Widerstand mit Briefmarken: Die polnische Oppositionsbewegung und ihre Unabhängige Post in den 1980er Jahren 3506760033, 9783506760036

In den 1980er Jahren entwickelte sich in oppositionellen Kreisen der Volksrepublik Polen ein unabhängiger Publikationsum

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Widerstand mit Briefmarken: Die polnische Oppositionsbewegung und ihre Unabhängige Post in den 1980er Jahren
 3506760033, 9783506760036

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Widerstand mit Briefmarken

FOKUS NEUE STUDIEN ZUR GESCHICHTE POLENS UND OSTEUROPAS NEW STUDIES IN POLISH AND EASTERN EUROPEAN HISTORY

Publikationsserie des Zentrums für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften/Series of the Center for Historical Research Berlin of the Polish Academy of Sciences

Herausgegeben von/Series Editors Wƚodzimierz Borodziej, Hans-Jürgen Bömelburg, Maciej Górny, Igor Kąkolewski, Yvonne Kleinmann, Markus Krzoska Wissenschaftlicher Beirat/Advisory Board Hans Henning Hahn Dieter Bingen Eva Hahn Joanna Jabłkowska Kerstin Jobst Beata Halicka Jerzy Kochanowski Magdalena Marszałek Michael G. Müller Jan M. Piskorski Miloš Řezník Isabel Röskau-Rydel Izabella Surynt

Band 3

Silke Plate

Widerstand mit Briefmarken Die polnische Oppositionsbewegung und ihre Unabhängige Post in den 1980er Jahren

Gefördert mit freundlicher Unterstützung der Botschaft der Republik Polen und des Zentrums für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften durch die Auszeichnung im Rahmen des Wissenschaftlichen Förderpreises des Botschafters der Republik Polen. Umschlagabbildung: Untergrundbriefmarke der Niezależna Poczta Pomorze (1985): „Wir geben den August nicht zurück!“; Serie von Untergrundbriefmarken der Poczta Solidarność [1987]: [Teilnehmer des Warschauer Aufstandes]. Archiv der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen; FSO 2-005 Xp 1283; FSO 2-005 Xp 0111. Diese Veröffentlichung lag dem Promotionsausschuss Dr. phil. der Universität Bremen als Dissertation vor. Gutachterinnen: Prof. Dr. Susanne Schattenberg, Prof. Dr. Magdalena Waligórska-Huhle. Das Kolloquium fand am 26. Juni 2019 statt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile desselben sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlags nicht zulässig. © 2021 Verlag Ferdinand Schöningh, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland) www.schoeningh.de Einbandgestaltung: Evelyn Ziegler, München Herstellung: Brill Deutschland GmbH, Paderborn ISSN 2698-5020 ISBN 978-3-506-76003-6 (hardback) ISBN 978-3-657-76003-9 (e-book)

Inhalt

Vorwort zur Reihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ix

1.

Einleitung: Die Unabhängige Post der polnischen Oppositionsbewegung der 1980er Jahre  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Forschungskontext, Thesen und Fragestellungen der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.2 Quellen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1.2.1 Bildpublikationen der Unabhängigen Post  . . . . . . . . . . . . 12 1.2.2 Zeitzeugeninterviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.3 Methoden der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1.3.1 Zeitzeugeninterviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1.3.2 Ikonographisch-ikonologische Methode . . . . . . . . . . . . . . . 16 1.4 Gliederung des Buches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

2.

Kontextualisierung und theoretischer Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.1 Soziale Bewegung mit bildlichen Ausdrucksmitteln. Die Opposition in den 1980er Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.2 Gedächtnistheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

3.

„Wir haben hier unsere Post!“ Konnotationen der Unabhängigen Post und ihrer Briefmarken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3.1 „… das Monopol des Staates brechen“: Die Nachahmung eines staatlichen Mediums mit Repräsentationscharakter . . . 34 3.2 Historische Bezugspunkte der Unabhängigen Post . . . . . . . . . . 39 3.3 Allgemeinbildung? Expertenwissen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

4.

„Keine Hündchen oder Kätzchen“. Das Spektrum der Bildmotive in der Unabhängigen Post und die grafische Gestaltung . . . . . . . . . 47

5.

Bildmotivanalyse: Die Antizensurstempel auf Publikationen der Lagerpost  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

6.

Bildmotivanalyse: 1980. Die Entstehungsphase der Solidarność . . . 63 6.1 Die geistige und organisatorische Freiheit der Aufbruchsphase  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 6.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 6.2.1 Das Land markieren. Die übergreifende Bedeutung der Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

vi

Inhalt

6.2.2 Betriebsansichten – „Das sind wir!“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 6.2.3 Alle und einer: Eine Massenbewegung und ihr Gesicht . . 82 7.

Bildmotivanalyse: 1981. Die Verhängung des Kriegsrechts . . . . . . . 87 7.1 Das Kriegsrecht und seine Auswirkungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 7.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 7.2.1 Die Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 7.2.2 Widerstand gegen die Unterdrückung  . . . . . . . . . . . . . . . . 100 7.2.3 Widerstand mit Todesfolge: Die Erstürmung der Zeche Wujek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 7.2.4 Die internierte Solidarność . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 7.2.5 Der Krieg gegen die Bewahrer der Nation – der gekrönte Adler und die Krähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

8.

Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 8.1 Der Warschauer Aufstand: Ein Thema der Untergrundpost und der staatlichen Post . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 8.1.1 Der Warschauer Aufstand und die (in-)offizielle Aneignung in der Volksrepublik Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 8.1.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele: Typen und Individuen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 8.1.3 Schlussbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 8.2 Die Erhebungen in der Volksrepublik Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 8.2.1 Analyse ausgewählter Bildbeispiele: Darstellungen der Proteste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 8.2.2 Analyse ausgewählter Bildmotive: Jahreszahlen als identitätsstiftendes Angebot  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 8.2.3 Analyse ausgewählter Bildbeispiele: Denkmäler  . . . . . . . 199

9.

Schlussbemerkungen zu den Bildmotivanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . 207

10. Reißender Absatz. Die Attraktivität der Untergrundbriefmarken für Produzenten und Rezipienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 10.1 Die finanziellen Bedingungen im Untergrund . . . . . . . . . . . . . . . 212 10.1.1 „Eine sehr edle Form der Zusatzfinanzierung“  . . . . . . . . . 215 10.1.2 (Un-)konkrete Hinweise auf die finanziellen Zwecke . . . . 225 10.1.3 Harte Devisen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 10.1.4 „Ein rein merkantiler Anreiz für Privatpersonen“ . . . . . . . 231 10.1.5 Ein edles Stück oder eine Raubproduktion? Die Diskussion über Unterscheidungskriterien  . . . . . . . . . . . . 237

Inhalt

vii

10.2 Beliebte Sammelobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 10.2.1 Untergrundphilatelie – Sammeln um jeden Preis . . . . . . . 241 10.2.2 Wiederholte Rezeption: „Das zog einen hinein“ . . . . . . . . . 243 10.2.3 Ein Sammler blieb selten allein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 10.2.4 Subversiv bis in die offizielle Sphäre? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 10.3 Die Vorzüge des „graphischen Telegramms“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 10.4 Fazit: Die Beliebtheit der Untergrundbriefmarken  . . . . . . . . . . 255 11.

Protest mit Nominalwert: Schlussbetrachtungen  . . . . . . . . . . . . . . . 257 Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Abbildungsverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Quellen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Graue Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Darstellungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309

Publikationsreihe des Zentrums für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften FOKUS. Neue Studien zur Geschichte Polens und Osteuropas In dieser Buchreihe erscheinen wissenschaftliche Monographien und Sammelbände, die der neuesten Forschung zur Geschichte Polens und Osteuropas gewidmet sind. Die darin veröffentlichten Arbeiten verbinden verschiedene Disziplinen der Kultur- und Sozialgeschichte. Auch wenn der thematische Schwerpunkt der Reihe auf Polen und Osteuropa liegt, so sollen in ihr doch Arbeiten erscheinen, die die Vergangenheit dieses Teils unseres Kontinents im Rahmen einer möglichst breiten Forschungsperspektive behandeln und auf diese Weise die Forschung zu ähnlichen Themen anderer Regionen Europas inspirieren. In der Buchreihe FOKUS: Neue Studien zur Geschichte Polens und Osteuropas erscheinen u. a. auch herausragende akademische Qualifikationsarbeiten, wie z. B. für den Wissenschaftlichen Förderpreis des Botschafters der Republik Polen in Deutschland eingereichte Dissertationen.

Kapitel 1

Einleitung: Die Unabhängige Post der polnischen Oppositionsbewegung der 1980er Jahre Nach der Verhängung des Kriegsrechts in der Volksrepublik Polen am 13. Dezember 1981 sah sich die breite Oppositionsbewegung gezwungen, ihre Aktivitäten in den Untergrund zu verlegen. Das Überleben der Bewegung, die maßgeblich von der nunmehr verbotenen Unabhängigen Selbstverwalteten Gewerkschaft Solidarność (Niezależny Samorządny Związek Zawodowy – NSZZ Solidarność) geprägt wurde, hing wesentlich von der Fähigkeit ihrer Akteure ab,1 das eigene Selbstverständnis und Bewusstsein für ihre Ziele aufrechtzuerhalten und zu stärken sowie die unterschiedlichen oppositionellen Gruppen zu integrieren. Diesem Ziel dienten offensichtlich auch „Untergrundbriefmarken“ einer „unabhängigen Post“, die unterschiedliche oppositionelle Organisationen ab 1982 im illegalen, unabhängigen Publikationsumlauf, dem sogenannten Zweiten Umlauf (drugi obieg), herausgaben. Die „unabhängige Post“, ihre „Untergrundbriefmarken“ und anderen postalischen (Bild-)Medien sind der Gegenstand dieser Untersuchung.2 Dabei handelte es sich offenbar nicht um ein vorübergehendes Randphänomen, worauf ein anonymer „Untergrundphilatelist“ mit Nachdruck in einem ganzseitigen Interview hinweist, das im April  1985 in einer der auflagenstärksten Wochenzeitungen im Untergrund, dem Tygodnik Mazowsze,3 abgedruckt wurde.4 Wie er schildert, würden derzeit in ganz Polen „Untergrundbriefmarken“ einer „unabhängigen Post in der Volksrepublik“ zirkulieren, 1 In dieser Untersuchung wird die Form des generischen Maskulinums verwendet, wenn es um gemischtgeschlechtliche Gruppen geht oder das Geschlecht nicht bekannt ist. Geht es konkret um Frauen, wird die feminine Form verwendet. 2 Für die bessere Lesbarkeit wird im Folgenden auf die Anführungszeichen verzichtet (dies gilt auch für die Begriffe Streikpost, Interniertenpost, Lagerpost und Untergrundpost) und der Begriff Unabhängige Post groß geschrieben, es sei denn, es handelt sich um die Wiedergabe der Schreibweise eines Zitats. Die Übersetzung des polnischen Wortes „poczta“ lautet „Post“. 3 Schätzungen zufolge erschienen die Nummern des Tygodnik Mazowsze in einer durchschnittlichen Auflage von 30.000 bis 50.000 Exemplaren, siehe Olaszek, Tygodnik Mazowsze, S. 65-85, hier 79. 4 [o. Verf.], Poczta Solidarności, S. 3, Archiv der Forschungsstelle Osteuropa (FSO) an der Universität Bremen, FSO 2-002 Gp 563. Im Folgenden werden Archivbestände der Forschungsstelle Osteuropa in der verkürzten Form mit FSO und Signatur wiedergegeben. Wenn nicht anders angegeben, stammen alle Übersetzungen von der Autorin.

© Verlag Ferdinand Schöningh, 2021 | doi:10.30965/9783657760039_002

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die unter Sammlern reißenden Absatz fänden; er selbst habe „fast 100.000 Zloty in seine Sammlung gesteckt“ – eine beträchtliche Summe, die das Mehrfache des durchschnittlichen Monatseinkommens darstellte.5 Der Verkauf von Untergrundbriefmarken diente der Finanzierung der Oppositionsbewegung, beispielsweise wurden die Einnahmen für weitere Aktivitäten oder zur Unterstützung der Opfer staatlicher Repressionen eingesetzt.6 Die Marken hatten allerdings keine Frankaturfunktion – anders als etwa während des Warschauer Aufstandes 1944,7 gab es in der Volksrepublik kein von der Opposition betriebenes paralleles institutionalisiertes Beförderungssystem. Ein Teil dieser Briefmarken „ist so professionell ausgeführt, dass sie sich praktisch nicht von offiziellen Editionen unterscheiden“, so der Untergrundphilatelist. Daneben gebe es aber auch grafisch sehr schlichte Ausführungen, letztlich sei dies auf die drucktechnischen Möglichkeiten der jeweiligen herausgebenden Untergrundorganisation zurückzuführen. Die Bildmotive dieser nachgeahmten Briefmarken umfassen ein breites Spektrum politischer, historischer, religiöser und kultureller Themen und hatten nicht das obligatorische staatliche Zensurverfahren durchlaufen. Offenbar trafen sie damit den Nerv der 1980er Jahre, denn der Untergrundphilatelist spricht von einem „Netz enthusiastischer Sammler, denen das Herz zerspringt, wenn sie eine neue Briefmarke sehen.“8 Zur Unabhängigen Post gehörten neben den Untergrundbriefmarken noch weitere Printpublikationen: Hergestellt und verbreitet wurden auch Postkarten zu bestimmten Anlässen, beispielsweise mit Weihnachts- oder Ostermotiven, sowie Briefumschläge oder Papierbögen, die mit Stempeln bedruckt wurden. Dabei handelt es sich um Stempel, die sowohl Briefmarken als auch Poststempel imitieren. Mit dem Begriff Unabhängige Post wird somit das Anfertigen, Verbreiten und Sammeln dieser postspezifischen Printpublikationen zusammengefasst. Er bezeichnet die Einzelphänomene Streikpost, Internierten- oder Lagerpost und Untergrundpost. Diese Differenzierung nahmen ihre Akteure bereits in den 1980er Jahren vor.9 Die Streikpost trat als erste in Erscheinung, und zwar in bestreikten Betrieben während der landesweiten Streikwelle, die im Sommer 1980 begann und sich in den folgenden Monaten in Polen ausbreitete. Die Streikpost bezeichnet dabei konventionelle, staatlich vertriebene Postkarten und Briefumschläge, auf welche die Streikenden Stempelaufdrucke setzten. 5 Główny Urząd Statystyczny, Rocznik, S. 165. 6 [o. Verf.], Poczta podziemna, S. 11. 7 Ozimek, Poczta. 8 Zu den Zitaten: [o. Verf.], Poczta Solidarności, S. 3, FSO 2-002 Gp 563. 9 [o. Verf.], Poczta Solidarności, S. 3, FSO 2-002 Gp 563.

1. Einleitung

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Deren Inhalt bezieht sich auf die Streiks und ihren Kontext, beispielsweise verbreiteten die Akteure der Streikpost so die Forderungen der Streikenden. Seltener wurden nachgeahmte Briefmarken angefertigt. Bekannt sind Publikationen der Streikpost vom August 1980 aus den Küstenstädten Danzig (Gdańsk),10 Gdingen (Gdynia) und Zoppot (Sopot) sowie aus dem Jahr 1981, und zwar vom Januar aus Jelenia Góra, vom Januar/Februar aus Rzeszów, vom März aus Breslau (Wrocław) und vom März/April aus Bydgoszcz.11 Die Streikpost entwickelte sich in einem abgeschlossenen Raum, der durch den sogenannten Okkupationsstreik geschaffen wurde, das heißt durch eine Streikform, bei der die Streikenden den jeweiligen Betrieb nicht verließen. Auch die Internierten- oder Lagerpost beschränkte sich auf einen umgrenzten Raum. Sie kam in den Internierungslagern der Volksrepublik auf, in denen infolge der Verhängung des Kriegsrechts am 13. Dezember 1981 zirka 10.000 Personen aus politischen Gründen einsaßen.12 Ähnlich wie bei den Publikationen der Streikpost handelt es sich vor allem um Papierbögen, Karten oder Umschläge; diese wurden mit nachgeahmten Poststempeln oder Stempeln in Briefmarkenform bedruckt. Der Stempeldruck war die vorherrschende Drucktechnik in der Internierung, denn Stempel ließen sich beispielsweise aus dem Linoleum des Fußbodens relativ einfach anfertigen. Die Herstellung dieser Grafiken wurde bald zum Massenphänomen in den Lagern; in manchen Zellen bildeten sich sogenannte Manufakturen.13 Bekannt ist die Tätigkeit der Lagerpost aus mindestens 34 Internierungslagern und acht Gefängnissen.14 Zur Untergrundpost wiederum gehören die nachgeahmten Posterzeugnisse, die außerhalb der bestreikten Betriebe und der Internierungslager konspirativ hergestellt und verbreitet wurden. Dies sind vor allem physisch existente Briefmarken – im Gegensatz zu den aufgestempelten Briefmarken. Des Weiteren wurden auch Briefumschläge und -karten zu bestimmten Anlässen mit Untergrundbriefmarken und Stempelaufdrucken gestaltet. Diese grafischen Drucke waren Teil des Zweiten Umlaufs in der Volksrepublik Polen. Der Zweite Umlauf umfasste „alle außerstaatlichen Tätigkeiten 10

Die Namen von Großstädten, die unter deutschem Namen bekannt sind, werden bei der Erstnennung sowohl auf Deutsch als auch auf Polnisch angegeben. Zugunsten des Leseflusses werden anschließend die deutschen Namen verwendet. In den übrigen Fällen werden die polnischen Städtenamen benutzt. 11 [o.  Verf.], Poczta Solidarności, S.  3, FSO  2-002 Gp  563; Kobyliński, Sześć lat, S.  33  f. (Abbildungen); Kaczorowski, Poczta, S. 15; Rudka, Poczta, S. 143-145, hier 143. 12 Smolar, Self-limiting Revolution, S. 127-143, hier 137. 13 Hillski, Wywrotowa filatelistyka, S.  15-19, hier 17, FSO  2-002 Gp  574; Pernach, Poczta Białołęcka, S. 8-10, hier 8. 14 Rudka, Poczta, S. 143-145, hier 143.

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von Individuen oder Gruppen sowie ihre Ergebnisse, die darauf zielten, Inhalte zu erschaffen, zu veröffentlichen oder auf andere Art zu verbreiten, die das von der Zensur vertretene Bewertungssystem und die Akzeptanz der Zensur (rechtlicher oder weltanschaulicher Art) überschritten.“15 Zum Zweiten Umlauf gehörten in diesem weiten Verständnis nicht nur Printpublikationen, ob schriftliche wie der Tygodnik Mazowsze oder bildliche wie die nachgeahmten Briefmarken, sondern auch Vortragsveranstaltungen und Radiosendungen sowie Theateraufführungen, Filme, Konzerte und Ausstellungen. So bildete der Zweite Umlauf einen Raum des unabhängigen Denkens und Schaffens außerhalb des staatlichen Zensursystems. Die physische Veröffentlichung und Verbreitung seiner Inhalte demonstrierte die organisatorischen Fähigkeiten seiner Akteure und ihre Kooperationspraktiken. Insofern hatte der Zweite Umlauf sowohl inhaltlich als auch organisatorisch eine gegenüber dem offiziellen Bereich abgrenzende und nach innen integrierende Wirkung für die Oppositionsbewegung in der Volksrepublik. In einem System, das auf der Kontrolle der Information und der Meinung sowie der gesellschaftlichen Inititiave gründete, musste dies von den Machthabern als Gefahr gewertet werden.16 Dabei war der Zweite Umlauf keine Erfindung der Oppositionellen der 1980er Jahre. Er knüpfte historisch an das Ende des 19. Jahrhunderts an, als mit dem Robotnik die erste systematisch im Untergrund herausgegebene Zeitung erschien. Im besetzten Polen während des Zweiten Weltkrieges und in den ersten Nachkriegsjahren wurden die Kultur und Technik des illegalen Publizierens fortgesetzt, dann jedoch durch Eingriffe der Machthaber weitgehend zerschlagen.17 Im Zusammenhang mit den Unruhen der Studenten und Intellektuellen in der Volksrepublik Polen im März 1968 traten illegale unabhängige Publikationen erneut in Erscheinung. Doch erst nach den Arbeiterunruhen im Sommer 1976, in deren Folge sich Arbeiter und Intellektuelle zusammenschlossen, um ihre Interessen gegen das Regime gemeinsam zu vertreten, entwickelte sich der Zweite Umlauf in größerer Breite, um parallel zur Entstehung der Solidarność-Massenbewegung im Sommer 1980 und in den folgenden Monaten ein ebenfalls massenhaftes Ausmaß anzunehmen. Inhaltlich und organisatorisch stark, überstand der Zweite Umlauf auch die Verhängung des Kriegsrechts im Dezember 1981 und entwickelte sich weiter.18 15 16 17 18

Mikołajczyk, Jak się pisało, S. 12. Friszke, Bibuła, S. 7-35, hier 7, 19, 26 und 33. Friszke, Bibuła, S. 7-35, hier 7 f. und 12-19. Friszke, Bibuła, S. 7-35, hier 19-33.

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Aus der Entstehungsphase des Zweiten Umlaufs in den Jahren 1976 und folgende sind außerhalb des offiziellen Umlaufs entstandene Briefmarken und andere postalische Publikationen nicht bekannt.19 Tatsächlich setzte die Unabhängige Post mit der Streikpost erst im Jahr 1980 ein. Die illegale Posttätigkeit der Internierten begann Ende 1981 bzw. Anfang 1982, so die Festsetzung der Gesellschaft der Untergrundpost (Towarzystwo Poczty Podziemnej – TPP), die von 1992 bis zum Jahr 2000 eine Vereinszeitung herausgab und dort u. a. Fragen der Datierung diskutierte.20 Die ersten Briefmarken der Untergrundpost werden dem Jahr 1982 zugeschrieben.21 Für die Tätigkeit der Untergrundpost legte die TPP schließlich die Jahre 1982 bis 1989 fest,22 nach vorangegangener Diskussion darüber, ob nicht 1990 bzw. 1991 als Schlusspunkt zu setzen sei, da auch über das Ende des staatssozialistischen Systems (in Form der halbfreien Wahlen am 4. Juni 1989) hinaus noch Untergrundbriefmarken mit denselben Zielen wie vorher hergestellt wurden.23 Dieses Argument rechtfertigt, dass im Folgenden bei der Analyse der Bildmotive der Untergrundpost in Einzelfällen auch Untergrundbriefmarken aus der Zeit nach den halbfreien Wahlen zur Veranschaulichung hinzugezogen werden. Häufig wird die Unabhängige Post mit der Solidarność assoziiert,24 tatsäch­lich aber gaben auch andere oppositionelle Organisationen wie die Konföderation für ein Unabhängiges Polen (Konfederacja Polski Niepodległej – KPN) oder der Unabhängige Studentenverband (Niezależne Zrzeszenie Studentów – NZS) postalische Printpublikationen heraus. Quantitativ lässt sich die Unabhängige Post nicht abschließend bestimmen, da die Organisationen und Einzelakteure aufgrund der konspirativen Herstellungsbedingungen über ihre Emissionen nicht Buch führten. Schätzungen der TPP zufolge wurden zwischen 1982 und 1989 zirka 3.000 verschiedene Ausgaben der Untergrundpost (das heißt Briefmarken, Blocks und Sätze) veröffentlicht. Die Auflagen einer Ausgabe betrugen gewöhnlich 2.000 bis 5.000 Exemplare, es gab aber auch extreme Abweichungen wie Auflagen in Höhe von 100 oder auch 10.000 Stück.25 19 20 21 22 23

Rudka, Poczta, S. 143-145, hier 143. Znojkiewicz, Wcześniejszy początek, S. 7-8, hier 7; [o. Verf.], Poczta podziemna, S. 11. Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1982-84, S. 9, Nr. 30. [o. Verf.], Poczta podziemna, S. 11. Starkowski, Pisali, S.  15-16, hier 15; Znojkiewicz, Wcześniejszy początek, S.  7-8, hier 7; Znojkiewicz, Piszą, S. 6-7, hier S. 7. 24 Kobyliński, Sześć lat, S. 7; Tałuć, Naszą bronią, S. 171. 25 [o. Verf.], Poczta podziemna, S. 11. Ein Briefmarkenblock besteht aus einer oder mehreren Briefmarken, die von einem breiten, oft verzierten oder beschrifteten Rand eingefasst sind. Ein Briefmarkensatz, auch Serie genannt, besteht aus mehreren einzelnen Briefmarken. Sie zeigen entweder dasselbe Bildmotiv in verschiedenen Farben oder unterschiedliche

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Die Unabhängige Post und ihre Publikationen sind ein in der Forschung zur polnischen Opposition der 1980er Jahre bisher kaum beachtetes Beispiel für die subversive Kreativität des Zweiten Umlaufs. Im Folgenden wird untersucht, welchen Anteil die nachgeahmte Unabhängige Post mit ihren Briefmarken und anderen postalischen Medien an der inhaltlichen Profilierung, finanziellen Unterstützung und sozialen Integration der oppositionellen Bewegung hatte. Gefragt wird, was die Nachahmung postalischer Medien über das Selbstverständnis der Oppositionsbewegung aussagen konnte. Anhand einiger außerhalb der offiziellen Zensur erschienener Bildmotivkomplexe werden die verbildlichten Narrationen analysiert, die der offiziellen Informations- und Deutungspolitik entgegengesetzt wurden. Darüber hinaus wird untersucht, wie es mit Hilfe der Unabhängigen Post und ihrer Publikationen gelang, den Fortbestand der Aktivitäten und den Zusammenhalt in der oppositionellen Bewegung – auch in finanzieller Hinsicht – zu fördern und unterschiedlich interessierte Akteure anzusprechen und einzubinden. 1.1

Forschungskontext, Thesen und Fragestellungen der Untersuchung

Die Untersuchung der Unabhängigen Post ist in die Forschung zur polnischen Oppositionsbewegung in den 1980er Jahren eingebettet.26 Besondere Aufmerksamkeit widmete die Forschung der Solidarność, die sich im Zuge der landesweiten Massenstreiks im Sommer 1980 gründete und schließlich offiziell als staatlich unabhängige Gewerkschaft anerkannt wurde; gleichzeitig entwickelte sie sich zu einer sozialen Bewegung.27 Von Beginn an war sie ein politischer Akteur, der bei den Massenstreiks die Position des Verhandlungspartners gegenüber den staatlichen Vertretern einnahm, die programmatischen Diskussionen und Handlungsmethoden der Oppositionsbewegung entscheidend prägte und auch nach der Verlagerung der Aktivitäten in den Untergrund bzw. der erneuten öffentlichen Tätigkeit in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre eine der einflussreichsten Kräfte in der Oppositionsbewegung und gegenüber dem Regime war.28 Bildmotive, die sich auf ein Thema beziehen und deren Gestaltung ähnlich ist, so dass die Einzelmarken als Einheit erkennbar sind. 26 Einen Überblick über die Forschung insbesondere in den 1990er Jahren gibt Krajewski, State of Research, S. 7-13. 27 Mielczarek, Ruch, S. 107-131; Fałkowski, Ruch, S. 76-100, hier 88-90. 28 Friszke, Wstęp, S. 9-16; Falk, Dilemmas, S. 45-58 und 192-198; Kamiński/Waligóra, NSZZ Solidarność Bd.  2; Sonntag, Ideen, S.  41-62; Skórzyński, Krótka historia; siehe auch die Einzelanalysen im Sammelband von Friszke, Solidarność.

1.1 Forschungskontext, Thesen und Fragestellungen

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Die Entstehung und Entwicklung der oppositionellen Bewegung mit der Solidarność an der Spitze führten zu bzw. wurden geprägt von herausragenden Ereignissen, die mit den Massenstreiks im Jahr 1980 und der Herausbildung unabhängiger gesellschaftlicher Initiativen in ganz Polen begannen.29 Mit der Verhängung des Kriegsrechts 1981 verlagerten sich die oppositionellen Aktivitäten in den Untergrund.30 Im Zuge der verhaltenen Akzeptanz vonseiten der Machthaber, u. a. bedingt durch die beginnenden Reformen in der Sowjetunion, erfolgte 1986 die Entscheidung der oppositionellen Führung, erneut öffentlich zu wirken. Diese Entwicklungen gipfelten letztendlich 1989 in den Verhandlungen zwischen Vertretern der Opposition, der Regierung und der Kirche am Runden Tisch, welche die Systemtransformation in Polen einleiteten.31 Die Analysen der einzelnen Ereignisse bzw. die Gesamtdarstellungen der Oppositionsbewegung des letzten Jahrzehnts der Volksrepublik Polen untersuchen sowohl die Entwicklungsdynamiken und Strategien innerhalb der oppositionellen Bewegung als auch im Regierungslager sowie die Wechselwirkungen zwischen dem Handeln der Opposition und der staatlichen Vertreter. Daneben gibt es zahlreiche Untersuchungen einzelner regionaler oder lokaler oppositioneller Strukturen. Auch hier stehen die Organisationen der Solidarność im Fokus. Diese Studien sind allerdings weniger interpretierend als deutlich faktographisch-beschreibend ausgerichtet. Die gewöhnlich chronologischen Rekonstruktionen der Aktivitäten der betreffenden Organisation sowie die ausführlichen namentlichen Nennungen beteiligter Akteure stellen eine detailgesättigte Faktenbasis zu den einzelnen Organisationen und ihren Aktivitäten bereit.32 Insgesamt lässt sich aus den Studien folgern, dass die polnische Oppositionsbewegung kein monolithischer Block, sondern 29 Dudek, Karnawał, S. 20-77; Polak u. a., Czas; Friszke, Rewolucja; Machcewicz, Bunt. 30 Dudek, Stan wojenny; Friszke, Solidarność; Paczkowski, Wojna; Polak, Stan wojenny; Ruzikowski, Stan wojenny; Puchała, Kulisy; Wilkowski, Ośrodek. 31 Paczkowski, Polska; Kenney, Carnival; Paczkowski, Opposition, S.  203-229; Paczkowski, Bürgerkrieg, S. 97-117; Paczkowski, Das „schwächste Glied“, S. 207-222; Holzer, Abschied, S. 151-165; Wnuk-Lipiński, Wandel, S. 173-182; Reykowski, Okrągły Stół; Codogni, Okrągły stół; Skórzyński, Okrągły Stół; Słodkowska, Komitety, S.  35-198; Smolar, Self-limiting Revolution, S. 127-143. Außerdem widmen sich Andrzej Paczkowski und Andrzej Friszke in ihren Monographien zur Geschichte Polens im 20. Jahrhundert ausführlich den Entwicklungen in den 1980er Jahren. Paczkowski, Pół wieku, S.  305-395; Friszke, Polen, S. 367-474. 32 Brzechczyn/Zwiernik, Organizacja; Kamiński/Waligóra, NSZZ Solidarność; Kurpierz/ Neja, Solidarność, S.  27-183; Węgrzyn, Od pierwszego strajku; Wilkowski, Solidarność na terenie; Wilkowski, Solidarność; Bereszyński, NSZZ Solidarność; Dąbrowski, NSZZ Solidarność; Kubaj, Nie wyrośli.

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1. Einleitung

organisatorisch ausdifferenziert und in der inhaltlich-programmatischen Schwerpunktsetzung sehr heterogen war.33 Wenn im Folgenden dennoch von „der Opposition“, oder der „oppositionellen Bewegung“ gesprochen wird, ist dies zum einen die Aneignung des Sprachgebrauchs der polnisch- und anderssprachigen Forschungsliteratur.34 Zum anderen wird der Begriff verwendet, wenn die Aussage als Verallgemeinerung verstanden werden soll und es tatsächlich nicht um Einzelorganisationen oder konkrete Akteure geht. Hinzu kommt, dass bei den nachgeahmten Briefmarken und anderen Publikationen der Unabhängigen Post häufig die beteiligten konkreten lokalen Organisationen und Personen, sprich die Herausgeber, namentlich unbekannt sind. Der Oberbegriff „Opposition“ wird dann in dem Bewusstsein verwendet, dass er Individuen und heterogene Organisationen zusammenfasst. Des Weiteren erscheinen Aussagen über „die oppositionelle Bewegung“ auch insofern gerechtfertigt, als sich die Herausgeber der Publikationen der Unabhängigen Post offenbar als Teil einer großen Bewegung verstanden, in deren Namen sie sich äußerten.35 Ein wesentlicher Schwerpunkt der Forschung zur Oppositionsbewegung sind die Untersuchungen zum schriftlichen Zweiten Umlauf. Das unabhängige Publikationswesen, das außerhalb der staatlichen Kontrolle etabliert wurde, stellte das Hauptfeld der Aktivitäten der Oppositionsbewegung dar und gilt als der wesentliche stabilisierende Faktor für ihre Entwicklung, Strukturierung und organisations- und gruppenübergreifende Vernetzung, der die desparaten Einzelorganisationen zusammenhielt und Strahlkraft in die Gesellschaft hinein ausübte.36 Ein Untersuchungsaspekt ist dabei die Organisation des unabhängigen Publikationswesens unter der Frage, wie sich die Zusammenarbeit zwischen den Autoren, Herausgebern, Produzenten und Verbreitern der Untergrundpublikationen konkret gestaltete. Das Nebeneinander von kleinen Herausgeberinitiativen mit nur wenigen beteiligten Personen und großen Verlagen, die mehrere Untergrunddruckereien beauftragten und ihre Publikationen in hohen Auflagen herausgeben und verbreiten konnten, war Ausdruck der organisatorischen Vielfalt des Publikationswesens. Dies zeigen Fallstudien zur Arbeitsweise und personellen Besetzung einzelner Verlage und

33 Smółka-Gnauck, Między wolnością; Litwińska, WiP kontra PRL; Wąsowicz, Niezależny ruch. 34 Sowiński, Zakazana książka; Feindt, Auf der Suche; Peters, Revolution; Doucette, Books. 35 Głażewski, Wspomnienia, S. 4-8, hier 7. 36 Doucette, Books, S. 6 und 8 f.

1.1 Forschungskontext, Thesen und Fragestellungen

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Zeitungsredaktionen im Untergrund.37 Aus einem größeren Blickwinkel befassen sich auch Überblickswerke über das Phänomen des Zweiten Umlaufs in einzelnen Städten oder Regionen sowie Gesamtdarstellungen des unabhängigen Publikationswesens ab der zweiten Hälfte der 1970er Jahre in Polen mit den organisatorischen Abläufen und Strukturen sowie den Akteursnetzwerken.38 Die Verlagsinitiativen des Zweiten Umlaufs hatten aufgrund ihrer Illegalität und der wirtschaftlichen Mangelsituation in der Volksrepublik alle mit ähnlichen Risiken und schwierigen Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Die Produktion und Distribution der Untergrundbriefmarken wird in den folgenden Kapiteln daher nur am Rande dargestellt, denn sie sind grundsätzlich mit der der schriftlichen Publikationen vergleichbar. Die Verlage und insbesondere die Redaktionen der Periodika im Untergrund, die in unterschiedlichen oppositionellen Kontexten entstanden, hatten über ihre organisatorische Bedeutung für die Herausgabe und Verbreitung der Textmedien hinaus auch eine integrierende Wirkung, sowohl innerhalb des eigenen oppositionellen Milieus im kleineren Rahmen als auch in die breite Oppositionsbewegung hinein. Die Untersuchung der Untergrundpost knüpft daran an und fragt sowohl nach der sozialen Integrationsleistung mittels Untergrundbriefmarken als auch nach dem Aspekt der praktizierten finanziellen Solidarität. Der Aspekt der Finanzierung der oppositionellen Aktivitäten ist in der Forschung jedoch noch ein weniger bearbeitetes Thema.39 Als wesentliche Funktion des Zweiten Umlaufs gilt, dass die Publikationen ein Mittel waren, in der Oppositionsbewegung Öffentlichkeit herzustellen. Sie fungierten als Diskussionsforen über Ziele, Methoden und Konzepte, als Veröffentlichungsraum für Analysen politischer, wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und kultureller Fragen und als Ort der kritischen Auseinandersetzung über dieselben.40 Die Publizistik war daher ein wichtiger Aushandlungsort für die inhaltliche Profilierung und Positionierung der herausgebenden Gruppierungen und der Leser. Die Analysen von Bildmotivkomplexen der Unabhängigen Post greifen diese These auf. Belegt ist sie für den schriftlichen Zweiten Umlauf bereits durch Untersuchungen von Solidarność-Presseorganen, Zeitschriften liberal ausgerichteter oppositioneller Organisationen sowie 37 Brzostek, Tygodnik Wojenny, S.  621-635; Sowiński, Siła, S.  637-665; Fałkowski, Biznes; Olaszek, Tygodnik Mazowsze, S. 65-85; Kuta, Niecenzurowane, S. 384-409. 38 Rudka, Poza cenzurą; Tałuć, Naszą bronią; Olaszek, Podziemne dziennikarstwo; Błażejowska, Papierowa rewolucja; Kuta, Niezależny ruch, S. 249-314; Sowiński, Zakazana książka; Kucharska-Dziedzic, Powiedz prawdę; Błażejowska/Kuta, Od uległości; Olaszek, Rewolucja; Doucette, Books. 39 Fałkowski, Biznes, S. 123-132; Fałkowski, Ruch, S. 76-100; Knoch, Pisma, S. 117-128. 40 Łabędź, Spory; Mikołajczyk, Jak się pisało; Friszke, Bibuła, S. 7-35, hier 25-33.

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1. Einleitung

Literaturmagazinen, in denen programmatische Fragen verhandelt wurden. In diesem Zusammenhang ist außerdem die Analyse der Diskussion über das Konzept der Nation zu nennen, die in den unabhängigen Textmedien geführt wurde.41 Zum Teil wird der unabhängige Publikationsumlauf in der Forschung wie ein in sich geschlossenes System betrachtet. Dabei wird jedoch vernachlässigt, dass der Zweite Umlauf eine Reaktion auf das offizielle, obligatorisch zensierte Publikationswesen war und eine Gegenmaßnahme gegen die Informationsund Deutungspolitik des Regimes, die ihrerseits ebenfalls nicht statisch waren, sondern sich veränderten. Wegweisend sind hier vergleichende Analysen der unabhängigen und der offiziellen Erinnerungs- und Geschichtskultur, die verdeutlichen, dass und inwieweit sich die oppositionellen und die staatlichen Interpretationen historischer Ereignisse aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges wechselseitig beeinflussten.42 In der Untersuchung der nachgeahmten Briefmarken werden die verbildlichten Themen ebenfalls nicht isoliert analysiert, sondern zu den offiziell vertretenen und den im Zweiten Umlauf publizierten Narrationen in Bezug gesetzt. Die Textpublikationen der Opposition stehen klar im Fokus der Erforschung des Zweiten Umlaufs. Allerdings kommunizierte die Oppositionsbewegung ihr Selbstverständnis nicht nur auf der Ebene von Sprache und Schrift, sondern auch mit visuellen Mitteln.43 Hierzu gehörten neben den Publikationen der Unabhängigen Post auch Plakate, Fotografien, Gemälde etc.44 Die Untersuchung der Ikonographie der Unabhängigen Post ist dabei eine Fortsetzung und Vertiefung der bereits vorliegenden Beschreibungen und Analysen der oppositionellen Symbolik.45 Auf diesem intensiv beforschten Feld der Oppositionsbewegung und des Zweiten Umlaufs ist die Unabhängige Post mit ihren nachgeahmten Briefmarken jedoch ein unbeachtetes Phänomen. In der Regel wird sie beiläufig erwähnt oder überblicksartig beschrieben.46 Einzelne Autoren befassen sich zwar mit dem Bildmaterial der Unabhängigen Post.47 Außer Acht bleiben jedoch das Bedeutungsspektrum der nachgeahmten postalischen Medien und 41 Łabędź, Koncepcje; Knoch, Pisma; Dabert, Między wizją; Tatarowski, Niezależna literatura; Feindt, Auf der Suche. 42 Napiórkowski, Powstanie; Peters, Revolution. 43 Dazu lassen sich auch theatrale Formen zählen: Szymanski, Protest. 44 Wojciechowski, Czas; Ruzikowski, Kultura, S. 315-385. 45 Modzelewski, Symbolika, S. 229-279; Kubik, Power, S. 185-230; Long, Freedom, S. 88-103; Niedźwiedź, Religious Symbols, S. 189-211; Schlott, Krähe; Peters, Abenteuer. 46 Ruzikowski, Kultura, S. 315-385, hier 370-372; Rudka, Poczta, S. 143-145. 47 Tałuć, Naszą bronią, S. 169-197; Peters, Abenteuer.

1.1 Forschungskontext, Thesen und Fragestellungen

11

der vorgetäuschten Poststrukturen sowie die Verwendung der finanziellen Einnahmen aus ihrem Verkauf und die integrierende Funktion der Bildmedien.48 Die vorliegende Untersuchung der Unabhängigen Post und ihrer Publi­ kationen reagiert damit auf eine Forschungslücke im Bereich des Zweiten Umlaufs und wird folgende Aspekte bearbeiten: Das Medium Briefmarke und die Institution Post waren eigentlich dem Staat vorbehalten. Indem die Akteure der Unabhängigen Post nachgeahmte Briefmarken und Poststempel anfertigten und verbreiteten und darauf „Post“ und den Namen einer oppositionellen Organisation schrieben, machten sie für sich offenbar staatliche Repräsentationsinstrumente geltend, mit denen sie sich gegen die Machthaber der Volksrepublik positionieren konnten. Da die Namensgebung „Untergrundbriefmarke“ bzw. Bezeichnungen wie Feldpost (Poczta Polowa) gleichzeitig Assoziationen an den polnischen Untergrundstaat während des Zweiten Weltkrieges zu wecken vermochten, waren die Untergrundbriefmarken der Gegenwart auch mit historischen polnischen Postsystemen aus Zeiten von Krieg und Aufstand verknüpft. Die Bildmotive der Untergrundbriefmarken, die nicht das obligatorische staatliche Zensurverfahren durchliefen, vermittelten den Betrachtern die dargestellten Themen der polnischen Geschichte und Gegenwart jenseits des offiziellen staatlichen Informations- und Deutungsmonopols. In Form von nachgeahmten Briefmarken publiziert, scheinen sie einen Kanon von Ereignissen und Persönlichkeiten verbreitet zu haben, der die alternativen „kulturellen Gedächtnisse“ (nach Aleida und Jan Assmann) der Oppositionsbewegung spiegelte und zusammenführte. Die Untergrundbriefmarken waren sowohl für ihre Hersteller als auch Rezipienten gleichermaßen attraktiv. Ihr Verkauf sollte der solidarischen Finanzierung oppositioneller Tätigkeiten dienen und somit dem Fortbestehen der Opposition. Untersucht wird, wie dieser pragmatische Ansatz konkret umgesetzt wurde und wie erfolgreich er war. Eine Gruppe von Rezipienten scheint sich intensiv mit den Untergrundbriefmarken beschäftigt zu haben, weil sie sie als Sammelobjekte behandelte. Daraus ergibt sich die Frage nach dem gemeinschaftsstiftenden Potential, das dem Untersuchungsgegenstand innewohnte. Und schließlich wird der Annahme nachgegangen, dass sich die Beliebtheit der nachgeahmten Marken auf die niedrigschwelligere inhaltliche 48 Hier sei auf die Forschung zu konventionellen Briefmarken und Philatelie verwiesen: Doberer, Kulturgeschichte; Köppel, Politik; Scholze, Ideologie, S. 175-191; Siebertz, Briefmarken; Hanisch-Wolfram, Identitätskonstruktionen; Naguschewski/Schöttker, Philatelie; Deutsche Gesellschaft für Post- und Telekommunikationsgeschichte, Philatelie als Kulturwissenschaft.

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1. Einleitung

Zugänglichkeit zurückführen lässt, die diese Bildmedien gegenüber Textmedien aufwiesen. 1.2

Quellen

1.2.1 Bildpublikationen der Unabhängigen Post Die vorliegende Untersuchung basiert auf umfangreichen, repräsentativen Sammlungen von Publikationen der Unabhängigen Post, die naturgemäß große Überschneidungen aufweisen. Vor allem wurden die Untergrundbriefmarken des Bestands „Unabhängige Post im polnischen Zweiten Umlauf“ (Poczta niezależna w polskim drugim obiegu) der ostmitteleuropäischen Abteilung des Archivs der Forschungsstelle Osteuropa (FSO) an der Universität Bremen genutzt.49 Der Bestand umfasst 2.568 erschlossene Positionen der Untergrundpost, das sind Briefmarken und Blocks. Außerdem wurde der Bestand „Brzozowski, Henryk“ des Archivs der FSO herangezogen.50 Er beinhaltet 776 Briefmarken der Unabhängigen Post sowie rund 260 gestaltete Briefumschläge und Papierkarten, vor allem der Lagerpost. Diese sind nicht einzeln archivisch erschlossen. Zusätzlich wurde die Internetdatenbank der Stiftung Dokumentationszentrum für die Unabhängige Tat (Fundacja Centrum Dokumentacji Czynu Niepodległościowego – CDCN) in Krakau (Kraków) konsultiert.51 Dort sind in der Sammlung „Drucke – Unzensiert – Unabhängige Philatelie – Briefmarken“ (Druki – Bez cenzury – Niezależna filatelistyka – znaczki) 3.200 Einträge mit Abbildungen zugänglich; es werden sowohl Untergrundbriefmarken als auch Briefmarken der Lagerpost aufgeführt.52 Für die Publikationen der Lagerpost wurde auch die Sammlung auf der Internetseite des in Puławy ansässigen Verbands der Menschen, die im Kriegszustand Repressionen erlitten (Stowarzyszenie Osób Represjonowanych w Stanie Wojennym), hinzugezogen, wo mehr als 120 bestempelte Briefumschläge und

49 FSO, Bestand „Unabhängige Post im polnischen zweiten Umlauf“, Bestandssignatur FSO  2-005. Der Bestand ist archivisch erschlossen und online zugänglich. Daher beschränken sich die hier angegebenen Belege (Fußnoten) gewöhnlich auf die Signatur der jeweiligen Untergrundbriefmarke und es werden nur in Einzelfällen zusätzliche Informationen gegeben. https://fso.gbv.de/ (acc. 6.9.2020). 50 FSO, Bestand „Brzozowski, Henryk“, Bestandssignatur FSO 2-010. 51 Siehe http://sowiniec.com.pl/php/5_p_solidarna.php?ID3=28&s=1&li=1&sort=OPS (acc. 6.9.2020). 52 Die Signaturen lauten: BJ-CDCN, Zn*; BJ-CDCN Ple*; BJ-CDCN Szp*. Die Autorin dankt für die Bereitstellung von Scans der Untergrundbriefmarken.

1.2 Quellen

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Karten präsentiert werden.53 Des Weiteren wurde das Archiv der Opposition der Einrichtung KARTA (Ośrodek KARTA Archiwum Opozycji) in Warschau (Warszawa) im Juli 2012 vor Ort aufgesucht; der Katalog der Sammlung aus dem Jahr 2008, der 674 Untergrundbriefmarken und 585 Briefumschläge und -karten der Untergrundpost aufführt, liegt der Autorin vor.54 Außerdem wurden Kataloge der Untergrundpost eingesetzt, die von der TPP, der KPN oder Privatpersonen herausgegeben wurden.55 Zur Kontextualisierung der Bildquellen wurden schriftliche Quellen des Zweiten Umlaufs verwendet, das heißt Periodika, Monographien und Flugblätter sowie in Einzelfällen auch Plakate. Sie befinden sich ebenfalls in der ostmitteleuropäischen Abteilung des Archivs der Forschungsstelle Osteuropa.56 Herangezogen wurden weiter Fotos und Artikel, die in offiziellen Verlagen und Zeitungen der Volksrepublik Polen publiziert wurden.57 1.2.2 Zeitzeugeninterviews Aufgrund der konspirativen Herstellungsbedingungen im oppositionellen Milieu sind schriftliche Quellen über die Unabhängige Post rar. Daher sind Aussagen von ehemaligen Akteuren der Unabhängigen Post unverzichtbar. Zu diesem Zweck wurden von der Autorin Interviews in polnischer Sprache mit Bildautoren, Druckern, Verbreitern und Sammlern der Publikationen der Unabhängigen Post geführt. Gewöhnlich hatten sie mehrfache Verbindungen zur Unabhängigen Post gehabt, hatten zum Beispiel nicht nur Untergrundbriefmarken entworfen, sondern diese auch gesammelt. Interviewt wurden: Krystyna Antoszkiewicz in Warschau am 23. Juli 2012, Paweł Bryłowski in Lublin am 22.  Januar 2013, Stanisław Głażewski in Puławy am 28.  November  2010, 53 Siehe http://www.represjonowani.pulawy.pl/galeria.html (acc. 6.9.2020). Die Abbil­ dungen 2 bis 4 in dieser Untersuchung gehören zur Sammlung der Stowarzyszenie Osób Represjonowanych w Stanie Wojennym. Die Autorin dankt für die Bereitstellung der Scans. 54 Ośrodek KARTA, Wydawnictwa. 55 Es handelt sich überwiegend um zusammengeheftete Blattsammlungen. Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków  … 1982-84; Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1985; Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1986; Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … Małopolska; Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … Rzeszów; Sokołowski, Katalog znaczków … 1987 roku; Sokołowski, Katalog znaczków … 1987-1989; [o. Verf.], Katalog znaczków. 56 Monographien: FSO  2-001; Periodika: FSO  2-002; Flugblätter: FSO  2-003; Plakate: FSO 2-004. 57 Für die Bereitstellung der Scans von Briefmarken der staatlichen Polnischen Post der Volksrepublik Polen dankt die Autorin Michael Lenke, Bundesarbeitsgemeinschaft Polen im Bund Deutscher Philatelisten.

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1. Einleitung

Maria Kapturkiewicz-Szewczyk in Puławy am 27.  November  2010, Andrzej Karczewski in Warschau am 25.  September  2010, Ryszard Konikiewicz und seine Tochter Regina Strzemeska gemeinsam in Thorn (Toruń) am 26. Juli 2012, Stanisław Remuszko in Warschau am 24. Juli 2012, Joanna Szczęsna in Warschau am 29.  November  2010, Piotr Tofil in Warschau am 29.  November  2010 und Andrzej Znojkiewicz in Warschau am 26. September 2010. Nach dem ersten Interview gab es ein weiteres Gespräch mit Joanna Szczęsna (Warschau, 1. Juni 2012) und Andrzej Znojkiewicz (Warschau, 1. Juni 2012). 1.3

Methoden der Untersuchung

1.3.1 Zeitzeugeninterviews Während die Bildpublikationen in Archiven vorhanden und zugänglich sind, mussten die Interviews mit Zeitzeugen erst generiert werden. Das geschah vor dem Hintergrund, dass kaum schriftliche Quellen zum Bildmaterial und den Tätigkeiten der Akteure der Unabhängigen Post und den Strukturen, in denen sie sich bewegten, vorliegen, da die gegen das politische System gerichteten nonkonformen Aktivitäten illegal waren. Diese Lücke konnte durch die in der Methode der Oral History verankerten Gespräche mit den Zeitzeugen geschlossen werden. Meine Suche nach Zeitzeugen verlief mehrgleisig. In Zeitungsartikeln über die Unabhängige Post bzw. in einem Katalog zu einer Ausstellung von Untergrundbriefmarken stieß ich auf Namen damaliger Akteure, so dass ich die betreffende Redaktion um Vermittlung bat bzw. die Kontaktdaten selbst recherchierte. Einige Personen wurden mir eigens empfohlen.58 Außerdem griff das Schneeballprinzip; dabei nannten mir die interviewten Zeitzeugen weitere ehemalige Post-Akteure. In einem Telefonat oder einer E-Mail stellte ich mich und mein Vorhaben vor und wir verabredeten ein persönliches Treffen für ein Interview. Es handelt sich dabei um themenzentrierte narrative Interviews mit offenen Fragen. In diesem Rahmen galt dem Interviewten als Akteur der Unabhängigen Post besondere Aufmerksamkeit, er hatte aber auch die Möglichkeit, darüber hinaus sein Leben zu thematisieren und in seiner Erzählung eigene Akzent zu setzen und zu vertiefen, auch wenn dies scheinbar nicht direkt mit dem Forschungsgegenstand in Verbindung stand.59 Neben Fragen nach der Biographie und dem oppositionellen Engagement wurde nach Gründen für 58 59

Hier gilt mein Dank Dr. habil. Paweł Sowiński sowie Agnieszka Strzemeska. Stephan, Leben, S. 1-31, hier 16; Wierling, Geschichte, S. 47-52, hier 50.

1.3 Methoden der Untersuchung

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die Nachahmung postalischer Medien und nach den Bildmotiven der Unabhängigen Post gefragt sowie nach den Abläufen der Herstellung und Verbreitung der Publikationen. Thematisiert wurden auch die Rezeption und das Wirkungspotential der Publikationen der Unabhängigen Post. Die Besonderheit der Quellengattung Zeitzeugeninterview liegt darin, dass sie eigens für die Forschung entsteht. Neben dem Zeitzeugen war hier also auch ich selbst mit meinem Erkenntnisinteresse, meinen Fragen und Erzählimpulsen beteiligt. Zudem handelt es sich bei den Interviews nicht um einen Originalton aus der Vergangenheit. In den Gesprächen blicken die Zeitzeugen aus der zeitlichen Distanz von zirka 30 Jahren auf das Geschehen in der Volksrepublik Polen zurück. Mitgeteilt werden also auch die bisher stattgefundenen Verarbeitungen und Deutungen der damaligen Erlebnisse.60 Bei der Analyse dieser Art von Quelle ist deshalb darauf zu achten, dass das Erzählte verschiedene Einflüsse in sich aufgenommen hat. Das Erinnerte enthält zum einen subjektive Deutungen, zum anderen findet Erinnern auch in sozialen Bezügen statt. Dadurch werden auch Erinnerungen Dritter und der größeren informellen Erinnerungsgemeinschaft mehr oder weniger bewusst integriert sowie auch offizielle Deutungsangebote. Die Aneignung und Einarbeitung dieser Erinnerungen in die eigene, subjektive Erzählung hat bereits in der Vergangenheit eingesetzt und findet in der Gegenwart weiterhin statt.61 Sie steht unter dem Anspruch, dem eigenen Leben Sinn und Kohärenz zu geben. Der Interviewte ist sich dieses Vorgangs nicht unbedingt bewusst.62 Der Ausgangspunkt für das Verständnis und die Interpretation der Interviews ist daher, dass die Erinnerungen „[…] als biographische Konstrukte verstanden werden, mit denen Menschen versuchen, gegenüber sich und anderen ihr Leben als sinnhaftes Kontinuum darzustellen“.63 Dies impliziert, dass Erinnerungen auch passend gemacht werden können, damit sie mit dem aktuellen Identitätsentwurf des Erinnernden harmonieren.64 Ebenso ausdifferenziert wie die Schichten in der Erzählung des Interviewten ist auch der Adressatenkreis, dem er seine Erinnerungen in der Interviewsituation erzählt.65 Adressat ist zunächst ganz offensichtlich der Interviewer. Dieser steuert und beeinflusst mit seinem Erkenntnisinteresse die Erinnerung insofern, als durch sein Forschungsinteresse bestimmte Hervorhebungen 60 Andresen u. a., Wort, S. 7-22, hier 7. 61 Wierling, scripts, S.  323-327, hier 325; Obertreis/Stephan, Erinnerung, S.  9-36, hier 11  f.; Niethammer, Einleitung, S. 7-29, hier 19. 62 Assmann, Schatten, S. 206 f. 63 Dejung, Oral History, S. 96-115, hier 105. 64 Jureit, Identitätsarbeit, S. 85-90, hier 88. 65 Obertreis/Stephan, Erinnerung, S. 9-36, hier 12.

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1. Einleitung

und Fokussierungen ausgelöst werden können. Bei den geführten Interviews kam hinzu, dass ich als Interviewerin aus einer anderen Generation, einer anderen Nation und historischen Erfahrung und einem anderen politischen System stamme, was ebenfalls Einfluss auf die Darstellung des Erinnerten haben mochte, ebenso wie auf mein eigenes Fragen und Zuhören.66 Darüber hinaus spricht der Zeitzeuge implizit auch zu seiner eigenen Erinnerungsgemeinschaft, beispielsweise zu den Solidarność-Aktivisten von damals, sowie durchaus auch zu denjenigen, die seinen Erinnerungen infolge von Deutungskämpfen in der polnischen Geschichtspolitik heute kritisch gegenüberstehen. Hier kann es sein, dass der Transformationsprozess in Polen mit seinen Unsicherheiten und existentiellen Erschütterungen die Entstehung eines „leitenden script[s, SP] für das zukünftige und gelebte Leben“67, das die Zugehörigkeit zur Opposition in der Volksrepublik möglichst kohärent und widerständig erzählt, begünstigt hat. Das Interview soll daher nicht nur auf Fakten zum Forschungsthema hin analysiert werden, sondern auch in Hinblick auf die Deutungen, die es vermittelt, auf mögliche Beschönigungen oder Dramatisierungen, die etwas über den Stellenwert der Erfahrungen für den Zeitzeugen aussagen können, sowie auch hinsichtlich dessen, was nicht gesagt wird bzw. was gesagt wird, ohne dass danach gefragt wurde.68 So besteht die methodische Herausforderung der Oral History darin, herauszufinden, in welchem Verhältnis das Erinnerte zur vergangenen Wirklichkeit steht. Auf diese Weise lässt sich der zeitgenössische Blick freilegen, das wären zum Beispiel die damals gemachten Erfahrungen und gewonnenen Erkenntnisse. Hierfür sind zum einen externe Quellen hinzuzuziehen, um die Wahrscheinlichkeit des Erinnerten zu bestätigen oder begründet zu bezweifeln. Zum anderen wird das Interview textimmanent gedeutet und überprüft, ob die am Einzelpunkt gewonnene Idee in Bezug auf das gesamte Interview stimmig ist bzw. verändert oder aufgegeben werden muss.69 1.3.2 Ikonographisch-ikonologische Methode Ein Schwerpunkt der Untersuchung der Unabhängigen Post liegt auf den physisch vorhandenen Artefakten, das heißt auf den Publikationen der Lagerpost und den Untergrundbriefmarken. Hier werden die untersuchten Bilder als Repräsentationen und Konstrukte ihrer Entstehungs- und 66 67 68 69

Stephan, Leben, S. 1-31, hier 17. Wierling, scripts, S. 323-327, hier 325. Dejung, Oral History, S. 96-115, hier 106; Grele, Bewegung, S. 143-161, hier 152. Wierling, Geschichte, S. 47-52, hier 52.

1.3 Methoden der Untersuchung

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Verwendungszeit aufgefasst, anhand derer Aussagen über die Deutungen und Sinnzuschreibungen der oppositionellen Bewegung gemacht werden können sowie über die Abhängigkeit dieser Bildmedien von ihrem Herstellungs- und Gebrauchskontext.70 Für den Zweck der Untersuchung erweist sich die ikonographischikonologische Analyse der Bilder als geeignet, da sie das Bildmaterial in den Mittelpunkt stellt und es in seiner historischen Bedingtheit betrachtet. „Iconography is a […] method, aimed at disclosing the meanings of visuals in a specific context at a specific time.“71 Vom Kulturwissenschaftler Aby Warburg Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt und vom Kunsthistoriker Erwin Panofsky ab den 1930er Jahren weitergeführt, wird die ikonographischikonologische Methode heute infolge der verstärkten Beschäftigung mit Bildern in der Geschichts-, Politik-, Sozial- und Kommunikationswissenschaft in den jeweiligen Fachgebieten modifiziert eingesetzt.72 Im ersten methodischen Schritt wird das auf dem Bild Dargestellte beschrieben („vorikonographische Beschreibung“).73 Der zweite Schritt umfasst die „ikonographische Analyse“,74 das ist die Identifizierung des Dargestellten. Hier werden die konventionellen Bedeutungen der Bildinhalte geklärt. Im letzten Schritt, der modifizierten ikonologischen Interpretation, werden die Bildinhalte kontextualisiert, das heißt in den historischen Entstehungs- und Verwendungszusammenhang des Bildes eingeordnet und gedeutet.75 Die ikonographisch-ikonologische Analyse ist demnach eine „Methode, die vom Bildmaterial ausgeht und zugleich detailgenau, aber auch holistisch im Sinne einer kontext- und umbildbezogenen Perspektive vorgeht.“76 Sie berücksichtigt, dass das Bild „sowohl in ein intraals auch intermediales Umfeld eingebettet“ und Bestandteil der geführten Diskurse ist.77 Zum Verständnis konkreter Bilder der Unabhängigen Post wird daher intramedial weiteres Bildmaterial berücksichtigt sowie intermedial andere Quellen, zum Beispiel Texte aus dem Zweiten Umlauf oder der offiziellen Presse. Unter Hinzuziehung weiterer Quellen des offiziellen und des Zweiten Umlaufs zu den jeweiligen ins Bild gesetzten Themen und mit 70 Brocks, Bildquellen, S. 10. 71 Müller/Özcan, Iconography, S. 287-291, hier 287. 72 Wohlfeil, Reflexionen, S. 17-35; Kolbe, Strandwelten, S. 42-55; Brocks, Bildquellen, S. 9 und 21; Doerr/Milman, Working, S.  418-445; Müller/Geise, Grundlagen, S.  183-196; Knieper, Kommunikationswissenschaft, S. 37-51. 73 Panofsky, Ikonographie, S. 207-225, hier 210. 74 Panofsky, Ikonographie, S. 207-225, hier 211. 75 Kolbe, Strandwelten, S. 42-55, hier 44 f.; Brocks, Bildquellen, S. 21; Müller/Geise, Grundlagen, S. 187 f. 76 Müller, Bilder, S. 14-24, hier 16. 77 Knieper, Analyse, S. 193-212, Zitat 196.

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1. Einleitung

Rückgriff auf die Erkenntnisse der historischen Diskursanalyse wird gefragt,78 was für die Bildautoren der Unabhängigen Post abhängig von ihren Möglichkeitsbedingungen sag- bzw. zeigbar war.79 So führt die Kontextualisierung in diesem Analyseschritt dazu, ausgehend von der bildlichen Darstellung die Weltsicht der oppositionellen Bewegung und ihr Selbstverständnis zu entfalten. Dies geschieht jedoch unter dem Vorzeichen, dass Bilder polyvalent sind, das heißt nicht nur eine Bedeutung haben können, sondern ein Bedeutungspotential, das mehr als eine Interpretationsmöglichkeit birgt.80 1.4

Gliederung des Buches

Die Funktionen und das Bildprogramm der Unabhängigen Post der polnischen Oppositionsbewegung werden im Folgenden aus verschiedenen Blickwinkeln untersucht. Im Fokus steht dabei die Untergrundpost mit ihren Briefmarken, da sie von 1982 bis 1989 die längste „Laufzeit“ hatte und in ganz Polen in Erscheinung trat, während die Streikpost aus nur wenigen Betrieben überliefert ist und sich auf die Dauer des betreffenden Streiks beschränkte. Zwar ist auch die Lagerpost nur aus dem Zeitraum der großen Internierungswelle 1981/82 infolge der Ausrufung des Kriegsrechts bekannt, doch scheint sie in den Internierungslagern keine Ausnahme, sondern die Regel gewesen zu sein. Daher werden das Phänomen Lagerpost und seine Publikationen zusätzlich zur Untergrundpost an verschiedenen Stellen in den Blick genommen. Zur Kontextualisierung der Unabhängigen Post und des Zweiten Umlaufs wird in Kapitel  2 die polnische Opposition der 1980er Jahre als soziale Bewegung charakterisiert, die sich für die Methode der Gewaltlosigkeit entschied und damit an das strukturbildende Konzept der „organischen Arbeit“ anknüpfte. Theoretisch fußt die Untersuchung auf dem Ansatz des „kulturellen Gedächtnisses“ (nach Aleida und Jan Assmann). Reflektiert wird die Bedeutung visuellen Materials für die Sichtbarkeit und Integration sozialer Bewegungen und es wird die identitäts- und gemeinschaftsstiftende Wirkung des kulturellen Gedächtnisses dargelegt, dessen spezifische Ausdrucksform die Unabhängige Post mit ihren Publikationen im letzten Jahrzehnt der Volksrepublik Polen war. Kapitel  3 beschäftigt sich mit dem Medium „Untergrundbriefmarke“. Es untersucht das Bedeutungsspektrum der Unabhängigen Post und ihrer 78 79 80

Landwehr, Diskursanalyse, S. 91-131. Eder, Diskurse, S. 9-23, hier 13. Betscher, Bildsprache, S. 63-83, hier 66 und 81.

1.4 Gliederung des Buches

19

Briefmarken als Anspielung auf eine Institution, die im Herrschaftsbereich des Staates angesiedelt ist. Gefragt wird nach den Konnotationen von „Post“ in synchroner und diachroner Perspektive. Den Ausgangspunkt bilden Aussagen aus den Zeitzeugeninterviews, die an die Situation der Opposition in den 1980er Jahren und des Zweiten Umlaufs rückgebunden werden. Kapitel  4 widmet sich dem Bildmaterial der Unabhängigen Post. Gefragt wird nach einem verbindenden Grundgedanken des Bildmotivspektrums und den spezifischen Anforderungen an die grafische Gestaltung der Kleinstpublikationen. Darauf aufbauend, werden mit der ikonographischikonologischen Methode in den Kapiteln  5 bis 9 ausgewählte Bildmotivkomplexe dahingehend analysiert, wie sie das Selbstverständnis der oppositionellen Gemeinschaft nach innen profilieren und vom äußeren Gegner abgrenzen konnten. Untersucht wird die Bearbeitung des Themas „Zensur“ im Bildmaterial der Lagerpost, das hier ein Schwerpunktthema ist, ansonsten aber in der Unabhängigen Post nicht vorkommt. Außerdem werden für die Untergrundpost die Bildmotivkomplexe „1980, Entstehung der SolidarnośćBewegung“, „1981, Kriegsrecht“ sowie „Warschauer Aufstand und Erhebungen in der Volksrepublik Polen“ analysiert. Punktuell werden Publikationen der Lagerpost hinzugezogen. Kapitel  10 untersucht die Beliebtheit der Untergrundbriefmarken auf der Produzenten- wie auf der Rezipientenseite bezogen auf ihre finanziellen Funktionen und die spezifische Rezeption. Die erzielten Erlöse aus ihrem Verkauf kamen zum einen der Oppositionsbewegung, sei es speziell den herausgebenden Gruppen oder aber anderen oppositionellen Projekten und Unterstützungsfonds, zugute, zum anderen scheint der Gewinn auch für private Zwecke verwendet worden zu sein. Eine Erklärung für die Beliebtheit der Untergrundbriefmarken bei den Rezipienten wird im spezifischen Umgang mit den Untergrundbriefmarken als Sammelobjekte sowie in der eingängigen visuellen Umsetzung komplexer Themen gesucht. Kapitel 11 schließlich fasst die Erkenntnisse zusammen.

Kapitel 2

Kontextualisierung und theoretischer Rahmen 2.1

Soziale Bewegung mit bildlichen Ausdrucksmitteln. Die Opposition in den 1980er Jahren

Die Unabhängige Post war als Teil des Zweiten Umlaufs ein Ausdruck der vielfältigen Aktivitäten der organisatorisch und inhaltlich breit gefächerten oppositionellen Bewegung. Diese entstand im Zuge einer landesweiten Streikwelle in der Volksrepublik im Sommer 1980, die in erfolgreiche Verhandlungen der Streikenden mit ihren staatlichen Gegenspielern mündete. Wegweisend waren die Vereinbarungen vom August  1980 auf der Lenin-Werft in Danzig: Unter anderem wurde den Forderungen nach einem Recht auf Streik und auf eine staatlich unabhängige, selbstverwaltete Gewerkschaft stattgegeben, was zur Gründung der Solidarność führte, die als eigenständige Interessenvertretung auch schließlich offiziell anerkannt wurde – ein Novum in der sowjetischen Einflusssphäre in Ostmitteleuropa.1 Bis zur Verhängung des Kriegsrechts im Dezember 1981 wuchs die Solidarność rasch auf zirka 9,5 Millionen Mitglieder an – zum Vergleich: Die staatliche Polnische Vereinigte Arbeiterpartei (Polska Zjednoczona Partia Robotnicza – PZPR) zählte 1980 nur 3,2 Millionen Mitglieder, von denen zirka eine Million auch der Solidarność beitraten.2 Zudem gründeten Studenten, Kleinbauern, Rentner und weitere gesellschaftliche Gruppen eigenständige Interessenvertretungen, die die Vorrangstellung der Solidarność anerkannten und mit ihr kooperierten. Dies legitimierte die Solidarność, dem Regime das Selbstverständnis streitig zu machen, alleiniger Vertreter einer Bevölkerung von zirka 36 Millionen zu sein.3 Zudem setzten oppositionelle Organisationen, die bereits vor 1980 bestanden hatten, ihre Tätigkeit fort. Die Aktivisten bauten selbstverwaltete lokale, regionale und 1 Zu den Vereinbarungen gehörte außerdem: die Anhebung der niedrigsten Löhne und Renten, die Wiedereinstellung der Streikenden der Erhebungen von 1970 und 1976 sowie die Wiederaufnahme von Studenten, die damals von den Universitäten verwiesen worden waren, die Überprüfung von Gerichtsurteilen in politischen Strafprozessen, mehr Transparenz im Prozedere der obligatorischen Präventivzensur, die Übertragung der Sonntagsgottesdienste im staatlichen Radio. Zu den August-Vereinbarungen siehe Majchrzak, Porozumienia. Die Entstehung und Entwicklung der Solidarność ist detailliert nachgezeichnet bei Skórzyński, Krótka historia. 2 Paczkowski, Das „schwächste Glied“, S. 207-222, hier 211 und 221. 3 Holzer, Abschied, S. 151-165, hier 155.

© Verlag Ferdinand Schöningh, 2021 | doi:10.30965/9783657760039_003

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2. Kontextualisierung und theoretischer Rahmen

überregionale Organisationsstrukturen auf, führten demokratische Wahlen ihrer Führungsgremien durch und erarbeiteten ihre Statuten und Programme. Die Aktivitäten der Solidarność-Bewegung gingen von Beginn an über strikt berufsspezifische Belange hinaus. Sie trat für wirtschaftliche Reformen ebenso ein wie für politische Veränderungen und mehr demokratische Mitbestimmung, sie forderte Pluralismus und Redefreiheit im öffentlichen Leben und formulierte beispielsweise Bildungsreformen. Ihre öffentliche Kritik an den geltenden politischen Werten und Mechanismen des staatssozialistischen Systems der Volksrepublik, das staatliche Informations- und Deutungsmonopol inbegriffen, und ihre Forderungen nach Veränderungen vertraten die oppositionellen Akteure zunächst sowohl im direkten Dialog mit staatlichen Vertretern als auch in eigenen Organisations- und Publikationsformaten, vor allem Flugblättern und Zeitungen.4 Von Beginn an war eine der verbindenden Ideen in der oppositionellen Bewegung, im öffentlichen Leben einen Denk- und Handlungsraum zu etablieren, in dem nicht die staatstragende Partei oder staatliche Institutionen dominierten, sondern die selbstverwalteten gesellschaftlichen Organisationen Gestaltungsfreiheit hatten.5 Dies gelang in Form des Zweiten Umlaufs, der ab der zweiten Hälfte des Jahres 1980 zusammen mit einer Vielzahl selbst initiierter Vereinigungen aufblühte. Ein wesentlicher Einschnitt war jedoch die Einführung des Kriegsrechts am 13.  Dezember 1981. Es machte die Verlagerung der oppositionellen Aktivitäten in den Untergrund notwendig, was zu einem deutlichen Rückgang der Anhänger führte. Dennoch waren die oppositionellen Gruppierungen in der Lage, ihre dezentral organisierten Strukturen aufrechtzuerhalten, ihre Ziele, Konzepte und Methoden in den Medien des Zweiten Umlaufs zu veröffentlichen und zu diskutieren, sie angepasst an die Bedingungen im Untergrund weiterzuverfolgen und schließlich den Systemwandel in den späten 1980er Jahren mit in die Wege zu leiten und die Transformation 1989/90 wesentlich mitzugestalten.6 Wie für soziale Bewegungen im Allgemeinen, gilt auch für die polnische Oppositionsbewegung der 1980er Jahre:

4 Trugen die Zeitungen, die häufig von den in den Betrieben entstehenden oppositionellen Gruppierungen herausgegeben wurden, den Hinweis „Für den gewerkschaftsinternen Gebrauch“, unterlagen sie nicht den Bestimmungen der sonst obligatorischen Präventivzensur. Dies galt bis zur Einführung des Kriegsrechts. Garsztecki, Korrektive, S. 47-61, hier 56. 5 Skórzyński, Krótka historia, S. 34 f. 6 Paczkowski, Opposition, S. 203-229.

2.1 Soziale Bewegung mit bildlichen Ausdrucksmitteln

23

Social movements are conscious, concerted, and sustained efforts by ordinary people to change some aspect of their society by using extra-institutional means. […] A social movement is a collective, organized, sustained, and noninstitutional challenge to authorities, powerholders, or cultural beliefs and practices.7

Von Anfang an stehen soziale Bewegungen vor der Aufgabe, strategische Entscheidungen zu treffen. Die grundsätzlichste ist die für oder gegen die Anwendung von Gewalt. Die oppositionelle Bewegung der 1980er Jahre in der Volksrepublik Polen entschied sich für gewaltfreie Methoden, um ihre Forderungen und Ziele bekannt zu machen und umzusetzen. Diese Form des Widerstands wurde von einer breiten Akteursbasis getragen und war ein Schritt auf das übergreifende Ziel zu, die vom staatssozialistischen System beförderte „Atomisierung der Gesellschaft“, so die Zustandsbeschreibung führender Oppositioneller,8 aufzubrechen und den Zusammenhalt der Gesellschaft aktiv zu stärken. Ausgehend von Freundeskreisen, nachbarschaftlichen oder kollegialen Kontakten wurden Strukturen aufgebaut, in denen Aktionen des gewaltfreien Widerstands gegen das Regime (etwa die Veröffentlichung unabhängiger Publikationen) durchgeführt wurden.9 „These structurebuilding processes turn out to be a potent weapon of ordinary people in waging a protracted struggle for the transformation of their society […].“10 Als ein wesentlicher Anknüpfungspunkt erwies sich das Konzept des gewaltfreien Widerstands in Form „organischer Arbeit“. Entwickelt im 19. Jahrhundert von der Krakauer historischen Schule und im Rahmen der Sozialphilosophie des Positivismus, hatte es praktisch umgesetzt die Herrschaft der Teilungsmächte Russland, Preußen und Österreich unterminiert. Die organische Arbeit zielte darauf, der breiten Bevölkerung Bildung zu vermitteln und ihre Selbständigkeit in Form von sozialer, wirtschaftlicher und politischer Selbstorganisation sowie ein nationales Bewusstsein durch die Pflege der polnischen Sprache, Kultur und Geschichte zu entwickeln.11 Damit war ein Handlungsmuster etabliert, das einige Generationen später wieder aufgegriffen wurde: „[…] civil resistance can create and leave behind a legacy of defiance in the form of sociocultural practices, political tradition, generational stories, and individual or collective memories that a population may […] draw from during 7 Goodwin/Jasper, Editors’ Introduction, S. 3 f. 8 Poleski, Uwagi, S. 2 und 3, hier 3, FSO 2-002 Gp 563. 9 Smolar, Self-limiting Revolution, S. 127-143, hier 128; Tymczasowa Komisja Koordynacyjna NSZZ „Solidarność“, Społeczeństwo, S. 1-2, hier 1 f., FSO 2-002 Gp 563. 10 Bartkowski, Recovering, S. 1-30, hier 3, 4. 11 Bartkowski, Poland, S. 259-277, hier 262-273.

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2. Kontextualisierung und theoretischer Rahmen

future crisis.“12 Von nonkonformistischen Intellektuellen in der Volksrepublik weitergedacht und verbreitet, wurde das Konzept der organischen Arbeit an die Bedingungen der organisierten Opposition angepasst und erneut praktiziert.13 Die Weiterentwicklung und der Ausbau des Zweiten Umlaufs, in dem auch die Unabhängige Post angesiedelt war, waren die einschlägige und verbreitete Art und Weise, gewaltlos gegen das offizielle Informations- und Zensurmonopol vorzugehen. Dieser dauerhafte Angriff auf die Sicht- und Deutungsweisen der Machthaber hatte langfristig deren Delegitimierung zur Folge, denn er legte nicht nur ihre Unglaubwürdigkeit bloß, sondern ignorierte auch ihr Machtmonopol. Die Akteure des Zweiten Umlaufs beanspruchten für sich selbst die Macht der Rede, mit dem Unterschied, dass ihre Rede nicht dem offiziellen Zensurprozedere unterlag und dem Zweck diente, die „weißen Flecken“ der offiziellen Informationspolitik zu füllen und die Lügen der offiziellen Deutungspolitik zu entlarven. Die Enttabuisierung und die sogenannte Entlügung (odkłamanie), zentrale Anliegen der oppositionellen Akteure, führten zur Reflexion über die polnische Gesellschaft und zur Neuakzentuierung ihrer Geschichte und Gegenwart.14 Die Publikationen der Unabhängigen Post spiegeln diese Auseinandersetzung wider. Das Bildmaterial der Unabhängigen Post ist daher im politischen Kontext angesiedelt und veranschaulicht die Sicht der polnischen oppositionellen Bewegung auf sich und die Welt in den 1980er Jahren. Dabei hatte es für die Opposition insofern eine ganz wesentliche Funktion, als soziale Bewegungen sichtbar sein müssen, um ihrem Protest und ihren Botschaften Nachdruck zu verleihen. Sowohl spontan und zufällig entstandenes und verwendetes als auch bewusst und strategisch produziertes und eingesetztes visuelles Material gewährleisten diese Sichtbarkeit und dienen dazu, das – mehr oder weniger facettenreiche – Selbstbild einer sozialen Bewegung publik zu machen, Auskunft über ihre Anliegen, Ziele und Forderungen zu geben.15 Daher sind Bilder und andere visuelle Artefakte Schlüsselmedien im Kommunikationsprozess der sozialen Bewegung nach innen und außen.16 Während sie einerseits Einblicke in die Weltsicht der Bildautoren geben,17 weisen sie andererseits ein vielschichtiges Wirkungspotential auf, da Bilder das Verständnis des Betrachters von aktuellen oder historischen Ereignissen zu beeinflussen 12 13 14 15 16 17

Bartkowski, Insights, S. 339-354, hier 350. Bartkowski, Poland, S. 259-277, hier 274. [o. Verf.], Historia, S. 8-9, hier 8. della Porta, What We Can Do, S. 137-144, hier 139-142. Doerr u. a., Analysis, S. xi-xxvi, hier xiii. Paul, Jahrhundert, S. 14-39, hier 28.

2.2 Gedächtnistheorie

25

vermögen.18 Das heißt, sie können eingesetzt werden, um die Deutungshoheit über bestimmte Themen zu erlangen.19 „The production of images and the development of visual codes is thus one of the battlefields for social movements and their environments.“20 Für die Analyse der Bildmotive der Untergrundbriefmarken bedeutet das, danach zu fragen, welche Botschaften die Bildautoren vor dem Hintergrund welcher offiziell vertretenen Inhalte als vermittelnswert erachteten. Zum Wirkungspotential visuellen Materials gehört auch, Zugehörigkeiten zu markieren. So können konkrete Bilder, Zeichen oder Symbole als Erkennungszeichen fungieren, die für Positionen und Orientierungen stehen.21 Aufgrund ihrer semantischen Polyvalenz haben sie das Potential, die Heterogenität einer sozialen Bewegung zusammenzufassen und ihr somit Kohärenz zu verleihen.22 Der Effekt kann eine Stärkung des Wir-Gefühls und der kollektiven Identität der Angehörigen der Bewegung sein. Die These zur kollektiven Identität von sozialen Bewegungen, „collective identities are talked into existence“,23 scheint also in Bezug auf die Untergrundbriefmarken abgewandelt werden zu können in: Collective identities are drawn and printed into existence. Die Artefakte der Unabhängigen Post erweisen sich hier als mehrschichtig, da nicht nur die verwendete Ikonographie, sondern auch die Briefmarke als Repräsentationsmedium und als Sammelobjekt ein gemeinschaftsstiftendes Potential aufweist. Das visuelle Material einer Bewegung ermöglicht jedoch nicht nur Aussagen über ihr Selbstverständnis, sondern auch Erkenntnisse über den modus operandi der Bewegung, beispielsweise über ihre Existenzbedingungen, Organisations- und Arbeitsformen.24 Die Analyse der Untergrundbriefmarken mit Blick auf ihre finanziellen Funktionen und ihre spezifische Rezeption macht deutlich, wie die oppositionelle Bewegung in Polen organisiert und tätig war und ihren Zusammenhalt förderte. 2.2

Gedächtnistheorie

Die Untersuchung der Unabhängigen Post der polnischen Oppositionsbewegung der 1980er Jahre gibt Aufschluss über Ausformungen des in der 18 19 20 21 22 23 24

Corrigall-Brown, Power, S. 131-134, hier 132. Doerr/Teune, Imagery, S. 43-55, hier 46. Doerr/Teune, Imagery, S. 43-55, hier 44. Doerr u. a., Analysis, S. xi-xxvi, hier xiii. della Porta, What We Can Do, S. 137-144, hier 143; Adams, Art, S. 21-56, hier 43 und 49. Hunt/Benford, Collective Identity, S. 433-457, hier 445 (Hervorhebung im Original). Adams, Art, S. 21-56, hier 40 und 41.

26

2. Kontextualisierung und theoretischer Rahmen

Opposition lebendigen „kulturellen Gedächtnisses“ (gemäß Aleida und Jan Assmann), die im Konflikt mit dem offiziell vertretenen und gepflegten kulturellen Gedächtnis standen. Die Akteure unterschiedlicher oppositioneller Gruppierungen nutzten ihre Untergrundbriefmarken mit den unzensierten Bildmotiven, parallel zu weiteren Ausdrucksformen des Zweiten Umlaufs, als Plattform für die nonkonformen kulturellen Gedächtnisse. Wie die hier vorgestellten Analysen der Briefmarkenmotive der Unabhängigen Post zeigen, füllten diese die „weißen Flecken“ des offiziellen kulturellen Gedächtnisses, also dessen tabuisierte Leerstellen, und vermittelten Deutungen und Sichtweisen von aktuellen und historischen Ereignissen, Prozessen und Persönlichkeiten, die sich von den offiziellen Interpretationen abgrenzten. Dabei fungierten die nachgeahmten Briefmarken nicht als ein beliebiges Trägermedium, sondern sie verwiesen ihrerseits auf Phänomene des kulturellen Gedächtnisses. Zum einen bestand die Verbindung zu den konventionellen Briefmarken der staatlichen Post, zum anderen wurde an die Briefmarken historischer Postsysteme in Zeiten von Krieg und Aufstand in der polnischen Geschichte angeknüpft. Aleida und Jan Assmann entwickelten die bislang ausdifferenzierteste Theorie des kulturellen Gedächtnisses.25 Es gehört neben der neuronalen und der sozialen Dimension zu den „drei verschiedenen Ebenen und Verfasstheiten des menschlichen Gedächtnisses“.26 In einer seiner grundlegenden Schriften fasst Jan Assmann unter dem Begriff des kulturellen Gedächtnisses den jeder Gesellschaft und jeder Epoche eigentümlichen Bestand an Wiedergebrauchs-Texten, -Bildern und -Riten zusammen, in deren „Pflege“ sie ihr Selbstbild stabilisiert und vermittelt, ein kollektiv geteiltes Wissen vorzugsweise (aber nicht ausschließlich) über die Vergangenheit, auf das eine Gruppe ihr Bewußtsein von Einheit und Eigenart stützt.27

Die einzelnen Aspekte dieser Definition werden im Folgenden in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand Unabhängige Post erläutert. Dabei wird der Begriff des kulturellen Gedächtnisses hier im Singular verwendet, wenn es um das kulturtheoretische Konzept geht, und bei konkreten kulturellen, kulturhistorisch analysierbaren Phänomenen ggf. auch im Plural. Nach der Assmannschen Bestimmung werden die Inhalte des auf Langzeit angelegten kulturellen Gedächtnisses in Medien bewahrt, die eine Vermittlung über lange Zeitspannen gewährleisten. Das kulturelle Gedächtnis 25 Erll, Gedächtnis, S.  126; Moller, Erinnerung, S.  1-12, hier 11; Landwehr, Kulturgeschichte, S. 53. 26 Assmann, Schatten, S. 31. 27 Assmann, Kollektives Gedächtnis, S. 9-19, hier 15.

2.2 Gedächtnistheorie

27

beruht damit, so Aleida Assmann, „auf einem Fundus von Erfahrung und Wissen, der von seinen lebendigen Trägern abgelöst und auf materielle Datenträger übergegangen ist.“28 Dabei richtet Jan Assmann seinen Blick zunächst auf die Objektivationen der Hochkultur, deren Aneignung, Auslegung und Weitergabe von Spezialisten vorgenommen wird.29 „Kulturell“ in diesem Sinne ist jedoch nur ein Teilbereich des für den hier zugrunde gelegten weiten Kulturbegriffs, der Kultur mit Astrid Erll als „Gesamtheit menschlicher Selbstauslegung in einem gegebenen Kontext“30 definiert. Dieses Verständnis richtet sich dagegen, dass Kultur nur in exklusiven, reservierten Bereichen anzutreffen sei und von eigens dafür Ausgebildeten ausgeübt werde. Vielmehr wird betont, dass von Kultur dann die Rede ist, wenn Gesellschaften mit Hilfe von materiellen und immateriellen Symbolen die sie umgebende Realität mit Bedeutung belegen.31 Das heißt, dass sich Kultur ebenso in der Alltagspraxis ausdrückt. Folglich kommt Erinnerungskultur gleichberechtigt in unterschiedlichsten Medien zum Ausdruck und kann von diesen ausgehend analysiert werden.32 So verstanden, umfasst das kulturelle Gedächtnis auch die mitunter als „oppositionelle Folklore“ bezeichneten nachgeahmten Briefmarken, denen mit dieser Titulierung abgesprochen wird, ein anspruchsvolles kulturelles Produkt gewesen zu sein.33 Doch ist für die vorliegende Untersuchung nicht die künstlerische Qualität ausschlaggebend für die Zuordnung zum kulturellen Gedächtnis, sondern entscheidend ist, dass die Untergrundbriefmarken zum Zwecke der Selbstbestimmung des oppositionell eingestellten Teils der Gesellschaft eingesetzt wurden. Aus der oben zitierten Definition von Jan Assmann folgt, dass das kulturelle Gedächtnis ein kollektives Gedächtnis ist und der Selbstvergewisserung der betreffenden großen Gedächtnisgemeinschaft dient. Mit seiner Hilfe findet die Verständigung über die zentralen Fragen der Gesellschaft nach den für sie gültigen Werten und Normen und nach der eigenen Identität statt.34 Die Inhalte des kulturellen Gedächtnisses haben somit eine profilierende und stabilisierende Funktion, sie vermitteln innen Gemeinsamkeiten und grenzen nach außen ab. Es handelt sich daher um ein „Bindungsgedächtnis“,35 das den

28 29 30 31 32 33 34 35

Assmann, Schatten, S. 34 (Hervorhebung im Original). Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, S. 54. Erll, Gedächtnis, S. 128. Landwehr, Kulturgeschichte, S. 9; Moller, Erinnerung, S. 1-12, hier 4. Cornelißen, Erinnerungskulturen, S. 1-10, hier 2. Zum zitierten Begriff: Baraniewski, L’iconographie, S. 109-117, hier 117. Erll, Gedächtnis, S. 130. Assmann, Religion, S. 15.

28

2. Kontextualisierung und theoretischer Rahmen

Wunsch des Individuums als sozialem Wesen nach Zugehörigkeit bedient.36 Diese starke, vereinheitlichte und verbindende Gruppenidentität entsteht im Assmannschen Verständnis letztlich durch aktive Zustimmung der Einzelnen in der Gruppe und kann nicht von außen übergestülpt werden: Unter einer kollektiven oder Wir-Identität verstehen wir das Bild, das eine Gruppe von sich aufbaut und mit dem sich deren Mitglieder identifizieren. Kollektive Identität ist eine Frage der Identifikation seitens der beteiligten Individuen. Es gibt sie nicht „an sich“, sondern immer nur in dem Maße, wie sich bestimmte Individuen zu ihr bekennen. Sie ist so stark oder so schwach, wie sie im Bewusstsein der Gruppenmitglieder lebendig ist und deren Denken und Handeln zu motivieren vermag.37

Zwar ist der Begriff der Gruppenidentität nicht unumstritten. Kritisiert wird, dass in einem unlauteren Analogieschluss das Konzept der individuellen Identität auf Kollektive übertragen wird.38 Seine Verurteilung als sogenanntes Plastikwort39 zielt auf seine vielseitige Einsetzung und damit auch Beliebigkeit und Unbestimmtheit. So lautet ein Vorwurf, dass der Begriff der kollektiven Identität Gleichheit suggeriert, wobei die Einzelnen, die die Gruppe bilden, unzulässig gleichgemacht und ihrer subjektiven Identität beraubt werden, wenn ihnen zugeschrieben wird, eine Gruppenidentität zu verkörpern.40 Ungeachtet dieser Argumente etablierte sich der Begriff jedoch für die Bestimmung des kulturellen Selbstbildes von Gruppen.41 In der Untersuchung der Unabhängigen Post wird er zugrunde gelegt, wenn es darum geht, das identitätsstiftende und integrierende Potential der nachgeahmten Briefmarken für die Oppositionsbewegung zu analysieren. Das kulturelle Gedächtnis dient der Formierung von Gesellschaft und seine Inhalte beziehen sich nach der Assmannschen Theorie vor allem auf die Vergangenheit. Sie haben eine profilierende Wirkung, da die Erinnerungen an die Vergangenheit die kollektive Identität prägen und die Gemeinschaft bestätigen. Zudem kann die erinnerte Vergangenheit eine legitimierende Funktion haben, indem das Erinnerte die Herrschenden rechtfertigt und ihrem Machterhalt dient. Umgekehrt kann der Gebrauch der Vergangenheit auch die Delegitimation der Machthaber zum Ziel haben, wenn die Pflege

36 37 38 39 40 41

Assmann, Religion, S. 18 f. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, S. 132 (Hervorhebungen im Original). Straub, Identität, S. 269-272, hier 271. Niethammer, Identität, S. 33 f. Siehe auch Pörksen, Plastikwörter. Niethammer, Identität, S. 38 f. und 54. Quante, Identität, S. 267-269, hier 268.

2.2 Gedächtnistheorie

29

entsprechender Erinnerungen die bestehende Herrschaft unterwandert.42 Im Rahmen der Unabhängigen Post spielten alle drei Aspekte eine Rolle. Jedoch misst das kulturelle Gedächtnis nicht allem Vergangenen gleiches Gewicht bei und ist nicht unveränderbar. Vielmehr findet nach Aleida Assmann eine Selektion der Gedächtnisinhalte statt, die entweder als derzeit aktiv gepflegte Inhalte zum „Funktionsgedächtnis“ des kulturellen Gedächtnisses gehören oder als aktuell passive, nicht öffentlich eingesetzte Inhalte Elemente des „Speichergedächtnisses“ sind.43 Die von Jan Assmann in seiner oben zitierten Definition gebrauchte Formulierung des „jeder Gesellschaft und jeder Epoche eigentümlichen Bestand[s, SP]“44 an Objektivationen nimmt bereits vorweg, dass das kulturelle Gedächtnis trotz seines eher beständigen Charakters eine langfristige Entwicklung nicht ausschließt und die Grenze zwischen Funktions- und Speichergedächtnis durchlässig ist: Verlieren einzelne Elemente im Laufe der Zeit an Bedeutung oder wird ihnen bewusst Bedeutung abgesprochen, gehen sie ins Speichergedächtnis über, wo sie wie in einem Magazin ohne größere Beachtung lagern. Umgekehrt kann das abgesunkene oder stillgelegte Wissen des Speichergedächtnisses auch wiederentdeckt und ins aktive Funktionsgedächtnis integriert werden. Für das Untersuchungsgebiet „Polen in den 1980er Jahren“ ist das von großem Interesse: In autoritären Systemen wird das kulturelle Gedächtnis absichtsvoll beschnitten. Zum einen werden die Inhalte des offiziellen Funktionsgedächtnisses hier der Zensur unterzogen. Zum anderen wird der Zugang zum Speichergedächtnis, konkret denkbar als historische Archive oder Museumsmagazine, sogar für Spezialisten beschränkt. Die Herrschenden, die die Erinnerungshoheit innehaben, streben an und verwirklichen die Hegemonie des von ihnen zugelassenen kulturellen Gedächtnisses, mit dem Ziel, die Stabilität der Gemeinschaft und nicht zuletzt ihre eigene Herrschaft sicherzustellen. Neben dem so kontrollierten kulturellen Gedächtnis bestanden in Polen von Beginn der Volksrepublik an jedoch alternative kulturelle Gedächtnisse, die zunächst vor allem im familiären Bereich aufrechterhalten wurden. Sie widersprachen nicht nur Auslegungen von Inhalten des offiziell vertretenen Funktionsgedächtnisses, sondern brachen auch das Speichergedächtnis auf und pflegten die dort abgespaltenen Gedächtnisinhalte, die als subversiv und häretisch verbannt worden waren, als aktiven Erinnerungsschatz der GegenGedächtnisse. Mit dem Aufkommen des Zweiten Umlaufs in der zweiten 42 43 44

Assmann/Assmann, Das Gestern, S. 114-140, hier 124-127. Assmann, Schatten, S. 54-58; Assmann, Mediengeschichte, S. 45-60, hier 47-49. Hervorhebung der Autorin.

30

2. Kontextualisierung und theoretischer Rahmen

Hälfte der 1970er Jahre wurden diese alternativen kulturellen Gedächtnisse aus der Nische der familiären Erinnerung herausgeholt und in den unzensierten Publikationen verbreitet. Ihre intensive bildliche Umsetzung fand im Rahmen der Unabhängigen Post in den 1980er Jahren statt. Hier bestätigt sich, dass innerhalb ein und derselben Gesellschaft das kulturelle Gedächtnis in „synchrone[r, SP] Pluralität“ auftritt.45 Da die Inhalte des kulturellen Gedächtnisses wesentliche Bedeutung für die Selbstbestimmung der gesellschaftlichen Formation haben, sind Erinnerungskonkurrenzen und -konflikte zwischen unterschiedlichen Erinnerungsinteressen die Folge.46 Die Darstellungen auf den Untergrundbriefmarken in Gegenüberstellung mit den offiziellen Versionen der jeweiligen Thematik sind insofern auch als Kampf um die Deutungshoheit über die betreffenden Themen zu untersuchen. Dabei ist zweierlei von besonderem Interesse. Erstens: Foucault kam in seiner historischen Diskursanalyse zu dem Ergebnis, dass ein Gegendiskurs nicht ausschließlich neue Inhalte verhandelt und sich in einer bisher nicht gekannten Form darstellt, sondern dass er Elemente des Diskurses, gegen den er sich richtet, aufgreift und diese für die eigenen Zwecke umformuliert und modifiziert.47 Daher wird in die Untersuchung der Untergrundbriefmarken einbezogen, inwieweit hier ein Rückgriff auf Denkstrukturen und Darstellungsweisen des offiziellen Funktionsgedächtnisses stattfand und eben nicht nur auf das offiziell verbannte Speichergedächtnis. Zweitens: Mit dem sinnstiftenden Gehalt des kulturellen Gedächtnisses gehe einher, dass es das Streben nach Hegemonie beinhalte, um seine Orientierungskraft verbindlich zu sichern, so Erll.48 Dies führt zu den Fragen, ob die Briefmarken der Unabhängigen Post Rückschlüsse auf die synchrone Pluralität des oppositionellen kulturellen Gedächtnisses geben sowie darauf, ob Auseinandersetzungen zwischen den alternativen kulturellen Gedächtnissen stattfanden und sich letztlich eine dominierende Version herausbildete. In totalitären bzw. autoritären Systemen werden Erinnerungen, die nicht mit der offiziellen Linie übereinstimmen, überwiegend im familiären Bereich oder in gesellschaftlichen Nischen im Rahmen der Alltagskommunikation gepflegt.49 In der Volksrepublik Polen der 1980er Jahre verhielt es sich mit den Gegen-Erinnerungen jedoch anders, da sie nicht nur Ausformungen des „Nahgruppen- und Familiengedächtnis[ses, SP]“50 waren, sondern auch 45 46 47 48 49 50

Zum zitierten Begriff: Erll, Gedächtnis, S. 133. Erll, Gedächtnis, S. 134. Foucault, Verteidigung, S. 82-104. Erll, Gedächtnis, S. 133 f. Moller, Erinnerung, S. 1-12, hier 9. Assmann, Schatten, S. 35.

2.2 Gedächtnistheorie

31

Inhalte der Medien des Zweiten Umlaufs. Dieser entwickelte sich zunächst lawinenartig, weshalb er während des Kriegsrechts und in den folgenden Jahren trotz der Bedingungen der konspirativen Herstellung und Verbreitung bzw. der eingeschränkten Zugänglichkeit so etabliert war, dass er kontinuierlich präsent und als Ganzes betrachtet nicht nur rein privat war. Im Zweiten Umlauf wurden die offiziell tabuisierten und verfälschten Themen in kulturellen Objektivationen und Veranstaltungen zum Ausdruck gebracht, die in der Privatheit von kleinen Erinnerungsmilieus nicht vorkamen und vorkommen konnten: Monographien und Periodika, Gedenkfeiern, Denkmäler und Gedenktafeln, Radiosendungen, Theaterinszenierungen, Kunstausstellungen, Plakate und auch der Gegenstand der vorliegenden Untersuchung, die Untergrundbriefmarken der Unabhängigen Post, sind Beispiele für Trägermedien des kulturellen Gedächtnisses der oppositionellen Bewegung, die den Rahmen des Familiären, der Nischen sprengten. Die „Explosion des Gedächtnisses“51 der oppositionellen Gemeinschaft fand in einer große Distanzen überwindenden, auf Öffentlichkeit ausgerichteten Kommunikation statt, die darauf angelegt war, eine langfristig abrufbare sinnstiftende kulturelle Überlieferung zu gewährleisten. Im Falle der nonkonformen Gesellschaftsgruppen in Polen blieb es also nicht bei der biographisch motivierten, fluiden Erinnerung, sondern wurde dem Erinnerten eine verbindliche Sinndeutung für die große Gedächtnisgemeinschaft zugeschrieben.

51

Baczko, Polska, S. 193-247, hier 193.

Kapitel 3

„Wir haben hier unsere Post!“ Konnotationen der Unabhängigen Post und ihrer Briefmarken Im Jahr 1987 erschienen unter dem Titel „Aus der Geschichte der unabhängi­ gen Post Polens“ (Z dziejów poczty niepodległej Polski) fünf Untergrundbrief­ marken, die der Grafiker zu einem Briefmarkenblock zusammengestellt hatte. Auf jeder Marke steht die Bezeichnung Solidarność Post (Poczta Solidarność) sowie der Nominalwert à 60 Zloty, die Perforierung ist grafisch angedeutet. Sie bilden fünf historische Stempel der polnischen Post aus der Zeit des 18. bis 20. Jahrhunderts ab, wobei sich drei der fünf Marken auf Postsysteme in Zeiten von Aufstand und Krieg beziehen. Gezeigt wird auf diesen ein Post­ stempel aus der Zeit des Januaraufstandes 1863/64, des Ersten Weltkrieges (1916) und des Warschauer Aufstandes (1944). Die Auswahl der Bildmotive und sehr sorgfältige Ausführung des Blocks scheint auf einen sachkundigen Grafiker hinzuweisen, der sich offenbar nicht nur mit der formalen Gestaltung von Postmarken auskannte, sondern sie auch in ein historisches Bezugssystem einbettete. Darauf deutet zusätzlich der Titel seines Blocks hin, der auch als „Aus der Geschichte der Post des unabhängigen Polen“ übersetzt werden kann.

Abb. 1

Untergrundpost, Block der Poczta Solidarność: Aus der Geschichte der unabhängigen Post Polens, 1987.

© Verlag Ferdinand Schöningh, 2021 | doi:10.30965/9783657760039_004

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3. „Wir haben hier unsere Post! “ – Konnotationen

Im Folgenden geht es um die zeitgenössischen und historischen postalischen Konnotationen, die im Medium Untergrundbriefmarke und in der angedeuteten Post des Zweiten Umlaufs enthalten sind. Sie geben Auskunft darüber, wie die Opposition sich selbst und wie sie ihren staalichen Kontrahenten sah. 3.1

„… das Monopol des Staates brechen“: Die Nachahmung eines staatlichen Mediums mit Repräsentationscharakter

Was macht ein kleines Stück Papier mit einem Bild zu einer Briefmarke? Eines der wesentlichen Merkmale ist die Zähnung.1 Auch in der Unabhängigen Post des Zweiten Umlaufs zirkulierten gezähnte Untergrundbriefmarken, allerdings zählten sie zu den Raritäten und waren begehrte Sammlerstücke. Nur die wenigsten Hersteller hatten Zugang zu den benötigten Maschinen bzw. konnten sich diese selbst bauen.2 Daher war es üblich, wie das angeführte Beispiel aus dem Jahr 1987 zeigt (siehe Abb. 1), die Zähnung durch Kreise oder Punkte grafisch zu imitieren – eine aufwändige Arbeit, die fast mehr Zeit kostete als das Bildmotiv selbst, erinnert sich Andrzej Znojkiewicz, Bildautor von zirka 300 Untergrundbriefmarken, im Interview.3 Möglicherweise war das einer der Gründe, weshalb in vielen Fällen auf die Zähnung ganz verzichtet und lediglich ein Rahmen um das Bildmotiv gezogen wurde. Als Briefmarken sind die Kleinstgrafiken trotzdem zu erkennen, weil sie zum einen einen Nominalwert tragen, der als Verkaufspreis galt.4 Der Erlös war gewöhnlich für die Finanzierung von Aktivitäten im Rahmen des Zweiten Umlaufs bestimmt. Zum anderen weisen die Untergrundbriefmarken weitere für dieses Medium typischen Gestaltungsmerkmale auf: Idealerweise sollte eine Brief­ marke in Form einer Aufschrift oder eines Zeichens auf die Post verweisen und das ausgebende Land nennen.5 Gängig waren Bezeichnungen auf den Untergrundbriefmarken, die den Hinweis auf die Post und die herausgebende Organisation kombinierten, zum Beispiel Poczta Solidarność, KPN Post, NZS 1 Naguschewski, Briefmarken-Welten, S. 46-53, hier 48. 2 Zeitzeugeninterview mit Antoszkiewicz (Warszawa, 23.7.2012). 3 Zeitzeugeninterview mit Znojkiewicz (Warszawa, 26.9.2010). 4 Eine mir bekannte Ausnahme ist eine Untergrundbriefmarke, die Stanisław Głażewski und Bogdan Szewczyk nach einem Entwurf von Maria Kapturkiewicz-Szewczyk anfertigten. Sie trägt keinen Nominalwert. Das Bildmotiv zeigt Głażewski und Szewczyk beim Drucken von Publikationen des Zweiten Umlaufs. Die Aufschrift widmet die kostenlos verbreitete Marke „den Kreativen der freien Presse: den Redakteuren, Verbreitern und Druckern als Beweis der Dankbarkeit“. Im Besitz der Autorin. Zeitzeugeninterview mit Głażewski (Puławy, 28.11.2010). 5 Doberer, Kulturgeschichte, S. 22.

3.1 „… das Monopol des Staates brechen “

35

Post oder Post der Kämpfenden Solidarność (Poczta Solidarności Walczącej). Geläufig waren auch regionale und lokale Bestimmungen wie Masowien Post, (Poczta Mazowsze), Unabhängige Post Pommern (Niezależna Poczta Pomorze) oder Krakau Post (Poczta Kraków). Daneben standen Postbezeichnungen wie Unabhängige Post (Poczta Niezależna) oder Freie Post (Wolna Poczta), diese ließen keine Vermutungen über die organisatorische oder lokale Verortung der Herausgeber zu. Nachgeahmte Briefmarken, auf denen nur die Aufschrift „Polen“ stand, deckten sich mit der formalen Gestaltung der Briefmarken der staatlichen Polnischen Post (Poczta Polska), die ebenfalls nur das Ausgabeland nannten. Allerdings ist die Bezeichnung „Post“ auf den Briefmarken der Unabhängigen Post erstaunlich, denn es gab keine Post als „der Allgemeinheit gegen Entgelt dienende […] Einrichtung“6 für die institutionalisierte Beförderung von Briefen o. ä. im Untergrund. Der Beachtung der typischen Gestaltungselemente und der gewählten Post-Benennung musste daher eine andere Absicht zugrunde liegen als der Hinweis auf Logistik. Die Künstlerin Maria Kapturkiewicz-Szewczyk erklärt im Zeitzeugen­ gespräch die von ihr und ihrem Freundeskreis in Puławy hergestellten Unter­ grundbriefmarken anhand der allgemeinen Bedeutung von Briefmarken und Post: „Eine Briefmarke hat ihre Reichweite – die Post. Sie kommt zu den Leuten.“7 Briefmarken fasste sie als ein Element des Komplexes Post auf, der aus der Institution, dem Absender und dem Empfänger besteht, die durch die Informationsübermittlung miteinander verbunden sind. Das Verständnis der konventionellen Institution Post stand somit Pate für die Untergrundpost. Zwar ging es bei der Untergrundpost nicht um den Austausch von Briefen, aber durch den Verkauf der Untergrundbriefmarken gelangten Informationen in Form von Bildbotschaften vom „Absender“, d. h. dem Bildautor und dem Herausgeber, zum Empfänger, d. h. dem Käufer und Sammler, wie es auch bei konventionellen Briefmarken der Fall ist. Diese Analogie beinhaltet auch, dass die Bildmotive der Unabhängigen Post als Plattform der visuellen Selbstdarstellung fungierten. So wie Staaten ihre Briefmarken nutzen, um bestimmte Personen, Ereignisse, Errungenschaften, Werte o. ä. als allgemein anerkannt und verbindlich für ihr Gemeinwesen und ihre Ordnung zu vermitteln,8 konnten die Grafiker mit der Gestaltung ihrer Bildmotive als Briefmarken signalisieren, dass die ins Bild gesetzten Themen

6 Häger, Post, S. 83. 7 Zeitzeugeninterview mit Kapturkiewicz-Szewczyk (Puławy, 27.11.2010). 8 Gabriel, Ästhetik, S. 83-105, hier 84 f.; Naguschewski, Schönheit, S. 164-193, hier 164-166.

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3. „Wir haben hier unsere Post! “ – Konnotationen

die herausgebende oppositionelle Gruppierung bzw. die Opposition im All­ gemeinen und ihr kulturelles Gedächtnis repräsentieren. Der implizite Gegenspieler der Untergrundpost war jedoch nicht nur eine konventionelle Post im allgemeinen Sinne, sondern auch die existierende staatliche Post der Volksrepublik Polen. Die Bezeichnung Untergrundpost habe auf die damalige offizielle Post Bezug genommen, sagt Znojkiewicz und definiert den Begriff Untergrund als einen Verweis, dass es eine offiziell ver­ bindliche Norm gegeben habe, der sich die oppositionell eingestellten Akteure widersetzt hätten.9 Der Grafiker Piotr Tofil, ebenfalls ein Akteur der Untergrundpost, erläutert, dass die Nachahmung von Briefmarken ein Zeichen der Abgrenzung vom offiziellen System und den staatlichen Körperschaften war: Die Entscheidung [für das Medium Briefmarke, SP] war bewusst und es ging darum, dass die Untergrundbriefmarke […] an eine Originalbriefmarke erinnert. […] Nicht allen gelang das, nicht alle verstanden, worauf die Komposition einer Briefmarke oder eines Briefmarkenblocks beruht, aber sie bemühten sich, dass sie möglichst weitgehend an eine Briefmarke erinnert. Die Polnische Post gab ihre offiziellen Briefmarken aus – und da gaben wir unsere Briefmarken heraus. Das war auch so eine Art Aufruhr gegen die offiziellen Institutionen. Das war alles damit verbunden, dass wir dagegen waren. [Deshalb hatten, SP] wir unsere Briefmarken. […] Polen als kommunistisches Land hatte seine, und wir hatten unsere als Untergrund, als diejenigen Leute, die dem System nicht zustimmten.10

Die Nachahmung von Briefmarken war eine Form politischen Widerstands auf der Symbolebene. Briefmarken zu imitieren, die offiziell eine „hoheit­ liche Funktion“11 und den „Charakter einer offiziellen Verlautbarung“12 besaßen, bedeutete, in den Hoheitsbereich des Staates einzudringen. Mit der Herstellung von Untergrundbriefmarken als Nachahmungen „öffentlicher Symbole der Repräsentation eines Staates“13 ging also nicht die Missachtung einer beliebigen offiziellen Institution einher, sondern es wurde in Gestalt der Polnischen Post eine Institution nicht anerkannt, die ein Ausdruck der Souveränität der Volksrepublik war. Um die nächste Stufe der Missachtung des staatlichen Hoheitsbereiches handelte es sich, wenn die nachgeahmten Briefmarken tatsächlich in das Tätigkeitsfeld des Postmonopols eindrangen. Die Sammlerin Joanna Szczęsna 9 10 11 12 13

Zeitzeugeninterview mit Znojkiewicz (Warszawa, 26.9.2010). Zeitzeugeninterview mit Tofil (Warszawa, 29.11.2010). Bender, Studien, S. 35. Siebertz, Briefmarken, S. 4. Scholze, Ideologie, S. 175-191, hier 175.

3.1 „… das Monopol des Staates brechen “

37

erzählt im Zeitzeugeninterview, dass sie Briefe mit Untergrundbriefmarken frankiert und an sich selbst geschickt habe.14 Berichtet wurde im Zweiten Umlauf sogar über Postsendungen ins Ausland, auf denen zwischen den offiziellen Briefmarken auch Untergrundbriefmarken klebten.15 Solche Aktionen waren jedoch Einzelfälle, und ob die Angestellten der staatlichen Post die Untergrundbriefmarken nicht sahen oder nicht sehen wollten, bleibt Spekulation. Indem sie Briefmarken im Namen oppositioneller Gruppierungen heraus­ gaben, stellten die Akteure der Untergrundpost die Volksrepublik massiv in Frage. So wie konventionelle Briefmarken Staatlichkeit signalisieren, war im Medium Untergrundbriefmarke die Assoziation eines oppositionellen Gegen­ staates angelegt. Es war allerdings nicht der Fall, dass die Opposition in den 1980er Jahren tat­ sächlich einen Gegenstaat aufbauen wollte. Zwar fand eine Debatte über den Aufbau eines Untergrundstaates versus einer Untergrundgesellschaft statt, die zu Beginn des Kriegsrechts führende Köpfe der Opposition wie Jacek Kuroń, Zbigniew Bujak, Wiktor Kulerski und Adam Michnik in der landesweit ver­ breiteten auflagenstarken Untergrundzeitung Tygodnik Mazowsze initiierten.16 Zugunsten der Entwicklung der Untergrundgesellschaft wurde die Idee, einen Gegenstaat zu errichten, aber rasch verworfen. Nicht zuletzt, weil dies den Aufbau staatstypischer, hierarchisch gegliederter Einrichtungen wie einer Regierung, eines Parlamentes, einer Armee oder auch solcher Institutionen wie einer Post erfordert hätte. Erklärtes Ziel war stattdessen, eine Untergrund­ gesellschaft auszuprägen, die einen regionalen Überbau hat, sich aber auf der Handlungsebene verstärkt in selbstorganisierten lokalen und noch klein­ teiligeren Strukturen und Initiativen manifestiert.17 Auch wenn die Untergrundbriefmarken ohne realen Gegenstaat ausschließ­ lich auf der Symbolebene angesiedelt waren, gaben sie als Nachahmungen eines staatsbezogenen Mediums Auskunft über das politische Selbstverständ­ nis der Opposition. Die Herausgeber der Postmarken der Poczta Solidarność, Poczta KPN, Poczta Kraków etc. täuschten Makrostrukturen eines etablierten Gemeinwesens vor. Dieses Signal war an die Oppositionsbewegung gerichtet, denn sie kaufte, sammelte und rezipierte die Untergrundbriefmarken. Es zielte außerdem auf den staatlichen Gegner, denn sein Monopol auf das 14 15 16 17

Zeitzeugeninterview mit Szczęsna (Warszawa, 29.11.2010). Skryba, Znaczki, S. 55-61, 63, hier 57, FSO 2-002 Gp 763. Brzechczyn, Program, S. 13-74, hier 49-60. Tymczasowa Komisja Koordynacyjna NSZZ „Solidarność“, Społeczeństwo, S. 1-2, hier 1, FSO 2-002 Gp 563.

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3. „Wir haben hier unsere Post! “ – Konnotationen

Repräsentationsmedium wurde schlicht ignoriert. Mittels Untergrundbrief­ marken konnten ihre Herausgeber die Oppositionsbewegung als konsolidiertes Gegengewicht und ernstzunehmenden Gegenspieler des Machtapparates der Volksrepublik präsentieren. Die Gegnerschaft hatte im Verständnis des Solidarność-Aktivisten Paweł Bryłowski, der mit Freunden Untergrundbriefmarken herausgab, aber nicht den kompletten Zusammenbruch des Staates zum Ziel. Sie bezog sich auf einen bestimmten Bereich des Staates, dessen Nichtachtung der Gesellschaft förderlich war: Es wurden absichtlich Briefmarken nachgemacht. […] Das ist das Brechen eines Monopols des Staates, den man im politischen Sinne missbilligt, den man aber im praktischen Sinne und in seinem alltäglichen Funktionieren anerkennt. […] Derjenige, der dieses wirtschaftlich-soziale Funktionieren des Staates nicht anerkennt, begeht einen fatalen Fehler. Der ist ein Anarchist. […] Das führt zu nichts. Deshalb muss es eine Mäßigung in diesem sich dem Staat Widersetzen geben. […] man verstößt gegen etwas, das der Gesellschaft keinen Schaden bringt, gegen diejenigen Anordnungen und Anweisungen, deren Übertreten der Gesellschaft keinen Schaden bringt, sondern umgekehrt – Nutzen.18

Hieraus ergibt sich, dass oppositionelles Handeln, das darauf gründete, den Staat als politisches System nicht anzuerkennen, eine bestimmte Stoßrichtung hatte. Es ging nicht darum, sich als Oppositioneller total zu verweigern bzw. alle bestehenden Regeln zu missachten. Vielmehr wurden bestimmte politisch motivierte Grenzen ignoriert. Bryłowskis Haltung ist differenzierter und insofern anspruchsvoller als eine Totalverweigerung, da sie die Fähigkeit des Abwägens und Urteilens voraussetzt, um entscheiden zu können, ob der Widerstand einen gesellschaftlichen Schaden oder Nutzen mit sich bringt. Diese Haltung entspricht der Strategie, die die konspirativ tätige Solidarność vertrat. In den beiden programmatischen Erklärungen „Unter­ grundgesellschaft“ (Społeczeństwo podziemne) vom Juli 1982 und „Solidarność heute“ (Solidarność dziś) vom Januar 1983 rief die Vorläufige Koordinierungs­ kommission (Tymczasowa Komisja Koordynacyjna – TKK) der Solidarność dazu auf,19 die oben bereits genannte Untergrundgesellschaft mit selbstorganisierten und dezentralen Strukturen zu entwickeln und auf diese Weise Widerstand gegen den Machtapparat der Volksrepublik und seine antidemokratische und repressive Politik zu leisten. Als eine grundlegende Aufgabe der 18 Zeitzeugeninterview mit Bryłowski (Lublin, 22.1.2013). 19 Tymczasowa Komisja Koordynacyjna NSZZ „Solidarność“, Społeczeństwo, S.  1-2, FSO 2-002 Gp 563. Tymczasowa Komisja Koordynacyjna NSZZ „Solidarność“, Solidarność, S. 1-2, FSO 2-002 Gp 563.

3.2 Historische Bezugspunkte der Unabhängigen Post

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Untergrundgesellschaft wurde definiert, einen unabhängigen Publikations­ umlauf, unabhängige Bildungsinitiativen und solidarische Hilfsangebote auf­ zubauen.20 Dies entsprach dem erprobten Konzept der organischen Arbeit, von der gesellschaftlichen Basis ausgehend in die Breite zu wirken. Die Aktivitäten der Unabhängigen Post integrierten sich in dieses Konzept oppositionellen Handelns, und sie waren im Verständnis Bryłowskis und im allgemeinen Verständnis der oppositionellen Post-Akteure der Gesellschaft nützlich. In Form der Bildmotive richteten die Grafiker und Herausgeber der Untergrundbriefmarken ein Bildungsangebot an den Betrachter, das nicht das obligatorische staatliche Zensursystem durchlaufen hatte, und mit dem Kauf der Marken leisteten die Abnehmer finanzielle Unterstützung für die Organisationen und Aktionen der Opposition. 3.2

Historische Bezugspunkte der Unabhängigen Post

Offenbar waren die Untergrundbriefmarken aber nicht nur eine Anspielung auf die Post im Allgemeinen und die staatliche Post der Volksrepublik im Besonderen und mehr als ein Übergriff auf ein Repräsentationsmedium des Staates und seinen Hoheitsbereich. Dies legt auch der eingangs beschriebene Block der Poczta Solidarność nahe (siehe Abb. 1), auf dem historische polnische Poststempel abgebildet sind. Der Grafiker verknüpfte die Untergrundpost der 1980er Jahre mit Poststrukturen der Vergangenheit. Auf den Kontext früherer polnischer Postsysteme, insbesondere in Zeiten von Aufstand und Krieg, verweisen auch mehrere Akteure der Unabhängigen Post in den Zeitzeugeninterviews. Aus dieser Traditionslinie lassen sich aber­ mals Aussagen über die Opposition und ihre Haltung gegenüber den Macht­ habern der Volksrepublik ableiten. Beispielsweise führt der Untergrundverleger Stanisław Głażewski im Inter­ view aus: Ein sichtbares Zeichen der Souveränität eines Landes ist das Geld. […] Und das zweite Element dieser Art sind Briefmarken, die Post. Ein konventionelles Zeichen für die Souveränität eines Landes. Jedes souveräne Land hat seine Post und seine Briefmarken. Und bei uns [ist das, SP] historisch, sogar in den Phasen der [polnischen, SP] Teilungen – sobald eine Regierung gebildet wurde, zum Beispiel zur Zeit des Januaraufstandes [1863/64, SP], hat sie sofort ihre Währung 20 Tymczasowa Komisja Koordynacyjna NSZZ „Solidarność“, Społeczeństwo, S. 1-2, hier 1, FSO 2-002 Gp 563. Tymczasowa Komisja Koordynacyjna NSZZ „Solidarność“, Solidarność, S. 1-2, hier 2, FSO 2-002 Gp 563.

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3. „Wir haben hier unsere Post! “ – Konnotationen und ihre Postmarken ausgegeben. […] Der Warschauer Aufstand [1944, SP] dauerte 63 Tage, und das Wichtigste war, eigene Briefmarken zu drucken, sie auf Postkarten und Briefe zu kleben – wir hatten einige solcher Karten von meinem Vater. […] Das ist ein Beweis dafür, dass, wenn unsere Landsleute nur ein biss­ chen Freiheit spürten, sie sogleich ein Dokument machten, dass wir unabhängig sind: Wir haben hier unsere Post und werden keine andere Post nutzen.21

Vor dem Hintergrund, dass Polen im 18. Jahrhundert geteilt wurde, somit als eigenständiger Staat bis 1918 nicht mehr bestand und anschließend im Zweiten Weltkrieg besetzt war, signalisiert die Existenz einer Aufstands- oder Feld­ post oder auch lokal begrenzter Postsysteme, dass phasenweise und örtlich begrenzt dennoch in für einen Staat wesentlichen hoheitlichen und infra­ strukturellen Aspekten ein funktionierendes Gemeinwesen bestand.22 Eine Aufstands- oder Feldpost mit ihren Briefmarken und Stempeln war sichtbares Zeichen der Souveränität gegenüber der Besatzungsmacht oder Kriegspartei. Regina Strzemeska, in den 1980er Jahren als Studentin in der Opposition in Thorn aktiv und dort in die Untergrundpost involviert, rekonstruiert rückblickend: Während der [deutschen, SP] Besatzung während des Zweiten Weltkrieges gab es auch eine polnische Post im Untergrund, und das war […] so ein Symbol, dass außer dem, was an der Oberfläche ist, dem offiziellen, sagen wir zum Beispiel Besatzerstaat, dass außer dem noch der polnische Staat lebt, denn es gibt die Post, es gibt staatliche Symbole, die übermittelt werden. Das war zur Zeit des Krieges. Und diese Art zu denken – das ist meine Annahme – wurde auf die Symbolik, auf die Untergrundtätigkeit in der Zeit übertragen, als an der Ober­ fläche der kommunistische Staat war und darunter der andere Staat, der ver­ borgene, der auch seine Symbolik, seine Tätigkeit, seine Attribute zeigen wollte.23

In diese Konnotationen eingeflochten, lassen sich die Untergrundbriefmarken der Oppositionsbewegung als Aussage verstehen, dass die kommunistischen Machthaber der Volksrepublik als Fremdherrschaft oder Kriegsgegner bewertet wurden. Mit Aufschriften wie Unabhängige Post oder Feldpost akzentuierten die oppositionell eingestellten Grafiker diese Interpretation zusätzlich, denn

21 22

23

Zeitzeugeninterview mit Głażewski (Puławy, 28.11.2010). Aufgrund der Teilungen des polnischen Staates, der Aufstände und des Kriegsgeschehens bietet die Geschichte der polnischen Post viele Beispiele für die Demonstration der Unabhängigkeit eines Gemeinwesens mittels eines Postsystems und Briefmarken. Zur Entwicklung der Polnischen Post siehe Petriuk, 1558-2008, S.  25-47; Ministerstwo Łączności, 400 lat. Zeitzeugeninterview mit Konikiewicz und Strzemeska (Toruń, 26.7.2012).

3.2 Historische Bezugspunkte der Unabhängigen Post

41

diese Begriffe implizieren einen äußeren Feind und attestieren den PostAkteuren eine kämpferische, widerständige Haltung diesem gegenüber. Der Solidarność-Anhänger Tofil beschreibt es darüber hinaus als eine Art moralischer Verpflichtung, ebenso wie die Aufständischen im Warschauer Auf­ stand 1944 in den 1980er Jahren eigene Briefmarken herauszugeben. Offenbar maßen sich die oppositionellen Akteure an dem überlieferten Widerstands­ geist früherer Generationen, insbesondere der Teilnehmer des Warschauer Aufstandes, und fühlten sich im Zugzwang. Und ich glaube, im Ursprung war die Idee, dass es damals [im Warschauer Auf­ stand Briefmarken, SP] gegeben hatte, also konnten wir nicht schlechter sein. Wir hatten hier einen Aufstand, machten Revolution, also hatten wir auch unsere Briefmarken.24

Der historische Hintergrund ist, dass es gleich in den ersten Tagen des Warschauer Aufstandes mit Hilfe der jüngeren Pfadfinder gelungen war, den Postverkehr in und zwischen einigen Warschauer Stadtteilen zu organisieren.25 Diese Post, die unter dem Namen Feldpost aufgetreten war, hatte über eigene Briefmarken verfügt, die in einer konspirativen Militärdruckerei gedruckt worden waren, sowie über eigene, teilweise mit der Pfadfinder-Lilie versehene Stempel und Briefkästen.26 Auf dem eingangs angeführten Untergrundbrief­ markenblock aus dem Jahr 1987 (siehe Abb.  1) ist ein solcher Lilienstempel abgebildet. So konnten bereits allein die nachgeahmten Briefmarken des oppositionellen Untergrunds als Anspielung auf die Post der Widerstandskämpfer des Warschauer Aufstandes verstanden werden. Wenn die Grafiker als Bildmotiv die Briefe und Zeitungen austragenden Pfadfinder-Postboten wählten und es mit Poczta Solidarność unterzeichneten, verdeutlichten sie diese Verbindung noch stärker.27 Die maximale Anknüpfung an die Tradition der historischen Aufstandspost vollzogen die Grafiker, indem sie die Untergrundbriefmarken des Zweiten Umlaufs als Trägermedium zur Reproduktion historischer Briefmarken des Warschauer Aufstandes nutzten.28 Die Briefmarken der historischen Feldpost wurden wiederholt auf den Untergrundbriefmarken, 24 Zeitzeugeninterview mit Tofil (Warszawa, 29.11.2010). 25 Robotnik Nr. 41 vom 3.9.1944, abgedruckt in: Piekalkiewicz, Kampf, S. 159. 26 Snieżko/Możejko, Polska poczta, S. 163-173, hier 170; Ozimek, Poczta, S. 111, 188, 190, 194, 200 und 204 f. 27 Die Pfadfinder-Postboten hatten es auch übernommen, Untergrundzeitungen mitauszu­ tragen. Ozimek, Poczta, S. 61. Siehe Abb. 55; FSO 2-005 Xp 0110. 28 Zu den beiden Briefmarkeneditionen der Pfadfinder-Feldpost des Warschauer Auf­ standes siehe Ozimek, Poczta, S. 190, 194, 200 und 204 f.

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3. „Wir haben hier unsere Post! “ – Konnotationen

mehrheitlich unter Hinzufügung des aktuellen, oppositionellen Herausgeber­ namens, publiziert,29 entweder als Einzelmarken oder als ein Element von Blocks.30 Die historischen heroischen Darstellungen kämpfender Soldaten fügten sich in die affirmative Interpretation des Warschauer Aufstandes ein, die im Mainstream des kulturellen Gedächtnisses der Oppositionsbewegung bewahrt wurde, was in der Bildmotivanalyse an späterer Stelle ausführlich untersucht wird. Untergrundbriefmarken waren nicht der einzige Bezug und der alleinige Ausdruck der Faszination in oppositionell eingestellten Kreisen gegen­ über den Warschauer Aufständischen. Untergrundverleger veröffent­ lichten Publikationen über den Aufstand, darunter auch Ratgeberbücher zu konspirativen organisatorischen und technischen Praktiken aus der damaligen Zeit. Noch lebende ehemalige Aufständische gaben ihre Erfahrungen aus der Zeit der Konspiration an die jungen Akteure der Opposition weiter. Wenn sie auch emotional vom „Partisanenmythos“ der Warschauer Aufständischen geprägt waren, übernahm die Oppositionsbewegung der 1980er Jahre jedoch nicht deren politisch-militärische Strategie.31 Die Berufung auf die Tradition des Warschauer Aufstandes und des polnischen Untergrundstaates während des Zweiten Weltkrieges sei in der konspirativen Opposition ideeller und nicht konkret politischer oder gar militärischer Art gewesen, so die Zeitzeugin Krystyna Antoszkiewicz im Interview.32 Tofils zitierte Rede von „Aufstand“ und „Revolution“ ist daher im übertragenen Sinne und als Ausdruck der Dynamik, Wirkmächtigkeit und entschlossenen Gegnerschaft der oppositionellen Akteure gegenüber dem kommunistischen Machtapparat zu verstehen,33 denn innerhalb der ausdifferenzierten Oppositionsbewegung bestand weitest­ gehend Konsens darüber, dass ihre „sich selbst beschränkende Revolution“

29 Die beiden Briefmarkeneditionen der Pfadfinder-Feldpost des Warschauer Aufstandes sind in Bildbänden abgedruckt, die in offiziellen Verlagen erschienen. [o. Verf.], Miasto, ohne Seitenzahlen; Kopf, Dni powstania, S. 173. Außerdem wurden sie auch privat auf­ bewahrt, zum Beispiel auf Postsendungen aus jener Zeit. Zeitzeugeninterview mit Głażewski (Puławy, 28.11.2010). 30 Untergrundbriefmarkenblock der Poczta Solidarność: FSO  2-005 Xp 0107. Unter­ grundbriefmarkenblock der Poczta Podziemna des RKS Małopolska, Abbildung in: Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1982-84, S. 5, Nr. 16. Untergrund­ briefmarke, herausgegeben unter dem Landesnamen Polska, Abbildung in: Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1986, S. 60, Nr. 212. 31 Łopiński u. a., Konspira, S. 74-76, zitierter Begriff 76, FSO 2-001 Dp 2399. 32 Zeitzeugeninterview mit Antoszkiewicz (Warszawa, 23.7.2012). 33 Zu den zitierten Begriffen: Zeitzeugeninterview mit Tofil (Warszawa, 29.11.2010).

3.2 Historische Bezugspunkte der Unabhängigen Post

43

nicht auf das Mittel des Aufstandes zur Durchsetzung der eigenen Ziele zurückgreift.34 Interessanterweise war der Aufstand des Jahres 1944 kein exklusiv im Zweiten Umlauf beachtetes Thema. Auch die offizielle Geschichtspolitik und das zensierte Publikationswesen bedienten sich seiner, und die staatliche Post gab zum 40. Jahrestag im Jahr 1984 Briefmarken heraus, die Szenen des Warschauer Aufstandes inklusiv einem Postboten der Feldpost zeigen (siehe Abb.  45 bis 48). Allerdings war es die Untergrundpost der 1980er Jahre, die mit der Feldpost des Warschauer Aufstandes in einem wesentlichen Punkt aufs Engste verbunden war: Die Akteure beider handelten konspirativ und in der Illegalität. Die Marken wurden jeweils im Untergrund hergestellt, ihre Verbreitung und Verwendung stand unter Strafe. Dieser Aspekt traf auf die staatliche Post der Volksrepublik und ihre Briefmarken naturgemäß nicht zu, weshalb sie wohl niemand als Erbin der Post des Warschauer Aufstandes assoziierte, selbst wenn sie Briefmarken mit Bildmotiven des Aufstandes herausgab. Die Behandlung des Themas des Warschauer Aufstandes im offiziellen und im oppositionellen Umlauf und der Kampf um die Deutungs­ hoheit werden anhand des Bildmotivkomplexes des Warschauer Aufstandes auf den Untergrundbriefmarken in Kapitel 8 ausführlich analysiert. Auch bei der Lager- bzw. Interniertenpost der 1980er Jahre lässt sich der Bezug zu historischen Poststrukturen unter Ausnahmebedingungen her­ stellen und dieser wurde von Akteuren der Unabhängigen Post ebenfalls erkannt.35 Festgesetzte Oppositionelle stellten in den Internierungslagern der Volksrepublik Stempel in Briefmarkenform her und tauschten die bedruckten Umschläge und Papierbögen zwischen den Zellen aus. Teilweise waren sie sogar in der Lage, die Publikationen der Lagerpost mit Hilfe von Geistlichen oder Angehörigen, die zu Besuch waren, aus dem Lager herauszuschmuggeln.36 Die Interniertenpost lässt sich mit der internen Lagerpost in den deutschen Kriegsgefangenenlagern für polnische Offiziere (sogenannte Oflag) während des Zweiten Weltkrieges assoziieren.37 Ähnlich wie bei der Lagerpost in den 34 Siehe Staniszkis, Self-Limiting Revolution. 35 Kobyliński, Podziemna Poczta, S. 32-37, hier 32; Hillski, Wywrotowa filatelistyka, S. 15-19, hier 17, FSO 2-002 Gp 574. 36 Zeitzeugeninterview mit Głażewski (Puławy, 28.11.2010). Pernach, Poczta Białołęcka, S. 8-10, hier 9. 37 Nach der Genfer Konvention war es den Kriegsgefangenen erlaubt, eine Selbstverwaltung einzurichten. Daraufhin entstand in den Oflag in Woldenberg, Murnau, Großborn und Neu-Brandenburg die interne Lagerpost, für deren Postbeförderung auf dem Terrain des Lagers von den Kriegsgefangenen Briefmarken angefertigt und Stempel verwendet wurden. Bura, Polska Kronika, S. 104; Ministerstwo Łączności, 400 lat, S. 167.

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3. „Wir haben hier unsere Post! “ – Konnotationen

Oflag galten die Briefmarken der Interniertenpost der 1980er Jahre als Beweis, dass die Opposition trotz enormer Reduzierung ihres physischen Wirkungs­ raums und ihrer materiellen Möglichkeiten aktiv war und sie ein Medium der staatlichen Repräsentanz für sich in Anspruch nahm, um nach innen und außen ihre Konsolidiertheit unter einer als aufgezwungen empfundenen Herr­ schaft zu demonstrieren. 3.3

Allgemeinbildung? Expertenwissen?

Wie gezeigt werden konnte, sind die Unabhängige Post und ihre imitierten postalischen Medien in ein politisches und historisches Bedeutungsgeflecht eingewoben. Die Konnotationen der signalisierten Poststruktur und ihrer Untergrundbriefmarken und Stempel beinhalten, dass die Oppositions­ bewegung die staatlichen Machthaber nicht als ihre Repräsentanten akzeptierte, sie sogar als fremde Obrigkeit abqualifizierte sowie in ihren Herr­ schaftsbereich drängte und ihr Herrschaftsmonopol in Frage stellte. Als Aus­ sagen über die Oppositionsbewegung ergeben sich, dass sie sich die Identität eines in sich gefestigten und ernstzunehmenden Gegenspielers gab, der sich als Erbe der polnischen Widerstands- und Unabhängigkeitskämpfer sah. Sie übernahm jedoch nicht deren militante Methoden, sondern siedelte ihren Widerstand auf der Symbol- und Kommunikationsebene an. So dienten die Bildmotive der nachgeahmten postalischen Medien dazu, verbindliche Inhalte des oppositionellen kulturellen Gedächtnisses zu vermitteln. Inwieweit die synchronen und diachronen Bezüge der Unabhängigen Post und ihrer nachgeahmten Briefmarken und Stempel den Produzenten und Rezipienten vertraut waren, ob sie sich also dieses Bedeutungsspektrums bewusst waren, lässt sich nicht erschöpfend klären. Einige Zeitzeugen zeigen sich in den Interviews überzeugt, dass die Unabhängige Post als Fortsetzung der Post des Warschauers Aufstandes und der Kriegsgefangenenlager aufgefasst wurde, und denken dabei nicht nur an Menschen mit speziellen Kenntnissen der polnischen Briefmarkenkunde.38 Über diese Bezüge wurde auch Auf­ klärung betrieben, denn passionierte Sammler erläuterten in Zeitungsartikeln des Zweiten Umlaufs die historischen Anknüpfungspunkte der Unabhängigen Post.39 Die Zusammenhänge wurden also nicht als Geheimwissen gehandelt. 38 Zeitzeugeninterviews mit Antoszkiewicz (Warszawa, 23.7.2012), Szczęsna (Warszawa, 29.11.2010) und Tofil (Warszawa, 29.11.2010). 39 Hillski, Wywrotowa filatelistyka, S. 15-19, FSO 2-002 Gp 574; Skryba, Znaczki, S. 55-61, 63, hier 63, FSO 2-002 Gp 763; [o. Verf.], Poczta Solidarności, S. 3, FSO 2-002 Gp 563.

3.3 Allgemeinbildung ? Expertenwissen ?

45

Auch konnte sich der Interessierte den Kontext erschließen, indem er auf offiziell erschienene Publikationen zurückgriff. Wie bereits gesagt, wurden historische Briefmarken des Warschauer Aufstandes in Bildbänden zu diesem Thema abgebildet und die staatliche Post entschied sich für einen Brief­ boten der Aufständischen als Briefmarkenmotiv (mehr dazu in Kapitel 8).40 Anhängern der konventionellen Philatelie waren die historischen Marken des Aufstandes und der Oflag ohnehin bekannt, weil sie seit Mitte der 1950er Jahre philatelistisch anerkannt und in die Briefmarkenkataloge aufgenommen worden waren.41 Ob der historische Kontext aber für alle Produzenten und Rezipienten der Unabhängigen Post von Bedeutung war, bleibt unbeantwortet. Das gilt auch für die synchronen Konnotationen. Zwar ist davon auszugehen, dass dem all­ gemein gebildeten Rezipienten die Bedeutungen des Repräsentationsmediums geläufig waren. Nicht auszuschließen ist aber, dass für manche vor allem die Bildmotive der Untergrundbriefmarken, die außerhalb des offiziellen Zensur­ systems entworfen wurden, im Vordergrund standen und der politische Gehalt der Darbietung in Form einer Briefmarke nachrangig war.42

40 41 42

[o. Verf.], Miasto, ohne Seitenzahlen; Kopf, Dni powstania, S. 173. Vgl. Sujka, Znaki, S. 33-35, hier 35. Zeitzeugeninterview mit Remuszko (Warszawa, 24.7.2012).

Kapitel 4

„Keine Hündchen oder Kätzchen“. Das Spektrum der Bildmotive in der Unabhängigen Post und die grafische Gestaltung Die Publikationen der Unabhängigen Post umfassen ein breites Themenspektrum: Es sind Darstellungen von politischen, historischen, religiösen, sozialen und kulturellen Ereignissen, Autoritäten und Errungenschaften auf den nachgeahmten Briefmarken, als Stempelmotive sowie als Illustrationen auf Briefumschlägen oder Postkarten zu sehen. Das Gros der Bildmotive der Unabhängigen Post wird von politischen und historischen Themen bestimmt, hinzu kommen als ein weiterer Schwerpunkt religiöse Themen. Im Verhältnis dazu werden soziale und kulturelle Themen eher marginal behandelt. Natürlich wurden unterschiedliche Themen auch zusammen ins Bild gesetzt, so dass diese Bildmotive sowohl der einen als auch der anderen Kategorie zugeordnet werden können. Für einen Überblick über die thematische Vielfalt der Bildmotive mögen einige Stichworten ausreichen: Bei den politischen Bildmotiven der Unabhängigen Post sind Ereignisse und Phasen zu nennen, die für die Entstehung und Entwicklung der oppositionellen Bewegung prägend waren, beispielsweise die Streikwellen in Polen und die erfolgreichen Verhandlungen mit den Regierungsvertretern im Sommer 1980, die Registrierung der unabhängigen Gewerkschaft Solidarność und das Kriegsrecht. Gezeigt werden die Porträts (inhaftierter) Oppositioneller und die Logos oppositioneller Organisationen. Die Auseinandersetzung mit dem politischen System der Volksrepublik und seinen Vertretern, zum Beispiel Aufrufe zu Wahlboykotts oder satirische Darstellungen von Politikern, gehört ebenfalls in diesen Themenbereich. Ins Bild gesetzt wurden außerdem außenpolitische Ereignisse wie der Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan, oppositionelle Akteure in anderen Ostblockstaaten und ihre Aktivitäten und auch die Beziehungen der polnischen Oppositionsbewegung in die westliche Politik. Zum historischen Motivkomplex zählen die Aufstände und Erhebungen in der polnischen Geschichte, worunter die Erhebungen in der Volksrepublik (1956, 1968, 1970, 1976), der Warschauer Aufstand (1944), der Ghettoaufstand (1943) und die Aufstände des 18. und 19. Jahrhunderts zu fassen sind. Unter den Oberbegriff „Zweite Republik Polen“ lassen sich Darstellungen von Ereignissen wie die Wiedererlangung der staatlichen Unabhängigkeit (1918) und

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4. „Keine Hündchen oder Kätzchen “ – Bildmotive und Gestaltung

der polnisch-sowjetische Krieg (1918-20) sowie Infrastrukturprojekte der Zweiten Republik subsummieren; unter den Titel „Zweiter Weltkrieg“ etwa die Beteiligung polnischer Streitkräfte an Kampfhandlungen, der Massenmord an polnischen Militärangehörigen durch den sowjetischen Geheimdienst bei Katyn (1940) sowie Inhaftnahmen, Deportationen, Verurteilungen und Tötungen von Polen durch Militär- und Geheimdienstangehörige Deutschlands und der Sowjetunion. Hinzu kommen Darstellungen von politischen und militärischen Persönlichkeiten (beispielsweise Józef Piłsudski, verschiedene Politiker der Zweiten Republik, Vertreter der Exilregierung in London), militärischen Einheiten, insbesondere der Polnischen Legionen und der Heimatarmee (Armia Krajowa – AK), sowie von Wappen und dem Wappentier Polens, dem weißen Adler. Im religiösen Motivkomplex liegen die Schwerpunkte auf der Darstellung des Papstes Johannes Paul II., anderer religiöser Autoritäten (beispielsweise des ermordeten Priesters Jerzy Popiełuszko) und auf Marienbildnissen. Nebenthemen sind die Christianisierung der slawischen Völker, Erinnerungen an religiöse Feiertage und Ansichten von Kirchengebäuden, u. a. in den ehemaligen polnischen Ostgebieten, die bei der Westverschiebung Polens nach Ende des Zweiten Weltkrieges der Sowjetunion zufielen. Im Vergleich zur Präsenz und Ausdifferenzierung der bereits genannten Motivkomplexe widmet sich der soziale Themenbereich mit vergleichsweise wenigen Bildmotiven dem Alkoholismus, der Rolle der Frau in der Gesellschaft und der Umweltzerstörung, um die Lebensverhältnisse in der Volksrepublik Polen darzustellen. Etwas stärker vertreten sind die Bildmotive mit kulturellen Themen. Sie beschäftigen sich mit dem Zweiten Umlauf in Polen, beispielsweise den illegalen Druckereien, den Untergrundperiodika und Radio Solidarność, sowie Schriftstellern und Kulturschaffenden im In- und Ausland. Für die Verabredung zum Zeitzeugeninterview mit der Autorin legten die Akteure der Unabhängigen Post häufig ihre Briefmarkenalben oder losen Sammlungen bereit, die sie zunächst kursorisch zeigten. Auf die Frage, welche allgemeinen Gründe hinter den Entscheidungen für die Bildmotive gestanden hätten, geben die Interviewten unabhängig voneinander ähnliche Antworten: Die Bilder der Unabhängigen Post seien Gegendarstellungen zu den zensierten Narrationen und Tabuthemen des offiziellen Publikationsumlaufs gewesen. Die hier sichtbare Intention, die Beteiligung am „systematisch betriebenen Lügen“ der Machthaber aufzukündigen,1 war ein Grundzug der oppositionellen Haltung und Aktivitäten. Wahrheit bildete den „transzendenten Grundwert oppositionellen Handelns […] und diente der simplifizierenden Abgrenzung 1 König, Lob, S. 216-228, hier 224.

4. „Keine Hündchen oder Kätzchen “ – Bildmotive und Gestaltung

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von Staat und Partei.“2 Der Wahrheit ans Licht zu verhelfen, war eine Lebenseinstellung im Sinne eines Aktes menschlicher Authentizität.3 Sie zog die „Ermittlung und Verbreitung von Informationen über das, was der Fall [war, SP] und was im Lande vor sich [ging, SP], diesseits aller Emotionen, Wertungen und Verallgemeinerungen“, nach sich.4 Der Impuls, den staatlichen Narrationen zu misstrauen, war berechtigt. In der Tat wandte der Machtapparat der Volksrepublik verschiedene, sich ergänzende Kontrollinstrumente an, die das staatliche Informationsmonopol und seine medienübergreifende Wirksamkeit sicherten: Inhaltlich sorgten die obligatorische Präventivzensur, der schriftliche, visuelle und auditive Veröffentlichungen und Präsentationen im offiziellen Publikations- und Informationswesen unterzogen werden mussten, sowie die an die aktuelle politische Situation angepasste Selektion und Manipulation der Nachrichten für eine einheitliche und kohärente Informations- und Deutungspolitik.5 Technisch-organisatorisch war die Aufsicht gemäß den offiziellen Bestimmungen gegeben, weil die Massenmedien ebenso wie die Papier- und die Druckindustrie sowie das Verlags- und Vertriebswesen staatlich kontrolliert wurden.6 Das erste Zensurgesetz der Volksrepublik Polen wurde am 31. Juli 1981 verabschiedet. Es stellte einen Meilenstein in der Geschichte der Zensur nach dem Zweiten Weltkrieg in Polen dar, weil es die bis dahin per Dekret (vom 5. Juli 1946) praktizierte Präventivzensur auf eine andere rechtliche Grundlage stellte.7 Dennoch unterliegt es einer hybriden Bewertung: Einerseits war es in Teilen ein großer Erfolg, andererseits war es die gesetzliche Zementierung der fortwährend praktizierten Kontrolle von Texten und visuellen Druckerzeugnissen, Theater-, Radio- und Filmaufführungen, Ausstellungen etc. und somit alles andere als die Aufhebung der Zensur, die die oppositionelle Bewegung ursprünglich gefordert hatte. Das Zensurgesetz ging aus einem Kompromiss zwischen dem Gesetzesentwurf der Opposition und dem des Justizministers hervor, der sich zwar von 2 Feindt, Opposition, S. 17-42, hier 26. 3 Feindt, Opposition, S. 17-42, hier 26. 4 König, Lob, S. 216-228, hier 225. 5 Pawlicki, Sonderwege, S. 209-361; Pepliński, Cenzura, S. 14-21; Kamiński, Struktury, S. 10-13, hier 13. 6 Pepliński, Cenzura, S.  14-21, hier 14; Sauerland, Kampf, S.  77-89, hier 88; Paczkowski, Geschichte, S.  25-45, hier 28-30 und 42-44. Paczkowski geht auch auf die Sonderrolle der katholischen Presse ein, die zwar „kontrolliert“, aber nicht wie die staatliche Presse „gelenkt“ war. 7 Kucharska-Dziedzic, Powiedz prawdę, S. 8 f.; Łętowski, Gdy lżyliśmy, S. 50-53.

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4. „Keine Hündchen oder Kätzchen “ – Bildmotive und Gestaltung

den Vorstellungen der Opposition in wesentlichen Punkten unterschied,8 aber dennoch zwei fundamentale positive Neuerungen mit sich brachte. Von nun an mussten, wenn es der Autor verlangte, Eingriffe der Zensur durch eckige Klammern gekennzeichnet und der Hinweis auf die rechtliche Grundlage gegeben werden.9 Außerdem räumte das Gesetz die Möglichkeit ein, vor dem Obersten Verwaltungsgericht gegen die Zensureingriffe zu klagen.10 Allerdings handelte es sich bei den Formulierungen des Gesetzes, die präzisieren sollten, was den Eingriff des Zensors notwendig machte bzw. rechtfertigte, um vage Bestimmungen mit großem Interpretationsspielraum.11 Das Zensurgesetz, das am 1.  Oktober 1981 in Kraft trat, galt nur gut zwei Monate bis zur Verhängung des Kriegsrechts und wurde dann von den Zensurbestimmungen im Dekret über den Kriegszustand eingeschränkt.12 Wenige Tage nach der Aufhebung des Kriegsrechts trat am 1. August 1983 ein modifiziertes Zensurgesetz in Kraft, das bis Ende Mai 1989 galt (aufgehoben wurde die Zensur per Gesetz im April  1990).13 Es umfasste sowohl Bestimmungen aus dem Dekret des Kriegszustandes als auch aus dem Zensurgesetz von 1981. Während die Kennzeichnungspflicht für Zensureingriffe und die Möglichkeit des gerichtlichen Vorgehens gegen dieselben bestehen blieben, wurde die Liste der zu zensierenden Verstöße ergänzt, wobei die bestehende Vagheit der Bestimmungen erhalten blieb. Außerdem blieb das „Buch der Einträge und Anweisungen“ eine wesentliche Maßgabe für den Zensor. Dieses wurde laufend fortgeschrieben, um neue, aktualisierte und konkretisierte Zensurvorschriften zu ergänzen.14 Bei einem Verstoß gegen die obligatorische Begutachtung durch die Zensurbehörde, wie es bei der Publikationstätigkeit im Zweiten Umlauf ständig der Fall war, drohte die strafrechtliche Verfolgung.15 Doch obgleich die Publikationen der Unabhängigen Post – wie die Veröffentlichungen des Zweiten Umlaufs insgesamt – außerhalb der Reichweite der obligatorischen staatlichen Zensur herausgegeben wurden, stellte diese offenbar einen Bezugspunkt dar. Die Bildautoren grenzten sich bewusst von ihr ab bzw. ließen sich insofern von der Zensur inspirieren, als diese die Auswahl der darzustellenden Themen mitbeeinflusste, wie sich der Grafiker

8 9 10 11 12 13 14 15

Sauerland, Kampf, S. 77-89, hier 85 f. Bates, State Monopoly, S. 141-167, hier 154; Ustawa z dnia 31 lipca 1981, Art. 14. Ustawa z dnia 31 lipca 1981, Art. 15. Bates, State Monopoly, S. 141-167, hier 155 f.; Sauerland, Kampf, S. 77-89, hier 86. Dekret z dnia 12 grudnia 1981, Art. 17, Pkt. 1. Ustawa z dnia 28 lipca 1983; Łętowski, Gdy lżyliśmy, S. 61. Pawlicki, Sonderwege, S. 209-361, hier 307-309. Sowiński, Zakazana książka, S. 194.

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Andrzej Znojkiewicz im Zeitzeugeninterview erinnert.16 So erwiesen sich die offiziell tabuisierten Themen als würdig, im Rahmen der Unabhängigen Post zu erscheinen, und die staatlicherseits verfälschten Narrationen wurden mit Gegendarstellungen konfrontiert. Die Rezipienten der nachgeahmten Briefmarken reagierten darauf mit einem Vertrauensvorschuss und maßen ihnen unter dem Eindruck, dass hier keine zensierenden Eingriffe vorgenommen wurden, große Glaubwürdigkeit zu.17 Stanisław Remuszko, ehemaliger passionierter Sammler von Untergrundbriefmarken in Warschau, stellt im Zeitzeugengespräch fest: Die Untergrundbriefmarken „erinnerten an historische Personen oder Ereignisse, über die man offiziell nicht sprechen konnte, weil es die Zensur nicht erlaubte.“18 Und an anderer Stelle im Gespräch: „[…] wir lebten schlicht und ergreifend in einem Land, in dem […] es keine freie Presse gab, es gab die Zensur und über Tausende Sachen konnte man nicht sprechen.“19 Andrzej Karczewski, der in seinem Untergrundverlag Most in Warschau auch einige Untergrundbriefmarken herausgab, kommt im Interview zu einer ähnlichen Bewertung der Bildmotive: Generell war das alles das, was von der Zensur verboten war, was im normalen [Publikations-, SP] Umlauf nicht vorkam. Zwar gab die staatliche Polnische Post auch Briefmarken aus. Aber da gab es keine solchen Motive wie auf unseren Untergrundbriefmarken. Da gab es irgendwelche Hündchen, Kätzchen, Schmetterlinge oder Blümchen, aber solche Elemente, die auf unseren Briefmarken waren, kamen da nicht vor. […] Wenn wir Briefmarken mit irgendeinem Kätzchen herausgegeben hätten, hätte das doch niemand von uns nehmen wollen!20

Zwar hält diese Zuspitzung der Realität insofern nicht stand, als sich die staatlichen Postmarken ebenfalls historischen, gesellschaftlichen und kulturellen Themen und nicht nur Flora und Fauna widmeten.21 Jedoch wird hier die Selbstwahrnehmung der oppositionellen Akteure deutlich: Sie hätten mit ihren Bildmotiven die relevanten, da politisch brisanten Themen aufgegriffen. Damit präsentieren sie sich als diejenige Kraft, die das staatliche Monopol 16 17 18 19 20 21

Zeitzeugeninterview mit Znojkiewicz (Warszawa, 26.9.2010). Zeitzeugeninterview mit Znojkiewicz (Warszawa, 26.9.2010); Sowiński, Zakazana książka, S. 271 f. Zeitzeugeninterview mit Remuszko (Warszawa, 24.7.2012). Zeitzeugeninterview mit Remuszko (Warszawa, 24.7.2012). Zeitzeugeninterview mit Karczewski (Warszawa, 25.9.2010). Siehe die Abbildungen der Briefmarken der Polnischen Post von 1980 bis 1989 in: Firma Handlowo-Usługowa Andrzej Fischer, Katalog … 2017, S. 243-282.

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4. „Keine Hündchen oder Kätzchen “ – Bildmotive und Gestaltung

auf die Auswahl und Verbreitung von Informationen und deren Deutungen ignorierte, unterlief und somit zersetzte. Die folgenden Analysen der Bildmotivkomplexe zeigen, dass dieses Selbstverständnis nicht erst in der Rückschau auf die 1980er Jahre entstand, sondern den Publikationen der Unabhängigen Post selbst innewohnt. Dabei äußerten sich die Bildautoren in ihren Bildern nicht nur über ihre persönlichen Ansichten. Indem sie ihre postalischen Grafiken zum Beispiel mit Aufschriften wie Poczta Solidarność, Poczta KPN oder auch ohne konkreten Bezug zu einer oppositionellen Organisation mit „Untergrundpost“ (Poczta Podziemna) kennzeichneten, erweiterten sie den Rahmen der Gültigkeit der Bildaussagen auf die betreffende Organisation bzw. auf die oppositionelle Bewegung im Allgemeinen. Die Analyse der Bildmotive deckt daher auf, mit welchen Themen und Deutungen sich die oppositionellen Gruppierungen bzw. die Bewegung identifizierten, wie sie wahrgenommen werden und wirken sollten. Die oben skizzierten Bildmotivkomplexe lassen bereits erahnen, welche bildliche Gestaltungsform besonders adäquat für die Briefmarkengröße ist. Symbole oder Porträts anerkannter Persönlichkeiten lassen sich auf kleiner Fläche problemlos abbilden. Dass sich die Akteure der Untergrundbriefmarken der Abhängigkeit der grafischen Gestaltung vom kleinen Format und der daraus folgenden Einschränkungen bewusst waren, wird in den Zeitzeugeninterviews deutlich. Paweł Bryłowski, ehemaliger Herausgeber von Untergrundbriefmarken in Lublin und Sammler auch konventioneller Briefmarken, sagt, während er sein Album zeigt: „Ein Buch können wir hier ja nicht anhängen. Es beginnt mit kleinen Dingen. Damit, dass das Interesse an etwas geweckt wird – […] durch einen Hinweis. […] Das sind nur Symbole, die helfen, etwas in Erinnerung zu behalten.“22 Ähnlich stellt es der damalige Untergrundphilatelist Stanisław Remuszko dar: Wenn jemand Briefmarken macht, sind das sicherlich keine enzyklopädischen Artikel, sondern nur kleine Zeichen. Aber wenn es ein gutes Zeichen ist, dann zieht es die Aufmerksamkeit auf sich – wie beim Plakat. Das zieht die Aufmerksamkeit an – so wie eine gute Illustration manchmal ein ganzes Buchkapitel ersetzt.23

Die beiden Philatelisten sprechen hier zwei wesentliche Punkte der Briefmarkengestaltung an. Häufig werden aussagekräftige Zeichen und Symbole 22 23

Zeitzeugeninterview mit Bryłowski (Lublin, 22.1.2013). Zeitzeugeninterview mit Remuszko (Warszawa, 24.7.2012).

4. „Keine Hündchen oder Kätzchen “ – Bildmotive und Gestaltung

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verwendet, denn in deren verdichteter Form wird die schnelle Aufnahme komplexer Inhalte ermöglicht.24 Als „graphisches Telegramm“ eingesetzt,25 soll durch die Briefmarke Aufmerksamkeit geweckt werden, wobei die Botschaft des Briefmarkenmotivs vom Betrachter „unmittelbar, schnell und vollständig“ erfasst werden soll.26 Der Warschauer Grafiker Piotr Tofil hebt hervor, ihm sei es um eine möglichst perfekte grafische Gestaltung der Untergrundbriefmarken gegangen, um den Gegnern der Opposition keinen Angriffspunkt zu bieten. Er sagt: […] in der gesamten oppositionellen grafischen Tätigkeit war es wichtig, dass – ich mache irgendeinen Buchumschlag, eine Briefmarke oder ein Plakat und in einem bestimmten Augenblick bekommt das der Gegner zu fassen. Und wenn ich dann einen Fehler gemacht habe, dann stellt er den heraus und macht sich darüber lustig. Beim Entwerfen von Briefmarken […] ging es darum, dass man die Briefmarke nicht ins Lächerliche ziehen können sollte. Diese Arbeit ließ sich nicht der Lächerlichkeit preisgeben. Denn wir machten sie [die Machthaber, SP] lächerlich […], aber selbst bemühten wir uns, ihnen keine Möglichkeit zu geben, uns lächerlich zu machen.27

Tofil bezieht sich hier nicht auf satirische Bildmotive der Unabhängigen Post, wenn er davon spricht, dass die Machthaber lächerlich gemacht worden seien. Die Bloßstellung der Machthaber war vielmehr eine Folge der Unterwanderung der staatlichen Zensur mittels Gegendarstellungen auf den Untergrundbriefmarken sowie eine Folge der Nachahmung des staatlichen Repräsentationsmediums, das ihnen die Akteure der Unabhängigen Post streitig machten. Die bildliche Gestaltung der Untergrundbriefmarken hatte für Tofil also nicht nur ästhetische, sondern auch politische Bedeutung. Sie sollte den staatlichen Machthabern keinen Anlass bieten, die oppositionellen Bildurheber als unprofessionell herabsetzen zu können. Im Gegenteil, die Werke der oppositionellen Bildautoren, und damit auch sie selbst, sollten von den Machthabern als ernstzunehmendes Gegenüber wahrgenommen werden. Nach Tofil ging es dabei aber nicht nur darum, Respekt einzufordern, sondern die oppositionellen Bildurheber hätten einen Rollentausch durchgeführt: Mit dem Einsatz unzensierter Darstellungen, deren anspruchsvoller grafischer Gestaltung und darüber hinaus der Verwendung des Mediums Untergrundbriefmarke wurden die Machthaber inhaltlich vehement und handwerklich 24 Köppel, Politik, S. 19 f. 25 Zum zitierten Begriff: Corduan, Briefmarke, S. 9-12, hier 10. 26 Corduan, Briefmarke, S.  9-12, hier 10; Doberer, Kulturgeschichte; Preetorius, Kunst, S. 34-38. Scott, Stamp. 27 Zeitzeugeninterview mit Tofil (Warszawa, 29.11.2010).

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souverän kritisiert und deklassiert, was bedeutete, dass ihnen ihre Autorität abgesprochen wurde. Mit dem Bildmaterial lässt sich belegen, dass die von Bryłowski, Remuszko und Tofil formulierten fundierten grafischen Kenntnisse und Ansprüche eingelöst wurden. Es gibt Untergrundbriefmarken von hoher Qualität, die mit der Ausführung der offiziellen, staatlichen Postmarken konkurrieren konnten.28 Darüber hinaus verstärkte die Möglichkeit mancher Herausgeber, Untergrundbriefmarken zu perforieren, dass sie der professionellen Ausführung der staatlichen Briefmarken sehr nahe kamen. Allerdings waren auch etliche Beispiele von minderer grafischer Qualität in Umlauf, so das übereinstimmende Urteil verschiedener Zeitzeugen.29 Das weist darauf hin, dass nicht nur ausgebildete und philatelistisch versierte Grafiker Untergrundbriefmarken entwarfen, sondern auch Akteure, die solche Kenntnisse nicht hatten oder nicht die erforderliche Sorgfalt aufbrachten. Auch verfügten nicht alle Produzenten der Untergrundpost über gute Druckgeräte. Die dadurch hervorgerufenen Zweifel an der „Echtheit“ dieser Untergrundbriefmarken und den lauteren Absichten ihrer Bildautoren und Herausgeber werden in Kapitel 10 diskutiert.

28 Beispielsweise FSO 2-005 Xp 0579/1 bis Xp 0579/3; FSO 2-005 Xp 0612/1; FSO 2-005 Xp 0659; FSO 2-005 Xp 0685. 29 Zeitzeugeninterviews mit Remuszko (Warszawa, 24.7.2012), Tofil (Warszawa, 29.11.2010) und Szczęsna (Warszawa, 29.11.2010).

Kapitel 5

Bildmotivanalyse: Die Antizensurstempel auf Publikationen der Lagerpost Das staatliche Informationsmonopol zu brechen, war ein grundlegendes Ziel der Akteure der Unabhängigen Post. Die direkte Bezugnahme auf die staatlich verordnete allgemeine Zensurpraxis fand in den Anfängen der Unabhängigen Post, auf den Publikationen der Lagerpost statt. Auf den Briefmarken der Untergrundpost tritt das Thema jedoch nicht mehr auf.1 Für die infolge der Verhängung des Kriegsrechts am 13. Dezember 1981 internierten Oppositionellen war die Erfahrung der relativen Meinungs- und Publikationsfreiheit während der Entstehungsphase der Solidarność-Bewegung ab Sommer 1980 noch unmittelbar präsent. Dies kann ein Grund dafür gewesen sein, warum die Auseinandersetzung mit der Zensur im Rahmen der Lagerpost offenbar so dringend war. An einigen Beispielen der Lagerpost sollen im Folgenden Grundaussagen über das Verhältnis der Akteure zur Zensur herausgearbeitet werden. Die angeführten Stempel und Briefmarken werden primär in dieser Hinsicht interpretiert. In den Internierungslagern verbreitete sich rasch die Beschäftigung, in den Zellen heimlich Stempel anzufertigen und damit Briefumschläge, Papierbögen oder Karten zu bedrucken. In diesem „Stempelwahnsinn“ wurden häufig Stempel hergestellt und verwendet,2 deren Inschriften beispielsweise „außerhalb der Zensur“ (poza cenzurą) oder „unzensiert“ (niecenzurowano) lauten oder auch „ohne Zensur“ (bez cenzury), wie in dem hier angeführten Beispiel eines Briefumschlags, der im Internierungslager in Lublin entstand. Der ergänzende Aufdruck zu dem „ohne Zensur“-Stempel in der linken oberen Ecke ist der nachgeahmte Kreisstempel der „Solidarność Post ZentralOst-Region“ (Solidarność Region Środkowo-Wschodni) in der rechten oberen Ecke des Umschlags. Der Bildautor dieses Umschlags äußert sich im Namen der internierten Solidarność-Akteure und sagt aus, dass die Postsendung unzensiert sei. Dies lässt sich zum einen als Abgrenzung von der Briefzensur 1 Unter den 3.200 Scans der Untergrundpost des CDCN lassen sich drei Marken mit expliziter Zensurthematik recherchieren: Zwei Untergrundbriefmarken der Poczta Solidarności Walczącej aus dem Jahr 1985 (BJ-CDCN, Ple 768 III) und eine Marke der Poczta Polska aus dem Jahr 1989 (BJ-CDCN, Zn 925 III). 2 Zum zitierten Begriff: Mikusiński, Poczta podziemna, S. 1-2, hier 1.

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Abb. 2

5. Bildmotivanalyse: Die Antizensurstempel der Lagerpost

Briefumschlag der Lagerpost, Poczta Solidarność Region Środkowo-Wschodni: Ohne Zensur, [Lublin, o. J.].

im Internierungslager verstehen. Zum anderen kann es auch als Bezugnahme auf und Distanzierung von der praktizierten allgemeinen Postzensur aufgefasst werden, die in der Zeit des Kriegsrechts auf der Grundlage des Dekrets über den Kriegszustand ausgeübt und mit Zensurstempeln auf den betreffenden Postsendungen markiert wurde.3 Postsendungen durften zensiert werden, wenn ihre Inhalte „die Sicherheitsinteressen und die Wehrfähigkeit des Staates bedrohen“ können, so die Begründung im Dekret.4 Wird dieser Briefumschlag außerdem vor dem Hintergrund der zahlreichen anderen existierenden und zwischen den Internierten zirkulierenden Publikationen der Lagerpost betrachtet, auf denen Briefmarkenstempel (seltener tatsächliche Briefmarken der Lagerpost) und Motivstempel zu sehen sind, die an politische, historische oder religiöse Persönlichkeiten oder Ereignisse erinnern, erweitert sich der Bezugsrahmen der Kritik an der Zensur. Sie gilt dann nicht nur dem Zensurtyp Briefzensur, sondern auch der obligatorischen Präventivzensur, die für alle zur 3 Dekret z dnia 12 grudnia 1981, Art. 18, Pkt. 1 und 3; Łętowski, Gdy lżyliśmy, S. 59 f. Vgl. die philatelistische Sammlung von Michael Lenke (Bundesarbeitsgemeinschaft Polen e.V. im Bund Deutscher Philatelisten e.V.) zur Postzensur 1981/82 in der Volksrepublik Polen: Lenke, Kriegsrecht. 4 Dekret z dnia 12 grudnia 1981, Art. 18, Pkt. 3.

5. Bildmotivanalyse: Die Antizensurstempel der Lagerpost

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Veröffentlichung bestimmten Inhalte galt.5 Die Aussage „ohne Zensur“ lässt sich somit allgemein als Auskunft verstehen, dass die Solidarność-Akteure ihre Publikationen nicht zensierten. Der „ohne Zensur“-Stempel wird damit zu einem Antizensurstempel: zum Bekenntnis, keine Zensur anzuwenden, und zum Protest gegen die offizielle Präventivzensur. Das folgende Beispiel, laut Stempelaufdruck aus dem Jahr 1982, ist ein Briefumschlag aus dem Internierungslager in Załęże. Von links nach rechts angeordnet wurde der Umschlag graphisch mit einem Bild-Text-Stempel,6 einem nachgeahmten Entwertungsstempel, der das Jahr und den Namen des Lagers angibt, einem Wellenstempel, einem Stempelaufdruck in Form einer Briefmarke der „Interniertenpost“ (Poczta Internowanych) sowie in der linken unteren Ecke mit einem Antizensurstempel gestaltet.

Abb. 3

Briefumschlag der Lagerpost, Poczta Internowanych: Außerhalb der Zensur, Załęże 1982.

5 Ustawa z dnia 31 lipca 1981, Art.  3.1; Pepliński, Cenzura, S.  14-21, hier 20. Zu den Zensurbestimmungen und -verfahren siehe Sauerland, Kampf, S.  77-89; Romek, Poza prawem, S. 166-186. 6 Häger weist darauf hin, dass die Bezeichnung von Stempelformen in der philatelistischen Fachsprache uneinheitlich ist und auch Wortschöpfungen als Ableitungen vom Aussehen des Stempels zulässt. Daher spreche ich von Bild-Text-Stempel und meine damit einen Stempel, der keine postalische Funktion imitiert, sondern durch Bild und Wort andere Inhalte vermittelt. Häger, Stempelbenennung, S. 207.

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5. Bildmotivanalyse: Die Antizensurstempel der Lagerpost

Das Porträt des Mannes auf der Briefmarke stellt Papst Johannes Paul II. dar; seine Blickrichtung nach links zum Bild-Text-Stempel in der linken oberen Ecke wird durch die drei Wellenlinien, die die Entwertung der Briefmarke nachahmen, betont. Gleichzeitig wird damit auch der Blick des Betrachters auf die linke Seite des Umschlags gelenkt. Der Bild-Text-Stempel dort beinhaltet ein Zitat von Johannes Paul II. sowie das Wappen des Papstes, außerdem werden in vereinfachter Form die Umrisse des polnischen Staatsgebietes dargestellt. Es war in den Internierungslagern nicht ungewöhnlich, dass die Internierten religiöse Symbole bei sich hatten oder dort anfertigten, religiöse Lieder sangen oder Andachten besuchten, die von der Lagerleitung gestattet worden waren.7 Die Suche nach Trost in der Situation der Internierung wäre ein naheliegender Grund. Auch die Publikationen der Lagerpost zeigen vielfach religiöse Bildmotive und könnne diesem Anliegen gedient haben.8 Das Zitat von Johannes Paul  II. auf dem vorliegenden Briefumschlag ist eine Anrufung, die er während der Messe auf dem damaligen Platz des Sieges im Warschauer Zentrum auf seiner ersten Pilgerreise nach Polen vom 2. bis 10.  Juni 1979 sprach.9 Die Worte „Sende aus deinen Geist, sende aus deinen Geist und erneuere das Angesicht der Erde. Dieser Erde.“10 ist einer der vielzitierten Aussprüche dieses Papstes. Vor dem Hintergrund der mehrtägigen Pilgerfahrt des Papstes in seinem Heimatland, der intensiven Erfahrung von Gemeinschaft, die die polnische Gesellschaft langfristig prägte – insgesamt nahmen zirka zehn Millionen Menschen an den Treffen mit Johannes Paul II. teil, das war ein Drittel der Bevölkerung –, und der Akzentuierung Polens als christliches und europäisches Land durch Johannes Paul II. wurde dieser Ausspruch als Botschaft der Hoffnung interpretiert sowie als Hinweis, dass es der Papst unterstütze, die herrschende politische Ordnung in Frage zu stellen.11 Die Inschrift des Antizensurstempels „außerhalb der Zensur“ (poza cenzurą), die wie eine Bildunterschrift in der linken unteren Ecke des Briefumschlags platziert ist, kann als Kommentar zu dem grafischen Arrangement gelesen werden: Die grundsätzliche Botschaft des Urhebers, dass dieses Werk nicht der Zensur unterliegt, lässt sich so deuten, dass die Oppositionellen, die unter der Bezeichnung Poczta Internowanych subsumiert werden, für einen offenen Umgang mit den der staatlichen Ideologie unliebsamen Themen Religion und Kirche standen. Damit unterschieden sie sich vom offiziellen 7 8 9 10 11

Sporoń, Wspomnienia, S. 18 f., 27 f. und 46. Siehe die Publikationen der Lagerpost: FSO 2-010. Johannes Paul II., Predigt vom 2. Juni 1979. Es handelt sich um Psalm 104,30 in leicht abgewandelter Form. Vgl. Psalm 104, 30, Bibel. Skórzyński, Krótka historia, S. 24-26; Łatka, Stosunki, S. 93-104, hier 96 f.; Paczkowski, Pół wieku, S. 300 f.

5. Bildmotivanalyse: Die Antizensurstempel der Lagerpost

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Umgang der staatlichen Vertreter mit diesem Bereich. Auch lässt sich eine indirekte Anspielung vermuten, und zwar auf die Tatsache der zensierten Berichterstattung über die Pilgerreise, die im Jahr 1979 deutlich erkennbar in den staatlichen öffentlichen Medien praktiziert wurde.12 Dagegen kann die Ablehnung der Zensur von Seiten der Opposition als konkrete Umsetzung der zitierten Anrufung von Papst Johannes Paul II. aufgefasst werden, Staat und Gesellschaft zu erneuern, mit politischen Folgen nicht zuletzt für die staatliche Informations- und Deutungshoheit. Die Freiheit der Äußerung, die sich die Akteure der Lagerpost nahmen, wird im folgenden Beispiel aus dem Internierungslager in Kwidzyn (1982) weniger durch bildlich angesprochene Themenkomplexe als vielmehr durch den Einsatz von Schlüsselwörtern signalisiert.

Abb. 4

Postkarte der Lagerpost, Inter-Poczta-Obozowa Kwidzyn: Unzensiert, Kwidzyn 1982.

Auf die Rückseite einer handelsüblichen Postkarte mit der Ansicht der gotischen Kathedrale von Kwidzyn sind außer einer konventionellen Briefmarke der staatlichen Post Bildmotive der Lagerpost zu sehen: Unter der Briefmarke der Polnischen Post in der rechten oberen Ecke befindet sich ein 12

Paczkowski, Pół wieku, S. 301.

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5. Bildmotivanalyse: Die Antizensurstempel der Lagerpost

Stempeldruck in Form einer Briefmarke, der außer dem Bildmotiv des Handschlags die Aufschrift „Freie Lagerpost Kwidzyn“ (Wolna Poczta Obozowa Kwidzyn) trägt. Die Briefmarke der staatlichen Polnischen Post und die der Lagerpost sind mit einem imitierten Entwertungsstempel mit der Aufschrift „Inter-Lagerpost“ (Inter Poczta Obozowa) abgestempelt. In der Mitte der Postkarte ist ein grafisch gestalteter Wellenstempel zu sehen, der aus drei untereinander angeordneten Reihen Stacheldraht besteht, die von den mittig gesetzten Worten „frei, obgleich hinter Gittern“ (wolni chociaż za kratami) unterbrochen werden.13 Auf der linken Seite der Postkarte befinden sich zwei Stempel mit der Inschrift „unzensiert“ (niecenzurowano) bzw. „ohne Zensur“ (bez cenzury). Die dynamische Bewegung des Wellenstempels verbindet die beiden Hälften der Postkarte. „Freie Lagerpost Kwidzyn“, „frei obgleich hinter Gittern“, „unzensiert“, „ohne Zensur“ – vier Mal schrieben sich hier die Akteure der Lagerpost Freiheit zu. Diese Aussage stand in krassem Kontrast zur äußeren Situation der physischen Unfreiheit. Demnach kann die deklarierte Freiheit als eine innere, geistige oder moralische interpretiert werden, die nicht zuletzt als Freiheit der Äußerung zum Ausdruck kam, was durch den doppelten Hinweis auf die Abgrenzung von der Zensur mit Hilfe der Antizensurstempel gestützt wird. Weiter wird die Freiheit durch das Bildmotiv der imitierten Briefmarke spezifiziert. Es zeigt einen Händedruck, eingefasst von den Worten „immer gemeinsam“ (zawsze razem). Die Freiheit kann nur gemeinsam erreicht werden; in der Gemeinschaft der oppositionellen Internierten wird sie geteilt und auf diese Weise gestärkt, kann die Botschaft gedeutet werden. Die Botschaft von der inneren und miteinander geteilten und auf diese Weise vervielfältigten Freiheit, die insbesondere die Freiheit der Äußerung miteinschließt, erhält durch die Verwendung der konventionellen, für den staatlichen Postverkehr frankierten Postkarte weitere Bedeutungen. Dabei ist nicht zu klären, ob der Grafiker dieser Postkarte absichtlich gerade diese staatliche Briefmarke wählte. Vielmehr sollen Interpretationen aufgezeigt werden, die in den miteinander kommunizierenden oppositionellen und offiziellen Stempeln und Briefmarken angelegt sind. Eine ergibt sich durch das Bildmotiv der staatlichen Briefmarke selbst, das zwei Pilze zeigt, die aus einer pflanzlichen Unterlage herauswachsen.14 Übertragen auf die Oppositionsbewegung, rückt in den Fokus, dass die oppositionellen Gruppierungen insbesondere in 13 Wörtliche Übersetzung: Die Freien, obgleich hinter Gittern. Wolni ist das Adjektiv im Nominativ Plural von wolny – deutsch: frei. 14 Briefmarke Nummer 2545 aus dem Jahr 1980 in: Firma Handlowo-Usługowa Andrzej Fischer, Katalog … 2012, S. 230.

5. Bildmotivanalyse: Die Antizensurstempel der Lagerpost

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der Entstehungsphase der breiten sozialen Bewegung in rascher Folge aus dem gesellschaftlichen Organismus erwuchsen und in und an ihm weiterwirkten. Auf dieses Verhältnis lässt sich jene Botschaft der Freiheit ebenfalls beziehen, nämlich dass die oppositionelle Bewegung mit Blick auf die Gesellschaft handele und nicht selbstbezogen. Ihr Eintreten für die Freiheit der Äußerung soll die gesamte Gesellschaft verändern. Das Bildmotiv der Pilzstengel kann außerdem auf die Publikationen des Zweiten Umlaufs bezogen werden, die in der Entstehungsphase der oppositionellen Massenbewegung zahlreich „wie Pilze aus dem Boden schossen“ und die staatlichen Kontrollinstrumente für Veröffentlichungen und das staatliche Informations- und Deutungsmonopol wie Pilze zersetzten. Mit der aufgeklebten staatlichen Briefmarke wird eine weitere Verbindung zur Gesellschaft außerhalb des Internierungslagers aufgebaut. Die gestaltete Postkarte beschränkte sich nicht auf Adressaten innerhalb des Lagers, auf die Mitinhaftierten, sondern war auch dafür präpariert, an die Außenwelt zu gehen – dessen ungeachtet, dass sie wohl kaum die Briefzensur passiert hätte. Dabei verdeutlicht die signalisierte Überschreitung der Grenze zwischen innerhalb und außerhalb des Internierungslagers abermals, dass die internierten Oppositionellen ihr Streben nach Freiheit, insbesondere nach Ausdrucksfreiheit in Texten und Bildern, als relevant für die gesamte Bevölkerung erachteten. Die in den Grafiken der Lagerpost demonstrierte Publikationsfreiheit stand unter dem Eindruck der Internierung infolge der Verhängung des Kriegsrechts. Die Akteure der Lagerpost setzten damit in zweierlei Hinsicht ein Zeichen des Widerstands: sowohl gegen eines der wesentlichen Kontroll- und Machtinstrumente des Staates als auch gegen die staatlicherseits qua Internierung gewollte Passivität, sprich Lahmlegung der Oppositionstätigkeit. Sie bekannten sich als aktive Vertreter der Opposition mit einem aufklärerischen Anspruch für die gesamte Gesellschaft hinsichtlich des staatlichen Informations- und Deutungsmonopols. Während sie auf diese Weise die Autorität der staatlichen Machthaber energisch in Frage stellten, sprachen sie sich selbst, das heißt übertragen der oppositionellen Bewegung, Autorität zu, und zwar hier konkret Autorität im Bereich der Vermittlung von Informationen und deren Deutungen. Im Unterschied zu den hier besprochenen sowie zahlreichen weiteren Beispielen der Lagerpost war auf den Untergrundbriefmarken die staatliche obligatorische Zensur für Publikationen nur indirekt präsent. Das heißt, ihre Bildurheber benannten oder kennzeichneten sie nicht weiter, sondern ignorierten sie schlicht und veröffentlichten ihre Bildmotive, die sie ganz selbstverständlich als Gegenpol zu bestehenden Tabuthemen oder vorherrschenden Deutungen im offiziellen Umlauf betrachteten. Da die Lagerpost

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5. Bildmotivanalyse: Die Antizensurstempel der Lagerpost

Vorläufer und Inspirationsquelle der Untergrundpost war,15 lässt sich schlussfolgern, dass die Printpublikationen der Lagerpost die inhaltliche Ausrichtung der Bildmotive der Untergrundpost vorgaben. Auf den Bildmedien letzterer musste dann nicht mehr ausdrücklich das Verhältnis zur offiziellen Zensurpraxis thematisiert werden, die Antizensur-Stoßrichtung war bereits etabliert.

15

[o. Verf.], Poczta Solidarności, S. 3, FSO 2-002 Gp 563; Kobyliński, Sześć lat, S. 10.

Kapitel 6

Bildmotivanalyse: 1980. Die Entstehungsphase der Solidarność Die Entstehung der Solidarność als Gewerkschaft und soziale Bewegung im Jahr 1980 war ein gesellschaftliches und politisches Schlüsselereignis, das Eingang in das kulturelle Gedächtnis der oppositionellen Bewegung fand. Von den Bildautoren der Unabhängigen Post wurde es in allen Jahren bis 1989 visuell verarbeitet. Nach der Einordnung der Phase der offen agierenden Solidarność (August  1980 bis Dezember 1981) auf der Grundlage der Zeitzeugeninterviews mit Akteuren der Unabhängigen Post wird dieser Bildmotivkomplex exemplarisch untersucht. 6.1

Die geistige und organisatorische Freiheit der Aufbruchsphase

Akteure der Oppositionsbewegung, die später die Möglichkeiten der Unabhängigen Post für ihr oppositionelles Engagement nutzten, erinnern sich in den Zeitzeugengesprächen, wie sich die Entstehung der Solidarność auf ihr Leben und die polnische Gesellschaft auswirkte. Andrzej Karczewski (Warschau), der zur Zeit der staatlich anerkannten, legalen Solidarność in der überregionalen Gewerkschaftswochenzeitung Tygodnik Solidarność als technischer Redakteur arbeitete, wertet die Phase zwischen Sommer 1980 und der Verhängung des Kriegsrechts im Dezember 1981 als Erfahrung einer beträchtlichen, neuen Freiheit in Form einer geistig-kulturellen Grenzverschiebung. Obwohl ihre materielle Versorgungslage schwierig gewesen sei, hätten die Menschen unmittelbar in ihrem eigenen Leben wahrgenommen, dass sie anders leben konnten, als sie es bisher gekannt hatten. Diese Andersartigkeit lag in der Erweiterung des intellektuellen Horizonts, die in Karczewskis Rückschau auf diese Zeit die dominierende Erinnerung war.1 Das „intellektuelle und künstlerische Erwachen“ in Kultur schaffenden Kreisen veränderte die kreative Landschaft Polens, weil es zu Brüchen mit den offiziellen ideologischen Vorgaben führte.2 Die Menschen hätten andere Bücher und Filme sehen können und hätten Zugang zu Erkenntnissen über die polnische Geschichte 1 Zeitzeugeninterview mit Karczewski (Warszawa, 25.9.2010). 2 Skórzyński, Krótka historia, S. 59 f., Zitat 59.

© Verlag Ferdinand Schöningh, 2021 | doi:10.30965/9783657760039_007

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6. Bildmotivanalyse: 1980 – die Entstehung der Solidarność

bekommen, die im offiziellen Kanon nicht vermittelt worden seien.3 Offenbar war diese erlebte Alternative zu dem geistigen Leben in staatlich gelenkten Bahnen prägend für viele Lebenswege. Karczewski leitet aus dieser Erfahrung der Freiheit die Bereitschaft vieler Solidarność-Akteure ab, nach Verhängung des Kriegsrechts im Untergrund weiterzuwirken. Auch er selbst setzte sein Engagement im Untergrund fort und gründete den unabhängigen Verlag Most, den er noch heute führt. Dies lässt schlussfolgern, dass das Gefühl von Freiheit auch darin bestand, dass sich die Menschen selbstorganisiert engagierten. Nicht mehr bereit, die dabei erworbenen Kompetenzen aufzugeben, trauten und muteten sich etliche trotz der aufgrund der Konspiration schwierigen Bedingungen zu, aktiv zu bleiben, um die Erfahrung der organisatorischen und geistigen Eigenständigkeit auch während des Kriegszustandes und über diesen hinaus aufrechtzuerhalten. Stanisław Głażewski geht im Zeitzeugeninterview mit seiner Bewertung der Entstehung der Solidarność in die gleiche Richtung wie Karczewski. Berufstätig als Biologe im Institut für Düngemittel und Bodenkunde (Instytut Uprawy Nawożenia i Gleboznawstwa) in Puławy, gründete er dort nur wenige Tage nach den Danziger Vereinbarungen zwischen den Streikenden und den staatlichen Vertretern im August mit Kollegen eine lokale Gewerkschaft. Aus diesem Umfeld gingen die außerhalb des Aktionsradius der staatlichen Zensur publizierten Bulletins Solidarność Ziemi Puławskiej und Przeszłość Przyszłości hervor,4 bei denen er mit großem Engagement als Publizist tätig war, bei letzterem außerdem als Redakteur. Im Interview bewertet er die Phase zwischen August  1980 und Dezember 1981 insbesondere mit Blick auf seine Publikations- und Redaktionstätigkeit als eine der produktivsten in seinem Leben. Offenbar war dies auch eine sehr kreative und optimistische Lebensphase, denn Głażewski erschloss sich neue Tätigkeitsbereiche und erweiterte seine Fähigkeiten: „Und ich war schon ein alter Mann, ich war schon 45 Jahre alt. Aber man kann alles erlernen.“5 Zwar war er promovierter Biologe, doch er eignete sich vor allem historische Themen an, allerdings nicht nur um des eigenen Wissenserwerbs willen, sondern um sie kontinuierlich und häufig der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Als Autor für Solidarność Ziemi Puławskiej veröffentlichte er eigenen Angaben zufolge zirka 150 Artikel,6 wobei die Zeitung in der Forschungsliteratur als „mutig in der Auseinandersetzung 3 Zeitzeugeninterview mit Karczewski (Warszawa, 25.9.2010). 4 Zu den genannten Bulletins: Dąbrowski, Solidarność [1980-1981]; Dąbrowski, Solidarność [1982-1983]; Dąbrowski, Przeszłość. Siehe auch Dąbrowski, Stanisław Tomasz Głażewski. 5 Zeitzeugeninterview mit Głażewski (Puławy, 28.11.2010). 6 Zeitzeugeninterview mit Głażewski (Puławy, 28.11.2010).

6.1 Die geistige und organisatorische Freiheit der Aufbruchs

65

mit der politischen Wirklichkeit der Volksrepublik“ charakterisiert wird.7 Leser hätten ihm für seine publizistische Tätigkeit menschlich Respekt und fachlich Anerkennung gezollt, und er habe in der neu gewonnenen Überzeugung gelebt, dass das, was er macht, für andere nützlich sei.8 Die Entstehungs- und Etablierungszeit der Solidarność hatten demnach konkrete Auswirkungen auf sein persönliches Leben, was sich in außerordentlicher Schaffenskraft äußerte. Głażewski erlebte diese Phase als schöpferisch und sinnstiftend für sein eigenes Leben; wohl nicht nur, weil er selbst dazulernte und für sich etwas gewann, sondern auch, weil er in die Gemeinschaft Interessierter und Gleichgesinnter hineinwirkte und für diese ein Gewinn war. Dies löste große Zufriedenheit bis hin zu Enthusiasmus bei ihm aus und bestärkte ihn, ähnlich wie von Karczewski geschildert, diese Erfahrungen auch nach Ausrufung des Kriegsrechts und trotz seiner Internierung zu verteidigen. Seine oppositionelle Tätigkeit als Autor, Redakteur und Drucker von Publikationen des Zweiten Umlaufs setzte Głażewski bis 1989 konspirativ fort. Mit seinem leidenschaftlichen Engagement für die Wissensvermittlung außerhalb der staatlichen Zensur und für die Anliegen der Bewegung in der Zeit der „legalen Solidarność“ sei er nicht allein gewesen: Es war damals eine Zeit, dass kaum jemand an die berufliche Tätigkeit dachte. Es brodelte. Da war ich nicht der Einzige. […] Dass innerhalb einiger Wochen zehn Millionen [Mitglieder der Solidarność, SP] aufstanden – das musste ein inneres Brodeln sein. Das fühlte man. […] und weil wir das mit ganzem Herzen machten, mit vollem Engagement, konnten wir auch zwölf, auch 20 Stunden am Tag arbeiten.9

In dieser intensiven Phase, in der in enormem gesellschaftlichem Ausmaß sowohl inhaltlich als auch organisatorisch Neues ausprobiert wurde, Möglichkeiten und Talente entdeckt und Grenzen erweitert wurden, war die Euphorie über die neuen Freiheiten in weiten Teilen der Gesellschaft verbreitet. Eng verbunden war das Erlebnis der Freiheiten mit einem starken Gefühl der Gemeinschaft und Einheit in der oppositionellen Bewegung, das ebenfalls als typisch für diese Monate beschrieben wird.10 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Aussagen die Bildautoren der Untergrundpost über Wesen und Wirken der unabhängigen

7 8 9 10

Dąbrowski, Solidarność [1980-1981]. Zeitzeugeninterview mit Głażewski (Puławy, 28.11.2010). Zeitzeugeninterview mit Głażewski (Puławy, 28.11.2010). Holzer, Abschied, S. 151-165, hier 155.

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6. Bildmotivanalyse: 1980 – die Entstehung der Solidarność

Gewerkschaft und der oppositionellen Bewegung mitteilten und welche Identifikationsangebote sie dem Betrachter machten. 6.2

Analyse ausgewählter Bildbeispiele

In den Publikationen der Untergrundpost gehört der Bildmotivkomplex der Entstehung der Solidarność als Gewerkschaft und soziale Bewegung zum Ka­non und insbesondere zum fünften Jahrestag wurde diesem Ereignis verstärkt Aufmerksamkeit gewidmet. Dabei treten bestimmte ikonographische Elemente, allein oder miteinander kombiniert, immer wieder auf und sind als typisch zu bewerten: die Landkarte Polens, Städtenamen, Ansichten und Namen von Betrieben, Darstellungen der damals errichteten Denkmäler für die Opfer der Arbeitererhebungen in Posen (Poznań) 1956 und in Danzig 1970, Menschenmengen und das Porträt des Solidarność-Führers Lech Wałęsa, Jahreszahlen und konkrete Daten, Slogans und das Victoryzeichen. Im Folgenden wird eine Auswahl typischer Bildbeispiele aus dem Spektrum der Untergrundbriefmarken untersucht. Die Untergrundpost (als Teil der Unabhängigen Post) trat ab 1982 in Erscheinung, die Grafiker stellten also rückblickend die Entstehungsphase der oppositionellen Bewegung dar und hielten sie nicht zeitgleich im Bild fest, wie es im Rahmen der Streikpost 1980 der Fall gewesen war. 6.2.1 Das Land markieren. Die übergreifende Bedeutung der Bewegung Mit der Verwendung der Landkarte Polens, die sie mit einem Verweis auf die Entstehung der Solidarność-Gewerkschaft und -Bewegung ausstatteten, griffen die Bildautoren auf ein jahrhundertealtes Ausdrucksmittel zurück: In der politischen Ikonographie werden Landkarten zur Visualisierung von Herrschaftsansprüchen und politischen Ordnungsvorstellungen und zur Stiftung politischer Identität genutzt.11 So konnten sowohl die Präsenz der oppositionellen Bewegung und die Ausdehnung ihres Wirkungsraumes in der Volksrepublik ins Bild gesetzt als auch vermittelt werden, dass diese ab Sommer 1980 die eigentliche Repräsentantin der Bevölkerung und der Nation war. Solche Landkarten sind in unterschiedlichen Ausfertigungen überliefert. Quer über die Umrisse Polens gelegt, werden beispielsweise das SolidarnośćLogo,12 Symbole wie das Victoryzeichen oder Inschriften wie „wir werden

11 12

Hagenow, Landkarte, S. 56-61, hier 56; Gerhardt, Landkarte, S. 79-86, hier 80 und 82. Untergrundbriefmarke des MKK Wola, 1986, BJ-CDCN, Zn 520 III.

6.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

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siegen“ (zwyciężymy) zum Blickfang.13 Auf manchen Landkarten markierten die Grafiker Städte,14 die oppositionelle Hochburgen waren, in andere setzten sie in großer Größe das Porträt Lech Wałęsas oder Darstellungen des Danziger oder Posener Denkmals ein.15 Letztere waren auf Initiative der SolidarnośćBewegung im Jahr 1981 errichtet worden und galten als Symbol der Opposition (ausführlich dazu in Kapitel 8). Auf einer Untergrundbriefmarke aus dem Jahr 1985 der Poczta Nowa Huta, dem bei Krakau gelegenen Industriestandort Nowa Huta, wird die Landkarte Polens vom eingeschriebenen Solidarność-Logo dominiert.

Abb. 5 Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der Poczta Nowa Huta: 5 Jahre Bewegung, 1985.

Die Überschrift „5 Jahre Bewegung“ (5 lat ruchu) und die im Vergleich dazu kleinere Monatsangabe „8 ′85″ links unten geben Hinweise auf den Anlass für diese Untergrundbriefmarke: das Jubiläum der Entstehung der Solidarność im Kontext der „Augustvereinbarungen“ zwischen den Streikenden und den staatlichen Repräsentanten 1980. Mit dem Verweis auf das fünfjährige Bestehen der Bewegung wird ein Bezug von ihren Anfängen zur Gegenwart 1985 hergestellt. Das Logo, das hier den Umriss Polens von einer Seite bis zur anderen ausfüllt, lässt sich als Aussage über die Solidarność-Bewegung verstehen: Quer durch Polen hat sie eine enorme Präsenz. Mit Hilfe der Nennung des Monats August 13 FSO 2-005 Xp 0559/1. 14 FSO 2-005 Xp 0593. 15 Beispielsweise zwei Untergrundbriefmarken aus dem Jahr 1985, unterzeichnet mit Solidarność, BJ-CDCN, Zn 304 III.

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6. Bildmotivanalyse: 1980 – die Entstehung der Solidarność

wird eine Verbindung zur Phase der offen agierenden Massenbewegung aufgebaut. Wie Andrzej Karczewski und Stanisław Głażewski schildern, drückte sich die Solidarność in Form eines geistig-kulturellen und organisatorischen Umbruchs aus, der sich landesweit entfaltete. Die intellektuellen Freiheiten im gesellschaftspolitischen Leben, den Zugang zu Wissensbeständen, die vorher der breiten Masse vorenthalten waren, die Erfahrung der Selbstorganisation abseits von staatlich gelenkten Bahnen und, mit allem verbunden, das Gefühl des Enthusiasmus und der intellektuellen und kulturellen Bereicherung des persönlichen Lebens erfuhren weite Teile der Bevölkerung in ganz Polen. Ausmaß und Wirkungen der Tätigkeiten der Solidarność waren unübersehbar, was der mitten auf die Landkarte platzierte Schriftzug signalisiert. Dominierender als der Verweis auf die Anfänge der Massenbewegung ist jedoch die Überschrift „5 Jahre Bewegung“, womit die aktuelle Situation von 1985 und der Weiterbestand der Bewegung betont werden. Unter diesem Titel wird die Aussage der Landkarte dahin gelenkt, dass die Solidarność auch nach ihrer Phase des öffentlichen Wirkens weiterhin prägende Bedeutung für ganz Polen hatte und demnach auch die von ihr postulierten und realisierten politischen und gesellschaftlichen Vorstellungen Gültigkeit für ganz Polen hatten. Ihre Wirkmächtigkeit bestand fort, auch wenn sie bekanntermaßen ihre Tätigkeiten in den Untergrund verlegt hatte. Die verbildlichte Feststellung, dass Polen und Solidarność immer noch gleichzusetzen sind, zeugt nicht nur von einem großen Selbstbewusstsein, das der Bildautor der Solidarność-Bewegung zuschrieb. Indirekt wird auch die inhaltliche und strukturelle Konsolidiertheit der Solidarność vermittelt. Hätte sie diese Eigenschaft nicht gehabt, hätte sie das Kriegsrecht nicht überdauern und nicht ihr fünfjähriges Jubiläum feiern können. Diese selbstbewussten Botschaften über die Solidarność-Bewegung sind nicht ausschließlich selbstreferentiell. Da die Landkarte die Umrisse des Staates der Gegenwart abbildet, wird implizit der Staatsapparat der Volksrepublik auf den Plan gerufen. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Solidarność die Bedeutung, seit Jahren etablierter Gegen-Akteur desselben zu sein. Ein anderer Bezugspunkt ist die heterogene Oppositionsbewegung. Diese taucht auf der Landkarte nicht auf; das Solidarność-Logo steht allein, andere oppositionelle Organisationen sind nicht ins Bild gesetzt. So wird die Interpretation vorbereitet, dass die Solidarność als stärkste oppositionelle Struktur beanspruchen würde, alleinige Repräsentantin der gesamten und scheinbar geeinten Gesellschaft gegenüber dem Staatsapparat zu sein.16 16

Holzer, Abschied, S. 151-165, hier 155.

6.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

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Mit dem Logo der Solidarność auf der Landkarte Polens wird eine Aussage über die allgemeinverbindliche Bedeutung der Bewegung für Polen getroffen. Ähnlich funktionieren andere Untergrundbriefmarken. Zwei von der Solidarność Krakau zum „5. Jahrestag der Unterzeichnung der Danziger Vereinbarungen“ (5 rocznica podpisania porozumień gdańskich) herausgegebene Untergrundbriefmarkenblocks zeigen die Landkarte Polens, in die groß und zentral das Bild des Denkmals für die gefallenen Werftarbeiter in Danzig bzw. das Porträt Lech Wałęsas platziert ist.17 Auch hier wird vermittelt, dass die Errichtung des Denkmals im Dezember 1980 und die Autorität Wałęsas nicht nur für die Danziger, sondern für die oppositionell eingestellte Bevölkerung insgesamt relevant waren – mehr noch: für alle Polen, denn diese wurden durch das Symbol der Landkarte vereinnahmt. Das Bildmotiv der Landkarte setzten die Bildautoren der Untergrundpost nicht nur ein, um im Zusammenhang mit einem konkreten Datum oder Jubiläum allgemeingültige Aussagen zu treffen, sondern auch, um zeitlich nicht fixierte allgemeingültige Botschaften zu vermitteln. Im abgebildeten Block der Poczta Solidarność unter der Überschrift „Zeichen“ (znaki) wird dies deutlich.

Abb. 6 Untergrundpost, Block der Poczta Solidarność: Zeichen, 1986.

17 Zwei Untergrundbriefmarken aus dem Jahr 1985, unterzeichnet mit Solidarność, BJCDCN, Zn 304 III.

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6. Bildmotivanalyse: 1980 – die Entstehung der Solidarność

Hier ist der Umriss Polens aus Stacheldraht gebildet und umfasst jeweils das Akronym SW, das für „kämpfende Solidarność“ (Solidarność walcząca) steht, den Slogan „Solidarność lebt“ (Solidarność żyje), das Akronym CDN, das für „Fortsetzung folgt“ (ciąg dalszy nastąpi) steht, und das mit Fingern gebildete Victoryzeichen. Dabei sind die beiden Akronyme nicht nur wörtlich zu verstehen, sondern sie waren in den 1980er Jahren auch die Logos der oppositionellen Organisation Solidarność Walcząca bzw. des Untergrundverlages CDN. Die Aussagen, dass die Solidarność kämpft, dass sie lebt, dass die Fortsetzung gewiss ist, sowie der Hinweis auf den Sieg sind eingebettet in ein Polen, das von Stacheldraht begrenzt wird. Wie die Landkarte gehört auch das Symbol des Stacheldrahtes nicht zu den „wertneutrale[n, SP] Darstellungselemente[n, SP]“,18 es beinhaltet Konnotationen wie Lager und Internierung, Totalitarismus und Abschottung.19 In einem solchen Kontext platziert, sind jene vier Aussagen auch als Ausdruck von Rede- und Handlungsfreiheit sowie Organisationspluralismus zu verstehen, die sich trotz brutaler Begrenzungen vonseiten des Staates entfalteten. Werden die Akronyme als Logos aufgefasst, werden die Aussagen insofern konkretisiert, als sie auf die Existenz und die Aktivitäten der in dieser Serie vertretenen Organisationen (Solidarność Walcząca, Solidarność) bzw. Einrichtung (Untergrundverlag CDN) verweisen. Vor dem Hintergrund der Situation im Herausgabejahr 1986, in dem die oppositionelle Bewegung trotz fünfjähriger Verbannung in die Konspiration nach wie vor politisch und publizistisch tätig war und sich infolge von Glasnost und Perestroika in der UdSSR eine verhaltene Liberalisierung in Polen bemerkbar zu machen begann, kann diese Briefmarkenserie als eine gut gelaunte Zustandsbeschreibung einer lebendigen, aktiven und ausdifferenzierten oppositionellen Bewegung aufgefasst werden. Dieses war eine verbreitete Selbstbeschreibung, die beispielsweise das Regionale Exekutivkomitee (Regionalny Komitet Wykonawczy – RKW) der Gewerkschaft Solidarność der Region Masowien in seiner Erklärung zum sechsten Jahrestag des August 1980 vertrat.20 Auch Gewerkschaftsführer Lech Wałęsa schätzte den Zustand der oppositionellen Bewegung optimistisch ein und ging davon aus, dass rund ein Drittel der Gesellschaft auf Seiten der oppositionellen Bewegung stehe.21 Allerdings zeigten sich infolge der Erfahrung des Kriegszustandes, der anhaltenden Repressionen und der dauerhaft schlechten Wirtschaftslage sowohl in den Kreisen der oppositionellen Akteure und ihrer Sympathisanten 18 19 20 21

Paul, Stacheldraht, S. 361-394, hier 364. Paul, Stacheldraht, S. 361-394, hier 361 und 364. RKW NSZZ „S“ Reg. Mazowsze, W szóstą, S. 1, FSO 2-002 Gp 563. [Wałęsa], Musimy szukać, S. 1-2, hier 1 f., FSO 2-002 Gp 563.

6.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

71

wie in der breiteren Bevölkerung auch erhebliche Erschöpfungserscheinungen und Resignation und es verfestigte sich der Eindruck der Stagnation im Land.22 Dessen waren sich die Akteure der Opposition durchaus bewusst.23 Vor diesem Hintergrund lässt sich der Briefmarkensatz als Beschwörungsakt interpretieren. So verstanden, drückt er die Hoffnung aus, dass Kampfeswille, Existenz, Fortbestand und Sieg der oppositionellen Bewegung anhalten bzw. eintreten mögen, was auch als Aufforderung an den Betrachter aufgefasst werden kann, er möge die in die oppositionelle Bewegung und ihre Aktivitäten gesetzte Hoffnung nicht verlieren, sondern vielmehr sie mit befördern. Stanisław Remuszko betont im Zeitzeugeninterview wiederholt die ermutigende Wirkung, die von den Untergrundbriefmarken als sichtbarer Existenzbeweis der Oppositionsbewegung grundsätzlich ausging.24 Mit Bildmotiven, die die Bewegung als aktiv und dynamisch reflektieren, entfaltete sich diese Wirkung vermutlich noch stärker. Ob mit Blick auf ein bestimmtes Datum in der Entstehungsphase der Oppositionsbewegung oder zeitlos entworfen: Die Landkarten charak­ terisierten die Opposition – in den besprochenen Beispielen konkret die Solidarność – als allgegenwärtig in Polen bzw. mit ihr verbundene Phänomene (Gewerkschaftsführer, Denkmal, Untergrundverlag, andere oppositionelle Organisationen) als bedeutungsvoll und wesentlich für ganz Polen. Dabei übernahmen die Landkarten die Funktion, eine oppositionelle Identität zu stiften: Jeder, der sich Polen zugehörig fühlte, war aufgefordert, sich mit den in die Landkarten gesetzten Aussagen über die Oppositionsbewegung zu identifizieren, sich von ihnen vertreten zu fühlen. Andernfalls hätte er Anlass gegeben, seine Zugehörigkeit zu Polen in Zweifel zu ziehen. Mit Hilfe der Landkarten wurden also Aussagen übergreifender Gültigkeit für die kollektive Identität visualisiert, die eine nachdrückliche Aufforderung zur Zustimmung implizierten. 6.2.2 Betriebsansichten – „Das sind wir!“ Mit dem Bildmotiv der Landkarte Polens korrespondieren das Bildmotiv der Betriebsansichten und die Nennung von Betriebsnamen, die für oppositionelle Proteste bestimmter Berufsgruppen an bestimmten Arbeitsstätten stehen.25 Die Bildurheber konkretisierten auf diese Weise auf lokaler Ebene die mit 22 Friszke, Polen, S. 444. 23 RKW NSZZ „S“ Reg. Mazowsze, W szóstą, S.  1, FSO  2-002 Gp  563; [Wałęsa], Musimy szukać, S. 1-2, hier 1 f., FSO 2-002 Gp 563. 24 Zeitzeugeninterview mit Remuszko (Warszawa, 24.7.2012). 25 Siehe Abb. 26, rechts; FSO 2-005 Xp 0573; Block der Poczta Nowa Huta (1985), BJ-CDCN, Zn 104 III; Block, unterzeichnet mit Solidarność (1985), BJ-CDCN, Zn 883 III.

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6. Bildmotivanalyse: 1980 – die Entstehung der Solidarność

Hilfe der Polen-Karten getroffenen Aussagen über die Ausdehnung der oppositionellen Bewegung. Die Darstellungen von Betriebsansichten und -namen mit Bezug zu „1980“ sind der Hinweis auf die lokalen Keimzellen der oppositionellen Bewegung. Die Bildautoren brachten so zur Anschauung, wo sich die Massenbewegung formiert hatte. Es werden keine Wohnsiedlungen, sondern Arbeitsstätten gezeigt. Hier hatten Arbeiter und Angestellte ihr Recht auf Repräsentanz in Form einer unabhängigen Gewerkschaft eingefordert, und dies hatten sie nicht als Privatpersonen, sondern als Arbeitnehmer getan. Wie Stanisław Głażewski im Interview für seine Stadt Puławy schildert, hatten sich am Arbeitsplatz Kollegen zusammengeschlossen, Organisations- und Kommunikationsstrukturen entwickelt und lokale betriebliche Gewerkschaften inklusiv Publikationsorganen gegründet.26 Mit den Ansichten von Betrieben griffen die Grafiker der Untergrundbriefmarken auf ein Bildmotiv zurück, das auch in der offiziellen Ikonographie gängig war und die Erfolge und Fortschrittlichkeit des politischen und wirtschaftlichen Systems der Volksrepublik veranschaulichen sollte.27 Die Vereinnahmung der Betriebe durch die oppositionell eingestellten Arbeiter 1980 sowie durch die Bildautoren der Untergrundbriefmarken war jedoch Ausdruck einer anderen Geschichte, und zwar der erfolgreichen Emanzipation von der staatlichen Bevormundung sowie der Bewusstwerdung einer oppositionellen Identität. Am häufigsten treten Darstellungen und Nennungen von Arbeitsstätten in den Protestorten Danzig, Stettin (Szczecin) und Jastrzębie auf. Gezeigt werden Ansichten von Werfttoren und Lastkränen bzw. der Fördertürme des oberschlesischen Bergwerks. Hier hatten am 30. August in Stettin auf der WarskiWerft (Stocznia Szczecińska im. A. Warskiego), am 31. August auf der Danziger Lenin-Werft und am 3.  September in Jastrzębie auf der Zeche Juli-Manifest (KWK Manifest Lipcowy) Vertreter der Überbetrieblichen Streikkomitees (Międzyzakładowy Komitet Strajkowy – MKS) auf der einen und Vertreter der Regierung auf der anderen Seite die Vereinbarungen unterzeichnet, was die landesweite Streikwelle beendete und zur Gründung der Solidarność-Gruppen in Betrieben überall im Land führte.28 Diese Bildmotive bestätigen das Narrativ von der zentralen Bedeutung der Proteste und Verhandlungen in diesen drei Betrieben. Entscheidend und wegweisend auch für die widerständigen Belegschaften in anderen Betrieben im Land, fungierten sie als übergreifendes 26 Zeitzeugeninterview mit Głażewski (Puławy, 28.11.2010). 27 Zblewski, Propaganda, S. 123-126, hier 124 f. 28 Skórzyński, Krótka historia, S. 33-36.

6.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

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Identifikationsmoment für alle Akteure, die für mehr Mitbestimmung und Freiheiten eintraten. Unabhängig also davon, ob der oppositionell eingestellte Betrachter dieser Bildmotive zur Belegschaft einer der drei abgebildeten Arbeitsstätten gehörte, waren dies insofern auch „seine“ Betriebe, als in ihnen erfolgreiche oppositionelle Akteure Veränderungen herbeigeführt hatten. Des Weiteren kam es zu Veröffentlichungen anderer konkreter Arbeitsstätten auf den Untergrundbriefmarken. Angesichts der allseits bekannten Protest- und Verhandlungsorte wie der Danziger Lenin-Werft, der Stettiner Werft und dem Bergwerk in Jastrzębie können diese Darstellungen von nicht landesweit bekannten Arbeitsstätten als eine Form lokaler Selbstbehauptung interpretiert werden. Auch abseits jener nachhaltig Schlagzeilen machenden, widerständigen Belegschaften hatten sich Kollegien wirkungsvoll gegen die offiziellen Repräsentanten staatlicher Betriebe zusammengeschlossen. Diesen Tatbestand ins Bild zu setzen, konnte der Stärkung des Selbstbewusstseins und der lokalen, betrieblichen Identität der oppositionellen Gruppen dienen, die in weniger berühmten Betrieben aktiv waren. Das Hauptnarrativ von der bahnbrechenden Bedeutung der protestierenden Arbeitnehmer in Danzig, Stettin und Jastrzębie wurde so um die abgebildeten „Nebenschauplätze“ erweitert. Eine solche Erweiterung lässt sich durchaus als Kritik und Korrektur der oppositionellen Geschichtsschreibung verstehen. Diese Funktion des Bildmotivs der Betriebsansichten und Betriebsnamen ist aus dem Satz von vier Untergrundbriefmarken unter der Überschrift „Polnischer Sommer“ (Polskie lato) ablesbar. Entworfen von dem Lubliner Künstler Jerzy Latukowicz, wurde der Satz von dem Fonds Gesellschaftlicher Initiativen (Fundusz Inicjatyw Społecznych – FIS) in Lublin im Jahr 1985 unter der Bezeichnung Poczta Solidarność herausgegeben.29 FIS hatten der Jurist Paweł Bryłowski, der Physiker Tomasz Pietrasiewicz und der Historiker Andrzej Peciak im selben Jahr gegründet.30 Bryłowskis Erläuterungen zu dieser Serie im Zeitzeugeninterview werden im Folgenden einbezogen. Die 4er-Serie zeigt eine Mauer mit einem größer werdenden Loch. Auf drei Marken ist auf der Mauer ein unvollständiges, da teilweise abgerissenes Plakat zu sehen, neben ihm die Aufschrift „1980 Streik“ (1980 strajk) und darunter ein bzw. mehrere Betriebsnamen bzw. Städtenamen, jeweils mit Tagesdatum aus dem Monat Juli. Diese drei Untergrundbriefmarken tragen die Bildunterschrift „Lubliner Juli“ (Lubelski lipiec). Die vierte Marke des Satzes mit der Bildunterschrift „Danzig – Küstenregion August“ (Gdańsk – wybrzeże sierpień) stellt die Mauer mit dem größten Loch, einem Mauerdurchbruch, dar. Plakat und 29 30

Zeitzeugeninterview mit Bryłowski (Lublin, 22.1.2013). [o. Verf.], Fundusz, S. 157-165, hier 158 f.

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6. Bildmotivanalyse: 1980 – die Entstehung der Solidarność

Abb. 7

Untergrundpost, Serie von vier Untergrundbriefmarken der Poczta Solidarność: Polnischer Sommer, 1985, Entwurf: Jerzy Latukowicz.

Aufschriften sind nicht mehr vorhanden, dafür ist der Blick auf den Bereich hinter der Mauer freigegeben, wo eine Menschenmenge mit einem SolidarnośćTransparent steht, über ihr ein weiter, freier Raum. Die auf der Mauer genannten Namen der ersten drei Marken beziehen sich auf Betriebe bzw. Städte in Lublin bzw. der Woiwodschaft Lublin, in denen nach Preiserhöhungen ab dem 1. Juli 1980 Streiks ausgerufen wurden. An den Streiks beteiligten sich schließlich mehr als 150 Betriebe.31 Auch in Fabriken anderer Regionen wurde gestreikt; das Besondere an den Streiks im Raum Lublin war jedoch, dass nicht nur wirtschaftliche Forderungen formuliert wurden, sondern bereits politische, etwa nach einer unabhängigen Repräsentanz der Arbeiter. Des Weiteren zeichneten sich die Arbeitsniederlegungen des Lubliner Juli durch ihren fortgeschrittenen Organisationsgrad aus und stellten eine wesentliche Etappe für die Konstituierung der landesweiten Streikbewegung im Sommer 1980 dar.32 Zu dem Plakat auf der Mauer erläutert Paweł Bryłowski im Zeitzeugeninterview, dass es sich um das Manifest vom 22. Juli 1944 handele.33 Das von der UdSSR unterstützte Polnische Komitee der Nationalen Befreiung (Polski Komitet Wyzwolenia Narodowego – PKWN) hatte mit dieser Erklärung in der Endphase des Krieges in der Region Lublin Regierungsbefugnisse beansprucht und die Rechtmäßigkeit der polnischen Exilregierung aberkannt. Schauplatz der damaligen Ereignisse waren die östlich von Lublin gelegene Stadt Chełm 31 Dąbrowski, Lubelski Lipiec. 32 Dąbrowski, Zaczęło się, S. 14-20, hier 15, 19 f.; [o. Verf.], W dwa lata, S. 1-2, hier 1, FSO 2-002 Gp 206. 33 Zeitzeugeninterview mit Bryłowski (Lublin, 22.1.2013).

6.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

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sowie Lublin selbst gewesen.34 Das plakatierte Manifest sei in dieser Untergrundbriefmarkenserie als ein Symbol für den Anfang des kommunistischen Staates eingesetzt worden, so Bryłowski.35 In der Symbolik der politischen Ikonographie kann die Mauer für Konflikt und Konfrontation stehen.36 Mit den Aufschriften und dem Manifest versehen, wird die Mauer im Untergrundbriefmarkensatz des Künstlers Latukowicz zum Sinnbild der Volksrepublik Polen. Der Status quo, die befestigte Beschränkung, die Eingrenzung in die kommunistische Ideologie, wird mit zunehmendem Widerstand von Betriebsbelegschaften aus Lublin und Umgebung mehr und mehr beschädigt. „Und dann haben wir die Solidarność in Danzig und anstelle des Manifestes haben wir ein totales Loch, haben wir eine Tür, einen Eingang“, erläutert Bryłowski die vierte Marke mit dem Mauerdurchbruch.37 Der vollzogene Mauersturm gibt den Blick auf die Solidarność-Massenbewegung frei, die sich jenseits der Mauer der Staatsideologie in einem freien Raum bewegt. Wie aus den eingangs angeführten Schilderungen von Andrzej Karczewski und Stanisław Głażewski hervorgeht, besetzten die oppositionellen Akteure den Bereich hinter der Mauer der offiziellen Ideologie und gestalteten ihn als alternativen Denk- und Handlungsraum der oppositionellen Massenbewegung aus. Die Darstellung der Ereignisse im Jahr 1980 auf der letzten Marke des 4erSatzes ist also durchaus typisch. Das Besondere an der Serie ist jedoch, dass der Künstler Latukowicz die Ereignisse von Danzig im August 1980 nicht als Anfang, sondern als Endpunkt interpretiert und den Beginn und Ausgangspunkt für den Durchbruch Akteuren in Lublin und Umgebung zuschreibt. Auch Bryłowski legt im Zeitzeugengespräch besonderen Wert auf den Anteil der widerständigen Werktätigen in seiner Region. In seinen Ausführungen zu diesem Untergrundbriefmarkensatz sagt er: Hier geht es um den Streik [in der Flugzeugfabrik, SP] in Świdnik. Das ist der sogenannte Lubliner Juli, der vor dem August war. […] Das erinnert daran, dass die Solidarność […] nicht nur in der Küstenregion ihren Anfang nahm, sondern auch in der Region Lublin. […] Bei diesen Marken in der Stadt – in Lublin, in Świdnik –, hier auf dieser ist es die Woiwodschaft Lublin. Das ist immer noch der Juli. Und es ist ein immer größeres Mauerloch.38

34 35 36 37 38

Hoensch, Geschichte, S. 288. Friszke, Polen, S. 89. Zeitzeugeninterview mit Bryłowski (Lublin, 22.1.2013). Drechsel, Mauer, S. 130-136, hier 132. Zeitzeugeninterview mit Bryłowski (Lublin, 22.1.2013). Zeitzeugeninterview mit Bryłowski (Lublin, 22.1.2013).

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6. Bildmotivanalyse: 1980 – die Entstehung der Solidarność

Latukowicz’ Bild- und Bryłowskis Interviewaussage, dass das, was nachher als Solidarność im August 1980 sichtbar wurde, bereits einen Monat früher „nicht nur in der Küstenregion ihren Anfang nahm, sondern auch in der Region Lublin“ mit den zahlreichen dort streikenden und mit Staatsvertretern verhandelnden Betriebsbelegschaften, vermittelt ein starkes Selbstbewusstsein. Mit dieser Untergrundbriefmarkenserie wurde eine Korrektur der allgemeinen Berichterstattung in den Publikationen des Zweiten Umlaufs vorgenommen. So handelte es sich um eine kritische Gegendarstellung zu dem Narrativ, die Ereignisse von Danzig im Sommer 1980 als Beginn der Massenmobilisierung in den Betrieben und der durch das Land ziehenden Protest- und Verhandlungswelle darzustellen.39 In den Duktus dieser Version gehörte, den Lubliner Juli als „vergessen“ hinzunehmen, wie es der Historiker Bronisław Geremek, im August 1980 Berater der Solidarność auf der Danziger Werft, im Jahr 1985 beiläufig formulierte.40 Die aufklärerische Funktion, mit der die Akteure der Untergrundpost ihre Briefmarkenmotive grundsätzlich belegten, wendet der Grafiker Latukowicz in seiner Serie für FIS also auf zwei Narrative an: Zum einen ganz üblich auf das zensierte Narrativ der offiziellen Informationspolitik, in dem die Protestierenden des Jahres 1980 pauschal als Zerstörer der Ordnung im Land und ernste Gefahr für den Staat verunglimpft wurden.41 Latukowicz stellt dagegen auf seinen Untergrundbriefmarken den Protest als Befreiung und positiven Beginn einer neuen Etappe dar – das Loch in der Mauer gibt den Blick auf eine friedliche Menschenmenge frei. Zum anderen setzt er sich auch von dem dominierenden Narrativ im Zweiten Umlauf ab, das den Protestierenden in Lublin und der umliegenden Region im Juli 1980 kaum Beachtung schenkte. Allerdings steht das Beispiel von FIS nicht für einen ausgiebigen Deutungskampf innerhalb der Untergrundpost oder des Zweiten Umlaufs, denn diese Darstellung der Geschichte war eine Ausnahme unter den Publikationen der Untergrundpost zur Entstehung der Solidarność-Bewegung 1980.42 Als 39

Deutlich wird das Hauptnarrativ in der exemplarischen Durchsicht der Ausgaben von Juli und August der Jahre 1982 bis 1986 in der meinungsbildenden, landesweit im Untergrund verbreiteten Wochenzeitung Tygodnik Mazowsze, FSO 2-002 Gp 563. 40 Beitrag von Bronisław Geremek in der Zusammenstellung mehrerer Beiträge: Geremek u. a., W V rocznicę, S. 1, 3 und 4, hier 1, FSO 2-002 Gp 563. 41 Pawłowska, W czwartą rocznicę, S. 3. 42 Ins Bild gesetzt wurde der Streik vom Juli 1980 außerdem auf einer Untergrundbriefmarke eines Briefmarkenblocks mit insgesamt acht Marken (Poczta Solidarność). Zum Grafiker und Herausgeber liegen keine Angaben vor. Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków  … 1985, S.  83, Nr.  300. Zwei Untergrundbriefmarken der 3er-Serie „Heißer Sommer“ (Gorące lato), unterzeichnet mit „Polska“, nehmen ebenfalls auf die Lubliner Region Bezug, allerdings wird hier nur auf einer Marke explizit der Monat Juli

6.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

77

Ausnahme verweist dieses Beispiel darauf, dass das alternative kulturelle Gedächtnis der den Pluralismus vertretenden oppositionellen Gemeinschaft einen Mainstream von Erinnerungen ausbildete, der zwangsläufig zur Vernachlässigung bestimmter Gedächtnisinhalte führte. Der Vorteil war dabei, dass durch die Hintanstellung von differenzierenden Aspekten ein Kanon von wichtigen, erinnernswerten Ereignissen geformt und perpetuiert und eine einheitliche, gefestigte oppositionelle (Erinnerungs-) Gemeinschaft demonstriert werden konnten. Dies mochte den Grafikern der Untergrundbriefmarken notwendig erschienen sein, weil im Laufe der 1980er Jahre bei den Angehörigen der Opposition nicht nur die bereits genannte Ermüdung, sondern auch Konflikte zwischen den oppositionellen Gruppierungen aufkamen.43 Die Ausbildung und Verbreitung einer domi­ nierenden Strömung gemeinsamer Erinnerungen auf den Untergrundbriefmarken lassen sich daher als Schritt der Bildautoren verstehen, wesentliche Gemeinsamkeiten der alternativen kulturellen Gedächtnisse der Opposition vor Augen zu führen und damit aktuell bestehenden Spannungen und Spaltungen entgegenzuwirken. Die Besinnung auf das Gemeinsame diente somit als Fundament, um Trennendes auszuhalten. Als ein weiteres Beispiel für dieses Wirkungsprinzip der Untergrundbriefmarken lassen sich auch Marken der Solidarność Walcząca (1984) und der KPN (1985), zwei mit der Solidarność konkurrierende Organisationen, anführen. Sie zeigen außer den jeweiligen eigenen Logos das Porträt Wałęsas bzw. den Solidarność-Schriftzug.44 Der freimütige Respekt gegenüber der Solidarność im Namen der Solidarność Walcząca bzw. der KPN signalisiert hier über die inhaltlichen Konflikte hinweg die Bereitschaft zum grundsätzlichen Zusammenhalt in der oppositionellen Bewegung bzw. ist als Aufruf zu demselben zu verstehen. Wie beim Bildmotiv der Landkarten gewinnt auch die Darstellung von Arbeitsstätten mit Blick auf dort bestehende oppositionelle Gruppen eine überzeitliche Bedeutung, wenn der Bildautor keinen konkreten Verweis auf

43 44

genannt. FSO 2-005 Xp 0578/1 bis Xp 0578/3. Auch als Bildmotiv der Lagerpost ergaben die Recherchen nur zwei Funde zum Juli 1980 in der Lubliner Region: http://www. represjonowani.pulawy.pl/images/phocagallery/znaczki_internowanych/Kielce-Piaski/ thumbs/phoca_thumb_l_Kielce-Piaski-10.jpg sowie http://www.represjonowani.pulawy. pl/images/phocagallery/znaczki_internowanych/Zaleze/thumbs/phoca_thumb_l_ Zaleze-1.jpg (acc. 6.9.2020). Holzer, Abschied, S. 151-165, hier 159 f. Block der Solidarność Walcząca mit dem Porträt Wałęsas aus dem Jahr 1984: FSO 2-010; Block der KPN, Abbildung in: Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków  … 1985, S. 48, Nr. 173.

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6. Bildmotivanalyse: 1980 – die Entstehung der Solidarność

die Entstehungsphase der Oppositionsbewegung im Jahr 1980 setzte. Die zeitliche Unbeschränktheit lässt eine Übertragung auf die Gegenwart des Betrachters in den 1980er Jahren zu. Sie lautet: Auch im Erscheinungsjahr der betreffenden Untergrundbriefmarken existieren in den abgebildeten und genannten Betrieben die oppositionellen Organisationen, die abermals als stellvertretend für nicht ins Bild gesetzte Betriebe aufgefasst werden konnten. Ganz ohne Zuhilfenahme einer Landkarte ergibt sich so der Eindruck einer fortwährend im Arbeitsalltag aktiven Oppositionsbewegung, die alle Betriebe eingenommen und die staatlich organisierten Arbeitnehmer verdrängt zu haben scheint. Dabei stehen die verschiedenen Branchen der dargestellten Betriebe auch für das breite soziale Spektrum, das die oppositionellen Akteure repräsentierten. Dies lässt sich anhand der 16 Untergrundbriefmarkenblocks umfassenden Serie mit Darstellungen von Arbeitsstätten unter dem Slogan „Solidarność – das sind wir!“ (Solidarność to my!) aus dem Jahr 1984 illustrieren.

6.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

79

80

6. Bildmotivanalyse: 1980 – die Entstehung der Solidarność

Abb. 8 bis Abb. 23 Untergrundpost, Block der Poczta Solidarności: Solidarność – das sind wir!, 1984, Entwurf: Andrzej Znojkiewicz.

6.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

81

Von Andrzej Znojkiewicz, ehemaliger Architekturdozent am Polytechnikum in Warschau und produktiver Bildautor der Untergrundpost, entworfen, wurde die Serie unter der Bezeichnung Poczta Solidarności herausgegeben.45 Gezeigt werden Gebäude von Betrieben und Hochschulen (zum Beispiel in Warschau die Mechanikwerke Ursus, das Polytechnikum und die Universität), Produktionsanlagen mit ihrer typischen Ausstattung (zum Beispiel ein Hüttenwerk in Krakau-Nowa Huta mit rauchenden Schloten, die Stettiner Warski-Werft mit Kränen und Schiffen, die Stickstoffdüngerfabrik in Puławy mit Kühltürmen), Innenansichten von Montagehallen (zum Beispiel des Autoreifenwerks in Olsztyn, der PKW-Fabrik in Warschau-Żerań) sowie Außenansichten von Betriebsgeländen (zum Beispiel des Bahnbetriebswerks in Lublin). Eine Ähre mit dem Hinweis auf die Solidarność der Landbevölkerung steht für den Berufssektor der Landwirtschaft. Diese Arbeitsstätten waren in ganz Polen angesiedelt, was wie beim Bildmotiv der Landkarten den Eindruck der überwältigenden Präsenz der Solidarność erzeugt. Grafisch wird dieser unterstrichen, indem die ohnehin schon imposanten Bauten aus leichter Untersicht gezeigt werden. Nicht zuletzt wird dieser Eindruck auch durch die große Anzahl der Bildmotive der Serie (16 Blocks) unterstützt. Die Botschaft der zeitlosen und flächendeckenden Präsenz wird mit Hilfe des Slogans „Solidarność – das sind wir!“ außerdem um den Aspekt der Durchdringung aller Bildungsschichten bereichert. Znojkiewicz erläutert im Zeitzeugeninterview: Die Parole „Solidarność – das sind wir!“ war meine Idee – um zu erklären, dass sowohl am Polytechnikum als auch bei der Eisenbahn als auch irgendwo auf der Eisenhütte, dass das wir sind. Damit das für alle eindeutig ist, dass wir eine Einheit bilden. Dass das da nicht nur der Arbeiter ist, sondern auch das Polytechnikum, auch die Universität – das sind wir. Das war die erste Serie, an der mir außerordentlich lag – ganz Polen, das sind wir, ohne Unterschied ob Berater oder Arbeiter, einzig und allein wir.46

Flächendeckend und gesamtgesellschaftlich – mit diesen Aussagen seiner Serie von 1984 hielt Znojkiewicz die Erfahrung der Massenbewegung aus der Anfangsphase der Solidarność aufrecht. Der Betrachter konnte sich lokal, berufs- und bildungsspezifisch identifizieren. Mit dem in Wort und Bild kommunizierten Hinweis auf den Zusammenschluss unterschiedlicher 45 46

Zeitzeugeninterview mit Znojkiewicz (Warszawa, 26.9.2010). Zeitzeugeninterview mit Znojkiewicz (Warszawa, 26.9.2010).

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6. Bildmotivanalyse: 1980 – die Entstehung der Solidarność

Berufsgruppen und Bildungsschichten in der Solidarność-Bewegung stattete Znojkiewicz die Serie mit einem integrierenden Wirkungspotential aus und stellte den Aspekt der Gemeinschaft der Bewegung gleichberechtigt neben den Aspekt ihrer Heterogenität. 6.2.3 Alle und einer: Eine Massenbewegung und ihr Gesicht Neben den Landkarten und Betriebsansichten sind die Abbildungen von Menschenmengen und die Porträts von Lech Wałęsa ebenfalls typische ikonographische Elemente, mit denen die Grafiker der Untergrundbriefmarken das Geschehen von 1980 ins Bild setzten. Diese beiden ungleich wirkenden Darstellungen von oppositionellen Akteuren signalisieren die gemeinsame Handlungsmacht, die das Land im Sommer 1980 und in den Folgemonaten verändert hatte. Menschenmengen sind auf den Untergrundbriefmarken gewöhnlich als stilisierte Gesichter bzw. Menschen dargestellt. Durch den Verweis auf den August 1980 und ein Transparent mit Solidarność-Schriftzug, das SolidarnośćLogo allein, die Ansicht der Danziger Werft oder des Denkmals für die

Abb. 24

Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der NPP [Niezależna Poczta Pomorze]: Wir geben den August nicht zurück!, 1985.

6.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

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Gefallenen Werftarbeiter, das sich auf dem Platz direkt vor dem Werfttor befindet, werden sie als oppositionelle Massenbewegung des Jahres 1980 kontextualisiert.47 Ansichten von Menschenmengen vermitteln den Eindruck, dass ein großer Teil der Gesellschaft, wenn nicht gar die Mehrheit oder die Allgemeinheit vertreten ist. Dieses nachdrückliche Integrationsangebot korrespondiert mit den Aussagen des Landkartenmotivs über „ganz Polen“.

Abb. 25

47

Untergrundpost, Block der Poczta Stoczni Gdańskiej: 8. Jahrestag der Auguststreiks, 1988.

Siehe auch: FSO 2-005 Xp 0590/2; Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1982-84, S. 38, Nr. 133.

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6. Bildmotivanalyse: 1980 – die Entstehung der Solidarność

Auf diesem Untergrundbriefmarkenblock der Post der Danziger Werft (Poczta Stoczni Gdańskiej) zum „8.  Jahrestag der Auguststreiks“ (8  rocznica strajków sierpniowych) findet die Potenzierung der „Allaussage“ der Landkarte bzw. der Menschenmenge statt, indem der Bildautor die Umrisse Polens vollständig mit Menschen mit Solidarność-Transparenten ausfüllte: Im August  1980, dessen achter Jahrestag nun begangen wurde, habe sich die Bevölkerung ganz Polens im Streik- und Protestmodus befunden. Veranschaulicht wird hier, dass es sich um eine Volksbewegung im wörtlichen Sinne handelte. Dem Betrachter der Untergrundbriefmarken zugewandt oder von der Seite als Demonstrationszug in Bewegung abgebildet, wirkt die dargestellte Menge zugänglich und dynamisch und ist kein Sinnbild für eine passive, stumpfe Masse.

Abb. 26

Untergrundpost, Serie von drei Untergrundbriefmarken der Poczta Solidarność: 3. Jahrestag des August ’80, 1983, Entwurf: Maria Kapturkiewicz-Szewczyk und Krzysztof Małagocki.

Hier klingt die in der Anfangsphase weit verbreitete Aufbruchsstimmung mit, von der die Zeitzeugen Karczewski und Głażewski begeistert berichten. Dargestellt ohne Anführer an ihrer Spitze und auch nicht um einen solchen herumgruppiert, unterstreichen die Grafiker, dass die Massenbewegung im Sommer 1980 und in den kommenden Monaten der Geschichte schreibende Akteur war, indem sie in zahllosen Initiativen eigenverantwortlich im Betrieb und gesellschaftlich aktiv wurde und Veränderungen herbeiführte. Mit diesen Konnotationen ausgestattet, grenzte sich die Verwendung des ikonographischen Elements „Menschenmenge“ in der Untergrundpost vom offiziellen Verständnis der „Massen“ ab. Während dieses darauf gründete, dass die Partei die Steuerungs- und Sprachrohrfunktion für die Menge übernahm, war die Opposition von der Schlüsselerfahrung des Jahres 1980 geprägt, dass sich die oppositionelle Massenbewegung freiwillig formiert und ihre Belange selbst in die Hand genommen hatte. Die Verbildlichung des Massencharakters der Oppositionsbewegung auf den Untergrundbriefmarken mag durchaus mit dem Ziel stattgefunden haben, die im Laufe der 1980er Jahre weniger

6.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

85

gewordenen Akteure und Sympathisanten der oppositionellen Bewegung zu bestärken, vergleichbar mit dem ermutigenden und beschwörenden Impetus bereits untersuchter Bildmotive. Wie die Menschenmenge ist auch die Person Lech Wałęsa ein selbständiges Bildmotiv der Untergrundbriefmarken im Zusammenhang mit dem August  1980 (siehe Abb.  26, links).48 Die publizierten Wałęsa-Porträts überwiegen bei weitem die Darstellungen anderer führender Oppositioneller, die ebenfalls wichtige Rollen bei den Streiks, den Verhandlungen und der Entstehung und Etablierung der Gewerkschaft gespielt hatten.49 Wałęsa ist der am häufigsten dargestellte Oppositionelle, was widerspiegelt, dass er nicht nur Vorsitzender der Gewerkschaft war, sondern auch als der herausragende Akteur des August  1980 und als Autorität und Symbolfigur der Gesamtbewegung galt.50 Wenn Wałęsa als Symbol der Solidarność verstanden und über Jahre mit ihr identifiziert wurde,51 liegt es nahe, dass die korrespondierenden ikonographischen Elemente Menschenmenge – Wałęsa nicht als ein Konkurrenzverhältnis zwischen den Konzepten „Kollektive machen Geschichte“ und „einzelne Menschen machen Geschichte“ verstanden wurden,52 sondern als zwei Seiten einer Medaille. Die Massenbewegung wurde mit Wałęsa assoziiert und dieser war Teil von ihr. Nicht zuletzt lag dies darin begründet, dass er selbst den streikenden Arbeitern angehörte und diese ihn aus eigenem Antrieb zu ihrem Anführer bestimmten. Die Menge der Protestierenden hätte ohne den als charismatisch empfundenen Wałęsa nicht so effektiv tätig werden können, ebenso wenig wie Wałęsa, abgesehen von seinen (deutlich seltener dargestellten) Beratern und Mitstreitern im Führungszirkel der Streiks, ohne den Rückhalt in der Masse so nachdrücklich hätte verhandeln und vermitteln können.53 In der Gesamtschau der Bildmotive „Massenbewegung“ und „Wałęsa“ ist festzustellen, dass jene Akteurskonzepte im Einklang miteinander stehen: Sozialer Bewegung und Einzelmensch gelang es, gemeinsam Geschichte zu machen, weil sie dieselben Ziele verfolgten. 48 Siehe beispielsweise auch: FSO  2-005 Xp 0563/1; FSO  2-005 Xp 0574/1; FSO  2-005 Xp 0590/2. 49 Eines der wenigen Beispiele ist der unter der Bezeichnung „Solidarność Nowa Huta“ herausgegebene Block aus dem Jahr 1985 anlässlich des 5. Jahrestages der Registrierung der Gewerkschaft. Er zeigt die Porträts von Bogdan Lis, Anna Walentynowicz, Andrzej Gwiazda und Bronisław Geremek – allerdings vor dem Hintergrund des größeren Porträts von Lech Wałęsa. FSO 2-010. 50 Friszke, Polen, S. 377. 51 Paczkowski, Opposition, S. 203-229, hier 214. 52 Kemp, Volksmenge, S. 521-529, hier 521. 53 Friszke, Polen, S. 368; Falk, Dilemmas, S. 46 f.

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6. Bildmotivanalyse: 1980 – die Entstehung der Solidarność

Mit der umfangreichen Ehrung Wałęsas auf den Untergrundbriefmarken (außerdem zirkulierten Porträtmarken aus Anlass seiner Internierung 1981/1982 und der Verleihung des Friedensnobelpreises 1983) widersprachen die Bildurheber seiner Behandlung von offizieller Seite, die nicht nur darin bestand, dass der Gewerkschaftsführer während des Kriegszustandes interniert war, sondern auch darin, dass Regierungssprecher Jerzy Urban ihm absprach, öffentliche Person zu sein, und er – verharmlosend – als „gewöhnlicher Bürger“ behandelt wurde,54 trotz seiner aus Sicht der Opposition für die Allgemeinheit herausragenden Verdienste. Wegsperren und mundtot machen auf staatlicher Seite standen der Präsenz Wałęsas auf den Untergrundbriefmarken sowie auch auf den Publikationen der Lagerpost gegenüber. Um sich von dem offiziellen Umgang mit Wałęsa abzusetzen, bedurfte es hier keiner inhaltlichen Auseinandersetzung mit seinen Leistungen, sondern es reichte, sein Porträt im Briefmarkenformat zu veröffentlichen. Bereichert durch die medienimmanente Aussage der Briefmarke, dass dem Abgebildeten ein ehrendes Andenken gegeben wird, war deutlich, dass Wałęsa eine Autorität der oppositionellen Bewegung war. In deutlicher Abgrenzung zur präsentierten Opposition stellten die Bildautoren die staatlichen Vertreter im Bildmotivkomplex „1980“ nicht dar, obgleich auch sie unstrittig eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und Konsolidierung der Massenopposition gespielt hatten, indem sie als Verhandlungspartner aufgetreten waren sowie als Gegner, Provokateure und gewalttätig Intervenierende, wie beispielsweise bei den Ereignissen in Bydgoszcz im März 1981.55 Mit der Ignoranz gegenüber den Staatsvertretern erhielt die Wertschätzung der oppositionellen Akteure einen noch stärkeren Akzent, wohingegen der Gegner nicht der Auseinandersetzung wert zu sein schien.

54 Zblewski, Zwyczajny obywatel, S. 192. 55 Skórzyński, Krótka historia, S. 66-73.

Kapitel 7

Bildmotivanalyse: 1981. Die Verhängung des Kriegsrechts Während der Bildmotivkomplex „1980“ von der Beschäftigung der Opposition mit sich selbst geprägt ist, widmeten sich die Bildautoren bei der Auseinandersetzung mit der Verhängung des Kriegsrechts verstärkt den staatlichen Machthabern, die brutal gegen die Angehörigen der Oppositionsbewegung vorgegangen waren. Diesem Täter stellten die Grafiker die oppositionellen Akteure als Gemeinschaft von Opfern, aber auch Widerständigen gegenüber. 7.1

Das Kriegsrecht und seine Auswirkungen

Der Zeit der sich offen etablierenden Solidarność bereitete General Wojciech Jaruzelski ein jähes Ende, als er in der Nacht vom 12. auf den 13. Dezember 1981 den Kriegszustand einführte. In seiner wiederholt im Radio und Fernsehen veröffentlichten Begründung beschuldigte er die Solidarność-Bewegung, das Land in den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Zusammenbruch zu steuern.1 Eigens für den Kriegszustand wurde der Militärrat der Nationalen Errettung (Wojskowa Rada Ocalenia Narodowego – WRON) berufen, der Anordnungen und Befehle zur Umsetzung des Kriegsrechts erteilte. Eine formale rechtliche Grundlage hatte er allerdings nicht und sie wurde auch später nicht geschaffen.2 Um Stärke zu demonstrieren und strategisch wichtige Orte (Bahnhöfe, Häfen, Flughäfen, Staatsgrenzen), staatliche Einrichtungen (Fernseh- und Radiostationen, Postgebäude) und Industriebetriebe (Berg- und Stahlwerke) zu kontrollieren, wurden mehr als 100.000 Angehörige der Polnischen Armee, der Miliz und des polnischen Geheimdienstes (Służba Bezpieczeństwa – SB) im ganzen Land mobilisiert, die mit mehreren Tausend gepanzerten Fahrzeugen und Kampfgerätschaften ausgerüstet waren. Dieses enorme militärische Aufgebot machte es möglich, dass die staatliche Verwaltung, die Massenmedien, Bildungseinrichtungen, Industrie und Versorgungseinrichtungen nun unter der Aufsicht von Militärkommissaren standen.3 Vor allem aufgrund des Vorwurfs, an Protesten gegen die Verhängung des Kriegsrechts teilgenommen 1 Jaruzelski, Przemówienie, S. 213-221, hier 213-215. 2 Paczkowski, Wojna, S. 41. 3 Neja, Grudzień, S. 73 f.; Ruzikowski, Stan wojenny, S. 37-57 und 522 f.

© Verlag Ferdinand Schöningh, 2021 | doi:10.30965/9783657760039_008

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7. Bildmotivanalyse: 1981 – die Verhängung des Kriegsrechts

zu haben und der Solidarność anzugehören, wurden im Laufe der Monate mehr als 55.000 Arbeitnehmer entlassen. Die Solidarność wurde jedoch erst am 8.  Oktober 1982 für illegal erklärt, was die Entlassungen vor diesem Zeitpunkt klar als Machtdemonstration zur Einschüchterung ihrer Mitglieder charakterisiert. Das öffentliche Leben wurde ausgesetzt, indem das Versammlungsverbot und die Polizeistunde verhängt und Organisationen verboten wurden. Bis auf die Parteipresse wurden zunächst keine Zeitungen herausgegeben, die Postzensur wurde eingeführt und Telefonate wurden abgehört.4 Die vollzogenen massenhaften Internierungen, laut offiziellen Angaben insgesamt knapp 10.000 Personen,5 betrafen die Mitglieder und Aktivisten der Gewerkschaft Solidarność und ihrer Nebenorganisationen. Bei Durchsuchungen von Gewerkschaftssitzen und Privatwohnungen kam es teilweise zur Demolierung der Räumlichkeiten, wenn Schriftstücke und Gelder der Organisationen sowie unzensierte Publikationen eingezogen und Druckgeräte, Farben und Papier beschlagnahmt wurden.6 Dass der friedliche Umbau des öffentlichen Lebens mit außergewöhnlicher Brutalität zerschlagen wurde, traf die oppositionelle Massenbewegung und die Bevölkerung insgesamt unvorbereitet, wirkte wie ein Schock und schüchterte sie ein. Das ungleiche Kräfteverhältnis zwischen der unbewaffneten oppositionellen Bewegung und dem nun militärisch auftretenden Staat, nicht zu vergessen mit der Militärmacht UdSSR im Hintergrund, reduzierte die Möglichkeiten und lähmte die Bereitschaft der Solidarność zu massenhaftem Widerstand. Hinzu kam, dass Teile der Bevölkerung ihren Enthusiasmus für die neu erprobten Freiheiten offenbar schon vor der Einführung des Kriegsrechts zu verlieren begonnen hatten. Diese Entwicklung hatte sich bereits in den vorangegangenen Wochen angebahnt, die vom zunehmend radikaleren Kampf um mehr Freiräume und Rechte auf Seiten der Opposition und der entschlossenen Bekämpfung derselben von staatlicher Seite geprägt gewesen waren. Die ständige, über Monate reichende Anspannung, genährt von den Informationspolitiken sowohl des Staates als auch der Opposition, gepaart mit der schlechten Versorgungslage im Alltag, hatten sich negativ auf die allgemeine Stimmung im Land ausgewirkt.7 Entsprechend offenbarten die Reaktionen auf die Einführung des Kriegsrechts, dass sich die Gesellschaft in Befürworter und Gegner des Kriegszustandes spaltete.

4 5 6 7

Paczkowski, Wojna, S. 104 und 111 f. Friszke, Polen, S. 412. Paczkowski, Pół wieku, S. 349; Neja, Grudzień, S. 76 f. Friszke, Polen, S. 405 und 410 f.; Paczkowski, Pół wieku, S. 353.

7.1 Das Kriegsrecht und seine Auswirkungen

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Ein Grund für die Akzeptanz der Ausrufung des Kriegszustandes innerhalb von Teilen der Bevölkerung mochte die Angst vor einer möglichen sowjetischen Invasion gewesen sein oder auch die Hoffnung, es könne auf diese Weise der angeblich streikbedingte wirtschaftliche Zusammenbruch des Landes abgewendet werden.8 Nach Einschätzung des Zeitzeugen Stanisław Remuszko, Publizist und Kurier im Zweiten Umlauf, habe damals in Teilen der Bevölkerung Erleichterung darüber geherrscht, dass auf diese Weise dem „Chaos“ Einhalt geboten werde, das im Zuge der Entstehung der oppositionellen Massenbewegung und ihrer Aktivitäten um sich gegriffen habe.9 In einer vertraulichen Umfrage vom September 1983, also kurz nach der Aufhebung des Kriegsrechts, bewerteten 43 Prozent der Bevölkerung dessen Verhängung positiv gegenüber 48 Prozent, die sie verurteilten,10 wobei die unterschiedlichen Haltungen quer durch die Gesellschaft gingen und auch Familien spalteten.11 Mit dem militarisierten Ausnahmezustand, der Gegner und Befürworter gleichermaßen betraf, beabsichtigten die Machthaber, die Bevölkerung zu demoralisieren und Ablehnung und Feindseligkeit gegenüber der SolidarnośćBewegung zu wecken.12 Tatsächlich kam es unter den einst zirka zehn Millionen Mitgliedern der oppositionellen Massenbewegung zu einem erheblichen Schwund infolge der staatlichen Drohgebärden und Gewalt, der Repressionen, Entlassungen und Inhaftierungen sowie der offiziellen Aufhebung der Gewerkschaft Solidarność durch den Staat, die zur Folge hatte, dass die Mitgliedschaft strafbar war. Die damit einhergehende zwangsläufige Verlagerung der Aktivitäten in den Untergrund war ein einschneidendes Erlebnis, denn es erforderte, dass sich die nicht eingesperrten Akteure neu organisieren mussten, und zwar unter den erschwerten Bedingungen größtmöglicher Geheimhaltung. Nach Schätzungen oppositioneller Kreise im Jahr 1985 gab es 50.000 bis 70.000 oppositionelle Aktivisten im Untergrund; die staatlichen Sicherheitsdienste gingen mit 17.000 von sehr viel weniger Aktiven aus.13 Die Abkehr der Mehrheit der Solidarność-Anhänger von den Aktivitäten oder der Bewegung insgesamt war nach Einschätzung der interviewten Zeitzeugin Maria Kapturkiewicz-Szewczyk vor allem auf Angst zurückzuführen.

8 9 10 11 12 13

Holzer, Abschied, S. 151-165, hier 157. Zeitzeugeninterview mit Remuszko (Warszawa, 24.7.2012). Dudek, Wstęp, S. 7-27, hier 25. Zeitzeugeninterview mit Remuszko (Warszawa, 24.7.2012). Ruzikowski, Stan wojenny, S. 499. Paczkowski, Bürgerkrieg, S. 97-117, hier 107.

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7. Bildmotivanalyse: 1981 – die Verhängung des Kriegsrechts

In der großen Masse hätten sie sich sicher gefühlt, aber eingeschüchtert durch die Machtdemonstration des Staates, seien nur diejenigen aktiv geblieben, die auch in Kauf genommen hätten, dass sie sich damit Gefahren aussetzten.14 Der Rückzug aus dem aktiven Handeln konnte Resignation und Desinteresse bedeuten, Reaktionen, die durch Enttäuschung über das vermeintliche Scheitern der Solidarność am Staatsapparat und fehlende Hoffnung auf die Rückkehr der Solidarność und der erlebten Freiheiten ins öffentliche Leben verursacht sein mochten.15 Der Rückzug schloss aber die stille oder vorsichtig geäußerte Sympathie für die nun im Geheimen tätige Bewegung nicht aus – die Publikationen des Zweiten Umlaufs rezipierten vermutlich einige Hunderttausend Polen.16 7.2

Analyse ausgewählter Bildbeispiele

Das Thema der Verhängung des Kriegsrechts findet sich sowohl in der Lagerpost als auch in der Untergrundpost wieder. Während auf den Publikationen der Lagerpost die Erfahrung des Kriegsrechts von den Internierten zeitgleich und unmittelbar verarbeitet wurde, setzten Akteure der Untergrundpost das Thema sowohl in der Phase des Kriegsrechts um – die erste Untergrundbriefmarke dazu entstand im Jahr 1982 –17 als auch rückblickend in den folgenden Jahren bis zum Ende des Untersuchungszeitraums 1989. Das traumatische Ereignis wurde über die Jahre in Erinnerung gehalten, was darauf hinweist, dass es eine identitätsstiftende Bedeutung für die Opposition im Untergrund hatte. Die Grafiker konfrontierten hier das Selbstbild der Opposition mit der Charakterisierung des Gegners, der staatlichen Machthaber, um sich von diesem abzugrenzen und sich nach innen ein klares Profil zu geben. Dabei blieb es nicht bei der erwartbaren Rollenzuschreibung von Obrigkeit und Opposition als Täter und Opfer, (Über-)Macht und Ohnmacht. Vermittelt wurde auch der fortwährende Selbstbehauptungswille der Opposition, so dass das Bild eines aktiven Widersachers gegenüber den Machthabern gezeichnet wurde. Zur Verbildlichung der Verhängung des Kriegsrechts setzten die Bildautoren teilweise Zeichen und Symbole ein, die auch beim Bildmotivkomplex 14 15 16 17

Zeitzeugeninterview mit Kapturkiewicz-Szewczyk (Puławy, 27.11.2010). Holzer, Abschied, S. 151-165, hier 158 f.; Friszke, Polen, S. 427 f. und 431. Friszke, Polen, S. 427. Abbildung in: Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1982-84, S. 21, Nr. 79.

7.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

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„1980“ Verwendung fanden, zum Beispiel die Landkarte Polens, Betriebsansichten bzw. -namen, Menschenmengen und Porträts bzw. Personennamen. Im Themenkomplex „Kriegsrecht“ erfuhr diese Ikonographie jedoch eine Brutalisierung. 7.2.1 Die Staatsgewalt Die staatlichen Vollstrecker des Kriegsrechts wurden von den Bildautoren wie eine Besatzungsmacht ins Bild gesetzt, die gewalttätig, kräftemäßig überlegen und entindividualisiert von Polen Besitz ergriff. Im abgebildeten Untergrundbriefmarkenblock der Feldpost (Poczta Polowa) aus dem Jahr 1983 konzentrieren sich typische ikonographische Elemente, mit denen die Akteure der Unabhängigen Post die staatliche Exekutivmacht des Kriegszustandes darstellten. Er soll daher beispielhaft analysiert werden.

Abb. 27 Untergrundpost, Block der Poczta Polowa: II. Jahrestag der widerrechtlichen Einführung des Kriegszustandes in Polen 13. XII. 81-13. XII. 83, 1983.

Uniformierte Wiederholt tritt das Bildmotiv der Uniformierten auf. Visualisiert werden sie als überwachende, gewaltbereite und gewalttätige Akteure. Ihre Gestaltung ist unterschiedlich detailreich: Während die Uniformierten gewöhnlich mit Helmen, Schilden und Schlagstöcken gezeigt werden wie im Block der Poczta

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7. Bildmotivanalyse: 1981 – die Verhängung des Kriegsrechts

Polowa,18 ist auf einer Untergrundbriefmarke nur ein Arm in Uniformjacke mit einer Hand, von der Blut tropft, zu sehen.

Abb. 28 Untergrundpost, Untergrundbriefmarke [Poczta] Polska: XII ’81, [1983].

Im Block der Poczta Polowa (siehe Abb.  27) werden die Vollstrecker des Kriegsrechts auf der linken oberen Briefmarke als helmtragende, gesichtslose, mit erhobenen Schutzschilden breitbeinig nebeneinander stehende Personen gezeigt. Die Aufschrift auf den Schilden weist sie als staatliche Milizionäre (Milicja) aus, was auf den Einsatz der Sturmabteilung der Miliz, sprich die Motorisierten Reserven der Bürgermiliz (Zmotoryzowane Odwody Milicji Obywatelskiej – ZOMO), sowie den Einsatz der Bürgermiliz (Milicja Obywatelska – MO) bei der Einführung und Aufrechterhaltung des Kriegsrechts verweist. Die Körperhaltungen der Akteure signalisieren, dass sie zu Angriff oder Verteidigung bereitstehen. Durch die frontale Darstellung der Kampfbereiten wird der Eindruck erweckt, die Milizangehörigen seien ein unüberwindbares Hindernis. Auf der rechten oberen Briefmarke schreitet ein behelmter Uniformierter mit erhobenem Schutzschild und Schlagstock zur Tat, die Darstellung des 18 Weitere Beispiele sind: Ein Briefmarkenblock der Poczta Homo Homini aus dem Jahr 1985 unter dem Titel „4. Jahrestag des Kriegszusandes“ („4 rocznica stanu wojennego“) im Bestand FSO 2-010. Außerdem: Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1986, S. 27, Nr. 92; Sokołowski, Katalog znaczków … 1987 roku, S. 61, Nr. 269a.

7.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

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zweiten Uniformträgers ist vom Bildrand beschnitten, als hätte er ihn in Aktion bereits überschritten. Beide in Rückenansicht dargestellten Personen vermitteln so einen dynamischen Eindruck. Sie sind auf die Lenin-Hütte (Huta im. Lenina) im Bildhintergrund ausgerichtet, die mit einem Streiktransparent ausgestattet ist, so dass die Phantasie des Betrachters auf eine bevorstehende, nicht ins Bild gesetzte Niederschlagung des Streiks gelenkt wird. In der Tat war am 13. Dezember 1981 in der Hütte ein Streik begonnen worden, an dem nach offiziellen Schätzungen zirka 8.000 Personen teilnahmen. Es handelte sich um die größte und längste Protestaktion dieser Tage in der Region Kleinpolen (Małopolska). Um ihn nach vier Tagen zu beenden, rückten 4.000 Soldaten und Milizangehörige an und wurden Panzer eingesetzt.19 Indem der Bildautor dieses von der Solidarność-Gewerkschaft in Nowa Huta herausgegebenen Blocks aber nicht nur Uniformierte in Aktion an dem konkreten Ort der Lenin-Hütte, sondern auf der anderen Briefmarke auch Uniformierte in Lauerstellung an einem nicht spezifizierten Ort zeigt, entsteht der Eindruck von umfassender, allgemein präsenter und massiver Bedrohung durch die staatlichen Vollstrecker des Kriegsrechts. Stiefel Der Stiefel als Teil einer Uniform ist ein weiteres Zeichen, das zur Charakterisierung der staatlichen Protagonisten in der Situation des Kriegsrechts wiederholt Verwendung fand. Mit Hilfe des Stiefels verbildlichten die Bildurheber den politischen und militärischen Willen der Machthaber, die Oppositionsbewegung im Kriegszustand unwirksam zu machen. Die politische Ikonographie kennt zahlreiche Varianten des zerstörerischen, Unterdrückung signalisierenden Stiefels.20 Im Block der Poczta Polowa (siehe Abb. 27) ist ein solcher unter der Überschrift „Dezember 1981“ (grudzień 1981) aus leichter Untersicht in Vorderansicht, in dynamischer Bewegung von rechts kommend abgebildet, die Sohle tritt auf die Worte „Demokratie“, „Solidarność“ bzw. wörtlich verstanden „Solidarität“, „Recht“, „Gerechtigkeit“ (demokracja, Solidarność/solidarność, prawo, sprawiedliwość) und berührt bereits die ersten beiden Begriffe. Ebenso aufgebaut ist eine Untergrundbriefmarke aus dem Jahr 1985, die Andrzej Znojkiewicz im Namen der Poczta Solidarności zum „Vierten Jahrestag  13.12.‘81“ (Czwarta rocznica 13.12.‘81) entwarf. Hier tritt der Stiefel auf das Wort „Vereinbarungen“ (porozumienia), dessen Buchstaben dem

19 20

Lasota u. a., Małopolska, S. 217-283, hier 220. Springer, Stalins Stiefel, S. 124.

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7. Bildmotivanalyse: 1981 – die Verhängung des Kriegsrechts

Solidarność-Logo nachempfunden sind.21 Verbildlicht wird, dass die Errungenschaften der Solidarność-Bewegung von den staatlichen Vertretern mit Füßen getreten wurden. Andere Varianten des Bildmotivs sind der Stiefel, der auf das Handgelenk eines am Boden liegenden Menschen tritt,22 und der Stiefel in Rückansicht (siehe Abb. 34), der sich aus einer Blutlache löst. Die Energie der Aggression von Seiten des Staates, die sich in der Lauerstellung und der Dynamik der gewalttätigen bewaffneten Uniformierten äußert, ist auch in der Bewegung des Stiefels enthalten. Der Stiefel steht dabei als Pars pro Toto für den Milizionär oder den Soldaten der Polnischen Armee, die auf den Untergrundbriefmarken nur schematisch und gesichtslos dargestellt sind. Diese Reduzierung der Individualität der Ausführenden des Kriegsrechts findet im Bild des Stiefels noch eine Steigerung: Der staatliche Vollstrecker wird nicht einmal mehr typisiert als Mensch, sondern nur noch als Gegenstand verbildlicht. Im Verhältnis zu der Größe dessen, was sich auf dem Boden befindet, implizieren die Darstellungen eines großen Stiefels das Machtverhältnis von oben und unten.23 Mit Hilfe der Geste des Zertretens der Werte und Erfolge, die die oppositionelle Bewegung vertrat und die sie erkämpft hatte – Demokratie, Recht, Gerechtigkeit, Solidarität, die Solidarność-Gewerkschaft und -Bewegung, die Vereinbarungen mit den staatlichen Vertretern –, brachten die Bildautoren die Übermacht und den Zerstörungswillen der staatlichen Akteure gegenüber der Oppositionsbewegung zum Ausdruck. Die Ansicht des Stiefels fasst damit zusammen, was in den ersten Untergrundzeitungen nach Einführung des Kriegsrechts dokumentiert wurde. Detailliert wurde über den Einsatz von Gewalt, Durchsuchungen und Zerstörung sowie Inhaftierungen berichtet und dieses Vorgehen der Staatsmacht in Form von „Chroniken“ aufgezeichnet. Dahinter stand das Ziel der Untergrundredakteure, zu informieren, Zusammenhalt zu stiften und Solidarität mit den Opfern zu bekunden.24 Aufklärung über das Vorgehen der Machthaber war notwendig, weil die offizielle Propaganda wiederum der Solidarność terroristische Absichten und Taten zuwies, um die Einführung des Kriegszustandes zu rechtfertigen.25 Der von der Oppositionsbewegung verfolgten Strategie der Gewaltlosigkeit standen die Darstellungen in den Staatsmedien diametral entgegen. Der offiziellen 21

Untergrundbriefmarke der Poczta Solidarności (1985), BJ-CDCN, Zn 825 III. Znojkiewicz’ Urheberschaft geht aus dem Bildmaterial hervor, das er der Autorin beim Zeitzeugeninterview präsentierte. 22 FSO 2-005 Xp 0747. 23 Springer, Stalins Stiefel, S. 117 und 119. 24 Olaszek, Prasa, S. 189-195, hier 191. 25 Ruzikowski, Stan wojenny, S. 89.

7.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

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zensierten Version, die Antipathie gegenüber der Solidarność hervorrufen sollte, widersetzten sich die Bildautoren der Unabhängigen Post mit einer Gegennarration, indem sie die Gewalttaten der staatlichen Akteure ins Bild setzten. Ein Weiteres kam hinzu, das Stanisław Remuszko im Zeitzeugeninterview kritisch anspricht. Er stellt fest, dass sich die Wahrnehmung des Kriegszustandes im konkreten Erleben der Menschen im Laufe der Zeit veränderte: „Die ersten Wochen des Kriegszustandes waren schrecklich, aber die Menschen gewöhnen sich immer schnell. Nach ein paar Monaten zeigte sich, dass es zwar weiterhin schlecht war, aber es ließ sich überstehen.“26 Vor dem Hintergrund der notgedrungenen Anpassung sowie angesichts des großen Anteils der Befürworter des Kriegszustandes in der Bevölkerung kann die Darstellung der Brutalität der Machthaber auf den Untergrundbriefmarken als Maßnahme der Bildautoren aufgefasst werden, den gewalttätigen Wesenszug der Staatsmacht und den Schrecken des Kriegszustandes auch Jahre später nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Zusammen mit der Gegennarration ist dies ein bestimmendes Element der visuellen Erinnerung an die Phase des Kriegsrechts. Panzer Massive Gewaltbereitschaft und Gewalttätigkeit sind Attribute, die auch in der Darstellung des Panzers enthalten sind, einem weiteren typischen ikonographischen Element zur Verbildlichung des Kriegsrechts – nicht nur auf den Publikationen der Unabhängigen Post, sondern auch in der bildenden Kunst.27 Auf der Untergrundbriefmarke rechts oben im Block der Poczta Polowa (siehe Abb. 27) ist vor dem Betriebsgelände der Lenin-Hütte außer den bewaffneten Uniformierten ein Panzer zu sehen. Auch andere Untergrundbriefmarken mit Bezug zum 13. Dezember 1981 zeigen Panzer vor Arbeitsstätten, und zwar sowohl vor der Lenin-Hütte als auch vor der Danziger Werft oder dem Bergwerk Wujek in Kattowitz (KWK Wujek, Katowice).28 Die Betriebsansichten, die im Bildmotivkomplex „1980“ für die lokalen Entstehungsorte und die Ausdehnung der friedlichen Massenbewegung stehen, werden hier zu Schauplätzen militärischer Unterdrückung. Die Panzer sind im Vordergrund bzw. 26 27

Zeitzeugeninterview mit Remuszko (Warszawa, 24.7.2012). Zum Beispiel das Kunstwerk „Solidarność“ von Zbigniew Januszewski aus dem Jahr 1982. Abbildung in: Wojciechowski, Czas, S. 113. 28 FSO 2-010, hier der Block der Poczta Homo Homini „4 rocznica stanu wojennego“. Weitere Beispiele siehe Abbildung in: Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków  … 1982-84, S.  39, Nr.  137; Untergrundbriefmarke der Poczta Solidarność (1984), BJ-CDCN, Ple 259 III.

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7. Bildmotivanalyse: 1981 – die Verhängung des Kriegsrechts

zentral im Bild positioniert,29 womit den staatlichen Vollstreckern Dominanz zugeschrieben wird. Wenn überhaupt, werden die oppositionellen Akteure als im Vergleich zum Panzer kleine Menschen dargestellt (siehe Abb. 29), oder sie sind gar nur indirekt im Bild anwesend wie im Block der Poczta Polowa (siehe Abb. 27). Hier verweist das Transparent mit der Aufschrift Streik (strajk) auf die oppositionellen Gegenspieler der Staatsmacht, die als Antwort auf die Verhängung des Kriegsrechts die Fortsetzung des Arbeitsalltags verweigerten. Sie sind selbst nicht zu sehen, als hätten sie sich angesichts der Militärmacht im Betriebsgebäude verbarrikadiert, so dass das Bild eine angespannte Stimmung evoziert. Mit dem Bildmotiv der Panzer griffen die Bildautoren eine konkrete Erfahrung des Kriegsrechts auf. Im Zuge seiner Ausrufung hatte die polnische Armee Präsenz und Macht demonstriert und Panzer als Kontroll- und Sperrposten in den Städten und an Ausfallstraßen sowie um Arbeitsstätten herum positioniert und bei der Niederschlagung von Okkupationsstreiks in den Betrieben eingesetzt.30 Strategisch wichtige Punkte und Orte, wo es zu Widerstandsaktionen von Gewerkschaftern der Solidarność gekommen war, waren auf diese Weise unter militärische Kontrolle gebracht worden. Im Zusammenhang mit dem Begriff und der Situation „Kriegszustand“ (stan wojenny) liegt bei dem Bildmotiv von Panzern vor Betrieben die Assoziation nahe, dass kriegsrelevante Arbeitsstätten von der dominierenden Kriegspartei besetzt und für ihre Zwecke gesichert werden. Eine noch größere Dimension gewinnt der Gedanke der Besetzung, wenn sich ein Panzer auf der Landkarte Polens befindet, wie im abgebildeten Beispiel der Untergrundpost (Poczta Podziemna). Unter der Überschrift „VI. Jahrestag der Einführung des Kriegszustandes“ (VI  rocznica wprowadzenia stanu wojennego) und dem Datum seines Beginns überrollt ein Panzer von rechts eine Menschenmenge, die das Solidarność-Logo nachbildet. Aus östlicher Richtung kommend, wird der Panzer mit der Konnotation der Sowjetunion ausgestattet, ohne dass er mit entsprechenden Symbolen gekennzeichnet werden muss. Polen, das 1980 von der SolidarnośćGewerkschaft und -Bewegung friedlich und kreativ „besiedelt“ worden war, wird am 13. Dezember 1981 infolge der Verhängung des Kriegsrechts und der Einsetzung des Militärs gewaltsam vom Staatsapparat eingenommen, der aus dem Dunstkreis der Sowjetunion stammt. So wird der Staatsapparat sowohl mit Besatzungsmacht als auch mit Fremdheit konnotiert. 29 Untergrundbriefmarke der Poczta Solidarność (1984) BJ-CDCN, Ple  259 III sowie Abbildung in: Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1986, S. 9, Nr. 30. 30 Friszke, Polen, S. 411; Neja, Grudzień, S. 75 f.

7.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

Abb. 29

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Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der Poczta Podziemna: VI. Jahrestag der Einführung des Kriegszustandes, 1987.

Dieser Gedanke wohnt auch einer Untergrundbriefmarke der Poczta Homo Homini aus Krakau (Kraków) aus dem Jahr 1984 inne.31 Zum dritten Jahrestag der Verhängung des Kriegsrechts stellte der Bildurheber mehr als nur den Panzer der staatlichen Exekutive und die Solidarność-Bewegung einander gegenüber und setzte beide Akteursgruppen in einen noch stärker weltanschaulichen Kontext. Gezeigt wird in der linken Bildhälfte eine still verharrende Menschenmenge. Über ihr stehen im Hintergrund ein Kreuz, das Wort „Nation“ (naród) und das aus den Buchstaben „S“, „P“ und „W“ gebildete Symbol für das im Namen der Solidarność „kämpfende Polen“ (Polska walcząca).32 In der 31 BJ-CDCN, Ple  263 III. Der Name Poczta Homo Homini und der Ausgabeort Krakau (Kraków) verweisen auf die Untergrundzeitung Homo Homini, die dort im Namen der Solidarność erschien und insbesondere die Menschenrechte und die Situation der politischen Häftlinge in Polen thematisierte, dazu: Goleń, Homo Homini. 32 Da Poczta Homo Homini bei der Solidarność angesiedelt war, steht das Symbol aus „S“ und „W“ (und „P“) hier nicht für die Organisation Solidarność Walcząca, die sich von der Solidarność abgespalten hatte. Die Buchstabenkombination aus „P“ und „W“, auch Anker

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7. Bildmotivanalyse: 1981 – die Verhängung des Kriegsrechts

rechten Bildhälfte befindet sich ein Panzer, dessen Rohr auf die Menschenmenge gerichtet ist. Über ihm stehen ein fünfzackiger Stern und die Worte „Regierung“ (rząd) und „Partei“ (partia). Menschenmenge und Panzer trennt ein längs durch das Bild verlaufender Graben. In dieser Darstellung gehören die Regierung und die PZPR nicht zur polnischen Nation, sondern unterstehen dem fünfzackigen Stern, der für die kommunistische Ideologie und den sowjetischen Machtblock steht, während der Bildautor die „Nation“ mit dem Kreuzsymbol der christlich-katholischen Weltanschauung charakterisiert. Mit diesen Merkmalen versehen, sind Nation und Regime einander im Wesen fremd, was sich auch in der Verbildlichung beider Akteursgruppen – friedliche Menschen versus militärisches Kampffahrzeug – widerspiegelt. Die Deutung des Regimes der Volksrepublik als Fremdherrschaft und Besatzung, inklusiv militärischem Vernichtungspotential, wurde immer wieder im Rahmen der Unabhängigen Post verbildlicht und ist, wie bereits dargelegt, außerdem in den nachgeahmten postalischen Medien enthalten. Es handelte sich um ein Denkmuster, das in Teilen der polnischen Bevölkerung bereits in der unmittelbaren Nachkriegszeit bestanden hatte,33 und das wiederum eine aktuelle Anpassung der weit verbreiteten Einstellung der Polen gegenüber den Teilungsmächten Russland, Preußen und Österreich im 18. und 19. Jahrhundert gewesen war.34 Auch in der Solidarność-Bewegung wurde diese Interpretation schon vor dem Kriegszustand vertreten und hielt sich über diesen hinaus. Während die Machthaber als ein „Instrument sowjetischer Herrschaft über Polen“ verurteilt wurden und die Oppositionsbewegung für sich selbst beanspruchte, die polnische Nation zu vertreten, betonte jedoch auch das Regime den nationalen Charakter seiner Interessen und seines Vorgehens und insbesondere seiner Entscheidung, das Kriegsrecht verhängt zu haben.35 Das Bildmotiv der Poczta Homo Homini lässt nun keinen Zweifel daran, dass die für Polen kämpfende Solidarność-Bewegung identisch mit der Nation ist. Im Sinne des „graphischen Telegramms“ ist es für das Medium (Untergrund-)Briefmarke typisch, dass der Begriff mit Hilfe der zugeordneten Symbole inhaltlich nur grob umrissen wird, denn es bedient sich schnell erfassbarer, signalhaft präsentierter Inhalte.36 Diese Art der Darstellung griff zugleich die Handhabung des Begriffs der Nation in den oppositionellen programmatischen Debatten auf. Die „Nation“ war hier „ein funktionale[r] Gegenbegriff zum

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(kotwica) genannt, war während des Zweiten Weltkrieges Symbol des Widerstands der polnischen Nation gegen die deutsche Besatzung. Szymanski, Protest, S. 109. Davies, Im Herzen Europas, S. 144. Zaremba, Gewande, S. 392-396 und 400 f., Zitat 392. Zum zitierten Begriff: Corduan, Briefmarke, S. 9-12, hier 10.

7.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

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Regime, von dem sich die Gesellschaft distanzieren und entfernen müsse. In dieser ostentativen Beschwörung der Nation […] schien eine Definition überflüssig.“37 Auf seiner Untergrundbriefmarke intuitiv erfassbar gemacht, trug der Bildautor mit dazu bei, dieses konsensfähige elementare Verständnis zu vermitteln. Dabei nutzte er die Breitenwirkung des Mediums Untergrundbriefmarke, das auch diejenigen erreichen konnte, die die schriftlich geführten Debatten im Zweiten Umlauf nicht (intensiv) rezipierten. „Sie“ gegen „uns“ Die militärische Ikonographie, mit der die Bildautoren der Untergrundpost die staatlichen Vertreter im Zusammenhang mit dem Kriegsrecht charakterisierten, veranschaulicht deren Bedrohlichkeit und Brutalität. Kampfbereit vor Industriebetrieben gezeigt, die sowohl für das Land als auch als Keimzellen der Solidarność wichtig waren, Polen einnehmend, die Solidarność-Bewegung vernichtend oder der polnischen „Nation“ übermächtig gegenübergesetzt, wird die Staatsmacht als Feind und Täter dargestellt. Dabei werden auf den Publikationen der Untergrundpost die Armee und die Miliz austauschbar eingesetzt; beide stehen für den militärischen Einsatz gegen die Streikenden und die Unterordnung des öffentlichen und oppositionellen Lebens unter die Uniformierten. In der Realität waren die Aufgabenbereiche jedoch differenzierter aufgeteilt, wenn auch Soldaten und Milizionäre gemeinsam auftraten.38 Außerdem war die polnische Bevölkerung im Allgemeinen bei Weitem nicht so negativ gegenüber der Armee eingestellt, wie es die Bildmotive suggerieren. Damaligen Umfragen zufolge genoss die Armee (ähnlich wie die Gewerkschaft Solidarność) Anfang 1981 mit einem Wert von zirka 90 Prozent ein hohes Vertrauen. Die Einführung des Kriegsrechts ließ es nur um einige Prozentpunkte sinken, und auf dem Niveau von um die 80 Prozent pendelte es sich in den kommenden Jahren ein. Regierung, Miliz und Partei waren dagegen weit abgeschlagen.39 Offenbar orientierten sich die Bildautoren an der ablehnenden Haltung der Bevölkerung gegenüber den anderen staatlichen Organen und gestalteten die Uniformierten im Bildmotivkomplex „Kriegsrecht“ durchweg negativ. Die so hergestellte vereinfachende Dichotomie von „sie“, die Gegner, gegen „uns“, die 37 38 39

Feindt, Auf der Suche, S. 149. Paczkowski, Wojna, S. 73. Bachmann, Repression, S. 113-117. Es handelt sich um Ergebnisse offiziell durchgeführter Befragungen durch staatliche Meinungsforschungsinstitute. Bachmann begründet die Glaubwürdigkeit der Umfrageergebnisse damit, dass sie von der Partei mit einem tatsächlichen Erkenntnisinteresse in Auftrag gegeben wurden und nicht veröffentlicht werden sollten. Ebd., S. 23-28.

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7. Bildmotivanalyse: 1981 – die Verhängung des Kriegsrechts

Opposition, ist weniger verwirrend als die differenzierteren Einstellungen, die in der Gesellschaft tatsächlich bestanden. Die Eindeutigkeit zusammen mit der Suggestivkraft der visualisierten Dynamiken, Größen- und Spannungsverhältnisse, vermag den Betrachter aufzurufen, den übermächtigen, mit ungleichen Mitteln kämpfenden staatlichen Gegner als Angreifer und nicht, wie dessen Propaganda erklärt, als Verteidiger der Gesellschaft und Nation zu erkennen. Hier zeigt sich, dass die Untergrundbriefmarken nicht nur dafür eingesetzt wurden, gegen die offiziellen zensierten Darstellungen vorzugehen, sondern auch, dass die Grafiker ihrerseits vereinfachten, um griffige Aussagen zu vermittelten. 7.2.2 Widerstand gegen die Unterdrückung Für die Charakterisierung des Täters im „Krieg zwischen Nation und Partei/ Regierung“, wie es die oben angeführte Untergrundbriefmarken der Poczta Homo Homini nahelegt, beließen es die Bildautoren nicht bei der allgemeinen Aussage, dass sich der Staat bewaffnete, um die selbständig gewordene Gesellschaft zielgerichtet zu zerstören. Sie nahmen auch auf konkrete Protestereignisse während des Kriegszustandes Bezug, bei denen der Einsatz der Staatsmacht Tote und Verletzte gefordert hatte. Bei der bildlichen Verarbeitung der lokalen Protestereignisse ist der Täter allenfalls indirekt präsent und werden vor allem die Opfer in den Reihen der Opposition in den Blick genommen. Dies zeigt sich auch bei der Untergrundbriefmarke unten rechts des abgebildeten Blocks der Poczta Polowa (siehe Abb.  27). Das Bild unter dem Titel „Dezember 1981“ (grudzień 1981) zeigt ein Kreuz, aus dem Flammen hervortreten. Auf seinem Querbalken stehen die Städtenamen Warschau, Lubin, N[owa] Huta, Breslau und Danzig sowie der Name „Bergwerk Wujek“ (kop. Wujek). Bis auf Lubin handelte es sich um Hochburgen der Solidarność.40 Hier kam es unmittelbar nach Verhängung des Kriegsrechts zu Streiks und Manifestationen, bei denen die Protestierenden die Freilassung der festgenommenen Oppositionellen und die Aufhebung des Kriegsrechts forderten. Die Armee und die ZOMO schlugen die Proteste gewaltsam nieder.41 Darüber hinaus wurde in Danzig, wo am 12.  Dezember 1981 die Landeskommission (Krajowa Komisja) der Gewerkschaft Solidarność getagt hatte, der Großteil der Delegierten in der Nacht zum 13.  Dezember festgenommen; nur wenige Gewerkschaftsaktivisten konnten sich der Verhaftung entziehen. Bei der Niederschlagung des Streiks im Bergwerk Wujek (13. bis 16.  Dezember 1981) 40 41

Ruzikowski, Stan wojenny, S. 510. Siehe die Regionalstudien zum Kriegsrecht in Dudek, Stan wojenny.

7.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

101

führte der Einsatz eines Sonderkommandos der ZOMO zu neun Todesopfern unter den Streikenden. Der extreme Verlauf räumte diesem Streik besondere Aufmerksamkeit im kulturellen Gegengedächtnis ein, worauf im Folgenden noch gesondert eingegangen wird. Die auf dem Kreuzbalken genannte Stadt Lubin hatte sich in der Zeit vor dem Kriegszustand nicht landläufig den Ruf einer Bastion der Solidarność erworben, doch legte auch hier, wie in vielen anderen Städten, ein dreitägiger Streik direkt nach der Ausrufung des Kriegsrechts das Kupferbergwerk lahm.42 Seine überregionale Bekanntheit erwarb Lubin jedoch durch ein anderes einschlägiges Ereignis: Der Ortsname stand im kulturellen Gedächtnis der Opposition für drei Todesopfer, die bei einer Straßendemonstration mit zirka 2.000 Teilnehmern zum Jahrestag des 31. August im Jahr 1982 erschossen bzw. schwer verwundet wurden und später im Krankenhaus verstarben. Daraufhin gingen auch am 1. und 2. September Tausende auf die Straßen.43 In dieser Hinsicht passt das Ereignis in Lubin nicht zur Bildüberschrift „Dezember 1981“, es reiht sich aber in die Proteste gegen die Verhängung des Kriegsrechts und dessen Opfer ein und erweitert die Aussage der Untergrundbriefmarke über den Zeitpunkt des Beginns des Kriegszustandes hinaus. Durch die Verwendung des Kreuzsymbols sind die Ereignisse und die Proteste der oppositionellen Akteure an den betreffenden Orten auch ohne eine genauere Detailkenntnis als leidvoll und als Opfer interpretierbar. Im Kontext des Kriegszustandes mit seiner ungleichen Kräfteverteilung ist die Zuordnung naheliegend, dass das Leid von den staatlichen Tätern zugefügt wurde und sich die Protestierenden an den genannten Orten für die Ideen der unabhängigen Bewegung aufopferten. Die züngelnden Flammen, die aus dem Kreuz hervortreten, enthalten jedoch eine dynamische Komponente, so dass das angesprochene Leid nicht in eine depressive Stimmung überführt wird. Die genannten Protestorte der Solidarność werden auf diese Weise nicht als niedergeschlagene Widerstandsaktionen, sondern als Brand- und Unruheherde mit gefährlichem Potential bestimmt. In dieser Sichtweise schwingt die Energie des sich zur Wehr Setzens mit. Das Kreuzsymbol lässt weiter die Assoziation des (niedergerschlagenen) Protestgeschehens als Heilsgeschichte zu, was ein Anklang an den polnischen Messianismus ist, der im 19. Jahrhundert entwickelt wurde, als Polen unter drei fremden Herrschermächten aufgeteilt war. In diesem für das polnische kulturelle Gedächtnis bedeutenden philosophischhistoriographischen Konzept wird die polnische Geschichte als Wiederholung der Leidensgeschichte und Auferstehung Christi verstanden. Das Leiden und 42 Kamiński/Piotrowski, Dolny Śląsk, S. 27-86, hier 31. 43 Paczkowski, Wojna, S. 191.

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7. Bildmotivanalyse: 1981 – die Verhängung des Kriegsrechts

Sterben für Polen werde schließlich in der Auferstehung Polens aufgehoben und zudem auch die Erlösung, Rettung und Befreiung aller Völker zur Folge haben.44 Wenn auch dieser universale Anspruch nicht im Bildmotiv der Poczta Polowa sichtbar wird, lassen sich die ans Kreuz geschlagenen oppositionellen Hochburgen und Protestorte als modifizierte messianistische Aussage verstehen, dass die Opposition infolge der Kriegserklärung und Gewalt seitens der staatlichen Machthaber zwar gekreuzigt, aber nicht ausgelöscht wurde, und die Auferstehung erwarten kann. Mit dieser Hoffnung wird wiederum die dynamische Komponente des sich zur Wehr Setzens bereichert, das somit als Teil der Auferstehung aufgefasst werden kann. Die Botschaft des sich zur Wehr Setzens wird nicht nur in diesem Bildmotiv transportiert. Auch in den drei anderen Untergrundbriefmarken ist sie enthalten, da der 4er-Block insgesamt eine Sicht auf den Kriegszustand vermittelt, die der offiziellen Interpretation widerspricht. In der staatlichen Propaganda wurde die Solidarność als „Gefahr aus dem Inneren“ dargestellt,45 vor der es die Nation zu erretten gelte, weil sie terroristische Absichten verfolge, wenn nicht gar einen Bürgerkrieg auslösen wolle.46 Der Bildautor des Blocks legt im Namen des Herausgebers Solidarność in Nowa Huta Protest gegen die offizielle Darstellung ein, indem er die Gewalttätigkeit der staatlichen Seite ins Bild setzte, was zeigt, dass also diese der Opposition den physischen Krieg erklärt und Waffen gegen sie eingesetzt hatte. Die Beschriftung der vier Marken mit „Feldpost“ (Poczta Polowa) ist ein weiterer Ausdruck des sich zur Wehr Setzens. Mit ihr wird das historische Wissen, eventuell die authentische Erfahrung des Betrachters aufgerufen, dass eine Feldpost als Garant der Informationsübermittlung in Kriegszeiten eingesetzt wird. Zwar hielt die Solidarność ungeachtet der Erfahrung des Kriegszustandes an ihrer Strategie der Gewaltlosigkeit fest, sie befand sich aber in einem mentalen Krieg mit den Machthabern, über den es aufzuklären galt. Diese Aufgabe erfüllte auch der Block der Poczta Polowa. Damit ist ein anderer Aspekt des sich zur Wehr Setzens verflochten: Die Bezeichnung Poczta suggeriert einen hohen Organisationsgrad und ein hohes Maß an Institutionalisierung der Oppositionsbewegung – den Bemühungen des „Kriegsgegners“ zum Trotz, die Bewegung zu zerschlagen und handlungsunfähig zu machen. In der Tat waren die Postakteure der Solidarność in Nowa Huta ein halbes Jahr nach Aufhebung des Kriegszustandes in der Lage, diesen vergleichsweise hochwertigen Block zum zweiten Jahrestag 44 45 46

Janion, Vorwort, S. 9-42, hier 24-28. Zum Zitat: Feindt, Auf der Suche, S. 146. Ruzikowski, Stan wojenny, S. 89.

7.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

103

der Verhängung des Kriegszustandes herauszugeben. Er war ein sichtbarer Beweis für das Zusammenspiel von Kreativität, technischen Fertigkeiten und infrastrukturellen Möglichkeiten der Beteiligten, das heißt ein Zeugnis der Handlungsfähigkeit der Opposition. 7.2.3 Widerstand mit Todesfolge: Die Erstürmung der Zeche Wujek Die Untergrundbriefmarken, die an Orte der Streiks gegen das Kriegsrecht erinnern, stellen das Gegenstück zu den Untergrundbriefmarken zur Entstehung der oppositionellen Massenbewegung 1980 dar, auf denen Orte wie Danzig, Stettin und Jastrzębie genannt werden. Ungewöhnlich ist jedoch die gemeinsame Nennung von Protestorten in ganz Polen wie auf der Untergrundbriefmarke des Blocks der Poczta Polowa (siehe Abb.  27), denn die Grafiker widmeten vor allem den damaligen Ereignissen in Oberschlesien Einzelmarken, Serien und Blocks. Auf diese Weise vermittelten und bestätigten sie die herausragende Bedeutung dieser Region beim Protest gegen die Verhängung des Kriegsrechts. Dabei setzten die Bildautoren nicht den Verlauf der Streiks ins Bild, sondern das Ergebnis: deren Niederschlagung und die (Todes-) Opfer in den Reihen der Protestierenden. Bereits am Sonntag, den 13. Dezember 1981, dem Tag der Verkündung des Kriegsrechts, begannen in Polen Industriearbeiter und andere Berufsgruppen aus Protest zu streiken und die Freilassung der Inhaftierten und Internierten sowie die Aufhebung des Kriegszustandes zu fordern. Offiziellen Schätzungen zufolge wurde landesweit in zirka 250 Arbeitsstätten die Arbeit niedergelegt.47 Die Mehrheit der Streiks stellte für die Machthaber kein größeres Problem dar, denn sie hörten beim Erscheinen der Militärkommissare, die die Verwaltung der Betriebe übernommen hatten, der Staatsanwälte sowie der Armee und der ZOMO auf.48 Andernfalls wurden die Streiks mit Hilfe von Panzern und Wasserwerfern, Tränengas, Schlagstöcken, Gummigeschossen und mancherorts scharfer Munition gewaltsam beendet.49 Die Folgen waren Verletzte auf beiden Seiten und Tote in den Reihen der Streikenden sowie Festnahmen, Internierungen, Massenentlassungen vom Arbeitsplatz und Disziplinarmaßnahmen. In den staatlichen Medien, die unter dem Kriegsrecht arbeiten durften, wurden die Streikenden als „Terroristen“, „Schläger“ und „Krawallmacher“ beschimpft.50 47 Siehe die Einträge zum 13. bis 28.  Dezember 1981 in der Chronik der Encyklopedia Solidarności: [o.Verf.], Kalendarium 1981. 48 Dudek, Wstęp, S. 7-26, hier 18. 49 Paczkowski, Pół wieku, S. 351 f. 50 Neja, Grudzień, S. 145 f.

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7. Bildmotivanalyse: 1981 – die Verhängung des Kriegsrechts

Von den zirka 250 bestreikten Betrieben befanden sich 50 in der Woiwodschaft Kattowitz, das heißt in Oberschlesien (Górny Śląsk) und dem Dombrowaer Kohlebecken (Zagłębie Dąbrowskie), die Hälfte von ihnen waren Bergwerke.51 Hier wurden die Streiks zumeist erst nach Einsatz von Gewalt aufgegeben.52 Die Proteste waren hier nicht nur am zahlreichsten und mit einigen Tausend Streikenden am stärksten, sie dauerten auch am längsten und die Erstürmung der Betriebe verlief extrem gewalttätig.53 Des Geschehens im Kattowitzer Bergwerk Wujek gedachten die Bildautoren der Untergrundpost häufiger als der anderen Streiks zu Beginn des Kriegsrechts, was sich darauf zurückführen lässt, dass der dortige Streikverlauf mit den neun Todesopfern unter den Protestierenden einen Wendepunkt darstellte. Sechs Streikende wurden vor Ort erschossen, drei erlagen später ihren Schusswunden. Der Schock darüber breitete sich im ganzen Land aus, da über die Erstürmung der Zeche das staatliche Radio und Fernsehen berichteten. Die Verantwortlichen des Kriegsrechts nutzten dieses Ende des Streiks, um ihre Entschlossenheit in der Art und Weise ihrer Streikbekämpfung darzustellen, sollten die Proteste nicht von selbst eingestellt werden. Tatsächlich reduzierten sich die Streikbelegschaften in anderen Betrieben, wenngleich sie sich mancherorts doch nicht komplett auflösten.54 Bei den Darstellungen des Streikereignisses im Bergwerk Wujek auf den Untergrundbriefmarken liegt der Schwerpunkt auf dem Gedenken der neun Todesopfer der streikenden Belegschaft. Die kulturelle Praxis des Totengedenkens ist nicht nur auf katholisch-religiöse Praktiken, sondern auch auf literarische und andere schöpferische Bearbeitungen dieses Rituals zurückzuführen. Insbesondere prägte das Werk „Totenfeier“ (Dziady) des Nationaldichters Adam Mickiewicz aus der Epoche der Romantik und des geteilten polnischen Staates die Bedeutung der Toten für das polnische kulturelle Gedächtnis bis in die Gegenwart. In der Tradition der Romantik existiert die Idee der fortwährenden Verbundenheit der Lebenden und der Toten. Aus dieser Gemeinschaft erwächst für die Lebenden das Gefühl der Solidarität mit den Toten, die im Totengedenken Ausdruck findet.55 Außer dem Bildmotiv des Kreuzes, das einfach oder neunfach die Todesopfer symbolisiert,56 dienen 51 52 53 54 55 56

Siehe den Eintrag in der Encyklopedia Solidarności: Neja, Strajki. Neja, Górny Śląsk, S. 87-158, hier 92. Neja, Grudzień, S. 7. Neja, Grudzień, S. 128, 131 und 141 f. Janion, Vorwort, S. 9-42, hier 16-19. Janion, Do Europy, S. 5-7. Abbildungen in: Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków  … 1982-84, S.  21, Nr. 79 und S. 36, Nr. 128; Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1986, S. 9, Nr. 30; FSO 2-005 Xp 0729/3.

7.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

105

dazu insbesondere Todesanzeigen, Namenstafeln und Porträts der getöteten Protestierenden. Sie lassen sich als Anspielungen auf Ereignisse im Nachgang der Todesfälle verstehen und als Herstellung von Öffentlichkeit, die über die ortsansässige Öffentlichkeit hinausging, außerdem als Dokumentation der neun Todesfälle, durch die die Individualisierung der Todesopfer einerseits und die Einbettung in eine größere Gemeinschaft andererseits stattfanden. Totengedenken als Protestaktion und Öffentlichkeitsarbeit Das Bildmotiv der Todesanzeige auf den Untergrundbriefmarken (siehe Abb.  30) lässt sich zunächst damit in Verbindung bringen,57 wie die Todesfälle unmittelbar danach behandelt wurden. Die Vorbereitungen für die Beerdigungen der neun Bergleute und ihre Beisetzungen wurden streng vom Geheimdienst kontrolliert und die Familien durften keine Todesanzeigen aufhängen.58 Dieses Verbot unterband die allgemeine Praxis, denn gewöhnlich wurden Todesanzeigen zur allgemeinen Information im öffentlichen Raum gezeigt, das heißt an Hauswänden in der Nachbarschaft des Verstorbenen, an der Kirche, am Friedhof usw. aufgehängt. Die Nachricht vom Todesfall wurde damit nicht nur den Angehörigen und den Bekannten, sondern der lokalen Öffentlichkeit zugänglich gemacht, anders als beim Versenden von Trauerbriefen an einen ausgewählten Adressatenkreis. Vor diesem Hintergrund wird das Bildmotiv der Todesanzeige auf den Untergrundbriefmarken zur nachträglichen Unterwanderung des staatlicherseits ausgesprochenen Informationsverbots. Das nachgeahmte Kommunikationsmittel Todesanzeige auf Briefmarkengröße verknüpft zwei Öffentlichkeiten: Die Todesanzeige stellt den Bezug zu einer breiten lokalen Öffentlichkeit her, die den Kreis derer übersteigt, die mit dem Verstorbenen eng verbunden waren. Mit diesem Bezug verflicht sich der Bezug zu einer übergreifenden allgemeinen Öffentlichkeit, der dem Medium Briefmarke insofern eigen ist, als es konventionell eine Funktion in der Öffentlichkeit hat und seine Bildmotive auf diese ausgerichtet sind. Die bekannt gegebenen Todesfälle des Bergwerks Wujek auf den Untergrundbriefmarken werden also für eine Allgemeinheit als relevant erklärt, die weit über die private und lokale Gemeinschaft der Verstorbenen hinausgeht.

57 58

Sowie auch: FSO 2-005 Xp 0757; FSO 2-010: Untergrundbriefmarke der Poczta Solidarność „Górnicy Kopalni Wujek“. Siehe den Eintrag in der Encyklopedia Solidarności: Kobylańska, Kopalnia.

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7. Bildmotivanalyse: 1981 – die Verhängung des Kriegsrechts

Abb. 30

Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der Poczta Solidarność: Die Bergleute des Bergwerks Wujek, 1987.

Nachgeahmte Todesanzeigen wurden nicht nur in Briefmarkengröße publiziert, sondern auch als Plakate in A5-Format.59 Das Format lässt darauf schließen, dass sie für den, offiziell nicht erlaubten, Aushang hergestellt wurden. Hier handelt es sich um eine noch unmittelbarere Anknüpfung an das Medium Todesanzeige, allerdings fehlt hier der Bezug des Mediums Briefmarke zur übergreifenden allgemeinen Öffentlichkeit.60 Die über das Lokale hinausgehende Öffentlichkeit wurde nicht nur sym­ bolisch in der Verwendung des Mediums Untergrundbriefmarke signalisiert, sondern auch in der Praxis der Untergrundpost erreicht: Hersteller berichten in Zeitzeugeninterviews, dass sie es bewusst vermieden, ihre Untergrundbrief59 FSO 2-004 2/ II/217. 60 Ein weiteres Beispiel für die symbolische Erweiterung der Öffentlichkeit mit Hilfe der Verbindung unterschiedlicher Medien ist ein nachgeahmter Grabstein für die Todesopfer der Zeche Wujek, der in einer von Internierten hergestellten Lagerzeitung im Internierungslager Uherce veröffentlicht wurde. Sporoń, Wspomnienia, S. 29.

7.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

107

marken in ihrer Stadt in Umlauf zu bringen, um bei eventuellen Ermittlungen des Geheimdienstes nicht mit den Marken in Verbindung gebracht werden zu können.61 Ihre Marken verbreiteten sie daher gewöhnlich außerhalb des Herstellungsortes. Auch die Aktivitäten von Sammlern konnten zur Verbreitung über große Distanzen beitragen. Beispielsweise erhielt die Untergrundphi­ latelistin Joanna Szczęsna von Verwandten und Bekannten in anderen Städten dort verkaufte Untergrundbriefmarken, denn sie wussten von ihrer Sammelleidenschaft.62 Wenn also zum Beispiel das Regionale Exekutivkomitee der Schlesisch-Dombrowaer Region (RKW Region Slasko-Dabrowski [sic!]) im Jahr 1984 in Erinnerung an die toten Bergleute der Zeche Wujek eine Todesanzeige als Untergrundbriefmarke herausgab,63 bedeutete das nicht, dass die Auflage nur in Kattowitz oder Umgebung blieb. Die Bekanntmachung und das Gedenken der Todesopfer mit Hilfe der Untergrundpost implizierte die Chance, dass eine vollkommen fremde Öffentlichkeit überregional erreicht und informiert wurde. Werden die betrauerten Bergleute wörtlich als „Ermordete“ (pomordowani) bezeichnet (siehe Abb.  30), wird der angesprochenen Öffentlichkeit eine Deutung für das Handeln der staatlichen Akteure gegeben. Mit der Aussage, jene seien vorsätzlich getötet worden, wird eine Gegendarstellung zur Informationspolitik der staatlichen Medien publik gemacht. Diesen zufolge hätten sich die beteiligten Soldaten und Milizionäre gegen Angriffe wehren müssen, woraufhin es zu tragischen Todesfällen gekommen sei, so die offizielle Version in der Trybuna Robotnicza, dem regionalen Presseorgan der PZPR, das während des Kriegsrechts erscheinen durfte.64 Das Argument der Notwehr hatte auch die Militärstaatsanwaltschaft angeführt, um im Januar 1982 das Gerichtsverfahren gegen eine Spezialeinheit der ZOMO wegen Waffengebrauchs einzustellen.65 Der implizite Hinweis des Bildautors auf die Mörder war damit ein Tabubruch, der an die breite Öffentlichkeit adressiert war. Auch die Bildmotive eines Blocks der Poczta Homo Homini der Solidarność Kleinpolen (Solidarność Małopolska) lassen sich auf konkrete Ereignisse im Nachgang der neun Todesfälle beziehen.

61 Zeitzeugeninterviews mit Kapturkiewicz-Szewczyk (Puławy, 27.11.2010) und Głażewski (Puławy, 28.11.2010). 62 Zeitzeugeninterview mit Szczęsna (Warszawa, 29.11.2010). 63 FSO 2-005 Xp 0757. 64 Abdruck bei: Neja, Grudzień, S. 130. 65 Siehe den Eintrag in der Encyklopedia Solidarności: Kobylańska, Kopalnia.

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7. Bildmotivanalyse: 1981 – die Verhängung des Kriegsrechts

Abb. 31 Untergrundpost, Block der Poczta Homo Homini: 4. Jahrestag des Kriegsrechts 13.12.’81-13.12.’85, 1985.

Unter dem Titel „4. Jahrestag des Kriegsrechts 13.12.’81-13.12.’85“ (4 rocznica stanu wojennego 13.12.’81-13.12.’85) vereint der Block drei Untergrundbriefmarken: rechts eine Marke mit einer Namenstafel der neun toten Bergleute, deren Überschrift „Die Opfer des Kriegsrechts im Bergwerk Wujek“ (Ofiary stanu wojennego KWK Wujek) lautet. Mit der Abkürzung für die Worte „Heiligen Angedenkens“ (ŚP – Świętej Pamięci) werden die auf der Liste genannten Personen als Todesopfer charakterisiert und das Gedenken durch die Aussage „Wir vergessen nicht!“ (Pamiętamy!) am Ende der Liste bekräftigt. In der linken Hälfte zeigt die obere Marke eine Betriebsansicht mit Förderturm, die durch die Überschrift „Bergwerk Wujek“ (KWK Wujek) identifiziert wird. Die Daten 16.12.‘81-16.12.‘85 am rechten Rand greifen den Titel und Ausgabeanlass des Blocks auf. Die Marke darunter zeigt eine sitzende Heilige, die auf ihrem Schoß eine männliche Person mit Kopflampe hält. Die Aufschrift am rechten Bildrand, „Heilige Barbara, halte sie in deiner Obhut“ (Św. Barbaro miej ich w swojej opiece), macht deutlich, dass es sich bei den dargestellten Personen um die Schutzpatronin der Bergleute und einen toten Bergmann handelt, die in einer Pietà-Haltung zu sehen sind. Zunächst werden hier grundlegende Informationen über das Ereignis vermittelt – Daten, Namen, eine Berufsgruppe und ein Ort. Darüber hinaus lässt sich das Zusammenspiel der drei Bildmotive als Anspielung auf eine Widerstandshandlung verstehen: Nach der tödlichen Niederschlagung des

7.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

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Streiks gedachten Bergleute im Bergwerk Wujek und in anderen Zechen an den Statuen der Heiligen Barbara mit Gebet und Gesang der toten Kollegen. Auch in anderen Industriebetrieben fanden solche Gedenkminuten statt. Verhaftungen und Entlassungen der Teilnehmer vom Arbeitsplatz sowie Disziplinarmaßnahmen zeigten, dass sich die Staatsmacht von den Akteuren dieser Veranstaltungen provoziert fühlte.66 So kann dieser Block der Untergrundpost als ortsunabhängige Wiederholung und Verewigung der damaligen Zusammenkünfte aufgefasst werden, die sowohl Gedenkveranstaltungen als auch Protestkundgebungen gegen den tödlich verlaufenden Gewalteinsatz der staatlichen Exekutive waren. Die Toten als Individuen und Angehörige der polnischen Nation Eine der übergeordneten Intentionen der Akteure der Unabhängigen Post war es, die Lügen und Tabus des staatlichen Meinungsmonopols zu entlarven. Dem Ziel, grundlegende Fakten über das Ereignis auf der Zeche Wujek zu dokumentieren, diente auch die Nennung der Namen und des Alters der Todesopfer. Die aufgeführten Vor- und Nachnamen der Bergleute und die Altersangaben sind allerdings teilweise fehlerhaft. Im Block der Poczta Homo Homini sind mehrere Nachnamen falsch geschrieben: aus „Pełka“ wurde „Pałka“, aus „Stawisiński“ wurde „Stawiński“, aus „Wilk“ wurde „Wiek“ (siehe Abb.  31). Auf einer Untergrundbriefmarke der KPN-Jugendgruppe (Poczta Grupy Młodzieżowej KPN) mit der Bildüberschrift „Verbrechen der Kommune“ (Zbrodnia komuny) wird der Nachname „Kopczak“ als „Kupczak“ und „Stawisiński“ als „Sławiński“ wiedergegeben (siehe Abb. 32).67 Auf dieser Marke wird auch das Alter der Bergleute aufgeführt; allerdings bei Gnida fälschlicherweise mit 28 statt 29 Jahren, bei Pełka mit 20 statt mit 19 Jahren und bei Sławiński/Stawisiński mit 22 statt 21 Jahren.68 Etwas anders gelagert ist der Fall, wenn auf den Untergrundbriefmarken die Variationen 66 67

Neja, Górny Śląsk, S. 87-158, hier 116. Neben dem Wort „Kommunismus“ (komunizm) gibt es in der polnischen Sprache auch den Begriff „Kommune“ (komuna), der pejorativ für Kommunismus/Kommunisten/ Regime der Volksrepublik Polen verwendet wird. Die Marke wurde im Dezember 1989 anlässlich des Jahrestages der Erstürmung der Zeche Wujek herausgegeben. Auch wenn sie erst nach den halbfreien Wahlen in Polen im Juni 1989 entstand, also außerhalb des festgelegten Zeitraumes der Unabhängigen Post, soll sie hier als Beispiel berücksichtigt werden. Hinzuweisen ist auch auf die Datumsangabe, die das Jahr 1982 und nicht das Jahr des Geschehens, 1981, nennt. 68 Des Weiteren wird der Tag der Niederschlagung des Streiks mit der Jahreszahl 1982 falsch datiert.

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7. Bildmotivanalyse: 1981 – die Verhängung des Kriegsrechts

Abb. 32

Untergrundpost, Block der Poczta Grupy Młodzieżowej KPN: Die Verbrechen der Kommune, [1989].

R[yszard] bzw. Józef Gzik zu finden sind.69 Hier handelt es sich um zwei Vornamen derselben Person.70 Derartige Fehler sind nicht ungewöhnlich; sie traten beispielsweise auch bei der Auflistung der Namen auf Flugblättern auf, die direkt nach der Streikniederschlagung verfasst und verbreitet wurden.71 Die Gründe können darin bestanden haben, dass die Informationen mündlich weitergegeben wurden und die Recherchemöglichkeiten begrenzt oder gar nicht gegeben waren. Hier stieß der von der Opposition vertretene Anspruch, korrekte Informationen und das wahre Geschehen zu ermitteln und zu verbreiten, an seine Grenzen. Mit Hilfe der Namenstafeln werden die Todesopfer unter den Bergleuten als Individuen dargestellt, die aus ihren individuellen Lebenszusammenhängen brutal herausgerissen wurden, was auch die Angabe ihres Alters anschaulich 69 70 71

Siehe die Abb. 31-33. So ist es auch bei J(ózef) Giza, der in der Sekundärliteratur sowohl unter Józef als auch unter Krzysztof Giza geführt wird. Eintrag in Encyklopedia Solidarności von: Kobylańska, Kopalnia; Neja, Grudzień, S. 128. [o. Verf.], W dniu; [o. Verf.], Relacja; [o. Verf.], Wiadomości.

7.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

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werden lässt. Die Individualisierung der Opfer findet außerdem statt, wenn ihnen ein Gesicht gegeben wird. Auf einem Block der Poczta Solidarność der Schlesisch-Dombrowaer Region (Region Śląsko-Dąbrowski) aus dem Jahr 1986 sind die Porträts der neun Bergleute mit ihren Namen abgebildet.

Abb. 33

Untergrundpost, Block der Poczta Solidarność: Die im Dezember 1981 gefallenen Bergleute der Zeche Wujek sind unter uns, [1986].

Die in roter Farbe geschriebenen Namen, einer Farbe, die für (Opfer-)Blut, Liebe und Leidenschaft steht, sind jeweils mit der polnischen Fahne geschmückt und erinnern in ihrem Schriftzug an das Solidarność-Logo. Leidenschaft und Opfer der namentlich Porträtierten wurden für die Solidarność-Bewegung und für das von ihr gestaltete Polen erbracht, wird hier nahegelegt. Die Bildvorlagen für die neun Porträts sind Fotos, wie sie zu offiziellen Anlässen gemacht werden.72 Die Fotografierten präsentierten sich in Hemd und Kragen, zum Teil mit Krawatte, einer in Bergmannskluft. Diese Fotos dienten offensichtlich verschiedenen Publikationen und Werken der unabhängigen Kultur in den 1980er Jahren als Vorlage.73 Beispielsweise wurden sie auch auf einem Flugblatt veröffentlicht und waren Grundlage für die gemalte 72 Abbildungen der Porträtfotos in: Borowski, Idą pancry, S. 155-171. 73 Auch die Untergrundbriefmarkenserie von Andrzej Znojkiewicz im Namen der Poczta KPN aus dem Jahr 1990 zum „9. Jahrestag der Tragödie im Bergwerk Wujek“ (IX rocznica tragedii w kopalni „Wujek“) orientiert sich an diesen Fotos. Diese Serie ist außerdem ein Beispiel für eine fehlerhafte Angabe: Die Datierung des Ereignisses lautet hier 17.12.1981 statt 16.12.1981. Abbildungen in: Organizacja Zakładowa NSZZ „Solidarność“, Rzecz, S. 26.

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7. Bildmotivanalyse: 1981 – die Verhängung des Kriegsrechts

Porträtserie der Malerin Halina Eysymont, die in der Kirche in der Nähe der Zeche Wujek aufgehängt wurde.74 Nicht auszuschließen ist außerdem, dass der betreffende Bildautor nicht einmal die Fotos als Vorlagen hatte – möglicherweise orientierte er sich an bereits abgezeichneten oder abgemalten Bildern. Dass die in unterschiedlichen Kontexten publizierten Porträts der neun getöteten Bergleute letztlich auf die gleichen Fotografien zurückgeführt werden können, scheint darauf hinzuweisen, dass vor allem diese als Bildvorlagen im Zweiten Umlauf zugänglich waren. Eine Erklärung dafür könnte im offiziellen Umgang mit den Todesfällen liegen. Die Militärstaatsanwaltschaft hatte im Januar 1982 die Untersuchung der Todesfälle eingestellt und sie auf Notwehr der ZOMO zurückgeführt, womit sie alle anderen Erklärungen zum Tabuthema erklärt hatte. In dieser Situation wollten es die Besitzer von Fotos der neun Bergleute möglicherweise nicht riskieren, viele verschiedene Bilder der Getöteten zu verbreiten, umso weniger, wenn sie als Druckvorlage eine größere Verbreitung der Porträts ermöglichen sollten. Die Porträts der getöteten Bergleute des Blocks der Poczta Solidarność (siehe Abb.  33), bereichert um die Namen und die polnische Fahne, stehen in krassem Gegensatz zu den Darstellungen der uniformierten Staatsvertreter des Bildmotivkomplexes „Kriegsrecht“. Diese haben keine individuellen Gesichter, sind typisiert gezeichnet und müssen ohne die polnische Fahne auskommen. Die Bildautoren charakterisierten sie somit weder als Subjekte noch als zur nationalen Gemeinschaft der Polen zugehörig. Die Ausnahme ist General Jaruzelski, dem Bildautoren der Lager- und der Untergrundpost in verschiedenen thematischen Zusammenhängen ein Gesicht gaben, auch wenn er oberster Repräsentant des Regimes und des WRON war.75 Ironischerweise wird sein Gesicht aber durch seine dunkle Brille verdeckt. Das signifikante Accessoire verselbständigte sich, manche Bildautoren zeichneten stellvertretend für Jaruzelski lediglich die Brille,76 so dass auch er einer Reduzierung auf sein typisches Merkmal unterlag und nicht als Individuum dargestellt wird. Die neun Bergleute des Porträtblocks der Poczta Solidarność werden dagegen als Individuen und – mit kleinen Fahnen versehen – als Angehörige der nationalen Gemeinschaft gezeigt und erfahren auf diese Weise eine besondere Wertschätzung. 74

Abbildung des Flugblatts in: Instytut Pamięci Narodowej, Stan Wojenny, S. 30. Abbildung der Porträtserie von Halina Eysymont in: Ciołek, Polska, S. 55. Bei der Kirche handelt es sich um die „Rzymskokatolicka Parafia Podwyższenia Krzyża Świętego w Katowicach“, Winiarska, Niezwykły. 75 Zum Beispiel der satirisch gestaltete Block, herausgegeben vom MKK Wola (1986), BJCDCN, Zn 343 III. 76 Zum Beispiel FSO 2-005 Xp 0747.

7.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

113

Die weiß-rote Fahne, die die Bildautoren auf den Publikationen der Unabhängigen Post den einen zugestanden und den anderen verwehrten, lässt sich als Ausdruck des Kampfes um nationale Legitimation deuten, was an anderen Stellen dieser Untersuchung ebenfalls thematisiert wird. Da die oppositionelle Bewegung die PZPR, das Regime und deren Ideologie als von der Sowjetunion oktroyiert verurteilte und seit den Anfängen der Solidarność überdeutlich als eigentliche Vertreterin der Nation auftrat, versuchten die Machthaber, ihre nationale Legitimation zurückzuerobern. Mit Hilfe ihres Propagandaapparates stellten sich die Partei und die Regierung als Verfechter der nationalen Interessen dar, die sie mit der Zugehörigkeit zum sowjetischen Einzugsbereich in Einklang zu bringen versuchten. Verstärkt setzten sie Symbole wie die polnische Fahne ein und nutzten historische Jahrestage, um ihre nationale Gesinnung zu unterstreichen, Mittel, die in der Opposition ebenfalls fest etabliert waren.77 Die oppositionelle Bewegung ließ ihrerseits nicht vom Bekenntnis ihres nationalen Selbstverständnisses ab, das die unterschiedlich orientierten politischen Gruppierungen integrierte.78 In den Bildmotiven der Unabhängigen Post wird dies beispielsweise im Einsatz der polnischen Fahne sichtbar oder auch in der Verwendung der weiß-roten Farbkombination, des gekrönten Adlers und anderer nationaler Symbole, was in den folgenden Bildmotivanalysen aufgegriffen wird. Auf diese Weise machten die Bildurheber den staatlichen Machthabern und deren Propagandaapparat die Inbesitznahme der nationalen Symbolik streitig, was als erfolgreich interpretiert werden kann: Wenn auch der Begriff Nation als ebenso unscharfer wie integrierender „Klammerbegriff“ unterschiedlich akzentuierte Deutungen in den oppositionellen Diskursen zuließ, waren Menschenrechte und individuelle Freiheiten doch seine integralen Bestandteile.79 Das Regime trat jedoch durch die Verletzung derselben hervor – nicht zuletzt bei der Niederschlagung des Streiks auf der Zeche Wujek mit Todesopfern – und konnte deshalb aus Sicht der Opposition aus der Nation ausgeschlossen werden. So wurde es auch in oppositionellen Kreisen als unglaubwürdig bewertet, wenn sich Regime und Partei national präsentierten. Die Publikationen der Unabhängigen Post spiegeln dies eindeutig: Symbole der Zugehörigkeit zur polnischen Nation verwehrten die Grafiker den dargestellten staatlichen Akteuren, sie finden sich nur zur Charakterisierung der oppositionellen Akteure.

77 78 79

Zaremba, Gewande, S. 392-400. Feindt, Auf der Suche, S. 288 f. Feindt, Auf der Suche, S. 136-138, zum zitierten Begriff S. 137.

114

7. Bildmotivanalyse: 1981 – die Verhängung des Kriegsrechts

Gemeinschaft mit den Toten Das Gedenken der neun toten Bergleute eröffnet noch in einer anderen Hinsicht den Zugang zu einer größeren Gemeinschaft. Im besprochenen Porträtblock (siehe Abb. 33) ist auf der Untergrundbriefmarke in der Mitte ein Kreuz mit dem Gezähe, dem Symbol des Bergbaus, zu sehen sowie rechts oben die polnische Fahne. Die Aufschrift auf dem Kreuz, die in die Bildunterschrift mündet, lautet: „Die im Dezember 1981 gefallenen Bergleute der Zeche Wujek sind unter uns“ (Polegli w grudniu 1981 górnicy kopalni Wujek są wśród nas). Diese Inschrift bietet eine Verbindung zu den sogenannten gefallenen Werftarbeitern des Dezember 1970. Damals hatten die staatlichen Einsatzkräfte bei den Arbeiterunruhen in der Küstenregion scharf geschossen, was 45 Todesopfer unter den Protestierenden zur Folge hatte.80 Die Verwendung des Begriffs „gefallen“ auf dem Porträtblock kommt auch im Namen des „Denkmals für die gefallenen Werftarbeiter 1970“ in Danzig vor und zeigt an, dass das Geschehen von 1970 ebenfalls als kriegsähnlicher Angriff eines Feindes gedeutet wurde. Außerdem lässt sich der Satzteil „[sie] sind unter uns“ auf dem Porträtblock als Anknüpfung an das Gedenken des tödlich verlaufenden Ereignisses vom Dezember 1970 verstehen: Bei der Enthüllung des Denkmals am zehnten Jahrestag, dem 16.  Dezember 1980, vor der Danziger Lenin-Werft wurden in einer vom Überbetrieblichen Gründungskomitee (Międzyzakładowy Komitet Założycielski – MKZ) der Gewerkschaft Solidarność vorbereiteten Feier die Namen der getöteten Arbeiter verlesen. Auf jeden Namen antworteten die versammelten Menschen (500.000 bis 700.000 Teilnehmer) mit den Worten „Er ist unter uns.“81 Wird die Aufschrift dieses Porträtblocks als Hinweis auf die Ereignisse im Dezember 1970 und 1980 aufgefasst, werden Kontinuitäten deutlich: die des Widerstands gegen das Regime, die der Unterdrückung des Widerstands durch das Regime sowie die der Gemeinschaft mit den Toten und der Gemeinschaft der Gedenkenden. Sich dieser Gemeinschaften zu vergewissern, konnte den Lebenden Halt bieten und sie stärken. Dabei scheint es auch darum gegangen zu sein, sich als große Gemeinschaft darzustellen: Die Aussage „[sie] sind unter uns“ teilt mit, dass die Gemeinschaft infolge des gewaltsamen Todes nicht als reduzierte Gemeinschaft verstanden wird. Die Auseinandersetzung mit den Toten des Bergwerks Wujek ist beispielhaft dafür, wie die Oppositionsbewegung in Gestalt der Bildautoren der Untergrundpost mit den Toten in den eigenen Reihen umging. Ihnen wurden Namen und Gesicht gegeben, es wurden die Todesumstände benannt und sie wurden als Teil der nationalen Gemeinschaft aufgefasst, was eine informierende, 80 81

Friszke, Polen, S. 298-302. Kubik, Power, S. 200 f.

7.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

115

anklagende wie auch ehrende Funktion hatte. Auch anderer von den staatlichen Einsatzkräften verursachter Todesfälle wurde so gedacht. Priester Jerzy Popiełuszko, aktiver Unterstützer der Solidarność und 1984 vom polnischen Geheimdienst ermordet, der Schüler Grzegorz Przemyk, 1983 von Milizionären brutal zusammengeschlagen und seinen Verletzungen erlegen, Symbol für die Gewalt und Willkür der Staatsmacht, oder der 13-jährige Roman Strzałkowski, der 1956 bei den Protesten in Posen vom Geheimdienst erschossen wurde, sind Beispiele, deren Porträts und Namen auf den Publikationen der Unabhängigen Post häufig wiederkehren. Das aus der Tradition der polnischen Romantik aufgegriffene Totengedenken konnte im Medium der nachgeahmten Postmarken zur vollen Entfaltung kommen: Gedenkmarken für nicht mehr lebende Persönlichkeiten sind etablierter Bestandteil des Bildmotivkanons von Briefmarken. Die Grafiker der Unabhängigen Post griffen das auf und trugen mit ihren Untergrundbriefmarken dazu bei, die Bedeutung der Toten für die Oppositionsbewegung zu unterstreichen und ihnen im kulturellen Gedächtnis der Opposition den Status von Helden zu verleihen. Verletzt, aber nicht besiegt Zwar stehen bei der bildlichen Verarbeitung der Niederschlagung des Streiks im Bergwerk Wujek die Todesopfer und die Erinnerung an sie im Vordergrund, doch werden auch Aussagen über das Vorgehen der staatlichen Vollstrecker sowie über die trotz allem unbesiegten oppositionellen Aktivisten gemacht. Erwartungsgemäß thematisierten die Bildautoren die Brutalität der staatlichen Seite, was am Anfang der Analyse des Bildmotivkomplexes „1981“ bereits untersucht wurde. Doch die Grafiker stellten die protestierenden Akteure der Oppositionsbewegung interessanterweise nicht nur als Todesopfer oder Geschädigte dar, sondern sie setzten auch ihre Widerständigkeit ins Bild. Ein Beispiel ist der Satz von vier Untergrundbriefmarken der Poczta Solidarności aus dem Jahr 1986 zum „5.  Jahrestag der Ereignisse im Bergwerk Wujek“ (V  rocznica wydarzeń w K.W.K.  Wujek) unter der Überschrift „16. Dezember 1981“ (16 grudnia 1981). Die Marken zeigen einen Stiefel in Schrittbewegung, der aus einer Blutlache heraustritt (siehe Abb. 34), einen Schlagstock, an den die polnische Fahne mit der Aufschrift „Wir vergessen nicht“ (Pamiętamy) gebunden ist (siehe Abb.  35), eine umgekippte Grubenlampe neben einer Blutlache (siehe Abb.  36) sowie eine Hand, die mit Zeige- und Mittelfinger das Victoryzeichen bildet und dabei ist, das noch unvollständige Wort „Vergiss nicht“ oder „Vergessen wir nicht“ (Pamiętaj[-]) zu schreiben, wobei der Buchstabe „t“ als Kreuz gestaltet ist (siehe Abb. 37). Die Blutlachen und die Aufschriften sind in roter Farbe gedruckt, ebenso wie der rote Streifen der polnischen Fahne.

116

7. Bildmotivanalyse: 1981 – die Verhängung des Kriegsrechts

Abb. 34 bis Abb. 37 Untergrundpost, Serie von vier Untergrundbriefmarken der Poczta Solidarności: 16. Dezember 1981, V. Jahrestag der Ereignisse in der Zeche Wujek, 1986.

7.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

117

Die zwei Mal verwendete Parole, nicht zu vergessen, lässt sich als Bezugnahme auf die Stimmung in der Bevölkerung deuten, die nach dem Einsatz der Armee und der ZOMO herrschte. Nach der Erstürmung der Zeche Wujek errichteten oppositionelle Akteure auf dem Gelände ein Holzkreuz, an das sie eine Grubenlampe für jeden getöteten Bergmann hängten.82 Am nächsten Tag versammelten sich dort Menschen, um zu beten und das Geschehene gemeinsam zu verarbeiten. Augenzeugen zufolge wurde unter den Versammelten „vor allem ein Satz wiederholt: ‚Wir vergessen nicht, das vergessen wir ihnen nicht!‘“83 Mit Hilfe der Aussage „Wir vergessen nicht“ und des Victoryzeichens schreibt der Bildautor dieser 4er-Serie den Oppositionellen sowohl Durchhaltewillen als auch den Sieg zu. Im Kontext der beiden Blutlachen und mit blutroter Farbe an die Wand geschrieben, kann die Aussage als Drohung an die staatlichen Akteure interpretiert werden. Dies ist ein Unterschied zu der Funktion dieser Aussage auf einer Tafel mit den Namen der Todesopfer, wie im Block der Poczta Homo Homini (siehe Abb. 31): Auf der Tafel wirkt er nicht ausschließlich gefährlich, sondern kann auch als stille Ehrerbietung den Toten und ihren Angehörigen gegenüber aufgefasst werden.84 Als Drohung verstanden, ist implizit, dass der, der sie ausspricht, noch Kraft hat. Der Bildautor dieses Untergrundbriefmarkensatzes stellte die Oppositionsbewegung demnach als zwar angegriffen und verletzt, aber nicht als vernichtet und besiegt dar. Diese Idee findet sich auch auf anderen Marken der Untergrundpost zum Thema Kriegszustand. Beispielsweise zeigt eine Untergrundbriefmarke zum 13.  Dezember 1981 (13 grudnia 1981) der Poczta Solidarność, die der oben bereits eingeführte FIS aus Lublin herausgab, einen mageren, liegenden Menschen mit leidendem Ausdruck, der das Victoryzeichen zeigt. Darunter sind einige rote Farbkleckse zu sehen.85 Der Mitherausgeber Paweł Bryłowski erläutert im Zeitzeugeninterview die Intention dieses Bildmotivs:

82

Siehe den Eintrag in der Encyklopedia Solidarności: Kobylańska, Kopalnia; Abbildungen bei Neja, Grudzień, S. 128 f. 83 [o. Verf.], Chronologiczny, FSO 2-003 Fp 0515. 84 Siehe auch einen weiteren Block der Poczta Homo Homini zum „4. Jahrestag des Kriegsrechts“ („4 rocznica stanu wojennego“), FSO 2-010. 85 Kowalewski datiert diese Untergrundbriefmarke auf das Jahr 1983. Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1982-84, S. 48, Nr. 167. Im Zeitzeugeninterview ordnet Bryłowski sie dem FIS zu, der jedoch erst 1985 gegründet wurde. Zeitzeugeninterview mit Bryłowski (Lublin, 22.1.2013).

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7. Bildmotivanalyse: 1981 – die Verhängung des Kriegsrechts

Abb. 38

Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der Poczta Solidarność: 13. Dezember 1981, [1983].

Es sieht wie ein Totengerippe aus. Aber hier ist das V-Zeichen. […] Die Kleckse hier sind keine [Druck-]Fehler, das soll Blut sein. Diese Untergrundbriefmarke wurde herausgegeben, als in Polen Menschen umkamen. Aber das ist kein Totengerippe, sondern ein erschöpfter Mensch, der trotzdem das Victoryzeichen zeigt.86

Trotz der Verhängung des Kriegszustandes und der damit verbundenen Repressionen zum Widerstand aufzurufen und den Sieg für die gewaltlos agierende Oppositionsbewegung zu proklamieren, war sehr früh Tenor der Diskussionen in den Untergrundmedien geworden. Bereits im Januar 1982 zirkulierte der „Besatzungskodex“ (Kodeks okupacyjny), mit dem Zbigniew Bujak, Wiktor Kulerski und Zbigniew Janas, alle in führenden Positionen der Gewerkschaft Solidarność,87 dazu aufriefen, die Angst zu überwinden und aktiv zu werden. Hilfe für Verfolgte, Sammeln und Verbreiten von Informationen 86 Zeitzeugeninterview mit Bryłowski (Lublin, 22.1.2013). 87 Zbigniew Bujak – Vorsitzender des Regionalvorstands der Gewerkschaft Solidarność der Region Mazowsze, Wiktor Kulerski – stellvertretender Vorsitzender des Regionalvorstands der Gewerkschaft Solidarność der Region Mazowsze, Zbigniew Janas – Vorsitzender des Vorstands der Solidarność in den Mechanikwerken „Ursus“.

7.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

119

über Repressionen und Widerstand, Missachten der Vorschriften des Kriegsrechts und Boykotthandlungen gegenüber den Unterstützern des Kriegszustandes nannten sie als Handlungsmöglichkeiten. Der letzte Satz des Kodeks lautet: „Vergiss nicht: Sie haben nur Panzer, Karabiner, Schlagstöcke. Wir haben die Solidarność, die stärker ist als alle Diktaturen. Noch haben Sie den Krieg nicht gewonnen, General.“88 Er nahm die Ikonographie und die Bildaussagen der Untergrundpost zum Thema „Kriegsrecht“ bereits vorweg. Ihre Grafiker machten es sich anschließend zur Aufgabe, daran zu erinnern, dass die Bewegung trotz der Toten in ihren Reihen keinesfalls tot war, und die Gemeinschaft sowie den Durchhaltewillen im Widerstand gegen die staatliche Obrigkeit zu fokussieren. 7.2.4 Die internierte Solidarność Mit der Ausrufung des Kriegsrechts setzte eine große Internierungswelle ein, die nicht nur auf die überregional bekannten Persönlichkeiten der Solidarność zielte, sondern auch auf regionale und lokale Aktivisten sowie auf Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Kultur, die in oppositionell orientierten Kreisen wirkten und als Autoritäten anerkannt waren. Das Mittel der Internierung wurde zum einen angewendet, um die Organisation und Durchführung von Protestaktionen zu verhindern, zum anderen aus psychologischen Gründen, um einzuschüchtern und abzuschrecken. Im Rahmen der Operation „Jodła“ wurden zirka 10.000 Akteure während des Kriegsrechts festgesetzt, zu mehr als 5.000 Internierungen kam es bereits in der ersten Woche. Manche der über das ganze Land verteilten Lager waren nur vorübergehend, andere dauerhaft eingerichtet; insgesamt gab es über 50 solcher Haftanstalten.89 Die große Verhaftungswelle, die gleich in der Nacht vom 12. auf den 13.  Dezember begann, hatte zum Ziel, die Solidarność-Gewerkschaft und -Bewegung grundsätzlich handlungsunfähig zu machen. Dies trat jedoch nicht ein, da an die Stellen der bekannten Köpfe sofort die weniger bekannten Aktivisten rückten.90 Sie übernahmen die Neuorganisation der bekämpften Gewerkschaft und anderer Organisationen, sammelten und veröffentlichten Informationen über die aktuelle Lage und organisierten Hilfe für Opfer staatlicher Repressionen. Gleich nach der Umsetzung des Kriegsrechts begann also in der nun konspirativ wirkenden Opposition die Verwirklichung dessen, was wenige Monate später in der im Zweiten Umlauf schriftlich geführten

88 89 90

[o. Verf.], Wprowadzając stan wojenny, FSO 2-003 Fp 0561. Paczkowski, Wojna, S. 91 und 93 f. Mack, Schreibmaschine, S. 106-114, hier 113.

120

7. Bildmotivanalyse: 1981 – die Verhängung des Kriegsrechts

Diskussion prominenter Oppositioneller „Untergrundgesellschaft“ genannt wurde. Die Internierungen des Kriegszustandes hatten somit sowohl personell als auch organisatorisch einschneidende Folgen für die oppositionelle Bewegung, und so ist es erstaunlich, dass vor allem die Bildautoren der Lagerpost dieses Thema darstellten und es als Bildmotiv im Rahmen der Untergrundpost selten auftaucht. Auf den Untergrundbriefmarken des Bildmotivkomplexes „Kriegsrecht“ ist es im Vergleich zum Schwerpunktthema „Brutalität des staatlichen Gegners“ kaum präsent. Zwar stellten die Bildautoren der Untergrundpost im Laufe des Untersuchungszeitraums Öffentlichkeit über die politischen Gefangenen in der Volksrepublik her (und hier auch über die nach Beendigung des Kriegsrechts Inhaftierten) und verwendeten dafür häufig Porträts der Festgesetzten, die sie zum Teil mit der Forderung nach Freilassung betitelten.91 Davon abgesehen aber verbildlichten sie die Erfahrung der Internierung in der Phase des Kriegsrechts so gut wie gar nicht.92 Anders stellt es sich jedoch auf den Publikationen der Lagerpost dar: Ihre Bildautoren setzten einen deutlichen Akzent auf die Darstellung der Internierung. Über den Grund der unterschiedlichen Schwerpunktsetzung der Lagerpost und der Untergrundpost kann nur spekuliert werden. In den Internierungslagern fand die unmittelbare persönliche Erfahrung des interniert Seins und deren Verbildlichung zeitgleich statt, was dazu beitrug, den Leidensdruck abzuarbeiten. Das Thema Internierung konnte daher als ureigenstes Bildmotiv der Lagerpost gelten, weshalb sich die Untergrundpost, die aus der Lagerpost hervorging, gar nicht erst intensiv damit befasste, weil das Thema als bereits „besetzt“ galt. Dafür spricht auch die Schilderung des Zeitzeugen Stanisław Głażewski im Interview. Publikationen der Lagerpost waren ihm aus eigener Anschauung bekannt. Zunächst erhielt er von seinen internierten Kollegen aus dem Lager geschmuggelte Briefumschläge der Lagerpost, bedruckt mit imitierten Briefmarken- und Poststempeln. In der Zeit seiner eigenen Internierung, von Ende August bis Ende November 1982,93 stellte er selbst einen Bildstempel her. Nach seiner Freilassung entschieden er und seine Bekannten, das Künstlerehepaar Szewczyk, in Puławy Untergrundbriefmarken herzustellen. Doch es scheint keinem von ihnen wichtig gewesen zu sein, die 91 Zum Beispiel FSO 2-005 Xp 0662; FSO 2-005 Xp 0665; FSO 2-005 Xp 0668. 92 Ausnahmen sind Verbildlichungen auf einer Untergrundbriefmarke eines acht Marken umfassenden Satzes der Poczta Solidarność, FSO 2-005 Xp 0001, bzw. auf einer Marke eines 14 Marken umfassenden Satzes der Poczta KPN, FSO 2-010. Die übrigen Marken dieser beiden großen Sätze sind anderen Themen gewidmet. 93 Siehe den Eintrag in der Encyklopedia Solidarności: Dąbrowski, Stanisław Tomasz Głażewski.

7.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

121

Internierungserfahrungen der Solidarność-Aktivisten in den Bildmotiven besonders aufzugreifen, was sich aus den Interviews mit Głażewski und mit Maria Kapturkiewicz-Szewczyk schließen lässt. Im Gegenteil, beide erinnern vor allem historische Bildmotive mit dem Ziel der Aufklärung über die polnische Geschichte sowie Bildmotive über die Solidarność und ihre Aktivitäten als wichtig für ihre Untergrundbriefmarken.94 Die Veranschaulichung und Verarbeitung der Internierungserfahrungen scheint also im Rahmen der Lagerpost ausreichend abgehandelt worden zu sein. Allerdings druckten Akteure der Untergrundpost im Laufe der Jahre Briefmarken der Lagerpost nach, die sie als Blocks zusammenfassten.95 Dies ist nicht als eigene kreative Auseinandersetzung mit dem Ereignis der Internierung zu verstehen, kann aber als Zeichen der Anerkennung gegenüber den Internierten im Allgemeinen und den Akteuren der Lagerpost im Besonderen gedeutet werden. Die Bildautoren der Lagerpost befassten sich mit der Tatsache der Internierung infolge des Kriegsrechts, der eigenen und in einem allgemeineren Sinne der Solidarność-Bewegung, auf differenzierte Weise.96 Zwei Schwerpunkte werden hier untersucht. Lagerikonographie Erstens bildeten sie Details aus dem Lager ab, die die Internierten sahen und die ihren Alltag komplett veränderten und begrenzten. Auf den von ihnen hergestellten Briefmarken und Poststempeln sind Stacheldraht, Gitterstäbe und Lageransichten mit Wachturm, Mauer oder Zaun zu sehen. Zu lesen sind gewöhnlich auch der Name des Internierungslagers und das Datum sowie das Solidarność-Logo oder das einer anderen Organisation. Die Verwendung der Lagerikonographie und der Bezeichnung Lagerpost oder Interniertenpost lässt sich als Herstellung einer Analogie zwischen dem aktuell erlebten Lager und historischen Konzentrations-, Kriegsgefangenenund Straflagern auffassen. Die Grafiker zeigten auf diese Weise die Nähe zwischen den festgesetzten Oppositionellen und den Internierten, die unter den ungleich härteren Bedingungen von Vernichtung, Krieg und Verbannung 94 Zeitzeugeninterviews mit Głażewski (Puławy, 28.11.2010) und Kapturkiewicz-Szewczyk (Puławy, 27.11.2010). 95 Siehe FSO 2-010: Block der Poczta Darłówko Solidarność sowie zwei Blocks des MKW NSZZ Solidarność Zagłębia Miedziowego. 96 FSO  2-010; siehe hier die Publikationen der Lagerpost. Siehe auch Abbildungen auf dem Portal Stowarzyszenie Osób Represjonowanych w Stanie Wojennym unter http:// www.represjonowani.pulawy.pl/galeria/category/7-znaczki-internowanych.html (acc. 6.9.2020).

122

7. Bildmotivanalyse: 1981 – die Verhängung des Kriegsrechts

Abb. 39

Briefumschlag der Lagerpost, Poczta Obozowa Łowicz: Wir vergessen nicht, Łowicz 1982.

Abb. 40

Briefumschlag der Lagerpost: Solidarność 13.XII.1982 Białołęka, Białołęka 1982.

7.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

123

ihrer Freiheit beraubt worden waren, auf. So konnte unterstrichen werden, dass die Lage, in der sich die Oppositionellen befanden, historische Bedeutung hatte, bei gleichzeitiger harscher Verurteilung der Initiatoren und Vollstrecker des Kriegsrechts, die dann ja mit den Verantwortlichen für die historischen Lager in eine Reihe gestellt werden konnten, sowie bei gleichzeitiger Bewertung der Volksrepublik Polen als totalitär oder diktatorisch, in Analogie zu den Staaten, die einst Konzentrations-, Kriegsgefangenen- und Straflager errichtet hatten. Doch ging es den Grafikern der Lagerpost dabei vermutlich nicht darum, sich primär als unterdrückt und als zur Passivität verurteilte Opfer darzustellen, denn die Verbreitung der Lagersymbolik auf Karten und Briefumschlägen der illegalen Post war Dokumentation und Demonstration, dass die Oppositionsbewegung auch in der Internierung weiterexistierte und nicht handlungsunfähig gemacht worden war. Wenn so gestaltete Publikationen der Lagerpost zwischen den Insassen verschiedener Zellen ausgetauscht wurden oder wenn sie mit Hilfe von besuchenden Angehörigen oder Geistlichen aus den Internierungslagern herausgeschmuggelt werden konnten,97 dienten diese Darstellungen des interniert Seins als Beweis der Lebendigkeit der Opposition auch unter extrem restriktiven Bedingungen. Die Symbole Stacheldraht, Gitter und Wachturm, die das Potential haben, einen Opferstatus ohne Wirkmöglichkeiten und Hoffnung zu charakterisieren, werden in diesem Kontext zu überwundenen Barrieren, denn die erwartbar passiven Opfer agierten als Aktivisten. Handgesten Zweitens brachten die Bildautoren mentale und psychische Haltungen der internierten Opposition zur Darstellung. In Handschellen gelegte Fäuste, eine Hand an einer Kette, die in einer Faustgeste an ein Gitter greift, eine angekettete Hand, deren Finger das Victoryzeichen bilden, oder zwei starke Hände, die zwei herausgebrochene Gitterstäbe wie ein Victoryzeichen halten, wurden als Stempelmotive verbreitet. Hier werden Handgesten, die Kraft und Aktivität signalisieren, mit Symbolen kombiniert, die in einer jahrhundertealten ikonographischen Tradition für Bestrafung und Unterwerfung stehen.98 Aus dieser Kombination ergibt sich ein Spannungsverhältnis, das zugunsten des Entschlossenheitsgestus der Handdarstellungen aufgelöst wird: Die 97 98

Zeitzeugeninterview mit Głażewski (Puławy, 28.11.2010). McGrath, Sklaverei, S. 350-357, hier 350; Bezak, Biżuteria, S. 113-122, hier 116.

124

7. Bildmotivanalyse: 1981 – die Verhängung des Kriegsrechts

Abb. 41

Briefumschlag der Lagerpost, Poczta Obozowa Białołęka: Solidarność der Internierten, Białołęka 1982.

Abb. 42 Briefmarke der Lagerpost, Poczta Obozowa N[owy] Łupków [o. J.].

7.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

125

Bildautoren setzten die internierte Opposition als zwar eingeschränkt, aber nicht überwältigt ins Bild. Hier wird nicht die Botschaft von einem Opfer präsentiert, das von der brutalen Staatsmacht unschädlich gemacht wurde. Ungebrochen kämpferisch und siegessicher ist die Haltung der festgesetzten Opposition, so die ins Auge fallende Aussage. Auch wenn der internierte oppositionelle Aktivist als Person nicht mit ins Bild gesetzt wurde, wird aufgrund der Bezeichnungen „Lagerpost“ oder „Interniertenpost“ nahegelegt, dass er es ist, der hinter der entschlossen wirkenden Hand steht. Nicht im Bild anwesend ist der Adressat der Handgesten, so dass hier eine „offene Projektionsfläche für kollektive Ängste [und, SP] Wünsche“ geboten wird, die unterschiedliche Ergänzungen zulässt.99 Zum einen lässt sich – naheliegend – als Adressat der externe Gegner, die Staatsmacht, assoziieren. Ihr und ihrem Ziel, die Oppositionellen ruhig zu stellen, indem sie sie hinter Gitter brachte, wird mit den Handgesten die Warnung entgegengesetzt, dass die Opposition nicht klein beigibt und ihre Tatkraft und Energie nicht verliert, allen Versuchen der Beschränkung und Isolierung zum Trotz. Zum anderen können die Handmotive als nach innen gerichtete Gesten der Selbstvergewisserung gelesen werden.100 Die eigenen Reihen scheinen in der Internierung nicht so geschlossen gewesen zu sein, wie dem externen Gegner glauben gemacht werden sollte. Der Geheimdienst unternahm in den Internierungslagern intensive Bemühungen, Oppositionelle als geheime Mitarbeiter anzuwerben, die spätestens nach ihrer Entlassung die konspirativ tätigen oppositionellen Strukturen bespitzeln sollten.101 Außerdem sahen sich die Internierten Provokationen, Willkür und Gewalt durch das Lagerpersonal und übergeordnete Stellen ausgesetzt. Hinzu kamen die Ungewissheit über die eigene Lage, die räumliche Enge und schwierige hygienische und gesundheitliche Bedingungen, was bei vielen Internierten zu psychischer Anspannung bis hin zu Zusammenbrüchen führte, wie von der Kirche entsandte Ärztedelegationen feststellten.102 Insgesamt sollten diese Praktiken und Umstände Zweifel, Misstrauen und Konflikte unter den Internierten säen und dazu führen, dass sie sich von der Oppositionsbewegung lösten oder sie gar bekämpften. Die kraftvollen und zuversichtlichen Handgesten konnten hier als interne Stabilisierungsmaßnahme fungieren. Sie lassen sich 99 Betscher/Marßolek, Hand-Zeichen, S.  250-257, hier 254. Betscher und Marßolek haben die offene Projektionsfläche in Bezug auf die Hand analysiert. 100 Sauer, Faust, S. 204-211, hier 206. 101 Paczkowski, Wojna, S. 94-96; Dudek, Wstęp, S. 7-26, hier 22. 102 Żaryn, Dzieje, S. 510; siehe auch Rajski, Uherce.

126

7. Bildmotivanalyse: 1981 – die Verhängung des Kriegsrechts

als Aufforderung zur Selbstdisziplinierung und Zeichen der Entschlossenheit interpretieren, den Störversuchen mit vereinten Kräften zu widerstehen und dem Regime geschlossen entgegenzutreten. Insofern leisteten die Bildautoren der Lagerpost eine Form von Überzeugungsarbeit, wenn sie das optimistische Bild von Aktivisten zeichneten, die ihrer Internierung zum Trotz weder in der Opferrolle noch in Depressionen und Zweifel erstarrten oder gar zum Gegner überwechselten, sondern sich zur oppositionellen Bewegung bekannten. Sowohl die erhobene Faust als auch die Finger in der Victorygeste tauchen nicht nur im Rahmen der Lagerpost, sondern auch auf Untergrundbriefmarken auf, wobei sie hier nicht immer mit Symbolen für Gefangenschaft ergänzt sind.103 Unter den Handgesten ist das Symbol der Faust besonders interessant, weil es die Konnotation trägt, Erkennungszeichen der internationalen kommunistischen Arbeiterbewegung zu sein.104 Die Oppositionsbewegung der 1980er Jahre, deren Keimzellen und Hochburgen in den großen Industriebetrieben des Landes lagen, war zu einem guten Teil eine ArbeiterGewerkschaftsbewegung. Wenn die Akteure der Unabhängigen Post das Symbol der Faust als Drohung und Demonstration gegen die staatlichen Machthaber einsetzten, die sich mit ihrer Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei als Vertreter der Arbeiterschaft deklarierten, dann entrissen sie diesen das Symbol für Arbeit und den körperlich Arbeitenden und machten es der oppositionellen Arbeiterbewegung zu eigen. Die Umkodierung durch den neuen Kontext gab dem Symbol seine ursprüngliche Bedeutung wieder, dass es für den Arbeiter steht, der für seine Rechte kämpft und seine Fesseln sprengt. Was in diesen konkreten Fällen der Faust-Bildmotive der Lagerpost als Kampf mit der offiziellen Sphäre um ein Symbol verstanden werden kann, nahm mit Blick auf die Gesamtheit der Publikationen der Unabhängigen Post jedoch keine größere Bedeutung ein. Abgesehen von den Stempeln der Lagerpost, kommt das Symbol der körperlosen Faust auf den Untergrundbriefmarken vergleichsweise selten und auf den bekannten Publikationen der Streikpost gar nicht vor.105 Ein Grund könnte gewesen sein, dass das Symbol der kämpferisch hochgereckten, kräftigen Hand so sehr in der kommunistischen Ideologie und Ikonographie des sozialistischen Realismus verwurzelt war,106 dass die Bildautoren der Unabhängigen Post auch bei einer neuen Kontextualisierung die Assoziation der Regimenähe befürchteten – auch wenn sogar die offizielle 103 Siehe beispielsweise FSO  2-005 Xp 0034; FSO  2-005 Xp 0859/1; FSO  2-005 Xp 0861; Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1982-84, S. 106, Nr. 354. 104 Sauer, Faust, S. 204-211, hier 210. 105 Für die ohnehin wenigen Informationen zur Ikonographie der Streikpost siehe die Abbildungen in: Kobyliński, Sześć lat, S. 33 f.; Kaczorowski, Poczta, S. 15. 106 Mazur, O człowieku, S. 311 f.

7.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

127

Plakatkunst bereits längst den Stil des sozialistischen Realismus mit seinen Handgesten hinter sich gelassen hatte. Das würde erklären, warum das Symbol der Faust im Rahmen der Unabhängigen Post so wenig attraktiv gewesen zu sein scheint und die Bildautoren es nicht breit einsetzten. Anders verhielt es sich mit der Hand, die das Victoryzeichen formt. Dieses Symbol war auf den Publikationen der Unabhängigen Post weit verbreitet, was gleichzeitig seine starke Präsenz in der Oppositionsbewegung spiegelte. Nicht nur, dass oppositionell eingestellte Künstler es in ihre Kunstwerke aufnahmen.107 Von den Teilnehmern von Demonstrationen, Begräbniszeremonien für Opfer der Staatsmacht oder Gedenkkundgebungen und -gottesdiensten und sogar von Lech Wałęsa und dem US-amerikanischen Vizepräsidenten George W. Bush bei ihrem Treffen in Warschau (1987) gezeigt, war diese Geste ein zentrales und beliebtes Ausdrucksmittel für den Kampf der Opposition gegen das Regime und für ihre Siegeszuversicht.108 Ursprünglich hatte die BBC während des Zweiten Weltkrieges das „V“ als internationales Zeichen der besetzten Völker in Europa für den Kampf und den Sieg gegen die deutsche Besatzung propagiert,109 so dass sich seine Verwendung in den 1980er Jahren in oppositionell eingestellten Kreisen in der Volksrepublik auch als Bekenntnis zu Europa und zur westlichen Welt verstehen ließ. Unterstützung erhielt diese Deutung dadurch, dass General Jaruzelski sich in einer Rede von dem Zeichen distanzierte, da der Buchstabe „V“ kein polnischer sei, sprich im polnischen Alphabet Wörter, die mit „V“ beginnen, Fremdwörter sind. Im Verständnis des Regimes war die Victorygeste demnach ein antinationales Bekenntnis.110 Mit dieser Diskreditierung des Victoryzeichens und seiner Ablehnung in der offiziellen politischen Praxis und Ikonographie konnte es in oppositionellen Kreisen als „offiziell entlassen“ und reserviert für das eigene Zeichenrepertoire gelten. Der Krieg gegen die Bewahrer der Nation – der gekrönte Adler und die Krähe Eine weitere Form der Auseinandersetzung mit dem Kriegsrecht war, ihn in den nationalen Kontext zu setzen. Neben dem Symbol der polnischen Fahne 7.2.5

107 Kunstwerk von Ryszard Wojciechowski aus dem Jahr 1985 [keine Titelangabe], Abbildung in: Ciołek, Solidarność, S.  121; Kunstwerk von Jerzy Bereś: Droga, 1985, Abbildung in: Wojciechowski, Czas, S. 47; Kunstwerk von Bohdan Urbanowicz: Grób wielkanocny, 1983, Abbildung in: Wojciechowski, Czas, S. 105; Zeichnung von Jan Bokiewicz: Znaki czasu, 1984, Abbildung in: Wojciechowski, Czas, S. 141. 108 Abbildungen in: Ciołek, Solidarność, S. 89, 132, 171, 199-201, 204, 208 und 216 f. 109 Peters, Abenteuer, S. 34. 110 Paczkowski, Wojna, S. 164.

128

7. Bildmotivanalyse: 1981 – die Verhängung des Kriegsrechts

kamen hier mit dem Adler und der Krähe ein historisch überliefertes und ein neu kreiertes Symbol zum Einsatz. Die Ausrufung des Kriegszustandes begründete General Jaruzelski gleich am Anfang seiner im Fernsehen und Radio gesendeten Ansprache am 13. Dezember 1981 damit, dass die Nation auf diese Weise vor einer Katastrophe gerettet werde.111 Die Nation war ein zentraler positiver Bezugspunkt in seiner Rede, und sie war außerdem auch visuell auf der Symbolebene präsent: Das Fernsehen zeigte Jaruzelski vor der Flagge der Volksrepublik Polen mit dem Staatswappen. Auch Bildautoren der Lagerpost und der Untergrundpost hoben den verhängten Kriegszustand auf die nationale Ebene. Ihre Position war aber, dass es die Machthaber waren, die der Nation den Krieg erklärt hatten, so der regimekritische Slogan, mit dem Oppositionelle aus Lodz (Łódź) Anfang 1983 staatliche Briefmarken der Polnischen Post bedruckten.112 Wie bereits entfaltet, war es eine in der Bevölkerung weit verbreitete Einstellung, dass das Regime nicht die Nation verkörperte. Entsprechend setzten die Bildautoren der Lagerpost und der Untergrundpost das nationale Symbol des weißen gekrönten Adlers als Symbol der oppositionellen Bewegung ein, während sie die Machthaber mit einer Krähe versinnbildlichten. Typisch für die Verwendung des gekrönten Adlers ist ein Briefumschlag der Lagerpost Poczta Obozowa Łowicz.

Abb. 43 Briefumschlag der Lagerpost: Internierte Łowicz ’82, Łowicz 1982.

Unter dem Titel „Internierte [im Lager] Łowicz ’82“ (Internowani Łowicz ‘82) räumlich und zeitlich bestimmt, prangt ein Adler mit Krone mit gespreizten 111 Jaruzelski, Przemówienie, S. 213-221, hier 214. 112 Plate, Duże przesłania, S.  147-163, hier 151-154. Die mit dem regimekritischen Slogan bedruckte Briefmarke ist inzwischen in den Katalog der polnischen Briefmarken aufgenommen worden, Abbildung in: Firma Handlowo-Usługowa Andrzej Fischer, Katalog … 2017, S. 251, Nr. 2466.

7.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

129

Flügeln, umgeben von einer stabil wirkenden Eisenkette. Sein rechter Flügel befindet sich außerhalb der Kette; Kopf, Balg und der linke Flügel sind innerhalb der Eisenkette – ein Hinweis des Bildautors der Lagerpost auf die Gefangenschaft. Unter dem Bildnis des gekrönten Adlers, ebenfalls innerhalb der Kette, steht der Solidarność-Schriftzug. Mit dem gekrönten Adler vollzog der Bildautor eine Abgrenzung vom Hoheitssymbol der Volksrepublik Polen – in der offiziellen Verwendung im staatssozialistischen System trug der weiße Adler keine Krone, während der weiße Adler mit Krone das Symbol der polnischen Nation in der Zeit vor der Volksrepublik gewesen war. Mit dem bewussten Verzicht auf die Krone verdeutlichten die Machthaber der Volksrepublik die antimonarchische, antihierarchische und antibourgeoise Stoßrichtung ihrer Ideologie. Auf diese Weise visualisierten sie den politischen Bruch mit den vorherigen polnischen Staatssystemen. In oppositionellen Kreisen wurde jedoch das Weglassen der Krone symbolisch als Verlust der Souveränität gedeutet.113 Die Verwendung des gekrönten Adlers in diesem Bildstempel und auf den Publikationen der Unabhängigen Post im Allgemeinen lässt sich daher als deutliche Distanzierung von dem im Machtbereich der Sowjetunion angesiedelten polnischen Staat und seinen Machthabern interpretieren, als Anknüpfung an eine nicht-kommunistische Tradition und als Ausdruck des Kampfes um Unabhängigkeit – bereits zur Zeit der polnischen Teilungen hatte sein Bildnis das Freiheitsstreben der Polen symbolisiert.114 So fungierte das Bildnis des gekrönten Adlers als Symbol der Anti-Haltung gegenüber den Staatsvertretern der Volksrepublik und ihrem nationalen Anspruch. Der gekrönte Adler verbildlichte die Aussage, dass die, die sich um ihn versammeln, die Repräsentanten der „wahren“ polnischen Nation sind. In der Darstellung des Bildautors der Poczta Obozowa Łowicz ist die mit dem gekrönten Adler identifizierte „wahre“ polnische Nation durch die Eisenkette zu einem großen Teil ihrer Freiheit beraubt, ebenso wie die SolidarnośćBewegung als Ganze, die er, versinnbildlicht durch das Logo, innerhalb der Kette platzierte. Das Logo lässt sich wie ein Kommentar zum gekrönten Adler lesen: Die Solidarność setzt ihre Unterschrift unter die „wahre“ polnische Nation – vergleichbar mit dem Bildmotiv des Logos in der Landkarte Polens, das im Bildmotivkomplex zur Entstehung der Oppositionsbewegung analysiert wurde (siehe Abb. 5). Ohnehin kann hier intuitiv die enge Verknüpfung, wenn nicht gar Gleichsetzung der Solidarność und der nach Freiheit strebenden Nation vollzogen werden, da sie im ersten Jahr ihres Bestehens eine soziale Massenbewegung war, die „den Rang einer Repräsentantin nahezu der gesamten 113 Kubik, Power, S. 220 f.; Tałuć, Naszą bronią, S. 177-179. 114 Lisowski, Polskie symbole, S. 9.

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7. Bildmotivanalyse: 1981 – die Verhängung des Kriegsrechts

erwachsenen, in irgendeiner Weise aktiven Bevölkerung“ eingenommen hatte.115 So brach sich die Einstellung, dass sich die Solidarność-Bewegung mit der „wahren“ Nation deckt, seit den Auguststreiks 1980 mit visuellen Mitteln Bahn. Der weiße gekrönte Adler und die weiß-rote Nationalfahne waren populäre, bereits von den Streikenden im Sommer 1980 sichtbar zur Schau gestellte Symbole und nicht zuletzt trägt auch der Solidarność-Schriftzug eine solche Fahne. Der Botschaft des Briefumschlags der Poczta Obozowa Łowicz, dass nun niemand Geringeres als die polnische Nation im Internierungslager eingesperrt ist, wird durch das Arrangement aus kräftigem gekröntem Adler und dynamischem Solidarność-Logo eine selbstbewusste Färbung gegeben – eine depressive verhaftete Nation sähe anders aus (siehe Abb. 43). Dies lässt sich als starke Gegenposition zu dem offiziell propagierten Urteil des Regimes lesen, das die Opposition unverhohlen diskreditierte. Der Tenor lautete, dass es sich bei den bekämpften oppositionellen Akteuren um Extremisten, Krawallmacher und Agenten ausländischer Geheimdienste handele. Zum Teil mit krimineller Vergangenheit, zum Teil skrupellose politische Spieler, seien sie bereit, bei der Umsetzung ihrer Ziele auch brutale und sogar terroristische Methoden anzuwenden.116 Dieser Kriminalisierung und Ausgrenzung die Aussage entgegenzusetzen, dass sich die Opposition als Vertreter der „wahren“ Nation versteht, lässt sich mit Blick auf die Situation des interniert Seins (Lagerpost), aber auch auf die Situation außerhalb der Lager (Untergrundpost) als stabilisierender und Zusammenhalt stiftender Impuls deuten. Der gekrönte Adler fungierte als Erkennungszeichen einer gemeinsamen Identität und drückte gleichzeitig Abgrenzung aus, da er immer auch auf sein Pendant, den Adler ohne Krone, verwies. In der Ikonographie der Lagerpost verschiedener Internierungslager wird der Adler mit Krone im Rahmen des Themas „Kriegszustand“ sowohl in unterschiedlichen Bildstempeln abgebildet als auch als Element nachgeahmter Poststempel und Briefmarken der Lagerpost.117 Der gekrönte Adler ist hier deutlich häufiger zu finden als auf den Untergrundbriefmarken zum Bildmotivkomplex „Kriegszustand“. Eine Begründung könnte sein, dass die Bildautoren den überraschend ausgerufenen Kriegszustand sozusagen in Echtzeit verarbeiteten und nicht in der Rückschau, wie es bei den Untergrundbriefmarken der Fall war, die nach der Beendigung des Kriegsrechts entstanden. Die Erfahrung, aufgrund des eigenen Engagements für mehr Freiheiten und Mitbestimmung 115 Holzer, Abschied, S. 151-165, hier 155. 116 Polak, Stan wojenny, S. 401-405; Friszke, Polen, S. 416. 117 Publikationen der Lagerpost in: FSO 2-010.

7.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

131

in Polen eingesperrt zu sein, und die Erfahrung, dass der Staatsapparat nicht davor zurückschreckte, militärisch gegen die Bevölkerung vorzugehen, konnte nicht mit denselben Mitteln vergolten werden, ganz abgesehen davon, dass das der Strategie der Gewaltfreiheit der Oppositionsbewegung auch nicht entsprochen hätte. Als Kompensation sowie als Bekenntnis zur Opposition bot es sich daher in der Internierung an, auf der Symbolebene ein „schweres Geschütz aufzufahren“. Der gekrönte Adler scheint dafür geeignet gewesen zu sein, weil er nicht nur eine integrierende Wirkung nach innen entfalten, sondern auch als Angriff auf das höchste staatliche Symbol der Volksrepublik verstanden werden konnte. Auf den Untergrundbriefmarken dagegen ist der weiße gekrönte Adler im Bildmotivkomplex mit explizitem Bezug zum Kriegsrecht relativ selten zu finden.118 Eine Erklärung wäre, dass er auf Untergrundbriefmarken zu historischen, politischen oder auch religiösen Themen im Allgemeinen sehr präsent ist, bis hin zu speziellen Serien, die die verschiedenen Versionen des Wappentiers im Laufe der Jahrhunderte der polnischen Geschichte darstellen.119 Der Einsatz des gekrönten Adlers beim Thema „Kriegsrecht“ ist also nur ein Verwendungszusammenhang unter anderen im Rahmen der Untergrundpost, und wie bereits gezeigt wurde, stellten die Bildautoren das Thema auch mit Hilfe anderer Symbole umfangreich und differenziert dar. Hinzu kommt, dass der Adler nicht das einzige Mittel war, um den Bezug zwischen der Oppositionsbewegung und der polnischen Nation herzustellen, was bereits bei der Verwendung der Nationalflagge im Zusammenhang mit dem Untergrundbriefmarkenblock für die Todesopfer des Bergwerks Wujek deutlich wurde (siehe Abb. 33). Während die Bildautoren der Unabhängigen Post der oppositionellen Bewegung das erhabene Adlersymbol zugestanden und sie gewissermaßen adelten, werteten sie das Regime der Volksrepublik mit dem Bild der Krähe ab. Dieses bezieht sich auf den Militärrat der Nationalen Errettung (Wojskowa Rada Ocalenia Narodowego – WRON), der eigens als Organ des Kriegsrechts berufen worden war und mit Beendigung des Kriegszustandes aufgelöst wurde. Die Nähe zwischen dem Akronym WRON und dem polnischen Wort für Krähe, wrona, drängt diese bildliche Darstellung des Organs geradezu auf; 118 Hier wird von den Untergrundbriefmarkenblocks abgesehen, die aus Briefmarken der Lagerpost zusammengestellt wurden, womit diesen eine Neuauflage außerhalb der Internierungslager verschafft wurde. Auf diesen Blocks kommt das Motiv des gekrönten Adlers vor, doch wegen des ursprünglichen Herstellungskontextes werden diese Marken hier zu den Publikationen der Lagerpost gezählt. 119 Beispielsweise die Blocks und Serien: FSO 2-005 Xp 0497; FSO 2-005 Xp 0499; FSO 2-005 Xp 0511; FSO 2-005 Xp 0514.

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7. Bildmotivanalyse: 1981 – die Verhängung des Kriegsrechts

umso erstaunlicher ist es, dass dies die Verantwortlichen bei der Benennung offenbar nicht bedacht hatten. Die Krähe als satirisches Symbol für die Staatsführung tauchte im Rahmen der Lagerpost häufiger auf als auf den Untergrundbriefmarken. Als einer der Gründe lässt sich der Reiz des Neuen vermuten. Die im Kriegszustand internierten Bildautoren probierten zeitgleich ein ganz neues Symbol aus, das vorher noch nicht existierte, weil es den WRON noch nicht gab. In der Phase der Untergrundpost war die Krähe im Repertoire der oppositionellen Ikonographie längst etabliert, zumal das Symbol auch auf Flugblättern, Graffitis oder in Form von Slogans wie des Reims „Die Krähe wird den Adler nicht bezwingen“ (wrona orła nie pokona) intensive Verwendung fand.120 Nicht mehr im Rang einer Innovation, stand es mit der Zeit neben vielen anderen Symbolen und Zeichen zur Auswahl, um den Kriegszustand zu verbildlichen. Stanisław Głażewski, der der Autorin während des Zeitzeugeninterviews seine Sammlung von Publikationen der Lagerpost zeigte, stellt über die bildliche Auseinandersetzung mit dem Kriegszustand lakonisch fest: „Zu den Bildmotiven gehörte immer der Stacheldraht und eine Krähe, die Federn lassen musste, denn die Krähe mochten wir nicht.“121 Weitere ikonographische Elemente wurden der Krähe hinzugefügt, beispielsweise eine Hand in Victorygeste, vor der sie erschrocken Reißaus nimmt, ein Militärhelm mit rotem Stern, unter dem sie begraben liegt, ein Dreieck mit Streifen und dem Buchstaben „P“, das Assoziationen an das Winkelzeichen für Polen als politische Gefangene in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern weckt, oder ein fünfarmiger Stern, dessen Zackenenden einem Hakenkreuz ähnlich abgebogen sind.122 Die Krähe, die für sich genommen schon für eine satirische und pejorative Bewertung des Regimes stand, setzten die Bildautoren also in Bildkontexte, die zwischen Verspottung der Gegenwart und ernsthafter Historie changierten. Joanna Szczęsna unterstreicht im Zeitzeugeninterview die Wirkung der Bildmotive der Unabhängigen Post, Ventil für Emotionen gewesen zu sein.123 Offenbar bewegte sich die Stimmung der Akteure der Lagerpost zwischen frechem Witz gegenüber den Machthabern einerseits und der Deutung des Regimes sowie der eigenen Internierung als Fortsetzung der polnischen 120 Abbildungen in: Polak, Śmiech, S. 264, 266, 268, 271, 276, 283 und 565. 121 Zeitzeugeninterview mit Głażewski (Puławy, 28.11.2010). 122 Abbildungen auf dem Portal der Stowarzyszenie Osób Represjonowanych w Stanie Wojennym unter http://www.represjonowani.pulawy.pl/galeria/category/12-nowy-%C 5%82upk%C3%B3w.html (acc. 6.9.2020). 123 Zeitzeugeninterview mit Szczęsna (Warszawa, 29.11.2010).

7.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

133

Leidensgeschichte während des Zweiten Weltkrieges andererseits, wobei das Regime der Volksrepublik abermals als Besatzungsmacht interpretiert wurde. Auch in der Untergrundpost findet die Vermengung von kommunistischen und nationalsozialistischen Symbolen im Zusammenhang mit dem WRON statt. Ein Beispiel ist die Untergrundbriefmarke des Überbetrieblichen Koordinierungskomitees Wola (Międzyzakładowy Komitet Koordynacyjny Wola – MKK Wola) aus dem Jahr 1986.

Abb. 44 Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der Poczta Polska, MKK Wola: 13.12.1981, [1986].

In die Landkarte Polens platzierte der Grafiker einen dunklen Vogel mit ausgebreiteten Schwingen, der auf einem Kreis mit einem fünfzackigen Stern sitzt. Unter diesem Ensemble steht in Frakturschrift das Wort WRONa und das Datum der Verhängung des Kriegsrechts. Mit dieser Spezifizierung lässt sich der Vogel zum einen als „Krähe“ bestimmen und stellt das in der Opposition verwendete Sinnbild für die Machthaber der Volksrepublik dar. Zum anderen sieht er aber auch wie der nationalsozialistisch umgestaltete Reichsadler der deutschen Besatzungsmacht während des Zweiten Weltkrieges aus, der seinerzeit in Polen ebenfalls als „Krähe“ bezeichnet wurde.124 Auch die Frakturschrift steht für diesen historischen Bezug, da sie häufig mit dem Schriftbild der deutschen Sprache in jener Zeit assoziiert wird. Das Hakenkreuz im Eichenlaubkranz in der Originalausführung des Symbols ersetzte der Bildautor durch den kommunistischen fünfzackigen Stern. Hier findet also eine mehrfache Verschränkung statt: Das Regime der Volksrepublik Polen, die nationalsozialistische Besatzungsmacht und die sowjetische Hegemonialmacht werden als eine Einheit gesehen. 124 Peters, Abenteuer, S. 39.

134

7. Bildmotivanalyse: 1981 – die Verhängung des Kriegsrechts

Es war eine verbreitete Reaktion beim Umgang mit dem Thema „Kriegszustand“, dass der WRON mit dem historischen deutschen Gegner zur Zeit des Zweiten Weltkrieges in Verbindung gebracht wurde. Diese Verknüpfung fand nicht nur in den visuellen Medien des Zweiten Umlaufs statt. Insbesondere während des Kriegsrechts wurde zum Beispiel bei Protestkundgebungen gegen den WRON die Bezeichnung Gestapo (die nationalsozialistische Geheime Staatspolizei) auf polnische Ordnungsorgane angewendet, die PZPR mit der NSDAP identifiziert und es kursierten Witze aus der deutschen Besatzungszeit, die mit dem Namen Jaruzelski aktualisiert wurden. Das heißt, dass die oppositionellen Akteure die Erfahrung des Kriegsrechts und die politische Führung um Jaruzelski mit der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg gleichsetzten und sich mit der Tradition des Widerstands während der Besetzung Polens identifizierten. Dementsprechend lässt sich die Untergrundbriefmarke des MKK Wola als eine heroische Standortbestimmung der oppositionellen Bewegung lesen. Denn wenn der WRON der historischen deutschen Fremdherrschaft gleichgestellt wird, kann eine weitere, im Bildmotiv nicht sichtbare Verbindung hergestellt werden: Im Analogieschluss kann der Betrachter die Opposition der Gegenwart, die Untergrundgesellschaft, als Nachfolger des historischen polnischen Untergrundstaates unter der deutschen Besatzung verstehen.125 Das Selbstbild der widerständigen Nachfahren wurde gedoppelt, denn es ist auch in der Verwendung des Mediums Untergrundbriefmarke enthalten, das im Verständnis eines Teils der Akteure der Unabhängigen Post auf die historische Feldpost des Warschauer Aufstands gegen die deutsche Besatzung referiert (siehe Kapitel  3). Entsprechend war dann die aktuelle Aufgabe der Oppositionellen, gegen den kommunistischen Gegner als „Fremdherrschaft“ in der Gegenwart zu kämpfen, womit die Machthaber der Volksrepublik Polen gemeint waren, was aber auch deren Verbündeten, die Sowjetunion, mit umfasste. Diese sind im Symbol des kommunistischen Sterns im Bildmotiv anwesend. Außer der Verquickung des WRON mit dem historischen deutschen Gegner sowie mit der Sowjetunion tritt auf der Untergrundbriefmarke des MKK Wola eine weitere Aussage zutage, und zwar die Gleichsetzung des Sowjetkommunismus und des Nationalsozialismus im Adler-Stern-Symbol. Dies war im Zweiten Umlauf weniger eine Extremposition als verbreitetes Denken.126 Ihm lag die Erfahrung der Polen zugrunde, dass das Land 1939 vom nationalsozialistischen Deutschland und der Sowjetunion unter Stalin besetzt worden war und beide ein verbrecherisches System aufgebaut hatten. Offiziell jedoch 125 Paczkowski, Wojna, S. 164; Peters, Abenteuer, S. 40. 126 Peters, Revolution, S. 201-204.

7.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele

135

war in der Volksrepublik bereits der Vergleich von Hitlerismus und Stalinismus und die Auseinandersetzung mit der deutsch-sowjetischen Kollaboration während des Zweiten Weltkrieges ein Tabu, da dies die Lauterkeit der (seit 1976 sogar verfassungsmäßig) verordneten polnisch-sowjetischen Freundschaft in Zweifel gezogen hätte. Außerhalb der Reichweite der offiziellen Zensur, im Zweiten Umlauf, stellten Publizisten und Wissenschaftler dagegen häufig heraus, dass der Kommunismus und der Nationalsozialismus ähnliche Eigenschaften hatten.127 Aufgrund der doppelten Opferrolle der Polen war auch nicht mit dem Vorwurf der Relativierung einer der beiden Gewaltherrschaften zu rechnen, wenn sie gleichgesetzt wurden, was ein Unterschied zu den im Westen geführten Totalitarismusdebatten war.128 Wenn das politische System der Volksrepublik in diesen Vergleich miteinbezogen und ihm vorgeworfen wurde, faschistisch zu sein, musste es sich nicht immer um das Ergebnis politologischer Reflexionen handeln, sondern konnte, insbesondere in der Berichterstattung der Untergrundpresse über tagesaktuelle Ereignisse, auch schlicht eine emotional geprägte Abrechnung der Autoren mit den Machthabern der Volksrepublik sein.129 Dies gilt auch für die Publikationen der Lager- und der Untergrundpost. Den WRON setzte der Bildautor auf der Untergrundbriefmarke des MKK Wola in eine Reihe mit dem Nationalsozialismus und dem Stalinismus bzw. Sowjetkommunismus, was den gängigen Radikalismus der breiten oppositionellen Bewegung widerspiegelte, die das Regime der Volksrepublik, insbesondere mit Blick auf das Kriegsrecht, als „totalitär“ bezeichnete.130 Dies war ein herber Vorwurf an das aktuelle Regime. Er verschloss sich der tiefergehenden Diskussion, dass die Volksrepublik Polen ab der zweiten Hälfte der 1970er Jahre als autoritärer Staat betrachtet werden müsse,131 die in wissenschaftlichen Beiträgen im Zweiten Umlauf stattfand.132 Der Widerstand der Oppositionellen gegen das Regime erhielt durch dessen Konnotierung als „totalitär“ eine umfassende Bedeutung. Es ließ sich somit nicht nur als Kampf gegen das konkrete polnische Regime auffassen, sondern auch universell gegen den Totalitarismus überhaupt.133 Eine solche radikale Haltung konnte den Aufbau, die Befestigung und die scharfe Abgrenzung der

127 128 129 130 131 132 133

Olaszek, Dwa totalitaryzmy, S. 381-413, hier 410-412. Hofmann, Realsozialismus, S. 9-26, hier 13 f. Olaszek, Dwa totalitaryzmy, S. 381-413, hier 412 f. Kornat, Czy Polska, S. 175-180, hier 177. Borejsza, Volksrepublik, S. 39-46, hier 43-45. Olaszek, Dwa totalitaryzmy, S. 381-413, hier 407-410. Smolar, Volksrepublik, S. 26-38, hier 27.

136

7. Bildmotivanalyse: 1981 – die Verhängung des Kriegsrechts

oppositionellen Identität gegenüber den Unterstützern und Mitläufern des Regimes bewirken, gerade weil sie die Realität dramatisierte. So dienten die historischen und ideologischen Anspielungen mit Hilfe des Adlers und der Krähe auch dazu, die Aussagen über die beiden gegnerischen Parteien im Kriegszustand zu simplifizieren und zu verschärfen, was ebenso zur emotionalen Kompensation und Mobilisierung beim Betrachter der Publikationen der Lagerpost und der Untergrundpost beitragen konnte wie die Verwendung des Symbols der Krähe mit dem Ziel, das Regime zu verspotten.

Kapitel 8

Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen Die polnischen Aufstände und Erhebungen sind ein umfangreicher Bildmotivkomplex der Untergrundpost, sowohl was die Spannbreite des Themas als auch die Anzahl der Untergrundbriefmarken und Blocks betrifft. Die Bildautoren widmeten sich dem Kościuszko-Aufstand (1794), dem Novemberaufstand (1830/31), dem Großpolnischen Aufstand (1848), dem Januaraufstand (1863/64), den Oberschlesischen Aufständen (1919-21), dem Ghettoaufstand (1943), dem Warschauer Aufstand (1944) sowie den Massenerhebungen in der Volksrepublik Polen (im Juni 1956, März 1968, Dezember 1970 und Juni 1976). Die Datenbankrecherche bei der Fundacja Centrum Dokumentacji Czynu Niepodległościowego unter dem Schlagwort „Aufstand“ (powstanie) ergibt insgesamt zirka 80 Untergrundbriefmarken bzw. Blocks mit diesem Bildmotiv.1 Die Eingabe der Jahreszahlen der Erhebungen in der Volksrepublik zeigt jeweils mehrere Dutzend Publikationen der Untergrundpost an.2 Die Sammlung der Unabhängigen Post der Forschungsstelle Osteuropa umfasst mit über 70 vergleichbar viele Publikationen der Untergrundpost, die die Aufstände zeigen. Außerdem enthält sie über 60 Publikationen der Untergrundpost zu den Erhebungen in der Volksrepublik.3 Die Beschäftigung mit den militanten Aufständen und gewaltsamen Erhebungen ist insofern bemerkenswert, als in der Oppositionsbewegung der 1980er Jahre Konsens über die Anwendung gewaltfreier Methoden herrschte. Die bildlichen Auseinandersetzungen mit den historischen Aufständen und Erhebungen fungierten daher offenbar nicht als Aufforderung zur Nachahmung, sondern vielmehr als Verbeugung vor dem ideellen Erbe der Oppositionsbewegung. Am Beispiel der Untergrundbriefmarken zum Warschauer Aufstand und zu den Erhebungen in der Volksrepublik Polen wird analysiert, welche Deutungsangebote die Bildmotive vor dem Hintergrund der offiziell vertretenen Narrationen machen und welche Aussagen sie zu Identität und Herkunft der oppositionellen Gemeinschaft treffen. 1 Siehe http://sowiniec.com.pl/php/5_p_solidarna.php?s=1&title=powstanie&dzial_option= 5_28&pole_option=wszedzie (acc. 23.11.2018). 2 Teilweise lassen sich die Bildmotive mehreren Erhebungen zuordnen, entsprechend werden sie unter mehreren Jahreszahlen aufgeführt. 3 FSO 2-005.

© Verlag Ferdinand Schöningh, 2021 | doi:10.30965/9783657760039_009

138 8.1

8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

Der Warschauer Aufstand: Ein Thema der Untergrundpost und der staatlichen Post

Von 1983 bis zum Ende des Untersuchungszeitraums 1989 setzten Bildautoren der Untergrundpost kontinuierlich den Warschauer Aufstand von 1944 auf Untergrundbriefmarken ins Bild; je nach Möglichkeiten waren die Motive grafisch und drucktechnisch einfacher oder aufwendiger gestaltet. Der Bildmotivkomplex „Warschauer Aufstand“ ist ein zentrales Thema, er steht aber nicht als einziger für die Verbildlichung des Zweiten Weltkrieges im Rahmen der Untergrundpost, denn zu diesem größeren thematischen Zusammenhang gehören auch bildliche Darstellungen anderer Ereignisse: So beschäftigten sich die Bildautoren mit allseits bekannten Tatsachen wie dem Einmarsch Deutschlands in Polen am 1. September 1939 oder den militärischen Erfolgen polnischer Militäreinheiten, die gemeinsam mit anderen Staaten gegen das nationalsozialistische Deutschland gekämpft hatten. Die Grafiker erinnerten auch an Vertreter der Exilregierung Polens in London, an die „Delegatur“ der Exilregierung im polnischen Untergrundstaat und an Befehlshaber der polnischen Streitkräfte – politische und militärische Autoritäten Polens, die aus der Zweiten Republik Polen hervorgegangen waren und daher in der kommunistischen Geschichtsschreibung und Erinnerungspolitik vor allem negativ abgehandelt wurden. Außerdem widmeten sie sich Themen, die offiziell vermieden und verschwiegen wurden, dazu gehörten der Einmarsch der Sowjetunion in Polen am 17.  September  1939, der vom sowjetischen Geheimdienst verübte Massenmord an polnischen Militärangehörigen im Jahr 1940, unter dem Schlagwort „Katyn“ bekannt, und die Deportation von Polen nach Sibirien infolge der sowjetischen Besetzung des Landes. Das Thema „Warschauer Aufstand“ ist auf den Publikationen der Untergrundpost ebenso häufig vertreten wie das Thema „Katyn“, das im Zweiten Umlauf ebenfalls Schlüsselbedeutung für die Unterwanderung des offiziellen Informations- und Deutungsmonopols und das Selbstverständnis der Oposition hatte.4 Doch auch die staatliche Polnische Post griff das Ereignis auf und brachte zum 40. Jahrestag des Aufstandes im Jahr 1984 einen Satz von vier Briefmarken heraus, der eingängige Szenen des Aufstandes festhält und in einer Auflage von insgesamt fast 25 Millionen Exemplaren zur Verfügung stand. Zu sehen sind auf historischen Fotos eine Gruppe Aufständischer beim Appell (siehe Abb.  45), ein Briefträger der damaligen Feldpost (siehe Ab. 46), kämpfende Aufständische (siehe Abb. 47) und die Versorgung eines 4 Plate, Verbrechen, S. 256-279.

8.1 Der Warschauer Aufstand

139

Abb. 45 bis 48 Staatliche Post der Volksrepublik Polen, Serie von vier Briefmarken: 40. Jahrestag des Warschauer Aufstandes, 1984.

Verwundeten (siehe Abb.  48).5 Wird diese Serie neben einen ähnlich aufgebauten 4er-Satz bzw. einen 6er-Satz der Untergrundpost gestellt,6 lässt sich an der Auswahl der Bildmotive allein nicht ablesen, welche Briefmarkenreihe von der offiziellen Post und welche von der imitierten Post der Opposition stammt. Nur die Bezeichnung Poczta Solidarność ordnet die Untergrundbriefmarken eindeutig dem oppositionellen Herausgeber zu. Das Ereignis des Warschauer Aufstandes war in den 1980er Jahren demnach im offiziellen Publikationsumlauf kein Tabu, und es gab anscheinend Gemeinsamkeiten in der offiziellen und der oppositionellen Darstellung. Trotzdem überließen die Akteure der Unabhängigen Post das Thema nicht der offiziellen Deutungspolitik, vielmehr verewigten sie es jahrelang und entwickelten ein ungleich breiteres Bildmotivspektrum als die staatliche

5 Information zu dem Briefmarkensatz in: Firma Handlowo-Usługowa Andrzej Fischer, Katalog … 2012, S. 418, Nr. 2782-2785. 6 Abb. 49 sowie Abb. 55. Beide Sätze werden auf das Jahr 1987 datiert.

140

Abb. 49

8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

Untergrundpost, Serie von sechs Untergrundbriefmarken der Poczta Solidarność: [Teilnehmer des Warschauer Aufstandes], [1987].

Polnische Post.7 Offenbar bestand in den Reihen der Opposition ein deutliches Interesse an dem Thema, andernfalls wäre es nicht zu der „Besetzung“ desselben gekommen. Daher wird es in der Analyse ausgewählter Beispiele des Bildmotivkomplexes „Warschauer Aufstand“ sowohl um Gemeinsamkeiten als auch um Unterschiede zur offiziellen Deutung des Warschauer Aufstandes gehen. Vorangestellt wird eine Einführung in das historische Ereignis und in die Auseinandersetzung mit dem Aufstand in der offiziellen Sphäre und im oppositionellen Milieu. Der Warschauer Aufstand und die (in-)offizielle Aneignung in der Volksrepublik Polen Der Warschauer Aufstand begann am 1.  August  1944 unter der Führung der Heimatarmee (Armia Krajowa – AK). Sie war der militärische Arm der legal gewählten polnischen Regierung, die sich in London im Exil befand. Der Aufstand dauerte 63 Tage und endete mit der militärischen Kapitulation der polnischen Unabhängigkeitskämpfer vor den deutschen Besatzern.8 Diese hatten Warschau bereits im September 1939 eingenommen, woraufhin 8.1.1

7 Die Untergrundbriefmarken zeigen Kampfszenen, Waffen, militärische Abzeichen, his­ torische Plakate sowie Briefmarken, die Tätigkeit der Feldpost, Porträts militärischer Führungspersonen sowie von Dichtern des Warschauer Aufstandes. Siehe beispielsweise FSO  2-005 Xp 0092 bis Xp 0121. Die Briefmarken der staatlichen Polnischen Post zeigen außer den oben genannten vier Bildern (Ausgabejahr 1984) auch eine stilisierte Kampfszene (Ausgabejahr 1964). Abbildung der Briefmarke aus dem Jahr 1964 in: Firma HandlowoUsługowa Andrzej Fischer, Katalog … 2017, S. 164, Nr. 1365. 8 Ausführlich dazu: Borodziej, Warschauer Aufstand; Benecke, Warschauer Aufstand, S. 13-26; Mazur, Gründe, S. 23-43.

8.1 Der Warschauer Aufstand

141

der polnische Untergrundstaat aufgebaut worden war. Doch fünf Jahre später schien der deutsche Feind im Zusammenbruch begriffen, was die Entscheidung für den Aufstand deutlich forcierte. Hinzu kam, dass die Rote Armee bereits den Bug überschritten hatte, in Chełm gemeinsam mit den polnischen Kommunisten ein vorläufiges Exekutivkomitee, das Polnische Komitee der Nationalen Befreiung (PKWN), aufgestellt und Lublin eingenommen hatte. Die Einsetzung eines von der Sowjetunion abhängigen Machthabers bedeutete einen grundlegenden Schritt zur Verwirklichung der kommunistischen Machtübernahme in Polen. Als am 31. Juli bei der Leitung der Armia Krajowa die Nachricht einging, dass die sowjetische Armee auch die Warschauer Vororte auf dem östlichen Weichselufer erreicht habe, gab sie den Befehl für den Beginn des Aufstandes am 1. August. Ziel war es, die nationalsozialistischen Besatzer Warschaus zu besiegen, die polnische Hauptstadt von der AK besetzen und die sowjetische Armee nicht einziehen zu lassen und somit die Handlungsfähigkeit des souveränen polnischen Staates zu demonstrieren, und zwar nicht nur Hitler gegenüber. Auch Stalin sollte gezwungen werden, die polnische Souveränität und die Londoner Exilregierung als gleichberechtigten Partner anzuerkennen. An der Seite der AK kämpften Vertreter weiterer Untergrundorganisationen, die die Exilregierung anerkannten, sowie auch Einheiten der entgegengesetzten politischen Stoßrichtung wie die kommunistische Volksarmee (Armia Ludowa – AL).9 Die Kämpfer, deren Ausbildung von „sehr unterschiedlicher Qualität“ war,10 waren insgesamt unzureichend mit Waffen ausgestattet, so dass sich der zunächst erfolgreiche Aufstand bald zugunsten des übermächtigen deutschen Gegners wendete, der auch nicht davor zurückschreckte, die Zivilbevölkerung als Schutzschild einzusetzen und Massaker an ihr zu verüben. Die militärische Hilfe der westlichen Alliierten blieb mit einigen wenigen Versorgungsflügen mit Waffen und Lebensmitteln für die Aufständischen unzureichend. Die Rote Armee wartete auf dem östlichen Weichselufer ab und demonstrierte, dass Stalin seine seit Kriegsbeginn konstant feindselige Politik gegenüber Polen weiterbetrieb. Trotz des extremen Kampfgeschehens auf engem Raum existierte die Zivilgesellschaft auch in den umkämpften Stadtteilen weiter. Die Zivilverwaltung des Untergrundstaates organisierte – den Umständen entsprechend 9 Zum Beispiel Einheiten der Nationalen Militärorganisation (Narodowa Organizacja Wojskowa), der Nationalen Bewaffneten Kräfte (Narodowe Siły Zbrojne), Kampfeinheiten der Polnischen Sozialistischen Partei (Polska Partia Socjalistyczna) und die Militärischen Einheiten des Sicherheitskorps (Oddziały Wojskowe Korpus Bezpieczeństwa), das während der Kriegsjahre zwischen der AK und der AL lavierte. Krajewski/Łabuszewski, Wstęp, S. 7-9, hier 7; Peters, Revolution, S. 276 und 286. 10 Benecke, Warschauer Aufstand, S. 13-26, hier 18.

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

unterschiedlich erfolgreich – die Ernährung, Unterbringung und Krankenpflege, den Transport und die Kommunikation. Es gab verschiedene lokale Hörfunkstationen und Pressetitel und eine Post, die sowohl vom Militär als auch der Zivilbevölkerung genutzt wurde. Auch Geschäfte waren geöffnet und es fanden Gottesdienste und kulturelle Veranstaltungen statt. Der Warschauer Aufstand endete am 2.  Oktober 1944 mit der förmlichen Kapitulation der AK. Schätzungen zufolge starben bis zu 200.000 Menschen, darunter zirka 15.000 Soldaten. Zirka  350.000 Zivilisten wurden vertrieben oder zur Zwangsarbeit und in Konzentrationslager verschleppt. Etwa 18.000 AK-Angehörige kamen in Gefangenenlager. 30 Prozent der Warschauer Bausubstanz waren bereits während des Aufstandes zerstört worden. Nach dem Befehl Hitlers, die Stadt komplett zu vernichten, lag Warschau am Ende der deutschen Besatzungszeit zu etwa 80 Prozent in Schutt und Asche. Der offizielle Umgang mit dem Warschauer Aufstand veränderte sich in der Volksrepublik Polen abhängig von den politischen Entwicklungen. So wurden in der Phase des Stalinismus in Polen ehemalige AK-Soldaten verfolgt, inhaftiert oder gar ermordet und griffen staatliche Repressionen auch auf deren Familien über. Die Folge war, dass die Erinnerung an den Aufstand nur in privater Initiative und im familiären Kontext gepflegt werden konnte, denn in der Öffentlichkeit war sie unter Strafe verboten. Dieses Vorgehen wurde offiziell mit der drohenden existentiellen Gefahr für die Volksrepublik begründet, die von den ehemaligen AK-Kämpfern und der Erinnerung an den Warschauer Aufstand angeblich ausgehen würde.11 Doch letztlich ließ sich der Aufstand in der offiziellen Sphäre nicht ignorieren; dafür war die Zahl der Toten und Verwundeten und der aus Warschau Ausgesiedelten zu hoch und prägte diese Erfahrung zu viele Lebensläufe und Familiengeschichten. Auch die Auswirkungen der Zerstörung Warschaus waren zu nachhaltig gewesen, als dass sie hätten ignoriert werden können – schließlich hatte die Stadt komplett wiederaufgebaut werden müssen.12 Anstatt vollständigen Verschweigens in der offiziellen Sphäre wurde vielmehr nach dem Ende des Stalinismus, in der Phase des „Tauwetters“, mit Hilfe der staatlichen Geschichtspolitik und des zensierten Publikationswesens ein Bild vom Warschauer Aufstand vermittelt, das weder die Legitimation der Machthaber der Volksrepublik Polen noch das bestehende Bündnis zwischen der Volksrepublik und der Sowjetunion in Frage stellte. Diese als einzig richtige 11 In seiner einschlägigen Monographie über die Erinnerungsgeschichte des Warschauer Aufstandes widmet Napiórkowski dieser Phase zwei Kapitel, Napiórkowski, Powstanie, S. 200-220. 12 Huber, Warschau, S. 63-88.

8.1 Der Warschauer Aufstand

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dargestellte Deutung wurde in ihrer Grundstruktur bis zum Ende der Volksrepublik aufrechterhalten. Sie bestand darin, den Aufstand als „politische Dummheit“ und strategischen Fehler zu verurteilen, und die Initiatoren des Aufstandes, also die Führung der Armia Krajowa und die polnische Exilregierung in London, als „politisch verantwortungslos“ Handelnde, „machthungrige“ und vom „Egoismus ihrer gesellschaftlichen Klasse“ Verblendete zu diskreditieren. Dagegen wurden die Soldaten, deren Zugehörigkeit zu unterschiedlichen militärischen Organisationen und dahinter stehenden politischen Lagern für unbedeutend erklärt wurde, sowie die anderen einfachen Teilnehmer des Aufstandes enthusiastisch gewürdigt.13 Mit der Verurteilung der politischen und militärischen Führung des Aufstandes konnten gleichzeitig die abweisende Haltung Stalins und die passive Rolle der sowjetischen Armee im Warschauer Aufstand übergangen, von der geringen Bedeutung des kommunistischen Widerstands abgelenkt und die Einsetzung des PKWN, der polnischen kommunistischen Verwaltung unter sowjetischer Ägide, in Lublin im Juli 1944 als Befreiung dargestellt werden.14 In dem so abgesteckten Rahmen, in dem die Legitimation der kommu­ nistischen Machthaber in der Volksrepublik Polen inbegriffen war, wurde der 1. August als Jahrestag des Beginns des Aufstandes in das offizielle Funktionsgedächtnis aufgenommen. Über seine Ausgestaltung entschied das Zentralkomitee der PZPR entsprechend der gerade praktizierten restriktiveren oder moderateren politischen Linie.15 So übertrugen Funk und Fernsehen beispielsweise die offiziellen Feierlichkeiten der Staatsvertreter am 20. und 25. Jahrestag im ganzen Land.16 Auch gab die Polnische Post zum 1. August 1964 zum ersten Mal eine Briefmarke zum Warschauer Aufstand aus, die eine stilisierte Kampfszene zeigt.17 In den 1980er Jahren setzte das Jaruzelski-Regime die offizielle Erzählung vom Warschauer Aufstand für seine national akzentuierte Selbstinszenierung ein. Diese hatte zum Ziel, dem angesichts der Existenz und der Aktivitäten der Oppositionsbewegung überdeutlich gewordenen Legitimitätsverfall der Machthaber Einhalt zu gebieten und das gesellschaftliche Vertrauen wiederzuerlangen.18 Gegen die in der Gesellschaft weit verbreitete Einstellung, die Machthaber seien von der UdSSR gesteuert, setzten diese auf das offensive 13 14 15 16 17 18

Sawicki, Bitwa, S. 188 und 206, Zitate 188. Peters, Revolution, S. 312; Sawicki, Bitwa, S. 207. Sawicki, 1944-1989, S. 11-29, hier 16 f. und 19 f. Borodziej, Warschauer Aufstand, S. 211. Abbildung in: Firma Handlowo-Usługowa Andrzej Fischer, Katalog … 2017, S. 164, Nr. 1365. Peters, Revolution, S. 311.

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

Bekenntnis, zur polnischen Nation zu gehören und diese zu repräsentieren.19 Dazu boten sich 1984 insbesondere die offiziellen Veranstaltungen zum 40.  Jahrestag des Warschauer Aufstandes an, die in Warschau und anderen Städten abgehalten wurden und über die in der offiziellen Presse sowie im Radio und Fernsehen berichtet wurde. Die zentralen Feierlichkeiten in Warschau, an denen Wojciech Jaruzelski als Erster Sekretär des Zentralkomitees der PZPR sowie Vorsitzender des Ministerrates und Vertreter der Partei- und der Staatsführung, staatlicher Kombattantenverbände und der Stadt Warschau teilnahmen, umfassten mehrere öffentlich sichtbare Veranstaltungen und Initiativen: die Grundsteinlegung für das Aufstandsdenkmal, das bereits zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen der Opposition und der staatlichen Seite geführt hatte und schließlich erst 1989 enthüllt wurde,20 einen feierlichen Wachwechsel am Grab des Unbekannten Soldaten, Kranzniederlegungen und Feierstunden, eine wissenschaftliche Konferenz, eine Ausstellung im städtischen Historischen Museum der Hauptstadt und auch die Herausgabe des eingangs angeführten Briefmarkensatzes der Polnischen Post.21 Die umfangreiche und aufwendige staatliche Inszenierung des 40. Jahrestages trat nicht wie aus dem Nichts hervor, sondern war der Höhepunkt einer langjährigen Entwicklung, die in der Phase des „Tauwetters“ begonnen hatte. Seitdem wandelte sich der Warschauer Aufstand in der offiziellen Geschichtspolitik im Laufe der Jahrzehnte vom verfemten Randthema zur integrativen Erzählung vom Heldentum der einfachen Kämpfer, inklusive der nichtkommunistischen, und dem polnischen Widerstand gegen die deutsche Besatzung und wurde bei Bedarf von den staatlichen Machthabern genutzt, um sich national-patriotisch zu inszenieren.22 Entsprechend der politisch vertretenen Linie zensiert,23 wurden wissenschaftliche Abhandlungen, Erinnerungsliteratur und belletristische Werke veröffentlicht. Auch mehrere Spielfilme entstanden in der Volksrepublik. Als einer der wichtigsten, und 19 20

Zaremba, Gewande, S. 394-397. Zum Streit um das Denkmal des Warschauer Aufstandes siehe Peters, Revolution, S. 303 f., 323-328 und 333-337. 21 [o. Verf.], Bogaty program, S. 1; [o. Verf.], 40 rocznica, S. 1 f.; PAP, W 40 rocznicę wybuchu, S. 1 f.; PAP, Obchody, S. 2; PAP, Requiem polskie, S. 2; PAP, 40 rocznica, S. 1 f. 22 Eine umfassende Darstellung des offiziellen Umgangs mit dem Warschauer Aufstand bis 1980 bietet Peters, Revolution, S. 275-290. 23 Siehe beispielsweise die Zensurvorschrift vom 6. Juli 1976, alle Ereignisse der neuesten polnischen Geschichte zu streichen, welche die „dem sozialistischen Polen feindlichen Traditionen rehabilitieren und verbreiten“, wozu u. a. der nichtkommunistische Widerstand des Warschauer Aufstandes gehörte, in: [o. Verf.], Czarna Księga, S. 60. Siehe zur Darstellung des Warschauer Aufstandes in der Literatur des sozialistischen Realismus: Buryła, Zdradzeni, S. 147-173; Król, Perzeptionen, S. 171-183, hier 173 f.

8.1 Der Warschauer Aufstand

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auch umstrittensten, erwies sich „Der Kanal“ (Kanał) des Regisseurs Andrzej Wajda aus dem Jahr 1957.24 Eine ergänzende oder auch prägende Rolle spielten, vor allem für Historiker und andere Geisteswissenschaftler, die im Exil entstandenen wissenschaftlichen und autobiographischen Publikationen. Die Autoren vertraten mehrheitlich eine affirmative Interpretation des Aufstandes und hinterfragten nur in seltenen Fällen die damalige Strategie des Untergrundstaates. Somit präsentierten sie eine Gegennarration zu der offiziell in der Volksrepublik zugelassenen Deutung. Allerdings war die Rezeption wegen der Zensur- und der Zollbestimmungen in Polen stark eingeschränkt.25 Mit der demonstrativen Aneignung der Erinnerung an den Warschauer Aufstand, die in den Feierlichkeiten im Jahr 1984 kulminierte, beanspruchte der Staat allerdings nicht allein die Deutungshoheit. Von Veteranen und deren Angehörigen im privaten Rahmen kultiviert und ab Mitte der 1970er Jahre von der entstehenden Opposition thematisiert, gehörte der Warschauer Aufstand in der Oppositionsbewegung der 1980er Jahre von Anfang an zum Kanon der Themen, die der „Entlügung“ (odkłamanie), so die damals übliche Bezeichnung, unterzogen wurden.26 Beispielsweise gründete sich bereits in den 16 Monaten der legalen Aktivitäten der Solidarność die Landeskoordinierungskommission für Bildung und Erziehung der Solidarność (Krajowa Komisja Koordynacyjna Oświaty i Wychowania NSZZ „Solidarność“), die mit Vertretern des Bildungsministeriums über die Überarbeitung der Lehrpläne im Unterrichtsfach Geschichte verhandelte. Bezogen auf die nichtkommunistischen und kommunistischen bewaffneten Untergrundeinheiten im besetzten Polen, Armia Krajowa, Bauernbataillone (Bataliony Chłopskie – BCh) und Armia Ludowa, die im Warschauer Aufstand gekämpft hatten, forderte die Bildungskommission der Solidarność, deren „Aktivitäten in angemessenen Proportionen“ darzustellen, und zwar ohne „Überbieten, welche der Untergrundströmungen engagierter war“.27 Außerdem sollten im Geschichtsunterricht die Gründe der damaligen Akteure für und gegen die Entscheidung, den Aufstand auszurufen, sowie die kontroverse Bewertung des Aufstandes diskutiert werden.28 Die Reform der Geschichtslehrpläne wurde zwar staatlicherseits ausgebremst,29 24 Zur Darstellung des Warschauer Aufstandes im Film „Der Kanal“ und dessen Wirkung siehe Kurz, Obraz, S. 223-242; Król, Perzeptionen, S. 171-183, hier 176-179. 25 Król, Perzeptionen, S. 171-183, hier 175 f. und 179-182. 26 [o. Verf.], Historia, S. 8-9, hier 8. 27 [o. Verf.], Historia, S. 8-9, hier 8, dort auch die Zitate. 28 NSZZ „Solidarność“, Propozycje, S. 27, FSO 2-001 Ep 2048. 29 Zu den von der Solidarność betriebenen Reformbemühungen im Bildungswesen, insbesondere im schulischen Geschichtsunterricht siehe Peters, Revolution, S. 129-133.

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doch steht sie beispielhaft dafür, dass die Oppositionsbewegung das staatliche Monopol auf die Deutung und Vermittlung des Warschauer Aufstandes grundsätzlich in Frage stellte. Diese Stoßrichtung wurde auch durch andere Aktivitäten mit Bezug zum Warschauer Aufstand befördert, die in der Entstehungsphase der Solidarność, aber auch nachdem sich die Opposition in den Untergrund zurückziehen musste, außerhalb der offiziellen Zensur vorangetrieben wurden. Im Zweiten Umlauf erschienen Presseartikel und Monographien zum Warschauer Aufstand, zum Teil waren es Nachdrucke von in der polnischen Emigration verfassten Publikationen. Ebenso waren Vorträge, die anschließend gedruckt zirkulierten,30 und Gedenkveranstaltungen zu den Jahrestagen wiederkehrende Bestandteile der Auseinandersetzung mit dem Ereignis im oppositionell eingestellten Milieu.31 Es ging der Oppositionsbewegung also darum, ein Thema, das in offiziell zugelassenen Publikationen und Veranstaltungen mit einer zensierten Deutung belegt war, selbst zu interpretieren. Anhand der Bildmotive der einfachen Aufständischen sowie der Führungspersonen auf den Untergrundbriefmarken soll untersucht werden, welche Deutungen die oppositionell eingestellten Akteure der Untergrundpost der offiziellen Narration vom Warschauer Aufstand entgegensetzten. 8.1.2 Analyse ausgewählter Bildbeispiele: Typen und Individuen Aufstände werden von Menschen gemacht. Im Blickpunkt der Bildautoren der Untergrundbriefmarken standen die einfachen Aufstandskämpfer, flankiert werden die Darstellungen von Untergrundbriefmarken mit Porträts der militärischen und politischen Führungskräfte des damals besetzten Polen.32 Mit diesem Personal wird ein durchweg positives Bild vom Warschauer Aufstand geprägt, das schmerzhafte und strittige Aspekte unbeachtet lässt.

30 Zum Beispiel die Beiträge einer wissenschaftlichen Tagung im Sammelband: Archikonfraternia Literacka u. a., Powstanie, 2-001 Ep 1548. Zum Beispiel der im Rahmen der „Gesellschaft für Wissenschaftliche Kurse“ (Towarzystwo Kursów Naukowych – TKN) von Władysław Bartoszewski gehaltene Vortrag über den polnischen Untergrundstaat, der den Warschauer Aufstand mitbehandelt: Bartoszewski, Polskie państwo, FSO 2-001 Ep 1379. 31 Einen Überblick über einschlägige Titel gibt Cubała, Powstanie, S. 199-221, hier 217. Zu den Gedenkveranstaltungen zum Ausbruch des Warschauer Aufstandes siehe die Berichterstattung zu den Jahrestagen am 1. August in den Untergrundzeitungen, beispielsweise: KOS, FSO  2-002 Gp  250; Tygodnik Mazowsze, FSO  2-002 Gp  563; Wola, FSO  2-002 Gp 605. 32 Zur Analyse der Visualisierungen des Warschauer Aufstandes im Zweiten Umlauf siehe auch Peters, Abenteuer.

8.1 Der Warschauer Aufstand

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Typen: die einfachen Teilnehmer des Warschauer Aufstandes Auf den Untergrundbriefmarken werden unterschiedlichste Aufständische gezeigt: einfache Soldaten, allein mit ihrem Gewehr oder zu mehreren in Kampfhandlungen verwickelt,33 Sanitäterinnen mit großer Umhängetasche, die Verwundete versorgen oder zumindest dafür ausgerüstet sind,34 in Bewegung festgehaltene Meldegängerinnen,35 Jungen, die einen Soldatenhelm und/oder eine Waffe tragen, die wie Soldaten kämpfen,36 Sabotageakte ausüben oder als Briefträger der Feldpost tätig sind (siehe Abb. 49 und 55). Die Personengruppe der Aufständischen wird also nicht nur auf Männer als Soldaten beschränkt, sondern umfasst auch Jungen als militärisch ausgestattete Kämpfer sowie Frauen, Mädchen und Jungen als aktive Aufstandsteilnehmer in weiteren Funktionen. Selbst wenn die Bildautoren die dargestellten Personen nicht mit Hilfe der Worte „Warschauer Aufstand“ oder der Jahreszahl „1944“ als Aufstandsteilnehmer bestimmten, stellten sie mittels einer weiß-roten Armbinde den Bezug zum Aufstand her.37 Die Armbinde in den Nationalfarben war damals das Erkennungszeichen der Aufständischen gewesen, da sie nicht über einheitliche Uniformen verfügt hatten. Der Regisseur Andrzej Wajda stattete in seinem Film Kanał (1957) seine Figuren mit solchen Armbinden aus, was dazu führte, dass sich diese in der Rezeption des Aufstandes als Symbol für die Aufständischen verfestigte und auch in Filmen anderer Regisseure eingesetzt und auf diese Weise offiziell akzeptiert popularisiert wurde.38 Die weiß-rote Armbinde war nun mit den Warschauer Aufständischen konnotiert und ein geläufiges Symbol. Bemerkenswert ist, dass das Symbol auch in einem neuen Kontext verwendet wurde: Die Armbinde in den Nationalfarben tauchte bei den Streikenden in der Entstehungszeit der Solidarność-Bewegung als Gruppensymbol auf und wurde darüber hinaus im Laufe der 1980er Jahre auf Demonstrationen und Gedenkveranstaltungen getragen. Sie verband die Oppositionellen der Gegenwart mit den Aufständischen der Besatzungszeit und galt als Ausdruck des Patriotismus, der Entschlossenheit und des

33 Beispielsweise FSO 2-005 Xp 0106/2; FSO 2-005 Xp 0098/1 bis Xp 0098/3. 34 Beispielsweise FSO 2-005 Xp 0106/2. 35 Beispielsweise Abbildung in: Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 198284, S. 61, Nr. 215. 36 Beispielsweise FSO 2-005 Xp 0099; FSO 2-005 Xp 0110. 37 Beispielsweise FSO 2-005 Xp 0099; Abb. 49. 38 Kurz, Obraz, S. 223-242, hier 229.

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

Kampfgeistes der oppositionellen Akteure.39 Auf diese Rückkoppelung der oppositionellen Bewegung wird noch eingegangen. Für die Darstellungen der Akteure ließen sich die Bildurheber der Untergrundbriefmarken teilweise offenbar von Fotos, die während des Warschauer Aufstandes entstanden waren, inspirieren. So weist die Abbildung eines Soldaten in gespannter Haltung mit Gewehr im Anschlag auf der Untergrundbriefmarke einer Serie der Poczta Solidarność aus dem Jahr 1988 große Ähnlichkeit mit der Haltung des Soldaten auf einem Foto des Fotografen Eugeniusz Haneman vom 25.  August  1944 auf, das dieser als Fotodokumentar des Warschauer Aufstandes gemacht hatte.40

Abb. 50 Untergrundpost, Untergrundbriefmarke einer Serie der Poczta Solidarność: Polen 1.VIII.1944, [1988].

Einer Untergrundbriefmarke aus demselben Satz, die einen Aufständischen mit angelegtem Gewehr hinter einem Trümmerhaufen zeigt, scheint ein Foto des Fotografen Wiesław Chrzanowski vom August 1944 als Vorlage gedient zu haben.

39 Modzelewski, Symbolika, S. 229-279, hier 256 f. 40 Außerdem wurde es für die Untergrundbriefmarke des Briefmarkenblocks der Poczta MKS Nowa Huta verwendet, FSO 2-005 Xp 0114.

8.1 Der Warschauer Aufstand

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Abb. 51

[Foto einer Kampfszene des Warschauer Aufstandes], ca. 25.8.1944, Fotograf: Eugeniusz Haneman.

Abb. 52

Untergrundpost, Untergrundbriefmarke einer Serie der Poczta Solidarność: Polen 1.VIII.1944, [1988].

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Abb. 53

8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

[Foto einer Kampfszene des Warschauer Aufstandes], Ende August 1944, Fotograf: Wiesław Chrzanowski.

Beide Fotos wurden in einem Bildband publiziert, der im „Jubiläumsjahr“ 1984 in zweiter Auflage in einem staatlichen Verlag erschien.41 Ein weiteres Beispiel ist die Untergrundbriefmarke aus dem Jahr 1987 mit dem Bild eines Soldaten in aufrechter Haltung, an dessen Arm lässig ein Maschinengewehr hängt (siehe Abb. 49). Hierfür wird wohl ein Foto vom Aufstandskämpfer Roman Marchel die Grundlage gewesen sein, der während des Warschauer Aufstandes in derselben Pose abgelichtet worden war.42 Das Foto von Marchel war bereits im Jahr 1957 in einem Fotoband über Warschau während des Zweiten Weltkrieges, erschienen im offiziellen Umlauf im Warschauer Verlag Iskry,43 veröffentlicht worden sowie auch in anderen, später erschienenen Bildbänden.44 Außerdem wurden Darstellungen von Kindern in soldatischer Haltung auf den Unter-

41 Kopf, Dni powstania, S. 103 und 253. 42 Eintrag zu Roman Marchel auf der Webseite des Museums des Warschauer Aufstandes unter http://www.1944.pl/powstancze-biogramy/roman-marchel,29750.html (acc. 6.9.2020). 43 [o. Verf.], Miasto, ohne Seitenzahlen. 44 Kopf, Dni powstania, S. 230. Zur Erläuterung dieser Untergrundbriefmarke siehe [o. Verf.], Podziemny znaczek, S. 7.

8.1 Der Warschauer Aufstand

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grundbriefmarken publiziert, die ebenfalls in Bildbänden zu finden sind.45 Doch nicht nur Bildbände machten historische Fotos zugänglich. In den 1980er Jahren wurden auch offiziell Ausstellungen zum Warschauer Aufstand gezeigt, die unter anderem Fotografien präsentierten. Einschlägig war die Ausstellung „Warschau kämpft. Die 63 Tage des Warschauer Aufstandes“ (Warszawa walczy. 63 dni Powstania Warszawskiego), die 1982 in der Hauptstadt  2,3 Millionen und in Lodz mehr als eine Million Besucher anzog und auch in anderen Städten gezeigt wurde.46 Auch im Museum der Erzdiözese Warschau wurde 1984 eine Ausstellung unter dem Titel „Im Gedenken des Warschauer Aufstandes“ (Pamięć dedykowana Powstaniu Warszawskiemu) präsentiert.47 Bildmaterial des Warschauer Aufstandes konnte also unter legalen Umständen in Bildbänden und Ausstellungen betrachtet und abgezeichnet werden, wobei Letzteres im Falle der Ausstellungen schwierig gewesen sein wird. Allerdings schildert der Grafiker Andrzej Znojkiewicz im Zeitzeugeninterview ein solches Vorgehen in einer vergleichbaren Situation, und zwar in einem unter Aufsicht stehenden Bibliothekslesesaal.48 Bei der Briefmarkengestaltung auf Fotos zurückzugreifen, war ein gängiges Verfahren, das nicht nur in der Untergrundpost eingesetzt wurde. Auch die staatliche Polnische Post wandte es für ihren 4er-Briefmarkensatz an (siehe Abb. 45 bis 48).49 Obwohl die Bildautoren der angeführten Untergrundbriefmarken augenscheinlich Bilder von existierenden Aufstandskämpfern verwendeten, benann­ ten sie diese auf den Untergrundbriefmarken nicht mit Namen. Ein plausibler Grund wäre, dass die Akteure des Aufstandes für die Fotos damals nicht namentlich identifiziert worden waren, so dass ihr Name nicht im Zusammenhang mit dem betreffenden Foto auftauchte.50 Abgesehen von den Bildern von existierenden, aber namenlosen Aufständischen müssen aber auch nicht alle dargestellten Aufständischen auf den Untergrundbriefmarken auf Bildmaterial aus der Zeit des Warschauer Aufstandes zurückgehen. Möglicherweise 45 Auch diese Bildmotive gehen zum Teil auf historische Fotos zurück, beispielsweise: Untergrundbriefmarke FSO 2-005 Xp 0099, dazu als Fotovorlage: [o. Verf.], Miasto, ohne Seitenzahlen; Kopf, Dni powstania, S.  106. Untergrundbriefmarkenblock FSO  2-005 Xp 0110, als Fotovorlage: Kopf, Dni powstania, S.  55. Fotovorlage zu Abbildung  54 in diesem Buch: [o. Verf.], Miasto, ohne Seitenzahlen. 46 Peters, Revolution, S. 319 f. 47 A.M., Pamięć, S. 14. 48 Zeitzeugeninterview mit Znojkiewicz (Warszawa, 26.9.2010). 49 Siehe Information zu dem Briefmarkensatz in: Firma Handlowo-Usługowa Andrzej Fischer, Katalog … 2012, S. 418, Nr. 2782-2785. 50 So bleiben zum Beispiel auch alle fotografierten Personen im Bildband aus dem Jahr 1957 anonym. [o. Verf.], Miasto, ohne Seitenzahlen.

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

ließen sich manche Grafiker der Untergrundbriefmarken auch anderweitig inspirieren, um Aufständische zu zeichnen. Insgesamt läuft dies darauf hinaus, dass nicht eine persönliche Einzigartigkeit und individuelle Identifizierbarkeit des einzelnen (existierenden) Aufstandsteilnehmers im Vordergrund der Personendarstellungen auf den Untergrundbriefmarken steht. Die Aufständischen auf den Untergrundbriefmarken fungieren hier als Typen und nicht als Individuen. Auf diese Weise entsteht der Eindruck der Massenmobilisierung der durch zweierlei gestützt wird: Zum einen werden Aufstandsteilnehmer jeder Altersstufe und beiderlei Geschlechtes gezeigt, was suggeriert, dass die Warschauer Bevölkerung (in klassischen geschlechtsspezifischen Rollen) in Gänze aktiv am Aufstand beteiligt gewesen war. Zum anderen kommt die Zivilbevölkerung in diesem Bildmotivkomplex nicht vor, obgleich es damals eine funktionierende Zivilverwaltung gegeben und auch ein kulturelles Leben stattgefunden hatte. Den Bildmotiven zufolge scheint es im Warschauer Aufstand jedoch nur Aufständische gegeben zu haben. Weiter erzeugt die Präsentation der typenhaften Aufstandsteilnehmer in ihrer Funktion als Soldat, Sanitäterin, Meldegängerin und Briefträger das Bild eines funktional geplanten und durchgeführten militärischen Ereignisses, wobei die mangelhafte Ausstattung der Aufständischen und das Chaos im umkämpften Warschau ausgeblendet sind. Die Fokussierung auf die Typisierung und die Funktionstüchtigkeit der Aufständischen wird zusätzlich durch die Szenerie unterstützt: Auf den Untergrundbriefmarken befinden sich die Akteure des Warschauer Aufstandes jeweils vor einem unspezifizierten Hintergrund: Zum einen ist um sie herum gar nichts weiter abgebildet, so dass beispielsweise die Bilder der Uniformierten an Fotos selbstbewusster und siegessicherer Soldaten erinnern, wie sie einst in Fotoateliers entstanden.51 Zum anderen sind Barrikaden, Trümmer oder Ruinen angedeutet, die allerdings keine Hinweise auf konkrete Warschauer Stadtteile oder bekannte umkämpfte Gebäude geben.52

51 Siehe auch FSO 2-005 Xp 0099. 52 Weitere Beispiele: FSO  2-005 Xp 0098/1; FSO  2-005 Xp 0098/2. Siehe auch Abb.  55 in diesem Buch. Eine Ausnahme stellt der Untergrundbriefmarkenblock der Poczta Polowa unter dem Titel „Den Soldaten der Armia Krajowa zum vierzigsten Jahrestag des Warschauer Aufstandes“ (Żołnierzom Armii Krajowej w czterdziestą rocznicę Powstania Warszawskiego) dar. Auf den drei Bildern sind die Warschauer Stadtsilhouette bzw. ein vereinfachter Stadtplan zu sehen, FSO 2-005 Xp 0115.

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Abb. 54 Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der Poczta Solidarność: Warschauer Aufstand, [1988].

Abb. 55

Untergrundpost, Serie von vier Untergrundbriefmarken der Poczta Solidarność: Warschauer Aufstand 1944, [1987].

Im Unterschied zu den Bildmotivkomplexen „1980 – Entstehung der Solidarność“ und „1981 – Kriegszustand“, in denen die tatsächlichen Schauplätze gezeigt oder benannt werden, werden hier keine Kampfplätze im Bild festgehalten, die exakt zugeordnet werden können. Offenbar ging es den Bildautoren vor allem darum, mit Hilfe der Körperhaltung der Soldaten und der anderen Akteure sowie mittels Trümmer oder Ruinen als Beiwerk zu betonen,

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dass hart und entschlossen gekämpft worden war, und weniger, wo genau in Warschau die Kämpfe stattgefunden hatten. So konnte gegen den in der kommunistischen Geschichtsschreibung der Volksrepublik vertretenen Vorwurf angegangen werden, die Soldaten der Armia Krajowa hätten „Gewehr bei Fuß“ gestanden, während der kommunistische Widerstand, also die Soldaten der Armia Ludowa, die aktiven Kämpfer gewesen seien.53 Nicht zuletzt unterstreicht die für Kampfhandlungen typische Kulisse abermals die Typenhaftigkeit der Aufständischen. Die Einzelbriefmarken und Serien der Untergrundpost, auf denen die Typen des Aufstandes mit dem verbindenden Symbol der weiß-roten Armbinde sowie in Interaktion dargestellt werden, vermitteln den Eindruck des Zusammenhalts und des gemeinsamen Handelns (siehe Abb. 49 und 55).54 Die Darstellung von tatkräftigen Typen mit unterschiedlichen, aber gleichermaßen sinnvollen Funktionen, die die Geschicke während des Aufstandes gemeinsam im Griff zu haben scheinen, lassen ausschließlich Raum für optimistische Emotionen. Die Soldaten sind in kämpferischer Haltung festgehalten, die Kinder, die mit Soldatenhelm und Gewehr als Kämpfer dargestellt sind, wirken entschlossen und in sich gefestigt, ebenso wie die jungen Aufständischen, die als Aktion der „Kleinen Sabotage“ das Symbol des „Kämpfenden Polen“ (Polska Walcząca) im öffentlichen Raum malen oder Briefe und Untergrundzeitungen innerhalb des Aufstandsgebiets austragen, und die Frauen und Mädchen, die Melde- oder Sanitätsdienste ausüben (siehe Abb. 49 und 55).55 Das mit Hilfe der Personendarstellungen vermittelte Bild vom Warschauer Aufstand ist frei von Schrecken, Tod und Trauer. Es werden keine angstverzerrten Gesichter und keine Leichname gezeigt. Werden Verwundete dargestellt, dann in einer Versorgungssituation, die impliziert, dass sie am Leben sind und Hoffnung besteht.56 Hier wird ein einseitiges, positives, heroisches Bild von den Teilnehmern des Warschauer Aufstandes vermittelt, das sich auf die Tapferkeit, die Kampf- und Aufopferungsbereitschaft und den Einsatz für die gemeinsame Sache beschränkt. Diese heroische Erzählung über Erwachsene, Jugendliche und Kinder, die am Aufstand teilgenommen hatten, über die einfachen Teilnehmer der kämpfenden Basis, wurde nicht exklusiv von den oppositionellen Bildautoren gepflegt. Auch im offiziellen kulturellen Gedächtnis der Volksrepublik war die 53 54 55

Peters, Abenteuer, S. 43. Siehe auch FSO 2-005 Xp 0093. Das aus den Anfangsbuchstaben „P“ und „W“ gebildete Symbol des „Kämpfenden Polen“ (Polska Walcząca) ist wegen seines Aussehens auch unter der Bezeichnung Anker (kotwica) bekannt. Entstanden im Jahr 1942, wurde es rasch zur Chiffre für den polnischen Untergrundstaat. Peters, Abenteuer, S. 31. 56 FSO 2-005 Xp 0093; FSO 2-005 Xp 0106/2.

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stalinistische Phase des „erzwungenen Vergessens“57 allmählich von der Praxis abgelöst worden, die einfachen Aufstandsteilnehmer aus dem Speichergedächtnis hervorzuholen und im Funktionsgedächnis als Helden darzustellen. Dies bezog explizit die Anerkennung der am Aufstand beteiligten Kinder ein, denen ein Denkmal gesetzt wurde. An sich das schwächste Glied in Aufständen und Kriegen, wurden hier die Kinder und Jugendlichen als den Erwachsenen gleichwertige, da ebenso furchtlose und aktive Aufstandskämpfer präsentiert. Auf Betreiben des staatlichen Polnischen Pfadfinderverbands (Związek Hacerstwa Polskiego – ZHP) wurde das „Denkmal des Kleinen Aufständischen“ (Pomnik Małego Powstańca) im Oktober 1983 offiziell an der 1944 umkämpften Stadtmauer zur Warschauer Altstadt errichtet.58 Es stellt ein Kind in Uniform mit einem zu großen Stahlhelm auf dem Kopf und einem Gewehr in den Händen dar. Das Denkmal von Jerzy Jarnuszkiewicz wurde wiederum auf Publikationen der Untergrundpost reproduziert (auf der hier abgebildeten Marke von Andrzej Znojkiewicz).59

Abb. 56 Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der Poczta Solidarności: 1944 1984, 1984, Entwurf: Andrzej Znojkiewicz.

57 Napiórkowski, Powstanie, S. 212. 58 Napiórkowski, Powstanie, S. 315 f.; Peters, Revolution, S. 279-283 und 321. 59 Beispielsweise auch als Abbildung auf einem Briefumschlag der Poczta Solidarność Wrocław 1986 mit der Bildunterschrift „Denkmal des kleinen Aufständischen“ (Pomnik małego powstańca), FSO 2-005 (hier ohne Einzelblattsignatur).

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

Die Wertschätzung und Aneignung des offiziellen Denkmals des Kleinen Aufständischen von oppositionell eingestellten Kreisen zeigt deutlich, dass sich hier die Akzentuierungen der Narrationen und die Erinnerungspraktiken des oppositionellen und des offiziellen Funktionsgedächtnisses deckten. Übergreifend wurde ein Fokus auf die einfachen Aufstandsteilnehmer gelegt, wobei bei den sehr jungen Aufständischen Mut, Einsatz und Opferbereitschaft noch bemerkenswerter waren. Die Grenze zwischen erlaubter und unerlaubter Geschichtskultur erweist sich hier mithin keineswegs als so klar, wie es angesichts des moralischen und ideologischen Rigorismus beider Seiten meist den Anschein hat[te, SP]. Vielmehr [trafen, SP] sich offizielle und alternative Geschichtskultur in der Idealisierung und Heroisierung der Soldaten des Aufstandes im Allgemeinen und der Kinder und Jugendlichen im Besonderen.60

Als Abgrenzung fungierte jedoch die konsequente Beschriftung der Untergrundbriefmarken mit Poczta Solidarność oder anderen Postbezeichnungen der Opposition und nicht etwa ausschließlich mit Polska, wie es auf den Briefmarken der staatlichen Post üblich war. Die verwendeten Postnamen weisen darauf hin, dass es sich trotz der Übereinstimmung in puncto Wertschätzung der einfachen Aufständischen um einen Kampf um die Besetzung des Themas handelte. Die Bildautoren der Solidarność machten mit dem Hinweis auf ihre Organisation als Herausgeber der Untergrundbriefmarken deutlich, dass die Opposition die Repräsentation des Themas „Warschauer Aufstand“ für sich reklamierte und es der offiziellen Geschichtsdeutung entzog. Noch deutlicher bestätigt der Kontext des Zweiten Umlaufs, in den die Untergrundbriefmarken eingebettet waren, dass sich die Oppositionsbewegung als legitimiert betrachtete, das Monopol auf das Thema „Warschauer Aufstand“ für sich zu beanspruchen, weil sie sich als Erbin der Aufständischen betrachtete. In Artikeln zum Warschauer Aufstand und in der Berichterstattung über die Feierlichkeiten zu den Jahrestagen in der Untergrundpresse wurde immer wieder die Selbstwahrnehmung der Oppositionsbewegung vermittelt, dass sie den Kampf der Aufständischen für Freiheit und gegen oktroyierte Herrschaft in der Gegenwart der Volksrepublik fortsetzt. Einige Beispiele: Am Jahrestag des Warschauer Aufstandes im Jahr 1983 wurde auf dem PowązkiFriedhof in Warschau, dem wichtigsten Ort für das Gedenken der Gefallenen des Warschauer Aufstandes sowie auch der Ermordeten von Katyn (1940), eine weiß-rote Schleife mit der Aufschrift „Wir werden den Geist von ‘44 verteidigen – Die Unabhängige Solidarność“ (Bronić będziemy ducha 44 – 60

Peters, Abenteuer, S. 46.

8.1 Der Warschauer Aufstand

157

Niepodległa Solidarność) niedergelegt, und zwar am Gedenkort für die Opfer von Katyn.61 Mitte Juli 1984 gab das Regionale Exekutivkomitee der Solidarność der Region Masowien (Regionalny Komitet Wykonawczy NSZZ „Solidarność“ Regionu Mazowsze) eine namentlich unterzeichnete Erklärung zum 40. Jahrestag heraus, die in verschiedenen Untergrundzeitungen abgedruckt wurde. Darin heißt es, der Warschauer Aufstand sei „ein Symbol des ungebrochenen Willens, die Unabhängigkeit zu erlangen. Deshalb sind uns diejenigen nahe, die sich im Jahr 1944 gegen zwei Mächte [Deutschland und die Sowjetunion, SP] gestellt haben […].“62 Am eigentlichen Jahrestag, dem 1. August 1984, forderte Anna Walentynowicz, Danziger Solidarność-Aktivistin der ersten Stunde, die auf dem Powązki-Friedhof Versammelten auf: „Beten wir für unsere Jungs, die immer noch im Untergrund sind, dass sie bald herauskommen und zu uns dazukommen können“.63 Ebenso zieht der Autor eines Artikels über den Warschauer Aufstand in der Untergrundzeitung Wola eine direkte Verbindung zur Gegenwart: Die Erinnerung an den Aufstand […] ist zu einem Element des gegenwärtigen Ethos der Polen geworden. Ohne den Aufstand gäbe es vielleicht die Solidarność nicht. […] Wieder waren die Feierlichkeiten zum Jahrestag des Aufstandes eine Gelegenheit, die Empfindungen und den Willen der Nation zu zeigen. […] Der [Powązki-, SP] Friedhof lebte. Er lebte dank der menschlichen Erinnerung an diejenigen, die im Kampf für ein freies Polen umkamen. Er lebte dank der Hoffnung der Menschen, die jetzt kämpfen und die weiter für ein freies Polen kämpfen wollen. Er lebte von den Mahnungen, die in Form von […] Transparenten: „Die Solidarność lebt und wird siegen“ auf die Gräber gelegt und in die Bäume gehängt wurden. Mehr vielleicht als sonst waren die Feierlichkeiten zum Jahrestag des Ausbruchs des Warschauer Aufstandes auf die Zukunft gerichtet, auf eine deutliche Enthüllung der Ähnlichkeiten zwischen der Situation im Jahr ‘44 und der aktuellen Situation.64

Nach der Messe am Vorabend des Jahrestages 1986 wiederum zog die Hälfte der Gottesdienstbesucher, eine Menschenmenge von zirka 2.000 Personen, die Krakowskie Przedmieście, eine der Hauptstraßen in der Warschauer Innenstadt, entlang und skandierte u. a. „Solidarność“, „Lech Wałęsa“, und „Politische freilassen“.65 61 [o. Verf.], W rocznicę Powstania, S. 1, FSO 2-002 Gp 563. 62 Bieliński u.  a., Powstanie, S.  3, FSO  2-002 Gp  250. Diese Verlautbarung wurde beispielsweise auch im Tygodnik Mazowsze abgedruckt: RKW NSZZ, W czterdziestą, S. 2, FSO 2-002 Gp 563. 63 [o. Verf.], 1.08., w rocznicę, S. 3, FSO 2-002 Gp 250. 64 [o. Verf.], Powstanie, S. 1, FSO 2-002 Gp 605. 65 [o. Verf.], Wrocznicę, S. 1, FSO 2-002 Gp 605.

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

Dies sind nur einige Beispiele der Berichterstattung und Kommentierung der begangenen Jahrestage aus verschiedenen Untergrundzeitungen und Jahren. Sie zeigen, dass sich die Oppositionsbewegung sowohl dem Gedenken des Warschauer Aufstandes und der Ehrung seiner Teilnehmer als auch der Idee des freien Polen, für das die Aufständischen gekämpft hatten, verpflichtet fühlte. Dies führte zur Vermischung von Gedenkveranstaltung für die gefallenen Aufständischen und politischer Demonstration für aktuelle Forderungen, wie zum Beispiel das Tabuthema Katyn ins öffentliche Bewusstsein zu rücken, die Opposition zuzulassen oder politische Gefangene freizulassen. Die Opposition verstand sich als Nachfolgerin der Aufständischen und leitete aus dem Warschauer Aufstand den politischen Auftrag ab, die Gegenwart der Volksrepublik aktiv zu verändern. Der damalige Kampf gegen die beiden äußeren Feinde und für die Souveränität Polens wurde nun als Kampf gegen die kommunistischen Machthaber und für gesellschaftliche Freiheiten, politische Unabhängigkeit und Pluralismus fortgesetzt. Als nonverbaler Hinweis auf die Kontinuität des Kampfes diente bei diesen Manifestationen, wie oben bereits dargestellt, die weiß-rote Armbinde oder auch Schleife. Diese extrem auffällige politische Aktualisierung des Warschauer Aufstandes mit Blick auf die Gegenwart der 1980er Jahre war der Kontext der Untergrundbriefmarken, die an den Warschauer Aufstand erinnern. Sie wird aber auf diesen nicht aufgegriffen. Beispielsweise integrierten die Bildautoren in die Aufstandsdarstellungen keine aktuellen politischen Forderungen oder Porträts von Oppositionellen. Teilweise wurde der Jahreszahl 1944 noch das Herausgabejahr der Untergrundbriefmarke hinzugefügt (siehe Abb.  56),66 im Grunde blieb es jedoch bei der „Unterschrift“ der Solidarność oder einer anderen oppositionellen Organisation unter das jeweilige Aufstandsbildmotiv. Offenbar setzten die Akteure der Untergrundpost das Medium Untergrundbriefmarke eher für das ehrfürchtige Gedenken ein als für die hitzige Politisierung. Doch auch bei dieser moderaten Taktik ging es darum, den Besitzanspruch auf das Thema zu markieren. Die staatliche Polnische Post ging mit ihrem Briefmarkensatz genauso vor. Auch hier fallen keine zusätzlichen politischen Botschaften ins Auge. Dabei wäre eine Verknüpfung zu „40 Jahre Volksrepublik Polen“, so der Titel eines anderen offiziellen Briefmarkensatzes, ebenfalls aus dem Jahr 1984,67 durchaus herstellbar gewesen 66

Siehe auch die Untergrundbriefmarke der Poczta Solidarności, Abbildung in: Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1982-84, S. 83, Nr. 282. 67 Abbildung des Briefmarkensatzes in: Firma Handlowo-Usługowa Andrzej Fischer, Katalog … 2017, S. 260, Nr. 2778-2781. Abbildung auch unter http://www.filatelistyka.org/ catalog/02778-02781.jsp (acc. 7.9.2020).

8.1 Der Warschauer Aufstand

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und hätte der staatlichen ideologischen Linie entsprochen. Deutlich wird also im Falle des hier besprochenen Bildmotivs, dass erst die Kontextualisierung der betreffenden (Untergrund-)Briefmarken ermöglicht, ihre unterschiedliche politische Funktion zu verstehen, nämlich entweder die Fortsetzung des Kampfes für Freiheit und Unabhängigkeit gewesen zu sein oder der Bestätigung des kommunistischen Systems gedient zu haben. Die Konzentration der oppositionell eingestellten Bildautoren auf die Akzentuierung der Taten und des Heldentums der Aufständischen, egal welchen Alters und beiderlei Geschlechts, auf die Botschaft von der Gemeinschaft der Aufstandsteilnehmer und auf die Abwesenheit von Angst und anderen negativen Eindrücken sind Ausdruck einer romantischen Verklärung des Warschauer Aufstandes. In seiner Untersuchung visueller Publikationen zum Warschauer Aufstand im Zweiten Umlauf arbeitet Florian Peters mit Blick auf die Darstellungen der jungen Aufständischen den Aspekt der Idyllisierung des Aufstandes als „emotionalisiertes Bild vom Partisanenkampf als Abenteuerspielplatz“ heraus.68 Dieser Akzent in der oppositionellen Bildpublizistik zum Warschauer Aufstand habe zur Folge gehabt, dass der Erinnerung insbesondere an die jüngsten Kämpfer des Warschauer Aufstandes die politische Schärfe genommen wurde, was der Stoßrichtung des staatlich praktizierten Erinnerns in den 1980er Jahren entsprach.69 Für die Darstellung der einfachen Aufständischen in ihrer Typenhaftigkeit ist diese Schlussfolgerung zutreffend. Sie wird jedoch relativiert, wenn die Bildmotive der als Individuen dargestellten militärischen Führungskräfte im Umfeld des Aufstandes mitberücksichtigt werden. Individuen: militärische Führungskräfte Im Kontext des Bildmotivkomplexes „Warschauer Aufstand“ sind Untergrundbriefmarken mit Porträts militärischer Persönlichkeiten aus der Zeit vor der Volksrepublik eine wichtige Vervollständigung, die das Bildmotiv der einfachen Aufständischen ergänzt. Sie verleihen der oppositionellen Narration inhaltliche Selbständigkeit und ließen sie im Vergleich zur offiziellen Erzählung glaubwürdiger erscheinen. Der hohe Stellenwert, der dem militärischen Führungspersonal in der Gegennarration der Opposition eingeräumt wurde, zeigt sich nicht allein an den mehr als 70 Einzelbriefmarken, Serien und Blocks der Untergrundpost

68 69

Peters, Abenteuer, S. 45. Peters, Abenteuer, S. 46.

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

mit Porträts der Befehlshaber.70 Er wurde außerdem im schriftlichen Zweiten Umlauf zum Thema „Warschauer Aufstand“ bestätigt. So kritisiert beispielsweise Władysław Bartoszewski die Deutung des Ereignisses in der staatlichen Geschichtspolitik der Volksrepublik. Offiziell gelte, dass der [Warschauer, SP] Aufstand […] eine Angelegenheit der Gesellschaft war – als ob sich irgendeine Gesellschaft so organisieren könnte und ohne Führungskräfte neun Wochen in einer Stadt von fast einer Million in organisiertem Widerstand mit ausdifferenzierten Diensten, die für das Funktionieren des Lebens unerlässlich waren, bestehen könnte.71

Bartoszewski distanzierte sich somit von der staatlichen Praxis, die militärischen und politischen Entscheidungsträger des Aufstandes zu übergehen oder zu diffamieren. Seinerseits stellte er die Führung als verantwortungsvoll Handelnde mit militärischer und politischer Weitsicht und großer Opferbereitschaft für die Freiheit Polens dar.72 Bartoszewski, der als Mitarbeiter der Informations- und Propagandaabteilung der AK selbst am Warschauer Aufstand teilgenommen hatte, ehemaliger Insasse des Konzentrationslagers Auschwitz gewesen und in der Volksrepublik bereits vor 1980 intellektueller Aktivist der Opposition gewesen war, galt als eine moralisch und fachlich anerkannte Autorität in regimekritisch eingestellten Kreisen. Er befasste sich mit dem Warschauer Aufstand, der Führungsriege des Untergrundstaates, der Armia Krajowa und der polnischen Exilregierung in London in mehreren historischen Analysen.73 Seine affirmativen Darstellungen des Untergrundstaates und des Warschauer Aufstandes stießen nicht zuletzt deshalb auf großes Interesse und prägten die alternative Narration, weil sie „der verbreiteten Sehnsucht nach klaren moralischen Bewertungen und Identifikationsangeboten entsprach[en, SP].“74 Die grundsätzlich positive Bewertung des Warschauer Aufstandes inklusive der politischen und militärischen Führung findet sich außerdem in Schriften 70 Die Anzahl der Porträts bezieht sich auf die Sammlung der Unabhängigen Post im Archiv der Forschungsstelle Osteuropa. FSO 2-005 Xp 0148 bis FSO 2-005 Xp 0176 (ausgenommen Dubletten); FSO 2-005 Xp 0117/1 bis Xp 0117/9. 71 Bartoszewski, Rozważania 1983, S. 7, FSO 2-001 Ep 0469. Der Text, der auf einen Vortrag im Jahr 1980 zurückgeht, zirkulierte im Zweiten Umlauf mindestens in zwei Ausgaben, und zwar außerdem als: Bartoszewski, Rozważania 1982, S. 26-33, FSO 2-002 Gp 157. 72 Bartoszewski, Rozważania 1983, S. 7 und 13, FSO 2-001 Ep 0469. 73 Bartoszewski, Polskie państwo, S. 6, 12 f., FSO 2-001 Ep 1379. Siehe auch die tagesgenaue Chronik des Warschauer Aufstandes: Bartoszewski, Dni, FSO 2-001 Dp 0050. Dieser Text basiert ebenfalls auf einem Vortrag und erschien in mindestens vier Ausgaben im Zweiten Umlauf: Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen, Monographien, S. 49 f. 74 Peters, Revolution, S. 294 und 296.

8.1 Der Warschauer Aufstand

161

anderer Autoren.75 Auch hier wurde den Befehlshabern die in der offiziellen Geschichtsdeutung verweigerte Würdigung zuteil, was kritische Bewertungen oder die Diskussion der kontroversen Frage nach dem Sinn des Aufstandes jedoch nicht ausschloss.76 Dieser prinzipiellen Anerkennung, die die oppositionelle Interpretation durchzieht, entsprechen die Untergrundbriefmarken zu Ehren der militärischen Führungspersonen. So, wie die Briefmarke seit ihrer Erfindung genutzt wird, um Autoritäten Respekt zu zollen, üblicherweise mit Porträts,77 sind auch die Porträts auf den nachgeahmten Briefmarken der Opposition Ausdruck der positiven Einstellung gegenüber den Befehlshabern. Am Bildmotivkomplex „militärische Autoritäten“ sollen nun drei Aspekte erläutert werden, die die inhaltliche Stoßrichtung des Gedenkens und die Art und Weise der Vermittlung betreffen. Erstens werden hier die Porträtierten gewöhnlich mit ihrem Namen und militärischen Dienstgrad bezeichnet. Zum Teil gaben die Bildautoren den Decknamen des Betreffenden an und werden die Lebensdaten oder auch die militärische Einheit auf den Untergrundbriefmarken genannt.78 Der Grafiker Andrzej Znojkiewicz fügte in seiner neun Untergrundbriefmarken umfassenden Serie (Poczta KPN, 1989) jedem Porträt sogar den Namen, den Decknamen und die militärische Funktion sowie den befehligten Warschauer Stadtteil und das Datum des Aufstandsbeginns hinzu.79 Im Gegensatz zu den einfachen, anonymen Aufstandsteilnehmern werden bei den Führungskräften also Informationen bekannt gegeben, die sie zu historisch identifizierbaren Individuen machen. Die Tatsache, dass die Individuen-Führungspersönlichkeiten geehrt wurden, unterschied den Umgang mit dem Warschauer Aufstand in oppositionellen Kreisen von dem in der staatlichen Erinnerungspolitik, denn diese Zweigleisigkeit – typisierte Aufstandsteilnehmer und individuelle Führungspersönlichkeiten – bestand dort nicht. Während offiziell nur die einfachen Aufständischen in den Mittelpunkt gerückt wurden, was auch der Briefmarkensatz der staatlichen Post zum 40.  Jahrestag des Aufstandes veranschaulicht (siehe Abb.  45 bis 48), war die Erinnerungspraxis der Opposition mit den namentlich benannten führenden Militärangehörigen umfassender. Die größere Vollständigkeit des Funktionsgedächtnisses der Opposition ließ die oppositionelle Narration vom 75 76 77 78 79

Kersten, Narodziny, S. 71, FSO 2-001 Dp 2338. Lewald, Armia, S. 20-23, 29-31, FSO 2-001 Ep 0792. Zöllner, Geistesverkehr, S. 14-21, hier 17. FSO 2-005 Xp 0117/1 bis Xp 0117/9; Xp 0153/1 bis Xp 0153/3. FSO  2-005 Xp 0117/1 bis Xp 0117/9. Zur Bildautorschaft Znojkiewicz’ unter dem Kürzel ZaN siehe [o. Verf.], Katalog znaczków, S. 32.

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

Warschauer Aufstand glaubwürdiger wirken, wurden auf diese Weise doch „weiße Flecken“, Diffamierungen und Halbwahrheiten der offiziellen Deutung entlarvt und getilgt.80 Demnach spielten im Rahmen der Untergrundpost die Porträtdarstellungen eine entscheidende Rolle für die Abgrenzung der Gegennarration von der staatlichen Version. Zwar setzten die Bildautoren, wie bereits dargelegt, auch insofern ein Zeichen der Abgrenzung, als sie die Bildmotive der einfachen Aufstandsteilnehmer zum Beispiel mit dem Solidarność-Logo unterzeichneten. Doch hatte dieser „oppositionelle Stempel“ keinen Einfluss auf die primäre Bildbotschaft, die sowohl in der oppositionellen als auch in der offiziellen Deutung galt: die Verehrung der einfachen Aufständischen. Das Logo gibt nur Auskunft, wer die Botschaft vertrat. Mit Hilfe der Bilder der Führungspersonen betonten die Bildautoren der Untergrundpost dagegen die inhaltliche Eigenständigkeit der in der Opposition verbreiteten Gegennarration und diese konnte zudem als redlicher, da lückenloser gelten. Zweitens waren die porträtierten Militärs in Führungspositionen im Kontext des Bildmotivkomplexes „Warschauer Aufstand“ nicht nur Akteure des Warschauer Aufstandes, sondern standen auch für verschiedene andere militärische Ereignisse und Strukturen des historischen, unabhängigen polnischen Staates zu Zeiten der Zweiten Republik. Während die Bildautoren der Untergrundbriefmarken in relativ wenigen Fällen ganz explizite Hinweise auf den Warschauer Aufstand hinzufügten, überwiegen Untergrundbriefmarken, auf denen der Dargestellte allgemein der Armia Krajowa zugeordnet wird,81 auf denen der Name des Dargestellten, sein Pseudonym und sein militärischer Grad genannt werden, ohne Hinweis auf seine AK-Zugehörigkeit – wie bei einem 4er-Satz der Poczta Solidarność aus dem Jahr 1985, auf dessen Briefmarken vier Generäle der polnischen Streitkräfte gezeigt werden, die nicht alle im Warschauer Aufstand gekämpft und in der AK gedient hatten,82 – oder auf denen die Militärangehörigen laut Überschrift der Führung regionaler Einheiten der Armia Krajowa angehört hatten.83 Ein weiteres aussagekräftiges Beispiel ist ein Block der Poczta Solidarność aus dem Jahr 1984, auf dem unter zehn hohen Militärangehörigen auch bzw. nur zwei explizit mit dem Aufstand verbundene porträtiert sind: General Tadeusz Komorowski, der 80 Peters, Revolution, S. 294. 81 Beispielsweise FSO 2-005 Xp 0163/3; FSO 2-005 Xp 0163/4. 82 FSO  2-005 Xp 0156/1. Porträtiert sind General Michał Tokarzewski, General Stefan Rowecki, General Tadeusz Komorowski und General Leopold Okulicki. Nicht im Warschauer Aufstand eingesetzt waren General Rowecki, Pseudonym Grot, der bereits von den Deutschen inhaftiert worden war, und General Tokarzewski, Pseudonym Torwid, der mit den polnischen Streitkräften in Westeuropa kämpfte. 83 FSO 2-005 Xp 0154.

8.1 Der Warschauer Aufstand

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als Oberbefehlshaber der AK am 1. August 1944 den Befehl zum Warschauer Aufstand gegeben hatte, sowie AK-General Leopold Okulicki, Chef der Operationsabteilung des Oberkommandos der AK, entschiedener Verfechter der Entscheidung, nicht mehr länger mit dem Aufstand zu warten, und nach der Kapitulation von Komorowski zum AK-Oberbefehlshaber ernannt, als sich dieser in deutsche Kriegsgefangenschaft begab.84 Der Block trägt den weit gefassten Titel „1918 1945 Führer der Streitkräfte der Republik“ (1918 1945 Dowódcy Sił Zbrojnych Rzeczypospolitej).85

Abb. 57 Untergrundpost, Block der Poczta Solidarność: 1918 1945 Führer der Streitkräfte der Republik, [1984].

Wenn also auf den Untergrundbriefmarken der explizite Verweis auf den Warschauer Aufstand in den Hintergrund tritt und Porträts von Befehlshabern des Aufstandes in eine Reihe mit den Porträts anderer hoher AKAngehöriger bzw. mit den Porträts von Angehörigen anderer Armeeeinheiten der polnischen nichtkommunistischen Streitkräfte des Untergrundstaates und der Exilregierung oder auch der Zweiten Republik gestellt werden, dann geht 84 Król, Perzeptionen, S. 171-183, hier 175. 85 Porträtiert sind: Józef Piłsudski, Edward Rydz-Śmigły, Władysław Sikorski, Kazimierz Sosnkowski, Władysław Anders, Stanisław Maczek, Michał Tokarzewski, Stefan Rowecki, Tadeusz Komorowski und Leopold Okulicki. Alle hatten Führungsämter in den polnischen Streitkräften bzw. im zivilen militärischen Bereich inne. Chodera/Kiryk, Słownik; Lewald, Armia, S. 20-23, 29-31, FSO 2-001 Ep 0792.

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

es bei der Präsentation der militärischen Führungskräfte auf den Untergrundbriefmarken offenkundig um mehr, als allein um den Warschauer Aufstand. Zum einen lässt sich das personelle Aufgebot als Demonstration verstehen, dass die polnischen Streitkräfte über eine vielköpfige, kompetente und ausdifferenzierte Führung verfügten, insbesondere während des Zweiten Weltkrieges und insbesondere die AK. Die Vehemenz der Porträtgalerie der Untergrundpost steht dabei in deutlichem Gegensatz zur Ausgabepolitik der staatlichen Post und lässt diese spärlich wirken: 1981 gab die Polnische Post eine Einzelbriefmarke mit dem Bild des Oberbefehlshabers der polnischen Streitkräfte und Ministerpräsidenten der Exilregierung in London, General Władysław Sikorski, aus Anlass seines 100. Geburtstages aus,86 wobei Sikorski insofern für die offizielle Geschichtspolitik akzeptabel war, als er sich gegenüber der Sowjetunion kooperationsbereit gezeigt hatte.87 Im Jahr 1984, zum 45.  Jahrestag des Kriegsbeginns, begann die staatliche Post außerdem einen Briefmarkensatz auszugeben, der unter der Überschrift „Verteidigungskrieg 1939“ (Wojna obronna 1939) neben dem Bild eines namentlich benannten hohen Militärangehörigen eine Kampfszene mit Ortsangabe zeigt.88 Es handelt sich hier also nicht um eine reine Porträtserie, wohingegen auf den Untergrundbriefmarken zu Ehren der militärischen Führung die Porträts für sich stehen und kein weiteres Bild gleichberechtigt hinzugefügt wurde. Bis 1989 erschienen in der offiziellen Serie  15 Briefmarken. Im Vergleich zu den mehr als 70 Porträtmarken und -blocks der Untergrundpost ist die Anzahl der offiziellen Porträtmarken also gering und kann mit deren „Militärparade“ nicht mithalten. Zum anderen lassen die Untergrundbriefmarken schlussfolgern, dass die AK mit ihrer Führungselite und die anderen polnischen Armeeeinheiten die Fortsetzung der Streitkräfte der Zweiten Republik Polen waren, was bei dem oben genannten Block der Poczta Solidarność durch die Zeitspanne 1918 bis 1945 auch direkt benannt wird (siehe Abb.  57). Während das Bildmotiv der typisierten Aufstandskämpfer nahelegt, den Warschauer Aufstand als isoliertes, historisch nicht verankertes Ereignis aufzufassen, wird er, ergänzt von den Porträts der Individuen-Akteure, zur militärischen Handlung der Zweiten Republik. Bartoszewski wies in einer historischen Analyse nach, dass 86 Abbildung der Briefmarke der staatlichen Post in: Firma Handlowo-Usługowa Andrzej Fischer, Katalog … 2017, S. 249, Nr. 2594. 87 Peters, Revolution, S. 312 f. 88 Abbildung der Briefmarken der Polnischen Post in: Firma Handlowo-Usługowa Andrzej Fischer, Katalog … 2017, S. 261, Nr. 2786 und 2787; S. 264, Nr. 2843 und 2844; S. 268, Nr. 2901; S. 272, Nr. 2965, 2966 und 2967; S. 275, Nr. 3011, 3012 und 3013; S. 280, Nr. 3068, 3069, 3070 und 3071.

8.1 Der Warschauer Aufstand

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die polnische Exilregierung die verfassungsrechtlich legitimierte Fortsetzung der Regierung der Zweiten Republik war. Folgerichtig war dann seine Interpretation, dass der Warschauer Aufstand, der von der Exilregierung und ihrer Delegatur im Land beschlossen worden war, „einer der letzten souveränen Akte der alten Republik Polen“ gewesen war.89 Aus dieser Perspektive impliziert die Würdigung befehlshabender Akteure des Warschauer Aufstandes und anderer führender Köpfe der Streitkräfte auch eine politische Stellungnahme zur Zweiten Republik Polen nach 1918. Diese ist ebenfalls ein umfangreiches Bildthema der Untergrundpost; charakterisiert wird sie als souverän und antisowjetisch ausgerichtet, betont wird ihr politischer Pluralismus und ihre sozialpolitische und wirtschaftliche Fortschrittlichkeit. Bei dieser Interpretation handelte es sich gleichfalls um eine positive Gegendarstellung: Offiziell wurde der Staat der Zwischenkriegszeit als politisches und gesellschaftliches Gebilde dargestellt, das es zu überwinden gegolten habe, woran kommunistische Gruppierungen in Polen und die Sowjetunion gearbeitet hätten und was seine Krönung schließlich in der Gründung der Volksrepublik Polen gefunden habe.90 Die positiven Aussagen des Bildmotivkomplexes „Zweite Republik“ der Untergrundpost im Hintergrund unterstützen wiederum die Bedeutung der porträtierten militärischen Führungspersonen. Ihnen großen Respekt zu zollen, erscheint völlig selbstverständlich. Das von den Bildautoren der Untergrundpost präsentierte Funktionsgedächtnis der Opposition hob sich auch in dieser Hinsicht deutlich von der offiziellen Geschichtsdeutung ab und wies sich abermals durch inhaltliche Eigenständigkeit gegenüber der offiziellen Interpretation aus. Der dritte Aspekt, der hier erläutert werden soll, betrifft die Art und Weise der Informationsvermittlung mit Hilfe der Untergrundbriefmarken. Das subtile Unterlegen des Ereignisses des Warschauer Aufstandes mit Verweisen auf die Zweite Republik, die Exilregierung in London und deren Delegatur im besetzten Polen findet mittels des Bildmotivs der militärischen Führungspersönlichkeiten statt, denn anhand ihrer individuellen beruflichen Biographien lassen sich die Verflechtungen zwischen der Zweiten Republik, der Exilregierung und der Delegatur nachvollziehen. Dieses Potential hat das Bildmotiv der typisierten Aufständischen nicht. Daher soll ausgehend von den porträtierten Individuen nun als dritter Punkt die implizite Aufforderung der Untergrundbriefmarken an den Betrachter behandelt werden, sich selbständig über das dargestellte Thema weiterzubilden. 89 90

Bartoszewski, Polskie państwo, S. 2 f. und 12, FSO 2-001 Ep 1379. Zur ausführlichen Analyse des Bildmotivkomplexes „Zweite Republik Polen“ siehe Plate, Geschichte, S. 29-55.

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

Die Identifizierbarkeit der Porträts gründet auf stichwortartigen Informationen wie Name, Funktion, Lebensdaten etc. Wenn auch auf dem kleinen Briefmarkenformat naturgemäß keine ausführlichen Lebensdarstellungen der Porträtierten präsentiert werden konnten, so wurden doch Details mitgeteilt, anhand derer der Betrachter in Eigeninitiative nach weiteren Informationen über die konkreten Persönlichkeiten und ihre historische Bedeutung suchen konnte. Der alternative „Geschichtsunterricht“, der mit Hilfe der Untergrundbriefmarken stattfand, wie ihre Grafiker Maria KapturkiewiczSzewczyk und Piotr Tofil in Interviews betonen,91 musste also nicht bei der Betrachtung dieses visuellen Mediums stehen bleiben, sondern forderte zur Recherche in anderen Medien auf, um mehr über die präsentierten Individuen zu erfahren. Entsprechende einschlägige Texte wurden im Zweiten Umlauf, mitunter mehrere Ausgaben desselben Titels, veröffentlicht. Es handelte sich sowohl um Darstellungen des historischen Geschehens und der Biographien der Führungspersönlichkeiten als auch um Analysen und Erinnerungen, die diese selbst geschrieben hatten.92 Auf diese Integration der Untergrundbriefmarken in den größeren Rahmen der Publikationen des Zweiten Umlaufs setzten die Akteure der Untergrundpost ganz bewusst. Im Zeitzeugeninterview erläutert der Lubliner Herausgeber von Publikationen im Zweiten Umlauf, Paweł Bryłowski, anhand einer von ihm herausgegebenen Untergrundbriefmarke mit der Darstellung eines AK-Führers der Region Lublin,93 dass das namentlich benannte Porträt als Sprungbrett in den ausführlichen schriftlichen Zweiten Umlauf zur selben Thematik dienen konnte: Wenn es beschriftet ist, beginnt man sich zu interessieren. […] Es beginnt mit kleinen Dingen. Damit, dass das Interesse an etwas geweckt wurde – durch einen Vermerk, durch einen Hinweis. Und dann sollte der Mensch weitersuchen, es erschienen ja Bücher, Broschüren und Zeitungen, in denen das beschrieben wurde.94

Tatsächlich scheint ein Teil der Käufer der Untergrundbriefmarken diese Aufforderung angenommen zu haben. Buchpublikationen über Polen während 91 Zeitzeugeninterview mit Kapturkiewicz-Szewczyk (Puławy, 27.11.2010), dort auch der zitierte Begriff. Zeitzeugeninterview mit Tofil (Warszawa, 29.11.2010). 92 Steiner, Warszawa, FSO 2-001 Dp 2133; Korboński, Polskie Państwo, FSO 2-001 Dp 0123; Kurtyka, Generał, FSO 2-001 Ep 1099; Bór-Komorowski, Trzy wykłady, FSO 2-001 Ep 0758; Bór-Komorowski, Armia, FSO 2-001 Ep 0757; Bartoszewski, Polskie państwo, FSO 2-001 Ep 1379; Bartoszewski, Rozważania 1983, FSO 2-001 Ep 0469; Bartoszewski, Dni, FSO 2-001 Dp 0050. 93 FSO 2-005 Xp 0162/5. 94 Zeitzeugeninterview mit Bryłowski (Lublin, 22.1.2013).

8.1 Der Warschauer Aufstand

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der Zeit des Zweiten Weltkrieges wurden stark nachgefragt, urteilte Joanna Szczęsna, Redakteurin der Untergrundwochenzeitung Tygodnik Mazowsze und auch in der Verbreitung von Druckerzeugnissen des Zweiten Umlaufs aktiv, im Jahr 1987 in einem Artikel ihres Wochenblatts. Kontrastiert wurde die Lektüre offenbar auch mit Werken, die in offiziellen Verlagen herausgegeben wurden. So erwähnte die Redakteurin beiläufig, dass die Rezipienten der Thematik des Zweiten Weltkrieges auch in offiziellen Buchhandlungen nach entsprechenden Titeln suchen würden.95 Dass solche im staatlichen Verlagswesen erschienen, zeigt, ebenso wie die Edition des 4er-Briefmarkensatzes der Polnischen Post und die offiziell begangenen Jahrestage des Warschauer Aufstandes, dass sich der Staat nicht in der Lage sah, das in der Gesellschaft bestehende Bedürfnis zu ignorieren, sich mit dieser historischen Phase, insbesondere dem Aufstand und seinen Akteuren, zu beschäftigen. Doch in Anbetracht der inhaltlichen Eigenständigkeit eines wesentlichen Narrationsstrangs gegenüber der offiziellen Narration sowie des damit verbundenen Eindrucks größerer Glaubwürdigkeit scheint es den oppositionell eingestellten Bild- und Textautoren gelungen zu sein, die Deutungshoheit über das Thema des Warschauer Aufstandes zu erlangen. 8.1.3 Schlussbemerkungen Die Personendarstellungen des Bildmotivkomplexes „Warschauer Aufstand“ vermitteln die im Zweiten Umlauf verbreitete positive Deutung dieses Ereignisses. Gezeigt werden eine Gemeinschaft von tapferen, anonymen einfachen Aufstandsteilnehmern, die als Soldaten entschlossen zu kämpfen oder als ihnen zuarbeitende Sanitäterinnen, Meldegängerinnen oder Briefträger der Feldpost furchtlos ihrem Dienst nachzugehen scheinen, sowie seriös und kompetent wirkende, individuell identifizierbare militärische Führungskräfte. Die Verbildlichungen des Warschauer Aufstandes im Rahmen der Untergrundpost entsprechen dem offiziellen Umgang mit den einfachen Aufstandskämpfern; die Bildautoren setzten gewissermaßen die Unterschrift der Solidarność unter die offiziell verbreitete Deutung und beanspruchten sie für sich. Ein wesentlicher Unterschied zur offiziellen Interpretation ist jedoch, dass die Grafiker auch die militärische Führung in die positive Erzählung integrierten. Damit stellten sie den Kanon anerkannter Führungspersonen dar, dem auch in den schriftlichen Publikationen des Zweiten Umlaufs Aufmerksamkeit zuteilwurde. Die Porträts bilden somit das Pantheon der großen Polen aus Sicht der Opposition ab, das den offiziellen Diffamierungen bzw. den offiziell geehrten kommunistischen Autoritäten entgegengesetzt wurde. 95

Klincz, Rajd, S. 1, 3, hier 3, FSO 2-002 Gp 563.

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

Für die nicht ins aktive Kampfgeschehen involvierte Zivilbevölkerung interessierten sich die Bildautoren hingegen nicht,96 obgleich ziviles Leben in Warschau stattgefunden hatte und von psychologischer Bedeutung für die Bevölkerung gewesen war, wie sich Zeitzeugen des Aufstandes in Texten des Zweiten Umlaufs erinnerten.97 Das Desinteresse an der Zivilbevölkerung lässt es auch plausibel erscheinen, dass die Grafiker die verheerende Zerstörung der Wohngebiete, zivilstaatlicher Gebäude oder kultureller Einrichtungen in Warschau nicht ins Bild setzten. Werden Trümmer gezeigt, fungieren sie im Bildmotiv der typisierten Aufständischen als Accessoire, um deren Kampfeswillen zu untermalen. Davon abgesehen, spiegelt sich die militärisch ausgerichtete Verbildlichung des Warschauer Aufstandes auf den Untergrundbriefmarken auch im Bildmotiv der Abzeichen und der Waffen der militärischen Einheiten des Warschauer Aufstandes wider.98 Die Militarisierung der Narration vom Warschauer Aufstand war jedoch keine von den Bildautoren kreierte Interpretation des Ereignisses. Vielmehr hatte die Militarisierung des Gedenkens in der offiziellen Sphäre bereits in den 1950er Jahren in der Zeit des „Tauwetters“ eingesetzt, und zwar mit Unterstützung der staatlichen Veteranenorganisation „Bund der Kämpfer für Freiheit und Demokratie“ (Związek Bojowników o Wolność i Demokrację – ZBoWiD). Der Heroismus der militärisch akzentuierten Narration überlagerte die Geschichte der zivilen Opfer,99 denn in der staatlichen Argumentation der unmittelbaren Nachkriegszeit hatten die hohen Verluste in der Zivilbevölkerung als Beweis für die Verantwortungslosigkeit und den Egoismus der AK-Führung gedient, die das immense Leid mit ihrer Entscheidung für den Aufstand in

96 So blieb die Darstellung der flüchtenden oder der Vertreibung ausgesetzten Zivilbevölkerung unter den zahlreichen Personendarstellungen eine Ausnahme und wurde nach Recherchen der Autorin nur auf einer Untergrundbriefmarken festgestellt: FSO 2-005 Xp 0094/2. 97 Bartoszewski, Jesień, FSO 2-001 Ep 1208. 98 Zu den militärischen Abzeichen der einzelnen Einheiten der Untergrundbriefmarkenblock: FSO 2-005 Xp 0118; der Untergrundbriefmarkensatz, Abbildung in: Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1985, S. 35, Nr. 124; der Untergrundbriefmarkensatz, Abbildung in: Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków  … 1986, S.  78, Nr.  280 und S.  83, Nr.  296; der Untergrundbriefmarkensatz, Abbildung in: Sokołowski, Katalog znaczków … 1987 roku, S. 120-122, Nr. 495-527. Zu den Waffendarstellungen: der neun Untergrundbriefmarken umfassende Satz aus dem Jahr 1988 „Die Waffen der Armia Krajowa 1944“ (Broń Armii Krajowej 1944) unter: FSO 2-005 Xp 0179. Als mögliche Bildvorlage siehe Abbildungen der historischen Waffen in dem in einem staatlichen Verlag herausgegebenen Fotoband zum Warschauer Aufstand: Kopf, Dni powstania, S. 441. 99 Napiórkowski, Powstanie, S. 273-280 und 288.

8.1 Der Warschauer Aufstand

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Kauf genommen habe.100 Diese frühe Instrumentalisierung der Erinnerung an die Zivilbevölkerung durch die staatlichen Machthaber zum Zwecke der allgemeinen Diffamierung der AK führte dazu, dass die Thematisierung der Zivilbevölkerung negativ konnotiert war. Die Folgen waren nachhaltig für das in den folgenden Jahrzehnten öffentlich praktizierte Gedenken: „[…] das militarisierte Erinnern schien attraktiver, und trotz der offensichtlichen Verwicklung in die Propaganda sogar ‚wahrer, richtiger‘ zu sein als die Erinnerung an die zivilen Opfer.“101 Die Bildmotive der Untergrundbriefmarken zeigen deutlich, dass diese Art des Umgangs mit dem Warschauer Aufstand in oppositionellen Kreisen ebenfalls selbstverständlich war. Übereinstimmend mit dem heroisch-militarisierten Bild waren für die Bildautoren der Untergrundbriefmarken auch Angst und Tod, existentielle Erfahrungen in Schlachten, keine darstellenswerten Themen.102 Der Ausschluss negativer Aspekte aus der Erzählung gipfelt letztlich darin, dass die Niederlage des Aufstandes nicht verbildlicht wurde. Konsequenterweise setzten die Grafiker der Untergrundpost auch nicht den kämpfenden deutschen und den abwartenden sowjetischen Gegner ins Bild,103 der zudem internationale Hilfe verhindert hatte.104 Andernfalls wäre die Auseinandersetzung mit der Kapitulation der Armia Krajowa und ihrer Kampfstrategie notwendig geworden und hätte sich schließlich die Frage nach dem Sinn des Aufstandes aufgedrängt. Auch wenn der militärischen Führung, anders als in der sie ignorierenden oder diffamierenden offiziellen Geschichtsschreibung, Ehre und Anerkennung zuteilwird, weist die Darstellung des Warschauer Aufstandes auf den Untergrundbriefmarken also Lücken auf und scheint die Klage des Verfassers eines 100 Zur Argumentation der staatlichen Propaganda in der unmittelbaren Nachkriegszeit siehe Napiórkowski, Powstanie, S. 100-109. 101 Napiórkowski, Powstanie, S. 288. 102 Ein Kreuz mit darüber gehängtem Soldatenhelm ist ein Bildmotiv, das einzigartig blieb und keine Variationen erfuhr. Abbildung der Untergrundbriefmarke von 1984 in: Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1982-84, S. 37, Nr. 130. 103 Eine Ausnahme ist eine Untergrundbriefmarke eines 12er-Satzes, entworfen von Maria Kapturkiewicz-Szewczyk und Krzysztof Małagocki (Puławy, 1983), auf der ein Soldat der Roten Armee dargestellt ist, welcher der hinter ihm stattfindenden Gefangennahme von Aufstandskämpfern durch vermutlich deutsche Soldaten keine Beachtung schenkt. Dieses Bildmotiv wurde Recherchen zufolge in den folgenden Jahren in der Untergrundpost nicht aufgegriffen. FSO 2-005 Xp 0106/2. 104 Die Hilfsflüge der Alliierten setzte Andrzej Znojkiewicz ins Bild (1984), siehe FSO 2-005 Xp 0120. Es handelt sich hier um die zweite Untergrundbriefmarke von links in der unteren Reihe. Sein Bildmotiv zum Thema „internationale Unterstützung“ fand allerdings keine Nachahmer.

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

Artikels im Tygodnik Mazowsze zu bestätigen, der im Jahr 1985 über Publika­ tionen des schriftlichen Zweiten Umlaufs zur Geschichte Polens zur Zeit des Zweiten Weltkrieges schreibt: Das Paradox besteht darin, dass ein deutlicher Teil der Broschüren zur neuesten Geschichte Polens Sachen sagt, die den Lesern bewusst sind. Meiner Meinung nach suchen die Leute in ihnen nach Bestätigungen dessen, was sie ohnehin schon wissen, von demjenigen, der irgendwie Autorität hat.105

Zwar meldeten sich vereinzelt, insbesondere im akademisch geprägten Teil des Zweiten Umlaufs, auch kritische Stimmen zum Warschauer Aufstand, doch wurde der Mainstream des oppositionellen kulturellen Gedächtnisses von dessen Idealisierung bestimmt.106 Die Untergrundbriefmarken zum Warschauer Aufstand erweisen sich hier als Trägermedium der dominierenden Deutung der Opposition. 8.2

Die Erhebungen in der Volksrepublik Polen

Die polnischen Oppositionellen der 1980er Jahre sahen sich nicht nur als Erben der Warschauer Aufständischen des Jahres 1944, sondern setzten sich auch in Beziehung zu den Demonstranten der niedergeschlagenen Massenproteste, die vor 1980 in der Volksrepublik Polen stattgefunden hatten. Dabei prägte die eindeutig negative Darstellung der Massenproteste durch die staatliche Informations- und Deutungspolitik den Umgang der Bildautoren der Untergrundpost mit diesem Themenkomplex bereits vor: Anders als beim Bildmotiv der einfachen Aufständischen des Warschauer Aufstandes ging es bei den Darstellungen der Erhebungen im Juni 1956, März 1968, Dezember 1970 und Juni 1976 nicht darum, bestimmte Aspekte der offiziellen Interpretation ebenfalls zu vertreten und letztlich als das ureigene Thema zu besetzen. Es ging vielmehr darum, eine andere Erzählung des Geschehens der offiziellen entgegenzusetzen. Im Zweiten Umlauf wurden die Jahreszahlen der einzelnen Erhebungen gegen das Regime der Volksrepublik immer wieder gemeinsam aufgeführt – nicht nur auf Publikationen der Untergrundpost, sondern auch auf Plakaten sowie auf dem Denkmal für die Massenproteste in Posen im Juni 1956, das

105 J.P., Historia, S. 1-2, hier 2, FSO 2-002 Gp 563. 106 Peters, Revolution, S. 298-301.

8.2 Die Erhebungen in der Volksrepublik Polen

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auf Initiative der Solidarność 1981 errichtet wurde.107 Eine Erklärung ist, dass die Proteste im Juni 1956 in Posen, im März 1968 in Warschau, Krakau und anderen akademischen Zentren, im Dezember 1970 in der Küstenregion und im Juni 1976 in Radom und Ursus Gemeinsamkeiten aufweisen. Alle diese sogenannten polnischen Monate (polskie miesiące) stehen für eine politische, gesellschaftliche, zum Teil wirtschaftliche Krise, die sich vor dem betreffenden Monat bereits entwickelt hatte und deren Folgen über diesen hinausgingen. In den genannten Monaten aber trat der Massenprotest eines Teils der Gesellschaft gegen konkrete Entscheidungen der Machthaber in Staat und Partei offen zutage. Daraufhin griffen diese zu drastischen Mitteln, um die Proteste zu ersticken.108 Im Folgenden werden zunächst die Ereignisse der „polnischen Monate“ kurz dargestellt, um anschließend zu untersuchen, wie es den Grafikern der Untergrundpost gelang, ungeachtet der Niederlagen der Protestierenden und in Abgrenzung vom offiziellen kulturellen Gedächtnis positive Deutungen der Ereignisse zu vermitteln. Am  28.  Juni 1956 gingen in Posen zirka 100.000 Personen, darunter auch Kinder, auf die Straße.109 Das waren ungefähr die Hälfte der Einwohner der Stadt. Ausgelöst hatten den Protest Arbeiter des größten ansässigen Industrieunternehmens, der Jozef Stalin-Metallwerke (Zakłady Metalowe im. Józefa Stalina w Poznaniu), allgemein bekannt unter dem vorher gültigen und später wieder eingeführten Namen Cegielski-Werke. Hintergrund waren die Steigerung der Produktionsquote einerseits und konkrete Forderungen der Arbeiter nach Verbesserung der Arbeitsbedingungen andererseits. Ihr signalisiertes Entgegenkommen hatten die Vertreter des Machtapparates am Vortag wieder zurückgenommen. Zu den sozialen und ökonomischen Forderungen nach „Brot“, „niedrigeren Preisen“ und „höheren Löhnen“ kamen politische und antikommunistische Parolen hinzu wie „Wir wollen Freiheit“, „Wir wollen freie Wahlen“ oder „Weg mit der Partei“ sowie auch gegen Moskau gerichtete Slogans. Auf ihrem Zug durch die Stadt zeigten die Teilnehmer nationale Symbole wie die polnische Fahne und weiß-rote Armbinden. Die Protestierenden besetzten das örtliche Gefängnis, befreiten die Insassen und brachten Waffen in ihren Besitz. Sie griffen mit Steinen Gebäude des Geheimdienstes an, drangen in das Gebäude des Woiwodschaftskomitees der PZPR ein und zerstörten Störsender, die den Empfang ausländischer Radiosendungen 107 Beispielsweise das Plakat „Kardiogram“ von Czesław Bielecki aus dem Jahr 1980, FSO 2-004. 108 Eisler, Polskie miesiące 2008, S. 7-9. 109 Dazu detailliert: Makowski, Poznański Czerwiec; Eisler, Polskie miesiące 2008, S. 19-24; Machcewicz, Posener Juni.

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

beeinträchtigten. Neben den in verschiedenen Waffenlagern erbeuteten Waffen setzten sie mit Benzin gefüllte Flaschen als Kampfmittel ein. Das Vorgehen staatlicherseits war der Einsatz der Armee mit mehr als 10.000 Soldaten und über 350 Panzern. Die Straßenschlachten forderten mindestens 73 Todesopfer und mehrere Hundert Verletzte. Mehrere Hundert Personen wurden vorübergehend inhaftiert, allerdings wurden nur 22 vor Gericht gestellt. Es begann eine umfangreiche Propagandakampagne gegen die „Feinde der Volksrepublik“. Mit diesem Ansatz konnten die Machthaber vermeiden, die Arbeiterklasse, insbesondere die Arbeiterschaft der Großindustrie, anzuklagen, die ja die Basis ihrer Legitimation war. In den Gerichtsprozessen machten sich bereits die Auswirkungen der Entstalinisierung bemerkbar; selbstbewusst agierende Verteidiger, die Anwesenheit westlicher Beobachter und die Begleitung durch die öffentliche Meinung ließen die Verfahren relativ unparteiisch vonstattengehen und es wurden deutlich niedrigere Strafen verhängt als erwartet.110 Die Aufsehen erregenden Protestereignisse im Jahr 1968 begannen in Warschau.111 Am  8.  März versammelten sich auf dem Campus der Universität mehrere Tausend Studenten zu einer friedlichen Kundgebung. Sie stimmten einer studentischen Resolution zu, in der die Aufhebung der Disziplinarstrafen für Kommilitonen gefordert wurde, die im Januar gegen die Absetzung des Dramas „Totenfeier“ des Nationaldichters Adam Mickiewicz am Warschauer Nationaltheater protestiert hatten. Der Grund für die Absetzung der Inszenierung waren laut PZPR und Kulturministerium antirussische und antisowjetische Aussagen der Darbietung. Kompanien der bewaffneten Miliz, ZOMO und ORMO, lösten die Manifestation auf dem zentralen Platz der Universität mit Gewalt auf. Dies führte in den folgenden Tagen zu weiteren Studentenprotesten in Warschau, gegen die die staatlichen Einsatzkräfte nun auch mit Tränengas und Wasserwerfern vorgingen. Während sich Informationen über die Aktionen der Protestierenden und die staatlichen Reaktionen rasch inoffiziell auch in anderen Städten verbreiteten und bereits am 9.  März die polnischsprachige Abteilung des Radio Freies Europa (Radio Wolna Europa) darüber berichtete, schwiegen die staatlichen Medien zunächst, um dann die beteiligten jungen Menschen als „rowdyhafte Elemente“ herabzuwürdigen.112 Nun erhoben sich in vielen Städten Studenten zu Protesten und forderten die Achtung der Verfassung, die Freiheit des Wortes und ein Demonstrationsrecht. Auch hier schritt die Miliz gewaltsam ein. Zu 110 Jankowiak, Posener Juni, S. 9-23, hier 19-21. 111 Dazu detailliert: Osęka, Marzec; Osęka, Marzec 1968, S. 135-145; Eisler, Polskie miesiące 2008, S. 28-36. 112 Osęka, Marzec 1968, S. 135-145, Zitat 140.

8.2 Die Erhebungen in der Volksrepublik Polen

173

den größten und bedeutendsten Aktionen in der zweiten Märzhälfte zählen die Besetzungen von Hochschuleinrichtungen und Boykotts von Lehrveranstaltungen in Krakau, Oppeln (Opole) und Warschau; die gewalttätigsten Zusammenstöße trugen die Protestierenden und die Miliz in Krakau, Posen, Lodz, Danzig, Kattowitz und Breslau aus. Der offen ausgebrochene Aufruhr wurde schließlich von den Ordnungs- und Geheimdiensten erstickt. Auch auf verbaler Ebene holte die Propaganda zum Gegenschlag aus und forderte die Bestrafung der „Aufwiegler“ und ihrer „politisch bankrotten“ Ideengeber.113 Die protestierenden Studenten wurden als „privilegierte Funktionärskinder“ verurteilt und – ob mit oder ohne jüdische Wurzeln – als „Agenten Israels“ diskreditiert und so in die antisemitische und antiisraelische Kampagne einbezogen, die in der Volksrepublik bereits im Zusammenhang mit dem 1967 von Israel gewonnenen Sechstagekrieg initiiert worden war und nun wieder aufgegriffen wurde.114 Letztlich wurden die Studentenproteste dazu instrumentalisiert, unter offen kommunizierten antisemitischen Vorzeichen Misstrauen gegen Juden in Polen zu schüren und umfangreiche Säuberungen durchzuführen: im akademischen Bildungswesen und unter Kulturschaffenden, in den Massenmedien, dem Gesundheitswesen und der staatlichen Verwaltung sowie im Machtapparat – eingebettet in Flügelkämpfe zwischen dem nationalen und dem sogenannten revisionistischen Lager der PZPR. Dieses Vorgehen ging mit einer offensiven Betonung des Nationalen einher und diente den Machthabern dazu, ihrem Legitimitätsverlust in der Bevölkerung entgegenzusteuern.115 Zum Nachspiel der Studentenproteste im März 1968 gehörten neben den Um- und Neubesetzungen im Partei- und Staatsapparat auch ein schwerwiegender und nachhaltiger intellektueller Aderlass, denn bis 1971 emigrierten allein zirka 12.000 polnische Juden, darunter knapp 500 Universitätslehrer, 200 Journalisten, und über 100 Musiker, Schauspieler und Filmschaffende.116 Die Mehrheit der Bevölkerung stand dem Exodus im Nachgang der „Märzereignisse“ passiv gegenüber, wobei es Spekulation bleibt, ob diese Haltung der Angst vor der Einmischung oder einer stillen Zustimmung – schließlich ergaben sich nun auch berufliche Aufstiegschancen infolge von Stellenneubesetzungen – geschuldet war.117 Nicht zuletzt kann die in der Gesellschaft herrschende Apathie auch durch die allgemeine wirtschaftliche 113 Osęka, Marzec 1968, S. 135-145, Zitate 141. 114 Genest, Märzereignisse, S. 99-108, hier 100-103, zitierte Begriffe 101. 115 Brier, Nationalismus, S. 7-17, hier 13. 116 Detailliert zur antisemitischen Kampagne siehe Loose, Feindbilder, S. 481-502. Siehe auch Skalska, Obraz. 117 Osęka, Marzec 1968, S. 135-145; hier 143; Loose, Feindbilder, S. 481-502, hier 493.

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

Stagnation in den 1960er Jahren mitbestimmt worden sein, insbesondere durch die schlechte Versorgung mit Lebensmitteln, Haushaltsgeräten und Wohnraum.118 Die erschöpfte und schlechte Stimmung in der Bevölkerung schlug in den größeren Städten der Küstenregion in offenen Widerstand um, als am 12.  Dezember 1970 abends im Radio und Fernsehen drastische Preiserhöhungen für Lebensmittel bereits ab dem nächsten Tag angekündigt wurden, was nicht zuletzt ein Problem bei den Einkäufen für die traditionell festlicheren Mahlzeiten zu Weihnachten bedeutete.119 In den folgenden Tagen begannen die Arbeiter aus Protest zu streiken und durch ihre Stadt zu ziehen, in Danzig am 14.  Dezember, in Gdingen am 15.  Dezember, in Słupsk und Elbląg am 16. Dezember und in Stettin am 17. Dezember.120 Der Widerstand ging von den Belegschaften der größten Arbeitgeber, den Werften, aus; ihnen schlossen sich andere Arbeitnehmer und Einwohner an. Den Forderungen der Protestierenden in Danzig, Gdingen und Stettin nach Gesprächen gaben die lokalen Parteivertreter nicht nach, stattdessen brachten sich Einheiten der Armee, Miliz und ZOMO mit mehr als 35.000 Soldaten, Milizionären und Funktionären der Geheimdienste, über 500 Panzern sowie mehr als 100 Flugzeugen und Hubschraubern in Stellung. Bei den mehrtägigen Protesten kam es zu schweren Straßenschlachten mit Toten und Verletzten, bei denen auf der einen Seite Schiffsschrauben, Steine und mit Benzin gefüllt Flaschen, auf der anderen Seite Schusswaffen und Tränengas zum Einsatz kamen. Die Demonstranten zündeten öffentliche Gebäude an, u.  a. in Danzig und Stettin die Woiwodschaftskomitees der PZPR, und behinderten die Bergungsund Löscharbeiten, sie plünderten und demolierten Gebäude staatlicher Institutionen wie der Staatsanwaltschaft, des Justizvollzugs oder der Gewerkschaften sowie auch Geschäfte. Weit über ein Dutzend Gebäude offizieller Einrichtungen wurden dabei ganz oder teilweise zerstört. In Danzig, Stettin und Elbląg wurden Protestierende, aber auch Menschen, die unbeteiligt vor Ort waren, angeschossen oder erschossen. In Gdingen war eines der tragischsten Ereignisse, dass am 17.  Dezember Soldaten und Milizionäre an der S-BahnHaltestelle Gdingen-Werft (Gdynia Stocznia) auf Arbeiter schossen, die auf dem Weg zu ihrer Schicht waren; mindestens 18 kamen ums Leben.121 Laut offiziellen Angaben starben im Zusammenhang mit den Protesten in der Küstenregion 45 Menschen, über 1.100 wurden verletzt. 118 Brzeziński, Narastająca, S. 7-17, hier 10-12. 119 Brzeziński, Narastająca, S. 7-17, hier 16. 120 Dazu detailliert: Eisler, Grudzień; Eisler, Polskie miesiące 2008, S. 37-44. 121 Chrzanowski, Krew, S. 51-71, hier 56, 64 f.; Krasucki, Grudzień, S. 9-15, hier 12.

8.2 Die Erhebungen in der Volksrepublik Polen

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Unter strenger Zensur veröffentlichten die staatlichen Medien zunächst keine Informationen über die Ereignisse an der Küste. Über ausländische Sender gelangten jedoch Nachrichten in andere Städte Polens bzw. ins Ausland. Als erstes informierte Radio Wolna Europa in der Nacht vom 15. auf den 16.  Dezember über die Entwicklung. Das polnische Staatsradio brachte am 16. Dezember eine Meldung über die Vorfälle, die die Protestierenden in Danzig bereits zu Randfiguren der Gesellschaft abstempelte und Ausmaß und Tiefe der Auseinandersetzungen mit den Staatsvertretern herunterspielte: „Streitlustige und rowdyhafte Elemente, die nichts mit der Arbeiterklasse gemeinsam haben, haben einige öffentliche Gebäude demoliert und angezündet und einige Dutzend Geschäfte ausgeraubt.“122 Ab dem 18.  Dezember stellte sich eine erzwungene „Normalisierung“ der Lage ein. Parallel zu den gewaltsamen Zusammenstößen auf der Straße fand im Verborgenen ein innerparteilicher Machtkampf statt, der auch von der Sowjetunion beeinflusst wurde. Im Ergebnis wurde am 20. Dezember 1970 der Erste Sekretär des Zentralkomitees der PZPR, Władysław Gomułka, durch Edward Gierek, bisher Erster Sekretär der PZPR in der Woiwodschaft Kattowitz, ersetzt und wurden weitere Personalveränderungen im Zentralkomitee, Politbüro und auf Ministerebene vorgenommen. Ein ungewöhnlicher Schritt war, dass Gierek am 24. Januar 1971, als in Stettin erneut ein Streik ausbrach, das Gespräch mit den Arbeitern vor Ort suchte und anschließend auch in Danzig Teilnehmer des Dezemberstreiks traf. Sich bescheiden gebend und den Arbeitern scheinbar zugewandt, erwarb er ihr Vertrauen und ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit, ohne tiefgehende Reformen des Systems anzukündigen oder einzuführen. Die Massenproteste, die am 25. Juni 1976 ausbrachen, waren ebenfalls eine Reaktion der Arbeiterschaft auf die Ankündigung großer Preiserhöhungen für Lebensmittel des täglichen Bedarfs. So legten 70.000 bis 80.000 Menschen in 24 Woiwodschaften am Morgen ihre Arbeit nieder.123 Ähnlich wie bei den Protesten in der Vergangenheit war auch dieser vehemente Widerspruch nicht allein ökonomisch motiviert, sondern war getragen von dem Gefühl grundsätzlicher gesellschaftlicher und politischer Ungerechtigkeit und Missstände. Daher adressierten die Demonstranten ihren Protest nicht nur an die lokalen Parteifunktionäre, sondern zogen abermals vor die Gebäude der Woiwodschaftsvertretungen der PZPR. Im Unterschied zu den Erhebungen im Juni 1956, im März 1968 und im Dezember 1970 dauerten die Proteste nur einen 122 Zitiert nach: Krasucki, Grudzień, S. 9-15, hier 12. 123 Dazu detailliert: Sasanka, Czerwiec; Eisler, Miejsce Czerwca, S.  7-15; Eisler, Polskie miesiące 2008, S. 44-50.

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

Tag. Einer der Gründe kann gewesen sein, dass noch am selben Abend die geplanten Preiserhöhungen zurückgenommen wurden. Die Proteste verliefen bis zum Abend an den meisten Orten friedlich. Zu einer außergewöhnlichen Aktion kam es in Ursus (bei Warschau), wo ab dem Vormittag  1.000 bis 1.500 Demonstranten die Eisenbahnschienen der Fernverkehrsstrecke blockierten, die Warschau mit Posen, Lodz und Kattowitz sowie Berlin verband. Anders als im Juni 1956 und im Dezember 1970 wurden nirgendwo Militäreinheiten eingesetzt und es wurde nicht geschossen. Einen gewalttätigen Verlauf nahmen die Ereignisse jedoch in Radom, wo 20.000 bis 25.000 Protestteilnehmer zusammenkamen. Dort fanden ab dem Nachmittag Straßenschlachten, Plünderungen von Geschäften und Brandstiftungen am Woiwodschaftssitz der Partei und der Miliz statt. In Ursus und Płock nahmen die Straßendemonstrationen am Abend eine brutale Wendung, als die ZOMO begann, die Teilnehmer mit Schlagstöcken und Tränengas gewaltsam auseinanderzutreiben. Infolge der Proteste wurden landesweit einige Tausend Arbeitnehmer, darunter auch Unbeteiligte, vom Arbeitsplatz entlassen oder erhielten Strafen in Form von Rügen, Degradierungen, Entzug von Prämien o.  ä. Hunderte wurden vor die Kollegien für Ordnungswidrigkeiten (Kolegium do spraw wykroczeń) zitiert. In Gerichtsverfahren in Radom erhielten 25 Personen Haftstrafen zwischen zwei und zehn Jahren, in Ursus erhielten sieben Personen zwischen drei und fünf Jahren Haft und in Płock 18 Personen zwischen zwei und fünf Jahren. Parallel fand eine groß angelegte Propagandakampagne statt. Dazu gehörten organisierte Kundgebungen zur Unterstützung der PZPR und der Regierung und die öffentliche moralische Verurteilung und Kriminalisierung der „Unruhestifter“, begleitet von einer entsprechenden Medienberichterstattung.124 Eine Umbesetzung im Machtapparat wurde nicht durchgeführt. Für oppositionell eingestellte Kreise aus dem akademischen und intellektuellen Milieu, zu denen auch Akteure der Proteste des Jahres 1968 gehörten, waren die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Juni 1976 Anlass, den Betroffenen öffentlich zur Seite zu stehen. Die Mitglieder des Komitees zur Verteidigung der Arbeiter (Komitet Obrony Robotników – KOR), das zu diesem Zweck gegründet wurde und alsbald das Informationsbulletin „Kommuniqué“ (Komunikat) herausgab, veröffentlichten konsequenterweise ihre Protestbriefe und Artikel unter ihrem eigenen Namen, obgleich ihre Tätigkeiten staatlicherseits als illegal galten.125 Darüber hinaus leisteten sie medizinische 124 Eisler, Polskie miesiące 2004, S. 33-40, hier 36 f., Zitat 37. 125 Ausführlich zum KOR: Friszke, Czas.

8.2 Die Erhebungen in der Volksrepublik Polen

177

und materielle Hilfe sowie Rechtsbeistand für die Opfer der Proteste und ihre Familien. Unter dem vom KOR aufgebauten gesellschaftlichen Druck erließen die Machthaber im Februar und im Juli 1977 Amnestien und entließen die infolge der Ereignisse des Juni 1976 Verurteilten aus der Haft.126 Zum ersten Mal in der Geschichte der Massenproteste in der Volksrepublik kam es in Gestalt des KOR zu einer dauerhaften Verbindung zwischen Intellektuellen und Arbeitern, was die Entstehung der Solidarność entscheidend mitgestalten sollte. Die Massenproteste von 1956, 1968, 1970 und 1976 waren Ausdruck tief verankerter politisch-sozialer Konflikte und wirtschaftlicher Missstände. Da die offiziell vertretene kommunistische Ideologie jedoch die harmonische Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft ohne Krisen propagierte, wurden sie in den unmittelbaren offiziellen Reaktionen heruntergespielt und die aufbegehrenden Akteure als Staatsfeinde diffamiert. Dabei pendelten die offiziellen Verlautbarungen zwischen Verharmlosung und der Haltung, alles im Griff zu haben. Mit Bezeichnungen wie „Ereignis“ und „Unfall“ für die vehementen Protesthandlungen wurde versucht, die Tatsachen herunterzuspielen und sie fast nicht der Rede wert erscheinen zu lassen.127 Andererseits diente die Beurteilung des damaligen Ersten Parteisekretärs der PZPR, Władysław Gomułka, bei den Erhebungen im Juni 1956 und Dezember 1970 habe es sich um eine „Konterrevolution“ gehandelt, dazu, den Ernst der Lage und somit die Angemessenheit der staatlichen Reaktion zu vermitteln. Charakterisierungen der Protestierenden als „Aufwiegler“, „Rowdys“, „Banditen“ oder „kriminelle Elemente“, die von „Feinden der Volksrepublik Polen“, der „Reaktion“ oder „Saboteuren“ beeinflusst oder gesteuert worden seien,128 sonderten die Protestierenden als verdächtig und nicht vertrauenswürdig aus der Gesellschaft aus. So sollte das offizielle Bild aufrechterhalten werden, dass die eigentliche Gesellschaft die Führung des Staates unterstütze. Die Akteure der Untergrundpost setzten der offiziellen Propaganda eine positive Deutung der Protestierenden und ihrer Aktionen entgegen.129 Die Bildmotive der Untergrundbriefmarken und -blocks lassen sich in drei Hauptgruppen einteilen. Es sind dies erstens Darstellungen der Proteste selbst, zweitens Jahreszahlen, die auf sie verweisen, und drittens Abbildungen der Denkmäler, die an sie erinnern. Vermittelt wird auf diese Weise die 126 127 128 129

Eintrag in der Encyklopedia Solidarności: Friszke, Komitet. Eisler, Polskie miesiące 2008, S. 10. Eisler, Polskie miesiące 2008, S. 12. Zu den schriftlichen Äußerungen über den März 1968 und Dezember 1970 in der Untergrundpublizistik siehe Mikołajczyk, Jak się pisało, S. 172-188.

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

widerständige Konstitution der polnischen Gesellschaft, die Erhebungen werden zu einer identitätsstiftenden Ereignisreihe zusammengesetzt und es werden die tatsächlich niedergeschlagenen Massenproteste zu einem Sieg über die Machthaber der Volksrepublik umgedeutet. 8.2.1 Analyse ausgewählter Bildbeispiele: Darstellungen der Proteste Bei den Darstellungen der Protestereignisse auf den Untergrundbriefmarken handelt es sich vor allem um Demonstrationssituationen im Außenraum; gezeigt werden überwiegend Menschen mit Transparenten und Fahnen auf der Straße. In der Regel ordnet die Nennung des Monats und/oder des Ortes und/ oder der Jahreszahl bzw. des Jahrestages das Bild der betreffenden Erhebung eindeutig zu. Viele der Bilder sind ursprünglich Fotografien des Geschehens, eine Dokumentationsform, die der Narration der oppositionellen Grafiker das Qualitätssiegel der Authentizität und Wahrheit gab. Beispielsweise repräsentiert die Ereignisse im Juni 1956 in Posen auf verschiedenen Publikationen der Untergrundpost das Bild einer hell gekleideten Frau, die in der ersten Reihe einer Menschenmenge in Schrittstellung zu sehen ist. Aus der Menschenmenge, über die Frau hinweg, ragt eine zerrissene zweifarbige Fahne, auf dem weißen Stoff der Fahne ist ein großer Fleck zu sehen.

Abb. 58

Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der Polska Poczta Podziemna: XXX. Jahrestag [der Erhebung in Posen 1956], 1986.

Da aufgrund von Zeitzeugenberichten, die in den 1980er Jahren veröffentlicht wurden, bekannt war, dass die Demonstranten polnische Fahnen bei sich gehabt hatten und auf Protestierende geschossen worden war,130 konnte 130 [o. Verf.], Oni tam byli, S. 1, 8 und 9, hier 8 f.

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der Betrachter der Untergrundbriefmarken vermuten, dass es sich um einen Blutfleck gehandelt habe, auch wenn die Bildqualität der Untergrundbriefmarken kein eindeutiges Urteil zulässt. Verbreitet wurde dieses Bild gleich in fünf Versionen: im Jahr 1983 unter dem Namen Awers sowie anlässlich des 30.  Jahrestages der Protestereignisse im Jahr 1986 erstens auf einer Untergrundbriefmarke der Polnischen Untergrundpost (Polska Poczta Podziemna), zweitens auf einem Block der Poczta Solidarność, drittens auf einem Block, der mit Polska beschriftet ist, und viertens auf einem Block, der mit Solidarność unterzeichnet ist.131 Ein anderes Bildmotiv der Untergrundpost zu der Erhebung in Posen zeigt im zentralen Mittelgrund einen jungen Mann in Schrittbewegung, der auf den Bildbetrachter zuzukommen scheint. Über ihm ist ein Transparent zu sehen, auf dem ahnungsweise zu entziffern ist „Wir wollen Brot […]“ (My chcemy chleba […]).

Abb. 59 Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der [Poczta] Solidarność Region Mazowsze: Manifestation des Unrechts, Posen ´56, 1984.

131 Untergrundbriefmarke von Awers aus dem Jahr 1983: FSO 2-010; Untergrundbriefmarke der Polska Poczta Podziemna aus dem Jahr 1986: Abb. 58; Block der Poczta Solidarność aus dem Jahr 1986: FSO 2-005 Xp 0081; Block, beschriftet mit „Polska“, aus dem Jahr 1986: FSO 2-005 Xp 0089; Block, beschriftet mit „Solidarność“, aus dem Jahr 1986, Abbildung in: Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1986, S. 20, Nr. 67.

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

Auf einem weiteren Bild sind ein breitbeinig stehender Mann und neben ihm ein Kind mit der polnischen Fahne zu sehen. Um sie herum stehen und sitzen weitere Männer, alle befinden sich auf dem Dach einer Straßenbahn, in deren Inneren ebenfalls Personen zu erkennen sind. Im Hintergrund der Szene ist ein hohes, repräsentativ wirkendes Gebäude zu erkennen. Dieses Bildmotiv verwendete 1986 ein Grafiker der Solidarność der Region Großpolen (Solidarność Wielkopolska).132 Die Proteste im März 1968 werden von den drei Bildern eines 4er-Satzes Briefmarken der Untergrundpost der Lenin-Hütte in Nowa Huta bei Krakau (Poczta HL Nowa Huta) aus dem Jahr 1988 veranschaulicht.

Abb. 60-62 Untergrundpost, Untergrundbriefmarke einer 3er-Serie der Poczta Nowa Huta HL: [Szenen der Erhebung in Krakau im Jahr 1968], [1988].

Auf dem einen Bild, von links kommend, geht eine Menschenmenge; die erste Reihe scheint ein helles Banner zu halten. Im Hintergrund rechts blicken abseitsstehende Personen auf die Menge. Hinter der Menge und den Beobachtern sind Gebäudefassaden zu erkennen. Auf dem zweiten Bild sind mehrere Personen zu sehen, die sich vermutlich auf einer Straße aufhalten. 132 FSO 2-005 Xp 0090.

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Ein rechts im Hintergrund stehender Mann bedeckt sein Gesicht mit den Händen. Eine andere Person im Vordergrund in der Mitte bewegt sich auf diesen zu. Die dritte Marke zeigt drei Personen und ein hohes Fahrzeug vor einem repräsentativ aussehenden Gebäude; der Mann in der Mitte scheint uniformiert zu sein. Für die Unruhen im Dezember 1970 steht ein Bild, das aus erhöhter Perspektive einen auf einem Brett liegenden Mann zeigt. Das Brett wird von sechs Männern getragen, während eine Menschenmenge ihnen auf dem Fuße folgt. Die Szene findet auf der Straße statt, erkennbar am Straßenpflaster bzw. an der Randbebauung im Hintergrund.

Abb. 63

Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der Polska Poczta Podziemna: XV. Jahrestag [der Erhebungen 1970], 1985.

Das Bildmotiv wurde außerdem im Rahmen eines 6er-Blocks, herausgegeben im Jahr 1986 im Namen der Solidarność, verbreitet.133 Auf einer weiteren Untergrundbriefmarke zum Thema „Dezember 1970“ (Poczta KPN) ist eine Frau zu sehen, die bei einem Verwundeten oder Toten kniet.134 Die Marke stammt aus dem Jahr 1986. 133 BJ-CDCN, Zn 22 III. 134 FSO 2-005 Xp 0052.

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

Eine andere Untergrundbriefmarke der Poczta KPN (1987) zeigt eine in Metallbauweise konstruierte Eisenbahnbrücke und Fußgängerüberführung auf zwei Ebenen, auf denen Menschen stehen.135 Dieses Bildmotiv wird ebenfalls auf dem bereits genannten 6er-Block der Solidarność (1986) gezeigt. Für diesen Block verwendete der Grafiker außerdem: ein Bild von zwei Panzern im Bildmittelgrund, die auf einer Straße fahren. Die Straße ist von Gebäuden gesäumt, rechts im Vordergrund stehen Menschen am Straßenrand. Ein Bild einer Menschenmenge vor einem repräsentativ wirkenden Gebäude, aus dem Qualm aufsteigt. Ein Bild eines Panzers auf einer Straße, die von Hausfassaden gesäumt ist. Allen hier kurz beschriebenen Bildern ist gemeinsam, dass es sich um Reproduktionen von Fotos der damaligen Protestereignisse handelt, die die Grafiker der Untergrundbriefmarken auf diese Weise breit in Umlauf brachten.136 Fotos von den Ereignissen waren entweder im Verborgenen sowohl von Privatpersonen als auch Angehörigen der Inlandsgeheimdienste gemacht worden oder von Fotoreportern der offiziellen Tageszeitungen, die sich ohne Angst vor der Miliz und den Geheimdienstmitarbeitern frei hatten bewegen können.137 Teilweise hatten auch Berichterstatter ausländischer Medien fotografiert. Beispielsweise wird das Foto der hell gekleideten Frau unter einer Fahne vom Juni 1956 der westdeutschen Zeitschrift „Quick“ zugeordnet (siehe Abb. 58).138 Dies lässt sich damit erklären, dass sich damals wegen der 25.  Internationalen Posener Messe viele ausländische Gäste, darunter auch 135 FSO 2-005 Xp 0054. 136 Die zugrunde liegenden Fotos sind in folgenden Publikationen abgebildet: das Foto der hell gekleideten Frau unter einer Fahne, Abbildung in: Maciejewski/Trojanowiczowa, Poznański Czerwiec 2006, S.  233. Das Foto des Mannes in Schrittbewegung mit dem Transparent „Wir wollen Brot“, Abbildung in: Makowski, Poznański Czerwiec, S. 125. Das Foto eines Mannes und eines Kindes auf dem Dach einer Straßenbahn, Abbildung in: Maciejewski/Trojanowiczowa, Poznański Czerwiec 1990 [Bildteil ohne Seitenangaben]. Das Foto der Menschenmenge mit hellem Banner, das Foto von Menschen auf der Straße und einem Mann, der sein Gesicht bedeckt, und das Foto von drei Personen und einem Fahrzeug sind abgebildet in: Marzec 1968 w Krakowie [Bildteil ohne Seitenangaben]. Das Foto des Mannes, der auf einem Brett (einer Tür) liegend getragen wird, das Foto der knienden Frau, das Foto der Eisenbahnbrücke und das Foto einer Menschenmenge vor einem Gebäude, aus dem Qualm aufsteigt, sind abgebildet in: Seidler, Kto kazał, S. 121, 80, 113 und 58 f. (diese Seitenangaben entsprechen der Reihenfolge der genannten Bilder). 137 Miedziński, Kilka uwag, S. 17-19, hier 17 f. 138 Zur Zuordnung des Fotos siehe Czartołomny, Szczegółowy wykaz, S.  232-233. Dass es sich um die westdeutsche Zeitschrift handelt, lässt sich daraus schließen, dass als Quelle für ein anderes der Quick zugeordnetes Foto das Archiv des Heinrich Bauer Verlags angegeben wurde, der die Quick herausgab. Leśniak/Rogulska, Rozstrzelana, S.  2; Makowski, Poznański Czerwiec, S. 152.

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Medienvertreter, in der Stadt aufhielten und die westliche Öffentlichkeit in Wort und Bild über die Massenproteste informierten.139 Das in der Untergrundpost reproduzierte Foto des auf einem Brett liegenden Mannes, der im Dezember 1970 an der Spitze eines Demonstrationszuges getragen worden war (siehe Abb. 63), hatte wiederum der Fotograf Edmund Pepliński heimlich aus einem Fenster seiner Wohnung in Gdingen gemacht; er war Betreiber eines Fotogeschäftes in Danzig gewesen.140 Bei dem so transportierten Mann handelt es sich um Zbigniew Godlewski, einen 18-jährigen Angestellten der Verwaltung des Gdingener Hafens, der am 17.  Dezember 1970 in Gdingen von staatlichen Einsatzkräften schwer angeschossen wurde. Umstehende legten den Verletzten auf eine Tür und trugen ihn fort, einer Version von Zeitzeugen des Geschehens zufolge, um ihn medizinisch versorgen zu lassen,141 doch nach später erfolgter Einschätzung eines Gerichtsmediziners war er bereits an Ort und Stelle gestorben.142 Es formierte sich ein Protestzug mit dem Mann auf der Tür, den die Armee und die Miliz gewaltsam auseinandertrieben. Vor dem Sitz des Präsidiums des Städtischen Nationalrats blieb der Leichnam auf der Tür zurück.143 Die Bestattung fand in der Nacht statt, wie auch die der anderen Todesopfer unter den Protestierenden dieser Tage.144 Auf diese Weise konnten die Machthaber größeres Aufsehen vermeiden. Die Tatsache, dass ein Toter auf einer Tür durch Gdingen getragen worden war, war nicht nur damaligen Augenzeugen bekannt und wurde nicht nur durch die Fotografie von Edmund Pepliński weiterverbreitet. Die Nachricht erreichte oppositionelle Kreise in den 1980er Jahren zum Beispiel auch in Form der populären „Ballade von Janek Wiśniewski“ (Ballada o Janku Wiśniewskim), in der ihr Autor, Krzysztof Dowgiałło, die Ereignisse in den Hafenstädten vom Dezember 1970 verarbeitete.145 Da Fotografien von den Erhebungen der „polnischen Monate“ von unterschiedlichen Grafikern und Herausgebern der Untergrundpost verwendet und sie zum Teil sogar in überdurchschnittlich hohen Auflagen von bis zu 8.000 oder 10.500 Exemplaren als Untergrundbriefmarken publiziert wurden,146 lässt sich folgern, dass derlei Aufnahmen einen hohen Stellenwert im 139 Machcewicz, Poznańska rewolta, S. 103-118, hier 109; Jankowiak, Posener Juni, S. 9-23, hier 17; Fichna, Kończyły się, S. 304-307, hier 306. 140 Sieński, Edmund Pepliński. 141 Chrzanowski, Krew, S. 51-71, hier 68. 142 [o. Verf.], Aneks, S. 387. 143 Chrzanowski, Krew, S. 51-71, hier 68 f. 144 Seidler, Kto kazał, S. 131. 145 Text der Ballade in: Sokołowska, To nie na darmo, S. 177. 146 [o. Verf.], Katalog znaczków, S. 15, 19.

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

alternativen kulturellen Gedächtnis in den 1980er Jahren hatten. Dieser Schluss wird auch dadurch gestützt, dass Fotos von den Massenprotesten der jüngeren Vergangenheit bereits zugänglich gemacht worden waren, bevor die Untergrundpost begann: Gleich in den 16 Monaten der legalen Solidarność waren auf Initiative ihrer Mitglieder und Sympathisanten zahlreiche Fotoausstellungen organisiert worden, die insbesondere die „polnischen Monate“ thematisiert hatten.147 Die Fotoaufnahmen stießen auf ein so großes Interesse in oppositionell eingestellten Kreisen, weil sie als authentische Zeugnisse des festgehaltenen Geschehens galten. Entsprechend hatten die Organisatoren einer solchen Ausstellung, die im März 1982 in Krakau gezeigt werden sollte, in einem Aufruf geschrieben: Die Fotoausstellung gestalten wir alle. […] Greifen wir alle in unsere Schubladen und Familienarchive, wo vielleicht schon von der Zeit angegriffene, aber wertvolle Fotos liegen. Diese sollen als Zeugen sprechen. […] sie sollen der Gesellschaft im Namen der Wahrheit und der Gerechtigkeit gezeigt werden.148

Auch in einem Fotoband über die Phase des Kriegsrechts, der 1986 im Zweiten Umlauf erschien, wird im Vorwort auf die Bedeutung der Fotografien eingegangen, das Geschehen wahrheitsgetreu zu dokumentieren: Die Motivation der Bildautoren, egal ob es sich um professionelle oder um Amateurfotografen handelte, sei gewesen, unverfälschtes Zeugnis zu geben, im Gegensatz zur verlogenen und tabuisierenden Propaganda der Staatsmedien.149 Offenbar wurde davon ausgegangen, dass die Aufnahmen, die im Zweiten Umlauf aus dem alternativen Speichergedächtnis ins Funktionsgedächtnis gehoben wurden, nicht zensiert worden waren, so dass mit ihnen die „Wahrheit“ dokumentiert werden konnte. Bei den Fotos, die heimlich von Privatpersonen, ob Amateur oder professioneller Fotograf, gemacht worden waren, konnte der Betrachter eine Einflussnahme durch die staatliche Zensur tatsächlich ausschließen; vermutlich ebenso bei den vom Geheimdienst aufgenommenen Fotos, da sie vor allem der Identifizierung von Protestierenden dienen sollten.150 Allerdings stellt sich die Frage, ob solche Aufnahmen oppositionellen Kreisen zugänglich waren. Dagegen hatten Fotos von den Protesten, die die staatlichen Zeitungen veröffentlicht hatten, die Bildzensur durchlaufen und an die aktuelle Propaganda angepasst werden müssen.151 147 Meller, Rola, S. 219-266, hier 232. 148 Zitiert nach: Meller, Rola, S. 219-266, hier 232. 149 [o. Verf.], [o. T.], Świadectwa, FSO 02-001 Dp 2740. 150 Miedziński, Kilka uwag, S. 17-19, hier 17. 151 Zur Bildzensur siehe Miedziński, Fotografia, S. 225-251.

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Bei diesen offiziell verbreiteten Fotos ist aber davon auszugehen, dass sie eine andere inhaltliche Stoßrichtung hatten, als die Aussagen über die Protestverläufe und ihre Akteure, die die Opposition vertrat, weshalb das zensierte Bildmaterial aus den offiziellen Medien wohl eher keine Verwendung im Zweiten Umlauf gefunden haben wird. Insofern ist die in oppositionell eingestellten Kreisen vorherrschende Überzeugung nachvollziehbar, bei den im Zweiten Umlauf veröffentlichten und reproduzierten Fotografien handele es sich um die unmittelbare Wiedergabe und wahrheitsgetreue Dokumentation des Geschehens. Zum Zweck und mit dem Anspruch der unzensierten Dokumentation und des Beweises wurden einige Fotografien der Erhebungen in der Volksrepublik auch in einschlägige Publikationen eingefügt, die im Zweiten Umlauf zirkulierten. Beispielsweise sind die oben genannten Fotografien des auf der Tür getragenen Mannes und der Frau, die bei einem Verwundeten oder Toten kniet,152 im Bildteil des Buches über die Ereignisse vom Dezember 1970, Grudzień 1970, enthalten.153 Das Buch wurde 1986 in polnischen Emigrantenkreisen in Paris vom Verlag Editions Spotkania herausgegeben und nach Polen geschmuggelt, worauf eine Bekanntmachung in einer Lubliner Untergrundzeitung der Solidarność im Jahr 1987 aufmerksam macht.154 Das Bild des jungen Mannes in Schrittbewegung (siehe Abb.  59), der mit dem Transparent „Wir wollen Brot […]“ in der Hand auf den Bildbetrachter zuzukommen scheint, aufgenommen im Juni 1956, wurde wiederum im Juni 1981, also zur Zeit der legalen Solidarność, auf die Titelseite eines Programmheftes einer Theatervorstellung über die Proteste im Juni 1956 gesetzt.155 Wenn Fotos als Garant galten, dass sie das festgehaltene Ereignis wahrheitsgemäß abbilden, ergibt sich die Frage, welches Bild der Erhebungen in der Volksrepublik mit dem Anspruch auf Authentizität im Rahmen der Untergrundpost vermittelt wurde. Die verwendeten Fotografien zeigen Personen in Bewegung, was die Proteste als dynamische Ereignisse charakterisiert. Die gespannten Körper der Demonstranten signalisieren Aufmerksamkeit und Entschlossenheit, was eine angespannte Atmosphäre erzeugt. Transparente mit – mehr oder weniger gut lesbaren – Forderungen lassen den Eindruck entstehen, dass die Protestierenden zielgerichtet handeln, was abermals die Wirkung der 152 Das Foto war am 15. Dezember 1970 in der Straße Jagiellonenwälle (Wały Jagiełłońskie) in Danzig entstanden, wo sich Protestierende und staatliche Ordnungskräfte heftige Straßenkämpfe geliefert und Demonstranten das Gebäude des Woiwodschaftskomitees der PZPR angezündet hatten. Seidler, Kto kazał, S. 80. 153 Jegliński, Grudzień [Bildteil ohne Seitenzahlen]. 154 Resz, Z torby, S. 2-3, hier 2, FSO 2-002 Gp 1068. 155 Abbildung des Programmheftes in: Grzelczak, Poznański Czerwiec, S. 438.

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

Entschlossenheit fördert. Die aufgenommenen Menschenansammlungen bzw. die nebeneinander gehenden Protestierenden, hinter denen sich größere Menschenmengen erkennen oder vermuten lassen, erlauben die Assoziation einer großen Mobilisierung. Hier scheinen ganze Städte auf den Beinen gewesen zu sein. Alle Fotografien bilden Szenen im öffentlichen Raum ab. Diese Sichtbarkeit der Protestierenden lässt die Demonstrationen mutig erscheinen. Nicht gezeigt werden allerdings Plünderungen und zerstörte Geschäfte, für die aufgebrachte Protestierende verantwortlich gewesen waren. Solche Bildmotive waren damals in der offiziellen Presse als Beweis für die Interpretation veröffentlicht worden, dass es sich um Rowdys gehandelt habe.156 Dagegen pflegten die Grafiker der Untergrundpost ein Bild des energischen Protestes, das die von den Demonstranten ausgehende Gewalt ignoriert. Die Wahrheit zeigen zu wollen, bedeutete also offensichtlich nicht, unterschiedliche Perspektiven zuzulassen und sich mit der damit einhergehenden Komplexität auseinanderzusetzen. Vielmehr liegt hier eine Konstruktion in der Weise vor, dass die Auswahl der Fotos und die vermeintlich gezeigte Wahrheit von oppositionellen Wertvorstellungen und Interessen geleitet waren, so dass ein entsprechender Ausschnitt der Ereignisse dargestellt wurde. Die gegnerische Seite kommt dabei auf den verwendeten Fotoreproduktionen kaum vor – präsentiert wird lediglich ein Uniformierter auf einer Fotografie des „März 1968“ sowie Panzer auf Abbildungen zum „Dezember 1970“. So offenbart sich in der Gesamtschau der Protestdarstellungen eine erhebliche quantitative und qualitative Diskrepanz zwischen den beiden präsentierten Kontrahenten: Hinsichtlich der Anzahl der Bildmotive liegt der Fokus deutlich auf den Darstellungen der unbescholtenen Protestierenden; qualitativ kommt ein Ungleichgewicht zum Ausdruck, indem einerseits offen und ungeschützt protestierende Menschen und Verletzte oder Tote gezeigt werden, andererseits der mit dem Schutzmantel der Uniform ausgestattete bzw. militärtechnisch hoch gerüstete Gegner. Die Akteure der Untergrundpost reproduzierten aber nicht nur Fotos, sie setzten Szenen der Erhebungen in der Volksrepublik auch zeichnerisch ins Bild. Die Grafiker zeichneten Einzelpersonen und Menschenmengen mit Transparenten und polnischen Fahnen.157 Andere Untergrundbriefmarken zeigen Situationen mit Verletzten oder Toten sowie Panzer oder prügelnde

156 Miedziński, Kilka uwag, S. 17-19, hier 19. 157 FSO  2-005 Xp 0088; zwei Untergrundbriefmarken der Poczta NZS (1988) BJ-CDCN, Ple 651 III sowie BJ-CDCN, Zn 287.

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Vertreter der staatlichen Exekutive.158 Dabei ließen sich die Grafiker wohl auch von den Fotomotiven inspirieren. Beispielsweise wurde die Situation mit dem auf der Tür transportierten Mann gezeichnet (1985),159 doch aus einer anderen Perspektive umgesetzt, als auf dem zweimal auf Untergrundbriefmarken reproduzierten Foto (siehe Abb.  63). Ein weiteres Beispiel ist ein Bildmotiv, das eine Gruppe von Demonstranten darstellt, die an einer Backsteinmauer entlangzieht. Eine größere Person mit einer Fahne in der Hand, vermutlich ein Erwachsener, führt sie an; vor allem scheinen Kinder zu der Gruppe zu gehören. Eine solche Szene war im Juni 1956 in Posen fotografiert worden.160 Als Zeichnung gibt es sie in zwei Varianten auf den Untergrundbriefmarken; beide erschienen im Jahr 1986.161 Die gezeichneten Darstellungen decken sich also inhaltlich mit den Fotobildmotiven und fügen sich somit in die Darstellung der Massenproteste ein, die als unverfälscht aufgefasst wurde. Insgesamt verbreiten die Bildmotive der Untergrundbriefmarken vor allem das Typische von Protestereignissen, wobei der Fokus auf Menschen mit Transparenten und Fahnen liegt. Der Dramatik solcher Ereignisse geschuldet, doch seltener, werden auch Verletzte bzw. Tote gezeigt. Um Ausnahmen handelt es sich, wenn die Bildmotive das Bemerkenswerte der staatlichen Gegenreaktion bzw. das Außergewöhnliche der Protesthandlungen zeigen, beispielsweise den Einsatz von Panzern im Juni 1956 und eine auf den Eisenbahnschienen blockierte Lokomotive vom Juni 1976.162 Des Weiteren spiegeln sich in den Bildmotiven der Untergrundpost die Vorgeschichten und Nachwirkungen der Erhebungen nicht wider; dargestellt werden nur Szenen des Protestes der „polnischen Monate“. Die Ausnahme sind allein drei Untergrundbriefmarken zu den Protesten im Jahr 1968, die als Hinweis auf den Kontext des Aufruhrs eine Theatermaske, einen Davidstern und einige stilisierte Juden in Rückenansicht vor einem Schlagbaum in den polnischen Nationalfarben zeigen.163 158 Aus dem Jahr 1989, FSO 2-005 Xp 0045. Der Warschauer Grafiker Piotr Tofil stellte auf einer Untergrundbriefmarke der Poczta „Solidarność“ aus dem Jahr 1986 die Praxis des sogenannten „Trimm-dich-Pfades“ der Erhebungen von 1976 dar: Durch ein von Uniformierten gebildetes Spalier wurden Demonstrationsteilnehmer getrieben und dabei geschlagen. Es handelt sich um die linke Briefmarke des Blocks, FSO 2-005 Xp 0036. 159 Abbildung in: Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1985, S. 67, Nr. 243, zweite Untergrundbriefmarke von links. 160 Abbildung in: Leśniak/Rogulska, Rozstrzelana, S. 30, Nr. 37. 161 FSO  2-005 Xp 0087/1, untere Reihe erste Marke von links; sowie Abbildung in: Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1986, S. 88, Nr. 308. 162 Zur blockierten Lokomotive siehe die Untergrundbriefmarke des Warschauer Grafikers Piotr Tofil für die Poczta „Solidarność“ aus dem Jahr 1986, FSO 2-005 Xp 0036. 163 Siehe zwei Untergrundbriefmarken der Poczta NZS (1988), BJ-CDCN, Ple  651 III; außerdem eine Untergrundbriefmarke der Poczta Niezależna (1988), BJ-CDCN Szp 282 III.

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

Die selektive, nicht kontextualisierende Schwerpunktsetzung wird zwar den historischen Bedingungen insofern nicht gerecht, als beispielsweise ohne die vorangegangene Phase des „Tauwetters“ die Arbeiter im Juni 1956 nicht auf die Straße gegangen wären.164 Doch scheint die Berücksichtigung der Vorgeschichten und des Nachklangs der Ereignisse auch nicht die Intention der Grafiker der Untergrundpost gewesen zu sein, um die damaligen Massenproteste für die oppositionelle Identität fruchtbar zu machen. Vielmehr konstruierten sie eine schematische, auf das Ähnliche der „polnischen Monate“ ausgerichtete Darstellung, die die Einzelerhebungen zu einer großen Erzählung von unerschrockenen, selbstbewussten, solidarischen Akteuren und entschlossenem, energiegeladenem Aufruhr verdichtet. Die Proteste erhalten den Anschein des Dauerzustandes, denn die Phasen zwischen ihnen werden nicht thematisiert. Die auf authentischen Dokumenten gründende, präsentierte „wahre Narration“ lautet demnach, dass der Widerstand gegen das politische und wirtschaftliche System der Volksrepublik als etwas Permanentes aufzufassen sei. Analyse ausgewählter Bildmotive: Jahreszahlen als identitätsstiftendes Angebot Die Erhebungen in der Volksrepublik Polen thematisierten die Bildautoren der Untergrundpost außerdem, indem sie Jahreszahlen als Bildmotiv verwendeten. Sie setzten die Jahreszahlen der „polnischen Monate“ und auch die Jahreszahl 1980 sowie zum Teil „1981“ auf ein und dieselbe Untergrundbriefmarke bzw. -block (oder seltener auf die einzelnen Marken eines Satzes). Damit werden die Massenproteste als Ereignisreihe gezeigt, die das Selbstverständnis der Protestierenden bis in die Oppositionsbewegung der 1980er Jahre prägte. Der Profilierung der oppositionellen Identität konnte die Nennung oder Weglassung von Jahreszahlen in der Reihe dienen. Ab 1983, bereits in den Anfängen der Untergrundpost, gestalteten Grafiker Untergrundbriefmarken mit diesem Bildmotiv in vielen Varianten, beispielsweise: Die Jahreszahlen sind so angeordnet, dass sie von oben aus dem Hintergrund kommend nach unten in den Vordergrund hinabsteigen (siehe Abb. 64, links unten). Sie stehen neben oder umrahmen das Danziger bzw. das Posener Denkmal für die Opfer der Massenproteste.165 Sie sind in die polnische Fahne 8.2.2

164 Machcewicz, Posener Juni. 165 Abbildungen zweier Untergrundbriefmarken aus dem Jahr 1983 in: Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1982-84, S. 32, Nr. 115 und S. 34, Nr. 121. Untergrundbriefmarkenblock aus dem Jahr 1987: FSO 2-005 Xp 0027/3.

8.2 Die Erhebungen in der Volksrepublik Polen

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eingesetzt (siehe Abb.  67), sie zieren die Landkarte Polens.166 Sie umgeben ein Kreuz bzw. einen mit der polnischen Fahne ausgestatteten Anker (siehe Abb. 65).167 Die Zahlen 56, 68, 70 und 76 werden selbst zu Symbolen – die „5“ zu Hammer und Sichel, die „68“ lässt einen Davidstern assoziieren, die „7“ ähnelt einem Galgen, die Ziffern der „76“ sind zusammengebunden.168 Die Erhebungen und 1980 – eine Erfolgsgeschichte Ein Bestandteil des Bildmotivs der Jahreszahlen ist die Jahreszahl 1980.169 Mit ihr wird die damalige Gegenwart der 1980er Jahre direkt mit der Vergangenheit verknüpft. Ans Ende der Reihe der Massenproteste gesetzt, laufen diese auf die Entstehung der Solidarność hinaus.

Abb. 64 Untergrundpost, Block der Poczta Polowa Nowa Huta: 3. Jahrestag der Unterzeichnung der Danziger Vereinbarungen, 1983.

166 Untergrundbriefmarke einer Serie aus dem Jahr 1984, hier die erste Marke von links: FSO 2-005 Xp 0832/2. 167 Abbildung der Untergrundbriefmarke mit Kreuz (1983) in: Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1982-84, S. 37, Nr. 131. 168 Untergrundbriefmarkenserie aus dem Jahr 1988: FSO 2-005 Xp 0025. 169 Beispielsweise eine Untergrundbriefmarke aus dem Jahr 1983 in: Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1982-84, S. 34, Nr. 121.

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

Der August 1980 und die Solidarność stehen als friedlicher Schlussakkord nach den gewaltsam beendeten Protesten und Opfern in den Jahrzehnten zuvor. Hier wird deutlich die Geschichte der Massenproteste als eine zielgerichtete Geschichte vermittelt. Sie verleiht den Erhebungen der jüngeren Vergangenheit einen nachhaltig positiven Sinn, und zwar dass diese langfristig zu den Protesten im August 1980 geführt hatten, die in mehr Freiheit und Selbständigkeit der Gesellschaft von den Machthabern mündeten. In ihrer teleologischen Struktur war die oppositionelle Narration der offiziellen gleich, inhaltlich hätten die Interpretationen der polnischen Zeitgeschichte jedoch nicht unterschiedlicher sein können. In der zensierten Geschichtsschreibung war die Volksrepublik das gute, erreichte Ziel; folgerichtig mussten alle, die sich gegen sie wandten, auf der Straße niedergeschlagen und in Wort und Schrift als „Aufwiegler“, „Rowdys“ usw. diffamiert werden – so geschehen in den offiziellen Reaktionen auf die Erhebungen in Posen 1956, Warschau 1968, der Küstenregion 1970 sowie in Radom und Ursus 1976. Den Protestteilnehmern von damals und den oppositionellen Akteuren der 1980er Jahre boten diese Wertungen der Ereignisse naturgemäß keine positiven Anknüpfungspunkte. Anders die oppositionelle Narration vom ungebrochenen Widerstandsgeist über Jahrzehnte hinweg, der schließlich mit größerer Eigenständigkeit der breiten Gesellschaft belohnt wurde. Diese Narration war von Beginn der Solidarność-Bewegung an Konsens und wurde kontinuierlich in Stellungnahmen zu den Jahrestagen und anderen Gelegenheiten betont. So skizzierte Lech Wałęsa, Vorsitzender der Landesverständigungskommission (Krajowa Komisja Porozumiewawcza – KKP) der Gewerkschaft Solidarność, in seiner Eröffnungsrede auf der ersten Delegiertenversammlung in Danzig im September  1981 die Entstehung der Solidarność aus den vorangegangenen Massenerhebungen und den „Anstrengungen und Kämpfen für die menschliche Würde in unserem Land. Wir sind aus diesen Kämpfen erwachsen und bleiben ihnen treu.“170 In einem Referat der KKP, ebenfalls im Rahmen dieser Delegiertenversammlung, heißt es: Der Protest im Sommer 1980 „war die Fortsetzung der Arbeiterkämpfe von 1956, 1970, 1976, die Fortsetzung des kollektiven Handelns zur Verteidigung der Menschenrechte, die Fortsetzung der Bewegungen für die Verteidigung und Verbesserung der Republik.“171 Inhaltlich ließe sich hier der nicht erwähnte März 1968 problemlos integrieren. Auch Kornel Morawiecki, Chef der radikalen Solidarność Walcząca, die sich nach einem halben Jahr Kriegsrecht von der Solidarność 170 [Wałęsa], Dzwignąć, S. 1-2, hier 1, FSO 2-002 Gp 166. 171 [o. Verf.], Referat, S. 168-192, hier 169 f., FSO 2-001 Dp 0207.

8.2 Die Erhebungen in der Volksrepublik Polen

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abgespalten hatte, zollte anlässlich des 30. Jahrestags des Juni 1956 den damals Protestierenden Respekt und stellte den Dezember 1970 und den August 1980 als Folge des Widerstands in Posen 1956 dar. (Er überging sowohl den Protest der akademischen Jugend als auch den nur eintägigen Arbeiterprotest im Juni 1976 ohne Todesopfer.)172 Ein zweiter positiver Bestandteil dieser Narration war, dass die Massenerhebungen des August 1980 gewaltlos verlaufen waren. Die Überwindung der blutigen Geschichte mit friedlichen Mitteln war bis zum Schluss wesentlich für das Selbstverständnis der Oppositionsbewegung; schon in ihrer Entstehungsphase bildete sich der Konsens über die Gewaltlosigkeit heraus.173 Hier fand ein erfolgreicher Lernprozess statt, denn um nicht Gefahr zu laufen, dass der Protest wie bisher in den „polnischen Monaten“ erneut in Gewalt umschlagen und massive Gegengewalt und Unterdrückung hervorrufen würde, beherzigten die Protestierenden im August 1980 den Appell des KOR an die Arbeiter und besetzten ihre Betriebe, anstatt die öffentlichen Plätze in den Städten.174 Vom überwältigbaren Gegner konnten sie sich zum Verhandlungspartner für die Vertreter der Regierungsseite entwickeln. So vermittelt die von der Opposition verbreitete Narration über die Erhebungen in der Volksrepublik ihren Aktivisten und Sympathisanten posi­ tive Identitätsaussagen. Die damaligen zunächst friedlichen, dann aber auf beiden Seiten in Gewalt umschlagenden Proteste werden nicht in Bausch und Bogen verurteilt. Vielmehr wird die widerständige Haltung der Gesellschaft als eine positiv konnotierte Konstante begriffen. Sie führte dazu, dass immer wieder aufs Neue offen für Werte gefochten wurde, die in der offiziellen Sphäre nicht zum Tragen kamen, und sie führte schließlich zur friedlichen Entstehung der Solidarność-Massenbewegung, die bis zur Verhängung des Kriegsrechts das selbständige Denken und Handeln in aller Öffentlichkeit praktizierte. Diese Narration wird auf den Untergrundbriefmarken in Kurzform präsentiert. Alle Jahreszahlen stehen für den fortwährenden Widerstand gegen die Obrigkeit und den Einsatz für die Rechte der Gesellschaft, und mit der Jahreszahl 1980 wird diese Haltung in friedliche, kreative Handlungsformen eingebettet. Gleichzeitig gibt diese Narration der oppositionellen Identität ein gesellschaftliches und zeithistorisches Fundament, indem sie die Solidarność in die jüngste Widerstandsgeschichte der Gesellschaft in Polen verankert.

172 Morawiecki, 30 rocznica, S. 1, FSO 2-002 Gp 509. 173 Falk, Dilemmas, S. 180-184. 174 Siehe Eintrag zum 8. August in der Chronik der Encyklopedia Solidarności: [o. Verf.], Kalendarium 1980; Friszke, Polen, S. 371.

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

Die Erfolgsgeschichte des Protestes gegen das Regime schrieben manche Bildgrafiker der Untergrundpost noch über „1980“ hinaus. Die Erhebungen und 1981 – sich nicht beirren lassen Dass den „polnischen Monaten“ der Massenerhebungen noch die Jahreszahl 1981 hinzugestellt wurde, ist ein ungefähr gleich häufig vertretenes Bildmotiv wie die Beendigung der „Zahlenreihe“ mit „1980“.175 Die Massenproteste auf der einen Seite und die Reaktion des Regimes darauf auf der anderen Seite können in diesem Fall nicht ein und demselben Monat zugeordnet werden, sondern zwei Monaten in zwei aufeinanderfolgenden Jahren, dem August 1980 und dem Dezember 1981. Die optimistische Aussage, dass mit dem August  1980 die Krönung der Massenproteste eingetreten war und eine friedliche Entwicklung in Richtung größerer Freiheit und Selbstbestimmung der Gesellschaft offen ihren Lauf nehmen konnte, war offensichtlich nicht das letzte Wort zu den Erhebungen der „polnischen Monate“. Da das Regime abermals militärisch eingegriffen und die friedlich agierende Massenbewegung unterdrückt hatte, stellt sich die Frage, ob das Bildmotiv der Jahreszahlen inklusiv „1981“ einen resignierten Blick auf die „polnischen Monate“ freigibt und „1980“ im Rückblick bescheinigt, wirkungslos gewesen zu sein. Dagegen spricht allerdings, dass die mit „1981“ abgeschlossene Liste der Jahreszahlen von Symbolen und Aussagen des Kampfes, des Sieges, der Hoffnung und des Glaubens umgeben ist. Hinzugefügt wurden beispielsweise das Symbol des „Kämpfenden Polen“,176 die kotwica, aus der Zeit des polnischen Untergrundstaates und des Warschauer Aufstandes oder ein Anker mit der polnischen Fahne. Das Ankersymbol kann sowohl als Anspielung auf das Symbol des „Kämpfenden Polen“ als auch auf die Proteste in der Küstenregion als auch als christliches Symbol der Hoffnung gedeutet werden. Auch ein Kreuz, Symbol nicht nur des Leidens, sondern auch des Trostes und der Hoffnung, illustriert das Bildmotiv,177 außerdem das Danziger oder Posener Denkmal,178 deren 175 Beispielsweise die Untergrundbriefmarke einer Serie aus dem Jahr 1984: FSO  2-005 Xp 0832/2. 176 Abbildung der Untergrundbriefmarke aus dem Jahr 1983 in: Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1982-84, S. 32, Nr. 115. 177 Abbildung der Untergrundbriefmarke aus dem Jahr 1983 in: Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1982-84, S. 37, Nr. 131. 178 Für die Abbildung des Danziger Denkmals die Untergrundbriefmarke aus dem Jahr 1987, FSO 2-005 Xp 0027/3. Für die Abbildung des Posener Denkmals die Abbildung der Untergrundbriefmarke aus dem Jahr 1983 in: Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1982-84, S. 32, Nr. 115.

8.2 Die Erhebungen in der Volksrepublik Polen

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Abb. 65 Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der Poczta Solidarności Walczącej: 1956, 1968, 1970, 1976, 1980, 1981, [1985].

Errichtung durch die Solidarność die erfolgreiche Fortsetzung des Kampfes für ein würdiges Leben symbolisiert. Mit Aussagen neben der Reihe der Jahreszahlen wie „Ehre den Gefallenen“ (Cześć poległym) und „Den Gefallenen im Kampf für Freiheit und Brot“ (Poległym w walce o wolność i chleb) wird den Toten der Massenproteste Respekt gezollt,179 was auch die Toten des Kriegszustandes miteinbezieht. Die Todesopfer, die überdies auch in den beiden abgebildeten Denkmälern präsent sind, nicht zu übergehen, lässt sich als Verpflichtung für die Gegenwart der 1980er Jahre deuten, ihren Einsatz für bessere Lebensverhältnisse fortzusetzen. Hier wird also keine Geschichte der endgültigen Niederlage gezeichnet, trotz hinzugefügter Jahreszahl „1981“. Im Gegenteil lässt sich hier die Botschaft ablesen, dass die Entwicklungen in der Gesellschaft hin zu mehr Freiheit und Selbstbestimmung, die im August 1980 ihren einstweiligen Höhepunkt erreichten, über den Dezember 1981 hinaus nicht verloren gegeben werden. 179 Zur Aufschrift „Cześć poległym“ siehe Abbildung der Untergrundbriefmarke aus dem Jahr 1983 in: Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1982-84, S. 37, Nr. 131. Zur Aufschrift „Poległym w walce o wolność i chleb“ siehe Abbildung der Untergrundbriefmarke aus dem Jahr 1983 in: Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 198284, S. 32, Nr. 115.

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

Ein Merkmal der oppositionellen Identität ist demnach das Beharrungsvermögen. In dem Bildmotiv einer Untergrundbriefmarke der Poczta Solidarność, Region Rzeszów aus dem Jahr 1984 wird diese Einstellung ebenfalls anschaulich.

Abb. 66

Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der Poczta Solidarność: Wir erinnern uns an 1956, 1968, 1970, 1976. 1980-81 wir beharren, [1984].

Das Motiv unterscheidet sich insofern von den bisher betrachteten Bildvarianten, als der Grafiker hier die Jahreszahlen „1980“ und „1981“ mit einem Bindestrich verband. In der linken Hälfte der Marke sind drei stilisierte Porträts zu sehen. Drucktechnisch bedingt etwas unscharf, stellen sie vermutlich einen Studenten mit Mütze, einen Arbeiter mit Schutzhelm und einen Bergmann, erkennbar am Helm mit Lampe, dar. In der rechten Hälfte steht geschrieben „wir erinnern uns an“ (pamiętamy), darunter die Jahreszahlen 1956, 1968, 1970 und 1976, und es folgt darauf: „1980-81 wir beharren“ (1980-81 trwamy). In dieser Darstellung tritt die zerstörerische Kraft des Dezember 1981 in den Hintergrund, denn festgestellt wird hier, dass es die 16 Monate der relativen Freiheit und die legale Solidarność gab und dass diese Erfahrung Kraft zu geben vermag, um auch nach Verhängung des Kriegsrechts im Untergrund durchzuhalten. Nicht zuletzt sind die Untergrundbriefmarken selbst Ausdruck dessen, dass der Geist des August  1980 weiterwirkte, denn der Produzent und der Betrachter der Marken hielten sowohl den Beweis materiell in der Hand, dass oppositioneller Protest weiterlebte, als sie auch selbst als herstellende Akteure bzw. kaufende und sammelnde Rezipienten der Untergrundpost Beweis oppositioneller Gesinnung und Aktivitäten waren.

8.2 Die Erhebungen in der Volksrepublik Polen

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Die Erhebungen und 1944 – die nationale Identität Eine interessante Erweiterung des Bildmotivs der Jahreszahlen ist eine Serie des Grafikers Andrzej Znojkiewicz, der die Jahreszahlen der Massenproteste in der Volksrepublik zum Warschauer Aufstand im Jahr 1944 in Bezug setzte. Zwar handelt es sich bei dieser Verknüpfung um eine Ausnahme innerhalb des Bildmotivs „Jahreszahlen der Erhebungen in der Volksrepublik“, doch mit einer Auflagenhöhe von 1.000 Exemplaren hatte Znojkiewicz’ Serie durchaus Chancen, in eine bemerkenswerte Breite zu wirken.180

Abb. 67 Untergrundpost, Serie von sechs Untergrundbriefmarken der Poczta Solidarności: 40 Jahre Kampf für ein würdiges Leben, 1984, Entwurf: Andrzej Znojkiewicz.

Znojkiewicz gestaltete auf diese Weise einen 6er-Untergrundbriefmarkensatz für die Poczta Solidarności aus Anlass des 40.  Jahrestages des Warschauer Aufstandes, der den Titel „40  Jahre Kampf für ein würdiges Leben“ (40  lat walka o godne życie) trägt. Vor weiß-rotem Hintergrund stehen in der rechten oberen Ecke der jeweiligen Marke die Jahreszahl „1984“, schräg links unter ihr „1944“ und das Symbol des „Kämpfenden Polen“. Unter der Jahreszahl „1944“ wird jeweils eine Jahreszahl der Massenproteste in der Volksrepublik mit Ortsangabe genannt; beim Jahr „1980“ ist es „Polen“ (Polska). In das national konnotierte Zusammenspiel des weiß-roten Hintergrunds bzw. der polnischen Fahne, der Jahreszahl des Warschauer Aufstandes und des Symbols der damaligen Aufständischen integriert, lassen sich die Erhebungen in der Volksrepublik, inklusiv die Entstehung der Solidarność, als nationale Aufstände interpretieren. Aus der Perspektive des Regimes lag in dieser Deutung jedoch eine große Provokation mit schwerwiegenden Folgen. Da der Begriff „Aufstand“ im 180 Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1982-84, S. 86, Nr. 290.

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

polnischen Sprachgebrauch impliziert, dass er sich gegen fremde Herrscher richtet,181 konnten es die Machthaber der Volksrepublik nur als Bedrohung für ihre Legitimierung auffassen, wenn die Erhebungen in der Volksrepublik als Aufstände interpretiert wurden. Znojkiewicz griff also mit diesem Deutungsangebot eine Auffassung auf, die für die Machthaber der Volksrepublik inakzeptabel war, in regimekritisch eingestellten Kreisen aber mit Zustimmung rechnen konnte. Die Auffassung, es sei in der Volksrepublik zu nationalen Aufständen gekommen, stützte sich darauf, dass bereits die Teilnehmer der Massenproteste vor 1980 politisch-nationale Forderungen, u. a. nach Freiheit und der Unabhängigkeit Polens, vertreten und polnische Fahnen mit sich geführt hatten. Auch hatten insbesondere im Juni 1956, knapp zwölf Jahre nach dem Warschauer Aufstand, die weiß-roten Armbinden, die von jungen Frauen geleisteten freiwilligen Sanitätsdienste und die Bereitstellung von Benzinflaschen für die Straßenkämpfer durch Kinder bereits Assoziationen an den Warschauer Aufstand ausgelöst. Die Szenen sowohl in Posen im Juni 1956 als auch in Danzig im Dezember 1970, als Demonstranten gepanzerte Fahrzeuge in ihren Besitz gebracht hatten und – mit der Nationalfahne bestückt – durch die Straßen gefahren waren, schienen parallel zum August 1944 verlaufen zu sein, als Aufständische eroberte deutsche Panzer zu Kampfzwecken, aber auch zur moralischen Stärkung durch Warschau bewegt hatten.182 Nicht zuletzt hatten vermutlich die Entscheidungen der Machthaber der Volksrepublik, die Armee einzusetzen, ebenfalls den Eindruck der damals Protestierenden mitbeeinflusst, dass sie an einem Aufstand teilnehmen. Die Bewertung, dass es sich bei den Massenerhebungen der „polnischen Monate“ – vor allem bei den gewalttätigsten und opferreichsten – um nationale Aufstände gehandelt habe, vermittelten sowohl Aussagen damaliger Zeitzeugen, die schon in den 16 Monaten relativer Freiheit vor der Verhängung des Kriegsrechts veröffentlicht wurden,183 als auch später Stellungnahmen von Publizisten im Untergrund. So nannte beispielsweise der Verfasser eines Kommentars zum Projekt des Denkmals für den Warschauer Aufstand offenbar selbstverständlich den Posener „Aufstand“ 1956 und den Danziger „Aufstand“ 1970 in einem Zuge mit dem Warschauer Aufstand 1944, dem Januaraufstand 1863, dem Novemberaufstand 1830/31 und dem Kościuszko-Aufstand im Jahr 1794 und betitelte alle als „Nationalaufstände“.184 Zbigniew Bujak, einflussreicher programmatischer Denker der Solidarność, bezeichnete in einem 181 Eisler, Polskie miesiące 2008, S. 68. 182 Eisler, Polskie miesiące 2008, S. 75 f. 183 [o. Verf.], Oni tam byli, S. 1, 8 und 9, hier 8 f.; Niezabitowska, Sztandar, S. 1 und 8-9, hier 9. 184 Buczyński, Pomnik, S. 2, FSO 2-002 Gp 605.

8.2 Die Erhebungen in der Volksrepublik Polen

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Interview nach zwei Monaten Kriegsrecht die vorangegangene Phase der offen agierenden Solidarność als „einen unserer großen Nationalaufstände“.185 Das Angebot von Znojkiewicz’ 6er-Serie, die Erhebungen als Aufstände zu bewerten, ist zum einen eine Interpretation der Beweggründe der Proteste: In den Hintergrund geraten die damals kritisierten Arbeitsbedingungen, sozialen und materiellen Verhältnisse, vielmehr wird das offene Auftreten gegen das Regime primär politisch gedeutet. Zum anderen impliziert die Deutung der Protestierenden als Nation im Aufstand, dass das kommunistische Regime als aufgezwungene Obrigkeit nicht dazu gehört. Während die Profilierung der Protestierenden als Nation ein integrierendes Wirkungspotential hat und ihre Stärke unterstreicht, werden die ausgegrenzten Machthaber in die Defensive gedrängt. Gegen einen so gewichtigen Gegner konnten diese langfristig nur verlieren, so die Suggestion, die dann in der sechsten Untergrundbriefmarke der Serie mit der Aufschrift „1980 Polen“ offen mitgeteilt wird und die Narration von den Erhebungen als Erfolgsgeschichte perpetuiert. Die Erhebungen ohne „1968“ – Fokussierung oder Ausgrenzung? Teilweise ließen die Bildautoren die Jahreszahl 1968 in der Reihe der Massenproteste weg. Das ist insofern verwunderlich, als sich im Nachdenken über die Protestereignisse von 1968, ihre Bedingungen und Folgen, das ab Mitte der 1970er Jahre außerhalb der staatlichen Zensur stattfand, Vorstellungen von einer oppositionellen Identität und praktische Handlungsansätze für selbstbestimmtes Handeln und eine gesellschaftliche Selbstorganisation herausbildeten. Aus der Auseinandersetzung mit „1968“ leitete sich somit eine wichtige Orientierungsfunktion für das oppositionelle Selbstverständnis und Tätigsein ab, die in der Solidarność-Bewegung zum Tragen kam.186 Wenn es sich auch um Ausnahmen im Bildmotiv „Jahreszahlen der Erhebungen in der Volksrepublik“ handelt, dass die Jahreszahl 1968 nicht aufgeführt wird, sollen doch mögliche Gründe für die Auslassung skizziert werden. Nicht aufgelistet ist „1968“ beispielsweise in zwei Bildmotiven der Poczta Solidarność, die im Jahr 1983 bzw. 1987, hier um das Danziger Denkmal herum angeordnet,187 herausgegeben wurden. Auf der Untergrundbriefmarke von 1983 werden die Jahreszahlen 1956, 1970, 1976 und 1980 auf den Slogan „Wir wollen Brot und Freiheit“ (Chcemy chleba i wolności) bezogen, der auf einer polnischen Fahne geschrieben steht. Diese ist mit Nägeln an einer

185 Bujak/Kulerski, To było, S. 1-2, hier 2, FSO 2-002 Gp 563. 186 Genest, Märzereignisse, S. 99-108, hier 103-107. 187 FSO 2-005 Xp 0027/3.

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

Backsteinmauer befestigt, auf den Nagelköpfen ist jeweils eine der Jahreszahlen geschrieben.188 Die Proteste im März 1968 waren zwar nicht durch Preiserhöhungen ausgelöst worden, doch hatten die Demonstranten die Forderung nach Freiheit ebenfalls deutlich vertreten. Allerdings waren 1968 die Proteste von der akademischen Jugend ausgegangen und hatten sich überwiegend in diesem Milieu ausgebreitet, was ein Grund dafür sein kann, dass der Grafiker die Jahreszahl nicht in das Bildmotiv aufnahm. Wenn er hervorheben wollte, dass sich in der jüngsten Vergangenheit Proteste von Arbeitern aneinandergereiht hatten, bedurfte es keiner Nennung der Proteste der Intelligenz; im Gegenteil würde der März 1968 aus dieser Perspektive einen Fremdkörper darstellen. Nicht ausgeschlossen, dass das Misstrauen gegenüber der Intelligenz, das in der Arbeiterschaft trotz der Hilfsinitiativen des 1976 gegründeten KOR auch zu Solidarność-Zeiten anzutreffen war,189 auf dieser Untergrundbriefmarke von 1983 noch mitklang. Darüber hinaus ist mitzudenken, dass die 1968 initiierte antijüdische Kampagne der Partei und der staatlichen Medien eine tiefgreifende und nachhaltige Wirkung bis in die 1980er Jahre entfaltete. Zwar versuchte die PZPR bis Ende der 1980er Jahre, die damalige Kampagne zu übergehen bzw. zu argumentieren, dass es in Polen keinen Antisemitismus gab.190 Doch insbesondere die Akteure des oppositionellen KOR, das aus der „Generation 1968“ hervorgegangen war und deren Mitglieder teilweise jüdische Wurzeln hatten, sahen sich mit antisemitischen Vorwürfen und Anspielungen konfrontiert. Unterstellt wurde ihnen in den staatlichen Massenmedien, dass sie fremde Interessen verträten und nicht polnische. Ziel war es, auf der Grundlage der Propaganda von 1968 Vorbehalte nicht nur gegenüber dem KOR zu schüren, sondern die oppositionelle Intelligenz im Allgemeinen zu diskreditieren und so Konflikte und Spaltungen in der Oppositionsbewegung der 1980er Jahre zu fördern. Oppositionelle waren nicht unbedingt vor Manipulationen dieser Art gefeit. Zudem ließen auch national ausgerichtete oppositionelle Organisationen zuweilen antisemitische Einstellungen nach außen durchblicken, wobei die Versuche der antijüdischen Stimmungsmache in der Oppositionsbewegung letztlich überwiegend auf Ablehnung stießen.191 Ein Grund für Letzteres kann gewesen sein, dass Erinnerungen und Zeitzeugenberichte der Emigranten von 1968 im Zweiten Umlauf rezipiert wurden, die die antijüdische Kampagne aus 188 FSO 2-005 Xp 0356/4. 189 Meller, Rola, S. 219-266, hier 235. 190 Sęczyk, Marzec, S. 273-278. 191 Olaszek, Sprawdzone, S. 47-54, hier 47-51 und 54.

8.2 Die Erhebungen in der Volksrepublik Polen

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Sicht der Betroffenen unabhängig von der offiziellen Zensur darstellten.192 Ein weiterer Grund mag sein, dass sich in oppositionellen Kreisen ein Interesse an der jahrhundertealten jüdischen Geschichte Polens entwickelte.193 So kann nur spekuliert werden, warum Bildautoren der Untergrundpost die Jahreszahl 1968 nicht aufnahmen. Möglicherweise handelten sie so, weil sie die Protestgeschichte des Arbeitermilieus in den Mittelpunkt rücken wollten. Vielleicht waren sie auch selbst mehr oder weniger bewusst von der offiziellen Propaganda zu „1968“ beeinflusst und hatten eine nationale Einstellung der Art, dass „1968“ nicht ausreichend „polnisch“ war. Auch die Möglichkeit, dass sie die Jahreszahl aus Scham wegließen und aus dem Wunsch, die damalige Zustimmung oder Passivität der breiten Bevölkerung gegenüber der antijüdischen Propaganda- und Säuberungskampagne nicht in Erinnerung zu rufen, gehört in den Bereich der Mutmaßung. 8.2.3 Analyse ausgewählter Bildbeispiele: Denkmäler Das dritte Hauptmotiv der Untergrundbriefmarken, das sich den Erhebungen in der Volksrepublik widmet, sind Ansichten des Danziger „Denkmals für die Gefallenen Werftarbeiter“ (Pomnik Poległych Stoczniowców), des Gdingener „Denkmals der Erinnerung an die Opfer des Dezember“ (Pomnik Pamięci Ofiar Grudnia) und des „Denkmals des Posener Juni 1956“ (Pomnik Poznańskiego Czerwca 1956) in Posen. Die Bildautoren verewigten in allen Jahren der Untergrundpost auf Marken und Blocks Ansichten der Denkmäler und nicht nur anlässlich der großen Jubiläumsjahrestage. An dieser permanenten Präsenz lässt sich bereits ablesen, dass die Monumente zentrale Symbole der Oppositionsbewegung waren. Im Folgenden wird gefragt, welche Inhalte die Symbole vermittelten und wie die Verbreitung der Untergrundbriefmarken den Symbolstatus der Denkmäler festigte. Die Denkmäler wurden auf Initiative der Solidarność-Bewegung errichtet und zu den Jahrestagen der niedergeschlagenen Massenproteste im Dezember 1980 (Danzig und Gdingen) bzw. im Juni 1981 (Posen) feierlich eingeweiht. Die Zeremonien, an denen mehrere Hunderttausend Menschen teilnahmen, richtete die Solidarność aus; neben den Einwohnern der Stadt und der Region waren Vertreter der lokalen Organisationen der Solidarność sowie hochrangige Repräsentanten der Solidarność, der Kirche und des Staatsapparates zugegen.194 192 Sęczyk, Marzec, S. 272. 193 Olaszek, Sprawdzone, S. 47-54, hier 54. 194 Soska, Pamięć, S.  96  f. Zur Analyse der Zeremonien der Denkmalseinweihungen in Danzig und Gdingen siehe Kubik, Power, S. 200-206.

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Abb. 68

8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

Untergrundpost, Serie von zwei Untergrundbriefmarken der Poczta Solidarność: Denkmal der Opfer des Dezember 1970, Danzig, Gdingen, [1986].

Abb. 69 Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der Poczta Niezależna: Posen 28.VI.56, 1985.

8.2 Die Erhebungen in der Volksrepublik Polen

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Dass Denkmäler „bloße Verlautbarungsorgane obrigkeitlichen oder staatlichen Willens“ sind,195 trifft zwar auf Denkmäler zu Ehren politisch opportuner Personen und Ereignisse in der Volksrepublik zu,196 doch ist der Fall der hier besprochenen Monumente anders gelagert. Denkmäler, die aus einem offenen politisch-gesellschaftlichen Konflikt hervorgehen, dienen häufig dazu, die „Krisenbewältigung zu beglaubigen“.197 Das staatlicherseits gemachte Zugeständnis an die Oppositionsbewegung, in Danzig, Gdingen und Posen Denkmäler für die Arbeitermassenproteste und ihre Opfer zu errichten, wurde zu einem guten Teil davon geleitet, die erschütterte Machtposition des Staates stabilisieren zu wollen. Diese Rechnung konnte allerdings nicht aufgehen, da die Oppositionsbewegung als Initiatorin der Denkmäler mit diesen nun über eine physisch vorhandene permanente Machtdemonstration im öffentlichen Raum verfügte, was die Position der Regierung dauerhaft untergrub. Die Denkmäler in Danzig, Gdingen und Posen waren Teil des erfolgreichen Ringens der Oppositionsbewegung um die Deutungsmacht über die jüngste Geschichte. Sie standen für einen anderen öffentlichen Umgang mit den Erhebungen in der Volksrepublik als bisher offiziell praktiziert. Dem Regime wurde abverlangt, sich zur Verantwortung für seine gewaltsamen Reaktionen auf die Massenproteste und zu den Toten und Verletzten zu bekennen und dabei von der zwischenzeitlich vertretenen interpretatorischen Notlösung abzulassen, zwischen brav und berechtigterweise demonstrierenden Arbeitern und klassenfeindlichen Aufrührern zu unterscheiden. Die Denkmäler ehrten die Proteste und die Widerständigen und dienten demonstrativ der öffentlichen Wiederherstellung des guten Namens der pauschal Verleumdeten.198 Als einmalig galt bereits bei der Errichtung, dass hier Denkmäler entstanden, die das Regime an seine Fehler erinnerten. Ausdrücklich wird in den Gründungsakten des Danziger und des Gdingener Denkmals formuliert, das Denkmal solle den Regierenden als Zeichen der „nachdrücklichen Mahnung“ dienen, dass kein gesellschaftlicher Konflikt mit Gewalt zu lösen sei.199 Präsent ist die christliche Symbolik: Das Danziger Denkmal besteht aus drei Kreuzen, an denen jeweils ein Anker befestigt ist, und das Posener Denkmal aus zwei Kreuzen, die durch einen gemeinsamen Querbalken verbunden sind. Das Gdingener Denkmal wird von dem Zahlenblock „1970“ gebildet, wobei 195 196 197 198 199

Zum Zitat: Erben, Denkmal, S. 235-243, hier 239. Grzesiuk-Olszewska, Polska rzeźba, S. 46-53. Erben, Denkmal, S. 235-243, hier 239. Modzelewski, Symbolika, S. 229-279, hier 243. Grzesiuk-Olszewska, Polska rzeźba, S. 158 und 165, Zitat 158.

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

die Ziffer sieben wie ein zusammensinkender oder fallender Mensch gestaltet ist.200 Auch hier kann ein religiöser Bezug hergestellt und Christus, der vom Kreuz genommenen wird, assoziiert werden.201 So vermitteln die Denkmäler deutlich die christliche Ausrichtung der Hauptströmung der Opposition (siehe Abb. 68 und 69). Diese Akzentuierung wurde damals bewusst und sichtbar der antireligiösen kommunistischen Ideologie entgegengesetzt,202 subsummierte gleichzeitig aber auch die Oppositionsbewegung unter einer einheitlichen Weltanschauung. Eingebettet in den skizzierten Kontext, wurden die Denkmäler längst nicht nur als Erinnerung an die niedergeschlagenen Erhebungen und ihre Opfer verstanden, sondern als Zeichen des späten Sieges der damaligen Protestierenden und des außerordentlichen Erfolges der oppositionellen Akteure in der Gegenwart der 1980er Jahre gegenüber dem Regime.203 Da die Denkmäler unverrückbar an ihrem Platz standen, blieben sie Zeichen des Widerstands gegen das Regime auch in der Zeit, als die Opposition ab Dezember 1981 in den Untergrund ausweichen musste, um weiterzuexistieren. Oppositionelle Gruppierungen nutzten sie als zentrale Orte für offiziell verbotene Gedenkund Protestveranstaltungen, und zwar nicht nur an den Jahrestagen der betreffenden Erhebung,204 sondern auch zu anderen Anlässen, bei denen es darum ging, Ablehnung gegenüber der Obrigkeit zu demonstrieren.205 Die Erfolge der Opposition, die Denkmäler initiiert und errichtet zu haben, auf diese Weise die damals Protestierenden öffentlich zu ehren und den Sinn ihres Tuns anzuerkennen, die offizielle Geschichtsschreibung zu korrigieren und dem Regime eine „nachdrückliche Mahnung“ auszusprechen, sind die Konnotationen der Denkmäler und damit auch dem Bildmotiv der Denkmäler auf den Publikationen der Untergrundpost zu eigen. Es war bei den Grafikern der Untergrundpost offensichtlich beliebt, denn schon 1983 gaben sie bereits ein Dutzend Varianten von Ansichten der drei Denkmäler heraus.206 Auch die Akteure der Lagerpost, der Vorgängerin der Untergrundpost, verwendeten 200 Zur Symbolik und Entstehungsgeschichte der Denkmäler siehe Grzesiuk-Olszewska, Polska rzeźba, S. 155-165, 213-217 und 237-239. 201 Weschler, Graphics, S. 105-124, hier 108. 202 Piotrowski, Totalitarismus, S. 250-264, hier 256-259. 203 Piotrowski, Totalitarismus, S. 250-264, hier 258. 204 Wlkp NSZZ „Solidarność“, Trzydziesta rocznica, S.  1, FSO  2-002 Gp  508; [o.  Verf.], Rocznice, S. 1, FSO 2-002 Gp 563. Zum ritualisierten Gedenken am Danziger Denkmal anlässlich der Jahrestage siehe Szymanski, Protest, S. 195-208. 205 Piotrowski, Totalitarismus, S. 250-264, hier 258. 206 Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1982-84, S. 1, Nr. 3; S. 2, Nr. 5; S. 18, Nr. 67; S. 20, Nr. 77; S. 32, Nr. 115; S. 33, Nr. 120; S. 34, Nr. 121; S. 36, Nr. 128; S. 51, Nr. 178; S. 61, Nr. 216; S. 97, Nr. 320; S. 109, Nr. 365 und S. 111, Nr. 375.

8.2 Die Erhebungen in der Volksrepublik Polen

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das Denkmalmotiv. Aus dem Internierungslager in Nysa ist eine gestempelte Briefkarte aus dem Jahr 1982 überliefert, das Bildmotiv des Stempels zeigt das Posener Denkmal.207 Akteure der Lagerpost im Internierungslager Łowicz stempelten Briefumschläge sowohl mit dem Motiv des Danziger als auch des Posener Denkmals.208 Doch weder die Untergrundpost noch die Lagerpost publizierte als erste das Bildmotiv der Denkmäler. Es war die staatliche Polnische Post, die unter dem Serientitel „Denkmäler für die Opfer des Dezember 1970“ (Pomniki Ofiarom Grudnia 1970 r.) eine Briefmarke mit der Ansicht des Denkmals in Danzig vor rotem Hintergrund sowie eine Briefmarke mit der Ansicht des Denkmals in Gdingen vor blauem Hintergrund in Umlauf brachte.

Abb. 70 Staatliche Post der Volksrepublik Polen, Briefmarke der 2er-Serie: Den Opfern des Dezember 1970 Danzig, 1981.

207 Abbildung in: Kobyliński, Sześć lat, S. 50. 208 Die Briefumschläge sind als Publikationen der „Poczta Obozowa“ enthalten in der Sammlung FSO  2-010. Der Briefumschlag mit der Ansicht des Danziger Denkmals stammt aus dem Jahr 1982, der Umschlag mit der Abbildung des Posener Denkmals trägt keine Jahresangabe.

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8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

Abb. 71 Staatliche Post der Volksrepublik Polen, Briefmarke der 2er-Serie: Den Opfern des Dezember 1970 Gdingen, 1981.

Ihr Ausgabedatum war der 16.  Dezember 1981, also ein Jahr nach der Einweihung der Denkmäler und nur drei Tage nach Verhängung des Kriegsrechts. Das Bildmotiv konnte in dieser Situation nur als eigenhändige Demontage der Staatsmacht verstanden werden, da sich offenbar bestätigte, dass das Regime doch nicht aus seinen Fehlern gelernt und die „nachdrückliche Mahnung“ der Denkmäler in den Wind geschlagen hatte. Dies kann der Grund gewesen sein, warum der Postverkauf dieser beiden Briefmarken nach wenigen Stunden eingestellt wurde. Ohnehin sollen sie nur in zwei Postämtern, in Danzig und in Warschau, in den Verkauf gelangt sein. Allerdings hatten Philatelisten, die die neu erscheinenden Marken im Abonnement erhielten, sie normal ausgeliefert bekommen.209 Das Frankieren mit diesen Marken war nicht untersagt,210 doch sollen Postangestellte angewiesen worden sein, die Marken insbesondere auf Inlandssendungen zu entfernen.211 Wie viele Exemplare der Auflagen von 5,4 Millionen (Danziger Denkmal) bzw. 3,35 Millionen Stück (Gdingener Denkmal) tatsächlich in den Postverkehr bzw. in den Sammlerversand gelangten, ist allerdings nicht bekannt.212 Auf einen Briefumschlag geklebt und mit einem Stempel in Form eines Stiefelabdrucks und dem Datum 13.11.1982 209 210 211 212

Petriuk, Polen, S. 21-24, hier 22. Petriuk, Polen, S. 21-24, hier 22. Kersten, Warum ausgerechnet Polen? [Ohne Seitenangaben]. Petriuk, Polen, S. 21-24, hier 22.

8.2 Die Erhebungen in der Volksrepublik Polen

205

[sic!] bedruckt, sind sie zum Beispiel ein Element einer Publikation der Lagerpost Strzebielinek.213 Die Staatsmacht, die dem Bau der Denkmäler zugestimmt hatte und bei den feierlichen, von der Solidarność organisierten Einweihungen anwesend gewesen war, hatte mit den beiden Briefmarken der Polnischen Post die Aufnahme der Denkmäler in das offizielle kulturelle Funktionsgedächtnis zusätzlich besiegelt. Jedoch mussten infolge der Entscheidung, auf die Existenz und die Aktivitäten der oppositionellen Massenbewegung mit der Verhängung des Kriegsrechts zu reagieren, zwangsläufig die Zugeständnisse an die nun ganz offensichtlich bekämpfte Oppositionsbewegung zurückgenommen werden. Die Denkmäler in das Speichergedächtnis zu verbannen, war bei den beiden Briefmarken gerade noch zu bewerkstelligen, indem sie zurückgezogen wurden. Physisch blieben die Denkmäler dagegen notgedrungen stehen. Vermutlich sollte das Risiko heftiger Ausschreitungen, die bei einem Abbruch wohl gedroht hätten, nicht eingegangen werden. Die Bildmotive, welche die staatliche Post nun unter Verschluss hielt, publizierten die Grafiker der Untergrundpost dagegen in zahlreichen Varianten. Teilweise sind die Ansichten durch Aufschriften ergänzt, die an den Jahrestag der betreffenden Erhebung oder der Unterzeichnung der Danziger Vereinbarungen erinnern.214 Sind die Denkmalansichten in Blocks von weiteren Bildmotiven umgeben, handelt es sich gewöhnlich um Darstellungen der damaligen Massenerhebungen oder der Protestereignisse und Erfolge der Oppositionsbewegung der 1980er Jahre (siehe Abb. 64).215 Dieses bildliche Beiwerk bestätigt, dass die in oppositionell eingestellten Kreisen gängige Deutung der Denkmäler war, sie als Zeichen der Ehrerbietung gegenüber den Protestierenden und als Zeichen der Machtdemonstration gegenüber dem Regime aufzufassen. Ohnehin lässt sich die Vervielfältigung der Denkmalansichten als entschiedene Aussage verstehen, dass die Denkmäler der Opposition gehören. Dabei ist es nicht wichtig, dass die Denkmäler auf den Untergrundbriefmarken – vermutlich aus drucktechnischen Gründen – nicht detailgetreu zur Darstellung gebracht wurden: Beim Posener Denkmal fehlen häufig die Jahreszahlen 1956, 1968, 1970, 1976 und 1980, die auf den Kreuzen angebracht worden waren, sowie der neben den Kreuzen stehende Steinblock, aus dem die Silhouette des polnischen Adlers hervortritt und auf dem „Freiheit, Recht, Brot“ (Wolność, Prawo, Chleb) geschrieben steht. Die Darstellungen des 213 Abbildung in: Kobyliński, Sześć lat, S. 57. 214 Siehe beispielsweise FSO 2-005 Xp 0043; FSO 2-005 Xp 0071; FSO 2-005 Xp 0073. 215 Siehe auch FSO 2-005 Xp 0027/3; FSO 2-005 Xp 0087/1; FSO 2-005 Xp 0590/1.

206

8. Bildmotivanalyse: Aufstände und Erhebungen

Danziger Denkmals sind nicht filigran genug, um die sieben Flachreliefs an den Kreuzen mit Szenen aus dem Leben der Werftarbeiter wiederzugeben.216 Wichtig war vielmehr, dass mit der Darstellung des betreffenden Denkmals sein physisches Vorhandensein und Aussehen grundsätzlich bekannt gemacht wurden. Diese Aufgabe kam den visuellen Medien des Zweiten Umlaufs zu, insbesondere den Untergrundbriefmarken. Zum einen lag es aufgrund der Verhängung des Kriegsrechts nicht im Interesse des Regimes, in den staatlichen zensierten Medien die Denkmäler zu zeigen, die seine Fehler anprangerten.217 Eine logische Folge war, dass die offiziellen Briefmarken zurückgezogen wurden. Zum anderen war die Untergrundpresse gewöhnlich nicht oder kaum bebildert – vermutlich vor allem aus Gründen des Layouts, der verfügbaren Drucktechnik und höherer Kosten, die die Reproduktion von Bildern in den Zeitungen nach sich gezogen hätte. Entsprechend wurden Aufrufe in den Untergrundzeitungen zu Kundgebungen aus Anlass der Jahrestage der Massenerhebungen oder Berichte über diese in der Regel auch nicht mit Abbildungen der Denkmäler illustriert, geschweige denn durch „Fotostrecken“ ersetzt. So blieben die Denkmalansichten auf die visuellen Trägermedien beschränkt: Sie finden sich auf Plakaten des Zweiten Umlaufs,218 insbesondere aber auf den Untergrundbriefmarken. Werden die mehr als 50 Bildmotivvarianten der drei Denkmäler auf den Untergrundbriefmarken mit der niedrigeren durchschnittlichen Auflagenhöhe (2.000 Stück) multipliziert, ist bereits von mehr als 100.000 Exemplaren im Rahmen der Untergrundpost auszugehen.219 Dabei ist es wesentlich, dass im Medium Untergrundbriefmarke die Immobilität der Denkmäler überwunden werden konnte: Der Radius der Marken war nicht lokal begrenzt, sie wurden landesweit verbreitet. Der physische Standort der Denkmäler in Danzig, Gdingen und Posen wurde auf diese Weise erweitert. Infolgedessen konnten die Denkmäler zu allgemein geläufigen Symbolen der Oppositionsbewegung in ganz Polen werden. Diesen Status hätten sie wahrscheinlich nicht erlangt, wenn es von ihnen keine oder nur wenige Abbildungen mit räumlicher Breitenwirkung gegeben hätte.

216 Ein aufwendig gestalteter Block der Poczta Solidarność aus dem Jahr 1990 gibt die Szenen andeutungsweise wieder: FSO 2-005 Xp 0063. 217 Über die Einweihungsfeiern der Denkmäler im Dezember 1980 und Juni 1981 hatten das staatliche Fernsehen und Zeitungen noch berichtet und Aufnahmen der Denkmäler gezeigt. Grzesiuk-Olszewska, Polska rzeźba, S. 161. 218 FSO 2-004 Solidarnosc, VII, 197; FSO 2-004 Solidarnosc, IX, 256; FSO 2-004 Solidarnosc, IX, 258; FSO 2-004 Sammlung „Turek“, IV, 134. 219 Die Durchsicht der Kataloge, die in dieser Untersuchung verwendet wurden, ergab mehr als 50 Bildmotivvarianten.

Kapitel 9

Schlussbemerkungen zu den Bildmotivanalysen Die Bildmotive der Unabhängigen Post geben Einblicke in die Sicht der Bildautoren auf historische, politische, gesellschaftliche, religiöse und kulturelle Themen. Deren Vermittlung in Form von nachgeahmten Briefmarken unterstreicht, dass hier ein Kanon von Ereignissen und Personen des kulturellen Gedächtnisses ins Bild gesetzt wurde, mit denen sich die Oppositionsbewegung repräsentiert sah, und dass die visualisierten Deutungen der Themen verbindlich sein sollten. Die jeweilige Post-Bezeichnung auf den nachgeahmten Briefmarken signalisiert ebenfalls, dass die Bildmotive als Aussagen im Namen der herausgebenden oppositionellen Organisation bzw. der Oppositionsbewegung im Allgemeinen verstanden werden sollten. Anhand ausgewählter Bildmotivkomplexe wurden die identitäts- und gemeinschaftsstiftenden Narrationen des oppositionellen kulturellen Gedächtnisses exemplarisch analysiert. Die erfolgte Kontextualisierung der Bildmotive zeigt sowohl ihre inhaltliche Verankerung in den Diskursen des Zweiten Umlaufs als auch ihre Bezugnahmen auf die offiziell geltenden Narrationen in der Volksrepublik. Die Grafiker der Unabhängigen Post setzten bekannte Symbole und symbolhafte Bilder ein, und diese hatten ein großes Integrationspotential. Sie standen für komplexe Themen, waren in der Lage, auf unterschiedliche Bedürfnisse von Rezipienten zu antworten, und fungierten gleichzeitig als verbindendes Erkennungszeichen. Hier lässt sich eine bestimmte Stoßrichtung ablesen, die die Orientierungskraft des verbildlichten kulturellen Funktionsgedächtnisses offenbart. Nach innen konnten die Bildmotive das Wir-Gefühl der oppositionellen Aktivisten und ihrer Unterstützer stärken, denn sie boten eine oppositionsintern vorherrschende Interpretation der behandelten Themenkomplexe an. Hinzu kommt, dass offenbar nicht alles unbefangen ins Bild gesetzt wurde, auch wenn die Lagerpost die Parole „unzensiert“ für das Bildprogramm ausgegeben hatte. So setzten die Grafiker die Publikationen der Unabhängigen Post nicht dazu ein, Themen kontrovers zu verhandeln. Sie stellten nichts dar, was die eigenen Reihen diskreditierte. Vielmehr war die konsensfähige Darstellung die generelle Vorgehensweise bei der Verbildlichung der Themen, mit denen die Oppositionsbewegung im Rahmen der Unabhängigen Post die verschiedenen Strömungen integrierte, so die eigenen Reihen stabilisierte und sich gegenüber den staatlichen Machthabern geschlossen positionierte.

© Verlag Ferdinand Schöningh, 2021 | doi:10.30965/9783657760039_010

208

9. Schlussbemerkungen zu den Bildmotivanalysen

Die Analyse der Bildmotivkomplexe „1980“ und „1981“ zeigt, dass die Konstruktion von positiven Selbstbildern einen zentralen Platz einnahm. Entsprechend wurde die oppositionelle Bewegung als selbstbewusst, stark und geeint dargestellt und als eine echte Repräsentantin der Gesamtgesellschaft, der „Nation“. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Untergrundbriefmarken war dies nicht nur eine Erinnerung an glorreiche Zeiten, sondern konnte auch als Ermutigung aufgefasst werden und als Aufruf durchzuhalten, obgleich den oppositionellen Organisationen und Aktivitäten staatlicherseits der Kampf angesagt worden war und die Probleme der täglichen Versorgung im Alltag ebenfalls demoralisierend wirkten. Mit der Botschaft, es handele sich nach wie vor um eine starke, ungebrochene Opposition bzw. um die Nation, die opponiert, brauchten auch die existentiellen Probleme im eigenen Lager nicht angesprochen zu werden, beispielsweise der tatsächliche Schwund der Angehörigen der Solidarność-Bewegung. Die insbesondere im Bildmotivkomplex „1981“ vermittelte Polarisierung „Staatsorgane gegen Opposition“ lässt sich als Antwort auf die beabsichtigte Spaltung deuten, die die Machthaber mit der Verhängung des Kriegsrechts in der Gesellschaft und speziell in der Opposition vorantreiben wollten. Die deutliche Gegenposition der Bildautoren der Unabhängigen Post lautet, dass die Kluft zwischen „ihnen und uns“ verlaufe. Diese Positionierung konnte dazu dienen, die eigenen Anhänger beieinander zu halten, umso mehr, da die oppositionelle Massenbewegung ihre große Anhängerschaft verloren und ihre Freiheiten der Anfangsphase eingebüßt hatte. Nach außen, gegenüber dem staatlichen Informationsmonopol und den offiziell vertretenen Narrationen, hatten die Publikationen der Unabhängigen Post somit eine abgrenzende Funktion. In ihrem Kampf gegen die offiziellen Deutungen rehabilitierten und enttabuisierten die Grafiker Ereignisse, Personen und Errungenschaften. Wenn sie Themen besetzten, die auch Elemente des offiziellen Funktionsgedächtnisses waren, widersetzten sie sich dem offiziellen Alleinverfügungsanspruch auf diese Inhalte. Beides kam auch beim Bildmotivkomplex „Warschauer Aufstand“ zum Tragen. Letzteres konnte anhand des Bildmotivs der einfachen Aufständischen gezeigt werden. Dessen heroisierend-bewundernder Tenor entspricht der Haltung, die auch staatlicherseits gepflegt wurde. Hier lässt sich schließen, dass es den Bildautoren der Untergrundpost darum ging, den Anspruch auf die historischen Aufständischen als Bezugspunkte und Ahnen der Oppositionsbewegung deutlich zu machen und deren Vereinnahmung im offiziellen Gedenken entgegenzutreten. Die Verbreitung von Porträts militärischer Führungskräfte auf den Untergrundbriefmarken steht wiederum

9. Schlussbemerkungen zu den Bildmotivanalysen

209

für die Anerkennung von Persönlichkeiten und historischen Kontexten, die im offiziellen kulturellen Gedächtnis diffamiert und marginalisiert wurden. Hier zeigen die Bildmotive, dass das oppositionelle kulturelle Gedächtnis eine eigenständige Narration vertrat, was ihr große Glaubwürdigkeit unter ihren Rezipienten verlieh. Die Rehabilitierung der offiziell verurteilten Massenerhebungen in der Volksrepublik verknüpften die Bildautoren mit Aussagen über die gesellschaftliche und zeithistorische Verwurzelung der Oppositionsbewegung und den fortwährenden Widerstandsgeist der Polen gegen die Obrigkeit. Insgesamt vermitteln die Bildmotive einen affirmativen Aufstands-/Protestmythos, wie er seit der polnischen Romantik tradiert wurde.1 Die Grafiker deuteten die Ereignisse positiv trotz Gewaltanwendung, Verletzten, Toten und den tatsächlichen Niederlagen. Diese Faktoren spielen kaum eine Rolle bzw. wurden von den Grafikern sogar ignoriert, insbesondere wenn die Gewalt und die Sachschäden von den Protestierenden ausgingen. Dies ist abermals ein Beispiel dafür, dass die Bildautoren einen bestimmten Ausschnitt des Geschehens darstellten, und zwar so, dass er positive Anknüpfungspunkte für die oppositionelle Identität und Gemeinschaft bot. In der Wertschätzung der in den vorangegangenen Jahrzehnten immer wieder aufgetretenen Massenmobilisierungen gegen die Obrigkeit kommt das Gefühl des fortgesetzten Kampfes zum Ausdruck, der nicht mehr im jeweiligen konkreten Kontext gezeigt wird, sondern herausgelöst ein Wert an sich ist. Die visualisierten Narrationen der Untergrundbriefmarken rufen jedoch nicht zu neuen gewalttätigen Auseinandersetzungen mit dem Staatsapparat auf. In dem vom Konzept der organischen Arbeit abgesteckten Handlungsraum der 1980er Jahre war die Unterwanderung der staatlichen Zensur und Deutungsmacht eine der gängigen und als sinnvoll erachteten Widerstandsformen gegen das Regime.

1 Törnquist Plewa, Wheel, S. 224-241.

Kapitel 10

Reißender Absatz. Die Attraktivität der Untergrundbriefmarken für Produzenten und Rezipienten Nachdem in den vorangegangenen Kapiteln das Bedeutungsspektrum der Unabhängigen Post und insbesondere des Mediums Untergrundbriefmarke freigelegt und ausgewählte Bildmotivkomplexe analysiert wurden, wird in diesem Kapitel nach Gründen für die Beliebtheit der Untergrundbriefmarken gefragt. Die nachgeahmten Marken erlangten rasch eine enorme Popularität und waren fester Bestandteil des Zweiten Umlaufs. Die befragten Zeitzeugen erinnern sich im Rückblick an die Publikationen der Untergrundpost als Massenphänomen.1 Auch der anonyme Untergrundphilatelist hebt im Interview vom April 1985 hervor: „Der Kreis der Sammler ist groß, denn man hört von 10.000er Auflagen, die spurlos verschwinden und ein paar Monate nach der Herausgabe ist jede [Untergrund-, SP]Briefmarke zu einer gesuchten Rarität geworden.“2 Wenngleich – wie bereits erwähnt – eine Auflage von 10.000 Exemplaren nach Einschätzung der Gesellschaft der Untergrundpost nicht die Regel war und die durchschnittlichen Auflagen 2.000 bis 5.000 Stück betrugen, führten auch diese bei geschätzten 3.000 verschiedenen Untergrundbriefmarken zu Millionen Exemplaren, die verbreitet wurden.3 Die enorme Nachfrage weist nicht nur auf das große Interesse hin, das bei den Rezipienten bestanden haben muss, sondern bedeutet auch, dass die Produzenten mit dem Verkauf der Untergrundbriefmarken profitable Einnahmen machen konnten. Für Hersteller und Rezipienten gleichermaßen attraktiv, werden sie daher in diesem Kapitel aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet: erstens als Finanzierungsquelle im Zweiten Umlauf, zweitens als Sammelobjekt und drittens als visuelle Publikationsform, die im Unterschied zu Textmedien bestimmte Vorzüge aufwies. Diese drei miteinander verflochtenen Aspekte geben Auskunft über den modus operandi der oppositionellen Aktivisten und ihrer Unterstützer. Wie finanzierten sie 1 Zeitzeugeninterviews mit Karczewski (Warszawa, 25.9.2010) und Remuszko (Warszawa, 24.7.2012). 2 [o. Verf.], Poczta Solidarności, S. 3, FSO 2-002 Gp 563. 3 [o. Verf.], Poczta podziemna, S. 11.

© Verlag Ferdinand Schöningh, 2021 | doi:10.30965/9783657760039_011

212

10. ReiSSender Absatz

ihre Aktivitäten? Wie entstand und verfestigte sich der Zusammenhalt in der Bewegung? Wie erreichten die Aktivisten ein möglichst breites Publikum? 10.1

Die finanziellen Bedingungen im Untergrund

Die Briefmarken, Serien und Blocks der Untergrundpost wurden zum angegebenen Nominalwert verkauft. Zwar werden die Publikationen der Untergrundpost in der Forschungsliteratur als eine wichtige Einnahmequelle für oppositionelle Organisationen und Untergrundverlage genannt, gewöhnlich handelt es sich jedoch nur um eine beiläufige Erwähnung.4 Auch wie sich die oppositionellen Strukturen finanzierten, wurde bisher nur überblicksartig erforscht;5 eine detaillierte Untersuchung liegt zur Finanzierung des Untergrundverlags CDN vor.6 Um die finanzielle Bedeutung der Untergrundpost zu erfassen, werden diese Erkenntnisse um Aussagen aus den Zeitzeugeninterviews und Quellen des Zweiten Umlaufs ergänzt. Dabei ergeben sich außerdem Einblicke in die Arbeitsschritte der Herstellung und Verbreitung der Untergrundbriefmarken. Im Laufe der 1980er Jahre setzte sich die Auffassung des unabhängigen Publikationswesens als „Verlagsmarkt im Untergrund“ durch.7 Die Publikationen der Untergrundpost waren Teil dieses Marktes und scheinen solide finanzielle Gewinne erzielt zu haben. Ihre Beliebtheit auf der Produzentenseite wird also wesentlich durch ihre wirtschaftliche Bedeutung mitbestimmt worden sein. Das unabhängige Publikationswesen zeichnete sich trotz des Einschnittes, den der Kriegszustand (Dezember 1981 bis Juli 1983) bedeutet hatte, durch eine enorme Produktivität bis zum Zusammenbruch des staatssozialistischen Systems aus. So erschienen zwischen 1983 und 1989 jährlich rund 600 bis 900 Buchausgaben.8 Die rege Herausgebertätigkeit, ihre Professionalisierung und Kommerzialisierung bedingten sich gegenseitig. Dabei standen die Akteure des Zweiten Umlaufs infolge des Kriegszustandes vor großen Herausforderungen: Ein Jahr nach seiner Aufhebung war überdeutlich, dass die 4 Kaliski, Meandry, S. 489-530, hier 520; Sowiński, Wola, S. 531-547, hier 542. 5 Sowiński, Zakazana książka, S. 240-254; Fałkowski, Ruch, S. 76-100; Knoch, Pisma, S. 117-128. 6 Fałkowski, Biznes, S. 123-132. 7 Fałkowski, Ruch, S. 76-100, hier 90-98; zum zitierten Begriff: S. 90. 8 Sowiński, Zakazana książka, S. 297. Sowiński gibt für die einzelnen Jahre konkrete Zahlen an und legt Daten der Biblioteka Narodowa (Warschau) zugrunde. Es handelt sich dabei nicht um die Anzahl unterschiedlicher Buchtitel, über die zurzeit keine genaueren Informationen vorliegen, sondern um die Anzahl von unterschiedlichen Ausgaben, die in unterschiedlich hohen Auflagen herausgegeben wurden.

10.1 Die finanziellen Bedingungen im Untergrund

213

einstige oppositionelle Einstellung weiter Teile der Gesellschaft längst erodiert und die Unterstützung für die geschrumpfte Oppositionsbewegung sehr viel geringer geworden war.9 Auch oppositionelle Aktivisten hatten sich inzwischen erschöpft, frustriert oder eingeschüchtert von staatlichen Repressionen aus ihren Tätigkeiten zurückgezogen.10 So wurde es schwieriger, Personen zu finden, die aktiv blieben und die riskante und physisch schwere Arbeit des Druckens und Fertigstellens von Büchern und Zeitungen und des illegalen Verbreitens dieser Publikationen auf sich nahmen. In dieser Situation bildete sich eine Gruppe von Akteuren heraus, die im Rahmen der unabhängigen Publikationstätigkeit professionell beschäftigt wurde. Viele Untergrundverleger ermöglichten Oppositionellen, die insbesondere während des Kriegszustandes untergetaucht oder aus ihrer Arbeit entlassen worden waren, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Auch für andere oppositionelle Akteure, die einer Arbeit in der offiziellen Sphäre nachgingen, mochte die Bezahlung der Tätigkeit auf dem Verlagsmarkt im Untergrund ein Anreiz gewesen sein: Für Drucker im Untergrund konnte sie bei guter Auftragslage ein damaliges, offiziell verdientes Gehalt mehrfach übersteigen.11 So wuchs in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre die Zahl derer, die eine bezahlte Tätigkeit im Rahmen des Zweiten Umlaufs als Hauptverdienst bzw. als Zusatzverdienst zu ihrem offiziellen Broterwerb annahmen.12 In gut gehenden Verlagen wie CDN waren die vom Verleger gezahlten Kosten für die Honorare, Pauschalen oder die an den Umfang der Arbeit gebundenen Löhne der Autoren, Übersetzer, Redakteure, Layouter, Umschlaggestalter, Drucker, Buchbinder usw. entsprechend ausdifferenziert, und auch manche Verleger erhielten als „Manager“ ihrer „Firma“, so die Bezeichnungen im Jargon des Untergrunds, ein Gehalt. Beispielsweise überstieg es für den Leiter des Verlags CDN, Czesław Bielecki, Ende 1984 mit 20.000 Zloty monatlich knapp den damaligen nationalen Durchschnittsverdienst.13 Hinzu kamen Ausgaben – nicht selten zu Schwarzmarktpreisen – für das benötigte Material und die Gerätschaften zum Drucken, mitunter sogar Bestechungsgelder für den Zugang zu staatlichen Druckereien. All dies war kostspielig und musste aus verschiedenen Quellen bestritten werden: zum einen aus den Einnahmen aus dem Verkauf der Publikationen – wobei zunächst nur Bücher kostenpflichtig waren und Broschüren nicht immer;14 Zeitungen wie den Tygodnik Mazowsze musste der Leser gewöhnlich nicht bezahlen bzw. es 9 10 11 12 13 14

Nowak, Społeczeństwo, S. 247-284, hier 272. Fałkowski, Ruch, S. 76-100, hier 91. Sowiński, Siła, S. 637-665, hier 660 f. Fałkowski, Ruch, S. 76-100, hier 92; Fałkowski, Biznes, S. 130. Fałkowski, Biznes, S. 130 f.; zu den zitierten Begriffen: S. 215 f. Fałkowski, Biznes, S. 125 f.

214

10. ReiSSender Absatz

wurde erst im Laufe der Jahre ein Preis für den Verkauf außerhalb der herausgebenden Region eingeführt;15 Flugblätter wurden ohnehin kostenlos verbreitet.16 Zum anderen aus Geldspenden von Privatpersonen, Zuwendungen aus den Geldmitteln der Solidarność und anderer Institutionen des Zweiten Umlaufs sowie auch durchaus aus den privaten Mitteln der Aktivisten. Ebenfalls eingebracht wurden Spenden aus dem westlichen Ausland, beispielsweise von Gewerkschaften und anderen Institutionen, sowie aus Initiativen polnischer Emigranten.17 Die Entwicklung des Verlagsmarktes im Untergrund hin zu Professio­ nalisierung und Kommerzialisierung wurde außerdem dadurch bedingt, dass das Regime seine Politik gegenüber der Opposition veränderte. Das Instrument der Inhaftierung von Aktivisten wurde im Laufe der Jahre weniger eingesetzt. Insbesondere nach der letzten Amnestie im Juli/September  1986, als es praktisch keine politischen Häftlinge mehr gab, wurde zunehmend die Maßnahme ergriffen, Papier, Druckgeräte, Räumlichkeiten, Autos und fertiggestellte Bücher zu beschlagnahmen und die Akteure mit Geldstrafen zu belegen.18 Die Einnahmen oder gar Gewinne und das Hab und Gut der Untergrundverlage waren also keine stabile Größe, sondern konnten sich rasch in fundamentale Verluste verwandeln.19 Auch aufgrund schlechter Verkaufszahlen auf dem Verlagsmarkt, der mehr und mehr vom wählerisch gewordenen Leser bestimmt wurde,20 konnten existentielle Defizite eintreten. Wenn die Herausgebertätigkeit fortgeführt werden sollte, mussten die materiellen und finanziellen Verluste ausgeglichen werden – mit Hilfe gut verkäuflicher Publikationen oder mit Hilfe von Institutionen und Sicherungsmaßnahmen. Dazu gehörten der ab November  1985 tätige, von mehreren marktstarken Untergrundverlagen gegründete Fonds für Unabhängige Verlage (Fundusz Wydawnictw Niezależnych), der den Verlagen benötigtes Bargeld zur Verfügung stellte, wenn ihres in der Produktion und Distribution gebunden war, sowie der im Juni 1986 von den großen Untergrundverlagen CDN und NOW-a, dem Untergrundwochenblatt Tygodnik Mazowsze und dem Komitee für Unabhängige Kultur (Komitet Kultury Niezależnej) gegründete Versicherungsfonds für Unabhängige

15 16 17 18

Olaszek, Tygodnik Mazowsze, S. 65-85, hier 78. Zeitzeugeninterview mit Głażewski (Puławy, 28.11.2010). Cöllen, Gewerkschaften, S. 59-78, hier 68-71. Błażejowska, Papierowa rewolucja, S. 224-226; Wołk, Służba, S. 411-440, hier 428; Fałkowski, Ruch, S. 76-100, hier 91 f. 19 Sowiński, Zakazana książka, S. 243. 20 Fałkowski, Biznes, S. 123 f.; Fałkowski, Ruch, S. 76-100, hier 95 f.

10.1 Die finanziellen Bedingungen im Untergrund

215

Verlage (Fundusz Ubezpieczeniowy Wydawnictw Niezależnych), der Policen für Geräte, Autos, Bücher und auch Mitarbeiter verkaufte.21 Der sich professionalisierende, institutionalisierende und kommerzialisierende Verlagsmarkt im Untergrund integrierte die Publikationen der Untergrundpost mühelos. Den Abnehmern der Untergrundbriefmarken war klar, dass die gezahlte Summe an den herausgebenden Verband oder Verlag gehen sollte. Der Kauf von Untergrundbriefmarken war eine „sehr edle Form der Zusatzfinanzierung“ für die jeweilige herausgebende Organisation, sagt die ehemalige Untergrundredakteurin Joanna Szczęsna im Zeitzeugengespräch. Doch nicht nur oppositionelle Organisationen hätten Untergrundbriefmarken produziert und verkauft: „Ich glaube, auch Privatpersonen haben sie herausgegeben, einfach aus einem rein merkantilen Anreiz.“22 So wie alle interviewten Zeitzeugen unterstreichen, dass mit Hilfe der verkauften Publikationen der Untergrundpost die oppositionelle Bewegung finanziell unterstützt wurde, äußern sie auch den Verdacht des missbräuchlichen, da privaten Zuverdienstes. Dieser Verdacht stand bereits in den 1980er Jahren im Raum. 10.1.1 „Eine sehr edle Form der Zusatzfinanzierung“ Die Summen aus dem Verkauf der Produkte der Untergrundpost setzten die oppositionellen Akteure sowohl für die Herstellung weiterer Untergrundbriefmarken, Blocks und Ganzsachen (das sind Briefumschläge oder -karten mit Untergrundbriefmarke und Stempelaufdruck der Untergrundpost) ein als auch für andere Aktionen im Zweiten Umlauf und zur Unterstützung der oppositionell eingestellten Gesellschaft. Die Finanzierung von Publikationen Der damalige Solidarność-Aktivist Stanisław Głażewski (Puławy) unterstreicht im Interview den Zweck, die Untergrundbriefmarken als Finanzierungsquelle für die Vervielfältigung von Texten genutzt zu haben. Mit dem Künstlerehepaar Bogdan und Maria Szewczyk gründete Głażewski unmittelbar nach Ausrufung des Kriegszustandes den Verlag Familia, der von Dezember 1981 bis Mai 1985 bestand.23 Dieser war programmatisch und finanziell autonom und nicht in die konspirativen Solidarność-Strukturen eingebettet, doch unterhielten der innere Kreis der Verlagsangehörigen und ihre zeitweiligen Mitarbeiter intensive 21 Fałkowski, Ruch, S. 76-100, hier 92 f. 22 Zeitzeugeninterview mit Szczęsna (Warszawa, 29.11.2010). 23 Zur Tätigkeit des Verlags Familia: Głażewski, W imię, S.  53-95; Dąbrowski, NSZZ Solidarność, S. 220-224.

216

10. ReiSSender Absatz

Kontakte zur Solidarność und zu anderen oppositionellen Gruppen im Untergrund.24 Głażewski erinnert sich, dass die Idee, Untergrundbriefmarken zu machen, entstand, als er nach seiner Entlassung aus dem Internierungslager im Frühjahr 1983 mit den Szewczyks und dem Grafiker Krzysztof Małagocki zusammensaß: Vor dem Atelier [der Szewczyks, SP] war ein großer Nussbaum mit einem Tisch und Bänken darunter und wir saßen da und überlegten voller Wut, was wir machen könnten, um den Machthabern des Kriegsrechts zuzusetzen […]. Und wir kamen zu dem Ergebnis, dass in unserer Situation, da wir nicht viel Geld hatten […], möglichst viele Flugblätter und Plakate am besten wären. Denn das war sichtbar. Wenn man Flugblätter verbreitet, dann ist zu sehen, dass sie verteilt wurden, wenn man Plakate aufhängt, sind sie auch sichtbar. Broschüren und Bücher sind dann schon größere Dinge, das konnten wir nicht leisten, weder physisch noch finanziell. Aber wir brauchten unbedingt noch von irgendwoher Geld. Und so kam die Idee, dass wir Geld verdienen, indem wir Briefmarken herstellen, die wir verkaufen.25

Głażewski hatte im Internierungslager in Lublin die Herstellung von Briefmarkenstempeln selbst miterlebt.26 Da die Herstellung und das Sammeln der Stempeldrucke in den Lagern von Akteuren der Lagerpost als mitreißend empfunden worden war,27 ist Głażewskis Idee umso nachvollziehbarer, Briefmarken nun auch außerhalb der Lager nachzuahmen und eine starke Nachfrage und entsprechende Einnahmen zu erhoffen, um andere Publikationen des Zweiten Umlaufs finanzieren zu können. Im Interview macht er deutlich, dass die Untergrundbriefmarken für ihn insofern eine untergeordnete Rolle im unabhängigen Publikationswesen gespielt hätten, als sie ein finanzielles Hilfsmittel waren, um die eigentliche Arbeit auszuführen. Diese habe im Verlag Familia außer im Verfassen und Herstellen von Text-Flugblättern bald auch in der inhaltlichen Zusammenstellung und im Druck von Broschüren sowie zwischen April 1982 und März 1985 im Druck des in Warschau redigierten „Kriegswochenblatts“ (Tygodnik Wojenny) bestanden. Hinzu kamen Redaktion und Druck der eigenen, zwischen März und Juni 1984 monatlich erscheinenden Zeitung „Polen wird siegen“ (Polska Zwycięży) und, im selben Jahr, der Druck der „Monatsschrift“ (Miesięcznik) einer Solidarność-Gruppe in Lublin.28 24 25 26 27 28

Głażewski, W imię, S. 53-55. Zeitzeugeninterview mit Głażewski (Puławy, 28.11.2010). Zeitzeugeninterview mit Głażewski (Puławy, 28.11.2010). Pernach, Poczta Białołęcka, S. 8-10, hier 8 f.; Stasiewski, Twórczość, S. 379-387, hier 382-386. Głażewski, W imię, S. 66, 72 f., 80-83 und 85.

10.1 Die finanziellen Bedingungen im Untergrund

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Głażewski, der es im Verlag übernahm, die gemeinsam ausgewählten Artikel zu redigieren und selbst Texte zu verfassen,29 sagt, er habe die Bereitstellung von Texten als eine inhaltlich viel wichtigere und „grundsätzlichere“ Aufgabe des Zweiten Umlaufs betrachtet; die Untergrundbriefmarken hätten für ihn weniger Gewicht gehabt.30 Zwar hätten die Bildmotive Wissen über Ereignisse der polnischen Geschichte unabhängig vom offiziellen Zensurprozedere verbreitet, doch scheint der Verfasser und Redakteur Głażewski mehr der Erkenntnisvermittlung mit Hilfe des geschriebenen Wortes vertraut zu haben. Wohl aus diesem Grund verfasste er anfangs knappe Texte auf gesonderten Kärtchen zu den Ereignissen, die auf einer Serie von zwölf Untergrundbriefmarken ins Bild gesetzt wurden.31 Dies erwies sich aber in der Verbreitung als unpraktisch, weshalb Głażewski nach vier Kärtchen auf diese Art von zusätzlicher Bildungsmaßnahme verzichtete.32 Die Herstellung und Verbreitung von Untergrundbriefmarken wurde fortgesetzt und im Vergleich zu Textmedien waren sie für Głażewski offenbar vor allem von finanziellem Nutzen. Familia stellte zwischen Frühjahr 1983 und Mai 1985 insgesamt 127 Untergrundbriefmarkenmotive in Auflagen zwischen 500 und 3.000 Stück her;33 genutzt wurde dafür das Siebdruckverfahren.34 Es handelte sich vor allem um Entwürfe von Maria Kapturkiewicz-Szewczyk und Krzysztof Małagocki aus dem Kreis von Familia – einige steuerte auch Bogdan Szewczyk zusammen mit Głażewski bei – sowie um Entwürfe von Andrzej Znojkiewicz (er allein entwarf 87 Ausgaben).35 Znojkiewicz’ Entwürfe gelangten auf geheimen Wegen aus Warschau nach Puławy, und zwar so konspirativ, dass Głażewski und Znojkiewicz erst 1993 bei einer Untergrundbriefmarken-Ausstellung der Gesellschaft der Untergrundpost in Warschau voneinander erfuhren.36 Beide 29 Głażewski, W imię, S. 56, 68, 74 f. und 80. 30 Zeitzeugeninterview mit Głażewski (Puławy, 28.11.2010), dort auch der zitierte Begriff. 31 Es handelt sich um einen Satz von zwölf Untergrundbriefmarken mit vier Textkärtchen der Poczta Solidarność aus dem Jahr 1983: FSO 2-005 Xp 0106/1 bis Xp 0106/8. Entworfen wurden die Bilder von Maria Kapturkiewicz-Szewczyk und Krzysztof Małagocki. 32 Głażewski, W imię, S. 71 f. 33 Dąbrowski, NSZZ Solidarność, S. 221 f.; Głażewski, Podziemna poczta. 34 Głażewski, Podziemna poczta. Im Zweiten Umlauf wurden verschiedene Drucktechniken für die Publikationen der Unabhängigen Post eingesetzt: in den Internierungslagern Stempeldruck und ein Verfahren, bei dem das Bildmotiv mit einer Nadel auf eine Folie gestochen und durch die Löcher Farbe gestrichen wurde, außerhalb der Internierungslager Kalkmatrizendruck, Siebdruck und Offsetdruck, selten Stempeldruck. Eine anschauliche Beschreibung der Techniken gibt: Ambroziewicz, Techniki. Siehe auch: [Jaśkiewicz], O tym, S. 137-139, hier 137 und 139. 35 Dąbrowski, NSZZ Solidarność, S. 221f. 36 Zeitzeugeninterview mit Znojkiewicz (Warszawa, 26.9.2010); [o. Verf.], Wystawa, S. 3-4.

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betonen, dass es in oppositionellen Kreisen als Sicherheitsmaßnahme wichtig gewesen sei, nur das Notwendigste zu wissen, und führen es darauf zurück, dass ihre Tätigkeiten nicht entdeckt wurden.37 Entsprechend vorsichtig und geheim verlief die Verbreitung, das heißt der Verkauf der Untergrundbriefmarken. Er fand nicht in Puławy selbst statt, da angesichts der kleinen lokalen community von Oppositionellen die Befürchtung bestand, dass der Geheimdienst der Volksrepublik leicht die Urheber vor Ort hätte identifizieren können, erinnert sich Maria Kapturkiewicz-Szewczyk.38 Persönliche Kontakte zu oppositionellen Kreisen außerhalb von Puławy bestanden zu den Warschauer Strukturen der Bewegung für die Verteidigung der Menschen- und Bürgerrechte (Ruch Obrony Praw Człowieka i Obywatela – ROPCiO), so dass die Untergrundbriefmarken zur Verbreitung den ROPCiOMitgliedern Bogumił Studziński oder Władysław Brykczyński entweder in Puławy ausgehändigt oder von Maria Kapturkiewicz-Szewczyk selbst nach Warschau gebracht wurden.39 Ein anderer Verbreitungskanal waren die Solidarność-Strukturen der Region Mazowsze, die ihrerseits ihre Kontakte nutzten, um die Marken in die Dreistadt (die Region Danzig, Gdingen und Zoppot), nach Stettin, Posen, Białystok, Krakau und Lublin weiterzuleiten.40 Zu diesem Zweck wurden die direkten Kontakte nach Warschau zu Głażewskis Schwester und ihrem Ehemann, Elżbieta und Wiesław Leszczyński, sowie zu dem Ehepaar Milada und Leszek Fabrycki genutzt.41 In diesem überschaubaren Personenkreis war es möglicherweise auch Wiesław Leszczyński oder Leszek Fabrycki, der die Entwürfe der Untergrundbriefmarken von Andrzej Znojkiewicz in Warschau nach Puławy brachte. Znojkiewicz berichtet im Zeitzeugeninterview, dass ihn der Cousin seiner Ehefrau angesprochen habe, ob er Briefmarken im Namen der Solidarność für den unabhängigen Publikationsumlauf entwerfen wolle. Seine Entwürfe seien von einem Kollegen des Cousins für gut befunden und zum Druck nach Puławy gebracht worden. In der Zeit des Geschehens wusste Znojkiewicz allerdings lediglich, dass seine Entwürfe nicht in Warschau blieben.42

37 Zeitzeugeninterview mit Znojkiewicz (Warszawa, 26.9.2010); Głażewski, W imię, S.  55 und 63. 38 Zeitzeugeninterview mit Kapturkiewicz-Szewczyk (Puławy, 27.11.2010). 39 Zeitzeugeninterview mit Kapturkiewicz-Szewczyk (Puławy, 27.11.2010); Głażewski, W imię, S. 58 und 72. 40 Głażewski, Podziemna poczta. 41 Zeitzeugeninterview mit Głażewski (Puławy, 28.11.2010); Głażewski, W imię, S. 72. 42 Zeitzeugeninterview mit Znojkiewicz (Warszawa, 26.9.2010).

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Obgleich die ROPCiO die Untergrundbriefmarken aus Puławy als Spende, also kostenlos erhielt und den Verkaufserlös für ihre eigenen Zwecke verwenden konnte, erwiesen sich die gemachten Einnahmen aus dem sonstigen Verkauf der Untergrundbriefmarken für Familia als außerordentlich einträglich.43 Allein mit dieser Geldquelle konnten im Laufe der dreieinhalbjährigen Tätigkeit des Verlags nicht nur die Herstellung weiterer postalischer und schriftlicher Publikationen in einem Umfang von knapp 490 Ries Papier gewährleistet werden.44 Es konnten außerdem Bücher für zwei Untergrundbibliotheken in Puławy gekauft sowie nach einer Festnahmewelle um den Jahreswechsel 1983/84 Familien inhaftierter oppositioneller Kollegen aus Głażewskis Arbeitsstätte finanziell unterstützt werden.45 Eine Kostenaufstellung des Verlags Familia, die dem RKW Mazowsze der Solidarność im November 1984 übermittelt wurde, weist aus, dass aus dem Verkauf der Untergrundbriefmarken bis zu diesem Zeitpunkt 1,36 Millionen Zloty eingenommen wurden. Für die Herstellung von kostenlos verbreiteten Publikationen waren 337.000 Zloty, für Maßnahmen selbstorganisierter Hilfe 470.000 Zloty und für den Kauf von Büchern für die unabhängigen Bibliotheken 76.000 Zloty eingesetzt worden. 91.000 Zloty waren für andere Aktivitäten ausgegeben worden, und es blieben 386.000 Zloty als Rücklage.46 Mit der Rücklage, die höher war als die Kosten für die im betreffenden Zeitraum veröffentlichten Druckerzeugnisse, konnten sich vermutlich weitere Jahre unabhängiger Veröffentlichungen bestreiten lassen. Die Handhabung der Untergrundbriefmarken als Finanzierungsquelle für die eigene Publikationstätigkeit war nicht nur eine pragmatische Notlösung von kleinen oppositionellen Zellen in der Provinz wie der von Głażewski und seinen Mitstreitern, bei denen Entwurf, Beschaffung des Materials für den Druck und Herstellung in wenigen Händen lagen. Auch größere Untergrundorganisationen mit ausdifferenzierten Strukturen stellten Untergrundbriefmarken bewusst zu diesem Zweck her, zum Beispiel die Politische Gruppe „Wola“ (Grupa Polityczna „Wola“), die in mehreren Warschauer Betrieben aktiv war. Ihre rege Veröffentlichung von Büchern in ihrem eigenen Verlag (Wydawnictwo Grup Politycznych „Wola“) mit mehr als 70 Titeln zwischen 1983 und 1989 konnte sie zu einem guten Teil selbständig finanzieren: nicht nur aufgrund der Summen aus dem Verkauf ihrer Bücher sowie der gesammelten 43 44 45 46

Głażewski, W imię, S. 58. Dąbrowski, NSZZ Solidarność, S. 223 f. Ein Ries sind zirka 500 Blatt Papier im A4-Format. Głażewski, W imię, S. 77-79. List podziemnego wydawnictwa [S. 215-219, hier 217].

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Mitgliedsbeiträge, sondern auch weil die Gruppe Untergrundbriefmarken herstellte und verkaufte.47 Die Publikationstätigkeit der oppositionellen Akteure des Zweiten Umlaufs musste also ganz pragmatisch finanziert werden, auch wenn sie wesentlich von Idealismus und persönlichem Engagement geprägt war. Privat eingebrachte Summen waren endlich, vielleicht auch gar nicht vorhanden, so dass neue finanzielle Mittel generiert werden mussten. Nüchtern unter wirtschaftlichem Aspekt betrachtet, waren die Untergrundbriefmarken dafür ein gewinnbringendes Unterfangen: Es war ihr kleines Format, das sie zu einem lukrativen Geschäft machte. Der bereits zitierte anonyme Untergrundphilatelist stellte im April 1985 eine einfache Rechnung auf: Für eine Buchseite – gewöhnlich im Format A5 – würden dem Käufer in der Regel drei bis fünf Zloty berechnet.48 Auf die Praxis, den so errechneten Preis von Büchern von ihrem Seitenumfang abhängig zu machen und diesen auf den Bucheinband zu drucken, hatten sich eine Reihe von Untergrundverlagen, teilweise mit mehrjähriger Publikationstätigkeit, bereits im Juni 1981, vor dem Kriegsrecht, geeinigt, um der willkürlichen Preisgestaltung entgegenzuwirken.49 Ungleich mehr als mit Büchern ließe sich also verdienen, wenn auf einem Bogen Papier -zig Untergrundbriefmarken oder gar Blocks mit einem Gesamtwert von mehreren Hundert Zloty gedruckt würden, fährt der Untergrundphilatelist fort.50 Tatsächlich lagen die Preise der Untergrundbriefmarken gewöhnlich im zweistelligen Bereich. Ein Nominalwert von 50 Zloty war bereits in den Anfangsjahren der Untergrundpost, zwischen 1982 bis 1984, gängig,51 teilweise wurde später sogar das Doppelte angesetzt.52 Die Herstellung von Blocks war finanziell sogar noch attraktiver, weil sie der philatelistischen Gepflogenheit entsprechend ohnehin teurer angeboten werden konnten. So kosteten beispielsweise Blocks der Poczta Solidarności mit sechs Muttergottesdarstellungen, auf die im Folgenden noch näher eingegangen wird, je nach Ausführung à 250 Zloty (1983, 1984) oder 350 Zloty (1986).53

47 48 49 50 51 52 53

Sowiński, Wola, S. 531-547, hier 542. [o. Verf.], Poczta Solidarności, S. 3, FSO 2-002 Gp 563. Wydawnictwo ABC u. a., Komunikat, S. 2, FSO 2-002 Gp 299. [o. Verf.], Poczta Solidarności, S. 3, FSO 2-002 Gp 563. Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1982-84. Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków  … 1985. Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1986. Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1982-84, S. 76, Nr. 262, 263, 264 und S. 77, Nr. 265.

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Abb. 72 Untergrundpost, Block der Poczta Solidarności: Polnische Madonnen, [1986], Entwurf: Ewa Brykowska.

Vier solcher Blocks auf eine A4-Seite gedruckt und anschließend einzeln verkauft brachten also insgesamt bis zu 1.400 Zloty ein – im Gegensatz zu den zehn Zloty, der vom Käufer für den Druck zweier Buchseiten (im A5-Format) auf einem A4-Bogen verlangt wurde. Und war der Druckvorgang erst einmal begonnen, blieb es natürlich nicht bei dem Druck von nur einer Seite mit beispielsweise vier Blocks. Um Flugblätter, Bücher und Zeitungen des Zweiten Umlaufs mit Hilfe des Verkaufs von Untergrundbriefmarken zumindest teilweise finanzieren zu können, mussten diese jedoch erst einmal hergestellt werden, was seinerseits mit Kosten verbunden war. Diese Ausgaben entstanden sowohl den kleinen oppositionellen Initiativen wie Familia als auch den Untergrundverlagen mit größeren Personal- und Produktionskapazitäten. In der Regel war es kompliziert, grundlegende Materialien wie Farben und Papier zu besorgen. Sofern die Druckfarbe nicht selbst hergestellt werden konnte – Frischkäse und die Waschpaste Komfort waren bewährte Zutaten –, wurde versucht, Farbe zu kaufen und sie eventuell zu verdünnen, damit sie länger hielt.54 Głażewski 54

Zeitzeugeninterviews mit Głażewski (Puławy, 28.11.2010) und Antoszkiewicz (Warszawa, 23.7.2012); Grochola, Słowo, S. 82-124, hier 97 f.

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berichtet über eine Aktion von Familia, bei der sie einmal in der gut 70 Kilometer entfernten Stadt Świdnik Arbeitern der dortigen Flugzeugfabrik Farbe für den Druck von Briefmarken abgekauft hätten. „Verdammt teuer war das, weil das ja ‚schwarz‘ gekauft wurde, das war ja alles geklaut.“55 Seine damalige Mitstreiterin Maria Kapturkiewicz-Szewczyk schildert im Zeitzeugeninterview ebenfalls die Materialbeschaffung. Um keinen Verdacht zu erregen, hatten sie Papier nicht nur in verschiedenen Geschäften, sondern auch in verschiedenen Städten gekauft.56 Deutlich zeigt sich, dass nicht nur das Material selbst Kosten verursachte, vom Zeitaufwand der Beschaffung ganz zu schweigen, sondern auch zusätzliche Kosten für Fahrkarten oder die begehrte Schwarzmarktware Benzin entstanden. Das benötigte Papier war ohnehin eine politisch und wirtschaftlich bedingte Mangelware. Weil der Druck der freien Meinungsäußerung offiziell nicht vorgesehen war, war das leere, für den Druck geeignete Blatt ein Politikum und wurde staatlicherseits limitiert; die herrschende Wirtschaftskrise beförderte diesen Zustand zusätzlich. Entsprechend hoch stand es von jeher im Kurs der Opposition, nicht erst nach der einschneidenden Phase des Kriegsrechts und in den folgenden Jahren. Bereits in den 16 Monaten der offen agierenden Massenbewegung wurde Papier auf dem Schwarzmarkt gehandelt und zum Gegenstand von Preisspekulationen. Diese Situation blieb bis zum Zusammenbruch der Volksrepublik bestehen.57 Zu den Materialkosten kamen gewöhnlich Personalkosten unterschiedlicher Art hinzu. Beispielsweise erläutert im Jahr 1986 ein Akteur, der Untergrundbriefmarken verbreitete, einem ausländischen Journalisten, dass der Drucker zehn Prozent des Wertes der gedruckten Marken bekomme und er für die Verbreitung 20 Prozent erhalte. Der Erlös für den Herausgeber der Untergrundbriefmarken belief sich demnach auf 70 Prozent des Gesamtnominalwertes.58 Das hier nur skizzierte Ausmaß der Kosten, das Herausgebertätigkeiten jeglicher Art nach sich ziehen konnten, scheint zu bestätigen, dass der gewinnbringende Verkauf von Untergrundbriefmarken eine willkommene und auch notwendige Einnahmequelle war. Die kleinformatigen Publikationen der Untergrundpost hatten außerdem den bedeutenden Vorteil, dass sie auch in großen Mengen unauffällig von Ort zu Ort gebracht werden konnten, so dass das Risiko der Beschlagnahmung relativ gering und die Chance der Verbreitung hoch war. Bei Büchern gestaltete sich die Situation anders, da ihr Transport schwieriger war: Vom Ort der Herstellung wurden die Auflagen von mehreren 55 56 57 58

Zeitzeugeninterview mit Głażewski (Puławy, 28.11.2010). Zeitzeugeninterview mit Kapturkiewicz-Szewczyk (Puławy, 27.11.2010). Fałkowski, Ruch, S. 76-100, hier 89; Sowiński, Zakazana książka, S. 196 f. [o. Verf.], Stamps. Für diesen Hinweis dankt die Autorin Dr. habil. Paweł Sowiński.

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Hundert oder Tausend Exemplaren zu Verteilerorten gebracht, die im Jargon der Konspiration „Kasten“ (skrzynka) genannt wurden. Die Inhaber der Verteilerorte hatten ihre Abnehmer, wobei aus den Verteilerorten im Stil des „Großhandels“ (hurtownia) kleinere Mengen für andere „Kästen“ abgeholt wurden. Dabei bestand die Gefahr, dass der Transport dieser Mengen Bücher der Miliz auffiel und konfisziert wurde. Der Verteiler am Ende der Kette verbreitete schließlich persönlich nur einige Dutzend Exemplare unter seinen Abnehmern.59 Joanna Szczęsna, die die Aufgabe der Endverbreitung von Büchern und Briefmarken im oppositionellen Milieu übernahm, macht im Zeitzeugengespräch deutlich, dass es schon zu einer Leibesvisitation hätte kommen müssen, um die Untergrundbriefmarken bei ihr zu finden.60 Mit anderen Worten: In Transport und Verbreitung mit relativ wenig Risiko verbunden, waren die Untergrundbriefmarken eine relativ sichere Einnahmequelle. Deutlich wird hier, dass die Publikationen der Untergrundpost nicht nur eine Geisteshaltung zum Ausdruck brachten und intellektuelle Bedürfnisse befriedigten, sondern auch materielle Notwendigkeiten bedienten, die der Verlagsmarkt nach sich zog. Es musste gerechnet und wirtschaftlich gedacht werden, um die Publikationstätigkeit im Zweiten Umlauf aufrechterhalten zu können. Aus dieser Perspektive waren die Untergrundbriefmarken ein wichtiges Mittel zum Zweck, um den unabhängigen Diskurs gegenüber der zensierten Veröffentlichungspraxis des Staates zu behaupten. Solidarische Unterstützung Die sprudelnden, verlässlichen Einnahmen flossen nicht immer nur an die Herausgeber der Untergrundbriefmarken selbst zurück, um weitere Publikationen veröffentlichen zu können, sondern kamen auch externen Vorhaben und Akteuren zugute.61 Deutlich wurde dies bereits in der oben angeführten Kostenauflistung aus Puławy, die die Finanzierung opposi­ tioneller, selbstorganisierter Hilfsmaßnahmen und des Bücherkaufs für Untergrundbibliotheken ausweist.62 Auch konnte zum Beispiel die Wochenzeitung Tygodnik Mazowsze von den Untergrundbriefmarken profitieren. Aufgrund ihrer verzweigten Produktionsstrukturen bedurfte sie größerer finanzieller Mittel als andere Untergrundperiodika,63 und einmal konnte ein Defizit zwischen ihren Druckkosten und ihren Einnahmen mit Geldern aus dem 59

Zeitzeugeninterview mit Szczęsna (Warszawa, 29.11.2010), dort auch die zitierten Begriffe. Zeitzeugeninterview mit Karczewski (Warszawa, 25.9.2010). 60 Zeitzeugeninterview mit Szczęsna (Warszawa, 29.11.2010). 61 Szczęsna, O podziemnej filatelistyce, S. 11. 62 List podziemnego wydawnictwa [S. 215-219, hier 217]. 63 Olaszek, Tygodnik Mazowsze, S. 65-85, hier 78.

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Verkauf der Untergrundbriefmarken ausgeglichen werden,64 ohne dass die Zeitung selbst als deren Herausgeber auftrat. Das Ziel, andere am Gewinn teilhaben zu lassen, verfolgte auch der bereits genannte Fonds Gesellschaftlicher Initiativen (FIS) in Lublin. Seine Gründer wollten mit dem Verkauf der von ihnen herausgegebenen Untergrundbriefmarken u.  a. oppositionell verortete Aktivitäten in ihrer Region stärken. Finanzielle Unterstützung gewährten sie für die Untergrundzeitungen anderer Gruppen sowie für kirchliche Ferienaktivitäten für Kinder von SolidarnośćAktivisten.65 Der FIS-Mitbegründer Paweł Bryłowski erinnert sich im Interview, dass solche Hilfsleistungen für unabhängige gesellschaftliche Vorhaben zwar getätigt wurden, letztlich jedoch eher selten stattfinden konnten. In der Regel musste der Verkaufserlös für die Herstellung der Bücher verwendet werden, die sie im Rahmen des FIS herausgaben.66 Die Kosten für die eingesetzten Maschinen, Materialien und Autorenhonorare „verschlangen ganz einfach die Einnahmen“,67 die sie mit ihren Untergrundbriefmarken machten, so Bryłowski. Die Verwendung des Verkaufserlöses der Untergrundbriefmarken für soziale Zwecke nennt auch der Warschauer Verleger des Untergrundverlages Most, Andrzej Karczewski. Im Jahr 1986 konfiszierte die Miliz einmal die gesamte Auflage der Zeitschrift Most mitsamt dem Auto, mit dem sie vom Ort des Druckens abgeholt worden war. Und der Bursche, der gefahren war, saß ein halbes Jahr im Gefängnis und seine Ehefrau und Kinder blieben zurück. Also brachten wir damals eine Untergrundbriefmarkenserie heraus, um ihr dann das Geld zu geben, damit sie überleben konnte, denn sie war wirklich in einer schwierigen Situation, weil auch kleine Kinder dazugehörten.68

Da mit staatlicher Hilfe in einem solchen Fall selbstverständlich nicht gerechnet werden konnte, musste oppositionsintern Unterstützung geleistet werden. Diese Beispiele für die Verwendung der Einnahmen aus dem Verkauf der Untergrundbriefmarken sind typisch.69 Den Erlös setzten ihre Herausgeber also auch dafür ein, die Handlungsfähigkeit anderer Akteure, Strukturen und Unternehmungen im Rahmen der Oppositionsbewegung aufrechtzuerhalten. 64 65 66 67 68 69

[o. Verf], Na karku, S. 91-95, hier 92. Siehe den Eintrag in der Encyklopedia Solidarności: Kuszyk-Peciak, Fundusz. Zeitzeugeninterview mit Bryłowski (Lublin, 22.1.2013). Zeitzeugeninterview mit Bryłowski (Lublin, 22.1.2013). Zeitzeugeninterview mit Karczewski (Warszawa, 25.9.2010). Siehe auch Knoch, Pisma, S. 121.

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Es arbeitete nicht jeder auf eigene Rechnung und nur für sich. Die konkrete finanzielle Hilfe war Ausdruck der praktizierten Solidarität und integrierte die heterogenen Akteure und Aktivitäten, denn Herausgeber der Untergrundbriefmarken stellten den Verkaufserlös auch Initiativen zur Verfügung, die inhaltlich oder organisatorisch anders ausgerichtet waren als sie selbst. Głażewski und Mitstreiter bzw. Bryłowski und der FIS, die Unterstützung für Bildungsarbeit und kirchliche Aktivitäten leisteten, sind hierfür Beispiele. Die finanzielle Bedeutung der Untergrundbriefmarken bestand demnach auch darin, die übergreifende Gemeinschaft der Oppositionsbewegung materiell erfahrbar zu machen. Durch diesen solidarischen Rückhalt in den eigenen Reihen gestärkt, konnten die aktive Existenz der Opposition unterstützt und die fortwährenden Versuche des staatlichen Gegners, sie mit unterschiedlichen Mitteln zu bekämpfen, abgefedert werden. 10.1.2 (Un-)konkrete Hinweise auf die finanziellen Zwecke Ob die Einnahmen der Untergrundpost für herausgeberische oder andere oppositionsnahe und soziale Tätigkeiten bestimmt waren, war für die Käufer gewöhnlich nicht ersichtlich. Es sind Ausnahmen, wenn auf einer Untergrundbriefmarke ein mehr oder weniger spezifizierter Zweck vermerkt wurde. So ist es ungewöhnlich, dass die bereits besprochene 16er-Serie „Solidarność – das sind wir!“ (Solidarność to my!) von Andrzej Znojkiewicz für die Poczta Solidarności (1984) präzise auf jeder Marke über die Aufteilung der Einnahme Auskunft gibt (siehe Abb. 8 bis 23): Neben dem Nominalwert von 25 Zloty waren zusätzliche 15 Zloty für einen „Hilfsfonds“ (Fundusz Pomocy) bestimmt. Konkret werden hier aber weder zu den Aufgaben noch zu den Wirkungsorten oder dem Organisationsgrad des gemeinten „Hilfsfonds“ Informationen gegeben. Die Assoziation, dass die 15 Zloty denjenigen Oppositionellen und ihren Angehörigen zugutekamen, die Repressionen vonseiten des Staates erlitten, konnte aus der Bezeichnung abgeleitet werden. Möglicherweise sollte diese sehr allgemeine Bezeichnung auch signalisieren, dass die Verwalter der eingenommenen Mittel diese für unterschiedlichste wohltätige Angelegenheiten einsetzen konnten. Auch der mehrere Male genannte „Widerstandsfonds“ (Fundusz Oporu) auf Solidarność-Untergrundbriefmarken war wohl nur Eingeweihten konkreter bekannt, denn was sich dahinter verbarg, ging auch in diesen Fällen aus der Beschriftung der Marken selbst nicht hervor.70 Es handelte sich um einen Fonds der in Warschau und andernorts agierenden „Widerstandsgruppen ‚Die Solidarischen‘“ (Grupy Oporu „Solidarni“), so die Zeitzeugin Krystyna 70

Siehe Abb. 72; FSO 2-005 Xp 0570; FSO 2-005 Xp 1240.

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Antoszkiewicz im Interview. Aufgeführt ist der „Widerstandsfonds“ beispielsweise auf den Blocks „Polnische Madonnen“ (Madonny Polskie) der Poczta Solidarności (1986) mit sechs unterschiedlichen Muttergottesdarstellungen, grafisch ausgeführt von Ewa Brykowska (siehe Abb. 72). Krystyna Antoszkiewicz war an der Herstellung dieser Blocks unmittelbar beteiligt, weil sie die Grafiken zusammenstellte, beschriftete und fehlerhafte Drucke anschließend per Hand korrigierte.71 Sie war Aktivistin der „Widerstandsgruppen ‚Die Solidarischen‘“ in Warschau, die mit der Herstellung und Verbreitung von Druckerzeugnissen im Zweiten Umlauf und weiteren Initiativen in Erscheinung traten.72 Dazu gehörten spektakuläre Aktionen wie das Aufhängen von Transparenten an öffentlichen Orten, das Abwerfen von Flugblättern von Hochhäusern in Warschau mit speziell dafür erfundenen Wurfvorrichtungen oder die Verbreitung von Nachrichten im öffentlichen Raum über eine eigens dafür entwickelte Lautsprechertechnik (gadały).73 Dies wurde u. a. mit Hilfe des Verkaufs der Madonnenblocks finanziert, der den genannten „Widerstandsfonds“ speiste. Aus der Beschriftung der Madonnenblocks selbst erfuhr der Käufer jedoch nichts über diesen Kontext des „Widerstandsfonds“. Hierfür hätten Informationen aus anderen Quellen zusammengetragen werden müssen, was für Außenstehende unter den herrschenden konspirativen Vorsichtsmaßnahmen, die sich die Widerstandsgruppen bewusst auferlegten,74 schwierig gewesen wäre. Es scheint sich hier also um eine bewusst gewählte konspirative Maßnahme gehandelt zu haben, nicht nur einen möglichst allgemeinen Namen wie Hilfsfonds oder Widerstandsfonds zu verwenden, sondern auch keine weiteren inhaltlichen Angaben zu machen. Wenn auch eine Spezifizierung für die Käufer der betreffenden Untergrundbriefmarken von Interesse gewesen sein mochte, erhielt zumindest der staatliche Gegner auch keine konkreten Ansatzpunkte zu den „Fonds“, sollten ihm zum Beispiel bei Hausdurchsuchungen solche Untergrundbriefmarken in die Hände fallen. Des Weiteren lässt sich die spärliche Informationslage über die finanzielle Bestimmung mit dem Medium Briefmarke selbst erklären: Es ist eine Publikation, zu der typischerweise kein ausführliches „Impressum“ gehört. Zudem bietet das kleine Format keinen Platz für umfangreiche Erläuterungen über Ziele und Praktiken eines Fonds, der selbst ja nicht Thema des jeweiligen Bildmotivs ist.

71 72 73 74

Zeitzeugeninterview mit Antoszkiewicz (Warszawa, 23.7.2012). Friszke, Regionalny Komitet, S. 405-487, hier 465-471. Antoszkiewicz, Madonny, S. 14-15, hier 14. Zeitzeugeninterview mit Antoszkiewicz (Warszawa, 23.7.2012).

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10.1.3 Harte Devisen Der Umsatz der Untergrundbriefmarken brachte nicht nur Gewinne in heimischen Zloty ein, denn die Untergrundbriefmarken waren nicht nur im Inland ein gut gehendes Geschäft, sondern offenbar auch international ein Verkaufsschlager. Sie wurden im westlichen Ausland veräußert und die erwirtschafteten harten Devisen flossen in die Oppositionsarbeit. Das Komitee zur Verteidigung der Solidarność (Komitet Obrony Solidarności) in West-Berlin veröffentlichte 1983 in seinem deutschsprachigen Magazin Pogląd („Meinung“) Abbildungen von Publikationen der Lagerpost,75 ab 1984 auch von Untergrundbriefmarken.76 In einem Artikel für Pogląd beschrieb 1984 Anatol Kobyliński, der Redakteur beim Radio Freies Europa in München war, ausführlich das Phänomen der Unabhängigen Post in der Volksrepublik Polen. Dabei hob er sowohl die inhaltlich-aufklärerische Funktion mit Blick auf die Rezipienten als auch die finanzielle Bedeutung der Marken für die herausgebenden Solidarność-Gruppen hervor. Deren Tätigkeiten unterlägen der gründlichen Kontrolle.77 Aus dieser Perspektive sprach also alles dafür, dass das Geld für die Marken, die der politisch oder philatelistisch interessierte Käufer in der Redaktion von Pogląd kaufen konnte,78 gewissenhaft weitergeleitet und für den Zweiten Umlauf oder andere oppositionelle Tätigkeiten verwendet wurde. Ähnlich verfuhr die Auslandsvertretung der Solidarność in Amsterdam. Sie druckte in ihrem auf Niederländisch erscheinenden Solidarność Informationsbulletin (Solidarność Informatie Bulletin) Untergrundbriefmarken ab,79 mit dem Hinweis, dass diese käuflich erworben werden könnten und der Betrag auf das angegebene Konto in den Niederlanden zu überweisen sei. Der Stückpreis betrug hier im Jahr 1984 für eine Untergrundbriefmarke von 50 bzw. 75 Zloty pauschal 5 Gulden.80 Angekündigt wurde außerdem: „[…] in Kürze stehen uns mehr Untergrundbriefmarken zur Verfügung, alle gedruckt vom 75 76

Abbildungen in: [o. Verf.], [o. T.], Pogląd 1, S. 37. Ab Ende 1984 wurden in Pogląd regelmäßig Untergrundbriefmarken abgebildet, teilweise mit einer Preisliste in D-Mark. Die ersten Abbildungen in: [o. Verf.], [o. T.], Pogląd 22/71, S. 32-37. 77 Kobyliński, Podziemna Poczta, S. 32-37. 78 Siehe die Hinweise auf den Verkauf in der Redaktion und die Preislisten in: [o.  Verf.], [o. T.], Pogląd 7/105, S. 71; [o. Verf.], [o. T.], Pogląd 8/106, S. 60; [o. Verf.], [o. T.], Pogląd 10/108, S. 65, 68; [o. Verf.], [o. T.], Pogląd 14/112, S. 45; [o. Verf.], [o. T.], Pogląd 16/114, S. 17. 79 Siehe beispielsweise in: [o. Verf.], [o. T.], Solidarność Informatie Bulletin (1.2.1984), S. 1; [o.  Verf.], [o.  T.], Solidarność Informatie Bulletin (15.3.1984), S.  26. Für diesen Hinweis dankt die Autorin Dr. Christie Miedema. 80 [o. Verf.], [o. T.], Solidarność Informatie Bulletin (1.8.1984), S. 29.

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Untergrund in Polen.“81 Von der in den Niederlanden ansässigen Solidarność verbreitet, wird der Käufer davon ausgegangen sein, dass der überwiesene Betrag den Solidarność-Strukturen und ihnen nahestehenden Organisationen und Initiativen zugutekam. Auch aus England meldete sich Interesse an den Publikationen der Untergrundpost an. Im April 1985 erhielt Wiktor Kulerski, Mitbegründer des RKW Mazowsze, Mitarbeiter verschiedener Gremien für kulturelle, wissenschaftliche und Bildungsangelegenheiten im Untergrund und vom Regime der Volksrepublik steckbrieflich gesucht, die Information, dass ein „professioneller Philatelist (eigentlich ein Fachgeschäft für Philatelie) in England“ bereit sei, Solidarność-Untergrundbriefmarken zum Verkauf anzubieten. Dies sollte wohl groß angelegt werden, denn der Philatelist zeigte sich an Briefmarkenbögen interessiert und ließ mitteilen, dass gezähnte Marken mehr Gewinn einbrächten als diejenigen mit geschnittenen Rändern.82 In Frankreich war sogar ein Katalog der Briefmarken der Unabhängigen Post angefertigt worden, der im Mai 1986 im Mitteilungsblatt Kontakt der Unterstützerorganisation Solidarité avec Solidarność in Paris vorgestellt und zum Verkauf angeboten wurde. Der Verkaufserlös diente der „Hilfe für die Solidarność im Heimatland“.83 Es ist naheliegend davon auszugehen, dass die Herausgeber des Katalogs bzw. die Akteure von Solidarité avec Solidarność in diesem Zusammenhang auch Untergrundbriefmarken für diesen Zweck verkauften.84 Ebenfalls in Paris, während der Internationalen Menschenrechtstage im Dezember 1986, wurde u. a. von dem polnischen Emigrationsverlag Editions Spotkania eine Ausstellung zu „Zehn Jahren unabhängige Publikationen in Polen“ organisiert.85 Zu den Exponaten gehörten neben dem schriftlichen Zweiten Umlauf auch Untergrundbriefmarken. Auch andernorts wurden fünf Jahre nach der Verhängung des Kriegsrechts Ausstellungen von Untergrundbriefmarken gezeigt, häufig auf Initiative polnischer Emigranten: 1986 an den Universitäten in Eichstätt und in Tübingen, im Polenmuseum im schweizerischen Rapperswil und sogar in Montreal (Kanada); 1987 im Kulturzentrum „Gasteig“ in München.86 Selbst wenn dort auch keine Marken verkauft worden sein sollten, so konnten Interessierte die Veranstaltungen doch 81 82 83 84 85

[o. Verf.], [o. T.], Solidarność Informatie Bulletin (1.8.1984), S. 29. List Andrzeja Paczkowskiego [S. 372]. [o. Verf.], Poczta Solidarności, S. 51. Später wurde ein weiterer Katalog herausgegeben: [o. Verf.], Poste. [o. Verf.], [o. T.], Przegląd Wiadomości Agencyjnych Nr. 42 (21.12.1986), S. 3, FSO 2-002 Gp 805. 86 Kobyliński, Poczta, S. 49-52, hier 51 f.; mp, Wystawa, S. 57; [o. Verf.], Recht.

10.1 Die finanziellen Bedingungen im Untergrund

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als Kontaktbörse nutzen und versuchen, den Verkauf von Untergrundbriefmarken aus der Volksrepublik im Westen in die Wege zu leiten. Offenbar schienen bei allen Verkaufsinitiativen die in Aussicht stehenden Summen der Mühe wert, den Schmuggel der Untergrundbriefmarken aus Polen ins Ausland und den Geldtransfer zurück in den Untergrund der Volksrepublik auf sich zu nehmen.87 Eine Vorstellung von der möglichen Größenordnung der Einnahmen, die sich beim Verkauf der Publikationen der Untergrundpost in der Bundesrepublik ergeben konnten, gibt ein Dokument des polnischen Geheimdienstes in Warschau.88 In dem Kurzbericht vom 16. April 1984 informiert ein Geheimdienstmitarbeiter über einen Brief aus Polen nach Lüneburg vom März 1984. In dem Brief sei der Empfänger gebeten worden, in der Bundesrepublik Deutschland „philatelistische Marken“ u.  a. mit dem Porträt von Józef Piłsudski für zirka 50 US-Dollar pro Bogen zu verkaufen.89 Der Erlös sei für die Solidarność im Untergrund bestimmt. Die eigenständige Vermutung des berichtenden Geheimdienstmitarbeiters, es handele sich hier um Briefmarken der Poczta Solidarność, weist darauf hin, dass der Adressat des Briefes den Gegenstand kennen musste, weshalb er vom Absender keine genaueren Bezeichnungen und Erklärungen erhielt. Der Briefschreiber habe empfohlen, die Marken in polnischen Kirchengemeinden, bei Berufsphilatelisten usw. zu verkaufen. Weiter habe er angeboten, bis zu 1.000 solcher Bögen zur Verfügung zu stellen, die er in mehreren Sendungen, aber nicht per Briefpost übermitteln könne.90 Realistisch ist, dass ein Bogen 16 oder 20 Untergrundbriefmarken (vier bzw. fünf Reihen à vier Untergrundbriefmarken) umfasste. Hier sollte ein Verkauf von Untergrundbriefmarken aus Polen in Westdeutschland angebahnt werden, der auf 1.000 Bögen bis zu 20.000 Marken umfassen konnte. Die angestrebten Einnahmen lagen bei zirka 1.000 x 50 US-Dollar. Was sich aus dem Vorhaben

87 Zu den Organisationen der Solidarność und der Unterstützerszene im westlichen Ausland siehe Ritter, Solidarität; Pleskot, Solidarność. 88 Major J. Rząca an Oberst H. Bosak, 16.4.1984, [interne Information des Geheimdienstes], IPN: BU 001419/378 2447, Nr. 1003. IPN: BU 001419/378 2447, Nr. 1003. Für diesen Hinweis dankt die Autorin Dr. Rüdiger Ritter. 89 Zum zitierten Begriff: Major J. Rząca an Oberst H. Bosak, 16.4.1984, [interne Information des Geheimdienstes], IPN: BU 001419/378 2447, Nr. 1003. IPN: BU 001419/378 2447, Nr. 1003. 90 Für ein weiteres Beispiel, dass der Geheimdienst Kenntnis vom Handel mit Untergrundbriefmarken in Westdeutschland hatte, siehe: Geheimdienst über Jerzy Jankowski, 21.2.1983, [interne Information des Geheimdienstes], IPN: BU 001419/378 2447, Nr. 849852; hier Nr. 851. Für diesen Hinweis dankt die Autorin Dr. Rüdiger Ritter.

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zwischen Polen und Lüneburg ergab, ist derzeit nicht bekannt,91 doch bleibt mit Mateusz Fałkowski darauf hinzuweisen, dass im unabhängigen Publikationsumlauf in der Tat mit großen Geldsummen umgegangen wurde. Beispielsweise erhielt der Untergrundverlag CDN in den Jahren 1982/83 Spenden in Höhe von 3,72 Millionen Zloty, was nach dem damaligen Schwarzmarktkurs einer Summe von zirka 9.000 US-Dollar entsprach. In den Jahren 1986 bis 1989 zahlte der Fonds für Unabhängige Verlage insgesamt 295.000 US-Dollar an mehr als 100 Untergrundverlage aus, und vom Hilfsfonds für Unabhängige Polnische Literatur und Wissenschaft (Fundusz Pomocy Niezależnej Literaturze i Nauce Polskiej) floss fast doppelt so viel in den Verlagsmarkt im Untergrund.92 Die Summe von 50.000 US-Dollar für im westlichen Ausland zu verkaufende Untergrundbriefmarken würde hier nicht aus dem Rahmen fallen. Sicherlich hätte sie bei der angenommenen lebhaften Nachfrage, die der Verfasser des Briefes nach Lüneburg durch Nennung verschiedener Abnehmer suggerierte, auch recht schnell und nicht erst im Laufe einiger Jahre generiert werden können. Diese Geschichte mit unbekanntem Ausgang soll hier dazu dienen, die Summen zu verdeutlichen, mit denen bei einem Geschäft größeren Umfangs und für breite Interessentenkreise kalkuliert wurde. Wenn auch die Untergrundbriefmarken, die in der Redaktion von Pogląd oder im Solidarność-Büro in Amsterdam angeboten wurden, vielleicht die vergleichsweise kleinere Zielgruppe derer ansprachen, die von dem Redaktions- oder Unterstützerbüro wussten, so bewegten sich die Preise von 5 oder 7 D-Mark bzw. 5 Gulden doch auf einem ähnlichen Preisniveau wie die angebotenen Bögen à 50 US-Dollar.93 Der Verkauf von Publikationen der Untergrundpost im westlichen Ausland brachte also Devisen ein, die dem Fortbestand der Opposition im Inland dienten. Der Kauf war ein Akt solidarischer Unterstützung über den Eisernen Vorhang hinweg. Dabei wurde die Oppositionsbewegung auch unterschiedlichen Abnehmerkreisen im Westen bekannt gemacht. Die Käufer – mit und ohne polnischen biographischen Hintergrund, mit und ohne ausgeprägt philatelistisches Interesse – nahmen anschaulich wahr, dass die Oppositionsbewegung auch nach der Verhängung des Kriegsrechts und ihrer Verdrängung in den Untergrund weiterexistierte, mehr noch, sich offenbar einer kreativen Vitalität erfreute. Überdies erfuhren sie anhand der Bildmotive in Kurzform, was 91 Eine systematische Recherche nach Vorgängen des Geheimdienstes mit Bezug zur Unabhängigen Post ist in den Akten des IPN zurzeit nicht möglich, da sie zwar nach Personennamen und Körperschaften erfasst, aber nicht verschlagwortet sind. 92 Fałkowski, Biznes, S. 126 f.; Fałkowski, Ruch, S. 76-100, hier 93. 93 Die Preise in D-Mark für Untergrundbriefmarken in: [o. Verf.], [o. T.], Pogląd 7/105, S. 71.

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für ein umfangreiches Themenspektrum die oppositionellen Gruppierungen vertraten. Dass der westlichen Unterstützerszene nicht grafisch und drucktechnisch minderwertige Marken angeboten wurden, sondern eine gute Qualität, trug zu dieser Form der Selbstdarstellung der polnischen Opposition zusätzlich positiv bei.94 10.1.4 „Ein rein merkantiler Anreiz für Privatpersonen“ Die Professionalisierung des Publikationswesens im Zweiten Umlauf zeugte von seinem hohen Entwicklungsgrad und seiner produktiven Anpassung an seine sich verändernde Umgebung. Die enorme Anzahl von Printmedien – Bücher und Periodika, Broschüren, Flugblätter, Plakate und Publikationen der Untergrundpost – und deren Herstellung und Verbreitung von Akteuren, die ihre Tätigkeiten arbeitsteilig organisierten, ging mit dem Umsatz großer finanzieller Mittel einher. Die Einnahmen aus dem Verkauf der Publikationen waren Ausdruck ausgebauter und starker oppositioneller Strukturen.95 Naturgemäß stellte der Verkaufserlös einen wichtigen Bezugspunkt für die Akteure des Verlagsmarktes dar, da er die Existenz eines Untergrundverlags, einer oppositionellen Organisation oder beteiligter Akteure mitunterstützte oder gar maßgeblich sicherte.96 Die Kehrseite war, dass die großen Summen aber auch zu Preisspekulationen und zu zweckfremdem Einsatz der zirkulierenden Gelder verführten. Außer Frage stehen die selbstlosen, auf den Fortbestand der Oppositionsbewegung ausgerichteten Absichten, Untergrundbriefmarken herzustellen und zu veräußern. Die hierfür bereits angeführten Beispiele sind nicht die Ausnahme, sondern als typisch zu bewerten. Doch außer diesen hehren Beweggründen ging auch ein „rein merkantiler Anreiz“ von den auf große Nachfrage stoßenden Publikationen der Untergrundpost aus.97 Eine Folge der Kommerzialisierung des Untergrunds sei gewesen, dass „Untergrundbriefmarken von Leuten herausgegeben wurden, die mit dem Untergrund nichts gemein hatten. Sie hätten genauso gut Obst auf dem Markt verkaufen können wie Untergrundbriefmarken drucken“, urteilt der Untergrundverleger Andrzej Karczewski im Zeitzeugeninterview.98 Entsprechende Verdachtsfälle des Strebens nach privatem Gewinn zogen im Zweiten Umlauf 94 Beispielsweise die zum Verkauf angebotenen Untergrundbriefmarken und Blocks, abgebildet in: [o. Verf.], [o. T.], Solidarność Informatie Bulletin (1.8.1984), S. 29; [o. Verf.], [o. T.], Pogląd 7/105, S. 71. 95 Fałkowski, Biznes, S. 126 f. 96 Sowiński, Zakazana książka, S. 252 f. 97 Zum Zitat: Zeitzeugeninterview mit Szczęsna (Warszawa, 29.11.2010). 98 Zeitzeugeninterview mit Karczewski (Warszawa, 25.9.2010).

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Vorbeugemaßnahmen nach sich. Es scheint allerdings bald klar geworden zu sein, dass es nicht unterbunden werden konnte. Am  1.  August  1984 erhielt der oben bereits angeführte Wiktor Kulerski, wichtiger Akteur der übergreifenden Kultur- und Bildungsangelegenheiten im Zweiten Umlauf, einen Brief von Teresa Bogucka, der Sekretärin des Komitees für Unabhängige Kultur, das das künstlerische und kulturelle Leben im Zweiten Umlauf mitorganisierte und -gestaltete. Teresa Bogucka geht in dem Brief auf noch nicht überprüfte Informationen von Kulerski über zirkulierende „Marken“ mit „unserer Bezeichnung“ ein. Letztere wurde, da beiderseits bekannt, konspirationsgemäß in dem Schreiben nicht näher benannt. Boguckas Nachforschungen hätten bisher ergeben, dass die Idee zu solchen Untergrundbriefmarken garantiert nicht aus ihrem Kreis stammt. Sollte sich Kulerskis Hinweis auf solche Marken bestätigen, bestand offenbar die Befürchtung, dass der oder die Täter damit den Zweiten Umlauf in Misskredit bringen würden. Wenn da unsere Bezeichnung draufsteht, sieht das so aus, als wolle jemand unter unserem Aushängeschild ein Vermögen machen. Und das wäre eine dumme Sache, denn was dann? Dementieren? Verkünden, dass irgendwelche Halunken hier an der Basis ihr Unwesen treiben?99

Der Brief von Teresa Bogucka zeigt, dass über falsch gekennzeichnete Untergrundbriefmarken und unlauter erworbenen Verkaufserlös bereits in einem recht frühen Stadium der Untergrundpost gemutmaßt wurde. Anscheinend war dies kein Einzelfall: Nur anderthalb Monate später sah Konrad Bieliński, Mitglied des RKW Mazowsze und dort u.  a. für den Bereich Drucktechnik zuständig,100 „das RKW von unabhängigen Herausgebern und SolidarnośćGruppen aufgefordert […], Regeln zur Ausgabe von Marken aufzustellen und eine ständige Kontrolle über die Verbreitung einzuführen“.101 Zwar wurden solche Regeln nur für die Region Masowien formuliert, doch da sie im Wochenblatt Tygodnik Mazowsze erschienen, wurde den Grundsätzen noch einmal besonderer Nachdruck, wenn nicht Vorbildcharakter verliehen, war es doch eines der auflagenstärksten und landesweit verbreiteten Blätter und das zentrale Informationsmedium der Solidarność-Spitze im Untergrund. Zentraler Dreh- und Angelpunkt der vom RKW Mazowsze beschlossenen Regeln war, dass die oppositionellen Strukturen, die Untergrundbriefmarken herausgeben wollten, dem RKW vor dem Druck Anträge auf „Authentifizierung der geplanten Markenausgabe“ übermitteln sollten. Das RKW sollte 99 List Teresy Boguckiej, 1984 sierpień 1 [S. 161-162, hier 161]. 100 Fałkowski, Ruch, S. 76-100, hier 92. 101 Bieliński, Komunikat, S. 4, FSO 2-002 Gp 563.

10.1 Die finanziellen Bedingungen im Untergrund

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dann die neuen Marken durch eine Ankündigung in der Solidarność-Presse im Untergrund bestätigen.102 Das RKW Mazowsze war eine zentrale Organisation im Untergrund, die von anerkannten Autoritäten aus der Anfangsphase der Solidarność geführt wurde. Es begleitete die Aktivitäten der oppositionellen Gruppen in Masowien inhaltlich und organisatorisch und vermittelte Gelder und technische Geräte für die Herstellung der Untergrundpublikationen.103 Dass es sich mit der Autorisierung postalischer Kleinstpublikationen des Zweiten Umlaufs befasste, lässt sich so werten, dass der Verkauf von Untergrundbriefmarken zu privaten Zwecken schon im Jahr 1984 ein ernst zu nehmendes Ausmaß angenommen hatte.104 Entsprechend groß waren sicherlich die Sorge um die Glaubwürdigkeit der Bewegung, sowohl bei den Vertretern der oppositionellen Dachorganisationen Kulerski, Bogucka und Bieliński als auch an der Basis, die ein Genehmigungsverfahren für die Produktion von Untergrundbriefmarken einforderte und mittrug.105 Die dem Missbrauch vorbeugende Maßnahme, Untergrundbriefmarken in der Untergrundpresse anzukündigen, wurde nicht nur vom RKW im Tygodnik Mazowsze umgesetzt.106 Auch andere Organisationen und Untergrundredaktionen informierten in verschiedenen Untergrundzeitungen über die von ihnen herausgegebenen Publikationen der Untergrundpost, wie zum Beispiel die Solidarność Walcząca in ihren lokalen Periodika, das Warschauer „Überbetriebliche Arbeiterkomitee der ‚Solidarność‘“ (Międzyzakładowy Robotniczy Komitet „Solidarności“ – MRK „S“) und das „Überbetriebliche Koordinierungskomitee“ (Międzyzakładowy Komitet Koordynacyjny – MKK), ebenfalls Warschau.107 Zur Identifizierung wurden schlagwortartig das Bildmotiv, die 102 Bieliński, Komunikat, S. 4, FSO 2-002 Gp 563, Zitat ebd. 103 Friszke, Regionalny Komitet, S. 405-487, hier 485 f. 104 Siehe auch Brzostek, Tygodnik Wojenny, S. 621-635, hier 630 f. 105 List Teresy Boguckiej, 1986 marzec 5, [S. 586]. List wydawnictwa Stop, [S. 586]. 106 Ankündigungen im Tygodnik Mazowsze beispielsweise: [o.  Verf.], Komunikat Poczty „Solidarność“, Tygodnik Mazowsze, S.  3, FSO  2-002 Gp  563; RKW regionu Mazowsze, Zawiadomienie, S.  4, FSO  2-002 Gp  563; [o.  Verf.], [o.  T.], Tygodnik Mazowsze, S.  4, FSO 2-002 Gp 563; RKW Mazowsze, Komunikat, S. 4, FSO 2-002 Gp 563. 107 Ankündigungen der Solidarność Walcząca beispielsweise: [o.  Verf.], Komunikat Poczty SW (1.-8.12.1985), S. 1, FSO 2-002 Gp 509; [o. Verf.], Komunikat Poczty Nr. 10, S. 4, FSO 2-002 Gp 509; [o. Verf.], Komunikat Poczty SW (7.-21.12.1986), S. 4, FSO 2-002 Gp 509; [o. Verf.], Poczta SW, S. 4, FSO 2-002 Gp 509. Ankündigungen des Międzyzakładowy Robotniczy Komitet Solidarności beispielsweise: [o.  Verf.], Komunikaty, S.  2, FSO  2-002 Gp  120; [o.  Verf.], Komunikat Poczty MRK „S“ (25.10.1986), S.  2, FSO  2-002 Gp  120; [o.  Verf.], Komunikat Poczty MRK „S“ (16.06.1987), S.  2, FSO  2-002 Gp  120. Ankündigungen des Międzyzakładowy Komitet Koordynacyjny beispielsweise: [o.  Verf.], Znaczki, S.  2, FSO 2-002 Gp 605; [o. Verf.], Koperty, S. 1, FSO 2-002 Gp 605.

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Farbe des gewöhnlich einfarbigen Druckes, die Postbezeichnung und der Nominalwert, teilweise auch die Auflagenhöhe der betreffenden Marke bzw. der Serie, des Blocks oder auch des gestalteten Briefumschlags genannt. In der Untergrundzeitung Przegląd Wiadomości Agencyjnych (PWA) wurden statt Beschreibungen Abbildungen der Marken und Blocks veröffentlicht.108 In den schriftlichen Kurzbeschreibungen wurde zudem häufig der Verwendungszweck des Verkaufserlöses angegeben: Nicht nur allgemeine Angaben wie „für Angehörige von Repressionsopfern“,109 „zur Finanzierung unabhängiger Verlage“,110 sondern auch konkrete Verlage, die eigene oder andere Organisationen wurden als Adressaten der Einnahmen genannt.111 Trotz jahrelang praktizierter redlicher Ankündigungen und zwischenzeitlich veröffentlichter Mahnungen, dass nur die auf diese Weise bestätigten Geschäfte der oppositionellen Bewegung dienen würden,112 war der Kampf gegen die Untergrundbriefmarken, die für den privaten Gewinn verkauft wurden, offenbar aussichtslos.113 Es scheint unrealistisch gewesen zu sein, anzunehmen, dass die Verbreiter und die Käufer überblicken würden, welche Editionen rechtens und welche missbräuchlich im Umlauf waren, zumal vermutlich längst nicht alle genehmigten Auflagen in der Untergrundpresse angekündigt wurden.114 Im Übrigen spricht auch nichts dagegen, dass manche Akteure der Untergrundpost ihre Entwürfe zwar nicht das Genehmigungsverfahren durchlaufen ließen, die eingenommenen Summen aber gewissenhaft zugunsten der oppositionellen Bewegung einsetzten. Es war wohl außerdem unrealistisch, davon auszugehen, dass das Wissen, um welche „Sorte“ Untergrundbriefmarke es sich handelte, den Käufer stets animieren oder abhalten würde, sie zu erwerben. Die große Nachfrage insbesondere der Sammler scheint darauf hinzuweisen, dass es in diesen Kreisen manchmal zweitrangig war, wen oder was sie finanzieren. Der im Jahr 1985 108 Siehe in Przegląd Wiadomości Agencyjnych, FSO 2-002 Gp 805: [o. Verf.], [o. T.], Przegląd Wiadomości Agencyjnych Nr.  5 (2.2.1986), S.  4; [o.  Verf.], [o.  T.], Przegląd Wiadomości Agencyjnych Nr. 10 (9.2.1986), S. 2; [o. Verf.], [o. T.], Przegląd Wiadomości Agencyjnych Nr.  20 (18.5.1986), S.  4; [o.  Verf.], [o.  T.], Przegląd Wiadomości Agencyjnych Nr.  24. (15.6.1986), S. 1; [o. Verf.], [o. T.], Przegląd Wiadomości Agencyjnych Nr. 34 (26.10.1986), S. 2; [o. Verf.], [o. T.], Przegląd Wiadomości Agencyjnych Nr. 42 (21.12.1986), S. 3. 109 [o. Verf.], Komunikat Poczty SW (7.-21.12.1986), S. 4, FSO 2-002 Gp 509. 110 [o. Verf.], Komunikat Poczty MRK „S“ (25.10.1986), S. 2, FSO 2-002 Gp 120. 111 [o. Verf.], Komunikat Poczty Nr. 10, S. 4, FSO 2-002 Gp 509; [o. Verf.], Poczta SW, S. 4, FSO 2-002 Gp 509; [o. Verf.], [o. T.], Tygodnik Mazowsze, S. 4, FSO 2-002 Gp 563. 112 MR „S“, Komunikaty, S. 2, FSO 2-002 Gp 120. 113 Die Aussage von Konrad Bieliński in: Grochola, Słowo, S. 82-124, hier 122. 114 Zeitzeugeninterview mit Znojkiewicz (Warszawa, 26.9.2010); [o.  Verf.], Poczta Solidarności, S. 3, FSO 2-002 Gp 563.

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interviewte anonyme Untergrundphilatelist gibt unumwunden zu, dass begeisterte Sammler auch die Untergrundbriefmarken sammeln, die das RKW zu „Wildwuchs“ erklärt hat; sie können nicht an sich halten. Mehr noch: Sie halten sie sogar für wertvoller – so etwas in der Art einer zurückgezogenen Edition in der normalen Philatelie. Der Besitzer […] hat das angenehme Gefühl, dass er eine doppelt verbotene Frucht ergattert hat.115

Stanisław Remuszko lässt im Zeitzeugeninterview eine ähnliche Einstellung erkennen: Er habe alles genommen, was zu bekommen war.116 So war des einen Freud des anderen Leid. Sammler waren glücklich über Neuerscheinungen und Raritäten – es ging so weit, dass sogar Fehldrucke von Untergrundbriefmarken zum Kauf angeboten wurden.117 Auch diejenigen, die mit den nicht rechtmäßig herausgegebenen Publikationen der Untergrundpost privat Gewinn machten, freuten sich über ihren Zuverdienst in größerem oder kleinerem Stil. Dies räumte Jahre später ein Akteur aus Oppeln ein, der 1985 und 1986 zwei Untergrundbriefmarken entworfen hatte. Die Einkünfte aus dem Verkauf habe er für die Herausgabe von Flugblättern der Oppelner Solidarność verwendet sowie auch „ein wenig“ zur Aufbesserung seiner Rente „abgezwackt“.118 Der damals geäußerte Ärger mancher Akteure lässt allerdings erahnen, dass manche Fälle von privatwirtschaftlicher Initiative im Rahmen der Untergrundpost hohe Summen ergaben und als gravierende Beschädigung der Oppositionsbewegung aufgefasst wurden. So machte sich Empörung in der Untergrundpresse über den finanziellen Missbrauch Luft. Aktivisten eines Lokalen Widerstandskomitees „Solidarność“ (Terenowy Komitet Oporu „Solidarność“ – TKOS) betonen 1985, sie hätten sich nie damit „beschmutzt“, mit Untergrundbriefmarken Geschäfte zu machen, würden aber zwei – namentlich nicht weiter genannte – Gruppen kennen, die sich nur noch mit Marken befassen würden. Man könne dies sporadisch in begründeten Fällen tun, alles andere würde aber die Bewegung zum „Kentern“ bringen.119 Äußerst negativ beurteilt auch ein anderer Akteur, Redakteur der Untergrundzeitung Promieniści, Verbreiter und Archivar von Untergrundpublikationen, 1987

115 116 117 118 119

[o. Verf.], Poczta Solidarności, S. 3, FSO 2-002 Gp 563. Zeitzeugeninterview mit Remuszko (Warszawa, 24.7.2012). Sowa, [o. T.], S. 4, FSO 2-002 Gp 563. Jankowski, … z Opola, S. 21-22, Zitat 21. [o. Verf.], Terenowy Komitet, S. 3, FSO 2-002 Gp 563, Zitate ebd.

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die Untergrundbriefmarken als Ausdruck der Fehlentwicklung des Zweiten Umlaufs: Niemals werde ich aber das Gangstertum akzeptieren und dass in dieser Branche vor allem Geld gemacht wird. Es wird „Dekoration“ gedruckt, egal was und egal wie. Schundromane […] und vor allem Marken, Plakate, Kalender, und auf jedes setzt man natürlich die Aufschrift „Solidarność“ oder auch „Der Erlös ist für die Entwicklung des unabhängigen Druckwesens bestimmt.“ Welche Entwicklung, frage ich?120

Dezidierte Kritik sowohl an der inflationären Verwendung des Namens der Solidarność als auch an der Klassifizierung als Untergrundbriefmarke wird auch in einer anderen Stellungnahme (1987) geübt: Es scheint, als hätten die schnellen Erfolge bewirkt, dass die Produzenten anfingen, nur die Einnahmen zu würdigen. Die philatelistischen Normen hörten auf zu gelten: Mit der Aufschrift Poczta Solidarność werden Spendenscheine [cegiełki, SP], Heiligenbilder im A5-Format, Bildergeschichten […], Miniplakate zu Jahrestagen […] versehen. […] Die Nominalwerte bestimmter Serien werden ebenso unbekümmert festgelegt: 700, 800 und sogar 1.000 Zloty. Verspottet wurde die Briefmarke, die Philatelie und wohl auch noch mehr …121

Es spricht aus den Aussagen nicht nur der öffentlich gemachte Ärger über das mit Untergrundbriefmarken anscheinend schnell verdiente große Geld. Wohl vor allem sahen die Aktivisten hier das Ansehen der Solidarność in Gefahr und verurteilten das Streben nach Gewinn, das auf Kosten der Redlichkeit der Bewegung ging. Diese hatte sich die Verbesserung der politischen, kulturellen und sozialen Lebensbedingungen der Gesellschaft auf die Fahnen geschrieben und nicht primär den finanziellen Profit. Das allein profitorientierte Verhalten wurde dem Schwarzmarkt zugeschrieben, dessen Handelsstrukturen teils parallel zu denen des Verlagsmarktes im Untergrund verliefen, diesen aber auch berührten.122 Notgedrungen brauchte der Verlagsmarkt den Schwarzmarkt zur Beschaffung mancher Utensilien, aber die Verurteilung des dort geltenden alleinigen Gewinnstrebens als unlauteres Geschäftemachen zog eine klare Grenze zwischen den beiden inoffiziellen Märkten. Gleichzeitig fand im Zweiten Umlauf die Auseinandersetzung darüber statt, inwieweit Geld und Profit im unabhängigen Publikationswesen eine Rolle spielen durften.123 Angesichts der Entwicklung zum professionellen und institutionalisierten 120 Buntowszczyk, Bibuła, S. 1-2, hier 1, FSO 2-002 GP 364. 121 Sowa, [o. T.], S. 4, FSO 2-002 Gp 563. 122 Sowiński, Zakazana książka, S. 241 und 246 f. 123 Fałkowski, Ruch, S. 76-100, hier 93-98.

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Verlagsmarkt im Untergrund war klar, dass sich die Veröffentlichung von Büchern, Periodika und anderen gedruckten Medien rechnen musste. In Abgrenzung zum Streben der „Gewieften“ nach privatem Gewinn wurde aber betont, dass der Verlagsmarkt im Untergrund in der oppositionellen Bewegung verankert war.124 Konkret bedeutete das, solidarisch zu handeln, um das staatliche Monopol auf Informationen und deren Interpretation außer Kraft zu setzen und den Zusammenhalt der oppositionell eingestellten Gesellschaft zu stärken und aufrechtzuerhalten. Im Rahmen der Untergrundpost wurden also nicht ausschließlich unabhängige Publikationen und oppositionelle Tätigkeiten finanziell unterstützt. Unter dem Deckmantel des gegen den Staat gerichteten Handelns konnte auch die unsolidarische materielle Bereicherung einzelner an erster Stelle stehen. Dies konnte weder durch ein Genehmigungsverfahren noch durch öffentlich geäußerte massive Kritik unterbunden werden. Nun ist aber festzuhalten, dass die Untergrundbriefmarken – unabhängig davon, ob ihr Verkaufserlös oppositionellen Aktivitäten oder Privatpersonen zugutekam – die beiden Ziele des oppositionellen Verlagsmarktes erfüllten: Sie befassten sich mit Themen, die in der offiziellen Sphäre verfälscht dargestellt oder tabuisiert wurden, und sie bestärkten das Gemeinschaftsgefühl, worauf im Zusammenhang mit der Rezeption durch die Sammler noch näher eingegangen wird. Aus dieser Perspektive, die den finanziellen Gewinn ausklammert, ist es glaubwürdig, dass sich Experten der Untergrundpost im Rückblick versöhnlich geben. Andrzej Znojkiewicz unterstreicht im Zeitzeugeninterview, dass sich die von den „Betrügern“ gemachten Untergrundbriefmarken in ihrer politischen Aussage gegen das Regime nicht von den „echten“ Untergrundbriefmarken unterschieden hätten und alle gleichermaßen ihr Wirkungspotential beim Betrachter entfalten konnten.125 Es bleibt die Frage, ob der Betrachter an den Untergrundbriefmarken selbst erkennen konnte, ob sie zur Unterstützung der oppositionellen Bewegung oder privater Bedürfnisse angefertigt und verkauft wurden. 10.1.5 Ein edles Stück oder eine Raubproduktion? Die Diskussion über Unterscheidungskriterien Vermutungen, woran die für den privaten Vorteil hergestellten und verkauften Untergrundbriefmarken wohl zu erkennen gewesen seien, äußern die Experten 124 Begriff zitiert nach: Sowiński, Zakazana książka, S. 248; Fałkowski, Ruch, S. 76-100, hier 98; Jarska/Olaszek, Co czytała, S. 145-162, hier 159. 125 Zeitzeugeninterview mit Znojkiewicz (Warszawa, 26.9.2010), dort auch die zitierten Begriffe.

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10. ReiSSender Absatz

der Untergrundpost in den Zeitzeugeninterviews immer wieder. Werden die einzelnen Kriterien jedoch zusammengeführt, heben sie sich gegenseitig auf. Dem von Joanna Szczęsna geäußerten Verdacht, bei Untergrundbriefmarken mit nachlässig gearbeiteten Bildmotiven und Beschriftungen handele es sich um solche, die ohne Einhaltung der Briefmarken typischen Standards für den schnellen privaten Gewinn produziert wurden,126 widerspricht der Bildautor Piotr Tofil. Es sei nicht auszuschließen, dass auch Entwürfe von ausgebildeten Grafikern für Untergrundbriefmarken verwendet wurden, die nicht zum Zwecke der Oppositionsbewegung verkauft wurden.127 Als weitere Beispiele für sehr sorgfältig gearbeitete Bildmotive können acht Blocks unter dem Titel „Polnische Monate“ und zu anderen historischen Ereignissen herangezogen werden, die mit „Victor“ signiert sind.128 Zbigniew Kowalewski, Sammler und Herausgeber mehrerer Kataloge der Untergrundpost,129 vermutet hinter ihnen einen Philatelisten aus Olsztyn, dessen Publikationsaktivitäten „wohl nur wenig mit der Geschichte der Solidarność und der Opposition verbunden waren“.130 Der Grafiker Andrzej Znojkiewicz sagt, wenn die Untergrundbriefmarken professionell gezähnt waren, sei das ein Hinweis gewesen, dass sie nicht von der Solidarność oder einer anderen Oppositionsorganisation gemacht worden seien. Dafür seien bestimmte Maschinen notwendig gewesen, die nur in staatlichen Druckereien gestanden hätten. Die Untergrundbriefmarken der Opposition waren zwar auch teilweise gezähnt, doch dies sei in Handarbeit gemacht worden und deshalb als von oppositionellen Gruppen hergestellt erkennbar.131 Mit den vom Lubliner FIS herausgegebenen Untergrundbriefmarken lässt sich dagegen argumentieren: 20 von ihren 21 herausgegebenen Untergrundbriefmarken sind gezähnt, und zwar so gut, dass sie staatlichen Briefmarkeneditionen in nichts nachstanden.132 FIS-Mitbegründer Paweł Bryłowski sagt, in Lublin hätten sie solche guten drucktechnischen Möglichkeiten nicht gehabt. Sie hätten allerdings mit der Warschauer Untergrundzeitung Przegląd Wiadomości Agencyjnych zusammengearbeitet, dessen 126 127 128 129

Zeitzeugeninterview mit Szczęsna (Warszawa, 29.11.2010). Zeitzeugeninterview mit Tofil (Warszawa, 29.11.2010). Blocks der Poczta Solidarność aus den Jahren 1985 bis 1988, BJ-CDCN, Zn 47 III. Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków Regionu Małopolska; Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków Regionu Rzeszów; Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1982-84. 130 Zitiert nach Sujka, Znaki, S. 33-35, hier 34. 131 Zeitzeugeninterview mit Znojkiewicz (Warszawa, 26.9.2010). 132 Ein Scan aller der von FIS herausgegebenen Untergrundbriefmarken wurde der Autorin von Paweł Bryłowski zur Verfügung gestellt.

10.1 Die finanziellen Bedingungen im Untergrund

239

Mitherausgeber sein Bruder Jan war. Der PWA nutzte Geräte, mit denen die Untergrundbriefmarken in dieser hochwertigen Qualität hergestellt werden konnten.133 Im Übrigen war es auch nicht unüblich, im Zweiten Umlauf erscheinende Publikationen gegen Bestechungsgelder in staatlichen Druckereien drucken zu lassen.134 Auch dies räumte die Möglichkeit ein, dass hier Druckereien genutzt wurden, die die Untergrundbriefmarken perforieren konnten. Andrzej Karczewski mutmaßt, dass diejenigen Untergrundbriefmarken für den privaten Vorteil produziert worden seien, die nicht mit dem Namen einer oppositionellen Organisation, eines Untergrundverlags o.  ä. gekennzeichnet wurden.135 Das hieße, dass Untergrundbriefmarken, die beispielsweise mit „Feldpost“ (Poczta Polowa) oder mit einer lokalen Postbezeichnung wie Unabhängige Post Pommern (Niezależna Poczta Pomorze) herausgegeben wurden, nicht aus den Reihen der Opposition stammen würden. Es ist allerdings einleuchtend, wenn Andrzej Znojkiewicz feststellt, dass die Postbezeichnung nicht unbedingt auf den Urheber schließen lässt. „Wenn ich in Lublin saß, konnte ich doch schreiben, dass das Region Krakau ist.“136 Eine solche gezielte Falschinformation wurde ohnehin manchmal bei der Produktion von Untergrundzeitschriften gegeben, um das Risiko zu vermindern, entdeckt zu werden.137 Letztlich konnten also Privatpersonen Briefmarken im Namen der Poczta Solidarność oder KPN herausgeben und die Einnahmen für sich selbst behalten, ebenso wie sie organisationsunspezifische Postbezeichnungen verwenden konnten. Umgekehrt konnten sich aber auch oppositionelle Initiativen Postnamen geben, die keinen Hinweis auf ihre Organisation gaben, beispielsweise „Krakau Post“ (Poczta Kraków). Tatsächlich meldete diese sich im Jahr 1986 in der Untergrundzeitung der Stahlhütte, Hutnik, zu Wort.138 Fälschlicherweise befänden sich Untergrundbriefmarken in ihrem Namen im Umlauf.139 „Diese Briefmarken sind eine private Initiative und haben mit der Poczta Kraków nichts gemein. Wir sind der Meinung, dass es eine ordinäre Raubproduktion ist, sich als eine Firma auszugeben, die seit Anfang des Kriegszustandes aktiv ist.“140 Diese Form der Richtigstellung ist

133 134 135 136 137 138 139 140

Zeitzeugeninterview mit Bryłowski (Lublin, 22.1.2013). Zeitzeugeninterview mit Karczewski (Warszawa, 25.9.2010). Zeitzeugeninterview mit Karczewski (Warszawa, 25.9.2010). Zeitzeugeninterview mit Znojkiewicz (Warszawa, 26.9.2010). Zeitzeugeninterview mit Głażewski (Puławy, 28.11.2010). Poczta Kraków, Oświadczenie, S. 2, FSO 2-002 Gp 188. Es handelt sich um die Untergrundbriefmarke FSO 2-005 Xp 1234. Poczta Kraków, Oświadczenie, S. 2, FSO 2-002 Gp 188.

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10. ReiSSender Absatz

das Gegenstück zu Ankündigungen von Untergrundbriefmarken in der Untergrundpresse, von denen bereits die Rede war. Sowohl Stanisław Remuszko als auch Andrzej Znojkiewicz stellen in den Zeitzeugeninterviews einen Zusammenhang zwischen dem großen Anstieg der Anzahl der herausgegebenen Untergrundbriefmarken ab 1986 und den zu privaten Zwecken herausgegebenen Untergrundbriefmarken her. In den Jahren davor habe sich die Beliebtheit der Untergrundbriefmarken bei den Rezipienten bewiesen und dies sei nun von „Betrügern“ ausgenutzt worden.141 Das Jahr 1986 war in der Politik des Regimes ein Wendepunkt, da nach der letzten Amnestie in der Volksrepublik im Juli/September 1986 eine zunehmende Lockerung der politischen Lage eintrat. Die Führungsspitze der Solidarność trat aus dem Untergrund, allmählich verzichteten die Redakteure in der Untergrundpresse auf Pseudonyme.142 Im Herbst 1988 wurden sogar Schriften des Zweiten Umlaufs und Publikationen der Untergrundpost auf der Krakowskie Przedmieście-Straße vor der Warschauer Universität offen zum Verkauf angeboten, unbehindert von der Miliz oder dem Geheimdienst.143 In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre hätten also nicht nur überzeugte Oppositionelle das geringer gewordene Wagnis des illegalen Herstellens und Verbreitens von Untergrundbriefmarken auf sich genommen, so der Tenor von Remuszko und Znojkiewicz, sondern es seien auch profitorientierte Privatpersonen auf der Welle der nachgefragten Untergrundbriefmarken mitgeschwommen. Wirkt der Gedanke auch überzeugend, dass ein geringeres Risiko Trittbrettfahrer anziehen konnte, so darf er doch nicht bedeuten, dass es das Phänomen der privaten Nutzung der Gewinne erst ab 1986 gab. In der angeführten Bekanntmachung des RKW Mazowsze wurde bereits im Oktober 1984 beklagt, dass Untergrundbriefmarken im Namen der Solidarność verkauft würden und unklar sei, ob die hohen Einnahmen tatsächlich dort eingehen würden.144 Letztlich also scheitern die Versuche der befragten Experten, Merkmale für die Untergrundbriefmarken zu finden, um sie als „echte“ oder „Raubproduktionen“ zu klassifizieren. Vereinzelt können solche Fälle aufgespürt werden, wie bei der Poczta Kraków oder bei Bildmotiven von Andrzej Znojkiewicz, die ihm nach Jahren, offen ersichtlich nachgemacht, wieder 141 Zeitzeugeninterview mit Remuszko (Warszawa, 24.7.2012); Zeitzeugeninterview mit Znojkiewicz (Warszawa, 26.9.2010), dort auch der zitierte Begriff. 142 Sowiński, Zakazana książka, S. 253. 143 Zeitzeugeninterview mit Remuszko (Warszawa, 24.7.2012); Sowiński, Zakazana książka, S. 253. 144 Bieliński, Komunikat, S. 4, FSO 2-002 Gp 563.

10.2 Beliebte Sammelobjekte

241

begegneten.145 Doch in den meisten Fällen wird es damals bei Vermutungen geblieben sein, dass diese Marke oder jener Block nicht im Auftrag einer oppositionellen Organisation hergestellt und verbreitet wurde. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass außer den Käufern auch die an der Entstehung und Verbreitung Beteiligten nichts über die Verwendung des eingenommenen Geldes durch den Auftraggeber der Untergrundbriefmarke wussten. Eine Erklärung dafür sind die Vorsichtsmaßnahmen der Konspiration, die verlangten, wenig nachzufragen und nur das Notwendigste zu wissen. 10.2

Beliebte Sammelobjekte

Um etwas verkaufen zu können, muss es eine Nachfrage nach dem betreffenden Produkt geben. Mit der Produktion und Verbreitung von Untergrundbriefmarken wählten die Herausgeber eine Art  Verkaufsschlager, nämlich ein Publikationsmedium, das eine große Nachfrage nahezu automatisch garantierte. Sich der Funktion konventioneller Briefmarken bewusst, konnten die Produzenten davon ausgehen, dass die Untergrundbriefmarken die Bedeutung von Sammelobjekten bekommen. Diese konnten eine nachhaltige Wirkung bei den Besitzern entfalten, denn für den Rezeptionsvorgang bedeutete das, dass er auf Wiederholung angelegt war und außerdem die Erfahrung von Gemeinschaft ermöglichte. Untergrundbriefmarken zu verkaufen bzw. abzunehmen unterstützte also nicht nur das Fortbestehen der oppositionellen Bewegung in finanziell-materieller Hinsicht. Gefördert wurden insbesondere auf der Rezipientenseite die Verinnerlichung des Themen- und Wertekanons, der auf den Untergrundbriefmarken ins Bild gesetzt wurde, und der Zusammenhalt der Bewegung. 10.2.1 Untergrundphilatelie – Sammeln um jeden Preis Briefmarken der staatlichen Polnischen Post zu sammeln, war in der Volksrepublik ein verbreitetes Hobby. Daran erinnern sich sogar diejenigen Akteure der Untergrundpost in den Interviews, die damals der konventionellen Philatelie keine Aufmerksamkeit schenkten.146 Auch wenn die Untergrundbriefmarken nicht die primäre postalische Funktion der Frankatur hatten, konnten ihre Herausgeber und Verbreiter also davon ausgehen, dass ihre Zeitgenossen wussten, was sie mit diesen Marken machen konnten: Sie konnten sie sammeln 145 Zeitzeugeninterview mit Znojkiewicz (Warszawa, 26.9.2010). 146 Zeitzeugeninterviews mit Karczewski (Warszawa, 25.9.2010) und Remuszko (Warszawa, 24.7.2012).

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10. ReiSSender Absatz

und in einem Album aufbewahren. Die konventionelle Philatelie scheint auch Inspiration für das Spektrum der Publikationen der Untergrundpost gewesen zu sein: Es blieb nicht bei der Herstellung von Einzelmarken, sondern es wurden auch Serien desselben Motivs in verschiedenen Farben und Druckbögen von Untergrundbriefmarken zum Verkauf angeboten sowie Blocks und Ganzsachen. Natürlich gab es Käufer, die vor allem die herausgebende Organisation mit dem Kauf der Untergrundbriefmarken unterstützen wollten, jedoch auch solche, für die das Objekt Untergrundbriefmarke als philatelistisches Sammlerstück eine mindestens ebenso große Bedeutung hatte wie die „sehr edle Form der Zusatzfinanzierung“ für die oppositionelle Organisation.147 So gaben passionierte Sammler der Untergrundbriefmarken in Artikeln, die in der Untergrundpresse erschienen, Tipps zur inhaltlichen Zusammenstellung einer Sammlung und lieferten systematische Beschreibungen bereits erschienener Marken.148 Stanisław Remuszko, der 1987 und 1988 zwei nicht repräsentative Umfragen unter Rezipienten unabhängiger Publikationen durchführte, kam zu dem Ergebnis, dass die deutliche Mehrheit der Sammlungen (rund 70 Prozent) bis zu 100 Untergrundbriefmarken umfasste und drei bis vier Prozent der Sammler große Kollektionen von 500 bis 1.000 Stück oder sehr große Sammlungen mit über 1.000 Stück besaßen.149 Im Jahr 1990 wurde im Zusammenhang mit einer Ausstellung zur Unabhängigen Post in Danzig geschätzt, dass es in der Volksrepublik einige Zehntausend Sammler gegeben hatte.150 Der Preis für die Untergrundbriefmarken ließ sich zwar mit den zu deckenden Kosten triftig begründen sowie damit, dass außerdem Gewinn gemacht werden sollte, um andere Publikationen und oppositionelle Aktivitäten zu finanzieren. Er wurde von den Käufern dennoch als hoch empfunden. „Die Untergrundbriefmarken sind im Allgemeinen (nicht immer) recht teuer“, schrieb 1984 in seinem mehrseitigen Artikel über die Unabhängige Post der passionierte Sammler und intellektuelle Kopf der Solidarność-Bewegung Kazimierz Dziewanowski, der das vielsagende Pseudonym Rowland Hillski (nach dem Reformator des englischen Postwesens Rowland Hill, der die Idee der Briefmarke als Portoquittung entwickelt hatte) benutzte.151 Die Kosten 147 Zum Zitat: Zeitzeugeninterview mit Szczęsna (Warszawa, 29.11.2010). 148 Hillski, Wywrotowa filatelistyka, S. 15-19, hier 17-19, FSO 2-002 Gp 574; Skryba, Znaczki, S. 55-61, 63, hier 57-61, FSO 2-002 Gp 763. 149 Remuszko, Podziemny sondaż, S. 12-13, hier 12. 150 Organizatorzy, [o.  T.] [Informationsblatt zur Ausstellung]. Das Dokument liegt der Autorin in Kopie vor. Für die Bereitstellung dankt sie Stefan Petriuk. 151 Hillski, Wywrotowa filatelistyka, S. 15-19, hier 18, FSO 2-002 Gp 574.

10.2 Beliebte Sammelobjekte

243

spürten vermutlich insbesondere diejenigen, die eine Sammlung anlegten und nicht nur sporadisch kauften. Der im Jahr 1985 interviewte anonyme Untergrundphilatelist sagt, dass er bereits fast 100.000 Zloty in seine Sammlung investiert habe.152 Wenn sich die Ausgaben auch über mehrere Jahre erstrecken konnten, so waren sie doch erheblich im Vergleich zu einem monatlichen Durchschnittseinkommen in der volkseigenen Wirtschaft von 20.000 Zloty und monatlichen Lebenshaltungskosten von gut 12.000 Zloty im Jahr 1985.153 Auch Joanna Szczęsna wurde sich im Laufe der Zeit ihrer Ausgaben bewusst und sagt im Interview mit Blick auf ihre umfangreiche Kollektion von zwölf Alben mit über 2.000 Exemplaren,154 ab einem bestimmten Zeitpunkt habe sie die Ausgaben vor sich selbst nicht mehr rechtfertigen können. Ein und dasselbe Motiv in vier verschiedenen Farben habe sie schließlich als ein doch zu kostspieliges Vergnügen empfunden.155 Dennoch bleibt der Eindruck, dass unter den Connaisseuren grundsätzlich eine große Bereitschaft bestand, Kosten auf sich zu nehmen, um eine Sammlung anzulegen und sie zu erweitern. 10.2.2 Wiederholte Rezeption: „Das zog einen hinein“ Der Umgang mit den Untergrundbriefmarken, die bewusst zu einer Sammlung zusammengestellt wurden, unterschied sich deutlich von der Handhabung anderer Printmedien des Zweiten Umlaufs. Während Flugblätter und die Untergrundpresse nach der Lektüre häufig weitergegeben wurden – oft stand am Seitenende eine entsprechende Aufforderung –, verwahrten Sammler die Publikationen der Untergrundpost in Alben. Obwohl sie diese gewöhnlich versteckt hielten, gerieten sie nicht in Vergessenheit. Als Sammler hätten sie das Bedürfnis gehabt, sich mit ihrer Kollektion zu beschäftigen, sagt Joanna Szczęsna, die einen Bekannten nach kürzester Zeit zu einem begeisterten Philatelisten der Untergrundpost machte.156 Das bedeutete, sowohl die Kollektion zu erweitern als auch sie zu betrachten und sich mit den Bildmotiven auseinanderzusetzen. Der Wunsch, der eigenen Sammlung weitere Untergrundbriefmarken hinzuzufügen, war typisch in der Gruppe der bewusst Sammelnden. Es ging dabei um Marken mit neuen Bildmotiven sowie um die farbliche Komplettierung von Serien: Passionierte Sammler schätzten auch Markenserien mit demselben Bildmotiv wert, das jeweils in einer anderen Farbe gedruckt worden 152 [o. Verf.], Poczta Solidarności, S. 3, FSO 2-002 Gp 563. 153 Główny Urząd Statystyczny, Rocznik, S.  138 (Lebenshaltungskosten); S.  165 (Durchschnittseinkommen). 154 Szczęsna, Ile Wałęsa ma, S. 10-11, hier 10. 155 Zeitzeugeninterview mit Szczęsna (Warszawa, 29.11.2010). 156 Zeitzeugeninterview mit Szczęsna (Warszawa, 29.11.2010).

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10. ReiSSender Absatz

war.157 Dabei kam die Sogwirkung zum Tragen, die Sammelobjekte entfalten können. Sie versprach den Herausgebern der Untergrundbriefmarken nicht nur eine gesicherte Nachfrage, sondern auch eine aufmerksame Rezeption ihrer Bildbotschaften. Remuszko stellt im Rückblick fest: „Wenn jemand anfing, Untergrundbriefmarken zu sammeln, dann trat er geistig in das oppositionelle Milieu ein, verband sich geistig mit ihm. Er wartete auf die nächsten Marken – das zog einen ganz einfach hinein.“158 Diese geistige Verbindung entstand, indem sich der Sammler mit seinen Marken befasste. Die abgeschiedene, private Auseinandersetzung mit der Kollektion zeichnete sich durch das Einfügen neuer Exemplare, das Ordnen, neu Ordnen und wiederholte Betrachten aus. Indem der Sammler die Briefmarken, Blocks oder Ganzsachen der Untergrundpost systematisierte, entdeckte und erprobte er inhaltliche oder formale Verbindungen zwischen den Einzelstücken. In diesen kreativen Akt flossen seine Vorlieben und Maßstäbe ein. Auf diese Weise setzte er sich in Beziehung zu den Verbildlichungen des kulturellen Gedächtnisses der Oppositionsbewegung.159 Ein wesentlicher Bestandteil dieser Form der persönlichen Aneignung war die interessierte und intensive Betrachtung der Sammelobjekte. In der Art eines Bilderlexikons gab das Sammelalbum Auskunft, auf welche historischen, politischen, nationalen, religiösen und kulturellen Fundamente sich die oppositionell eingestellte Gesellschaft berief. Znojkiewicz vergleicht im Zeitzeugengespräch die Beschäftigung mit der Sammlung mit der Nutzung einer privaten Bibliothek. Die Untergrundbriefmarken hätten eine Sammlung von Wissen präsentiert, die der Besitzer immer wieder konsultieren konnte.160 Das wiederholte Rezipieren der Sammlung verstärkte das Wirkungspotential der Publikationen der Untergrundpost, denn die ins Bild gesetzten Botschaften, die damit einhergehende Kritik an der offiziellen Informationspolitik und die Abgrenzung von deren Narrationen konnten sich dem Sammler fest einprägen und auf diese Weise seine Sicht auf die dargestellten Themen beeinflussen.161 Dabei maßen die Rezipienten den auf den Untergrundbriefmarken dargestellten Inhalten offenbar große Glaubwürdigkeit zu.162 Dies entsprach der generellen Einstellung oppositioneller Kreise gegenüber den Publikationen des Zweiten Umlaufs. Während die offiziellen Medien als 157 Zeitzeugeninterviews mit Szczęsna (Warszawa, 29.11.2010) sowie mit Konikiewicz und Strzemeska (Toruń, 26.7.2012). 158 Zeitzeugeninterview mit Remuszko (Warszawa, 24.7.2012). 159 Long, Freedom, S. 81-84. 160 Zeitzeugeninterview mit Znojkiewicz (Warszawa, 26.9.2010). 161 Zeitzeugeninterview mit Remuszko (Warszawa, 24.7.2012). 162 Zeitzeugeninterview mit Znojkiewicz (Warszawa, 26.9.2010).

10.2 Beliebte Sammelobjekte

245

verlogen bewertet wurden, begegneten die Rezipienten den im Zweiten Umlauf entstandenen Werken mit großer Unbefangenheit, sogar Kritiklosigkeit.163 Außerhalb der offiziellen Zensur entstanden, konnten ihre Inhalte gar nicht unwahr sein, so die verbreitete Haltung oppositionell eingestellter Rezipienten. Inwieweit sie reflektierten, dass die Narrationen der Untergrundbriefmarken ebenfalls an interessegeleiteten Selbstbildern und Geschichtskonstruktionen mitarbeiteten, bleibt hier unbeantwortet. Diese vertrauensvolle Haltung wird dazu beigetragen haben, dass die Zeitzeugen die Rezeption der Publikationen der Untergrundpost als geistig aufbauend und psychische Stärkung schildern.164 Es wurde zum einen kein anstrengendes Misstrauen an den Tag gelegt, wie prinzipiell gegenüber offiziell erscheinenden Publikationen. Zum anderen bot der ins Bild gesetzte Themenund Wertekanon ein Halt gebendes Gerüst von Merkdaten, Autoritäten, Denkmälern und Ereignisorten des oppositionellen kulturellen Gedächtnisses. Dessen Stabilität wurde zusätzlich durch die Veröffentlichung in Form des nachgeahmten postalischen Repräsentationsmediums unterstützt. Außerdem hatte der Sammler allen Grund zu der bestärkenden Annahme, dass er nicht allein war. Die Untergrundbriefmarken waren ein physischer Beweis, dass die Oppositionsbewegung lebte – auch wenn der Anteil der Aktivisten deutlich zurückgegangen war. Die Gemeinschaft mit Andersdenkenden zu erfahren, war, neben der spezifischen wiederholenden Rezeption, ein zweiter wesentlicher Aspekt der Rezeption der Publikationen der Untergrundpost. 10.2.3 Ein Sammler blieb selten allein Fand der Geheimdienst Publikationen der Untergrundpost bei Hausdurchsuchungen, wurden sie beschlagnahmt.165 Die Beschäftigung mit einer Sammlung wird daher in dem Bewusstsein stattgefunden haben, dass die Objekte illegal hergestellt und verbreitet wurden und Strafen bei Entdeckung der Sammlung drohten. Dennoch wurde nicht nur der Kontakt zum Verbreitungsnetzwerk im Zweiten Umlauf gesucht, um die eigene Kollektion zu erweitern, sondern auch zu anderen vertrauenswürdigen Sammlern. In diesem Kreis wurden Publikationen der Untergrundpost getauscht oder weiterverkauft.166 Hier ist im Übrigen nicht auszuschließen, dass dabei auch 163 Sowiński, Zakazana książka, S. 271 f. 164 Zeitzeugeninterview mit Remuszko (Warszawa, 24.7.2012); [o.  Verf.] I walne zebranie, S. 1-2. 165 Szczęsna, O podziemnej filatelistyce, S. 11. 166 Zeitzeugeninterview mit Konikiewicz und Strzemeska (Toruń, 26.7.2012).

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10. ReiSSender Absatz

höhere Summen gezahlt wurden, als die Nominalwerte angaben. Dies wäre eine weitere Form, mit Untergrundbriefmarken Geschäfte zu machen. In der empörten Diskussion über den unlauter erworbenen finanziellen Gewinn spielten solche Fälle allerdings keine Rolle, vermutlich, weil sie als tatsächlich private Angelegenheit der Sammler eingeordnet wurden. Die jeweilige Sammlung war eine Dokumentation des mit anderen geteilten alternativen kulturellen Gedächtnisses. Darin lag ein gemeinschaftsstiftendes Potential, das auf verschiedenen Ebenen über den jeweiligen Sammler hinauswies. Präsentierte der Sammler seine Kollektion anderen, kam es zu Diskussionen über die außerhalb der staatlichen Zensur veröffentlichten Bildmotive.167 Dies war ein widerständiger Akt, der mit dem Konzept des gewaltfreien Widerstands der Opposition im Einklang stand und trotzdem zerstörerische Wirkungen entfaltete: Die Angriffe auf das Informationsmonopol und die Deutungshoheit des Staates sowie das Gespräch darüber trugen dazu bei, die Herrschaft des Regimes zu untergraben. Im direkten Austausch über die im Zweiten Umlauf veröffentlichte „Wahrheit“ versus zensierte staatliche Narration wurde somit im privaten Wohnzimmer eine konkrete Gemeinschaft von Gleichgesinnten erlebbar. Sie beschäftigten sich mit denselben Themen, stellten die Machthaber der Volksrepublik deutlich in Frage und bekannten einander ihre Zugehörigkeit zur Oppositionsbewegung oder Sympathie für diese. Ein Gemeinschaftsgefühl infolge der Beschäftigung mit der Sammlung konnte sich außerdem als „vorgestellte Gemeinschaft“ einstellen.168 Es mochte hierfür das Wissen ausreichen, dass es Mitstreiter gab oder gegeben hatte, sie brauchten nicht gleichzeitig am selben Ort wie der Sammler zu sein. Dabei konnte es sich um das Gefühl der Verbundenheit mit den Produzenten und Verbreitern der Untergrundpost sowie der Oppositionsbewegung schlechthin handeln. Sie waren zwar nicht physisch anwesend, aber im hergestellten Gegenstand Untergrundbriefmarke indirekt präsent. Die Oppositionsbewegung als handelndes und tragfähiges Netzwerk sichtbar zu machen und zu festigen, war eine der wesentlichen Eigenschaften der Publikationen des Zweiten Umlaufs generell.169 Hierfür bedurfte es nicht einmal der tiefgehenden inhaltlichen Rezeption der Werke.170 So ist anzunehmen, dass sich allein aufgrund des materiellen Vorhandenseins der Publikationen der Untergrundpost die Gewissheit einstellte, dass es eine Gemeinschaft von Regimegegnern gab. 167 Zeitzeugeninterview mit Znojkiewicz (Warszawa, 26.9.2010). 168 Zum zitierten Begriff: Anderson, Imagined Communities, S. 5 f. 169 Friszke, Znaczenie, S. 577-579, hier 577. 170 Sowiński, Zakazana książka, S. 276 f.

10.2 Beliebte Sammelobjekte

247

Dieses Bewusstsein von Gemeinschaft umfasste über die Produzenten und Verbreiter hinaus auch nicht anwesende Sammler, wenn die Beschäftigung mit der eigenen Sammlung mit dem Wissen einherging, dass auch andere Publikationen der Untergrundpost besaßen und sie wertschätzten. Fassten die Sammler die Publikationen der Untergrundpost als Anspielung auf die Briefmarken der historischen Postsysteme der um Unabhängigkeit kämpfenden Vorfahren auf, konnte dies die Vorstellung der Gemeinschaft mit den Aufständischen und Unabhängigkeitskämpfern der polnischen Geschichte hervorrufen. Dieser Aspekt wurde bereits bei der Untersuchung des Bedeutungsspektrums der Unabhängigen Post und ihrer Briefmarken entfaltet. Das verbindende Element zwischen den friedlich Sammelnden in den 1980er Jahren und den militärisch kämpfenden Unabhängigkeitskämpfern in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und früher waren die Briefmarken als Symbol der Staatlichkeit. Die historischen Briefmarken hatten für den polnischen Staat gestanden, die nachgeahmten Briefmarken standen in den 1980er Jahren für die gefestigte, selbstorganisierte oppositionell eingestellte Gesellschaft. Sie waren ein Zeichen dafür, dass die Machthaber nicht anerkannt wurden – historisch waren es oktroyierte Machthaber gewesen, wie etwa im Warschauer Aufstand, in der Gegenwart der 1980er Jahre solche, die als oktroyiert empfunden wurden. Diese Perspektive ermöglichte den Sammlern in den 1980er Jahren die Identifikation mit den Unabhängigkeitskämpfern der polnischen Geschichte und konnte die Vorstellung einer Gemeinschaft von Widerstandskämpfern verschiedener Epochen erzeugen. Schließlich konnte auch die Nachricht von der Rezeption der Untergrundbriefmarken im westlichen Ausland bei den Sammlern in der Volksrepublik das Bewusstsein stärken, einer physisch zwar nicht direkt erfahrbaren, aber dennoch bestehenden grenzübergreifenden Gemeinschaft Oppositioneller und ihrer Unterstützer anzugehören. Beim Sender Radio Freies Europa in München hatte der bereits angeführte Redakteur Anatol Kobyliński die Sendung „Ein Eckchen für die Philatelisten“ (Kącik dla filatelistów) entwickelt, in der er u. a. neu eingetroffene Untergrundbriefmarken aus der Volksrepublik vorstellte.171 Radio Freies Europa war ein intensiv gehörter Sender in regimekritisch eingestellten Kreisen in der Volksrepublik Polen, aber auch darüber hinaus und nicht zuletzt vom polnischen Geheimdienst sowie von polnischen Emigranten im westlichen Ausland.172 Eine Sendung einzurichten, die sich insbesondere der Untergrundpost in der Volksrepublik widmete und die mit Blick auf das Publikum in der Volksrepublik ausgestrahlt wurde, war eine 171 Kobyliński, Wędrówki, S. 189 und 194 f. 172 Tatarowski, Literatura, S. 61-64; Sowiński, Zakazana książka, S. 281 f.

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Würdigung ihrer Hersteller, Verbreiter und Sammler sowie Ausdruck westlicher Anerkennung des alternativen kulturellen Gedächtnisses, das auf den Publikationen der Untergrundpost visualisiert wurde. Die Radiosendung war aber nur eine Form der Aufmerksamkeit des Westens gegenüber dem Phänomen der Unabhängigen Post. Hinzu kamen Artikel mit Abbildungen in der westlichen überregionalen Presse wie zum Beispiel in Die Welt oder im Time Magazine.173 Letzteres soll sogar eine Untergrundbriefmarke vom Lubliner FIS auf seiner Titelseite gezeigt haben.174 Von der medialen Öffentlichkeit im Ausland erfuhr wiederum die Philatelistenszene im polnischen Untergrund. Beispielsweise teilt der unbekannte Untergrundphilatelist in seinem Interview vom April 1985 mit, dass im Dezember 1984 in der französischen „Philateliebeilage der Le Monde“ über die Poczta Solidarność in der Volksrepublik berichtet worden sei.175 Bestätigt wird diese Information in einem mehrseitigen, im Zweiten Umlauf erschienenen Artikel (Dezember 1985) über die Briefmarken der Poczta Solidarność. Sein Verfasser beschreibt hier eine Untergrundbriefmarke, die in eben jener Ausgabe veröffentlicht worden war, und gibt die korrekte bibliographische Quelle an: Le Monde des Philatélistes, Nr. 381.176 Der bereits zitierte Experte Kazimierz Dziewanowski, alias Rowland Hillski, wusste ebenfalls, dass im westlichen Ausland Interesse an der polnischen Untergrundpost bestand. Er erwähnt in seinem Artikel, dass es dort sehr interessierte Sammler gab, die zudem als zahlungsbereit galten: „Schon heute erhalten wir aus dem Westen Signale, dass manche Emissionen der Untergrundbriefmarken hohe Preise erzielen.“177 Es ist natürlich davon auszugehen, dass nicht jede Veröffentlichung in den westlichen Medien von den Philatelisten im polnischen Untergrund wahrgenommen wurde. Doch wenn es der Fall war, und sei es vom Hörensagen, konnte dies die Gewissheit vermitteln, dass die Oppositionsbewegung in Polen nicht allein war. Diese Form der pro-oppositionellen Öffentlichkeitsarbeit im westlichen Ausland integrierte die Sammler, aber auch die Hersteller und Verbreiter der Publikationen der Untergrundpost in der Volksrepublik 173 j. g./R.Z., Stiche, S. 20; [o. Verf.], Stamps. 174 Es soll sich um die Untergrundbriefmarke FSO  2-005 Xp 0912 gehandelt haben. Zeitzeugeninterview mit Bryłowski (Lublin, 22.1.2013); Józefczuk, Lubelskie znaczki, S. 5. 175 [o. Verf.], Poczta Solidarności, S. 3, FSO 2-002 Gp 563, Zitat ebd. 176 Skryba, Znaczki, S. 55-61, 63, hier 60, FSO 2-002 Gp 763. Es handelt sich um eine Untergrundbriefmarke von Andrzej Znojkiewicz aus der Serie „Solidarność – das sind wir!“ (Solidarność to my!). Sie zeigt eine Kornähre als Symbol für die Solidarność-Bewegung der Landbevölkerung. Siehe Abb. 23. Abbildung des Titelblatts der Le Monde des Philatélistes Nr.  381 (12/1984) mit einer Untergrundbriefmarke, die das Porträt Wałęsas zeigt, unter http://docs.philateliques.free.fr/lmp1/1984/lmp_381.jpg (acc. 6.9.2020). 177 Hillski, Wywrotowa filatelistyka, S. 15-19, hier 17, FSO 2-002 Gp 574.

10.2 Beliebte Sammelobjekte

249

in eine grenzüberschreitende Gemeinschaft oppositioneller Aktivisten und Unterstützer. 10.2.4 Subversiv bis in die offizielle Sphäre? Die Rezipienten der Untergrundbriefmarken waren keine homogene Gruppe. Es wurde in allen sozialen Schichten gesammelt und diese Tätgkeit beschränkte sich nicht allein auf ältere Herren, junge Erwachsene engagierten sich ebenfalls.178 Es gab die gelegentlichen Käufer sowie die passionierten Sammler. Selbstverständlich waren es Aktivisten der Oppositionsbewegung oder ihre Sympathisanten. Jedoch auch in Kreisen, die mit der Opposition nichts gemein hatten, zirkulierten die verbotenerweise hergestellten Publikationen der Untergrundpost. Manche kauften sporadisch Untergrundbriefmarken, wenn der Verbreiter sie zusammen mit Untergrundzeitungen oder Büchern anbot. Ihr eigentlicher Beweggrund war, die Oppositionsbewegung finanziell zu unterstützen.179 Im Unterschied zu den Sammlern begeisterten sie sich nicht für die philatelistischen Feinheiten. Zugespitzt gesagt: Es wird ihnen eine Untergrundbriefmarke mit der Ansicht beispielsweise des Posener Denkmals gereicht haben; für sie hätten es nicht die mindestens 25 zirkulierenden Ansichten des Monuments zu sein brauchen.180 Die oppositionell eingestellten Sammler der Untergrundpost wollten natürlich ebenfalls in gutem Glauben die Oppositionsbewegung mitfinanzieren. Als leidenschaftliche Sammler ging es ihnen aber auch wesentlich um die Objekte. Manches Mal mussten sie zu „Jägern“ werden, um Neuheiten der Untergrundpost aufzuspüren oder die Kollektion farblich komplettieren zu können.181 Unter ihnen waren solche vertreten, die bereits philatelistisch geschult waren, weil sie auch offizielle Briefmarken sammelten oder gesammelt hatten.182 Manche aber wurden erst durch die Untergrundpost zu enthusiastischen Philatelisten, ohne vorangegangenen Bezug zum konventionellen Briefmarkenhobby.183 Interessanterweise gab es aber auch Sammler, die politisch gleichgültig waren, mit der Oppositionsbewegung nichts zu tun hatten oder sie 178 Remuszko, Podziemna filatelistyka, S. 14; Wolski, Zaczęło się, S. 7. 179 Zeitzeugeninterview mit Karczewski (Warszawa, 25.9.2010). 180 Gezählt wurde das Bildmotiv des Denkmals in Posen in den Katalogen Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków  … 1982-84; Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1985; Towarzystwo Poczty Podziemnej, Katalog znaczków … 1986; Sokołowski, Katalog znaczków … 1987 roku; Sokołowski, Katalog znaczków … 1987-1989. 181 [o. Verf.], Poczta Solidarności, S. 3, FSO 2-002 Gp 563. 182 Zeitzeugeninterview mit Konikiewicz und Strzemeska (Toruń, 26.7.2012). 183 Zeitzeugeninterview mit Szczęsna (Warszawa, 29.11.2010).

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10. ReiSSender Absatz

sogar bekämpften – und trotzdem von den nachgeahmten postalischen Publikationen fasziniert waren. Sie konnten sie nicht über das Verbreitungsnetz des Zweiten Umlaufs erwerben, da sie keine Kontakte hatten. Sie bemühten sich daher auf dem Schwarzmarkt um die Erweiterung ihrer Kollektion und zahlten ein Mehrfaches des angegebenen Nominalwertes.184 Ein extremes Beispiel für Sammler aus berufsbedingt oppositionsfeindlichen Kreisen waren Angehörige des Geheimdienstes. Bei Hausdurchsuchungen konfiszierten sie Untergrundbriefmarken, weshalb in den Kreisen der Untergrundpost der Verdacht bestand, dass sie auf diese Weise ihre Kollektionen erweitern würden.185 Ein anderer extremer Fall, dargestellt in einer Untergrundzeitung, war die Verurteilung von zwei Stabsfeldwebeln der polnischen Streitkräfte wegen des Besitzes von Büchern des Zweiten Umlaufs und Untergrundbriefmarken.186 Sie wurden vom betreffenden Militärkreisgericht in Breslau im September 1985 mit Freiheitsentzug von einem bzw. anderthalb Jahren bestraft. Während die Strafen laut Urteilsverkündung mildernden Umständen geschuldet waren, ordnete sie der Berichterstatter der Untergrundzeitung als „drakonisch“ zum Zwecke der Abschreckung ein.187 Der Wunsch, die als Staatsfeinde behandelten oppositionellen Organisationen finanziell zu unterstützen, konnte nicht der ausschlaggebende Grund gewesen sein, warum die verbotenen Publikationen der Untergrundpost auch außerhalb der Kreise oppositioneller Aktivisten und Sympathisanten gesammelt wurden. Vielmehr ließ sich hier die Begeisterung auf die grafische Gestaltung und das Sammelobjekt als solches zurückführen. Das bekundete der in dem Gerichtsprozess hinzugezogene Major und Vorsitzende des offiziellen Briefmarkenklubs seiner militärischen Einheit. Als Briefmarkenexperte bescheinigte er den Untergrundbriefmarken ihre „hohen künstlerischen, sammlerischen und auch finanziellen Wert“.188 Zwar lässt sich anhand des vorliegenden Materials nicht beantworten, ob die Rezeption der Untergrundbriefmarken die Ansichten dieser Sammler über bestimmte Themen veränderte oder Folgen für ihre Einstellung gegenüber dem Regime und der Opposition hatte. Offen bleibt auch, ob es zu Kontakten zwischen oppositionell eingestellten und oppositionsfernen Sammlern kam, was denkbar ist.189 Allerdings gilt auch für diese Sammler, dass sie sich typischerweise mit ihren Kollektionen bewusst befassten. Beim Ordnen und 184 Głażewski, Podziemna poczta. 185 Szczęsna, O podziemnej filatelistyce, S. 11; Remuszko, Podziemna filatelistyka, S. 14. 186 [o. Verf.], Rząd, S. 1-2, FSO 2-002 Gp 585. 187 Zum Zitat: [o. Verf.], Rząd, S. 1-2, hier 2, FSO 2-002 Gp 585. 188 Zum Zitat: [o. Verf.], Rząd, S. 1-2, hier 2, FSO 2-002 Gp 585. 189 Sowiński, Drugi obieg, S. 102-122.

10.3 Die Vorzüge des „graphischen Telegramms “

251

wiederholten Betrachten hatten auch sie intensiven Kontakt mit den verbildlichten Inhalten des alternativen kulturellen Gedächtnisses und dem Themen- und Wertekanon der Opposition. So lässt sich zumindest begründet annehmen, dass das subversive Bedeutungspotential der offiziell nicht genehmigten Bildbotschaften und der nachgeahmten postalischen Medien auch die Sammler, die der Opposition eigentlich fernstanden, zur Reflexion ihrer Ansichten herausforderte. 10.3

Die Vorzüge des „graphischen Telegramms“

Die Beliebtheit der Publikationen der Untergrundpost gründete nicht allein in den finanziellen Einnahmen und der Gemeinschaft stiftenden Sogwirkung des Sammelobjekts. Sie lässt sich auch erklären, wenn die mitunter distanzierte Einstellung zu den außerhalb der Zensur erschienenen Büchern einbezogen wird. Untergrundbriefmarken seien allgemein gefragter gewesen als Bücher von Untergrundverlagen. Der Untergrundverleger Bryłowski erklärt dies schonungslos mit dem damals verbreiteten Desinteresse an anspruchsvoller Literatur: Untergrundbriefmarken […] haben sich besser verkauft als Bücher [des Zweiten Umlaufs, SP]. […] Nicht alle interessierten sich für Literatur oder überhaupt für Bücher. Es stimmt ja nicht, dass Hunderttausende Menschen in der Opposition waren. In jener Zeit jemanden für die Zusammenarbeit zu finden, war ein Problem. Und dann noch jemanden zu finden, der verbotene Literatur kennenlernen wollte, das war ein noch größeres Problem. […] Es bestand das Phänomen des „sekundären Analphabetismus“. […] [Nur, SP] eine bestimmte Schicht von Menschen interessierte sich für Bücher.190

Nicht in der Lage zu sein, einen Text auf der sekundären Ebene zu entziffern, das heißt, ihn interpretieren und reflektieren zu können, war auch nach Meinung von Krystyna Antoszkiewicz charakteristisch für den Umgang mit den im Zweiten Umlauf herausgegebenen Werken: Zum Beispiel [Werke von, SP] Czesław Miłosz, zum Beispiel manche Autoren, die auf dem Index standen, zum Beispiel Bücher zu wirtschaftlichen Themen oder auch politische Bücher – es gab Leute, die das lasen, aber generell war

190 Zeitzeugeninterview mit Bryłowski (Lublin, 22.1.2013).

252

10. Reissender Absatz das für viele Leute zu kompliziert, zu schwierig. Vielleicht hatten sie irgendein Untergrundbuch im Regal stehen, um damit anzugeben.191

Die Zeitzeugen stellen hier das dominierende Narrativ über die oppositionelle Bewegung in Frage, dass diese vor allem nach anspruchsvollen Texten verlangt habe. Angezweifelt wurde dieses Narrativ bereits in den 1980er Jahren. Neben der Erfahrung, dass für Bücher nicht mehr so schnell Käufer zu finden seien,192 wird in der unabhängigen Presse die Kritik formuliert, dass sich manche Untergrundverlage zunehmend am Kriterium der Rentabilität orientieren würden. Das habe zur Folge, dass das inhaltliche Niveau der herausgegebenen Bücher sinke.193 Das heißt, dass ein merklicher Teil der Leser offenbar lieber eine Lektüre kaufte, die nicht so schwierig zu rezipieren war. Eine andere Beobachtung war, dass es „Pseudo-Leser“ gab.194 Sie würden, so der Vorwurf, jedwede Untergrundpublikation kaufen, sie aber weder lesen, geschweige denn durchdenken. Stattdessen würden sie die Bücher zu Hause aufstellen, mit dem Ziel, oppositionelles Engagement zu simulieren und auf diese Weise das eigene Ansehen vor Bekannten zu erhöhen.195 Auf der anderen Seite jedoch wurde für die Wirkmächtigkeit des schriftlichen Zweiten Umlaufs argumentiert, und diese war ohne den Leser nicht denkbar. Der unabhängige Publikationsumlauf habe zu den wesentlichen Aktivitäten für die Erweiterung des geistigen Horizonts und die Erlangung von Freiheit und Selbstbestimmung gezählt.196 Nicht nur, weil der Leser die offiziell verbotenen oder zensierten Werke von in Polen oder im Ausland lebenden Autoren lesen konnte. Eine konkrete Auswirkung sei auch gewesen, heißt es im Resümee zum zehnjährigen Bestehen des Zweiten Umlaufs, dass das Publizieren dieser Texte im Untergrund die staatliche Zensur- und Herausgabepolitik in der offiziellen Sphäre gelockert habe.197 In der Forschung zum Zweiten Umlauf setzte sich diese Deutung als Hauptnarrativ durch. Im Fokus steht die große Bedeutung der außerhalb der staatlichen Kontrolle erschienenen Texte für die geistige Unabhängigkeit der Gesellschaft und die Implosion des politischen Systems.198 Dies trifft zweifellos grundsätzlich zu und wird auch von den Erfahrungen der interviewten 191 Zeitzeugeninterview mit Antoszkiewicz (Warszawa, 23.7.2012). 192 J.A., [o. T.], S. 4, FSO 2-002 Gp 563. 193 L.L., Uwagi, S. 56-67, hier 62. 194 Zum zitierten Begriff: Strzelec, Bibuła, S. 2, 6-8, hier 7, FSO 2-002 Gp 364. 195 Strzelec, Bibuła, S. 2, 6-8, hier 7, FSO 2-002 Gp 364. 196 Sowiński, Zakazana książka, S. 256. 197 Szaruga, Kultura, S. 149-163, hier 160-162. 198 Sowiński, Zakazana książka, S. 268; Sowiński, Siła, S. 637-665, hier 664 f.

10.3 Die Vorzüge des „graphischen Telegramms “

253

Zeitzeugen bestätigt: Textlektüre habe das eigene Wissen erweitert und Reflexionsprozesse ausgelöst.199 Insbesondere Untergrundperiodika wurden von den oppositionellen Gruppierungen als Forum genutzt, um für bestimmte Fragen Konzepte zu entwickeln und in der Auseinandersetzung mit anderen die eigenen Einstellungen zu schärfen.200 Andererseits aber negiert Bryłowski, wie oben angeführt, dass es massenhaft Leser der Untergrundpublikationen gegeben habe. Krystyna Antoszkiewicz vermeidet deutlich die idealistische Einschätzung, dass zu den Abnehmern verbotener Bücher ausschließlich Leser gehört hätten. Diese bereits in den 1980er Jahren geäußerte Kritik an der Idealisierung der Produzenten, Rezipienten und Werke des schriftlichen Zweiten Umlaufs wird in der Forschung allerdings weit weniger aufgegriffen. Problematisiert wird sie von Paweł Sowiński. In den 1980er Jahren sei der Inhalt der unzensierten Bücher weniger genau rezipiert worden als vor der Entstehung der Solidarność-Bewegung, als der Kreis der Leser sehr viel kleiner und elitärer gewesen war. Dem unzensierten Buch sei nun neben der inhaltlichen Bedeutung auch die Bedeutung, „oppositionelle Requisite“ zu sein, zugeschrieben worden, die unabhängig von der Lektüre des Inhalts die oppositionelle Gesinnung des Besitzers signalisieren sollte.201 In der oben zitierten Aussage von Krystyna Antoszkiewicz kommt dies ebenfalls zum Ausdruck. Auch für die Untergrundbriefmarken ist nicht auszuschließen, dass sie als Prestigeobjekt zur Demonstration der oppositionellen Gesinnung dienten. Jedoch konnten die Untergrundbriefmarken an der festgestellten Abneigung gegenüber längeren Texten ansetzen und sich als ein geeignetes Medium erweisen, in die Breite zu wirken. Die Bildautoren konnten auch demjenigen Rezipienten den Themenkanon der Opposition nahebringen, der keine besonderen Ambitionen hatte, die anspruchsvollen Texte des Zweiten Umlaufs zu lesen. Dies suggeriert der Grafiker Piotr Tofil: „Untergrundbücher erreichten nicht alle, vielleicht erreichte die Untergrundpresse nicht alle. Vielleicht war eine Untergrundbriefmarke eine leichtere Form.“202 Die Vorzüge der Publikationen der Unabhängigen Post waren die im Allgemeinen eingängige und entschlüsselbare Bildsprache und die Reduzierung der ins Bild gesetzten Themen auf Kernaussagen. Manche Bildautoren ergänzten ihre visuellen Thesen durch minimale schriftliche Informationen, 199 Zeitzeugeninterviews mit Remuszko (Warszawa, 24.7.2012) und Znojkiewicz (Warszawa, 26.9.2010). 200 Siekierski, Drugi obieg, S. 285-296, hier 291; Friszke, Bibuła, S. 7-35, hier 30-32. 201 Sowiński, Zakazana książka, S. 276, Zitat ebd. 202 Zeitzeugeninterview mit Tofil (Warszawa, 29.11.2010).

254

10. ReiSSender Absatz

zum Beispiel die Nennung eines Jahrestages oder des Namens des Abgebildeten. Znojkiwicz entwickelte für seine Tätigkeit als Grafiker der Untergrundpost das Konzept der „kleinsten illegalen Druckschrift“ (najmniejsza bibuła).203 Bei einem Großteil seiner zirka 300 entworfenen Untergrundbriefmarken fügte er den Bildmotiven noch einige Stichworte oder einen informativen Satz hinzu.204 Seine langjährige Lehrtätigkeit an der Polytechnischen Hochschule habe ihn derart geprägt, dass er die Untergrundbriefmarken didaktisch maximal ausnutzen und mit Hilfe knappster schriftlicher Informationen zusätzliches Wissen vermitteln wollte, welches das Verständnis der Bildmotive vertiefen sollte. So wirkten die Bildpublikationen der Unabhängigen Post wie „graphische Telegramme“ und lieferten dem Betrachter einen raschen Überblick über die Merkdaten, Schlüsselereignisse und moralischen Autoritäten des alternativen kulturellen Gedächtnisses sowie deren Deutungen. Dieser augenscheinlich recht bequeme Zugang zu den verhandelten Themen wird auch insofern attraktiv gewesen sein, als sich der Betrachter nicht mit dem häufig wenig ansprechenden Druckbild der Bücher und Periodika des Zweiten Umlaufs mühen musste. Die erschienenen Schriften waren größtenteils ohne Bilder und ihr Druckbild nicht selten schwach und schwer lesbar.205 Dagegen waren die zumindest einfarbigen Bildmotive der Untergrundpost ein Blickfang, der das Interesse des Betrachters für den verbildlichten Inhalt wecken konnte. Im besten Falle wurde der Betrachter animiert, sich mit den visualisierten Themen unter Zuhilfenahme des schriftlichen Zweiten Umlaufs intensiver auseinanderzusetzen,206 bzw. konnte er das Bildmotiv in sein bereits vorhandenes Wissen zum Thema einordnen. Doch selbst diejenigen, die es dabei beließen, die Untergrundbriefmarken anzusehen, erhielten Zusammenfassungen der dargestellten komplexen Themen in bildlicher Form.

203 Zeitzeugeninterview mit Znojkiewicz (Warszawa, 26.9.2010), dort auch der zitierte Begriff. Der Begriff „bibuła“ (Dünndruckpapier) wurde von Józef Piłsudski, dem späteren Marschall der Zweiten Republik Polen, Anfang des 20. Jahrhunderts für illegale, da unzensierte Schriften verbreitet, Błażejowska, Papierowa rewolucja, S.  9. Die von Piłsudski verfasste Schrift „Bibuła“ (1903) wurde im Zweiten Umlauf der Volksrepublik von mehreren Untergrundverlagen neu aufgelegt. 204 Es gibt zahlreiche Untergrundbriefmarken von Znojkiewicz, deren Bildmotive er mit einem oder mehreren informativen Sätzen ergänzte. Beachtlich ist nicht zuletzt, dass die Texte in dem kleinen Format, gedruckt in Siebdrucktechnik, lesbar waren. Beispielsweise FSO 2-005 Xp 0137; FSO 2-005 Xp 0305/1 bis Xp 0305/12. 205 [o. Verf.], Smutne, S. 4, FSO 2-002 Gp 563. 206 Zeitzeugeninterview mit Bryłowski (Lublin, 22.1.2013).

10.4 Fazit: Die Beliebtheit der Untergrundbriefmarken

10.4

255

Fazit: Die Beliebtheit der Untergrundbriefmarken

Die Publikationen der Untergrundpost bedienten die Bedürfnisse sowohl der Herausgeber als auch der Rezipienten. Auf der Herausgeberseite waren die Herstellung und der Verkauf von Untergrundbriefmarken eine sehr lebenspraktische Entscheidung. Rasch stellte sich heraus, dass der Verkauf der Untergrundbriefmarken eine solide Finanzierungsquelle war. Der Erlös diente sowohl der Aufrechterhaltung des Publikationsbetriebs im Zweiten Umlauf als auch der Unterstützung anderer Aktivitäten im oppositionellen Milieu. Konnte der Verkauf im westlichen Ausland organisiert werden, standen Einnahmen in harten Devisen in Aussicht. Das gut gehende Geschäft mit den Untergrundbriefmarken finanzierte aber auch private Interessen, was massive Kritik auslöste und Gegenmaßnahmen auf den Plan rief. Die erfolgreiche Unterbindung des Privatgeschäfts blieb jedoch aus. Trotz der Unmöglichkeit, an den Publikationen der Untergrundpost selbst zu erkennen, ob sie im Dienste der Oppositionsbewegung verkauft wurden oder zu anderen Zwecken, wurde das Interesse der Sammler nicht geringer. Die finanziellen Einnahmen waren für die Herausgeber daher relativ sicher. War die Sammelleidenschaft geweckt, verlangte sie nach ständiger Erweiterung der Kollektion. Bei seiner wertschätzenden Beschäftigung mit der Kollektion eignete sich der Sammler die präsentierten Inhalte des kulturellen Gedächtnisses der Opposition an. Gestärkt wurde der Zusammenhalt in der Bewegung, wenn ein Gemeinschaftsgefühl entstand, das sich aus dem Kreis im eigenen Wohnzimmer nicht nur in die anonyme oppositionelle Bewegung entspannen, sondern auch historische Epochen und die Landesgrenzen der Volksrepublik überschreiten konnte. Dabei ermöglichte es die Reduzierung komplexer Themen auf verständliche visuelle Thesen, ein breites, teilweise weniger leseaffines Publikum zu erreichen.

Kapitel 11

Protest mit Nominalwert: Schlussbetrachtungen Die vorliegende Untersuchung befasste sich mit der Unabhängigen Post in der Volksrepublik Polen und speziell ihren Untergrundbriefmarken. Die Unabhängige Post war im Zweiten Umlauf der 1980er Jahre fest verankert und trat mit ihren nachgeahmten Briefmarken, Poststempeln und entsprechend gestalteten Briefumschlägen und Karten der Streikpost, der Lagerpost und der Untergrundpost in Erscheinung. Die konventionelle Funktion der Postbeförderung hatte die Unabhängige Post jedoch nicht; ihre nachgeahmten Briefmarken und anderen Publikationen wurden als Sammelobjekte behandelt. Von den herausgebenden Organisationen verkauft, dienten sie der Finanzierung der oppositionellen Publikationstätigkeit im Zweiten Umlauf und anderer Aktivitäten. Die Unabhängige Post und ihre Publikationen sind ein in der Forschung zur polnischen Opposition der 1980er Jahre bisher kaum beachtetes Beispiel für die subversive Kreativität des Zweiten Umlaufs. Untersucht wurden die Bedeutung der nachgeahmten postalischen Medien für das Selbstverständnis der Opposition, anhand einiger ausgewählter Bildmotivkomplexe das identitäts- und gemeinschaftsstiftende Potential der verbildlichten Inhalte des oppositionellen kulturellen Gedächtnisses sowie die Auseinandersetzung mit den offiziell vertretenen Narrationen, außerdem die finanziellen Funktionen der Untergrundbriefmarken, ihre integrativen Wirkungen als Sammelobjekte und Aspekte der Rezeption. Die vorliegende Untersuchung basiert auf Zeitzeugeninterviews und der ikonographisch-ikonologischen Methode der Bildmotivanalyse. Da kaum schriftliche Quellen zu den Tätigkeiten der Akteure der Unabhängigen Post und den Strukturen, in denen sie sich bewegten, vorliegen, konnte diese Lücke durch die in der Oral History verankerten Gespräche mit Zeitzeugen der Unabhängigen Post (Bildautoren, Druckern, Verbreitern und Sammlern) geschlossen werden. Während über die chronologisch erste Ausprägung der Unabhängigen Post, die Streikpost, kaum etwas bekannt ist und diese auch in den Erinnerungen der interviewten Zeitzeugen keine Rolle spielt, waren die Publikationen der Lagerpost und der Untergrundpost weitreichende und wichtige Ausdrucksmittel der Opposition. Die in den Internierungslagern mit Briefmarken und nachgeahmten Poststempeln bedruckten Briefumschläge und Karten

© Verlag Ferdinand Schöningh, 2021 | doi:10.30965/9783657760039_012

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11. Protest mit Nominalwert: Schlussbetrachtungen

der Lagerpost weckten ein so großes Interesse, dass sich die internierten Oppositionellen zu „Manufakturen“ in den Lagern zusammenschlossen,1 und außerhalb der Lager erlangten Untergrundbriefmarken der Untergrundpost Bestseller-Status. Letztere stehen im Fokus der vorliegenden Arbeit, ergänzt um die Publikationen der Lagerpost. Die oppositionellen Akteure der 1980er Jahre setzten das Konzept der organischen Arbeit um, sprich sie setzten auf Aufklärung und Bildung und sie praktizierten die organisatorische Selbständigkeit, um die Entstehung einer Untergrundgesellschaft voranzubringen, die sich demokratisch organisiert den Machthabern der Volksrepublik entgegenstellte. Ein wesentliches Ziel der Opposition war, das offizielle Informations- und Deutungsmonopol zu zersetzen. Dies geschah, indem verfälscht dargestellte oder tabuisierte Themen untersucht und diskutiert wurden. Für diese Zwecke waren die außerhalb der offiziellen Zensur entstandenen und verbreiteten Publikationen des Zweiten Umlaufs ein einschlägiges Mittel, um außer in die oppositionellen intellektuellen Eliten auch in die Breite der oppositionell eingestellten Gesellschaft hineinzuwirken. Die Unabhängige Post mit ihren nachgeahmten Briefmarken und Stempeln spielte hierbei eine wichtige Rolle, denn diese dienten der inhaltlichen Positionierung, finanziellen Unterstützung und sozialen Integration der Opposition und ermöglichten aufgrund ihrer grafischen Gestaltung einen raschen Einblick in die verbildlichten Themen. Bei der grafischen Gestaltung der Publikationen der Untergrundpost griffen die Akteure auf visuelle Codes der Oppositionsbewegung zurück. Soziale Bewegungen verwenden Symbole, die als Erkennungszeichen fungieren, da sie für Positionen und Orientierungen stehen. Aufgrund ihrer semantischen Offenheit haben visuelle Symbole das Potential, die Heterogenität einer sozialen Bewegung zusammenzufassen und ihr somit Kohärenz zu verleihen. Das identitäts- und gemeinschaftsstiftende Angebot, das Symbolen innewohnt, erwies sich in den Artefakten der Unabhängigen Post als mehrschichtig, da es sich nicht nur in der verwendeten Bildsymbolik, sondern auch in der Briefmarke selbst als Repräsentationsmedium und als Sammelobjekt entfaltete. Herausgebende Organisationen der Untergrundbriefmarken waren an erster Stelle die unabhängige Gewerkschaft Solidarność, aber auch im Namen der KPN, der Solidarność Walcząca, des NZS sowie weiterer Organisationen wurden Untergrundbriefmarken hergestellt und verbreitet, darüber hinaus wurden die nachgeahmten Briefmarken auch mit Postbezeichnungen wie „Feldpost“ (Poczta Polowa), „Freie Post“ (Wolna Poczta) o. ä. gekennzeichnet. 1 Pernach, Poczta Białołęcka, S. 8-10, hier 8. Dort auch der zitierte Begriff.

11. Protest mit Nominalwert: Schlussbetrachtungen

259

Brisantes Trägermedium Die im Rahmen der Unabhängigen Post verbreiteten Bildmotive spiegeln die Inhalte des kulturellen Gedächtnisses der Opposition der 1980er Jahre wider. Ihre Briefmarken dienten aber nicht nur als Trägermedien für die visualisierten Inhalte. Sie sind selbst als Objektivationen dieses Gedächtnisses zu verstehen, da sie das Angebot einer verbindlichen Sinndeutung an die oppositionelle Gedächtnisgemeinschaft enthalten. In Kapitel  3 wurde das Bedeutungsnetz untersucht, in das die nachgeahmten postalischen Medien der Unabhängigen Post eingeflochten sind. Da konventionell der Staat und konkret die Volksrepublik Polen das Postmonopol auf die Herstellung und Ausgabe von Briefmarken und Poststempeln besaß und deren Repräsentationscharakter auf die Souveränität des Staates verwies, bedeutete die Anfertigung und Verbreitung der nachgeahmten Postmedien und die Verwendung von Postbezeichnungen, die Grenze zum staatlichen Hoheitsbereich zu überschreiten. Dieser symbolische Angriff auf den Herrschaftsbereich der Volksrepublik gewann zusätzlich an Schärfe, da als ein weiterer Bezugspunkt der Unabhängigen Post historische polnische Poststrukturen in Zeiten von Aufstand und Krieg ausgemacht werden konnten. Die Unabhängige Post der 1980er Jahre lässt sich daher zum einen als Gegenposition zur staatlichen Post der Volksrepublik und der hinter ihr stehenden staatlichen Obrigkeit verstehen. Zum anderen lässt sie sich als Fortsetzung von Postsystemen in Zeiten deuten, in denen die Polen gegen eine fremde Obrigkeit gekämpft hatten. Die nachgeahmten postalischen Medien der Oppositionsbewegung implizieren somit das Urteil, dass die Opposition die staatlichen Repräsentanten der Volksrepublik nicht anerkannte bzw. als Fremdherrschaft bewertete, und versinnbildlichen die Haltung, dass sich die oppositionellen Akteure als Nachfolger der polnischen Unabhängigkeitskämpfer positionierten. Explizit spiegelt der Einsatz nachgeahmter postalischer Medien Makrostrukturen eines funktionierenden Gemeinwesens. Hier wird über die Oppositionsbewegung mitgeteilt, dass sie gegenüber den staatlichen Vertretern als konsolidierter Kontrahent auftrat, in der Lage, vereint und effektiv zu handeln. Bezogen auf die Bildmotive bedeutet die Beschriftung mit Postbezeichnungen wie Poczta Solidarność, Poczta KPN, Poczta Polowa, Wolna Poczta etc., dass ihre Aussagen Gültigkeit für bestimmte oppositionelle Organisationen bzw. die Oppositionsbewegung im Allgemeinen beanspruchten. Große Botschaften auf kleinem Format Diese Konnotationen der Unabhängigen Post begleiten die Bildmotive der nachgeahmten Briefmarken, die im Mittelpunkt der Kapitel  4 bis 9 stehen. In Anlehnung an die Funktion konventioneller Briefmarken, das ausgebende

260

11. Protest mit Nominalwert: Schlussbetrachtungen

Land bildlich zu repräsentieren, wurden hier die Bildmotive der nachgeahmten Briefmarken als Repräsentationen der Selbstdarstellung und Konstruktionen der Weltsicht der polnischen Opposition aufgefasst. Untersucht wurde die Auseinandersetzung mit dem Thema „Zensur“ im Rahmen der Lagerpost (Kapitel  5). Die Akteure der Lagerpost gestalteten Briefumschläge, indem sie u.  a. Stempel mit Aufschriften wie „unzensiert“ „außerhalb der Zensur“ usw. verwendeten. Die Interpretation dieser Stempel als Antizensurstempel ließ den Schluss zu, dass die Akteure der Lagerpost den Anspruch der Oppositionsbewegung bekräftigten, Aufklärung gegen die offizielle, zensierte Informations- und Deutungspolitik zu betreiben. Dies entspricht den Aussagen der interviewten Zeitzeugen, die als verbindenden Gedanken der Bildmotive der Unabhängigen Post die Unterwanderung der offiziellen Darstellungen der betreffenden Themen sowie die selbständige Themensetzung in den Publikationen des Zweiten Umlaufs nannten. Die Bezugnahme auf die staatliche Zensurpraxis fand auf den Untergrundbriefmarken in dieser direkten Form nicht mehr statt. Offenbar hatte die Lagerpost die Grundaussage „unzensiert“ für das Bildprogramm der Untergrundpost gesetzt, so dass die obligatorische staatliche Zensur und das Umgehen derselben für die Verbildlichungen der Untergrundpost nicht mehr eigens thematisiert zu werden brauchte. Die Analyse des Bildmotivkomplexes „1980, Entstehung der SolidarnośćBewegung“ wurde in Hinblick auf das identitäts- und gemeinschaftsstiftende Potential der Bildaussagen durchgeführt (Kapitel  6). Anhand der für diesen Komplex typischen Bildmotive wie Landkarten, Arbeitsstätten, Menschenmengen und Porträts des Oppositionsführers Lech Wałęsa wurde gezeigt, dass die Oppositionsbewegung als eine stark integrierende Kraft und als eigentliche Repräsentantin der Gesellschaft dargestellt wird. Die Untergrundbriefmarken entstanden in der Rückschau auf die Entstehungsphase und lassen sich sowohl als Bestätigung des hoffnungsfrohen und erfolgreichen Anfangs der oppositionellen Massenbewegung deuten als auch als Appell, die damals begonnene Umgestaltung der Gesellschaft fortzusetzen und sich weiter als starke oppositionelle Gemeinschaft zu positionieren, zumal nun von der Millionenbewegung der Anfangsphase keine Rede mehr sein konnte. Die Opposition wird in diesem Bildmotivkomplex vor allem mit der Solidarność identifiziert und ihre Entstehung mit den Streik- und Verhandlungsorten in Danzig, Stettin und Jastrzębie. Die Bildmotive der Untergrundpost vertreten dabei den Mainstream der oppositionellen Selbstreflexion und veranschaulichen den auch im schriftlichen Zweiten Umlauf perpetuierten Kanon wich­ tiger Orte und Ereignisse. Dies mag eine integrierende Wirkung entfaltet haben, da etwa mit Landkarten und der Abbildung Wałęsas identifikationsfähige

11. Protest mit Nominalwert: Schlussbetrachtungen

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Symbole eingesetzt wurden; davon abweichende Narrationen bleiben jedoch zugunsten der hegemonialen Narration des oppositionellen kulturellen Gedächtnisses im Hintergrund. Die Analyse des Bildmotivkomplexes „1981, Verhängung des Kriegsrechts“ legte differenziert die krassen Gegensätze zwischen den staatlichen Machthabern und der Opposition dar, die die Bildautoren inszenierten (Kapitel  7). Die Grafiker gestalteten die staatlichen Machthaber als brutale, entindividualisierte Besatzungsmacht, die in den Reihen der Opposition Todesopfer zu verantworten hatte. Die Opposition wird jedoch nicht nur als Opfer dargestellt, sprich geehrt, sondern auch als widerständig. Dies tritt in Verbildlichungen des öffentlichen Totengedenkens für die als Individuen gekennzeichneten Oppositionellen, die bei der Erstürmung der Zeche Wujek ums Leben kamen, zutage und wird außerdem mit Hilfe der Verwendung von Widerstandssymbolen transportiert. Der Kriegszustand wurde in einen nationalen Kontext gesetzt, indem den beiden gegnerischen Seiten nationale Symbole (die polnische Fahne, der gekrönte Adler) zugestanden bzw. verwehrt wurden. Die Opposition wird als Vertreterin der Nation gekennzeichnet, während die Seite der staatlichen Machthaber durch das neu kreierte Symbol der Krähe verspottet und mit Symbolen des Nationalsozialismus und Kommunismus versinnbildlicht wird. Hier sind simplifizierende dichotomische Urteile verbildlicht, die die Machthaber der Volksrepublik als fremde Obrigkeit betrachten, während auf der anderen Seite die Opposition und die Nation gleichgesetzt werden. Diese Polarisierung konnte die eigenen Reihen gegen die staatlicherseits betriebene Diskreditierung der Opposition stärken. Die Analysen dieser Bildmotivkomplexe legten das Selbstverständnis der Oppositionsbewegung und den Blick auf die staatlichen Gegner, also ihr gemeinschaftsstiftendes Potential und die Abgrenzung der Gemeinschaft nach außen, frei. In der Untersuchung des Bildmotivkomplexes „Warschauer Aufstand“ (1944), einem Thema, das auch in der offiziellen Geschichtspolitik und sogar auf Briefmarken der staatlichen Post der Volksrepublik präsent war, wurde der Kampf um die Inbesitznahme und die Deutung dieses Themas fokussiert (Kapitel  8). Die Erzählung von einfachen Aufstandsteilnehmern (Soldaten, Meldegängerinnen, Sanitäterinnen, Postboten), die auf den Untergrundbriefmarken dargestellt wird, stimmt mit der Deutung dieser Akteure im offiziellen kulturellen Funktionsgedächtnis in den 1980er Jahren überein. Sowohl staatlicherseits als auch auf Seiten der Opposition wurden die einfachen Aufstandsteilnehmer gefeiert und wurde die Militarisierung der Narration vom Warschauer Aufstand gepflegt, in der die Zivilbevölkerung nicht vorkam. Bei dem umfangreichen Bildmaterial der Untergrundpost zu den einfachen Aufständischen handelte es sich also nicht um einen Kampf gegen die

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11. Protest mit Nominalwert: Schlussbetrachtungen

offiziell geltende Deutung. Vielmehr ging es darum, sichtbar zu machen, dass die Opposition die positive Narration über die einfachen Aufständischen für sich beansprucht und hier mit Hilfe der Untergrundbriefmarken selbst besetzt. Ein Deutungskampf ließ sich wiederum in Bezug auf die Darstellung der Führungskräfte des Warschauer Aufstandes feststellen. In der offiziellen Deutungspolitik wurden diese mitsamt der Zweiten Republik Polen negativ dargestellt. Die ehrende Präsentation der militärischen Führungskräfte auf den Untergrundbriefmarken stand dazu im Gegensatz, was die von der Opposition vertretene Narration als eigenständig markierte und als vollständiger und daher glaubwürdiger im Vergleich zum offiziellen Umgang mit dem Warschauer Aufstand. In der Analyse des Bildmotivkomplexes „Erhebungen in der Volksrepublik Polen“ (1956, 1968, 1970, 1976) wurden die Bildmotive „Darstellungen der Erhebungen“, „Jahreszahlen“ und „Denkmäler für die Opfer der Aufstände in Posen, Danzig und Gdingen“ hinsichtlich ihrer profilierenden Bedeutung für die Oppositionsbewegung der 1980er Jahre untersucht (Kapitel  8). Darüber hinaus konnten hier Aussagen zur Legitimationsbasis der Opposition der 1980er Jahre abgeleitet werden. Die auf den Untergrundbriefmarken publizierten Protestszenen vermitteln den Eindruck zielgerichteter, entschlossener Massenmobilisierung gegen das politische und wirtschaftliche System der Volksrepublik. Die dargestellten Szenen und Verknüpfungen der einzelnen Erhebungen geben auch den Eindruck wieder, als befinde sich die Gesellschaft im Dauerzustand des Aufruhrs gegen das Regime. Sie enthielten zudem den impliziten Untertext, authentisch und wahr zu sein, weil die Bildmotive weitgehend auf außerhalb der offiziellen Zensur entstandenen Fotos basieren, die als unverfälschte Quelle galten. Die Massenerhebungen vor 1980 legitimierten die Oppositionsbewegung der 1980er Jahre, indem sie sie zeithistorisch fundierten, wie die Analyse des Bildmotivs der Jahreszahlen zeigte. Das Jahr 1980 gilt als krönender Höhepunkt, getragen von den vorangegangenen Massenprotesten. Rückwirkend konnten diese als Teil der Erfolgsgeschichte der Oppositionsbewegung gedeutet werden, während die tatsächlich stattgefundenen Niederschlagungen nicht thematisiert wurden. Die der Jahreszahl 1981 hinzugefügten Symbole vermitteln den ungebrochenen Durchhaltewillen der Opposition, trotz ihrer Unterdrückung infolge der Ausrufung des Kriegsrechts im Dezember 1981. Die Verknüpfung der Erhebungen in der Volksrepublik mit dem Warschauer Aufstand setzen die Massenproteste in der Volksrepublik, die friedlichen des Sommers 1980 und der Folgemonate inbegriffen, in den Kontext der nationalen Selbstbehauptung gegenüber einer fremden Obrigkeit. Dies ruft abermals die Deutung der Machthaber der Volksrepublik als Fremdherrschaft und der

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gegen sie opponierenden Gesellschaft als Vertreterin der Nation auf. Das Weglassen der Jahreszahl 1968 im analysierten Bildmotiv kann als Fokussierung auf reine Arbeiterproteste durch den Bildautor gedeutet werden; es wirft aber auch Fragen nach dem Verhältnis der Oppositionsbewegung der 1980er Jahre zu den intellektuellen und jüdischen Akteuren der Proteste von 1968 auf sowie zum Verhältnis gegenüber Judentum und Antisemitismus. Das Bildmotiv der Denkmäler für die Opfer der Erhebungen, die 1980 und 1981 errichtet worden waren, steht für den Erfolg der Opposition, die Deutung über die Massenerhebungen gegen das Regime der Volksrepublik übernommen und die offizielle Geschichtsschreibung korrigiert zu haben. Während die Denkmäler die staatlichen Machthaber sichtbar an ihre Fehler erinnerten, ehrten sie die damals Protestierenden sowie den Sinn ihres Protestes. Die Oppositionsbewegung der Gegenwart ist in diesem Bildmotiv insofern anwesend, als sie die Errichtung der Denkmäler initiiert hatte, so dass abermals die fundierend-legitimierende Bedeutung der früheren Erhebungen für die Opposition der 1980er Jahre bestätigt wird. Die Untergrundbriefmarken mit den Ansichten der Denkmäler hoben deren statischen Standort auf, denn über die Verbreitungskanäle der Untergrundpost zirkulierten sie landesweit und machten sie einem Massenpublikum bekannt. Die Denkmäler erhielten damit einen großen Bekanntheitsgrad und konnten sich als verbindliche, allgemein mit der Opposition assoziierte Symbole etablieren. Finanzierungsmodell Die Publikationen des Zweiten Umlaufs, und somit eben auch die der Unabhängigen Post, hatten nicht nur eine aufklärerische und bildende Funktion, mit der Maßgabe, das offizielle Informations- und Deutungsmonopol zu zersetzen. Die Herstellungs- und Verbreitungsprozesse der Publikationen strukturierten außerdem die oppositionelle Gemeinschaft und differenzierten sich im Laufe der 1980er Jahre in einen arbeitsteilig organisierten „Verlagsmarkt im Untergrund“ aus, der zum einen Geld einbrachte, zum anderen aber auch finanziert werden musste. Die finanziellen Funktionen der Untergrundbriefmarken wurden in Kapitel 10 untersucht. Außerdem analysierte es die Rezeption der Untergrundbriefmarken unter dem Aspekt des Sammelns und rückte die Verbildlichung der Themen in Form des „graphischen Telegramms“ in den Blick. Gemeinsam ist diesen drei Punkten, dass sie Gründe für die Beliebtheit der Untergrundbriefmarken auf der Produzenten- und auf der Rezipientenseite erklären. Gewöhnlich waren die Untergrundbriefmarken ein Publikationsformat unter vielen und wurden in großen Untergrundverlagen ebenso wie in kleinen oppositionellen Herausgeberinitiativen neben Flugblättern,

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Untergrundzeitungen oder Büchern hergestellt und herausgegeben. Die Untergrundbriefmarken wurden entsprechend ihres Nominalwertes verkauft, verursachten aber wesentlich geringere Kosten als andere Druckerzeugnisse. Der Erlös der eingenommenen Summen versetzte die Herausgeber oftmals erst in die Lage, weitere Publikationen herzustellen, seien es Textpublikationen oder Untergrundbriefmarken. Außerdem kam der Verkaufserlös der Untergrundbriefmarken auch anderen Aktivitäten und Hilfsmaßnahmen der Opposition zugute. Der Käufer konnte also glauben, dass er mit der gezahlten Summe die herausgebende Organisation unterstützte bzw. diese das Geld verantwortungsvoll einsetzte oder weiterleitete. Mittels des Verkaufs bzw. Erwerbs der Untergrundbriefmarken wurde finanzielle Solidarität in der Oppositionsbewegung praktiziert, was zum Funktionieren des Zweiten Umlaufs und zur Stärkung des Zusammenhalts innerhalb der Oppositionsbewegung erheblich beitrug. Außerdem wurden Untergrundbriefmarken ins westliche Ausland geschmuggelt und dort verkauft, etwa in der westlichen Unterstützerszene der Solidarność, in der sich Einheimische und polnische Immigranten trafen. Auch dort erfreuten sie sich großer Beliebtheit. So konnten oppositionelle Aktivitäten in der Volksrepublik auch mit harten Devisen teilfinanziert werden. Allerdings bestand bereits in der Anfangsphase der Untergrundpost der Verdacht, dass die Einnahmen aus dem Verkauf der Untergrundbriefmarken auch ausschließlich privaten Interessen dienten und nicht der solidarischen Unterstützung der Opposition. Die Empörung darüber unter oppositionellen Akteuren und die Sorge um den guten Ruf der Bewegung führten dazu, dass Untergrundbriefmarken vor dem Druck ein Genehmigungsverfahren durchlaufen und in den Untergrundzeitungen angekündigt werden sollten. Trotz solcher Maßnahmen konnte die private materielle Bereicherung einzelner allerdings nicht unterbunden werden. An den Untergrundbriefmarken selbst war in der Regel nicht erkennbar, welche finanziellen Absichten hinter ihnen standen, so dass der Käufer kaum Anhaltspunkte hatte, das solidarische Finanzierungswesen vom privatwirtschaftlichen Geschäftemachen zu unterscheiden. Die Integrationsleistung der Untergrundphilatelie Die Nachahmung postalischer Medien, insbesondere von Untergrundbriefmarken, rief politische und historische Konnotationen hervor, was in Kapitel 3 entfaltet wurde. Darüber hinaus haben Briefmarken aber auch die Bedeutung, Sammelobjekt zu sein, was sich auf das Verständnis der Untergrundbriefmarken bei ihren Abnehmern ganz selbstverständlich übertrug, zumal Philatelie ein verbreitetes Hobby in Polen war. Das Sammelobjekt wiederum

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versprach dem Produzenten relativ sichere Einnahmen, da zum Wesen einer Sammlung gehört, sie zu erweitern. Auf der Rezipientenseite bestand das Bedürfnis, sich mit der Sammlung zu beschäftigen. Das Medium Untergrundbriefmarke bot also ein großes Wirkungspotential für die verbildlichten Inhalte: Bei wiederholter Ordnung und Betrachtung konnte sich dem Rezipienten der auf den Untergrundbriefmarken präsentierte Kanon wichtiger Ereignisse und Persönlichkeiten des oppositionellen kulturellen Gedächtnisses fest einprägen, dessen Gewicht zusätzlich dadurch unterstrichen wurde, dass er auf einem nachgeahmten Medium mit Repräsentationscharakter ins Bild gesetzt war. Hinzu kam, dass den Inhalten, die außerhalb des offiziellen Zensurverfahrens veröffentlicht wurden, in oppositionellen Kreisen große Glaubwürdigkeit zugestanden wurde, was auf die Bildmotive der Untergrundbriefmarken übertragbar ist. Als Sammelobjekt ermöglichten die Untergrundbriefmarken die Erfahrung der Gemeinschaft Andersdenkender in mehrfacher Hinsicht. Sammler suchten den Kontakt zu anderen vertrauenswürdigen Sammlern und zeigten sich ihre Kollektionen. Die Untergrundbriefmarken verwiesen außerdem auf eine „vorgestellte Gemeinschaft“, und zwar zum einen auf die nicht anwesenden Produzenten und Rezipienten, zum anderen auf die polnischen Unabhängigkeitskämpfer vergangener Epochen, auf die mit dem Medium Untergrundbriefmarke angespielt wurde. Die Rezeption der Untergrundpost im westlichen Ausland, die ihrerseits in der Volksrepublik wahrgenommen wurde, ermöglichte zudem ein grenzüberschreitendes Gemeinschaftsgefühl. Auch andere Publikationsformate des Zweiten Umlaufs wirkten integrierend; auch der Leser einer Untergrundzeitung konnte sich als Teil einer Gemeinschaft mit den Herstellern und anderen Lesern fühlen. Doch aufgrund ihrer Bestimmung als Sammelobjekt war gerade in der Untergrundbriefmarke eine spezifische, weil dauerhaft integrierende Funktion angelegt. Visuelle Kurzbotschaften Für die Diskussion eines weiteren Grundes für die Beliebtheit der Untergrundbriefmarke wurde sie als „graphisches Telegramm“ den Textmedien des Zweiten Umlaufs gegenübergestellt. Letztere galten im Zweiten Umlauf und gelten in der Forschung noch heute als die wirkmächtigen Formate für die Erweiterung des geistigen Horizonts und die Erlangung von Freiheit und Selbstbestimmung in der oppositionell eingestellten Gesellschaft. In Vergessenheit gerät dabei, dass es außer dem lesehungrigen Publikum auch diejenigen gab, die von dem schlechten Druckbild der Publikationen oder auch anspruchsvollen Texten abgeschreckt wurden. In der Tat wurde ein Leserschwund für

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Textpublikationen des Zweiten Umlaufs bereits in den 1980er Jahren beklagt. Die Untergrundbriefmarken hatten dagegen den Vorzug, dass die im Allgemeinen eingängige und entschlüsselbare Bildsprache und die Reduzierung der ins Bild gesetzten Themen auf Kernaussagen auch einem weniger leseaffinen Publikum einen niedrigschwelligen Zugang zu den oppositionellen Themenbereichen boten. Selbstverständlich wird damit nicht ausgeschlossen, dass die Untergrundbriefmarken auch von begeisterten Lesern rezipiert wurden bzw. sie die Rezipienten animierten, im schriftlichen Zweiten Umlauf mehr zum betreffenden Thema zu suchen. Manche Schlussfolgerungen erwiesen sich als übergreifend gültig. Die Publikationen der Unabhängigen Post als ein physischer Beweis, dass die Opposition aktiv war und nicht verstummte, die Charakterisierung der staatlichen Machthaber als fremde Obrigkeit, das gemeinschaftsstiftende Potential der Unabhängigen Post innerhalb der Oppositionsbewegung und die Rückbindung an die polnischen Unabhängigkeitskämpfer der Vergangenheit tauchen unter mehreren Untersuchungsaspekten auf. Die Stärkung der Identität und des Wir-Gefühls der oppositionellen Gemeinschaft sind konstitutive Elemente des Phänomens der Unabhängigen Post, die auch im finanziellen Bereich der Unabhängigen Post wirkten. Sie generierte finanzielle Mittel, die zur Aufrechterhaltung der Aktivitäten der Opposition, nicht zuletzt des Zweiten Umlaufs, zur Unterstützung von Opfern staatlicher Repressionen u. ä. eingesetzt wurden. Die Bedeutung der Unabhängigen Post für die Existenz der Oppositionsbewegung erwies sich daher als wesentlich, wenn sie auch in der Forschung angesichts als „höherwertig“ eingeschätzter Publikationen bisher vernachlässigt wurde. * * * Was geschah mit der Unabhängigen Post und ihren Publikationen nach 1989? Zumindest bis in das Jahr 1990 wurden noch Untergrundbriefmarken hergestellt,2 doch infolge der Systemtransformation, die Polen durchlief, beschäftigten die Menschen nun andere existentielle Probleme, so dass die Produktion auslief. Das Interesse der Sammler bestand dennoch weiter und konnte nun auch öffentlich gezeigt werden. Im Jahr 1992 gründete sich in Warschau die Gesellschaft der Untergrundpost (TPP), die bis zum Jahr 2000 bestand, eine eigene Vereinszeitung herausgab sowie Mitgliedertreffen und Ausstellungen mit Publikationen der Unabhängigen Post organisierte.3 In 2 [o. Verf.], Katalog znaczków. 3 Filatelista Podziemny. Biuletyn Towarzystwa Poczty Podziemnej.

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mühseliger Kleinarbeit stellten Mitglieder der TPP sowie Privatpersonen Kataloge der Untergrundbriefmarken zusammen, die für die vorliegende Untersuchung von großem Wert waren. Gegenwärtig erscheint hin und wieder über die Unabhängige Post der Oppositionsbewegung ein Artikel in einer Tageszeitung oder einem Journal, der mit Untergrundbriefmarken illustriert wird. Ohnehin sind Untergrundbriefmarken zur Illustration von Kalendern sowie wissenschaftlichen Publikationen über die Oppositionsbewegung oder den Zweiten Umlauf beliebt.4 Der Polnische Philatelistenverband (Polski Związek Filatelistów) scheint dagegen kein weiter gehendes Interesse an den selbstgemachten Briefmarken gehabt zu haben. Ein naheliegender Grund wäre, dass sich die konventionelle Philatelie nur mit Editionen beschäftigt, die tatsächlich allgemein im Postverkehr gelaufen sind. Naturgemäß konnte das als Ausschlusskriterium für die Untergrundbriefmarken dienen, abgesehen von den wenigen Einzelfällen, die in die staatliche Postbeförderung eingeschleust wurden. Sammler der Untergrundbriefmarken und der Publikationen der Lagerpost gibt es nach wie vor; sie müssen jedoch nicht mehr im Geheimen ihre Sammlungen erweitern, sondern können auf Internetplattformen fehlende Exemplare erwerben. Das war in den 1980er Jahren der Volksrepublik anders. Herstellung, Verbreitung und Besitz waren illegal. Ausgestattet mit formalen Merkmalen, die die Grenze zum staatlichen Hoheitsbereich überschritten und die Machthaber als Fremdherrschaft abstempelten, mit Bildmotiven und Aufschriften versehen, die nicht von der Zensurbehörde genehmigt worden waren, vermittelten die Publikationen der Unabhängigen Post Inhalte des kulturellen Gedächtnisses der Oppositionsbewegung und konnten zu deren Selbstvergewisserung und Stärkung des Wir-Gefühls beitragen, nicht zuletzt auch deshalb, weil sie eine finanzielle Grundlage für die oppositionellen Aktivitäten bereit stellten. Paweł Bryłowski fasst es im Zeitzeugeninterview so zusammen: „Damit haben wir am System gezündelt.“5

4 Das IPN gab im Jahr 2013 einen Kalender mit Abbildungen der Unabhängigen Post heraus. Siehe auch den Buchumschlag von: Mikołajczyk, Jak się pisało. 5 Zeitzeugeninterview mit Bryłowski (Lublin, 22.1.2013).

Danksagung Mein besonderer Dank für die Begleitung meiner Dissertation, die diesem Buch zugrunde liegt, gilt meinen wissenschaftlichen Betreuerinnen, Prof. Dr. Susanne Schattenberg und Prof. Dr. Magdalena Waligórska-Huhle. Herzlich bedanken möchte ich mich auch bei den Zeitzeugen der Unabhängigen Post, Krystyna Antoszkiewicz, Paweł Bryłowski, Stanisław Głażewski, Maria Kapturkiewicz-Szewczyk (verstorben am 17. März 2013), Andrzej Karczewski, Ryszard Konikiewicz (verstorben am 30. Juni 2016), Stanisław Remuszko, Regina Strzemeska, Joanna Szczęsna, Piotr Tofil und Andrzej Znojkiewicz (verstorben am 13. September  2018). Mit ihnen zu sprechen hat mich sehr bereichert. Für die fachliche und organisatorische Unterstützung, für Rat und Tat danke ich herzlich Dr. Mateusz Fałkowski, Juliusz Gapiński, Karina Garsztecka, Prof. Dr. Stefan Garsztecki, Prof. Dr. Hans-Henning Hahn, Prof. Dr. Igor Kąkolewski, Dominika Janiszewska, Andrzej Jaworski, Zbigniew Kowalewski, Wawrzyniec Kowalski, Agnes Kurpiela, Joanna Lang, Michael Lenke, Dr. Christie Miedema, Dr. Jan Olaszek, Stefan Petriuk, Dr. Rüdiger Ritter, Adam Roliński, Dr. Diethard Sawicki, Dr. habil. Paweł Sowiński und Agnieszka Strzemeska sowie der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen und der Fritz Thyssen Stiftung, die meine Forschung finanziell gefördert haben. Mein inniger Dank gilt außerdem Andreas, Dörte, meiner Mutter posthum und meinem Vater.

© Verlag Ferdinand Schöningh, 2021 | doi:10.30965/9783657760039_013

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:

Abbildung 2:

Abbildung 3:

Abbildung 4:

Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7:

Abbildungen 8-23:

Untergrundpost, Block der Poczta Solidarność: Aus der Geschichte der unabhängigen Post Polens, 1987. FSO 2-005 Xp 0134. Im Original mehrfarbig.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Briefumschlag der Lagerpost, Poczta Solidarność Region Środkowo-Wschodni: Ohne Zensur, [Lublin, o. J.]. http://www.represjonowani.pulawy.pl /images/phocagallery/znaczki_internowanych /Lublin/thumbs/phoca_thumb_l_Lublin-2.jpg (acc. 6.9.2020). Im Original einfarbig. . . . . . . . . . . . 56 Briefumschlag der Lagerpost, Poczta Internowanych: Außerhalb der Zensur, Załęże 1982. http://www.represjonowani.pulawy.pl/images/ phocagallery/znaczki_internowanych/Zaleze/ thumbs/phoca_thumb_l_Zaleze-14.jpg (acc. 6.9.2020). Im Original mehrfarbig. . . . . . . . . . 57 Postkarte der Lagerpost, Inter-Poczta-Obozowa Kwidzyn: Unzensiert, Kwidzyn 1982. http://www. represjonowani.pulawy.pl/images/phocagallery /znaczki_internowanych/Inne_obozy/thumbs /phoca_thumb_l_Inne_niezidentyfikowane_ obozy-10.jpg (acc. 6.9.2020). Im Original mehrfarbig.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der Poczta Nowa Huta: 5 Jahre Bewegung, 1985. FSO 2-005 Xp 0591. Im Original zweifarbig. . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Untergrundpost, Block der Poczta Solidarność: Zeichen, 1986. FSO 2-005 Xp 0550. Im Original zweifarbig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Untergrundpost, Serie von vier Untergrundbriefmarken der Poczta Solidarność: Polnischer Sommer, 1985. FSO 2-005 Xp 1516 bis Xp 1519. Im Original mehrfarbig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Untergrundpost, Block der Poczta Solidarności: Solidarność – das sind wir!, 1984. Eigentum der Autorin. Im Original mehrfarbig.  . . . . . . . . . . . . . . . 78-80

272 Abbildung 24:

Abbildung 25:

Abbildung 26:

Abbildung 27:

Abbildung 28: Abbildung 29:

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Abbildung 31: Abbildung 32:

Abbildung 33:

Abbildung 34:

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Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der NPP [Niezależna Poczta Pomorze]: Wir geben den August nicht zurück!, 1985. FSO 2-005 Xp 1283. Im Original zweifarbig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Untergrundpost, Block der Poczta Stoczni Gdańskiej: 8. Jahrestag der Auguststreiks, 1988. BJ-CDCN, Szp 569 III. Im Original zweifarbig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Untergrundpost, Serie von drei Untergrundbrief­marken der Poczta Solidarność: 3. Jahrestag des August ’80, 1983. FSO 2-005 Xp 0106/1. Im Original mehrfarbig.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Untergrundpost, Block der Poczta Polowa: II.  Jahrestag der widerrechtlichen Einführung des Kriegszustandes in Polen 13. XII. 81-13. XII. 83, 1983. FSO 2-005 Xp 0746. Im Original einfarbig. . . . . . . . 91 Untergrundpost, Untergrundbriefmarke [Poczta] Polska: XII ’81, [1983]. FSO 2-005 Xp 0740. Im Original zweifarbig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der Poczta Podziemna: VI. Jahrestag der Einführung des Kriegszustandes, 1987. FSO 2-005 Xp 0750/3. Im Original mehrfarbig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der Poczta Solidarność: Die Bergleute des Bergwerks Wujek, 1987. FSO 2-005 Xp 0756. Im Original einfarbig.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Untergrundpost, Block der Poczta Homo Homini:  4. Jahrestag des Kriegsrechts 13.12.’81-13.12.’85, 1985. FSO 2-010. Im Original einfarbig. . . . . . . . . . . . . . . . 108 Untergrundpost, Block der Poczta Grupy Młodzieżowej KPN: Die Verbrechen der Kommune, [1989]. FSO 2-005 Xp 0755. Im Original zweifarbig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Untergrundpost, Block der Poczta Solidarność: Die im Dezember 1981 gefallenen Bergleute der Zeche Wujek sind unter uns, [1986]. FSO 2-005 Xp 0703. Im Original zweifarbig.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der 4er-Serie der Poczta Solidarności: 16.

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Dezember 1981, V. Jahrestag der Ereignisse in der Zeche Wujek, 1986. FSO 2-005 Xp 0754/1. Im Original zweifarbig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Abbildung 35: Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der 4er-Serie der Poczta Solidarności: 16. Dezember 1981, V. Jahrestag der Ereignisse in der Zeche Wujek, 1986. FSO 2-005 Xp 0754/2. Im Original zweifarbig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Abbildung 36: Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der 4er-Serie der Poczta Solidarności: 16. Dezember 1981, V. Jahrestag der Ereignisse in der Zeche Wujek, 1986. FSO 2-005 Xp 0754/3. Im Original zweifarbig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Abbildung 37: Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der 4er-Serie der Poczta Solidarności: 16. Dezember 1981, V. Jahrestag der Ereignisse in der Zeche Wujek, 1986. FSO 2-005 Xp 0754/4. Im Original zweifarbig. . . . 116 Abbildung 38: Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der Poczta Solidarność: 13. Dezember 1981, [1983]. FSO 2-005 Xp 0741. Im Original einfarbig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Abbildung 39: Briefumschlag der Lagerpost, Poczta Obozowa Łowicz: Wir vergessen nicht, Łowicz 1982. FSO 2-010. Im Original einfarbig. . . . . . . . . . . . . . . . 122 Abbildung 40: Briefumschlag der Lagerpost: Solidarność 13.XII. 1982 Białołęka, Białołęka 1982. FSO 2-010. Im Original zweifarbig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Abbildung 41: Briefumschlag der Lagerpost, Poczta Obozowa Białołęka: Solidarność der Internierten, Białołęka 1982. FSO 2-010. Im Original einfarbig. . . . . . . . . . . 124 Abbildung 42: Briefmarke der Lagerpost, Poczta Obozowa N[owy] Łupków [o. J.]. FSO 2-010. Im Original einfarbig.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Abbildung 43: Briefumschlag der Lagerpost: Internierte Łowicz ’82, Łowicz 1982. FSO 2-010. Im Original einfarbig.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Abbildung 44: Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der Poczta Polska, MKK Wola: 13.12.1981, [1986]. BJ-CDCN, Zn 520 III. Im Original mehrfarbig. . . . 133 Abbildungen 45-48: Staatliche Post der Volksrepublik Polen, Serie von vier Briefmarken: Jahrestag des

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Abbildung 50:

Abbildung 51: Abbildung 52:

Abbildung 53: Abbildung 54: Abbildung 55:

Abbildung 56: Abbildung 57: Abbildung 58:

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Warschauer Aufstandes, 1984. Zur Verfügung gestellt von Michael Lenke. Im Original mehrfarbig.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Untergrundpost, Serie von sechs Untergrundbriefmarken der Poczta Solidarność: [Teilnehmer des Warschauer Aufstandes], [1987]. FSO 2-005 Xp 0111. Im Original mehrfarbig. . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Untergrundpost, Untergrundbriefmarke einer Serie der Poczta Solidarność: Polen 1.VIII.1944, [1988]. FSO 2-005 Xp 0098/2. Im Original zweifarbig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 [Foto einer Kampfszene des Warschauer Aufstandes], ca. 25.8.1944. MPW-IN/2990. Im Original schwarz-weiß. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Untergrundpost, Untergrundbriefmarke einer Serie der Poczta Solidarność: Polen 1.VIII.1944, [1988]. FSO 2-005 Xp 0098/1. Im Original zweifarbig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 [Foto einer Kampfszene des Warschauer Aufstandes], Ende August 1944. MPW-IN/3230. Im Original schwarz-weiß.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der Poczta Solidarność: Warschauer Aufstand, [1988]. BJ-CDCN, Ple 13 III. Im Original einfarbig. . . . . . . 153 Untergrundpost, Serie von vier Untergrundbriefmarken der Poczta Solidarność: Warschauer Aufstand 1944, [1987]. FSO 2-005 Xp 0096. Im Original mehrfarbig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der Poczta Solidarności: 1944 1984, 1984. FSO 2-005 Xp 0113/2. Im Original zweifarbig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Untergrundpost, Block der Poczta Solidarność: 1918 1945 Führer der Streitkräfte der Republik, [1984]. FSO 2-005 Xp 0148. Im Original zweifarbig.  . . . . . 163 Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der Polska Poczta Podziemna: XXX. Jahrestag [der Erhebung in Posen 1956], 1986. FSO 2-005 Xp 0091. Im Original einfarbig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der [Poczta] Solidarność Region Mazowsze:

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Abbildung 68:

Abbildung 69: Abbildung 70:

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Manifestation des Unrechts, Posen ´56, 1984. FSO 2-010. Im Original mehrfarbig. . . . . . . . . . . . . . 179 Untergrundpost, Untergrundbriefmarke einer 3er-Serie der Poczta Nowa Huta HL: [Szenen der Erhebung in Krakau im Jahr 1968], [1988]. FSO Xp 0067/2 bis Xp 0067/4. Im Original zweifarbig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der Polska Poczta Podziemna: XV. Jahrestag [der Erhebungen 1970], 1985. FSO 2-005 Xp 0064. Im Original einfarbig.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Untergrundpost, Block der Poczta Polowa Nowa Huta: 3. Jahrestag der Unterzeichnung der Danziger Vereinbarungen, 1983. BJ-CDCN, Zn 890 III. Im Original einfarbig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der Poczta Solidarności Walczącej: 1956, 1968, 1970, 1976, 1980, 1981, [1985]. BJ-CDCN, Zn 20 III. Im Original zweifarbig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der Poczta Solidarność: Wir erinnern uns an 1956, 1968, 1970, 1976. 1980-81 wir beharren, [1984]. BJ-CDCN, Ple 882 III. Im Original einfarbig. . . . . . . . . . . . . . . . 194 Untergrundpost, Serie von sechs Untergrundbrief­marken der Poczta Solidarności: 40 Jahre Kampf für ein würdiges Leben, 1984. BJ-CDCN, Zn 778 III. Im Original zweifarbig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Untergrundpost, Serie von zwei Untergrundbriefmarken der Poczta Solidarność: Denkmal der Opfer des Dezember 1970, Danzig, Gdingen, [1986]. FSO 2-005 Xp 0041. Im Original zweifarbig.  . . . . . 200 Untergrundpost, Untergrundbriefmarke der Poczta Niezależna: Posen 28.VI.56, 1985. FSO 2-005 Xp 0075/3. Im Original einfarbig. . . . . . 200 Staatliche Post der Volksrepublik Polen, Briefmarke der 2er-Serie: Den Opfern des Dezember 1970 Danzig, 1981. Zur Verfügung gestellt von Michael Lenke. Im Original mehrfarbig.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

276 Abbildung 71:

Abbildung 72:

Abbildungsverzeichnis

Staatliche Post der Volksrepublik Polen, Briefmarke der 2er-Serie: Den Opfern des Dezember 1970 Gdingen, 1981. Zur Verfügung gestellt von Michael Lenke. Im Original mehrfarbig.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Untergrundpost, Block der Poczta Solidarności: Polnische Madonnen, [1986]. FSO 2-005 Xp 10291/1. Im Original zweifarbig. . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

Abkürzungsverzeichnis Abb. Abbildung Art. Artikel AK Armia Krajowa (Heimatarmee) AL Armia Ludowa (Volksarmee) BBC British Broadcasting Corporation BCh Bataliony Chłopskie (Bauernbataillone) CDCN Centrum Dokumentacji Czynu Niepodległościowego (Dokumentationszentrum für die Unabhängige Tat) FIS Fundusz Inicjatyw Społecznych (Fonds Gesellschaftlicher Initiativen) FSO Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen FWN Fundusz Wydawnictw Niezależnych (Fonds für Unabhängige Verlage) GG Generalgouvernement IPN Instytut Pamięci Narodowej (Institut des Nationalen Gedenkens) KKP Krajowa Komisja Porozumiewawcza (Landesverständigungskommission) KOR Komitet Obrony Robotników (Komitee zur Verteidigung der Arbeiter) KOS Komitet Obrony Solidarności (Komitee zur Verteidigung der Solidarność) KPN Konfederacja Polski Niepodległej (Konföderation für ein Unabhängiges Polen) KWK Kopalnia Węgla Kamiennego (Steinkohlebergwerk) MKK Międzyzakładowy Komitet Koordynacyjny (Überbetriebliches Koordinierungskomitee) MKS Międzyzakładowy Komitet Strajkowy (Überbetriebliches Streikkomitee) MKZ Międzyzakładowy Komitet Założycielski (Überbetriebliches Gründungskomitee) MO Milicja Obywatelska (Bürgermiliz) MPW Muzeum Powstania Warszawskiego (Museum des Warschauer Aufstandes) MRK „S“ Międzyzakładowy Robotniczy Komitet „Solidarności“ (Überbetriebliches Arbeiterkomitee der „Solidarność“) NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NSZZ Niezależny Samorządny Związek Zawodowy Solidarność (Unabhängige Selbstverwaltete Gewerkschaft Solidarność) NZS Niezależne Zrzeszenie Studentów (Unabhängiger Studentenverband) o. J. ohne Jahr o. T. ohne Titel o. Verf. ohne Verfasser

278 Oflag ORMO

Abkürzungsverzeichnis

deutsches Kriegsgefangenenlager für polnische Offiziere Ochotnicza Rezerwa Milicji Obywatelskiej (Freiwillige Reserve der Bürgermiliz) PAP Polska Agencja Prasowa (Polnische Presseagentur) PKWN Polski Komitet Wyzwolenia Narodowego (Polnisches Komitee der Nationalen Befreiung) Pkt. Punkt PRL Polska Rzeczpospolita Ludowa (Volksrepublik Polen) PWA Przegląd Wiadomości Agencyjnych PZPR Polska Zjednoczona Partia Robotnicza (Polnische Vereinigte Arbeiterpartei) RKW Regionalny Komitet Wykonawczy (Regionales Exekutivkomitee) ROPCiO Ruch Obrony Praw Człowieka i Obywatela (Bewegung für die Verteidigung der Menschen- und Bürgerrechte) SB Służba Bezpieczeństwa (polnischer Geheimdienst) TKK Tymczasowa Komisja Koordynacyjna (Vorläufige Koordinierungskommission) TKN Towarzystwo Kursów Naukowych (Gesellschaft für Wissenschaftliche Kurse) TKOS Terenowy Komitet Oporu „Solidarność“ (Lokales Widerstandskomitee „Solidarność“) TPP Towarzystwo Poczty Podziemnej (Gesellschaft der Untergrundpost) UdSSR Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken WRON Wojskowa Rada Ocalenia Narodowego (Militärrat der Nationalen Errettung) ZBoWiD Związek Bojowników o Wolność i Demokrację (Veteranenorganisation „Bund der Kämpfer für Freiheit und Demokratie“) ZHP Związek Hacerstwa Polskiego (Polnischer Pfadfinderverband) ZOMO Zmotoryzowane Odwody Milicji Obywatelskiej (Motorisierte Reserven der Bürgermiliz)

Bibliographie

Quellen

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Familia (Puławy) [Untergrundverlag] 215, 216, 217, 219, 221, 222 Feldpost/Poczta Polowa [Bezeichnung auf Untergrundbriefmarken] 11, 40, 91, 92, 93, 95, 96, 100, 102, 103, 152, 189, 239, 258, 259 Feldpost/Poczta Polowa [des Warschauer Aufstandes] 33, 41, 42, 43, 45, 134, 138, 139, 140, 147 Fonds für Unabhängige Verlage/Fundusz Wydawnictw Niezależnych (FWN) 214 Fonds Gesellschaftlicher Initiativen/ Fundusz Inicjatyw Społecznych (FIS) (Lublin) 73, 76, 117, 224, 225, 238, 248 Freie Lagerpost Kwidzyn/Wolna Poczta Obozowa Kwidzyn 60 Freie Post/Wolna Poczta 35, 258, 259 Freiwillige Reserve der Bürgermiliz/ Ochotnicza Rezerwa Milicji Obywatelskiej (ORMO) 172 Geheimdienst/Służba Bezpieczeństwa (SB) [der Volksrepublik Polen] 87, 105, 107, 115, 125, 171, 173, 174, 182, 184, 218, 229, 230, 240, 245, 247, 250 Geremek, Bronisław 76, 85 Gesellschaft der Untergrundpost/ Towarzystwo Poczty Podziemnej (TPP) (Warszawa) 5, 13, 211, 217, 266, 267 Gierek, Edward 175 Giza, Józef 110 Głażewski, Stanisław 8, 13, 34, 39, 40, 42, 43, 64, 65, 68, 72, 75, 84, 107, 120, 121, 123, 132, 214, 215, 216, 217, 218, 219, 221, 222, 225, 239, 250 Gnida, Joachim 109 Godlewski, Zbigniew 183 Gomułka, Władysław 175, 177 Gwiazda, Andrzej 85 Gzik, Ryszard Józef 110 Haneman, Eugeniusz 148, 149 Heimatarmee/Armia Krajowa (AK) 48, 140, 141, 142, 143, 145, 154, 160, 162, 163, 164, 166, 168, 169

310 Hilfsfonds/Fundusz Pomocy 225 Hilfsfonds für Unabhängige Polnische Literatur und Wissenschaft/Fundusz Pomocy Niezależnej Literaturze i Nauce Polskiej 230 Hillski, Rowland [s. auch Dziewanowski, Kazimierz] 3, 43, 44, 242, 248 Homo Homini Post/Poczta Homo Homini 92, 95, 97, 98, 100, 107, 108, 109, 117 Inter-Lagerpost Kwidzyn/Inter Poczta Obozowa Kwidzyn 59, 60 Interniertenpost Załęże/Poczta Internowanych Załęże 57, 58 Janas, Zbigniew 118 Jarnuszkiewicz, Jerzy 155 Jaruzelski, Wojciech 87, 112, 127, 128, 134, 143, 144 Johannes Paul II. 48, 58, 59 Kämpfende Solidarność/Solidarność Walcząca 70, 77, 97, 190, 233, 258 Kapturkiewicz-Szewczyk, Maria 14, 34, 35, 84, 89, 90, 107, 120, 121, 166, 169, 215, 216, 217, 218, 222 Karczewski, Andrzej 14, 51, 63, 64, 65, 68, 75, 84, 211, 223, 224, 231, 239, 241, 249 Kobyliński, Anatol 227, 247 Komitee für Unabhängige Kultur/Komitet Kultury Niezależnej 214, 232 Komitee zur Verteidigung der Arbeiter/ Komitet Obrony Robotników (KOR) 176, 177, 191, 198 Komitee zur Verteidigung der Solidarność/ Komitet Obrony Solidarności (West-Berlin) 227 Komorowski, Tadeusz 162, 163 Konföderation für ein Unabhängiges Polen/Konfederacja Polski Niepodległej (KPN) 5, 13, 77, 258 Konikiewicz, Ryszard 14, 40, 244, 245, 249 Kopczak, Bogusław 109 KPN Post/Poczta KPN 5, 34, 37, 52, 77, 111, 120, 161, 181, 182, 239, 258, 259 Krakau Post/Poczta Kraków 35, 37, 239, 240

Register Kulerski, Wiktor 37, 118, 228, 232, 233 Kuroń, Jacek 37 Lagerpost Białołęka/Poczta Obozowa Białołęka 122, 124 Lagerpost Łowicz/Poczta Obozowa Łowicz 122, 128, 129, 130, 203 Lagerpost Nowy Łupków/Poczta Obozowa Nowy Łupków 124 Lagerpost Strzebielinek/Poczta Obozowa Strzebielinek 205 Landeskommission, Landesverständigungskommission [der Gewerkschaft Solidarność]/ Krajowa Komisja, Krajowa Komisja Porozumiewawcza (KKP) 100, 190 Landeskoordinierungskommission für Bildung und Erziehung der Gewerkschaft „Solidarność“/Krajowa Komisja Koordynacyjna Oświaty i Wychowania NSZZ „Solidarność“ 145 Latukowicz, Jerzy 73, 74, 75, 76 Leszczyńska, Elżbieta 218 Leszczyński, Wiesław 218 Lis, Bogdan 85 Lokales Widerstandskomitee „Solidarność“/ Terenowy Komitet Oporu „Solidarność“ (TKOS) 235 Maczek, Stanisław 163 Małagocki, Krzysztof 84, 169, 216, 217 Marchel, Roman 150 Masowien Post/Poczta Mazowsze 35 Michnik, Adam 37 Mickiewicz, Adam 104, 172 Militärrat der Nationalen Errettung/ Wojskowa Rada Ocalenia Narodowego (WRON) 87, 112, 131, 132, 133, 134, 135 Miłosz, Czesław 251 Most (Warschau) [Untergrundverlag] 51, 64, 224 Motorisierte Reserven der Bürgermiliz/ Zmotoryzowane Odwody Milicji Obywatelskiej (ZOMO) 92, 100, 101, 103, 107, 112, 117, 172, 174, 176 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) 134

311

Register NOW-a [Untergrundverlag] 214 Nowa Huta Post, Nowa Huta Post der LeninHütte/Poczta Nowa Huta, Poczta Nowa Huta H[uta] L[enina] 67, 71, 180 NZS Post/Poczta NZS 5, 34, 35, 186, 187, 258 Okulicki, Leopold 162, 163 Peciak, Andrzej 73 Pełka, Andrzej 109 Pepliński, Edmund 183 Pietrasiewicz, Tomasz 73 Piłsudski, Jozef 48, 163, 229, 254 Politische Gruppe „Wola“/Grupa Polityczna „Wola“ 219, 220 Polnische Post/Poczta Polska [Bezeichnung auf Untergrundbriefmarken] 55, 76, 92, 179 Polnische Post/Poczta Polska [staatliche Post der Volksrepublik Polen] 35, 36, 43, 51, 59, 60, 128, 138, 139, 140, 143, 144, 151, 156, 158, 161, 164, 167, 203, 204, 205, 241 Polnische Post MKK Wola/Poczta Polska MKK Wola [Bezeichnung auf Untergrundbriefmarken] 133, 134, 135 Polnische Untergrundpost/Polska Poczta Podziemna 178, 179, 181 Polnische Vereinigte Arbeiterpartei/ Polska Zjednoczona Partia Robotnicza (PZPR) 21, 98, 107, 113, 126, 134, 143, 144, 171, 172, 173, 174, 175, 176, 177, 185, 198 Polnischer Pfadfinderverband/Związek Hacerstwa Polskiego (ZHP) 155 Polnischer Philatelistenverband/Polski Związek Filatelistów 267 Polnisches Komitee der Nationalen Befreiung/Polski Komitet Wyzwolenia Narodowego (PKWN) 74, 141, 143 Popiełuszko, Jerzy 48, 115 Post der Danziger Werft/Poczta Stoczni Gdańskiej 83, 84 Post der Kämpfenden Solidarność/Poczta Solidarności Walczącej 35, 55, 77, 193, 258 Post der KPN-Jugendgruppe/Poczta Grupy Młodzieżowej KPN 109, 110 Przemyk, Grzegorz 115

Radio Freies Europa/Radio Wolna Europa 172, 175, 227, 247 Radio Solidarność 48 Regionales Exekutivkomitee der Gewerkschaft „Solidarność“ Region Masowien/Regionalny Komitet Wykonawczy NSZZ „Solidarność“ Regionu Mazowsze (RKW) 70, 157, 219, 228, 232, 233, 235, 240 Regionales Exekutivkomitee der SchlesischDombrowaer Region/Regionalny Komitet Wykonawczy Region Slasko-Dabrowski [sic!] (RKW) 107 Remuszko, Stanisław 14, 45, 51, 52, 54, 71, 89, 95, 211, 235, 240, 241, 242, 244, 245, 253 Rowecki, Stefan 162, 163 Rydz-Śmigły, Edward 163 Sikorski, Władysław 163, 164 Solidarité avec Solidarność (Paris) 228 Solidarność (Amsterdam) 227, 228, 230 Solidarność Post/Poczta Solidarność, Poczta Solidarności 5, 33, 34, 37, 39, 41, 42, 52, 67, 69, 73, 74, 76, 80, 81, 84, 85, 93, 94, 95, 96, 105, 106, 111, 112, 115, 116, 117, 118, 120, 121, 139, 140, 148, 149, 153, 155, 156, 158, 162, 163, 164, 179, 180, 182, 194, 195, 197, 200, 206, 217, 220, 221, 225, 226, 229, 236, 238, 239, 240, 248, 258, 259 Solidarność Post Zentral-Ost-Region/Poczta Solidarność Region Środkowo-Wschodni [Lagerpost] 55, 56 Sosnkowski, Kazimierz 163 Stawisiński, Jan 109 Strzałkowski, Roman 115 Strzemeska, Regina 14, 40, 244, 245, 249 Studziński, Bogumił 218 Szczęsna, Joanna 14, 36, 37, 44, 54, 107, 132, 215, 223, 231, 238, 242, 243, 244, 249 Szewczyk, Bogdan 34, 120, 215, 216, 217 Tofil, Piotr 14, 36, 41, 42, 44, 53, 54, 166, 187, 238, 253 Tokarzewski, Michał 162, 163 Überbetriebliches Arbeiterkomitee der „Solidarność“/Międzyzakładowy

312 Robotniczy Komitet „Solidarności“ (MRK „S“) 233 Überbetriebliches Gründungskomitee der „Solidarność“/Międzyzakładowy Komitet Założycielski „Solidarności“ (MKZ) 114 Überbetriebliches Koordinierungskomitee Wola/ Międzyzakładowy Komitet Koordynacyjny Wola (MKK) 66, 112, 133, 134, 135, 233 Überbetriebliches Streikkomitee/ Międzyzakładowy Komitet Strajkowy (MKS) 72 Unabhängige Post/Poczta Niezależna [Bezeichnung auf Untergrundbriefmarken] 35, 187, 200 Unabhängige Post Pommern/Niezależna Poczta Pomorze 35, 82, 239 Unabhängige Selbstverwaltete Gewerkschaft Solidarność/Niezależny Samorządny Związek Zawodowy Solidarność (NSZZ) 1, 6, 7, 21, 47, 63, 65, 66, 70, 88, 89, 93, 94, 96, 99, 100, 114, 118, 119 Unabhängiger Studentenverband/Niezależne Zrzeszenie Studentów (NZS) 5, 34, 258 Untergrundpost/Poczta Podziemna [Bezeichnung auf Untergrundbriefmarken] 42, 52, 96, 97

Register Urban, Jerzy 86 Verlag der Politischen Gruppen „Wola“/ Wydawnictwo Grup Politycznych „Wola“ [Untergrundverlag] 219, 220 Versicherungsfonds für Unabhängige Verlage/Fundusz Ubezpieczeniowy Wydawnictw Niezależnych 214, 215 Volksarmee/Armia Ludowa (AL) 141, 145, 154 Vorläufige Koordinierungskommission der Gewerkschaft „Solidarność“/Tymczasowa Komisja Koordynacyjna NSZZ „Solidarność“ (TKK) 38 Walentynowicz, Anna 85, 157 Wałęsa, Lech 66, 67, 69, 70, 82, 85, 86, 127, 157, 190, 260 Widerstandsfonds/Fundusz Oporu 225, 226 Widerstandsgruppen „Die Solidarischen“/ Grupy Oporu „Solidarni“ 225, 226 Wilk, Zbigniew 109 Wiśniewski, Janek 183 Znojkiewicz, Andrzej 5, 14, 34, 36, 50, 51, 80, 81, 82, 93, 94, 111, 151, 155, 161, 169, 195, 196, 197, 217, 218, 225, 234, 237, 238, 239, 240, 241, 244, 246, 248, 253, 254