Studien zu Tritojesaja [Reprint 2019 ed.] 3110134349, 9783110134346

In der Reihe Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft (BZAW) erscheinen Arbeiten zu sämtlichen Ge

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German Pages 310 [308] Year 1991

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Studien zu Tritojesaja [Reprint 2019 ed.]
 3110134349, 9783110134346

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
A. Die redaktionsgeschichtliche Hypothese zu Tritojesaja im Umriß
Tritojesaja im Jesajabuch
B. Tritojesaja — Texte als Fortschreibung von Jes 40 - 55
Der Grundtext in Jesaja 60 und sein Aufbau
Lumen gentium. Exegetische Bemerkungen zum Grundsinn von Jesaja 60,1-3
Heimkehr auf der Schulter oder/und auf der Hüfte. Jes 49,22b/60,4b
Jes 60,13 - Bauholz oder Tempelgarten?
Der Rachetag in Jesaja 61,2. Ein Kapitel redaktionsgeschichtlicher Kleinarbeit
Zu jüngsten Untersuchungen von Jes 60-62
C. Die Heimkehr — Redaktion des Jesajabuches in Tritojesaja
Jes 62,10-12 als Abschluß eines Großjesajabuches
D. Tritojesaja — Texte aus der vorletzten Redaktion des Jesajabuches
Beobachtungen zu Jesaja 56-59
Jahwes Feinde in Jesaja 59
Zu jüngsten Untersuchungen von Jes 56,9-59,21;63,1-6
E. Tritojesaja — Texte aus der letzten Redaktion des Jesajabuches
Beobachtungen zur Anlage von Jes 65-66
Zu jüngsten Untersuchungen von Jes 56,1-8; 63,7-66,24
F. Ausblick
Anschlußprobleme einer redaktionellen Entstehung von Tritojesaja
Stellenregister

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Odil Hannes Steck Studien zu Tritojesaja

w DE

G

Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Herausgegeben von Otto Kaiser

Band 203

Walter de Gruyter • Berlin • New York 1991

Odil Hannes Steck

Studien zu Tritojesaja

Walter de Gruyter • Berlin • New York 1991

© G e d r u c k t auf s ä u r e f r e i e m Papier, das die U S - A N S I - N o r m über H a l t b a r k e i t erfüllt.

Die Deutsche Bibliothek



CIP-Fiinheitsaufnahme

Steck, Odil Hannes: Studien zu Tritojesaja / Odil H a n n e s Steck. — Berlin ; N e w York : de G r u y t e r , 1991 (Beihefte z u r Zeitschrift f ü r die alttestamentliche Wissenschaft ; Bd. 203) I S B N 3-11-013434-9 N E : Steck, Odil Hannes: [ S a m m l u n g ] ; Zeitschrift für die alttestamentliche W i s s e n s c h a f t / Beihefte

I S S N 0934-2575 ©

C o p y r i g h t 1991 by Walter de G r u y t e r & Co., Berlin 30

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. J e d e V e r w e r t u n g a u ß e r h a l b der e n g e n G r e n z e n des U r h e b e r r e c h t s g e s e t z e s ist o h n e Z u s t i m m u n g des Verlages unzulässig und strafbar. D a s gilt i n s b e s o n d e r e für V e r v i e l f ä l t i g u n g e n , Ü b e r s e t z u n g e n , M i k r o v e r f i l m u n g e n und die E i n s p e i c h e r u n g und V e r a r b e i t u n g in e l e k t r o n i s c h e n S y s t e m e n . Printed in G e r m a n y D r u c k : W e r n e r H i l d e b r a n d , Berlin 65 B u c h b i n d e r i s c h e V e r a r b e i t u n g : L ü d e r i t z & Bauer, Berlin 61

VORWORT Was man sich unter den letzten elf Kapiteln des Jesajabuches vorstellen soll, hat sich trotz intensiver Forschung bislang nicht klären lassen 1 . Daß man die Prophetengestalten Jesaja und Deuterojesaja in diesem Rahmen nicht mehr antrifft, ist gängige Meinung; auf wen geht dieser Textkomplex aber dann zurück? Handelt es sich hier wie in anderen Prophetenbüchern auch um aufgezeichnete Aussprüche eines einzigen oder verschiedener, im selben oder einem weiteren Zeitraum wirkender Propheten? Oder sollte man die Texte besser auf eine konventikelhafte Gemeinde zurückführen, die sich hier programmatisch von einer Gegenrichtung abgrenzt? Und wie steht es mit der Aufzeichnung solchen Gutes in Jes 56-66? Ist das Ausmaß an Eigenformulierungen bei der Verschriftung gering oder hoch, ist mit einer oder mit mehreren Redaktionen zu rechnen, entsteht dabei zunächst eine eigene Schrift Tritojesaja oder von vornherein eine Ergänzung zu Deuterojesaja, und wie ist der weitere Weg ins vorliegende Jesajabuch zu sehen? Das theologische Interesse an Tritojesajas Botschaft mit ihren lebensbreiten, sogar kosmische Erneuerung einschließenden Heilserwartungen (Jes 60-62; 65), mit ihrem volkssolidarisch-sozialen Engagement (Jes 58), mit ihren Worten zu Weltgericht und zu Scheidung zwischen Gemeinde und Volk (Jes 65-66), die in manchem wie ein Vorspiel zu Späterem, zu Aussagen aus der Makkabäerzeit und im Neuen Testament, wirken, ist hoch; die Entstehungsfragen hingegen sind nach wie vor offen und damit auch der ursprüngliche geschichtliche Lebensrahmen und Antrieb, der zu seiner Zeit zu solchen Formulierungen führte. Die hier vorgelegten Studien sind nicht mit Fragen aneignenden Verstehens befaßt, mit Impulsen also, die Tritojesaja noch heute zu geben vermag. Ihr Gegenstand sind nicht einmal historische Exegesen des ursprünglichen Sinnes von Tritojesaja-Texten in der alttestamentlichen Zeit, wenngleich diese Arbeitsgänge natürlich im Hintergrund stehen und wo erforderlich auch explizit zur Sprache kommen. Unsere Studien sind allein der grundlegenden Vorfrage nach der Entstehung der Tritojesaja-Texte gewidmet, von der alles weitere abhängt; über sie muß Klarheit gesucht werden, wenn man dem nahekommen will, was diese Texte im Bereich des Alten Testaments ursprünglich sagen wollten. Wir versuchen auf diese Vorfrage eine neue Antwort. Sie lautet kurz und bündig: Alle Tritojesaja-Texte sind von Anfang an Buchtexte, schriftlicher Ausdruck produktiver Aneignung bereits bestehender Prophetenbücher. Nicht aufgezeichnete Prophetenworte, sondern Redaktionstexte, entsprungen nicht prophetischer Verkün-

Zur Forschungsgeschichte s. jüngst S.SEKINE, Die Tritojesajanische Sammlung (s.u. 6 Anm.9), 3-23; K.KOENEN, Ethik und Eschatologie (s.u. 6 Anm.9), 1-7, dort u.ö. auch zu den Arbeiten von W.KESSLER und G.WALLIS, auf die wir in unseren Studien wie auf manche andere nur genannte aus Gründen des Raumes nicht explizit zu sprechen kommen.

VI

Vorwort

digung, sondern prophetisch-schriftgelehrtem Tradentenwirken, das sich fortschreibend insbesondere hier am Ende literarisch vorgegebener Prophetenschriften aufs neue äußert - in der Perserzeit zum erneuten Abschluß des Deuterojesajabuches und in drei Gängen zur Diadochenzeit in neuen Schlußpassagen des ganzen Jesajabuches. Was dieser Band vereinigt, sind somit Versuche, einen bisher unbegangenen Weg zu Jes 56-66 einzuschlagen. Sie knüpfen an Beobachtungen zur Genese spätprophetischer Texte an, die sich in meiner Studie »Bereitete Heimkehr« (SBS 121, 1985) zu Jes 35 aufgedrängt haben und zu der Frage führten, ob es sich mit Tritojesaja nicht entsprechend verhalten könnte; eine erste Skizze unseres Vorschlags wurde so bereits in jener Studie gegeben. Wir haben demzufolge die eingeschliffenen, aber nie gesicherten Datierungen von Tritojesaja ins 6./5 Jhdt. v.Chr. zunächst dahinten gelassen und die bislang selbstverständliche Suche nach prophetischen Einzeleinheiten in diesem Komplex zurückgestellt, um zuerst auf Innenbeziehungen der Texte untereinander und auf Außenbeziehungen der Texte zum voranstehenden Jesajabuch zu achten und zu fragen, auf welcher Ebene diese Beziehungen liegen und in welcher Richtung sie laufen. Das Ergebnis hinsichtlich der Außenbeziehungen kommt mit zahlreichen Vorarbeiten anderer überein: Tritojesaja steht auf der Empfängerseite. Strittig hingegen ist die Weise solcher Empfangerschaft. Erfolgt die Rezeption in Tritojesaja auf der mündlichen Ebene, dazu auch auf der schriftlichen oder von vornherein nur auf der schriftlichen Ebene? Wir formulieren die Regel: Querbeziehungen nach außen sind wie in Jes 35 literarischer Art, wenn der Empfangertext zu seinem Verständnis den Spendertext an seinem Ort im Buch für Verfasser und Leserrezeption als mitgegeben voraussetzt. Nach unseren Beobachtungen ist dies entgegen verbreiteter Meinung (ein Prophet Tritojesaja als Schüler Deuterojesajas) bei Tritojesaja durchweg der Fall. Handelt es sich bei den Bindungen von Tritojesaja an das Voranstehende demnach anscheinend um literarische EmpfängerSpender-Beziehungen, so läßt sich die Frage dahingehend ausweiten, ob über Beziehungen gar in »Zitaten« oder doch Formulierungen hinaus zwischen Empfanger und Spender auch Sachbeziehungen hinsichtlich der jeweiligen Kontexte und literarischen Textpositionen bestehen, ja ob auf der Empfängerseite sogar mit bewußten Ergänzungs-, Korrektur- und Gegenaussagen zu Spender-Aussagen im selben Buch zu rechnen ist. In Tritojesaja schienen uns Hinweise genug gegeben, die zu einer bejahenden Antwort leiten. Ist Tritojesaja also ein Konglomerat von literarischen Zufügungen am Ende, die sich an dem literarisch Voranstehenden orientieren und sich aus ihm speisen? Weitere Erkundungen weisen auf eine präzisere Erklärung. Nicht um einzelne Zufügungen handelt es sich, sondern um Fortschreibungen am Ende von einer die Schrift im ganzen umgreifenden, strukturierenden Valenz; ihnen entsprechen Einschreibungen entsprechender Funktion im Vorangehenden. Folglich treffen wir in Tritojesaja Eigenformulierungen von Redaktionen2, die hier am Schluß einer Schrift her-

Vgl. zur Methodik den neugefaßten §6 »Redaktionsgeschichtliche Fragestellung« in O.H. STECK, Exegese des Alten Testaments, 12 1989.

Vorwort

VII

vortreten, aber die Schrift jeweils im ganzen durchziehen und neu akzentuieren. Wir meinen vier Redaktionsgänge erkennen zu können, im Zuge derer Tritojesaja zu seiner vorliegenden Endgestalt anwächst. Vier Redaktionen, auf die eine Konvergenz von literarischen und konzeptionellen Beobachtungen deutet. Vier Redaktionen mit einer also jeweils auch sachlich eigenen Sicht, wie sich das Ergehen des Gottesvolkes und der Völkerwelt vollenden wird. Zwei Fragen vor allem erschließen die Unterschiede. Einmal: Haben die Völker einen positiven Ort in der Heilsvollendung oder gehen sie im Endgericht Jahwes unter oder wird diesbezüglich eine vermittelnde Position eingenommen? Zum anderen: Geht das Gottesvolk als ganzes seiner Heilsvollendung entgegen oder gibt es Frevel im Volk, der Umkehr erfordert, wenn man am Heil teilhaben will, oder zieht sich durch Israel gar jetzt schon eine Trennung, die unaufhebbar in den Endereignissen besiegelt wird? Solche Fragen im Verein mit literarischen und textgenetischen Beobachtungen führen in Tritojesaja eben auf vier, je in sich noch im vorliegenden Text weitgehend zusammenhängende Textflächen als Endstücke voraufgehender, literarischer Textfelder und drängen uns zu Folgerungen, wie sie unser Vorschlag unterbreitet. - Für die konkrete Gestalt dieses Vorschlags sind wenige elementare Beobachtungen wesentlich. Erstens: Ein Kernkomplex in Tritojesaja steht in literarischer und sachlicher Verbindung mit Jes 40-55; er bildet unsere erste Redaktionsebene. Zweitens: Die drei herkömmlichen Teile des Jesajabuches durchzieht eine Schicht, die gemäß literarischen Kennzeichen redaktionelle Eigenart aufweist und sachlich kohärent ist; ihr Anliegen ist die Perspektive eschatologischer Heimkehr der Diaspora angesichts des Weltgerichts, vor dem das Gottesvolk als ganzes verschont bleibt. Herausragende Eigenformulierungen finden sich besonders in Jes 11.27.35.51 und in dem Zieltext 62,10-12; sie strukturieren sachlich und positionell ein Jesajabuch, das von Jes *l-62 reicht. Wir treffen auf dieser zweiten Redaktionsebene also auf ein Großjesajabuch, das alle drei herkömmlichen Teile des Jesajabuches umfaßt, aber noch nicht den Umfang des vorliegenden Buches hat. Vor allem die Art, wie von dieser Redaktion bezüglich »Assur« und »Ägypten« gesprochen wird, deutet darauf, daß dieses Großjesajabuch in die Zeit nach Alexander d.Gr. gehört. Drittens: In literarischer wie in theologischer Hinsicht sind in Tritojesaja davon Jes *56-59 und *63-66 zu unterscheiden; die beiden Textkomplexe gehören zwei noch jüngeren Redaktionen des Jesajabuches zu, der dritten und der im wesentlichen die Endgestalt erstellenden vierten Redaktionsebene. Tritojesaja als Redaktionstext - einen oder mehrere Propheten »Tritojesaja« mit ihren Logien und eine ehedem selbständige Tritojesaja-Schrift zu deren Aufzeichnung hätte es demnach in diesem Fall nie gegeben. Man muß darüber aus unangebrachten Werturteilen nicht enttäuscht sein. Ob original mündliche Prophetie der großen Einzelgestalten oder textgebundene Tradentenprophetie wie nach unserem Vorschlag bei Tritojesaja - in der Heiligen Schrift steht beides mit demselben Gewicht, mag es sich nun um ein Wort des Jesaja oder des Deuterojesaja selbst, original auch nur durch die Brechung verschriftender Überlieferung zu erschließen, oder um eine Jesaja- oder Deuterojesajaäußerung erst der Tradenten handeln. Letzteren, diesen Stiefkindern historischer Prophetenexege-

VIII

Vorwort

se, gilt unsere Zuwendung. Sie explizieren in ihrem Tun die älteren, literarischen Worte der Einzelgestalten, ziehen sie weiter, modifizieren sie als Ausdruck prophetischer Jahwepräsenz unter neuen Erfahrungen einer späteren Zeit und geben darin ein Vorbild ab für die Schriftbindung und Innovation aller Theologie und Verkündigung im Fortgang der Zeit unter Herausforderungen, die Sinn für Neues verlangen. - Der vermessene Anspruch, mit unserem Vorschlag der Tritojesaja-Weisheit letzten Schluß zu bieten, liegt uns fern. Es wird mit unseren Studien nur eine lange bedachte und über Jahre geprüfte Einladung ausgesprochen, es bei der Erklärung des Rätsels Tritojesaja einmal auf diesem Weg zu versuchen. Der vorliegende Band umfaßt drei Arten von Beiträgen zur Frage der Entstehung von Tritojesaja. Zum einen Aufsätze zu einzelnen Texten und Einzelstellen, denen in dieser Frage entscheidende Bedeutung zukommt. Zum anderen den grundlegenden, auf dem Löwener Jesajakongreß gehaltenen Vortrag »Tritojesaja im Jesajabuch«, der nach der Skizze in SBS 121 unseren Vorschlag in methodischer und sachlicher Hinsicht als ganzen darbietet. In beiden Fällen handelt es sich um bereits veröffentlichte Arbeiten, die bis auf geringfügige Korrekturen und Ergänzungen - wie andere redaktionelle Eingriffe durch eckige Klammern gekennzeichnet - unverändert zum Abdruck kommen. Zum dritten vier für diesen Band neu geschriebene Beiträge, für jede der Redaktionsebenen, auf die wir in Jes 56-66 gestoßen sind, einen. Sie nehmen das Gespräch mit der jüngsten Tritojesajaforschung auf, die in dem Löwener Beitrag noch nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt werden konnte, also außer mit Arbeiten zu Einzeltexten neben der Dissertation von SEKINE und VERMEYLENs Eingangsvortrag auf dem Kongreß zu Löwen vor allem mit den gewichtigen Untersuchungen von KOENEN und BEUKEN sowie dessen neuem Tritojesaja-Kommentar. Auch der ganz eigene Wege beschreitende Kommentar von WATTS3 und die für einen breiteren Leserkreis bestimmte Erklärung des Zweiten Jesaja von KRAUS4 wurden eingesehen, auf eine explizite Auseinandersetzung jedoch verzichtet; zu WATTS' dramatischem Verständnis des Jesajabuchs ist in Rezensionen 5 schon das Nötige gesagt worden, bei KRAUS läßt die Abzweckung seiner Erklärung keine exegetische Einzelargumentation zu, auf die sich das Gespräch richten müßte. Absicht dieser vier neu geschriebenen Beiträge ist die Überprüfung und Verdeutlichung unseres Vorschlags angesichts der aktuellen Forschungslage. Ein fünfter, gleichfalls neu hinzugekommener Beitrag faßt am Ende Anschlußprobleme unseres Vorschlags ins Auge, die im Augenblick nur bezeichnet, in diesem Band aber nicht weiterverfolgt werden können. Eine dergestalt gewachsene Aufsatzsammlung bringt es mit sich, daß zu denselben Texten an verschiedenen Stellen gesprochen wird - dafür sei um Nachsicht gebeten. Als Orientierungshilfe ist in dem Band mit Querverweisen nicht gespart und am Ende ein ausführliches Stellenregister beigegeben worden; in 3 4

5

J.D.W.WATTS, Isaiah 34-66, Word Biblical Commentary, Waco 1987. H.-J.KRAUS, Das Evangelium des unbekannten Propheten. Jes 40-55, Kleine Biblische Bibliothek, 1990. S. zB. O.KAISER in ThLZ 114 (1989), 804-809.

Vorwort

IX

dieses wurde in Kursivziffern jeweils nachgestellt auch das Register zu SBS 121 einbezogen, weil für unseren Vorschlag wichtige Ausführungen zu einschlägigen Stellen, die hier nicht wiederholt werden sollten, sich bereits dort finden. Auf ein eigenes Literaturverzeichnis wurde verzichtet. Jeder Titel wird beim erstmaligen Auftreten vollständig ausgewiesen; beim erstmaligen Auftreten in den folgenden Beiträgen wird auf diese Fundstelle verwiesen, eigene Arbeiten erscheinen dabei nur noch mit Titelstichwort in Kursive. Schließlich sei in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt gelassen, daß wir eine literaturgeschichtliche, zeitgeschichtliche und kanonsgeschichtliche Einordnung unseres Befundes bezüglich der späten Jesajabuchredaktionen und solcher des Zwölfprophetenbuches in der Studie »Der Abschluß der Prophetie im Alten Testament« (BThSt 17, 1991) versucht haben. Aufgebaut ist der Band in sechs Teilen. Die beiden Rahmenteile nehmen jeweils Tritojesaja redaktionsgeschichtlich gesehen im ganzen in Blick; der Eingangsbeitrag (A) stellt unseren Vorschlag als ganzen vor, der Schlußbeitrag (F) benennt Anschlußprobleme unserer Fragestellung. Die vier Teile dazwischen sind den vier Redaktionsebenen in Tritojesaja gewidmet, der ältesten (B), die jedenfalls Deuterojesaja fortschreibt, und dann den drei jüngeren in ihrer Abfolge, die als Fortschreibung jeweils auf eine großjesajanische, Proto- und Deuterojesaja samt dem Kern von Tritojesaja umfassende Schrift bezogen sind die von uns so genannte Heimkehrredaktion (C), die vorletzte (D) und die Schlußredaktion (E) des Jesajabuches. Unter diesen kommt die Heimkehrredaktion im vorliegenden Band nur kurz und vor allem im Blick auf ihren Abschlußtext, Jes 62,10-12, zur Sprache, weil von ihr schon eingehend in SBS 121 und einem anderwärts erschienenen Beitrag 6 die Rede war. Viele haben zum Zustandekommen dieses Bandes geholfen; ihnen allen sei herzlich gedankt. Von Kollegen seien ausdrücklich genannt Prof. Dr. Otto Kaiser, der das Entstehen des Bandes mit Interesse und Ermutigung begleitet und ihn in die BZAW aufgenommen hat, Prof. Dr. W.A.M.Beuken/Leuven, der mir überaus anregenden, mündlichen und schriftlichen Gedankenaustausch in Tritojesaja-Fragen gewährt hat, und Dr. R.G.Kratz, mit dem ich viele Gespräche zum Grenzbereich von Deutero- und Tritojesaja führen konnte. Meine Mitarbeiter Erich Bosshard und Elisabeth Nägeli sind mir mit Überprüfungen der neu geschriebenen Beiträge, mit Anregung und Kritik hilfreich zur Seite gestanden. Meine Sekretärin, Frau Ruth Funk-Kratzer, hat das übernommene wie das neu verfaßte Textgut des Bandes mit großer Umsicht und allem Einsatz in die Gestalt einer Druckvorlage gebracht, und der Zürcher Hochschul-Verein hat durch einen namhaften Beitrag die Mitwirkung eines Redaktionsassistenten ermöglicht, der in dem bereits veröffentlichten Textgut die nötigen Angleichungen im Zitiersystem vornimmt und dem Sammelband in formaler Hinsicht eine einheitliche und druckfähige Gestalt gibt; Konrad Schmid hat diese mühsame Aufgabe sachkundig und engagiert gemeistert. Mit Dank hebe ich nicht zuletzt auch

O.H.STECK, Zions Tröstung. Beobachtungen und Fragen zu Jesaja 51,1-11 (s.u. 19 Anm.39).

X

Vorwort

die verlegerische Betreuung hervor, die die Damen und Herren vom Verlag W.de Gruyter diesen Studien haben angedeihen lassen. Nicht unerwähnt darf schließlich bleiben, daß mir mein Kollege Prof.Dr. W.Mostert in hochherziger Weise den Vortritt bei einem Forschungssemester gelassen hat, damit dieser Band wie vorgesehen erarbeitet werden konnte. Zürich, im März 1991

Odil Hannes Steck

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

V

A. Die redaktionsgeschichtliche Hypothese zu Tritojesaja im Umriß Tritojesaja im Jesajabuch I. Methodische Überlegungen zu einer Arbeitshypothese 1. Die veränderte Perspektive 2. Methodische Präzisierungen II. Skizze eines hypothetischen Ergebnisses 1. Die Schicht Jes *60-62 2. Die Schicht Jes 62,10-12 3. Die verbleibenden Schichten 3.1 Die Schicht Jes *56-59;63,1-6 3.2 Die Schicht Jes 56,l-8;63,7-66,24 III. Schlußbemerkungen

3 3 3 9 14 14 20 27 30 34 44

J. Vermeylen(Hrg.), The Book of Isaiah. Le Livre d'Isaïe. Les oracles et leurs relectures. Unité et complexité de l'ouvrage, BEThL LXXXI, Leuven 1989 , 361-406, Uitgeverij Peeters, Leuven.

B. Tritojesaja-Texte als Fortschreibung von Jes 40-55 Der I. II. III.

Grundtext in Jesaja 60 und sein Aufbau Analyse des Grundtextes Aufbau und Kohärenz des Grundtextes Externe Einflüsse auf den Grundtext

49 61 72

Zeitschrift für Theologie und Kirche 83, 1986,261-296, Verlag J.C.B.Mohr (Paul Siebeck), Tübingen.

Lumen gentium. Exegetische Bemerkungen zum Grundsinn von Jesaja 60,1-3 I. Übersetzung des Textes II. Geschichtliche Rahmenbedingungen des Textes III. Die Anlage des Textes

80 81 82 84

XII

Inhalt

IV. Der Sachgehalt des Textes V. Ausblick

87 95

W.Baier u.a.(Hrg-), Weisheit Gottes - Weisheit der Welt. Festschrift für Joseph Kardinal Ratzinger zum 60.Geburtstag, Band II, 1987, 1279-1294, EOS Verlag Erzabtei St. Ottilien.

Heimkehr auf der Schulter oder/und auf der Hüfte. Jes 49,22b/60,4b

97

Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 98 (1986), 275-277, Verlag Walter de Gruyter, Berlin - New York.

Jes 60,13 - Bauholz oder Tempelgarten?

101

Biblische Notizen 30 (1985), 29-34, Prof. Görg, Bamberg.

Der Rachetag in Jesaja 61,2. Ein Kapitel redaktionsgeschichtlicher Kleinarbeit I. 61,2 im Gesamtkontext von Jes 61 II. 61,2 und der traditionsgeschichtliche Hintergrund von Jes 61 III. 61,2 im weiteren literarischen Kontext von Jes 61 IV. 61,2 - Vermutungen zum ursprünglichen Text

106 106 108 110 116

Vetus Testamentum 36 (1986), 323-338, Verlag EJ.Brill, Leiden.

Zu jüngsten Untersuchungen von Jes 60-62 I. Literarische Schichten und ihre Zuordnung II. Die Entstehung der Grundschicht in Jes 60-62

119 120 129

Unveröffentlicht.

C. Die Heimkehr-Redaktion des Jesajabuches in Tritojesaja Jes I. II. III.

62,10-12 als Abschluß eines Großjesajabuches Zu Verständnis und Eigenart des Textes Zur literarischen Zuordnung des Textes Präzisierungen im Rahmen einer Jesajaredaktionsgeschichte

Unveröffentlicht, unter Aufnahme der Predigtmeditation Jesaja 62,6-7.10-12, Göttinger Predigtmeditationen 43 (1988/89), 414-420, Verlag Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen.

143 143 154 159

Inhalt

XIII

D. Tritojesaja-Texte aus der vorletzten Redaktion des Jesajabuches Beobachtungen zu Jesaja 56-59 I. Jes 56-57 II. Jes 58-59 III. Folgerungen für die Entstehung von Jes 56,9-59,21

169 170 177 182

Biblische Zeitschrift NF 31 (1987), 228-246, Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn.

Jahwes Feinde in Jesaja 59

187

Biblische Notizen 36 (1987), 51-56, Prof.Görg, München.

Zu jüngsten Untersuchungen von Jes 56,9-59,21;63,1-6 I. Zur Frage nach Tradition und Redaktion in Jes *56-59; 63,1-6 1. Jes 56,9-57,21 2. Jes 58-59 3. Jes 63,1-6 II. Zum Aufbau von Jes 58,1-12

192 195 197 203 209 211

Unveröffentlicht.

E. Tritojesaja-Texte aus der letzten Redaktion des Jesajabuches Beobachtungen zur Anlage von Jes 65-66 I. Entsprechungen in der Anlage von Jes 65-66 II. Zum Verhältnis von Jes 63,7-64,11 und Jes 65-66 III. Zur Anlage von Jes 65-66 im ganzen IV. Zur literarischen Eigenart von Jes 65-66 V. Schematische Übersicht zur Anlage von Jes 65-66

217 217 221 225 227 227

Biblische Notizen 38/39 (1987), 103-116, Prof.Görg, München.

Zu jüngsten Untersuchungen von Jes 56,1-8; 63,7-66,24 I. Zum Gebet Jes 63,7-64,11 II. Zur Frage nach Tradition und Redaktion in Jes 56,1-8; 65-66 1. Jes 56,1-8 2. Jes 65-66

229 233 242 244 248

XIV

Inhalt

III. Jüngste Untersuchungen zu Jes 66 und zur Endredaktion des Jesajabuches

262

Unveröffentlicht.

F. Ausblick Anschlußprobleme einer redaktionellen Entstehung von Tritojesaja I. Das Problem einer Tradentenprophetie II. Das Problem der Datierung III. Das Problem der Hermeneutik der Redaktionsaussagen IV. Das Problem der Tradenten, ihrer Anhänger und Gegner

269 270 273 274 275

Unveröffentlicht.

Stellenregister

280

A. Die redaktionsgeschichtliche Hypothese zu Tritojesaja im Umriß

TRITOJESAJA IM JESAJABUCH Das Ziel meiner Ausführungen ist - unnötig zu sagen - nicht der hochgegriffene Versuch, eine hieb- und stichfeste Lösung des Tritojesaja-Problems zu präsentieren. Das Ziel ist vielmehr eine mit Gründen ausgesprochene Einladung, das Forschungsrätsel dieser elf Schlußkapitel des Jesajabuches historisch einmal aus einer anderen als der gängigen Perspektive zu sehen; vielleicht vermag ein solcher Wechsel im Ansatz uns einer Lösung näherzubringen. Der erste Teil unseres Beitrags dient der methodischen Begründung der veränderten Perspektive, der zweite Teil ihrer sachlichen Kräftigung durch den Versuch, aus analytischen und synthetischen Beobachtungen vorschlagsweise ein Gesamtbild zum Thema »Tritojesaja im Jesajabuch« zu skizzieren.

I. Methodische Überlegungen zu einer Arbeitshypothese 1. Die veränderte Perspektive Hier muß am Anfang ein Appell stehen. Dieser Appell lautet: Ziehen wir doch einmal in Zweifel, daß Tritojesaja einst eine selbständige, prophetische Schrift war mit einer Entstehungsgeschichte, wie man sie herkömmlich für alttestamentliche Prophetenbücher annimmt! Beschränken wir uns auf der Suche nach tragfahigen historischen Ergebnissen zu Tritojesaja nicht länger auf Jes 5666; es ist an der Zeit, sich aus dem Banne der These Bernhard DUHMS1 ZU lösen und zuerst einmal diese elf Kapitel im Rahmen und Zusammenhang des ganzen Jesajabuches zu untersuchen! Vergessen wir also das Dogma der Dreiteilung des Jesajabuches mit einer separaten Schrift »Tritojesaja«, hinter der doch auch Verkündigungsprophetie mit einem eigenen Kerygma stehen müsse! Blasen wir das Unternehmen ab, nur im engen Revier von Jes 56-66 Jagd zu machen auf einen oder mehrere Verfasser, auf Sammler, Redaktoren dieses separaten Buches und auf Datierungen der Textstücke in der Bandbreite von mehr als einem halben Jahrtausend - diese ganze Jagd ist doch bis zur Stunde ohne sichere Beute geblieben, oder vornehmer mit den Worten Otto KAISERS gesagt, in dessen Einleitung es von der ersten bis zur jüngsten Auflage mit Recht heißt: »Zu den immer noch nicht befriedigend gelösten Problemen der prophetischen Überlieferung gehört die Frage nach der literarischen Einheit, Eigenart und zeitlichen Ansetzung von Jes 56-66«2.

1 2

B.DUHM, Das Buch Jesaja, 1892, 4 1922= 5 1968, 7ff.14f.418f. O.KAISER, Einleitung in das Alte Testament, ' l 9 6 9 , 207; 5 1984, 281.

4

Die redaktionsgeschichtliche Hypothese im Umriß

362/3

Warum unser Appell zur Kehrtwendung? Weil endlich wieder die zahlreichen Querbeziehungen ernstgenommen werden müssen, die von Tritojesaja zurück zu Jes 1-55 laufen! Unter diesen Querverbindungen finden nur die von Tritojesaja zu Deuterojesaja nach wie vor eine allgemeine Beachtung; in den Untersuc h u n g e n v o r a l l e m v o n CHEYNE, ZILLESSEN, ABRAMOWSKI, ELLIGER, ODE-

BERG und ZIMMERLI3 sind die mehr oder minder auffallenden zusammengestellt, wenngleich recht unterschiedlich ausgewertet. Viel zu wenig bewußt blieb, daß es auch Querverbindungen von Tritojesaja in den Bereich Protojesaja gibt. Die älteren Kommentare, die noch das Jesajabuch im ganzen bearbeiteten, und die minutiösen, sprachvergleichenden Untersuchungen von CHEYNE und ODEBERG haben sie vermerkt; im ganzen aber blieb der Einfluß von DUHM und ELLIGER SO dominierend, daß ansonsten nur wenige auf Verbindungen zwischen Trito- und Protojesaja und deren Bedeutung für das Ganze des Jesajabuches geachtet haben. B e s o n d e r s die N a m e n LIEBREICH, BECKER, LACK, ACKROYD, VERMEYLEN, CLEMENTS sind zu nennen und j ü n g s t v o r a l l e m RENDTORFF und

BEUKEN4. Was immer an Verbindungen Tritojesajas zu Jes 1-55 in der Forschung herausgestellt wurde, hat freilich die ganze Fülle der möglichen Querbeziehungen durch das Jesajabuch noch keineswegs ausgeschöpft, weil sich

3

T.K.CHEYNE,

Einleitung

in

das

Buch

Jesaja,

(engl.

1895),

1897;

A.ZILLESSEN,

» T r i t o j e s a j a « u n d D e u t e r o j e s a j a , Z A W 2 6 ( 1 9 0 6 ) , 2 3 1 - 2 7 6 ; R . ABRAMOWSKI, Z u m l i t e r a r i s c h e n P r o b l e m d e s T r i t o j e s a j a , T h S t K r 9 6 - 9 7 ( 1 9 2 5 ) , 9 0 - 1 4 3 ; K.ELLIGER, D i e E i n h e i t d e s

Tritojesaja, BWANT 45, 1928, DERS., Der Prophet Tritojesaja, ZAW 49 (1931), 112141; DERS., Deuterojesaja in seinem Verhältnis zu Tritojesaja, BWANT 63, 1933; H.ODEBERO, Trito-Isaiah (Isaiah 56-66). A Literary and Linguistic Analysis, Uppsala 1931; W.ZIMMERLI, Zur Sprache Tritojesajas (1950), wieder abgedruckt in: DERS., Gottes Offenbarung. Gesammelte Aufsätze, TB 19, 2 1969, 217-233. Unter den Monographien und Kommentaren zu Jes 40-66 oder Jes 56-66 aus der Folgezeit, die natürlich sämtlich auf die Beziehungen Tritojesajas zu Deuterojesaja zu sprechen kommen, ist in dieser Hinsicht besonders P.-E.BONNARD, Le Second Isaîe, son disciple et leurs éditeurs. Isaïe 40-66, Paris 1972 hervorzuheben. 4

L.J.LIEBREICH, The Compilation of the Book of Isaiah, JQR 46 (1955-1956), 259-277; JQR 47 (1956-1957), 114-138; J.SCHREINER, Das Buch jesajanischer Schule, in: J.SCHREINER (Hrg.), Wort und Botschaft, 1967, 158-178; J.BECKER, Isaias - der Prophet und sein Buch, SBS 30, 1968; R.LACK, La symbolique du livre d'Isaïe, AnBib 59, Rom 1973; P.R.ACKROYD, Isaiah I-XII: Presentation of a Prophet, in: Congress Volume Göttingen 1977, VT.S 29, 1978, 16-48; J.VERMEYLEN, Du prophète Isaïe à l'apocalyptique, I, Paris 1977; II, Paris 1978; R.E.CLEMENTS, Isaiah 1-39, London 1980, 2-23; DERS., The Prophecies of Isaiah and the Fall of Jerusalem in 587 B.C., VT 30 (1980), 421-436; DERS., The Unity of the Book of Isaiah, Interp 36 (1982), 117-129; DERS., Beyond Tradition-History. Deutero-Isaianic Development of First Isaiah's Themes, JSOT 31 (1985), 95-113; R.RENDTORFF, Das Alte Testament. Eine Einführung (1983), 2 1985, 201-212; DERS., Zur Komposition des Buches Jesaja, VT 34 (1984), 295-320; W.A.M.BEUKEN, Isa. 56:9-57:13 - an Example of the Isaianic Legacy of Trito-Isaiah, in: FS J. Lebram, Leiden 1986, 48-64. Ferner seien genannt: B.S.CHILDS, Introduction to the Old Testament as Scripture, Philadelphia 1979, 311-338; M.FLSHBANE, Revelation and Tradition: Aspects of Inner-Biblical Exegesis, JBL 99 (1980), 343-381; DERS., Biblical Interpretation in Ancient Israel, Oxford 1985; G.T.SHEPPARD, The Anti-Assyrian Redaction and the Canonical Context of Isaiah 1-39, JBL 104 (1985), 193-216.

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Tritojesaja im Jesajabuch

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die Entdeckungen hier begreiflicherweise zunächst nur an das Offenkundige halten - an Zitate, Wendungen, herausragende Begriffe, Einzelthemen -, während von diesem trittfesten Boden aus den freieren Beziehungen und beabsichtigten Gegenformulierungen noch kaum nachgefragt wurde. Mir selbst haben sich auf der Suche nach dem Ort von Jes 35 im Jesajabuch einer wichtigen Spur VERMEYLENS folgend Querbeziehungen beim Thema Heimkehr Israels nach Zion ergeben, die sich auf alle drei Teile des Corpus erstrecken und zu Vermutungen in der Frage »Tritojesaja im Jesajabuch« schier von selbst weiterdrängen 5 . Rolf RENDTORFF hat 1983 die Forschungsperspektive knapp und präzise formuliert, die solche Querbeziehungen zwischen Tritojesaja und Jes 155 eröffnen; er hat in ihnen einen Hinweis darauf gesehen, »daß III (Tritojesaja) nicht als selbständige Sammlung existierte, die an I (Protojesaja) und II (Deuterojesaja) angehängt wurde, sondern daß die Entstehung von III (Tritojesaja) im Zusammenhang mit der Komposition des ganzen Jesajabuches gesehen werden muß«6. Meiner Meinung nach stellt sich die Frage »Tritojesaja im Jesajabuch« heute - bei offenem Ergebnis - in der Tat so und nicht anders; ja mehr noch, sie stellt sich so nicht nur als ein Tritojesaja-Problem unter vielen anderen, sondern als das Tritojesaja-Problem, das jetzt primär und vorrangig bearbeitet werden muß! Es ist die Ausgangsfrage beim Gegebenen, das nicht aus drei irgendwie zusammengekoppelten Schriften besteht, sondern aus einem Buch, in dem der eine Jesaja gemäß dem geschichtlichen Gepräge, das den Texten eignet, zu drei Zeitbereichen und ihrer Zukunft das Wort nimmt - zur assyrischen, zur babylonischen und zur nachbabylonischen Zeit Israels; so gesehen ist Jes 56-66 zuerst allenfalls ein Abschnitt in diesem Buch, mehr nicht! Natürlich hebt dieser elementare Zutritt zu Tritojesaja, den unser Appell in den Vordergrund rückt, die Fragestellungen und Einsichten der bisherigen Forschung nicht auf; solange aber die Grundfrage, wie sich Jes 56-66 zu Jes 1-55 historisch verhalten, offen ist, sind alle Bemühungen, die sich allein auf Tritojesaja beschränken oder allenfalls auf Jes 40-66, vollkommen relativiert, so wichtig ihre Einzelbeobachtungen auch bleiben. Relativiert werden vor allem scheinbar selbstverständliche Erwartungen an die Genese von Tritojesaja. Unter Verzicht auf eine verläßliche Klärung der genannten Grundfrage hat man sich, wie mir scheint, allzulange die Entstehung der von DUHM propagierten Schrift Jes 56-66 wie die Entstehung der überlieferten Prophetenbücher vorgestellt. Man rechnet - vom Ende her gesehen - demgemäß auch hier mit Redaktionsvorgängen, mit Teilsammlungen und kommt schließlich bei verschrifteten und letztlich mündlichen, kleinen Einheiten an. Diese einzelnen Prophetenlogien, in denen man den oder die Propheten »Tri-

O.H.STECK, Bereitete Heimkehr. Jesaja 35 als redaktionelle Brücke zwischen dem Ersten und dem Zweiten Jesaja, SBS 121, 1985, besonders 65-79; vgl. schon VERMEYLEN, Prophète, 446.489.749 und DERS., La composition littéraire de l'»Apocalypse d'Isale« (Is. XXIV-XXVII), EThL 50 (1974), 6-38, dort 35. In der literarischen Einordnung konnte ich V. freilich nicht zustimmen. RENDTORFF, Einführung, 211. Vgl. jüngst auch D.G.MEADE, Pseudonymity and Canon, WUNT 39, 1986, 26-43.

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tojesaja« zu finden glaubt, bilden den Kern für das Werden der prophetischen Schrift. W a s aber sind die Bedingungen für die Annahme derartiger Kernaussagen? Solche Prophetenlogien stehen formgeschichtlich und sachlich auf sich, sie sind ursprünglich darauf angelegt, als Einzeltexte verstanden zu werden, sie tragen ihren Aussagehorizont in sich, sie sind älter als Zusätze oder Redaktionsaussagen, die auf sie Bezug nehmen, und vor allem: D e r literarische Kontext, in dem sie jetzt stehen, ist nachweislich sekundär, ist für solche Logien nicht konstitutiv, es handelt sich vielmehr um Worte, die bei ihrer Entstehung von ihrem literarischen Kontext unabhängig sind. Ich denke, diese Sicht der Entstehung von Prophetenbüchern hat sich weithin bewährt, w i e i m m e r man im einzelnen urteilt - auch bei Deuterojesaja und auch bei Protojesaja. D i e Frage ist freilich, ob sie auch für DUHMS Tritojesaja-Schrift zutrifft. Zu den Relativierungen gehört auch, daß sich in der F o l g e unserer Perspektive im Falle Tritojesaja viele, bisher reichlich traktierte Fragen anders stellen. Etwa die literarkritischen, w i e sie ABRAMOWSKI7, gegenläufig ELLIGER8 und neuerdings in verschiedener W e i s e WESTERMANN, PAURITSCH, SEHMSDORF, VERMEYLEN, SEKINE, KOENEN 9 mit redaktionellen Konsequenzen im Binnen-

7 8 9

ThStKr 1925. S. die oben Anm.3 genannten Arbeiten. C.WESTERMANN, Das Buch Jesaja Kapitel 40-66, 4 1981, 236-246 mit inhaltlich orientierten Schichtungen; K.PAURITSCH, Die neue Gemeinde: Gott sammelt Ausgestossene und Arme (Jesaja 56-66), AnBib 47, Rom 1971; E.SEHMSDORF, Studien zur Redaktionsgeschichte von Jesaja 56-66, ZAW 84 (1972), 517-576; VERMEYLEN, Prophète, 451-517, vgl. aber jetzt seinen Entwurf zum Werden des ganzen Jesajabuches in dem gewichtigen Eingangsbeitrag »L'unité du livre d'Isale« in dem von ihm herausgegebenen Band: The Book of Isaiah. Le livre d'Isaïe, BEThL 81, Leuven 1989, 11-53; S.SEKINE, Redaktionsgeschichtliche Studie zum Tritojesajabuch, ev.-theol. Dissertation München, 1984 (Masch.) [inzwischen überarbeitet erschienen unter dem Titel: Die Tritojesajanische Sammlung (Jes 56-66) redaktionsgeschichtlich untersucht, BZAW 175, 1989; in den wieder abgedruckten Beiträgen dieses Bandes sind wie bei der Dissertation von KOENEN die Seitenzahlen der Masch.-Fassung belassen, die der Druckfassung in eckigen Klammern beigefügt], der [...] neben seiner eigenen Analyse von Jes 56-66 vor allem eine gründliche Kritik der stilistischen Argumentation ELLIGERS und dessen Ein-Verfasser-Hypothese beisteuert (258ff [242ff]), die schon angesichts der gravierenden Differenzen bezüglich der Erwartungen für Israel und die Völker innerhalb von Jes 56-66 - trotz ELLIGER, ZAW 1931 - mehr als unwahrscheinlich ist und derzeit kaum mehr Gegenliebe findet; K.KOENEN, Ethik und Eschatologie im Tritojesajabuch. Eine literarkritische und redaktionsgeschichtliche Studie, ev.-theol. Dissertation Tübingen, 1987 (Masch.) [inzwischen überarbeitet erschienen unter demselben Titel, WMANT 62, 1990], der ebenso im literarischen Binnenhorizont von Jes 56-66 verbleibt und meint, mit einer literarkritischen Unterscheidung von Glossen, Einzeltexten, einer Grundschicht aus jeweils selbständigen Texten des Deuterojesajaschülers Tritojesaja sowie einer Redaktionsschicht wieder eine selbständige Schrift »Tritojesaja« aus der zweiten Hälfte des 5.Jhdts. begründen zu können - trotz der häufig umsichtigen Begründungen hat mich diese Arbeit aus methodischen (Ausblendung der Frage einer redaktionsgeschichtlichen Genese des gesamten Textbestandes von Jes 56-66 im Blick auf Jes 40-55 und 1-39) wie aus vielfachen exegetischen (Kontexte!; Völkeraussagen, besonders in Jes 59 und 63,1-6) Gründen in ihrer altvertrauten Gesamtthese nicht überzeugt.

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bereich Tritojesaja verfolgt haben; sind die in diesen Arbeiten präsentierten Zertrennungen und Zuweisungen noch haltbar, wenn man Tritojesaja anläßlich der Grundfrage gar von Anfang an in einem größeren literarischen Rahmen und mit einer davon bestimmten Eigenart der Formulierung sehen muß? Auch die synchron-sprachwissenschaftliche Binnenuntersuchung der Textoberfläche von Jes 56-59 durch POLAN10 bedarf der Gegenprobe aus diachron-redaktionsgeschichtlicher Hinsicht auf das Jesajabuch im ganzen. Weil er im Binnenraum von Tritojesaja verbleibt, scheint mir auch ein so anregender, endlich die Fixierung auf Einzel Verfasser überwindender Versuch wie der von HANSON11 methodisch verfrüht; vor der Frage, wer in Jes 56-66 warum zu wem spricht, muß die andere geklärt sein, was in welcher Eigenart in welchem literarischen Zusammenhang und Rahmen gesagt wird und welche entstehungsgeschichtlichen und sachlichen Schlüsse sich deshalb nahelegen 12 . Auch die ebenso beliebte wie umstrittene Annahme einer Schule, die hinter Tritojesaja und dem Traditionsprozeß Jesajabuch im ganzen stehe 13 , muß noch warten, bis wir in der grundlegenden Ausgangsfrage klarer sehen, auch wenn solche Bestimmungen prinzipiell mit Recht literarischen Analysen und Synthesen historische Anschaulichkeit geben und die Tritojesaja-Texte auch hinsichtlich der Produzenten in ihrem ursprünglichen Leben zeigen wollen. Doch auch hier gilt: Man soll das Fell nicht verteilen, ehe man den Bären erlegt hat. Halten wir uns beim Thema »Tritojesaja im Jesajabuch« unserem Appell zu einer veränderten Perspektive folgend also an die Grundfrage in ihrer ganz elementaren Gestalt. Das heißt: Ein Abschnitt im Jesajabuch, genannt »Tritojesaja«, ist im Gesamtrahmen von Jes 1-66 zu sehen, zu untersuchen, und in diesem Rahmen ist zu fragen, welche historischen Perspektiven sich für seine Entstehung nahelegen. Dieser vordringlichen Grundfrage sind die Einzelerkenntnisse und Binnenuntersuchungen der bisherigen Forschung zu Tritojesaja in wechselseitiger Kritik zuzuordnen. Auf der Grundlage der so gewonnenen Einsichten können und müssen dann auch die Fragen nach zeitgeschichtlichen Indizien, nach Propheten, Verfassern, Sammlern, Schulen, theologiegeschichtlichen

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G.J.POLAN, In the Ways of Justice Toward Salvation. A Rhetorical Analysis of Isaiah 5659, America.- University Studies VII, Vol. 13, New York 1986. P.D.HANSON, The Dawn of Apocalyptic, Philadelphia (1975) 1979, 32-208.388f; vgl. dazu die Rezensionen von P.R.ACKROYD, Interp 30 (1976), 412-415 und R.P.CARROLL, JSOT 14 (1979), 3-35. Vollends ist für polit-sozial-henneneutische Bestimmungen zu Tritojesaja und zum Jesajabuch im ganzen, wie sie W.BRUEGGEMANN (Unity and Dynamic in the Isaiah Tradition, JSOT 29, 1984, 89-107) vornimmt, die Textbasis noch lange nicht erstellt. Entsprechende Äußerungen finden sich schon bei A. DILLMANN, Der Prophet Jesaja, ^ 1890, 354; CHEYNE, Einleitung, 15*, u n d reichen b i s zu J.H.EATON, T h e Origin of the

Book of Isaiah, VT 9 (1959), 138-157; DERS., The Isaiah Tradition, in: FS P.R. Ackroyd, Cambridge-New York 1982, 58-76; J.M.VINCENT, Studien zur literarischen Eigenart und zur geistigen Heimat von Jesaja, Kap.40-55, BET 5, Frank furt-Bem-Las Vegas 1977; D.MICHEL, Deuterojesaja, TRE VIII, 1981, 510-530, dort 521. Vgl. kritisch dazu im Blick auf Jes 40-55 CLEMENTS, JSOT 1985, 113; H.-J.HERMISSON, Deuterojesaja-Probleme, VF 31 (1986), 53-84, besonders 66ff.

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und sozialen Gruppen, die in Jes 56-66 zutage treten, positiv oder negativ wieder aufgenommen werden - als cura posterior. Unsere Frage nach dem Verhältnis des Abschnitts Tritojesaja zu Gesamtjesaja schließt natürlich auch die historische Frage nach Komposition und Absicht ein, die das Jesajabuch zu der Zeit prägen, als es die uns vorliegende Endgestalt erhalten hat, wobei ich von dem wichtigen Problem der besonderen Sinnakzente in der Septuaginta-Fassung 14 hier einmal absehe. Zur Frage nach dieser Endgestalt sind in den letzten Jahren besonders von ACKROYD, CHILDS, CLEMENTS und RENDTORFF15 wichtige Beobachtungen beigesteuert worden; sie liegen jedoch, wie RENDTORFF selbst betont 1 6 , nicht alle auf einer Ebene, und es besteht gewiß Einigkeit, daß die Frage nach der Intention der Endgestalt durch den synchronen Aufweis von gesamtjesajanischen Interrelationen zwar mit Nachdruck aufgeworfen, aber noch nicht gelöst ist. Zur Lösung bedarf es vielmehr der historischen, der redaktionsgeschichtlichen und kompositionsgeschichtlichen Fragestellung. Also - die Absicht und Sinngebung, die mit der vorliegenden Gesamtkomposition Jesajabuch bei seiner Entstehung gegeben war, läßt sich dadurch erheben, daß man das Gesamtwerk im Lichte der Akzente sieht, die die Schlußschicht hier gesetzt hat. Um diese Akzente erheben zu können, muß man aber wissen, was davor war, wie das Jesajabuch in Stadien vor der Schlußschicht ausgesehen hat und akzentuiert war, und in unserem Fall insbesondere, ab wann welche Texte aus Tritojesaja in dieser Werdegeschichte des Jesajabuches bis hin zur Endgestalt ins Spiel kommen; entsprechend muß hier speziell vom Jesajabuch in seinem Werden von der Exilszeit bis zum Erreichen seiner Endgestalt die Rede sein 17 . Was ich dazu im folgenden als Perspektive für »Tritojesaja im Jesajabuch« bieten kann, ist nicht mehr als eine Arbeitshypothese. Ihrzufolge ist zu prüfen, ob sich die Entstehung der Aussagen in Jes 56-66 nicht einleuchtender begreifen läßt, wenn man die Annahme einer ehedem selbständigen - oder allenfalls im literarischen Anschluß an Jes 40-55 gebildeten - Schrift »Tritojesaja« aufgibt und damit auch die in der Ära der Formgeschichte schier selbstverständliche Erwartung verabschiedet, auch hinter dieser Prophetenschrift müßten sich noch

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Vgl dazu jetzt A.VAN DER Koou, Die alten Textzeugen des Jesajabuches, OBO 35, Fribourg-Göttingen 1981, 22-73. S. die Hinweise oben Anm.4; vgl. jetzt auch J.D.WATTS, Isaiah 1-33, Waco 1985, XXIIIff [; DERS., Isaiah 34-66, W a c o 1987]. v x

1984j

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Daß das Jesajabuch im Protojesaja-Bereich eine literarische Vorgeschichte hat, die erheblich in die vorexilische Zeit zurückreicht, scheint mir angesichts der neueren Arbeiten von VERMEYLEN (S. die Hinweise oben Anm.4), H.BARTH (Die Jesaja-Worte in der Josiazeit, WMANT 48, 1977), CLEMENTS, Isaiah 1-39 und H.WILDBERGER (Jesaja, 3.Teilband, 1982, 1529-1576) nach wie vor das nächstliegende; schon die komplizierte Gestalt von Jes 1-11 und die Doppelung zweier Unheil-Heil-Komplexe in Jes (L.)2-ll und Jes 28-32 weisen in die Richtung von mindestens zwei vorexilischen Sammlungen. Doch lassen wir die Frage hier unerörtert, da im Blick auf Tritojesaja zweifellos erst die exilische Gestalt des Jesajabuches relevant ist.

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kleinere, ehedem eigenständige Verkündigungseinheiten einer von Haus aus mündlichen Logienprophetie namens »Tritojesaja« isolieren lassen, die dann erst nachträglich in dieser Schrift gesammelt bzw. mehr oder minder produktiv redigiert wurden. Es könnte sich bei Jes 56-66 - historisch im Prinzip genauso möglich - jedoch auch einmal anders verhalten. Die Texte von Jes 56-66 könnten von Anfang an als literarische Fortschreibungen älterer Schriften im Jesajacorpus entstanden sein, als produktive Tradentenprophetie also, die bestehende Schriften an deren Ende bewußt weiterführen, ergänzen, sachlich auf Grund von Herausforderungen einer jüngeren Zeit neu akzentuieren will.

2. Methodische Präzisierungen Diese veränderte Perspektive bedarf im Blick auf den Forschungsstand der methodischen Präzisierung in drei Bemerkungen. Erstens: Mit unserer Arbeitshypothese, die Tritojesaja-Texte von vornherein als redaktionelle Fortschreibungstexte anzusehen, gerät man in der gegenwärtigen Forschungssituation schnell zwischen zwei Feuer. Auf der einen Seite herrscht in der heutigen Prophetenexegese immer noch die Untersuchungsgrenze von Perikopen, in der vorgeblich literarische Brüche im Verein mit formgeschichtlich-biographischen Postulaten in engem Rahmen zu schnell zur Unterscheidung von kleinen Einheiten und jüngeren Zusätzen führen. Hier wird doch zu rasch gefunden, was man sucht. Es fehlt die Gegenprobe, die perikopenbegrenzte Literarkritik und Formgeschichte möglicherweise in Schranken weist, weil ein ursprüngliches Sinngefüge des engeren und weiteren literarischen Kontextes mit in Betracht gezogen wird. Ohne diese unerläßliche Gegenprobe läßt sich nicht sichern, ob der untersuchte Einzeltext von Haus aus ein »Text im Buch« ist oder auf ein mündliches Einzellogion zurückgeht. Das andere Feuer ist die gegenteilige Position, der aus Überzeugung oder Resignation genährte Verzicht auf textgenetische Fragestellungen und die Beschränkung der Sinnbestimmung auf den Rahmen der Komposition im vorliegenden Endtext-Zusammenhang - aber wie soll man bei den komplexen, ja kontradiktorischen Aussagen eines Prophetenbuches den gewollten Sinn der Endgestalt ermitteln ohne die diachrone Perspektive, die auf die redaktionell-positionellen Leseanleitungen für die Gesamtschrift führt, mit denen Komplexitäten und Kontradiktionen für den Leser in teilgültige und endgültige Aussagen aufgeteilt werden? Unsere Fragestellung versteht sich demgegenüber als historisch auf die Textentstehung gerichtete, aber eben im Falle Tritojesaja mit veränderter Erwartung. Zweitens: Mein Wechsel zu einer anderen Arbeitshypothese für die Entstehung von Jes 56-66 ist nicht einfach aus methodisch-abstrakten Überlegungen erwachsen. Er hat sich mir, wenn dieser persönliche Aspekt gestattet ist, gleichsam ungesucht aufgedrängt im Gefolge anderer Beobachtungen zu Spätphasen im Werden des Jesajabuchs. Bei der Arbeit an der erwähnten Studie zu Jes 35 bin ich auf eine Gestalt des Jesajabuches gestoßen, die unten im zweiten Teil in Abschnitt zwei etwas näher vorgestellt werden soll. In diesem Jesajabuch werden wahrscheinlich erstmals beide Großteile des Jesajabuches verbunden,

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nämlich Jes *l-39 und Jes *40ff. Aus dem Zweiten Jesaja erscheint dabei nur Jes 40-55 + *60-62 aufgegriffen; die Heimkehr der Diaspora angesichts des totalen Weltgerichts ist das Leitthema, die Formulierung des Aspekts der Ankunft in 62,10-12 der redaktionelle Abschluß des Ganzen. Ist dieses Jesajabuch wohl aus der frühen Diadochenzeit richtig gesehen, dann fällt die literarische Einheit der DUHMschen Schrift Tritojesaja, denn Jes 63-66, aber auch 56-59 sind in diesem Jesajabuch noch nicht enthalten, wie sich aus fehlenden Querverbindungen und Differenzen des Sachprofils gleichermaßen ergibt. Ein zweiten Stoß hat für mich das Tritojesajabild der vielen formgeschichtlich geprägten Nachfolger Duhms durch Beobachtungen am Redaktionstext Jes 35 erfahren. Hier zeigt sich, wie schriftgelehrt-kontextgebunden solch späte Tradentenprophetie auch ohne zitierende Bezugnahmen zu ihren ins Buch eingeschriebenen Redaktionsformulierungen kommt. Ich meine im ganzen Bereich Tritojesaja auf entsprechende, textgenetische Beobachtungen zu stoßen; das hat die Zweifel geweckt, ob Tritojesaja überhaupt eine Sammlung oder Redaktion älterer, kleinerer, selbständiger Einheiten ist. Drittens: Ein wesentlicher Anhaltspunkt für die Tragfähigkeit unserer Arbeitshypothese sind die schon genannten Querverbindungen. Nicht die, die der heutige Leser mittels Konkordanz quer durch das ganze Jesajabuch im sogenannten Endtext aufspüren kann, sondern die, die man historisch als intentional bewußte für die Textentstehung und ursprüngliche Textrezeption selbst veranschlagen muß. Querverbindungen zwischen Aussagen in Tritojesaja selbst, Querverbindungen zwischen Tritojesaja und dem Deutero-, aber auch Protojesaja-Bereich und Querverbindungen von Tritojesaja nach außen - zum Jeremiaund zum Ezechielbuch vor allem, wobei freilich wirkliche von vermeintlichen exegetisch zu sondern sind. Wie laufen diese Querverbindungen und auf welche historische Ebene gehören sie jeweils? Wie sehen diese Querverbindungen auf Seiten des nehmenden Teils aus? ZlMMERLl hat in seiner Untersuchung zur Sprache Tritojesajas im Blick auf Deuterojesaja gemäß dem Ausmaß, in dem das aufgenommene Sprachgut wiederkehrt, drei Gruppen unterschieden: voll oder annähernd wörtliche Zitate - sie treten freilich nicht als Zitat auf -, freie Nachbildungen und Neukombinationen von Worten Deuterojesajas und schließlich kleinere Anklänge. Müssen im Zusammenhang mit gesicherten Sprachbezügen aber nicht auch bewußte, homogene oder gegenläufige Sach- und Positionsbeziehungen zum Bezugskontext in Betracht gezogen werden? Und nicht zuletzt: Selbst wenn die Spender-Texte bereits literarisch sind - wie soll man auf Seiten des nehmenden Teils solche Querverbindungen innerhalb von Tritojesaja und vor allem von Tritojesaja zum Voranstehenden im Jesajabuch und gar nach außen textgenetisch auswerten? Zwei Erklärungsmodelle bieten sich an. Die eine, allzulange einseitig favorisierte Möglichkeit ist die Erklärung, daß prophetische Aussagen in Tritojesaja eben nicht mehr so originell formuliert sind, sondern in Kenntnis und Aufnahme bereits vorhandenen prophetischen Sprachguts gebildet werden - Tritojesaja verwendet eigene Formulierungen wieder und solche Deuterojesajas, aus Jeremia, Ezechiel und wohl auch aus Protojesaja. Im Kopf gespeichertes Wissen von komplexem, prophetischem Sprachgut fließt demzufolge bei der Neuformulierung prophetischer Aussagen

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ein; daß Deuterojesaja-Anregungen dabei dominieren, liegt in diesem Fall nicht am literarischen Kontext in seiner Sachnähe, sondern muß mit dem biographischen Postulat, Tritojesaja sei eben ein Schüler Deuterojesajas gewesen, erklärt werden. Das Charakteristische dieses Erklärungsmodells besteht darin, daß die literarische Ebene, auf der sich die Querverbindungen für uns im Jesajabuch präsentieren, textgenetisch für Tritojesaja keine Rolle spielt; Tritojesaja hat Kenntnis vom prophetischen Sprachgut in unserem Jesajabuch und greift es in neuformulierten, ehedem selbständigen Worten auf; die literarische Verbindung zur Fundstelle ist weder bei der Formulierung noch bei der intendierten Hörerrezeption ein notwendiger Verstehenshorizont. Es ist keine Frage, daß dies ein historisch mögliches und ernstlich prüfenswertes Modell zur Erklärung der Querverbindungen zwischen Tritojesaja und dem voranstehenden Jesajabuch ist, ein Erklärungsmodell, das die Entstehung der prophetischen Anleihen in Tritojesaja auf einer vorliterarischen oder allenfalls binnenliterarischen Ebene »Tritojesaja« situiert. Nur - wer so erklärt, sollte zeigen können, daß es solche vorliterarischen Verkündigungseinheiten in Tritojesaja überhaupt gibt, daß es sich dabei um auf sich stehende und zu ihrer Zeit aus sich verständliche Worte handelt, und entsprechend zwingend ausschließen, daß beim Rezipienten engerer und weiterer literarischer Kontext und literarische Position dieser Worte ursprünglich eine Rolle spielen sollten. Die andere Möglichkeit, die Querverbindungen Tritojesajas zu eigenen und vor allem zu voranstehenden Aussagen im Jesajabuch auf der nehmenden Seite zu erklären, ist die noch kaum geprüfte, hierin bewußt gesetzte, literarische Verweise zu sehen, die von vornherein auf einen literarischen Rahmen bezogen sind, um fortschreibend neu Formuliertes zu literarisch Vorgegebenem ergänzend, neu akzentuierend, eingrenzend in Beziehung zu setzen - Intentionen, die auch beim Rezipienten nur dann aufgenommen werden, wenn er die Tritojesaja-Aussage im Rahmen des literarischen Ganzen sieht. Die Querbeziehungen sind hier also Indizien ursprünglicher, literarischer Kontextualität, bei ihrem Fundort in Tritojesaja handelt es sich um von vornherein literarische Zufügungen an eine literarische Größe, die man nicht nur als Einzelzusätze mit kleinem Kontexthorizont anzusehen hat, sondern als Redaktionstexte, wenn sie das so literarisch Fortgeschriebene als ganzes ergänzen und neu strukturieren und sich somit von vornherein für einen größeren, literarischen Zusammenhang gebildet erweisen. Wie Querverbindungen im Sinne solcher literarischen Bezugnahmen aussehen können, hat mich, wie gesagt, der Befund in Jes 35 gelehrt. Man darf sie beileibe nicht auf sogenannte Zitate und Anspielungen beschränken, auch wenn diese zusammen mit charakteristischen, nicht traditionsgeschichtlich erklärbaren Übereinstimmungen in Wortensembles sachlich für den Leser und heuristisch für den Exegeten den sicheren Einstieg bilden. Daß es sich dabei von vornherein um kontextabhängige und kontextbezogene, literarische Verweise handelt, darauf deuten u.a. folgende, im Verlauf unseres Beitrags noch näher ausgeführte und in Beispielen vermehrte Erscheinungen, die im Text zusammen mit Zitaten, Anspielungen und Wortensemble-Beziehungen auftreten: (a) Um den Aussagesinn der Zitate und Anspielungen in Tritojesaja zu verstehen, muß man die Fundstelle im vorangehenden, literarisch Buchkontext

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kennen. Beispiele: Jes 60,16a/49,23a oder die in Jes 60 gegenüber Jes 49 verkürzte Sammlungsthematik. (b) Zusammen mit den Zitaten und Anspielungen wird in Tritojesaja auch zum Aussagekontext der Fundstelle Stellung genommen, der auch für das Verständnis des Lesers stillschweigend vorausgesetzt ist. Beispiel: überlegte Aufnahmen und Auslassungen in Jes 60 gegenüber dem zu ergänzenden Bezugstext Jes 49. Oder: Wie es zu den Aussagen Jes 60, daß Zion zum Licht der Völker wird und Völker zu ihrer Verherrlichung anlockt, kommt und daß sie eine eschatologische Blickwende von Israel auf Zion verursachen wollen, versteht nur der, der darin eine Fortschreibung der Israel/Ebed-Aussagen von Jes 49 und der Volksaussagen von Jes 55,5 erkennen kann, Jes 60 also im Lesekontakt zum vorangehenden Kontext sieht. Schon diese Beispiele zeigen, daß man auch mit sachlichen Bezugnahmen auf den literarischen Kontext ohne unmittelbare Gemeinsamkeit der Formulierung zu rechnen hat; desgleichen kann sich die literarische Kontextabhängigkeit von Tritojesaja-Aussagen für Verfasser und Leser auch darin äußern, daß Gegenaussagen zum Bezugstext gebildet werden, etwa Jes 56,9ff im Blick auf Jes 55,1-2 oder Jes 60,14 im Blick auf Jes 49,23-26a. (c) Besonders sprechend für die literarische Kontextangewiesenheit von Tritojesaja-Texten sind Fälle, wo solch ein Text als Einzeltext gesehen sowohl in Abfolge und Ensemble seiner Aussagen wie in wesentlichen Zügen auch für damals aus sich selbst unverständlich bleibt, seine Verständlichkeit und klaren Sinn aber gewinnt, wenn man ihn als unselbständigen Text mit zuvor - seltener auch danach - lesbaren Aussagen im literarischen Kontext zusammensieht - ein redaktionsgeschichtlicher Aspekt, den Jörg JEREMIAS für die hinteren Kapitel des Hoseabuches und deren Verstehensangewiesenheit auf das Voranstehende glänzend demonstriert hat. Beispiele: Daß Jes 60 Zion anredet und in neuer Situation korrigierend-ergänzend mit neu akzentuierten Verheißungen ihrer Ausstattung und Stellung in der Völkerwelt bedenkt, setzt für Verfasser und Leser den literarischen Zionkontext Jes 49-55 voraus, auf den Jes 60 ursprünglich folgt - sonst nimmt man Ergänzung und korrigierende Neuakzentuierung gar nicht wahr. Oder: Wer in dem anschließenden Kapitel Jes 61 spricht, nämlich kein Prophet, sondern zu der ihr verbundenen Bevölkerung Zion, der hier wie schon Jes 60 Ebed-Aussagen appliziert werden, wer in Jes 61 die Angeredeten sind und was von ihnen gesagt wird, ist im Text selbst unklar; es wird eindeutig, wenn man Rückbezüge in den bleibend konstitutiven Kontext Jes 4055.60 ernstnimmt; auch die literarkritische Abtrennung von Jes 61,10f erweist sich in diesem Horizont als sachwidrig. Oder - um mit Beispielen weiter auszugreifen: Das an sich selbst und ebenso im Nahkontext rätselvolle Aussageensemble Jes 62,10-12 versteht der, der hier den Endpunkt einer Sachlinie sieht, die Protojesaja + Jes 40 durchzieht; die in Tritojesaja völlig unmotivierte Rückkehr Jahwes vom Völkergericht in Edom Jes 63,1-6 ist nur begreiflich als konstatierter Vollzug von Jes 34; die Gerichtsaussagen am Ende von Jes 59 werden erst im literarischen Konnex mit Protojesaja-Aussagen klar, desgleichen die Weissagung eines neuen Himmels und einer neuen Erde Jes 65,17, die kosmische Weltgerichtsaussagen in Protojesaja berücksichtigt, usw.

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Tritojesaja im Jesajabuch

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(d) Schließlich spielt bei den sprachlichen und sachlichen Querverbindungen Tritojesajas auch die literarische Position der Bezugstexte eine Rolle. Schon innerhalb Tritojesajas selbst: Jes 65f steht nach dem Gebet Jes 63/64 und ist von vornherein in literarischer Fortsetzung dessen Beantwortung in zwei Durchgängen; Jes 61 steht nach 60 und ist in seiner Entstehung von dieser literarischen Position abhängig; Jes 58 und 59 stehen vor Jes 60 und werden als Vorbereitung auf die Heilsankündigungen Jes 60,1-63,6 verständlich. Weiter - ist es Zufall, daß Jes 60-62 Wort- und Sachbezüge speziell zu Jes 40 und 55 aufweisen, also zu Anfang und Ende des literarischen Deuterojesaja-Corpus? Und ist es Zufall, daß sich in Tritojesaja auch inklusive Rückbezüge zum Anfang des Jesajabuches finden? Die Andeutungen müssen jetzt genügen um zu zeigen, daß man Anlaß zu der Möglichkeit hat, die Querverbindungen Tritojesajas als literarische auszuwerten. Ja, ich würde soweit gehen zu fragen, ob nicht auch bestimmte TritojesajaBezüge zum Jeremia- und Ezechielbuch bereits von dem literarischen Horizont einer Prophetensammlung leben, in der Jesaja von Jeremia und Ezechiel gefolgt wird. Kann man zu alledem zusätzlich zeigen, daß sich in Tritojesaja schwerlich kleinere, ältere, mündliche Verkündigungseinheiten zwingend isolieren lassen, sondern auf den jeweiligen literarischen Ebenen nur Abschnitte, die sich in einem ursprünglichen, größeren Kontext gegenseitig bedingen, so ist man vollends ermutigt, es mit einer redaktionsgeschichtlichen Arbeitshypothese in Sachen »Tritojesaja im Jesajabuch« einmal zu versuchen. Das Bild, das sich mir dabei ergeben hat, sei im folgenden skizziert. Ich greife dazu neben meiner Studie zu Jes 35 Anschlußarbeiten zu Tritojesaja-Texten auf 18 , deren Einzelargumentation jetzt nicht wiederholt, sondern nur vorausgesetzt werden kann, und ergänze sie durch eigene und fremde Beobachtungen zum Thema, an denen ich seither arbeite konnte. Hinter der folgenden Skizze stehen vor allem drei Arten von Beobachtungen: 1) die literarisch-textgenetische Bedeutung von Querverbindungen, 2) literarkritische Phänomene und das Problem der Ursprünglichkeit der Kontexte, wenn es sich um redaktionelle Texte handelt, 3) als sachliche »Leitfossilien« die Auffassungen von Israel und von den Völkern.

Bs handelt sich außer der bereits Anm.S genannten Studie, im folgenden SBS 121 abgekürzt, um die anschließend in diesem Band wieder abgedruckten Arbeiten: Jesaja 60,13 - Bauholz oder Tempelgarten?, BN 30 (1985), 29-34 [s.u. 101-105]; Heimkehr auf der Schulter oder/und auf der Hüfte. Jes 49,22b/60,4b, ZAW 98 (1986), 275-277 [s.u. 97100]; Der Grundtext in Jesaja 60 und sein Aufbau, ZThK 83 (1986), 261-296 [s.u. 49-79]; Der Rachetag in Jesaja LXI 2. Ein Kapitel redaktionsgeschichtlicher Kleinarbeit, VT 36 (1986), 323-338 [s.u. 106-118]; Lumen gentium. Exegetische Bemerkungen zum Grunds inn von Jesaja 60,1-3, in: FS Joseph Kardinal Ratzinger, 1987, 1279-1294 [s.u. 8096]; Jahwes Feinde in Jesaja 59, BN 36 (1987), 51-56 [s.u. 187-191]; Beobachtungen zu Jesaja 56-59, BZ 31 (1987), 228-246 [s.u. 169-186]; Beobachtungen zur Anlage von Jes 65-66, BN 38-39 (1987), 103-116 [s.u. 217-228], Auf diese Arbeiten wird im folgenden der Kürze halber nur mit einem Titelstichwort in Kursive verwiesen.

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Die redaktionsgeschichtliche Hypothese im Umriß

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II. Skizze eines hypothetischen Ergebnisses 1. D i e Schicht Jes

*60-62

Wir wollen beginnen mit einem Komplex in Tritojesaja, den Kapiteln 60-62, und versuchen, ihn im Rahmen von Gesamtjesaja zu sehen 1 9 . Achtet man hier auf Interrelationen, so ergibt sich folgendes Bild. In diesem Komplex finden sich zunächst Querbeziehungen kleinräumiger Art zwischen diesen drei Kapiteln 2 0 , die im übrigen zeigen, daß gegen PAURITSCH21 die vorliegende Abfolge 6 0 , 6 1 , 6 2 die ursprüngliche ist. Insbesondere aber gibt e s Passagen, die nur zum Bereich 40-55 Beziehungen aufweisen, dazu aber auch zum Ezechielb u c h 2 2 , und es gibt Passagen, die darüber hinaus auch auf Aussagen im Bereich Protojesaja Bezug nehmen, wobei sich nach genauerer Untersuchung j e w e i l s die Tritojesaja-Aussagen als die von Deuterojesaja und Protojesaja abhängigen oder doch als die nicht älteren zeigen. D i e Passagen, die nur in den Bereich 40-55 und nicht weiter zurückweisen, sind 6 0 , 1 - 1 6 ohne V . 1 2 , die sich daran anschließenden Aussagen Jes 61 und 6 2 , l - 7 2 3 ; darüber hinaus Beziehungen auch zum Bereich Protojesaja finden sich in 6 0 , 1 7 - 2 2 ; 6 2 , 8 f sowie in dem Abschnitt 6 2 , 1 0 - 1 2 2 4 . Nimmt man ganz unabhängig davon eine literarkritische Prüfung

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Vgl. zum Folgenden die Einzelnachweise in SBS 121, 62ff.66ff.69ff; Grundtext, passim, besonders Anm.74 [s.u. 64]; Rachetag, passim, besonders Anm.22 [s.u. III]; Lumen gentium, 1281ff. 1286ff [s.u. 82ff.87ff]. Sie sind in der Forschung schon häufig zusammengestellt worden, vgl. die Literaturhinweise Anm.3.9. Vgl. P A U R I T S C H , Gemeinde, 105f.242; eine ursprüngliche Trennung von Jes 60 und 61, die erst bei der Redaktion aufgehoben worden sei, hat D U H M , Jesaja, 15.19.419 erwogen; vgl. dagegen vielmehr SBS 121, 69f; Rachetag, Anm.4.22.43 [s.u. 107.111.117]; Grundtext, 264; ANM. 106 [s.u. 51.75]; Lumen gentium, Anm.21 [s.u. 90], Vgl. Bauholz, 32 [s.u. 103]; Schulter, llti [s.u. 98f]; Grundtext, Anm.33.34.53 [s.u. 55.58f|; Lumen gentium, 129lf [s.u. 93f|. Wir beschränken uns in unseren Überlegungen zum nachexilischen Werden des Jesajabuches auf die binnenjesajanischen Querbeziehungen. Allein schon Stichproben zeigen jedoch ganz deutlich, daß auf die produktiven Neuformulierungen in diesem Werden Passagen aus anderen Prophetenbücheni - früh schon aus Ezechiel, später zusätzlich vor allem aus Jeremia - sowie das weisheitlich-kultische Sprachgut einwirken; vgl. schon ODEBERG, Trito-Isaiah, 29ff.33ff bezüglich Jes 56-66 und die Hinweise in Beobachtungen zu Jesaja 56-59, 229ff [s.u. 170ff] bezüglich Jes 56-59. Zur Frage fehlender Querverbindungen von Jes 60,1-16 zum Bereich Protojesaja vgl. SBS 121, 71 Anm.66; Grundtext, Anm.28.41.53 [s.u. 53.56.58]; Lumen gentium, 1291 [s.u. 92]. Gegenüber R E N D T O R F F , VT 1984, 301 ist zu beachten, daß sich Jes 60,1-2 Jahwes Kabod nicht direkt auf die Völker, was auch Jes 40,5 als suffiziente Bezugsstelle ausschließt, und schon gar nicht auf die Erde, sondern im Anschluß an Ezechiel-Aussagen auf Zion bezieht, und daß sich die Aussage vom Völkerzug in 60,3ff aus Jes 49 (und Ps 72) speist und gerade keine Völkerwallfahrt wie Jes 2,2-5 meint, vgl. dazu Lumen gentium, 1293 [s.u. 95]; Grundtext, 288ff [s.u. 71]. Auch Jes 62,4 ist, wie die Differenzen zeigen, ursprünglich kein Rückverweis auf Jes 6 , l l f , sondern Rückbezug auf 61,4-6; 60,15; 54,*l-6; 49,14-19. Ebenso ist eine Aufnahme von Jes 1,21-27 in 60,14; 62 nicht erkennbar - zu R E N D T O R F F , Einführung, 210; vgl. vielmehr Grundtext, Anm.28 [s.u. 53], Vgl. zu den Protojesaja-Bezügen in Jes 60,17-22 SBS 121, 73; Grundtext, 263-272 [s.u.

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der drei Kapitel vor, so stößt man überraschenderweise auf einen konvergierenden Befund: Der Komplex ist nicht einheitlich, sondern literarisch gewachsen; seinen Kern bilden die nur auf Deuterojesaja bezogenen Passagen, nämlich 60,1-9.13-16; 61 und etwas jünger, von Mauerbau und Heilsverzögerung geprägt, 60,10-11 und 62,1-7; die auch auf Protojesaja bezogenen Passagen 6 0 , 1 7 - 2 2 und 6 2 , 8 - 1 2 erweisen sich hingegen literarkritisch als später gewachsen 2 5 . Wir bleiben zunächst bei dem nur auf Deuterojesaja bezogenen Aussagekern von Jes 60-62, der sich im übrigen auch in etwa datieren läßt - wegen des bereits wieder bestehenden Tempels und der aber erst wieder erhofften Ummauerung Jerusalems in die Zeit zwischen 515 und 445 v . C h r . 2 6 . Betrachtet man die Bezüge dieses Aussagekerns zu Deuterojesaja näher, dann ergeben sich vier wesentliche Feststellungen. Erstens: Diese Bezüge erstrecken sich eigentlich über den ganzen Deuterojesaja-Teil in seiner vorliegenden Ausdehnung. Jes 6 0 , 1 - 1 6 blickt auf Jes 49, aber darüber hinaus auf Texte in Jes 49-55 überhaupt sowie auf Jes 47; in Jes 61 kommen zusätzlich vor allem Jes 42; 45, aber auch Jes 4 0 ins Spiel und in Jes 62,1-7 reichen die Bezugnahmen wieder bis Jes 4 0

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51-58]; in Jes 62,8f SBS 121, 73; in Jes 62,10-12 SBS 121, 62ff.66f-62,12b ist wie schon 11,12 einschränkender Rückbezug auf 11,10! Vgl. SBS 121, 69-71; Grundtext, 261-289 [s.u. 49-72]; Rachetag [s.u. 106ff]. In Jes 62 ist literarkritisch Folgendes zu beachten: 1) 62,6f ist thematisch-inklusiv auf 62,1 bezogen und nimmt in V.7 Bezug auf den Schluß von Jes 61, sieht also seinerseits wie ein Abschluß aus; 2) 62,8f ist gegenüber dem Kontext neu und völlig singulär eingeleitet, steht anders als 62,1-7 zu 61,5 und den Völkeraussagen in 60,1-16 in eklatantem Widerspruch und weist anders als die Kernaussagen '"60,1-62,7 deutlich dtr. Hinfluß auf, vgl. SEHMSDORF, ZAW 1972, 524-529; 3) Das bezeichnenderweise im engeren Kontext völlig unverständliche Textstück 62,10-12 kommt im Aussageablauf von *60,1-62,7 zu spät, widerspricht mit dem in ihm vorausgesetzten Völkergericht diesem Aussageablauf völlig, bietet mit V.12b gegenüber 62,4a und 60,14 eine dritte Benennung (Jerusalem nicht mehr vom Volk verlassen!) und weist zu 62,8f keinen Anschluß und Ubergang auf; vielmehr ist 62,10-12 angesichts der thematischen Bezüge (Stadterrichtung als Voraussetzung für 62,1012; Zion-Anrede 62,llaß-12; vgl. 62,7) sekundär an 62,7 angefügt, vgl. SBS 121, 71.Literarkritisch anders analysiert jetzt KoENEN, Ethik, 122-187 [103-156], den Komplex Jes 60-62, weil er in Jes 60 einen tempelfreien Grundtext gewinnen will, der sich stimmig mit Jes 66,lf einem Propheten Tritojesaja zuweisen läßt, und auch in Jes 61 und 62 nur nach Prophetenlogien und Redaktion sucht, aber die genetische Bedeutung literarischer Kontexte für die Textenstehung gar nicht erst in Betracht zieht, geschweige denn ausschließen kann. Vgl. SBS 121, 76; Bauholz [s.u. 101-105]; Gnmdsext, Anm.31; 280ff [s.u. 54.65ff]; Rachetag, 335f [s.u. 115fl; Lumen gentium, 1281ff.l286ff [s.u. 82ff.87ff]. In diesen zeitlichen Rahmen fügt sich die Bezugnahme in Jes +60-62 auf Jes 47 auch dann, wenn man Jes 47 statt vor 539 v.Chr. erst im Zusammenhang mit dem Vorgehen des Xerxes gegen Babylon anzusetzen hätte. - Beim Grundtext von Jes 60 ist überdies zu prüfen, ob die hier erwartete Königsstellung Zions nicht nachgerade vom Bild der Stellung des persischen Großkönigs beeinflußt ist, die hier eschatologisch auf Zion übergehen soll, vgl. Lumen gentium, Anm.35 [s.u. 93].

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zurück 27 . Zweitens: Diese Querbeziehungen zwischen Trito- und Deuterojesaja liegen, wie sich in inhaltlicher Untersuchung zeigen läßt, nicht auf derselben literarischen Ebene, es sind in Jes 60-62 vielmehr in neuer Situation neu ansetzende Weiterführungen und Ergänzungen gegenüber den herangezogenen Texten - vor allem gegenüber Jes 49, dessen Thematik gemäß dem inklusiv wichtigen Modell Jes 40,lf.9ff auf Jes *60 und 61 verteilt wird - aus Deuterojesaja. Ein Blick auf die Aufforderung qwmy in 60,1 mag das illustrieren: Jes 56-59 verschafft ihr keinen direkten Bezug, das in 60,1 unbestimmte qwmy schließt sich hier vielmehr an die Reihe von Zion-Aufforderungen in 51,17ff; 52, lf; 54,*lff an, dort aber ist bereits seinerseits zweimaliges qwmy in 51,17; 52,2 zum »frohlocke« in 54,1 fortgeschritten 28 ; in einem literarisch einheitlichen Zusammenhang kauert 60,1 Zion nicht abermals am Boden! Dieser hier nur thetisch zusammengefaßte Befund des zweiten Punktes versetzt der aus vielen Gründen unwahrscheinlichen These, Jes 40-55 und Tritojesaja oder doch wenigstens 60-62 stammten vom selben Verfasser, einen weiteren Stoß. Drittens - und das ist der wichtigste Punkt: Entgegen verbreiteter Meinung sind die Bezugnahmen auf Deuterojesaja in Jes *60-62 nicht solche lediglich der Kenntnis bei einem etwas unselbständigen, prophetischen Nachfahren, der seinen Deuterojesaja im Kopf hat. Nicht nur tritt dieser angebliche Prophet in Jes *60-62 nirgends hervor - Jes 61,1 ff redet Zion und Jes 62,1 Jahwe -, sondern vor allem auch die Eigenart dieser Bezugnahmen spricht dagegen. Sie erweisen sich nämlich durchgängig als literarische Bezugnahmen, die im Anschluß an den literarisch vorgegebenen Kontext Jes *40-55 formuliert sind und ohne dessen Vorgabe und Kenntnis weder in ihrer Entstehung noch in der Wahrnehmung ihrer Aussagefunktion beim Leser verständlich werden können. Beispiele: Wem die Aufforderung qwmy 60,1 gilt, wird nur klar, wenn man den unmittelbar vorangehenden, literarischen Kontext Jes *49-55 als solchen präsent hat; die eigenartige Verarbeitung von Jes 49 und 55 in Jes 60 setzt den literarischen Zusammenhang mit Jes *40-55 voraus, um als neu akzentuierende Weiterführung und Ergänzung dieser Aussagen sichtbar zu werden, dasselbe gilt für den aus sich ganz unverständlichen Text Jes 61 2 9 ; selbst ein scheinbar so

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Vgl. die Einzelnachweise in den Anm. 18 genannten Arbeiten; besonders hervorzuheben ist, daß positionell exponierte Bezüge speziell zu den Kapiteln Jes 40,1 ff (in Jes 61 Wortund Sachbezüge; zu 62,1-7 vgl. SBS 121, 70) und 55 (in Jes 60 und 61; vgl. zu Rahmungen SBS 121, 69; Grundtext, Anm.17.91.106 [s.u. 52.71.75]; Lumen gentium, Anm.21 [s.u. 90]) bestehen! Vgl. SBS 121, 69; Grundtext, 294 [s.u. 77]; Rachetag, Anm.38 [s.u. 116]; Lumen gentium, 1282.1286 [s.u. 83.87]. Auch sachlich ist in der Reihe von Heilsaussagen an Zion ab Jes 49,14ff mit 54,*lff ein alle Heilsaspekte für Zion umfassender Höhepunkt erreicht, der in nichts auf Jes 60f als ursprüngliche Weiterführung deutet. Vgl. SBS 121, 69f; Grundtext, passim, besonders 292ff [s.u.75ff]; Lumen gentium, 1282.1286 [s.u. 83.87]. Zu Jes 61 vgl. Rachetag, 328f [s.u. 110f], Daß das Ich von Jes 61 ein Prophet ist, ist die herkömmliche, exegetische Erwartung, wenn man voraussetzt, der Text sei bei aller deuterojesajanischen Beeinflussung als Einzeltext entstanden, vgl. dazu den Beitrag von W.A.M.BEUKEN, Servant and Herold of Good Tidings. Isaiah 61 as an Interpretation of Isaiah 40-55, in: J.VERMEYLEN (Hrg.), The Book of Isaiah, BEThL 81,

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beiläufiger Zug, daß die Töchter Zions bei der Heimführung auf der Hüfte betreut werden (60,4b), erschließt sich nur dem, der zuvor 49,22 als vorgegeben-gültige Weissagung gelesen hat 30 . Solche und viele andere Rückbezüge, die sich in Zitaten, in der Aufnahme von bezeichnenden Einzelworten und Wendungen, in antithetischen Formulierungen, in verkürzten Verweisen, in Sachbezügen bei neuer sprachlicher Fassung und in stillschweigender Verarbeitung des literarisch Vorangehenden äußern, lassen sich deshalb nur verstehen, wenn man den Aussagekern von Jes 60-62 als von Anfang an kontextabhängigen und kontextbezogenen Text sieht, als eine Fortschreibung im wahrsten Sinne des Wortes eines literarischen Corpus 40-55 31 , das angesichts der Bezugnahmen auf 40,1 ff; Jes 47-55 und sogar die Ebed-Texte weitgehend bereits die uns überlieferte Gestalt gehabt haben muß - und zwar spätestens in der ersten Hälfte des 5.Jahrhunderts. Daß der ursprüngliche Abschluß dieser Fortschreibung, Jes 61, am Anfang Bezüge zu 40,(lff).9-ll, in der Mitte Bezüge zu 55,1-5 und am Ende zu 55,10f, also zu Anfang und Ende der literarischen Kontextvorgabe, aufweist 32 , spricht erneut für die Auffassung, daß der Aussagekern von Jes 60-62 von Anfang an als literarische Fortschreibung von Jes *40-55 und im unmittelbaren Anschluß daran zu sehen ist. Wir treffen hier auf Leute im Lande, gewiß als nachexilische Tradenten Deuterojesajas anzusprechen, die von vornherein im literarischen Anschluß an ein Buch und in ein Buch formulieren für Leser dieses erweiterten Deuterojesajabuches. Schließlich viertens: Angesichts des so bemessenen literarischen Zusammenhanges fällt Jes 5659, aber auch Jes 63-66 als nicht ursprünglich dazugehörig heraus. Das ist in beiden Fällen nicht einfach nur logische Schlußfolgerung, sondern hat auch

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Leuven 1989, 411-442. Handelt es sich bei Jes 61 hingegen zusammen mit Jes 60,1-16 um eine literarische Fortschreibung von Jes 40-55, dann ist Zion als das Ich anzusehen. Dafür spricht: 1) der Nahkontext Jes 60,*1-16 (sprachliche Querbezüge zu Jes 61 und das sachliche Ergänzungsverhältnis zwischen Jes *60 (Zion) und Jes 61 (Bewohner, Landstädte, Land) als Fluchtlinie von Jes 49); 2) die Übertragung von Ebed- und Kyroszügen aus Deuterojesaja in 61 wie in *60 auf Zion; 3) die Bezugnahmen auf Jes 55 und Jes 40,lff in beiden Texten. Vgl. Schulter [s.u.97-100], Beim Aussagekern von Jes 60-62 handelt es sich also um von vornherein literarische Redaktionstexte, die zu Jes *40-55 und in ständiger Bezugnahme darauf hinzugeschrieben wurden; vgl. dazu methodisch SBS 121, 82ff.84ff; Grundtext, Anm.74 [s.u. 64]. Für solche Redaktionstexte, die von Zusätzen und Glossen mit kleinem, nur auf die Nächstaussagen bezogenem Kontexthorizont zu unterscheiden sind, ist für ihre Eigenart literarischer Bezugnahme vor allem charakteristisch, daß sie im Blick auf Abfassung und Leserrezeption den Zusammenhang mit dem literarischen Corpus voraussetzen, das sie redigieren, und nur mit diesem zusammen ihren Sinn zeigen, daß sie oft an exponierten Positionen im neuen Ganzen stehen und, thematisch einheitlich geprägt, dieses Ganze neu beleuchten und als in sich unselbständige Texte für diese Position im engeren und weiteren Kontext formuliert sind. - Daß es sich bei den Beziehungen von Jes 60-62 zu Jes 40-55 um literarische Beziehungen handelt, ist in der Forschung schon des öfteren vermerkt worden, v g l . z B . ZILLESSEN, Z A W 1 9 0 6 , 2 7 3 f f ; ODEBERG, T r i t o - I s a i a h , 2 8 ; J . L . M C K E N Z I E , S e -

cond Isaiah, Garden City 1968, xxxvi. 32

Vgl. Anm.27.

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eigene Gründe für sich33. In 56-59 kann die kultische Öffnung für Nichtisraeliten in 56,1-7 und die anschließende Aussage von der Sammlung solcher Nichtisraeliten zur Sammlung von Israeliten hinzu mit dem Aussagekern von Jes 6062 nicht ursprünglich zusammengehören, der vom Kommen der Völker und ihrem Wirken unter dem Gottesvolk ein völlig anderes Bild hat; dasselbe gilt vom heilsverzögernden Abfall und heilsnotwendiger Buße im Gottesvolk in Jes 56,9 bis Kap. 59, die im Kern von 60-62 mit keinem Wort im Blick sind; vielmehr nimmt Jes 56-59 Zion-Verheißungen aus diesem Kernbestand auf und appliziert sie jetzt Menschen, sofern sie einen jahwegemäßen Wandel an den Tag legen (58,8.10f) 34 -Daß das umfassende Völkergericht von 6 3 , l - 6 3 5 und die vom Phänomen erfolgter, heilsrelevanter Scheidung in Israel beherrschten Kapitel Jes 65-66 samt dem großen Gebet 63,7-64,11 nicht ursprünglich auf derselben Linie wie der Kern von 60-62 liegen können, bedarf keiner langen Begründung36. Ziehen wir zunächst ein Fazit! Bei unserem Versuch, eine erste Schlinge des Problemknotens »Tritojesaja im Jesajabuch« zu lockern, sind wir, um es handfest zu sagen, auf eine Schriftrolle gestoßen, die Jes *40-55 im wesentlichen in der vorliegenden Gestalt enthielt und bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts ergänzt und fortgeschrieben wurde um den literarisch unmittelbar angeschlossenen Kernbestand von Jes 60-62, etwas später noch einmal ergänzt um 60,10f und 62.1-7 3 7 . Die eschatologisch-prächtige Ausstattung Zions, ihres Tempels, des Landes und der Landstädte, der Menschen im Kreise der Zion dienend zuge-

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Vgl. zur sachlichen Isolierung von Jes 60-62 aus seinem Kontext zB. auch CHEYNE, Einleitung, 16*, die Hinweise bei PAURITSCH, Gemeinde, 13; WESTERMANN, Buch Jesaja, 237ff; HANSON, Dawn, 59ff.l28ff. Die Aussagen in Jes 58,8-12 liegen nicht auf derselben literarischen Ebene wie Jes *60-62, sondern nehmen sekundär auf *60-62 - nun im Rahmen der besonderen Probleme von Jes •56-59 - vorausweisend Bezug. Vgl. 58,8.10 mit 6 0 , l f und 62,lf: In *60-62 ist die Lichtmetaphorik jedoch nur Zion, nicht Menschen appliziert, eine Korrelation mit dem Verhalten der Menschen (vgl. 58,6f.9b-10) fehlt in *60-62 völlig; vgl. Bauholz, 33f [s.u. 104f|; Lumen gentium, Anm.32 [s.u. 92]. Für Jes 58,8.10 muß man vielmehr überdies Einfluß von Jes 8,20-22 (vgl. Zeph 1,15; Joel 2,2) und insbesondere von 9,1 in Betracht ziehen. - Hinsichtlich der Trennung *60-62 von Jes 56-59 ist auch zu beachten, daß die Heilsempfänger in 61,1-3 und 57,15 unterschiedlich benannt werden, vgl. Rachetag, 332f [s.u. 114]. Entsprechend liegt in den Querbeziehungen, die ZILLESSEN, ZAW 1906, 249ff zwischen Jes 56-59 und Jes 60-62 aufführt, die Abhängigkeit jeweils auf Seiten von Jes 5659. Vgl. SBS121, 51f. Vgl. SBS 121, 70f. Wir kommen dabei auf eigenem Wege zu einer These zurück, die schon CHEYNE, Einleitung, 16'*' geäußert hat: »Es sieht so aus, als wären Kap. 60-62 als Ergänzung zu Kap. 40-55 geschrieben«; vgl. auch W.W.CANNON, ZAW 47 (1929) 284-288 und ZAW 52 (1934) 75-77, der Jes 60-62 freilich als ursprünglichen Bestandteil von Jes 40-55 ansieht, vgl. SBS 121, 71 Anm.66; SEKINE, Sammlung, 335 [119]. Hingegen teilen wir, wie sich zeigen wird, nicht die gelegentlich vertretene Auffassung, daß Jes 56-66 im ganzen von vornherein eine literarische Fortschreibung nur von Jes 40-55 sei, vgl. H.GREßMANN, Uber die in Jes. c.56-66 vorausgesetzten zeitgeschichtlichen Verhältnisse, 1898; DUHM, Jesaja, 419 (erwogen); ZILLESSEN, ZAW 1906, 274f sowie MCKENZIE, Second Isaiah, xxii.xxxvi; s. auch KOENEN, Ethik, 273ff [229ff].

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wandten Völker steht dabei angesichts der kümmerlichen nachexilischen Verhältnisse im Vordergrund der Weiterführung des gültigen, deuterojesajanischen Textcorpus. Textbezogene und textgelehrte Tradentenprophetie tritt uns hier entgegen, die primär für einen ebenso gearteten Rezipientenkreis schreibt; dessen Wirken in der Bevölkerung ist naheliegend, ein Rückgang hinter die literarische Ebene zu einem in Jes *60-62 kodifizierten, ehedem mündlichen Verkündigungswirken gar durch eine prophetische Einzelgestalt, die man Tritojesaja nennen könnte, ist hingegen durch nichts angezeigt und durch den literarischen Befund im Grunde ausgeschlossen. Sind wir mit unseren Beobachtungen und Auswertungen auf einer richtigen Spur, dann ist nicht nur einem Einzelpropheten hinter Jes *60-62 der Abschied zu geben, sondern auch dem im Gefolge DUHMS herumgeisternden Bild einer separat entstandenen und angewachsenen Sammlung Tritojesaja, die Jes 56-66 umfaßt haben soll. Für Jes *60-62 gilt es jedenfalls nicht; diese Passagen bestanden nie anders als in literarischem Zusammenhang mit Jes *40-55. »Tritojesaja im Jesajabuch«, dieses Thema schließt also eine Wachstumsgeschichte ein, in der wir zunächst auf eine Fortschreibung allein von Jes *40-55 durch den Großteil der Texte in Jes 60-62 gestoßen sind. So gesehen bestätigt sich die jüngst von RENDTORFF38 wieder unterstrichene These DUHMS, daß Jes *40-55 einmal eine Schrift für sich gewesen sein muß 39 , während RENDTORFFS Vermutung, daß Tritojesaja insgesamt »mit der Komposition des ganzen Jesajabuches« zusammengesehen werden müsse, im Blick auf diese Texte aus Jes 60-62 eine Einschränkung erfährt; deren literarischer Horizont reicht nur bis Jes 40 zurück. Einzuschränken wären aber auch die Perspektiven von BECKER und CLEMENTS, wonach Jes 4 0 - 5 5 von vornherein als Fortschreibung von Protojesaja in Betracht zu ziehen sind 40 ; das schließt freilich nicht aus, daß sich später auch gesamtjesajanische Aspekte im Bereich Jes 40-55 in Gestalt eingesetzter Passagen oder Textänderungen niedergeschlagen haben; in dieser Hinsicht wären die von CLEMENTS genannten Indizien, aber auch weitere Texte in Deuterojesaja 41 zu prüfen.

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RENDTORFF , Einführung ,211. Auf die Frage des Binnenwachstums der Schrift Jes *40-55, das seinen Ursprung immer noch am wahrscheinlichsten in Aussprüchen einer im babylonischen Exil wirkenden prophetischen Einzelgestalt »Deuterojesaja« hat, gehe ich hier nicht ein; die jüngsten Forschungspositionen zu dieser Frage sind sorgsam erörtert und bewertet durch H.J.HERMISSON, VF 1986; eigene Vermutungen finden sich in Grundtext, Anm. 111 [s.u. 76f] und - verbessert - in O.H.STECK, Beobachtungen zu den Zion-Texten in Jesaja 51-54, BN 46 (1989), 58-90 [; DERS., Zur literarischen Schichtung in Jesaja 51, BN 44 (1988), 74-86; DERS., Zions Tröstung. Beobachtungen und Fragen zu Jes 51,1-11, in: FS R-Rendtorff, 1990, 257-276; DERS., Beobachtungen zu Jesaja 49,14-26, BN 55 (1990), 36-46] angedeutet. BECKER, Isaias, 33ff.44ff; CLEMENTS, Isaiah 1-39, 8.21; Interp 1982, 125ff; JSOT 1985, lOOff; vgl. auch LIEBREICH, JQR 1955-1956, 262ff.271ff; R.F.MELUGIN, The Formation of Isaiah 40-55, BZAW 141, Berlin-New York 1976, 177f; RENDTORFF, VT 1984; MEADE, Pseudonymity, 36f. Vgl. dazu SBS 121, 65.71; Lumen gentium, 1280 und Anm.3 [s.u. 81]. Unter weiteren Texten wären auch Jes 51,l-8.10b-11.16; 52,4-6;54,2f.9f.llff hier in Betracht zu ziehen [s. die Literaturhinweise oben Anm.39].

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2. Die Schicht Jes 62,10-12 Versuchen wir eine weitere Schlaufe im Problemknoten »Tritojesaja im Jesajabuch« zu lockern. Ich fasse mich hier aus Zeitgründen ganz kurz; die Materie ist ausführlich in meiner Studie zu Jes 35 erörtert. Auch in Jes 35 treffen wir einen von vornherein literarischen, kontextabhängigen Text an, dessen Funktion es in diesem Falle insbesondere ist, vorgegebene, also bereits bestehende Nachbaraussagen theologisch zu überbrücken; die These einer ehedem selbständigen, »kleinen Jesaja-Apokalypse« erweist sich damit als ebenso abwegig wie die andere, Jes 35 gehöre von Haus aus einer mit Jes 40 beginnenden Schrift zu. Diese Nachbaraussagen von Jes 35 sind im Nahbereich Jes 40,111 einerseits und Jes 34 42 andererseits. Doch finden sich auch Bezugnahmen auf Texte weiter zurück in Protojesaja und über Jes 40 hinaus weiter vor in den zweiten Teil des Jesajabuches; es sei aber schon an dieser Stelle der überaus auffallende Sachverhalt hervorgehoben, daß es keine sicheren Querverbindungen von Jes 35 in die Textkomplexe Jes 56-59 und Jes 63-66 gibt 43 . Mir hat sich bei genauerer Betrachtung daraus der Schluß aufgedrängt, daß Jes 35 allem Anschein nach erstmals44 die Vereinigung der von uns im ersten Abschnitt eruierten Schriftrolle Jes *40-55 samt der Ergänzung um den Großteil von Jes 60-

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Vgl. zu Jes 34 und den parallelen Weltgericht-Aussagen im Bereich Protojesaja SBS 121, 49-55; diese Aussagen gehören in ihrer universalen Dimensionierung einschließlich entsprechender Passagen in Jes 24-27 genetisch aller Wahrscheinlichkeit nach in dieselbe Redaktionsschicht, die in Jes 35 angetroffen wird. Eine Ausnahme bildet die Beziehung in den Racheaussagen von Jes 35,4 zu 59,17f, doch vgl. dazu SBS 121, 28.31, und zu 63,4, doch vgl. dazu SBS 121, 51f.71.72-74. Nach meiner Sicht der Redaktionsgeschichte des Jesajabuches handelt es sich in 59,17f und 63,4 um Bezugnahmen, die jünger sind als Jes 34 und Jes 35; vgl. dazu Rachetag, 330ff [s.u. 111 ff]; Feinde, 52ff [s.u. 187ff; in den Einwänden von G.I.DAVIES (The Destiny of the Nations in the Book of Isaiah, in: J.VERMEYLEN (Hrg.), The Book of Isaiah, BEThL 81, Leuven 1989, 93-120, dort 101f Anm.34; 117) sind die vorgebrachten Argumente nicht berücksichtigt]. Vgl. SBS 121, 59. Für eine erheblich frühere Ansetzung dieser Verbindung (vgl. dazu CLEMENTS, VT 1980, 434ff) fehlen m.E. sichere Indizien sowohl im Bereich Protojesaja wie in Jes 40ff. Zur Frage, ob die Anfügung der Jesaja-Erzählungen auf eine ältere literarische Verbindung von Protojesaja und Deuterojesaja schließen läßt, vgl. SBS 121, 59 und hier im Folgenden. Den Bestimmungen und Datierungen des Redaktionsmodells von LACK, Symbolique, 142ff kann ich ohnehin nicht zustimmen. Desgleichen bestehen hinsichtlich der zeitlichen Ansetzung für die Entstehung von Großjesaja und für die tritojesajanische Fortschreibung Differenzen zu dem Bild, das VERMEYLEN in seinem grundlegenden Beitrag »L'unité du livre d'Isale« (s.o. Anm.9) vom Werden des Jesajabuches entwirft. Die Gründe für diese Differenz liegen außer dem Problem der Datierung der Gerichtsaussagen über alle Menschen (Jes 13.24.34; Jer 25,29ff) vor allem im literarkritischen Bereich, in der differenzierenden Bestimmung des jeweiligen theologischen Profils der Schichten und nicht zuletzt auf dem Feld literarischer Querbeziehungen innerhalb Tritojesajas und von (Deuterojesaja und) Tritojesaja zu Protojesaja, die mir im Falle von Jes *60-62 noch nicht vorzuliegen scheinen - Vokabularbeziehungen müssen auch textgenetisch plausibel sein!

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62 mit einem zuvor eigenständigen Protojesaja-Corpus zu einem neuen Ganzen überbrücken sollte. Hier wird nun ein Prophetenbuch greifbar, das zwar noch nicht die uns vorliegende Endgestalt, aber doch bereits ein großjesajanisches, wie ich es nennen möchte, Ausmaß erreicht hat, insofern sich das Ganze vom Protojesaja- über den Deuterojesaja- bis in den Tritojesaja-Bereich erstreckt. Die weiteren Brückenpfeiler, die bei dieser Verbindung zur Einigung und Strukturierung der Botschaft dieser Großjesaja-Rolle neben Jes 35, aber von derselben Hand und im selben Profil und Geiste gesetzt wurden, zeigen es 45 . Es handelt sich um die im Protojesaja-Bereich zurecht schon von VERMEYLEN46 exponierten und zusammengesehenen Weissagungstexte vom Heimzug des zerstreuten Israel Jes 11,11-16; 27,12f; wie erwähnt Kapitel 35, sowie nach den aus der Vorgabe rezipierten Heimkehraussagen aus Jes 40-55 +60 um die abermals redaktionelle Neuformulierung 62,10-12. Hingegen darf man anders als VERMEYLEN die Sammlungsaussagen in Jes 56,8 und 66,20 nicht auf diese Schnur fädeln, weil sie [...] [am Heil teilhabende] Nichtisraeliten hervorheben, die aus der Perspektive dieser Großjesaja-Redaktion in Jes 35 völlig ausgeschlossen sind: Das zerstreute Israel kommt dort heim in einer quasi menschenleeren Erde, die von einem eschatologischen Weltgericht getroffen ist, wie es Jes 13, Texte der Jesaja-Apokalypse und Jes 34 künden. Beachtenswert sind auch Akzentuierung und Position dieser Brückentexte: Sie sind in ihrer Abfolge genau den verschiedenen Stadien dieser eschatologischen Heimkehr Israels entsprechend akzentuiert von der ersten Kundgabe in Jes 11,11-16 über den Vorgangsablauf bis zur Situation unmittelbar vor der Ankunft in 62.10-12 47 , und in ihrer Position so gesetzt, daß 11,11-16 das Vorangehende abschließt und mit der Versöhnung von Ephraim und Juda einen letzten Akzent des Heilszustandes setzt und zugleich - natürlich immer im Vorblick auf das Ganze - zu dem offenbar vorgegebenen und ausdrücklich berücksichtigten Fremdvölkerteil überleitet, der in den Weltgerichtsaussagen Jes 13 und 24ff seinen sachlichen Höhepunkt hat; 27,12f markiert hier Abschluß und Übergang zum Folgenden, das bis 62,12 reicht, vom Heimkehrvorgang und Heil in Zion und im Lande dominiert wird und dazu ältere Gerichtsaussagen gegen das Gottesvolk in Jes 28-34 historisiert und durch Heilsaussagen begrenzt und ablöst; gerade auch Jes 35 hat diese Begrenzung von Jes 34 zugunsten des heimkehrenden Gottesvolkes, von dem dann ab Jes 40 breit die Rede ist, zu leisten48. Alle diese eigenformulierten Brückentexte leben von Bezugnahmen auf Aussagen im Protojesaja-, Deuteroje-

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Vgl. zu diesen Brückentexten und ihrer Funktion SBS 121, 60ff.65ff.71.83f.85ff.l01ff.

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Vgl. VERMEYLEN, Prophète, 2 7 9 . 3 6 3 . 4 4 6 . 4 5 5 . 4 8 9 . 5 1 6 . 7 4 9 ; DERS., C o m p o s i t i o n , 3 5 .

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Vgl. SBS 121, 63.66f, zu Jes 51 und dem Heimkehrteil dieses Jesajabuches Tröstung. Vgl. zur Strukturierung dieses nun entstandenen Großjesajabuches SBS 121, 58f.6264.66f.85ff. In den drei Teilen dieses Jesajabuches handeln im Sinne der Redaktion Jes 111 von Schuld und Gericht des Gottesvolkes in der Vergangenheit samt Ausblicken auf seine eschatologische Sammlung und Heilsvollendung, Jes 13-27 von Schuld und Gericht der Völkerwelt wieder mit Heilsausblicken für das Gottesvolk und der große dritte Teil Jes •28-55.60-62 von einem Ablauf der Heilsvorgänge angesichts überwundenen Gerichts am Gottesvolk und bevorstehend-umfassenden Gerichts an den Völkern; vgl. Tröstung.

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saja-Bereich und d e m Kern v o n 6 0 - 6 2 , sie alle sind nicht e h e d e m selbständige Verkündigungseinheiten oder Zusätze mit e n g e m Kontexthorizont; es sind Redaktionstexte, die auf der Grundlage eines Buches und v o n vornherein für es in seiner Ganzheit formuliert sind; eine für sich g e s e h e n so abstruse Aussagencollage w i e 6 2 , 1 0 - 1 2 bleibt an sich selbst völlig unverständlich, wenn man sie nicht mit d e m großjesajanischen Buchganzen und den A u s s a g e n in ihm, auf die rückverwiesen wird, zusammensieht 4 9 . Ist man mit alledem einigermaßen auf d e m richtigen W e g , dann läßt sich v o n diesem großjesajanischen Verbindungswerk und seinen neuen Akzentsetzungen aus auch einiges zu Protojesaja im Stadium davor sagen. Protojesaja muß zuvor ein selbständiges Corpus g e w e s e n sein, das damals schwerlich noch in separate Einzelsammlungen z e r f i e l 5 0 ; in dieses Corpus wird, v o n 1 1 , 1 1 - 1 6 vorausge-

Vgl. SBS 121, besonders 66f [und zu diesem Text femer unten 143-166], Die redaktionelle Eigenförmulierung Jes 62,10-12, deren Sprecher angesichts von V . l l a a nicht Jahwe selbst sein kann, wie es bei einer Anfügung an 62,8f (vgl. 62,8a!) sein müßte, ist ursprünglich hinter 62,7 zugefügt worden, s.o. Anm.25. Als Sprecher von 62,10-12 sind somit die himmlischen - Wächter von 62,6f, die Jahwe zu seiner Selbsterinnerung bezüglich Jerusalems eingesetzt hat, anzusehen, die dort zu Jahwe hin sprechen und hier in V. 10-12 zu den in Jerusalem befindlichen Stadtbewohnern. Aufgebaut ist 62,10-12 in drei gestaffelten Anläufen, die jeweils mit Aufrufen an die Stadtbewohner eröffnet werden: 1) V. lOaba besteht nur aus Aufrufen, die die Jerusalemer, wie die konkreten Aussagen zeigen, aus dem Stadtareal in das Vorgelände der Stadt nötigen, um hier das letzte Wegestück für die Heimkehrer herzurichten, 2) V.lObß-llaa bietet Aufruf mit folgendem hnh-Satz bezüglich einer Zeichensetzung für die Heimkehrer durch die Stadtbewohner unter Hinweis auf das vollzogene Völkergericht Jahwes, und schließlich 3) V.llaß-12 bietet Aufruf mit folgendem hnh-Satz sowie zwei Folgesätzen; hiernach sollen sich die vor der Stadt befindlichen Jerusalemer angesichts des inzwischen eintreffenden Heimkehrerzuges - der Lohn und Ertrag der Hilfe Jahwes - Zion zuwenden mit dem Hinweis auf diesen Vorgang (V.llaß.b), der die Heilsvollendung darstellt, wie V.12 mit den nun folgerichtigen Umbenennungen hervorhebt, die sich inklusiv an dem orientieren, was Zion zu sagen ist, vgl. V.l laß/V. 12b (du-Anrede), V.llb/V.12a (die Erlösten Jahwes als der Lohn und Ertrag der Hilfe/Rettung für Zion). »Aufgesucht« und »nicht verlassen« (62,12) wird hier Zion in Abgrenzung von Jes (2,2-5;) 11,10; 60,15 nicht mehr hinsichtlich der Völker bzw. Jahwes, sondern allein hinsichtlich des Heimkehrervolkes sein. Dies ist im Blick auf die Erwägungen von ACKROYD, Presentation, und insbesondere von RENDTORFF, Einführung und VT 1984 hervorzuheben. Jes 12,1-6 ist, wie sich zeigen wird, nicht Abschluß einer separaten Teilsammlung Jes 1-12, sondern eine der durch Jes 35 bezeichneten, großjesajanischen Schicht noch unbekannte Markierung eines Teilabschnitts in einem bestehenden Großjesajabuch. Gemäß unserer, in SBS 121 vorgelegten Analyse setzt Jes 35 als bereits vorgegeben den Kontext Jes *34-32 und weiter zurück (s. SBS 121, 62) voraus, der seinerseits schon, wie besonders Jes 33 zeigt (s. SBS 121, 55ff), angesichts von Bezugnahmen auf Jes 21 mit dem Fremdvölkerorakelteil und angesichts von Bezugnahmen auf Texte in Jes 1-11 (s. SBS 121, 56-59) auch mit diesem Teil literarisch verbunden ist. - Die Folgerung von RENDTORFF, Einführung, 211, daß die Kontrastbildung GerichtHeil in Jes 40-55 das Muster für die entsprechende Gestaltung von Jes 1-12 abgegeben habe und deshalb einer literarischen Trennung beider Komplexe widerrate, kann ich nicht teilen; diese Gestaltung findet sich, wie RENDTORFF selbst vermerkt, auch in Jes 28ff, vor allem aber auch in der Anlage anderer Prophetenbücher (vgl. zB. in Ez 1-24, in Hos 1-3.411.12-14; Mi 1-2.3-5.6-7, s. die Übersichten in O.H.STECK, Arbeitsblätter Altes Testa-

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setzt, das meiste aus Jes 1-11 gehört haben, ebenso der Fremdvölkerteil sowie Jes 28-34. Wahrscheinlich gab es dieses Protojesaja-Corpus in zwei Fassungen eine, die mit 34,16f schloß 51 , und eine, die mit den Jesaja-Erzählungen endete 52 . Diese angefügten Jesaja-Erzählungen forderten mit ihrem Schluß gewiß eine sachliche Fortführung, die sogar in der ursprünglich separaten Rolle Jes *40-55 + *60-62 bestanden haben kann, nicht aber eo ipso eine literarische; daß Jes 36-39 von vornherein auf eine literarische Anbindung von Jes 40ff hin adaptiert sind und in dieser Hinsicht von Anfang an eine Brückenfunktion wahrnehmen sollen, läßt sich nicht erweisen 53 . Nein, dieses unserer großjesajanischen Redaktion vorgegebene Protojesajabuch dürfte mit Jes 39 geschlossen haben 54 , angelegt wie das Jeremiabuch in der LXX-Fassung und im ganzen geprägt von der Intention der »presentation of a prophet«, auf die Peter A C K R O Y D aufmerksam gemacht hat 55 . Doch lassen wir diese Überlegungen, wie das unserer Redaktion vorgegebene Protojesajabuch ausgesehen hat, auf sich beruhen und wenden wir uns wieder dieser großjesajanischen Schrift selbst zu. Außer den das neue Ganze tragenden Brückentexten sind wahrscheinlich noch weitere Eigenformulierungen dieser Redaktion im Protojesaja- und Deuterojesaja-Bereich aufzuspüren 56 , doch sei

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ment, Zürich 1983); es handelt sich also um ein in der Prophetenredaktion verbreitetes Gestaltungsmuster. Für den literarischen Zusammenhang von Protojesaja mit Jes 40-55 sind vielmehr eindeutige redaktionelle Querverbindungen in Protojesaja zu Deuterojesaja und umgekehrt entscheidend. Vgl. dazu und zur Makrostrukturierung dieses Protojesaja-Buches SBS 121, 56ff und Anm.39. Vgl. in diesem Zusammenhang auch J.LUST, Isaiah 34 and the Ipcrcm, in: J.VERMEYLEN(Hrg.), The Book of Isaiah, BEThL 81, Leuven 1989, 275-286 [und jüngst H.DONNER, »Forscht in der Schrift und lest!«, ZThK 87 (1990), 285-298], Vgl. dazu und zur Makrostrukturierung dieses Jesajabuches SBS 121, 56f und Anm.38. Auf diese Stufe gehören wahrscheinlich auch die Wechselbeziehungen zwischen Jes 36-39 und Jes 7 und die Umgestaltung von Jes 7 in einen Ahas antitypisch Hiskia entgegensetzenden Fremdbericht. Zu MELUGIN, Formation, 176-178; VAN DER KOOU, Textzeugen, 17f; RENDTORFF, VT 1984 , 296ff. Natürlich muß man auch erwägen, ob die Einfügung von Jes 36-39 erst nach der Jes 35-Schicht in eine bereits bestehende Verbindung von Erstem und Zweitem Jesaja erfolgt ist; vgl. zur Frage CHEYNE, Einleitung, 332f; CLEMENTS, Interp 1982, 122f; P.R.ACKROYD, Isaiah 36-39: Structure and Function; in: FS J. van der Ploeg, AOAT 211, 1982, 3-21. Doch ist dies wenig wahrscheinlich: Die Anfügung von Jes 36-39 nur an Protojesaja entspricht makrostrukturell dem Schlußabschnitt - nicht Jer 52, sondern - Jer 33-51 LXX, sie zeigt in ihrer Formulierung keine eindeutigen Spuren des Vorverweises auf das in Jes 40ff Folgende, während RückVerbindungen zu Aussagen in Protojesaja bestehen; auch wäre die Einfügung an der jetzigen Stelle schwer zu verstehen, wenn das unmittelbare Nebeneinander der beiden sachlich eng aufeinander bezogenen Texte Jes 35.40 bereits vorgegeben war. Die redaktionelle Einschaltung von Jes 35 vor Jes 36-39 und unmittelbar nach Jes 34 hingegen läßt sich erklären, s. die folgende Anm. Zur Position von Jes 35 vgl. SBS 121, 57-59.64f Anm.52. Presentation. In Betracht ziehen muß man neben den Aussagen von Völker- und Weltgericht (Jes 13,516; *24-27; 34,2-4) auch Jes *51 [V.l-3.*4f.6-8.10b-ll]; 52,4-6; 54.2f.9f, vgl. dazu SBS 121, 80; [Beobachtungen zu den Zion-Texten\ Tröstung], sowie Jes 10,20-23, in 11,1 lff wiederaufgenommen, vgl. auch RENDTORFF, VT 1984, 309.

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das hier zurückgestellt. Wichtiger ist, was gegenüber dem vorliegenden Gesamtjesaja noch nicht in diesem ersten, großjesajanischen Jesajabuch stand. Im Protojesaja-Bereich unter anderem zB. der scharf markierende Abschluß 12,1-6 noch nicht, der mit seinen Exodusanspielungen57 an 11,11-16 anknüpft und somit nicht älter als unsere Redaktion sein kann, dieser aber in der Sachkontur völlig widerspricht: In unserer Redaktion erfolgt die Exodusheimkehr des zerstreuten Israel im Rahmen einer weltgerichtlichen Vernichtung der Menschheit, in Jes 12 ist diese Heimkehr die Manifestation des Namens Jahwe, die den Völkern kundwerden soll 58 . Wie steht es im Tritojesaja-Bereich? 62,10-12 wirkt mit der Perspektive der Ankunft der Heimkehrer in Zion und mit der Qualifikation für Volk und Stadt wie ein solenner Abschluß des Ganzen. Der anschließende Text, 63,1-6, der von der Rückkehr Jahwes nach Zion nach vollbrachter Völkervernichtung in Edom handelt, könnte als Entsprechung zu 62,1012 gemeint sein, die sich sachlich der Linie derselben Redaktion scheinbar unschwer zuordnen läßt; angesichts seines komplementären Zusammenhangs mit Jes 59, worauf ausdrücklich Bezug genommen wird, und sachlicher Differenzen zur Jes 35-Schicht scheint er mir jedoch noch nicht dazuzugehören59. Doch haben wir damit schon vorgegriffen. Die Frage, was im Tritojesaja-Bereich von unserer ersten großjesajanischen Redaktion umschlossen ist, ist ja vor allem an Jes 56-59 und 63-66 zu richten. Daß in den großjesajanischen Querverbindun-

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Vgl. dazu zB. LIEBREICH, JQR 1955 1956, 265; VERMEYLEN, Prophète, 280ff. In unseren diachronen Überlegungen zum Werden des Jesajabuches stellt sich somit Jes 12,1-6 ganz anders dar als unter der Voraussetzung, Jes 12 sei einmal Abschluß einer Teilsammlung gewesen mit perspektivischer Bedeutung für die Komposition des in der Endgestalt vorliegenden Jesajabuches; zu LIEBREICH, JQR 1955-1956, 264f; BECKER, Isaias, 52; ACKROYD, Presentation, 34ff; RENDTORFF, Einführung, 202f.210; VT 1984, 299f.304. 306. 309.314.315.319. Auch die unmittelbaren Querbeziehungen zwischen Jes 11,11-16 und Jes 13ff (s. SBS 121, 63 und vgl. speziell die Aufnahme der Wendung »die Hand schwingen« aus 13,2 in 11,15) sprechen für einen ehedem direkten Anschluß von Jes 13ff an 11,16. Vgl. zur Frage SBS 121, 51f.71.72f; Rachetag, 332f [s.u. 113f|. Natürlich muß man trotz der erdrückenden Querbezüge zwischen Jes 59,16ff und 63,1-6 fragen, ob sich 59,16ff nicht an dem älteren Vorbild 63,1-6, das dann der Schluß des durch Jes 35 bezeichneten Großjesaja-Buches wäre, orientiert hat. Der Sprachgebrauch von 63,1-6 ließe sich auch in diesem Rahmen erklären, sowohl bezüglich sdqh und ysc, 'p und fymh als auch bezüglich der Ersetzung von slwmym in 34,8 durch g'wly in 63,4, was mit der Blutassoziation der Keltertreter-Metaphorik zusammenhängen wird. Sachlich spricht jedoch Folgendes entschieden dagegen, daß das Großjesaja-Buch von Jes 35 in 63,1-6 mit der konstatierten Erfüllung von Jes 34 schloß: Gemäß der breiten Eigenformulierung von Jes 35 vollendet sich der eschatologische Heimkehrzug, nachdem (!) das Völkergericht bereits stattgefunden hat (vgl. auch Jes 51,1 ff vor 51,10f); nach Jes 34 ist von den Völkern in Jes 35 keine Rede, hier bilden das Heimzugsterrain und allenfalls wilde Tiere - durch die Weissagung Jes 35 freilich ausgeschlossene - Gefahren für die Heimkehrer, vgl. SBS 121, 13-44 [, und nach Jes 51,1 Ob-11 konstatiert bereits 62,10f in Konkurrenz mit 63,1-6 den erfolgten Vollzug des Völkergerichts, s.u. 156]. Hingegen ist 63,1-6 auf derselben literarischen Ebene wie 59,16ff sinnvoll und notwendig, weil dort das Problem exponiert wird, wann endlich Jahwe weltweit machtvoll-kriegerisch einschreitet; zusammen mit Jes 60-62 gehört 63,1-6 zur Weissagung des Vollzugs dieser Ankündigung von 59,16ff.

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gen, die unsere Redaktion in ihren Eigenformulierungen herstellt, diese beiden Komplexe nicht vorkommen, spricht allein schon dagegen, daß sie bereits hinzugehören. Gewichtige sachliche Gründe kommen hinzu. Daß 56,8 und entsprechend 56,1-7 mit dem positiven Einbezug Anschlußwilliger aus der Völkerwelt in die Heilsgemeinde dem Leitgedanken unserer Redaktion völlig widersprechen, wurde schon gesagt; ihr ist die Rettung allein des zerstreuten Israel angesichts eines umfassenden Völkergerichts das Hauptanliegen und Israel versus Völkerwelt ist die tragende Problemkonstellation. Derselbe Widerspruch besteht entsprechend zum zweiten Teil von Jes 66. Überhaupt zeigt sich unsere Redaktion mit innerisraelitischen Spannungen und Scheidungen und mit dem Problem der Heilsverzögerung - vgl. vielmehr die Position bereits von 11,1116! - nirgends befaßt, im Gegenteil: In den Eigenformulierungen ist es Jahwes Volk, das auf heiligem Weg als reines heimkehrt, Erlöste, Ausgelöste Jahwes 60 , und auch die bereits in der Heimat Befindlichen, die »Herzensbestürzten« (35,4), die nicht angeklagt, sondern aufgerichtet werden müssen, werden im Anschluß an Jes 33 als solche gesehen, denen die Schuld gemäß 40,1-2 vergeben ist, während Zion bereits wieder mit »Recht und Gerechtigkeit« erfüllt ist 61 . Von den Problemen, die Jes 56-59 und 63-66 bewegen, also keine Spur! Der Folgerung daraus ist kaum zu entgehen, daß diese beiden tritojesajanischen Textkomplexe noch nicht zu dem ersten großjesajanischen Buch gehört haben, das wir hier erörtern. Was schließlich die zeitliche Ansetzung dieses Jesajabuches angeht, so muß es gemäß unserer Datierung der erweiterten Deuterojesaja-Rolle, die hier mit Protojesaja verbunden wird, natürlich auf jeden Fall jünger als die NehemiaZeit sein. Zusätzlich aber fällt auf, daß angesichts des Weltgerichts an Heimkehrgebieten in Eigenformulierungen Assyrien und Ägypten betont hervorgehoben werden 62 ; dies hat mich mit einem Seitenblick auf Sach 10,3-12 dazu bewogen, als zeitgeschichtlichen Hintergrund dieser Ersten und Zweiten Jesaja erstmals vereinigenden Redaktion den Zusammenbruch des persischen Weltreiches und nach dem Tode Alexanders die ersten Auseinandersetzungen der Diadochen im Vorderen Orient und Ägypten um Palästina anzunehmen 63 , deren be-

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Vgl. Jes 10,20f; 11,11.16; 35; 51,10f; 62,12. Vgl zu Jes 35 SBS121, 17.30f.32.40.48f Anm.19; 56.63.102; vgl. ferner 11,11.16; 51,4; 52,4-6 (Jahwes Volk); 51,7 (!). Vgl. Jes 11,11.16; 27,12f(vgl. dazu SBS121, 62f); 52,4 sowie Jes 35 (vgl. dazu SBS 121, 43 Anm.6). Um eine zeitgeschichtlich indifferente Aussage, die lediglich am Auftreten von Assur und Ägypten in der älteren Jesaja-Überlieferung der Kontexte orientiert ist, kann es sich bei der Assur-Agypten-Konstellation in diesen Texten nicht handeln, da hier die Machtbereiche in Blick genommen sind, aus denen die Diaspora heimkehren soll. Doch könnte der Begriff »Assur« für einen Mesopotamien einschließenden Bereich gewählt sein, weil unser Jesajabuch auch an der Heimkehr der ephraimitischen Diaspora interessiert ist (ll,12f; vgl. Sach 10,3ff), die von den Assyrern deportiert wurde. [Vgl. zum zeitgeschichtlichen Hintergrund der genannten Assur-Agypten-Aussagen in Jes und Sach jetzt eingehend O.H.STECK, Der Abschluß der Prophetie im Alten Testament, BThSt 17, 1991.] Vgl. SBS 121, 81.102. Versucht man das angesichts präziser zeitgeschichtlicher Bezüge schwierige Unterfangen, die Datierung dieses ersten Großjesajabuches genauer einzu-

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vorstehender Untergang im Rahmen des umfassenden Weltgerichts erwartet wird, so daß die beiden Heimkehrerströme in Edom, konkret im Nabatäergebiet, zusammentreffen und von Mensch und Natur (Jes 35!), aber auch von Moab, das im Gegenbild zu Num 22ff im Rahmen von Jes 24-27 ausdrücklich erledigt wird, ungehindert durch das Ostjordanland heim in ihr Land, nach Zion gelangen können 64 . Tritojesaja im Jesajabuch - wieder ein Fazit! Es will uns scheinen, als habe man allen Anlaß zu der Annahme, in der frühen Diadochenzeit sei durch die Verbindung zweier selbständiger, literarischer Corpora ein Jesajabuch entstanden, das erstmals alle drei Bereiche - Protojesaja, Deuterojesaja und Tritojesaja - umspannt. Es bringt im Tritojesaja-Bereich zu den älteren, an Deuterojesaja hängenden Aussagen *60-62 allerdings quantitativ nicht viel Neues hinzu nur die drei Verse der freilich gewichtigen Abschlußformulierung des Ganzen: 62,10-12. Über die Gründe, warum die Schriftrolle Jes 40-55 + 60-62 mit ihrer dominierenden Heimkehr-Zion-Thematik, die auch der Gesamtredaktion so am Herzen liegt, damals das Protojesaja-Corpus literarisch an sich gezogen hat, wäre weiter nachzudenken; tragfähige Auskünfte gibt es dazu noch nicht. Vielleicht darf man als Sachgrund angesichts der zeitgeschichtlichen Erfahrungen und Erwartungen vermuten, daß die Konstellation in Protojesaja herausgearbeiteter Weissagungen von Weltgericht und Völkervernichtung und der in Jes 40ff beherrschenden Heimkehrthematik über das Verbindungsglied von Zion-Verheißungen in beiden Bereichen dabei eine wichtige Rolle gespielt hat. Bei der Entstehung dieses Großjesajabuches in der frühen Diadochenzeit hat man es selbstredend wieder mit textbezogener und textgelehrter Tradentenprophetie zu tun; daß sie ihr Werk in erster Linie für einen ebenso gearteten Rezipientenkreis, den 35,3f pluralisch anredet, gestaltet, ist klar; die Aussagenakzente dieser Redaktion sind nur bei genauester Kenntnis und fortlaufender Lektüre des ganzen neugebildeten Jesajabuches wahrnehmbar. Um esoterische Gruppenbelehrung durch »Jesaja« handelt es sich jedoch nicht; diese Rezipienten haben mit dem so erworbenen Wissen nach außen zu wirken: »Macht kräftig die schlaf-

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grenzen, so können folgende Überlegungen angestellt werden. 1) Abgesehen von der überaus umstrittenen Aussage Esr 6,22 meint »Assur« im AT nie das Perserreich; die Konstellation Assur-Agypten als Machtbereiche, in denen die Diaspora lebt, kann deshalb wohl kaum die Verselbständigung Ägyptens gegenüber dem Perserreich im Auge haben, die von 404 v.Chr. an bestand, vgl. als Überblick dazu jetzt H.DONNER, Geschichte des Volkes Israel und seiner Nachbarn in Grundzügen, Teil 2, 1986, 400. Dagegen spricht auch, daß unser Großjesajabuch die Heimkehr aus diesen Bereichen im Zusammenhang mit einem Weltgericht umfassender Völkervernichtung erwartet, was der palästinischen Erfahrungslage zu Beginn des 4.Jhdts.v.Chr. schwerlich schon entspricht. 2) Diese Sachakzente eschatologischer Erwartung deuten vielmehr auf den Zusammenbruch des Perserreiches und, da Alexander d. Gr. als Weltherrscher und Jawan nicht hervortreten, in die Zeit nach seinem Tode 323 v.Chr. [Gegenüber den in der Erstveröffentlichung dieses Beitrages folgenden Überlegungen, die jetzt gestrichen werden, sei nun auf die präzisierten Ausführungen zur Datierung dieser Jesaja-Schicht in die Situation 312/11 v.Chr. in Abschluß, 80ff hingewiesen.] Vgl. SBS 121, 43 Anm.6.

mn

Tritojesaja im Jesajabuch

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fen Hände und die strauchelnden Knie stärkt! Sprecht zu den Herzensbestürzten: Seid kräftig! Fürchtet euch nicht. Siehe da, euer Gott« heißt es von ihrem Wirken an der ebengenannten Stelle aus Jes 35.

3. Die verbleibenden Schichten Tritojesaja im Jesajabuch - bleiben wir bei dem bisher aus unserer Arbeitshypothese gewonnenen Bild, dann kann der Großteil der Texte aus Tritojesaja erst danach ins Jesajabuch gekommen sein. Ob sich diese anscheinend jüngeren Aussagen in den Komplexen Jes 56-59 und 63-66 durch literarkritische, überlieferungs- und formgeschichtliche Untersuchungen bis auf ehedem separate und selbständige, mündliche Verkündigungs- und Gebetseinheiten zurückverfolgen lassen65, erscheint mir nach meinen bisherigen Beobachtungen zu diesen Textkomplexen reichlich unwahrscheinlich, sobald man den Kontexten angemessene Beachtung schenkt und von der Jagd nach einem zunächst mündlich wirkenden Propheten Tritojesaja oder einem ähnlich gearteten Nachfahren Abstand nimmt. Auch mit zeitgeschichtlichen Differenzierungen der Aussagen in diesem Bereich kann man nicht vorsichtig genug sein; wie wenig Sicheres hier die Texte selbst freigeben, zeigt die Kakophonie der Forschungsmeinungen; Überzeugungen wie die, daß etwa Texte wie das Gebet Jes 63/64 oder 66,1-2 gar nicht anders als vor 515 v.Chr. datiert werden können, zeugen von einer recht voreiligen Sicht der Dinge. So wie die Komplexe Jes 56-59 und 63-66 sich jetzt darstellen, hängen sie nicht nur jeweils in sich zusammen, sondern zeigen sich auch in einer Gestalt, die sie als bewußt in ein vorgegebenes Großjesajabuch eingeschriebene Erweiterungen erscheinen läßt; dafür sprechen eindeutig die Bezugnahmen auf Aussagen aus allen Teilen desjenigen Großjesajabuches, auf das wir soeben in Abschnitt zwei gestoßen waren; solche Bezugnahmen finden sich in Jes 56-59 und 63-66 durchgängig66. Ein eigenes Problem stellen die Interrelationen zwischen den nahen Kontexten in Jes 56-66 dar. Warum diese Textkomplexe in Jes 56-59 und 63-66 nicht den Kompositeuren des ersten Großjesajabuches selbst zugewiesen werden können, haben wir oben erörtert. Können sie älter als dieses sein, ist also nicht zuerst Jes 40-55 +60-62 mit Protojesaja vereinigt worden, sondern eine separate Schriftrolle, die bereits auf den vollen Umfang von Jes 40-66 angewachsen war 67 ? Dagegen spricht jedoch entschieden der schon erwähnte Sachverhalt, daß diese erste Großjesajaredaktion keine zwei-

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Vgl. dazu die Literaturhinweise oben Anm.7-11. Vgl. die Literaturhinweise oben Anm.3 und 4 sowie die Beispiele in SBS 121, 72-76 sowie in Feinde [s.u. 187ff], Beobachtungen zu Jesaja 56-59 [s.u. 169-186] und Anlage [s.u. 217-228]. [Speziell zum Rückbezug 65,25/11,6-8 vgl. O.H.STECK, ».... ein kleiner Knabe kann sie leiten«; erscheint 1992 als Festschrift-Beitrag.] Vgl. für diese allerdings meist pauschal vertretene Annahme zB. aus der älteren Forschung DILLMANN, Jesaja, XXVII; C.VON ORELU, Die Propheten Jesaja und Jeremia, 2 1891, 4; K.MARTI, Das Buch Jesaja, 1900, XIX; CHEYNE, Einleitung, *17 und neuerdings zB. E.J.KISSANE, The Book of Isaiah, II, Dublin 1943 (s. PAURITSCH, Gemeinde, 16); O.BLßFELDT, Einleitung in das Alte Testament, 3 1964, 466; LACK, Symbolique, 142ff.

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felsfreien Bezüge zu Aussagen in Jes 56-59 und 63-66 aufweist, die Sachprobleme dieser Komplexe nirgends berücksichtigt und auch in der makrostrukturellen Anlage ihres Jesajabuches durch die genannten Brückentexte dieser beiden tritojesajanischen Kapitelfolgen nicht Rechnung trägt. N o c h einmal: U n s scheint alles darauf hinzudeuten, daß diese beiden Komplexe erst später in das Jesajabuch eingeschrieben worden sind 6 8 . Allerdings nicht in einem Zuge. Dies zeigen gravierende Binnenunterschiede. Auf der einen Seite haben wir die Sicht 6 9 eines von der Volksführung, von Jerusalem bis hin zur breiten Bevölkerung in Sünde verstrickten Israel, dem sich aber Jahwes Heilsinitiative (59,15bff) gleichwohl zugewandt hat und dem sich, soweit es gemäß dem Sündenbekenntnis 5 9 , 9 - 1 4 umkehrt, die anschließenden, vorgegebenen Heilsvorgäng e von Jes 60-62 verwirklichen werden, wozu auch, wenn man die vertrackten Aussagen 5 9 , 1 8 f f so verstehen muß 7 0 , die Vernichtung der Völkerwelt gehört,

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Nur am Rande sei vermerkt, daß Jes 56-59.63-66 in den Einzelzügen des theologischen Profils dringend zu einem Vergleich mit Zügen in der synoptischen Evangelientradition herausfordern! Vgl. dazu SBS 121, 72-74; Beobachtungen zu Jesaja 56-59 [s.u. 169-186], Zu beachten ist, daß den in 56,9-59,21 angeklagten Angeredeten (Volksführer und Jerusalem, Volk) in direkter Anrede anders als Jes 65f nicht auch ihre unausweichliche Bestrafung und ausweglose Verfallenheit an das kommende Gericht angesagt wird; die Aussagen 56,9; 57,6.12f bieten solche Ankündigungen unausweichlichen Gerichts für die Angeredeten nicht (gegen KOENEN, Ethik, zSt.)! Auch die Aussagenfolge Jes 59,18-21 ist ein in sich kaum verständlicher Text, der seine Eindeutigkeit erst gewinnt, wenn man seine Stellung und Querbeziehungen bezüglich des engeren und weiteren Kontextes beachtet und ihn als von vornherein kontextabhängige, in ein Buch eingeschriebene Formulierung wahrnimmt. 59,16b-17 handelt von bereits erfolgter (impff.cons. in V. 16b-17!) Selbstausrüstung Jahwes zur eschatologischen Wende, ab 59,18 ist von der Durchführung dieser Wende die Rede - ein Aussagezusammenhang, der von 59,18 bis 63,6 reicht, wie die Wort- und Sachbezüge ergeben. Diese eschatologische Wende schließt gemäß dem Begriff nqm in V. 16b-17 auch ein kriegerisches Vernichtungshandeln Jahwes ein. Es richtet sich gemäß V. 18b, der nicht als Zusatz eliminiert werden darf, und dem durch Rückbezüge mit Jes 59 eng verbundenen Text 63,1-6 auf die Völkerwelt - entsprechend ist in der Neuformulierung dieser Schicht 60,17-22 (s. unten) von einem positiven Beitrag der Völker in der Heilserwartung für Zion keine Rede mehr, und es würde sich in Berücksichtigung des Kontextes 56,9-59,21 nicht minder auf im Abfall verharrende Israeliten (zu »Jakob«, »Haus Jakobs« als Bezeichnung des Gottesvolkes im ganzen vgl. 58,1 und die Bezugnahmen zB. auf 48,1; 46,3; 2,5.6) richten, wie die einschränkende Umgrenzung der Heilsempfänger in V.20aß zeigt. Die bewußt allgemein und umfassend gehaltene Formulierung V. 18a ist also gemäß Kontext in dieser doppelten Reichweite zu verstehen - die dem Gericht verfallenen Widersacher und Feinde Jahwes reichen von abtrünnigen Israeliten (vgl. zu ps° im nahen Kontext 57,4; 58,1; 59,12f) bis zu den »Inseln« als den fernsten Exponenten der Völker; vgl. SBS 121, 51 f. 71.72-74; Grundtext, 270-272 [s.u. 56-58]; Rachetag, 332 [s.u. 113f]; sowie eingehend Feinde [s.u. 187-191]. Fragen wirft freilich die in sich selbst kontextwidrig nicht klar gerichtsbezogene Aussage 59,19a auf. Ist sie als ursprüngliche durch den Kontext als Gerichtsaspekt gemeint (so in Feinde), nimmt sie eine Vorstufe vor der Völkervernichtung in Blick, die das Handeln der Völker in *60-62 vor 63,1-6 berücksichtigen will, oder ist sie im Kontext nicht ursprünglich und korrigiert diesen im Blick auf Jes 45,6; 24,15; 41,5; 42,8; 60,9 (vgl. V. 2.10.11); 66,19 im Sinne der völkerpositiven Aussagen in Jes 24-27? Im letztge-

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von deren Ausführung der auf 59 rückbezügliche Text 63,1-6 71 handelt. Dieser Sicht, die man in den Anklagen und bedingten Verheißungen von 56,9-59,21 und 63,1-6 antrifft, steht die andere72 entgegen, die anläßlich des Gebets 63,764,11 in Jes 65-66 antwortend73 nur noch von definitiver, eschatologischer Scheidung bereits jetzt in Israel, aber weithin auch in der Völkerwelt spricht; zu dieser Sicht gehört auch, wie neben den tendenziellen Entsprechungen die inklusiven Wort- und Sachbezüge zum Ende von 66 zeigen, Jes 56,1-8 74 ; nur in diesen Tritojesaja-Passagen begegnen für die Teilhaber am Heil die Begriffe »Knechte Jahwes«75, Jahwes »Erwählte«76, »mein Volk, das nach mir fragt«77, die »Gesegneten Jahwes«78. Hier hat sich nun ein innerisraelitischer Konflikt, auf dessen Losung Jes 56,9-59,21 und auch noch Jes 63,7-64,11 hoffen, offensichtlich bis zur eschatologisch relevanten Trennung verschärft, mit der nun aber eine Öffnung der Heilsgemeinde für [...] Nichtisraeliten einhergeht,

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nannten Fall wäre 59,19a der Schicht von Jes 63,7-66,24 zuzuordnen oder noch jünger, und im ursprünglichen Zusammenhang wäre auf 59,18 sogleich 59,19b (Subjekt gmwl, vgl. 35,4bß und dazu Feinde, 53 [s.u. 188]) gefolgt. - Trotz der chiastischen Inklusion, die 59,18f.20 mit Jes 60-62; 63,1-6 bilden (s. SBS 121, 74), ist zu bezweifeln, ob 59,21 in diesem redaktionellen Formulierungszusammenhang wirklich sekundär sein muß; V.21aa bezieht 61,8 (vgl. 54,9f) auf die Menschen von 59,20aß, womit auch 61,lff eine auf das wahre Israel eingeschränkte Interpretation erfährt, und V.21aßb bezieht das Ich von 61, lff (vgl. 42,1) wider den ursprünglichen Sinn nun offenbar auf den hier - wie 58,1; vgl. auch 57,21fin - angeredeten Jesaja, dessen Jahweworte (vgl. 51,16 vor 51,17ff wie 59,21 vor 60,1!) aus dem gesamten Jesajabuch ständig kundbleiben werden. Meint zrc hier den Jesaja-Tradentenkreis? Wegen "tm ' V.21aa kann das im Folgenden angeredete Du jedenfalls nicht wie 58,6-14 auf das Volk gehen. Erwägenswert ist, Jes 50,10f derselben Schicht zuzurechnen; wegen der Gerichtsaussagen in direkter Anrede käme für V. 11 allerdings auch die Schicht Jes 63-66 in Frage. Vgl. dazu die Hinweise SBS 121, 51; VERMEYLEN, Prophète, 469. Als unmittelbare Fortsetzung von Jes 59 darf 63,1-6 jedoch nicht angesehen werden, da Jes 59 am Ende 6063 im ganzen vorbereitet!, zu J.FISCHER, Das Buch Isaias, II.Teil: Kap. 40-66, 1939, 22; EIBFELDT, E i n l e i t u n g , 4 6 5 ; J . A . S O G G I N , I n t r o d u c t i o n t o t h e O l d T e s t a m e n t ( 1 9 7 4 ) , L o n -

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don 1976, 338. - Zu dem eschatologischen Völkeransturm gegen Jerusalem, der hier anscheinend erwartet wird, vgl. Grundtext, 272 [s.u. 58]. Vgl. dazu SBS 121, 74-76; Anlage [s.u. 217-228], Zu Jes 65f als - korrigierende - Antwort auf Jes 63,7-64,11 vgl. POLAN, Ways, 16f; SBS 121, 74f und unten Anm. 111.119. Vgl. zu diesen vielfach beobachteten Bezügen zwischen Jes 56,1-8 und 66,18-24 neben den Hinweisen

75 76 77

78

i n SBS

121,

72

a u f HANSON

und

RENDTORFF n e u e r d i n g s

auch

SEKINE,

Sammlung, 24ff.37ff.256 [31ff.43ff.232]; POLAN, Ways, 79ff; vgl. auch KOENEN, Ethik, 34f.256ff [27ff.208ff]. 56,1-8 ist als literarisch einheitlicher Text anzusehen, zu VERMEYLEN, Prophète, 454ff; SEKINE, Sammlung, 24ff [31ff], mit POLAN, Ways, 24f.4390, vgl. auch KOENEN, Ethik, 12ff [ l l f f ] . Jes 56,6; 63,17; 65,8.9.13-15; 66,14. Jes 65,9.15.22. Jes 65,10; vgl. 56,3; 63,8; 64,8; 65,19.22. Auch in dem Erweitenmgskomplex 56,9-59,21 ist von Jahwes Volk die Rede (57,14; 58,1), aber dort noch im Sinne des ganzen, zum Teil sogar abgefallenen (58,1) Israel, dem Sündenbekenntnis und Heilsempfang aber noch offenstehen. Jes 65,23.

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wie 56,1-8 und 66,19-21.23 zeigen. Beide Erweiterungskomplexe müssen deshalb auch zeitlich voneinander getrennt werden. Zum selben Ergebnis führt die Gegenprobe: Jes 56-66 läßt sich nicht als redaktionell-einheitlicher, sachhomogener Zusammenhang lesen - Heilsvoraussetzungen mit ermöglichter Umkehr vom Abfall und Heilsvorgänge, wie sie der Ablauf 56,9-63,6 präsentiert, erfahren im Folgenden keine stimmige Weiterführung, sondern im Anschluß an das Gebet in 65-66 vielmehr einerseits Widerspruch im Blick auf Umkehrmöglichkeit im empirischen Israel, auf die Heilsausstrahlung in die Völkerwelt und andererseits Präzisierung im Blick auf die Züge der Konkretion des Heils, ohne daß dieser Wechsel im Fortgang der Aussagen begründet wäre. Nein - Jes 65-66 sind noch einmal letzte Anfügungen am Ende eines vorgegebenen Jesajabuches vorgenommen worden - ob als bloßer Zusatz oder als letzte Redaktion im Horizont des ganzen Buches, wird noch zu fragen sein. 3.1 Die Schicht Jes *56-59;63,l-6 Von diesen beiden tritojesajanischen Erweiterungen, die wir hypothetisch einmal annehmen, ist die ältere, in das neu entstandene Großjesajabuch aus der frühen Diadochenzeit eingeschriebene gewiß Jes 56,9-59,21 + 63,l-6 79 . Schon aus positionellen und logischen Gründen: Hier werden noch Anerkenntnis der Schuld und Sündenbekenntnis (59,9-14) in ganz Israel offengehalten und im Blick auf Heilsweissagungen betrieben, die hingegen in Jes 65+66 in restriktiver Antwort auf das Gebet für einen Teil Israels nur noch als vertane, vernichtungsträchtige Chance erscheinen80, und hier wird der eschatologische Gegenspieler wie im vorgegebenen Großjesajabuch noch en bloc in den Völkern gesehen, die auch en bloc der Vernichtung durch den machtgerüsteten Jah'y

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Für komplizierte literarkritische Zertrennungen und entsprechend komplexe Redaktionsvorgänge bei der Bildung des vorliegenden Textes, wie sie jüngst VERMEYLEN, Prophète, 454ff.503ff; SEKINE, Sammlung, 112ff.ll9ff.l29ff.l41ff.235ff [105ff.ll2ff.l21ff. 132ff.217ff] und KOENEN, Ethik, 18-121 [15-103] annehmen, scheint mir Jes 56,9-59,21 im großen und ganzen keinen Anlaß mehr zu bieten, wenn man vor dem literarkritischen Sezieren einmal die Anlage beachtet und bedenkt, daß dieser Textblock für den Zusammenhang mit dem engeren und weiteren Kontext eines Großjesajabuches formuliert wurde und vor allem die negativen und positiven Voraussetzungen der eigenen Gegenwart aus Jesajamund geltend machen will, die bezüglich der - vorgegebenen - Heilsweissagungen Jes •60-62 in Betracht kommen; nicht von ungefähr ist diese Erweiterung als deren Rahmung plaziert; vgl. im einzelnen Beobachtungen zu Jesaja 56-59 [s.u. 169-186]. Auch das Ergebnis der sprachwissenschaftlichen Untersuchung von POLAN, Ways ist ein Hinweis darauf, daß jedenfalls 56,9-59,21 im wesentlichen als literarisch einheitlich angesehen werden kann. Dies gilt auch für den Abschnitt Jes 57,14ff, der angesichts seiner Rückbezüge auf Aussagen im Protojesajabereich (vgl. zB. 57,15 mit Jes 6,1.3; 33,5.10; ferner 57,18.19 (rp") mit Jes 6,10; 30,26) und angesichts der Differenz in den qualifizierenden Begriffen für das Heil erfahrende Gottesvolk zwischen 57,15ff und 61,1 ff keinesfalls auf dieselbe Ebene wie Jes 61 gehören kann, vgl. SBS 121, 72 Anm.71.73; in 57,14 ist aus dem vorgegebenen Großjesajabuch 62,10 aufgenommen, aber im neuen Kontext anders verstanden; vgl. dazu Beobachtungen zu Jesaja 56-59 [s.u. 169-186], Vgl. besonders Jes 65,1-7.1 lf. 13ff; 66,3f und dazu Anlage [s.u. 217-228],

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we anheimfallen (59,15ff; 63,l-6) 8 1 . Dieser ältere Komplex bietet in wohldisponierter Anlage, die auf literarische Einheitlichkeit verweist, nacheinander eine direkt an Jes 55 angeschlossene Gottesrede bezüglich der Volksführer mit den drei Teilen 56,9-57,2; 57,3-13; 57,14-21 und sodann parallel dazu eine Gottesund Prophetenrede bezüglich des Volkes: 58,1-12 (+14bß?) und 59,1-20. Dieser Komplex, auf weite Strecken gegenüber dem vorgegebenen Jesajabuch recht eigenständig formuliert und im Vokabular aus vielerlei Quellen prophetischer und nichtprophetischer Überlieferung gespeist 82 , ist in der vorliegenden Gestalt gleichwohl von vornherein für den größeren Rahmen eines Großjesajabuches abgefaßt und wahrscheinlich bar allfalliger Vorstufen ein a priori kontextbezogener, literarischer Text 83 . Man sieht es an zahlreichen Indizien, von denen die in meiner Studie aufgelisteten Formulierungsbezüge zu allen Teilen des im Abschnitt zwei erarbeiteten, hier vorgegebenen Großjesaja noch die allgemeinsten sind. Gewichtiger sind Anzeichen, die zeigen, daß in 56,959,21 einschließlich des Übergangsverses 59,21 der im Anschluß vorgegebene Heilsabschnitt *60-62 ausdrücklich vorbereitet werden soll 84 , daß zu Anfang dieser Erweiterung - nicht an 56,1-8, sondern - an den voranstehenden VorgabeText Jes 55 auslegend angeknüpft werden soll, wobei aber auch weitere Texte aus dem Deutero- und nicht minder dem Protojesaja-Bereich aufgegriffen werden, wie jüngst B E U R E N in der Lebram-Festschrift aufgewiesen hat 85 . Ferner - sieht man die Erweiterung Jes 56,9-59,21+63,1-6 im Rahmen des

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Da Jes 56,9-59,21 mit dem heilshinderaden Fehlverhalten in Israel befaßt ist, kann man fragen, ob deshalb nicht auch 56,1 bereits dieser Erweiterungsschicht zuzurechnen ist und erst 56,2-8 mit der positiven Öffnung für Nichtisraeliten zur jüngeren Schicht gehört. Doch sprechen zwei Gründe dagegen: 1) Der Komplex 56,9-59,21 bietet sonst keine derartigen Mahnungen (57,14 ist anders formuliert), schon gar nicht in dem Sinne, daß das Verhalten zur Vorbedingung der Heilsinitiative Jahwes würde; vielmehr werden geboten Anklagen eines Verhaltens, das das Heil nicht zur Folge hat, sowie Hinweise auf ein Verhalten, das der Heilsteilhabe entspricht (vgl. 57,13b.l5aßff; 58,6-8.9a.9b-12.13-14, vgl. auch 59,9-14 vor 59,15bff), vgl. zum Problem H.BARTH, Jesaja 58,l-9a, in: Hören und Fragen. Eine Predigthilfe, Erg.Bd. zu Band 5 und 6, 1983, 313-322; Beobachtungen zu Jesaja 56-59, Anm.49 [s.u. 180] und die Beobachtung der perspektivischen Differenz zwischen 56,1-8 und 56,9ff bei POLAN, Ways, 325 und zum »Wenn-dann-Schema« 217ff; RENDTORFF, VT 1984, 313. 2) Hebt 56,9-59,21 gipfelnd in der Anerkenntnis der Schuld die notwendige Entsprechung zwischen Verhalten und Heilsteilhabe hervor, die im Heilszustand selbst durch Jahwe voll verwirklicht sein wird (60,17b. 18.21 vgl. RENDTORFF, VT 1984, 313), so trägt 56,1 demgegenüber den Akzent, entsprechendes Verhalten an den Tag zu legen, weil(!) das Heil nahe ist (V.lb). - Daß 56,1 Formulienmgsbezüge zu 56,9-59,21 aufweist und wechselseitige, sachliche Querbezüge hergestellt werden können (vgl. PoLAN), ist klar, doch kann dies erst für die jüngere Erweiterungsschicht gelten, die 56,1-8 vor 56,9ff vorgeschaltet hat.

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Vgl. dazu die Hinweise besonders bei CHEYNE, Einleitung, 318-340; ODEBERG, TritoIsaiah, 62-215; BONNARD, Isale, 349-396; HANSON, Dawn, 197ff; BEUKEN, Example, 50ff; Beobachtungen zu Jesaja 56-59 [s.u. 169-186], Vgl. schon SBS 121, 72-74 und zu Anlage und theologischer Perspektive von Jes 56,959,21 jetzt Beobachtungen zu Jesaja 56-59. Vgl. zu dem schon vielfach beobachteten Sachverhalt auch oben Anm.34.70. BEUKEN, Example, 50.59ff.

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Jesajaganzen, so befindet man sich mit ihr am Ende der großen Schrift; insofern sind die Bezüge zu den Anfangskapiteln dieses Jesajabuches, auf die V E R M E Y L E N und jüngst B E U K E N aufmerksam gemacht haben, besonders sprechend, weil sie inklusionsformende, makrostrukturelle Absicht verraten 86 . Daß es sich bei dieser Erweiterung nicht nur um einen großgeratenen Einzelzusatz gegen Ende des Buches, sondern um den Teil einer redaktionellen Neuakzentuierung dieses so vermehrten Jesajabuches handelt, kann man nicht zuletzt daran sehen, daß für diese Bearbeitung noch andere Eigenformulierungen quer durch die ganze Schrift in Betracht kommen, die mit dem eruierten Sachprofil übereinstimmen und deshalb mehr oder minder wahrscheinlich in denselben Wachstumsvorgang gehören. Im vorgegebenen Tritojesaja-Bereich ist es wohl die Umformulierung, die in 61,2 neu auch den Rachetag Jahwes verankert87 und so dem Leser eine Sachlinie zwischen den entsprechenden Aussagen in den Kapiteln 34.35.59 und der nur mit dieser zusammen verständlichen Aussage 63,1-6 festigt. Ferner kommt hier nun hinzu die den Grundtext von Jes 60 präzisierende Anfügung von 60,17-22, die die neuen Sachaspekte berücksichtigt - angesichts des erwarteten Völkergerichts wird nun Zion von Jahwe allein statt von den Völkern ausgestattet; da Sonne und Mond vom protojesajanisch vorgefundenen Völkergericht mitbetroffen sind, wird Jahwe selbst Zions Licht sein, und die Verheißung, daß Zions Bewohner alle Gerechte sein werden, hängt mit den Zuständen von Jes 56-59 zusammen88. Auch mit 62,8f hat diese Redaktion - womöglich noch einmal im Rückgriff auf 55,1 ff ihre Akzente hinzugesetzt89. Im Protojesaja-Bereich des vorgegebenen Jesajabuches könnte diese Redaktion beispielsweise mit der Eigenformulierung folgender Texte in Erscheinung treten: in der Einschaltung 33,14-16, die übereinstimmend mit Jes *56-59 nachträglich die Sünder in Jerusalem und deren drohende eschatologische Vernichtung berückichtigt zusammen mit einem freilich eigenen Sprachtraditionen folgenden Verhaltenskatalog, der der Heilsteilhabe entspricht90; desgleichen mit 29,17-24 91 und vor allem mit der Heilsperspektive 86

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Vgl. BEUKEN, Example, 52ff; VERMEYLEN, Prophète, 505ff; s. auch oben Anm.70, und vgl. Jes 58,lf psc, czb mit Jes 1,2.4 sowie die Wissens-Aussagen in 56,9ff mit l,2f; 6,9f (POLAN, Ways, 333f). Auch dieser Sachverhalt stützt die Annahme, daß die Tradenten in bestimmten Aussagen in 56,9ff »Jesaja« hervortreten lassen (s.o. Anm.70). Vgl. Rachetag, 336-338 [s.u. 116-118] und oben Anm.70. Vgl. Grundtext, 263-272 [s.u. 51-58]. Den Aussagen Jes 60,17.21 entspricht in 56,959,21+63,1-6 das gegenwärtige Fehlen von sdq-Verhalten in Israel (57,12; 58,2; 59,4.9.14) und die Erwartung, daß Jahwe seine Heilssdg(7i) für Zion und das Gottesvolk (58,8;59,(9.14.)16f; 63,1; vgl. aus dem Vorgegebenen bereits 61,10f; 62,1) verwirklichen wird; vgl. RENDTORFF, VT 1984, 313f. - Neben den Grundtext, 270 [s.u.56] genannten Protojesaja-Bezügen von 60,17-22 ist mit F.DELITZSCH, Jesaja, 3 1879 (Nachdruck 5 1984), 726 zu V.21 auch 5,7; 29,23 zu vergleichen. Vgl. SBS 121, 73 Anm.74; Grundtext, 271 [s.u. 57] sowie hier oben Anm.25. [Wir rechnen zu den Eigenformulierungen dieser Schicht auch 48,22 (vgl. dazu Beobachtungen zu den Zion-Texten) und 51,16 (vgl. dazu Schichtung)] Vgl. dazu SBS

121,

55 (die Z u s a t z u m g r e n z u n g m u ß a u c h SBS

121,

73.80

33,14-16

lauten); BARTH, Jesaja-Worte, 292-294; der Einschub expliziert 33,5f angesichts von Fehlverhalten im Gottesvolk und warnt die Frevler vor dem Endgericht. Vgl. zu Jes 33,1416 j e t z t S.Ö.STEINGRJMSSON, T o r der Gerechtigkeit, 1984, 9 4 - 1 2 0 .

392/3

Tritojesaja im Jesajabuch

33

bereinigter Sünde in Jerusalem, die 4,2-6 dem vorangehenden Anklage-Kontext beifügt und darin makrostrukturell wichtige Entsprechungen zur Sicht von 56,963,6 (vgl. besonders 57,3ff) aufweist; Bezüge dieses unter komplexen Texteinflüssen stehenden Textes gerade zu Tritojesaja-Texten, wie sie in dem jetzt verhandelten Stadium in das Buch kommen, sind der Forschung auch sonst aufgefallen92. Im Rahmen der Eigenformulierungen dieser Redaktionsstufe im Protojesaja-Bereich sind nicht zuletzt die auch positioneil wichtigen Aussagen 1,2728(31) in Betracht zu ziehen93. Ist man mit der redaktionsgeschichtlichen Zuordnung dieser Texte im Protojesaja-Bereich auf der richtigen Spur, dann läßt sich auch etwas über Aufbau und Aussageakzent dieser redaktionellen Neuausgabe von Großjesaja sagen. An der Heilserwartung, die das vorgegebene Großjesajabuch in seinem Aufbau durch Brückentexte, wie wir sahen, geprägt hatte - die Heimkehr des zerstreuten Israel und die Heilsvollendung in Zion im Zusammenhang mit einem umfassenden Weltgericht - , an dieser Aufbau- und Aussageabsicht des vorgegebenen Großjesaja hat sich auf unserer neuen Redaktionsstufe gewiß nichts geändert. Das neu berücksichtigte Problem aber ist, daß die göttliche Verwirklichung dieses Heils aufgehalten wird durch das widergöttliche Verhalten, das in Israel und zumal in Jerusalem herrscht; diese Einsicht fordert jetzt, wie gezeigt, in Jes *56-59 Worte der Anklage, der bedingten Verheißung, des Sündenbekenntnisses und eine betonte Einschränkung der Heilsteilhabe auf die vom Abfall Bekehrten heraus. Diese Erweiterung ist mit Bedacht vor die vorgefundenen und gewichtig am Schluß des Ganzen belassenen Heilsperspektiven für Zion und die ihr verbundenen Menschen Jes 60ff gesetzt. Nun fallt aber auf, daß die soeben erwogenen Eigenformulierungen dieser Redaktion auch im Protojesaja-Bereich alle in Sünde-Heil-Kontexte speziell bezüglich Zion eingesetzt sind - in Jes 33, wo die Sünder nachgetragen werden, in Jes 29, wo bereits von Frevel und Heil bezüglich Zion die Rede war, und insbesondere mit Jes 4,2-6 auf dem Hintergrund von Jes 1,1-4,1; man vergleiche auch l,27f(f) in seinem Kontext. Gerade mit Jes 4 schafft diese Redaktion eine makrostrukturell hervorgehobene Plazierung ihres Anliegens; denn Anfang und Ende ihres erweiterten Jesajabuches entspre-

91 92

93

Vgl. dazu BARTH, Jesaja-Worte, 292-294; SBS 121, 16.68.73. Zu 57,3ff vgl. jetzt besonders BEUKEN, Example, 55ff und Beobachtungen zu Jesaja 56-59 [s.u. 169-186], Zu Jes 4,2-6 und der redaktionsgeschichtlichen Einordnung des Textes vgl. neben SBS 121, 73; Grundtext, 270 [s.u.56] W.WERNER, Eschatologiscbe Texte in Jesaja 1-39, fzb 46, 1982, 91ff, besonders 97, der auf Jes 56,9-57,13 hinweist; H.CAZELLES, Quelques questions de critique textuelle, historique et litteraire en Is. 4,2-6, Erls 16 (1982), 17*-25* nennt *17f Vokabularbeziehungen zu Jes 61,11; 60,13; 62,1.3; 61,1; 62,4; die Beziehung zwischen Jes 4 und Texten aus Tritojesaja ist auch sonst gesehen worden, vgl. zB. BECKER, Isaias, 49f; LACK, Symbolique, 136ff; vgl. BARTH, JesajaWorte, 292-294. Vgl. dazu Feinde, 55 [s.u. 190]. Vielleicht spiegeln sich im Wachsen der literarischen Ouverture Jes 1 Wachstumsstufen des Jesajabuches: Der literarische Horizont von 1,1-26 reicht bis Jes 1-39, l,27f entspricht der Schicht Jes *56-59 und 1,29-31 womöglich der Schicht Jes *63-66.

34

Die redaktionsgeschichtl iche Hypothese im Umriß

393/4

chen sich nun: Der Anfang Jes 1-4 handelt von der Sünde in Jerusalem und mündet in den Heilsausblick Jes 4, in dem das überwunden sein wird, und ebenso das Ende - die Vergehensthematik wird durch die Aufweitung Jes 56,959,21 in Zion-Kontexte eingebracht, als aktuell Stadt und Heilsland betreffendes Problem bewußt nach Jes 55 gesetzt, wo im Jesajabuch letztmals vom neuen Exodus die Rede ist, und auf diese Aufweitung folgt dann der Heilsausblick 60,1-63,6 - nunmehr bis auf 60,12 und die »Trauernden Zions« in 61,3 in der vorliegenden Endgestalt 94 . Hinsichtlich der Datierung dieses Jesajabuches wäre der terminus a quo durch den älteren Großjesaja aus der frühen Diadochenzeit gegeben, der hier erweitert wird, und ein terminus ad quem auf jeden Fall durch den Befund bei Sirach und in Qumran, der diese Schlußphase der produktiven Jesajafortschreibung als ganze auf das dritte vorchristliche Jahrhundert beschränkt. Da dieses Großjesajabuch, das wir soeben erörtert haben, mit dem ihm vorangehenden die Erwartung nahen, umfassenden Weltgerichts teilt, scheint es geraten, eine nur um wenige Jahre jüngere Fortschreibung ebenfalls noch zur Zeit der frühen Diadochenkämpfe anzunehmen 95 . Der wesentliche Antrieb zu dieser kurzfristig abermaligen Redaktion wäre die Verzögerung der Heilswende. Eine nähere Eingrenzung der Entstehungszeit ergäbe sich, wenn sich die jüngere Erweiterung, die dieses Jesajabuch vor allem um 63,7-66,24 bereichert, genauer datieren läßt. Ihr müssen wir uns nun noch zuwenden. 3.2 Die Schicht Jes 56,l-8;63,7-66,24 In diesen Akt weiterer produktiver Fortschreibung des Jesajabuches gehören, wie bereits angesprochen, Jes 56,1-8 und Jes 63,7-66,24 zusammen. Hier trifft man nun Tritojesaja im Jesajabuch im vollen Umfang an, und es liegt in der Konsequenz unseres arbeitshypothetischen Versuchs, daß wir in diesen Aussagen

94

95

Neben der Funktion von Jes 4,2-6 im engeren Kontext - vgl. WERNER, Texte, 98f, der hier mit Recht eine literarische Kontextbrücke sieht; ACKROYD, Presentation, 43; RENDTORFF, VT 1984, 306-309 - ist also auch eine makrostrukturelle Bedeutung von 4,2-6 im Ganzen dieses Jesajabuches zu beachten, vgl. auch 4,2 mit 62,8f sowie Jes 61; 4,3 mit 60,21 sowie 62,12; 4,4 mit 57,3ff; 60,18 und den Bezügen in 59,18ff zu Jes l,21ff (s. die Literaturhinweise oben Anm.70) sowie mit rwji in 59,19; 4,5f mit 58,8; 60,19f. Vgl. oben Anm.63. Darf man die Aussage Jes 59,18, daß Jahwes Gericht auch »die Inseln« einschließen wird, zeitgeschichtlich interpretieren als Reflex des Einbezugs Griechenlands und der Ägäis in die Diadochenkämpfe ab [...] [311 v.Chr.? Vgl. zur Datierung dieser Jesajaschicht jetzt eingehend: Abschluß, 83ff). - In welch später Zeit man sich befindet, zeigt der Befund, daß nicht nur Sirach das ganze Jesajabuch als Wort Jesajas gesehen hat (Sir 48,24f), sondern dies anscheinend auch Formulierungen in Jes 56-59 zu erkennen geben, vgl. oben Anm.70.86. Vermutungsweise muß man sogar noch einen Schritt weitergehen.ODEBERG, Trito-Isaiah, 119ff hat für 58,1 die Abhängigkeit von Aussagen in Jer 4; 6 und Ez 33 aufgewiesen; wird demnach in 58,1 der »Jesaja« dieses Buches bereits als Stimmführer einer vielstimmig-literarischen Prophetensymphonie angesehen, ist in diesen Traden tenkreisen bereits eine formiert-autoritative [...] [Propheten]-Sammlung im Blick?

394/96

Tritojesaja im Jesajabuch

35

auf die Fährte der Schlußredaktion des Jesajabuches und deren Absichten stoßen. Daß sich in den tritojesajanischen Passagen dieser jüngeren, jüngsten Erweiterung neben Bezugnahmen auf weitere alttestamentliche Schriften, für die ODEBERG prüfenswertes Material bereitstellt, Querbeziehungen zu allen Bereichen des gemäß Abschnitt 3.1 vorgegebenen Jesajabuches finden 96 , und zwar jetzt auch zu Jes 56,9 - 59,21 97 , wurde summarisch schon erwähnt. Ich meine, es läßt sich zeigen, daß in all diesen Fällen von Querbeziehungen unsere jüngsten Passagen der nehmende Teil sind, auf literarische Kenntnis und Kontext des so erweiterten Jesajabuches zu ihrem Verständnis angewiesen, und sich schon dadurch als von vornherein in dies Buch eingeschriebene und seiner Fortschreibung im ganzen (!) dienende Passagen erweisen. Insofern scheinen mir die verbreiteten Versuche, auf der Suche nach dem Propheten Tritojesaja aus Jes 63-66 literarkritisch separate Einzelstücke prophetischer Halbedelsteine herausklopfen zu wollen98, bis zum Erweis des Gegenteils fragwürdig. Die Frage der Einheitlichkeit der Texte stellt sich auch hier anders, wenn es sich von vornherein um Texte in ein Buch und für den Kontext eines Buches handelt, und das Indiz, wo Deuterojesaja benutzt ist und wo nicht, verliert seine Kraft, wenn der Horizont dieser Passagen der Kontext des ganzen vorgegebenen Jesajabuches ist. Dies gilt auch für die in diesem Zusammenhang gern genannten Aussagen, die es mit der Zerstörung von Tempel, Jerusalem, Städten wie im Gebet Jes 63/64 und mit dem Tempelbau wie Jes 66,1-2 zu tun haben. In beiden Fällen kann es sich auch abgesehen von allen genetischen Perspektiven zum Jesajabuch nicht um Textstücke handeln, die historisch aus der Zeit vor 515 v.Chr. stammen. Der Text 63,7 - 64,11 schließt sich, so wie er da steht, schon durch seine sprachlichen und sachlichen Kontextbezüge99, durch seine Komplexität in formgeschichtlicher Hinsicht 100 wie im ungewöhnlich-sachlichen Gepräge seiner Einzelaussagen101 für diese Zeit aus, und Jes 66,lff bewegt nicht die nachexilische Jahrhunderte lang virulente Frage, wann der Tempel zu bauen ist - unmittelbar oder erst bei der Heilswende -, sondern, wer ihn nicht bauen soll und angesichts der weltumfassenden Größe des thronenden Jahwe, der horizontal das weltumspannende, neue Gottesvolk dieser Schicht entspricht, in der vorgesehenen Weise auch nicht zu bauen braucht - auch das wahrlich keine Position der Exilszeit 102 . Man wird vielmehr für diese Schlußschicht des Jesajabuches

96

97 98

99 100

101 102

Vgl. dazu zB. CHEYNE, Einleitung, 353-389; ZLLLESSEN, ZAW 1906, passim; ODEBERG, Trito-Isaiah, 277-285; BONNARD, Isaïe, 443-495; VERMEYLEN, Prophète, 491-503, sowie SBS 121, 75 (Lit.). Vgl. besonders ODEBERG, Trito-Isaiah, 277-285. So jüngst besonders in den Untersuchungen von VERMEYLEN, Prophète, SEKINE, Sammlung und KOENEN, Ethik. Vgl. vielmehr Anlage [s.u. 217ff]. Vgl. die Literaturhinweise Anm.96. Vgl. dazu zB. T.VEUOLA, Verheissung in der Krise, Helsinki 1982, 126f. Auch Jes 63,714 ist ursprünglicher Teil des Gebets (vgl. formgeschichtlich zB. Ps 44); 63,8-10 ist heilsgeschichtliches Spiegelgeschehen für die gegenwärtige Lage, 63,11-14 für das jetzt erwartete Rettungshandeln Jahwes. Vgl. zB. Jes 63,9.10a.b(vgl. 59,18; 66,14). 11.12.16.17 (!); 64,4. Ein Problem für sich, das hier nur genannt werden kann, sind allfällige Anzeichen in dieser

36

Die redaktionsgeschichtliche Hypothese im Umriß

396/7

bezüglich der heiligen Stätte eine - vorsichtig angedeutete - Position in Betracht ziehen müssen, von deren Radikalität sich die Darius-Zeit noch nichts träumen ließ. Unsere Schlußschicht hat in ihrem Heilsbild zwar Jahwes heiligen Berg 103 und Jerusalem als Ort der Heilspräsenz Jahwes 104 im Zentrum, sie hält auch an der Darbringung von Opfergaben und Opfern fest 105 , vom Tempel im strengen Sinne (hykl) ist neben der Stadt aber nur als Ort des Einschreitens Jahwes zum Gericht die Rede (66,6). In den Heilsaussagen selbst tritt jedoch hykl nicht auf; vielmehr ist parallel zum »heiligen Berg« und Jerusalem, parallel zu »Jahwes Mauern« vom Haus Jahwes die Rede 106 , das als »Haus des Gebets«107 für alle, auch aus den Völkern und sogar mit Priestern aus diesem Bereich (66,21), dienen soll, und damit ist anscheinend das eschatologische Jerusalem ohne einen Tempel gemeint 108 ! Es ist überaus bezeichnend, daß eben dieser Sprachgebrauch auch im äthiopischen Henoch auftritt109, zu dem diese JesajaSchlußschicht auch sonst Beziehungen aufweist 110 . Jes 56,1-8 in seiner Position bahnt dieser radikalen Sicht von Jes 65-66 von vornherein die Spur, während 66,1 unter Rückbezug auf die Tempelklage in 63,18; 64,10 einen Tempelbau, provozierend »ein Haus« genannt, abweist. Aber, so muß man weiter fragen, warum ist in 66,1 überhaupt vom Bauen des Tempels die Rede, lebt man gemäß unseren Datierungsversuchen zum Jesajabuch nicht in einer Zeit, in der der nachexilische Tempel längstens steht? Nun - dies hängt zunächst damit zusammen, daß, wie gesagt, das Gebet 63/64 auch

Erweiterungsschicht für eine literarische Beziehung zu Esra/Nehemia; vgl. Jes 66,lff mit E s r 4 , 1 ff; 6 3 / 6 4 (vgl. SEHMSDORF, Z A W 1972) m i t d e n G e b e t e n N e h 1 u n d 9; 6 6 , 2 . 5 m i t

Esr 9 , 4 ; 1 0 , 3 . 103 Vgl. Jes 56,7; (65,9;) 65,11.25; 66,20. 104 Vgl. Jes 65,18f; 66,10.13.20. 105 Vgl. Jes 56,7; 66,20. 106 Vgl. Jes 56,5.7; 66,20. 107 Vgl. Jes 56,7, vgl. 66,23. 108 Anders noch die vorhergehende Erweiterungsschicht, die die Tempel-Aussagen des ihr vorgegebenen Jesajabuches (vgl. bes. Jes 60) voll rezipiert und in 62,9 selbst von den Vorhöfen spricht. 109 äthHen 90,28ff, wo die Beseitigung des empirischen Jerusalem und die Errichtung des eschatologischen Jerusalem (—Haus) durch Jahwe geweissagt wird; der im Kontext (vgl. 89,50ff) »Turm« genannte Tempel wird mit Bedacht nicht mehr erwähnt! Vgl. zu der in der Forschung längst erkannten Gleichsetzung von »Haus« mit Jerusalem in der Tierapokalypse zB. A. DILLMANN, Das Buch Henoch, 1853, 262ff; R.H.CHARLES, The Book of Enoch, Oxford 1893, 256; O.MICHEL, ThWNT 5, 1954, 122-161, dort 131; S.UHLIG, Das Äthiopische Henochbuch, JSHRZ 5, 1984, 692; M.BLACK, The Book of Enoch or I Enoch, Leiden 1985, 269.278; vgl. auch Devorah DLMANT, Jerusalem and the Temple According to the Animal Apocalypse (I Enoch 85-90) in the Light of the Ideology of the Dead Sea Sect, Shnaton 5-6 (1978-1979), 1982, 177-193. Wichtig für diese Position ist auch TestLev 10,5[...]! Liegt die Ermächtigung zu dieser Sicht der Dinge in Jes 66, lf für die Jesaja-Tradenten in Jes 2,2f, dem man eine Gleichsetzung von Berg und Haus Jahwes entnahm? 110 vgl. SBS 121, 78 Anm.90 und die Hinweise auf Beziehungen zwischen Jes 63-66 und äthHen bei CHEYNE und VERMEYLEN, S.O. Anm.96. Jes 56-66 bedürfte dringend einer gründlichen Vergleichung mit den durch äthHen bezeichneten Uberliefeningen.

397/8

Tritojesaja im Jesajabuch

37

eine Tempelzerstörung beklagt, und diese Beziehung zwischen 6 6 , 1 und 6 3 , 1 8 ; 6 4 , 1 0 ist im Rahmen des umfassenderen Problems zu sehen, w i e sich das Gebet und die beiden folgenden Schlußkapitel zueinander verhalten. Ich denke, man kann zeigen, daß sich Jes 65-66 wieder in wohldisponierter Anlage (fünf entsprechend strukturierte Abschnitte, von denen sich vier auf die Frevler (65,17 . 8 - 1 2 . 1 3 - 2 5 ; 6 6 , l - 4 ) und einer an die Frommen (66,5-24) richten) genau an der Abfolge von Aussagen des voranstehenden Gebets orientieren, auf das gemäß dem Adressatenwechsel in zwei Durchgängen ( 6 5 , 1 - 6 6 , 4 und 66,5-24) Bezug genommen wird. So scheint mir Jes 65-66 ein literarisch einheitlicher Text zu sein, der sich in seiner für sich gesehen seltsamen Aussagenfolge an der des Gebetes ausrichtet und nicht nur in der Beziehung 6 5 , 1 / 6 4 , 1 1 , sondern im ganzen eine Antwort auf das gesamte vorangehende Gebet darstellen s o l l 1 1 1 . Eine Antwort, die an verschiedene Aspekte dieses Gebets anknüpft und sie in verschiedener Hinsicht auch über die Tempelbaufrage hinaus unter Bezugnahme auf Aussagen im ganzen vorgegebenen Jesajabuch aus Gottes Mund klärt, und zwar tröstend und einschränkend zugleich. D i e Verwerfung des empirischen Israel als Heilsempfänger, die Beschränkung der Heilsgemeinde auf die Auserwählten in Israel und ihre Entschränkung um Menschen aus der Völkerwelt auf dem Hintergrund eines ansonsten totalen und unaufhörlichen Gerichts an der abgefallenen Menschheit aus Israel und den Völkern sind die

111

Daß die Beziehung Gebet - Gottesantwort in Jes 63,7-66,24 von Anfang an intendiert ist, ist gelegentlich bestritten worden, vgl. zB. ABRAMOWSKI, ThStKr 1925, 114; ELLIGER, Einheit, 36; in der Tat ist der Zusammenhang auf den ersten Blick nicht zu sehen, und um eine Antwort, die aus Gottesmund einfach nur noch zusagt, was das Gebet erbat, handelt es sich natürlich nicht. Gemäß unserer redaktionsgeschichtlichen Sicht der Dinge trifft man bei dem Gebet 63/64 auf eine Position, die aus aktuellem Anlaß (63,18f; 64,9-11) unter Aufnahme dtr. geprägter Nationalklage-Tradition die theologische Position der vorangehenden Jesaja-Redaktion, wie sie in 56,9-59,21 zutagetritt, wiedergibt - verschärft mit skeptischem Akzent gegenüber Jahwe (63,17; 64,6). Jes 65f zeigen sowohl gegenüber Jes 63/64 wie gegenüber der Position der vorangehenden Jesajaredaktion nunmehr eine tiefgreifende Veränderung - hinsichtlich des Tempels, hinsichtlich des Weltgerichts, hinsichtlich der Heilsteilhabe des empirischen Israel und der Völkerwelt - Aspekte, die sämtlich auch im Gebet einen Bezugspunkt haben. Also kann man folgern, daß das spannungsvolle Nacheinander von Gebet und Gottesantwort gerade diese Veränderung aus Gottes- und »Jesaja«-Mund autorisieren soll. In diese Richtung weisen einmal die Beziehungen zwischen Jes 65f und dem Gebet, vgl. schon SBS 121, 74f, sowie ein Einzelvergleich, wie er in Anlage [s.u. 217-228] vorgeschlagen ist. In diese Richtung weist zum anderen die offensichtlich Inklusionen zu 56,1-63,6 anstrebende Gestaltung von 63,7-66,24, vgl. 56,18/66,18ff; 56,9-57,13/66,5-18« (Jerusalem-Zion!); 57,14-21/66,1-4; 58/65; 59,1-63,6/63,7-64,11. In diesem Sinne sind m.E. die verschiedenen Näherbestimmungen der vielfach erkannten, inklusiven Anlage von Jes 56-66 zu präzisieren, vgl. nach LIEBREICH, JQR 1956-1957, 127ff etwa E.CHARPENTIER, Jeunesse du Vieux Testament, Paris 1963, 79f; BONNARD, Isale, 317f; LACK, Symbolique, 125ff; W.H.SCHMIDT, Einführung in das Alte Testament, Berlin-New York 3 1985, 268; RENDTORFF, Einführung, 208f; PoLAN, Ways, 14ff; SBS 121, 76. Der Gestaltungsvorgang zeigt hier wie sonst, daß das überaus häufige literarische Gestaltungsmittel der Inklusion makro- wie mikrostrukturell nicht zwangsläufig auf literarische Einheitlichkeit weist, sondern auch der Anbindung von Fortschreibungen an das Vorgegebene dienen kann.

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Die redaktionsgeschichtliche Hypothese im Umriß

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Hauptaspekte dieser Antwort, die die Gebetsposition korrigieren und zugleich den ganzen Kontextrahmen des Jesajabuches sachlich anders beleuchten. Doch hat diese, wie mir scheint, für den Sachzusammenhang Jes 63-66 allerdings wesentliche Auskunft unsere Ausgangsfrage nach einem Tempelbau, genauer Tempelwiederaufbau, in 66,1 nur verschoben. Alles spitzt sich auf das Gebet Jes 63/64 zu. Warum ist es mit seinen konkret angesprochenen Feind-Vorgängen gegen den Tempel, Jerusalem, Städte im Land in der jüngsten tritojesajanischen Erweiterungsschicht aufgenommen und in seiner Position geboten, wenn 59,9ff bereits ein im Kern entsprechendes Bußgebet und daran breit anschließend bis 63,6 reichende Heilsaussagen bot? Die neuen Akzente der Schlußschicht hätten sich ja womöglich homogener direkt an das Völkergericht von 63,1-6 anfügen lassen. Warum stehen nach den unüberbietbaren Heilsaussagen von 60,1-63,6 die Aussagen 63,7-66,24 überhaupt noch an ihrer Stelle? Weil das Gebet beantwortet werden muß; dadurch klärt sich 65f. Warum aber steht das Gebet da und zumal an seiner Position? Hinter dieser Frage scheint sich ein entscheidendes Movens für diese Schlußschicht überhaupt zu verbergen. Hier muß zwischen erster und zweiter Erweiterung etwas vorgefallen sein, das den gravierenden Umschwung in der Heilsperspektive bis hin zu der Frage, ob ein Tempelbau in dieser Hinsicht (vgl. 66, lb.2b mit 63,15; 64,8) Gott wohlgefällig ist oder nicht, ausgelöst hat. Aber was ist da vorgefallen? In dieser Frage bin ich noch nicht zu einer einzigen, präsentablen Antwort gekommen. Drei Möglichkeiten scheinen mir vor allem erörternswert, die sich in der Erklärung der Jes 63/64 beklagten Zerstörungen Jerusalems und des Tempels unterscheiden. Die erste Möglichkeit: Wir wissen 112 , daß es von der Exilszeit ab jahrhundertelang eine lebendige Strömung deuteronomistisch geprägter Tradition gab, die in Bußgebet- und Verkündigungstexten auch nachexilisch-eigene Feindbedrängnisse Israels als permanente Andauer der Katastrophe Jerusalems von 587 v.Chr. sah und entgegen dem konkreten nachexilischen Augenschein auch dementsprechend darstellte. Das Gebet Jes 63/64 wäre dann Ausdruck einer zwischenzeitlichen Rezeption dieser Sicht der Dinge durch die Jesaja-Tradenten in der Zeit der Diadochenkämpfe oder der Ptolemäerzeit, hätte de facto keinen realen Zerstörungsanlaß in Jerusalem, sondern suchte die aktuelle politische Erfahrung im Palästina der Zeit im Anschluß an diese deuteronomistische Tradition zu bewältigen; es wurde dann durch die Gottesantwort von Jes 65f in der erwähnten Weise zurechtgerückt. Dafür spricht der Einfluß deuteronomisch-deuteronomistischer Tradition auf das Gebet, der sich in dieser Spätzeit für das Jesajabuch auch sonst feststellen läßt 113 , dagegen, daß der konkrete Zug des Tempelwiederaufbaus in 66,1 bei dieser Sicht überaus merkwürdig wäre. Die zweite Möglichkeit: Diese Schlußschicht des Jesajabuches stammt überhaupt erst aus der Makkabäerzeit und Jes 63/64 wäre ein direktes Pendant zum Gebet Dan 9; die beklagten, wie 587 v.Chr. gesehenen Vorgänge in Jerusalem wären die aktuellen unter

112

Vgl. O.H.STECK, Israel und das gewaltsame Geschick der Propheten, WMANT 23, 1967, zusammenfassend 121ff.l84ff.

1 1 3

V g l . b e s o n d e r s SEHMSDORF, Z A W 1 9 7 2 .

399/400

Tritojesaja im Jesajabuch

39

A n t i o c h u s I V . D a f ü r spricht, daß w i r f ü r eine solche Sicht s o w o h l in G e b e t e n w i e in der deuteronomistischen Verkündigungstradition aus d e m seleukidischen Palästina beste B e l e g e haben, d i e auch das g r a v i e r e n d N e u e der Gottesantwort in Jes

65f,

die

bereits

die

Gegenwart

kennzeichnende

Scheidung

zwischen

e m p i r i s c h e m und w a h r e m Israel und sogar d i e Heilsteilhabe v o n M e n s c h e n aus der V ö l k e r w e l t , k e n n e n 1 1 4 . D a s Jesajabuch in Q u m r a n muß zeitlich kein G e genargument sein und b e i Sirach ist nicht sicher, w o m i t das i h m v o r l i e g e n d e Jesajabuch e n d e t e 1 1 5 . Bedenklich macht allerdings, v o n anderen E r w ä g u n g e n e t w a z u m Prophetenkanon abgesehen, daß in der Gottesantwort v o n Jes 6 5 f keinerlei konkrete H i n w e i s e auf d i e A n t i o c h u s - Z e i t enthalten sind. S o erscheint in erster L i n i e p r ü f e n s w e r t d i e dritte M ö g l i c h k e i t , nämlich ein konkretes, aber zeitlich w e i t näherliegendes E r e i g n i s in Jerusalem und i m L a n d e , das b e i den JesajaTradenten das K l a g e g e b e t 63/64 und seine sachliche Überschreitung in der anschließenden Gottesantwort ausgelöst hat, d i e deuteronomistisch w i e 587 v . C h r . gesehene E i n n a h m e Jerusalems durch P t o l e m a i o s I . , nach V i c t o r TCHERIKOVER geschehen i m Jahre 302/301 v . C h r . ,

d i e sich unter harten Umständen

voll-

z o g 1 1 6 . V e r m u t l i c h ist es d i e dtr.-skeptische Sicht dieser E r f a h r u n g , w i e sie das

114 v g l . Israel, 121ff.l86ff. Auch die Nähe zur Tierapokalypse und zu anderen Passagen im äthHen (s.o. Anm. 109.110) würde sich bei dieser Annahme bestens erklären; vgl. auch SBS 121, 77 [und J.VAN RUITEN, The Influence and Development of Is 65,17 in lEn 91,16, in: J.VERMEYLEN(Hrg-), The Book of Isaiah, BEThL 81, Leuven 1989, 161-166]. In Sir 48,23 (Hebräischer Text = 48,24 L X X ) heißt es von Jesaja: wynlpn ' blysywn; wird damit Jes 61,2b- 3a« 1 resümiert oder Jes 66,10.13? Größere Ubereinstimmung besteht mit Jes 61. In Sir 7,17; 10,11 hebr. Text, vgl. auch 19,3, liegen keine Bezüge auf Jes 66,24 vor. [Vgl. zur Frage auch P.C.BEENTJES, Relations between Ben Sira and the Book of Isaiah, in: J.VERMEYLEN(Hrg.), The Book of Isaiah, BEThL 81, Leuven 1989, 155-159; da bereits Zeph 3,9f und Sach 14 Jes 66 voraussetzen, ist kaum zu bezweifeln, dass auch Sirach ein von Jes 1 bis 66 reichendes Jesajabuch voraussetzt.] 116 Vgl 2u diesem in Josephus aus Agatharchides von Knidos zweimal (Contra Apionem 1,205-211; Antiquitates XII,5-6) berichteten Vorgang die Textzusammenstellung bei M.STERN (Hrg.), Greek and Latin Authors on Jews and Judaism, Vol. I, Jerusalem, 1976, 104-109 und zu seiner historischen Bewertung und Einordnung E. SCHÜRER, Geschichte des Jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi, Bd. 3, 1909 (Nachdruck 1964), 33f (vgl. auch die englische Neubearbeitung durch G.VERMES, F.MLLLAR, M.GOODMAN, Vol. III/1, Edinburgh 1986, 41); V.TCHERKOVER, Hellenistic Civilization and the Jews, Philadelphia 3 1966, 39ff.417ff, besonders 55ff; DERS., in: A.ScHALrr (Hrg.), The World History of the Jewish People, Vol. VI, London 1976, 66f; M.HENGEL, Juden, Griechen und Barbaren, SBS 76, 1976, 33f; P.SCHÄFER, in: J.H.HAYES-J.M.MILLER, Israelite and Judean History, London 1977, 570f; DERS., Geschichte der Juden in der Antike, 1983, 26f. Nähere Einzelheiten über das Vorgehen des Ptolemaios in Jerusalem sind den knappen Angaben bei Josephus nicht zu entnehmen, immerhin wird in Ant. XII,4ff gesagt, daß er die Stadt »hart und ungnädig« behandelte und aus Landgebieten und Städten viele Menschen nach Ägypten deportierte. [Zur Datierung (und literarischen Anfügung) des Gebets bald nach dem Ereignis selbst und zur Datierung der in Jes 65f hervortretenden Schlußschicht in der Zeit zwischen 300 und 270 v.Chr. s. die Ausführungen in Abschluß, 9 I f f ] . - Die gelegentlich postulierte Eroberung Jerusalems unter Xerxes 485 v.Chr. (J. MORGENSTERN) ist historisch ebenso fragwürdig (vgl. zuletzt DONNER, Geschichte, 415f Anm.43) wie die um 350 v.Chr. (vgl. CHEYNE, Einleitung, 362ff) unter Artaxerxes Ochus (vgl. zuletzt DONNER, 434f); nach den von uns vorgeschlagenen Datierungen der

115

40

400/1

D i e redaktionsgeschichtliche Hypothese im Umriß

Gebet faßt, die in der Gottesantwort Jes 65f korrigierend bis hin zur Preisgabe der Erwählung des Gesamtvolkes und zur Irrelevanz des Tempels geklärt werden soll. Damals spielte auch die Sabbatobservanz eine Rolle 1 1 7 , was mit der Betonung in dieser Schlußschicht (56,lff; 66,23; auch die Zufügung 58,13f 118 gehört wohl hierher) zusammenhängen könnte. Von einem Vorgehen gegen den Tempel ist für Ptolemaios I. freilich nichts berichtet, aber das mag an unseren überaus spärlichen Quellen liegen. Träfe diese Datierung zu, dann ließe sich auch die vorhergehende Erweiterungsschicht zeitlich näher fixieren und das großjesajanische Jesajabuch wäre als solches in drei Schüben innert weniger Jahre gegen Ausgang des 4.Jahrhunderts v.Chr. entstanden. Doch bleiben hier im Augenblick nicht mehr als konstruktive Vermutungen. Daß diese Schlußredaktion ihr produktives Eigenanliegen vor allem am Schluß des Ganzen plaziert, ist natürlich und sachlich wohlbegründet, soll doch die theologische Perspektive von 56,9-63,6 verändert119 und modifiziert wer-

Großjesaja-Redaktionen kämen sie überdies aus Zeitgründen für Jes 63/64 nicht in Frage. 117 118

Ptolemaios I. konnte sich unter Ausnutzung des Sabbat Jerusalems bemächtigen. V g l . dazu ELLIGER, Einheit, 125; SEHMSDORF, Z A W 1972, 529, der den Bezug zu 56,1-8 erkennt; WESTERMANN, Buch Jesaja, 271; PAURITSCH, Gemeinde, 79; SBS 121, anders SEKINE, Sammlung,

75;

136ff [128ff]; POLAN, Ways, 225ff. - Schwieriger ist zu

entscheiden, ob 57,20f erst Einfügung der Schlußschicht ist; der Aspekt definitiver Scheidung in Israel spricht dafür, vgl. SBS 121, 75 und jetzt SEKINE, 119ff [112ff]; auf der anderen Seite würde sich die Aussage als Warnung (vgl. 57,12f und rs c auch in 58,4.6, vgl. 55,7!) auch zur Schicht 56,9-59,21 fügen, vgl. auch POLAN, Ways,

107f.l56ff.

160ff.208f; für diese Zuordnung spricht Anlage von 56,9-59,21, vgl. Beobachtungen

zu

Jesaja 56-59 [s.u. 169ff). A n der Frage der Zuordnung hängt die andere, ob die früher in der Forschung oft hervorgehobene Beziehung 48,22 - 57,20 - 66,24 (vgl. jüngst ACKROYD, Presentation, 29f) Bedeutung für die Anlage der Schlußredaktion hat. 119

ygi

oben Anm. 111. Was diese einschneidende theologische Wende nun in der Schluß-

phase der Jesaja-Redaktion bewirkt, müßte im Anschluß an unseren Datierungsvorschlag näher erkundet werden. Darf als auslösendes Moment die Erfahrung genommen werden, daß das eigene Land und seine Menschen bis hin zu Jerusalem von den frühen DiadochenAuseinandersetzungen in Mitleidenschaft gezogen werden, wie es das Gebet Jes 63/64 im Anschluß an dtr. Sicht als Widerspruch zu den Heilserwartungen von 59,16-63,6 und als deren gravierende Verzögerung (vgl. 64,11 mit 62,1 und die Antwort 65,6) beklagt, so muß der Grund, warum Jes 63/64 als theologische Klärung der Lage nicht genügt, doch ein anderer sein. Jes 65f sprengt die Schuldbekenntnis-Solidarität des ganzen empirischen Israel, wie sie 63/64 äußert, auf, verwirft das dtr. Ziel einer Umkehr und Heilsteilhabe ganz Israels, schränkt den Begriff der Knechte Jahwes (63,17) auf die Frommen (64,4; 65,8ff; 6 6 , 2 . 5 f f ) und den des Jahwevolkes (64,8) auf das Volk, das nach ihm fragt (65,10), ein; diesem gelten die in Jes 65f ergänzten und modifizierten, eschatologischen Heilsperspektiven des Jesajabuches, zumal von 59,16-63,6, während die übrigen im V o l k jetzt schon einer

Zukunft

eschatologischen

66,4.5f. 14.15ff).

Als

Anklage

Vernichtungsgerichts korrespondieren

verfallen

diesen

sind

( 6 5 , l f f . l l f . 13ff;

Verwerfungsaussagen

im

we-

sentlichen Vergehen kultischen Abfalls von Jahwe (65,1-7.11; 66,3.17 ( ? ) ) . Handelt es sich um die Verwerfung deijenigen Schichten des Volkes, die in solchen Kulten ihre Sympathie mit der hellenistischen Kultur und den verschiedenen Exponenten der Diadochenmacht in dieser unruhigen Zeit bekunden? Oder sollen diese jahwefremden Kultübungen ihrerseits der Wende der politisch-militärischen Zeiterfahrung dienen? W i e auch immer - auch diese Kulte können zwar die Verwerfung, aber nicht den Positionswechsel gegenüber 56,9ff und

401/2

Tritojesaja im Jesajabuch

41

den 120 . Aber auch die Position von 56,1-8 ist überlegt: Nachdem in 55,12f im Jesajabuch letztmals vom Auszugsaspekt die Rede war, spricht im Sinne der Tradenten im Folgenden der Jesaja des Buches ganz unter der Perspektive »im Lande« und beginnt jetzt mit einer eschatologisch begründeten Mahnung, die in begrifflicher Verdichtung ohnegleichen, wie jüngst R E N D T O R F F und P O L A N hervorgehoben haben, Spitzenbegriffe für Ethik und Eschatologie aus den verschiedenen Bereichen des ganzen Jesaja konzentriert121. Daß sich diese Ge-

63/64 begründen, zumal von solchen Kulten auch schon 57,3ff im Rahmen der älteren Position die Rede ist. Der Grund muß in größerem Rahmen unter Hinbeziehung vor allem von Jes 24-27 und Sach 9-14 erfragt werden; auch Kritik am Konzept eines ptolemäischen »Tempelstaates« Judäa ist zu erwägen. [Vgl. dazu jetzt die Überlegungen in Abschluß] 12 ® Zwingende Gründe, Jes 65f literarkritisch in separate Hinzelteile und redaktionelle Verklammerungen aufzulösen, sehe ich auch hier nicht, wenn man der überlegten Gestaltung des Abschnitts und der redaktionsgeschichtlichen Fortschreibungsperspektive Rechnung trägt. Im Aufbau, in der Abfolge ihrer Abschnitte und Themen ist die Gottesantwort Jes 65f, die sich modifizierend und ergänzend und so immer das literarische Jesajaganze voraussetzend (!) aus Bezugnahmen auf den engeren und weiteren literarischen Kontext des ganzen Jesajabuches speist, wie wir sahen, bestimmt von der Anlage des Gebets und der Anlage von Jes 56,1-63,6, an der man sich für Inklusionsbildungen orientiert (s.o. Anm. 111). Dies bedingt Wiederaufnahmen von Jes 65 in Jes 66 (zB. 65,12.24/66,4; 65,17/66,22) und thematische Wiederholungen bei unterschiedlichem Akzent, zB. in der Frage der Vermehrung (vgl. dazu BECKER, Isaias, 54f) des angesichts der Verwerfungen im empirischen Israel, die als Kern der klärenden Gottesantwort als Thema in 65,1-7 bewußt voranstehen, derzeit noch kleinen, wahren Gottesvolkes: 65,8-10 beantwortet diese Frage (vgl. 63,7f.l7; 64,8) im Blick auf das Gottesvolk aus Juda und Jakob (!; vgl. schon die Jes 35-Schicht; Gegenbild gegen eine samaritanische Sezession?) und sein Heilsland; 66,6-14 mit Rückbezug auf 59,18('wyW)ff; 60-62 (vgl. auch die Linie 61,10; 62,5; 65,18; 66,10) beantwortet diese Frage (vgl. 64,9) im Blick auf Zion und deren Ausstattung (66,12 auf der Linie 48,18; Jes 60) und in dem über die Gerichtsthematik in Israel (66,14fin; inkludierend mit 66,[5-]6) angeschlossenen Abschnitt 66,15ff, der das eschatologische Hrgehen der nichtisraelitischen Menschheit (vgl. 64,1-3) zum Thema hat, unter dem Aspekt der Heimführung der Diaspora (66,20) und der 56, Xff entsprechenden Hinkehr nichtisraelitischer Menschen zu Jahwe (66,19.21-23), für die in 56,8 sogar die Vorstellung von der Sammlung Israels aufgeweitet wird (vgl. 56,8 mit 11,12 bzw. bezüglich qh? mit 11,12; 60,4, vgl. SBS 121, 62f). Dieser letztgenannte Abschnitt 66,15ff greift so modifizierend die Aussagen des Jesajabuches vom Völkerzustrom nach Zion auf, zugleich aber eingeschränkt auch die Aussagen vom Völkergericht (66,15f. 17-18a[b?]), dessen Wahrnehmung in Anknüpfung an 40,5 (; 49,26) als Sehen des Kabod Jahwes interpretiert wird; aus dem Rückbezug auf 40,5; 49,26 stammt auch die tf-ter-Terminologie in 66,16.23.24. - Der berühmt-berüchtigte Schluß des Jesajabuches, 66,24, exponiert im Ringschluß zum Anfang der Gottesreden dieses Hrweiterungsblocks, 65,1-7, das zentrale Anliegen dieser ganzen Gottesantwort: definitive, eschatologisch relevante, unaufhebbare Scheidung unter den Menschen (zu psc beachte Inklusion zu 1,2! und den psc-Belegen der vorangehenden Schicht besonders 59,20!, zu dr'wn vgl. Dan 12,2!; zu »Wurm« als Anzeichen der ewigen Verdammnis vgl. neben dem möglicherweise beabsichtigten Rückbezug auf 14,11 die Ausführungen bei F.LANG, ThWNT 7, 1964, 452-457, dort 454; man beachte wieder Entsprechungen im Sprachgebrauch des äthHen). 121 Vgl. zu der aus dem Protojesaja-Bereich vorgegebenen Konstellation mspf/^dqh und der aus dem Deuterojesaja-Bereich vorgegebenen Konstellation yswc(h)/sdq(h), die in Jes 56,1 programmatisch verbunden sind, RENDTORFF, Einführung, 211; DERS., VT 1984, 312ff;

42

Die redaktionsgeschichtliche Hypothese im Umriß

402/3

neralrichtlinie 56,1-8 für alle Heilsberechtigten aus Israel und den Völkern ihrerseits als Auslegung von Jes 55 gibt, wie B E U K E N gesehen hat 1 2 2 , und hinsichtlich der Nichtisraeliten 55,5 entfaltet, zeigt nur von einer neuen Seite, daß hier von vornherein anhand eines Buches und in ein Buch hinein Jesaja weiter zur Sprache gebracht werden soll. Daß diese Schlußschicht auch in Jes 60-62 kleine eigene Akzente gesetzt hat, so durch die Einfügung von 60,12a im Blick auf die aus der Völkerwelt, die die Verehrung Jahwes verweigern 123 , und 61,3 mit der Einfügung »die Trauernden Zions aufzurichten«, die mit 66,10.13 konvergiert 124 , sei nur am Rande vermerkt. Wichtiger scheint die Frage, wie diese Schlußschicht das nun praktisch im Endumfang vorliegende Jesajabuch als ganzes verstanden und in seiner Anlage gegliedert wissen wollte. Hier sind erst tastende Schritte möglich. Zunächst muß man ernstlich damit rechnen, daß jetzt wie schon im vorgegebenen Großjesaja von 3.1 und dem ersten Großjesajabuch vor ihm sich alle prophetischen Ich-Aussagen des Ganzen auf Jesaja, den der Assyrerzeit, beziehen, der aber auch für die Folgezeiten bis zur aktuellen Gegenwart in diesem Buch weiterspricht 125 ; unsere historisch-analytische Aufteilung des Buches auf Sprecher aus ganz verschiedenen Zeiten ist eines, die Sicht der Tradenten ein anderes; dies gilt bis hin zu Jes 61, lff - ein Text, den auch Sirach entgegen dem ursprünglichen Sinn als Rede Jesajas auffaßt (48,24). Hinsichtlich des Aufbaus, den die Schlußredaktion für dieses Jesajabuch intendiert, wäre zu fragen, ob sich Eigenformulierungen von ihrer Hand auch in Jes 1-55 finden. In Betracht ziehen kann man neben anderen Texten vor allem 12,16, eschatologische Dankworte, die Jahwe zunächst Jesaja (V.l-2) und sodann dieser den Heimkehrern sowie Zion und ihren Heilsbewohnern (V.3-6) zuspricht; mit dem Sachprofil der Schlußredaktion konvergiert neben der hier formulierten Anbetung Jahwes ja vor allem die Kundgabe des Heilsgeschehens an die Völker - 12,4 vgl. mit 66,18ff 1 2 6 . Ist diese Zuordnung von 12,1-6 rich-

POLAN, Ways, 58ff. Gemäß unserer Schichtung ist die Heranziehung dieser Begriffspaarungen, wie die Belege in 56,9-59 zeigen, bereits der vorletzten Jesaja-Redaktion eigen, wobei für msp(/sdq(h) die Anknüpfung an 1,2lff eine wichtige Rolle gespielt hat. 122 BEUREN, Example, 50-52; vgl. zu den Bezügen zwischen 55,lff und 56,1-8 ferner CHEYNE, Einleitung, 317; ABRAMOWSKI, ThStKr 1925, 129; ELLIGER, Deuterojesaja, 271; ODEBERG, Trito-Isaiah, 61f; Beobachtungen zu Jesaja 56-59 [s.u. 169ff]. 123 vgl. Grundtext, 261ff [s.u. 49ff]. Zu erwägen ist, ob der Schlufischicht nicht auch Jes 14,1-3 (s. SBS121, 75) zugehören. 124 Vgl. Rachetag, 329 [s.u. III], 125 Vgl. SBS 121, 87ff und s.oben Anm.70.86. 126 Vgl. zu 12,1-6 schon oben Anm.50-58 und das in diesem Zusammenhang vorgetragene, entscheidende Argument, daß Jes 12,1-6 wegen seiner Exodusbezüge nicht älter sein kann als 11,11-16, wegen seiner Differenz zur Vorstellung von einem umfassenden Völkergericht aber weder der großjesajanischen Schicht von l l , l l f f noch der nächstfolgenden, die 63,1-6 beisteuert, angehören kann. Daß in 12,lf nicht der »Rest des Volkes« (11,16) angeredet wird und als »Ich« spricht, legt sich wegen des Wechsels in die 2.p.pl. bei der Anrede an diese Heimkehrer in V.3-5 nahe; so bleibt vielmehr »Jesaja« (vgl. die vielfach beobachtete Anspielung auf seinen Namen in 12, lff) in Betracht zu ziehen - als schon zu seiner Zeit um das Heil wissender Vorsprecher eines Lobpreises, den das eschatologisch vollendete Gottesvolk dann sagen wird. Daß 12,1-6 seiner Kontextstellung entsprechend

403/4

Tritojesaja im Jesajabuch

43

tig 127 , dann wäre zu prüfen, ob die Schlußredaktion im Jesajabuch nicht ein großes, jesajanisches Weissagungsgeschehen aufgezeichnet sieht, das sich, teils bereits Erfahrung, teils noch Hoffnung, von der Assyrerzeit bis in die eigene Tradentengegenwart nahe (56,1) vor der eschatologischen Vollendung erstreckt und in Vorwegnahme der ewigen Anbetung im Zion des Heils (66,23) tragende Pfeiler in vorgefundenen oder wie im Falle von 12,1-6 neu gesetzten hymnischen Aussagen gewinnt, die jeweils eine Wende konstatieren und lobpreisend auf Aspekte der Heilsvollendung wie Heimkehr, Völkergericht, Bewahrung und Reinheit Zions vorweisen: Schon 4,2-6 könnte im Rückblick auf Jes 1-4 und im Vorblick bis Jes 66 jetzt diese Funktion haben, 12,1-6 mit der Zuversicht, daß sich der Zorn Jahwes von Jes 5-10 im neuen Exodus wenden wird, Jes 25,1-5; 26,1-5 im Blick auf Fremdvölker und Weltgericht von Jes 13 an, sodann der Hiskia-Psalm und die Hymnen im Deuterojesaja-Abschnitt und zuletzt vielleicht der von »Jesaja« gesprochene, hymnische Rückblick 63,7-14, wobei es Jes 12,16 ist, das diese Perspektive für Leser des Jesajabuches im ganzen exponiert 128 . Besonderes Gewicht hat die Schlußredaktion Jes 56-66 gegeben; hier klärt ihr Jahwe durch Jesaja unmittelbar die Erfahrungslage der eigenen Gegenwart bis hin dem radikalen Wechsel zu einer Position bereits kundgegebener, eschatologischer Scheidung quer durch Israel und die Völker. Das Gewicht dieses Schlußabschnitts sieht man nicht nur an der Stellung sowie an dem markanten Einsatz 56, l 1 2 9 ; man sieht es auch an der sorgfältigen inklusiven Gestaltung der Abschnitte von Jes 56-66, auf die meines Wissens zuerst Etienne CHARPENTIER hingewiesen hat 130 ; sie zeigt, daß die Schlußredaktion hier ihre

127

128

129

130

vor allem Rückbezüge auf Jes 1-11 aufweist, wie zB. LIEBREICH, JQR 1955-1956, 264f; LACK, Symbolique, 57f; RENDTORFF, Einführung, 202 dargelegt haben, ist nicht verwunderlich; doch bietet der Text auch Vorverweise auf das im Jesajabuch Folgende; dies gilt für yi c samt Derivaten im Folgekontext und für »trösten«, worauf besonders RENDTORFF aufmerksam gemacht hat (Einfühlung, 210; VT 1984, 298ff); hier sind vor allem die 12,1 entsprechenden Aussagen wichtig, in denen Jahwe selbst tröstet: 49,13; 51,3.12; 52,9 und eben 66,13. DaB der Kontexthorizont von Jes 12 bis Jes 65f reicht, kann sprachlich wohl der in Jes 56-66 nur in unserer Schlußschicht auftretenden, sachlich exponierten Wendung qr bsm (Jahwes) entnommen werden; vgl. 12,4a mit 64,6; 65,1.15! Bestehen auch Beziehungen zwischen den in Jes 11,11 (3. Zeile BHS) zugesetzten geographischen Detaillierungen und 66,19? Auch ein Textensemble mit den drei thematischen Aspekten Weltgericht/Sammlung/Lobpreis, das sich im Jesajabuch mehrfach findet - Jes ll/12/13ff; in 24-27; 34/35/38 (Hinweis meines Assistenten E.Bosshard) -, könnte für die Anlageintention der Schlußredaktion Bedeutung haben; sie hätte es in 24-27 und 34-38 vorgefunden, in 11-13 durch Zufügung von 12 hergestellt und es abgewandelt auch zu Anfang (63,7-14 samt 62,10-12; 63,1-6) und Ende (66) ihres großen, eigenformulierten Aussageblocks noch einmal verwendet. [Womöglich gehörten dieser Schlußschicht auch 1,29-31 (s.o. Anm.92) und nicht nur 54,17b, sondern 54,11-17 im ganzen (vgl. dazu Beobachtungen zu den Tion-Texten) zu.] Jes 56,la.2 akzentuieren nun 56,9-59,21 als negative und positive Konkretion heilsgemäßen Verhaltens, 56,1b ist Vorblick auf 59,16-63,6 samt den Ergänzungen in Jes 65f, 56,2 blickt auf das Verhalten der Frommen aus Israel und Völkern (beachte ' nws und bn'din), und 56,3-8 zielen insbesondere auf Jes 66,15ff. Vgl. oben Anm. 111.

44

Die redaktionsgeschichtliche Hypothese im Umriß

404/5

neuen Eigenaussagen bewußt auf das Vorgegebene in Jes 56-63 ausgerichtet und sie inklusiv entsprechend plaziert hat 131 . Merkwürdig bleibt die das empirische Israel in Verurteilte und Erwählte scheidende Perspektive dieser letzten, makrostrukturell greifbaren Redaktion des Jesajabuches, die auf Parallelerscheinungen in Passagen des äth. Henoch und in Qumran weist. Wie konnte ein dergestalt ausmündendes Prophetenbuch bei einer Gestalt wie Sirach positiv rezipiert werden, sofern Sirach Jes 1-66 vorlag? Möglicherweise hat die gegenüber Jes *63-66 etwas jüngere Schlußredaktion des Zwölfprophetenbuches mit Sach 9-14 und Maleachi am Ende der Sammlung Jesaja, Jeremia, Ezechiel, Zwölfprophetenbuch hier eine Brücke in den orthodoxen Bereich gebildet und mit dem Maleachi-Schluß auch die Anbindung an die Tora, die in den ethischen Kriterien von Jes 56-59 und 63-66 noch erstaunlich zurücktritt, geleistet. Statt eines Fazits zwei Schlußbemerkungen, eine spezielle und allgemeine.

III. Schlußbemerkungen Zunächst die spezielle Schlußbemerkung. Nach unserer Meinung gibt es diskussionswürdige Indizien dafür, daß die Frage »Tritojesaja im Jesajabuch« im wesentlichen mit literarischen Fortschreibungsvorgängen zu beantworten ist. »Tritojesaja« ist demnach kein ehedem mündlich wirkender Prophet oder eine Reihe von solchen aus verschiedenen Zeiten, der Begriff »Tritojesaja« ist nichts anderes als Exponent schriftgelehrter Prophetie, die sich primär an vorgegebenen literarischen Corpora orientiert und diese als ganze aktualisierend weiterschreibt. Vier Stufen dieser Fortschreibung haben sich uns dabei versuchsweise nahegelegt: Jes 60-62 ist im älteren Bestand nur Fortschreibung von Jes 40-55, alle anderen Passagen in Tritojesaja gehören in drei Stufen produktiven Redaktionen zu, die sich sämtlich auf eine Schriftrolle beziehen, auf der Protojesaja und das erweiterte Deuterojesaja-Corpus bereits zu einem Jesajabuch vereinigt werden bzw. bereits vereinigt sind. Das Spezielle an dieser Schlußbemerkung: Ich habe mich gefreut, daß auch andere Untersuchungen mit sprachlichen Beobachtungen jüngst auf einen Befund literarischer Querbeziehungen innerhalb des Jesajabuches gestoßen sind, der auf eine Unterscheidung in Tritojesaja von 60-62 mit lediglich deuterojesajanischem und von den sonstigen Passagen mit bereits gesamtjesajanischem Horizont deutet. RENDTORFF und PoLAN haben dies eindrücklich für die Spitzenbegriffe sdq/sdqh und yf samt Derivaten einerseits und die protojesajanisch gespeiste Verbindung von sdq/sdqh und mspt samt Derivaten andererseits herausgestellt 132 . In dieselbe Richtung deutet

131

132

Auch an großjesajanische Inklusionsabsichten der Schlußredaktion muß man bei der Formulierung von Jes 63,7-66,24 denken, vgl. schon LIEBREICH, JQR 1955-1956, 276f; LACK, Symbolique, 139ff; ACKROYD, Presentation, 42f; oben Anm.120; s. auch SBS 121, 76. S.oben Anm. 121: Heilsgerechtigkeit Jahwes nur in 40-55 und 60-62, Verbindung von msp( und sdqh nur in Protojesaja, 56,9-59,21 und 56,1-8.

405/6

Tritojesaja im Jesajabuch

45

der Aufweis von BEUKEN133, daß das Motiv des Berges Zion nicht in Deuterojesaja und auch nicht in Jes 60-62, wohl aber in Protojesaja auftritt und in den Passagen Tritojesajas, bei denen wir auf einen großjesajanischen Redaktionshorizont gestoßen waren 134 . Der Befund ließe sich besonders an Hand der Auflistungen in der Dissertation von SEKINE vermehren 135 . Schließlich die allgemeine Schlußbemerkung, eine captatio benevolentiae, die bei der Problemfülle des Themas »Tritojesaja im Jesajabuch« wahrlich am Platze ist. Was hier vorgetragen wurde, sind Wahrscheinlichkeiten, Erwägungen, Vermutungen und gewiß auch reichlich Korrigibles; das kann bei dem riesigen Textkomplex des Jesajabuches auch gar nicht anders sein; aber vielleicht ist es doch eine Perspektive, die als Arbeitshypothese die Prüfung lohnt. Sollte sich dabei jedoch sichern lassen, daß Tritojesaja keine kleinen, selbständigen Einheiten enthält, sondern von vornherein im Horizont eines literarischen Kontexts entstanden ist, der immer schon über Jes 56-66 hinausreicht, dann hätte dies Folgen für die exegetische Sinnbestimmung dieser Texte: Deren ursprüngliche Intention und Funktion können dann nur zusammen mit den jeweiligen literarischen Kontexten und den in diesem Rahmen exponierten Querverbindungen erhoben werden, das Profil einer schriftgelehrten Tradentenprophetie wird sichtbar, und die Bestimmung des historischen Sinnes auf Grund vermeintlicher Einzellogien oder perikopenhafter Textausschnitte ist in diesem Fall auch für ein genetisches Anfangsstadium der Texte nicht zureichend und dem Gegenstande nicht angemessen, weil es in Tritojesaja ein derartiges Anfangsstadium nicht gab.

133

134

1 3 5

BEUREN, Example, 50f.

Nicht minder auffallend und in die Richtung der hier vorgeschlagenen Schichtungen in Tritojesaja weisend ist, daB an Jes 55 jeweils zu Anfang der von uns eruierten Schichten angeknüpft wird - in Jes 60f, in 56,9ff, in 56,lff. SEKINE, Sammlung, 259ff [242ffl.

B. Tritojesaja — Texte als Fortschreibung von Jes 40 - 55

DER GRUNDTEXT IN JESAJA 60 UND SEIN AUFBAU Klaus Koch zum 60. Geburtstag Daß der umfangreichen Weissagung Jes 60,1-22 eine prophetische Vielstimmigkeit eigen ist, in der Älteres und Jüngeres keineswegs unisono zusammenklingen, ist in der Exegese dieses Textes seit langem beobachtet worden. Ein Konsens hat sich freilich nicht erzielen lassen; das Spektrum reicht von der Annahme weniger Glossen 1 bis zur Unterscheidung eines Grundtextes von umfangreichen, jüngeren Zusätzen 2 . Diese Forschungslage lockt, die Frage der literarischen Integrität von Jes 60 erneut aufzugreifen. Es geschieht im folgenden in der Weise, daß zunächst die Vorschläge der Forschung gesichtet werden (I); was sich auf Grund dessen als Grundtext in Jes 60 anbietet, wird sodann unter der Frage des Aufbaus auf seine Kohärenz hinsichtlich Anlage und Perspektive geprüft mit dem Ziel, die vom Text selbst intendierte Gestaltung wahrzunehmen (II); die dabei gewonnenen Ergebnisse sind schließlich mit anderen, genetisch für Jes 60 relevanten Texten zu konfrontieren (III).

I. Analyse des Grundtextes Sicher muß man der weitverbreiteten Ansicht zustimmen, daß V.12 nicht zum Grundtext von Jes 60 gehört 3 . Die beiden immer wieder vorgebrachten Hauptargumente sind zwingend: Der Prosa-Vers fügt sich nicht zur metrischen Gestaltung seines Kontextes und die Ausnahme, die V.12a berücksichtigt, ganz und gar nicht zu dem Sachgefalle von 60,1-3 - die dort durch die eschatologische Erscheinung des Kabod Jahwes bewirkte, weltweit sichtbare Verherrlichung Zions (60,1-2) ist unwiderstehlich und hat zwangsläufig den Aufbruch der Völkerwelt nach Zion zur Folge (60,3) 4 . Überdies ist der Vers auch in sich nicht einheitlich: Neben dem Ausnahmefall V.12a nimmt V.12b nun die Zertrümmerung der So zB. G.FOHRER, Das Buch Jesaja III, Zürich 1964, 223ff; K.PAURITSCH, Gemeinde [s.o. 6 Anm.9], 120ff; S.SEKINE, Sammlung [s.o. 6 Anm.9; Paginierung der Druckfassung in eckigen Klammem], 69ff [68ff], So jüngst J.VERMEYLEN, Prophète, [s.o. 4 Anm.4], 471ff. Vgl. zu dieser seit T.K.CHEYNE und B.DUHM schier durchgängig vertretenen Auffassung jüngst VERMEYLEN, Prophète, 474; SEKINE, Sammlung, 71 [70]. Anders vor allem P.VOLZ, Jesaja II, 1932, 243; P.D.HANSON, Dawn [s.o. 7 Anm.ll], 56f. Bei VOLZ und HANSON ist die Unvereinbarkeit von 60,12 mit 60,1-3 außer acht gelassen. Im übrigen können beide Forscher V.12 nur auf willkürliche Weise im Text behalten: VOLZ stellt ihn um, HANSON reduziert ihn. Von vornherein auf falsche Spuren wird geführt, wer die in 2. fem. sg. Angeredete in Jes 60 mit »Israel« statt mit Zion identifiziert, so Elizabeth ACHTEMEIER, The Community and Message of Isaiah 56-66, Minneapolis 1982, 83ff; SEKINE, Sammlung, 74 [72].

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Die Fortschreibung von Jes 40-55 in Tritojesaja

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Völker insgesamt in Blick. Die Zufügung V.12a, der wir uns zunächst zuwenden, ist, wie die Formulierung zeigt5, Jer 27 verpflichtet, und zwar den Aussagen Jer 27,8-10, die im Unterschied zu V . l l den Fall des Widerstands gegen den König von Babel behandeln: Der Tatbestand ist in Jes 60,12a in wörtlicher Anlehnung an die Eingangsformulierung von Jer 27,8a gefaßt und das Folgeschicksal »zugrunde gehen« mit demselben Verbum, das auch in Jer 27, lOfin in gewichtiger Schlußstellung den Endpunkt der - in Jer 27,8-10 breiter ausgeführten - Folgen dieses Falles darstellt. V.12a versteht demnach den Vorgang von Jes 60 im Sinne einer eschatologischen Umkehrung von Jer 27: Jahwes Ahndung verweigerter Unterwerfung vor Nebukadnezar, die einst auch Juda einschloß, gilt jetzt zugunsten Zions. Was die Zufügung von V.12a in diesem Sinne gerade an dieser Stelle in Jes 60 veranlaßte, ist schwer zu sagen. Man könnte an die passive Auffassung des letzten Wortes von V . l l denken6 oder an eine Anknüpfung an srf in V.lOaß oder an eine Begründung für V . l l , die offenlegt, warum auch im Ausnahmefall des Widerstands die Tore Jerusalems gleichwohl ständig offenbleiben können. Lediglich um eine Glosse, wie vielfach angenommen, handelt es sich bei V.12a kaum. Die Aussage ist, wie bereits WESTERMANN vorgeschlagen hat7, in einem größeren Rahmen zu sehen. Sie konvergiert nämlich mit dem Profil der Schlußschicht in Jes 56-66, demgemäß ein Teil der Völker nicht zur eschatologischen Huldigung in Zion finden wird 8 . Mit diesem Redaktionsvorgang ist die Zufügung von V.12a zu verbinden9; Zeit und theologisches Milieu zeigt die zu 60,12 oft genannte Sachparallele Sach 14,16-19. - Anders verhält es sich mit V.12b. Die Stellung dieser Aussage legt nahe, daß sie jünger ist als V.12a, und sie als ältere Anfügung zu V . l l zu verstehen, gibt es keinen sachlichen Grund. Dies vorausgesetzt kann V.12b nur Glosse sein. Zwar gibt es Schichten im Jesajabuch, die mit einer eschatologischen Vernichtung aller Völker rechnen 10 , diese Schichten sind unseres Erachtens aber älter als die V.12a bereits greifbare Schlußschicht. Wie ist es zu der seltsamen11 Glosse gekommen, daß »die«, also doch wohl alle Völker der Zertrümmerung anheimfallen werden? Man kann an einen harmonisierenden

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Vgl. schon P.-E.BONNARD, Isaïe, [s.o. 4 Anm.3], 408. So C.WESTERMANN, Buch Jesaja [s.o. 6 Anm.9], 287. Andere Forscher lesen das letzte Wort von V . l l als part, activum, vgl. B.DUHM, Jesaja [s.o. 3 Anm.l], 450 und jüngst W.GROB, ThWAT V, 1986, 275-279, 276: »die Könige treiben ihre Völker bzw. die Lasttiere mit den Schätzen an«. 243f; vgl. auch VERMEYLEN, Prophète, 474. Mit den globalen Anti-Völker-Aussagen wie 63,1-6 läßt sich jedoch V.12a angesichts seines Ausnahmeakzents gerade nicht verbinden. Vgl. 56,1-8; 66,12; 66,15f.24 neben 66,18-23; vgl. auch Zeph 3,8ff; Sach 14,16. Vgl. SBS 121 [s.o. 5 Anm.5], 74-76. 80 [s.o. 42]. Vgl. SBS 121, 71.72-74.80 (die beiden großjesajanischen Redaktionsschichten vor der Schlußredaktion) [s.o. 20-27.27-34]. Subjekt und Verbum passen, wie längst aufgefallen, nicht zueinander (eine Parallele bietet in etwa nur IIReg 19,17 - aber nicht Jes 37,18 und auch nicht Sir 16,4); die eigentümliche Konstellation könnte jedoch durch schriftgelehrten Bezug auf vorgegebene Formulierungen veranlaßt sein. DUHMS Änderung, statt »die Völker« vielmehr »ihre Länder« zu lesen (danach Zürcher Bibel), ist haltlos.

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Der Grundtext in Jes 60 und sein Aufbau

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Ausgleich von Jes 60 mit Jes 63,1-6 denken - nachdem die Schätze der Völker in Zion sind (60,11), wird die Völkerwelt ihr in 63,1-6 geweissagtes Schicksal ereilen, wobei die eigentümliche Formulierung V.12b beeinflußt ist von IIReg 19,17 (vgl. aber Jes 37,18) oder wahrscheinlicher von Jes 34,2-4.10 12 . Ohne Zweifel geben auch V. 17-22 Anlaß zu literarkritischer Prüfung; bei aller Anknüpfung an das Voraufgehende sind Akzentänderungen unübersehbar. In V.17a fällt auf, daß es nun auf einmal Jahwe selbst ist, der Zion etwas »bringt«, während er gemäß 60,lff in der Lichterscheinung seines Kabod über Zion strahlt (V.l-2) und infolgedessen andere nach Zion gehen (V.3.14), kommen (V.4b.5b.6a. 13) oder etwas »bringen« (V.9aß.llb). Und weiter: Warum müssen auf diese unterschiedliche Weise Gold (V.6b.9aß bzw. V.17aa) und Silber (V.9aß bzw. V.17aa) zweimal nach Zion gebracht werden 13 ? Merkwürdig sind auch die anschließenden Aussagen V.17b-18 über die inneren Heilszustände in Zion. Im Voraufgehenden haben sie keinerlei Anhalt, da, wie wir sehen werden, V. 14a nicht innerisraelitische, sondern die babylonischen Bedrücker meint; auch fällt auf, daß das solenne Resümee bereits in V.16b vor diesen Aussagen gezogen werden kann. Sieht man, wofür alles spricht14, Jes 6162,7 auf derselben literarischen Ebene wie 60,lff, so wird die Differenz zu 60,17bf noch größer, da diese Folgeaussagen entsprechende Mängel innerhalb des gegenwärtigen Gottesvolkes nicht hervortreten lassen: In Jes 61 steht vielmehr die Aufhebung der Fremdherrschaft - aber nicht ein fremdenfreies Land (61,5f!) - und ihrer Folgen im Lande thematisch im Zentrum, und aus dieser Perspektive ist auch der »»unrechtmäßige« Raub« in V.8aß zu verstehen; aussteht eine Heilsvollendung, die den Völkern offenbar wird (61,9.11; vgl. 62,2) 15 , in 60,17b. 18 ist aber von einem Völkerbezug anders auch als 60,lff nicht die Rede. In V. 19-20 wird Jahwe als Licht Zions den beiden lichtspendenden Gestirnen entgegengesetzt unter zwei Aspekten: Jahwe wird ewiges Licht sein statt Sonne und Mond, wenn sie scheinen (V.19), und statt Sonne und Mond, wenn ihr Licht schwindet, nämlich bei Sonnenuntergang (V.20aa) und beim Abnehmen des Mondes (V.20aß). Wie diese Veränderung - Jahwe als ewiges Zionslicht statt Sonne und Mond - vor sich gehen soll, sagt V. 19f nicht; daß Sonne und Mond dann nicht mehr sein werden, setzt der Text offenbar voraus; woher, wird nachher zu fragen sein. Deutlich ist jedenfalls, daß V.19f auf den Begriff »dein Licht« in 60,1-3 zurückgreifen und ihn explizieren. Ebenso deutlich aber ist, daß mit dieser ganz auf Zion selbst beschränkten Explikation die Akzente von 60,1-3 verändert werden. Dort 16 wird tunlich vermieden zu sa-

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Vielleicht spielt in der Beziehung für den Glossator auch das im Kontext beider Texte Jes 34 und Jes 60 vorgegebene »und keiner zieht hindurch« (34,10by; 60,15aß) eine Rolle, in Sachen Holz steht V.17aß gegen DUHM, Jesaja, 452 von Haus aus nicht im Gegensatz zuV.13, da V.13 ursprünglich nicht die Ankunft von Bauholz, sondern das Kommen eines Tempelgartens verheißt; vgl. Bauholz [s.o. 13 Anm.18; s.u. 101-105], SBS 121, 69-71; Rachetag [s.o. 13 Anm.18; s.u. 106-118], 329 Anm.22; 332f [s.u. 111 Anm.22; 113f], Rachetag, 330-338 [s.u. 111-118], Vgl. Lumen gentium [s.o. 13 Anm.18; s.u. 80-96], dort 1283-1286 und 1292 Anm.35 [8487 und 93 Anm.35].

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Die Fortschreibung von Jes 40-55 in Tritojesaja

gen, daß Jahwe Zions Licht ist, und das von Jahwe an Zion vergebene Reflexlicht seines Kabod ist gemäß der Anlage von 60,1-3 nicht für Zion unmittelbar von Bedeutung, sondern im Blick auf die Folge dieser Lichtverleihung - den so ausgelösten Völkerzug; dessen unmittelbare Bedeutung für Zion ist es, die in 60,4-11.14-16 entfaltet wird 17 . Der Schlußsatz von V.20 »und deine Trauerzeit wird zu Ende sein« will anscheinend auf das Anfangswort 60,1 »richte dich auf« zurückgreifen, akzentuiert aber diese Körperbewegung anders: Dort ist sie Hinwendung zum heilvoll Neuen, hier ist sie im Sinne der Beendigung des bisherigen Zustands gefaßt 18 . V.21-22 sind im literarischen Zusammenhang Jes *60-62 auch nicht unproblematisch, lesen sie sich doch wie eine besonders akzentuierte Vorwegnahme von Aussagen, die das Folgende bietet: Man vergleiche V.21aa mit 61,3ba, V.21aß mit 61,7b, die textkritisch schwierige 19 Aussage V.21b mit 61,3bß; V.22a scheint auf die Aussagen über »Nachkommenschaft« und »Sprößlinge« in 61,9 (vgl. auch V . l l ) entfaltend vorweisen zu wollen, und wie 62,1 begegnet schon 60,22b dem Problem der Heilsverzögerung. - Schon diese Beobachtungen lassen zweifeln, ob 60,17-22 mit dem Voraufgehenden und dem unmittelbar Folgenden ursprünglich zusammengehört. Die Annahme von Glossen und Zusätzen in V. 17-22 ändert an diesem Befund nichts. Sie ist überdies in sich fragwürdig. V.17aß als steigernden Zusatz anzusehen 20 , ist willkürlich, solange nicht alle Verstehensmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Gegen FOHRERS Beurteilung von V.18a als Zusatz hat schon PAURITSCH das Nötige gesagt 21 . Nicht minder willkürlich ist es, V.19b im Blick auf V.20b zu streichen 22 , wenn man die beiden oben herausgestellten

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Im Unterschied zu 60,19-20 ist in 6 0 , l f f der Völkerbezug dieser Lichtverleihung an Zion konstitutiv; dies zeigt nicht nur die Stellung und Funktion von V.3 in der Anlage von 60,1-3 und seine Entfaltung in V.4ff, sondern auch, daß in 60,lff.4ff bewußt an die Wendung »Licht der Völker« (Jes 49,6; vgl. 42,6) angeknüpft und die vorgefundene Modellperspektive Jes 55,5a.b ausgeführt wird; vgl. Lumen gentium, 1286ff [s.u. 88ff]. [Zu V.19f vgl. jetzt auch Birgit LANGER, Gott als »Licht« in Israel und Mesopotamien, OBS 7, Klosterneuburg 1989, 95ff.l33ff.] Die Trauerhaltung, sich in Staub zu wälzen, sich in die Asche, sich auf die Erde zu setzen (vgl. R.DE VAUX, Das Alte Testament und seine Lebensordnungen I, 1964, 104; A.BAUM ANN, ThWAT I, 1973, (46-50) 47; W.A.M.BEUKEN, Jesaja deel IIA, Nijkerk 1979, 269 zu Jes 47,1-4), wird durch qwm beendet, vgl. zB. Jes 52,2. - Mit einer Doppelung zu 61,2 kann man bei V.20fin jedoch nicht argumentieren: Jes 60,20 redet wie das Voraufgehende von Zion, von den Zion verbundenen Menschen ist hingegen erst Jes 61 und - vorgreifend - Jes 60,21 die Rede. Vgl. zur Diskussion I.F.M.BRAYLEY, Yahweh is the Guardian of His Plantation. A Note on Is. 60,21, Bib 41 (1960), 275-286; PAURITSCH, Gemeinde, 126; BONNARD, Isale, 400; HANSON, Dawn, 57. Wir beschränken uns darauf, mit BHK, BHS m( c yhwh zu lesen. So K.ELLIGER, Einheit [s.o. 4 Anm.3], 20; W.KESSLER, Gott geht es um das Ganze. Jesaja 56-66 und 24-27, 2 1967, 58; PAURITSCH, Gemeinde, 126. Vgl. dagegen auch SEKINE, S a m m l u n g , 7 1 f [ 7 1 ] .

2 1

FOHRER, Jesaja III, 2 2 6 . 2 3 1 ; PAURTTSCH, G e m e i n d e , 1 2 6 .

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FOHRER, Jesaja III,

Sammlung, 72f [71f].

226;

PAURITSCH,

Gemeinde,

126.

Vgl.

dagegen

auch

SEKINE,

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Der Grundtext in Jes 60 und sein Aufbau

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Aspekte beachtet, in denen V.19f nacheinander entfaltet, daß gegenüber dem astralen Licht und Lichtwechsel nunmehr Jahwe Zions ewiges Licht sein wird. Daß sich V.21 thematisch an V . 1 8 anschließen läßt 2 3 , ist richtig; ob daraus oder gar aus dem sogenannten apokalyptischen Gepräge 2 4 folgt, daß V . 1 9 f Zusatz ist 2 5 , kann ohne eine literarische Gesamtsicht von V. 17-22 nicht entschieden werden. D i e Textumstellungen, mit denen einige Forscher arbeiten, um V. 17-22 überhaupt in einen sinnvollen Aussagezusammenhang mit dem Voraufgehenden zu bringen 2 6 , entwerten sich selbst, deuten aber ungewollt erneut auf eine literarische Abtrennung von V . 1 7 - 2 2 2 7 . Umgekehrt ist der mit 60,1 beginnende Text durch einen Sachhorizont geprägt, der nur bis V . 1 6 zu verfolgen ist - der durch Jahwes Lichtvergabe an Zion ausgelöste Völkerzug nach Zion und für Zion. Auch V. 14-16 sind in diese Perspektive noch voll eingeschlossen. Literarkritische Operationen sind bei diesen drei Versen, die wir in unsere Überlegungen an dieser Stelle einbeziehen müssen, nicht gerechtfertigt 28 . Bis V.13 reichen die Entfaltungen der Aussage

23 24 25 26 27

28

Vgl. ELLIGER, Einheit, 23f; WESTERMANN, Buch Jesaja, 289f; R.N.WHYBRAY, Isaiah 40-66, London 1975, 237f. Vgl. WESTERMANN, Buch Jesaja, 245.289f; VERMEYLEN, Prophète, 477; vgl. zur Diskussion E.SEHMSDORF, Z A W 1972 [s.o. 6 Anm.9], 574f. So die in ANM. 2 3 . 2 4 genannten Forscher sowie HANSON, Dawn, 6 0 . 6 3 . So ELLIGER, Einheit, 20ff; KESSLER, Gott, 55. Auch VERMEYLEN, Prophète, 475-478 trennt u.a. V.17-22 insgesamt von einem Grundtext von Jes 60 ab. Die dabei geltend gemachten Spannungen zum angenommenen Grundtext sind freilich nicht durchweg überzeugend. So ist natürlich richtig, daß sich die ZionPerspektive von Stadt und Tempel zum Einbezug der Menschengemeinschaft (V.17b18.210 wandelt, der Einschnitt liegt jedoch erst hinter V.16; man beachte die - wie sich zeigen wird, ursprüngliche - Konstellation: 60,1-16 Zion als Stadt und Tempelstätte, Jes 61 Menschen und Land Zions! VERMEYLENS Annahme schrittweiser Entstehung von V.17-22 im Zuge mehrerer Redaktionsgänge - 60,22 (504); 60,14-18.21 (511); 60,19f (516) - erscheint uns aus unten anzuführenden Gründen problematisch. Vgl. zu V. 14 als Bestandteil des Grundtextes SBS 121, 70 Anm. 65; Rachetag, 335 [s.u. 116], Auch ELLIGER, Einheit, 20.22-24 behält V.14 bei, zerschlägt ihn aber und ordnet die Teile durch Umstellung neu zu, um dem Text eine vermeintlich bessere Ordnung zu geben. VERMEYLEN, Prophète, 475-477 scheidet u.a. V. 14-18 insgesamt aus dem Grundtext aus. Seine Gründe sind Erinnerer< bringen also das Jerusalem-Problem bei Jahwe unentwegt vor, so daß er ständig daran denkt; daß das Hofamt des Mazkir, der dem König etwas in Erinnerung bringt, im Hintergrund steht, ist durchaus wahrscheinlich, vgl. zu Diskussion und Lit.hinweisen K O E N E N , Ethik, 125. Bei smiym V.6 ist wohl an die Aufgabe des Ausschauhaltens, Achtens (auf Jahwes Tun) gedacht. Die Szene gehört gemäß 49,16 (vgl. auch K R A T Z , Kyros, 86 Anm.311) in den Himmel; daß in V.6b-7 (schrift)prophetisch in diesen Bereich hinein geredet wird, ist schon angesichts von Jes 6 problemlos, vgl. auch 40,6-8. Sammlung, 93ff.228ff.

Zu jüngsten Untersuchungen von Jes 60-62

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eine literarische Fortschreibung von Jes *40-55.*60-61 ist 5 3 . V.7, der, wie erwähnt, seinerseits einen Ringschluß zu V . l bildet, zeigt seinen Charakter als Abschlußaussage des literarischen Corpus Jes *40-62 nicht zuletzt auch durch seine Konvergenz mit Schlußaussagen literarisch vorangehender Abschnittschluß-Aussagen (vgl. V.7bß mit 61,llb(£Mh); 60,15b; vgl. 55,13b; 52,10; 49,26b.6bß). Bei KoENEN54 sind solche textgenetischen Aspekte nicht berücksichtigt und die Aussagen 62,1-7 unbegreiflicherweise als selbständige Einheit auf derselben Entstehungsebene wie Jes 60,lff und 61 situiert.

II. Die Entstehung der Grundschicht in Jes 60-62 Bleibt die Frage nach der Entstehung unserer Grundschicht-Texte Jes *60 und 61. S e k i n e und noch deutlicher KoENEN denken, wenn auch in etwas anderer Textumgrenzung als wir, zunächst an Einzeltexte; deren Zusammenstellung ist erst ein zweiter, redaktioneller Schritt. Die allbekannte Beeinflussung von Jes *60f durch Aussagen aus Deuterojesaja wird dabei wie herkömmlich mit Kenntnis, ja Schülerschaft Tritojesajas erklärt. Wir halten dem zunächst entgegen, daß sich für Jes *60 bzw. 61 eine Eigenständigkeit mit formgeschichtlichen Gründen jedenfalls nicht nachweisen läßt. Wir halten dem weiter den oben wiederholt geltend gemachten, aber bisher viel zu wenig beachteten Sachverhalt entgegen, daß sich die Beziehungen zu Deuterojesaja keineswegs nur auf freischweifend-einzelne Textpartikeln beschränken, die sich in Jes 60f in Gestalt kurzer Zitate oder auch nur lockerer Anspielungen aus der Erinnerung eingestellt haben könnten. Vielmehr haben wir in den voranstehenden Studien Hinweise dafür gegeben, daß (a) Jes *60 und 61 darüber hinaus in engem Anschluß an ganze Textstücke und Aussagenfolgen in Jes 40-55 formuliert sind, zu ihrem Verständnis von vornherein der bleibenden Verbindung mit diesen Vorgaben bedürfen, also von Anfang an auf den vorangehenden Kontext angewiesen sind, und (b) positionell wichtige Texte in Jes 40-55 auffallend berücksichtigen. Beides legt den Schluß nahe, daß Jes *60 und 61 nie anders als literarisch im literarischen Zusammenhang mit Jes 40-55 entstanden sind. Beide Hinweise seien nachstehend noch etwas näher entfaltet. (a) Daß Züge in Jes *60 und 61 ihren gewollten Sinn erst zeigen, wenn man sie nicht nur als lose Entlehnungen ansieht, sondern als beabsichtigte Ergänzungen zu Aussagen des literarisch Vorgegebenen (Jes *40-55) mit diesem zusammensehen und verstehen kann, wurde in unseren Studien an mehreren Beispielen aufgewiesen, es sei nur an 60,4b. 16a erinnert; es gilt nicht minder für Anknüpfungen an ganze Aussagenfolgen im literarisch Vorangehenden, wie der Einsatz von Jes *60 als Weiterführung und Überbietung der Zion-Anreden Jes 49ff erkennen lälSt^5. Daß Jes *60f bezüglich des Voranstehenden nicht nur einzelnes aus Jes 49 aufgreift,

53 54 55

Vgl. schon SBS 121, 69; oben 15.18.68. Ethik, 128.215ff. Vgl. schon SBS 121, 69f und oben 16.64.82f.116 Anm.38. Jes *60 ergänzt und vervollständigt die Zusagen an Zion ab Jes 49 nun vor allem um den aktuell virulenten, 49,23aa

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Die Fortschreibung von Jes 40-55 in Tritojesaja

sondern den vorgegebenen Text als ganzen in Blick nimmt und neu interpretieren will, sieht man daran, wie überlegt Jes *60 der Textabfolge insbesondere dieses Bezugstextes entlanggeht^; die Übereinstimmungen wie die bewußten Veränderungen und Auslassungen lassen sich nur im Rückbezug auf Jes 55-49 erkennen, haben in sich System und zeigen, daß bleibend Vorgegebenes jetzt neu akzentuiert und ergänzt werden soll. Jes *60 konzentriert sich dabei offenbar auf die Thematik Zion, Heimkehr der Zionskinder und vor allem die Ausstattung Zions (Stadt und Tempel), während die Thematik Bevölkerung und Land, Landstädte, Lebensverhältnisse dort, die Jes 4 9 5 7 auch bietet, in Jes *60 übergangen, aber dann in Jes 61 geboten wird - ein erster entsprechenden Zug der herrlichen Ausstattung Zions, Stadt und Tempel, durch die Völkerwelt und bietet gegenüber 49,22 einen neuen Initiatiworgang (60,1-3). Vgl. oben 75ff und zum Verständnis von Jes 49,14-26 in sich Beobachtungen zu Jesaja 49,14-26 (s.o. 19 Anm.39), 3 6 ^ 6 ; Beobachtungen zu den Zion-Texten, 83f. - 60,1-3 setzt ein bei 49,6b, faßt Zion also als Träger dieses jetzt auf die Stadt bezogenen Ebedgeschehens, gestaltet das Ebedprädikat in Veränderung von 49,22aa (dort Abmarsch, hier Ankunft) in Aufnahme von Ebedzügen aus 52,15 (Völker und Könige, vgl. auch den Kyros-Zug 41,2; 45,1) und vielleicht auch 53,11 (text.em., vgl. Aspekte in Jes 52,1353,12 [s.o. 91 Anm.22], 44f Anm.34) und im Rückbezug auf das unmittelbar vorangehende Kapitel Jes 55 (V.5) zu einem Vorgang aus, für dessen Gestaltung auch 40,5 zusammen mit Ez-Vorstellungen von Einfluß sind. 60,4 springt dann sogleich zu 49,18, übergeht also 49,7-13, weil die Aussagen dort keine Zion-, sondern Bevölkerung/Landbezogene Aussagen sind, die dann in Jes 61 aufgegriffen werden, und ebenso 49,14-17: czb V.14 wird abrogiert dann in 60,15a herangezogen, die Stadtbau-Aussagen 49,16f fand man durch entsprechende, weitere Verheißungen bereits in Jes *40-55 bekräftigt, so daß für die eschatologische Phase von 60, lff der Wiederaufbau der Stadt als vorausgesetzt gelten kann, während die Heimkehr von Zionskindem dannzumal noch nicht vollendet ist, was die kurze Aufnahme von 49,18 bedingt. 49,19-21 werden wieder übergangen und für Wiederaufbau und Bevölkerung des Landes aufgespart, was Jes 61 thematisiert. 49,22b und V.23 ('mn für Könige) wurden schon in 60,1-4 berücksichtigt. 60,5-9.13 bietet den großen, quantitativen Uberschuß gegenüber Jes 49, an dem Jes *60 besonders gelegen ist; abfolgegemäß anknüpfend an die Versorgung der Zionskinder beim Heimzug durch die Völker 49,23aa wird hier nun ergänzend hervorgehoben, daß in diesem Völkerzug auch Versorgungs- und Ausstattungsmittel für Jerusalem mitgeführt werden und auch an Transporte zu Schiff zu denken ist; ynq aus V.23aa wird beim Daueraspekt dieses Schätzezuges für Zion in 60,16a aufgegriffen. 60,14 nimmt wieder ganz abfolgegemäß 49,23aß auf sowie 49,26a, jetzt aber auf die Söhne der Babylonier, die Feindmacht von einst, bezogen; die Völkerwelt sieht Jes *60 Zion gegenüber positiv zu Diensten, weswegen 49,23b-25 weitgehend übergangen wird. 60,15f hat das besondere Interesse, den Daueraspekt der Ausstattung und Stellung Zions hervorzuheben, ablaufgemäß vielleicht speziell an 49,26a orientiert (die Generation der babylonischen Eroberer ist nicht mehr, Zion aber ist von Völkern versorgt); im Zuge dessen sind, wie erwähnt, 49,14.23aa aufgenommen, während 60,16b mit 49,23ba + 26b konvergiert, allerdings mit dem besonderen Interesse von Jes *60 an Zion und ihrer Wahrnehmung des Heils (vgl. auch 60,1.4.5). Daß Jes 61 den gegenüber seiner Umgebung (49,1-6.14-26) jüngeren Text 49,7-13 (vgl. zu ihm jetzt KRATZ, Kyros, 135ff.206ff) in Jes *40-55 schon kennt und auf ihn Bezug nimmt, ist sicher (vgl. oben 111 Anm.22; 117 Anm.43 sowie die Hinweise hier oben Anm.28). Gilt es aber angesichts differenter Heimkehrvorstellungen in 49,7ff auch für Jes *60? KRATZ (Kyros, 207ff) hat diese Frage exponiert und daran Erwägungen zum literarischen Werden des Zweiten Jesaja angeschlossen. M.E. kann diese Frage doch positiv entschieden werden: 60,4ba nimmt angesichts von mrt>q und bw' doch eher 49,12 (vgl. oben 60.76.77) als 49,1 auf, desgleichen dürfte in 60,9 auf 49,12ba (vgl. oben 60) Bezug genommen sein. Daß 60,1-3 49,6b (Ebed-Aussage) mit 55,5 (Israel-Aussage) kombiniert, könnte darauf

Zu jüngsten Untersuchungen von Jes 60-62

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Hinweis darauf, daß Jes *60 und 61 ursprünglich zusammengehören, j e in sich unvollständig sind und sich von vornherein komplementär ergänzen^". Daß Jes 49 dabei nicht als freier Einzeltext Jes *60 beeinflußt, sondern als Glied eines vorgegebenen Zusammenhangs, wird allein schon an den bereits genannten Bezugnahmen auch auf Jes 52,13ff; 54; 55 und zurück auf Jes 47 sichtbar. Auch die Qualifikationen Zions in Jes *60 als königliche Ebed-Gestalt setzen zu ihrer Wahrnehmung den literarischen Zusammenhang mit Jes *40-55 voraus, aus dem die Bezüge genommen sind^®. Bezeichnenderweise ganz entsprechend und wieder die These einer

deuten, daß Jes *60 49,1-6 als Israelaussage (V.3) vorliegt - die von KRATZ herausgearbeitete Ebed-Israel-Relecture, der auch 49,7ff zugehört. Bemerkenswert ist auch, daß Jes *60 und 61 dieselben Komplementärakzente gegenüber Jes 49 herausstellen: Jes *60 (Ankunft der Zionskinder) / Jes 49,14ff (Befreiung und Heimzug der Zionskinder) und ganz entsprechend Jes 61 (Bewohner und ihre Lebensverhältnisse im Land) / Jes 49,7ff (Befreiung und Heimzug der Bewohner ins Land) - emeut ein Hinweis, daß Jes *60 und 61 zur selben Schicht gehören, ursprünglich zusammenhängen und auf die voranstehenden Aussagen 49,7ff und 49,14ff zurückgreifen. Daß zwar Jes *60 aus 49,14ff den Erwartungsaspekt der Heimführung der Zionskinder durch die Völker kurz wiederholt, Jes 61 aber aus 49,9b-12 die Heimführung der Landbevölkerung durch Jahwe selbst nicht, hängt mit den besonderen Aspekten in Jes *60f zusammen: Jes *60f sieht auf die Ankunft der Völker und ihrer Gaben nach Zion, bezüglich dieses Völkerzuges werden entsprechend 49,22f auch die dabei mitgeführten Zionskinder kurz erwähnt; Jes 61 als Schlußaussage zur Heilsvollendung blickt (im Anschluß an Jes *60) auf die gesamte Landesbevölkerung und deren Lebensverhältnisse auch einschließlich der von den Zionskindern (49,14ff) unterschiedenen Diaspora (49,9b-12), von deren vorangehender Heimführung durch Jahwe selbst (49,9b-ll (Aufnahme von Aussagen der Jahweheimführung Israels in Jes 40-48) par. 49,220 ^ r Phase von Jes 61 nicht mehr eigens geredet werden muß. Womöglich hat die Fortschreibung Jes *60 angesichts der genannten Rückbezüge auf 49,12 in ihren an den Zionskindern orientierten Heimkehraussagen auch die Diaspora eingeschlossen gesehen. Daß Jes 61 von vornherein Jes *60 weiterführen und ergänzen soll, zeigt sich nicht nur an der komplementären Thematik und an den bisher genannten externen Bezugstexten, die in beiden Textstücken entsprechend rezipiert werden, sondern natürlich schon an den sprachlichen und sachlichen Querverbindungen, die zwischen Jes 61 und *60 bestehen, vgl. dazu die Hinweise oben 111 Anm.22, hier oben Anm.27.29 und zur Sache die Entsprechungen zu Jes *60: dort Heilsgeschehen an Zion/Jes 61 an - Zion verbundenen - Menschen; dort Heilsgeschehen an Stadt Zion/Jes 61 am Land (V.4ff: Städte, Landnutzung, Landbesitz); dort Heilsgeschehen an Zionheiligtum/Jes 61,6 Menschen als Priester; dort erhält Zion die Habe der Völker/Jes 61,6 ebenso die Menschen im Land; dort wird Zion von Völkern geehrt (60,3.6.9.13.14.15f)/Jes 61,9 ebenso die Menschen im Land. Auch die Elendsqualifikationen der Landesbewohner in 61, lff stammen nicht nur aus 42,7; 49,9.13 und 41,17 (Heimzugsgegebenheiten via 5 5 , l f in Jes 61 auf die Lage im Heilsland übertragen, vgl. schon 41,19/60,13), sondern auch aus vorgegebenen Zion-Aussagen (cny 51,21; vgl. 54,11; sbyh 52,2) - die in Jes 49-54.60 geweissagte Zionbefreiung wird in Jes 61 auch den Menschen appliziert. Da in Jes 61 auch die Menschen Leidens- und Lohnzüge des Ebed tragen (vgl. besonders 61,8/49,4), ist zu fragen, ob für Jes 61 nicht auch der KnechtJahwe-Text Ps 35 bereits von Einfluß gewesen ist, vgl. Ps 35,27fin und zB. Ps 35,10 mit 61,8; 35,9 mit 61,10. Jes *60 liegt wie schon innerdeuterojesajanischen Zion-Aussagen (vgl. Beobachtungen zu den Zion-Texten, 58-90) zunächst daran, daß Zions Heilsgeschick und Stellung gegenüber den Völkern als Gegenbild zur Frau Babel, der »Herrin der Reiche« (Jes 47) wahrgenommen wird, vgl. V . l mit 47,1.5; V.14 mit 47,1.4.5. Jes *60 liegt weiter daran, daß Zion in der hier geweissagten Phase an die Stelle des Kyros und seiner Macht über Völker tritt, vgl. 60,3 mit 45,1, auch 41,2; 60,5ff mit 45,3.7.13f (vgl. KRATZ, Kyros, 94 Anm.349),

132

Die Fortschreibung von Jes 40-55 in Tritojesaja

ursprünglichen Zusammengehörigkeit von Jes *60f stützend ist das Bild bei Jes 61: Auf das Ich von 61,1 ff werden bewußt Züge übertragen, die in Jes 40-55 mit Gestalten, die Macht gegenüber den Völkern haben, verbunden sind; wieder steht wie in Jes *60 die Ebed-Gestalt mit ihrem Völkerbezug dabei im Vordergrund; aber auch die Heilsempfänger tragen in Jes 61 EbedZüge 6 0 . Auffallend ist an diesem Befund, daß in Jes *60 aktive Ebedzüge aus dem damals vorgegebenen Deuterojesajabuch auf Zion, in Jes 61 auf ein von Jahwe wie der Bevölkerung unterschiedenes Ich übertragen werden. Das hat Bedeutung für die Frage, wer dieses Ich in Jes 61 ist; wir werden darauf zurückkommen. (b) Zunächst müssen wir uns dem bemerkenswerten Sachverhalt zuwenden, daß sowohl Jes *60 als auch Jes *61 nicht nur in der gleichartigen Ebed-Rezeption, sondern auch in der Bezugnahme auf die beiden Rahmentexte des Deuterojesajabuches, auf 40,1-11 und 55, übereinstimmen. Jes 55 ist in *60 insofern aufgenommen, als 60,9b 55,5b zitiert und die Gesamtaussage von +60 nachgerade eine Ausführung von 55,5a ist; in 60,*5ff besteht ein Sachbezug zu 55,12®'. +60 schließt an das in Deuterojesaja unmittelbar Vorausgehende an, indem es weiterführend auf 52,1 (qwmyj und 54,1 (Kinder) zurückgreift und die vorgegebenen Heilsperspektiven für die materielle Versorgung im Land (55,1-2) und Ausstattung beim Heimzug (55,13) nun für Zion ausspricht®2. In 61 kehrt Jes 55 insbesondere in der bryt cwlm 61,9/55,3 wieder, aber auch an die Beziehungen 61,5-7/55,1-2; 61,9/55,5a (yd0); 61,11/55,lOf (Heilsgewißheit) sowie 61,10/ 55,12f (sachlich) sei erinnert®3. - Jes 40,1-11 ist als literarischer Horizont von +60 zunächst

60,16 mit 45,3, und vor allem natürlich, daß Zion die königliche Stellung und Macht des Ebed über die Völker eigen sein wird, vgl. wie erwähnt 60,1-3 mit (42,6 (auch V.l-3)) 49,6 (auch V.7f); 51,*4f; 52,15 (auch V.13, vgl. BEUREN, JSOT 47, 1990,70). Für das Ich in Jes 61 sind wahrscheinlich schon bewußt gesetzte Gegenzüge zur Frau Babel bezeichnend, vgl. V. 10 mit 47,1.5. Sicher sind ihm Kyros-Züge übertragen, vgl. V. 1 (msh) mit 45,1; V.lOf mit 45,8 (nach V.l-7) und die in der literarischen Vorgabe mit Kyros verbundenen Heilszüge bei Land und Landesbewohnern, für die jetzt das Ich beauftragt und ausgerüstet wird, s. zB. die Gefangenenbefreiung V. 1 im Blick auf 42,7; 45,lbf. 13b; Tendenz dieser Relecture: Gott statt Kyros tut dies durch Vermittlung des Ich! Am wichtigsten ist natürlich die vielfach herausgestellte (vgl. jüngst BEUREN, Servant, 415ff; Jesaja, 197ff; JSOT 47, 1990, 71ff) Übertragung von aktiven Ebed-Zügen auf das Ich, im Zuge deren dieses dem Volk ein Heilsgeschehen Gottes vermittelt, das in der Völkerwelt (V.9.11) Anerkennung findet: So gibt das Ich in Entsprechung zu 49,1-6 (vgl. 50,4-5a) seine bestehende Ausrüstung zu einer Aufgabe selbst bekannt, in den Ausrüstungsaussagen V . l sind 42,1b (Geist, vgl. 44,3); 42,19; 48,16b (als Ebed-Aussage, vgl. KRATZ, Kyros, 117ff) (Sendung) aufgenommen. Auffallend ist, daß die genannten Bezugsstellen auch sonst Wort- und Sachkontakte zu Jes 61 haben; vgl. zB. 42,lff (mäpi) / 61,8; 42,3 (Jchh) / 61,3 (61,l-3a als Ausführung von 42,3!); 4 2 , 7 / 6 1 , 1 ; 42,22 (Raub, Plünderung, gefangen )/ 61,7f. 1; 44,3f (Sprößlinge, Segen, sproßen) / 61,9.11 und nicht zuletzt die Bezüge in Jes 61 zu Jes 49 als Folgekontext von 48,16b. Nimmt man hinzu, daß auch die Heilsempfänger in Jes 61 Ebed-Züge tragen (vgl. besonders 61,8 mit 49,4), so bestätigt sich der Eindruck, daß Jes 61 an das Ebed-Konzept des Deuterojesajabuches der »EbedIsrael-Schicht« anknüpft, wie es KRATZ (Kyros, zusammenfassend 206ff) herausgearbeitet hat, bezeichnenderweise hier aber so, daß die im Deuterojesajabereich gegebenen Ebedaussagen auf zwei Größen verteilt erscheinen, auf das Ich, das eine Aufgabe am Volk mit Völkerrelevanz hat, und auf die Bevölkerung als Heilsempfänger, die ihrerseits im Ergehen auch Bezüge zu Babel- (V.lff vgl. mit 47,6; V.4 mit 47,11b) und Kyrosaussagen aufweisen. Der Befund ist ein klarer Hinweis darauf, daß Jes 61 auch in dieser Hinsicht von Anfang an der literarischen Verbindung mit Jes *40-55 bedarf. 61 62 63

Vgl. dazu oben 52 Anm.17; 65.67; 71 Anm.91 (60,15/55,13); 75 Anm.106; 90f. Vgl. dazu SBS 121, 69f; oben 18f.90 Anm.21. Vgl. SBS 121, 69; oben 16 Anm.27; 17; 90 Anm.21; 107 Anm.4.

Zu jüngsten Untersuchungen von Jes 60-62

133

daran erkennbar, daß auf 60,1-3 gewiß auch, wenngleich keineswegs ausschließlich, 40,5 einwirkt 64 ; mit Blick auf den Anschluß von *60 an 55 beachte man die Abfolge 40,4a/S5,12ba; 40,5/60,1-3. Besonders hervorstechend sind die Bezüge zum Deuterojesaja-Prolog in Jes 61. Unter den Aufgaben des Ich steht exponiert an erster Stelle hsr im Blick nicht auf das in Jes 61,19 als Heilsempfänger nirgends genannte Jerusalem, sondern im Blick auf die Menschen des Landes einschließlich der Städte dort (61,4); dies zeigt, daß nicht an 41,27; 52,7 (hsr für (!) Zion), sondern an 40,9 gedacht ist; entsprechend konvergiert nhm V.2b mit 40,1; 49,13; 52,9 bezüglich des Volkes; auf 61,8 mag neben 49,4 auch 40,10 einwirken, und für die Tätigkeit des Ich bezüglich der Herzenszerbrochenen 61,1 liegt eine Beziehung zu 40,2aa nahe. Das Ich in Jes 61 erhält also Züge, die in Jes 40 mit Zion, mit der dort aufgeforderten (himmlischen) Pluralität bzw. mit Jahwe selbst verbunden sind - Jes 61 bietet hier eine auf Land und Landesbevölkerung bezogene Wiederaufnahme und Ausführung von 40,lff. Dabei werden offensichtlich auch Aspekte, die dort für Jerusalem gelten, jetzt auf Menschen und Umland Jerusalems weitergezogen: V. lbßy.2 knüpft an 40,2aß an, V.7 an 40,2b. - Das positioneile Gewicht dieser Bezugnahmen auf die Rahmentexte der literarischen Vorgabe zeigt, daß das DeuterojesajaCorpus als solches in Jes *60f von Anfang an im Blick ist und nicht zuletzt in seinen Rahmenaussagen durch die neuen Anfügungen fortgeschrieben und aktualisiert werden soll. Um so mehr, als die Bezugnahme auf 40,1 ff offenbar die maßgebliche, thematische Perspektive auch für die Abfolge Jes *60 + 61 bot: Was Jerusalem anredend in 40,2, aber in dieser Relecture auch in 40,(3-)5 zugesagt ist, wird über die Zion-Zusagen in Jes 49ff und über 55,5 nunmehr abschließend weitergeführt in den Zusagen jetzt Jahwes selbst an Zion in *60 (Thematik Jerusalem, Kabod Jahwes, Kommen Jahwes zu ihr, Völkerwelt); und was der Landesbevölkerung (Anrede an Städte Judas) in 40,9-11 aus dem Mund Zions zugesagt ist, wird über entsprechende Zusagen in Deuterojesaja, insbesondere 49,7-13 und 55,3, nunmehr abschließend weitergeführt in der Kundgabe des göttlichen Auftrags und dessen Heilsfolgen in 61,1-9 durch das redende Ich, das in V.5-7aa auch anredend auftritt, wobei neben 40,1 auch Jerusalemzüge aus 40,2 nun der Landesbevölkerung (Thematik Bevölkerung, Städte, Land) übertragen werden. Dieser Blick auf Jes 40,lff bestimmt aber offenbar nicht nur die vielumrätselte Abfolge^-* und thematische Komplementarität von Jes *60f, sondern auch die Art der Benutzung von Jes 49: Wo Heimkehr ins Land, Wiederbesiedlung und Lebensverhältnisse der Menschen dort im Blick sind wie in Jes 61, wird vor allem 49,5a.6a.7ff (vgl. auch 49,19) aufgegriffen (vgl. den Bogen 49,13/40,1); wo Jerusalem samt der noch ausstehenden Heimkehr von Stadtbewohnern aus der Völkerwelt im Blick ist wie in Jes *60, vor allem 49,5b.6b. 14-26. Der Ergänzungscharakter von Jes *60f bezüglich *40-55 zeigt sich nicht zuletzt in einem sachlich-komplementären Zug gegenüber Jes 49: Jes 61 hat die Verhältnisse im Land nach dem Angekommensein von Heimkehrern dorthin im Auge - Ergänzung zu 49,7ff, wo Befreiung und Heimweg der Heimkehrer betont sind, und ganz entsprechend: Jes *60 (V.4ff!) exponiert die Situation der (künftigen) Ankunft noch ferner Zionskinder, 49,14ff als Gegenstück dazu die Situation von deren Befreiung und Heimkehr (V.22-26). All diese Beobachtungen zum redaktionellen Charakter und ursprünglichen, insbesondere von Jes 40,1-5.9-11, Jes 49 und Jes 55 gespeisten Zusammenhang von Jes *60f haben schließlich Bedeutung für die leidige Frage, wer das Ich in 61,lff.l0f ist. Der unmittelbare Anschluß an die in 60,lff angeredete Stadt Zion, die Beanspruchung von Ebed-, Kyros- und Babel-Zügen für dieses Ich wie in Jes *60 für Zion, die aufgezeigte Orientierung an 40,1 ff, die für Jes 61 einen thematischen Bezug speziell zu 40,9-11 nahelegt, lassen es trotz des Einspruchs von KOENEN6®

Vgl. dazu oben 14 Anm.23; 92 Anm.33; zu KOENEN, Ethik, 138 Anm.481; BEUREN, Jesaja, 164f. Vgl. dazu, in Auseinandersetzung vor allem mit PAURITSCH, SEKINE, Sammlung, 80ff; KOENEN, Ethik, 225 hat sich dem Problem der Abfolge nicht gestellt. Ethik, 104ff. K.s Gegenargument, das Ich von 61,10f (Empfänger des Heils) sei ein anderes (Jerusalem) als das von 61,1-4 (Überbringer des Heils, der Prophet Tritojesaja)

134

Die Fortschreibung von Jes 40-55 in Tritojesaja

und der gegenteiligen Meinung von BEUKEN®^ nach wie vor als das Wahrscheinlichste

löst sich auf, wenn man 61,10 auf die heilvolle Amtsausstattung zum Auftrag in 61,1 ff (s. hier oben Anm.29) sowie auf die Zusage von Jes *60 bezieht und erkennt, daß in 61,11 das Heilswirken des Ich für die Landesbevölkerung hinsichtlich der verläßlichen Herbeiführung durch Jahwe im Blick ist (s. hier oben Anm.29); es beruht überdies auf der m.G. unzutreffenden Vorentscheidung, Jes *60 und 61 seien einmal je selbständige, unabhängige Texteinheiten gewesen. K.s Erörterungen zur Form - eine eigene Gattung (!) »BeauftragungsberichU (K., Ethik, 104) ist schwerlich plausibel; die vermeintlichen Belege reduzieren sich auf slh l.p.sg. mit dem häufig belegten J+inf. - von Jes 61 übergehen die Rückbezüge von 61,1 ff auf Form-, Wort- und Sachgegebenheiten in Jes *40-55, und die Bezugnahmen auf die Gottesknechtslieder beweisen nicht, was sie sollen: Nicht wie der Ebed der -Lieder« ursprünglich zu verstehen ist (biographisch-prophetisch), sondern wie er in dem Deuterojesajabuch, an das Jes *60f anknüpft, verstanden ist, ist für Jes 61 wesentlich (ausweislich der Bezugnahmen Ebed Israel); im übrigen hat derselbe TritojesajaVerfasser K.s schon in Jes *60 Zion als den Ebed verstanden. Servant, 413f.432f; Jesaja, 195.214f.273 Anm.2 - aber das Ich hat in 61,lff keine Aufgabe an Zion; nicht einmal die »Trauernden Zions« (61,3) gehören (mit BEUKEN und KOENEN, s.hier oben Anm.42) in den ursprünglichen Text. Gegen eine menschlich-prophetische Gestalt und für Zion von Jes *60 als das Ich von 61,1 ff spricht 1) der unmittelbare und ursprüngliche Zusammenhang von Jes *60f, in dem eine prophetische Sprechergestalt zwischen 60,16 und 61,1 nicht eingeführt ist, während sich Zion in dem 60,15f erreichten königlichen Status als Sprecherin von 61,lff (V.3a!) sehr wohl vorstellen läßt, die dabei ihr selbst Zugesagtes weitergibt - in Aufspaltung des Ebed Israel von Jes *40-55 der ZionEbed, für den 55,4b-5 gilt, an den Ebed der Menschen im Land, für den 55,3-4a gilt (vgl. zu 5 5 , 3 - 5 die wichtigen H i n w e i s e v o n HERMISSON u n d SPYKEBOER, s. KRATZ, K y r o s , 132

Anm.503), und 2) die Metaphorik der Bekleidung durch Jahwe (61,10), die außer für Priester für Menschen sonst fehlt, in 49,18; 52,1 (Gegenbild zu 47,2 Babel) aber ihre hier einflußnehmenden Zion-Bezüge hat. Daß Zion von Jahwe im Suffix der l.p.sg. spricht (61.1.10), ist angesichts von 49,14; 51,22 problemlos; daß sie 61,2 von »unserem Gott« spricht, erklärt sich aus 52,10 (vgl. 52,9 Volk und Jerusalem als Heilsempfänger wie Jes 61 und *60). B.s Argument der Verwendung der Freudenbegriffe in 61,10 wiegt nicht schwer, wenn man 60,15bß beachtet und sich auf die hier intendierten Rückbezüge auf Jes *40-55 und die Art ihrer Verarbeitung in Jes *60f beschränkt: Der Text hat im Rahmen von Jes *60f hier 44,23 ; 45,8; 49,13 im Auge und in der Relecture insbesondere 52,lf; 54,1: an 52,lf knüpft Jes *60 an, an 54,lbß (swmmh!) Jes 61,1-9, an 54,laba Jes 61,10; vgl. auch 52,9a. Hier wie sonst will zur Erhebung des ursprünglichen (!) Sinnes auch von Jes 61 beachtet sein, daß die Problemkonstellation bezüglich des Gottesvolkes hier noch eine andere ist als in den jüngeren und sekundär auch auf Jes 61 Bezug nehmenden T e x t k o m p l e x e n Jes 5 6 - 5 9 u n d J e s 6 5 - 6 6 (zu SEKINE, KOENEN, BEUREN, a u c h W . ScHOTT-

ROFF, Das Jahr der Gnade Jahwes (Jes 61,1-11), in: L. und W.SCHOTTROFF(Hrg.), Wer ist unser Gott? Beiträge zu einer Befreiungstheologie im Kontext der »ersten« Welt, 1986, 122-136, besonders 124ff. 133); man berücksichtige auch die unterschiedliche Weiterführung, die Jes *60 bei der Aufnahme in Jes 61 einerseits und über die Rezeption für Zion in 62,1-7 dann in der verhaltensakzentuierten Applikation für das Volk in Jes 58 erfährt. Vgl. zur Frage des Sprechers von Jes 61 schon SBS 121, 69; oben 16f Anm.29; 111. - Hinsichtlich des Ich in Jes 61 herrscht in der aktuellen Forschung auch sonst nach wie vor Unsicherheit. Für R.ALBERTZ (Die »Antrittspredigt« Jesu im Lukasevangelium auf ihrem alttestamentlichen Hintergrund, ZNW 74, 1983, 182-206) und ScHOTTROFF (s. hier oben) ist ganz selbstverständlich, daß in 61,lff der Prophet redet; H.-J.HERMISSON (Verheißungen Jesajas. A. Exegetische Einführung, GPM Beiheft 2, 1987, 75-93, 85) sieht im Ich zu Anfang »eine prophetische Gestalt«, in V.10 Zion; J.JEREMIAS (Predigt-

Zu jüngsten Untersuchungen von Jes 60-62

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erscheinen, daß dieses Ich Zion ist, die hier gemäß dem Modell 40,9-11 als die königliche Ebedgestalt von Jes 60 nun zu den Menschen ihres Umlandes hin das Wort nimmt. 61,10f ist kein Gegenargument; es ist der Jes *60 und(!) 61 resümierende Lobpreis Zions und solenne Schluß dieses erweiterten Deuterojesajabuches. Unsere Studien sind zunächst nicht mehr als ein mit Gründen vorgebrachter Vorschlag, die Entstehung bereits der Grundschicht v o n Jes 6 0 - 6 2 redaktionsgeschichtlich von vornherein als Fortschreibung der literarischen Vorgabe Jes *40-55 zu sehen. Läßt man sich auf diesen ungewohnten W e g weisen, melden sich im Anschluß daran weitere Fragen. Zuerst: W i e stellt sich dieses redaktionelle Anwachsen von Deuterojesaja um Jes *60-61 und etwas später um 6 0 , 1 0 f ; 6 2 , 1 - 7 im Lichte der voraufgehenden Binnenwachstumsvorgänge in Jes *40-55 dar, die in der Forschung derzeit zum Vorschein kommen? Auch eigene Versuche, den verschiedenen Werdestufen im Bereich von Jes 47-55 auf die Spur zu k o m m e n 6 8 , vor allem aber Einsichten in das Werden des Deuterojesajabuches, w i e sie jüngst in der Habilitationsschrift von KRATZ vorgelegt und bereits im Blick auf Jes *60-62 bedacht w e r d e n 6 9 , wären zum Z w e c k e allseitiger Überprüfung zu unserem Vorschlag in Beziehung zu setzen. Die Überprüfung betrifft nicht nur Binzelfragen wie die, ob die Grundschicht Jes *60f, wie von KRATZ erwogen, auch bereits Texte wie 54,2-3 7 0 UND54,ll-17a 7 1 voraussetzt, für die wir gegebenenfalls eine erheblich jüngere Zeit in Betracht gezogen haben 72 . Die Uberprüfung müßte sich vor allem auf die Frage richten, welches literarische Stadium von Jes *40-55 durch Jes *60-62 fortgeschrieben wird. Wenn man wie wir meint, Hinweise auf die ursprüngliche Zusammengehörigkeit von Jes *60f gefunden zu haben, ist für den Grundbestand beider Kapitel in erster Linie das Verhältnis zum Deuterojesajabuch in der von KRATZ eruierten Fassung der »Ebed-Israel-Schicht« zu bestimmen, zu der KRATZ bezüglich Jes 61 klare Verbindungen aufgewiesen hat, die sich angesichts des Ezechiel-Einflusses im übrigen auch in Jes *60 hinsichtlich der Völker im Dunkel (60,2) 7 3 und der Rolle der Völker (!) bei der Zerstreuung Israels (60,4b) 74 beobachten lassen 7 ^. Knüpft Jes *60f als erneute Fortschreibung an diese Ebed-Israel-Redaktion von *40-55 an oder handelt es sich gar noch um diese Redaktion

68 69 70 71 72 73 74 75

méditation Jesaja 61,1-11, ebd., 115-122), dem im übrigen wichtige Beobachtungen zu Aufbau und Exegese des Textes zu danken sind, versteht das Ich zu Anfang und Ende des Textes als Prophet; jüngst will P.GRELOT (Sur IsaTe LXI: la première consécration d'un grand prêtre, RB 97 (1990), 414-431) 61,1-3.10-11 wie Jes 60 als Rede eines Hohenpriesters anläßlich eines Sabbatjahres, womöglich 511/10 v.Chr., verstehen. - Unsere Sicht ergibt sich aus der Eigenart von Jes 61 als einem redaktionellen Text; in diesem Rahmen ist dann zu bedenken, daß Zion bereits in dem vorausgesetzten Deuterojesajabuch prophetische Züge trägt und Aufgaben am Gottesvolk wahrnimmt, wie vor allem die Rezeption von 50,4ff und 52,13ff zeigt (s. dazu Beobachtungen zu den Zion-Texten, 86ff) und 48,16b (vgl. Folgekontext) als Ebed-Aussage (s. hier oben Anm.60) erkennen läßt. Beobachtungen zu den Zion-Texten und schon Schichtung (s.o. 19 Anm.39). Kyros, besonders 94.146f.206ff.212ff. Kyros, 84.87.207. Kyros, 86.147.207. Vgl. zu 54,2f Beobachtungen zu den Zion-Texten, 68ff, zu 54,ll-17a ebd., 71ff. S.oben 98, vgl. auch 92f. S.oben 97-100. Vgl. zur Sicht der Völker und zum Ezechiel-Einfluß (in Jes *60f s.o. 98f) in der Ebed-

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Die Fortschreibung von Jes 40-55 in Tritojesaja

selbst 76 ? Letzteres ist so ausgeschlossen nicht. Diese Redaktion könnte sich nämlich die besonderen Akzente von Jes *60f (Zion als Ebed wieder für die Völker und nicht nur w i e der Israel-Ebed für die Diaspora in den Völkern, Ausstattung Zions (Jes 60) und Zion als Ebed für das nach Heimkehr der Diaspora (49,9b-12) und der Zions-Kinder (60,4) wieder im Lande versammelte, nunmehr (vgl. dagegen 49,7) von den Völkern geehrte Gesamtvolk (Jes 61)) für die literarisch wie sachlich am Ende stehende Darstellung der Schlußphase der Heilsvollendung aufgespart haben; in dieser ist dann eine Erwähnung der diese Redaktion im Bereich Jes *40-49 kennzeichnenden Sündenproblematik Israels 7 7 nicht mehr zu erwarten. D i e maßgebliche Rolle des Ebed Israel = (heimgekehrte) Gola gegenüber der Diaspora in dieser Redaktion würde für die Phase der Endvollendung schließlich von Zion als Ebed gegenüber dem Heilsvolk im ganzen wie gegenüber den Völkern abgelöst. Oder gibt es schlüssige Hinweise, die darauf deuten, daß nicht erst Jes 60,10f und 62,1-7, sondern bereits Jes *60f selbst eine der Ebed-Israel-Redaktion des Deuterojesajabuches zwar sachlich und wohl auch zeitlich nahestehende, aber doch nochmals eigene, jüngere Fortschreibung darstellt 78 ? Das Gegenteil ist eher der Fall. Es fällt nämlich auf, daß die Ebed-Israel-Schicht in ihrem Deuterojesajabuch Akzente setzt, die anscheinend auf Jes *60f als ihren Fluchtpunkt zulaufen: Man vergleiche die Aussagelinie 43,5-7; 45,14 (Zufügung) - *60,1-13 und bezüglich der Babylonier 4 5 , 2 4 f + 4 6 , l f - 60,14 sowie bezüglich Jes 61 die Linie 43,5-7; 49,7-9a (babylonische Gola wieder im Land). 9b-12 (erwartete Heimkehr der Diaspora ins Land) und speziell 49,13 als Teilabschluß, wiederaufgenommen in Jes 61 als Gesamtschluß; vgl. zu den Stellen und zur ganzen Frage KRATZ, Kyros 206ff und die dort gegebenen Verweise. Schließlich kommt auch die selbstkritische Frage auf, ob angesichts der in der Ebed-IsraelSchicht exponierten Sündenproblematik und der Spiritualisierung der Weg-Metaphorik 7 9 die von uns erheblich später situierte Schicht Jes 56,9-59,21 nicht ebenso schon mit der Ebed-IsraelSchicht zusammengehört, für die schon KRATZ Verbindungen zu Protojesaja, zu Jeremia und Ezechiel ins Spiel gebracht hat. Wenn ja, dann bedürfte das in diesem Bande vorgeschlagene Bild von Werden und Datierung der Texte in Tritojesaja der Korrektur. Doch scheinen uns erhebliche Differenzen nach wie vor einer Zuweisung von Jes *56-59 in die Nähe der Ebed-Israel-Schicht nicht günstig: A u f die Unterschiede in der Weiterführung von Jes *60 wurde hier oben Amn.43.67 schon hingewiesen, desgleichen auf Begriffsdifferenzen für die Heilsteilhaber zwischen Jes 57 und Jes 61; außerdem kennt Jes *60f im Unterschied zu 59,15b-20; 63,1-6 kein Weltgericht an den Völkern; die Sicht der Sünde des Gottesvolkes ist in der Ebed-Israel-Schicht (42,17.18-25; 43,8; 46,8.12; 48,4f.8.17f) und in Jes *56-59 unterschiedlich und in den Formulierungen nicht wiederaufgenommen®®. Und nicht zuletzt: Das Verzögerungsproblem ist Jes

Israel-Schicht KRATZ, Kyros, 104f.l35ff.212ff. 76

V g l . zu dieser zusammenfassend und die Textanalysen auswertend KRATZ, Kyros, 206ff.

77

V g l . dazu KRATZ, Kyros, 209ff.

78

Fragen in diesem Zusammenhang wären zB.: Sind die Heimführung der Diaspora aus den Völkern durch Jahwe selbst (Ebed-Israel-Schicht) und die Heimführung der Zionskinder durch die Völker (60,4.9) komplementäre Eigenformulierungen auf derselben literarischen Ebene (vgl. auch 46,3/60,4; 42,19/61,1 (slh)), veranlaßt einerseits durch die Vorgabe Jes 40ff und andererseits 49,14ff, oder trägt Jes *60 unter sekundärem Rückgriff auf 49,7ff das Problem der fehlenden Stadtbevölkerung ( v g l . Neh 1 1 , l f ) nach? Sind 40,9-11; 49,7ff und Jes 61 von vornherein aufeinander hingeschrieben oder ist Jes 61 eine jüngere Schicht? W i e es scheint, spricht weit mehr dafür als dagegen, daß Jes *60f der integrale Schluß der Ebed-Israel-Redaktion ist. A u f jeden Fall aber ist Jes *60f auch über die bereits genannten Rückbezüge zu Anfang ( 4 0 , l f f ) und Ende ( 5 5 , l f f ) der Deuterojesajaschrifit hinaus sehr überlegt an das Voranstehende angefügt: In einem äußeren Bogen

wird

unter

der

Perspektive Land in Jes 61 an 49,7-13 angeknüpft, in einem inneren Bogen unter der Perspektive Zion und Heimkehr der Zionskinder in Jes *60 an 4 9 , 1 4 - * 5 4 , l f f . 79

S. KRATZ, Kyros, 210f besonders zu 48,17ff, und vgl. Jes 57,14.

80

V g l . zur Frage auch KRATZ, Kyros, besonders 120 Anm.461; 146f.

Zu jüngsten Untersuchungen von Jes 60-62

137

•60-62 als Ausbleiben der Heilsgüter für Zion und Bevölkerung gesehen, in Jes *56-59 hingegen als Frage, ob und wann sich Jahwe ( ! ) überhaupt wieder heilvoll zuwendet (58,3b.4b; 59,1-2). D i e A n n a h m e scheint uns naheliegend, daß d i e Grundschicht Jes * 6 0 - 6 2 zu d e r v o n K R A T Z herausgearbeiteten Ebed-Israel-Redaktion i m D e u t e r o j e s a j a b u c h gehört o d e r zumindest in g r o ß e r N ä h e zu ihr zu sehen ist. Sodann: W a n n ist d i e Fortschreibung zu datieren? O b e n 8 1 hatten sich H i n weise ergeben,

daß d i e hier exponierten P r o b l e m e - Ausstattung v o n

Zion,

T e m p e l und Stadt, unzureichende B e v ö l k e r u n g s z a h l d e r Stadt (Jes 6 0 ) ,

Pro-

b l e m e d e r Schuldknechtschaft in d e r B e v ö l k e r u n g des L a n d e s (Jes 6 1 ) und gar d i e i m R a h m e n der V e r z ö g e r u n g s p r o b l e m a t i k erneut herausgestellte F r a g e des W i e d e r a u f b a u s v o n Jerusalem (Jes 6 2 , 1 - 7 ; v g l . 6 0 , 1 0 0 - auf e i n e M a n g e l s i t u a tion in Jerusalem und U m l a n d zwischen 515 und 4 5 0 v . C h r . deuten, d i e dann durch N e h e m i a auf realpolitische W e i s e angegangen w i r d ; auch v o n

anderer

Seite w u r d e n jüngst entsprechende V o r s c h l ä g e g e m a c h t 8 2 . Ist diese Fortschreibung in g r o ß e r N ä h e zu der Ebed-Israel-Redaktion, w i e sie K R A T Z in Jes * 4 0 55 erarbeitet hat, zu sehen, dann ist b e m e r k e n s w e r t , daß sich unabhängig v o n Jes * 6 0 f f ü r diese R e d a k t i o n gute Gründe zugunsten einer Datierung in d i e erste H ä l f t e o d e r um d i e M i t t e des 5.Jhdt.s v . C h r . geltend machen lassen 8 3 . D a ß sich

SBS 121, 76.80; oben 15.18f; 54 Anm.31; 68f; 84f; lOlff; 115f. - Ob Jes *60 als Fortschreibung an Jes 40-55 bereits voraussetzt, daß der nachexilische Tempel steht, ist dem Text selbst nicht sicher zu entnehmen; sein Wiederaufbau (44,28) könnte ebenso wie seine hier ergänzend angekündigte Ausstattung noch im Modus prophetischer Weissagung sein. Vorausgesetzt wäre dann 44,28; doch ist diese Aussage selbst schon retrospektive Prophétie, die nach 515 v.Chr. zu datieren ist (vgl. KRATZ, Kyros, 84ff); Entsprechendes gilt für den jüngeren Text Jes *60, und in denselben Zeitraum nach 515 deuten die anderen Themen, für die Jes 60f gegenüber Jes *40-55 einen Verzögerungsaspekt voraussetzt, dem jetzt begegnet werden soll. Vgl. besonders F.CRÜSEMANN, Israel in der Perserzeit, in: W.SCHLUCHTE» (Hrg.), Max Webers Sicht des antiken Christentums, stw 548, 1985, 205-232. KOENEN, Ethik, 215f, will seinen Tritojesaja zwischen 520 und 515 v.Chr. setzen, doch hängt hier alles an der literarischen Analyse und an Verständnis und Einordnung von Jes 66, l f , so daß speziell auf der Datierungsebene eine Auseinandersetzung nicht möglich ist. Vgl. KRATZ, Kyros, 212ff, besonders 214f. Während sich Jes *47 in der Grundschrift Deuterojesajas m.E. am besten als Verarbeitung der kampflosen Einnahme Babylons durch Kyros 539 v.Chr. und des Rangs der Stadt als persischer Residenz (vgl. H.DONNER, Geschichte des Volkes Israel und seiner Nachbarn in Grundzügen 2, 1986, 401) erklärt (so auch KRATZ, Kyros, 170f) und bald danach zu datieren ist, und die folgenden, von KRATZ und mir für Jes 40-55 vorgeschlagenen Fortschreibungsvorgänge in die Zeit danach bis in die spätere Dariuszeit gehören, legt sich für 60,14 nahe, daß ein Reflex auf Xerxes' Vorgehen gegen Babylon (um 484-482 v.Chr.) vorliegt (vgl. dazu auch VERMEYLEN, L'unité, 28ff.44), und die bemerkenswert reservierte Sicht der Völkersituation in 60,2.4 könnte Spiegelung der instabilen Lage des Perserreiches unter Xerxes und Artaxerxes I. in dessen Anfangszeit (Auseinandersetzungen mit Griechen, Aufstände in Babylonien und Ägypten) sein, die wie in der Ebed-Israel-Schicht in Deuterojesaja Erwartungen, wie sie die Kyros-Ergänzer-Schicht von KRATZ noch unter Dareios I. an die Perser hegte, dämpfte und alles Gewicht auf eine neue Initiative Jahwes wie 60,1-2 mit den Folgen *60,3ff und auf die Stellung Zions als der Weltkönigin (statt der Perser) legte (vgl. auch KRATZ, Kyros, 86f.l46). Zeitgeschichtlich bemerkenswert ist im Anschluß an die Bestimmungen

138

Die Fortschreibung von Jes 40-55 in Tritojesaja

die v o n uns vorgeschlagenen literarischen Werdestufen in den Zion-Kapiteln Jes 4 9 f f und die v o n KRATZ besonders für Jes 40-49 herausgearbeitete literarische Schichtung zu einer folgerichtigen A b f o l g e der literarischen Entstehung v o n Deuterojesaja aus der Zeit zwischen 539 und ca. 450 v . C h r . zusammenfügen lassen, sei hier nur erwähnt. Verbindet man die Vorschläge, die wir in den Beobachtungen zu den Zion-Texten gemacht haben (vgl. die Ubersicht BN 46, 90) und die Ergebnisse zu Textstrata und Datierungen in Jes 40-49, zu denen KRATZ in seiner Habilitationsschrift gelangt ist (vgl. die Ubersicht Kyros, 216f), so ergibt sich für das literarische Wachstum des Zweiten Jesaja im 6. und S.Jhdt. v.Chr. folgendes Bild. Am Anfang stünde die von KRATZ vorgeschlagene Grundschrift von Jes 40-55, *40,1-52,10, die er bald nach 539 v.Chr. ansetzt (in beiden Ubersichten Spalte I). Das nach wie vor darniederliegende Jerusalem im Gegenüber zum unversehrten und in Residenzrang belassenen Babylon ist sodann der Hintergrund für drei Zion-Fortschreibungen (BN 46, 90, Spalten II-IV; KRATZ, Kyros, Spalte II) - zunächst Weissagung des Untergangs von Babylon und Restituierung Jerusalems (Wiederaufbau und Wiederbesiedelung) durch Jahwe im Imperativgedicht, sodann im Blick auf die zweite Exilsgeneration die Antwort an die klagende Frau Zion, daß Jahwe Zions Kinder als Königstribut von den Völkern heimbringen und sie bauen und Stadt und Umland besiedeln läßt, während die Babylonier untergehen und Zion als Weltkönigin anerkannt sein wird (49,14-26), und schließlich die Versicherung der Verbundenheit Jahwes mit Zion und Volk angesichts des Verzugs der Rückkehr der Exilierten; zeitlich gehörten diese drei Fortschreibungswellen mit KRATZ in die »späte Kyros- oder KambyseszeitWeg des Volkes* ohne Heimkehrkontext gesprochen wird, und vor allem, daß der Prophet in der Einheit 60,*lff dieselbe Situation anders gefaßt hätte: nicht Heimkehr des cm, sondern Heimkehr der Zionskinder, keine Berücksichtigung des Heimkehrweges vor Jerusalem als solchen, im Unterschied zum dritten Abschnitt hier keine Aufgabe der, wie K. meint, Völker zur Kundgabe an Zion - das Entsprechende sagt dort (60,15f) Jahwe selbst -, und umgekehrt im dritten Abschnitt hier anders als Jes 60,*lff kein Wort über die in Zion angekommenen Völker. Man muß dann am besten vermuten, daß 62,10-12 ein älteres Wort des Propheten ist, bevor er selbst zu der anders akzentuierten, volleren Ankündigung 60,*lff gefunden hat. Gegenüber derartigen Spekulationen haben die oben aufgewiesenen, von K. abgeblendeten Fluchtlinien, die auf literarische Querverbindungen in Großjesaja deuten, nach unserer Meinung das bei weitem stärkere Gewicht. Sie führen nicht zuletzt auf den überaus bemerkenswerten Sachverhalt, daß alle diese vorangehenden Aussagen von der Heimkehr im Zusammenhang mit Jahwes weltweitem Gericht an den Völkern sprechen, man beachte die Stellung von 11,10.11-16 vor Jes 13-27; von 17,10 vor 17,12-14; von 27,13 nach Jes (13.)24-27; von Jes 35 nach Jes 34; von Jes 40,lff nach Jes 34f und vor 40,12ff; von 51,4.9-11 im Zusammenhang mit 51,6-8, von 52,10 nach Jes 51. Schon dies läßt begründete Erwartungen hinsichtlich des beabsichtigten Sinnes der so schwierigen Aussagen des zweiten Abschnitts, 62,10bß.llaa zu, und dies um so mehr, als die Ansage, Zions Hilfe sei gekommen (62,1 lay), gemäß Ablauf das im zweiten Abschnitt angezielte Geschehen bezüglich der Völker offenbar zur Voraussetzung hat. Bestätigt sich auch hier der Befund, daß 62,10-12 Zielpunkt literarisch-sachlicher Fluchtlinien aus Großjesaja ist, Hann müßte an der Zielposition Jes 62 im zweiten Abschnitt nicht wie in den bereits genannten Weltgericht-Texten von dessen bevorstehendem Vorgang, sondern von dessen erfolgtem Vollzug die Rede sein; dies würde erklären, warum hier nicht direkt auf Formulierungen aus diesen Aussagen zurückgegriffen wird. Aber ist davon überhaupt die Rede? Nach K. soll hier den Völkern mit den Heimkehrern der Weg nach Zion gewiesen werden, wobei neben Jes 40 lediglich 49,22 und 48,20 aufgegriffen sei 3 9 . Daß 62,10bß die Vorgabe 40,9aß.bo via rwm hi. mit Bezug auf 49,22 adaptiert, ist angesichts der Formulierungsentsprechungen sicher; aber in welchem Sinne? Gleichsinnig-komplementär, insofern Jahwe selbst dort das Zeichen zum Aufbruch und die Jerusalemer hier das Zeichen für die Ankunft geben? Dagegen spricht schon, daß im dritten Abschnitt trotz 60,lff das Kommen der Heimkehrer wiederholt wird, das Ankommen der Völker jedoch nicht, obwohl K.s suffizienter Modelltext 49,22 gleich anschließend 49,23aß hinsichtlich der Huldigung der Völker vor der Königin Zion Entsprechendes vorgab; bezüglich der Völker ist 62,llf Zion explizit nichts zu sagen. Warum schweigt der prophetische Verfasser entgegen 49,23 und seinem eigenen Wort 60,lff in 62,llf von Ankunft und Huldigung der Völker? Wenn 49,22 sein Vorbild ist, an das er sich hier anschließt - warum erwähnt er hier im Unterschied zu seiner Jes 49-Adaption in 60, lf nicht, daß die Heimkehrer

39

Vgl. im Rahmen der Protojesaja-Aussagen, auf die wir bisher gestoßen sind, womöglich überlegt wahrgenommene Beziehungen von 1,7/17,9; 62,4; ferner 1,8 (Weinberg)/5,lff; 62,10; sodann l,8f (Rest)/ll,16 und wie erwähnt 1,26b/62,12b. Ethik, 133f.

Jes 62,10-12 als Abschluß eines Großjesajabuches

151

Zionskinder sind? Und schließlich - wenn derselbe Verfasser die Sicht des Meisters 49,22 zu dem unwiderstehlichen Vorgang der Lichtausstrahlung Zions 60,1-3 verändert, warum in aller Welt ist dann noch nötig, daß die Jerusalemer in 62,10bß zur Wegweisung nach Zion den Völkern ein Panier errichten? Der prophetischen und dichterischen Freiheit wird in K.s Verständnis zu viel unterstellt. Gegen eine komplementär-gleichsinnige Adaption von 49,22 in 62,10bß, wie sie K. annimmt, spricht nicht zuletzt entschieden, daß 62,10bß trotz '1 in 62,llaa das neben 1 geläufige '1 bei Panieraussagen aus 49,22 merkwürdigerweise hier nicht übernimmt, sondern durch C1 (»gegen« oder »über« als Siegeszeichen4®) ersetztet. Dies zeigt zusammen mit den anderen Indizien, daß gegen K. die Bezugnahme auf 49,22 als Erklärung nicht genügt; die Formulierung in 62,10bß sieht zusammen mit dem Fehlen von Völker-Aussagen im dritten Abschnitt vielmehr nach Korrektur von 49,22 aus, deren intendierte Verständlichkeit freilich auf Rückbezüge auf das literarisch Vorangehende angewiesen ist. Womöglich war bezüglich bJcfi der Vorgabe 40,9aß (vgl. auch die Krafit-Aussagen in 40,10a als Vorgabe für 62,llaa) schon 40,26ff, von der Heimkehr verstanden (vgl. auch 40,26 im Blick auf 60,4 gesehen), bei der Adaption im Blick; der vorangehende Kontext dort (40,22ff) führt dazu, ki/ im Sinne der dabei erfolgenden Vernichtung von Menschen und Menschenmacht zu verstehen. Wichtiger sind die im Jesajabuch voranstehenden Panier-Aussagen. Hinsichtlich 62,10-12 als Zielaussage sachlich-literarischer Fluchtlinien ist positionell zunächst die erste dieser Aussagen wichtig: 5,26 (MT), wo Völker und »Ende der Erde« (vgl. 62,llaa!) parallelisiert sind, im vorgegebenen Kontext 5,25-30 eine Paniererrichtung zur Vernichtung der Völker. Wie 62,10-12 im Heimkehrkontext begegnet eine Völker-Panier-Aussage in dem als Bezug bereits genannten Text 11,11-16 in 11,12. Hier ist eine Rückbeziehung auf 5,26 MT erkennbar4^, in l l , l l a a aber auch eine Aufnahme von 49,22 4 3 , dieselbe Kombination von Bezugstexten, wie sie anscheinend auch hier im zweiten Abschnitt unseres Textes vorliegt, wie dort durch Eliminierung des Zuges der Völker nach Jerusalem korrigiert; ein Indiz für dieselbe literarische Schicht. Der Sache nach handelt es sich, wie die Hinformulierung von 11,11-16 auf Jes O f f 4 4 ergibt, um Paniererrichtung im Blick auf das Weltgericht und entsprechend ist dann auch der Bezug auf 11,10 (vgl. Schauplatz von 62,10bß) im Sinne des Untergangs der Völker verstanden; 62,12ba wird dieselbe Aussage, wie wir sahen, im Sinne einer Einschränkung auf die Heimkehrer korrigierend aufnehmen. Auch die nächste Panier-Aussage im Jesajabuch, 13,2, festigt nicht nur das Verständnis von 11,12, sondern liegt ebenfalls auf der Fluchtlinie, die die Zielaussage 62,10bß als Handlung fixiert, die das vollzogene Weltgericht anzeigen soll. Im Kontext des hier einwirkenden Gesamttextes von Jes 13, der vom Weltgericht handelt, ist 13,2 ein Aufruf, der zu dieser Völkervemichtung gehört, im Ablauf des Jesajabuches wie 5,26; 11,12 an dessen Anfang steht und deshalb komplementär bei der Schlußphase der Heilswende in Jes 62 aufgegriffen wird und zeigt, wie 40,9f jetzt adaptiert wird: In 13,2 ist wie in 40,9aa vom Standort auf dem »Berg« die Rede, wird die »Stimme erhoben« (qwl, rwm), beginnt das Völkergericht am Anfang mqsh-tämym und endet es in 62,llaa 'l-qsh h'rs. Ahnlich ist 18,3 (nach 17,12-14!) kontextvorgeprägt jetzt als Weltgerichtsaussage verstanden, in diese Linie eingeordnet und in 27,13 (swpr) im Weltgerichtskontext aufgenommen. Daß das Panier in 62,10bß als Zeichen vollzogener Vernichtung aufgerichtet

43 44

s. dazu hier unten Anm.49. Daß rwm hi. + m und cmym (vgl. aber auch 11,10) den Rückverweis auf 49,22 sichern sollen, ist unbestritten. Die Frage ist nur, ob gegenüber einer Entweder-Oder-Argumentation K.s (134), aber auch gegenüber BEUKEN (Jesaja, 237f) damit die Verweisfunktion der Formulierung 62,10bß schon voll erfaßt ist. Ein wesentlicher Schwachpunkt bei K. (134) ist, daß für ihn CJ »im Sinne von '1 zu verstehen« ist, und das, obwohl c l in dieser Funktion sonst nie bei Panieraussagen begegnet und wie erwähnt gleich anschließend V. llaa '1 bietet! Spekulationen, ob ursprünglich in 62,10 '1 gestanden habe, entwerten sich selbst, s. SBS 121, 63 und vgl. ns ns Igwym 5,26aa (i stammt aus der älteren Formulierung gwy (Assyrer) statt gwym (MT)/ll,12aa; vgl. zur Sache auch Jes 3,13 MT. 11,llaa 's 't' (vgl. zur Textkritik zB. H.WlLDBERGER, O.KAISER zSt.) y