Die Anderen im Spiegel: Israels Auseinandersetzung Mit Den Völkern in Den Büchern Nahum, Zefanja, Obadja Und Joel 3110228564, 9783110228564

Auf der Basis einer detaillierten literarkritischen Analyse der Prophetenbücher Nahum, Zefanja, Obadja und Joel untersuc

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Die Anderen im Spiegel: Israels Auseinandersetzung Mit Den Völkern in Den Büchern Nahum, Zefanja, Obadja Und Joel
 3110228564, 9783110228564

Table of contents :
Einleitung
1. Forschungsüberblick
2. Ethnizität
I. Das Buch Nahum als Ausgangspunkt der Völkerprophetie
1. Forschungsgeschichte
2. Übersetzung und philologische Anmerkungen
3. Literarische Analyse
3.1. Der Kern des Nahumbuches – drei Ninivelieder
3.2. Die Theologisierung des Untergangs im Lichte der babylonischen Bedrohung
3.3. Der Eingangspsalm und seine Erweiterungen
3.4. Zusammenfassung
4. Der Wandel der Sichtweise der Feinde im Nahumbuch
4.1. Kulturanthropologische Voraussetzungen
4.2. Nahum in kulturanthropologischer Perspektive
II. Die Weiterentwicklung der Nahumperspektive: Das Buch Zefanja
1. Forschungsgeschichte
2. Übersetzung und philologische Anmerkungen
3. Literarische Analyse
3.1. Der Ausgangspunkt der Zefanjaprophetie – Worte gegen die Völker
3.2. Jerusalem als ,Fremdvolk‘
3.3. Die Begründung des Unheils über Jerusalem (Zef 1)
3.4. Der „Rest Israels“
3.5. Der Tag JHWHs und seine Erweiterungen
3.6. Die Überleitung zu den Fremdvölkersprüchen (Zef 2,1–3)
3.7. Die Freude Zions (Zef 3,14–20)
3.8. Das apokalyptische Weltgericht
4. Die Völker im Zefanjabuch
III. Die Rückbesinnung auf Edom: Ethnische Stereotypen in Obadja
1. Forschungsgeschichte
2. Übersetzung und philologische Anmerkungen
3. Literarische Analyse
3.1. Das Gericht über Edom
3.2. Das Völkergericht (Ob 1bα2β.13.15a.16–18)
3.3. Der zukünftige Besitz Israels (Ob 19–21)
3.4. Die Entstehung des Buches Obadja
4. Edom und die Völker im Obadjabuch
Appendix A: Jer 49,7–22 im Kontext der Völkersprüche des Jeremiabuches
Appendix B: Zur edomitischen Weisheit
IV. Die Völker als Naturkatastrophe: Das Buch Joel
1. Forschungsgeschichte
2. Übersetzung und philologische Anmerkungen
3. Literarische Analyse
3.1. Die Grundschicht: Erinnerung an Dürre und Heuschrecken
3.2. Die Umdeutung der Heuschreckenplage auf einen Fremdvölkereinfall
3.3. Joel 3,1–5
3.4. Joel 4,1–21
3.5. Die Verbindung des Joelbuches mit dem Amosrahmen
4. Die Sicht der Völker in der Joelschrift
V. Zusammenfassung
1. Weltgerichtsaussagen
2. Heil für die Völker
3. Die Völkerkonzeption von Gen 10
4. Scheidung innerhalb Israels
5. Die Sicht Edoms
Literaturverzeichnis
Stellenregister

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Anselm C. Hagedorn Die Anderen im Spiegel

Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Herausgegeben von John Barton · Reinhard G. Kratz Choon-Leong Seow · Markus Witte

Band 414

De Gruyter

Anselm C. Hagedorn

Die Anderen im Spiegel Israels Auseinandersetzung mit den Völkern in den Büchern Nahum, Zefanja, Obadja und Joel

De Gruyter

ISBN 978-3-11-022856-4 e-ISBN 978-3-11-022857-1 ISSN 0934-2575 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data Hagedorn, Anselm C. Die Anderen im Spiegel : Israels Auseinandersetzung mit den Völkern in den Büchern Nahum, Zefanja, Obadja und Joel / Anselm C. Hagedorn. p. cm. - (Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft ; Bd. 414) Includes bibliographical references and index. ISBN 978-3-11-022856-4 (hardcover : alk. paper) 1. Gentiles in the Old Testament. 2. Ethnicity in the Bible. 3. Jews Identity. 4. Bible. O.T. Nahum - Criticism, interpretation, etc. 5. Bible. O.T. Zephaniah - Criticism, interpretation, etc. 6. Bible. O.T. Obadiah Criticism, interpretation, etc. 7. Bible. O.T. Joel - Criticism, interpretation, etc. I. Title. BS1625.6.N6H34 2010 2241.9066-dc22 20100311240

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ” 2011 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/Boston Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ⬁ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Ruth Neumann (1914 – 2006)

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2009 von der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin als Habilitationsschrift angenommen. Sie wurde für die Drucklegung geringfügig überarbeitet und gekürzt. Mein herzlicher Dank gilt Prof. Dr. Matthias Köckert, der die Arbeit mit viel Geduld und konstruktiver Kritik begleitet hat, dem Assistenten den erforderlichen Freiraum gab und – wenn nötig – mit sanftem Druck auf die Fertigstellung gepocht hat. Mein besonderer Dank gilt weiterhin Prof. Dr. Reinhard G. Kratz (Göttingen) und Prof. Dr. Markus Witte (Berlin) für die zügige Erstellung des Zweit- und Drittgutachten. Beiden Gutachten verdanke ich wertvolle Hinweise. Prof. Dr. Henrik Pfeiffer (Erlangen) ist seit der gemeinsamen Berliner Assistentenzeit ein verlässlicher Gesprächspartner – ich danke ihm für manche Anregung. Meine Mutter und meine Schwester waren mir auch bei der zweiten Qualifikationsarbeit eine unentbehrliche Stütze. Sie haben manche Krise und die zahlreichen Momente der Frustration ausgehalten und ausgeglichen. Ohne diesen Halt hätte das Buch nicht geschrieben werden können! Zahlreiche Freunde haben die Entstehung der Arbeit begleitet, mir mit Rat und Tat zur Seite gestanden und oftmals einfach nur geduldig zugehört, wenn die kleinen Propheten einmal wieder die wichtigste Sache der Welt waren. Ich danke insbesondere Vassilios Theodossiou, Sean D. Jorgensen, Tillmann Braun, Dr. Damon Salesa, Prof. Bernard M. Levinson, Dr. Tanja Pilger, Dr. Mark Leuchter, Dr. Madhavi Nevader und Dr. Zeba Crook. Ich danke dem Master und den Fellows der Campion Hall (Oxford) sowie dem Department of Near Eastern Languages and Civilizations der Harvard University (USA) für die freundliche Aufnahme während meines Forschungsaufenthalts. Von den Gesprächen mit Prof. John Barton, Prof. Kevin J. Cathcart und Prof. H.G.M. Williamson in Oxford sowie mit Prof. Peter Machinist und Prof. Paul D. Hanson in Harvard habe ich sehr profitiert. Für die Hilfe bei der Literaturrecherche, dem Korrekturlesen und bei der Erstellung der Druckvorlage danke ich Dr. Anja Klein, Björn Corzilius, Laura Victoria Schimmelpfennig und ganz besonders Christian Naegeler. Den Herausgebern der BZAW danke ich für die Aufnahme des Buches in die Reihe und Dr. Albrecht Döhnert sowie dem Verlag De Gruyter für die hervorragende verlegerische Betreuung. Berlin und Göttingen, im September 2011

Anselm C. Hagedorn

Inhaltsverzeichnis Einleitung ............................................................................................................ 1 1. Forschungsüberblick ................................................................................. 5 2. Ethnizität ................................................................................................. 17 I. Das Buch Nahum als Ausgangspunkt der Völkerprophetie ...................... 1. Forschungsgeschichte ............................................................................. 2. Übersetzung und philologische Anmerkungen ...................................... 3. Literarische Analyse ............................................................................... 3.1. Der Kern des Nahumbuches – drei Ninivelieder ....................... 3.2. Die Theologisierung des Untergangs im Lichte der babylonischen Bedrohung .................................................... 3.3. Der Eingangspsalm und seine Erweiterungen ........................... 3.4. Zusammenfassung ...................................................................... 4. Der Wandel der Sichtweise der Feinde im Nahumbuch ....................... 4.1. Kulturanthropologische Voraussetzungen ................................. 4.2. Nahum in kulturanthropologischer Perspektive ........................

25 25 29 41 46 64 72 80 82 83 86

II. Die Weiterentwicklung der Nahumperspektive: Das Buch Zefanja ......... 91 1. Forschungsgeschichte ............................................................................. 91 2. Übersetzung und philologische Anmerkungen ...................................... 98 3. Literarische Analyse ............................................................................. 111 3.1. Der Ausgangspunkt der Zefanjaprophetie – Worte gegen die Völker ............................................................ 113 3.2.Jerusalem als ,Fremdvolk‘ ......................................................... 129 3.3. Die Begründung des Unheils über Jerusalem (Zef 1) ............. 134 3.4. Der „Rest Israels ....................................................................... 147 3.5. Der Tag JHWHs und seine Erweiterungen .............................. 153 3.6. Die Überleitung zu den Fremdvölkersprüchen (Zef 2,1-3) ..... 156 3.7. Die Freude Zions (Zef 3,14-20) ............................................... 158 3.8. Das apokalyptische Weltgericht ............................................... 165 4. Die Völker im Zefanjabuch .................................................................. 169

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Inhaltsverzeichnis

III. Die Rückbesinnung auf Edom: Ethnische Stereotypen in Obadja ......... 1. Forschungsgeschichte ........................................................................... 2. Übersetzung und philologische Anmerkungen .................................... 3. Literarische Analyse ............................................................................. 3.1. Das Gericht über Edom ............................................................ 3.2. Das Völkergericht (Ob 1ba2b.13.15a.16-18) .......................... 3.3. Der zukünftige Besitz Israels (Ob 19-21) ................................ 3.4. Die Entstehung des Buches Obadja ......................................... 4. Edom und die Völker im Obadjabuch .................................................. Appendix A: Jer 49,7-22 im Kontext der Völkersprüche des Jeremiabuches ...................................................... Appendix B: Zur edomitischen Weisheit ........................................

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IV. Die Völker als Naturkatastrophe: Das Buch Joel...................................... 1. Forschungsgeschichte ........................................................................... 2. Übersetzung und philologische Anmerkungen .................................... 3. Literarische Analyse ............................................................................. 3.1. Die Grundschicht: Erinnerung an Dürre und Heuschrecken .................................. 3.2. Die Umdeutung der Heuschreckenplage auf einen Fremdvölkereinfall ................................................... 3.3. Joel 3,1-5 ................................................................................... 3.4. Joel 4,1-21 ................................................................................. 3.5. Die Verbindung des Joelbuches mit dem Amosrahmen ............................................................................. 4. Die Sicht der Völker in der Joelschrift .................................................

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V. Zusammenfassung ..................................................................................... 1. Weltgerichtsaussagen ........................................................................... 2. Heil für die Völker ................................................................................ 3. Die Völkerkonzeption von Gen 10 ...................................................... 4. Scheidung innerhalb Israels .................................................................. 5. Die Sicht Edoms ...................................................................................

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Literaturverzeichnis ........................................................................................ 319 Stellenregister ................................................................................................. 371

Einleitung „[D]en Fremdling den Feind wir sahn ihn im Spiegel.“1 Dieses Wort aus dem Gedichtzyklus Muqisto/ r hma des griechischen Nobelpreisträgers Giorgos S EFERIS (1900-1971) beschreibt in eindrucksvoller Weise, wie der Mensch sein Gegenüber, welches er als fremd wahrnimmt (oder wahrnehmen will), erkennt.2 Die postulierte Andersartigkeit, die auch als Negativfolie beschrieben werden kann,3 dient der Konstruktion der eigenen Identität, so dass man sich selbst immer in Beziehung zum anderen definiert und der Andere so zum festen Bestandteil der eigenen Identitätsbildung wird, da die sich selbst definierende ethnische Gruppe im Vordergrund steht.4 Dabei bleiben Unterschiede 1

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to\ n ce/ n o kai\ to\ n e0 x qro\ to_ n ei) / d ame sto\ n kaqre/ f th, G. SEFERIS, Muqisto/rhma. 'Argonau=tej (1935) in id., Poih/mata 1924-1946, Athen 1950. Deutsche Übersetzung nach ENZENSBERGER, Giorgos Seferis, 15. Der Prolog zum Gedicht 'Argonau=tej [Argonauten] lautet im Ganzen: Kai\ yuxh\ ei) me/llei gnw&sesqai au9th\n ei0j yuxh\n au0th|= blepte/on: to\n ce/no kai\ to\n e0xqro_ to_n ei)/dame sto\n kaqre/fth (Und die Seele | Soll sie sich selbst erkennen | Dann im Blick | Auf auch eine Seele: | Den Fremdling den Feind wir sahn ihn im Spiegel). Zur Biographie Seferis’ vgl. die umfangreiche Studie von BEATON, George Seferis, bes. 123-130 zur Entstehung von Muqisto/rhma. Bereits 1922 hatte der Ethnologe Malinowski in der Einleitung zu seiner Studie über die Inselvölker Melanesiens bemerkt: „Perhaps through realising human nature in a shape very distant and foreign to us, we shall have some light shed on our own“ (MALINOWSKI, Argonauts, 25; zum historischen Hintergrund der Feldforschungen vgl. YOUNG, Malinowski, 318-414). Malinowski macht hier deutlich, dass die Analyse des Fremden auch immer der eigenen Analyse dient. So bemerkt E. Said in seiner einflussreichen Studie zum Phänomen des Orientalismus über die Konstruktion des Orients im westlichen Diskurs dann auch: „It [i.e. Orientalism] also tries to show that European culture gained in strength and identity by setting itself off against the Orient as a sort of surrogate and even underground self“ (SAID, Orientalism, 3). Dass Said in seiner Studie Deutschland fast völlig ausklammert, ist längst bemerkt und mittlerweile aufgearbeitet worden, vgl. KONTJE, German Orientalisms; M ARCHAND, PAPS 145 (2001), 465-473; MARCHAND, MIH 1 (2004), 331-358; MEYER-ZWIFFELHOFFER, Oikoumene 2, 501594 und POLASCHEGG , Der andere Orientalismus, 12-59; BOHRER, Orientalism and Visual Culture, 272-313. Viele der Einsichten Saids sowie eine Reihe von faktischen Fehlern sind in neuerer Zeit (zum Teil heftig) kritisiert worden, vgl. hierzu etwa IRWIN, For Lust of Knowing, 277-309; VARISCO, Reading Orientalism, 93-233 sowie WARRAQ, Defending the West, 1754.245-272. Zum Problem dieser Konstruktion des Anderen im Rahmen eines ,Mirror-Stage‘, vgl. SAX, American Anthropologist 100 (1998), 292-301; sowie die Überlegungen von HERZFELD, Cultural Intimacy, 134, der von „practical orientalism“ spricht, welchen er als die Übersetzung einer hegemonialen Ideologie in den tägliche Gebrauch definiert, „so that it infiltrates the habitual spaces of ordinary experience“ (ibid.) und BUCHOWSKI, AntQ 79 (2006), 463-483.

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Einleitung

bestehen und eine Gleichsetzung von Identität und Identifizierung ist abzulehnen.5 Ziel dieser Studie ist es, die Rolle der Völker in den Schriften Nahum, Zefanja, Obadja und Joel genauer zu untersuchen und das Verhältnis Israels zu den Völkern auch im Hinblick auf eine mögliche Redaktion des Zwölfprophetenbuches als Ganzes auszuwerten. Neben einem dezidiert literarkritischen Ansatz wird danach gefragt, welche anthropologische Funktion die Völker in dem einzelnen prophetischen Buch und dem größeren literarischen Rahmen haben. Geht es um eine konkrete Bedrohung durch bzw. um eine Kenntnis des Anderen, oder lediglich um die Stereotypisierung bzw. Kultivierung archaischer Ressentiments? Diese Frage ist insbesondere deswegen relevant, weil die Forschung am Alten Testament und die klassische Philologie das Konzept des Rassismus in der alten Welt erneut in den Vordergrund gerückt hat.6 Wie problematisch dieser – auf (pseudo-)biologischen Konzeptionen des 19. Jh. beruhende Begriff der Rasse und des Rassismus in seiner Anwendung auf Texte der Antike ist, wird noch zu erörtern sein.7 Die anthropologisch-soziologische Forschung hat den biologischen Rassebegriff auch gänzlich verworfen:8

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„Nor should it [identity] be conflated with identification in the sense of total fusion with others wherein difference is obliterated and criticism is tantamount to betrayal. But identity does involve modes of being with others that range from the actual to the imagined, virtual, sought-after, normatively affirmed, or utopian. Moreover, it is important to explore the relations and articulations among various qualifiers of identity, especially group identity, which may be ascribed by others, taken up or confronted by he self or by members of the group, deconstructed, refunctioned, affirmed, or acknowledged in more or less revised fashion, earned though collective activity, and recognized, validated, or invalidated by others“ (LACAPRA, History in Transit, 37; zum Ansatz von Dominick LaCapra vgl. CLARK, History, 126-129). Vgl. etwa HAYES, New Studies in Biblical Theology 14; NASH, Facets und für die griechischrömische Antike ISAAC , Invention of Racism und seine Präzisierung des concepts eines „proto-racism“ in der Antike in ISAAC, World Archaeology 38 (2006), 32-47, sowie TUPLIN, Mn.S 196, 47-75. Zum Problem von Rasse, Rassismus und Anthropologie vgl. PENNY, Objects of Culture, 3848; MASSIN, History of Anthropology 8, 79-154; BARTH/GINGRICH/PARKIN/SILVERMAN, One Discipline, Four Ways, 87-98. Zur neueren Diskussion um Ethnizität als ein biologisches Konzept vgl. BILLINGER, Critique of Anthropology 27 (2007), 5-35, sowie K ITCHER, In Mendel’s Mirror, 234-238, der erneut die historische Dimension des Rassebegriffs hervorhebt („If there is a workable biological conception of races, then it must ... employ the historical construction in terms of founder populations and inbred lineages, and finally, demand that, when the races are brought together, the differences in intraracial mating probabilities be sufficiently large to sustain the distinctive traits that mark the races ...“ [238]). Bereits im Jahre 1942 bezeichnet A. MONTAGU den Begriff der ‚Rasse‘ (race) als „Man’s Most Dangerous Myth“ und erklärt weiter: „The term ,race‘ takes for granted what should be a matter for inquiry. And this is precisely the point that is raised when one uses the noncommittal ‚ethnic group‘. It encourages the passage from ignorant or confused certainty to thoughtful uncertainty. For the layman, as for others, the term ,race‘ closes the door on understanding. The phrase ,ethnic group‘ opens it, or at the very least, leaves it ajar“ (MONTAGU, American Anthropologist 65 (1962), 926).

Einleitung

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The premise that there are distinct races with biologically inherent characteristics or culturally immutable ethnicities has proved to be little more than a fabulous fiction, a myth of modernity.9

Im Gegensatz zu Untersuchungen, die sich mit dem Status des „Fremden“ als Einzelperson beschäftigen,10 geht es hier um die fremden Völker und dementsprechend nicht um das Individuum, sondern um die Gemeinschaft und die Sicht einer Gemeinschaft auf eine andere. Der Begriff der Nation soll hier bewusst vermieden werden, da die Übertragung eines neuzeitlichen Begriffs auf eine antike Gesellschaft problematisch ist.11 Auch wenn das Konzept des Nationalismus ein modernes ist,12 gibt es doch eine Reihe von Einsichten, die auch für die Interpretation des Völkerbegriffs im Alten Testament relevant sind.13 So hat E. GELLNER z.B. gezeigt, dass Nationalismus nicht das Erwachen einer Nation zum Selbstbewusstsein ist, sondern die Erfindung (invention) von Nationen, die vorher nicht existiert haben.14 Im Rahmen eines solchen Prozesses werden Symbole wie etwa Sprache benötigt, die die Idee der Nation ausbreiten.15 B. ANDERSON hat sogar gemeint, dass Nationalismus ohne Literatur, die verbreitet wird, kaum möglich ist.16 Da sich ethnische Gruppen ständig verändern und neu definieren, werden heilige Texte über einen langen

9 NAYAK, Ethnic and Racial Studies 29 (2006), 411. 10 Vgl. die ältere Studie von BERTHOLET, Stellung sowie die einschlägigen Untersuchungen B ULTMANN , FRLANT 153; VAN H OUTEN , JSOT.S 107; R AMIREZ K IDD , BZAW 283 und ZEHNDER, BWANT 168, der dankenswerter Weise die assyrischen Quellen in seine Untersuchung mit einbezieht, dann aber merkwürdigerweise u.a. zu dem Schluss kommt, dass man bei Israel von einer „,Nation‘ im modernen Sinn“ sprechen kann (543); sowie ACHENBACH, BZAR 16, 29-51 und ALBERTZ, BZAR 16, 53-69; KAISER, BZAW 413, 41-62. 11 Zum Konzept der ,Nation‘ vgl. BENNETT/GROSSBERG/MORRIS, New Keywords, 232-235 und ANDERSON, Imagined Communities. So ist es verwunderlich, dass WEEKS, BibInt 10 (2002), 144-157 dafür argumentiert, dass die Konzeption des nachexilischen Israel als Analogie zum modernen Konzept der Nation zu verstehen sei. Zur Problematik des Nationenbegriffs vgl. besonders GROSBY, Biblical Ideas of Nationality (mit der Rezension von E. OTTO in ZAR 10 (2004), 365-370), der – im Gegensatz zu Weeks – aufgrund der Untersuchung der einschlägigen Texte zu dem Ergebnis kommt, dass man den Nationenbegriff durchaus auf Israel übertragen kann, sich aber den Unterschieden zum modernen (d.h. für Grosby amerikan.) Nationalstaat immer bewusst sein muss; vgl. ebenso GROSBY, Nationalism. 12 Vgl. HUTCHINSON, Nations and Nationalism 10 (2004), 109-123 und BLATTBERG, Nations and Nationalism 12 (2006), 597-612. 13 Zum Verhältnis von Literatur und Nation aus literaturtheoretischer Perspektive vgl. CULLER, The Literary in Theory, 43-72. Zur philosophischen Auseinandersetzung mit dem biblischen Nationenbegriff vgl. GROSBY, HPSt 1 (2005), 7-23. 14 „Nationalism is not the awakening of nations to self-consciousness; it invents nations where they do not exist“, zitiert nach SOLLORS, Introduction, xi. 15 Vgl. BHABHA, DissemiNation, 291-322 und BLATTBERG, Nations and Nationalism 12 (2006), 598-602. 16 Vgl. auch HERZFELD, Ours Once More, 35-38.135.

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Einleitung

Zeitraum hinweg als produktive Form benutzt,17 um eine solche Formation voranzutreiben.18 Diese Produktivität schafft neben neuen „historischen“ Realitäten in der Literatur auch neue „mythische“ Realitäten, die dazu dienen, alte mythische Konzepte abzulösen, weil sie sich als nutzlos erwiesen haben. Ein solches Vorgehen wird insbesondere dann relevant, wenn die traditionellen Feinde verschwinden, die eigene Gruppe selbst diese Krise jedoch überlebt.19 Wir werden sehen, dass zahlreiche Völkerworte aus den zu untersuchenden Texten adaptiert werden und ohne Probleme auf neue historische und soziologische Gegebenheiten umgeschrieben werden können. Trotz aller Aufnahme von Konzeptionen aus Israels Umwelt – wie etwa der altorientalischen Vertragssprache im Nahumbuch – werden die klaren Grenzen zu den Fremdvölkern eingehalten. Eine Vermischung der Konzeptionen erscheint undenkbar, da diese die eigene Identität aufgeben müsste.20 Wir begegnen in den Texten des Alten Testaments, ganz allgemein gesprochen, einer Nationalliteratur. Ziel dieser Literatur ist es, eine Identität zu schaffen, mit der die angesprochene Gruppe in der Lage ist, sich zu identifizieren bzw. ihre Zugehörigkeit über die Literatur der Gemeinschaft zu definieren. Auf diese Weise entsteht eine imaginierte Gemeinschaft, deren Mitglieder meinen, sich aufgrund der Literatur alle zu kennen, da diese Literatur eben Gemeinschaft möglich werden lässt, die über den in der Antike üblichen faceto-face contact hinaus geht.21 Dass sich Nationalismus und religiöse Gemeinschaft hier sehr ähnlich sind, hat die neuere Kulturanthropologie längst bemerkt, und diese Einsicht wird sich unsere Studie nutzbar machen.22 17 „It is always the specificity of power relations at a given historical moment and in a particular place that triggers off a strategy of pseudo-historical explanations that camouflage the inventive act itself“ (SOLLORS, Introduction, xvi). 18 „Hence a complex, process-oriented notion of identity formation does not exclude the importance of difference and differentiation with respect to experience of both self and other, or of analyst (historian, critic, theorist) and object of study – an issue that is especially important in the study of the past or of other cultures and that may be obscured when the subject and object of research are presumed to be identical (a presumption active in much research related to identity politics“ (LACAPRA, History in Transit, 38). 19 „By mythic overlaying I refer to the creation of fresh myths by the new nationalists embodied in extraordinary contemporary collective sacrifice against a traditional ‚enemy’ that can be represented as a renovation of a national continuum when the old myths have failed“ (HUTCHINSON, Nations and Nationalism 10 (2004), 120). 20 „Beyond these cultural encounters and connivances, métissage is unthinkable and impossible in societies in which union with the Other is imaginable only if one gives up one’s identity or one’s religion – in short, if one is no longer Other“ (C. BR O M B E R G E R , History and Anthropology 17 (2006), 98). 21 Vgl. hierzu die Definition einer sog. imagined community durch Benedict ANDERSON: „It is imagined because the members of even the smallest nations will never know most of their fellow-members, meet them, or even hear of them, yet in the minds of each lives the image of their communion“ (Imagined Communities, 6). Der Begriff face-to-face society geht auf Moses FINLEY, Democracy, 17-18 zurück, der damit die athenische Demokratie beschreibt, vgl. auch OBER, Mass and Elite, 31-35. 22 Vgl. die Aufnahme der Beobachtungen von Marc Abélès durch HERZFELD, Anthropology, 19.

1. Forschungsüberblick

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Nach einem Forschungsüberblick, welcher kurz die Problematik des Zwölfprophetenbuches darstellen soll (ein ausführliches Referat der Forschungsgeschichte zu den einzelnen Bücher findet sich zu Beginn der jeweiligen Kapitel), werden wir uns nun in einem weiteren Abschnitt mit einer Definition von Ethnizität beschäftigen.

1. Forschungsüberblick Nach der Neuorientierung der Forschung am Dodekapropheton, weg von den ipsissima verba einer konkreten Prophetengestalt und hin zu buchübergreifenden Zusammenhängen und Redaktionen, scheint nun die Zeit gekommen zu sein, diese großflächig skizzierten Modelle anhand von kleinräumigen Themenkomplexen zu überprüfen.23 Zuletzt ist die Völkerthematik im Zwölfprophetenbuch von M. ROTH behandelt worden. Er untersucht die Sichtweise der Völker in den Büchern Joel, Jona, Micha und Nahum. Das Auswahlkriterium für seine Textbasis findet Roth in der eschatologischen Prophetie bzw. in Texten, welche sich mit dieser auseinandersetzen.24 Weiterhin ist diese Textauswahl bereits von redaktionsgeschichtlichen Vorentscheidungen geprägt, da er annimmt, dass die Bücher Jl, Ob, Jo, Nah und Hab sukzessiv zwei älteren Sammlungen prophetischer Schriften hinzugewachsen sind – er denkt hier an ein Vierprophetenbuch nach R. Albertz und an ein Haggai-Sacharja Corpus. In diesen Ergänzungen sieht er einen Textbereich, in dem „die Völkerthematik und die Relation Israels zu den Völkern besonders thematisiert“ wird.25 Die diffizile literarische Entstehung des Habakuk- und Obadjabuches wird ausgeklammert, da Hab ähnliche Prozesse wie Nahum durchlaufen habe, und Obadja einen ähnlichen Diskurs wie

23 Zum neueren Ansatz in der Prophetenforschung vgl. BECKER , BThZ 21 (2004), 30-60; JEREMIAS, VT.S 73, 122-136; KRATZ, OBO 153, 9-27; STECK, Prophetische Prophetenauslegung, 198-244; DERS ., BThSt 42, 153-160 (bes. der programmatische Eingangssatz: „Elementare Ausgangsbeobachtung für diese Wende ist: Prophetentexte werden nicht als Einzeltexte vorgefunden. Erscheinen sie innerhalb der Bücher als abgegrenzte Größen, kann das mit Genese, aber auch mit literarischer Stilisierung zu tun haben. Prophetentexte sind also nicht von vornherein isolierbare Präparate für sich, sondern im Kontext von Büchern und Bücherfolgen gegeben“ [153]), sowie die grundlegenden Arbeiten von S CHART , BZAW 260 und Zapff, BZAW 256. Zur (älteren) Forschungsgeschichte, vgl. SCHMID, ZNThG 3 (1996), 225250. Dazu kommen Ansätze, die die Genese des Dodekapropheton mit der Entstehung des Jesajabuches verbinden, vgl. etwa BOSSHARD-NEPUSTIL, OBO 154, und GÄRTNER, WMANT 114. Gärtner verbindet eine traditions- und redaktionsgeschichtliche Fragestellung im Rahmen einer Untersuchung des Themas der Völkerwallfahrt im Jesaja- und Zwölfprophetenbuch. 24 ROTH, FRLANT 210, 9 Anm 4 definiert wie folgt: „Unter eschatologischer Prophetie versteht diese Arbeit Schriftprophetie, in deren Mittelpunkt nicht die Gesellschaftskritik, die Erklärung der Katastrophe der Zerstörung Jerusalems oder die Begleitung des Wiederaufbaus steht. Der Blick der eschatologischen Prophetie richtet sich auf die bisher unerfüllten Verheißungen der Schriften und entwickelt daraus neue Bilder und Texte.“. 25 ROTH, FRLANT 210, 10.

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Einleitung

Joel bietet.26 Gerade für Habakuk wäre es wünschenswert gewesen, hierfür den Nachweis zu führen, was aber nicht geschieht. Ebenso fehlen bei Roth Überlegungen dazu, warum bereits die Bücher der o.g. älteren Sammlungen Völkerworte enthalten (z.B. Am 1,3-2,16; Zef 2,4-15). Mit dem Auswahlkriterium der eschatologischen Prophetie ist weiterhin ein chronologischer Referenzrahmen vorgegeben. Roth geht in seiner Studie davon aus, dass die Diskussionen, die sich in den Fortschreibungen der prophetischen Bücher niedergeschlagen haben, lediglich Produkte der Zeit des Zweiten Tempels sind: „Zwischen Schreibern oder Gruppen fanden in der Zeit des Zweiten Tempels Diskurse über die Fragen der Gemeinschaft statt.“27 So werden eventuelle Diskussionsbeiträge aus vorexilischer und exilischer Zeit ausgeklammert.28 Diese können auch gar nicht berücksichtigt werden, da Roth auf eine eigene literarische Analyse der zu untersuchenden Textbereiche verzichtet.29 Dies ist um so bedauerlicher, da Roth – wie bereits oben erwähnt – einer weiträumigen Buchredaktion eines Zwölfprophetenbuches zu Recht kri-

26 ROTH, FRLANT 210, 10 Anm 5. 27 ROTH, FRLANT 210, 9. 28 Besonders deutlich wird dies bei Roths Analyse des Nahumbuches (ROTH , FRLANT 210, 231-276). Er untersucht lediglich das Verhältnis von Israel zu den Völkern in den Teilen des Buches, die seiner Meinung nach auf redaktionelle Arbeit zurückgehen. K. Seybold und anderen folgend nimmt er zwar älteres Material in Nah an, verbindet dies aber nicht mit historischen Gegebenheiten, die ja bereits die Überschrift sowie die Stellung des Buches im Kanon nahelegen. Vielmehr tritt die historische Größe Ninives zurück (266), so dass die Ninivepassagen nun auch gegen Jerusalem gerichtet sein können. Ein sukzessives Wachstum des Buches ist deswegen auch unmöglich und Nah ist das Ergebnis einer „einmaligen Kompositionsarbeit“ (272) aus ptolemäischer Zeit, die „dem Typus der herrschsüchtigen Stadt ... das Gericht ansagt“ (275). So wird aus dem Nahumbuch als ganzem eine Abhandlung über die Feinde, die durch den Abfall von der Schriftprophetie charakterisiert wird. Wenn es sich bei Ninive lediglich um einen Typus für eine herrschsüchtige Stadt handeln soll, stellt sich die Frage, warum überhaupt Ninive benutzt wird und nicht Babylon (dies hätte gerade bei einer Datierung in die Ptolemäerzeit wesentlich näher gelegen). Ebenso ist die Erwähnung der Zerstörung Thebens in solch einem enthistorisierten Kontext schwer zu erklären. Theben ist zwar seit 206 v. Chr. die Stadt der Gegenkönige Hyrganophoris und Chaonophoris, denen es zeitweise gelingt, die ptolemäische Herrschaft zu beseitigen, aber erst nach einem Aufstand in den Jahren 88-85 v. Chr. wird Theben durch Ptolemäus IX. völlig zerstört (Diod. 1.46-49 weiß aber vom Wiederaufbau). Davor wird lediglich von einer Plünderung Thebens durch Kambyses (Diod. 1.46) berichtet. Die Enthistorisierung Ninives zerstört hier mehr als sie erklärt. Auch kann Roth nicht erklären, warum ein solcher Diskurs nach einem eigenen prophetischen Buch verlangt. Roth erwägt selbst, im Anschluss an BOSSHARD-NEPUSTIL, OBO 154, 369, dass das Ninivematerial ursprünglich an das Michabuch angehängt war (272273). 29 ROTH, FRLANT 210, 11 entschuldigt dies mit dem „breiten Untersuchungsfeld“ und „eine(r) Skepsis gegenüber der Beweisbarkeit literarkritischer und redaktionsgeschichtlicher Vorgänge“. Hier fragt man sich, wie diese Skepsis damit zu vereinbaren ist, dass Roth über weite Passagen (insbesondere bei der Nahumanalyse) vorgegebenen literarkritischen und redaktionsgeschichtliche Positionen folgt und bereits das Auswahlkriterium seiner Texte auf einem – sicher doch zu überprüfenden – Interpretationsmodell des Zwölfprophetenbuches basiert.

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tisch gegenübersteht und erkennt, dass es auch in dem von ihm angenommenen Vierprophetenbuch signifikante Unterschiede gibt.30 Die eigene Studie unterscheidet sich sowohl im methodischen Ansatz als auch im exegetischen Vorgehen in einer Reihe von Punkten von der Arbeit von Roth: • •



• •





Ausgangspunkt für die Untersuchung des Völkerthemas ist in erster Linie das einzelne prophetische Buch selbst. Eine detaillierte literarkritische Analyse, die die Entstehung des individuellen prophetischen Buches nachzeichnet, bildet die Basis für die Erörterung. Dabei werden selbstverständlich buchübergreifende Zusammenhänge in die Überlegungen mit einbezogen, aber sie stehen nicht im Fokus der Untersuchung. Im Gegensatz zu Roth meinen wir zeigen zu können, dass die Debatte über das Verhältnis Israels zu den Völkern nicht erst Teil eines Identitätsdiskurses der Gemeinde des Zweiten Tempels ist. Vielmehr begegnen wir in den Völkerworten der einzelnen Bücher einem erstaunlich stabilen interpretatorischen Vehikel, um das Verhältnis Israels zu seinen Nachbarn zu erörtern. Dieser Diskurs hat immer einen konkreten Anfangspunkt in der Geschichte Israels, d.h. in der Begegnung Israels mit den umliegenden Völkern. Die biblische Prophetie der vorexilischen Zeit mit ihren Aussagen gegen die umliegenden Völker unterscheidet sich nicht wesentlich von der Heilsprophetie des Alten Orients.31 Dementsprechend nimmt unsere Studie ihren Ausgangspunkt bei der Prophetie der ausgehenden Assyrerzeit (Nahum, Zefanja) und bei Teilen des Dodekapropheton, welche sich ganz der Völkerthematik widmen (Nahum, Obadja und auch Joel) – so ist die Arbeit (literar-) historisch und nicht kanonorientiert angelegt. Eine kulturanthropologische Untersuchung der Völkerkonzeptionen kann erst sinnvoll unternommen werden, wenn die Sichtweise der Völker in den unterschiedlichen – literarkritisch zu differenzierenden – Schichten des einzelnen Buches herausgearbeitet worden ist.

30 „So zeigen sich zwischen den Fortschreibungen und Leseanleitungen, die um die Bücher Hosea, Amos und Micha entstanden sind und den zwischen Zefanja und Maleachi ausgespannten Fäden charakteristische Unterschiede“ (ROTH, FRLANT 210, 10); in Anm 6 verspricht Roth dann unter 3.5.5 auf diese Problematik zurückzukommen – dies geschieht nicht, da dieser Abschnitt im Buch gänzlich fehlt. 31 „Festen Grund verleihen die religionsgeschichtlichen Analogien, die verschiedene Erscheinungsformen der Prophetie im Alten Orient, besonders in Mesopotamien und Nordsyrien, belegen und Maßstäbe an die Hand geben, an denen sich jede Analyse messen lassen muß“ (KRATZ, ATM 11, 7); siehe dagegen die Einwände von BLUM, ADPV 37, 81115.

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Einleitung



Die kulturanthropologische Auswertung der Sichtweise der Völker wird im Dialog mit der aktuellen Diskussion um Fragen der Ethnizität aus der Kulturanthropologie selbst vorgenommen und basiert nicht auf sozial-historischen „Geschichten“, die von Alttestamentlern verfasst sind. Da dieser Dialog auf den Ergebnissen der Literarkritik aufbaut, kann er erst am Ende der Betrachtung stehen, so dass auf eine anfängliche Skizze des Entstehungsmilieus der prophetischen Literatur des Alten Testaments bewusst verzichtet wird.

Auch im neuesten Gesamtentwurf zur Entstehung des Zwölfprophetenbuches aus der Feder von J. WÖHRLE spielen die Völker eine zentrale Rolle. Im Gegensatz zu Roth bietet Wöhrle zunächst eine prägnante Einzelanalyse der einzelnen prophetischen Bücher, ehe auf buchübergreifende Konzepte geblickt wird. Ausgangspunkt für Wöhrles Analyse des Völkerthemas ist die bekannte exegetische Einsicht, die auch unsere Arbeit bestimmt, dass „das Geschick der Völker zu den bestimmenden Themen des Zwölfprophetenbuches gehört“.32 Wöhrle möchte nun auf der Basis seiner Analysen, „das hier belegte Nebeneinander ganz verschiedener Aussagen über die Völker ... aus der Entstehung des Zwölfprophetenbuches heraus“ erklären.33 Er unterteilt die Aussagen über die Völker in zwei redaktionelle Schichten: Fremdvölkerschicht I,34 Fremdvölkerschicht II35 und ein Heil-für-die-Völker-Corpus. Dabei grenzt Wöhrle diese beiden Fremdvölkerschichten von Fremdvölkerworten wie etwa Am 1-2 ab. Die Grundintention der Fremdvölkerschicht I ist, dass das Geschick der Völker allgemein in den Blick genommen wird. „So zeichnet sich die Fremdvölkerschicht I insgesamt dadurch aus, dass die gesamte Völkerwelt dem Gericht Jhwhs verfallen ist. Selbst die Stellen, an denen konkrete Völker genannt werden, sind doch im größeren Zusammenhang des universalen Gerichtshandelns Jhwhs zu verstehen“.36 Der redaktionelle Ausgangspunkt ist erneut das Joelbuch, mit seinem Gefälle vom Gericht zum Heil: Die Bücher Micha, Nahum, Zefanja und Haggai sind dann von den Redaktoren der Fremdvölkerschicht I so bearbeitet worden, dass sie nun auch diese Gefälle widerspiegeln. Das Heil in Sach 9-12 korrespondiert nun dem Gericht in Am 1-9.37 Als zeitliche Ansetzung für diese Schicht bietet sich dann die Wende vom 5. zum

32 W ÖHRLE , BZAW 389, 139; vgl. BOSSHARD -N EPUSTIL, OBO 154, 434-44; ZAPFF, BZAW 256, 273-276; DERS ., BZAW 325, 292-312; DERS ., BN 98 (1999), 86-99; ROTH, FRLANT 210, 291-302. 33 WÖHRLE, BZAW 389, 139. 34 Bestehend aus Jl 1,4.6-7; 2,2*.4-5.7-9.11a.18-20.25.26b.27; 4,1-3.9-17; Mi 1,2; 4,6-7.10*.1213; 5,7-8.14; 6,1; 7,10b-13.16-17aa; Nah 1,1a.9b.10.12-13; 2,1*.4-11; 3,2-3.7.8*.15ag-19; Zef 2,7.9b-10.13-15; 3,8b.18-19; Hag 2,6-8.21b.22; Sach 9,1abb.14-16; 10,3b-5.11; 12,3ab.4bb.6abb.9; 14,3.11*.12,14b.15.20-21. 35 Bestehend aus Jl 4,4-8.18-21; Am 1,9-12; 9,12a.13abb; Ob 1-16.17b.18-21; Sach 9,2-6.8.1113; 10,6-10.12; 14,4.6-10.11*; Mal 1,1.4-5. 36 WÖHRLE, BZAW 389, 143. 37 WÖHRLE, BZAW 389, 152-154.

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4. Jh. v. Chr. an.38 Wöhrle sieht in dem literarischen Corpus, welches durch diese Redaktionsschicht entsteht, einen „Beleg für die zunehmende Resignation des Volkes zur fortgeschrittenen persischen Zeit“.39 Die Fremdvölkerschicht II unterscheidet sich von der Fremdvölkerschicht I dadurch, „dass hier nicht wie dort die gesamte Völkerwelt als Gegenstand des göttlichen Gerichts vorgestellt wird. Es wird vielmehr ganz bestimmten Einzelvölkern das Gericht angesagt, wobei immer wieder dieselben Völker genannt werden“.40 Diese Bearbeitungen geschehen nur an den Rändern der Bücher Joel, Amos und Obadja sowie Deuterosacharja und Maleachi. „Sie bilden gewissermaßen einen großen Rahmen um die Sammlung und lassen diese so von den Rändern her unter einer neuen Perspektive verstehen“.41 Diese Bearbeitung ist nach der Fremdvölkerschicht I anzusetzen und Wöhrle optiert für die Zeit zwischen der Mitte des 4. Jh. und der Mitte des 3. Jh. v. Chr.42 Die Existenz einer solchen Redaktionsschicht hängt im wesentlichen von der Datierung der Grundschicht des Obadjabuches ab, welches Wöhrle nun erneut mit dem Vordringen der Nabatäer in Verbindung bringt. Die eigene Analyse wird zeigen, dass Obadja zwar schriftgelehrte Prophetie ist, aber Probleme der babylonischen Eroberung thematisiert und nicht von Redaktoren für einen speziellen literarischen Zusammenhang geschaffen worden ist, wie Wöhrle postuliert.43 Die Stärke des Ansatzes von Wöhrle liegt zweifellos darin, dass es ihm gelingt, die unterschiedlichen Völkerkonzepte buchübergreifend auszuwerten. Die Probleme ergeben sich aus der Analyse der Einzelbücher und hier besonders der Bücher Nahum und Obadja. Erneut erweist sich das Nahumbuch als problematisch und so ist Wöhrle gezwungen im Anschluss an Jeremias erneut in Nah ein ursprüngliches Wort gegen Juda zu finden, welches erst nachträglich zu einem Wort gegen Ninive umgearbeitet wurde. Hier und bei Obadja wird es sich bewähren, die im Buch selbst beschriebenen historischen Ereignisse als Ausgangspunkt für die Entwicklung der Völkerkonzeption zu sehen. Im Gegensatz zu den Arbeiten Wöhrles teilt unsere Studie mit den Arbeiten von M. BECK und Roth die Skepsis gegenüber allzu weiträumigen und weitläufigen Redaktionen des Zwölfprophetenbuches und will anhand eines überschaubaren thematischen Ausschnitts u.a. die literarische Auseinandersetzung mit den Völkern beleuchten.44 Im Gegensatz zu Roths Arbeit wird eine 38 WÖHRLE, BZAW 389, 161-164. 39 WÖHRLE, BZAW 389, 171. 40 WÖHRLE, BZAW 389, 265. Die stereotyp genannten Völker sind Phöniker, Philister Griechen und Edomiter. 41 WÖHRLE, BZAW 389, 276. 42 WÖHRLE, BZAW 389, 279. 43 WÖHRLE, BZAW 389, 280. 44 B E C K , BZAW 356 verzichtet auf eine Ausgangstheorie und bemerkt kritisch: „Das Herausarbeiten von Einheit stiftenden Sinnlinien erweist sich teilweise aufgrund der Vorentscheidungen als problematisch, teilweise in der Durchführung als recht willkürlich“ (23); vgl. ROTH, FRLANT 210, 300-301.

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Einleitung

„breite Textbasis“ nicht als Entschuldigung dafür gesehen, auf eigene Analysen zu verzichten.45 Die literarkritische Untersuchung der Bücher Nahum, Zefanja, Obadja und Joel bildet die Ausgangsposition für die Behandlung des Völkerthemas und die Frage nach einer eventuellen breiträumigen Redaktion des Zwölfprophetenbuches.46 Die literarkritische Analyse wird durch Modelle aus der Sozial- und Kulturanthropologie ergänzt, die dazu dienen, den soziologischen Kontext der Völkerthematik zu bestimmen. Auf weitreichende religionsgeschichtliche Spekulationen wird verzichtet und die soziale Konstruktion der Wirklichkeit aus den Texten selbst gewonnen. In gewisser Weise kann die Arbeit daher als literarische Ethnographie bezeichnet werden. Sie ist sich der historischen Dimension durchweg bewusst.47 Sie weiß aber auch, dass Texte nicht notwendigerweise historische Realitäten abbilden, sondern diese ebenso schaffen können.48 Fremdvölkerworte, oder besser Worte gegen bzw. über fremde Völker sind integraler Bestandteil der alttestamentlichen Prophetie.49 Im Corpus Propheticum scheint nur Hosea keine Worte gegen fremde Völker zu enthalten; allerdings wäre zu überlegen, ob nicht das Hoseabuch als Ganzes als ein großes Fremdvölkerwort gegen das Nordreich zu sehen ist. Die Unheilsansagen gegen Bethel, Samaria und Ephraim wären dann als Heilszusage für Juda zu verstehen. Dass Juda bzw. Jerusalem im Rahmen eines erweiterten ,Fremdvölkerzyklus‘ als Fremdvolk gesehen werden kann, macht die folgende Exegese des Zefanjabuches deutlich. Ebenso muss in diesem Zusammenhang ein Text wie 45 ROTH, FRLANT 210, 11. 46 Das Für und Wider eines buchübergreifenden literarischen Korpus eines Zwölfprophetenbuches ist hinreichend beschrieben worden. Vgl. u.a. BARTON , Canonical Meaning, 59-74; BECK, BZAW 356, 1-23; BEN ZVI, JSOT.S 235,125-156; COGGINS, Biblical Interpretation Series 8, 57-68; JONES, SBL.DS 149; NOGALSKI, BZAW 218; REDITT, BZAW 325, 1-26; RENDTORFF, SBL Symposium Series 15, 75-87, sowie die umfangreiche Studie von WÖHRLE, BZAW 360. 47 Vgl. NAYAK, Ethnic and Racial Studies 29 (2006), 413: „Ethnographic acts or representations are always historically situated, dialogic and incomplete scripts.“ 48 „Ethnography ... inevitably entails the representation of human experience which is conveyed through the social apparatus of language, sign, motif, symbol, metaphor and metonomy ... at an interpretative level ethnographies remain delicate cultural constructions intricately interlaced through a diverse community of tellers, listeners, writers, readers who in turn may unravel and string together these ‚truth regimes’ differently“ (N AYAK , Ethnic and Racial Studies 29 (2006), 412). 49 BARTON, MSSOTS 6, 203: „... it seems to be thought normal, even obligatory, for prophetic books to include oracles against a variety of foreign nations.“ Das Phänomen ist nicht auf das Alte Testament beschränkt, vgl. etwa WEIPPERT, Or. 71 (2002), 1-54 und HAGEDORN, VT 57 (2007), 432-448. Im Dodekapropheton findet sich breiteste formale Ausgestaltung eines literarischen Zyklus von Worten gegen fremde Völker in Am 1,3-2,16. Die Literatur zu Am 1,3-2,16 ist Legion; vgl. neben den Kommentaren etwa: ARNETH, ZAR 10 (2004), 249-263; B ARRÉ , JBL 105 (1986), 611-631; B ARTON , MSSOTS 6; CERESKO, JBL 113 (1994), 485490; CHRISTENSEN , HThR 67 (1974), 427-436; F RITZ , VT 37 (1987), 26-38; GERTZ , FS Mosis, 53-170; G ESE, VT.S 32, 74-95; JEREMIAS, FAT 13, 157-171; NIEMANN, BEAT 37, 177-196; PAUL, JBL 90 (1971), 397-403; STEINMANN, JBL 111 (1992), 683-689; VIEWEGER, Herkunft, 103-119.

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Jes 22,1-14 erwähnt werden. Die Perikope richtet sich an Jerusalem, unterbricht die Worte gegen die umliegenden Nachbarn und ist gleichzeitig mit diesen durch die Überschrift verbunden.50 C. WESTERMANN charakterisiert in seinem Überblick über die Grundformen prophetischer Rede die Völkerworte als Teil der „Gerichtsankündigung an Israels Feinde“ und widmet ihnen gerade einmal eine Seite, so dass der Leser den Eindruck gewinnt, diese seien nicht Teil der Grundform prophetischer Rede.51 Eine Ansicht, die nicht nur im Blick auf die Häufigkeit, mit der Worte gegen die Nachbarn Israels im Corpus Propheticum begegnen, verwundern muss. Die Arbeiten der 60er und 70er Jahre (J. H AYES , J.E. SMITH , B.B. M ARGULIS, Y. HOFFMANN, P. HÖFFKEN) standen dann auch ganz im Zeichen der formgeschichtlichen Ansätze bzw. der Frage nach dem Ursprung und Alter der Fremdvölkerworte.52 Eine einheitliche Gattung der Fremdvölkersprüche ist unmöglich zu bestimmen, da diese lediglich durch inhaltliche und nicht durch formale Gesichtspunkte zusammengehalten werden.53 Angesprochen wird jeweils das zukünftige bzw. gegenwärtige Schicksal eines Volkes oder mehrerer Völker.54 „Allerdings wurden die Völkerworte von den Tradenten der Prophetenbücher trotz aller formalen Unterschiede ganz offensichtlich als eine spezifische Textgruppe aufgefasst: Die überwiegende Mehrheit von ihnen findet sich in den Prophetenbüchern als Sammlungen oder Kompositionen zusammengestellt.“55 Neben den literarkritischen bzw. historischen Problemen der Fremdvölkersprüche steht auch immer die theologische Dimension dieser Texts of Terror (P. TRIBLE) im Vordergrund.56 Wie wenig diese Seite der alttestamentlichen Propheten in das eigene Bild der prophetischen Literatur passt, zeigt ein Zitat

50 Zu Jes 22,1-14 vgl. BLENKINSOPP, AncB 19, 330-335; BOSSHARD-NEPUSTIL, OBO 154, 4267. 51 WESTERMANN, BEvTh 31, 147-48. 52 Vgl. den ausführlichen Überblick (bis 1991) bei FECHTER, BZAW 208, 1-16. 53 So richtig ALBERTZ, BibEn 7, 146. 54 Vgl. HUWYLER, FAT 20, 2. 55 A LBERTZ , BibEn 7, 149, sowie FECHTER , BZAW 208, 2, der ähnlich definiert: „Wenn im folgenden von den ,Fremdvölkersprüchen‘ die Rede ist, so soll damit die Art von Texten gemeint sein, deren inhaltlicher Schwerpunkt das Geschick konkreter, nicht-israelitischer Völker ist und die vorwiegend in größeren Komplexen als Sammlungen begegnen.” 56 T RIBLE , Texts, 3 benutzt diese griffige Formulierung jedoch nicht im Blick auf die Fremdvölkerworte; vielmehr charakterisiert sie so vier Texte, die Frauen als Opfer von Vergewaltigung, Zurücksetztung (rejection) und Verstümmelung sehen. Trible möchte dann im Rahmen ihrer Studie, diese Horrorgeschichten erzählen: „in memoriam to offer sympathetic readings of abused women ... in order to recover a neglected history, to remember a past that the present eludes, and to pray that these terrors shall not come to pass again“. Tribles hermeneutischer Ansatz wird in der Studie von LANNER , LHBOTS 434 und dem Kommentar von O’BRIEN zum Nahumbuch dann erneut aufgeriffen.

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aus der Einleitung in das Alte Testament des Harvarder Alttestamentlers R. H. PFEIFFER:57 Although such anathemas against the heathen were inaugurated by Amos ..., they reflect on the whole not the moral indignation of the great pre-exilic prophets but rather the nationalism of the ‚false prophets‘ and of later Jews chafing for centuries under alien rule. The masses did not rise to the idealistic universalism of a Second Isaiah, nor even to the friendly attitude of toleration of foreigners that animates the books of Ruth and Jonah. Ardently nationalistic and fanatically intolerant, postexilic Jews found some relief by gleefully anticipating divine vengeance on their enemies and oppressors.58

Selbstverständlich werden die vorexilische Prophetie sowie Deuterojesaja als überlegen erachtet. Dies führt dazu, dass die Fremdvölkerworte als Stolperstein gesehen werden, der aus dem Weg geräumt werden muss. Pfeiffer tut dies, indem er die Worte gegen Israels Nachbarn als Teil der falschen Prophetie charakterisiert, die ihren Ursprung in der Unterdrückung der Juden durch fremde Mächte hat (wie eine solche Prophetie dann aber doch von Amos selbst sein kann, erklärt er nicht). So werden die Fremdvölkerworte zum „Trostbüchlein“ für fanatische nachexilische Juden, die sich diebisch (gleefully) auf den Untergang ihrer Feinde freuen. Diese Interpretation sagt mehr über Pfeiffers Bild des nachexilischen Judentum aus als über die Bedeutung und Interpretation der Fremdvölkersprüche im Alten Testament. Demgegenüber enthält sich J. W ELLHAUSEN jeglicher Bewertung der Fremdvölkerworte, wenn er nüchtern zu Am 1,3-2,16 bemerkt: Jahve hätte längst drein schlagen müssen, er hat an sich gehalten, aber er tut es nicht länger. Amos hätte längst seiner Vorempfindung des drohenden Zorns Luft machen müssen; er hat sich Zwang angetan, aber es geht nicht länger. Es muss heraus, das Wort des Propheten und das Wirken der göttlichen Notwendigkeit.59

Solange die „Ethik“ der Propheten weiterhin als Vorläufer bzw. theologischer Wegbereiter der Ethik Jesu gesehen wird, müssen die Fremdvölkerworte (theologisch) problematisch bleiben. Diese Problematik, gekoppelt mit der postmodernen Situation des (westlichen) Auslegers, in der offene Fremdenfeindlichkeit bzw. Unterdrückung keinen Platz haben darf, führt zu merkwür57 Robert Henry Pfeiffer, geb. 1892 in Bologna; Studium in Harvard (MA, PhD); 1916 Ordination zum method. Pastor; 1916-1922 Pastor in Sanborn/NY; 1922 Professor in Harvard; 1953 Hancock Professor for Hebrew and Other Oriental Languages; gest. 1958. 58 PFEIFFER, Introduction, 443. 59 W ELLHAUSEN, Kleine Propheten, 68. Allerdings markiert die Prophetie des Amos auch für Wellhausen einen Wendepunkt: „Amos war der Anfänger und der reinste Ausdruck einer neuen Phase der Prophetie“ (Israelitische und jüdische Geschichte, 106). Dies geschieht aber nicht ohne Relativierung bzw. den Hinweis auf die Verwurzelung in der Tradition: „Die Propheten, deren Reihe Amos eröffnet, wollen nichts neues verkündigen, sie kennen keine andere Wahrheit als die ihnen innerhalb ihres Volkes überlieferte“ (107).

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digen Auslegungsversuchen. Ein Beispiel mag hier genügen. In seinem Bestreben die Fremdvölkerworte und hier besonders Nahum als heilige Schrift (Scripture) zu lesen, beginnt R. NISSE seine Ausführungen mit dem Statement: „The oracles against the nations are not safe to read, and no amount of explanation can make them so.“60 Es folgt ein Abgesang auf eine historische und kritische Auslegung der Sprüche,61 weil eine solche Annäherung die Gegenwart Gottes vermissen lasse. Da ein lediglich strafender Gott aber nicht minder problematisch ist, geht Nisse davon aus, dass wir uns bei der Lektüre mit den Gerichteten solidarisch fühlen sollen,62 da es um einen Gott geht, der tötet und lebendig macht. Es dürfte schwer sein, diese Interpretation dem biblischen Hörer verständlich zu machen! Diese Engführung der prophetischen Verkündigung Israels ist bereits im Jahre 1972 von G. FOHRER bemängelt worden, der sich im Blick auf Jer 46-51 gegen eine Verzeichnung des Bildes der Prophetie wendet, welche einseitig auf Israel blickt: Im Vergleich zu den Unheils- und Heilsworten für Israel und Juda machen die Fremdvölkersprüche einen viel größeren Anteil der gesamten prophetischen Verkündigung aus, als man gewöhnlich annimmt. Dies schließt ein, daß das Bild der israelitischen Prophetie weithin verzeichnet wird. Man sieht ihre Verkündigung zu einseitig und zu ausschließlich auf ihr Volk bezogen und berücksichtigt die Einbeziehung der Völkerwelt zu wenig.63

Trotz der vermeintlichen Internationalität der Völkerworte und den zahlreichen Versuchen, einzelne Sprüche an eine bestimmte historische Situation zu binden, darf nicht vergessen werden, dass es sich bei den Worten gegen die umliegenden fremden Völker immer um eine innerisraelitische literarische bzw. theologische Auseinandersetzung handelt. Diese kann ihren Ausgangspunkt selbstverständlich in einem konkreten historischen Ereignis haben. Das heißt aber nicht, dass die angesprochenen Völker jemals auf diese Worte reagierten. dass eine solche Reaktion aber mitgedacht werden konnte, zeigt die erste, bewusst anonym überlieferte Ausgabe der Nahumprophetie.64 60 NISSE, Word & World 15 (1995), 412. 61 „Should we attempt to read them only historically, I think it best simply to declare their obituary“ (ibid., 419) 62 „Nahum reads not as a simple book of comfort. The judgment announced against Assyria/Nineveh is addressed to those who did and can experience the same judgement against themselves. We are accustomed to reading prophets in solidarity with the poor. Our reading of Nahum suggests that we should shift that phrase to state that we should read the oracles against the nations in solidarity with those who stand under the judgement of God“ (ibid, 418). 63 FOHRER, FzB 2, 152. 64 „It is obvious that these speeches were not primarily spoken or written to be heard or acted upon by the nations mentioned in the texts. Their function and importance were not dependent on the foreign powers’ knowledge of or response to them. The importance of the speeches must not be sought, therefore, in what they ,said‘ to the enemy but rather in the function which they performed within the context of Israelite society“ (HAYES, JBL 87 (1968), 81).

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Einleitung

Worte gegen fremde Völker bzw. deren Städte begegnen auch außerhalb des Alten Testaments. Besonders bekannt ist ein Brief des Mukanni¡um an König Zimri-Lim von Mari, in dem das Wort eines aplûm-Propheten berichtet wird, welcher die Stadt Babylon direkt anspricht: [A]-na be-lí ia qi-bi-ma um-ma Mu-ka-an-ni-{¡um}¡um warad-ka-a-ma niqêm (= ZUR.ZUR.RI) a-na (il) Da-ga[n] a-na ba-la-a† be-lí-ia aq-qí-i-ma (awîl)a-ap-lu-ú-um ¡a (il) Da-gan ¡a Tu-ut[tu-ul(ki)] it-bé-e-ma ki-a-am iq-bi um-ma-a-mi Bâbilli(ki) mi-na-am te-et-te-ne-e-pé-e¡ a-na pu-gi-im ú-pa-aΔ-Δa-ar-ka ìl-ka ri-i[m] { } bîtât(Δá) 7 awîlî(me¡) at-Δi-i ù ma-la ma-ur¡u-nu a-[n]a [q]a-at Z[i-i]m-ri-L[i-im] lu-m[a-a]l - l[e-e]m...65 Zu meinem Herrn, sprich (folgendermaßen): So (spricht) Mukanni¡um, dein Diener: Nachdem ich ein Opfer dem Dagan für das Wohlergehen meines Herrn dargebracht hatte, stand der aplûm-Prophet des Gottes Dagan von Tuttul auf und sprach folgendermaßen: „O Babylon! Warum tust Du jemals (Böses) Ich will dich in ein Netz sammeln. Dein Gott ist ein wilder Ochse (?). Die Häuser der sieben Partner und alle ihre Besitztümer werde ich in Zimri-Lims Hand geben!“

Auch in ARM XIII, 23 wird deutlich, dass die Anrede sich zwar gegen Babylon richtet, das Wort selbst aber für den König von Mari bestimmt ist und nicht für einen babylonischen Herrscher. Solch eine direkte Anrede ist auch im griechischen Kulturraum belegt, wenn Herodot von einem Ausspruch der Pythia in Delphi gegen Milet berichtet: kai\ to/te dh/, Mi/lhte kakw~n e0pimh/xane e0/rgwn, polloi=sin dei=pno/n te kai\ a0glaa_ dw~ra genh/sh|, sai\ d' a)/loxoi polloi=si po/daj ni/yousi komh/taij, nhou= d' h9mete/rou Didu/moij a)/lloisi melh/sei.66

Auch Du, stolzes Milet, du Quelle verderblicher Taten, Wirst für viele ein Festschmaus sein und herrliche Beute; Anders RAABE, Why Prophetic Oracles, 236-257, der u.a. davon ausgeht, dass nichtisraelitische Hörer die Adressaten gewesen sein können. 65 Text nach ARM XIII 23,1-15. Diskussion bei HAYES, JBL 87 (1968), 84-85. 66 Herodot, Hist. 6.19; vgl. auch FONTENROSE, The Delphic Oracle, 168-170 und PIÉRART, Common Oracle, 275-296. Zur Geschichte Milets vgl. GORMAN, Miletos.

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Deine Gattinnen waschen die Füße langlockigen Männern, Und den Tempel in Didyma werden uns andre besorgen.67

Selbstverständlich kann auch eine Volksgruppe direkt angesprochen werden, wie aus einem Brief des AΔum an Zimri-Lim hervorgeht, in dem ein Spruch der Prophetin Ôubatum mitgeteilt wird: 17 u it¥rma k•a[m iqbi] 18ummåmi mår∑ Yam•[na] 19amm•nim tupalla[s] 20a¡âlka ...

17 Again she (spoke): „O Yami[ni]tes, why do you cause wor[ry]? I will put you to the proof!“68

Hier sehen wir bereits, dass sowohl die „Gattung“ des Fremdvölkerspruchs als auch eine Vielzahl der verwendeten sprachlichen Elemente aus der Umwelt Israels bekannt sind. Dies hat selbstverständlich Auswirkungen auf die Interpretation der Prophetenworte. In Umkehr des viel beschworenen Proprium der alttestamentlichen Prophetie ist davon auszugehen, dass all die Worte, Konzeptionen und Gedanken, die sich auch in der Umwelt Israels finden lassen, als authentische Prophetenworte zu sehen sind.69 Ausgangspunkt für unsere Untersuchung wird das Nahumbuch sein, da sich hier das Genre „Fremdvölkerwort“ in seiner breitesten Ausgestaltung findet und sich diese Prophetie einigermaßen sicher in die assyrische Zeit datieren lässt. Hinzu kommt, dass redaktionsgeschichtliche Modelle, die mit einem exilischen Vierprophetenbuch oder einem Joel-Korpus arbeiten, traditionell Schwierigkeiten mit dem Nahumbuch haben,70 so dass sich hier fast wie selbstverständlich Ansätze zu einer Kritik allzu weitreichender buchübergreifender Redaktionsprozesse ergeben. Thematisch und formal in großer Nähe zum Nahumbuch ist die Prophetie Obadjas zu sehen, welche sich selbst in babylonischer Zeit zu verorten scheint. Auch hier steht die Auseinandersetzung mit einem einzigen Fremdvolk im Vordergrund, dessen Verhältnis zu Israel im Licht der Geschichte neu überdacht wird. Im Gegensatz zu Nahum ist das fremde Volk in Obadja aber keine Weltmacht, sondern das Brudervolk Edom, so dass danach gefragt werden muss, inwieweit Konzeptionen und Konventionen der Fremdvölkersprüche auf einen Bruderzwist übertragen werden können. Ebenso begegnet uns bei Obadja (wie dann auch bei Joel) das Phänomen der ‚schriftgelehrten Prophetie’, also eine Form der Prophetie, die aus bereits 67 Übersetzung nach FEIX, Herodot Historien II, 775. 68 ARM XXVI 200,17-20. Text und englische Übersetzung nach NISSINEN, SBL Writings from the Ancient World 12, 33. Die Jaminiter sind Stämme, die auf der südlichen Seite des Euphrat leben. 69 „Gerade das, was sich aus den allgemeinen Verstehensvoraussetzungen ableiten lässt, hat den allergrößten Anspruch auf Authentizität, alles andere, was davon abweicht, bedarf der Erklärung und ist entweder eine Innovation des historischen Individuums oder geht auf das Konto der deutenden Überlieferung“ (KRATZ, FRLANT 201, 65). 70 Zu den unterschiedlichen Konzeptionen vgl. ALBERTZ, BibEn 7, 164-185; NOGALSKI, SBL Symposium Series 15, 91-109; WÖHRLE, BZAW 360.

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Einleitung

autoritativen Texten entsteht.71 „Schriftlich vorliegende prophetische Tradition wird breit und vielfach wörtlich aufgenommen und einer schriftlichen Neuinterpretation unterzogen.“72 Im Gegensatz hierzu thematisiert das Zefanjabuch das Verhältnis zu den umliegenden Völkern im Rahmen einer prophetischen Auseinandersetzung mit den Zuständen in Juda bzw. Jerusalem. So bilden dann die Worte gegen die umliegenden Völker auf der Endtextebene nun den Mittelteil eines sogenannten ‚eschatologischen Schemas‘, in dem das Unheil der Völker auf das Unheil über Juda/Jerusalem folgt, ehe in einem dritten Teil das Büchlein mit einer Heilszusage an Juda/Jerusalem endet.73 Hier wird zu untersuchen sein, welche Rolle die Völker in einem prophetischen Buch spielen, dessen Ausrichtung (wenigstens auf der Endtextebene) nun einen dezidiert israelitischen Fokus hat. Zuletzt soll auf das Joelbuch geblickt werden, welches in mancher Hinsicht von der Völkerperspektive der Bücher Nahum, Zefanja und Obadja abweicht, da hier zwar in (fast) allen Teilen des Buches von Völkern/Volk gesprochen wird, aber eine genaue Identifizierung zu fehlen scheint. Ebenso ist die Ausgangssituation der Joelprophetie eine andere. Am Beginn steht nicht eine konkrete Begegnung mit einem fremden Volk, sondern lediglich die Erinnerung an eine verheerende Naturkatastrophe (Heuschreckenplage), welche JHWH wundersam beseitigt, so dass die agrarische Grundlage des Lebens wieder gewährleistet ist. Erst in einem zweiten Interpretationsschritt wird diese Plage in einen Völkersturm bzw. ein Völkergericht umgedeutet. Der Durchgang durch die Texte wird historisch angeordnet und bewegt sich – im Rahmen einer relativen Chronologie – von der Assyrerzeit zum Hellenismus. Ausschlaggebend hierfür ist die jeweilige zeitliche Ansetzung der herauszuarbeitenden Grundschicht. Thematisch steht die Auseinandersetzung mit den Völkern im Vordergrund und nicht die Zuordnung einzelner Bücher zu einem Vierprophetenbuch, einem Joelcorpus oder der Annahme, dass Texte wie Obadja und Nahum älteren Sammlungen zugewachsen sind.

71 Vgl. hierzu STECK, Prophetische Prophetenauslegung, 198-244; KRATZ, Israels Propheten, 48-49. 72 SCHWESIG, BZAW 366, 81 73 Alternativ haben LOHFINK, BiKi 39 (1984), 100-108 und in seinem Gefolge WEIGL, ÖBS 13 eine Dreiteilung unter dem Aspekt der Ringkomposition für Zefanja vorgeschlagen, deren Zentren jeweils in Zef 1,8-11; 2,11 und 3,11 zu finden sind.

2. Ethnizität

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2. Ethnizität „... ethnicity is a kind of manufactured genetic inheritance, a genetics of sensibility, constructed out of landscape and food and family, history, illusory continuities, coercion, ambition, pleasures, and the terror of death.“74

In der Kulturanthropologie sowie der klassischen Philologie nimmt die Diskussion über ethnicity einen breiten Raum ein,75 so dass M. HERZFELD in seinem Überblick über die Tendenzen der modernen Anthropologie feststellen kann: Ethnicity, too, has achieved a new ubiquity. The concept itself has come in for a good deal of deconstruction, but it dies hard.76

Grund hierfür dürfte das von F. BARTH vorgeschlagene Interpretationsmodell von Ethnizität als einem Beziehungsgeflecht sein, das bisher übliche Bestimmungen qua Abstammung (Rasse) und Herkunft transzendiert.77 Begriffe wie ‚Rasse‘ (race) oder Ethniziät können nie absolut im Rahmen eines rein wissenschaftlichen Diskurses definiert werden, da die ‚Wirklichkeit‘ von Ethnizität oder ‚Rasse‘ immer eine subjektive Komponente in sich trägt, die durch die Wahrnehmung der Andersartigkeit (alterity) bestimmt wird.78 Der Begriff ethnicity taucht zuerst im Jahr 1953 in der wissenschaftlichen Diskussion im Rahmen der Debatte um den öffentlichen und sozialen Status des amerikanischen Intellektuellen auf.79 Hier trägt der Begriff dann bereits die Konnotation von Abstammmung, die aber nicht unbedingt biologisch definiert werden muss, da ethnicity gemeinsam mit dem kleinstädtischen Milieu (smalltown location) und anderen Formen der Engstirnigkeit (parochialism) genannt wird. Es geht hier also eher um die Herkunft bzw. um das nicht-intellektuelle

74 STORACE, Dinner with Persephone, 290. 75 Zum Problem in der Archäologie vgl. EMBERLING, JAR 5 (1997), 295-344. 76 HERZFELD, Anthropology, 11 und mit Blick auf die Antike vgl. bereits KRAMER, Bibliotheca Mesopotamica 7, 95: „,Ethnicity‘ can mean different things to different people, and is of questionable utility as a theoretical construct when viewed from the perspectice of prehistory“. 77 BARTH, Ethnic Groups, 9-38. 78 Vgl. BAHRANI, World Archaeology 38 (2006), 49. 79 „In the much more fluid and amorphous America of our time, the writer, the artist, the scientist have become figures of glamour, if not power ... The practical, non-intellectual man feels uneasy with the changes; he resents the fact that his own importance as well as his own understanding of the world are threatened by the intellectual and the intellectual’s ability to change ideas. There is a tendency for the older ,class struggles‘, rooted in clear hierarchical antagonisms, to be replaced by a new sort of warfare: the groups who, by reason of rural small-town location, ethnicity, or other parochialism, feel threatened by the better educated upper-middle class people (though often less wealthy and political powerful) who follow or create the modern movements in science, art, literature, and opinion generally“ (RIESMAN, American Scholar 23 (1953/54), 15).

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Einleitung

Umfeld. Vor diesem Gebrauch durch D. RIESMAN kann der Begriff ethnicity als ein anderer Terminus für Heidentum benutzt werden.80 Das erste Auftreten des Begriffs im deutschen Sprachraum ist schwer zu bestimmen. Allerdings definiert das Herausgebergremium des Tübinger Atlas des Vorderen Orients (TAVO) Ethnizität und ethnische Gruppen wie folgt: „‚Ethnische Gruppen‘ sind solche vorwiegend endogamen Gruppen, deren maßgebende Gruppenkonstituenten aus der Vergangenheit selektierte Traditionen sind. Unter ‚Ethnizität‘ verstehen wir Vorstellungen, Gefühle und Handlungen der Zugehörigkeit zu ethnischen Gruppen. Sie grenzen diese gegenüber anderen Gleichen innerhalb von Staaten ab.“81 Der Atlas definiert Enthnizität also in enger Anlehnung an M. WEBER , der in Kapitel IV („Ethnische Gemeinschaftsbeziehungen“) seines Werkes Wirtschaft und Gesellschaft die Bedeutung von Sprach- und Kultgemeinschaft gänzlich unabhängig von Blutsverwandtschaft beschreibt:82 Wir wollen solche Menschengruppen, welche auf Grund von Aehnlichkeiten des äußeren Habitus oder der Sitten oder beider oder von Erinnerungen an Kolonisation und Wanderung einen subjektiven Glauben an eine Abstammungsgemeinsamkeit hegen, derart, daß dieser für die Propagierung von Vergemeinschaftungen wichtig wird, dann, wenn sie nicht ‚Sippen‘ darstellen, ‚ethnische‘ Gruppen nennen, ganz einerlei, ob eine Blutsgemeinsamkeit objektiv vorliegt oder nicht.83

Allgemein gesprochen haben antike Gesellschaften keine Terminologie für race oder Ethnizität, da diese auf (pseudo-)biologischen Konzeptionen des 80 So heißt es in der englischen Übertragung der spanischen Biographie des Predigers Fr. Gerund durch Thomas NUGENT aus dem Jahre 1772 in einer einleitenden Passage, in der die Geburt der Venus mit der unbeflecktem Empfängnis Marias verglichen wird: „I do not stop now to remark the elegance of calling the religion of the Gentiles, Ethnicity, and not Gentilism or Paganism, for that any despicable fellow might have said ...“ (NUGENT, Josú Fransisco de Isla, Vol. I., 332). Der Mönch kann sich der Faszination der Venus nicht entziehen und fährt fort, ihre Entstehung zu beschreiben: „From the curling spume of the celebrated Egean waves fabulous ethnicity feigned Venus their idolatress conceived“ (ibid.). 81 Zitiert nach HACKSTEIN, BTAVO 94, 1. 82 Weber setzt den problematischen Begriff der Rasse in seinem Werk dann auch fast immer in Anführungszeichen und bemerkt hierzu: „Eine weit problematischere Quelle für Gemeinschaftshandeln als die bisher ermittelten Tatbestände ist der wirklich auf Abstammungsgemeinsamkeit beruhende Besitz gleichartiger ererbter und vererblicher Anlagen: die ,Rassenzugehörigkeit‘. Sie führt zu einer ,Gemeinschaft‘ natürlich überhaupt nur dann, wenn sie subjektiv als gemeinsames Merkmal empfunden wird, und dies geschieht nur, wenn örtliche Nachbarschaft oder Verbundenheit Rassenverschiedener zu einem (meist politischen) gemeinsamen Handeln, oder [wenn] umgekehrt: irgendwelche gemeinsamen Schicksale der rassenmäßig Gleichartigen mit irgendeiner Gegensätzlichkeit der Gleichgearteten gegen auffällig Andersgeartete verbunden sind“ (Wirtschaft und Gesellschaft, 234). Zur Entstehung von Wirtschaft und Gesellschaft vgl. RADKAU, Max Weber, 651-659. 83 W EBER, Wirtschaft und Gesellschaft, 237; vgl. H ALL , Hellencitity, 9, der im Anschluss an HOROWITZ, Ethnic Identity, 119-121 hervorhebt: „[b]iological features, language, religion or cultural traits may appear to be highly visible markers of identification but they do not ultimately define the ethnic group. They are, instead, secondary indicia ... or ,surface pointers‘“.

2. Ethnizität

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menschlichen Körpers (body) beruhen, die Teil der Gedankenwelt der modernen westlichen Welt sind.84 Dies bedeutet aber nicht, dass antiken Menschen Körperlichkeit völlig fremd ist, nur werden diese Merkmale als quasi individuelle Charaktereigenschaften interpretiert.85 Natürlich weiß der alttestamentliche Mensch, dass es für den Kuschiter unmöglich ist, seine Hautfarbe zu ändern (Jer 13,23) und nimmt diesen selbstverständlich als „schwarz“ war, ob daraus gewisse Vorurteile hergeleitet werden können, bleibt jedoch unklar und in Cant 1,5 gilt die schwarze Hautfarbe als Schönheitsmerkmal.86 Ebenso können die Kuschiter in Jes 18,2.7 als ein hochgewachsenes und glattes Volk beschrieben werden (+rwmw K#mm ywg), aber dieses Erscheinungsbild hat keine Konsequenzen für eine abwertende Charakterisierung der Kuschiter.87 Auch Hos 7,8a ist in diesem Zusammenhang zu sehen (llwbty )wh Mym(b Myrp)). Der Kontext ist die Bündnispolitik Israels und nicht eine biologische Durchmischung.88 Wieder ist es eine Verhaltensweise, die beklagt wird und keine Verfehlung aufgrund von körperlichen Eigenschaften oder Erscheinungsbild. Dass umgekehrt aber die Hautfarbe das (religiöse) Denken bestimmen kann, wird z.B. in einem Fragment des Xenophanes deutlich, der feststellt, dass die Äthiopier sich ihre Götter schwarz, die Thraker jedoch sich ihre Götter blauäugig und rot-blond vorstellen, da diese Phänotypen dem eigenen Aussehen nahe stehen: Ai0qiope/j 〈qeou\j sfete/rouj〉 simou\j me/lana/j te Qrh=|ke/j te glaukou\j kai\ purrou/j 〈fasi pele/sqai〉.89 84 Vgl. BAHRANI, World Archaeology 38 (2006), 51. 85 Insbesondere in den Physiognomonia der hellenistischen Handbüchern der Rhetorik werden dann Anweisungen gegeben, wie man aus dem Aussehen und der Herkunft einer Person auf deren Charaktereigenschaften schließen kann, vgl. hierzu MALINA/NEYREY, Portraits of Paul, 100-152 und BOYS-STONES, Physiognomy, 19-124. Allerdings wird dieses Vorgehen bereits in der Antike kritisch gesehen, vgl. Hypereides, fr. 198. Im Alten Orient sind hier die physiognomischen Omina zu nennen; zum Text vgl. BÖCK, AfO Beih. 27, 143-173 und für eine erste Anwendung auf alttestamentliche Texte vgl. BERLEJUNG, Frau nach Maß, 27-63 und HAGEDORN, ZAW 122 (2010), 593-609. 86 KEEL, ZBK 18, 53-54. 87 SADLER, LHBOTS 425, 90 bemerkt richtig: „ ... we may conclude that the color of Cushite skin had commonplace value to the Judeans, the Egyptians, and other peoples in the ancient Near East“; vgl. auch SNOWDEN, Blacks in Antiquity, 216-220 und GOLDENBERG, Curse, 2640, der seine Beobachtungen wie folgt zusammenfasst: „Nor is skin color ever mentioned in descriptions of other biblical Kushites. That is the most significant perception, or lack of perception, in the biblical image of black Africa“ (40). Goldenberg zeigt im Laufe seiner faszinerenden Untersuchng dann, dass diese Einstellung sich erst dann zu ändern beginnt, als die Juden Teil einer Welt werden, die Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe zu charakterisieren und zu bewerten beginnt („When, in later periods, Jews were part of larger cultures that did politically dominate physically distinct peoples, its literature began to equate ethnicity with skin color and began to exhibit the anti-Black sentiment of the surrounding culture“ [200]). 88 Vgl. ZEHNDER BWANT 168, 464-467. 89 Xenophanes, fr. 16; vgl. auch fr. 15. Hier heißt es, dass auch Pferde pferdeähnliche Götter und Ochsen ochsenähnliche Götter malen und darstellten, wenn sie nur Hände hätten, dies zu tun: i(/ppoi me/n q' i(/ppoisi bo/ej de/ te bousi\n o9moi/aj | kai/ qew~n i0de/aj e)/grafon kai\ sw&mat' e0oi/oun ktl.

20

Einleitung

Xenophanes, der diesem Konzept kritisch gegenübersteht, da er jede Form des Anthropophormismus scharf zurückweist,90 folgert dann auch nicht, dass hellhäutige Götter mächtiger seien als beispielsweise dunkle. Sowohl die Völkertafel in Gen 10 als auch parallele Passagen bei griechischen Autoren heben die gemeinsame Abstammung aller Menschen hervor und sehen die Unterschiede dann lediglich in Kleidung und Sprache. Am deutlichsten geht dies aus einer Passage in Aischylos’ Persern hervor: 180

185

le/cw de/ soi. e0doca/thn moi du/o gunai=k' eu0ei/mone, h9 me\n pe/ploisi Persikoi=j h0skhme/nh, h9 d' au]te Dwrikoi=sin, ei0j o)/yin molei=n, mege/qei te tw~n nu=n e0kprepesta/ta polu\ ka/llei t' a)mw&mw, kai\ kasignh/ta ge/nouj tau0tou=, pa/tran d' e)/naion h9 me\n 9Ella/da klh/rw| laxou=sa gai=an, h9 de\ ba/rbaron:

Ich künd es euch. Es deuchte mir der Frauen zwei in schönem Kleid – Die eine in der Perser Peplos eingehüllt, Im Dorerkleid die andere – träten vor mein Aug, An Wuchs bei weitem herrlicher als sonst die Fraun, An Schönheit sonder Makel, Schwestern gleichen Stamms Und Bluts. Als Heimat hatten sie – die Griechenland Durchs Los erlangt, und jene wohnt’ in Asiens Reich.91

Die Verteilung des Lebensraums der Schwestern einer Rasse (kasignh/ta ge/nouj) geschieht durch das Los (klh/rwi laxou=sa gai=an), ist also rein zufällig. Der Andere wird also als Bruder oder Schwester wahrgenommen und unterscheidet sich nur durch Äußerlichkeiten wie Kleidung und Sprache von einem selbst.92 Da man Kleidung nach Belieben wechseln kann (vgl. Zef 1,8), ist es insbesondere die Sprache, die als Erkennungsmerkmal des Ausländers bzw. des Fremden überhaupt gilt.93 Auf die Verwirrung der Sprache in Gen 11,7a (Mtp# M# hlbnw) folgt die Zerstreuung in alle Länder der Erde (Gen 11,8a). Auf diese Weise wird aus der ‚Familie‘ Noahs, die sich nach Gen 10,32 bereits über die ganze Erde ausgebreitet hatte, endgültig eine Erdbevöl90 Vgl. fr. 14 (a0ll' oi9 brotoi\ doke/ousi genna=sqai qeou\j th\n sfete/rhn e0sqh=ta 〈t'〉 e)/xein fwnh/n te de/maj te); zur Sache LESHER, Xenophanes, 90ff. 91 Aischylos, Persae, 180-187; dt. Übersetzung nach WERNER/ZIMMERMANN, Aischylos, 21. Zur Stelle vgl. auch GARVIE, Aeschylus, 115-118. 92 Dass die Sprache der Barbaren dabei wenig vorteilhaft beschrieben werden kann, soll hier nur am Rande erwähnt werden; so vergleicht Eubulus (fr. 108 KA) die Sprache der Nichtgriechen mit einer bruzzelnden Pfanne (lopa\ j pafla/ z ei barba/ r wi lalh/ m ati) und der homerischen Hymnus an Apoll spricht von dem „Klappern von Kastagnetten/Zähnen“ (pa/ntwn d' a0nqrw/pwn fwna\j kai\ krembaliasrtu\n | mimmei=sq' i)/asin: [162-3]); zum Zusammenspiel von Sprache und kultureller Identität, vgl. GEIGER, ASMA 3, 233-246. 93 Für Griechenland vgl. Aischylos, Septem 166-170: i0w_ panarkei=j qeoi/ | i0w_ te/leioi te/leiai/ te ga=j | ta=sde purgofu/lakej | po/lin dori/ponon mh_ prodw~q' | e9terofw&nw| stratw~|.

2. Ethnizität

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kerung, die sich nun nach Ländern und Sprachen unterscheidet.94 So markiert Gen 11,1-9 den Übergangspunkt von der Universal- zur Partikulargeschichte, da ab Gen 11,10 nun die Nachkommen Sems, also Israel/Juda im Vordergrund stehen. Es ist der grundlegenden Untersuchung von F. BARTH aus dem Jahre 1969 zu verdanken, dass er die gängige Gleichsetzung von Rasse (race), Sprache und Kultur aufbricht und die Bedeutung der Innenperspektive deutlich hervorhebt, da die ethnische Gruppe, die sich selbst definiert, im Vordergrund stehen muss.95 So wird aus der statischen Definition von Außen ein Beziehungsgeflecht (relation), welches seinen Ausgangspunkt in der Gruppe selbst hat. Daher sind Grenzziehungen nie absolut, sondern durchlässig, da der Austausch über ethnische Grenzen hinweg immer zum Definitionsprozess einer Gruppe gehört.96 Was den Begriff der ethnischen Gruppe betrifft, definiert Barth wie folgt: The term ethnic group is generally understood in anthropological literature ... to designate a population, which: 1. is largely biologically self-perpetuating 2. shares fundamental cultural values, realized in overt unity in cultural forms 3. makes up a field of communication and interaction 4. has a membership which identifies itself, and is identified by others, as constituting a category distinguishable from other categories of the same order.97

Insbesondere der vierte Punkt ist für das Barths System wichtig, da es die absoluten Definitionen über Abstammung und Sprache für einen dynamischen Prozess öffnet, den er in der sog. „ethnic boundary that defines the group, not the cultural stuff that it encloses“ findet.98 Dies führt zu der Möglichkeit, dass 94 Vgl. auch Dtn 28,49; Jes 66,18; Sach 8,23; Ps 81,6. In diesen Texten wird hp# und sein Synonym Nw#l als ,Marker‘ für kulturelle Unterschiede gebraucht. „Language, of course, is recognized by sociololgists and anthropologistst as one of the primary markers of a specific culture, cultural tradition, or ethnic group. It is a prominent feature by which a particular culture or ethnicity constructs its identity and distingusihes itself from others“ (HIEBERT, JBL 126 (2007), 47). Hiebert fährt dann fort, in Gen 11,1-9 den Ausgangspunkt für eine kulturelle Ausdifferenzierung der Welt zu sehen, die auf Gottes Geheiß geschieht. Gen 11,1-9 ist demnach nicht eine Erzählung über Gottes Bestrafung menschlicher hybris: „the story of Babel in Gen 11:1-9 is exclusively about the origins of cultural difference and not about pride and punishment at all“ (ibid., 31); vgl. die Debatte um Hieberts Vorschlag in STRONG, JBL 127 (2008), 625-634 und LACOQUE, JBL 128 (2009), 29-41. 95 „... ethnic groups are categories of ascription and identification by the actors themselves, and thus have the characteristic of organizing interaction between people“ (BARTH, Introduction, 10). 96 „... we shift the focus of investigation from internal constitution and history of separate groups to ethnic boundaries and boundary maintenance“ (ibid.). 97 BARTH, Introduction, 10-11. 98 BARTH, Introduction, 15, vgl. EMBERLING, JAR 5 (1997), 299. Zu dem Versuch, ethnicity nun doch als ein biologisches Konzept zu verstehen, vgl. BILLINGER, Critique of Anthropology 27 (2007), 5-35, der einen biocultural approach favorisiert: „While humans do not exist outside

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Einleitung

ethnische Abgrenzungen (boundaries) sich verändern können bzw. von der Gruppe selbst modifiziert werden.99 Dominant ideas of ethnicity emerge from a constant process of cultural struggle; they are continually challenged by residual or defeated constructions and threatened by the emergence of identities that may flourish in the future.100

Diese doppelte Abgrenzung nach Außen und nach Innen birgt hohes Konfliktpotential und so ist es kaum verwunderlich, dass ethnic identity oftmals mit Konflikten in Verbindung gebracht wird, auch wenn nicht notwendigerweise eine zwingende Verbindung von ethnicity und Konflikt bestehen muss.101 Ein weiterer Punkt, der bereits in Barth angesprochen, und dann von J.M. H ALL detaillierter – und unter Aufnahme der Einsichten von Max Weber – ausgestaltet wird, ist das Faktum, dass Ethnizität häufig im Kontext von Eroberung, Migration und dem „Erwerb“ von Ressourcen auf Kosten anderer Gruppen entsteht.102 Darüber hinaus kann Ethnizität nicht nur als Ausdruck von faktischen und eingebildeten Unterschieden verstanden werden, sondern vielmehr auch als Ausdruck sorgfältig negierter und verschleierter Ähnlichkeiten.103 Dies bedeutet, dass ethnische Identität in der Regel im Zuge eines systematischen Vergessens der überwiegenden Ähnlichkeiten und Ausdrucksweisen mit anderen Gruppen entsteht.104 Wir werden im Laufe der Untersuchung immer wieder sehen, dass die biblischen Autoren der zu untersuchenden Prophetenschriften über weite Strecken

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of the biological world and forces of evolution, technological control of fertility, health and mortality make it arguable that modern genetic structures throughout much of the world are affected more by patterns of mating and mobility than by natural selection“ (31). E MBERLING , JAR 5 (1997), 299-300 bemerkt richtig, dass der Begriff der boundary etwas unglücklich gewählt ist, da das Wort eine scharfe und unüberbrückbare Trennung von Gruppen suggeriert – also eine Abgrenzung, die Barth selbst ablehnt: „... ethnic distinctions do not depend on an absence of social and acceptance, but are quite to the contrary often the very foundations on which embracing social systems are built ... cultural differences can persist despite inter-ethnic contact and interdependence“ (Introduction, 10). Aus diesem Grund spricht man jetzt eher von Differenz (difference); vgl. etwa HARRISON , CSSH 45 (2003), 343-361. WILLIAMS, Ethnicity and Cultural Authority, 5-6. Vgl. hierzu, HOROWITZ, Ethnic Groups, 95-229, der davon ausgeht, dass es immer dann zu Konflikten kommt, wenn zwei oder mehrere ethnische Gruppen innerhalb eines Territoriums zu finden sind. Horowitz kombiniert Erkenntnisse der Gruppen- und Sozialpsychologie (H. Tajfel) mit dem Studium von ethnicity und konzentriert sich so auf die Einschätzung des eigenen Wertes einer Gruppe. Dieses Konzept ist der Definition des cultural essentialism bzw. der cultural anxiety, wie sie R.D. GRILLO vorgeschlagen hat, ähnlich (vgl. GRILLO , Anthropological Theory 3 (2003), 157-173). BARTH, Ethnic Groups, 21; HALL, Hellenicity, 10 unter Aufnahme eine Einsicht von WEBER, Wirtschaft und Gesellschaft, 20-21. HARRISON, CSSH 45 (2003), 345. Ibid.

2. Ethnizität

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mit sogenannten „ethnischen Stereotypen“ arbeiten,105 also mit generalisierenden Aussagen, die den Charakter oder das Verhalten einer bestimmten ethnischen Gruppe oder Gruppierung beschreiben, ohne notwendigerweise auf das äußere Erscheinungsbild der zu charakterisierenden Gruppe zu rekurrieren.106 Wie bei jeder Stereotypisierung genügen auch hier wenige, grobe Aussagen, um das Verhalten einer fremden Gruppe zu erklären bzw. vorherzusagen.107 Demnach handelt es sich hierbei um ein kulturelles Konstrukt, das immer im Zusammenhang mit eben den Phänomenen betrachtet werden muss, die die literarische bzw. historischen Grundlage dieser Stereotypen bildet.108 Nur so kann man erkennen, dass diese literarischen Konstruktionen des Anderen auch ein soziales Faktum sind, welches aufgrund von kulturellen und ethnischen Begegnungen mit Angehörigen anderer Gruppen entsteht.109 Gleichzeitig bestimmt auch das stereotype Bild des Anderen, wie ein solches cross-cultural encounter sich gestalten wird, da kulturelle Stereotypen den Verlauf bzw. Ausgang einer solchen Begegnung wesentlich bestimmen. Da Stereotypen ein wichtiges Strukturprinzip zwischen „uns“ und „denen“ sind,110 bilden sie natürlicher Weise einen wichtigen Faktor im Rahmen jeglicher Untersuchung von Ethnizität. Da der Akt der Stereotypisierung immer reduktiv ist, werden Stereotypen als effektive Waffe des Diskurses gebraucht: Stereotypes are both instrument and symbol of hegemony, as they flood the hidden corners of everyday awareness. Like a barium enema, they brightly outline the cultural indigestion of which the national patient so bitterly complains.111

Der Prozess der Stereotypisierung zielt auf eine Interpretation der Wirklichkeit.112 Da man aber in der Regel Stereotypen mit den Personen teilt, die zu

105 Deshalb verwundert Zehnders Urteil, dass „Israel fremdenkritische Stereotypen nur ganz am Rand [kennt], etwa dort, wo von riesenhaften Vorbewohnern Kanaans und der ostjordanischen Gebiete gesprochen wird“ (ZEHNDER, BWANT 168, 546). Die Bemerkung macht deutlich, dass Zehnder an äußere Merkmale, wie etwas Hautfarbe und physische Gestalt denkt. 106 Zur Definition vgl. BOHAK, Oriens et Occidens 8, 208. 107 „The act or stereotyping is by definition reductive, and, as such, it always marks the absence of some presumably desirable property in its object. It is therefore a discursive weapon of power. It does something, and something very insidious at that: it actively deprives the ,other‘ of a certain property, and the pepetrator pleads moral innocence on the grounds that the property in question is symbolic rather than material, that the act of stereotyping is ,merely‘ a manner of speech, and that ,words can never hurt you‘“ (HERZFELD, Cultural Intimacy, 202). 108 BOHAK, Oriens et Occidens 8, 209. 109 So benutzt z.B. die britische Commission for Racial Equality (CRE) ,racial sterotypes‘ im Rahmen einer Kampagne gegen Rassissmus im Alltag, vgl. MURJI, Ethnic and Racial Studies 29 (2006), 260-280. 110 ERIKSEN, Ethnicity and Nationlism, 13. 111 HERZFELD, Hellenism and Occidentalism, 222. 112 Der Feldforschungen betreibende Anthropologe läuft hier stets die Gefahr, Opfer der Stereotypen zu werden, die über die zu studierende Gemeinschaft bereits bestehen. Zum

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einem in sozialer Nähe stehen, bekommen Stereotypen auch eine soziale Funktion, da sie dafür verantwortlich sein können, wie Gruppen, zu denen man selbst gehört, auf andere Gruppen reagieren. Einsichten der kognitiven Psychologie folgend, wird das Phänomen der Stereotypisierung in fünf Bereiche aufgeteilt: 1) 2) 3) 4)

5)

Man ist bereit, große Menschengruppen aufgrund weniger, ziemlich derber Attribute zu charakterisieren. Diese Stereotypen sind beinahe unmöglich zu verändern. Man lernt sie in sehr jungem Alter. Sie tendieren dazu ausgebaut und präzisiert zu werden, wenn Spannungen zwischen Gruppen entstehen und Sie sind schädigend, wenn sie im Kontext des sozialen Konflikts benutzt werden.113

“Thus, any study of ethnic stereotypes must pay close attention not only to the stereotypes as such, but also to the social forces that shaped them or were shaped by them.”114 Diese Beobachtungen werden bei der Frage nach dem exakten oder möglichen historischen Hintergrund der individuellen Fremdvölkerworte wichtig werden, da die Erkenntnis, dass kulturelle Stereotypen die Sichtweise bzw. die Begegnung mit dem Fremden bestimmen, vorschnelle historische Schlussfolgerungen aus dem biblischen Text unmöglich machen. Vielmehr sollten die Texte dahingehend ausgelegt werden, dass das Wort gegen ein fremdes Volk mehr über die Gruppe aussagt, in der es entsteht, als über das Objekt, über welches gesprochen wird. Auf diese Weise sind ethnische Stereotypen ein fester Bestandteil der Konstruktion von sozialer Identität.115 Diese konstruierte soziale Identität entsteht allerdings nie im geschichtsfreien Raum.116 Daher ist es unmöglich ethnische Stereotypen zu schaffen, ohne zuvor eine konkrete Begegnung mit dem Fremden gehabt zu haben. Da diese Begegnungen im Alten Testament theologisch reflektiert werden, verbindet sich in der Völkerthematik nicht nur die Geschichte mit der Anthropologie, sondern auch mit der Theologie.

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Problem vgl. GEFOU-M ADIANOU , Mirroring Ourselves, 160-181; HERZFELD, American Ethnologist 11 (1984), 439-454; HERZFELD, The European Self, 139-170. HOGG/ABRAMS, Social Identifications, 67. BOHAK, Oriens et Occidens 8, 209; vgl. auch THEODOSSOPOULOS, JMedSt 13 (2003), 177188; KIRTSOGLU/SISTANI, JMedSt 13 (2003), 189-213; HADHIPAVLOU, JMedSt 13 (2003), 281-318. Zum Konzept der social identity theory vgl. ABRAMS/HOGG, Social Identity Theory sowie T AJFEL , Differentiation between Social Groups und zur Anwendung des Konzepts auf biblische Texte, ESLER, Conflict and Identity, 19-39. Aus der kulturanthropologischen Literatur vgl. neben dem oben bereits erwähntem Werk Ours once more von M. HERZFELD, bes. GEFOU-MADIANOU, Mirroring Ourselves, 160-181; ead., American Ethnologist 26 (1999), 412-439; COLLARD, ASA Monographs 27, 89-103; LALIOTI, History and Anthropology 13 (2002), 113-137; JUST, ASA Monographs 27, 71-88.

Kapitel I

Das Buch Nahum als Ausgangspunkt der Völkerprophetie 1. Forschungsgeschichte Ex omnibus minoribus prophetis nemo videtur aequare sublimitatem, ardorem, et audaces spiritus Nahumi: Adde quod ejus vaticinium integrum ac justum est poëma: exordium magnificum est et plane augustum; apparatus ad exidium Ninivae, ejusque excidii descriptio et amplificatio, ardentissimis coloribus exprimitur, et admirabilem habet evidentiam et pondus. R. LOWTH, De sacra poesi Hebraeorum, 17531

In der Forschung zum Nahumbuch2 sind prinzipiell zwei methodische Ansätze vorherrschend: die synchrone Analyse versucht, das Buch als einheitliches literarisches Produkt zu betrachten (z.B. K. SPRONK , P. MACHINIST , J.J.M. R O B E R T S , M.A. SWEENEY).3 Die diachrone Analyse geht von einem umfangreichen, über mehrere Stadien (und Jahrhunderte) andauernden Wachstum der Schrift aus (z.B. die Kommentare von W. RUDOLPH , K. SEYBOLD, L. PERLITT und H.-J. FABRY, sowie Th. LESCOW4). Darüber hinaus hat sich K.J. CA T H C A R T in zahlreichen Studien darum bemüht, den schwierigen Text des Nahumbuches mit Blick auf benachbarte semitische

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In der englischen Übersetzung durch G. Gregory lautet das Zitat aus der 21. Vorlesung: „None of the minor prophets, however, seem to equal Nahum, in boldness, ardour, and sublimity. His prophecy too forms a regular and perfect poem; the exordium is not merely magnificent, it is truly majestic; the preparation for the destruction of Nineveh, and the description of its downfall and desolation are expressed in the most vivid colours, and are bold and luminous in the highest degree“ (LOWTH, Lectures II., 99; zu Lowth vgl. SMEND, From Astruc to Zimmerli, 15-29). Vgl. auch den ausführlichen Überblick über die neuere Forschung von WEIGL, CRBS 9 (2001), 81-130 und FABRY, HThKAT, 31-37. Vgl. SPRONK, HCOT, 3-5 („It can be concluded that the book of Nahum should be regarded as a well-structured unity with an intricate web of crossreferences throughout the book emphasizing the divine oracles“ [5]), sowie den Forschungsüberblick in SPRONK, OTS 34, 159-186; vgl. auch BECKING , NedThT 32 (1978), 107-124 und B ECKING, SJOT 9 (1995), 277-296; MACHINIST, Fall of Assyria, 179-195; ROBERTS, OTL, 37-39; SWEENEY, ZAW 104 (1992), 364-377; id. Berit Olam, 419-422. LESCOW, BN 77 (1995), 59-85.

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I. Das Buch Nahum als Ausgangspunkt der Völkerprophetie

Sprachen zu erhellen und so das prophetische Buch in seinem altorientalischen Kontext zu verorten.5 Weiterhin bildet der Eingangshymnus ein spezielles Forschungsfeld (etwa D.L. CHRISTENSEN, K. SEYBOLD, J. NOGALSKI).6 In neuerer Zeit sind Ansätze (J. NOGALSKI, R. KESSLER, J. WÖHRLE) hinzugekommen, das Nahumbuch im weiteren Kontext des Dodekapropheton zu verorten. Einen interessanten Vorschlag zur Verbindung von Nahum und Habakuk hat R. K ESSLER vorgelegt.7 Ausgangspunkt für seine Überlegungen ist das Problem der Plazierung des Habakukbuches zwischen Nahum und Zefanja, da das Fehlen des assyrischen Aspekts, die logische Folge Nah-Zef zu unterbrechen scheint. Aufgrund der Rahmung beider Bücher durch zwei Theophaniepsalmen in Nah 1 und Hab 3, die die Androhung des Gerichts über Ninive bzw., Chaldäa umschließen, kann Kessler sagen: Nahum und Habakuk stehen deshalb zusammen zwischen Micha und Zefanja, weil sie bereits gemeinsam eine Zweiprophetenrolle bildeten, als sie an ihre Stelle kamen.8

So entsteht das „Bild eines spiegelbildlich-symmetrisch angeordneten Diptychons“,9 auch wenn wirkliche semantische Übereinstimmungen lediglich in Nah 1,14 und Hab 2,15 nachzuweisen sind und Hab 1-2 auch an Juda denkt, während das für Nah 2-3 nicht der Fall ist. Nahum scheint von Anfang an als ein Hassgedicht komponiert worden zu sein, während im Gegensatz hierzu bei Habakuk auch die ältere Sozialkritik noch eine Rolle zu spielen scheint. Kessler findet in inhaltlichen Übereinstimmungen und in der Motivik (Tiervergleiche, Blutstadt etc.) zahlreiche Anzeichen, die seine These unterstützen. Nah 1,2-8 gibt folgende Leserichtung vor: Er [sc. der Psalm] deutet das gesamte Auftreten JHWHs gegen Ninive und gegen die Chaldäer von vorneherein als Theophanie und klammert damit die beiden Schriften Nahum und Habakuk in einer Weise eng zusammen, wie das allein durch das Schlussgebet in Hab 3 nicht der Fall wäre.10

Hieraus folgert Kessler dann, dass Nah 1,2-8 bereits mit Blick auf die Zweiprophetenschrift Nah-Hab formuliert worden ist. Dass der Theophaniehymnus 5 6 7 8 9 10

CATHCART, BiOr 26; id., CBQ 35 (1973), 179-187; id., Divine Warrior, 68-76; id., JNSL 7 (1979), 1-12. Vgl. CHRISTENSEN, ZAW 87 (1975), 17-30; id., ZAW 99 (1987), 409-415; SEYBOLD, ZAW 101 (1989), 71-85; NOGALSKI, JSOT.S 144, 193-202. KESSLER, HbiS 35, 149-158. KESSLER, HbiS 35, 150, vgl. bereits NOGALSKI, BZAW 218, 181: „... Nahum and Habakkuk entered the corpus of the Book of the Twelve simultaneously.“ Ibid., vgl. aber bereits Spronk, HCOT, 8: „The book of Habakuk looks like a mirrored replica of its predecessor in the canon. The hymn in the last chapter balances the opening hymn in Nah. 1.“ KESSLER, HbiS 35, 153.

1. Forschungsgeschichte

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als Lektüreanleitung für die (kohärente) Nahumschrift gesehen werden muss, ist in der Forschung schon seit längerem bemerkt worden.11 Es stellt sich allerdings die Frage, warum die semantischen Bezüge zu Habakuk in Nah 1,2-8 nicht deutlicher sind, wenn der Hymnus das Habakukbuch bereits kennt. Auf die redaktionellen Zusammenhänge im buchübergreifenden Rahmen des Dodekapropheton, auf die Kessler erneut hingewiesen hat, wird noch zurückzukommen sein. Einen eigenen Weg beschreitet der Kommentar von J.M. O’BRIEN, der eine bewusste postmoderne und postkoloniale Lektüre des Buches versucht.12 Es ist bezeichnend, dass O’Brien darum bemüht ist, auch die ,andere Seite‘ zu sehen: In my own moral calculus, such forgetfulness does not negate the suffering of the victim; it does not equate the pain of the oppressor with that of the oppressed. Rather, building into my own awareness the humanity of the oppressor is the best hedge I know agaist the risk of] ideological blindness that feeds the cycle of atrocity – the perpetual creation of a yet another faceless Other, ripe for annihilation.13

Auf der Basis des Endtextes wird so die Aktualität von Nahum für die heutige Zeit herausgearbeitet.14 Ein ähnliches Vorgehen ist auch für die Arbeiten von G. BAUMANN und L. LANNER zu konstatieren. Beide Arbeiten betrachten das Nahumbuch als überwiegend innergemeindlichen Diskurs – so verschwindet die ursprüngliche Intention der Schrift als Fremdvölkerwort.15 Neben diesen Untersuchungen zur Gewaltthematik des Nahumbuches wird insbesondere dem poetischen Charakter der Schrift Rechnung getragen. So können die Worte Nahums beispielsweise als einer der besten Gefühlsausbrüche gegen die Heiden verstanden werden.16 Oder man klassifiziert die Form des Buches als eines der „vorzüglichsten Stücke des Alten 11 12

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Vgl. etwa ROBERTS, OTL, 37; BECKING, SJOT 9 (1995), 293. YOUNG, Postcolonialism, 4 bietet die folgende Definition: „Postcolonial cultural analysis has been concerned with the elaboration of theoretical structures that contest the previous dominant western ways of seeing things.“ Als klassisches Beispiel der postkolonialen Lektüre hat FANON, Wretched of the Earth zu gelten. O’BRIEN, Nahum, 147. „In my reading, Nahum has not only literary intertexts but social and ethical intertexts as well – hate crimes, acts of domestic and ethnic violence, the struggles of the oppressed, questions of justice. Reading this book draws attention to some of my most fundamental ethical questions, questions which I seek – in reading as well as in living – to wrestle for whatever blessing they might leave behind“ (O’BRIEN, Nahum, 29). Diese Auffassung ist nicht wirklich neu, muss aber im Lichte der Überlegungen P. RAABEs neu hervorgehoben werden, da Raabe die Möglichkeit erwogen hatte, dass Fremdvölkerworte auch von nichtisraelitischen Hörern gehört wurden (vgl. RAABE , Why Prophetic Oracles against the Nations?, 236-257). P FEIFFER, Introduction, 443: „Nahum’s classic paean on the fall of Nineveh is one of the earliest and by far the best of these outbursts of hatred for the heathen kingdoms.“ Umgekehrt kann WHYBRAY , Good Life, xi in seiner Studie über das gute Leben im AT Nahum (zusammen mit Obadja, Zefanja und Habakkuk) ausklammern, da das Buch zu dieser Thematik nichts zu sagen habe.

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I. Das Buch Nahum als Ausgangspunkt der Völkerprophetie

Testamentes“.17 Diese Akzentsetzung auf die poetische Aussagekraft des Büchleins wird dann als Indiz für eine gewisse kompositorische Einheitlichkeit der Schrift genommen.18 Der Versuch, Nahum ganz aus dem liturgischen Kontext zu verstehen, (P. HAUPT, P. HUMBERT, S. DE VRIES) hat sich nicht durchgesetzt;19 ähnliches ist auch zum Bemühen von H. S CHULZ zu sagen, der das Büchlein als literarisches Kunstprodukt aus nachexilischen Kreisen beschreiben will.20 Nicht zu beweisen ist ebenfalls die These von J. JEREMIAS, die Worte im Nahumbuch hätten sich ursprünglich gegen Juda gerichtet und seien dann in babylonischer Zeit auf die Feindmacht Ninive umgedeutet worden.21Die umfangreiche Rezeption des Nahumbuches in Qumran ist ein eigenes Forschungsfeld, das hier nicht berücksichtigt werden kann.22

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GRAF BAUDISSIN, Einleitung, 537. So etwa SCHERER , ABG 23, 301-321, der aber trotzdem versucht, der literarischen Entwicklung Rechnung zu tragen und BECKING , SJOT 9 (1995), 277-296, der von „conceptual coherence“ spricht. Vgl. HAUPT, JBL 26 (1907), 1-53; HUMBERT, RHPhR 12 (1932), 1-15; DE VRIES, VT 16 (1966), 476-481. SCHULZ, BZAW 129, 104-108.133-134. Vgl. bereits HAPPEL, Nahum, der das ganze Buch in die seleukidische Zeit datieren will. JEREMIAS, WMANT 35, 1970. die These von Jeremias wird neuerdings von Wöhrle erneut vetreten (WÖHRLE, BZAW 389, 24-66) ; vgl. ähnlich ROTH, FRLANT 210, 233-276. Vgl. hierzu die umfangreichen Studien von BERRIN, STDJ 53 (mit der Rezension durch G. Doudna in RBL [www.bookreviews.org]) und BERRIN, Dead Sea Discoveries 11 (2004), 111 sowie D OUDNA , JSPE.S 35. Siehe weiterhin KRATZ , FAT 74, 99-145. Die detaillierte Untersuchung von Kratz unterscheidet sich von anderen Studien zu 4Q169 daghingehend, dass er die Auslegung im Pescher dezidiert als Fortführung der innerbiblischen Fortschreibungsprozesse des Nahumbuches sieht. Auf diese Weise gelingt es Kratz die biblische Literatgeschichte mit der Rezeption der biblischen Bücher in Qumran zu verbinden: „Doch – ohne zu ahnen oder wissen zu wollen – partizipierte er [d.h. der Pescher (A.H.)] an einer Geschichte, der Rezeption und Auslegung, die schon länger im Gange war und sich im literarischen Werden des Buches, d.h. im Rahmen der Redaktionsgeschichte, zugetragen hat“ (145).

2. Übersetzung und philologische Anmerkungen

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2. Übersetzung und philologische Anmerkungen KAPITÄLCHEN: Fett: Normal: Kursiv: Unterstreichung: Courier: Courier kursiv: Petit

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Überschrift(en) Überlieferungskerne Kompositionsschicht (ergibt zusammen mit den drei Überlieferungskernen die erste Edition des Nahumbuches) Theologisierende Ebene mit ,Babel re-lecture‘ Restaurationsebene hymnischer Vorbau (Psalm - Traditionsstück) Addition zum Psalm

diverse Zusätze und Glossen

Kapitel 1 (1) AUSSPRUCH ÜBER NINIVE; BUCH DER SCHAUUNG23 NAHUMS DES ELKOSCHITEN. (2) Ein eifernder und rächender Gott ist JHWH,24 ein Rächer ist JHWH und Herr des Zorns,25 ein Rächer ist JHWH für seine Widersacher und ein Nachtragender [Bewahrer]26 ist er für seine Feinde. (3) Langmütig ist JHWH27 und groß28 an Kraft, und ungestraft lässt er nicht;29 23 24 25 26

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Nur hier begegnet Nwzx rps vgl. dazu unten. )wnq l) nur in Jos 24,19; Nah 1,2, sonst )nq l) wie etwa in Ex 20,5; 34,14; Dtn 4,24; 5,9; 6,15. LXX übersetzt qeo\j zhlwth\j kai\ e)kdikw~n ku/rioj. hmx l(b nur in Nah 1,2; Prov 29,22; vgl. aber hmx #y) in Prov 15,18 und twmx #y) in Prov 22,24 (hier parallel zu P) l(b); zur Konstruktion vgl. GK§ 128s. LXX übersetzt e)cai/rwn für r+n, was als Verwechslung für l+n anzusehen ist (vgl. RUDOLPH, KAT XIII/3, 151 n. 2c; ROBERTS , OTL, 43 n.3). r+n II ist von r+n I. ,bewachen‘ zu unterscheiden (vgl. Cant 1,6; 8,11.12) und wohl von akk. nadåru ,wild, rabiat sein‘ (AHw II, 702; CAD N, 59) herzuleiten (so DRIVER , JThS 31 (1930/31), 361-363, siehe auch die detaillierte Diskussion in CATHCART, BibOr 26, 42-44). Allerdings ist hier zu bedenken, dass akk. nadåru zwar mit Löwe, Hund, Schwein, Schlange, Räubern und Truppen als Subjekt benutzt werden kann (siehe die Belege in CAD), aber eben nicht mit einem Gott. Was die numinose Sphäre anbelangt, erscheint es lediglich in Ludlul b∑l n∑meqi Z. 68 mit Dämonen als Subjekt: [li]bba na-ad-ru-nim-ma na-an-Δu-uz-zu i-¡á-tí¡ (zitiert nach LA M B E R T, Babylonian Wisdom Literature, 34; dt. Übersetzung nach TUAT III/1, 118: „sie gerieten in Wut gegen mich und wurden entzündet wie Feuer“, welche auf der Rekonstruktion [i]n!-naad-ru-nim-ma beruht). Zur merkwürdigen Syntax vgl. GIBSON , Syntax, 55 („cases of abnormal order involving hwhy“). Qere gibt (wie auch die Zwölfprophetenrolle von Murabba‘at) ldg. Auf der Basis von LXX (... kai\ a0qw|w~n ou0k a0qw|w&sei ku/rioj. e0n suntelei/a| ktl.) schlägt BHS vor, den Atnach hinter hwhy zu setzen (so auch FABRY, HThKAT, 125; PERLITT, ATD

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I. Das Buch Nahum als Ausgangspunkt der Völkerprophetie

JHWH ist im Sturm30 und Wetter ist sein Weg und Gewölk ist Staub seiner Füße. Er bedroht das Meer und legt es trocken,31 und alle Ströme macht er trocken es verwelkt32 Basan und Karmel, und die Blüte des Libanon verwelkt. Und Berge33 zittern vor ihm und die Hügel schwanken34 da erhebt das Land (seine Stimme) vor ihm,35 und der Erdkreis und alle, die wohnen in ihm. Vor seinem Zorn, wer steht (da),36 25/1, 7 hingegen unterschlägt das Tetragramm). Die Textänderung ist eher dem Versuch geschuldet, das Akrostichon herzustellen. Tg. stützt die Punktierung der Masoreten und liest rbdm xwrbw lw(l(b ywy. Zur Konstruktion vgl. JM §156b. LXX (e0n suntelei/a| ) liest Pws ,Ende‘ für hpws. WALTKE/O’C ONNOR , Syntax, 561 lesen die Perfekte als gnomische Perfekte (vgl. auch R UDOLPH , KAT XIII/3, 156). wh#byw (pi.) ist Kontraktion von 'byyw (vgl. GK §69u); zur weiteren Konstruktion von Nah 1,4aa siehe JM §118r. App. crit. der BHS schlägt im Anschluß an GRAY, Alphabetic Poem, 215 und DUHM, ZAW 31 (1911), 101 die Änderung des ersten llm) in wlld vor, um die d -Zeile des Achrostichon zu erhalten (GUNKEL, ZAW 13 (1893), 227, gefolgt von RUDOLPH, KAT XIII/3, 151 Anm. 4b, schlägt b)d vor). 4Q169 und Murabba‘at lesen beide Male llm) (LXX liest hier: a)peilw~n qala/ssh| kai\ chrai/nwn au)th\n kai\ pa/ntaj tou\j potamou\j e)cerhmw~n) und Barthélmy, OBO 50/3 führt den Vers nicht als textkritisches Problem auf. Das gleiche Verb im Parallelismus ist selten und an den Stellen, an denen es im Nahumbuch vorkommt (Nah 2,3 [Nw)g]; 3,15 [Klk)t]), liegen wohl Glossen vor. Die Änderung beruht aber lediglich auf metrischen Gründen, die durch die enge Parallele in Jes 19,6 (rwcm yr)y wbrxw wlld) gestützt werden kann (vgl. aber das doppelte lm) in Jes 24,4). CATHCART, BibOr 26, 50 versucht die Form aufgrund einer Verwechslung zwischen Aleph und Dalet in hebräisch-phönizischer Schrift zu erklären, muß aber zugeben: „there is still a m to be accounted for“. Da wir es hier bestenfalls mit einem unvollständigen Achrostichon zu tun haben, sollte der masoretische Text hier vielleicht beibehalten werden. Auch wenn WATSON , JSOT.S 26, 275 anmerkt, „[t]he repetition of single words within a poetic unit ... is characteristic of key-words, chiasmus in all its forms and of word pairs“, bleibt es doch spekulativ aufgrund dieser Feststellung dafür zu argumentieren, dass hier llm) ein anderes Wort ersetzt habe. Es bleibt aber doch zu überlegen, ob hier nicht ein wenig gebrauchtes Wort durch ein bekannteres ersetzt wurde, als der Psalm in das Nahumbuch eingestellt wurde. In Angleichung an Nah 1,5ab liest Muraba’at Myrhh (LXX ta\ o)/rh); mit GK §126k ist der masoretische Text beizubehalten. ROBERTS, OTL, 44 übersetzt gwm (hitpolel) in Anlehnung an Am 9,13 mit ,schmelzen‘; LXX liest kai\ oi( bounoi\ e)saleu/qhsan; aufgrund von Nah 2,7 und Ps 107,26b (ggmtt h(rb M#pn) bleibe ich bei der Übersetzung ,schwanken‘. Der Gebrauch von )#n im qal und der überraschende Narrativ sind problematisch. LXX übersetzt kai\ a)nesta&lh h9 gh= a)po\ prosw&pou au)tou=. Es stellt sich die Frage, ob ) # n intransitive Bedeutung haben kann, da die Stellen, die in der Regel als Beweis aufgeführt werden (Hos 13,1; Hab 1,3; Ps 89,10; Hi 41,17) umstritten sind. CATHCART, BibOr 26, 53 emendiert zu )#$tw von einer Wurzel h)#$ I (vgl. 2Reg 19,25; Jes 6,11; 37,26), wie es auch der Targum zu tun scheint (vgl. CATHCART /G ORDON , The Aramaic Bible 14, 132 n18); im Anschluß an RUDOLPH , KAT XIII/3, 151 soll hier von einer eliptischen Formulierung ausgegangen werden, so dass ein lwq zu ergänzen ist (vgl. Jes 3,7; Hi 21,12).

2. Übersetzung und philologische Anmerkungen

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und wer kann bestehen bei der Glut seines Zornes; sein Zorn ergießt sich wie Feuer,37 und die Felsen werden von ihm zerstört. Gut ist JHWH, wahrlich38 eine Bergfeste39 am Tag der Not und40 er kennt die, die auf ihn vertrauen,41 aber mit einer überschwemmenden42 Regenflut macht er zunichte ihren Ort43 und er verfolgt44 seine Feinde in der Finsternis.45 Was sinnt46 ihr über JHWH, er wird völlig fertigmachen! Soll der achrostische Charakter des Hymnus erhalten werden, ist zu überlegen, ob man ynpl nicht besser hinter dwm(y setzen sollte und dann die suffigierte Form wynpl zu lesen (vgl. BHS). Der emendierte Text hat dann eine schöne Parallele in Prov 27,4 dm(y ymw h)nq ynpl (vgl. SPRONK, HCOT, 44). LXX liest hier o( qumo_j au)tou~ th&kei a)rxa&j, versteht also #)k als #)r und sieht in hktn eine Pielform. Zum emphatischen Lamed, vgl. GK §143e. CATHCART, BibOr 26, 55 schlägt im Anschluß an DAHOOD (BibOr 17, 30) vor, das l in zw(ml als komparatives Lamed zu sehen, was ihn zu der Übersetzung „better is Yahweh then a fortress“ veranlaßt. Die Verwendung eines vergleichenden l findet Unterstützung durch Cant 1,2b-3; in einem späteren Aufsatz argumentiert Cathcart dann für ein sog.- ,assertive‘ Lamed (vgl. CATHCART, The Divine Warrior, 69). LXX liest toi=j u(pome/nousin au)to_n, also wywqml. RUDOLPH, KAT XIII/3, 152 gefolgt von ROBERTS, OTL, 44f. will beide Worte in den Text aufnehmen; es scheint aber als hätte der Übersetzer der LXX in Nah 1,7 den Text unter Berufung auf Thr 3,25 korrigiert (so auch, SPRONK, HCOT, 47). LEVENSON, VT 25 (1975), 792-795 erachtet zw(ml als Verlesung für wywqml; PINKER, ZAW 116 (2004), 610-613 schlägt vor, zw(ml in z( wml zu emendieren; ZALCMAN , ZAW 116 (2004), 614-615 möchte zw(m wm(l oder z( wm(l lesen, da dies das Targum erklärt und den Vers besser mit Passagen aus Joel und den Psalmen verbindet. Vgl. auch die berechtigte Zurückweisung der Vorschläge von Pinker und Zalcman durch BECKING, ZAW 117 (2005), 621-623. Zur Erhaltung des Achrostichons wäre dann das w zu streichen. WALTKE/O’CONNOR, Syntax, 139 bemerken zu wb ysx: „Prepositional phrases ... stand in a genetive role and are thus preceeded by construct forms“. Das Partizip rb( ist attributivisch gebraucht. Das Mappik ist beizubehalten, da sich das Suffix auf Ninive aus der Überschrift in 1,1a bezieht (vgl. unten literarische Analyse). LXX liest tou_j e0phgeirome/nouj also ein Partizip von der Wurzel Mwq ; DRIVER , JThS 36 (1935), 300-301 will das Mappik tilgen, um dann ,Widerstand‘ von arab. maqama zu lesen. Die von BHS angebotene Konjektur zu Pdhy ist nicht notwendig. acc. loci., vgl. JM §126h. LXX sieht in K#x das Subjekt des Satzes (kai\ tou_j e0xqrou_j au)tou= diw&cetai sko/toj). R UDOLPH , KAT XIII/3, 151 (gefolgt von PERLITT, ATD 25/1, 12) übersetzt ,zweifeln‘ für b#x , die Stichwortverbindung zu 1,11 wird so zerstört; ROBERTS, OTL, 42 gibt ,mediate against‘; b#x kann mit drei Präpositionen konstruiert werden: l) wie hier; l(, vgl. Nah 1,11 und l, vgl. Gen 15,16; Dtn 2,20, Ps 41,8.

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I. Das Buch Nahum als Ausgangspunkt der Völkerprophetie

Nicht zum zweiten Mal erhebt47 sich die Not. Denn mögen sie sich wie48 Dornen verflechten, ihrem Zechen entsprechend sind sie betrunken; sie werden gefressen, wie völlig49 trockene Stoppeln.50 Von dir zog weg51 der Böses gegen52 JHWH sinnt; er plante Unheil. So spricht JHWH:53 obschon sie vollständig sind und dermaßen zahlreich, dann werden sie vernichtet werden und verschwinden;54 ich habe dich gedemütigt, nicht werde ich dich erneut demütigen. Und jetzt werde ich sein Joch55 zerbrechen, welches auf dir liegt und ich werde deine Bande [Fesseln] zerreißen. Und JHWH hat über dich geboten, nichts soll mehr ausgesäht werden, in deinem Namen;56 LXX liest hier ou0k e0kdikh/sei di\j e0pi\ to\ au0to\ e0n qli/yei denkt also an die Wurzel Mqn; dies dürfte eine Verlesung aufgrund von Nah 1,2 sein. HIERONYMUS, CCSL 76a, 535 berichtet, dass die jüdische Exegese den Vers (historisch korrekt) dahingehend ausgelegt hat, dass JHWH Juda und Jerusalem nicht in die Hand der Assyrer geben werde, wie er es mit Samaria und den restlichen zehn Stämmen getan hatte: Non consurget duplex tribulatio, id est non uobis tradet Iudam et Hierusalem sicut tradidit decem tribus et Samariam. Das problematische d( ist nach GESENIUS, Lexicon, 564 mit ,wie‘ wiederzugeben: „(seien sie) auch wie Dornen verflochten“. )lm ist - wie in Jer 12,6; Ps 73,10 - als Adverb zu nehmen,. Der Text ist korrupt (vgl. die Liste der Übersetzungsmöglichkeiten bei SCHULZ, BZAW 129, 12 Anm. 34); LXX: o3 t i e3 w j qemeli/ o u au) t w~ n xerwqh/ s etai kai\ w( j smi= l ac periplekome/nh brwqh/setai kai\ w(j kala/mh chrasi/aj mesth/. RUDOLPH, KAT XIII/3, 152: )lm #by #qk wlk) Mybbs Mykskw Mykbs Myrc Myrys d( yk; CATHCART, BibOr 26, 30: )lm #by #qk wlk) My)wbs M)bskw Mykbs Myrys d( yk; ROBERTS, OTL, 46: )lm #by #qk wlk) My)wbs M)bsbw Mykbs Myrys d( yk. R UDOLPH, KAT XIII/3, 158 möchte, da er einen Ausfall durch Homoioteleuton hinter )lm annimmt, ein )lh einfügen. b#x nun mit l( s.o. Anm. 22. LXX fügt hinter hwhy rm) hk kata&rxwn u(da&twn pollw~n (Mybr Mym l#mh) ein. Eine Änderung des masoretischen Textes ist unnötig (vgl. die Diskussion bei SPRONK, HCOT, 69f), da davon auszugehen ist, dass der Übersetzer den Text an Sach 9,10ba (My d( Mym wl#mw) angleichen wollte. MT ,und er geht vorbei‘; lies mit Tg. und app. crit. BHS Ktyn( wrb(w (so auch RUDOLPH, KAT XIII/3, 159; ROBERTS , OTL, 47; S PRONK , HCOT, 70f.); MT scheint den Text zu korrigieren, da l(ylb C(y als konkrete Person verstanden wird. w@ h +' m o ist merkwürdige Mischform; das ,o‘ der ersten Silbe weist auf +wm ,Joch‘, die Endung wh - " auf ein Nomen h''l vielleicht h+m ,Stab‘. RUDOLPH, KAT XIII/3, 159 liegt wohl richtig, wenn er sagt: „Die zwiespältige Punktierung von M ... will offenbar beide Deutungen freigeben.“ BHS schlägt die Änderung von (rz in rkz vor und beruft sich dazu auf Tg, was aber schwierig ist (vgl. CATHCARDT / GORDON , Aramaic Bible 14, 134 Anm 41). LXX (kai\ e0ntelei=tai u9pe\r sou= ku/rioj ou0 sparh/setai e0k tou= o0nomato/j sou e0/ti) stützt MT. Das positive Bild findet sich in Jes 66,22 (Mkm#w Mk(rz dm(y Nk).

2. Übersetzung und philologische Anmerkungen

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aus dem Haus deiner Götter vertilge ich Schnitzbild und Gussbild; ich bereite dir das Grab, denn du bist nichts wert.57 Kapitel 2 (1) Siehe, auf den Bergen die Füße des Freudenboten; der verkündet Heil! Feiere deine Feste, Juda, halte ein deine Gelübde; denn nicht noch einmal wird Belijaal58 durch dich hindurchziehen; gänzlich59 ist er vernichtet. (2) Hinaufgezogen ist der, der zerstreut,60 gegen dich;61 bewache62 die Festung;63 spähe nach dem Weg; mache stark die Hüften; mache fest alle Kraft. (3) Denn JHWH hat den Stolz64 Jakobs wieder hergestellt,65 (genauso)

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wie den Stolz Israels,

denn Zerstörer hatten sie zerstört und ihre Weinranken vernichtet. Der Schild seiner67 Helden ist rot gefärbt, Eine Reihe von Emendierungen sind für MT twlq yk vorgeschlagen worden (vgl. die ausführliche Diskussion bei CATHCART, JSOT.S 230, 145-6). Die Änderung in Nwlqyq (vgl. Nwlq in Hab 2,16) wird nun durch SAA II, 11 (Treaty of Assur-Nerani V, rev. IV.16) gestützt: li¡-¡á-kin ina tub-ki-ni lu ma-a-a-al-¡ú-nu [„may their sleeping place be in the dung-heap“]; vgl. auch Tell Fakh. 22 (KAI 309): wmn qlqlt< llq†w