Technikethik und ihre Fundamente: Dargestellt in Auseinandersetzung mit den technikethischen Ansätzen von Günter Ropohl und Walter Christoph Zimmerli [Reprint 2014 ed.] 3110175002, 9783110175004, 9783110904444

Gegenstand der Erörterung ist die Offenlegung des faktischen und potentiellen Ethikbezugs von Technik. Grundlegend für j

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Technikethik und ihre Fundamente: Dargestellt in Auseinandersetzung mit den technikethischen Ansätzen von Günter Ropohl und Walter Christoph Zimmerli [Reprint 2014 ed.]
 3110175002, 9783110175004, 9783110904444

Table of contents :
Vorwort
Teil A: Einleitung: Diskussionslage und Problemstellung
Kapitel I: Diskussionslage in Philosophie und christlicher Theologie
Kapitel II: These, Ziel und Voraussetzung der Untersuchung
Kapitel III: Methode und Ansatz
Teil B: Voraussetzungen einer systematischen Grundlegung der Technikethik
Kapitel I: Bestimmung der Begriffe Technik und Ethik
1. Was ist unter Technik zu verstehen?
2. Was ist unter Ethik zu verstehen?
Teil C: Das Technikethikverständnis von Günter Ropohl
Kapitel I: Horizont und Anliegen von Ropohls Technikethikverständnis
Kapitel II: Technik im Horizont der Frage nach dem Menschen
1. Die Bedeutung der Anthropologie für das Verständnis von Technik und Ethik
2. Ropohls Technikverständnis
3. Das Systemverständnis Ropohls
4. Ropohls Handlungsverständnis
Kapitel III: Kritische Würdigung des Technikverständnisses Ropohls
Kapitel IV: Technikethik im Horizont der Frage nach dem Menschen
1. Kriterien und Voraussetzungen einer Technikethik
2. Strukturelemente von Ropohls Technikethikverständnis
3. Der Bezug zur Ethik innerhalb Ropohls Systemtheorie der Technik
Kapitel V: Kritische Würdigung des technikethischen Ansatzes Ropohls
1. Die ethikrelativierenden Konsequenzen von Ropohls Handlungsverständnis
2. Die Voraussetzungen von Ropohls Technikethikverständnis
3. Zusammenfassung: Der ethische und technikethische Grundlegungscharakter des Verständnisses von Menschsein
Kapitel VI: Der ontologische Begründungshorizont von Technik
Kapitel VII: Anhang
Teil D: Das Technikethikverständnis von Walter Christoph Zimmerli
Kapitel I: Philosophische Grundlagen der Technikethik
1. Einleitung:
2 Das technologische Zeitalter als Epochenwechsel
3. Das technologische Zeitalter als Zeitalter des Übergangs
4. Die Kategorie der Zeitlichkeit als epochenkonstitutives Phänomen
5. Zusammenfassender Ausblick auf Kapitel II
Kapitel II: Ethik als Grundbestimmung der Philosophie
1. Hinführung zu einer möglichen Bestimmung von Philosophie als Ethik
2. Die Entfaltung von Zimmerlis Ethikverständnis
3. Die Aufgabe der Technikethik bei Zimmerli
4. Zusammenfassung: Die Pointen von Zimmerlis Verantwortungsverständnis
Kapitel III: Kritische Würdigung der philosophischen Konzeption Zimmerlis
1. Ergebnis des Philosophiekonzeptes Zimmerlis im Hinblick auf seine Technikethikkonzeption
2. Das antiplatonische Verhältnis von Begriff und Erscheinung als Ende des Logozentrismus
3. Die Kennzeichen des Denkens und Handelns nach dem Ende des Logozentrismus
4. Die Prämissen von Verantwortung nach dem Ende des Logozentrismus
5. Zusammenfassung: Die Vernachlässigung der Begründungsfunktion von Zeit für die Postulierung einer ethischen Universaltheorie
Kapitel IV: Rekonstruktion der philosophischen Konzeption Zimmerlis
1. Die These der grundlegenden Funktion von Zeitlichkeit innerhalb Zimmerlis Konzeption von Ethik als Prima Philosophia
2. Die Bedeutung der Zeit für die Näherbestimmung des dialektischen Wirklichkeitsverständnisses in seinen Zuordnungen von Einheit und Vielheit, Begriff und Erscheinung
3. Die Bedeutung der Zeit für das Verhältnis von Philosophie und Ethik im technologischen Zeitalter
4. Die Bedeutung der Zeit für die Begründungsmöglichkeit der individuellen Verantwortung
5. Anhang: Die Thematisierung der Zeit in Zimmerlis jüngeren Veröffentlichungen zur Zeitthematik - Bewährung oder Infragestellung der These der transzendentalen Funktion der Zeit innerhalb seiner Theorie?
Teil E: Die Funktion der Anthropologie für Technikethik
Kapitel I: Vergleich der ethischen Positionen Ropohls und Zimmerlis
1. Das Menschenbild als implizite Voraussetzung für die Be- oder Missachtung der ethischen Bedeutung des Individuums
2. Die ethische Bedeutung des Menschenbildes
3. Die ethische Bedeutung der inhaltlichen Bestimmtheit des Menschenbildes (und damit der Positionalität von einer jeden Theorie)
Kapitel II: Die Bedeutung einer transzendentalen Wirklichkeitssicht
Kapitel III: Metatheoretische Bedeutung einer anthropologischen Fundierung
Teil F: Gegenstand und Aufgabe der Technikethik und ihres Diskurses
Kapitel I: Der Gegenstand der Technikethik: Das Wissen des Nichtwissens
1. Die Technikethik als technisches Wissen für das ethische Wissen
2. Die Technikethik als ethisches Wissen der prinzipiellen Begrenztheit des (technischen) Wissens
Kapitel II: Perspektivität als Wirklichkeitssicht unter eschatologischem Vorbehalt
Kapitel III: Aufgabe der Technikethik
Teil G: Epilog: Christlich verstandene Freiheit als Horizont von Technikethik
Literaturverzeichnis
I. Quellen
II. Sekundärliteratur
Register
I. Namen
II. Sachen

Citation preview

Elisabeth Gräb-Schmidt Technikethik und ihre Fundamente

Theologische Bibliothek Töpelmann Herausgegeben von O. Bayer • W. Härle • H.-P. Müller

Band 118

W DE

_G Walter de Gruyter • Berlin • New York 2002

Elisabeth Gräb-Schmidt

Technikethik und ihre Fundamente Dargestellt in Auseinandersetzung mit den technikethischen Ansätzen von Günter Ropohl und Walter Christoph Zimmerli

w DE

G

Walter de Gruyter • Berlin • New York

2002

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

ISBN 3-11-017500-2 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über < http://dnb.ddb.de > abrufbar.

© Copyright 2002 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Umschlaggestaltung: Christopher Schneider, Berlin

Vorwort Das vorliegende Buch ist die geringfügig veränderte Fassung einer Arbeit, die im WS 2000/01 von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der EberhardKarls-Universität in Tübingen als Habilitationsschrift im Fach Systematische Theologie angenommen wurde. Die Ermöglichung zur Fertigstellung dieser Arbeit verdient in besonderer Weise, Geschenk genannt zu werden. Dies gibt Anlass zum Dank in vielfältiger Hinsicht. Zunächst und vor allem gilt mein Dank meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Eilert Herms, der mich zur Habilitation ermutigt und das Entstehen dieser Schrift mit Geduld, Weitsicht und sachkundiger Kritik begleitet und gefördert hat. Ich danke ihm auch für die Erstellung des Erstgutachtens. Herrn Prof. Dr. Oswald Bayer danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens mit seiner anregenden Kritik. Nach vielen Seiten habe ich zu danken für die Möglichkeiten wissenschaftlichen Austauschs und sachkundiger Anregungen, zunächst den Teilnehmern und Teilnehmerinnen des Doktoranden- und Habilitandenkollegs von Professor Herms, besonders Frau Dr. Kirsten Huxel, Herrn Dr. Ralf Stroh und Herrn Dr. Jochen Gerlach. Ihr wissenschaftlicher und persönlicher Beistand hat mich oftmals ermutigt und gestärkt. Ralf Stroh sei vor allem auch für das bereitwillige und zügige Korrekturlesen gedankt. Viele weiterführende Anregungen habe ich bei verschiedenen Vorstellungen meines Forschungsvorhabens auch von den Mitgliedern des Marburger Arbeitskreises für Wirtschafts- und Technikethik (e.V.) erhalten. Stellvertretend für andere seien erwähnt: Herr Dr. Jochen Gerlach, Frau Dr. Susanne Edel, Herr Ralph Charbonnier, Herr Dr. Sven Wende und Herr Dr. Christian Berg. Mein weiterer Dank gilt der sozialethischen Sozietät von Herrn Prof. Dr. Yorick Spiegel und Herrn Prof. Dr. Fritz Rüdiger Volz. Ihnen und den Teilnehmern und Teilnehmerinnen, vor allem Herrn Dr. Thomas Kreuzer und Gesine Kleinschmit, danke ich besonders für die selbstverständliche Aufnahme in ihren Kreis, der mir eine zusätzliche Gelegenheit für wissenschaftliche Gespräche bot. Des weiteren gilt mein Dank der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die großzügige Gewährung eines Habilitationsstipendiums und eines namhaften Druckkostenzuschusses. Sie hat die materiale Basis geschaffen, auf deren Boden allererst meine wissenschaftliche Arbeit fortgeführt werden konnte. In dieser Hinsicht sei auch der Evangelischen Landeskirche in Baden gedankt, die in besonderer Weise der Situation wissenschaftlich arbeitender Frauen mit Kindern Rechnung trug. Sie ermöglichte mir die Finanzierung einer Kinderfrau während der Zeit der Erstellung eines Exposés für die Beantragung des Habilitationsstipendiums bei der DFG.

VI

Vorwort

Besonders gefreut hat mich, dass nun auch diese Arbeit in der Reihe der „Theologischen Bibliothek Töpelmann" im Verlag Walter de Gruyter erscheinen kann. Den Herausgebern Herrn Prof. Dr. Bayer, Herrn Prof. Dr. Härle und Herrn Prof. Dr. Müller sei dafür herzlich gedankt sowie Herrn Dr. Thornton und Herrn Otterburig für die Betreuung der Herausgabe dieser Arbeit. Last but not least möchte ich meinem Mann Hans Rudolf Schmidt und meinen Kindern Patrik und David danken für all die Entbehrungen, die sie geduldig und meist verständnisvoll auf sich genommen haben. Ohne ihre Bereitschaft, dieses Unternehmen mitzutragen, nicht nur mit Rat, sondern auch mit Tat, hätte es nicht zum Erfolg führen können. Ihnen sei das Buch daher gewidmet. Münster, im August 2002

Elisabeth Gräb-Schmidt

Inhalt

Vorwort

V

Teil A: Einleitung: Diskussionslage und Problemstellung

1

Kapitel I: Diskussionslage in Philosophie und christlicher Theologie

2

Kapitel II: These, Ziel und Voraussetzung der Untersuchung

6

Kapitel HI: Methode und Ansatz

8

Teil B: Voraussetzungen einer systematischen Grundlegung der Technikethik

15

Kapitel I: Bestimmung der Begriffe Technik und Ethik

15

1. 1.1. 1.2. 1.3. 1.4. 2. 2.1. 2.2. 2.3.

15 16 20 21 23 25 25 28

Was ist unter Technik zu verstehen? Begriff und Gegenstand der Technik Begriff und Gegenstand von Technologie Technik und das Problem der Sicherheit Der ethische Horizont von Technik Was ist unter Ethik zu verstehen? Handeln als Grundbegriff der Ethik Die Bedeutung des Wirklichkeitsverständnisses für die Ethik Die Bedeutung des christlichen Wirklichkeitsverständnisses für die Ethik

Kapitel II: Konkretisierung der Ethik durch das Verständnis von Menschsein

31

35

Vm

Inhalt

Teil C: Das Technikethikverständnis von Günter Ropohl

45

Kapitel I: Horizont und Anliegen von Ropohls Technikethikverständnis

45

Kapitel ü: Technik im Horizont der Frage nach dem Menschen

53

1. 2. 2.1. 2.2. 2.3. 2.3.1. 2.3.2. 2.4. 3. 4. 4.1. 4.2. 4.3. 4.3.1. 4.3.2. 4.4.

Die Bedeutung der Anthropologie für das Verständnis von Technik und Ethik Ropohls Technikverständnis Das Grundinteresse Ropohls: das „Verstehen" von Technik Ropohls Kritik des bisherigen Technikverständnisses: sein Theoriedefizit Der geistesgeschichtliche Hintergrund der technischen Orientierungskrise und ihre Überwindungsversuche Der geistesgeschichtliche Hintergrund - ein Deutungsversuch Der Überwindungsversuch aus der Orientierungskrise: das Entstehen der Systemtheorie (L. v. Bertalanfly) Kritik der Grundlinien von Ropohls neuem Technikverständnis Das Systemverständnis Ropohls Ropohls Handlungsverständnis Der soziotechnische Charakter von Gesellschaft Der Einfluss der allgemeinen Systemtheorie auf Ropohls HandlungsbegrifF Der Dialog mit den soziologischen Systemtheorien Der Anstoß zur Auseinandersetzung mit den soziologischen Systemtheorien Die Auseinandersetzung mit den soziologischen Systemtheorien Kritische Zusammenfassung

53 54 54 56 59 59 61 63 66 72 74 76 79 80 82 93

Kapitel III: Kritische Würdigung des Technikverständnisses Ropohls

95

Kapitel IV: Technikethik im Horizont der Frage nach dem Menschen

103

1. 2. 3.

103 104

Kriterien und Voraussetzungen einer Technikethik Strukturelemente von Ropohls Technikethikverständnis Der Bezug zur Ethik innerhalb Ropohls Systemtheorie der Technik 3.1. Die Widerlegung des Neutralitätsarguments: Gegen ein Autonomie- und Sachzwangverständnis von Wissenschaft und Technik 3.1.1. Entfaltung der Argumentation gegen das Neutralitätsargument 3.1.2. Kritik an Ropohls Versuch der argumentativen Widerlegung des Neutralitätsarguments 3.1.2.1. Das ethiktheoretische Kriterium des Inhalts der Zielwahl 3.1.2.2. Technik als Horizont des Handelns versus prinzipielle Unvollständigkeit technischen Wissens

108 109 109 112 112 113

3.2. 3.2.1. 3.2.1.1. 3.2.1.2. 3.2.1.3. 3.2.1.4. 3.2.2. 3.3.

Inhalt

IX

Das Verantwortungsverständnis Entfaltung von Ropohls Verantwortungsbegriff Die Analyse des Verantwortungsbegriffs Die Rolle des Subjekts der Verantwortung Die Rolle des Objekts der Verantwortung Die Rolle des Forums der Verantwortung Das Verantwortungsverständnis Ropohls auf dem Hintergrund seines Technikverständnisses Das Wert- und Orientierungsproblem

115 115 115 116 119 120

Kapitel V: Kritische Würdigung des technikethischen Ansatzes Ropohls 1. 1.1 1.2.

1.3. 1.4. 2. 2.1.

2.2. 3.

Die ethikrelativierenden Konsequenzen von Ropohls Handlungsverständnis Die ethikrelativierenden Konsequenzen von Ropohls Handlungsverständnis für das Verantwortungsverständnis Die ethikrelativierenden Konsequenzen von Ropohls Handlungsverständnis für das Verständnis der Wertkompetenz des Individuums Die ethikrelativierenden Konsequenzen von Ropohls Handlungsverständnis für das Verhältnis von Recht, Moral und Religion Die ethiktheoretische Bedeutung letztgültiger Werte Die Voraussetzungen von Ropohls Technikethikverständnis Die Frage nach der Bestimmung von Menschsein als Grundvoraussetzung der Klärung des Verhältnisses von Technik und Ethik Die Technik als Horizont des Menschenverständnisses bei Ropohl Zusammenfassung: Der ethische und technikethische Grundlegungscharakter des Verständnisses von Menschsein

123 125 128 128 128

129 131 132 134

134 136 138

Kapitel VI: Der ontologische Begründungshorizont von Technik

140

Kapitel VII: Anhang

144

Teil D: Das Technikethikverständnis von Walter Christoph Zimmerli

149

Kapitel I: Philosophische Grundlagen der Technikethik

149

1. 1.1. 1.2.

149 149

Einleitung: Zur Eigenart der Philosophie Zimmeriis und deren Darstellung Die Diagnose eines neuen Zeitalters als Herausforderung für die Konstruktionsprinzipien von Ethik bei W. Ch. Zimmerli

155

X 2 2.1. 2.2. 2.3. 3. 3.1. 3.2. 3.3. 3.4. 3.5. 3.6. 3.7. 4. 4.1. 4.2. 4.3. 5.

Inhalt Das technologische Zeitalter als Epochenwechsel Die Funktion von Epochalisierung: Ablösung der Orientierung durch die großen Systeme Orientierungsleistung als Aufgabe der Philosophie Epochalisierung als Charakterisierungsgestalt von fundamental Neuem Das technologische Zeitalter als Zeitalter des Übergangs Der Zusammenhang von Technik beziehungsweise Technologie und Philosophie Technologie und Pluralismus - ein dialektisches Wirklichkeitsverständnis Technologie als Initiatorin eines neuen Paradigmas? Das Verhältnis von Technik und Technologie Die Bedeutung der technologischen Einheit für das Wissenschaftsverständnis: ein integratives Wissenschaftsmodell Die epochale Bedeutung der Computertechnologie Die Verabschiedung des Logozentrismus als Kennzeichen des technologischen Zeitalters Die Künstliche Intelligenz als Konkurrenz für das menschliche Denken Die Kategorie der Zeitlichkeit als epochenkonstitutives Phänomen Die Entdeckung der Zeitlichkeit Technik, Technologie und Zeit Die Bedeutung der Zukunft für das technologische Zeitalter Zusammenfassender Ausblick auf Kapitel II

Kapitel II: Ethik als Grundbestimmung der Philosophie 1. 2. 2.1. 2.2. 2.2.1. 2.2.2. 2.2.3. 2.3. 2.3.1. 2.3.2. 2.4. 2.4.1. 2.4.2. 2.5.

Hinführung zu einer möglichen Bestimmung von Philosophie als Ethik Die Entfaltung von Zimmeriis Ethikverständnis Die Hinwendung zur konjunkturell-eklektischen Ethik Ethik als Krisentheorie Die Fragwürdigkeit der traditionellen kausalen Verantwortlichkeit Das Nichtwissen als Gestaltungsfaktor von Ethik Die Bedeutung der Zukunft für das neue Ethikverständnis Das neue Verständnis von Verantwortung Die Analyse des Verantwortungsbegriffs Die Problematisierung der individuellen Verantwortung Die anthropologische Begründung von Verantwortung Das Freiheitsverständnis Die Bedeutung der Weltanschauung für die Ethik Die Bedeutung des Pluralismus für die Ethik

157 157 159 164 166 166 168 172 175 179 181 184 185 186 189 190 192 193 193 196 196 197 198 204 208 210 211 213 216 217 222 226

Inhalt

2.6. 3. 4.

Die Bedeutung der Technik für die Freiheit Die Aufgabe der Technikethik bei Zimmerli Zusammenfassung: Die Pointen von Zimmeriis Verantwortungsverständnis

Kapitel m : Kritische Würdigung der philosophischen Konzeption Zimmeriis 1. 2. 3. 4. 4.1. 4.2. 4.3. 4.4. 5.

Ergebnis des Philosophiekonzeptes Zimmeriis im Hinblick auf seine Technikethikkonzeption Das antiplatonische Verhältnis von Begriff und Erscheinung als Ende des Logozentrismus Die Kennzeichen des Denkens und Handelns nach dem Ende des Logozentrismus Die Prämissen von Verantwortung nach dem Ende des Logozentrismus Das Individuum als Konstituens von Verantwortung Zur Handlungsorientierung angesichts der Pluralität von Wertvorstellungen und Weltanschauungen Das Verhältnis von individueller Gewissheit und allgemeinen Prinzipien Der Geltungswert der individuellen Gewissheit Zusammenfassung: Die Vernachlässigung der Begründungsfunktion von Zeit für die Postulierung einer ethischen Universaltheorie

Kapitel IV: Rekonstruktion der philosophischen Konzeption Zimmeriis 1. 2.

3. 3.1. 3.2. 4. 5.

Die These der grundlegenden Funktion von Zeitlichkeit innerhalb Zimmeriis Konzeption von Ethik als Prima Philosophia Die Bedeutung der Zeit für die Näherbestimmung des dialektischen Wirklichkeitsverständnisses in seinen Zuordnungen von Einheit und Vielheit, Begriff und Erscheinung Die Bedeutung der Zeit für das Verhältnis von Philosophie und Ethik im technologischen Zeitalter Die Konvergenz von Denken und Handeln Die Widerlegung der zwei Kulturen - Tätigkeit als Charakter von Wirklichkeit Die Bedeutung der Zeit für die Begründungsmöglichkeit der individuellen Verantwortung Anhang: Die Thematisierung der Zeit in Zimmeriis jüngeren Veröffentlichungen zur Zeitthematik - Bewährung oder Infragestellung der These der transzendentalen Funktion der Zeit innerhalb seiner Theorie?

XI

228 231 238

244 244 247 254 258 258 260 260 262

264 265 265

268 276 277 280 281

286

XII

Inhalt

Teil E: Die Funktion der Anthropologie für die Technikethik

295

Kapitel I: Vergleich der ethischen Positionen Ropohls und Zimmeriis

295

1. 1.1. 1.2. 2. 3.

3.1. 3.2. 3.3.

Das Menschenbild als implizite Voraussetzung fur die Beoder Missachtung der ethischen Bedeutung des Individuums Die ethische Bedeutung des Individuums bei Ropohl Die faktische Bedeutung des Individuums bei Zimmerli Die ethische Bedeutung des Menschenbildes Die ethische Bedeutung der inhaltlichen Bestimmtheit des Menschenbildes (und damit der Positionalität von einer jeden Theorie) Die Interpretation der Prägung des gegenwärtigen Zeitalters durch die Technik Die Interpretation des Einflusses der Technik auf das Handlungsverständnis Die Interpretation des Verhältnisses von Technik, Freiheit und Ethik

297 297 300 302

304 304 305 307

Kapitel II: Die Bedeutung einer transzendentalen Wirklichkeitssicht

310

Kapitel m : Metatheoretische Bedeutung einer anthropologischen Fundierung

314

Teil F: Gegenstand und Aufgabe der Technikethik und ihres Diskurses

317

Kapitel I: Der Gegenstand der Technikethik: Das Wissen des Nichtwissens

317

1. 2.

Die Technikethik als technisches Wissen für das ethische Wissen ...317 Die Technikethik als ethisches Wissen der prinzipiellen Begrenztheit des (technischen) Wissens 318

Kapitel II: Perspektivität als Wirklichkeitssicht unter eschatologischem Vorbehalt

320

Kapitel HI: Aufgabe der Technikethik

323

Teil G: Epilog: Christlich verstandene Freiheit als Horizont von Technikethik

327

Inhalt

Xm

Literaturverzeichnis

331

I. n.

331 334

Quellen Sekundärliteratur

Register I. n.

345 Namen Sachen

345 348

Teil A

Einleitung: Diskussionslage und Problemstellung Das Thema Technikethik und ihre Fundamente versteht Technik umfassend, ausgehend vom Technikbegriff als solchem, über einzelne Ausformungen der Technik, bis hin zu verschiedenen Technologien. Gegenstand der Erörterung ist demnach die Klärung des Wesens von Technik und die Offenlegung des faktischen und potentiellen Ethikbezuges von Technik, einschließlich der gegenwärtig ausdifferenzierten Problemtechnologien wie etwa der Kern-, Gen- und Informationstechnologie in ihren konkreten ethischen Anfragen. Diese Klärung ist m.E. allerdings nur zu leisten, wenn man nicht nur über das Wesen der Technik und die damit zusammenhängenden Probleme nachdenkt, sondern vor allem zunächst die Ethik in ihren Fundamenten analysiert. Damit möchte ich der keineswegs selbstverständlichen Einsicht Nachdruck verleihen, dass es der gegenwärtig geführten Diskussion um Verantwortung in Wissenschaft, Technik und Gesellschaft vor allem deswegen an Stringenz, Einheitlichkeit und Tatkraft mangelt, weil das Wesen und die Bedeutung von Ethik nicht klar erfasst sind. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass man eine Reflexion über das jeweils leitende Ethikverständnis häufig nicht für nötig hält1.

1

Vgl. etwa die Übersichtsarbeit von H. Hastedt zu den Grundproblemen einer Ethik der Technik: Aufklärung und Technik, Grundprobleme einer Ethik der Technik, Frankfurt a.M. 1991 (abgekürzt i.flgd.: Hastedt, Aufklärung und Technik). Hastedt ist zwar daran gelegen, durch Systematisierung der Technikethikdiskussion eine Klärung der Problematik herbeizuführen. Die Klärung bezieht sich bei ihm aber nicht auf den Gegenstand der Ethik. Diesen setzt er als geklärt voraus in der „alten Ethikdiskussion", wobei er die alte Ethik auch für die Probleme der Technikethik als gültig und brauchbar ansieht. Die neue Aufgabe bestehe in der Klärung der Frage nach der gesellschaftlichen Realisierung einer Ethik der Technik im Horizont der Aufklärung, d.h. im Glauben an die Überzeugungskraft von Rationalität. Indem Hastedt ein differenziertes und inhaltsreiches Konzept vorstellt, bietet er zwar einen diskussionswürdigen Entwurf, dem aber doch von vornherein ein entscheidender Mangel anhaftet: Es findet keine Verständigung über die diesem Konzept zugrundeliegende ethische Orientierung selbst statt. Hastedt verkennt, dass ethische Leitlinien nicht nur intellektuell begründet, sondern auch selbst ethisch verantwortet werden müssen. Nur so kann er lapidar die Letztbegründungsfrage für theoretisch und praktisch irrelevant erklären, interessant nur noch für „theologisch oder metaphysisch Interessierte" (213).

2

Einleitung: Diskussionslage und Problemstellung

Kapitel I Diskussionslage in Philosophie und christlicher Theologie Obwohl es sich bei Technik um ein jahrtausendealtes menschheitliches Phänomen handelt, wird die Frage nach ihrer ethischen Verantwortung erst in den letzten 15-20 Jahren Thema öffentlichen Interesses.2 Inzwischen allerdings ist die Frage nach Verantwortung in Wissenschaft und Technik im öffentlichen Bewusstsein schon so fest verankert, dass man dem Thema nahezu den „Charakter eines Modethemas"3 zusprechen kann. Bei der Behandlung dieser Fragen werden jedoch in der Regel gar keine ethischen Grundlegungsfragen aufgeworfen. Diese scheint man, wenn auch noch nicht beantwortet, so doch bis auf weiteres ad acta gelegt zu haben. Gegenstand der Verantwortungsfrage ist vielmehr die Problematik der Beurteilung einzelner Technikbereiche. Die Vielfalt der technologischen Entwicklung erfordert bereichsspezifische Ethiken. Hier haben seit den achtziger Jahren Äußerungen über Gen- und zunehmend auch Informationstechnik solche über Kern- und Waffentechnik in den Hintergrund gedrängt, wobei bezüglich des ethischen Urteils immer ökologische, ökonomische, soziale und medizinische Aspekte bestimmend sind. Die Aktualität des Themas ist m.E. auf vornehmlich zwei Phänomene zurückzuführen: 1. auf die gegenwärtige Vormachtstellung der Technologie; 2. auf den gegenwärtig herrschenden weltanschaulich-ethischen Pluralismus. Ad 1.: Technologie, verstanden als Vernetzung sämtlicher Bereiche von Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Kultur, bedeutet einen drastischen Einschnitt bezüglich der Präsenz und Bewertung der Technik. Der Begriff ist Ausdruck für die Allpräsenz und Herrschaft der Technik, die bedrohlich wirkt, weil sie den Glauben an menschliche Freiheit, Verantwortungsfähigkeit und Verantwortungsmöglichkeit gefährdet.

2

Während die Auseinandersetzung mit Phänomenen wie Maschinenbau oder handwerklicher Kunstfertigkeit bis in die frühe Neuzeit, sogar bis in die Antike zurückreichen (vgl. E. Kapp, Die Grundlinien einer Philosophie der Technik, Braunschweig 1877, nachgedruckt mit einer Einleitung von H.-M. Sass, Düsseldorf 1978) und die Anfänge einer ausdrücklichen Technikphilosophie sich schon am Ende des 19. Jahrhunderts beobachten lassen, tritt die genuin ethische Frage nach ihrer gesellschaftlichen Verantwortbarkeit erst heute in den Vordergrund. (Vgl. zur Bedeutung der Auseinandersetzung mit der handwerklichen Techne zur Entstehung der sokratischen Philosophie G. Figal, Sokrates, München 1995, 46ff. Einen Überblick bietet H. Schneider, Das griechische Technikverständnis, Darmstadt 1989. Auch die theologische Auseinandersetzung mit der Technik lässt sich bis in die Spätantike [Basilius der Große] zurückverfolgen, vgl. G. Dumeigc, Nizäa II, Mainz 1985 [Geschichte der ökumenischen Konzilien 4], 37f.).

3

Vgl. H. Hastedt, Aufklärung und Technik, 7.

Diskussionslage in Philosophie und christlicher Theologie

3

Ad 2.: Die Pluralisierung der Weltanschauungen lässt eine allgemeinverbindliche Antwort auf ethische Wertmaßstäbe als problematisch erscheinen. So hat man unter dem Vorzeichen von Toleranz die Forderung nach Allgemeinverbindlichkeit mehr und mehr preisgegeben. Dadurch wurde ein Rückzug weltanschaulich-ethischer Überzeugungen in den Privatbereich unterstützt. Das Gefahrenpotential technologischer Entwicklungen - gegenwärtig insbesondere der Gentechnologie - verlangt nun jedoch seinerseits die Verlagerung ethischer Reflexion in die Öffentlichkeit. Ein Rückzug ethischer Überlegungen in den Privatbereich ist hierfür untauglich, weil diese so nicht öffentlich wirksam werden können. Ethik braucht ein öffentliches Forum. Zudem kann den anstehenden ethischen Problemen angesichts der die Fach- und Lebensbereiche überschreitenden Ausbreitung von Technologie individuell nicht mehr hinreichend begegnet werden. Die systematische Verflechtung der Wissens- und Lebensbereiche ist hinsichtlich ihrer Einzelheiten nicht mehr durch Einzelne allein zu durchschauen. So stellt sich die Frage: Wie muss eine öffentlich wirksame Ethik aussehen, die der Komplexität des Verantwortungsfeldes sowohl fachbezogen Rechnung tragen kann als auch im Hinblick auf die Konstitutionsbedingungen von Ethik deren freiheitsbezogenen Charakter wahrt? Dies erfordert die Entfaltung einer Ethik, die die unhintergehbare Vielfalt weltanschaulich-ethischer Orientierungen ernst nimmt, und gerade dadurch Allgemeinverbindlichkeit beanspruchen kann. Mit anderen Worten, eine Entwicklung anstehender bereichsspezifischer Ethiken kann auf die Reflexion ethischer Grundlegungsfragen nicht verzichten. Man kann diese nicht überspringen und der Dringlichkeit halber mit der Diskussion materialethischer Fragen beginnen. Solche Grundlegungsfragen zur Ethik werden in der Regel nicht gestellt. Reflektiert wird allenfalls das Technikverständnis. Die Klärung eines Ethikbegriffs findet relativ wenig, wenn nicht überhaupt keine Beachtung. Was Ethik ist, wird in den einschlägigen Veröffentlichungen gemeinhin als bekannt vorausgesetzt. Entweder beruft man sich auf althergebrachte traditionelle Lösungen, oder man kritisiert die Ethik im Ganzen, um der überholten eine „Neue Ethik" entgegenzustellen.4 Änderungsvorschläge konzentrieren sich in der Re4

So H. Jonas, Das Prinzip Verantwortung, Frankfurt 1979, im Hinblick auf die völlig neue Dimension der Verantwortung, und im Großen und Ganzen die ökologisch orientierte Ethik. Aber auch der Rechtsphilosoph O. Höffe plädiert für eine zeitgerechte Ethik, bei der Philosophen nicht mehr allgemein-philosophische Prinzipien, sondern auch konkrete Probleme der Lebenswelt erörtern sollten. Neben zeit- und situationsunabhängigem Moralprinzip auf der obersten Ebene müsse man mittlere und sachbezogene Prinzipien auf der mittleren Ebene und schließlich auf der unteren Ebene „zeitgerechte und situationsgemäße Beurteilungskriterien" entwickeln (in: O. Höffe, Sittlich-politische Diskurse: Philosophische Grundlagen politischer Ethik, 1981,15). Das Neue, das Höffe verlangt, ist der Praxisbezug der philosophischen Ethik, nicht die Etablierung neuer ethischer Prinzipien (wie bei H. Jonas). - Mit neuer Ethik kann also recht unterschiedliches gemeint sein. Es können folgende Sachver-

4

Einleitung: Diskussionslage und Problemstellung

gel auf die Frage nach einem Pragmatismus der Moral, gefolgt von der Frage nach den materialen Bestimmungen einer Ethik, die gebietsspezifiziert sein soll5. Man geht von einem naturalistischen, evolutionistischen oder technokratieorientierten Verständnis der Technikethik aus, wobei hier, wie auch bei der sogenannten „Neuen Ethik", der Begriff Verantwortung zentrale Funktion hinsichtlich des Ethikverständnisses einnimmt.6 Problematisch erscheint mir bei

halte damit angesprochen werden: 1. der Praxisbezug der Ethik, 2. neue ethische Prinzipien, 3. eine neue Fundierung der Ethik (eher selten), 4. eine Verantwortungsethik (vorherrschend), aber verstanden als Konkurrenz zu anderen „Einzelethiken", wie „Glücks-", „Tugend-", „Pflicht-", „Wert-", „Metaethik". Die so verstandene Verantwortungsethik geht von einem obersten Prinzip aus und beurteilt die Erlaubtheit von Handlungen nach den Folgen möglicher Handlungsaltemativen; 5. die Überwindung des „Anthropozentrismus", die den Eigenwert der Natur berücksichtigt, meist als .Umweltethik' bezeichnet, 6. eine Kooperation von ethischer Theorie und Gesellschaftstheorie. 5

Schon Anfang der Siebziger Jahre forderte H. Sachsse, dass die Ethik auf neue Sachbereiche abgestimmt werden muss. Vgl. H. Sachsse, Technik und Verantwortung, Freiburg 1972. Am Beispiel zur Bioethik-Kommission formuliert Dieter E. Zimmer einen solchen Bedarf an gebietsdifferenzierter Ethik mit folgender Begründung: Eine Bioethik sei gefordert, weil die allgemeine Ethik die speziellen Fragen, die die Gen- und Reproduktionstechnik aufwerten, nicht beantworten kann. Sie postuliert bestenfalls allgemeine Werte: „Achtung vor dem Leben", „Unantastbarkeit der Menschenwürde", „Recht auf Selbstbestimmung". Im biomedizinischen Neuland helfen sie kaum weiter, weil sich Handeln wie Nichthandeln mit der gleichen Logik und der gleichen Überzeugungskraft auf sie berufen können (in: Die Zeit, Nr.10, 1995). - Das spricht nicht prinzipiell gegen eine allgemeine Ethik. Diese muss nur so gestaltet sein, dass sich auch eine Bioethik auf sie berufen kann. Die genannten „allgemeinen Werte" sind j a als solche selbst keine Begründung, sondern die Grundlage einer Begründung.

6

Einig ist man sich darin, dass die neue Ethik eine Verantwortungsethik sein muss, uneinig aber, wie Verantwortung begriffen werden soll. So sieht Jonas Verantwortung als Verzicht. Er appelliert für eine Einschränkung der Forschungsfreiheit. Vehement gegen eine solche theoretisch einfache Lösung wandte sich Th.W. Adorno schon vor 40 Jahren: „Ein Ethos, das die Erkenntnis bremst, wäre äußerst fragwürdig. Die Trennung gesellschaftlicher und technischer Vernunft lässt sich nicht überwinden, indem man sie verleugnet." Zwar sei es Aufgabe des Technikers vor dem Unabsehbaren, aufgrund des größeren Überblicks zu warnen. Aber Adorno ist skeptisch hinsichtlich der Wirkung dieser Warnungen. „Ob die moderne Technik der Menschheit schließlich zum Heil oder Unheil gereicht, das liegt nicht an den Technikern, nicht einmal an der Technik selber, sondern an dem Gebrauch, den die Gesellschaft von ihr macht. Dieser Gebrauch ist keine Sache des guten oder bösen Willens, sondern hängt ab von der objektiven gesamtgesellschaftlichen Struktur" (Über Technik und Humanismus, 1954, 28f., in: H. Lenk/G. Ropohl [Hrsg.], Technik und Ethik, 2. rev. u. erw. Auflage 1993, 20-30). H. Sachsse fordert als inhaltliche Konkretisierung der Verantwortung die Vergrößerung der rationalen Wissensbasis in Form von Prognosen und Folgenabschätzung. H. Lenk weist darauf hin, dass es vor allem eine wichtige Aufgabe sei, zunächst die verschiedenen Verantwortungsbegriffe zu unterscheiden, da es sowohl verschiedene Verant-

Diskussionslage in Philosophie und christlicher Theologie

5

diesem Vorgehen, dass der Verantwortungsbegriff nicht auf den Hintergrund seiner ethiktheoretischen Rahmenbedingungen überprüft, sondern schon für die ethische Grundlage selbst genommen wird. Zwangsläufig ergibt sich daher die Gefahr der Verabsolutierung und Abkopplung solcher Spezialethiken von einem allgemein-ethischen Fundament. Eine ethiktheoretische Grundlagenreflexion findet in der Regel in der technikphilosophischen Diskussion nicht statt. Die seit der Neuzeit offene Frage nach der Moralbegründung meint man, mit der Unabgeschlossenheit ihrer Beantwortungsversuche auf sich beruhen lassen zu können. Welches Bild bietet sich demgegenüber seitens christlich-theologischer Ethik? Von christlicher Seite hat man sich vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dem Thema Technik zugewendet. In Lehrbüchern der christlichen Ethik findet sich aber eher selten ein Kapitel darüber.7 Bis heute ist das wortungsarten als auch verschiedene Verantwortungsinstanzen gebe. Dann reflektiert er vor allem die konkreten Maßnahmen, die erforderlich sind, um der Verantwortung das sie voraussetzende Wissen an die Hand zu geben: Interdisziplinärst, dann aber auch Förderung moralischer Bewusstheit, wobei er vordringlich an die Entwicklung von Berufsethiken denkt. Die Förderung moralischer Bewusstheit versteht Lenk damit in erster Linie quantitativ. G. Ropohl vertritt, wie noch ausführlich gezeigt werden wird, vor allem die Forderung eines neuen Verantwortungskonzeptes in Bezug auf institutionalisierte Technikfolgen und Technikbewertung gegenüber einem bloß individuellen Verantwortungskonzept. Ein solches Programm der Technikfolgenforschung und Technikbewertung, das weithin Anerkennung findet, wird von H. Spinner radikal abgelehnt. Er sieht in einer moralischen Betrach-

7

tungsweise einen falschen Ansatz, der entweder zu unwissenschaftlich oder zu anmaßend sei, wenn er moralisch orientiert sei. Es müsse vielmehr - anstelle einer Bewertung von Folgen - um außermoralische Beobachtung des empirischen Wirkungszusammenhangs gehen, um die Steuerbarkeit eines Geschehens im Auge zu behalten. Nur die Steuerbarkeit sei ein legitimes Kriterium zur Beurteilung technischer Entwicklung. Spinner scheint völlig zu übersehen, dass hinter dem Postulat der Steuerbarkeit selbst ein moralisches Anliegen steht, nämlich Handlungsfreiheit zu behalten. Ebenso übersieht er, dass die Einschränkung von Forschungsfreiheit nichts ist, was nun völlig neu auf uns zukäme. Schon durch das Grundgesetz sind der Forschungsfreiheit ohnehin Grenzen gesetzt (Wahrung der Menschenrechte, Unantastbarkeit der Person). Erst seit diese durch die Forschung in Gefahr sind, wird auch die Diskussion um die Forschungsfreiheit akut. Immerhin haben einige theologische Ethiker, vorwiegend in der ersten Hälfte bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts, das Thema Technik und Wissenschaft aufgenommen: Eine ganze Monographie haben H. Lilje (Das technische Zeitalter, 1928) und H. Thielicke (Mensch zwischen Konstruktionen, 1956) der Technik gewidmet. Bei P. Althaus (Grundriß der Ethik, 1953, 105-107) findet sich unter dem Kapitel Kultur ein Abschnitt über die Technik, bei E. Hirsch (Ethos und Evangelium, 1966) kommt unter dem Kapitel Wissenschaft (281-294) auch die Technik zur Sprache (285f.); W. Trillhaas hat in der „Ethik", 3. Aufl. 1970, ein eigenes Kapitel über die Technik (249-267). Dabei sind schon hier die auch heute thematischen Aspekte bei der Beurteilung der Technik leitend: Betonung der Ambivalenz der Technik hinsichtlich: Fortschritt und Freiheitsberaubung, Segen und Fluch, Gebrauch und Missbrauch, Weltbeherrschung und Bedrohung der Umwelt, Machbarkeit und Verantwortung.

6

Einleitung: Diskussionslage und Problemstellung

Thema Technik ein Stiefkind der Theologie. Dagegen gibt es neuerdings zunehmend Literatur zum Thema Technikethik selbst.8 Auch hier sucht man in der Regel vergebens nach der Benennung ethiktheoretischer Grundlagen, was sich vor allem darin zeigt, dass christliche Kriterien pauschal auf allgemeinethische übertragen werden - oder umgekehrt.9 Eine Klärung des Verhältnisses von christlicher und allgemeiner Ethik wird nicht herbeigeführt. Damit zeigt sich, dass man sich über die Funktion des religiösen Fundaments für die Ethik nicht im Klaren ist. Das Christliche kommt nicht, wie man meinen könnte und teilweise immer behauptet wird, in einer Überbietung allgemeiner ethischer Richtlinien zum Ausdruck, sondern das Christliche hat, wie zu zeigen sein wird, seinen Ort in der Konkretion, im Inhalt ethischer Leitkriterien. Bisher bleibt es aber meist eine offene Frage, was das spezifische Unterscheidungskriterium einer christlichen von einer allgemeinen Ethik ist, wie es auch bei den Spezialethiken eine offene Frage bleibt, woher sie denn eigentlich ihre materialen Kriterien beziehen.

Kapitel II

These, Ziel und Voraussetzung der Untersuchung Die Sichtung der gegenwärtigen Verantwortungsdiskussion hat also gezeigt, dass es der Ethik, insbesondere im Gewand der bereichsspezifischen Technikethiken, an der Klärung von Grundlagenfragen sowie an der Bedeutung und Verortung der Frage nach ethischen Leitkategorien ermangelt. Nicht erwähnt dagegen ist das Thema Technik in der Folgezeit, z. B. in der Sozialethik von E. Wolf oder auch in den Grundfragen christlicher Ethik von W. Kreck, der zwar die Wirtschaft, nicht aber die Technik in Blick nimmt. Erst in jüngster Zeit findet sie dann auch in theologischen Ethiklehrbüchern wieder Beachtung. So findet sich in der Ethik von T. Rendtorff (Ethik II, 1980) ein eigenes Kapitel über: Die technische Kultur und die Beherrschbarkeit der Mittel (86-90). Ebenfalls ein eigenes Kapitel über die Technik findet sich im Handbuch zur christlichen Ethik (hrsg. von A. Hertz/W. Korff/T. RendtorfE/H. Ringeling, 439-453). W. Huber thematisiert in seinem Buch „Konflikt und Konsens", 1990, das Thema der Technikethik vor allem unter dem Aspekt der Verantwortung des Wissenschaftlers. Hierbei handelt es sich aber weniger um ein grundlegendes Buch zur Ethik, wie schon der Untertitel „Studien zur Ethik der Verantwortung" anzeigt. 8

Ch. Walther, Ethik und Technik, 1992; H. v. Schubert (Hrsg.), Evangelische Ethik und Biotechnologie, 1991, s.a. die Obersicht in der EKD-Schrift: Einverständnis mit der Schöpfung, Ein Beitrag zur ethischen Urteilsbildung im Blick auf die Gentechnik, 1991; sowie die Stellungnahmen der EKD: „Zur Achtung vor dem Leben", 1987 und; „Von der Würde werdenden Lebens", 1985.

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Vgl. die Beiträge in: H. v. Schubert (Hrsg.), Evangelische Ethik und Biotechnologie, 1991.

These, Ziel und Voraussetzung der Untersuchung

7

These dieser Arbeit ist es, dass die Theologie Wesentliches zu einer solchen Klärung von Grundlagenfragen beitragen kann. Jedes Ethos und damit auch jede Ethik als Theorie eines Ethos basiert auf einem bestimmten Wirklichkeitsverständnis. Demnach beruhen alle ethischen Urteile auf Grundsätzen, die ihrerseits nicht durch Reflexion als gültig anerkannt worden sind, sondern durch eine individuelle, vor aller Reflexion liegende, Gesamtauffassung von Wesen und Bestimmung von Menschsein. Dieser Sachverhalt weltanschaulicher bzw. religiöser Gebundenheit jeder Ethik ist in einer christlichen Ethik durch Thematisierung ihrer religiösen Bezogenheit schon als Theoriemoment enthalten. Dieses Theoriemoment prinzipieller weltanschaulicher Gebundenheit als für alle Ethik unhintergehbar zu entfalten, ist ein wesentlicher Beitrag der Theologie für Grundlegungsfragen von Ethik im Allgemeinen. Angestrebtes Ziel ist es, die Rahmenbedingungen auszuarbeiten, die es erlauben, das jeweilige Verständnis von Verantwortung auf seine Grundlage hin zu überprüfen. Diese Klärung soll es ermöglichen, die technikethische Debatte auf der Ebene zu fuhren, auf welcher die Strittigkeit der Meinungen ihren Ursprung hat. Nur so kann daraus eine ethisch fundierte Verantwortungsausübung resultieren, die funktionstüchtig ist. Voraussetzung für einen solchen Beitrag der Theologie ist: a) die Überzeugung, dass sich die theologische Verantwortung nicht nur auf den binnenkirchlichen Bereich bezieht, sondern dass ihr darüber hinaus notwendig eine gesamtgesellschaftliche Funktion zukommt; und b) dass der Gegenstandsbezug der Fachwissenschaften prinzipiell kein anderer ist als derjenige der Theologie: die dem menschlichen Handeln jeweils vorgegebene Wirklichkeit, deren Bestimmtheiten jeweils inhaltlich und kategorial zu erfassen sind. Die Besonderheit der Theologie ergibt sich nämlich nicht aus ihrem Gegenstand, etwa dass sich Theologie um Gegenstände des Jenseits bemühte. Der Gegenstand ist für die Theologie kein anderer als für andere Wissenschaften: die eine, allen gemeinsame Wirklichkeit. Wohl aber ist die Sicht der Theologie auf diesen Gegenstand eine besondere. So hat christliche Theologie erkannt, dass die Wirklichkeit des Menschen in ihrer Eigentlichkeit nur erfasst werden kann, wenn deren Transzendenzbezug reflektiert und zum Ausdruck gebracht wird. Das diesem Sachverhalt Rechnung tragende Ethikverständnis kann sich folgerichtig nicht in Überlegungen zu moralischen Handlungsanweisungen erschöpfen. Es ist nicht nur normativ, sondern entwickelt zuvor deskriptiv eine Gesamtauffassung menschlichen Handelns und Seins in der Welt. Ein solches Verständnis von Ethik besitzt eine Weite, die nicht ohne weiteres selbstverständlich ist: Ethik beansprucht hier als ihren Gegenstand das personale Leben im Gesamtzusammenhang seiner Funktionen, einschließlich der religiösen Dimension und ihrer Selbstauslegung in Frömmigkeit und Theologie. Sie schließt folglich auch eine Sicht auf das Ganze des menschlichen Zusammenlebens in der Gesellschaft ein und gewinnt aus den konstitutiven Funktionsgesetzen dieses Lebenszusammen-

g

Einleitung: Diskussionslage und Problemstellung

hangs die Kriterien für die Entscheidung von anfallenden Vorzüglichkeitsfragen, d.h. Fragen nach den jeweils vorzuziehenden Handlungsalternativen. Dieses grundsätzliche und weite Verständnis von Ethik ist von Schleiermacher entwickelt10 und durch ihn zur bleibenden Aufgabe der Theologie gemacht worden. Auf die bleibende Aufgabe der Entwicklung eines solchermaßen weiten Ethikverständnisses verweisen in jüngerer Zeit die ethischen Erörterungen von Ellert Herms.11 In der Tradition dieser Aufgabe sieht sich auch das vorliegende Projekt.

Kapitel III Methode und Ansatz Wie bereits ausgeführt, täuscht die Aktualität des Begriffs Technikethik über die unklaren Vorstellungen, die mit diesem Begriff verbunden sind, hinweg. Ein tragfähiges Technikethikkonzept bedarf zunächst einer Begriffsklärung sowohl von Technik als auch von Ethik. Im Folgenden sollen die Begriffe Technik und Ethik erläutert sowie deren konstitutive Zusammengehörigkeit aufgewiesen werden. Im grundlegenden Teil (s.u. Teil B [S. 15ff.]) soll zunächst sowohl der Begriff der Technik als auch der Begriff der Ethik aus dem beiden zugrundeliegenden Begriff des Handelns hergeleitet werden. Unter dieser Voraussetzung, dass für beide Handeln konstitutiv ist, zeigt sich das Handeln als Grundlage für die Möglichkeit der Verbindung von Technik und Ethik zur Technikethik. Im Horizont des Handlungsbegriffs erweist sich die Ethik als eine die Technik voraussetzende und diese umgreifende Disziplin. Grundlage einer Ethik ist - wie bereits erwähnt - immer ein bestimmtes Wirklichkeitsverständnis. Das christliche Wirklichkeitsverständnis reiht sich in seiner Funktion als ethische Grundlage unter die anderen Wirklichkeitsverständnisse ein. Der Vorzug des christlichen Wirklichkeitsverständnisses ist es allerdings, die weltanschauliche Gebundenheit und Perspektivität 10 11

F.D.E. Schleiermacher, Sämtliche Werke, 3. Abteilung, Bd. 2, Berlin 1883. Es seien hier nur einige seiner grundlegenden Arbeiten zu diesem Thema genannt: E. Herms, Theologie - eine Erfahrungswissenschaft, München 1978; ders., Theorie für die Praxis, München 1982; ders., Reich Gottes und menschliches Handeln, in: D. Lange (Hrsg.), F.D.E. Schleiermacher. 1768-1834. Theologe - Philosoph - Pädagoge, Göttingen 1985, 163-192; ders., Erfahrbare Kirche, Beiträge zur Ekklesiologie, Tübingen 1990; ders., Gesellschaft gestalten, Beiträge zur evangelischen Sozialethik, Tübingen 1991; ders., Offenbarung und Glaube, Tübingen 1992; ders., Kirche für die Welt, Tübingen 1994; ders., Zur ethischen Beurteilung sicherheitsphilosophischer Konzepte, in: Protestantische Zeitgenossenschaft. Festschrift zu Ehren Hans May, Loccumer Protokolle 35/94, Loccum 1994, 159-185; ders./A. Anzenbacher, Technikrisiken - Zum Beispiel Kernenergie, in: ZEE 40 (1996), 5-22.

Methode und Ansatz

9

menschlicher Existenz nicht nur exemplarisch darzustellen, sondern prinzipiell als Bedingung von Menschsein zu erfassen. Eine theoretische Explikation des christlichen Wirklichkeitsverständnisses eröffnet damit den Blick für die grundlegende Tatsache, dass ethische Normen auf der Ebene von verpflichtender Lebens- und Welterfahrung begründet werden. Sie werden nicht durch Vernunft produziert, sondern gründen in einem - aus geschichtlicher Selbsterfahrung stammenden - Wirklichkeitsverständnis. Die ethischen Urteile können dann zwar rational an den Nonnen überprüft werden, die Normen selbst können aber nicht rational letztbegründet werden.12 Diese grundlegende Erkenntnis soll als kritischer Maßstab an die zu untersuchende Literatur angelegt werden. Dabei wird das Handeln und Entscheiden über die Gesichtspunkte seiner Pflichtgemäßheit und Gesinnungstreue hinaus auch auf seine Verantwortung für die Folgen hin befragt. Das muss unweigerlich der Fall sein, sobald die ethische Betrachtung und Urteilsbildung sich an einem konkreten, jeweils inhaltlich bestimmten Verständnis der Existenzverfassung des Menschen orientiert, wie sie sich im Selbsterleben der Person präsentiert und qua Besinnung auf dieses Selbsterleben zur Sprache und zum Begriffkommen kann. Das Verständnis von Technikethik soll durch Rekonstruktion und Kritik zweier Autoren profiliert werden (s.u. Teile C bis E). Diese Vorgehensweise liegt in der Einsicht begründet, dass nur von einer Konfrontation mit bestimmten einzelnen Entwürfen Präzision von Problemen und Problemlösungen erwartet werden kann. Die Auswahl von zwei prominenten, technikphilosophischen Autoren, Günter Ropohl und Walter Christoph Zimmerli, versteht sich als exemplarisch für die gegenwärtig eingenommenen und diskutierten Perspektiven bezüglich der Frage nach der Technik und ihrer ethischen Verantwortbarkeit. Auffallend und symptomatisch ist es, dass sich die Spezifikation beider Ansätze leichter über ein von den Autoren dargelegtes Technikverständnis als über ein Ethikverständnis markieren lässt. Eine Ethikkonzeption wird in der Regel nicht als eigenes Thema ausgeführt. Auch bei diesen Autoren wird das Ethikverständnis immer schon in Bezug gesetzt zu konkreten Problemlösungsaufgaben und -versuchen und muss aus diesem Kontext erschlossen werden. Von den Ingenieurwissenschaften herkommend, zeigt Ropohl13 (s.u. Teil C [S. 45ff.]) sich am stärksten mit der Feinerörterung technischer Probleme

12

Vgl. zur Diskussion um die Möglichkeit der Letztbegründung moralischer Normen: H. Albert/K.-O. Apel, Ist eine philosophische Letztbegründung von moralischen Normen möglich?, in: K.-O. Apel/D. Böhler/G. Kalbach (Hrsg.), Funkkolleg Philosophie/Ethik: Dialoge, Frankfurt a.M. 1984, Bd. II, 82-122.

13

Günter Ropohl, geb. 1939, promovierter Ingenieur und habilitierter Philosoph, ist Professor für Allgemeine Technologie am Institut für Polytechnik/Arbeitslehre der Universität Frankfurt am Main. Er ist dort Mitglied der interdisziplinären Arbeitsgruppe Technikforschung

10

Einleitung: Diskussionslage und Problemstellung

vertraut, aber auch am meisten daran interessiert, die Technik nicht als einen gesonderten, isolierten Bereich zu betrachten. Eine allgemeine Technikwissenschaft soll die umfassende Reichweite der Technik für unsere Kultur hervorheben. Eine fraglose Parteinahme für die Technik, die in Sätzen kulminiert wie: Die Technik sei nichts anderes als das „Wesen der menschlichen Freiheit", sie bestimme unsere Kultur bis „zu einem Ende der Natur", fuhrt Ropohl, unter Rückgriff auf Marx' Technikverständnis in Verknüpfung mit Gehlens Anthropologie in der Technik als Organentlastung, -ersatz und -Verstärkung verstanden wird und einer Theorie der Handlungssysteme zu einer „Systemtheorie der Technik" (1979). Diese möchte er von den geläufigen Systemtheorien der Sozialwissenschaften abgehoben wissen14, indem er nicht nur Handlungssituationen, sondern die Individuen als empirische Handlungsträger systemisch erfassen will. Als philosophische Grundlage dazu dient ihm - in Aufnahme von Ansätzen Norbert Wieners und Ludwig von Bertalanffys - die Kybernetik. Mit seiner 1991 erschienenen Aufsatzsammlung „Technologische Aufklärung" fasst Ropohl sein Grundanliegen, das er im Konzept einer Allgemeinen Technologie entwickelt sieht, zusammen: „Allgemeine Technologie ist ein Wissenschaftsprogramm, das die Technik als Kultur zu beschreiben und zu verstehen sucht und dadurch zum Bindeglied zwischen den ,zwei Kulturen' werden kann, indem sie zugleich eine Grundlagenwissenschaft der Technikwissenschaften und eine Angewandte Kulturwissenschaft darstellt.... Die praktische Aufgabe besteht also darin, die ,kulturelle Verzögerung' (zwischen technischem Wissen und ethischem Wissen, E. G.-S.) abzubauen und in Zukunft überhaupt zu vermeiden."15 Von der Auseinandersetzung mit der Philosophie des Deutschen Idealismus, insbesondere Hegels, geleitet, bemüht Zimmerli16 (s.u. Teil D) sich hingegen vor allem um Gegenwartsbezogenheit und Öffentlichkeit der Philosophie. Dies äußert sich in zahlreichen Beiträgen zu Gegenwartsdeutungen und -problemen, insbesondere der neueren Technologien.17 Im Unterschied zu Ropohl ist er

und Vorsitzender des Bereichs „Mensch und Technik" im Verein Deutscher Ingenieure (VDI). 14

G. Ropohl, Technologische Aufklärung, Frankfurt a.M. 1991, 98 und H. Lenk/G. Ropohl (Hrsg.), Systemtheorie als Wissenschaftstheorie, 1978.

15

Ropohl, Technologische Aufklärung, 214f.

16

Walter Christoph Zimmerli, geb. 1945, hat Philosophie, Germanistik und Anglistik studiert, war von 1978-1988 Professor für Philosophie an der TU Braunschweig und seit 1988 an den Universitäten Bamberg und Erlangen (und New York), seit 1996 lehrt er in Marburg. Er ist, wie Ropohl, Vorsitzender des Bereichs „Mensch und Technik" im VDI, ebenfalls seit 1993 im Vorsitz der Hanns-Lilje-Stiftung. Seit Sommersemester 1999 ist er nun Präsident der privaten Universität Witten-Herdecke.

17

Vgl. vor allem das in jüngerer Zeit erschienene Buch „Einmischungen. Die sanfte Macht der Philosophie", 1993; aber auch schon ein Buch wie „Kommunikation. Codewort für

Methode und Ansatz

11

nicht in erster Linie am Technikbegriff als solchem interessiert, sondern an zeitdiagnostischen Analysen der Bedeutung moderner Technologien18 einerseits und der Ortsbestimmung der Geisteswissenschaften19 andererseits. Nur im Wechselspiel dieser Betrachtung könne man deren Funktion ansichtig werden. Bedingung der Möglichkeit der Kenntnisnahme eines solchen Wechselspiels sei eine disziplinenübergreifende Denkweise. In seiner Lehrzeit an der Technischen Universität Braunschweig hat Zimmerli ein eigens dafür abgestimmtes Studienfach, das sogenannte „Studium Integrale", ins Leben gerufen.20 Die bewusste Abgrenzung gegen Interdisziplinarität, die Zimmerli mit dem integralen Verständnis der Wissenschaften vollzieht, ist nicht willkürlich, sondern beruht auf seiner Einsicht, dass die Gegenüberstellung von sogenannten Geistes- und Naturwissenschaften in „Zwei Kulturen" nur ein „kurzes ideengeschichtliches Intermezzo" war und dass die Unabhängigkeit der Einzelwissenschaften, historisch gesehen, eine Täuschung sei.21 Ziel einer integralen Wissenschaft sei es, nicht eine Einheitswissenschaft heraufzubeschwören, sondern die jeweils geisteswissenschaftlich relevanten Probleme der Fachwissenschaften in und durch diese selbst zu entdecken und zu benennen. Die Präsentation der beiden Autoren (s.u. Teile C [S.45ff.] und D [S. 149ff.]) geschieht mittels Darstellung des Grundanliegens, des theoretischen Rahmens und der kategorialen Leitbegriffe der verschiedenen Konzeptionen im Hinblick auf ethisch relevante Grunddaten und Aussagen. Aus dem Grundanliegen und den kategorialen Leitbegriffen resultieren spezifische Fragerichtungen, die jeweils das Besondere des Ansatzes, seiner Reichweite und seines Problemhorizontes in Bezug auf das Ethikverständnis deutlich werden lassen.

18

,Zwischenmenschlichkeit'", 1978 von Zimmerli herausgegeben, und vor allem die Veröffentlichungen als Herausgeber im VDI-Verlag: Herausforderung der Gesellschaft durch den technischen Wandel, Informationstechnologie, Biotechnologie, Technikdiskussion im Systemvergleich, Düsseldorf 1989; Die Glaubwürdigkeit technisch-wissenschaftlicher Information, Düsseldorf 1990. Vgl. den Titel des von ihm herausgegebenen Aufsatzbandes: „Technologisches Zeitalter oder Postmoderne", München 1988.

19

Vgl. etwa W.Ch. Zimmerli, „Die Herausforderung der Geisteswissenschaften durch den technischen Fortschritt", in: Der Ruf nach den Geisteswissenschaften, Tutzinger Materialien Nr. 40, Tutzing 1987 (abgekürzt i.flgd.: Zimmerli, Herausforderung der Gesellschaft durch den technischen Wandel).

20

Dieses Studium Integrale wird seit 1984 in Braunschweig angeboten. Hier werden die Ingenieurstudenten und Geisteswissenschaftler dazu angehalten, zwischen sechs und acht Semesterwochenstunden an außerdisziplinären Veranstaltungen zu belegen. Den Kampf gegen dieses Missverständnis tritt er in verschiedenen Veröffentlichungen an, etwa in „Wider die >Zwei KulturenSchemata unserer Wirklichkeitsorientierung< an die Hand gibt,... dann geht es bei unserer Untersuchung um eine pragmatische Sozialphilosophie der Technik."13 Auf der Suche nach dem kategorialen Interpretationshorizont seines Technikethikverständnisses wird nun allerdings deutlich, dass zwar der Ausgangspunkt und die Genese, bemerkenswerterweise jedoch nicht die theoretische Entfaltung seiner techniktheoretischen Überlegungen auf einen solchen verweisen. So erscheint durchgängig und immer wieder die Vorstellung von Technik als anthropologischem Grunddatum: „Seit es Menschen auf der Erde gibt, existiert auch Technik. Mehr noch: Für die Frühgeschichte des Menschen ist Technik geradezu das Kriterium der Menschwerdung .... Von allem Anfang also ist der Mensch... nicht nur Homo sapiens, sondern auch Homo faber."14 Diese Vorstellung entwickelt sich jedoch nicht zum hermeneutischen Zentrum seiner Techniktheorie. Ropohls Techniküberlegungen bilden sich heraus in der Konfrontation mit zwei Gegenpositionen, einmal mit dem zeitgenössischen philosophischen Diskurs, insbesondere mit der eben dargestellten Technokratiediskussion15, zum anderen mit dem Auftreten und der Etablierung der Systemtheorie in der Soziologie. Die mancherorts im Rahmen des philosophischen Diskurses im Zusammenhang mit der Technokratiethese zutage tretende Technikfeindlichkeit empfindet Ropohl als Affront gegenüber den Technikern und Ingenieuren, aber auch als ein Verkennen der Leistung der Technik und ihrer Errungenschaften. Vor allem jedoch sieht er darin eine Kränkung gegenüber seinem Verständnis von Menschsein. Ropohl versteht das Menschsein wesentlich als technisch begabtes. Gerade durch die Technik nämlich zeige sich der Mensch als Kulturwesen. Eine Verteufelung von Technik ist für Ropohl mit dem Wesen des Menschen daher nicht vereinbar. Ein defätistisches Technikverständnis unterschätze die realen Humanisierungs- und Befreiungsleistungen, die der Technik zu verdanken sind.16 12 13 14 15

16

Vgl. G. Ropohl, Eine Systemtheorie der Technik, München 1979 (abgekürzt i.flgd.: Ropohl, Systemtheorie), 19. Vgl. Ropohl, ebd., 19. Vgl. Ropohl, Die technischen Grundlagen, 545. Vgl. den Sammelband von H. Lenk (Hrsg.), Technokrate als Ideologie, Stuttgart 1973; vgl. weiterhin die Auseinandersetzung Ropohls mit Schelskys „technischem Staat" in: G. Ropohl, Technologische Bildung, in: ders., Technologische Aufklärung, Frankfurt a.M. 1991, 216-237,216f.; ders., Systemtheorie, 14f. Vgl. G. Ropohl, Ethik und Technikbewertung, Frankfurt a.M. 1996 (abgekürzt i.flgd.: Ropohl, Ethik und Technikbewertung), 15.

Horizont und Anliegen von Ropohls Technikethikverständnis

$1

Aber nicht nur gegenüber der Position der Technikfeindlichkeit, sondern auch gegenüber dem Auftreten der soziologischen Theorien ist das Erarbeiten einer neuen Techniktheorie gefordert. Diese laufen nämlich Gefahr, die Technik aus dem gesellschaftlichen Interaktionszusammenhang auszublenden.17 Ropohl versteht sich in bewusster Abgrenzung gegenüber soziologischen Systemtheorien als Anhänger der allgemeinen Systemtheorie und der Kybernetik. Das Auftreten der Systemtheorie auch in den Sozialwissenschaften18 betrachtete Ropohl mit Skepsis19: „Im Gegensatz zu derartigen sozialphilosophischen Spekulationen" geht es ihm um die „allgemeine Systemtheorie mathematischkybernetischer Provenienz ..., die als eine exakte und präzise Modelltheorie zu verstehen ist."20 Die Soziologien beanspruchen den Namen „Systemtheorie" nach Ansicht Ropohls zu Unrecht, da sie nicht in der Lage seien, „die Möglichkeiten der allgemeinen Systemtheorien für eine angemessene Analyse sozialer Systeme zu nutzen"21. Mittels solcher allgemeinen Systemtheorie glaubt Ropohl dagegen, die Relevanz von Technik in gewünschter Weise für sämtliche gesellschaftliche Bereiche22 zu behaupten. Damit hätte er ein methodisches Instrumentarium, die Verschränkung von Technik und Mensch, von Technik und Gesellschaft darzustellen. Der Systembegriff diente ihm so quasi als Scharnier, sein Verständnis von Technik als zum Wesen des Menschen und vor allem als zur Gesellschaft gehörig theoretisch zu verifizieren, indem der Begriff des Systems interdisziplinär die verschiedenen Wissenschaftsbereiche, die Technik- und die Humanwissenschaften, theoriefahig umgreifen kann. Damit gelingt es seiner Meinung nach, „Einseitigkeiten im Technikverständnis" ent-

17

Vgl. Ropohls Vorwurf an Habermas, technisch-instrumentelles und sozial-interaktionelles Handeln zu unterscheiden: „Mit einem Wort: Wenn Habermas den institutionellen Rahmen symbolisch vermittelter Interaktion« den >Systemen zweckrationalen Handelns« unvermittelt als wesensverschieden entgegensetzt, so verewigt er damit die von C.P. Snow diagnostizierte Kluft zwischen den >zwei Kulturen«" (G. Ropohl, Ein systemtheoretisches Beschreibungsmodell, in: H. Lenk [Hrsg.], Handlungstheorien interdisziplinär, Bd. 1, München 1980, 323-360 [abgekürzt i.flgd.: Ropohl, Ein systemtheoretisches Beschreibungsmodell], 324).

18

Ropohls Polemik gegen die soziologische Systemtheorie zieht sich von den Anfängen seines Schaffens, dort auch in seinem frühen Hauptwerk „Eine Systemtheorie der Technik", bis hin zu seinen vorläufig letzten Werken, „Technologische Aufklärung" und „Ethik und Technikbewertung".

19

„Mit aller Deutlichkeit ist vor allem zu betonen, daß wir absolut nichts mit der sogenannten >Systemtheorie« im Sinne haben, die N. Luhmann (z.B. in: J. Habermas/N. Luhmann, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie, Frankfurt 1971) unter dieser Bezeichnung zu verbreiten für richtig hält" (Ropohl, Ein systemtheoretisches Beschreibungsmodell, 325).

20 21

Ropohl, ebd., 325. Vgl. Ropohl, Systemtheorie, 84.

22

Gemeint sind hier die Bereiche entsprechend den >zwei Kulturen«.

52

Das Technikethikverständnis von Günter Ropohl

gegenzuwirken und eine neue, interdisziplinäre Synthese herbeizuführen, die Technik in ihrem prinzipiell „sozioökonomischen" Charakter aufzeigen kann.23 Ropohls Frontstellung gegenüber dem zeitgenössischen Technik- und Systemverständnis ist in seiner Sicht der Beziehung von Technik zu Mensch, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur verwurzelt. Durch diese Hervorhebung des menschlich-sozialen Bezugs zeigt Technik sich bei Ropohl in gewisser Weise anthropologisch begründet. Infolgedessen erwartete man, dass sich die Bestimmung des Wesens von Menschsein als Horizont erwiese, in dem Ropohl die Verständnisprobleme der Technik zu lösen sucht. Merkwürdigerweise macht Ropohl aber nicht die Verhältnisbestimmung von Mensch und Technik zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen, sondern er beschränkt seine Untersuchung im Wesentlichen auf Technik als Realtechnik.24 Die vorliegende Untersuchung orientiert sich deshalb an folgender Leitfrage: Handelt es sich bei diesem Befund der realtechnischen Beschränkung der techniktheoretischen Untersuchungen Ropohls um eine Aporie, oder verweist das Unterlassen anthropologischer Überlegungen selbst auf einen theoretischen Horizont? Warum verzichtet Ropohl auf eine anthropologische Anbindung seiner Techniktheorie, obwohl die anthropologische Beziehung von Technik offensichtlich der implizite Horizont seiner Techniktheorie ist? Gerade weil Ropohls Verstehensinteresse ein Orientierungs- und Verantwortungsinteresse bezüglich der Technik zugrunde liegt, kann die anthropologische Bezogenheit von Technik und damit auch deren Beziehung zur Ethik nicht als marginal aufgefasst, sondern muss als grundlegend herausgestellt werden. Deshalb gliedert sich Teil C zunächst in zwei Hauptteile: Ropohls Verständnis von Technik im Horizont der Frage nach dem Menschen (Kap. II) und Ropohls Verständnis von Technikethik im Horizont der Frage nach dem Menschen (Kap. IV), denen sich jeweils ein kritisch würdigender Schlussteil (Kap. III und V) anfügt, der Aufklärung über die gestellte Leitfrage geben soll. Dies soll dann eine kritische Annäherung an die Fundamente von Ropohls Technikethikverständnis (Kap. VI) ermöglichen. Implizit ist die anthropologische Beziehung als theoretische Richtlinie immer gegenwärtig (s.u. Kap. II, IV). Insofern ist zunächst die Bedeutung der Anthropologie (s.u. Kap. II.l.) zu klären. In diesem Rahmen soll im Folgenden gezeigt 23 24

Vgl. Ropohl, Systemtheorie, 106; ders., Wie die Technik zur Vernunft kommt, Amsterdam 1998 (abgekürzt i.flgd.: Ropohl, Wie die Technik zur Vernunft kommt), 2f. Der Begriff stammt von Gottl-Ottlilienfeld, der neben einem allgemeinen Technikbegriff diesen Begriff als Technik im Besonderen verstand. Nach ihm ist Realtechnik „das abgeklärte Ganze der Verfahren und Hilfsmittel des naturbeherrschenden Handelns" (F. v. Gottl-Ottlilienfeld, Wirtschaft und Technik, Tübingen 1923, 8f.). Vgl. die Aufnahme des Begriffs durch Ropohl: Ropohl, Systemtheorie, 31; ders., Technologische Aufklärung, Einleitung, 18f.; ders., Die technischen Grundlagen der Gesellschaft, 547; ders., Ethik und Technikbewertung, 84f.

Technik im Horizont der Frage nach dem Menschen

53

werden, woran Ropohls neues Technikverständnis (s.u. Kap. II.2.) festzumachen ist und wie er es im Zusammenhang mit seinem Systemverständnis (s.u. Kap. II.3.) zur Darstellung bringen möchte. Die anthropologische Beziehung zeigt sich vor allem in der als notwendig erachteten Thematisierung gesellschafts- und handlungstheoretischer Aspekte des Technikverständnisses (s.u. Kap. n.4.). Die Auswirkung der anthropologischen Beziehung auf der einen wie aber auch des Versäumnisses von deren Thematisierung in expliziter theoretischer Grundlegung auf der anderen Seite ist dann Thema der kritischen Zusammenfassung (s.u. Kap. III). Letztendlich wird sich m.E. zeigen, dass der Schlüssel zu Ropohls Verständnis von Menschsein in seinem technikorientierten Ontologieverständnis zu suchen ist (s.u. Kap. VI). Dieses Verständnis von Menschsein steckt den Rahmen für sein Technikethikverständnis ab (s.u. Kap. IV).

Kapitel II Technik im Horizont der Frage nach dem Menschen 1. Die Bedeutung der Anthropologie für das Verständnis von Technik und Ethik Die Beziehung von Mensch und Technik kann auf verschiedene Weise thematisiert werden. Entweder man beginnt mit dem Menschen oder man beginnt mit der Technik. Für beide Fälle gilt jedoch, dass wir alle Sachverhalte nur vermittels unseres Menschseins mit allen seinen Erkenntnisbedingungen und -konsequenzen wahrnehmen können. Die Adäquatheit der Wahrnehmung jeglichen Sachverhalts bemisst sich von daher an der Adäquatheit der Wahrnehmung unseres Menschseins. Insofern ist es naheliegend und inhaltlich vorzuziehen, mit einer Explikation des Menschseins und einer möglichen anthropologischen Grundlegung von Technik zu beginnen. Nun hat Ropohl die Beziehung von Technik und Mensch thematisiert. Er hat sie sogar zum Ausgangspunkt seiner techniktheoretischen Überlegungen genommen.25 Das ist seine Stärke. Allerdings findet sich bei ihm keine theoretische Einarbeitung dieses Ausgangspunktes. Die Frage, warum er dies nicht tut, soll als heuristisches Prinzip meiner Untersuchung von Ropohls Technik- (s.u. 2.), System- (s.u. 3.) und Handlungsverständnis (s.u. 4.) dienen. Dabei wird sich zeigen, dass der anthropologische Horizont, gerade auch wenn er nicht als solcher erfasst wird, sowohl im Theorieverständnis von Technik als auch im Theorieverständnis von Ethik zum Vorschein kommt. 25

Vgl. Ropohl, Die technischen Grundlagen der Gesellschaft, 545.

54

Das Technikethikverständnis von Günter Ropohl

2. Ropohls Technikverständnis 2.1. Das Grundinteresse Ropohls: das „Verstehen" von Technik Ropohls Verständnisbemühungen gegenüber der Technik kulminieren im Begriff „Technologische Aufklärung"26. Das Stichwort „Technologische Aufklärung" soll nicht unfreiwillig an die philosophische Epoche der Aufklärung erinnern27, da Ropohl mit solcher Aufklärung auf die Notwendigkeit philosophischer bzw. geistes- und kulturwissenschaftlicher Annäherungen an die Technik aufmerksam machen möchte. Die Technologische Aufklärung soll einerseits die im westlichen Denken dieses Jahrhunderts angewachsene, mächtige intellektuelle Tradition des „technologischen Determinismus" ihrer Beschränktheit, andererseits aber auch die philosophische und geisteswissenschaftliche Tradition der Zurückhaltung gegenüber Naturwissenschaft und Technik ihrer Kurzsichtigkeit überführen.28 Beide Traditionen hängen vermutlich zusammen, denn der technologische Determinismus, der von einem Automatismus technischer Entwicklung ausgeht, ist nach Ropohl nicht einfach nur auf primitiv-technokratische Vorstellungen einer Sachzwanghypothese zurückzuführen29, sondern

26 27

Vgl. das gleichnamige Buch: Ropohl, Technologische Aufklärung, Frankfurt a.M. 1991. „Freilich beziehe ich mich ... ausdrücklich auf das philosophische Programm der Aufklärung" (G. Ropohl, Ober die Unvermeidlichkeit der technologischen Aufklärung, in: ders., Technologische Aufklärung, 31-50 [abgekürzt i.flgd.: Ropohl, Über die Unvermeidlichkeit ...], 24).

28

Vgl. G. Ropohl, Zur Kritik des technologischen Determinismus, in: F. Rapp/P. T. Durbin (Hrsg.), Technikphilosophie in der Diskussion, Braunschweig 1982, 3-17 (abgekürzt i.flgd.: Ropohl, Zur Kritik des technologischen Determinismus); ders., Über die Unvermeidlichkeit .... 19-23.

29

Die Technokratiethesen in allen ihren Varianten widersprechen nach Ropohl im Innersten dem, was die Technik für den Menschen bestenfalls bedeuten kann, nämlich Ausdruck seiner schöpferischen Freiheit zu sein. In allen Technokratiethesen wird der Mensch von der Technik beherrscht, wird dessen Freiheit durch die Technik geradezu negiert: sei es in der Sachzwanghypothese, etwa in Form des „technischen Staats" von Schelsky, in dem nur noch verwaltet, aber nicht mehr entschieden wird; sei es in der Form eines „technologischen Imperativs" (H. Marcuse, S. Lern), der davon ausgeht, dass alles Herstellbare gemacht wird; sei es als Expertokratie, also als Herrschaft der technischen Experten, denen eine unmündige Gesellschaft gegenübersteht, oder in der Form einer informationellen Systemtechnokratie, die eine informationskontrollierte Überwachungsgesellschaft anstrebt. Diese vier Varianten der Technokratiethese bezeichnet H. Lenk (Macht und Machbarkeit der Technik, Stuttgart 1994, 24) gegenwärtig als noch aktuell. Bei allen diesen vier Varianten der Technokratiethese ist das genannte Theoriedefizit zu beklagen. Der Vorwurf der Verantwortungslosigkeit bestünde hier nämlich nicht nur zu Unrecht, sondern er könnte gar nicht gemacht werden. Logischerweise müsste die Verantwortungslosigkeit als ein Faktum

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auf die philosophische Reflexionstradition, die Technik metaphysisch-religiös hypostasiert und sie als der menschlichen Vernunft immer schon vorausliegendes, eigendynamisches Zielstreben ausweist.30 Diese techniktheoretische Position sieht genau in diesem eigendynamischen Vorausliegen den Grund dafür, „daß im Technisieren immer mehr herausgekommen sei, als wir gewollt haben", „und daß dieser Überschuß die Hysterese, d.h. das Nachhinken und Zuspätkommen unseres Selbstbewußtseins bewirkte."31 Zwei Behauptungen teilt diese Position damit mit dem technologischen Determinismus, einmal „daß die technische Entwicklung die geistige und soziale Situation der Menschen determiniert und beherrscht", und zum anderen, „daß sie völlig unabhängig von dieser geistigen und sozialen Situation ausschließlich einer ihr innewohnenden und unbeeinflußbaren Gesetzmäßigkeit folgt."32 Dieses technokratische Denken, wie es etwa in Schelskys Modell eines technischen Staates vor Augen tritt, war nach Ropohl prägend für das 20. Jahrhundert.33 Obwohl, wie Ropohl zugesteht, diesen Vorstellungen eine gewisse Entsprechung in der Alltagserfahrung zukommen - in der Regel kann der Einzelne sich nicht mehr als der Urheber des technischen Prozesses verstehen - , sind sie seiner Meinung nach keineswegs insgesamt zutreffend. Um dieser These Plausibilität zu verleihen, d.h. der Technokratiethese entgegenzutreten, entwickelt Ropohl nun ein Konzept, das dieser These nicht einfach widerspricht, sondern

hingenommen werden, das sich aus der Einflusslosigkeit gegenüber der Technik ergibt. Denn von Verantwortung ließe sich hier nirgendwo recht eigentlich mehr reden. Dass sich demnach aufgrund dieser Thesen eine fundamentale Technologiekritik herausgebildet hat, ist nicht verwunderlich. Diese Kritik verfehlt nun allerdings ihrerseits einseitig das Ziel der Verantwortungsproblematik, indem auch sie die Komplexität technischer Prozesse nicht durchschaut. Auch sie bietet damit keinerlei Orientierung für Wege und Möglichkeiten der Verantwortung. 30

Vgl. S. Moser, Traditionelle Technikphilosophie, in: H. Lenk/S. Moser (Hrsg.), Techne, Technik, Technologie, Pullach 1973,11-81, 52ff.

31 32 33

S. Moser referiert hier H. Schmidt als einen Metaphysiker der Technik, ebd., 52f. Vgl. Ropohl, Zur Kritik des technologischen Determinismus, 5. O. Spengler, Der Mensch und die Technik, München 1931; F. G. Jünger, Die Perfektion der Technik, 6. Aufl., Frankfurt a.M. 1980; L. Mumford, Mythos und Maschine, Frankfurt a.M. 1977; J. Ellul, La technique ou l'enjeu du siècle, Paris 1954; vgl. H. Schelsky, Der Mensch in der wissenschaftlichen Zivilisation (1961), 450: „Wir müssen den Gedanken fallen lassen, als folge diese wissenschaftlich-technische Selbstschöpfung des Menschen und seiner neuen Welt einem universalen Arbeitsplan, den zu manipulieren oder auch nur zu überdenken in unserer Macht stünde. Weil es sich um eine Rekonstruktion des Menschen selbst handelt, gibt es kein menschliches Denken, das diesem Prozeß als Plan und Erkenntnis seines Ablaufes vorausliefe", und „(e)s gibt keine Form menschlichen Wissens, das die Welt und den Menschen, die so entstehen, im voraus deduzieren könnte".

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ihrer Alltagserfahrung Rechnung trägt, aber gleichwohl nicht deren denkerische Konsequenzen - nämlich Automatismus und Sachzwangdominanz - teilt. Dieses Konzept sieht zunächst vor, die Isolation der Technikbetrachtung aufzugeben und sie in ihre vielfältigen Lebensbezüge zu stellen. Sein Anliegen ist es, die Technik in erster Linie als gesellschaftliches Phänomen zu betrachten. Das mag daran liegen, dass er die Kritik am bisherigen Technikverständnis auf ein Theoriedefizit bezieht, das genau an der Nichtbeachtung des gesellschaftlichen Zusammenhangs von Technik festzumachen ist. „Der... Technikbegriff... beschränkt sich - im Gegensatz zu einem verengten Technikverständnis der Ingenieurwissenschaften - nicht auf die Sachtechnik, sondern schließt... ausdrücklich menschliches Handeln ein.... Da Technik nur im Rahmen menschlichen Handelns zu verstehen ist, alles Handeln aber gesellschaftlichen Einflüssen unterliegt, folgt daraus die gesellschaftliche Prägung der Technik: Technisches Handeln ist grundsätzlich soziotechnisches Handeln."34 Es wird mit dieser Position sehr schön deutlich, dass Ropohl immer sogleich den Sprung von individuell-menschlichem Handeln zur sozialen Dimension des Handelns macht. Nicht zwangsläufig wäre es aber, individuelles durch soziales Handeln zu ersetzen oder zu verdrängen.

2.2. Ropohls Kritik des bisherigen Technikverständnisses: sein Theoriedefizit Als Kardinalfehler traditioneller Technikphilosophie zeige es sich, „die Technik als Robinsonade zu betrachten und die gesellschaftlichen Implikationen der technischen Entwicklung zu vernachlässigen." Was sich in dieser Isolierung und Verabsolutierung des technischen Arbeitsprozesses zeige, sei nichts anderes als ein Theoriedefizit im Technikverständnis.35 Und auf eben ein solches Theoriedefizit sind die Vorstellungen des technischen Automatismus und der Sachzwangdominanz zurückzuführen. Mit der Aufarbeitung eines solchen Theoriedefizits beabsichtigt Ropohl eine „fast verlorengegangene Tradition des 19. Jahrhunderts" wieder aufzugreifen.36 Damals war es der Göttinger Ökonom Johann Beckmann, der im Jahre 1806 einen „Entwurf einer algemeinen Technologie" veröffentlichte, in dem die Technologie als eine Wissenschaft verstanden wurde, die auch die ökonomischen, sozialen und politischen Dimensionen der Technologie mit einbezieht.37

34 35 36 37

Ropohl, Technologische Aufklärung, Einleitung, 19. Ropohl, Zur Kritik des technologischen Determinismus, 8; vgl. ders., Systemtheorie, 39. Vgl. G. Ropohl, Technik und Gesellschaft, in: H. Lenk/G. Ropohl (Hrsg.), Technische Intelligenz im systemtechnologischen Zeitalter, Düsseldorf 1976, 67f. J. Beckmann, Entwurf einer algemeinen Technologie, Göttingen 1806.

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Der Grundmangel bisherigen Technikverständnisses äußert sich mithin nach Ropohl in einem Theoriedefizit, das in der Missachtung gesellschaftlicher Bezüge der Technik besteht. Dementsprechend betrachtet Ropohl nicht die Beziehung der Technik zum Menschen als solchem, sondern zur Gesellschaft im Ganzen. Solchermaßen sieht er das Defizit des Technikverständnisses in zwei Missverständnissen begründet, die sich weitgehend in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts herausgebildet haben: erstens das Missverständnis der Eindimensionalität von Technik und zweitens das Missverständnis bezüglich ihres Verhältnisses zu den Naturwissenschaften. Das eindimensionale Verständnis von Technik reduziert Technik auf Artefakte, d.h. auf Maschinen, Apparate, Geräte, Fahrzeuge, Bauwerke usw.38 Diese Eindimensionalität kommt seiner Meinung nach vor allem in der Technokratiethese Schelskys39 zum Ausdruck, die den Menschen mit der Sachzwanghypothese und der Vorstellung von Technik als einer endogenen Eigengesetzlichkeit zum willenlosen Spielball degradiere, ihm keine Möglichkeit bewusster Planung belasse und die Technik zur autonomen Macht hypostasiere. Das zweite Missverständnis betrifft den Zusammenhang von Technik mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen.40 Selbstverständlich bestehe dieser Zusammenhang, aber er habe fälschlicherweise den Anschein erweckt, dass Technik nichts anderes sei als angewandte Naturwissenschaft. So geradlinig sei aber der Zusammenhang von Naturwissenschaft und Technik nicht. Während es den Naturwissenschaften um die Erkenntnis von Naturzusammenhängen und -gesetzlichkeiten gehe, trete zwischen Technik und Naturwissenschaften immer ein Mittelglied. Bevor Naturwissenschaft technische Anwendung finde, schalte sich die sogenannte „Nutzungsidee" dazwischen. Es gilt, gegenüber dem Missverständnis von Technik als angewandter Naturwissenschaft deutlich zu machen, dass „Handlungszusammenhänge ein notwendiger Bestandteil des Technikbegriffs sind"41. Technik resultiere immer aus der Überlegung, wozu die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse dienen können. Genau darauf verweise die Multidimensionalität der Technik, die neben der naturalen eben auch die humane und soziale Dimension mit einbegreife.42 Damit ist m.E. deutlich, dass hier sowohl für die Eindimensionalität wie auch für den Nutzungshinweis gilt, dass es die Beziehung zum Menschen, mit anderen Worten der teleologische Handlungsbezug, ist, dem für die Technik 38 39 40

41 42

Vgl. Ropohl, Die technologischen Grundlagen, 46f.; ders., Technologische Aufklärung, Einleitung, 16. Vgl. o. S. 54, Anm. 29. Vgl. G. Ropohl, Das neue Technikverständnis, in: ders. (Hrsg.), Interdisziplinäre Technikforschung, Berlin 1981, 11-23 (abgekürzt i.flgd.: Ropohl, Das neue Technikverständnis), 14. Vgl. Ropohl, ebd., 14. Vgl. Ropohl, ebd., 14.

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fundamentaler Stellenwert eingeräumt werden muss. Mit Überlegungen bezüglich des Theoriedefizits von Technik, bezüglich der Missverständnisse von deren Eindimensionalität und Gleichschaltung mit den Naturwissenschaften, die Ropohl beide auf das Wahrnehmungsdefizit ihrer gesellschaftlichen Einbezogenheit zurückführt, meint man zunächst also, Ropohl diagnostiziere das Technikdefizit nicht im Hinblick auf technisches Wissen, sondern auf dessen anthropologische Bezüge. Jedoch, obwohl seinem Verstehensinteresse von Technik ein Orientierungsinteresse zugrunde liegt43, dem die Verantwortungsfrage immer schon innewohnte44, arbeitet er diese Bezüge nicht theoretisch heraus. Die Bestimmung des Menschen im Verhältnis zur Technik bleibt damit unklar. Sein Denken bleibt technikorientiert, obwohl es ihm nach eigenen Aussagen um die gesellschaftlichen Bezüge von Technik geht. Diese gesellschaftlichen Bezüge scheinen aber immer wieder die Omnipräsenz von Technik und nicht umgekehrt den gesellschaftlichen Handlungscharakter von Technik demonstrieren zu sollen. Nun ist das ihn bewegende Orientierungsinteresse nicht auf seine Person beschränkt, sondern er steht damit in einer breiten Tradition. Bemerkenswert ist hierbei, dass seine unklare Verhältnisbestimmung der anthropologischen Beziehung von Technik exemplarisch für genau diejenige undurchdachte Verhältnisbestimmung von Wissen, Technik und Ethik ist, die symptomatisch ist für diejenige Orientierungskrise45, die geistesgeschichtlich ihren Ursprung im 19. Jahrhundert hat. Sie wurde erzeugt durch die Auffassung, dass durch die breite Entfaltung der Naturwissenschaften eine philosophische Gesamtsicht der Wirklichkeit nicht mehr möglich sei. Da diese Orientierungskrise nun mit der Entstehung des Systemdenkens in engstem Zusammenhang steht, möchte ich versuchen, einige Aspekte des Hintergrunds dieser Orientierungskrise zu beschreiben, zumal für Ropohl das Systemdenken zentralen Stellenwert gewinnt.

43 44

Vgl. Ropohl, Systemtheorie, 19. Darauf weist auch seine entschiedene Hinwendung zu ethischen Themen bis zu seinem bislang letzten größeren Werk, Ethik und Technikbewertung, Frankfurt a.M. 1996, hin. Auch seine 1998 erschienene Aufsatzsammlung, „Wie die Technik zur Vernunft kommt", die eine Überarbeitung schon früher entstandener Aufsätze bietet, zeigt die ethische Ausrichtung seiner Überlegungen, vgl. u. Anhang VII (S. 144ff.).

45

Ropohl zitiert hier Lübbe. Vgl. G. Ropohl, Prolegomena zu einem neuen Entwurf einer allgemeinen Technologie, in: H. Lenk/S. Moser (Hrsg.), Techne, Technik, Technologie, Pullach 1973, 152-172 (abgekürzt i.flgd.: Ropohl, Prolegomena), 155. Vgl. ebenfalls Ropohl, Über die Unvermeidlichkeit..., 46.

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2.3. Der geistesgeschichtliche Hintergrund der technischen Orientierungskrise und ihre Überwindungsversuche 2.3.1. Der geistesgeschichtliche Hintergrund - ein Deutungsversuch An Ropohls Problemwahrnehmung der technischen Orientierungskrise wird meines Erachtens etwas deutlich, das mehr oder weniger prinzipiell das Verhältnis von Philosophie und Fachwissenschaften seit dem Zusammenbruch des Deutschen Idealismus betrifft. Einerseits wird der Philosophie die Erstellung eines Systems, einer alles zusammenfassenden Grundlage nicht mehr zugetraut. Beharrt sie jedoch auf ihrem metaphysischen Interesse, dann wird ihr grundlose Spekulation vorgeworfen. Andererseits sind aber die Fachwissenschaften ihrerseits durch ihre Spezialisierungen ebenfalls nicht in der Lage, eine Gesamtsicht der Wirklichkeit zu bieten. Die wissenschaftliche Weltanschauung ist zwar ein solcher Versuch, eine Gesamtsicht der Wirklichkeit zu liefern, jedoch ohne metaphysische Anklänge. Will man aber an einer metaphysischen Fragestellung festhalten, dann werden die Wissenschaften durch eine kompetenzlose Philosophie enttäuscht, da diese nicht in der Lage ist, Orientierung für die Einordnung des Wissens in einen gesamtwissenschaftlichen Zusammenhang zu bieten. Sie bleiben daher notwendig orientierungslos. Will die Philosophie dem Vorwurf der Spekulation entgehen und will sie andererseits nicht nur die Hilfsfunktion einer Methodenlehre übernehmen, sondern weiterhin zusammenhangstiftend wirken, musste sie sich ein Residuum der Stringenz suchen. Sie fand dies entweder im Nihilismus oder im Vitalismus/Irrationalismus. So führte der Zusammenbruch des Systemdenkens im Deutschen Idealismus auf Seiten der Philosophie zum Irrationalismus oder Vitalismus und zur Lebensphilosophie.46 Der Kompetenzverlust bezüglich der Erkenntnis der Probleme der entstandenen Einzelwissenschaften nötigte damit die Philosophie, sich eine Position jenseits des rational zu Ende Gedachten aufzubauen. Im immerwährenden Verweis auf das rational nicht Einzuholende der Voraussetzungen und auf die Ganzheit von Denken und Leben war dies dann auch möglich geworden. Der irrationale, d.h. rational nicht zu erfassende

46

Als Vertreter des Vitalismus sei insbesondere H. Driesch genannt (Philosophie des Organischen, 2 Bde., Leipzig 1909). Bezeichnend ist seine Bejahung des organischen Lebens als Mittel für das geistige Leben. Ein dann auch für die Systemtheorie prägender Charakterzug findet sich schon hier, nämlich der Zug zur Ganzheitsbetrachtung und die Vorstellung, dass sich ein gestalthaftes Ganzes dadurch auszeichnet, dass es mehr ist als die Summe seiner Teile. In eigentlichem Sinne zur Lebensphilosophie zu zählen sind weniger die am organischen Vitalismus als die an der Geschichte orientierten Entwürfe. Hier ist in erster Linie G. Simmel zu nennen, aber auch O. Spengler.

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Das Technikethikverständnis von Günter Ropohl

Grund auch des Rationalen gab der philosophischen Position des Irrationalismus Recht, die sich im Vitalismus der Lebensphilosophie Bahn brach. Unbefriedigend wurde diese Lösung aber, als der Spagat zwischen den Erkenntnissen der einzelnen Fachwissenschaften und dem Durchdringungsvermögen der Philosophie immer größer wurde. Dies führte zur steigenden Inkompetenz der Philosophie. Sie konnte keine Identifizierungs- und Orientierungshilfe für Probleme der Fachwissenschaften und ihre Lösungen anbieten. Dies hatte zur Folge, dass die Einzelwissenschaften ihrerseits mehr und mehr das Sensorium für ein Einheits- und Zusammenhangsdenken verloren. Da diese Zusammenhänge nicht mehr durch die Philosophie kommuniziert werden, schwand die Präsenz solcher Reflexionsgegenstände überhaupt aus der wissenschaftlichen Diskussion. Das wiederum hatte zur Folge, dass von den Einzelwissenschaften nicht mehr erkannt wurde, dass sie auch eine gesamtgesellschaftliche Verantwortungspflicht für ihre Forschungen und Entdeckungen haben. Es fehlte daher in der Regel47 bei den Fachwissenschaften zunächst nicht nur an Orientierungslinien für das Übernehmen von Verantwortung, sondern zunächst überhaupt am Bewusstsein für Verantwortung.48 Also zog philosophische Inkompetenz die Verantwortungslosigkeit der Fachwissenschaften nach sich, und zwar nicht nur bezüglich mangelnder Orientierungshilfen durch die Philosophie, sondern schon früher durch mangelndes Zuständigkeitsbewusstsein für die Folgen wissenschaftlicher Erkenntnisse. Diesem Verhalten wurde dadurch Vorschub geleistet, dass man von vornherein nicht mehr von einem Zusammenhang der Bereiche und Kompetenzen ausging. Es ist nun meines Erachtens bemerkenswert, dass sich die Systematisierungs- und Ganzheitsbestrebungen für vorhandenes Wissen nicht aus dem Raum der Philosophie, der metaphysischen Spekulation, sondern aus den Fachwissenschaften, der Biologie, ergaben. Im Vitalismus empfand man Systematisierungsversuche als lebensverneinend. Gerade in der Biologie, der Wissenschaft vom Leben, widersetzte sich nun die Untersuchung des lebenden Organismus der rein analytischen Betrachtung einzelner Elemente. Man strebte nach Erkenntnis der Funktionsmechanismen des gesamten Organismus, d.h. des Lebensprinzips. Nicht von ungefähr versucht daher gerade die Biologie,

47 48

Das heißt, es gab immer auch Ausnahmen einzelner Wissenschaftsvertreter, die sich nie der Verantwortung ledig fühlten. So vor allem in der Physik. Vgl. etwa J. Oppenheimers Aussagen zur Erfindung der Atombombe. Diese Erfindungen seien so „sweet", dass man nicht darauf verzichten hätte können, sie zu machen (vgl. H. Lenk [Hrsg.], Wissenschaft und Ethik, Stuttgart 1991, 13). Aber diese Haltung findet sich auch bei Biologen. So sieht etwa Hans Mohr sich als Wissenschaftler nur einem wissenschaftlichen Ethos verpflichtet. Dieses beziehe sich nur auf die Wahrhaftigkeit bei der Wiedergabe wissenschaftlicher Erkenntnisse (vgl. H. Mohr, The ethics of science, in: Interdisciplinary Science Reviews 4 [1979], 45-53).

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systematisches Verstehen zu ermöglichen. Der erneute Ruf nach dem System kam mithin nicht von der Philosophie selbst - die von der Geschichte ihres Scheiterns bezüglich des Systemdenkens geprägt war sondern aus den Fachwissenschaften. Man wollte dort die Apartheit von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und philosophisch-systematischem Verstehen nicht mehr hinnehmen, sondern beides aufeinander beziehen können, und zwar gerade weil eine Trennung der Erkenntnisweisen sich nicht mehr als hilfreich, sondern der Erkenntnis abträglich erwies. 2.3.2. Der Überwindungsversuch aus der Orientierungskrise: das Entstehen der Systemtheorie (L. von Bertalanffy) Genau diesem Anspruch eines Gesamtzusammenhangs von Wissen war das Unternehmen L. von Bertalanffys verpflichtet, einem der Begründer der allgemeinen Systemtheorie49, den Ropohl als den Ahnherrn seines Systemdenkens angibt. Mit dem Auftreten der Systemtheorie werden die beiden philosophisch bedeutsamen Aspekte, die wir zu Beginn dieses Abschnittes erwähnten, bestätigt: Die Probleme der Ganzheit und relationalen Bezogenheit, der systematischen Zusammenschau hierarchischer Ordnung, wie sie in der Philosophiegeschichte50 hindurch immer wieder thematisch waren, haben sich nicht erledigt. Sie werden vielmehr in Zuwendung der Naturwissenschaften zu der organisierten Kompliziertheit auch ihrer eigenen Gegenstandsbestimmtheit wieder aktuell. Wenn man so will, bleibt die metaphysische Thematik weiterhin Bestandteil der Reflexion, ja, sie hatte sich nie erledigt, wie das Abgleiten der Philosophie in den irrationalen Vitalismus, der ja selbst eine letzte Erklärung des Unerklärlichen sein wollte, bescheinigt. Und genau die Position des Vitalismus ist es denn auch, die zuerst durch die allgemeine Systemtheorie, wie sie L. von Bertalanffy51 entfaltet hat, korrigiert werden kann, indem die Systemtheorie das theoretische Verharren des Vitalismus im Irrationalismus als eine Borniertheit offen legt. Innerhalb eines Systems betrachtet kann nämlich jede Stufe der Irrationalität durch Kenntnis höherer, komplizierterer Zusammenhänge in Rationalität überführt werden. Dies bringt Bertalanffy dadurch zum Ausdruck, dass unter Erweiterung der Theorie Ant-

49

50 51

Vgl. L. von Bertalanffy, Vorläufer und Begründer der Systemtheorie, in: R. Kurzrock (Hrsg.), Systemtheorie, Forschung und Information, Bd. 12, Berlin 1972, 17-27 (abgekürzt i.flgd.: Bertallanfy, Vorläufer...). So bei Cusanus, Hegel, Marx. Vgl. Bertalanffy, Vorläufer..., 18.

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wort auf Probleme geboten werden konnten, die bisher als vitalistisch angesehen worden waren.52 In seinem 1972 verfassten Rückblick auf Vorläufer und Begründer der Systemtheorie betont Bertalanffy, dass in der Idee des Systems als solcher nichts Neues liege. Diese ließe sich bis zu Aristoteles' berühmtem Ausspruch „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile" zurückverfolgen, der damit im Grunde auch schon die Idee der Systemtheorie vorweggenommen habe.53 Diese bestehe nämlich darin, dass es nicht genüge, einzelne Teile, seien es Atome, Moleküle, Zellen, Organe etc., zu kennen, sondern dass zur Erkenntnis der Einzelheiten ebenso die Kenntnis der Beziehungen, der Relationen, in denen die Einzelheiten stehen, gehöre. So etwa ist ein lebender Organismus mehr als die Summe seiner Einzelorgane. Diese sind zu einem Ganzen54 mit höheren Funktionen zusammengeschlossen, die teleologisch arbeiten. Diese Gesamtschau der Wirklichkeit sieht Bertalanffy durch die Entwicklung der modernen Naturwissenschaften außer Acht gelassen, indem diese sich mit der resolutiven Methode (Galilei)55 immer kleineren Entitäten, der Analyse in Elementen, zuwandte. Dabei werden Erscheinungen in Elemente, isolierbare Kausalketten oder Beziehungen zwischen zwei oder wenigen Variablen aufgelöst. Diese Arbeitsweise ermöglichte zwar das moderne Experiment, womit Wissenschaft und Technik sehr erfolgreich wurden. Übrig blieben dabei aber die Probleme der Ordnung und Organisation. Auf dem Boden der Unterscheidung von unorganisierter und organisierter Kompliziertheit waren die Naturwissenschaften in Bezug auf erstere erfolgreich, etwa in der Entwicklung linearer Kausalketten und statistischer Gesetze. Dagegen war das Problem der organisierten Kompliziertheit, das uns auf allen Gebieten gegenübertritt - sowohl subatomar als auch organismisch und soziologisch - , mit den Mitteln der Naturwissenschaften nicht zu lösen. Das Problem der Wechselwirkung konnte etwa mit linearen Kausalketten in Systemen nicht erfasst werden.56 Dies sollte nun die Systemtheorie leisten. Dabei sollte die allgemeine Systemtheorie eben gerade darin allgemein sein, dass sie einen Systembegriff entwickelt, der in sämtlichen Wissenschaftszweigen Anwendung finden kann. Demzufolge gilt: „Die Allgemeine Systemtheorie ist ein logisch-mathematisches Gebiet, dessen

52

Diese Lösung Bertalanffys wäre die systemimmanente Lösung. Aber das gleiche gilt auch hinsichtlich Begründungsleistungen gegenüber dem System, die eben nur so lange scheitern, solange diese Begründungsversuche systemimmanent bleiben, nicht aber bei Veranschlagung eines transzendentalen Begründungshorizontes, der die systemimmanente Nichtbegründbarkeit als inhaltliches Element enthält und der zugleich die Bedingung der Möglichkeit solcher Frage als systemextern begründet sieht.

53 54 55 56

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Bertallanfy, Bertallanfy, Bertallanfy, Bertallanfy,

Vorläufer..., 18. ebd., 18f. ebd., 19. ebd., 20.

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Aufgabe die Formulierung und Ableitung jener allgemeinen Prinzipien ist, die fiir Systeme schlechthin gelten."57 Die geistige Lage der Wissenschaften führte demnach zu einem Orientierungsinteresse, das aufgrund der gegebenen Aufspaltung in einzelne Fachwissenschaften und eine, diese nicht durchdringende, inkompetente, weil sich bescheidende, Philosophie nicht befriedigt werden konnte. So mussten sich die Fachwissenschaften selber auf die Suche nach systematischer Orientierung machen. Offensichtlich entwickelte sich die allgemeine Systemtheorie aus dieser Suche. Diese allgemeine Systemtheorie sollte die Grundlage für Ropohls Systemtheorie der Technik werden. 2.4. Kritik der Grundlinien von Ropohls neuem Technikverständnis Ropohls neues Technikverständnis ist durch drei Forderungen gekennzeichnet: 1. durch die Forderung der ganzheitlichen Orientierung58, 2. durch die Forderung der Aufhebung des Theoriedefizits des Technikverständnisses, die er durch Wahrnehmung der gesellschaftlichen Einbettung von Technik, ihres Handlungszusammenhangs, gewährleistet sieht59, und 3. durch die Forderung der Erkenntnis der Multidimensionalität von Technik.60 In allen drei Forderungen macht sich eine grundlegende Orientierung an einem Defizit, was allein den Gegenstand des Technikbereichs betrifft, bemerkbar. Im Gegensatz dazu etwa wäre es auch möglich gewesen, eine Orientierung am Verhältnis des Menschen zur Technik vorzunehmen. Die erste Forderung einer ganzheitlichen Orientierung hat zur Herausbildung einer Systemtheorie geführt. Ropohl entwickelt eine Systemtheorie der Technik, die das techniktheoretische Defizit aufarbeiten soll. So zeichnen den Technikbegriff dieses neuen Technikverständnisses drei Bestimmungsstücke aus: einmal die Artefakte selbst, sodann deren Herstellung durch den Menschen und schließlich deren Verwendung im Rahmen zweckorientierten Handelns.61 Dabei ist darauf zu achten, dass Ropohl technologische Aufklärung immer im Zusammenhang der Herstellung und Verwendung ansiedelt. Technik ist also nicht nur als isoliert zu betrachten, als Artefakt im Sinne von Werkzeugen, Maschinen und Apparaten. Der Herstellungs- und Verwendungszweck muss mit berücksichtigt werden, wobei immer schon die verschiedenen Dimensionen und Erkenntnisperspektiven62 im Blick sein müssen. Genau daraus ergeben sich

57 58 59 60 61 62

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Bertallanfy, ebd., 21. Ropohl, Systemtheorie, 43. Ropohl, ebd., 7. Ropohl, ebd., 32. Ropohl, ebd., 31. Ropohl, ebd., 32.

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dann die genannten geforderten Bestimmungsstücke der Technik: die ganzheitliche Orientierung, die gesellschaftliche Einbettung in den verschiedenen Dimensionen, ihre Multidimensionalität, die verschiedene Erkenntnisperspektiven impliziert. So kommt Ropohl unter der Unterscheidung einer naturalen, humanen und sozialen Dimension und der diesen entsprechenden verschiedenen Erkenntnisperspektiven63 zu dem Ergebnis, dass Natur, Individuum und Gesellschaft gleichermaßen die Bedingungen bilden, denen die Technik unterliegt, wie sie selbst den Folgen der Technik ausgesetzt sind. Das reziproke Verhältnis von Individuum, Gesellschaft, Natur und Technik erfordert die ganzheitliche Orientierung, um ein adäquates Technikverständnis zu gewin64

nen. Die zweite Forderung Ropohls, die Aufhebung des Theoriedefizits im Technikverständnis, stellt sich durch die Einsicht in die Verflochtenheit von Technik mit allen übrigen gesellschaftlichen Bereichen. Dieses Wissen gilt ihm als „conditio sine qua non für die individuelle und gesellschaftliche Bewältigung der modernen Technik"65. Die technischen „Sachgüter beruhen, insofern sie künstlich sind, auf den Entwürfen, Entscheidungen und Handlungen von Menschen"66. Hier, im Handlungsbezug, ist also offensichtlich die Beziehung von Technik und Mensch entscheidend. Dann aber müsste Ropohl doch die intersektorale, gesellschaftliche Funktion von Technik dahingehend erklären, dass und wie technische Entwicklungen und Entscheidungen durch individuelle und gesellschaftliche Willensprozesse zustande kommen. Solange das bei ihm nicht durchsichtig wird, kann dieser Zusammenhang auch immer wieder in Frage gestellt werden, bleibt er also bloße Behauptung. Die gesellschaftliche Bezogenheit von Technik äußert sich auch in Ropohls dritter Forderung, des Erkennens der Multidimensionalität von Technik. Auch diese ergibt sich ja aus der gesellschaftlichen Einbettung von Technik. Sie werde offen legen, dass die Spaltung zwischen „den zwei Kulturen"67 ein Irrweg war, denn als multidimensional sei die Technik „gleichermaßen geistes- und sozialwissenschaftlichem wie technisch-naturwissenschaftlichem Denken verpflich-

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64 65 66 67

Die verschiedenen Erkenntnisperspektiven werden eingeteilt entsprechend den Dimensionen. Für die naturale Dimension gilt die naturwissenschaftliche, ingenieurwissenschaftliche, ökologische Perspektive; für die humane Dimension die anthropologische, physiologische, psychologische, ästhetische Perspektive; für die soziale Dimension die ökonomische, soziologische, politologische, historische Perspektive (vgl. Ropohl, Systemtheorie, 32-43). Vgl. Ropohl, ebd., 43f. Vgl. Ropohl, Prolegomena, 154. Ropohl, ebd., 7. Die Einführung dieses Begriffs stammt von C.P. Snow. (Vgl. C.P. Snow, Die zwei Kulturen, Stuttgart 1967).

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tet"68. Die neue Technikkonzeption ist nach Ropohl als solche demnach immer schon interdisziplinär, indem sie auf dem Gebiet der Sozialphilosophie wie auf dem Gebiet der Technikforschung und Techniklehre angesiedelt ist. Dabei genüge es nicht, dass die Einzelwissenschaften nebeneinander ihre Ergebnisse auflisten. Ropohl fasst Interdisziplinarität integrativ auf, indem „von der konkreten Komplexität des Problems >Technik< ausgegangen wird, um zu einer problemorientierten Integration des Wissens aus verschiedenen Disziplinen" zu gelangen.69 Interdisziplinarität auf dieser integrativen Ebene beschränkt sich demnach nicht auf Annäherungen im Dialog, sondern vom Faktum der Komplexität des technischen Phänomens ausgehend werden die für die verschiedenen Dimensionen zuständigen Disziplinen ausgemacht, die so in Kenntnis ihres Ortes im systematischen Zusammenhang ihre Aufgabe der Entschlüsselung, Deutung, Rekonstruktion und unter Umständen Direktion und Korrektur wahrnehmen können. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ropohl mit diesem Programm der Aufarbeitung des techniktheoretischen Defizits eine wissenschaftlich-systematische Untermauerung seiner Grundthese der „Symbiose von Mensch und Technik"70 erreichen möchte. Dabei geht er den deduktiven Weg, der von den wissenschaftlichen Implikationen von Technik auf die Beziehung von Technik und Mensch schließt. Dieses Vorgehen mutet zunächst willkürlich an. Aber gemäß seiner Orientierung an der Beschreibung des Phänomens Technik bleibt Ropohl damit nur seinem techniktheoretischen Theorieansatz treu, indem er nach einem adäquaten Modell der Beschreibung der Multidimensionalität des Technikphänomens sucht. Er findet es in jenen Modellvorstellungen, die man unter der Bezeichnung Kybernetik zusammenfasst.71 So muss man konstatieren, dass Ropohl dennoch dem technizistischen Denken verhaftet bleibt, obwohl sowohl sein neues Technik- als auch sein Systemverständnis einem Unbehagen entspringen, das sich der Vernachlässigung anthropologischer Bezüge verdankt. Er fasst zwar die Technik in ihren gesellschaftlichen Bezügen ins Auge. Es geht ihm dabei aber nicht um das der Technik inhärierende Handlungsmoment, sondern um die Omnipräsenz von Technik in allen gesellschaftlichen Bezügen.

68 69 70 71

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Ropohl, Ropohl, Ropohl, Ropohl,

Systemtheorie, 11. ebd., 45f. ebd., 11. ebd., 51.

66

Das Technikethikverständnis von Günter Ropohl

3. Das Systemverständnis Ropohls Ropohls Technikverständnis ist an einer Aufwertung der Technik interessiert, das der gesellschaftlichen Verflechtung von Technik Rechnung trägt. Genau dies könne durch die Systemtheorie der Technik geleistet werden, wobei Ropohl von Anfang an dezidiert darauf abhebt, dass es eben allein eine Systemtheorie mathematisch-kybernetischer Provenienz ist, die überhaupt einen solchen Namen verdient. Das moderne Systemdenken in diesem Sinne lässt sich nach Ropohl mindestens auf vier Wurzeln zurückfuhren: „(1) die allgemeine Systemtheorie L. von Bertalanffys; (2) die Kybernetik N. Wieners samt ihren regelungs- und nachrichtentechnologischen Vorläufern und Nachfolgern; (3) mehrere praxisorientierte Systemansätze wie Operations Research, Systemanalyse und Systemtechnik; und (4) die moderne Mathematik."72 Diese sind jedoch unabhängig voneinander entstanden. So handelt es sich auch bei der allgemeinen Systemtheorie und der Kybernetik um zwei verschiedene Entwicklungslinien. Während die Systemtheorie von der Frage nach Ganzheit, Organisation und Wechselwirkung bewegt wird, handelt es sich bei der Kybernetik um eine technologische Entwicklungslinie, deren grundsätzliches Modell der FeedbackKreis ist. Das Thema der Kybernetik ist der Automatismus und die Selbstregulierung von Einheiten. Während die Systemtheorie mehr Grundwissenschaft sein wollte, war die Kybernetik von Anfang an mehr Technologie.73 Aber trotz der verschiedenen Entwicklungslinien und neben zeitlicher Koinzidenz der Entwicklung dieser beiden Wissenschaftszweige von allgemeiner Systemtheorie und Kybernetik scheint so in den vierziger Jahren dennoch eine innere Einheitlichkeit der wissenschaftlichen Fragestellung, insbesondere bezüglich der Probleme der Organisation und des teleologischen Verhaltens, vorzuherrschen.74 Man kann nach Bertalanffy den Unterschied der Beschreibungsweisen von Systemtheorie und Kybernetik mit interner und externer Beschreibung erfassen. Die Systemtheorie versucht, das Systemverhalten durch dynamische Bewegungsgleichungen zu beschreiben, in der Kybernetik dagegen betrachtet man das System als „Schwarzen Kasten", von dem nur die Beziehungen zwischen Input und Output bekannt sind. In der mathematischen Beschreibung sind sie also verschieden. Aber in gewissen Fällen lässt sich zeigen, dass diese Beschreibungen äquivalent oder isomorph sind, d.h. die eine in die andere übersetzt werden kann.75

72

Vgl. Ropohl, ebd., 51f„ 53.

73

Vgl. Bertalanffy, Vorläufer..., 26.

74

Vgl. Bertalanffy, ebd., 26.

75

Vgl. Bertalanffy, ebd., 26.

Technik im Horizont der Frage nach dem Menschen

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Mittels dieses gedanklichen Rahmens der Systemtheorie in Verbindung mit der Kybernetik kann Ropohl sein ganzheitliches, multidimensionales und perspektivisches Technikmodell abbilden. Daraus resultiert die Systemtechnik. Unter Systemtechnik versteht Ropohl eine Qualifizierung des allgemeinen Begriffs von Technik. Systemtechnik ist nicht auf einen besonderen Bereich der Technik beschränkt, sondern es ist „ein besonderer Blickwinkel", eine „neuartige Form, technische Probleme zu sehen und zu lösen"76. Technik als System hat dann Teil an den Qualitäten, die das Spezifische des Systems ausmachen. Die Systemtechnik hat es also mit Systemen zu tun. Doch was ein System ist, ist nun nicht von vornherein festgelegt. Hier räumt Ropohl zu Recht ein, dass das Wort „System" für sehr unterschiedliche Gegenstände benutzt werde. Dies ist ein Sachverhalt, der seinerseits auf den Modellcharakter des Systembegriffs verweist.77 Ganz allgemein kann man ein System dasjenige nennen, „was aus mehreren, aufeinander bezogenen und miteinander verknüpften Bestandteilen sich zusammensetzt"78, wobei von Bedeutung ist, „daß die Gesamtfunktion eines Systems sich nicht allein aus den Teilfunktionen seiner Elemente erklären läßt, sondern ganz wesentlich von der Art des Zusammenwirkens zwischen diesen Teilfunktionen abhängt"79. Systemtechnik könnte dann als ein solcher Funktionszusammenhang im Hinblick auf die Arbeit der Ingenieure festgehalten werden, quasi eine „allgemeine Methodenlehre, die für jede Ingenieurtätigkeit gelten würde"80. Unter Systemtechnik wäre somit „eine Menge von Denkmodellen, Arbeitsmethoden und Organisationsformen zu verstehen, die sich auf die Planung, die Gestaltung und den Betrieb komplexer technischer Systeme in ökotechnischen und soziotechnischen Zusammenhängen beziehen."81 Das Besondere der Systemtechnik läge damit in ihrem „neuen Denkstil", „technische Einzelerscheinungen in einem breiteren Kontext zu sehen."82 Dabei soll die Planung, Entwicklung und Gestaltung einzelner technischer Systeme methodisch gestaltet werden. Als eine Methodenlehre beschäftigt sich die Systemtechnik dann selbstredend weniger mit dem einzelnen technischen Gerät als mit „Großanlagen, Aggregatverbünden und Systemkomplexen"83. Zusammenfassend kann man sagen: Systemtechnik meint nicht eine besondere neue Art von Technik, sondern eine Methodenlehre für eine methodische Planung und Entwicklung der Ingenieurarbeit, die allerdings ihrerseits der systemischen

76 77 78 79 80 81 82 83

Vgl. G. Ropohl (Hrsg.), Systemtechnik - Grundlagen und Anwendung, München 1975 (abgekürzt i.flgd.: Ropohl, Systemtechnik), 1. Vgl. Ropohl, ebd., 1. Ropohl, Die unvollkommene Technik, 139. Ropohl, ebd., 140. Vgl. G. Ropohl, Systemtechnik, 1. Vgl. Ropohl, Systemtheorie, 28. Vgl. Ropohl, ebd., 28f. Vgl. Ropohl, ebd., 28.

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Das Technikethikverständnis von Günter Ropohl

Beschaffenheit technischer Anlagen und ihrer Funktionen selbst Rechnung trägt. Damit ist mit der Betrachtung von Technik als System sogleich der gesellschaftliche Zusammenhang von Technik mit berücksichtigt. Systemtechnik umfasste somit ein Doppeltes: Sie ist zunächst als Herausbildung einer Methodenlehre eine systematische Betrachtung der Ingenieuraufgaben, sodann ist sie aber auch eine Brücke zur Darstellung der Gesellschaftsbezogenheit von Technik, da im Systembegriff durch die darin ausgesprochenen Bezüge der technischen Funktionen eben immer schon der Verflechtungsaspekt von Technik mit angesprochen ist. Technik in ihrer Systemhaftigkeit betrachtet lässt sich nun gemäß den verschiedenen Perspektiven und Dimensionen in drei Systeme unterteilen, die selbstverständlich als Perspektiven und Dimensionen nicht voneinander zu trennen sind, sondern zusammenwirken: 1. Sachsysteme - sie bilden den Inhalt der Ingenieuraufgaben; 2. Handlungssysteme - sie beziehen sich auf die Ingenieurtätigkeit; 3. Zielsysteme - diese entstehen zum Teil aus dem Handlungssystem selbst, zum Teil aus der Umgebung.84 Ropohls Systembegriff85 ist gekennzeichnet durch eine Grenze, die die Umgebung anzeigt. Dabei wird aber die Umgebung immer in die Betrachtung mit einbezogen. Jedes System zeigt gegenüber der Umgebung gewisse Kennzeichen, Merkmale, Attribute. Dazu gehört auch die Verbindung zwischen System und Umgebung. Durch InBeziehung-Setzung solcher Attribute, also dadurch, dass man einem Wert des einen Attributs einen bestimmten Wert des anderen Attributs zuordnet, erhält man - in Anlehnung an die Mathematik - die Funktion des Systems. Die Menge der Attribute und die Menge der Funktionen kennzeichnen somit den funktionalen Aspekt eines Systems. Bis hierher handelt es sich um Merkmale der Außenseite des Systems, also diejenigen Merkmale, die in Beziehung zur Umgebung zu setzen sind. Innerhalb des Systems findet eine Untergliederung in Subsysteme statt, und zwar in wohlgeordneter Form. Dabei ist das System eben gerade dadurch gekennzeichnet, dass die Subsysteme in Relation zueinander stehen. Diese Relationen der Subsysteme bilden die Struktur eines Systems. Durch den strukturalen Aspekt des Systems wird nach Ropohl auch deutlich, warum in einem System das Ganze immer mehr ist als die Summe seiner Teile. Dieses Mehr besteht nämlich genau in den Relationen zwischen den Teilen, also zwischen den Subsystemen. Die Relationen verleihen dem System eine zusätzliche Qualität, die nicht auf seine Subsysteme zurückgeführt werden kann.86 Damit hat Ropohl ein Systemverständnis, das von einer fest umrissenen Gestalt und Zuordnung von System und Umgebung ausgeht. System und Umgebung sind nicht nur perspektivisch unterschieden, sondern durch einen

84 85 86

Vgl. Ropohl, Systemtechnik, 32f. Vgl. Ropohl, ebd., 25ff. Vgl. Ropohl, ebd., 28.

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Beziehungsaspekt miteinander verbunden. So wirkt sich eine bestimmte Fragestellung, die sich an das System richtet, auf die Bestimmung der Umgebung aus. Die Eingrenzung der Umgebung hängt vom Untersuchungszweck ab.87 Es wird noch gezeigt werden, dass sich dieses System-Umgebungs-Verständnis entscheidend von den soziologischen Verständnissen des Verhältnisses von System und Umgebung, insbesondere demjenigen Luhmanns, unterscheidet. Dort ist zwar das System auch durch eine Abgrenzung von der Umgebung, der „Umwelt", gekennzeichnet, „Umwelt" ist dabei aber gerade als das charakterisiert, was sich durch ein Übermaß an Komplexität der Betrachtung entzieht. Umwelt ist gerade das, was aus der Aufmerksamkeit ausgegrenzt wird. Wahrnehmung impliziert eine Komplexitätsreduktion. Diese bezeichnet das System. Durch diese je und je unterschiedliche Reduktion wird je und je unterschiedlich ausgegrenzt. Da Umwelt also gerade das durch Wahrnehmung Ausgegrenzte ist, kann sie nicht genauso wie das System eingegrenzt und einer Beobachtung unterzogen werden. Jede Beobachtung erforderte Eingrenzung bzw. Eingrenzung als Ausgrenzung, und genau das kennzeichnete eben wieder das System. Bei Ropohls Systemverständnis hingegen kann auch die Umgebung konkret in Blick genommen werden. Ropohls neues Technikverständnis wird vom Systemdenken dominiert. Dabei kommt in diesem Systemdenken bereits eine gewisse Relativierung des Handlungsbezugs von Technik zum Vorschein. Ropohl vermerkt zwar den inhärenten Handlungsbezug in seinem Technikverständnis, dennoch ist er nicht als solcher thematisch, weil er Handlungen nicht auf die handelnden Individuen als solche zurückbezieht, sondern sogleich das System in den Vordergrund stellt. Sachsysteme versteht Ropohl als die Gesamtheit aller technischen Hervorbringungen. Sie sind konkrete Systeme, künstlich und zweckorientiert, offen und dynamisch.88 In einem Handlungssystem wird gemäß einem Zielsystem ein Sachsystem verwirklicht. Ein Handlungssystem ist demnach zugleich der handelnde Mensch und die verwendeten Aggregate. Ein Handlungssystem ist also ein Mensch-Maschine-System oder mit anderen Worten ein sozio-technisches System. Bei der Thematisierung des Handlungssystems geht es ihm nicht um die Erläuterung handlungstheoretischer Bezüge individueller menschlicher Autoren, sondern um die Hervorhebung des Systemcharakters auch von Handlungen: „... ein Handlungssystem ist nicht etwa ein System von Handlungen, sondern ein System, das handelt."89 Dabei möchte er erstens betonen, dass nicht ein einzelner Mensch, sondern eine Anzahl, Gruppen von Menschen zusammenwirken, und besonders zweitens, dass neben Personen auch technische Einrichtungen wesentliche Teile von Handlungsvollzügen übernehmen können.

87

Vgl. Ropohl, ebd., 1.

88 89

Vgl. Ropohl, ebd., 34f. Vgl. Ropohl, Zur Kritik des technologischen Determinismus, 7.

70

Das Technikethikverständnis von Günter Ropohl

„Sowohl menschliche Handlungssysteme als auch Sachsysteme haben sich als empirische Interpretationen des abstrakten Handlungsmodells erwiesen. Zugleich hat sich aber gezeigt, daß diese beiden Systemtypen sehr viel mehr miteinander zu tun haben, als lediglich das gleiche Modellschema zu teilen. Soziale Handlungssysteme existieren als eigene Realität ganz wesentlich in den Sachsystemen und durch die Sachsysteme, insofern sich darin gesellschaftliches Wissen und gesellschaftliche Normen verkörpern. Sachsysteme wiederum verdanken ihre Konzeption und Verwendungsfähigkeit der Segregation von Handlungsfunktionen"90. Mit dieser Abhebung auf den Systemcharakter des Handelns möchte Ropohl darauf aufmerksam machen, dass das Handeln in unserer Industriegesellschaft durchweg eine technische Note hat, nicht nur bei der Herstellung technischer Artefakte, da die Sachsysteme, derer sich das Handeln bedient, die Handlungsvollzüge affizieren. In diesen Sachsystemen aber sei geronnenes technisches Wissen und Können präsent. Diese Sachsysteme seien geronnenes Handeln.91 Zudem stammten diese ,ja in aller Regel nicht vom jeweils handelnden Individuum, sondern sind gesellschaftlicher Herkunft, und so ist auch noch die privateste Handlung den kollektiven Regeln der Technik verpflichtet."92 Vor allem die Technologie enthüllt, „daß menschliches Handeln ohne die sächlichen Artefakte weithin überhaupt nicht mehr vorstellbar ist."93 Damit gelangt Ropohl zum Modell des „soziotechnischen Systems". Dieses ist als Handlungssystem bestimmt, „indem personale und soziale Funktionsträger mit Sachsystemen aggregiert sind."94 Dadurch, dass bereits das Individuum als soziotechnisches System betrachtet werden kann95, bahnt sich im soziotechnischen System eine Einebnung des Personalen in das Soziale an. Ebenfalls zeigt sich aber auch eine Substitutionsmöglichkeit des Gesellschaftlichen durch die Sachen, indem die „sächlichen Artefakte" technisches Wissen und Können präsentieren.96 Durch die Verlagerung von Handlungsfunktionen auf Sachsysteme, die de facto Handeln kennzeichnen, werde „die Vorstellung vom allein handelnden Menschen zur Fiktion; was nun handelt und arbeitet, ist ein Aggregat von Mensch und Maschine, eben ein soziotechnisches Handlungssystem"97. Durch die systemtheoretische Fundierung der Beziehung von Technik zur Gesellschaft droht bei Ropohl die individuelle Bindung des Handelns verdrängt zu werden. Zwar enthalte alle Gestaltung und Nutzung von Technik „einen

90 91 92 93 94 95 96 97

Vgl. Ropohl, Systemtheorie, 180. Vgl. Ropohl, Die technischen Grundlagen, 560. Vgl. Ropohl, ebd., 560. Ropohl, ebd., 197. Ropohl, ebd., 197. Vgl. Ropohl, ebd., 562. Vgl. Ropohl, Systemtheorie, 197f. Vgl. Ropohl, Die technischen Grundlagen, 559.

Technik im Horizont der Frage nach dem Menschen

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Kern individuellen Handelns, aber dieser Kern ist umfangen von der Schale sozio-technischer Emergenz"98. In einen solchen Kern eingeschlossen kann er m.E. dann aber auch nicht mehr als Faktor von gesellschaftstheoretischer Relevanz zur Geltung gebracht werden. Dieselbe maschinell-technische Anonymität wie die der in den soziotechnischen Kern der Gesellschaft eingeschlossenen Handelnden gilt dementsprechend auch für die Handlungsziele. Zielsysteme sind bei Ropohl abstrakte Systeme. Sie sind künstlich und lassen sich nicht von Einzelnen konstruieren, sondern bedürfen der Anerkennung und Legitimation, um Geltung zu gewinnen. Es sind dynamische Systeme. Zielsysteme sind die Grundlage von Bewertungs-, Auswahl und Entscheidungsprozessen in der Systemtechnik99, wobei die Ziele sich auch an den durch die Sachsysteme gegebenen Möglichkeiten orientieren. Es besteht also eine Wechselwirkung zwischen Handlungs- und Zielsystem.100 Ropohl unterscheidet folgende Arten von Zielen: Technische Ziele der Perfektion, Präzision, Nützlichkeit; wirtschaftliche Ziele, dann aber auch metaökonomische Ziele, die der Lebensqualität dienen.101 Ropohl hält an der Bedeutung solcher Zielsetzung gegen die sogenannte Sachzwanghypothese fest. Allerdings möchte er solche Zielsetzungen durch rationale Methoden handhabbar gemacht wissen. So gehöre es gerade „zu den besonderen Leistungen der Systemtechnik, die Wechselwirkung zwischen Zielsetzung und Erkenntnis, zwischen Wollen und Können in methodischen Prozeduren und kommunikativen Organisationsformen zu berücksichtigen"102. Hier zeigt sich, dass das Systemdenken Ropohls Wunsch nach rationaler Methodisierung nicht nur der technischen Verfahren und Handlungen, sondern auch der darüber hinausgehenden ethischen Handlungen dienen soll, wenn anders etwa die Fragen nach der Lebensqualität unter den Bereich der ethischen Fragen zu rechnen wären. Wenn mit solchen metaökonomischen Zielen der Frage nach Lebensqualität allerdings ethische Ziele in dem hier vertretenen Sinne und nicht doch wieder technische oder wirtschaftliche Ziele angesprochen sein sollen, dann ist zu fragen, ob solche Ziele rational zu erstellen und mit rationalen Methoden zu überprüfen sind.103 Für Ropohl ergeben sich solche Überlegungen vermutlich aus dem Gedanken der Allgemeinheit der Systemtheorie. Dies theoretisch zu durchdenken erfordert, wie schon erwähnt, Interdisziplinarität. Mittels der Allgemeinheit der Systemtheorie meint Ropohl denn auch, die für die theoretische Bewältigung der gesellschaftlichen Verflochtenheit von

98 99 100 101 102 103

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Ropohl, Ethik und Technikbewertung, 13. Ropohl, Systemtechnik, 66. Ropohl, ebd., 67. Ropohl, ebd., 61 ff. Ropohl, ebd., 67. u. Kap. IV.3.1.2. (S. 112ff.).

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Das Technikethikverständnis von Günter Ropohl

Technik notwendige Interdisziplinarität etablieren zu können.104 Bemerkenswert ist hierbei nun, dass Ropohl die Allgemeinheit der Systemtheorie perspektivisch versteht. „Selbst wenn die allgemeine Systemtheorie den Anspruch erhebt, ihre Vorstellung auf jeden beliebigen Gegenstand des Denkens und der Anschauung anwenden zu können, wird der Systembegriff dadurch doch nicht, weil allumfassend, völlig inhaltsleer; sein spezifischer Inhalt besteht vielmehr in der besonderen Perspektive."105 Allgemeinheit und Perspektivität werden in der Regel als Gegensätze gesehen. Versteht Ropohl die Perspektive hier in einer die gängige Sichtweise überbietenden Weise? Ropohl sieht in der Perspektivität das Grundmerkmal gerade auch des allgemeinen Systembegriffs. Perspektivität sei genau sein Inhalt. Die Perspektivität bestehe darin, dass allen betroffenen Erkenntnisgegenständen durch das System, wie oben gesagt, eine Umgebung, eine Funktion und eine Struktur zugesprochen werde. Diese Koordinaten des Systems bilden also seine je eigene Perspektive, in der die beliebigen Gegenstände dargestellt werden.106 Damit besteht die Allgemeinheit des Systems tatsächlich darin, dass es die prinzipielle Perspektivität aller durch das System bestimmten Inhalte bezeichnet. Welche Konsequenz sich daraus ergeben könnte, wird noch zu erörtern sein.107 4. Ropohls Handlungsverständnis Es wurde schon verschiedentlich auf die Handlungsbezogenheit von Ropohls Systemverständnis hingewiesen. Konsequent aus der Sache heraus wäre es, das Handlungsverständnis dem Technik- und Systemverständnis voranzustellen. Nun stellt Ropohl zwar immer wieder handlungstheoretische Überlegungen an,

104 In diesem Sinne wurde Bedeutung, Sinn und Aufgabe einer allgemeinen Systemtheorie, wie sie Ropohl als Grundlage für eine Allgemeine Technologie entwickeln möchte, von Bertalanffy bereits in den dreißiger Jahren umrissen: „Es gibt Modelle, Prinzipien und Gesetze, die für allgemeine Systeme oder Unterklassen von solchen gelten, unabhängig von der besonderen Art der Systeme, der Natur ihrer Komponenten und der Beziehungen oder Kräfte zwischen diesen. Die Allgemeine Systemtheorie ist ein logisch-mathematisches Gebiet, dessen Aufgabe die Formulierung und Ableitung jener allgemeinen Prinzipien ist, die für Systeme schlechthin gelten. Auf diesem Wege sind exakte Formulierungen von Systemeigenschaften möglich, wie zum Beispiel Ganzheit und Summe, Differenzierung, progressive Mechanisierung, Zentralisierung, hierarchische Ordnung, Finalität und Äquifinalität und so fort; das heißt Charakteristiken, die in allen Wissenschaften vorkommen, die sich mit Systemen beschäftigen und so deren logische Homologie bedingen" (Bertalanffy, Vorläufer ...,21). 105 Vgl. Ropohl, Systemtheorie, 88. 106 Vgl. Ropohl, ebd. 107 S.u. Kap. III (s! 95ff.).

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aber er bindet sie ein in die Feststellung eines handlungstheoretischen Defizits, das seinerseits nun gerade darin bestehe, dass man Handeln am Individuum orientiere: „Bei allem theoretischen Pluralismus ist doch den meisten moralphilosophischen Konzeptionen eines gemeinsam: ihre Defizite. Damit will ich mich in diesem Kapitel vor allem befassen, weil diese Defizite gerade bei der Analyse technischen Handelns besonders deutlich in Erscheinung treten. Der technikethische Diskurs ist nämlich - wie die herrschenden Strömungen der neuzeitlichen Moralphilosophie überhaupt - durch ein individualistischdeterministisches Paradigma geprägt: Es ist immer nur der einzelne Mensch der handelt; sein Handeln betrifft unmittelbar andere einzelne Menschen; und die Handlungsfolgen ergeben sich zwangsläufig aus der Handlung selbst und können daher dem Handelnden eindeutig zugeschrieben werden. Alle diese handlungstheoretischen Voraussetzungen aber treffen bei technischem Handeln im Allgemeinen gar nicht zu; technisches Handeln nämlich ist wesentlich intermediär, korporativ und kollektiv, also vielmehr soziales denn individuelles Handeln."108 Die herrschende Moralphilosophie ist demnach defizitär, weil sie Schwierigkeiten hat, den Besonderheiten korporativen Handelns gerecht zu werden. Wohl werden die soziotechnologischen Prämissen anerkannt, denen zufolge technisches Handeln Systemcharakter habe. „Schwer tut sich die Ethik jedoch immer noch mit der Folgerung, dass dieser Sachverhalt die Entpersonalisierung der Verantwortung impliziere."109 Demnach zeigt sich die Verantwortung bei Ropohl dezidiert, wie von der Bezeichnung des Menschen als soziotechnischem System her schon zu erwarten war, nicht an das Individuum gebunden. Dies ist deshalb möglich, weil offenbar auch Handeln „entpersonalisiert" werden kann. „Ob >die moralische Verantwortung von Korporationen (...) verschieden von der personalen moralischen Verantwortungverbale Ethikgesäusel verdeckt nur das ProblemKulturdas auf uns zukommtVerantwortung< stellt die sprachlich reflexive Stufe des bloßen Faktums der Relationalität dar."179 Verantwortung bezeichnet nach ihm das relationale Geflecht von Mensch - Technik - Natur und Kultur, wobei Kultur ihrerseits das Geflecht von Mensch Technik - Natur selbst ist. Diese seien insofern nur scheinbar feste Begriffe. „Zur Verantwortung gehört mithin wesentlich die graduell zu unterscheidende reflexive Form der faktischen Abhängigkeit von Seiendem untereinander. Dabei bleibt auch die inhaltliche Füllung des Begriffs Verantwortung historisch kontingent."180 Ebenso kontingent seien dabei die „historisch unterschiedlichen Formen der Rechtfertigung gegenüber moralischen Ansprüchen."181 Dabei ist Verantwortung nach Zimmerli eine mindestens dreistellige Relation. „Jemand (Verantwortungssubjekt) ist für etwas oder jemanden (Verantwortungsbereich) einer Person oder Instanz gegenüber (Verantwortungsinstanz) verantwortlich.182 „Alle drei Relationen seien aber heute problematisch geworden. Nun zeige sich diese Komplizierung zunächst bezüglich der Frage nach der Verantwortungsinstanz. Stand für den mittelalterlichen Menschen fest, dass letztlich die Verantwortungsinstanz Gott sei, breite sich seit der Neuzeit hier Unsicherheit aus, und die vergangenen Jahrhunderte seien dadurch gekennzeichnet, die

179 Zimmerli, ebd., 99. 180 Zimmerli, ebd., 100. 181 Zimmerli, ebd., 100. 182 Vgl. i.flgd. Zimmerli, ebd., 102.

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Das Technikethikverständnis von Walter Christoph Zimmerli

Ethik auf nichtreligiöse Weise zu begründen. Der Grundideologie der Zeit entsprechend verlagere sich, was als letzte zuständige Instanz anzusehen sei. Die gegenwärtige Situation zeigt nach Zimmerli eine in diesem Maße zuvor nicht gekannte Ausweitung der vorgestellten Instanz: „An die Stelle Gottes tritt und dies ist, was Säkularisierung genannt worden ist - das menschlichweltliche Ich und seit der Aufklärung die Gesamtheit aller gleichzeitig lebenden mündigen, d.h. verantwortungsfähigen Menschen, in jüngster Zeit aber zusätzlich auch die zukünftig lebenden Generationen... und für einige sogar noch die außermenschliche Natur."183 Zusätzlich zur Komplexität des Gegenstandsbereichs und damit zusammenhängend der Unübersichtlichkeit bezüglich der Zurechnung der Verantwortung, steigt nach Zimmerli die Weite des Verantwortungsmaßes. Denn jede Implementierung einer neuen Technik führe zu Zuwachs an Handlungsmacht und damit wiederum an Verantwortung.184 In diesem Zusammenhang des Zuwachses der Handlungsmacht stößt man nun auf das bereits ausgeführte Problem, dass sowohl das Modell der linearen Prognostizierbarkeit als auch das Verursachermodell des linearen kausalen Naturdenkens nicht mehr genügen. Genau diesem Modell verdanke sich aber das klassische Handlungsmodell der traditionellen Ethik. Nach diesem wären folgende Bedingungen zu erfüllen, wenn von moralischer Zurechenbarkeit die Rede sein soll. Man brauche: a) ein vorgestelltes Handlungsziel, b) für zur Erreichung des Handlungsziels geeignet gehaltene, verfügbare Handlungsmittel, c) die Fähigkeit zur Kontrolle der Zieladäquatheit der eingesetzten Mittelhandlungen sowie d) die Fähigkeit zur Ausführung von Korrekturhandlungen.185 Diesen Bedingungen könne man im technologischen Zeitalter kaum mehr gerecht werden. Dies betrifft vor allem die Punkte b, c und d. So können die für bestimmte Handlungsziele benötigten Handlungsmittel, etwa die Forschung an Embryonen zwecks gentechnologischer Entwicklung medizinischer Kapazitäten, nicht mehr zugelassen werden. Ebenfalls können bestimmte Korrekturhandlungen nicht mehr vorgenommen werden, da die potentiellen Nebenfolgen, etwa bei der Kerntechnik oder der Gentechnologie, ein Ausmaß angenommen haben, das solche Korrekturhandlungen ausschließt. Diese Beschreibungen sprengen das herkömmliche Handlungsmodell der Ethik aufgrund des 183 Zimmerli, Können oder dürfen, 109. 184 Vgl. Zimmerli, ebd., 110; ders., Technologisches Zeitalter und Ethik, in: H.-G. Gadamer u.a., Sprache und Ethik im technologischen Zeitalter, Bamberg 1991, 39-64 (abgekürzt i.flgd.: Zimmerli, Sprache und Ethik im technologischen Zeitalter), 47; ders., Mut zur Furcht, in: ders., Technologie als Kultur, 51-69 (abgekürzt i.flgd.: Zimmerli, Mut zur Furcht), 66. 185 Vgl. W.Ch. Zimmerli, Verantwortung des Individuums. Basis einer Ethik von Technik und Wissenschaft, in: H. Lenk/M. Maring (Hrsg.), Technikverantwortung, Frankfurt a.M., 1991, 79-89 (abgekürzt i.flgd.: Zimmerli, Verantwortung des Individuums), 84.

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Inhalts des Verantwortungsgegenstandes. Problematisch erscheint Zimmerli jedoch zunächst das herkömmliche Verantwortungsmodell aufgrund der Problematik der Berechenbarkeit von Folgen und individueller Handlungszuschreibungen. Wie geht Zimmerli mit diesem Problem um? Er analysiert und problematisiert den herkömmlichen Begriff individueller Verantwortung. 2.3.2. Die Problematisierung der individuellen Verantwortung Will man unter diesen Bedingungen der Komplexität des Verantwortungsbereichs und des enormen Zuwachses an Handlungsmacht an so etwas wie moralischer Verantwortung festhalten, ergibt sich nach Zimmerli die scheinbar paradoxe Situation, dass Handelnde moralisch für Folgen verantwortlich gemacht werden, die sie nicht allein verursacht und nicht vorhergesehen haben und teilweise gar nicht vorhersehen konnten.186 Damit werde die Zuschreibung der Verantwortung zunehmend fragwürdig. Den handelnden Individuen fehle mehr und mehr die Kompetenz, als Handlungssubjekte zu fungieren, da sie in großen Handlungsmaschinerien eingebunden sind. Zum anderen seien sie auch aus prinzipiellen Gründen als Individuen überfordert, kausale Verantwortung zu übernehmen, da die Transparenz des Handelns und damit die Möglichkeit zu Rückkopplungen und Korrekturhandlungen fehle. An dieser Stelle ist nun in der Regel der Punkt erreicht, an dem Stimmen laut werden für eine grundlegende Veränderung des Verantwortungskonzepts in Richtung auf institutionelle Verantwortung. Diesem Vorschlag gegenüber bleibt Zimmerli allerdings zurückhaltend. Er selbst schlägt eine andere Lösung vor, nämlich eine Erweiterung des Verantwortungssubjekts.187 Diese Erweiterung kann nun offensichtlich nicht eine Erweiterung in Richtung auf Institutionalisierung meinen. Denn Zimmerli möchte an der individuellen Verantwortung festhalten, auch wenn die Zurechnung nicht mehr linear erfolgen kann. Was kann man sich dann unter „Erweiterung" vorstellen? Die Erweiterung besteht zunächst in einer Trennung und erst dann in einer Ausweitung. Die Trennung besteht in der Trennung von Handlungs- und Verantwortungssubjekt. Demnach scheint ein Individuum offensichtlich nicht nur für Handlungen verantwortlich gemacht werden zu können. Das wird gleich deutlich im Blick auf das Ausdehnungsfeld. Die Ausdehnung der Verantwortung besteht nämlich darin, dass sie sich auf Bereiche bezieht, die nicht vom Handelnden selbst verursacht worden sind. Demnach soll tatsächlich der Bereich der Verantwortung denjenigen der Handlungen übersteigen. Mit dieser Erweiterung bereichert Zimmerli die Verantwortungsdiskussion um eine bedenkenswerte Pointe:

186 Vgl. Zimmerli, Können oder dürfen, 110. 187 Vgl. Zimmerli, Wandelt..., 99ff.

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Das Technikethikverständnis von Walter Christoph Zimmerli

„Wenn auf der Stufe der reflexiven Wende das menschliche Individuum nicht nur nicht mehr mit dem Handlungssubjekt identisch ist, sondern auch weiß, dass die Handlungssubjekte nicht es selbst, sondern die individuenübergreifenden Teams, Gruppen, Kollektive und Großkonzerne sind, dann treten Handlungssubjekt und Verantwortungssubjekt auseinander."188 Mit der Verlagerung der Handlungssubjekte erweitert sich also der Handlungsbereich. Es verlagert sich aber nicht das Verantwortungssubjekt. Dieses bleibt weiterhin das Individuum.189 Zimmerli kennzeichnet diesen Sachverhalt, also das Wissen um die Problematik der Verantwortungszuschreibung, als reflexive Wende.190 Reflexive Wende meint ein erneutes Zurückgehen auf die Ich-Fundiertheit von Wissenschaft und Technik.191 Die hohe Komplexität der technologischen Systeme scheine nicht durchzuschlagen auf die Entscheidungssituation der Betroffenen selbst. Hier müsse noch immer aufgrund der Alternative Ja/Nein eine Entscheidung gefällt werden. Es kennzeichne „die Entscheidungsverantwortlichkeit des Menschen in Grenzsituationen, die sich nur noch durch unmittelbare existentielle Betroffenheit und nicht mehr durch mannigfach objektiviertes zweckrationales Abwägen erklären und rechtfertigen lassen"192. Damit wird über den Verantwortungsbereich offensichtlich durch die unmittelbare existentielle Betroffenheit entschieden. Die existentielle Betroffenheit scheint bei Zimmerli Kriterium der Verantwortungsfahigkeit zu sein. Zimmerli lässt sich damit von den gängigen Ausflüchten ins Institutionelle nicht beirren. „Daraus, dass das Handlungssubjekt im technologischen Zeitalter im Regelfalle nicht mehr das Individuum ist, folgt gerade nicht, dass dieses deswegen aus der Verantwortung entlassen wäre, vielmehr gilt - allen institutionstheoretischen Ausflüchten zum Trotz - , dass ,sensu stricto' nur individuelle Menschen Verantwortungssubjekte sind, weil nur individuelle Menschen Verantwortungsgefühl entwickeln können."193 Mit dieser Wende zum Gefühl ist zwar klar, warum Zimmerli die Verantwortung an das Individuum bindet, aber nicht, in welches Verhältnis denn nun Handlung und Verantwortung zu setzen sind. Von Verantwortung lässt sich schließlich nur reden, wenn Bezug genommen wird auf Entscheidungen in Handlungssituationen. Es müsste also angeführt werden, wie sich eine solchermaßen ausgeweitete Verantwortung faktisch vollzieht. Zimmerli beschreibt zwar Konsequenzen, die diese Aufteilung von Verantwortungs- und Hand-

188 189 190 191 192 193

Zimmerli, ebd., 110; ders., Wandelt..., 106. Vgl. Zimmerli, Können oder dürfen, 110. Vgl. Zimmerli, Prognose und Wert, 147. Vgl. Zimmerli, ebd., 151. Vgl. Zimmerli, ebd., 151; ders., Lob des ungenauen Denkens, 1148. Vgl. Zimmerli, Verantwortung des Individuums, 86.

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lungssubjekt für die Beziehung des Verantwortungssubjekts zum Verantwortungsbereich als auch zur Verantwortungsinstanz hat. Der Verantwortungsvollzug aber bleibt, so wie ich es sehe, gegenüber dem Handlungsprozess im Dunkeln. So erstrecke sich der Verantwortungsbereich nicht mehr nur auf interne, sondern auch auf externe Verantwortung.194 Zu diesem Bereich zählt Zimmerli mögliche Risiken der Anwendung von Techniken, wobei diese sich nicht nur auf die Intaktheit des technischen Produktes bezögen, sondern auch auf unerwartete Folgen, mit denen man nicht gerechnet hat oder rechnen konnte.195 Bezüglich der Verantwortungsinstanz beschreibt er die sich aus der Trennung von Handlungs- und Verantwortungssubjekten ergebende Ausdifferenzierung verschiedener Verantwortungsinstanzen.196 So existiere neben der Instanz des Auftraggebers die abstrakt-externe Verantwortungsinstanz aller Vernunftwesen, die Öffentlichkeit, und so existiert zusätzlich zur berufsständisch-internen Verantwortung umgekehrt auch die Verantwortungsinstanz der Gruppe der potentiell durch die Nebenfolgen Geschädigten.197 Zimmerli veranschaulicht zwar die Bedeutung der Motivation fiir die Verantwortung, indem er die „unmittelbare existentielle Betroffenheit" und das Verantwortungsgefühl an dieser Stelle thematisiert.198 Er beschreibt aber nicht die Rolle des Gefühls im Handlungsprozess. Nun habe ich bereits darauf hingewiesen, dass in diesem Zusammenhang immer wieder der Begriff „reflexive Wende"199 fällt. Dieser Begriff kann verdeutlichen, dass sich nicht das Paradigma von Ethik verändert, sondern dass eine Bewusstmachung über die eigentliche Funktionsweise ethischen Verhaltens stattgefunden hat. So handelt es sich bei der „Ich-Fundiertheit" von Wissenschaft offensichtlich nicht um eine neue Konstellation, sondern um die Entdeckung, dass zweckrationales Abwägen allein nicht genügt. Damit wird im bewussten Einspielen der unmittelbaren existentiellen Betroffenheit jetzt deutlich werden, dass die Reduktion auf das zweckrationale Abwägen immer eine Verstellung der eigentlichen Abläufe im Verantwortungsprozess war. Mittels der reflexiven Wende folgt für Zimmerli eine entscheidende Neuerung. Während das traditionelle Handlungskonzept ein Individuum nur für die Folgen verantwortlich sein ließ, um die es wusste oder wissen konnte, und zwar von Handlungen, die es selbst verursacht hat, beginne sich nun, durch die

194 195 196 197 198 199

Vgl. Zimmerli, Können oder dürfen, 108ff. Vgl. Zimmerli, ebd., 111. Vgl. Zimmerli, ebd., 111. Vgl. Zimmerli, ebd., 111. Vgl. Zimmerli, ebd., 112. Vgl. Zimmerli, Prognose und Wert, 147; ders., Von Kernenergie und menschlicher Verantwortung am Ende des Wachstumsdenkens, in: ders. (Hrsg.), Kernenergie - wozu?, 1978, 122-140, 124ff.

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Trennung von Handlungssubjekt und Verantwortungssubjekt und die Ausdehnung der Verantwortung auf den Bereich der Haftung, auf der Stufe der reflexiven Wende des technologischen Zeitalters die Differenz zwischen moralischer und rechtlicher Verantwortung immer stärker zu minimieren. „Es sieht fast so aus, als fielen Recht und Moral, Haftbarkeit und Verantwortung zusammen."200 Auf den ersten Blick kommt dies nun überraschend, und man ahnt schon wieder Auflösungsversuche der Differenz von Moral und Recht. Allerdings wäre mit solchen Versuchen kaum vereinbar, dass dann der Umweg über die Bindung der Verantwortung an das Gefühl und die existentielle Betroffenheit gewählt würde. Der erste Blick muss also trügen, und so ist es denn auch. Bei Zimmerli wird nämlich nicht die Moral unter das Recht subsumiert, sondern gerade umgekehrt. Der Begriff der Verantwortung wird ja erweitert, indem das, was bisher als Haftung bezeichnet wurde, mit in den Bereich der subjektiven Verantwortung fällt. Damit kann es sich also nicht um eine Auflösung von Moral in Recht handeln. Vielmehr wird quasi umgekehrt nun das Recht im Sinne der Haftung durch Moral umfasst. Genau dies soll ja durch eine Ausweitung des Verantwortungsgefühls mittels Erziehung erreicht werden. „Eine der Aufgaben zukünftiger ethischer Erziehung wäre es also, die objektiv zu konstatierende Beziehung der Haftbarkeit zu einer subjektiv gefühlten Beziehung gefühlter Verantwortung umzuwandeln."201 Damit schwebt Zimmerli, wenn ich es recht sehe, nicht eine Verrechtlichung, sondern eine Moralisierung der Gesellschaft vor. Hier schließt sich dann aber massiv die Frage nach der Leitfunktion von Wertvorstellungen an, an denen sich eine solche Erziehung zur Moral orientieren könnte: Welche Funktion haben bei Zimmerli die Werte und noch wichtiger, worauf gründen sie, und wie werden sie vermittelt? In diesem Zusammenhang stellt sich dann überhaupt die Begründungsfrage von Ethik.

2.4. Die anthropologische Begründung von Verantwortung Obwohl der hohe Komplexitätsgrad der zu verantwortenden technischen bzw. technologischen Entwicklungen vielerorts zur Forderung oder Anempfehlung einer Institutionenethik führt, bleibt Zimmerli entschiedener Verfechter der individuellen Verantwortung. Das Festhalten an oder das Preisgeben einer individuellen Verantwortung hat aber in letzter Konsequenz anthropologischen Stellenwert. An ihm entscheidet sich nämlich das Freiheitsverständnis von Menschsein.

200 Vgl. Zimmerli, Können oder dürfen, 111. 201 Vgl. Zimmerli, ebd., 112.

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Die abendländische Tradition sieht den Menschen als Cüov Xoyov exov, als vernunftbegabtes, freies, entscheidungsfähiges Wesen. Diese Tradition wird hin und wieder in Frage gestellt, sei es von der Evolutionstheorie, der Psychologie, sei es durch bestimmte Formen der Technokratie oder neuerdings auch durch sich entwickelnde Fähigkeiten der Computertechnologie, der „Künstlichen Intelligenz". Mit der Annahme, dass der Mensch ein vernunftbegabtes, freies, entscheidungsfähiges Wesen ist, steht und fallt aber der Sinn, sich über Ethik und Verantwortung Gedanken zu machen. Die Freiheit des Menschen muss so beschrieben und verstanden sein, dass sie sich als unangreifbar erweist gegenüber zynischen Behauptungen der Affenabstammung oder der Mediokritätsbehauptung gegenüber zukünftigen Künstlichen Intelligenzen. Welchen Lösungsvorschlag bietet Zimmerli für das Freiheitsverständnis von Menschsein an? 2.4.1. Das Freiheitsverständnis Zimmerli hält an der Freiheit des Menschen fest. Der Mensch ist nach Zimmerli ein autonomes Wesen. Er könne sich zwar nicht für oder gegen Technik entscheiden. Er könne aber aus einem Alternativenangebot auswählen und sich dafür entscheiden, wo er Grenzen setzen will.202 Bezüglich dieser Fähigkeiten der Freiheitswahrnehmung braucht der Mensch keine Konkurrenz zu furchten, auch nicht eine etwaige Überlegenheit künstlicher Intelligenz. Die Computer haben zwar eine Kapazität entwickelt, die menschliche Kontrollfähigkeiten übersteigt - gleichwohl bleibe der Mensch in der Lage, Hilfskontrollen als Ersatz für menschliche Kompetenz zu entwickeln.203 Nun gibt es bekanntlich unterschiedliche Arten der Qualifizierung von Freiheit. Aber Zimmerli definiert ausgerechnet Technik als die Realisierungsform menschlicher Freiheit.204 Wie ist das zu verstehen? Ist darunter eine technische Freiheit im Sinne Ropohls zu verstehen, eine solche Freiheit, die in der technischen Begabung des Menschen die höchste Ausdrucksform von Freiheit versteht, oder ist bei Zimmerli die Technik nur Instrument, nur Hilfsmittel, um Freiheit verwirklichen zu können? Zimmerli ordnet offensichtlich die menschliche Freiheit als bedingte Freiheit ein, denn sie zeichne sich in erster Linie durch ihre Ordnungs- und Orientierungsfunktion aus, also als eine gestaltende Fähigkeit in einem Bereich von Vorgegebenem. So gehört etwa das von ihm so genannte „ungenaue", „kreative", „abschätzende", „abwägende" Denken in den Bereich der menschlichen Freiheit. Nach Zimmerli handelt es sich bei diesen Operationen um die menschliche Fähigkeit schlechthin, wenn anders der 202 Vgl. Zimmerli, Mensch, Gesellschaft, zukünftige Technologien, 97. 203 Vgl. Zimmerli, ebd., 96. 204 Vgl. Zimmerli, Mut zur Furcht, 60.

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Mensch sich durch selbstbewusste Kommunikation und Information auszeichne. Das kreative, ungenaue, abwägende Denken sei nämlich genau die Fähigkeit, die zur Informationsgenese dazugehört, und über die verfuge der Mensch, nicht aber der Computer.205 So ist diese Fähigkeit für Zimmerli die Auszeichnung des Menschen und die Bedingung der Möglichkeit menschlichen Freiheitsgebrauchs. Denn durch das Abschätzen sei es dem Menschen zuallererst möglich, aus einem Alternativenangebot von Technologien auszuwählen und in einem Bereich von Vorgegebenem willentlich zu steuern.206 Aufgabe der Freiheit scheint es also zu sein, Steuerungsfunktion wahrzunehmen. Wer aber steuern will, muss sich orientieren können, bedarf also eines Maßstabes. In der gegenwärtigen technikethischen Diskussion wird in der Regel der rationale Minimalkonsens angeführt, an verschiedenen Stellen auch bei Zimmerli.207 Jedoch finden sich bei ihm vielfaltige andere Aussagen, die nicht mit einem rationalen Minimalkonsens zusammenpassen wollen, etwa diejenige vom „Mut zur Furcht"208. Beide Begriffe, Mut und Furcht, sind, wie insbesondere an dem Begriff „Mut" einsichtig wird, Begriffe menschlicher Freiheit. Wenn aber nach Zimmerli Technik die „Realisierungsform menschlicher Freiheit", die „Natur des menschlichen Geistes"209 ist, wie lassen sich dann solche Begriffe einordnen? Mit ihnen ist eindeutig der technische, der rein rationallogische (logozentrische) Bereich überschritten worden. Dieser Überschritt bestätigt sich durch beide Ausdrücke, die schon als solche ein Betreten der Gefühlsebene anzeigen. Denn Begriffe wie Mut und Furcht heben hervor, dass ethische Überlegungen nicht allein rational vollzogen werden können. Das hat Zimmerli schon mit der Einführung der existentiellen Betroffenheit für die Fundierung von Verantwortung unmissverständlich deutlich gemacht. Damit scheinen also das Gefühl und die dadurch vermittelten Wertimpulse eine grundlegende Rolle zu spielen, wenn Menschen ihre Freiheit wahrnehmen. Demnach muss also bei dem Satz: Technik ist die Realisierungsform menschlicher Freiheit, Technik als instrumentales Hilfsmittel im Realisierungsprozess verstanden werden. Offensichtlich muss es dann eine weitere Bestimmung menschlicher Freiheit geben. Nur wenn Freiheit sich von Technik selbst noch einmal unterscheidet, kann sie schließlich auch Voraussetzung für das Überleben im technologischen Zeitalter sein.

205 Dies ist jedoch nicht von vornherein Konsens unter den Gehirnforschern. Für Christopher von der Malsburg ist etwa die Existenz denkender Maschinen nur eine Frage der Zeit (vgl. Bild der Wissenschaft 6 [1999], 81-83). 206 Vgl. Zimmerli, Herausforderung der Geisteswissenschaften, 55. 207 Vgl. Zimmerli, Eine Stufe höher steigen, 10. 208 Vgl. den Titel des Aufsatzes von Zimmerli: „Mut zur Furcht". 209 Vgl. Zimmerli, Das antiplatonische Experiment, 26.

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Wie versteht Zimmerli demnach Freiheit? Was ist die ergänzende Bestimmung zu Technik als Wesen menschlicher Freiheit? Der Mensch ist mit Technik beschenkt, aber auch zur Technik verurteilt.210 Wenn Technik als Realisierungsform menschlicher Freiheit betrachtet wird, müsste das dann nicht heißen, dass sich seine Freiheit zwar durch Technik bewährt, aber eben in der Ausrichtung und Ausgestaltung dieser Technik, im Grenzen-Setzen, GrenzenAusweiten und Grenzen-Überschreiten? Sie würde sich darin bewähren, dass er diesen Möglichkeitsraum durch Folgenreflexion ausmisst, abschätzt und Handlungsalternativen abwägt. Als solche ist sie immer schon bedingte Freiheit, die sich auf dem Boden eines vorgegebenen Handlungsspielraumes bewähren muss. In Konsequenz des Argumentationsgangs müsste man nun erwarten, dass Vernunft in einem weiten, Rationalität umfassenden und übersteigenden Sinne verstanden werden muss, eine Vernunft, die eben auch auf eine Gefühls- und Unmittelbarkeitsbasis verweisen kann. Eine solche Vernunft wäre dadurch ausgezeichnet, dass sie sich auf ein sie prägendes Gewissheitsfundament bezieht. Ist dies bei Zimmerli der Fall? Hier herrscht Unklarheit, weil Zimmerli immer wieder auf einen rational kompatiblen Nenner vernünftiger Wesen zu sprechen kommt, wenn es um Verantwortungsorientierung geht.211 So seien eben an der Stelle von inhaltlichen Prinzipien in der Neuzeit zunehmend formale Prinzipien getreten, die den einzelnen Menschen nicht als Mitglied einer Glaubensgemeinschaft, sondern als Vernunftwesen ansprechen.212 Hätte ein solcher rational kompatibler Nenner aber nicht eine gewisse Rationalisierung des Gefühls zur Voraussetzung? Eine solche Rationalisierung des Gefühls stünde aber in eklatantem Widerspruch zur Bindung der Verantwortung an das individuelle Gefühl, und dieses ist schließlich der Grund dafür, dass die Verantwortung strikt an das Individuum gebunden bleibt. Und darauf, dass dies in Geltung bleibe, pocht Zimmerli bei aller Undurchschaubarkeit und Komplexität des Verantwortungsbereichs, der Verantwortungsträger und der Verantwortungsinstanzen wie auch der Pluralität der Werte. Nur darum reflektiert er auch auf die Einwirkungsmöglichkeiten hinsichtlich der existentiellen Betroffenheit, indem er fordert, dass deutlich werden müsse, „woher die Orientierungswerte abgeleitet werden sollen, mit denen Rationalität und Methoden der Naturwissenschaft als bloß relativ aufgezeigt werden sollen."213 Es muss also nach Zimmeriis Intention gerade darum gehen, die Rationalität der Technik- und Naturwissenschaften als

210 Vgl. Zimmerli, Mut zur Furcht, 61. 211 Vgl. Zimmerli, Können oder dürfen, 114; ders., Mut zur Furcht, 66; ders., Eine Stufe höher steigen, 10. 212 Vgl. W.Ch. Zimmerli, Gentechnik, Biotechnologie und Medizin, in: ders., Einmischungen, 51-82,62. 213 Zimmerli, Stecken Wissenschaft und Wissenschaftskritik in einer Krise?, 125.

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gerade darum gehen, die Rationalität der Technik- und Naturwissenschaften als bloß relativ aufzuzeigen, wenn man sie ethisch steuern können will. Woher können aber bei Zimmerli solche Rationalität relativierenden Werte abgeleitet werden, wenn er anstelle inhaltlicher nur noch formale Prinzipien als allgemeingültig gelten lassen will? Durch einen rational-kompatiblen Nenner von Überzeugungen kann dies doch offensichtlich nicht geschehen, sondern nur durch rational unhintergehbare Werte. Genau solche könnte er aber durchaus durch sein Wissen um das spezifische Vorgegebensein der Freiheit in Anspruch nehmen. Das Vorgegebensein von Freiheit ist bei Zimmerli nämlich keine Verurteilung, sondern ein Beschenktsein. Denn Zimmerli rechnet mit einer existentiellen Betroffenheit des Menschen. Unter dieser Voraussetzung findet menschliche Freiheit aber nicht nur ihren Motivationsgrund immer schon vor, sondern in der inhaltlich bestimmten existentiellen Betroffenheit sind bereits Rahmenrichtlinien der Agitationsrichtung fiir die Freiheit vorgegeben. Der Mensch ist nicht verdammt zur Freiheit, sondern seine Freiheit eröffnet ihm die Möglichkeit, auf seine gefühlsinduzierten Betroffenheiten in gewünschtem und frei gewähltem Sinne zu reagieren. Ein solchermaßen positiv, weil inhaltlich qualifiziertes Freiheitsverständnis, durch das dann auch tatsächlich ethische Steuerungsfunktion übernommen werden kann, setzt aber prinzipiell im Gefühl fundierte, rational unhintergehbare Wertvorstellungen voraus. Das Spezifische im Unterschied zu anderen Auffassungen der Vorgegebenheit von Freiheit wäre dann also, dass Zimmerli dieses Vorgegebensein auch nicht als etwas allgemein Rationales auffassen kann, sondern es durch Werte oder durch weltanschauliche Bestimmungen, also durch Inhalte bestimmt sieht. Damit wäre dann Freiheit bedingte Freiheit nicht nur durch die formale Vorgegebenheit der Unhintergehbarkeit von Freiheit - im Sinne des Sartreschen „zur Freiheit Verdammtseins" - , sondern auch durch eine inhaltlich bestimmte Ausrichtung ihres Gebrauchs. Mit anderen Worten, nicht nur die Freiheit wäre unhintergehbar vorgegeben. Rational unhintergehbar wären auch die, wie auch immer gearteten, inhaltlich bestimmten Leitlinien der Orientierung der Freiheit. Ein solcher Ansatz, wie er in Zimmeriis Argumentationslinie des Gefühls, der unmittelbaren existentiellen Betroffenheit als Begründungsfundament von Verantwortung, durchaus liegen könnte, wäre dann aber nicht mehr vereinbar mit einem solchen, in dem Ethik bzw. Moral ihre allgemeingültigen Prinzipien rein formal in Anschlag zu bringen vermag. Bliebe Zimmerli diesem Ansatz treu, dann müsste er also in jeder Hinsicht einen ethischen Minimalkonsens verabschieden. Nimmt Zimmerli in irgendeiner Weise einen solchen Gedanken der konsequenten Begründungsfimktion des Gefühls auf, und wenn ja, wie? Man könnte einen solchen Gedanken im Zusammenhang seiner Erörterung der säkularen Ethik aufsuchen. So ist Zimmerli der Überzeugung, dass es gar keine säkulare Ethik gibt. „Es gibt nur theoretische Reflexionen auf unter-

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schiedliche nicht-säkulare Ethiken."214 Damit kann die Rationalität nicht Basis der Ethik sein. Dem stimmt er auch zu, wenn er feststellt, dass die Aufklärung zu Unrecht die Vernunft mit der Freiheit identifiziert hat. Sie habe eine säkulare Ethik entfaltet unter der Annahme „dass die Vernunft alle Menschen verbindet und dass sich darauf eine Ethik bauen läßt, an der man dann nur noch gewisse Übereinstimmungen mit dem Christentum demonstrieren muß."215 Dies sei als Programm aber gescheitert: „was viele christlich motivierte Ethiker noch nicht bemerkt haben, sie geben zu früh ihr Gewissheitsfundament preis und versuchen säkularer zu sein als die säkularen Ethiken."216 Aufgabe sei es vielmehr, die eigenen Werte zu wahren und zu nennen in der Überzeugung, dass diese besser seien als andere.217 Damit wird eindeutig den Werten eine die Rationalität relativierende und diese übersteigende Qualifikation bezüglich der Funktion von Ethik zugesprochen. Er beharrt in diesem Zusammenhang auf der individuellen Irreduzibilität des Gefuhlsgrundes. In Konsequenz solcher Auffassungen müsste nun in der Tat die Vorstellung eines ethisch funktionsfähigen Minimalkonsenses aufgegeben werden. Wenn Zimmerli verschiedentlich für einen solchen plädiert218, ist das als Inkonsequenz und jedenfalls der Intention seiner Ethik widersprechend zu verbuchen. Wenn Zimmerli von einem Minimalkonsens redet, meint er diesen zwar in der Regel im relativierenden Sinne, also nicht bezogen auf den kleinsten Nenner ethischer Inhalte, sondern als Minimalbedingung, um ein „Dissensmanagement" durchfuhren zu können. Er weiß also, dass Inhalte prinzipiell nur dissensfahig sind. Er geht aber davon aus, dass die Möglichkeit der Übereinstimmung mit formalen Prinzipien inhaltsunabhängig möglich ist und daher als prinzipiell konsensfahig aufgefasst werden kann. Genau das ist aber m. E. ein Trugschluss, ebenso wie die Annahme eines möglichen „Weltethos"219. Denn jede Zustimmung zu einem formalen Prinzip gründet ihrerseits immer schon in einer inhaltlich bestimmten Weltsicht. Jede Übereinstimmung mit formalen Prinzipien setzt nämlich ihrerseits bereits ein Leitkriterium voraus, das eine solche Übereinstimmung diagnostizieren kann. Ein solches Leitkriterium oder ein solcher Orientierungsrahmen kann daher nie durch einen rationalen Nenner oder Minimalkonsens ersetzt werden. Auch wenn man in einem solchen Nenner die eigenen Orientie214 Zimmerli, Eine Stufe höher steigen, 10. 215 216 217 218

Zimmerli, ebd., 10. Vgl. Zimmerli, ebd., 10. Vgl. Zimmerli, ebd., 11. Vgl. W.Ch. Zimmerli, Ökologie und Ethik. Podiumsdiskussion zwischen Günter Patzig, Dieter Bimbacher und W.Ch. Zimmerli bei den Bamberger Hegelwochen 1995, in: ders. (Mithrsg.), Die Rationalität der Moral, Bamberg 1996, 56-108 (abgekürzt i.flgd.: Zimmerli, Ökologie und Ethik), 69.

219 Vgl. Zimmeriis Stellung zu diesem „Weltethos" H. Küngs in: Zimmerli, Eine Stufe höher steigen, 10.

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rungsrichtlinien gegeben sähe, wie es das Projekt Weltethos intendierte, käme es zu solcher Zustimmung eben nur aufgrund einer Beurteilung, die einem solchen potentiellen Allgemeinkonsens immer schon vorausgeht. Diese Beurteilung aber setzt ihrerseits das eigene, im Rekurs auf die eigenen, individuell unvertretbaren Überzeugungen gebildete, Urteil voraus. Und dieses im Rekurs auf die eigenen Überzeugungen gebildete Urteil ist es, was ein „Ethos" ausmachen kann. Solche individuelle Unvertretbarkeit müßte auch ein Projekt Weltethos nicht zur Aufgabe seines Projektes der Verständigung der Religionen, wohl aber zur Aufgabe eines solchen Begriffs fuhren. 2.4.2. Die Bedeutung der Weltanschauung für die Ethik Mit der These der Unmöglichkeit einer säkularen Ethik220 weiß Zimmerli etwa auch um die inhaltliche Ausrichtung als Vorgegebenheit jeglichen Freiheitsgebrauchs. Darauf deutet sein Plädoyer für die Kultivierung der Wertvorstellungen und Orientierungen, die nicht erst im Erwachsenenalter etwa an der Universität einsetzen dürfe.221 Zimmerli besteht auf der Berücksichtigung „voruniversitäre(r) Bestimmungsfaktoren wie Elternhaus, Schule, Vereine usw.,... in denen sich - wie alle Einstellungen - so auch die zu wissenschaftlicher und technischer Rationalität entscheidend prägen."222 Er rekurriert in der Frage nach den Werten auf den vorwissenschaftlichen Bereich des Verstehens. In Bezug auf Gadamer macht er darauf aufmerksam, dass dieser Bereich des Verstehens ,jede Trennung nicht nur von Natur- und Geisteswissenschaften, sondern schon vorab von Wissenschaft und Lebenswelt hintergeht"223. In der Überzeugung, dass es Aufgabe der Philosophie sei, neben der Wissenschaft eben auch den lebensweltlichen Bereich zu reflektieren, schließt er sich der Auffassung Gadamers an, dass die hermeneutische Dimension vorwissenschaftlich-sprachlichen Verstehens die Grundlage aller Bereiche des Wissens wie auch des Lebens bildet. Dazu gehören auch die Bereiche der Technik oder Kunst, Politik, Gewissen, Liebe, Sport etc.224 „Die Philosophie wird dann herausgefordert, nicht ihren Welt- und Handlungsorientierungsanspruch gegen den der Wissenschaften (wenn es überhaupt einen solchen geben sollte) zu behaupten, sondern auch die Wissenschaften in ihr hermeneutisches Weltverstehen mit einzubeziehen - zu verstehen und verständlich zu machen",

220 221 222 223 224

Vgl. ebd., 10. Vgl. Zimmerli, Jenseits der individuellen Verantwortung, 281. Zimmerli, Stecken Wissenschaft und Wissenschaftskritik in einer Krise?, 125. Vgl. Zimmerli, Esoterik und Exoterik der Philosophie, 275. Zimmerli, ebd., 276.

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wohlgemerkt unter der Maßgabe des prinzipiellen Einbeziehens der Beschränktheit des Wissens.225 Der vorwissenschaftliche Bereich wird als Grundlage allen Wissens und Lebens gekennzeichnet. Damit ist eine Unhintergehbarkeit behauptet. Nicht genauer ausgeführt wird nun aber, wie und wodurch denn dieser vorwissenschaftliche Bereich prägend wirkt. Genau das wäre aber von Bedeutung für die Diskussion der Wertorientierung und Gefühlsgebundenheit von Ethik, wie deren Inhalte zustande kommen und wodurch sie prägend wirken. Zimmerli benennt zwar diesen grundlegenden Bereich, rekurriert dann aber auf diesen nicht inhaltlich, sondern nur noch allgemein dahingehend, dass er bezüglich der verschiedenen Wissenschaftsbereiche von der Philosophie mittels deutender Integrationsleistung aufgenommen werden müsse. Zimmerli bezieht sich bei den Werten dann zwar explizit auf den vorwissenschaftlichen Bereich. Er sieht die Werte in individuellen Grundüberzeugungen gegründet und gesteht ihnen Handlungsentscheidungs- und Handlungsbeurteilungsrelevanz zu, jedoch kommt ihr individuelles und materielles Moment dann nicht als zu berücksichtigender Theoriefaktor vor. Die Frage nach Werten wird zwar zu Recht in einen geschichtlichen Horizont gerückt, aber dies genügt nicht zur Erfassung ihrer ethiktheoretischen Leistung, die eben genau in der rationalitätsqualifizierenden Funktion des Individuellen besteht. Die Vernachlässigung der Individuen als Theoriefaktor verführt zu Fehlinterpretationen, indem man immer noch meint, von reinen, inhaltsfreien, rationalen Verständigungsmöglichkeiten ausgehen zu können, wie etwa den allgemein-formalen Prinzipien. Das lässt sich z.B. an Zimmeriis Interpretation von Zielformulierungen aufzeigen, die die Unterscheidung von individuellen und allgemeinen Momenten bei der Konstituierung von Zielen nicht durchhalten. Nach Zimmerli geht es im Wesentlichen darum, dass „wir uns selbst über das, was wir wollen, so einigen, dass wir ein gemeinsames Bild von der erstrebenswerten Zukunft erhalten. Bei der Formulierung von Zielen wird das sehr schnell deutlich. In den Zielen, die der besagte geschichtsphilosophische Rahmen enthalten würde, kommen die in Ansatz gebrachten Werte zum Ausdruck."226 Genau hier wird also das individuelle Moment, das doch konstitutiv für die theoretische Bedeutung des Gefühls wäre, unter der Hand in eine allen gemeinsame Zielvorstellung bezüglich Zukunft umgemünzt. Sind damit die Grundüberzeugungen Allgemeingut geworden? Doch wohl nicht, denn auch für Zimmerli bleiben Werte, in denen ja die Grundüberzeugungen zum Ausdruck kommen, individuell. Wenn also die Frage nach den Grundüberzeugungen, nach der jeweiligen Weltanschauung in den Horizont des Begründungsproblems von Ethik tritt, dann kann eine solche Begründung sich nicht mehr auf faktischen Konsens berufen. Denn

225 Zimmerli, ebd., 278. 226 Zimmerli, Prognose und Wert, 149.

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Zimmerli weiß selbst, dass dieser immer nur zufällig sein und widersprüchliche Ergebnisse haben könne und ein Verständigungsversuch daher nicht am Rekurs auf prinzipiell individuelle weltanschauliche Prägung der Begründungsmuster vorbeikomme. Auch an anderer Stelle behält Zimmerli bei der Frage nach der Begründung ethischer Normen in gewisser Weise einen Konsens im Auge - also eine Rückführung von Wertvorstellungen auf etwas für alle Verbindliches, Allgemeines. Nach Zimmerli muss diese „letzte Rückführungsinstanz ... eine durch ihre vergangene und/oder gegenwärtige Wirkung normativ gewordene Instanz sein."227 Eine solche Norm nennt Zimmerli „Basisbrückennorm"228. Diese sei gekennzeichnet als Schnittmenge individueller Wertüberzeugungen, die als solche dann quasi einen rationalen Konsens bilden. Was ist unter einer solchen Schnittmenge zu verstehen. Ist sie der kleinste gemeinsame Nenner? Offensichtlich nicht, denn über diese Schnittmenge sind die Begründungseinforderungsberechtigten bereits übereingekommen, bevor in die Tätigkeit des Begründens eingetreten wird.229 Das heißt, diese Schnittmenge wird nicht argumentativ herbeigeführt, sondern sie bestimmt offensichtlich schon vorher den Argumentationshorizont. Woran soll man dabei denken, an Sitte, den guten Ton, an bestimmte Vorstellungen von Mensch, Gesellschaft und Wissenschaft? Ich denke, wohl alle diese Komponenten sollen darin enthalten sein, denn diese Basisbrückennorm sei selbst nichts zeitlos Gültiges, sondern dem Wandel unterworfen. Wenn nur ein oder zwei Werte sich bei allen oder vielen Individuen verschöben, könne sich schon ein historischer Wandel ankündigen230, was im übrigen genau jetzt der Fall sei. Der Wandel sei dadurch angezeigt, dass die genannte reflexive Wende stattgefunden habe, das erneute Zurückgehen auf die „Ich-Fundiertheit von Wissenschaft", die einen Rekurs in Entscheidungssituationen auf die unmittelbare existentielle Betroffenheit einleite.231 Diese Argumentationsfigur Zimmeriis scheint nun offensichtlich Umwege zu beinhalten. Zunächst fuhrt er die Basisbrückennorm als etwas Allgemeingültiges ein, um dieses Allgemeine als Allgemeines dann durch eine „reflexive Wende" zu unterwandern und gerade als Rekurs auf die existentielle Betroffenheit auszuweisen. Wäre es nicht zweckmäßiger und der Sache entsprechender gewesen, diese sogenannte allgemeingültige Basisbrückennorm als inadäquat zu entlarven? Nicht unbedingt. Man könnte zwar der Auffassung sein, dass genau dies auf Zimmeriis Umweg geschieht. Denn gerade der Inhalt des

227 228 229 230 231

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Zimmerli, Zimmerli, Zimmerli, Zimmerli, Zimmerli,

ebd., ebd., ebd., ebd., ebd.,

150. 150. 150. 150. 151.

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Allgemeinen, also der Basisbrückennorm, offenbart doch, dass das Individuelle - hier die existentielle Betroffenheit - unverzichtbar ist. Damit führte offensichtlich die Basisbrückennorm von selbst auf die reflexive Wende. Zimmerli kommt also nicht - wie es auch möglich wäre - durch rationalen Schluss von der Wertorientierung auf den Begründungsaspekt weltanschaulicher Fundierungen, also durch rationalen Schluss auf die Bedingung von Begründung in Vorrationalem, sondern er geht den Umweg über eine Verschiebung der Basisbrückennorm, die genau die Inadäquanz von allgemeiner Begründung aufzeigt, nämlich durch die inhaltlich nicht allgemeine Bindung des Begründungsmusters an individuelle Inhalte. So könnte tatsächlich die Frage gestellt werden, ob die „reflexive Wende" nicht genau die Begrenztheit der Theorie der Basisbrückennorm anzeigt. Man könnte andererseits in der theoretischen Figur der Basisbrückennorm aber auch genau die Funktion sehen, die Rolle der prinzipiellen Begründungsfunktion dann auch des individuellen Zugangs des Erkennens, der Ich-Fundiertheit von Wissenschaft einzunehmen. Damit hätte die Basisbrückennorm als vorargumentative Schnittmenge keine inhaltlichen Konsense im Blick, sondern quasi formal-transzendentale. Welche der beiden Vorstellungen Zimmerli mit der Basisbrückennorm verbindet, die inhaltliche oder die formale, kann anhand seiner Argumentationslinie nicht sicher entschieden werden. Auf alle Fälle gilt: Zimmerli weiß um das individuelle Fundament allen Wissens und Handelns. Dennoch orientiert er sich aber in gewisser Weise weiterhin an Allgemeinfundierungen von Ethik. Er erkennt das Individuum als konstitutiv für ethisches Handeln an, aber er setzt das Individuelle nicht in seiner Individualität zum allgemeinen Fundament von Ethik in Bezug. Das Allgemeine ist immer als Abstraktion vom Individuellen gedacht. Dies hat aber zur Folge, dass die Anforderungen des Individuellen sich immer wieder Geltung verschaffen und so vermeintliche formale Allgemeinfundierungen durchkreuzen. Der theoretische Status des Individuellen bleibt ungeklärt. So demonstriert das Rechnen mit dem individuellen Fundament des Handelns zwar Zimmeriis seismographische Fähigkeit, die Probleme der Ethikbegründung orten zu können. Durch theoretische Einarbeitung des individuellen Faktors könnte die Ertragssicherung ethischer Erkenntnis aber noch gesteigert werden. Es würde dann deutlich werden, dass eben tatsächlich das Individuelle in der theoretischen Argumentationsfigur zur allgemeinen Begründung gehörte.

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2.5. Die Bedeutung des Pluralismus für die Ethik Zimmerli sieht sich herausgefordert durch die Frage: „Wozu Philosophie", „wozu Ethik", die lange Zeit das gesellschaftliche Bild bestimmt hat.232 Er geht davon aus, dass eine normen- und prinzipientheoretische Ethik festgefügter Gesellschaftsmuster, vorausplanbarer Entwicklungen und einer einheitlichen orientierungsgebenden Instanz bedarf.233 Diese Faktoren seien im technologischen Zeitalter nicht mehr gegeben, zumindest nicht mehr so, wie man sie traditionell eingeordnet hat. In traditioneller Weise sei man von einem gleichbleibenden Wertesystem ausgegangen, von begrifflichen Festschreibungen und Eindeutigkeiten, auf die sich die Reflexion moralischen Verhaltens habe richten können. Im Zuge des Verlusts einheitsstiftender philosophischer Systeme dominieren nun vielfaltige dirigierende Wertvorstellungen das gesellschaftliche Bild, was Vertrauensverluste in Sinnstiftungsangebote angesichts der Pluralität solcher Angebote nach sich zöge.234 In solchen Auflösungserscheinungen will Zimmerli allerdings nicht das letzte Wort über die Wirklichkeit gesprochen sehen. Dagegen sträubt sich, so denke ich, nicht zuletzt sein dialektisches Wirklichkeitsverständnis, das der Vielheit immer auch Einheit zuordnet. Was könnte die Variation der Wirklichkeitskonstellation bezüglich Einheit und Vielheit für die Ethik unter den Bedingungen des technologischen Zeitalters und des Pluralismus bedeuten? Auf welche Seite gehört sie? Gehört sie, in Zimmeriis Modell gesprochen, auf die Seite der (neuen) Vielheit des Begrifflichen oder der (neuen) Einheit der Technologie? Nun gehört Ethik doch auf die Seite des Begriffs. Wird sie dementsprechend jetzt selber plural? Relativieren sich die Wertvorstellungen? Gibt es nur noch zeitgebundene Orientierungsrichtlinien? Oder haben in ihr in irgendeiner Weise auch Züge der Einheit ihr Recht? In der Tat sieht Zimmerli eine prinzipielle Relativierung von Normen und Werten gegeben. Darum plädiert er dafür, von der herkömmlich normenorientierten zur problemorientierten Ethik zu wechseln.235 Gleichwohl soll damit aber nicht eine Relativierung von Werten schlechthin eingeläutet werden. Er ist kein Anhänger derjenigen Postmoderne, für die die Vielheit und Relativität selbst letzter Wert ist. „Postmodernes Theoretisieren pflegte sich mit der Vielheit so zu befassen, als ob sie selbst ein Wert sei, den es zu erhalten, zu mehren, ja: vielleicht erst zu erringen gelte."236 Er hingegen plädiert zwar für das Konzept eines Pluralismus, aber eines solchen der zweiten Stufe, „ein reflek-

232 233 234 235 236

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

o. Kap. 1.2.1. (S. 157ff.). Zimmerli, Jenseits der individuellen Verantwortung, 276. Zimmerli, Technologiefolgenabschätzung, 146. Zimmerli, Technologie, Ethik ...,351. Zimmerli, „Königin oder Magd?"

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tierter Pluralismus..., der nicht die bloß kontingente Vielheit, sondern den Pluralismus erster Stufe als Wert ansieht. Seine Norm heißt: Alles soll der Maxime genügen, daß Pluralismus, also eine Grundhaltung existieren möge, die ihrerseits zwar Vielheit ermöglicht, aber nicht in Vielheit aufgeht!"237 Eine problemorientierte Ethik soll also keineswegs moralische Werte als solche relativieren. Ihre Vielheit führe nicht zu deren Bedeutungsverlust. „Man muß im Pluralismus zwischen Relativität und Relativismus unterscheiden. Die Tatsache, daß Werte mit Blick auf andere Überzeugungssysteme relativ sind, ist unter Pluralismusbedingungen nicht schädlich, denn wir müssen uns klar werden, wir treten sowieso als Mitbewerber gegenüber anderen auf. Aber das bedeutet nicht, daß ich sage, was ich anzubieten habe ist nur relativ gültig; sondern ich sage: meine Ware ist besser als eure! ... Pluralismus hebt sich selbst auf, wenn alle relativistisch denken. Man muß mindestens wollen, daß es Positionen gibt, die unverwechselbar sind und daß die eigene dazugehört."238 Die Relativität, die der Pluralismus mit sich fuhrt, soll nicht die Vielheit der Werte in ihrem je singulären Bedeutungsanspruch relativieren, sondern sie soll offenbar vielmehr einen Wettbewerb der Werte etablieren. Damit ist aber klar, dass die Werte ihre Bedeutung und ihren Geltungsgrund nicht durch sich selber, sondern durch eine diese tragende und befürwortende religiöse Weltanschauung bekommen. Die Relativität trüge damit der Einsicht in andere Geltungsansprüche Rechnung, die aber als solche nicht geteilt werden müssen oder sollen. Zimmerli plädiert also fiir einen qualifizierten Pluralismus, der Vielheit ermöglichen soll, aber offensichtlich nicht als Gegensatz zu einer Einheit der eigenen Einsicht. Die Vielheit soll nicht in Vielheit „aufgehen", kann nur bedeuten, dass sie als solche Vielheit zwar existiert und anerkannt wird, dass diese aber doch offensichtlich in ein einheitliches - sprich systematisierendes - Begründungsmuster gebracht werden soll. Zimmerli gibt diesbezüglich nur Hinweise. Das Geltenlassen von Vielheit solle nicht zur Relativierung fuhren. Warum? Offensichtlich weil man die eigene Überzeugung für die bessere halte. Da sei durchaus ein Konkurrenzverhalten erwünscht: „meine Ware ist besser als eure"239. Zimmerli lässt die Aussagen der Relativierung der Werte und der Überzeugung der Güte der eigenen Werte nebeneinander stehen. Er liefert keine systematisierende Zusammenschau der Begründungsmöglichkeit solch scheinbar paradoxer Auffassung. Er verharrt hier in „ungenauem" Denken. Allerdings scheint mir diese Haltung des laissez-faire, wenn es um Werte geht, die die Gestaltung der faktischen Existenzbedingungen betreffen, keine mögliche

237 Zimmerli, ebd. 238 Zimmerli, Eine Stufe höher steigen, 11. 239 Vgl. Zimmerli, ebd., 11.

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Das Technikethikverständnis von Walter Christoph Zimmerli

Position. Denn so wie Zimmerli seine Lösung vorträgt, bedeutet Pluralismus offensichtlich nicht ein Plädoyer für Toleranz. Es ist kein qualifizierter Pluralismus, der Toleranz ermöglicht, sondern einer, der konkurrierenden Wettbewerb hervorrufen soll. So stellt sich die Frage nach der Einheit bzw. dem Grund für die Behauptung, dass Vielheit sein, aber diese nicht in Vielheit aufgehen soll. Offensichtlich kann es keine die Vielheit negierende Einheit sein, denn dann bräuchte die Geltung der eigenen Überzeugung nicht exklusiv qua Konkurrenz zum Wettkampf antreten. Aber sie kann auch keine die Vielheit bejahende sein, denn sonst träte diese nicht in exklusive Konkurrenz. Beides, Vielheit wie Festhalten an einer Einheit, kann eigentlich nur durch eine perspektivische Ganzheitssicht erreicht werden, die sich selbst als eine unter vielen anderen möglichen präsentiert. Diese Position hätte die Gelassenheit des Relativismus, ohne selbst relativistisch zu sein. Und das kann sie, weil sie nicht selbst die Einheitsansprüche totalistisch verteidigen muss. Eine solche Gefahr könnte sich einschleichen, wenn man die eigene Überzeugung in den Konkurrenzkampf schickt, ohne zuvor den Rahmen der Selbstrelativierung gleichwohl bei unbedingter Gültigkeit - der eigenen Position abgesteckt und entfaltet zu haben. Es müsste klar sein, dass der Konkurrenzkampf nicht die Liquidation, sondern die Artikulation anderer Überzeugungen anstrebt.

2.6. Die Bedeutung der Technik für die Freiheit Technik und Freiheit werden, insbesondere im Zuge sich rasant entwickelnder technischer Möglichkeiten, oft geradezu als Gegensatzpaar aufgefasst. So hat sich die Rede von Freiheit im technologischen Zeitalter, die Reflexion des Verhältnisses von Freiheit und Technik, in erster Linie gegen Behauptungen der Sachzwangdominanz zu wehren. Bleibt dem Menschen ein Freiraum gewährt, sich gegen die Übermacht der Technik, gegen einen scheinbaren Automatismus technologischer Entwicklungen zur Wehr zu setzen, und wenn ja, wie? Hiermit ist die Frage der Autonomie im Sinne der Wahlfreiheit angesprochen. Mit dieser Frage steht nach Zimmerli, wie schon erwähnt, das Menschsein auf dem Spiel. In einer Zeit immer perfekter werdender Technik trete uns vor allem eine Frage entgegen, mit deren Beantwortung quasi unser Menschsein selbst zur Disposition stehe, nämlich die Frage, was uns wichtiger sei, der technische Fortschritt um seiner selbst willen oder unsere Autonomie.240 Offensichtlich geht Zimmerli diesbezüglich von unserer Freiheit zur Entscheidung aus. So besteht also kein Sachzwang für eine bestimmte Technik und eine bestimmte Technologie um jeden Preis.

240 Vgl. Zimmerli, Mensch, Gesellschaft und zukünftige Technologien, 1993, 96.

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Welche Rolle spielt nun aber in dieser Kraftmessung zwischen Freiheit und technischer Sachzwangdominanz die Technik selbst? Ist sie Antipode der Freiheit, oder ist sie ihr Ausdruck? Ist es nicht gerade auch die Technik, die die Freiheit des Menschen auszeichnet, befähigt nicht sie ihn dazu, die Zukunft selbst in die Hand zu nehmen? Wie verhält sich das technische Können als spezifische Begabung des Menschen gegenüber seiner Freiheit, sich für bestimmte technische Möglichkeiten zu entscheiden? Schließlich müssen wir uns nach Zimmerli darauf einstellen, dass wir zwar mit Technik beschenkt, aber auch zur Technik verurteilt sind.241 Diesbezüglich besteht Alternativenlosigkeit. Wir haben demnach zwar die Wahl verschiedener Alternativen, aber nicht die Wahl, uns für oder gegen die Technik zu entscheiden.242 Verhängnisvoll wäre solche Alternativenlosigkeit bezüglich des technischen Verhaftetseins aber erst, wenn nun die menschliche Freiheit mit der Technik identifiziert würde. Dies ist bei Zimmerli nicht der Fall, auch wenn er von einer „technischen Humanität"243 redet. Was versteht er darunter? Er sieht in der Technik einen anthropologischen Sachverhalt. In Aufnahme der These Gehlens sieht Zimmerli im Menschen ein Mängelwesen, „das aufgrund seiner natürlichen Ausstattung in der natürlichen Welt nicht überleben könnte. Er ist, was er ist, und er ist geblieben, was er war, weil er - paradox formuliert - mit der Technik über ein Instrument verfugte, sich zu ändern."244 Als Faktor der Anpassungsfähigkeit bilde die Technik also einen zentralen Faktor der Überlebensfahigkeit des Menschen. Radikal will Zimmerli daher deuten: „Der Mensch ist durch Technik menschlich. Anders: Die Humanität des Menschen ist technisch."245 Dabei bestimmt die Technik nicht nur, was wir sind, sondern eben auch, was wir sein können, unseren Handlungsspielraum. So „verdankt sich ... die Bewegung der menschlichen Geschichte der Technik als einem Humanfaktor."246 Hier scheint Zimmerli Technik auf den ersten Blick mit menschlicher Freiheit zu identifizieren. Im Zuge der Begründung der Unhintergehbarkeit von technischem Weltverhalten bestimmt er jenes Verhalten, wie 241 Zimmerli, Mut zur Furcht, 51. 242 Zimmerli, ebd., 51. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Bestimmung des Verhältnisses von Technik und menschlicher Freiheit die Beobachtung Zimmeriis, dass die Technik- und Philosophiegeschichte eine eigentümlich enge Verbindung zeige immer an denjenigen Stellen, an denen neue technische oder wissenschaftliche Paradigmen auftreten: z.B. im Zeitalter der Erfindung der Uhr werde der Mensch als Uhr und Gott als Uhrmacher gesehen, oder heute im Zeitalter des Computers werde das menschliche Gehim als Computer interpretiert und die Physis als Bündel von Genexpressionen. Daraus folgert Zimmerli: „Der Mensch versteht sich also nach Analogie seines technischen und wissenschaftlichen Produkts" (ebd. 57). 243 Zimmerli, ebd., 51. 244 Zimmerli, ebd., 57. 245 Zimmerli, ebd., 58. 246 Zimmerli, ebd., 59.

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schon erwähnt, als „die Realisierungsform jener Grundbestimmung, die wir >Freiheit< nennen."247 Denn: „Im technologischen Zeitalter erweist sich Technik als die Natur des menschlichen Geistes."248 Dass Zimmerli mit dieser Bestimmung von „Technik als Realisierungsform menschlicher Freiheit", „als Natur des menschlichen Geistes", aber nicht in Konflikt mit der Bestimmung gerät, dass der Mensch sich in freier Weise zu den verschiedenen technischen Alternativen verhalten kann, darauf verweist der Hinweis auf die Furcht als adäquate Haltung gegenüber der Technik. Das ganze Szenario der Bedeutung des Futurischen für den Menschen und die Technik ist übertitelt mit dem Ausruf „Mut zur Furcht"249. Dabei bezeichnet er die „Art, in der Menschen als stets in ihrer eigenen Gegenwart lebende sich auf Zukunft beziehen ..., entweder (als) Furcht oder Hoffnung, und nur die von dem Humanuni abstrahierende Theoretisierung reduziert Furcht und Hoffnung auf reine Prognose."250 Mit solchen Begriffen bringt Zimmerli doch dezidiert ein Vokabular ins Spiel, das sich einer technischen Verrechenbarkeit der Natur des menschlichen Geistes widersetzt. Er nimmt anthropologische Bestimmungen auf, die man nicht als technisch bezeichnen kann, an deren Vorhandensein sich aber die Verheißung knüpft, zukünftig Humanität zu erhalten 251 Damit bestätigt sich, dass nach Zimmeriis Intention die Realisierung menschlicher Freiheit nicht in der Technik aufgehen kann. Was versteht Zimmerli dann aber unter „technologischer Humanität"252? Um diese Frage beantworten zu können, gilt es zunächst zu untersuchen, was Zimmerli unter technologisch versteht - offensichtlich etwas Umfassenderes als das rein Technische, und zwar nicht umfassend im Sinne der Ausbreitung technischen Wissens oder des Betretens einer Metaebene des Wissens, sondern in erster Linie im Sinne der Einbeziehung humaner Aspekte. So kann er an anderer Stelle Technologie direkt mit reflexiver Wende gleichsetzen.253 Offensichtlich bringt Zimmerli bezüglich des Verständnisses von Technologie wieder sein erweitertes dialektisch-technologisches Einheitsverständnis ins Spiel. Was er mit der Aufnahme humaner Aspekte meint, kann deutlich werden durch seine Aufnahme der Weltanschauung und Erziehung als bedeutsam für das Freiheitsverständnis.254 Obwohl Zimmerli aber bei alledem durchaus um die 247 Zimmerli, ebd., 60. 248 Zimmerli, Das antiplatonische Experiment, 26. 249 250 251 252 253 254

Zimmerli, Mut zur Furcht, 51. Zimmerli, ebd., 68. Zimmerli, ebd., 68. Zimmerli, ebd., 68. Vgl. Zimmerli, Technologie als Kultur, 18. Vgl. Zimmerli, Jenseits der individuellen Verantwortung, 281; ders., Spezifische Problembereiche, 272; ders., Wandelt..., 108; ders., Stecken Wissenschaft und Wissenschaftskritik in einer Krise?, 125.

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Bedeutung der Weltanschauung für die Ethik weiß und obwohl er sich sowohl um deren objektive Herausbildung als Geschichtsphilosophie255 als auch um deren subjektive Herausbildung durch Anerziehung eines Verantwortungsgefühls256 bemüht, bleibt es fraglich, ob ihm der ethik- und erkenntnistheoretische Stellenwert von Weltanschauung in seiner rationalen Tragweite deutlich ist. Zimmerli geht von der Autonomie des Menschen aus, die er an die Voraussetzung knüpft, wählen zu können. Dieses Autonomieverständnis könnte auch noch mit einer technisch bestimmten Freiheit abgedeckt werden. Nun ist aber deutlich, dass diese Wahl doch offensichtlich ihrerseits an Voraussetzungen geknüpft ist, die jeweils die Ausübung der Autonomie bestimmen. Zu solchen Voraussetzungen zählen der jeweilige weltanschauliche und geschichtsphilosophische Horizont. Jede Wahl setzt den Hintergrund einer Zielbestimmung voraus, also ein bestimmtes Bild von den Zielen, auf die hin sich die Geschichte entwickeln soll. Diese Ziele gründen ihrerseits in der weltanschaulichen Prägung, die die Leitlinien für eine geschichtsphilosophische Entwicklungsgeschichte angibt. Damit wäre also auch die objektive Seite der Weltanschauung, das geschichtsphilosophische Bild, subjektiv geprägt. Diese subjektive Prägung setzt ihrerseits eine inhaltlich bestimmte Erziehung voraus. Genau darum ist die Verantwortungsfrage bzw. ihre Wahrnehmung immer auch eine Frage der Erziehung. Dann wird aber sofort klar, dass die Frage der Freiheit, der Autonomie des Menschen, immer auch eine Frage nach ihren Voraussetzungsbedingungen ist. Die Frage wird also sein: Wie kann sich eine als technologisch bestimmte Humanität im technologischen Zeitalter angesichts pluraler Wertüberzeugungen orientieren? Wie werden mit einer technologischen Humanität die von Zimmerli eingeklagten hermeneutischen Dimensionen des Daseins eingefangen? Diese Dimensionen gilt es, in die Verhältnisbestimmung von Freiheit, und zwar sowohl hinsichtlich ethischer als auch technischer Kompetenz des Menschseins, mit einzubeziehen. Das könnte von Zimmerli mit seinem Begriff der „technologischen Humanität" intendiert sein. Es muss aber auch entfaltet werden. 3. Die Aufgabe der Technikethik bei Zimmerli Welche Aufgabe hat im Horizont des so beschriebenen Verhältnisses von Freiheit und Technik die Technikethik? Bei der Beantwortung dieser Frage muss nach Zimmerli in erster Linie der Veränderung des Technikbegriffs Rechnung getragen werden. Wenn Technik den Spielraum unserer Handlungs-

255 Vgl. Zimmerli, Prognose und Wert, 143ff. 256 Vgl. Zimmerli, Wandelt.... 108.

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Das Technikethikverständnis von Walter Christoph Zimmerli

möglichkeiten angibt, dann muss analytisch festgehalten werden, welche technischen Koordinaten beim Abwägen und Ausrichten unserer Handlungen beachtet werden müssen. Nach Zimmerli ist unser Denken fälschlicherweise immer noch an traditionellen substantialistischen Denkmustern orientiert. Wir denken die Technik als etwas, dessen Eigenschaften sich ändern, während seine Substanz bleibt.257 Dies trifft aber nach Zimmerli nicht den realen Kern dessen, als was sich Technik zeigt. Technik sei vielmehr eingebunden in ein Geflecht von Mensch und Natur, die in ihrer Dreiheit das sind, was Kultur ausmache.258 Nun sei das sich durchgängig gleichbleibende nicht etwa das Wesen der Technik, das sich dann in verschiedenen zeitbedingten Variationen immer wieder anders zeigt. Auch sei es nicht einer dieser Knotenpunkte des Geflechts von Technik, Mensch, Natur, das, was konstant bleibt, sondern das, was sich gleich bleibt, sei dieses Beziehungsgeflecht des Aufeinanderbezogenseins von Mensch, Technik und Natur als Kultur. Was sich dabei jeweils zeitbedingt ändere, das seien genau die Knotenpunkte in diesem Beziehungsgeflecht. Die einzelnen Teilglieder änderten sich nach einem bestimmten Muster, während die Funktion der Beziehung davon unberührt bleibe. „Die gesellschaftlich und historisch unterschiedliche Weise des Veränderns heißt >KulturJudo-Typussensu stricto< nur individuelle Menschen Verantwortungssubjekte sind, weil nur individuelle Menschen Verantwortungsgefühl entwickeln können" (Zimmerli, „Jenseits der individuellen Verantwortung", 86).

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Die Funktion der Anthropologie für die Technikethik

Kreativität und des Überschlagens und Abschätzens - , wie auch auf der Ebene des Handelns, eben in der Gefiihlsbezogenheit der Verantwortung. Diese kommt zum Beispiel dann zum Vorschein, wenn Zimmerli von einer Ausdehnung des Verantwortungsgefiihls - auf das der Haftung - spricht bzw. eine solche einfordert. Diese Forderung entbehrt nur dann nicht der Willkür, wenn tatsächlich im Gefühl die Bedingung der Möglichkeit für die Verantwortungsfahigkeit gesehen wird. Gilt diese Bedingung, dann wäre diese auch der Grund, Menschsein in seiner Individualität festhalten zu können. Inhaltlich wirkt sich also diese Gefiihlsgebundenheit von Denken und Handeln dahingehend aus, dass damit deutlich wird, dass Menschsein nicht verallgemeinerbar ist in dem Sinne, dass der Einzelne im Hinblick auf seine Individualität in ein Allgemeines nivelliert werden könnte. Genau unter dieser Voraussetzung bekäme nun auch die Pluralität von Moralen ihren Ort. Denn nun würde deutlich werden, dass diese ihren Sinn, ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit darin hat, dass jegliche Handlungsorientierung individuell gebunden und daher nicht in den Boden allgemeiner Überzeugungen eingeebnet werden kann. Leider findet sich dieser naheliegende und von Zimmerli doch vorbereitete Bezug des Zusammenhangs der individuellen Begründetheit ethischer Orientierungen und der darin liegenden Begründung prinzipieller Pluralität eben solcher Orientierungen nicht. Damit wirkt sich Zimmeriis thetisches Festhalten an der Bedeutung des Individuums für den ethischen Handlungsvollzug offensichtlich nicht hinsichtlich der theoriefundierenden Anerkennung des Verständnisses von Menschsein aus. Infolgedessen entgeht ihm auch das ethische Gewicht der Inhalte, das heißt die Erkenntnis der unhintergehbaren und daher prinzipiellen Positionalität jeder Ethiktheorie. 2. Die ethische Bedeutung des Menschenbildes Für die theoretischen Grundlegungsfragen der Ethik müssen offensichtlich mindestens zwei, eigentlich sogar drei, Ebenen unterschieden werden. Erstens, die Ebene der impliziten oder expliziten Thematisierung des Menschenbildes und zweitens, die Ebene der Thematisierung des Menschenbildes als Theorieelement. Eine dritte Ebene wäre dann die Reflexionsebene der theoretischen Grundlegungsfunktion der Thematisierung des Menschenbildes als prinzipielles Theorieelement jeder Ethik und jeder Theorie, also sozusagen die metatheoretische Ebene.11 Sowohl bei Ropohl als auch Zimmerli findet sich die erste Ebene. Sie thematisieren das Menschenbild, indem sie die technische Begabung und die Freiheit

11

S.u. Kap. III (S. 314ff.).

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bzw. Autonomie des Menschen thematisieren. Beide rekurrieren jedoch nicht auf die zweite Ebene, auf das Menschenbild als theoretisches Implikat ihres Ethikverständnisses. Die dritte Ebene fände - bei Ropohl sogar mit Sicherheit, bei Zimmerli möglicherweise - programmatisch keine Beachtung. Trotz dieser formalen Gleichheit besteht allerdings ein Unterschied in der theoretischen Kompetenz, in der Tragfähigkeit der jeweiligen Ethik. Und dieser Unterschied kommt in der Tat durch die inhaltliche Differenz des jeweiligen Menschenbildes zustande. Damit zeigt sich, dass Inhalte für eine Theorie nicht vergleichgültigbar sind. So ist es die inhaltliche Differenz im Menschenbild, die Zimmeriis Ethiktheorie, im Unterschied zu deijenigen Ropohls, anschlussfahig macht für eine transzendentale Fragestellung. Ropohl beraubt sich dieser Möglichkeit schon allein durch die inhaltliche Bestimmung seines Menschenbildes. Eine transzendentale Fragestellung wird nämlich zuallererst möglich durch ein Menschenverständnis, das dessen Eigentümlichkeit in der Fähigkeit zu reflexivem Selbst- und Welt-, bestenfalls auch Gottesverhältnis sieht. Genau dieses Reflexivität ermöglichende Verständnis von Menschsein ist bei Zimmerli gegeben, einmal durch die Etablierung des Gefühls als Bezugsinstanz iur Denken und Handeln, zum anderen aber auch durch den anthropologisch fundamentalen Stellenwert der Zeit. Diesen habe ich oben12 schon ausführlich entfaltet. Ich beschränke mich hier auf die Darlegung der Bedeutung des Gefühls für die Veranschlagung transzendentaler Überlegungen. Erinnern möchte ich in diesem Zusammenhang nur noch einmal daran, dass die transzendentale Funktion des Gefühls eben gerade durch ein entfaltetes Zeitverständnis im Sinne von Zimmeriis Andeutungen begründet werden könnte.13 Ein solches Reflexivität ermöglichendes Konstitutionsverständnis von Menschsein fehlt bei Ropohl durch die Bestimmung seines Handlungsbegriffs, die eine Gleichsetzung von technischem und ethischem Handeln nahe legt. Zimmeriis Theorie führt genau darum um den entscheidenden Schritt weiter, dass in ihr eigentlich implizit vorhanden ist, was nun noch explizit thematisiert werden müsste: das Verständnis von Menschsein als theoriekonstitutiver Faktor. Um nicht missverstanden zu werden: Auch in Ropohls Theorie findet sich ein Verständnis von Menschsein, aber eben nicht als theoriekonstitutiver Faktor. Bedauerlicherweise findet dieser sich bei Zimmerli nur implizit. Mit anderen Worten, der Unterschied der Thematisierung des Menschenverständnisses bei Zimmerli und Ropohl zeigt sich im Hinblick auf eine qualitative Beurteilung ihrer Theoriekonzeption darin, dass in deren Thematisierung bei Zimmerli implizit die Bedingungen einer expliziten Entfaltungsmöglichkeit der hier geforderten theoriekonstitutiven Elemente angelegt sind, bei Ropohl hingegen nicht. Um wiederum nicht missverstanden zu werden: Auch Ropohls

12 13

Vgl. o. Teil D, Kap. IV (S. 265ff.). Vgl. o. Teil D, Kap. I V A (S. 281ff.).

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Menschenverständnis verweist auf die impliziten Theorieelemente seiner Ethik, wie auch umgekehrt jede Ethik ein Menschenbild zur Voraussetzung hat. Und auch Ropohls Menschenbild müsste um der theoretischen Vollständigkeit und Konsistenz der Theorie willen genannt werden. Also auch bezüglich Ropohls Theorie besteht die Forderung und die Möglichkeit weiterer Explizität. Der Unterschied allerdings zu einer weiteren Explizität der beiden Theorien Zimmerlis und Ropohls besteht darin, dass durch die jeweilige Explizierung des Menschenbildes ein gegenteiliges Ergebnis bezüglich der Einsicht der Notwendigkeit solcher Explizierung zutage treten würde. Durch Zimmeriis Explizierung seiner impliziten anthropologischen Voraussetzungen einer Theorie würde eine Theorie in dem hier angestrebten Sinne der anthropologischen Grundlegung als erforderlich eingesehen werden können. Hingegen bei Ropohl würde die Einsicht in eine solche Theorieforderung nur durch eine Infragestellung der inhaltlichen Bestimmungen seines Menschenbildes möglich sein. Also kann man festhalten: Immer zwar gibt das Verständnis von Menschsein Aufschluss über den Charakter einer Theorie, aber der Inhalt dieses Verständnisses von Menschsein entscheidet darüber, ob durch die Theorie selbst dieser Sachverhalt der Notwendigkeit der anthropologischen Begründung eingesehen werden kann oder nicht.

3. Die ethische Bedeutung der inhaltlichen Bestimmtheit des Menschenbildes (und damit der Positionalität von einer jeden Theorie) Der Sachverhalt der Bedeutung der inhaltlichen Bestimmtheit des Verständnisses von Menschsein für die Ethik, trotz Vernachlässigung von dessen expliziter theoretischer Thematisierung, soll anhand folgender Gemeinsamkeiten, die sozusagen fundamental sind, sich aber dennoch gerade in ihrer Fundament a l s t interpretativ, also inhaltlich, unterscheiden, dargestellt werden: 3.1. Die Interpretation der Prägung des gegenwärtigen Zeitalters durch die Technik Sowohl Zimmerli als auch Ropohl sehen das gegenwärtige Zeitalter als das durch Technik, durch Technologie bestimmte Zeitalter. Insofern sei es Aufgabe der Philosophie, sich dem Themengebiet der Technik zuzuwenden. In dieser ihrer Zuwendung wird sodann die Technikbestimmtheit der Gegenwart erst eigentlich in ihrer vollen Durchschlagskraft deutlich, denn sie fuhrt - so bei Zimmerli - geradezu zur Erkenntnis der Technologie als ein Epochenphänomen. Als solche wird die Technologie ein nicht nur die Gesellschafts-, sondern auch die Geistesgeschichte bestimmender Faktor. Sie ist damit nicht nur ein äußere Faktoren bestimmendes Phänomen, sondern berührt den Kern des Menschen,

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seine Weise der Wahrnehmung und des geistigen Wirklichkeitszugriffs. Desgleichen diagnostiziert Ropohl sämtliche Gesellschafts- und Wirklichkeitsdeutungen sowohl der materiellen Gegebenheiten als auch der Handlungssteuerung, als von Technik durchdrungen.14 Werde dies nicht berücksichtigt, zeige sich darin eben auch eine Verkennung des Wesens von Menschsein. Trotz dieser Parallelität der Diagnose des Zusammenhangs von Mensch und Technik ist diese aber inhaltlich jeweils unterschiedlich bestimmt. Bei Zimmerli wird Technik, Technologie selber in gewisser Weise zum Subjekt der Geschichte, gerade dadurch, dass sie sich anschickt, eine Kulturtechnik zu werden, also in den die Menschheit prägenden Seinsbereich vorzustoßen. Technik wird bei ihm aber nicht ein die Handlung selbst leitender, sondern nur ein die Handlungsweise bestimmender Faktor. Bei Ropohl dagegen wird die Technik ein die Handlungen selbst bestimmender Handlungsfaktor. Technik ist der Seinsbereich, in den hinein sich Menschsein und Geschichte verwirklicht, der ihm quasi als Aufgabe gegenübersteht. Bei Zimmerli ist die Technik zwar mit dem Begriff der Kulturtechnik als eine das menschliche Handeln bestimmende Kraft ausgewiesen, diese erstreckt sich aber nicht auf die Zielvorgabe. Hingegen gibt bei Ropohl letztlich die Technik dem Handeln die Ziele vor. Sie bietet geradezu die Palette möglicher Seinsverwirklichungen. Diese technische Zielbestimmung gilt eben auch dann, wenn Ropohl an der Autonomie der Techniksteuerung des Menschen festhält, weil eben die Orientierungen, mittels derer sich die Autonomie entfalten kann, mittels derer mögliche Alternativen gewählt werden können, immer letztlich durch die Vorgaben der Technikentwicklung bestimmt sind. Zu ihnen kann sich der Mensch zwar bei Ropohl ins Verhältnis setzen, aber da er selbst kulturell wesentlich technisch bestimmt ist, sind eben auch die Orientierungen wiederum technisch ausgerichtet. Trotz Parallelität der Einschätzung in der gesellschaftlichen Reichweite der Technik kann bei Zimmerli also deswegen eine diametral unterschiedliche ethische Einschätzung der Technik resultieren, weil die inhaltliche Bestimmtheit des Menschenbildes sich unterscheidet. Das Menschsein ist einmal durch den Horizont der Technik bestimmt, so bei Ropohl, das andere Mal durch einen unbestimmt-offenen Horizont von Freiheit, so bei Zimmerli. 3.2. Die Interpretation des Einflusses der Technik auf das Handlungsverständnis Technik bestimmt insofern in unterschiedlicher Weise das Handlungsverständnis. Obwohl Zimmerli qua Kulturtechnik die Technik prinzipielles Medium allen Handelns sein lässt, bleibt bei ihm eher ein technikjenseitiger Raum 14

Vgl. Ropohls Beschreibung der Phänomene „Aggregation" und „Segregation" (Ropohl, Systemtheorie, 155, 158); vgl. ebenfalls Teil C, Kap. II.4.1. (S. 74ff.).

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für Handeln möglich. Jedoch liegt dies nicht an einer Verbannung der Technik aus dem subjektiven Handlungsbereich, sondern am Handlungsverständnis selbst. Der Handlungsimpetus wird im Gefühl verankert. Dieses bildet einen Bereich, der trotz technisch-technologischer Bestimmtheit des Handelns Möglichkeiten technikjenseitiger Steuerungsquellen offen hält. Solche fehlen bei Ropohl, weil bei ihm Handeln überhaupt nicht - eben auch nicht implizit - auf dessen individuelle Konstitutionsbedingungen zurückverfolgt wird. Somit kann er den scheinbar gewonnenen Freiraum für das Subjekt nicht wahrnehmen, der durch seine Ansiedlung der Technik allein im Objektbereich des Seins, im Gegenüber zu einer das Subjekt selbst affizierenden Kraft einer „Kulturtechnik" im Sinne Zimmeriis, gewonnen zu sein scheint. Dieser ist aber auch bei Ropohl gar nicht als Freiraum gedacht, denn diese objekthafte Ansiedlung rechnet von vornherein nicht mit einem dem Technikbereich entzogenen Handlungssubjekt. So spielt sich bei Ropohl Handeln selbst quasi auf der Objektebene ein. Begriffe wie Handlungssystem, Übertragung von Verantwortung auf Institutionen, suspendieren in gewissem Sinne den herkömmlichen Subjektbegriff. Auch Ropohls energische Beteuerung des Interesses gerade an der Beibehaltung des SubjektbegrifFs15 bildet hierzu keinen Widerspruch, da der Subjektbegriff bei Ropohl rein als Handlungsträger bestimmt ist und damit eben auch durch Korporationen und Institutionen vertreten werden kann. Damit wird aber dieses sogenannte Subjekt nicht nur in einen Funktionszusammenhang eingeordnet, sondern unterschiedslos in diesen eingeebnet und damit verallgemeinerbar und ersetzbar. Diese Auffassung von der Allgemeinheit und Ersetzbarkeit solcher sogenannter Subjekte wird bei Ropohl besonders bei der Behauptung der Reflexivität eines Handlungssystems deutlich. Reflexivität erfordert Identifikation. Sie setzt somit einen Bewusstseinsakt voraus. Handeln wird durch Reflexion auf Kriterien konstituiert, und zwar auf Kriterien, denen sich das Handlungssubjekt in reflexiver Selbstvergewisserung stellt. Handeln impliziert also Reflexivität. Reflexivität eines Handelnden unter den Bedingungen von Reflexion hat den Charakter des Wissens um sich selbst. Solches Handeln weiß sich als auf sich bezogen. Die Reflexivität des Handelns wird da noch einmal zum Handeln in Bezug gesetzt. Indem Ropohl nur von Handlungssystem und Situation redet, steht bei ihm Handeln in eigentlichem Sinn überhaupt in Gefahr, verloren zu gehen. Das Individuum als Handlungssubjekt in seiner spezifischen Existenzweise selbstbewusster Freiheit ist in seiner Theorie des Handlungssystems

15

So betont er gegenüber technikfeindlichen Positionen immer wieder den Handlungscharakter von Technik und gegenüber Luhmann die Wichtigkeit, die Subjekte als empirische Handlungsträger nicht im System verschwinden zu lassen (vgl. Ropohl, Ethik und Technikbewertung, 346; vgl. 237,244).

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schwerlich anzusiedeln. Nimmt man Ropohls Verständnis von Menschsein und Technik und deren Verhältnis zueinander beim Wort, dann kann daraus gar keine andere Konsequenz als eine Aufhebung von Ethik gezogen werden. Der Mensch als Homo faber ist bestimmt durch Überlegungen technischer Machbarkeit, deren Restriktion allein durch Abwägen technischer Argumente entwickelt werden könnte. Auch scheinbar ethische Argumente erweisen sich als durch einen technischen Horizont bestimmt. Trotz des kulturbestimmenden Faktors von Technik als Kulturtechnik ist der Mensch bei Zimmerli dagegen nicht durch Technik festgelegt. Er geht nicht auf im Homo-faber-Sein. Davor bewahrt ihn die anthropologische Stellung des Gefühls. Dennoch kann auch Zimmerli das Potential der Subjektpräsentation seiner Handlungstheorie nicht ausschöpfen, weil er das, für das Subjekt im Handlungsprozess entscheidende, im Gefühl gegründete individuell Unvertretbare - und somit das für den Begriff des handelnden Subjekts eigentlich Konstitutive - nicht als theoretische Einsicht festhält, sondern immer nur punktuell als Datum mitführt. Genau darum kann er die Letztverantwortung des Individuums nicht begründen, sondern nur behaupten. So führt hier wiederum das Menschenbild, und zwar in seiner inhaltlichen Bestimmtheit, zu entscheidenden unterschiedlichen Auffassungen, bei Ropohl quasi zur Auflösung von Ethik in das Recht, bei Zimmerli zwar zur Möglichkeit von Ethik, aber nur zu ihrer Behauptung und nicht zu ihrer Begründung. Die gemeinsame Wahrnehmung der Bedeutung der Technik für die Gestalt des gegenwärtigen Zeitalters, ebenso wie deijenigen des Einflusses der Technik auf das Handeln, haben also zwar durch unterschiedliches Technik- und Menschenverständnis zu unterschiedlichen Interpretationen des Technikverhältnisses des Menschen und des daraus resultierenden Ethikverständnisses geführt. Begründet werden könnte dieser Zusammenhang allerdings erst, wenn sich jede Theorie zunächst ihres eigenen Fundaments vergewisserte und dieses als anthropologisch bestimmt entdeckte. Ropohl würde dadurch seine Gleichsetzung von technischem und ethischem Handeln entdecken, Zimmerli würde zur Reflexion des Fundierungsverhältnisses von Handeln im Gefühl geführt. Da die grundlagentheoretische Funktion des Verständnisses von Menschsein aber beiden entgeht, unterbleibt auch bei beiden eine analytische Durchdringung des Handlungsbegriffs.

3.3. Die Interpretation des Verhältnisses von Technik, Freiheit und Ethik Am Verhältnis der menschlichen Freiheit zur Technik entscheidet sich das Ethikverständnis. In gewisser Weise ist für beide, für Ropohl wie für Zimmerli, die Technik Realisierungsform menschlicher Freiheit. Die Unterschiede und damit die Bestimmung von Ethik lassen sich nicht ohne analytische Klärung der Sicht des Wesens menschlicher Freiheit bestimmen. Ist Freiheit technisch

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bestimmt, dann können auch ihre Grenzsetzungen nur technisch bestimmt sein. Insofern genügt Ropohl eine Freiheit, die sich auf technische Machbarkeit beschränkt. Für ihn scheint demnach nicht die Wirklichkeit als solche, sondern die Frage, was man in der Welt machen soll, einziger Gegenstand der Überlegung zu sein. Nach meiner Überzeugung erübrigen sich also bei Ropohl Überlegungen ethischer Fundamentierungsmöglichkeit, weil er Menschsein in den Horizont von Technik als ontologischen Rahmen einstellt. Als Konsequenz gilt das dann auch für das Verständnis von menschlicher Freiheit. Für die Ethik bleibt insofern nicht viel Gestaltungsraum. Das kann nur bedeuten: Das Subjekt der Verantwortung ist nicht das Menschsein, sondern die Technik, verstanden als Seinsmacht. Verhält es sich so, dann kann man daraus schließen, dass das von Ropohl beklagte Theoriedefizit der Technik nur behoben werden könnte durch eine Konstitutionsbeschreibung von Handlungen und dementsprechend durch Reflexionen über die Rolle von Selbstbewusstsein, Freiheit und Wahl. Ohne solche Reflexionen sind klärende Aussagen bezüglich des Ethikverständnisses und eben auch bezüglich des von Ropohl indizierten Defizits der Techniktheorie - nicht möglich. Stellte Ropohl allerdings solche Reflexionen an, dann müsste er eine wesentliche Annahme seines Technikethikverständnisses revidieren. Diese würden nämlich auch deutlich machen, dass jede Ethik in einem ersten Schritt immer nur durch Einzelne vollzogen werden kann. Auch systemische Verhältnisse entlasteten das Individuum nicht, denn Zielorientierung ist letztlich immer Sache des einzelnen Subjekts. Dass das Subjekt dabei durch andere und auch durch technische Sachsysteme beeinflusst wird, steht außer Frage und wird von Ropohl zu Recht betont. Aber dies ist erst ein zweiter Schritt, dem eine gewisse Bestimmtheit der Zielvorstellungen des Subjekts vorhergeht. Erst an dieser Bestimmtheit orientiert sich dann die Wahl technischer Ziele. Gegen Ropohl ist also festzuhalten, dass Kriterien der Verantwortung zunächst eben nicht in der Technik, sondern in der Bestimmung von Menschsein zu suchen sind. Genau dies würde durch jede Analyse menschlichen Handelns letztlich deutlich werden. Dabei zeigt sich gerade die innerliche Verbundenheit von Sachwissen und Wissensgestaltung mit Konzeptionen von Menschsein. Denn der zweite Schritt, also die technische Ziel- und Mittelwahl, impliziert den ersten, wie dieser jenen hervorruft. Damit wird nun gleichzeitig deutlich, dass Ethik und Moral keine additiven Überlegungen innerhalb des gesellschaftlichen Funktionszusammenhangs technologischer Entwicklungen sind, sondern dass sie in allen Sachproduktions- und Gesellschaftsgestaltungsprozessen immer schon anwesend, in ihnen impliziert, sind. Auch bei Zimmerli ist, wie gesagt, Technik Realisierungsform menschlicher Freiheit ist. Steht somit auch bei ihm die Ethik zur Disposition? Dieser Gefahr entgeht Zimmerli in zweierlei Weise, einmal durch die, hier immer wieder betonte, implizit tragende Rolle des Gefühls, zum anderen aber auch durch die

Vergleich der ethischen Positionen Ropohls und Zimmeriis

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Thematisierung der Zeit, nicht nur als technikbestimmte Gegenwart, sondern Zeit an ihr selber als Zeitlichkeit. Durch die Einbeziehung der Zeitlichkeit ist nämlich der Konstitutionshorizont menschlich-bedingter Freiheit angesprochen. Es wäre interessant, eine theoretisch-systematische Einbeziehung des Zeitverständnisses für Zimmeriis Ethik durchzuführen. Bei ihm selbst ist die Zeit aber, wie das Gefühl, eher faktisch thematisch, zuweilen ist sie auch theoretisch aufgenommen, also auf der zuvor erwähnten zweiten Ebene, nicht aber metatheoretisch, also auf der zuvor erwähnten dritten Ebene. Dennoch kann man die Bedeutung der Zeitlichkeit für ein Ethikverständnis aus seinen vielfaltigen Äußerungen etwa folgendermaßen erschließen: Die Zeitlichkeit qualifiziert das neue Denken und Handeln als Tätigkeit. Damit ist diese zugleich die Basis der Verantwortlichkeit des Menschen. Bei Zimmerli ist die menschliche Freiheit insbesondere durch die Zeit in der Dimension der Zukunft bestimmt. Zeitlichkeit ermöglicht Gestaltung. Durch diesen Zusammenhang der Zeitlichkeit mit Denken und Handeln gewinnt der Charakter der Wirklichkeit überhaupt die Gestalt von Tätigkeit. Nicht von ungefähr kulminiert bei Zimmerli Philosophie in Ethik. Dann wird aber auch deutlich, warum dem Nichtwissen entscheidende Bedeutung zukommt, warum dieses weder die menschliche Freiheit noch die menschlichen Fähigkeiten schmälert, sondern geradezu steigert. Tätigkeit als solche hat das zu Wissende immer vor sich. Sie selbst bewegt sich im Raum eines Noch-nicht-Wissens, mehr noch, solcherart bringt sie mögliche Gegenstände des Wissens durch Gestaltung des Raums des Nichtwissens hervor. Obwohl Zimmerli solches Fundamentierungspotential für eine Ethik nicht ausschöpft, indem er seine Definition von Technik als Realisierungsform menschlicher Freiheit nicht in theoretischen Bezug zu Zeitlichkeit setzt, wird deutlich, inwiefern sich durch diese Andeutungen des handelnd-tätigen Charakters von Wirklichkeit sein Freiheitsverständnis toto coelo von demjenigen Ropohls unterscheidet. Während Ropohl Technik als essentiell für die menschliche Freiheit ansieht, hat sie für Zimmerli nur instrumenteilen Stellenwert. Bei Zimmerli hat der Mensch nicht die Freiheit zur Gestaltung als solcher, also etwa zur Technik, sondern nur zum „wie" der Gestaltung. Die Gestaltung als solche steht ihm nicht frei, dazu ist er verpflichtet. Er muss handeln, er handelt faktisch, denn auch jegliches Unterlassen ist eine Handlung. Anders dagegen bei Ropohl. Weil die Freiheit mit Technik identifiziert wird, fehlt eine die Technik transzendierende Ebene, die eine Unbedingtheit der Freiheitsforderung in Geltung setzen könnte. So hat man bei Ropohl nicht nur die Freiheit zum „wie" der technischen Gestaltung, sondern überhaupt zur Technik, man hat auch die Wahl zum „dass" der Gestaltung, weil die Unbedingtheit der Forderung fehlt. Dass ein solches Freiheitsverständnis nicht trägt, kann nun aber mittels theoretischem Einbeziehen der Zeitlichkeit begründet und gegenüber Ropohl angemahnt werden. Es ist die Zukunft, die Zukünftigkeit des Menschen, die ihm keine Wahl lässt.

310

Die Funktion der Anthropologie für die Technikethik

Der Vergleich beider technikphilosophischer Ansätze hinsichtlich ihrer Gemeinsamkeiten als auch der daran zutage tretenden Unterschiede hat somit gezeigt, dass der Horizont, das heißt die inhaltlich bestimmte Sicht des Menschen, seiner Freiheit und damit der ihn betreffenden Wirklichkeit, auch über die Inhalte einer Theorie entscheidet. Infolgedessen bestimmt aber die theoretische Einbeziehung des anthropologischen Interpretationshorizontes auch die Qualität einer Theorie. Ihre Güte erweist sich zunächst in der Anerkennung der grundlagentheoretischen Funktion des Verständnisses von Menschsein16 und sodann in deren theoretischer Entfaltung.17

Kapitel II Die Bedeutung einer transzendentalen Wirklichkeitssicht Die Wirklichkeitssicht von Zimmerli und Ropohl ist diametral verschieden. Meine These ist nun, dass diese grundlegende inhaltliche Verschiedenheit der Wirklichkeitssicht im unterschiedlichen Interesse beider an einer transzendentalen Fragestellung begründet liegt. So lässt m.E. die Einbeziehung der Zeitlichkeit durch Zimmerli auf einen transzendentalen Verstehensversuch des Menschseins und der Wirklichkeit schließen. Materialiter deutet Zimmeriis Festhalten an der Letztbegründung der Verantwortung durch das Individuum darauf hin. Ist diese Vermutung eines Transzendentalinteresses Zimmeriis begründet? Dieser Behauptung stünde jedenfalls nicht entgegen, dass Zimmeriis theoretische Darlegung seines Philosophie- und Ethikverständnisses gerade durch die Vernachlässigung einer expliziten transzendentalen Fragestellung und Grundlegung gekennzeichnet wurde. Als vernachlässigte kann die Fragestellung überhaupt nur geltend gemacht werden, wenn sie de facto implizit Zimmeriis Wirklichkeitssicht prägt. An eine Theorie, die sich solchen Fragestellungen entzieht - wie diejenige Ropohls - , ist die Feststellung eines transzendentalphilosophischen Defizits ein von außen herangetragenes Urteil, zu dessen Entkräftung eine Umstrukturierung der in Anschlag gebrachten Voraussetzungen nötig wäre. Eine Rekonstruktion wäre nur schwer möglich, es sei denn um den Preis einer Uminterpretation der expliziten Absicht des Autors. Nicht so hingegen, wenn - wie bei Zimmerli - die transzendentale Fragestellung immer mitschwingt, nur nie explizit zu theoretischer Entfaltung gelangt. Dann wird durch explizite Supplierung solcher Fragestellung der Charakter der Theorie und die Tragweite ihrer

16

Dies entspricht der genannten zweiten, theoretischen Ebene.

17

Dies entspricht der genannten dritten, metatheoretischen Ebene.

Die Bedeutung einer transzendentalen Wirklichkeitssicht

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Inhalte zuallererst in den richtigen Blickwinkel gerückt bzw. zuallererst sichtbar. Dass es sich tatsächlich so verhält, zeigt sich an der faktisch hohen Bedeutung, die das Element der Zeitlichkeit in den Reflexionen Zimmeriis spielt, die als solche konstitutionsreflektierenden Rang erhält. Denn die Rekonstruktion eines transzendentalen Verständnisses der Zeit für die Existenz des Menschen und dessen Wahrnehmung seiner Wirklichkeit dient offensichtlich geradezu als Schlüssel für ein Verständnis der umfassenden Tragweite seiner Philosophie- und Technikethikkonzeption. Der Universalitätsanspruch von Ethik kann sich nur durch den konstitutiven Faktor der Zeitlichkeit und der daraus folgenden Bedingung des Nichtwissens für die Wirklichkeit ergeben. Es ist der zeitliche Charakter des Daseins in der Welt, der nicht dem Wissen, sondern dem Nichtwissen oder besser dem zu Wissenden, den Rang eines Machtfaktors einräumt. Damit ist der WirklichkeitszugrifF eo ipso als Tätigkeit, als tätige Bewegung, bestimmt. Diese These der Begründung der grundlegenden inhaltlichen Unterscheidung im unterschiedlichen Interesse an der transzendentalen Fragestellung soll in Stichpunkten anhand der Erinnerung an die Kulminationspunkte beider Theorien veranschaulicht und verifiziert werden. Sowohl Ropohl als auch Zimmerli beklagen ein Theoriedefizit, Ropohl bezüglich der Technik, Zimmerli bezüglich der Bedeutung der Philosophie. Jener sucht nach einem Eingebundensein der Technik in den gesellschaftlich-kulturellen Zusammenhang, dieser fragt nach dem Warum des Bedeutungsverlusts von Philosophie. Beide gehen von einer bestimmten Überzeugung aus, nämlich der Wahrnehmung der Prägung gegenwärtiger Kultur und Gesellschaft durch Technik als auch der Bedeutung der Technik für menschliches Handeln. Beide führt die technische Bestimmtheit des Handelns zur Ausarbeitung einer Technikphilosophie bzw. Technikethik, bei Ropohl die Entdeckung der Omnipräsenz von Technik, bei Zimmerli die Entdeckung der Technologie als neuer Kulturtechnik bzw. der epochalen Verschiebung von der Einheit des Begriffs zur Einheit der Technologie. Beide sehen in der technischen Bestimmtheit des Handelns ein anthropologisches Grunddatum gegeben, das nun, im Zeitalter der Technologie, sich anschickt, zum Deutungsmuster von Wirklichkeit überhaupt zu werden. Ropohl nimmt von daher die Technik als Grunddatum, um den Zusammenhang von Wirklichkeit zu sehen und zu verstehen. Sie ist bei ihm der Ausgangspunkt, um sowohl die Vorstellung der zwei Kulturen als auch die einer Separierung der Wissensbereiche zu entkräften. Das Handeln im Handlungssystem veranschaulicht eine solche integrative Vorstellung der Kultur. Seine „Allgemeine Technologie" dient so als Verstehenshorizont für die Etablierung einer Interdisziplinarität, die sich, gleich wie bei Zimmerli, an einem integrativen Verständnis von Wissenschaft orientiert. Auch Zimmerli dient die Technik bzw. die Technologie zunächst einmal als Deutungsmuster der eigenen Gegenwart. Schnell wird sie so auch selbst zum Interpretationsobjekt, da sie ja genau das die Gegenwart beherrschende Zeitphänomen ist. Dies zeigt sich

312

Die Funktion der Anthropologie für die Technikethik

sogar in solch beherrschender Form, dass sie quasi als Prothese des Menschseins aufgefasst werden kann, so etwa in dem Bild des Mensch-MaschineTandems als die Bewährungsgestalt gegenwärtigen Existierens. Damit scheinen sich wiederum auf den ersten Anschein Zimmerli und Ropohl im Duktus und in der Zielrichtung ihrer Gedanken kaum zu unterscheiden. Es scheint gleichermaßen eine Verflechtung von Technik, Mensch und Gesellschaft vorzuliegen, ob nun das Individuum in ein Mensch-Maschine-Tandem oder in ein Handlungssystem als Mensch-Maschine-System eingebunden ist. Die bei Zimmerli so abgebildete Verflechtung sämtlichen Handelns und Seins des Menschen mit Technologie entspricht aber nur auf den ersten Blick einem ebensolchen Verflechtungsverständnis, wie es in Ropohls Mensch-MaschineSystem als Handlungssystem intendiert ist. Im Mensch-Maschine-Tandem bleibt der Mensch bei Zimmerli von der Maschine definitiv unterschieden. Er steht quasi in einem komplementären Verhältnis zu dieser. Im systemtechnischen Handlungssystem Ropohls ist das handelnde Individuum dagegen selbst affiziert oder sogar eingeflossen in systembedingte Handlungsprozesse, die dem Einzelnen als Gestaltungsraum entzogen sind. Im Mensch-MaschineTandem Zimmeriis ist das Individuelle, das als solches Bestand behält, miterfasst, während es im Mensch-Maschine-System Ropohls in das Allgemeine unterschiedslos eingeebnet ist. Allenfalls außerhalb seiner theorieimmanenten Relationierungen werden individuenbezogene Probleme, wie etwa die Erziehung zu Wertbewusstsein, erwähnt. Für beide zentral ist im Hinblick auf Technik das Problem der Verantwortung. Hier zeigt sich nun deutlich der Unterschied der anthropologischen Voraussetzungen. Ropohl sieht Verantwortung zwar als relationalen Begriff, meint aber solche Relationen unproblematisch mit institutioneller Einbindung abdecken zu können. Zimmerli dagegen beharrt auf der Letztgültigkeit einer individuellen Verantwortung, und zwar dadurch, dass er auf der Einbeziehung der Gesinnung besteht.18 In der Einbeziehung der Gesinnung zeigt sich wiederum die Rückbindung der Verantwortung an das Gefühl und damit auf den individuellen vorwissenschaftlich geprägten Bereich des Menschen, in dem auch die jeweiligen Weltanschauungen bzw. Religionen wurzeln. Diese anthropologische Unterscheidung zieht sich fort im Hinblick auf die Wertorientierung von Entscheidungen. Das Festhalten an Rationalität und dementsprechend das Hinarbeiten auf einen Minimalkonsens scheint für Ropohl kein theoretisches, sondern allenfalls ein praktisches Problem zu sein, initiiert durch den Pluralismus von Werten und Weltanschauungen und dem daraus folgenden Defizit des Angebots an „allgemeinen" Werten. Für Zimmerli hingegen ist zwar auch ein Festhalten an Rationalität und Konsens selbstverständliche

18

Es sei „zur Gesinnungsfrage geworden, Verantwortungsethiker zu sein" (Zimmerli, Die Herausforderung der Geisteswissenschaften, 52).

Die Bedeutung einer transzendentalen Wirklichkeitssicht

313

Bedingung theoretischer Verständigungsmöglichkeit, aber es finden sich bei ihm Zusatzüberlegungen, die diese Selbstverständlichkeit in Frage stellen. Solche Zusatzüberlegungen betreifen die Frage der Verbindlichkeit von Werten und der Favorisierung eines Konkurrenzkampfes der verschiedenen Werte, der seine eigene Notwendigkeit zu haben scheint. Mit diesen Propositionen hält Zimmerli wiederum unter der Hand an der gefühlsbezogenen Verbindlichkeit von Werten fest, die allerdings in einer gewissen Disparatheit zur Forderung eines rationalen Minimalkonsenses bezüglich gemeinsamer Prinzipien19 stehen. Diese Disparatheit mag er einerseits empfinden. Sie kann ihn aber andererseits aus theoretischen Gründen kaum stören, zum einen, da er sie auf verschiedenen Ebenen ansiedelt, nämlich einmal der inhaltlichen des Gefühls und dann der formalen des rationalen Konsenses, zum anderen da solche offenen Bezüge zu seiner Propagierung des ungenauen Denkens passen. Unter dem Eindruck dieses Konzeptes sieht er möglicherweise keine Veranlassung, die Gefuhlsbezogenheit der Verantwortung mit den übrigen Bedingungen der Verantwortung, wie der Forderung von Plausibilität und rationalem Nachvollzug, zusammenzubringen. Problematisch ist bei beiden also die Begründung der Verbindlichkeit von Verantwortung. Bei Ropohl fehlt dafür überhaupt das ethische Fundament, bei Zimmerli das begriffliche Instrumentarium. Nun fände sich das begriffliche Instrumentarium, um etwa die Position gefühlsbezogener Verbindlichkeit theoretisch aufarbeiten zu können, ausgerechnet bei Ropohl. Mittels seiner Denkfigur der Allgemeinheit von Perspektivität20 könnte er nämlich die Notwendigkeit erkenntnistheoretischer Perspektivität allen menschlichen Erkennens und damit auch der notwendigen Perspektivität - und damit eben der Nichtverallgemeinerbarkeit - der potentiellen Postulierung von Verbindlichkeit einfordern. Ropohl selbst würde allerdings eine solche Postulierung der theoretischen Erkenntnisbasis individueller Verbindlichkeit ablehnen, denn diese widerspräche seinem Moral- und vor allem seinem Religionsverständnis. Ropohl bietet hinsichtlich seines Religionsverständnisses nämlich eine bemerkenswerte Argumentationskette. Abgesehen davon, dass er allein durch sein Verständnis von Menschsein schon auf eine Suspendierung der Ethik gefuhrt wird, zeigt sich diese Konsequenz ebenfalls anhand seines Religionsverständnisses.21 Moral ist bei ihm in gewisser Weise ein Exekutionsbegriff, der sich entweder auf die Religion oder auf das Recht beziehen kann. Dieser Bezug ist austauschbar, denn die Religion scheint bei Ropohl reinen Sanktionscharakter zu haben. Allerdings könne sie diesen im Zeitalter der Säkularisierung, durch den dort entstandenen Autoritätsverlust, nicht mehr ausüben. Insofern muss dieser nun

19 20 21

Vgl. Zimmerli, Eine Stufe höher steigen, 12. Vgl. o. Teil C, Kap. III (S. 95ff.). Vgl. o. Teil C, Kap. IV.3.3. (S. 125ff.).

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Die Funktion der Anthropologie für die Technikethik

durch das Recht übernommen werden. Recht und Moral können sich aber bei Ropohl - und zwar infolge der Beimessung paralleler Bedeutung von Religion und Recht - durch ihren Gegenstandsbereich nicht unterscheiden. Wenn nämlich der Impetus von Moral immer Sanktionierung ist, so kann diese konsequenterweise gleich durch Recht ersetzt werden. Es findet sich also eine Gleichschaltung von Recht und Moral, insofern die Religion von ihm offensichtlich als mindere und schwache Form von Recht bezeichnet werden kann. Mit dieser Anschauung verabschiedet er explizit und mit Verve etwaige weltanschauliche Positionierungen des Verständnisses von Menschsein und damit eben auch des moralischen Impetus. Jedoch verweist allein der Modus der Emphase einer solchen Verabschiedung weltanschaulicher Konditionen seinerseits auf einen gefühlsbetonten, sprich weltanschaulich gebundenen Hintergrund solcher Verabschiedung. Dieser findet sich denn auch m.E. in seiner Ontologie der Technik, die eine technikjenseitige Rationalität verbietet. Damit verbietet sie aber zugleich auch jegliche transzendentale Fragestellung oder Bearbeitung der Theorie.

Kapitel III Metatheoretische Bedeutung einer anthropologischen Fundierung Aus den Untersuchungen der beiden letzten Kapitel kann man zweierlei ersehen: Zum einen wird deutlich, dass das implizite Menschenbild ausschlaggebend für den inhaltlichen Charakter einer Theorie ist. Dementsprechend weist Zimmeriis Philosophieverständnis, das von einer Gefuhlsverhaftung und damit einer religiösen Bindung des Menschen ausgeht, auf das Interesse einer transzendentalen Fragestellung, Ropohls Philosophieverständnis dagegen, das solche Bindungen des Menschseins dezidiert ablehnt, nicht. Zum anderen aber wird ebenfalls deutlich, dass die Vernachlässigung der theoretischen Explikation solch grundlegender theoretischer Bestimmungen des Verständnisses von Menschsein jede Theorie ihrer unzulänglichen Begründungsstruktur überfuhrt. Das Aufspüren anthropologischer Grundannahmen erweist sich somit als Schlüssel zur Interpretation jeder Theorie in doppelter Hinsicht: Einmal geben anthropologische Grundannahmen Aufschluss über die inhaltliche Ausrichtung und Zielrichtung der Aussagen, zum anderen aber erweisen sie sich als Detektoren für begriffliche und begründungstheoretische Aporien oder Unklarheiten. Dies kann man an folgenden Sachverhalten noch einmal veranschaulichen. Bei gleicher Betonung der allumfassenden Bedeutung der Technologie und der Durchdringung von Technik, Gesellschaft, Mensch, Wirklichkeit und Geist -

Metatheoretische Bedeutung einer anthropologischen Fundierung

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bei Ropohl in den Ausfuhrungen über technische Emergenz22, den Phänomenen der Segregation und Aggregation23, bei Zimmerli etwa in den Ausführungen über die Information, die in ihrer Verbindung von Geist und Materie als dritter Form von Wirklichkeit anzusehen ist24 - könnte man nun eine gleichermaßen postulierte Infiltrierung des Menschseins durch Technik erwarten und damit der Wertung der Autonomiefähigkeit des Subjekts. Dennoch findet sich bei Ropohl und bei Zimmerli diesbezüglich eine unterschiedliche Gewichtung. Nur bei Ropohl ist das Menschsein rein technisch, geradezu als technisches Subjekt, bestimmt, während hingegen bei Zimmerli sich der Mensch als Subjekt geradezu dadurch ausweist, dass er jenseits seiner technischen Fähigkeiten betrachtet wird. Seine Autonomie gewinnt der Mensch nämlich gerade aus dem Überschuss oder der Abweichung dessen, was technikinduzierte Systeme auch können. Und es sind genau diese technikjenseitigen Kapazitäten, die den Rekurs auf ein nicht allgemein vermittelbares Bewusstseinsfundament erfordern. Genau daraus resultiert dann auch die vermeintliche Ungenauigkeit.23 Diese unterschiedliche Bestimmung des Subjekts, als technisch oder als in spezifischer Weise gefuhlsbestimmt, ist eben genau durch ein der Theoriekonzeption vorhergehendes, jeweils unterschiedliches Verständnis von Menschsein hervorgerufen worden. Dieses bestimmt dann, durch die unterschiedliche Betonung des Menschen als autonomes Subjekt, seinerseits die unterschiedliche inhaltliche Ausrichtung des Technikethikverständnisses, bei Zimmerli die Betonung der Letztverantwortung des Individuums, bei Ropohl die nivellierende Relativierung der fundierenden Bedeutung des Individuums für den Verantwortungsprozess. Damit hat sich also das Verständnis von Menschsein als grundlegend für die Bestimmung des inhaltlichen Charakters der jeweiligen Theorie erwiesen. Mit meta- oder fundamentaltheoretischem Anspruch müsste genau diese grundlegende Funktion des Verständnisses von Menschsein für die Theorie immer auch explizit gemacht werden. Durch Explizierung der anthropologischen Grundlegung der eigenen Theorie könnten sowohl Zimmerli als auch Ropohl demnach ihrer grundlagentheoretischen Aporien entgehen. Zimmerli könnte einer solchen entgehen bezüglich der Letztverantwortung des Individuums, die er nur behaupten, Ropohl bezüglich der Plausibilität des Verantwortungsverständnisses, die er nicht zwingend einfordern kann. Zimmerli kann die

22 23 24 25

Vgl. Ropohl, Ethik und Technikbewertung, 9ff., 237, 241. Vgl. o. Teil C, Kap. II.4.1. (S. 74ff.). Vgl. Zimmerli, Information als Kultur, in: Information eine dritte Form von Wirklichkeit, 39-52. Hier kann man zweifellos an das Gefühl in Schleiermacherschem Sinne des unmittelbaren Selbstbewusstseins denken, das die Steuerungsbasis für alles gegenständliche Denken und Handeln abgibt.

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Die Funktion der Anthropologie für die Technikethik

individuelle Begründung von Verantwortung nur appellativ zur Geltung bringen, weil er die mit der individuellen Fundierung verbundenen theoretischen Konsequenzen wie Perspektivität und Reflexivität nicht theoretisch einführt und expliziert. Dadurch verschwimmen dann seine weiteren Eckpfeiler, nämlich sein Kunstgriff des strategischen Einsatzes intellektuell zweideutiger Begriffe wie ungenaues, abschätzendes, kreatives Denken. Diese Begriffe könnten aber genau, wie eben ausgeführt, die von ihm ursprünglich intendierte Attraktivität erreichen und weitere wichtige Reflexionsanstöße geben, durch Vervollständigung seiner Theorie mittels der anthropologischen Fundierung. Ropohl seinerseits kann sein Verantwortungsverständnis nicht plausibel machen. Dies gelänge ihm nun allerdings auch nicht durch Offenlegung und theoretische Grundlegung seines Verständnisses vom Menschen, und zwar genau aus dem Grunde, weil eine solche theoretische Grundlegung seine Ethiktheorie im Ganzen desavouieren wUrde. Denn eine explizite anthropologische Grundlegung seiner Theorie würde deren verantwortungskonstitutiven Defizite offen legen. Allerdings könnte die Aufdeckung dieser fundamentaltheoretischen Sachverhalte Ropohl nun seinerseits zu einer Reinterpretation seines Verständnisses von Menschsein fuhren.

Teil F

Gegenstand und Aufgabe der Technikethik und ihres Diskurses

Kapitel I Der Gegenstand der Technikethik: Das Wissen des Nichtwissens Das Problem von Technikethik ist in erster Linie ein Problem des Verhältnisses von Wissen und „Nichtwissen". Der von Zimmerli aufgenommene sokratische Begriff des Nichtwissens soll im Folgenden in seiner möglichen metaphysischen Bedeutung betrachtet werden. Mit ihm soll die Charakterisierung unseres Daseins als strebender Wahrheitserkenntnis und Weltbemächtigung veranschaulicht sein. 1. Die Technikethik als technisches Wissen für das ethische Wissen Abgesehen von der antik-traditionellen Frage, ob Gutes durch Einsicht oder durch Gewöhnung in menschliche Handlungsschemata seine Entfaltung finden kann, hat sich die vorliegende Untersuchung in erster Linie über diesen Streit hinausgehend, bzw. eigentlich diesem vorangehend, der Frage zugewendet, worauf sich überhaupt das Urteil der Güte bezüglich eines möglichen Gegenstandes der Ethik beziehen könnte. Ergebnis der Untersuchung ist, dass sich ein solches Urteil offensichtlich immer nur auf ein Gesamtverständnis von Wirklichkeit, das an ein je bestimmtes Daseinsverständnis gebunden ist, beziehen kann, aus der dann dessen Perspektivität resultiert. Nun muss sich dieses Urteil aber auch in konkreten Handlungen bewähren. Das heißt, das Ausrichtungswissen bezüglich einer Handlung entbindet nicht, das Handlungsmaterial in seiner Komplexität und in seinem problematischen Charakter zur Kenntnis zu nehmen. Erst beides zusammen, die Reflexion auf die je eigene Ausrichtung und die Kenntnis der prinzipiellen Problematik des Sachgehaltes des Handlungsgegenstandes, kann zu konkreten ethischen Urteilen fuhren. Behält man dieses sich gegenseitig bedingende Geflecht von Technik und Ethik im Blick, dann muss das geläufige Verständnis von Technikethik um

318

Gegenstand und Aufgabe der Technikethik und ihres Diskurses

eine Dimension erweitert werden. Der Begriff Technikethik bedeutet dann nicht nur, ethische Überlegungen im Hinblick auf Technik und ihre Verantwortbarkeit anzustellen, sondern er zeigt auch umgekehrt eine Qualifizierung des Ethikverständnisses durch ein konstitutives Verhältnis zur Technik an. Technisches Handeln ist dann nicht nur als solches zu begreifen, für das Verantwortung übernommen werden muss, sondern es läge in der Konsequenz des genannten Technikethikverständnisses, Technik geradezu als die Voraussetzung ethischer Verantwortung zu begreifen. Voraussetzung für einen qualifizierten Verantwortungsbegriff ist es schließlich, Folgen abschätzen zu können. Eine Verantwortungsethik ist dadurch qualifiziert, dass sie auf die Folgen achtet. Verantwortung kann also überhaupt nur übernehmen, wer Folgen abschätzen kann. Dazu ist ein Wissen um Regeln nötig. Genau solches Regelwissen aber bezeichnet technisches Wissen. Nur technisches Wissen kann das Erreichen oder Verfehlen von Zielen beurteilen, und dies zeichnet die Verantwortungskompetenz von Menschen aus. Damit erweist sich technisches Handeln als wesentliche Voraussetzung für ethisches Handeln. Technikethik bezeichnete damit nicht nur eine Ethik der Technik, sondern es wäre außerdem ein analytischer Begriff, der die Grundvoraussetzung für ethisches Handeln als Bedingung der Möglichkeit menschlicher Verantwortung ausspricht.1 2. Die Technikethik als ethisches Wissen der prinzipiellen Begrenztheit des (technischen) Wissens Dieser Beschreibungszusammenhang eines ethischen Urteils verweist somit auf die Bedeutung des technischen Wissens für das ethische Wissen. Nun ist technisches Wissen Voraussetzung jeglichen ethischen Urteils, nicht nur desjenigen, das sich auf einen Artefaktzusammenhang von Technik in ihrer disziplinaren Gestalt bezieht. Gerade aber im Hinblick auf diesen Zusammenhang erfährt die Beziehung von Technik und Ethik eine charakteristische, ihr jeweiliges Wesen explizierende Zuspitzung. Denn es ist gerade der Wissensbegriff, der sich als der für die Technik spezifische Problembegriff herauskristallisiert hat. Technik vereinigt Wissen und Können. Nun wird aber dem Wissen prinzipielle Unvollständigkeit kontestiert. Damit wird zuallererst die ethische Problematik einer Ethik der Technik in disziplinarem Sinne augenscheinlich. Hat

1

Hierin sieht auch etwa E. Herms das entscheidende Argument für die Notwendigkeit von Wissenschaft und Technik für das Sein von Menschen, die sich seiner Meinung nach weniger aus der Angewiesenheit des Menschen auf die Leistungen der Technik für sein leibhaftes Überleben ergibt, „als vielmehr daraus, daß Wissenschaft und Technik für die Verantwortungsfähigkeit des Menschen mit grundlegend sind" (E. Herms, Das Ethos der Verantwortung in Wissenschaft, Technik und Kultur aus evangelischer Sicht, in: W.A.P. Luck [Hrsg.], Verantwortung in Wissenschaft und Kultur, Berlin 1996, 120-145).

Der Gegenstand der Technikethik: Das Wissen des Nichtwissens

319

sich die Ethik sonst nur mit einer gewissen unvollständigen Kenntnis von Sachverhalten zu begnügen, der sie eben notgedrungen Rechnung tragen muss, so wird nun bei der Technikethik diese Unvollständigkeit von Wissen selbst zum Thema ihres Urteilsgegenstandes. Technikethik ist programmatisch eine Ethik, die sich auf die Begrenztheit von Wissen bezieht. Aus dieser Beschreibung des Sachzusammenhangs von Ethik, Technik und der Begrenztheit des Wissens gewinnt Zimmeriis Thematisierung des Nichtwissens wirklichkeitsbeschreibendes Gewicht. Die prinzipielle Begrenztheit des technischen Wissens wäre insofern nichts anderes als Ausdruck der Wirklichkeit als solcher, die wesentlich als Nichtwissen gekennzeichnet ist. Dass nun andererseits die technische Begrenztheit besonders ins Auge sticht und schmerzt, hat zwei Gründe, einen theoretischen und einen praktischen. Der theoretische Grund besteht darin, dass es eben gerade der Technik um vollständiges Wissen, um Präzision, Sicherheit und Funktionstüchtigkeit geht. Zur Definition von Technik gehört es, dass diese ihre Ziele durch Wissen und Können sicher erreicht. Sie bezieht sich daher per definitionem gerade nicht auf Nichtwissen. Und damit ist man beim zweiten, beim praktischen Grund. Gerade weil die Technik sich definitionsgemäß nicht auf das Nichtwissen, sondern auf Wissen richtet, hat dies zur praktischen Konsequenz, dass diese auch immer wieder an ihrem Vollständigkeitsanspruch scheitern muss. Dies zeigt sich in dem mit der Technik korrelierten Begriff des Risikos. Der Begriff des Risikos ist von daher ein technikimmanenter Begriff, der nun aber seinerseits die Technik selbst an den auch ihr zugrunde liegenden Charakter der Wirklichkeit ermahnt, der sich als zeitlicher, und daher dem Nichtwissen ausgesetzter, manifestiert. Diese Thematik ist in der Regel ein Stiefkind technischer Überlegungen und in gewisser Weise zu Recht. Denn, wenn Technik definitionsgemäß die Kommunikation von Wissen und Sicherheit ist, ist sie bezüglich der Risikokalkulation überfordert. Das Kalkulieren des Risikos setzt nämlich ein Interesse an der Schadensabwägung voraus, und genau eine solche erfordert aber als Bemessungskriterium eine Gesamtsicht von Wirklichkeit. Solche Gesamtsicht verweist dann eben auch ihrerseits auf die prinzipielle Unvollständigkeit technischen Wissens. Das technische Denken selbst kann aber von seinem inneren Streben her eine solche nicht akzeptieren, da es auf prinzipielle Exaktheit und im jeweiligen Rahmen eben auch auf Vollkommenheit angelegt ist. Dieses Vollkommenheitsstreben erweist sich angesichts einer Gesamtsicht von Wirklichkeit als illusionär. Genau darauf aber verweist der Begriff des Risikos. Risikoüberlegungen implizieren Schadensabwägungen und sind insofern Gegenstand ethischer Überlegungen, da Schaden und Nutzen sich nicht auf der Ebene technischer Überlegungen bemessen lassen.2 Das bedeutet nun allerdings nicht, dass die Technik sich solcher entledigen darf. Vielmehr muss sie

2

Vgl. o. Teil B, Kap. 1.1.3. und 1.4. (S. 21 ff.).

320

Gegenstand und Aufgabe der Technikethik und ihres Diskurses

sich diesbezüglich bewusst machen, dass sie auf ethische Hilfe angewiesen ist. Im Gegensatz zur Technik hat ja nun genau die Ethik den von Zimmerli so genannten Bereich des Nichtwissens, des Noch-nicht-Wissens als den Bereich der zu gestaltenden offenen Zukunft, zum Thema. Die Grenzsetzungen der Ethik ermöglichen dann wiederum die erforderlichen konkreten Kalkulationen und Grenzsetzungen der Technik. Dieses Ineinander, dieses Aufeinanderangewiesensein von Technik und Ethik, erklärt auch die genannten vielfältigen Missverständnisse bezüglich des Verhältnisses von Technik, Ethik und Freiheit. Dabei liegen diese, wie nun deutlich wird, nicht nur in einem Missverständnis von Ethik, sondern eben gerade auch in einem Missverständnis von Technik begründet. Ein solches Missverständnis drückt sich etwa auch in der Zielvorstellung Ropohls3 und anderer aus, den Hiatus zwischen ethischem und technischem Wissen abzubauen. Wenn technisches Wissen prinzipiell unvollständiges Wissen ist, dann muss auch die Kluft zwischen technischem und ethischem Wissen bestehen bleiben, sie muss daher gerade einkalkuliert werden, und zwar nicht nur, weil die Ethiker erst aufgrund entwickelter Technik wissen, welche Probleme durch diese Technik entstanden sind, sondern weil die Unvorhersehbarkeit ein die Technik - wie aber auch das Leben überhaupt - begleitender Faktor ist. Diesen wirklichkeitskonstitutiven Faktor von Kontingenz könnte man wiederum in Zimmeriis Begriff des Nichtwissens angedeutet sehen. Seine Technikethik systematisch aus seinem Begriff des Nichtwissens zu entfalten, wäre ein vielversprechender Versuch für die Entfaltung einer konstruktiven und konkreten Technikethik.

Kapitel II Perspektivität als Wirklichkeitssicht unter eschatologischem Vorbehalt Ein Ethikverständnis in christlicher Perspektive geht theoretisch explizit davon aus, dass sich Verantwortung auf eine zugrunde gelegte Bestimmung von Menschsein bezieht. In dieser theoretischen Explizität weist sie zugleich auf den Grundsachverhalt, dass Verantwortung immer unter einer bestimmten Perspektive wahrgenommen wird. Christlicherseits ist also von vornherein deutlich, dass Verantwortung eben auf ihre christliche Perspektive hin wahrgenommen wird. Dennoch gilt dann für diese Sicht zunächst nichts anderes als das, was für alle Perspektiven gilt. Verantwortung ist ein relationaler Begriff, der freie Entscheidungsfahigkeit im

3

Vgl. Ropohl, Technologische Aufklarung, 253.

Perspektivität als Wirklichkeitssicht unter eschatologischem Vorbehalt

321

Lichte selbstbewusster Selbstbestimmung voraussetzt, und diese beinhaltet eben immer eine bestimmte Perspektive. Freie Entscheidungsfahigkeit ihrerseits ist nur gegeben, wenn die gewählte Handlung unter dem Eindruck selbstbewusster, der Selbstbestimmung dienender Entscheidungskriterien Handlungsaltemativen auszuschließen vermag. Das hat die Konsequenz, dass jeder Verantwortungsbegriff, der nicht die jeweils bestimmte Wirklichkeitssicht berücksichtigt, auf der die Wertmaßstäbe beruhen, damit konstitutive Momente fiir die Verantwortung außer Acht lässt. Die Rücksicht auf diese Selbstgewissheit und das diese leitende Wirklichkeitsverständnis unterscheidet ethisch qualifizierte Handlungen von bloßem Verhalten. Sie ist daher Voraussetzung fiir einen qualifizierten Verantwortungsbegriff. Ethik in christlicher Perspektive dient einem verantwortlichen Freiheitsgebrauch. Dies unterscheidet sie nicht von philosophischer Ethik. Jedoch gibt es etwas, wodurch sich evangelische Ethik von philosophischer grundlegend unterscheidet. Sie unterscheidet sich bezüglich des Forums. Dieses ist nicht nur die Öffentlichkeit, aber auch nicht nur das Gewissen, sondern - traditionell gesprochen - Gott. Dieses Forum, wofür Gott steht, kann auch nicht durch das Gewissen ersetzt werden.4 Gott hat nämlich nicht nur eine formale Bedeutung ohne einer solchen ihre weitreichende Bedeutung absprechen zu wollen.5 Er repräsentiert nicht nur eine höhere oder äußere Instanz, sondern er repräsentiert auch einen bestimmten Inhalt der Verantwortung. Verantwortung vor Gott in evangelischer Perspektive bedeutet, dass sie bezogen ist auf die Erreichung der im Ursprung des Menschen von Gott gesetzten Bestimmung des Menschen. Er kann sich diese Bestimmung nicht selbst setzen. Die Erkenntnis dieser Bestimmung ist dem Menschen nämlich nicht automatisch, sondern zunächst als Aufgabe gegeben. Dabei beinhaltet diese Aufgabe einen Lernprozess, der das ganze Leben andauert. Der Widerfahrnischarakter solcher Selbsterkenntnisprozesse sträubt sich gegen eine Vorfindlichkeit diesbezüglicher Einsichten im Gewissen. So soll der Mensch in und durch das Leben zur Erkenntnis Gottes, und das heißt dann eben auch zur Selbsterkenntnis gelangen. Dies ist kein einmaliger und auch kein kontinuierlicher, schmerzloser Prozess. Zu dieser Erkenntnis kommt es nur durch Enttäuschungsprozesse. Die Revision ursprünglicher, naiver Sichtweisen ist fiir die Erkenntnis Gottes und damit fiir wahre Selbsterkenntnis konstitutiv. Es kann diesbezüglich nicht das Gewissen befragt werden, da dieses von einer jeden solcher Revision ursprünglicher

4

Für Ropohl etwa ist die Religion nur ein Sanktionsinstrument, deren Rolle in aufgeklärter Zeit vom Gewissen übernommen werden kann. Insofern habe die Religion die Berechtigung, die sie bezüglich der Ethik einmal hatte, verloren. Vgl. Ropohl, Ethik und Technikbewertung, 33 lf. Vgl. ebenfalls o. Teil C, Kap. IV.3.3. (S. 125ff.).

5

Vgl. hierzu E. Herms, „Gott im Grundgesetz" - aus evangelischer Sicht, in: ders., Kirche für die Welt, 1995,432-440.

322

Gegenstand und Aufgabe der Technikethik und ihres Diskurses

Sichtweise mitbetroffen ist. Solche wahre Selbsterkenntnis ist mit dem neuen Leben in Jesus Christus bezeichnet. In der Anwendung nun auf die oben gestellte Problematik des Verhältnisses von Wissen und Nichtwissen ließe sich die Perspektivität nun genau als Ausdruck des Sachverhalts beschreiben, dass unsere Welt- und Seinsbemächtigung prinzipiell als Teilansicht verfasst ist. Damit entspricht diese Auffassung der Ansicht, dass unsere Wirklichkeit adäquat nur unter Einbeziehung von Nichtwissen in unser Wissen beschrieben werden kann. Und dies gilt sowohl bezüglich des technischen Regelwissens als auch bezüglich des Existenzwissens. Genau mit dieser Einbeziehung von Nichtwissen in unser Wissen ist das menschliche Streben gesetzt, dem sich sowohl unsere technische Weltbemächtigung als auch unsere menschliche Vervollkommnungssehnsucht und -aufgabe verdankt. Die biblisch-christliche Wirklichkeitssicht weist nun gleichzeitig daraufhin, dass dieser Seinsverfassung unter dem Verdikt der Perspektivität ein eschatologischer Vorbehalt zugesprochen wird. Es geht also beim Glauben um das Noch-nicht-Vollendetsein in Richtung auf Vollendung.6 Damit ist im Glauben, neben dem ethischen Impetus, ein technischer Impetus angelegt. Ethischer Impetus besteht in der Anerkennung und im Überwindungswillen des defizitären Ist-Zustandes auf eine Vollendungsgestalt hin. Technischer Impetus ist damit gegeben, Möglichkeiten der Überwindung zu durchdenken und in die Tat umzusetzen. Mit dem Noch-nicht-Vollendetsein ist eine spezifische Qualifikation des Menschenbildes und des Wirklichkeitsverständnisses angesprochen. Es wird ihm eine Zielbestimmung und Orientierungsmöglichkeit gegeben dadurch, dass überhaupt etwas noch Ausstehendes, also Zukünftigkeit in Aussicht gestellt wird. Die potentielle Erreichung dieses Ziels ist aber gebunden an die Erkenntnis und Anerkennung des jetzigen Zustandes als überwindungsmöglich und überwindungsfahig. Auch das christliche Menschenbild sieht den Menschen daher unter dem Vorzeichen technischer Begabung. Ein christliches Verantwortungsverständnis muss sich von daher auch an der Qualifikation des Verhältnisses von Wissen und Nichtwissen veranschaulichen lassen können. Das kann es nun gerade bezüglich der Perspektivität. Denn es ist der Vorzug des christlichen Wirklichkeitsverständnisses, dass genau die Perspektivität der Weltsicht unter dem Vorbehalt des Noch-nicht-Wissens ihre Existenzberechtigung und ihren Essenz* bzw. Wahrheitsbezug erhält. Denn weil es die Ausdrucksgestalt weltlichen Daseins aus christlicher Überzeugung ist, das Leben, die Welt, Sehen, Wissen und Handeln unter eschatologischem Vorbehalt zu begreifen, ist damit sowohl Perspektivität als eben auch der - gerade in der Perspektivität als Per-

6

Es ist aber der Glaube eine gewisse Zuversicht des, das man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, das man nicht sieht (Hebräer 11,1).

Aufgabe der Technikethik

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spektivität enthaltene - Bezug zum Ganzen, zur Vollendungsgestalt, zur Wahrheit, etc. da. Deswegen ist es der spezifische Beitrag christlicher Theologie, auf die allgemeine Perspektivenverhaftetheit jeglichen Denkens und Handelns und damit also auf die grundsätzliche positionale Bezogenheit allen ethischen Urteilens und Handelns zu verweisen, die sie als evangelische Perspektive immer schon thematisiert. Diese Bezogenheit kann christliche Theologie als allgemeingültig geltend machen. Alle ethischen Positionen müssen sich einer solchen weltanschaulichen Bezogenheit stellen. Ist diese nicht christlich bestimmt, dann ist sie durch eine andere Wirklichkeitssicht weltanschaulicher Natur bestimmt. Das konnte insbesondere am Beispiel Ropohls verdeutlicht werden. Allerdings tut diese Positionalität eben entgegen landläufiger Meinung dem Wunsch nach Allgemeingültigkeit und Allgemeinverbindlichkeit keinen Abbruch, weil sie eben in ihrer Position als Perspektive teilhat an einer solche Perspektivität gerade ermöglichenden - Ganzsicht.

Kapitel III Aufgabe der Technikethik Unter der Voraussetzung der weltanschaulichen Gebundenheit jeder ethischen Theorie kann ein Ethikkonzept nicht akzeptiert werden, welches von folgenden Theorieelementen geprägt ist: 1. der Suche nach einem rationalen Minimalkonsens, um eine ethische Verständigungsmöglichkeit herbeizufuhren, 2. dem Versuch, eine Stufe höher zu steigen, um zu einem die individuellen Unterschiede nivellierenden Weltethos zu gelangen, 3. dem Ausgehen von der Möglichkeit der Übertragung der Verantwortung auf Korporationen und Institutionen, 4. der Überzeugung der Möglichkeit einer Nivellierung der Wertgenese, das heißt der Auffassung, dass Werte als solche, unabhängig von ihrem biographischen und sozio-kulturellen Hintergrund, Gültigkeit haben können. Gerade die Tatsache nämlich, dass Werte ihre Gültigkeit erst auf dem Hintergrund von Weltanschauung erhalten, nivelliert nicht ihren Wert, sondern erhellt ihn und verleiht ihm erst Gültigkeit. Soll aber solchen Vorstellungen gegenüber ein christliches Wirklichkeitsverständnis leitend werden, dann hat christliche Theologie und Kirche einen Bildungsauftrag zu leisten. Dieser Bildungsauftrag der Kirche richtet sich zunächst nach innen bezüglich dieser christlichen Inhalte selbst, die immer wieder aufs Neue wachgerufen und in die jeweilige Lebenssituation und Praxis hineingesprochen werden müssen. Die christliche Theologie und Kirche hat diesen Bildungsauftrag aber auch nach außen durchzufuhren im Hinblick auf die außerkirchliche Öffentlichkeit. Zu dieser Öffentlichkeitsarbeit von Theologie und Kirche gehört heute im Sozialgefuge hochkomplexer, ausdifferenzier-

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Gegenstand und Aufgabe der Technikethik und ihres Diskurses

ter pluraler Gesellschaften eben der interfakultäre Dialog. Denn zu jeder Diagnose der Entscheidungssituation und ihrer Handlungsbedingungen bedarf es Kompetenzen, zu deren Bildung der interfakultäre Dialog erforderlich ist. In diesem Dialog wird dann beides, die Erweiterung des eigenen Wissenshorizontes in Bezug auf empirisches Wissen und die Darlegung der eigenen Überzeugung von der Güte christlicher Kriterien im Hinblick auf technikethische Entscheidungen, ihren Ort haben. Gleichzeitig mit der Darlegung der eigenen Überzeugung weiß aber der christliche Dialogteilnehmer gerade um die Unverfügbarkeit, die Nichtmachbarkeit ethischen Orientierungswissens. Was ergibt sich aus dieser Perspektive hinsichtlich der Aufgabe eines interfakultären und gesamtgesellschaftlichen technikethischen Diskurses? Eine Grundlagendiskussion, in der eine gemeinsame Dialogfahigkeit und Konsensmöglichkeit aller Disziplinen thematisch sein soll, setzt eine Verständigung über den gemeinsamen Gegenstand der Diskussion voraus: die von allen geteilte eine Wirklichkeit, die man gemeinsam in verschiedener, aber aufeinander bezogener Weise gestaltet. Dabei sind aus kategorialen Gründen für Theologen auch empirische Einsichten wichtig, wenn anders auch kategoriales Wissen sich aus der Bezogenheit auf Vorgegebenes entwickelt. Es ist dabei in erster Linie Aufgabe der Theologen, sich um die Durchführbarkeit eines Dialogs zu bemühen, da ein solchermaßen geführter Dialog gerade auch zur Wahrnehmung des eigenen Gegenstandsbereiches der Theologie gehört, nämlich des Erfassens der ganzen, ungeteilten Wirklichkeit. Wie es nun aber ethisches Know-how gibt, das in Kompetenz mitgeteilt werden muss, so gibt es auch technisches Know-how, das insbesondere von Ingenieuren und Technikern, Biologen und Medizinern in Anschlag gebracht werden kann. Deshalb gibt es auch keinen Weg an der Verantwortung der Wissenschaftler vorbei. Sie behalten eine besondere Verantwortung, die ihnen nicht von Institutionen und auch nicht von Ethikkommissionen abgenommen werden kann. Vielmehr gilt umgekehrt, gerade weil Verantwortung durch die verschiedenen Wissenschaftler auch institutionell wahrzunehmen ist, fallt diesen eine doppelte Verantwortungsrolle zu, nämlich zum einen bezüglich Technik und Wissenschaft, dann aber auch bezüglich der Gesellschaft im Ganzen. Auch wenn diese Verantwortung in den Institutionen wahrgenommen wird, bleibt sie eine individuelle Verantwortung, die auch persönlich übernommen werden muss. Es stellt sich daher die doppelte Frage nach der Konstruktion und der Institutionalisierung eines solchen interfakultären Dialogs. Aus der weltanschaulichen Gebundenheit der als bestmöglich eingestuften Kriterien einer Entscheidung für die Wahl einer bestimmten Handlung folgt als Verständigungsvoraussetzung: In jeder Ethikdiskussion muss zunächst der jeweilige weltanschauliche Gewissheitshintergrund der Diskussionsteilnehmer eruiert werden. Jede Ethik muss das ihr zugrunde liegende Wirklichkeitsver-

Aufgabe der Technikethik

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ständnis explizit machen, wenn die sich auf sie gründenden ethischen Überzeugungen kommunikabel sein sollen. Das Wirklichkeitsverständnis selbst kann allerdings nicht qua Diskussion auf seine Richtigkeit überprüft werden. Ein Urteil über die Richtigkeit einer inhaltlichen Gewissheit des Handelnden kann nur von diesem selbst getroffen werden. Ethische Entscheidungen sind nicht delegierbar, sondern beruhen immer auf der jeweiligen Position des Entscheidenden. Im Diskurs kann im Hinblick auf Verständigungsbemühungen daher nur größere Klarheit bezüglich der Bedingungen eines ethischen Urteils geschaffen werden. Damit ist aber deutlich, welches Gewicht tatsächlich Positionalität auf der einen und die Gewährung ihrer Präsentations- und Wirkungsmöglichkeiten auf der anderen Seite im pluralen Streitgespräch von Technikethik haben wird. Wenn daher die Institutionalisierung eines Ethikdiskurses von elementarer Bedeutung für die gesellschaftliche Durchsetzung ethischer Einsichten ist, dann ist es von ebenso elementarer Bedeutung, auf die personelle Zusammensetzung der Diskurs- und Entscheidungsgremien zu achten, wenn eine ethische Entscheidung nicht einfach als legale Machtfrage entschieden werden soll. Es muss die Basis geschaffen werden, dass an den verantwortlichen Stellen in den Unternehmen, in Verwaltung und Politik, Personen hinzugezogen werden, die in Sachkompetenz ethisches Wissen vertreten können, und eine solche beinhaltet eine vorgängige Kommunikation technischen Wissens. Nur im Rahmen des abgeschrittenen und abschreitbaren Wissens kann auch dessen Verweis auf das Nichtwissen als der Bereich unserer Zukunft und unserer Freiheit die adäquate Zielrichtung erfahren. Technikethik wäre insofern nur an zweiter Stelle eine Ethik für Techniker, Ingenieure und Technologie. Zunächst erwiese sie ihre Kompetenz allein schon darin, Deutungsleistung für die Selbsterhellung des Menschen bezüglich seiner Stellung in der Welt zu erbringen.

Teil G

Epilog: Christlich verstandene Freiheit als Horizont von Technikethik1 Die hier vorgelegte Untersuchung ist aus christlich-theologischer Perspektive gewonnen worden. Diese Perspektive macht sich entscheidend im Freiheitsverständnis geltend. Freiheit aus christlicher Sicht ist gerade dadurch Freiheit, dass sie um ihre mögliche Verkehrung weiß und als solche die Tendenz hat, sich als autonome Freiheit misszuverstehen. Diese Gefahr scheint sich besonders nahe zu legen, wenn die wissenschaftlich-technische Gestaltungsmacht des Menschen angesprochen ist. Hier scheint die Verkehrung menschlicher Freiheit, die nach christlichem Verständnis ihres Geschenkcharakters bewusst sein und bleiben muss, auf die Spitze getrieben. Der Mensch als technischer Konstrukteur einer Gegennatur scheint sich als solcher neben den Schöpfer zu stellen. Er versteht sich nicht mehr als von diesem angesprochen, ins Leben gerufen, um alles aus seiner Hand zu empfangen, sondern er begreift die Welt als sein Material, das er nach Belieben seinen Entwürfen entsprechend formen und gestalten kann. Damit wäre Technik der Kulminationspunkt missverstandener Freiheit in christlichem Sinne. In ähnlicher Weise wird die Technik solchem Interpretationshorizont unterstellt, wenn sie, wie bei Heidegger, Indikator der Seinsvergessenheit des Menschen ist. Die Technik als Gestell demonstriert das Verfugbarmachen des Seienden durch den Menschen und ist in ihrer Vollendung als Unwesen gekennzeichnet, weil der Mensch durch diese seines eigentlichen Seins, seiner wesensmäßigen Bestimmung verlustig geht. Dieser von Heidegger diagnostizierte Aspekt der Seinsentfremdung durch die Technik2 ist von Michael Trowitzsch 1

2

Der Anstoß zu diesen hier abschließend erfolgenden Klarstellungen verdankt sich den kritischen Anfragen Oswald Bayers, die er als Desiderate bezüglich verschiedener Problempunkte angemeldet hat. Diese Punkte beziehen sich auf das Sündenverständnis, die sprachliche Verfasstheit auch allen technischen Handelns sowie dessen Abgrenzung zu einem technisch-instrumentellen Handeln, wie es sich im Begriff der Arbeit bei Karl Marx als allgemeiner Begriff der Selbstverwirklichung des Menschen niedergeschlagen hat. Auf diese Desiderate sei hier in der gebotenen Kürze, die allerdings nicht das Gewicht der Einwände mindern soll, eingegangen. Vgl. M. Heidegger, Die Frage nach der Technik, in: ders., Vorträge und Aufsätze, Pfullingen 1954; ders., Die Technik und die Kehre, Pfullingen 1962; ders., Die Zeit des Weltbildes, in: ders., Holzwege, Frankfurt a.M. 1950, 69-104.

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Epilog: Christlich verstandene Freiheit als Horizont von Technikethik

für die Theologie herausgearbeitet worden.3 Das wissenschaftlich-technische Freiheitsverständnis hat den Drang über sich hinaus zu greifen, sich selber zur Freiheit schlechthin, zur autonomen Freiheit zu machen. Dies entspricht ihrem frei schöpferischen Gestaltungscharakter, dies entspricht ihrer Eigendynamik, die dem entfesselten Besen aus Goethes Zauberlehrling gleicht. Es kennzeichnet nun den Zustand der Sünde, diese bornierte Eigendynamik des wissenschaftlich-technischen Fortschritts als ultima ratio zu begreifen. Dies ist auch dann der Fall, wo in rationaler Selbsthinterfragung vermeintlich Letztbegründungsansprüche formuliert werden. Die Sünde muss auch erkenntnis- und wissenschaftstheoretisch ernst genommen werden. Eine Technikethik, die sich nicht des Verdachts der Neglegierung des Gewichts der Sünde, des Missachtens der Anselmschen Warnung „nondum considerasti, quanti ponderis sit peccatum!" aussetzen möchte, muss geltend machen können, dass alle Autonomiebestrebungen seitens der Technik und des Wissens und nota bene wissenschafts- und erkenntnistheoretischen Fragestellungen Einhalt geboten ist durch die Berücksichtigung des Geschenks der Freiheit. Nur auf der Grundlage der Theonomisierung der Freiheit kann technische Freiheit und ebenso ethische Freiheit ihrer eigentlichen Bestimmung, Macht und Verantwortung als Gottes Zuspruch und Anspruch zu begreifen, nachkommen. Darauf ist in der vorliegenden Untersuchung Bezug genommen durch die für die Selbsterkenntnis notwendigen Enttäuschungsprozesse (explizit in Teil F, Kap. II). Der Sachverhalt der Sündenbestimmtheit in der Theorie menschlicher Freiheit und die Erfahrung ihres Befreitwerdens im Glauben muss auch in der Rede vom Denkhandeln berücksichtigt sein. Vorausgesetzt ist dann, dass solchem Denkhandeln immer bereits ein Sprachhandeln vorgängig ist. Darauf an dieser Stelle eigens hinzuweisen, verdanke ich den Anregungen Oswald Bayers. Er hat mich auf die aus meinen Analysen des Denkhandelns sich aufdrängenden Anfragen an das sich vom christlichen Glauben her stellende Phänomen der sprachlichen Verfasstheit menschlichen Daseins (Gen 2,19f.) aufmerksam gemacht, wie es sich auch in den philosophischen Konzeptionen der analytischen Sprachphilosophie4 darstellt. Das hier als Denkhandeln beschriebene Phänomen gleicht dem von J.L. Austin so bezeichneten Sprachhandeln insofern, als es genau wie dieses die Unterscheidung eines konstatierenden und performativen Aktes verlangt. Während das auf Objekte ausgerichtete, diese betrachtende und erfassende Denken, hier kontemplativ genannt, als konstituierend bezeichnet werden kann, kann das mit Denkhandeln umschriebene Phänomen des Gestalt-

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Vgl. M. Trowitzsch, Technokratie und Geist der Zeit, 1988; ders., Verstehen und Freiheit, Zürich 1981. L. Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, London 1922; ders., Philosophische Untersuchungen, 1951 (dt. 1958); J. L Austin, How to do things with words (Zur Theorie der Sprechakte), Oxford 1962 (dt. 1972).

Epilog: Christlich verstandene Freiheit als Horizont von Technikethik

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werdens der Tätigkeit durch Bezug auf zukünftige Möglichkeiten durch den Begriff des performativen Denkens ersetzt werden. Mit dem Denkhandeln soll jedoch ein Sprachhandeln nicht in Konkurrenz gesetzt, sondern ergänzt werden. Der Gedanke ersetzt nicht das Wort. Vielmehr verfährt die hier vorgetragene Analyse nach der Einsicht Wittgensteins, „dass das Sprechen der Sprache ein Teil ist einer Tätigkeit"5. Tätigkeit aber ist sowohl etwas Denken und Sprechen Umfassendes. Dies ermöglicht die Termini Denkhandeln und Sprachhandeln. Damit hätte das Sprachhandeln wie auch das Denkhandeln Wirklichkeitsbezeugende Funktion. Beide sind durch die Wirklichkeit hervorgerufen. Dabei kann nun die Wirklichkeit selbst in christlicher Terminologie als durch das Wort hervorgerufen bzw. hervorrufend angesehen werden. Das wirklichkeitskonstituierende Geschehen im Sprachhandeln hätte seinen Grund im Wort, ebenso aber auch das Denkhandeln, wobei allerdings das Sprachhandeln die direkte Abbildung des Wortgeschehens bedeutete, während das Denkhandeln seinerseits das Sprachhandeln bereits voraussetzt und die durch dieses eröffnete Wirklichkeit nun im Denken und Handeln - im Denkhandeln - ergreift und dadurch identifiziert, in der Weltgestaltung „dingfest" macht, sie verobjektiviert. Das wirklichkeitsschaffende Geschehen durch das Wort ist vor allem Denken. So geht das Sprachhandeln dem Denkhandeln voraus. Dieses steht für die Eröffnung und Identifizierung der Welt, während das Denkhandeln sich auf deren technische Gestaltung bezieht. Denkhandeln hat es dann mit der Gestaltung des zuallererst im Sprachhandeln identifizierten Raums der Möglichkeiten zu tun. Es ist das Konkret-werden-Lassen solch identifizierter Möglichkeiten. Die schöpferische Konnotation gesellt sich demnach nicht zum Denkhandeln, sondern zum Sprachhandeln. Dieses vermag neu zu schaffen, indem sein Verstehen alles bisherige Selbstverständnis in Frage stellen kann. Dies geschieht etwa auch in einer Profilierung und Korrektur des Weltbildes. Damit ist in der Tat alles Erkennen prinzipiell sprachlich verfasst und infolgedessen auch der technische Umgang des Menschen mit Welt gebunden an deren sprachliche Verfasstheit. Dies bedeutet: Der Mensch erschafft sich mittels Technik nicht seine eigenen Möglichkeiten, sondern er empfängt diese durch den im Sprachgeschehen eröffneten Möglichkeitsraum. Allein diese Eröffnungsmöglichkeiten gewähren ihm Freiheit, sprechen ihm Freiheit zu, die er jedoch dann mittels technischer Gestaltung ergreifen, verantworten und bewähren kann und soll. Technikgestaltung erhöht den Handlungsspielraum, sie schafft aber keine Möglichkeiten der Freiheit. Diese erwachsen vielmehr allein durch die im Sprachhandeln ermöglichte, weil zugesprochene Freiheit zum Handeln. Dies gilt es insbesondere gegenüber dem Arbeitsbegriff Marxscher Provenienz festzuhalten. Wie die Freiheit und die in ihr gründende Ethik in ihrer Selbstüber-

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L. Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, Werkausgabe, Bd. 1,1984, § 23.

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Epilog: Christlich verstandene Freiheit als Horizont von Technikethik

Schätzung an die Sünde erinnert werden und sich von daher in ihrem Denkhandeln vom Sprachhandeln her verstehen muss, so muss der Mensch von seinem Prometheustraum, die Überschätzung seiner Selbstvergegenständlichung und Entäußerung in Arbeit - wie bei Hegel - und gar die seiner Selbstkonstruktion durch Arbeit - wie bei Marx - gewarnt und in Schutz genommen werden. Nach Marx geht es darum, den wahren und wirklichen Menschen als Resultat seiner eigenen Arbeit zu begreifen. Der solchermaßen gekennzeichnete technische Usurpator der Wirklichkeit und seiner selbst vergisst nicht nur seine nicht durch ihn selbst einholbare Seinsgrundlage wie auch die Vorgegebenheit der Bedingungen seines Daseins, sondern - darauf insistiert Habermas6 - seine Kommunikation mit den Mitmenschen. Menschliches Handelns erschöpft sich nicht in instrumentellem technischem Weltzugriff, es ist grundlegend kommunikativ verfasst und insofern in seinem Sein mit seinem Gegenüber im Akt der Kommunikation verbunden. Der Mensch wird seiner selbst und seiner Handlungsmöglichkeiten nicht technisch, sondern kommunikativ ansichtig. Damit wäre die Philosophie mit der Theologie im Hinblick auf die sprachliche Verfasstheit menschlicher Gestaltungs- und Selbstgestaltungsmöglichkeiten übereingekommen. Dass allerdings die universale Kommunikationsgemeinschaft nicht in einem rationalen Diskurs gründet, sondern im Gemeinschaft zusprechenden Wort, das als Verständigungsgrund allen Geschehens gesehen werden muss, das nicht argumentativ er- und begründet werden kann, sondern sich j e und je ereignet, ist und bleibt das Admonitum der Theologie gegenüber solchen Verständigungsbemühungen seitens der Philosophie. Die hier vorliegende Untersuchung hat sich das Thema Technikethik gestellt. Eingedenk des hier im Epilog Angeführten nimmt sie ihren Ausgangspunkt bei der christlich befreiten Freiheit. Das macht sie an der Zugrundelegung des christlichen Daseins- und Wirklichkeitsverständnisses fest. Sie versteht ihre Ethikausführungen nicht remoto Christo. Jedoch richtet sie ihr Augenmerk auf die auch in christlicher Freiheit gegebenen ethischen und technischen Gestaltungsmöglichkeiten des Menschen. Das mag beim einen oder anderen zu Missverständnissen führen, deren Aufklärung die hier angefügten Bemerkungen Rechnung zu tragen versuchen.

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J. Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, Frankfurt a.M. 1981.

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