergleichbaren Umweltproblemen diskutiert wird.204

aa) Abgaben und Zertifikatslösungen Unter den Zertifikatslösungen sind besonders die handelbaren Emissionsrechte zu nennen. Sie basieren auf der Idee, bestimmte Emissionsrechte staatlicherseits auszugeben, die im privaten Sektor zwischen Unternehmen übertragen werden könDazu ausführlich unter C. II. Wasmeier, S. 22 ff. 199 Kloepfer, S. § 5, Rdnr. 163ff., Meßerschmidt, S. 96; Knüppel, S. 32ff.; Müller-Wirt, S.ll4ff.; Hansjürgens, S. 36ff.; zu einzelnen Instrumenten RSU, Umweltgutachten 1996, S.96ff. 200 OECD, Taxation and the Environment, S.18ff. 201 5. Umweltprogramrn, ABI. 1993, C 138, S.1 (16); vgl. den Gemeinsamen Standpunkt für einen Beschluß über die Überprüfung des 5. Umweltprogramrns, ABI. 1997, C 157, S. 12f.; Art.3 Beschluß 2179/98/EG, ABI. 1998, L275, S. l. 202 5. Umweltprogramrn, ABI. 1993, C 138, S. 1 (70ff.); vgl. Art. 3 Nr.1 lit. a und e Beschluß zur Überprüfung des 5. Umweltprogramrns, ABI. 1998, L275, S. 1. Auch Meßerschmidt, S. 96, zählt sie zu den ökonomischen Instrumenten. Zu Umweltabsprachen s. KOM (98) 495. 203 Vgl. Meßerschmidt, S. 96 f. 204 Zu Gemeinsamkeiten zwischen Zertifikatsmodellen und der Verleihungsgebühr F. Kirchhof, DVBl 1987, 554ff.; Umweltsubventionen werden insbesondere im Zusammenhang mit der Verwendung der Einnahmen aus Umweltabgaben diskutiert. Demgegenüber stellen Umweltvereinbarungen insgesamt ein Tätigwerden des Staates in Frage. Erfolgversprechend sind sie bisher nur im Zusammenhang mit klaren rechtlichen Verpflichtungen gewesen, vgl. die Mitteilung der Kommission in KOM (95) 561 , sowie die Empfehlung in ABI. 1996, L333, 5.59. Zu anderen indirekten Instrumenten vgl. K/oepfer, Umweltrecht, S. 162ff. 197 198

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

nen. Auf diese Weise bildet sich ein Preis für das betroffene knappe Umweltgut Um eine Verbesserung der Umweltqualität zu erreichen, muß der Staat von Zeit zu Zeit eingreifen und die Menge der im Umlauf befindlichen Zertifikate reduzieren.205 Den Zertifikatslösungen ähnlich sind Kompensationsmodelle206 wie das "Bubble"-Konzept, bei dem nur die Gesamtmenge von Emissionen innerhalb einer gedachten Halbkugel über einem bestimmten Gebiet betrachtet wird und ein Ausgleich zwischen den Emissionen der verschiedenen Unternehmen innerhalb der Halbkugel möglich ist. Solche gegenseitigen Absprachen können auch außerhalb der Halbkugel im sogenannten Emissions-Offset207 erfolgen. Ferner können in einer Emissions-Bank Zertifikate gehalten und gekauft werden, die nicht ausgenutzt wurden. Die Vorteile dieses Konzeptes sind seine Effizienz und der geringe Verwaltungsaufwand. Außerdem werden viele der Folge- und Verteilungsprobleme von Abgabenlösungen vermieden. Ihre erfolgreiche Installierung korreliert aber wie bei den Umweltabgaben mit einem hohen Informationsbedarf auf Seiten des Staates.208 Grundsätzlich kann man über Zertifikate die Menge der Emissionen genau steuern, den Preis hingegen nicht. Das ist bei Umweltabgaben gerade umgekehrt. In der Praxis wird die Unsicherheit über die Kosten eher als Bedrohung aufgefaßt. 209 Des weiteren können Abgaben schneller geändert werden, während sich bei (entgeltlichen) Zertifikaten Schwierigkeiten mit Eigentumsrechten ergeben können. Ferner bestehen Gefahren der Manipulation des Marktes durch große Unternehmen.210 Aufgrund dieser Nachteile werden Abgabenlösungen in der Literatur größtenteils eher favorisiert. 211 Tatsächlich gibt es bei bisherigen Modellen handelbarer Lizenzen nur sehr kleine Märkte. In Deutschland wird befürchtet, daß es bei solchen Lösungen leicht zu lokalen Schwerpunkten von Umweltverschmutzungen innerhalb der Märkte kommen kann.212 Rehbinder hält für die EG-Ebene den Einsatz nicht für möglich, weil die Probleme solcher großen Märkte derart komplex seien, 205 V gl. OECD, Taxation and the Environment and the Environment, S. 25 ff.; Kloepfer, Umweltrecht, S. 337ff.; Knüppel, S. 58 f.; zu besonderen Modellen Müller-Witt, S. 114ff. Nach RSU, Umweltgutachten 1996, S. 343, ist der wichtigste Vorteil der Umweltlizenzen ihre ökologische Treffsicherheit. 206 Vgl. Meßerschmidt, S. 97 m. w. N.; Kloepfer, Umweltrecht, S. 341 . 207 Zu Erfahrungen in den USA Wasmeier, NuR 1992, 2l9ff. 2os OECD, Taxation and the Environment, S. 26. 209 OECD, Taxation and the Environment, S. 26. 210 OECD, Taxation and the Environment, S. 26. 211 OECD, Taxation and the Environment, S. 26; Kloepfer, Umweltrecht, S. 340; sehr kritisch Müller-Witt, S.114ff.; Enders, DÖV 1998, 184 (187); Rehbinder, ELQ 1993 (Vol. 20), 57 (59), sieht auf EG-Ebene eher das Problem, daß keine ausreichenden Erfahrungen mit entsprechenden nationalen Maßnahmen bestehen; Knüppel, S. 58 ff. (62); a. A. Stüer/Spreen, UPR 1999, 161 ff. zur deutschen Umweltpolitik; Keohane/Revesz!Stavins, HarvardELR (22) 1998, 313ff. 21z K/oepfer, Umweltrecht, § 5, Rdnr. 305.

IV. Umweltabgaben in der EG

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daß sie jenseits der Problemlösungskapazität der Zertifikatsmodelle lägen, doch sehen neuere Untersuchungen durchaus Einsatzmöglichkeiten.213 Tatsächlich gibt es in der EG aber ein bislang funktionierendes Modell der Zertifikatslösung, bei dem allerdings die Zertifikate nicht handelbar sind. Es handelt sich um das Ökopunkte-System für den Transit durch Österreich. Nach Art. 6 VO (EG) 3298/94214 werden die Ökopunkte an die Mitgliedstaaten vergeben, die sie dann zwischen ihren Unternehmen aufteilen können (Art. 7). Durchaus denkbar wäre hier, daß die nationale Vergabe nach Entgelt geschieht und die einzelnen Kontingente übertragbar sind. Dem Marktgeschehen werden aber insofern Grenzen gesetzt, als einen Monat vor Jahresende die Gemeinschaftsreserve verteilt wird (Art. 8 II) und damit kein freier Markt entstehen kann. Im Ergebnis können also Lizenzmodelle in kleinen überschaubaren Bereichen auch in der EG zur Anwendung kommen, stellen aber nicht grundsätzlich ein vorzugswürdiges Instrument für die EG-Umweltpolitik dar. bb) Abgaben und Subventionen Zwar können Subventionen eine vergleichbare influenzierende Wirkung wie Umweltlenkungsabgaben haben, wenn sie nach dem Maß der Vermeidung von Umweltverschmutzung gewährt werden215 , doch ist ihre Funktionsweise der von Umweltabgaben diametral entgegengesetzt, da der Anreiz über die Gewährung finanzieller Mittel erreicht wird. Sofern sie aus Mitteln der Allgemeinheit aufgebracht werden, stehen sie im krassen Gegensatz zu den Abgaben, weil sie zur Verwirklichung des Gemeinlastprinzips statt des Verursacherprinzips beitragen. Aufgrund dessen werden sie in der umweltpolitischen Literatur als Alternative zu Umweltabgaben abgelehnt216 und sind auch in der EG-Umweltpolitik kein aktuelles Thema. 217 213 Rehbinder, ELQ 1993 (Vol. 20), 57 (68); vgl. aber RSU, Umweltgutachten 1996, S. 341 ff., zum Vorschlag der Einführung von C02-Lizenzen. 214 VO 3298/94, ABI. 1994, L341, S.20; geändert in ABI. 1996, L 190, S. 13; fürden Transit durch die Schweiz besteht ein ähnliches System aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarung mit der EG. Der Bericht über das Ökopunktesystem, KOM (98) 6, S. 8, konstatiert einen deutlichen Rückgang beim Ausstoß von Schadstoffen. 215 Vgl. OECD, Taxation and the Environment and the Environment, S. 245f.; Kloepfer, Umweltrecht, § 5, Rdnr. 232 ff.; Knüppel, S. 33 ff., unterscheidet Finanzhilfen und Steuervergünstigungen und im einzelnen, S. 34ff., Produkt-, Technologie- und Emissionsminderungssubventionen. Wasmeier, S. 23, will Subventionen durch Abgabenverschonung nach der wirtschaftlichen Wirkung eventuell auch als Umweltabgaben qualifizieren. 216 Knüppel, S.l47f.; OECD, Taxation and the Environment, S.25; a.A. F. Kirchhof, DÖV 1992, 233 (241 ). Zu den einzelnen Problemfeldern Franzmeyer/Seidel, S. 56 ff. 217 Im 5. Umweltprograrnm, ABI. 1993, C 138, S. 1 (73), unter dem Stichwort "finanzielle Hilfen" aufgeführt, wird in Art. 3 Nr. 1 lit. d Beschluß zur Überprüfung des 5. Umweltprograrnms, ABI. 1998, L275, S. l , der Abbau von Subventionen verlangt, die sich nachteilig auf Produktions- und Konsumpraktiken auswirken.

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

Auch kann der stimulierende Effekt auf die Wirtschaft am Ende zu einer Zunahme von Umweltbelastungen, bspw. der Gesamtemissionen führen. 218 Das kann Verschärfungen der Subventionsvoraussetzungen erforderlich machen. Ferner stellen die Subventionen für die Umweltverschmutzer kein echtes Eigeninteresse dar und bieten keinen Anreiz, mehr als das Gebotene zu unternehmen, um in den Genuß der Vergünstigung zu kommen. Dabei bestehen aber durchaus Parallelen zu Umweltabgaben. Die Ausgestaltung im Sinne einer Anreizwirkung verlangt die Festlegung einer Grundlinie von Emissionen, mit denen die Verbesserungen verglichen werden. Die sachgerechte Bestimmung derselben verlangt ein Vielzahl komplexer Informationen und ist in der Praxis eines der Hauptprobleme.219 Dabei stellt die ordnungsrechtliche Basis nur einen Orientierungspunkt dar. Diese Schwierigkeiten haben zur Folge, daß man auch nur schwer die Trennlinie zwischen gerechtfertigten und ungerechtfertigten Subventionen, die protektionistische Zwecke verfolgen, ziehen kann. 220 Daher sind ihnen im Ergebnis die Abgaben eindeutig vorzuziehen. 221 In der Praxis sind Subventionen statt auf Belohnung für Verhaltensänderungen eher auf die Entwicklung von Umwelttechnologien ausgerichtet. Darüber hinaus vergrößern sie, sowohl bei direkten als auch bei indirekten Subventionen, den Finanzbedarf des Staates und führen so zu neuem Steuerbedarf.222 Allerdings ist ihr Einsatz in Kombination mit Umweltabgaben sinnvoll und geeignet, besondere Wirkungsweisen jener zu verstärken bzw. Hemmnisse für die Einführung der Abgaben oder unerwünschte Auswirkungen zu beseitigen.223 Besondere Vorteile können in Bonus-Malus-Systemen durch die Verknüpfung beider Instrumente erzielt werden.224 Sofern Umweltsubventionen durch die Mitgliedstaaten gewährt werden, ergeben sich Probleme in wettbewerblieber Hinsicht. Ähnlich wie nationale Umweltabgaben bergen sie die latente Gefahr eines Protektionismus im Gewand des Umweltschutzes. Auf EG-Ebene bestehen mit den Art. 81 ff., 87 f. (ex-Art. 85, 92) EGV weitreichende Befugnisse der Gemeinschaft, insbesondere der Kommission zur Kontrolle der nationalen Subventionstätigkeiten.m Speziell für Umweltsubventionen besteht ein Gemeinschaftsrahmen, der die Grenzen für finanzielle Unterstützungen festlegt. 226 Aber auch die Gemeinschaft selbst kann grundsätzlich in der UmOECD, Taxation and the Environment, S. 24. OECD, Taxation and the Environment, S. 24. 220 OECD, Taxation and the Environment, S. 24. 221 Nach der Analyse von Knüppel, S.l47f., stehen die Subventionen unter den Aspekten der Zielerreichung und umweltökonomischen Effizienz hinter den Umweltauflagen und den Umweltabgaben. Innerhalb der Subventionen sind Emissionsminderungssubventionen am erfolgversprechendsten. 222 OECD, Taxation and the Environment, S. 25. 223 Zu internationalen Kompensationsmöglichkeiten Michaelowa, S. 21 ff. 224 v. Zezschwitz, in: Lange, Gesamtverantwortung, S. 251 (255 f.). 225 V gl. die Vorlagefrage bezüglich der teilweisen Vergütung von Energieabgaben des Österreichischen Verfassungsgerichtshofes, EuGRZ 1999, 365. 226 Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen, ABI. 1994, C72, S. 3. 218

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V. Abgaben- und Ertragshoheit der Gemeinschaft

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weltpolitik Subventionen gewähren. So ist die EG aufgrund von Art. 153 (exArt. 130 a) EGV zur Stärkung des sozialen und regionalen Zusammenhaltes verpflichtet. Zu diesem Zweck kann sie insbesondere Subventionen aus dem Regionalund Kohäsionsfonds bereitstellen.227 Ferner erlauben einzelne Kompetenznormen die Bereitstellung von Subventionen für bestimmte Vorgaben, für die eine Rechtsgrundlage benötigt wird. So existiert im Umweltbereich seit langem das Finanzierungsinstrument LJFE.228 Einer Gemeinschaftssubventionierung zu umweltpolitischen Zwecken sind allerdings durch Art. 175 IV EGV Grenzen gesetzt, wonach die Mitgliedstaaten für die Finanzierung der Umweltpolitik Sorge tragen unbeschadet bestimmter Maßnahmen der Gemeinschaft.229

V. Abgaben- und Ertragshoheit der Gemeinschaft 1. Begriffsbestimmung Die Frage, ob und wieweit der Gemeinschaft die Einnahmen aus Abgaben und damit auch aus Umweltabgaben zugewiesen werden können, ist in der Literatur hoch umstritten.' Ihre Untersuchung verlangt zuvörderst eine Klärung der Begriffe der Ertragshoheit und der Abgabenhoheit Wahrend ein Großteil der Literatur vorsichtig davon ausgeht, daß die EG über eine begrenzte Abgabenhoheit im Bereich der gemeinsamen Politiken verfügt2 , ist das für den Begriff der Steuerhoheit völlig umstritten.3 Teilweise wird das Bestehen einer Steuerhoheit der Gemeinschaft so kategorisch abgelehnt\ daß an dieser Stelle zu klären ist, ob der Begriff überhaupt als Arbeitsbegriff tauglich ist. 227 Zum derzeitigen Handlungsspielraum der Kommission Scheuing, NVwZ 1999, 475 (478 f.); ausführlicher zu den EG-Kompetenzen im Umweltbereich unter D. II. 228 VO (EWG) 1973/92, ABI. 1992, L206, S. 1; geändert durch VO (EG) 1404/96, ABI. 1996, L 181, S.l. 229 Zu den rechtlichen Grenzen s. unter D. II. 1 V gl. die Nachweise unterE. II. 1., E.III. 3., E. IV. 3. 2 Hilf, UTR 16, S.l21 (135); Götz, Fs. Friauf, S.37 (52ff.); Voß, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Vorb. Art. 95, Rdnr. 24, bejaht ein Steuererfindungsrecht nur für "Umweltsteuern" nach Art. 175 EGV; a. A. Börner, S. 64 ff. Näher dazu unterE. II. I. 3 Ablehnend Förster, in: Bleckmann, Europarecht, 5. Aufl., Rdnr. 1441 f.; ihr folgend Bleckmann/Hölscheidt, DÖV 1990,853 (857); bejahend im Bereich des Art.269 (ex-Art. 201) EGV Bieber, in: GTE, EUV/EGV, Art. 201, Rdnr. 10; Oppermann, Rdnr.1158. F. Kirchhof, in: Rengeling, EUDUR I, § 38, Rdnr. 50, weist darauf hin, daß Art. 269 EGV keine eigenständige Kompetenz der EG darstellt. Eilers, in: GTE, EUV/EGV, Vorb. Art. 95-99, Rdnr. I f. , geht unter dem Begriff der Steuerhoheit der EU auf die Harmonisierung der indirekten Steuern und Ansätze bei den direkten Steuern ein. 4 Börner, S. 64ff.; Bleckmann!Hölscheidt, DÖV 1990, 853 (857); Klein, Fs. Wöhe, S. 189 (199) gegen ein unbegrenztes Steuererfindungsrecht; ebenfalls eine "Steuer- bzw. Ertragshoheit" der EG verneinend, Wo/jfgang, in: Lenz, EGV, Vorb. Art. 90- 93, Rdnr.6.

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

Die Finanzverfassung eines Gemeinwesens umfaßt die Gesamtheit der Regelungen der Abgabenhoheit und der Lastenverteilung und gibt damit Auskunft über die Finanzhoheit auf den einzelnen hoheitlichen Handlungsebenen.5 Bezüglich der Abgabengläubigerschaft sind zunächst die unterschiedlichen hoheitlichen Handlungsebenen zu unterscheiden. Eine Begrenzung auf staatliche Hoheitsträger wäre zu eng, da sowohl die Gemeinden als auch die EG erfaßt werden sollen, welche nach wie vor keine Staatsqualität besitzen. In Anlehnung an Hermann Heller wird der Begriff "hoheitliche Entscheidungseinheit" verwendet6, wenn zusätzlich zwischen verschiedenen Abgabengläubigem auf einer Handlungsebene zu differenzieren ist. Zur Finanzverfassung zählen der aktive und der passive Finanzausgleich. Der aktive Finanzausgleich in der EG betrifft die Verteilung der Ertragshoheit an den Abgaben zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten.7 Im Mittelpunkt steht die Abgabenhoheit, die immer auch auf die Einnahmenbeschaffung ausgerichtet ist. 8 Für die Gesamtbewertung der Finanzhoheit ist es aber erforderlich, auch auf die Regelung der Lastenverteilung zwischen den hoheitlichen Handlungsebenen-die Frage, welche Handlungsebene die finanziellen Lasten welcher öffentlichen Aufgaben trägt9 - einzugehen. Bei Differenzen zwischen der Ertragsseite und der Aufgabenträgerschaftkönnen Umverteilungen der Einnahmen nötig werden, um eine sachgerechte Aufgabenerfüllung zu gewährleisten. Die notwendigen, umverteilenden Zuweisungen, bezeichnet man auch als passiven Finanzausgleich. 10 In der EG sind sie ursprünglich über die Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten erfolgt. 11 Im föderativen Staat wie auch in anderen Systemen mit unterschiedlichen hoheitlichen Wirkungsebenen kommt der Ausgestaltung der Finanzhoheit, insbesondere der Verteilung der Einnahmen, eminente Bedeutung zu. Denn nur wenn die einzelnen hoheitlichen Ebenen über ausreichende Mittel zur Wahrnehmung der ihnen ob5 Bothe, S. 232 für die Steuerhoheit und den Lastenausgleich; Neumärker, S. 15. Der Begriff der Finanzhoheit wird von Birk, Steuerrecht I, S. 51, mit dem der Steuerhoheit gleichgesetzt. Dagegen handelt es sich nach Paulick, S. 35, und Strickrodt, in: Strickrodt/Steglitz, HwStR, Bd. I, S. 351, um einen Oberbegriff, der die Steuerhoheit als einen Teil umfaßt. 6 Heller, S. 133, bezeichnet damit die juristische Entscheidungseinheit in Abgrenzung von wirtschaftlichen und politischen Wirkungseinheiten. Nach diesem Begriffsverständnis ist die von Bothe verwendete, aber nicht näher erläuterte Terminologie der ,,hoheitlichen Wirkungseinheiten" nicht genau genug, vgl. Bothe, S. 232f. 7 Keller, in: Hdb. SozWiss, S. 545. Die Frage der Ertragshoheit der untergeordneten Ebenen, wie der Gemeinden wird hier nicht erörtert, da das EG-Recht nicht danach differenziert. 8 W. Kruse, S . 66. 9 Vgl. Bothe, S.233; nach Wendt, in: Pomrnerehne/Ress, Finanzverfassung, S.I7 (23), sollte die Aufgabenverteilung die Voraussetzung für die Regelung aller weiteren Zuständigkeiten sein. 1 Keller, in: Hdb. SozWiss, S.545; Kops, in: Caesar, Reform der Finanzverfassung, S. 23 ff.; kritisch zum Begriff des Finanzausgleichs Tipke/Lang, S. 57, die ihn als Unterfall der Ertragshoheit ansehen. Dagegen bezeichnet ihn Häde, S. 217 ff. als Korrektur der primären Einnahmenverteilung. 11 Zum Streit über die Bewertung der heutigen BSP-Mittel als Finanzbeiträge s. E.l. 2. c ).

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V. Abgaben- und Ertragshoheit der Gemeinschaft

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liegenden Aufgaben verfügen, ist ihre politische Bedeutung gesichert. 12 Trotz dieser hervorragenden Bedeutung determiniert die Finanzhoheit rechtlich gesehen nicht die Staatlichkeit. 13 So war das Deutsche Reich von 1871 Zeit seines Bestehens in erheblichem Umfang Kostgänger der Länder geblieben 14, ohne daß dadurch seine Staatlichkeil in Frage gestellt worden wäre. Eine allgemeine Verpflichtung, daß eine Ebene nicht von den Zuweisungen der anderen abhängig sein darf, kann deshalb nicht festgestellt werden, sondern ihr Bestehen muß konkret aus der jeweiligen Verfassung ermittelt werden.' 5 Finanzielle Abhängigkeiten zwischen den Handlungsebenen können sich auch außerhalb der Finanzverfassung durch Veränderungen bei der Ausgaben- und Aufgabenzuständigkeit ergeben. Diesen kann eine Verfassung durch den Grundsatz der Konnexität dieser beiden Zuständigkeiten gegensteuern, wie das in Art.104a I GG geschehen ist.' 6 Aufgrund ihrer zentralen Bedeutung betrifft die Frage der Finanzhoheit in der Gemeinschaft auch die Frage nach Stand und Ziel der europäischen Integration.'7 Da letzteres sehr umstritten ist18 und im EG-Vertrag und seinen Revisionen bislang nicht eindeutig festgelegt worden ist, kann es nicht verwundern, daß auch die Problematik der Abgabenhoheit als Teil der Finanzhoheit Gegenstand einer heftigen Auseinandersetzung ist. In der deutschen Literatur liegt das Augenmerk vorrangig auf dem Begriff der Steuerhoheit.'9 Demgegenüber ist die Abgabenhoheit der umfassendere 12 Zum Bundesstaat vgl. Häde, S. 183; Henneke, DÖV 1996, 713 (719f.); Heinemann, S. 193, fordert, daß die Ausstattung der EG mit Finanzmitteln der Zuweisung von Politikfeldern entsprechen müsse; zum Zusammenhang von Finanzverfassung und Staatsverfassung Dittmann, in: Caesar, Reform der Finanzverfassung, S.55 (59ff.). 13 Die Besteuerungsgewalt ist aber ein wichtiger Teil staatlicher Souveränität, F Kirchhof, in: Rengeling, EU DUR I, § 38, Rdnr. 50. 14 Tipke, Steuerrechtsordnung, III, S. 1081; zur Finanzierungsverantwortung im Bundesstaat Henneke, DÖV 1996, 713ff. 15 Insofern ist zu unterstreichen, daß Häde, S. l83, einen entsprechenden Grundsatz nur für das Grundgesetz herleitet. 16 Vogel, in: Isensee/Kirchhof, HdbStR, Bd. IV, § 88, Rdnr. 22 ff., auch zu den Ausnahmen vom Konnexitätsprinzip unter dem GG. 17 F. Kirchhof, in: Rengeling, EU DUR I, § 38, Rdnr. 50; Henke, in: Pohmer, Probleme des Finanzausgleichs, S.ll; nachHäde, EuZW 1993,401, wird das Finanzsystem der EG dem eines Bundesstaates zunehmend ähnlicher; Hettlage, Fs. Ficker, S. 225 (228), sieht für die EG gleiche Probleme wie in Bundesstaaten. Grundsätzlich zum auxiliären Charakter der Finanzverfassung Wendt, in: Pommerehne/Ress, Finanzverfassung, S.l7 (20). 18 Zu Integrationstheorien s. Beutler, in: BBPS, EU, S. 70ff.; zu neuen politischen Vorstellungen in der Praxis Allott, CMLRev 1997, 439 (483 ff.); zu möglichen Grenzen des Integrationsprozesses BVerfGE 89, 155 (182ff.). 19 Vgl. Birk, Steuerrecht, S. 39 ff. Das liegt wohl daran, daß für die Steuerhoheit in Deutschland nach dem Grundgesetz ein ausdiffenrenziertes System besteht, das sich von den Regelungen über die Abgabenhoheit im übrigen unterscheidet. Dagegen beziehen Stiglitz/Schönfelder, S. 47, die Steuerhoheit auch auf die Erhebung anderer Abgaben. Auch Eilers, in: GTE, EUV/ EGV, Vorb. Art. 95- 99, Rdnr. 1, erörtert nur die Steuerhoheit, obwohl ex-Art. 95 EGV alle Abgaben umfaßt; auch Voß, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Vorb. Art. 90, Rdnr. 24, verwendet den Begriff .,Steuerhoheit" wohl umfassend.

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

Begriff, da er alle Abgabentypen, nicht nur die Steuern erfaßt.2° Für die Untersuchung ist es daher sinnvoller, vom umfassenderen Begriff der Abgabenhoheit auszugehen. Dafür spricht ferner, daß in der Umweltpolitik grundsätzlich Steuern wie auch andere Abgaben eingesetzt werden können und sich bei beiden Abgabentypen die Frage nach der Ertragshoheit stellt, da jeweils Einnahmen für eine hoheitliche Handlungsebene erzielt werden. Die Definitionen in der Literatur setzen jedoch am Begriff der Steuerhoheit an, weshalb zunächst auf diesen zurückzugehen ist.21 Obwohl der Begriff Steuerhoheit oft benutzt wird, werden nur selten Definitionen angeboten. 22 Danach versteht man darunter die Ausübung der Staats- und Verbandshoheit auf dem Gebiet der allgemeinen Besteuerung, d. h. im Falle der Abgaben auf dem Gebiet der Abgabenerhebung.23 Es geht um die rechtlichen Möglichkeiten eines Gemeinwesens, Steuern bzw. Abgaben zu erheben24, also die Art und Weise, wie der Staat oder im Falle der EG die Gemeinschaft das Geld für ihre Ausgaben beibringt25. Unbestritten umfaßt die Steuerhoheit sachlich26 - die Steuerrechtsetzungshoheit (Gestaltungshoheit): Sie umschließt das Recht, die Steuerpflichten, insbesondere die Zahlungsansprüche, aus denen sich die Einnahmen ergeben, zu begründen und deren Höhe festzusetzen. 27 Dies kann durch Gesetz und im Falle der Gemeinden durch Satzung geschehen. In der EG stehen nach Art. 249 EGV die Verordnung und die Richtlinie zur Verfügung. Daher ist für die Untersuchung der umfassendere Begriff der Steuerrechtsetzungshoheit gegenüber dem der Steuergesetzgebungshoheit vorzugswürdig. - die Steuerverwaltungshoheit: Sie betrifft die verwaltungsmäßige Konkretisierung und Durchsetzung der Steuerpflichten.28 Sie ist zu unterscheiden von der Verwal20 Strickrodt, in: HwStR, Bd. L-Z, S. 1001; unter dem Stichwort "Abgabenhoheit" in Bd. A-K findet sich nur der Verweis auf die Steuerhoheit. 21 Strickrodt, in: HwStR, Bd.L-Z, S. lOOl. 22 Regelmäßig wird der Begriff selbst gar nicht bestimmt, sondern sogleich auf die Bestandteile der Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Ertragshoheit eingegangen, vgl. W Kruse, § 3 12., S. 66; Pau/ick, Rdnr. 77; Tipke/Lang, § 3 Rdnr. 1, sprechen sogar direkt von den Steuerhoheiten in ihren drei Erscheinungsformen. 23 Strickrodt, in: HwStR, Bd. L-Z, S. 1001. 24 Strickrodt, in: HwStR, Bd. L-Z, S. 1002. 2s Stiglitz/Schönfelder, S. 47. 26 Die folgende Differenzierung folgtBothe, Kompetenzstruktur, S. 232 f.; vgl. ferner Keller, in: Hdb. Sozialwissenschaften, S. 545; Tipke/Lang, S. 50-61; Tipke, Steuerrechtsordnung, Bd. III, S. 1077; Häde, S. 153f.; Birk, Steuerrecht I, S. 50, Rdnr. 1 verwendet als Oberbegriff "Finanzhoheit". 27 Vgl. Tipke/Lang, S. 52 ff.; aufS. 55 setzen sie dies mit dem Steuererfindungsrecht gleich; Tipke, Steuerrechtsordnung, Bd. III, S. 1086; Häde, S. 154; Vogel/Walter, BK, Art. 105, Rdnr.12 verwenden die Bezeichnung ,,Besteuerungshoheit", da teilweise unter Steuerhoheit allein die Gesetzgebungskompetenz verstanden wird. 28 Tipke/Lang, S. 60; Häde, S.153.

V. Abgaben- und Ertragshoheit der Gemeinschaft

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tungskompetenz in einzelnen Sachpolitiken, mit der sie nicht notwendig identisch sein muß. - die Steuerertragshoheit Sie betrifft die Aufgabe, die Verteilung des Steueraufkommens vorzunehmen. 29 In der deutschen Literatur wird sie regelmäßig mit der im Grundgesetz vorgesehenen Ertragsverteilung gleichgesetzt.30 Soweit die Verteilung in der Verfassung (bzw. im EG-Primärrecht) geregelt ist, erschöpft sich ihre Bedeutung in der Berechtigung der verschiedenen hoheitlichen Handlungsebenen auf die erzielten Einnahmen (tatsächliche Vereinnahmung des Steueraufkommens). Es kann aber auch sein, daß einer Handlungsebene das Recht zusteht, über die Verteilung der Steuern zu entscheiden und damit die Ertragshoheit einer anderen Ebene zu begründen. Ein solches Recht steht z. B. in Spanien dem Staat im Verhältnis zu den autonomen Gemeinschaften und Gebietskörperschaften zu. 31 Es handelt sich um das Recht zur Normierung der Ertragshoheit, über das für die davon begünstigte hoheitliche Handlungsebene oder Entscheidungseinheiten das Recht zur tatsächlichen Vereinnahmung des Steueraufkommens begründet werden kann. Nicht zur Ertragshoheit, sondern zur Steuerrechtsetzungshoheit zählt die Regelung der Ansprüche dem Grunde und der Höhe nach, auch wenn dies Auswirkungen auf den Umfang der Einnahmen der zum Ertrag berechtigten hoheitlichen Handlungsebene hat.32 Die drei Bestandteile der Steuerhoheit lassen sich auch bei der Erhebung aller anderen Abgabenarten unterscheiden und können daher zur Grundlage des umfassenden Begriffs der Abgabenhoheit gemacht werden. Die Abgabenertragshoheit wird nachhaltig von der Abgabenrechtsetzungshoheit sowie der Abgabenverwaltungshoheit beeinflußt. Über erstere kann insbesondere Höhe und Art der Abgaben bestimmt werden, die Art und Weise der Wahrnehmung der letzteren hat vor allem Auswirkungen auf das tatsächliche Aufkommen. Damit gibt die Abgabenhoheit in ihren drei Untergliederungen insgesamt Auskunft über einen wichtigen Bereich der Machtverteilung zwischen den hoheitlichen Handlungsebenen. In der Auseinandersetzung um das Bestehen einer EG-Steuerhoheit wird der Begriff zuweilen um weitere Aspekte angereichert, die in der dargestellten Untergliederung in die drei Kompetenzen nicht berücksichtigt werden. Zum Teil wird vertreten, daß die Steuerhoheit voraussetze, daß die Gemeinschaft bei der Festsetzung der Abgabenhöhe einen fiskalischen Spielraum zur Beschaffung von Einnahmen besitzen müsse.33 Fiskalisch bezeichnet in diesem Zusammenhang nicht den Umstand, Häde, S. 182. Tipke, Steuerrechtsordnung, Bd. III, S. 1117 ff.; Birk, Steuerrecht, S. 50f.; Häde, S. 153, 182f. 31 Art.l33 II spanische Verfassung, nach Art.133 I stehen alle Steuereinnahmen ursprünglich dem spanischen Staat zu. 32 A. A. wohl Ohler, S. 189, der in beiden Fällen (Freistellungs- und Anrechnungsmethode) die Ertragshoheit betroffen sieht. 33 Eckhoff, Fs. Bleckmann, S. 13 (23 f.). 29

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

daß die Einnahmen aus allen Abgaben, die in den Haushalt eingehen, zur Finanzierung der öffentlichen Lasten dienen und insofern auch einen fiskalischen Nutzen haben. Vielmehr geht es darum, ob die Abgabengestaltung es ermöglicht, die Abgabenhöhe nach fiskalischen Bedürfnissen auszurichten oder ob diese durch andere Zwecke maßgeblich determiniert wird. In diesem Sinne hatte der EG-Vertrag bspw. zwischen Zöllen und Finanzierungszöllen unterschieden.34 Es handelt sich um eine besondere Qualität der Steuerhoheit, die faktisch Einfluß auf den Umfang der Erträge hat, rechtlich aber die Steuerrechtsetzungshoheit betrifft. Sowohl aus organisationsrechtlichen Gründen (Prinzip der begrenzten Ermächtigung nach Art. 5 I EGV) als auch aufgrund der notwendigen Rechtfertigung finanzieller Belastungen am Maßstab der Grundrechte bedarf es einer Ermächtigung zur Verfolgung eben solcher fiskalischen Zwecke. Wie unter den Abgabentypen in der EG festgestellt wurde, kommen dafür im EG-Recht vorrangig die Steuern i. e. Sinne (Fiskalsteuern) in Frage, die in allen Mitgliedstaaten zur allgemeinen Einnahmenbeschaffung des Staates dienen. Dieses besondere Merkmal einer Steuerhoheit bezieht sich dagegen definitionsgemäß nicht auf die Vorzugslasten. Bezüglich der parafiskalischen Abgaben oder der besonderen Steuerabgaben, die besonderen Zwecken dienen, ist ihre fiskalische Nutzbarkeit35 vom EuGH zu einem Kriterium für die Abgrenzung der in Frage kommenden Rechtsetzungskompetenzen geworden. 36 Die weitergehende Frage, unter welchen Umständen die Erträge von solcherart fiskalisch nutzbaren Umweltsteuern der EG zustehen können, betrifft insbesondere die Auslegung des Art.175IIEGV und des Art.269 (ex-Art. 201) EGV sowie die Qualifizierung des Eigenmi ttelbeschlusses. 37 Andere Autoren stellen noch weitergehend auf die Existenz eines Steuererfindungsrechts38 als entscheidendes Kriterium ab. 39 Dieses Kriterium bezieht sich ebenfalls inhaltlich auf den Umfang der Rechtsetzungshoheit, faktisch hat es aber auch Einfluß auf den Umfang möglicher Einnahmen. Es ist für die Frage der Steuerhoheit nicht allein entscheidend, denn auch ohne Steuererfindungsrecht wird man eine (beschränkte) Steuerhoheit einer hoheitlichen Ebene bejahen müssen, wenn diese nur für bestimmte Steuern über die Rechtsetzungs- und Ertragshoheit verfügt. Da die Harmonisierungskompetenzen in dieser Hinsicht keine ausreichende Rechtsgrundlage bilden, geht es bei diesem Kriterium im EG-Recht um die Auslegung der 34

Ex-Art.l2 (Art. 25) und 17 (aufgehoben) EGV.

35 Eckhoff, Fs. Bleckmann, S. 13 (23 f.) hält selbst die Zölle für nur begrenzt fiskalisch nutz-

bar.

36

s. unter B. I.3. c)dd)(l).

37 s. unter E. II., E. III. 38 Zur Terminologie wie hier Tipke/Lang, § 3 Rdnr. 4; dagegen trifft man häufig auf die For-

mulierung Steuerfindungsrecht, Klein, Fs. Wöhe, S.l89 (199). Diese ist nicht sachdienlich, da sie nahelegt, daß die Steuern bereits existieren und nur vom Staat gefunden zu werden bräuchten. Gerade das Beispiel der Umweltsteuern belegt, daß tatsächlich der Staat neue, bis dato unbekannte Steuern erfindet. 39 Bleckmann!Hölscheidt, DÖV 1990, 853 (857).

V. Abgaben- und Ertragshoheit der Gemeinschaft

157

Sachkompetenzen, insbesondere des Art. 175 I, II EGV40, sowie wiederum des Art. 269 EGV. Ferner wird darauf abgestellt, welcher Handlungsebene das Recht zur Änderung der Abgabenzuweisung zusteht.41 Damit ist der Teilbereich der Normierung der Ertragshoheit angesprochen. Auch dieses Erfordernis ist nicht conditio sine qua non für eine Steuerhoheit Denn sofern die entsprechende Normierung bereits in einer Verfassung festgelegt ist, verfügen die begünstigten hoheitlichen Ebenen de constitutione Iata über die Steuerhoheit. So besitzen bspw. in Deutschland die Länder die Steuerhoheit über die Biersteuer, obwohl die Ertragszuweisung in Art. 106 II Nr. 6 GG durch eine Verfassungsänderung auf Bundesebene geändert werden könnte. In der EG erfolgen Ertragszuweisungen vor allem über den Eigenmittelbeschluß nach Art. 269 EGV. Unabhängig von der umstrittenen Frage, ob dieser eine Kompetenz der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten darstellt42 , kann hier festgestellt werden, daß nach erfolgter Zuweisung von Einnahmen über den Eigenmittelbeschluß an die EG diese zumindest die Ertragshoheit de lege lata besitzt. Insofern ist für die Beurteilung entscheidend, in wessen Haushalt die Einnahmen einzusetzen sind. Nach anderer Ansicht soll es schließlich entscheidend darauf ankommen, ob eine direkte Steuergläubigerschaft der hoheitlichen Handlungseinheit gegenüber dem Steuerpflichtigen besteht.43 Dieses Kriterium ist im Steuerrecht unüblich. In der französischen Literatur wird ihm zum Teil nur psychologische Relevanz beigemessen.44 Es geht darum, wen der Abgabenpflichtige für den direkten Gläubiger der gegen ihn gerichteten Ansprüche ansieht. Das kann sich aus den Vorgaben des Steuerverwaltungsrechts ergeben, wenn bspw. ausdrücklich eine Auftragsverwaltung vorgesehen ist. Daran sind aber nicht notwendig unterschiedliche rechtliche Folgen für die hoheitliche Ebene geknüpft, die letztendlich die Einnahmen erhält. Dieses Problem stellt sich zum Beispiel im Grundgesetz in der Regelung nach Art. 106 V GG, die den Gemeinden einen Anteil an der Einkommensteuer zuweist. Die wohl h. M. spricht zu Recht von einer Ertragshoheit der Gemeinden an der Einkommensteuer, denn die betroffenen Einnahmen hängen unmittelbar vom Steueraufkommen ab und sind daher nicht losgelöst von der Steuererhebung zu betrachten.45 In der EG geht es in diesem Zusammenhang um die Frage, ob die im Eigenmittelbeschluß erfaßten Einnahmen der EG erst zugewiesen werden können, wenn dies in den nationalen Haushaltsverfahren beschlossen worden ist. 46 Es handelt sich bei der direkten Steuergläubiger40 Ein Steuererfindungsrecht bejaht Voß, in: Grabitz/Hilf, EUV(EGV, Vorb. Art. 90, Rdnr. 24, für Umweltsteuern nach Art. 175 EGV; ausführlich dazu unter 8. I. 3. 41 So wohl Klacke, S. 94, zur Kompetenzstruktur des ex-Art. 201 (Art. 269) EGV. 42 s. unterE. III. 4. b ). 43 Klein, Fs. Wöhe, S.189 (198 f.); wohl auch Eckhoff, Fs. Bleckmann, S. 13 (23). 44 /saac, in: Isaac, Ressources financieres, S. 70 (77). 45 Jarass!Pieroth, GG, Art. 106, Rdnr. 11; Nachweise bei Pagenkopf, S. 267ff.; unter Zugrundelegung der Modelle der Ertragshoheit (s. unter A. V. 2.) handelt es sich um eine Form des Verbundsystems mit festgelegten Quoten. 46 Dazu unterE. II. 1.

158

A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

schaft um ein sehr zweifelhaftes Kriterium, da es nicht zwingend eine besondere Qualität finanzieller Unabhängigkeit einer hoheitlichen Handlungsebene beschreibt. Denn auch bei seinem Vorliegen kann es an der Rechtsetzungshoheit, die für die Bestimmung von Steuergegenstand und -höhe entscheidend ist, fehlen. 47 Die skizzierten Elemente des Steuererfindungsrechts und eines weiten Spielraumes zur fiskalischen Nutzung der Steuern stellen Kernelemente des modernen Steuerstaates dar, weil sie die Anpassung der Einnahmen an den Finanzbedarf ermöglichen, und sind damit wichtiger Bestandteil der Vorstellung von einer umfassenden Staatsgewalt.48 Sollte nach dem EG-Vertrag eine entsprechend weite Steuerhoheit der EG realisierbar erscheinen, so hätte dies erhebliche Auswirkungen auf die Beurteilung des erreichten Integrationsstandes und die Diskussion um einen Staatscharakter der Gemeinschaft.49 Wegen dieser möglichen Implikationen sollte der Begriff der Steuerhoheit als Arbeitsbegriff nicht überladen werden. Auch um der Gefahr einer Begriffsjurisprudenz zu entgehen, ist es sinnvoll, den Unterschieden zwischen den Auffassungen zum Begriff der Steuerhoheit dadurch Rechnung zu tragen, daß man von einem weiten Begriff der Steuerhoheit ausgeht, der sich zunächst maßgeblich auf die Verteilung der Rechtsetzungs-, Verwaltungs- und Ertragshoheit stützt. Soweit dabei die in die Diskussion zusätzlich eingebrachten Kriterien nicht erfüllt werden, handelt es sich um inhaltliche Limitierungen der Steuerhoheit, die bei einer Bewertung des Umfangs der Steuerhoheit zu berücksichtigen sind. Dadurch wird die Untersuchung von Mißverständnissen freigehalten, die sich aus dem heftigen Streit über das grundsätzliche Bestehen einer "EG-Steuerhoheit" ergeben könnten. Für einen so verstandenen Begriff der Steuer- und damit auch der Abgabenhoheit spricht dessen Funktion, insbesondere Auskunft über die Qualität der Finanzhoheit zu geben. Nicht der plakative Begriff, sondern nur die detaillierte Untersuchung der Ausgestaltung im einzelnen ermöglicht eine richtige Einschätzung der dadurch bedingten Machtverteilung zwischen den hoheitlichen Ebenen. Würde man einen engen Begriff der Steuerhoheit zugrundelegen, wäre eine solche für die EG zwar de lege lata bislang zu verneinen. 50 Diese Aussage würde aber verdecken, inwieweit bereits Ansätze bestehen und Kompetenzen vorhanden sind, eine EG-Steuerhoheit zu erreichen. 47 Vgl. Art. 106 II Nr. 2 GG zur Erbschaftssteuer, deren Ertrag den Ländern zusteht, deren Gegenstand und Höhe aber durch Bundesgesetz bestimmt werden, Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz vorn 17.4.19974, BGBl. I, S. 933, i. d. F. der Bekanntmachung vorn 27.2.1997, BGBI.I, S. 378. 48 Tipke/Lang, § 3, Rdnr. 1, sprechen von einer Erscheinungsform der Staatsgewalt; Mössner!Kellersmann, DVBI 1995, 968f. weisen auf die Verbindung zur Souveränität hin; Franzmeyer, S. 249 sieht in der Finanzverfassung und dem Steuersystem wesentliche Identitätsmerkmale der N ationalstaatlichkeit. Hettlage, Fs. Ficker, S. 225 (228 f. ), bezeichnet diese Aspekte als .,Finanzautonomie" in Unterscheidung von der Finanzhoheit. Eine solche Reduktion des Begriffs der Finanzhoheit kann aber zu Differenzen mit der Gesetzgebungshoheit führen, so daß es vorzugswürdig ist, je nach Ausgestaltung der Finanzhoheit die Finanzautonomie zu bestimmen. 49 F Kirchhof, in: Rengeling, EUDUR I, § 38, Rdnr. 50. so Dazu unterE. 11.-III.

V. Abgaben- und Ertragshoheit der Gemeinschaft

159

Diese Problematik weist erhebliche Parallelen zu der Frage auf, inwieweit die EG souverän geworden ist oder die Mitgliedstaaten noch souverän sind. Erstens ist umstritten, ab wann exakt einem Gemeinwesen die Qualifizierung als souverän zukommt. Gerade die Staatsqualität der deutschen Länder zeigt, daß im Bundesstaat Souveränitätsvorstellungen nicht absolut gesetzt werden können. Zweitens ist die Öffnung der Souveränität der Mitgliedstaaten und die Übertragung von Souveränitätsrechten auf die Gemeinschaft so komplex und vielgestaltig, daß generelle Aussagen insofern wertlos sind, als sie nicht den erreichten Grad der Entwicklung beschreiben können.st Allein die Frage, inwieweit die im Amsterdamer-Vertrag vorgesehene Garantie einer demokratischen Homogenität der Mitgliedstaaten in Art. 6 IEUV in juristischer Hinsicht noch mit der Vorstellung nach außen souveräner Staaten vereinbar ist, zeigt die geringe Lösungskapazität genereller Aussagen über eine Souveränität der verschiedenen Handlungsebenen für die Bewertung konkreter Kompetenzen.

2. Systeme der Verteilung der Ertragshoheit Bereits vor Gründung der EG gab es internationale Organisationen, die das Recht zur Erhebung von Abgaben hatten, wie die Internationale Donaukommission, die bereits 1856 Schiffahrtsabgaben erheben konnte. Heute sind insbesondere der Internationale Währungsfonds und das Genfer Büro für Markenschutz Beispiele finanzieller Autonomie.52 Schon früh hat das BVerfG grundsätzlich bejaht, daß eine supranationale Gewalt in Deutschland auch im Bereich der Abgabenerhebung einwirken darf.53 Allerdings betraf diese Entscheidung Gebühren und nicht Abgaben zur allgemeinen Finanzierung von Staatsaufgaben, also Steuern i.e. Sinne. Ein Besteuerungsrecht der EG, dessen Umfang mit dem der Mitgliedstaaten vergleichbar gewesen wäre, war in den Gründungsverträgen schon wegen des nur begrenzten Aufgabenbereiches nicht zu etablieren gewesen.54 Die erste supranationale Steuer im engeren Sinne betrifft daher auch nur den begrenzten Bereich der Montanunion.55 Es ist daher kaum verwunderlich, daß dieser Aspekt in der völkerrechtlichen Literatur zu den internationalen Organisationen nur wenig Berücksichtigung findet. 56 Zwar beschäftigen sich völkerrechtliche und finanzwissenschaftliche Theorien mit der Fi51 Zum Einfluß des EG-Rechts auf das nationale Steuerrecht Bahlmann, EuR 1985, 43ff.; Mattera, S. l07ff. 52 Siehe Bieber, in: BBPS, EU, S. 167; weitere Bsp. bei Seidl-Hohenveldern/Loibl, S. 265 ff. 53 BVerfGE 58, 1 (31); 59, 63 (86f.) .,Eurocontrol". 54 Auf den begrenzten Aufgabenbereich weist Bieber, in: BBPS, EU, S. 167, hin. 55 Zur Qualifizierung der allgemeinen Umlage nach Art. 49 EGKSV unter E.l. 1. a). 56 0/mi, CDE 1971, 379 (382ff.), bringt eine Reihe von Beispielen aus dem Völkerrecht; Wolfrum, in: Bernhardt, Encyclopedia of Public International Law (Vol. II), S. 1284 (1287); Seidl-Hohenveldern/Loibl, S. 265, widmen dem Thema zwei Seiten, die sich auch auf die EG beziehen; Häde, S. 419. Ausführlich dagegen Schermers, § 804-§ 962; Druker, S. 30ff. zu den einzelnen internationalen Organisationen in Europa.

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

nanzhoheit, bzw. dem Grad an Finanzautonomie einer internationalen Organisation, doch steht dabei das in der Praxis vorherrschende System der Finanzbeiträge der Staaten und der Rückfluß der Mittel im Zentrum.57 Es handelt sich dabei um Fragestellungen des passiven Finanzausgleichs, wie sie in Verteilungssystemen auftreten, die sich am Aufkommen einer Wirkungseinheit orientieren. Daher sind diese Theorien bezüglich der Problematik des aktiven Finanzausgleichs, wie sie sich insbesondere in Verteilungssystemen stellt, die an den finanziellen Lasten des einzelnen ansetzen, d. h. der Gläubigerstellung einer hoheitlichen Handlungsebene gegenüber den Abgabenpflichtigen, von geringer Aussagekraft Untersuchungen in letzterem Sinne hat es über die Verteilung der Ertragshoheit in Bundesstaaten gegeben58, auf die wegen der vergleichbaren Problematik zurückgegriffen werden kann, ohne dabei die Antwort auf die Frage nach einer "Staatlichkeit" der Gemeinschaft zu determinieren. In der Literatur werden für die Verteilung der Steuerertragshoheit verschiedene Verteilungsmodelle idealtypisch unterschieden.59 In der Praxis herrschen Mischsysteme vor, die für bestimmte Steuerarten unterschiedliche Modelle der Ertragshoheit verwenden.60 - Das Konkurrenzmodell: Jede Gebietskörperschaft kann in Konkurrenz mit den anderen auf die Abgabenpflichtigen zugreifen und autonom über die Art und die Höhe der Steuern bestimmen.61 Sofern dies unbegrenzt geschehen kann, spricht man vom freien KonkurrenzmodelL Bestehen hingegen bestimmte Einschränkungen, bspw. durch Festlegung von Höchststeuersätzen, handelt es sich um ein eingeschränktes Konkurrenzmodell.62 Im ersteren Fall stehen dem Vorteil der finanzwirtschaftlichen Autonomie der einzelnen Ebenen gravierende Nachteile gegenüber, insbesondere weil die Einheitlichkeit des Steuersystems gefährdet wird. 63 Diese können im eingeschränkten Konkurrenzmodell durch entsprechende Ausgestaltung verringert werden.

57 Dazu ausführlich Nittka, S. 224 ff. m. w. N. Die dortige Bezeichnung als Matrikularbeiträge ist insofern ungenau, als der Begriff "Matrikel" historisch an die Kopfzahl der Bevölkerung anknüpft, Flämig, in: Stiglitz/Strickrodt, HwStR, Bd. 1, S. 753, in internationalen Organisatonen heute aber eher die wirtschaftliche Leistungsfaltigkeil der Staaten entscheidend ist. 58 Zur Finanzverfassung in Bundesstaaten Bothe, S. 232 ff. 59 Die Darstellung folgt der von Bothe, S. 234. Sie entspricht im wesentlichen der Darstellung bei Nittka, S.186ff., Tipke, Steuerrechtsordnung lll, S. 1079ff., Tipke!Lang, S. 42f. Die Darstellungen beziehen sich zwar auf Bundesstaaten, da sie aber jede Form der Abhängigkeit von Gesamt- und Gliedstaaten betrachten, sind sie auch auf nicht föderale supranationale Staatenverbindungen sinnvoll anwendbar. 60 Tipke/Lang, S. 42f.; Bothe, S. 235. 6l Bothe unterscheidet als Untergruppen das freie und das eingeschränkte Konkurrenzmodell, S. 234 f. 62 Bothe, S. 234. 63 Zu weiteren Nachteilen siehe Nittka, S.188f.

V. Abgaben- und Ertragshoheit der Gemeinschaft

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- Das Trennsystem: Die einzelnen bestehenden Einnahmequellen werden getrennt und jeweils einer Ebene zur alleinigen Verfügung zugeordnet. 64 Jede Ebene ist dann autonom bezüglich der ihr zugewiesenen Steuern. Dadurch werden die nachteiligen Überschneidungen, die im Konkurrenzmodell auftreten können, verhindert. Gefahren für die Balance zwischen den einzelnen Gebietskörperschaften im Gesamtsystem ergeben sich aber daraus, daß sich die Ergiebigkeit einzelner Steuerquellen entgegen dem jeweiligen Finanzbedarf entwickeln kann.65 Das Zuschlagsystem: Eine Handlungsebene nimmt Zuschläge zu der von einer anderen Ebene erhobenen Steuer vor. Dieses Modell gehört zu den Verbundsystemen, die sich an der Höhe des Steuersatzes orientieren.66 Je nach Dispositionsfreiheit der zuschlagberechtigten Ebene wird eine entsprechende finanzielle Autonomie ermöglicht, allerdings um den Preis ähnlicher Nachteile, wie sie beim Konkurrenzsystem auftreten können. 67 Das (am Steueraufkommen orientierte) Verbundsystem:68 Eine Ebene schöpft die Gesamtheit der Einnahmequellen aus. Die Einnahmen werden dann nach einem bestimmten Schlüssel auf die verschiedenen Ebenen verteilt. Dabei wird die Einheitlichkeit des Steuersystems und der Steuerverwaltung gewahrt. Probleme ergeben sich aber für die angemessene Festlegung der Quoten, die die Aufgabenbelastung berücksichtigen sollte. - Finanzausgleichs-orientierte Systeme: Sie stehen in einem grundsätzlichen Gegensatz zu den vorgenannten Systemen. Bei ihnen liegt die gesamte Steuerhoheit bei einer Ebene, die dann den anderen Gebietskörperschaften die benötigten Mittel, nicht aber Steuerquellen zuweist. Zuweisungen durch die Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsebene werden als Finanzbeiträge bezeichnet69 , solche der Gemeinschaftsebene an die Mitgliedstaaten als Überweisungen.70 Da aber die jeweiligen Zuweisungen für die empfangende Ebene in keiner Abhängigkeit mehr vom Aufkommen bestimmter Steuern stehen, wird man ihr nicht einmal eine geringe Bothe, S. 235; Nittka, S.189f. Nittka, S. 190. 66 Bothe, S. 235. 67 Insbesondere besteht aufgrund der jeweils autonomen Rechte die Gefahr ungeordneter Belastungskumulationen bei den Abgabenpflichtigen. 68 Bothe, S. 235; Nittka, S. 192ff.; Tipke, Steuerrechtsordnung III, S. 1079f., unterscheidet dieses System nicht mehr. Es liegt aber nach überwiegender Ansicht in der BRD der Verteilung der Steuern auf die Gemeinden nach Art. 106 V GG zugrunde, vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 106, Rdnr. 38, der von echter Ertragshoheit spricht; AK-Birk, Art. 106, Rdnr. 37 zustimmend für begrenzte (Mit-)Ertragshoheit; a.A. Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art.106, Rdnr. !6, 18, die die Ertragshoheit nur auf Art.l06 VI GG beziehen. 69 Bothe, S.235, spricht von Matrikularbeiträgen. 70 Nittka, S. 195; Tipke, Steuerrechtsordnung III, S. 1079, verwendet Gesamtverbundsystem und Überweisungssystem in gerade entgegengesetzter Terminologie. 64 65

II Heselhaus

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

Steuerhoheit zusprechen können. Diese Beurteilung findet sich auch in der Literatur zu den Mehrwertsteuer-Eigenmitteln der EG, sofern diese als Finanzbeiträge qualifiziert werden. 71 Für andere Abgaben außer Steuern i.e. Sinn finden diese Modelle soweit ersichtlich nicht ausdrücklich Anwendung. Das mag daran liegen, daß sie in Bundesstaaten gegenüber den Steuern i. e. Sinn immer eine untergeordnete Rolle bezüglich des gesamten Finanzaufkommens gespielt haben. Auch wenn sich in manchen Staaten die Bestimmung der Ertragshoheit bezüglich solcher Abgaben nicht ausdrücklich aus der Verfassung ergibt, sondern nach bestimmten Grundsätzen vorgenommen wird72 , kann man in der Theorie auch bei ihnen die genannten Modelle unterscheiden. In der Praxis dürften die am Abgabenaufkommen orientierten Systeme überwiegen. Insbesondere die deutsche Zuordnung der Einnahmen aus Sonderabgaben entspricht dem Trennungssystem.

3. Verhältnis der Ertrags- zur Abgabenverwaltungsund Rechtsetzungshoheit Bei der Beurteilung der Steuer- und Abgabenhoheit der hoheitlichen Handlungsebenen besteht keine notwendige Verknüpfung der Abgabenverwaltungshoheit mit der Ertrags- oder Abgabenrechtsetzungshoheit.73 In dem für Umweltabgaben besonders interessanten Fall der parafiskalischen Abgaben fallen allerdings Ertragshoheit und Abgabenverwaltungshoheit in der Hand des Parafiscus zusammen. Im übrigen kann der Einzug von Abgaben aber durchaus einer hoheitlichen Entscheidungseinheit obliegen, die am Ertrag nicht beteiligt ist. So sieht zwar in Deutschland Art. 108 I, II GG für die wichtigsten Bundessteuern die Verwaltung durch Bundesfinanzbehörden vor, doch kann dies gemäß Art. 108 IV, S.1 GG geändert werden. In der EG sind Abgaben in der gemeinsamen Agrarpolitik ein Beispiel. Denn ihr Aufkommen steht seit 1970 der Gemeinschaft zu, obgleich die verwaltungsmäßige Durchführung den Mitgliedstaaten obliegt. Unbestreitbar hat die Abgabenverwaltungshoheit aber in der Praxis erhebliche Auswirkungen auf die Abhängigkeit der hoheitlichen Handlungsebene voneinander und auf die Einheitlichkeit des Steuersystems. Denn der Umfang der Einnahmen hängt nicht zuletzt davon ab, mit welcher Effizienz die Finanzverwaltung Ansprüche verfolgt und durchsetzt. In rechtstheoretischer Hinsicht ist sie aber, sofern eine Vgl.lsaac/Hen, RTDE 1978, 647 (668f.); dazu unter E.l. 2. b). So gilt nach h. M. unter dem Grundgesetz der Grundsatz, daß die Ertragshoheit an Sonderabgaben der Zuständigkeit für die Sachaufgabe folgt; Vogel/Waller, BK, Art. 106, Rdnr. 32ff.; Stern, S.1160f.; Jarass!Pieroth, GG, Art. 106, Rdnr. 2, stellen auf die Gesetzgebungskompetenzen ab, allerdings falschlieherweise unter Hinweis auf die zuvor für die Gegenansicht Zitierten. 73 Klein, Fs. Wöhe, S.189 (198); Langeheine, EuR 1982, 175 (176); nach dem Vorschlag der EVP von 1983 für eine Verfassung der EU war eine Auftragsverwaltung durch die Mitgliedstaaten vorgesehen, Klein, Fs. Wallis, S.491 (504). 71

72

V. Abgaben- und Ertragshoheit der Gemeinschaft

163

Erhebungspflicht besteht, für die Bewertung des Verhältnisses der Handlungsebenen zueinander nicht entscheidend. Wird darüber hinaus bestimmt, daß die ertragsberechtigte Ebene für Versäumnisse bspw. über Verzinsungsregelungen schadlos gestellt wird, kann sie auch bei Fehlen der Abgabenverwaltungshoheit rechtlich einen hohen Grad an Abgaben(-ertrags-)hoheit besitzen.74 So tragen in der gemeinsamen Agrarpolitik die Mitgliedstaaten die Kosten der fehlerhaften Verwaltung. 75 In der Praxis erhält die EG mangels Mitverwaltung nur über die Verrechnungskassen oder über ihre begrenzten Kontrollbefugnisse Kenntnis von Fehlern.76 Auch im Verhältnis von Rechtsetzungs- und Ertragshoheit bestehen keine zwingenden Zusammenhänge. Erstere bestimmt bspw. durch die Festlegung der Steuern, ihrer Höhe, eventuellen Steuerverschonungen oder -reduzierungen zwar den Umfang der Erträge, hat aber keinen notwendigen Einfluß auf die Verteilung des Steueraufkommens. Im Grundgesetz ist eine entsprechende Trennung nach Art. 105, 106 GG vorgenommen worden. 77 Bezüglich der Rechtsetzungshoheit kann man ähnliche Modelle wie bei der Ertragshoheit unterscheiden. Die hoheitlichen Handlungsebenen können hinsichtlich der Gestaltung der Einnahmequellen, d. h. der Rechtsetzungshoheit einerseits konkurrieren78, andererseits kann die Rechtsetzungshoheit auch nach bestimmten Merkmalen der Steuerquellen zwischen den Handlungsebenen aufgeteilt sein79. Ferner gibt es noch die Möglichkeiten, daß jeweils nur eine Handlungsebene zur Rechtsetzung berufen ist80 oder daß beide Ebenen nur gemeinsam tätig werden können81. Die Anwendung des freien Konkurrenzmodells unterliegt in der EG Grenzen aufgrund der Sperrwirkung des EG-Sekundärrechts.82 Eine umfangreiche Rechtsprechung des EuGH zur Mehrwertsteuer zeigt, wie schwierig die Bestimmung dieser Grenze im Einzelfall sein kann.S3 Denn manche Steuergegenstände können doppelt ausgeschöpft werden.S4 Soweit ferner im Primär- oder im Sekundärrecht Öff74 Daher wird auch bei den Darstellungen der Steuerhoheit dem Aspekt der Steuerfinanzverwaltung keine besondere Bedeutung beigemessen; vgl. Bothe, S. 232 ff. 75 Dazu unter D. I. 76 Vogel/Rodi, S. 25 f. 77 Jarass!Pieroth, GG, Art. 106, Rdnr. 2. 78 Bothe unterscheidet das freie Konkurrenzmodell von einem beschränkten, S.236; bei letzterem kann fraglich sein, ob es sich um eine Beschränkung der Gestaltungs- oder der Ertragshoheit handelt. 79 Bspw. im Grundgesetz Art.l06 GG. 80 Bspw. Art. 133 II spanische Verfassung. 81 Bothe, S. 236. 82 Zur Sperrwirkung von Ordnungsrecht in bezug auf Verwaltungsgebühren EuGHE 1998, I-6337ff., Rs. C-36, 37/97. 83 Nowack, in: GTE, EUV/EGV, Art. 99, Rdnr. 104ff. mit einem Überblick über die Rspr. 84 s. in Deutschland die Einkommen- und die Gewerbesteuer. s. Fuest, S. 63, zu überlappenden Bemessungsgrundlagen für direkte Steuern auf das Arbeitseinkommen und indirekte Steuern. 11*

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

nungsklauseln für ein nationales Vorgehen bestehen bzw. festgelegt werden, läge eine eingeschränkte Konkurrenz vor, die aber auf die Bereiche nicht ausschließlicher Zuständigkeit der Gemeinschaft begrenzt ist. Außer beim freien Konkurrenzmodell, das eine gewisse Rechtsetzungskompetenz erfordert, können alle Modelle der Ertrags- und Gestaltungshoheit miteinander kombiniert werden. 85 Insoweit zeigen auch die theoretischen Modelle, daß bei Steuern und anderen Abgaben von der Rechtsetzungshoheit einer Handlungsebene nicht zwingend aus allgemeinen Grundsätzen auf die Ertragshoheit derselben geschlossen werden kann. Ein Beispiel aus dem deutschen Recht ist die unterschiedliche Verteilung der Rechtsetzungs- und der Ertragskompetenzen bezüglich Steuern in den Art. 105, 106 GG. In ähnlicher Weise kann der Bund unter dem deutschen Grundgesetz über die Gesetzgebungskompetenz für Sonderabgaben in Deutschland verfügen, die Ertragshoheit an deren Aufkommen kann aber wie im Falle des Abwasserabgabengesetzes Länderprafisci zustehen.86 In besonderen Fällen kann die Zuordnung der Rechtsetzungshoheit der Gemeinschaft zu den Modellen Schwierigkeiten aufwerfen. Eindeutig steht die Rechtsetzungshoheit der EG zu, wenn eine primärrechtliche Ermächtigung, bspw. in den Sachkompetenzen vorliegt, wonach der Rat im Zusammenspiel mit den anderen EG-Organen rechtsetzend tätig werden kann. Politisch gesehen handeln zwar die Mitgliedstaaten im Rat, von denen jeder einzelne im Falle der einstimmigen Beschlußfassung seine Interessen sichern kann, rechtlich gesehen liegt aber ein autonomes Tätigwerden der Gemeinschaft vor. Das wird besonders deutlich in Politikbereichen, die eine Beschlußfassung mit Mehrheit vorsehen, wie Art. 37 EGV. Probleme bei der Zuordnung nach den genannten Modellen treten aber auf, wenn die EG aufgrundihrer Harmonisierungskompetenzen Art. 93 und 94 (ex-Art. 99, 100) EGV, die insbesondere für Steuern i. e. Sinn einschlägig sind, tätig wird. Einerseits bedürfen die nach Art. 93 EGV erlassenen Richtlinien der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten, die allerdings nach Art. 249 EGV als Rechtspflicht zwingend vorgeschrieben ist.87 Andererseits entfalten auch die Richtlinien gegenüber den Mitgliedstaaten eine Sperrwirkung, die deren Rechtsetzungshoheit beschränkt.S8 Ein praktisches Beispiel sind die zahlreichen Entscheidungen des EuGH zur Sperrwirkung der Mehrwertsteuer-Richtlinie gegenüber nationalen Abgabenregelungen.s9 Im Anschluß an die grundsätzlichen Unterscheidungen von Bothe90 könnte man von einer gemeinsamen Ausübung der Rechtsetzungshoheit sprechen. Allerdings ist zu Bothe, S. 236. Vogel/Walter, BK, Art.106, Rdnr. 32ff.; Stern, S. 1160f. 87 Eine unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien bezüglich Abgaben ist nicht möglich, da diese nur eingreifen kann, wenn der einzelne nicht belastet werden soll; ständige Rspr., vgl. EuGHE 1994, 1-3325 (3356}, Rs. C-91/92 "Faccini Dori". 88 Kritisch zum "Mythos" der Sperrwirkung Furrer, S. 90ff. 89 Siehe die Nachweise bei Nowack, in: GTE, EUV/EGV, Art. 99, Rdnr. 104ff. 90 Bothe, S. 236. 85

86

V. Abgaben- und Ertragshoheit der Gemeinschaft

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beachten, daß die EG die Umsetzung rechtlich einfordern kann und eine entsprechende Entscheidung des EuGH mittlerweile auch durch Zwangsgelder durchgesetzt werden könnte. 91 Genau genommen besteht in diesen Fällen im EG-Recht auf beiden hoheitlichen Handlungsebenen eine limitierte, komplementäre Rechtsetzungshoheit. Nach umstrittener Ansicht könnte auch über den Eigenmittelbeschluß nach Art. 269 EGV Abgabenrechtsetzungshoheit ausgeübt werden92 , wenn bspw. für die EG ein Zuschlag zu einer nationalen Steuer im Eigenmittelbeschluß festgelegt würde. Das Verfahren zum Erlaß des Eigenmittelbeschlusses setzt einen Vorschlag der Kommission, einen Beschluß des Rates und die Annahme durch die Mitgliedstaaten nach deren Verfassungsvorschriften voraus. Da die Annahme durch die Mitgliedstaaten nicht zu den EG-Rechtsakten nach Art. 249 EGV zählt, sondern gemäß ihrer nationalen Verfassungsvorschriften erfolgt, ist sie nicht Teil des autonomen Tätigwerdens eines EG-Organs. Die Situation unterscheidet sich wesentlich von der im deutschen Verfassungsrecht bei einem Handeln des Bundesrates, das dem Bund zuzurechnen ist. Unabhängig von der genauen rechtlichen Qualifizierung des Eigenmittelbeschlusses, die aufgrunddieses mehrschichtigen Verfahrens umstritten ist93 , kann man hier bereits festhalten, daß weder die Mitgliedstaaten noch die EG allein über Art. 269 EGV tätig werden können. In der Sache würde es sich um die gemeinsame Ausübung einer Rechtsetzungskompetenz handeln. Schließlich ist zu beachten, daß sowohl die Abgabenverwaltungs- als auch die Abgabenertragshoheit zu ihrer Ausgestaltung rechtsetzende Tätigkeiten erfordern, vor allem bei der Normierung des Verwaltungsverfahrens oder der Ertragshoheit durch Rechtsvorschriften, soweit das nicht durch die Verfassung bzw. das Primärrecht vorgegeben ist.94 In der EG geht es dabei zum einen um die Frage, ob aufgrund der Rechtsetzungskompetenzen auch das (Abgaben-) Verwaltungsverfahren geregelt, ein direkter EG-Verwaltungsvollzug angeordnet oder selbständige Verwaltungseinrichtungen (Parafisci) errichtet werden können. 95 Zum anderen geht es darum, ob auf Grundlage der EG-Rechtsetzungskompetenzen Einnahmen aus Abgaben der EG zugewiesen werden können oder ob trotz Fehlens einer EG-Ertragshoheit die EG über die Verwendung der Einnahmen bestimmen darf.96

Art. 228 ll UA 3 EGV. Zu dieser Frage unterE. III. 93 Dazu unterE. III. 4. b). 94 Näher dazu in der EG unterE. IV.; a. A. Müller, S. 71, 82, der die Ertragshoheit als Voraussetzung für Regelungen über den Verwendungszweck ansieht, sofern diese nicht notwendig aus anderen verfassungsrechtlichen Anforderungen (Grundrechte) vom Gesetzgeber vorzunehmen seien. 95 s. unter D .I. 96 s. unter 8.1. 3. c)hh). 91

92

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A. Begriffsbestimmungen und Grundlagen

4. Aufgaben- und Ausgabenkompetenz Die Aufgabenkompetenz betrifft die Frage nach der Verwaltungshoheit in der Sache97. Sie fallt für Umweltabgaben regelmäßig mit der Abgabenverwaltungshoheit zusammen, kann theoretisch aber durchaus davon divergieren. Bspw. könnten Umweltproduktabgaben verwaltungsmäßig über die für die Erhebung der Mehrwertsteuer zuständigen Behörden eingezogen werden, obgleich es sich in der Sache um Umweltverwaltung handelt. Im Falle der Parafisci liegen beide Kompetenzen dagegen in einer Hand. Ähnlich wie bei der Ertragshoheit kann man weiter unterscheiden, ob eine Kompetenz zur Wahrnehmung der Verwaltungsaufgabe oder sogar zur Zuweisung der Verwaltungsaufgaben, sofern dies nicht im Primärrecht vorgegeben ist, besteht. Bis auf wenige ausdrückliche Zuweisungen von Verwaltungskompetenzen an die EG sind die Mitgliedstaaten regelmäßig für die Durchführung des Gemeinschaftsrechts verantwortlich. 98 Die Ausgabenkompetenz regelt die Frage, welche Wirkungsebene die Kosten der Aufgabenwahrnehmung zu tragen hat.99 Unter den Ausgaben werden einerseits die Verwaltungsaus gaben, die für die Erhaltung und den Betrieb des Verwaltungsapparates erforderlich sind, und andererseits die Zweckausgaben unterschieden, die operativen Ausgaben in der Terminologie des EU-Vertrages 100, die durch die Wahrnehmung der Aufgaben entstehen. 101 So fallen in der gemeinsamen Agrarpolitik im Bereich der gemeinsamen Marktordnungen die operativen Ausgaben der Gemeinschaft zur Last, die Verwaltungsausgaben für die mit der Durchführung der Sachaufgaben betrauten nationalen Stellen aber den Mitgliedstaaten. Ausnahmsweise tragen die Mitgliedstaaten die operativen Kosten im Falle von Fehlern in der Verwaltung. Auch bezüglich der Ausgabenkompetenz ist wiederum nach der Kompetenz zur eigenen Wahrnehmung der Finanzierung (Finanzierungszuständigkeit) und derjenigen zur Normierung (Auferlegung) einer Finanzierungspflicht zu differenzieren. Letztere betrifft u. a. die hochumstrittene Problematik, ob die Gemeinschaft die Mitgliedstaaten zur Bereitstellung von Subventionen verpflichten darf.l 02 Der EuGH hat die dargestellte Terminologie bislang vermieden, sondern in entsprechenden Fällen danach gefragt, welche Ebene sich verpflichtet und welche die eingegangene Verpflichtung zu erfüllen habe. 103