Staatliche Kunstförderung nach Grundgesetz und Recht der EG [1 ed.] 9783428483266, 9783428083268

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Staatliche Kunstförderung nach Grundgesetz und Recht der EG [1 ed.]
 9783428483266, 9783428083268

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 672

Staatliche Kunstförderung nach Grundgesetz und Recht der EG Von Birgit Geißler

Duncker & Humblot · Berlin

BIRGIT GEISSLER

Staatliche Kunstforderung nach Grundgesetz und Recht der EG

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 672

Staatliche Kunstförderung nach Grundgesetz und Recht der EG Von

Birgit Geißler

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Geissler, Birgit: Staatliche Kunstförderung nach Grundgesetz und Recht der EG / von Birgit Geissler. Berlin : Duncker und Humblot, 1995 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 672) Zugl.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1994 ISBN 3-428-08326-1 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1995 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-08326-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier gemäß der A N S I - N o r m für Bibliotheken

Vorwort

Diese Untersuchung wurde im Frühsommer 1993 abgeschlossen und im Wintersemester 1993/94 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Die Überarbeitung im Sommer 1994 berücksichtigt insbesondere das zwischenzeitliche Inkrafttreten des Unionsvertrags, das Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts sowie einige neuere Pressemitteilungen und Veröffentlichungen. Mein Dank gilt Herrn Professor Dr. Dres h.c. Konrad Hesse, dessen Seminare mit Herrn Professor Dr. h.c. Benda bereits frühzeitig zum Bestandteil meines Studiums wurden und der das Entstehen dieser Arbeit mit ständiger Gesprächsbereitschaft begleitet hat. Bei Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Martin Bullinger, an dessen Lehrstuhl ich als langjährige Mitarbeiterin zahlreiche Anregungen und Förderung erfuhr, bedanke ich mich insbesondere für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens trotz widriger äußerer Umstände. Mein Dank gilt weiter allen, die mir bei der Beschaffung des Materials zur Seite gestanden haben, insbesondere Herrn MdB und Pari. Staatssekretär a.D. Peter Kurt Würzbach und seinem Mitarbeiter Jobst Hubbe sowie meiner Schwester Kirsten und den Mitarbeitern am Institut für öffentliches Recht. Schließlich danke ich meiner Mutter und Herrn Ansgar Hense für ihre Hilfe bei den Korrekturen, dem Dekanat der Rechtswissenschaftlichen Fakultät Freiburg für die freundliche Betreuung des Promotionsverfahrens und dem Verlag für die Aufnahme der Untersuchung in die Reihe der "Schriften zum öffentlichen Recht". Ich widme die Arbeit meinen Eltern und meiner Schwester.

Freiburg, Januar 1995.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung I. Kunstbegriff und Kunstförderung

15 15

Π. Ziele und Motive der Kunstförderung 18 1. Kulturförderung als Ziel von Kunstförderung 18 2. Motive staatlicher Kunstförderung in ihrer historischen Entwicklung . . . 19 ΙΠ. Art und Umfang öffentlicher Kunstförderung 1. Direkte Förderung 2. Indirekte Förderung

27 27 28

Teil 1: Staatliche Kunstförderung I.

34

Bedenken gegen staatliche Kunstförderung 34 1. Unterschied zwischen Ziel und Motiv der Maßnahmen 34 2. Unterschied zwischen Adressat und Auswirkung der Maßnahmen . . . . 37

Π. Befugnis des Staates zur Kunstförderung und Einschränkung der staatlichen Handlungsbefugnis durch Grundrechte 1. Art. 5 Abs. 3 GG als Gewährleistung der negativen Kunstfreiheit . . . . 2. Art. 2 Abs. 1 GG a) Die Zwangsmitgliedschaft im Staatsverband b) Die Finanzierung der Kunstförderung 3. Art. 3 GG

39 39 40 40 43 45

ΙΠ. Verpflichtung des Staates zur Kunstförderung? 1. Art. 5 Abs. 3 GG und die Kulturstaatlichkeit der Bundesrepublik . . . . a) Der Wortlaut von Art. 5 Abs. 3 GG b) Art. 5 Abs. 3 GG als objektiv rechtliche Wertentscheidung c) Leerlauf einer verfassungsrechtlichen Gewährleistung?

46 46 46 48 50

8

nsverzeichnis

2. 3. 4.

d) Historische Auslegung e) Zusammenfassung Die Menschenwürde Das Sozialstaatsprinzip Kunstforderung als Teil einer staatlichen Bildungsaufgabe

IV. Ergebnis

54 57 58 62 64 66

Teil 2: Kunstförderung des Bundes

I.

70

Maßnahmen des Bundes auf dem Gebiet der Kunstförderung

70

1.

70 71 75 77

2.

Finanzielle Maßnahmen des Bundes a) Das Bundesinnenministerium b) Das Auswärtige Amt Rechtsetzung des Bundes

Π. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes 1. Art. 30 GG 2. Gesetzgebungskompetenzen a) Der Grundsatz des Art. 70 GG b) Die ausschließliche Gesetzgebung a) Art. 73 Nr. 5 (Warenverkehr) β) Art. 73 Nr. 7 (Post- und Fernmeldewesen) 7) Art. 73 Nr. 9 (gewerblicher Rechtsschutz) c) Die konkurrierende Gesetzgebung a) Art. 74 Nr. 5 (Abwanderung des Kulturguts) ß) Art. 74 Nr. 6 (Flüchtlinge und Vertriebene) γ) Art. 74 Nr. 7 und Nr. 12 (öffentliche Fürsorge und Sozialversicherung) Ò) Art. 74 Nr. 11 (Recht der Wirtschaft) e) Art. 74 Nr. 24 (Luftreinhaltung) d) Filmförderung e) Ausbildungsförderung und Forschungsförderung f) Art. 72 Abs. 2 GG 3. Verwaltungskompetenz a) Ausgang: Art. 83 GG b) Besondere Verwaltungskompetenzen des Bundes c) Art. 91 a und b GG d) Beteiligung des Bundes an Länderzusammenschlüssen

77 77 80 80 81 81 83 83 83 84 85 87 89 91 92 96 97 102 102 104 105 110

nsverzeichnis

4.

5.

6.

7.

Kompetenzen des Bundes im Bereich des Finanzrechts a) Verbot der Finanzierung von Landesaufgaben durch den Bund . . b) Folgen für die Festsetzung aller Steuern c) Konsequenzen für die Verteilung der Steuern d) Finanzierung durch den Bund wegen Armut der Länder e) Ergebnis Sonderfälle im Kompetenzgefüge a) Die auswärtige Gewalt b) Art. 135 GG und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz Ungeschriebene Kompetenzen des Bundes und das Prinzip der Bundestreue a) Zulässigkeit ungeschriebener Kompetenzen b) Kompetenz aus Sachzusammenhang c) Kompetenz aus der Natur der Sache d) Das Prinzip der Bundestreue e) Gewohnheitsrecht und Tradition Art. 35 EV und die Folgen der Wiedervereinigung a) Wirtschaftliche Folgen b) Art. 35 EV und seine Sonderregelungen c) Rechtmäßigkeit von Art. 35 EV und den darauf gestützten Programmen d) Teilungsbedingte Kunstförderung des Bundes

9

113 113 115 116 117 117 117 117 127 135 135 137 138 144 145 147 147 150 153 160

ΙΠ. "Heilung" von Kompetenzverstößen 1. volenti non fit iniuria? 2. "Heilung" durch Beteiligung des Bundesrates? 3. Überlassung der Kompetenzausübung

160 160 162 163

IV. Verfassungsreform nach der Wiedervereinigung 1. Die Einführung einer Kulturstaatsklausel 2. Länderkompetenzen und Bundesrat 3. Verteilung der Finanzen

164 164 169 170

V. Ergebnis

171

Teil 3: Kunstförderung und EG

I. Maßnahmen der EG auf dem Gebiet der Kunst 1. Der Haushalt der EG 2. Ziel kultureller Tätigkeit der EG

172

172 172 173

nsverzeichnis

3.

Einzelne Maßnahmen der Kunstforderung

174

Π. Rechtsstruktur der EG 1. Das primäre Gemeinschaftsrecht 2. Organe und sekundäres Gemeinschaftsrecht

183 183 185

ΙΠ. Kunstförderung und primäres Gemeinschaftsrecht 1. Die Grundfreiheiten a) Der freie Warenverkehr a) Maßnahmen der EG ß) Maßnahmen der Mitgliedstaaten b) Freizügigkeit, Niederlassungsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit und ihre Auswirkungen auf Maßnahmen der Mitgliedstaaten . . . 2. Steuerliche Regelungen und Subventionsverbot a) Steuerliche Regelungen b) Das Subventionsverbot a) Begriff der Beihilfe nach Art. 92 Abs. 1 EGV ß) Ausnahmen nach Art. 92 Abs. 2 und 3 EGV 3. Allgemeine Grundsätze für die Berufsausbildung a) Rechtslage nach Art. 128 EWGV b) Rechtslage nach Art. 126 und 127 EGV 4. Art. 128 EGV 5. Forschungseinrichtungen der EG 6. Gemeinsame Politiken a) Handels- und Wirtschaftspolitik b) Sozialpolitik c) Regionalpolitik d) Außenpolitik 7. Die Europäische Stiftung 8. Ungeschriebene Kompetenzen

188 189 189 190 191 196 199 199 201 201 205 209 209 212 213 217 218 218 220 220 222 222 225

IV. Bedeutung für die Rechtslage in der Bundesrepublik 1. Beurteilung nach dem Grundgesetz 2. Rückwirkungen auf das Gemeinschaftsrecht?

234 234 248

Ergebnis

254

nsverzeichnis Anhang

11 257

I. Historische Daten 1. Der Berliner Plan 2. Fürstliche Museumsgründungen 3. Kunst-und Geschichtsvereine und ihre Museen 4. Gewerbemuseen

257 257 257 258 259

Π. Rechtstexte 1. Lindauer Abkommen vom 23./25. 10. und 14. 11. 1957 2. Art. 2 des Gesetzes zur EEA 3. Auszug aus der Verfassung der DDR von 1974

260 260 260 261

ΙΠ. Daten zur Kunstförderung 1. Kunstförderung in den alten Bundesländern 1991 2. Kunstförderung der Städte

262 262 263

IV. Daten zur Wiedervereinigung 1. Ehemals zentral geführte Einrichtungen der DDR 2. Mittel aus dem BMI-Haushalt für Kultur im Beitrittsgebiet 3. Das Infrastrukturprogramm 4. Das Substanzerhaltungsprogramm 5. Vergleichszahlen

263 263 265 267 269 281

Literaturverzeichnis

282

Abkürzungsverzeichnis BHHP BKPräsEu BKPräsFin BMI BVwG DAA

EP GemVerfK HA HHPEG KA

ÖA SDAA Vhdl. /AK

/BBPS /BK /Grabitz /Groeben /JP /MD

Bundeshaushaltsplan Beschluß der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Länderparlamente vom 24. 9. 1991 "Stärkung der Länder in Europa" Beschluß der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Länderparlamente für eine Reform der Finanzverfassung vom 24. 9. 1991 Bundesministerium des Innern Bundesverwaltungsgericht Geheime Denkschrift des Auswärtigen Amtesüber das deutsche Auslandsschulwesen vom April 1914, abgedruckt bei Kurt Diiwell, Deutsche Auswärtige Kulturpolitik, S. 268 ff. Einzelplan Gemeinsame Verfassungskommission Hauptausschuß Haushaltsplan der EG Kulturabkommen: in der Arbeit werden folgende Kulturabkommen zitiert: KA mit Frankreich vom 23. 10. 1954, BGBl. 1955 II S. 885; KA mit Spanien vom 10. 12. 1954, BGBl. 1956 II S. 558; KA mit Italien vom 8. 2. 1956, BGBl. 1958 II S. 77; KA mit Griechenland vom 17. 5. 1956, BGBl. 1957 II S. 501; KA mit Norwegen vom 29. 5. 1956, BGBl. 1957 II S. 28; KA mit Belgien vom 24. 9. 1956, BGBl. 1957 II S. 70; KA mit Chile vom 20. 11. 1956, BGBl. 1959 II S. 549; KA mit Japan vom 14. 2. 1957, BGBl. II S. 1461; KA mit der Türkei vom 8. 5. 1957, BGBl. 1958 II S. 336; KA mit Großbritannien vom 18. 4. 1958, BGBl. 1959 II S. 449; KA mit der Vereinigten Arabischen Republik vom 11. 11. 1959, BGBl. 1960 II S. 2351; KA mit den Niederlanden vom 27. 4. 1961, BGBl. 1962 II S. 497; s. auch BGBl., Fundstellennachweis Β, Sachgebiet XII 1. und 2. Öffentliche Anhörung "Grundgesetz und Europa" der Gemeinsamen Verfassungskommission am 22. 5. 1992, Stenographischer Bericht. Statistik der Deutschen Auslandsschulen, Anlage 1 zur DAA (s.o.), abgedruckt bei Kurt Diiwell, Deutsche Auswärtige Kulturpolitik, S. 316 ff. Verhandlungen (Bearbeiter) in: Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland: in 2 Bänden, bearbeitet von Axel Azzola ... (Reihe Alternativkommentare), 2. Auflage Neuwied 1989. s. Literaturverzeichnis unter: Beutler. (Bearbeiter) in: Rudolf Dolzer, Klaus Vogel, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Heidelberg, Stand: 68. Lieferung, November 1992. s. Literaturverzeichnis unter: Grabitz. s. Literaturverzeichnis unter: Groeben. s. Literaturverzeichnis unter: Jarass. (Bearbeiter) in: Theodor Maunz, Günter Dürig, Roman Herzog, Rupert Scholz, Peter Lerche, Hans-Jürgen Papier, Albrecht Randelzhofer und Eberhard SchmidtAssmann, Grundgesetz, Kommentar, München, Stand: 29. Ergänzungslieferung 1991.

Abkürzungsverzeichnis /vM

ZschR

13

(Bearbeiter) in: Ingo von Münch (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, München, Band 2 1976, Band 3 1978; Band 1 in 4 Aufl. hrsg. von Philip Kunig, München 1992. Zeitschrift für Schweizerisches Recht

Soweit die Abkürzungen nicht erläutert sind, wird verwiesen auf: Kirchner, AbkürzungsVerzeichnis in der Rechtssprache, 4. Auflage, Berlin 1993.

Einleitung

Gegenstand dieser Arbeit ist die staatliche Kunstförderung, und zwar - Kunstförderung als Tätigkeit des Staates, - die Zulässigkeit von Kunstförderungsmaßnahmen des Bundes im Verhältnis zu den Ländern und - die Zulässigkeit von Kunstförderungsmaßnahmen der Europäischen Gemeinschaft im Verhältnis zur Bundesrepublik als Mitgliedstaat sowie der Einfluß des Europarechts auf die Kunstförderung durch die Bundesrepublik. Die Untersuchung beschränkt sich auf Bundesrecht und Normen des Gemeinschaftsrechts, Landesrecht wird nicht geprüft.

I. Kunstbegriff und Kunstförderung

Die Prüfung der Zulässigkeit staatlicher Kunstförderung setzt eine Vorstellung davon voraus, was unter "Kunst" zu verstehen ist. Das BVerfG hat sich bei der Definition des "Lebensbereichs Kunst" in der Mephisto-Entscheidung an das allgemeine Verständnis von Kunst angelehnt: "Der Lebensbereich "Kunst" ist durch die vom Wesen der Kunst geprägten, ihr allein eigenen Strukturmerkmale zu bestimmen. Von ihnen hat die Auslegung des Kunstbegriffs der Verfassung auszugehen. Das Wesentliche der künstlerischen Betätigung ist die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden. Alle künstlerische Tätigkeit ist ein Ineinander von bewußten und unbewußten Vorgängen, die rational nicht aufzulösen sind. Beim künstlerischen Schaffen wirken Intuition, Phantasie und Kunstverstand zusammen; es ist primär nicht Mitteilung, sondern Ausdruck und zwar unmittelbarster Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers."1

1

BVerfGE 30, 173, 188 f. (Mephisto).

16

Einleitung Diese Definition des Bundesverfassungsgerichts stimmt im wesentlichen mit

dem überein, was nach allgemeinem Verständnis als Kunst bezeichnet wird. 2 Das Bundesverfassungsgericht zieht ferner die Erfüllung "der Gattungsanforderungen eines bestimmten Werktyps" "bei formaler, typologischer Betrachtung" und "die Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehalts", die "im Wege einer fortgesetzten Interpretation" die Entnahme "immer weiterreichender Bedeutungen" ermöglicht, als Kriterien für das Vorliegen von Kunst heran. 3 I m Ergebnis spricht es von Kunst als einem "geformten Ergebnis einer freien schöpferischen Gestaltung, in welcher ... Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse zu unmittelbarer Anschauung'4 gebracht werden. Das BVerfG hatte diese Definition in Fällen entwickelt, in denen Art. 5 Abs. 3 G G als Freiheitsrecht,

in seiner Funktion, Eingriffe abzuwehren,

betroffen war. 5 Der weite Kunstbegriff ermöglichte in diesen Fällen eine weite gerichtliche Kontrolle. - Das Gericht übernahm seinen weiten Kunstbegriff auch da, wo es um staatliche Förderungsmaßnahmen

geht. 6 Hier führt eine Ent-

scheidung "in dubio pro arte" - ebenso wie der Rückgriff des Bundesverfassungsgerichts auf einen allgemeinen "Lebensbereich "Kunst"" 7 - aber dazu, daß bei der Prüfung von Maßnahmen der Kunstförderung nicht untersucht werden muß und daher häufig unklar bleibt, wer oder was und warum gefördert wird (Adressat und Auswirkung, Ziel und Motiv der Maßnahme), wenn

2 Brockhaus, Art. Kunst, S. 756, Bedeutung Nr. 2, definiert Kunst als "schöpferisch-gestaltende Tätigkeit, die sich durch Bearbeitung innerer und äußerer Erfahrungsinhalte mit der Welt auseinandersetzt und auf Wertsetzung im Kunstwerk und Werterlebnis des Betrachters abzielt, auch Inbegriff aller einzelner Kunstwerke." 3

BVerfGE 67, 213, 226 f. (Anachronistischer Zug); ebenso BVerfGE 83, 130, 138 (Josefine Mutzenbacher). 4

BVerfGE 75, 369, 377 (Strauß-Karikaturen).

5

BVerfGE 30, 173 ff.: Verbot der Vervielfältigung, des Vertriebs und der Veröffentlichung durch Urteile des OLG Hamburg und des BGH; BVerfGE 67, 213 ff.: Verurteilung wegen Beleidigung durch das AG Kempten und Verwerfung der Revision durch Beschluß des bayObLG; BVerfGE 75, 369 ff.: Verurteilung wegen Beleidigung durch Urteil des OLG Hamburg; BVerfGE 83, 130 ff.: Aufnahme in die Liste jugendgefährdender Schriften durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften und Bestätigung dieser Entscheidung durch Urteile des VG Köln, des OVG Münster und des BVwG. 6

BVerfGE 36, 321, 331 (Mehrwertsteuer auf Schallplatten).- Das BVerfG läßt eine gewisse Ungeduld erkennen über das Versagen der Kunsttheorie und der Künstler, sich auf eine juristisch brauchbare Definition zu einigen, BVerfGE 67, 213, 224. 7

BVerfGE 30, 173, 188.

I. Kunstbegriff und Kunstförderung

17

man sich auf die Feststellung beschränkt, daß der "Lebensbereich "Kunst"" betroffen ist.8 Zu dieser Unklarheit trägt bei, daß sich viele Maßnahmen der Kunstförderung nicht nur auf den "Adressaten", also allein auf Künstler, Konsument oder Kunstwerk auswirken. Beispielsweise kommt die Anerkennung eines Kunstwerks durch einen Preis nicht mehr dem vollendeten Werk zugute, an das sie anknüpft, sondern dem Urheber. Auch die Verbindung der staatlichen Hilfe mit einer noch zu erbringenden künstlerischen Leistung wie etwa Filmförderungspreise wird sich nicht immer klar von einer Leistung an den Künstler selbst unterscheiden lassen. Diskrepanzen können schließlich auch zwischen erklärtem Ziel einer Maßnahme und dem Motiv, also dem inneren Beweggrund oder Hintergrund der Kunstförderung, bestehen (hierzu sogleich unter II). Eine juristische Untersuchung staatlicher Kunstförderung muß sich daher mit Ziel und Motiv, mit Adressat und Auswirkung der Förderungsmaßnahmen beschäftigen. 9 Die Festlegung auf einen bestimmten Kunstbegriff erscheint demgegenüber nachrangig.10

8 Das wird in fast allen Fällen der Kunstförderung zu bejahen sein. Die so gerechtfertigten geringen Anforderungen des BVerfG an die Zulässigkeit staatliche Kunstförderung werden durch die Zurückhaltung des Gerichts gegenüber politischen Entscheidungen der öffentlichen Gewalt noch weiter gesenkt. 9

Ebenso Evers, NJW 83, 2161, 2165, mit dem Hinweis darauf, daß es an einer systematischen Durchdringung dieser Ziele bisher fehlt (S. 2166). Aufmerksamkeit verdient auch die Frage danach, wer überhaupt die Entscheidungen über den Kunst-Charakter einer Sache trifft. Die Verwaltungsgerichte gehen jedenfalls von einer vollen gerichtlichen Nachprüfbarkeit aus; vgl. nur VGH Mannheim, NJW 87, 1440 f., und VGH München, NJW 92, 2584 f. 10 Zumal es kaum handhabbare Definitionen von Kunst oder Kultur gibt; vgl. bspw. Häberle, Bundesstaat, S. 13 ff. und Kulturstaat, S. 27 ff.; Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 8 ff. (und Kritik dazu bei Geis, S. 183); Geis, S. 204 f., der jede kulturelle Äußerung einem übrigen Grundrechte zuordnet und Art. 2 Abs. 1 GG als Auffangtatbestand ansieht. Nach Schäuble, S. 66 f., gehört die Konsumentenförderung nicht zur Kunstpflege, da sie nicht unmittelbar dem Künstler zugute kommt (a.A. BVerfGE, 30, 173, 189 (Mephisto), wonach die Garantie der Kunstfreiheit "sachnotwendig" "auch die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerkes" als "Wirkbereich" umfaßt; ebenso schon im 19. Jh. Roesler, S. 228).- Von einem offenen Kunst-/Kulturbe griff gehen aus: Ipsen, Kulturbereich, S. 340; Maihofer, Aufgaben, S. 988; ebenso Hempel, S. 16. 2 Geißler

18

Einleitung

I I . Ziele und Motive der Kunstförderung

1. Kulturförderung als Ziel von Kunstförderung

Häufig wird die Förderung von Kunst damit begründet, daß Kunst ebenso wie Wissenschaft und Bildung als Bereich der Kultur verstanden wird. 11 Es handelt sich hierbei aber nur um eine "Scheinbegründung". - Denn unter Kultur versteht man die raumgebundene Gesamtheit der typischen Lebensformen einer Bevölkerung einschließlich der sie tragenden Werteinstellungen.12 Da man nun nicht die abstrakte Kultur an sich schützen und fördern kann, muß man die Maßnahmen an konkrete Erscheinungsformen von Kultur, sogenannte Kulturdenkmale, anknüpfen. Zu diesen gehören neben Bauwerken, Bodenaltertümern, Werken des Kunsthandwerks, der Technik, Gegenständen des religiösen oder weltlichen Brauchtums, Handschriften, Urkunden u.ä., auch Werke der Kunst,13 allerdings nur dann, wenn "deren Erhaltung angestrebt wird". Unklar bleibt bei dieser Definition aber, wann und warum die Erhaltung angestrebt wird und wer darüber zu entscheiden hat.

14

Die Begründung der Kunstförderung durch den Kulturcharakter der Kunst führt also nur zur Frage nach dem Grund oder Zweck der Förderung bzw. Erhaltung zurück, läßt ihn selbst aber offen und entzieht ihn damit einer Kontrolle hinsichtlich seiner Zulässigkeit.

11

So die Kulturdefinition seit Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 29.- Zur Begründung der Kunstförderung aufgrund ihres Kulturcharakters s. auch Schäuble, S. 64; Jarassi JP, Art. 74, Rn. 15. In dieselbe Richtung Häberle, Verfassungslehre, S. 10. 12

Brockhaus, Art. Kultur, S. 733.

13

Zur Kunst gehören einerseits die Werke der Dichtung, Musik und bildenden Künste und andererseits die darstellende und ausübende Kunst wie Theater und Konzerte, die sich nicht in einem Werk, sondern in Leistungen niederschlägt {Brockhaus, Art. Kunst, S. 756.). 14 So Brockhaus, Art. Kulturdenkmal, S. 740. Ebenso die Rspr., vgl. VGH München, NJW 92, 2584, 2585 (Käfersammlung als Kulturgut im Sinne von § 1 KulturschutzG): "Kultur umfaßt nach allgemeinem Begriffsverständnis jedes geistige Schaffen und Wirken der Menschen, mag es sich in Werken der Kunst, Musik, Literatur oder Wissenschaft dokumentieren oder seinen Ausdruck in der wertbewußten Prägung der Lebensverhältnisse oder der Umwelt fmden. Kulturgut sind demgemäß alle Gegenstände, in denen Schaffen menschlichen Geistes im Laufe der historischen Entwicklung konkrete Gestalt angenommen hat. " Offen bleibt, warum das Schaffen menschlichen Geistes bewahningswürdig ist; eine Frage allerdings, die primär nicht das Gericht, sondern der Gesetzgeber hätte beantworten müssen.- Für die darstellende und ausübende Kunst tritt an die Stelle des Erhaltenswerts des Kunstwerks die Förderungswürdigkeit der künstlerischen Leistung.

19

II. Ziele und Motive der Kunstförderung 2. Motive staatlicher Kunstförderung in ihrer historischen Entwicklung

Aufschlußreich für die Suche nach Motiven staatlicher Kunstförderung ist ein Blick in die Geschichte der Entstehung öffentlicher Museen. Öffentlich zugänglichen Kunstbesitz gab es schon in der griechischen Polis, wo Kunstwerke z.T. im Freien, vor allem aber in Tempeln aufgestellt wurden. 1 5 Diese Kunstschätze waren aber nicht etwa staatliche Investitionen, sondern Geschenke und Stiftungen Privater oder durch freiwillige 16 Sammlungen finanziert, motiviert durch das Bedürfnis nach Selbstbestätigung, antwortungsgefühl·

1

oder persönlichen Stolz.

19

11

Ver-

Fiel in Griechenland privates

Engagement eher zufällig mit der Trägerschaft eines öffentlichen Amtes zusammen, die dann nur zu einer Verstärkung der bestehenden "Spendenfreudigkeit" führte, 20 waren in Rom Ausgaben Privater "zugunsten der Allgemeinheit" Voraussetzung für einen weiteren Schritt auf dem cursus honorum (Ämterlaufbahn) und unterlagen als Mittel der Wahlwerbung Beschränkungen. 21

15

Von Schlosser, S. 7; allerdings waren die Werke "rechtlich" Eigentum des Gottes bzw. des Heiligtums; vgl. ders. S. 4. Die Zugänglichkeit für jedermann findet ihren Ausdruck in der Erwähnung der Kunstwerke in den Reiseführern der Antike (am bekanntesten Pausanias, Periegesis tes Hellados, zw. 160 und 180 n. Chr.).- Neben öffentlichen Kunstwerken gab es fürstliche und nach dem politischer Verfall der Städte private Sammlungen größerer Art, bspw. die Sammlungen in Pergamon, die der Ptolemäer und Hadrians, von Schlosser, S. 6 f. Schon damals kam aber der Gedanke eines öffentlichen Interesses an diesem Privatbesitz auf; so Agrippa , vgl. Plinius Secundus , XXXV, 9; ebenso Cäsar mit der Aufstellung eines Teils seiner Kunstschätze vor dem öffentlich zugänglichen Tempel der Venus Genetrix, ders., a.a.O.) sowie der Kameensammlung im gleichen Tempel, Brockhaus, Art. Kunstsammeln, S. 773. 16 D.h., die Schenkungen wurden nicht in der Erfüllung einer juristischen Verbindlichkeit geleistet, wohl aber unter sozialem oder politischem Druck, der im antiken Griechenland durch öffentliche Reden, in Rom durch den Wunsch einer Wiederwahl ausgeübt wurde; Veyne, S. 191 ff. und 333 f. 17 Veyne, S. 93 ff. Schon Plinius Secundus , XXXV, 7, sieht in der Aufstellung von Bildern auf öffentlichen Plätzen als "Darstellung der eigenen Heldentaten an der Front" auch ein Mittel der Wahlwerbung. 18

Entsprungen aus ihrer politischen Führungsrolle; Veyne, S. 101.

19

Inclusive eines Wetteifers untereinander, Veyne, S. 188 ff.

20

Dem lag nicht nur ein anderes Amtsverständnis als heute zugrunde, sondern auch eine ganz andere Einstellung des Bürgers gegenüber seinem Staat, vgl. Veyne, S. 110 ff., 188 f., 191, 193 ff., 210 ff. 21 So war die Errichtung öffentlicher Gebäude durch Private allein dem Triumphator gestattet und später (in Rom selbst) ausschließlich dem Kaiser vorbehalten; s. oben Fn. 17 und Veyne, S. 324 f., 333 ff., 375, 428 f., 568 ff. Obwohl die Ausrichtung von Spielen bei der Beeinflussung des Volkes effektiver war als die Errichtung öffentlicher Bauten, "lohnte" es sich für Triumphatoren, zu bauen, da sie diese Kosten mit ihrem Anteil an der Kriegsbeutefinanzieren konnten,

20

Einleitung

So beruhte ursprünglich die Finanzierung der "circenses" in Rom trotz Bereitstellung staatlicher Mittel zu einem wesentlichen Teil auf "Zuschüssen" der ausrichtenden Beamten. Dies wurde in der Kaiserzeit verboten, um es allein dem Kaiser vorzubehalten, in der Hauptstadt zu glänzen. 22 - Sowohl in Griechenland als auch in Rom handelte es sich also um private Kunstförderungsmaßnahmen der Amtsträger, nicht um staatliche Kunstförderung. Kunst als Mittel der Selbstdarstellung

wurde auch von der Kirche eingesetzt.

Hier diente sie der Belehrung der Gläubigen durch bildliche Darstellung (Armenbibeln) und der Verherrlichung des Glaubens, hatte aber auch wirtschaftliche Bedeutung. 23 Seit dem hohen Mittelalter entwickelten sich über private - meist fürstliche Kunst- und Kuriositätensammlungen 24 eigenständige künstlerische Sammlungen (erstmals im 15. Jh. in Italien). Ihre Ergänzung um Abgüsse und Stiche zu systematischen Sammlungen 25 und ihre Öffnung für Künstlern kam sowohl der künstlerischen Ausbildung als auch den Fürsten selbst zugute, denen besser

der rechtlich zwar ihnen gehörte, den sie moralisch aber nicht behalten konnten, vgl. Veyne, S. 378 f. 22 Veyne, S. 326 ff., 586 ff. Nach Veyne, S. 439 f., dienten die Spiele vorrangig nicht der Entpolitisierung des Volkes, sondern dem Bedürfnis der Herrschenden, geliebt zu werden. Das kann aber nicht darüber täuschen, daß die Spiele gleichzeitig ein Mittel der Wetteifers um die Volksgunst waren (vgl. auch den Bauwetteifer zwischen Pompeius und Caesar im Jahr 54 v. Chr.). S. auch oben Fn. 17. 23

Denn die Sammlungen erhöhten die Wallfahrtsbedeutung der Kirchen {Koch, S. 34 ff.). Diese gaben daher schon im 15. Jh. Heiligtumsbücher, Verzeichnisse ihres Besitzes, heraus (zu den ältesten gehören die von Augsburg (1480), Bamberg (1497), Nürnberg (1487) und Wien (1502); vgl. von Schlosser, S. 18 ff.).- S. insges. zum kirchlichen Kunstsammeln von Schlosser, S. 10-12. 24 Ζ. B. die Sammlungen von König Johann dem Guten von Frankreich (1320-1364) und seinen vier Söhnen König Karl V von Frankreich (Paris), König Ludwig von Anjou von Neapel und Jerusalem (Angers), Johann von Beny (Bourges) und Philipp von Burgund (Dijon); ferner die Sammlung Margarethes von Österreich (Statthalterin in den Niederlanden, 1480-1530) in Mecheln, die Kaiser Rudolfs II (1576-1612) in Prag, Ferdinands von Tirol (1529-1595) in Ambras und Albrechts V von Bayern (Herzog 1550-79) und seines Sohnes Wilhelm V von Bayern in München; vgl. von Schlosser, S. 23, 33, 35, 72 f. und 76 f. Diese Sammlungen umfaßten - wie schon die Sammlungen der Antike und der Kirche - Kurioses, politisch Wichtiges und "echte Kunstwerke", vgl. von Schlosser, S. 5 und S. 13-18.-Zu den privaten Sammlungen gehören die der Praun und Imhof in Nürnberg, der Fugger in Augsburg und der Amerbach in Basel; vgl. Brockhaus, Art. Kunstsammeln, S. 773.- Zum Patronat und Sammlerprestige: Calov, S. 20. Zu einzelnen Sammlungen vgl. dies., S. 7 ff. 25

Von Schlosser, S. 122.

II. Ziele und Motive der Kunstförderung

21

ausgebildete Künstler auch bessere Kunst - und damit höheres Ansehen verschaffen konnten. 26 Anfang

des

17. Jahrhunderts

spielt für

die zahlreichen

Sammlungen in Holland der Gedanke an eine Kapitalanlage

bürgerlichen eine Rolle. 2 7

Auch auf staatlicher Ebene rücken die wirtschaftlichen Vorteile der Förderung inländischer Kunst - insbesondere der Ausbildungsförderung - in den Vordergrund, verhinderte eine gute Inlandsproduktion doch den Erwerb im und den Geldabfluß ins Ausland. 28 Das Entstehen von Museen, die der Allgemeinheit offenstehen und dem Staat zugeordnet sind, beginnt 29 mit dem auf Privatsammlungen aufbauenden und durch Parlamentsakt 1753 gegründeten British Museum in London. 3 0 Anders als diese privat initiierte und demokratisch legitimierte Museumsgründung waren die frühen französischen Museumsgründungen typisch revolutionäre Akte, durch die die verstaatlichten

Kunstschätze der Krone, des Adels

und der Kirche der Allgemeinheit zugänglich gemacht wurden. 31

26

So schon Lorenzo von Medici (1469-92); vgl. Wittlin,

S. 109 f.

27

Brockhaus, Art. Kunstsammeln, S. 773 f; erwähnt werden die Sammlungen der Amsterdamer Reynst und Six; vgl. auch Koch, S. 79. 28 So wurde Ludwig XIV von Frankreich (1643-1715) aus merkantilistischen Motiven durch Colbert (ab 1661 Oberintendant der Finanzen, ab 1665 Generalkontrolleur der Finanzen) zur Ausbildungsförderung seiner Künstler veranlaßt; Wittlin, S. 118; ähnlich Kaunitz in Österreich (Ziel war u.a. die Handelsförderung), Struensee in Dänemark (billige Künstler sollten Staat und Finanzen entlasten) und West in Großbritannien, vgl. dies., S. 121 Anm. 2 mit wörtlichen Zitaten. 29 Vorher kurzfristig die vatikanischen Antikensammlungen (1470 unter Papst Sixtus IV, Schön, und unter Papst Leo X Medici (1513-21), nach dessen Tod stark geschmälert und unter seinem Nachfolger Hadrian VI Boyens (1522-23) geschlossen, Wittlin, S. 122 f. 1739 vermachte Anna Maria Ludovica Medici (gest. 1743) als letzte Medici die Familiensammlungen dem toskanischen Staat, von Schlosser, S. 133. 30 Von Schlosser, S. 132; Plagemann, S. 12. Die Besichtigung war allerdings an eine Zulassung geknüpft, die nur auf Antrag und zögerlich erteilt wurde, vgl. Wittlin, S. 113-116. Ausdruck des öffentlichen Interesses an Kunst sind die zahlreichen englischen Reiseführer dieser Zeit. 31

Verstaatlichung der königlichen Sammlungen durch Dekret der konstituierenden Versammlung vom 26. 7. 1791, am 9. 11. 1793 im Louvre 3 von 10 Tagen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, Nationaleigentum seit 1848; vgl. Plagemann, S. 15 f; Wittlin, S. 119 f. Die Besichtigung war für den Bürger als Eigentümer unentgeltlich, P.D., Nur 15 Gentlemen zur gleichen Zeit, Die Welt vom 4. 2. 1993, S. 6.- Durch Konventsbeschluß vom 18. 10. 1792 wurde das konfiszierte Kirchenvermögen am 10.8. 1793 im Musée des Monuments Français der Öffentlichkeit zugänglich gemacht; Plagemann, S. 17; Benoit, S. 119.- In gleichem Umfang wie der Louvre wurde am 9.11. 1800 ein Antikenmuseum der Öffentlichkeit zugänglich, in dem alle Kunstwerke erklärende Unterschriften hatten; Plagemann S. 15 f; Wittlin, S. 119 f; Benoit, S. 110 ff.- Durch arrêté consulaire vom 14. fructidor Vili (1800) wurde die Einrichtung von öffentlichen Museen in Lyon,

22

Einleitung

Das durch Napoleonischen Kriege gestärkte Nationalgefühl in Europa begünstigte die Gründung von Nationalmuseen, zu deren frühesten die österreichischen Landesmuseen gehören.32 In der folgenden Phase der Restauration blieb die Einrichtung öffentlich zugänglicher Sammlungen den Höfen 33 bzw. privaten Stiftern 34 vorbehalten.35 Auf der Ebene der national gesinnten, politisch frustrierten und daher geschichtlich interessierten Gesellschaft 36 bildeten sich Geschichts-37 und Kunst-

Bordeaux, Straßburg, Brüssel, Marseille, Rouen, Nantes, Dijon, Toulouse, Genf, Caen, Lille, Mainz, Reims und Nancy angeordnet; Benoit, S. 116; Plagemann, S. 17; Calov, S. 63 f.- Einen guten Überblick über die revolutionären Ereignisse gibt auch Angelika Heinick, Ort für galante Begegnungen, FAZ vom 7. 4. 94, S. 33. 32

Nationalmuseum Budapest (1802), Bruckenthalsches Nationalmuseum für Siebenbürgen (1803), Joanneum in Graz (1811, entstand durch Stiftung des Erzherzogs Johann, vgl. Evers, S. 239), Landesmuseum für Böhmen und Mähren in Brünn (1817, entstand durch national gesinnte Privatinitiativen, Calov, S. 144) und Vaterländisches Museum in Prag (1818); vgl. Plagemann, S. 27.- In die gleiche Richtung gehen die National Gallery (London 1824, Wittlin, S. 137), die National Portrait Gallery (London 1859, Gina Thomas, Die Lebenden dringen ein ins Reich der Ahnen, FAZ vom 9. 12. 93, S. 37), das Germanische Nationalmuseum (Nürnberg 1852, Wittlin, S. 138), die Biblioteca National y Museo (Madrid 1867, Wittlin, S. 138) und - nach der italienischen Einigung - das Museo delle Terme (Rom 1871, Wittlin, S. 138). 33 Vgl. Anhang 1.2. Eine Beteiligung des "Volkes" an Museumserrichtungen erfolgte höchstens durch die Mittelbewilligung im Landtag, so z. B. 1837 in Baden, wo der Fürst das aus der Zivilliste zu finanzierende Museum (VO vom 2. 11. 1831, Staats- und Regierungsblatt 1831, S. 211 f.) nicht aus eigener Tasche bezahlen konnte und ihm daher 100.000 Gulden für das Gebäude und weitere 25.000 Gulden für Neuankäufe gewährt wurden (VO vom 6. 7. 1837, Staatsund Regierungsblatt 1837, S. 145 f.); ebenso in Württemberg, vgl. Plagemann, S. 32. 34

So 1816 das Staedelsche Kunstinstitut in Frankfurt {W.Stein) und 1824 die National Gallery in London (ging sehr mühsam aus verschiedenen Privatsammlungen hervor, die z.T. vom Unterhaus gekauft wurden; vgl. Hendy, S. 13-42), 1856/61 das Wallraf-Richartz-Museum in Köln (für den schon 1824 der Stadt überlassenen Kunstnachlaß Wallrafs spendete Richartz der Stadt Köln das Geld zum Bau einer Unterbringung; vgl. Plagemann, S. 169 f.) und 1856-58 das Leipziger Museum (1853 hinterließ Schletter der Stadt neben 90 Gemälden das für den Museumsbau nötige Geld, weitere Kunstwerke sammelte der 1836 gebildete Kunstverein, der sie 1848 an die Stadt übergab; vgl. Plagemann, S. 176 f. Für weitere Privatsammlungen vgl. Calov, S. 27 ff.). 35

Eine Ausnahme bildet insoweit der Aachener Plan, das kulturelle Angebot für den internationalen Badebesuch durch ein Museum zu verbessern; s. Calov, S. 64 f. 36 Zum Zusammenhang zwischen Romantik, gescheiterter politischer Mitwirkung und Interesse an nationalen Galerien vgl. bspw. BT-Drucks. 11/1670, S. 18.- Auch nationale Initiativen mit historischer Zielsetzung wie der Berliner Plan, s. Anhang 1.1, scheiterten aber. Noch die Frankfurter Nationalversammlung war bei kulturellen Maßnahmen nationaler Art extrem zurückhaltend; im Ergebnis sorgte sie nur für eine Sammlung ihrer eigenen Akten und Bücher, vgl. Küster, S. 100-104, und auch dies wurde von der Bundesversammlung nicht fortgeführt, ders., S. 106 f. 37

Ab 1777, vgl. Anhang 1.3. S. auch Calov, S. 147.

II. Ziele und Motive der Kunstförderung vereine. 38 Ihr Anliegen der Volksbildung

23

führte in der Mitte des 19. Jahrhun-

derts zu zahlreichen Museumsgründungen. In vielen deutschen Städten entstanden durch ihre Initiative und mit Geldern, die sie mittels öffentlicher Spendenaufrufe gesammelt hatten, öffentliche Museen. 3 9 Dieser Schritt aus dem privaten Liebhaberkreis in die Öffentlichkeit wurde nicht zuletzt durch städtisches Selbstgefühl getragen. So betrachtete man es in Hamburg als Ehrensache, nicht "hinter Bremen, Leipzig, Kiel und anderen Städten mit geringeren Kräften" zurückzubleiben. 40 In der zweiten Hälfte des 19. Jh. bildeten sich als neue Museumsarten das (Kunst-) Gewerbemuseum und das Technikmuseum heraus. Beide hatten das Ziel, durch breite Volksbildung und Verbesserung der gewerblichen kunsthandwerklichen Produktion die Wirtschaft

zu steigern. 41 In Großbritannien

war nämlich nach der Weltausstellung in London 1851 im Jahr darauf das South Kensington Museum 4 2 gegründet und ein Schulsystem für Industriezeichner aufgebaut worden. Die Erfolge dieser Bemühungen zeigten sich bei der Londoner Weltausstellung 1862 so deutlich, daß die sogenannte "Kunstgewerbereform" einsetzte: 43 1864 wurde die Kunstgewerbeschule in W i e n , 4 4

38

Calov, S. 151. S. auch Anhang 1.3.

39

Vgl. Plagemann, S. 33 f., und Calov, S. 152 ff. S. Anhang 1.3.

40

So der Text des öffentl. Spendenaufrufs für die Hamburger Kunsthalle, vgl. Plagemann, S. 189 ff.- In der gleichen Tradition stehen heute bspw. die Schenkung des Kulturkreises des Bundesverbands Deutscher Industrie an die Leipziger Galerie für zeitgenössische Kunst (55 bisher als Dauerleihgaben in westdeutschen Museen zu sehenden Werken im Wert von 3 Mio DM). Für den Neubau, der Bedingung für die Schenkung ist, setzt sich der Kulturkreis mit einer Spendenaktion und einer eigenen Stiftung ein; die Stadt Leipzig wird das Gelände zur Verfügung stellen. Bei der Trägerschaft ist gedacht an das Land, die Stadt und einen Förderverein (zusammen). Konstanze Crüwell, Bereicherung oder Konkurrenz, FAZ vom 30. 9. 1992, S. 35. 41 Wittlin, S. 140-145. Ebenso Calov, S. 171 f., mit Hinweis auf die Anregungen Schinkels und Sempers in diese Richtung.- In die gleiche Zeit fällt die Entstehung öffentlicher Bibliotheken: 1848 erging in Frankreich ein Gesetz zur Schaffung öffentlicher Büchereien, 1850 wurden die ersten vier Volksbüchereien in Berlin eingerichtet; vgl. zur Parallelität der Entwicklung von Bibliotheken und Museen Wittlin, S. 147 m.w.N.; zu den Daten auch W. Stein. 42

Heute Victoria und Albert Museum, gegründet 1852. Das Museumrichtete1855 die ersten Wanderausstellungenein, vgl. Wittlin, S. 140 f. 43 S. insgesamt Mündt, Kunstgewerbe, S. 35 ff und 16 f., Etat- und Besucherübersichten S. 232 ff.- Vorher gab es als Schulen für Künstler Akademien, so 1577/88 in Rom, 1620 in Mailand, 1648 in Paris und ab 1705 die Anfänge der Akademie in Wien, vgl. Wagner, S. 15-20. 44 Die Kunstgewerbeschule Wien (verbunden mit der Wiener Akademie) hatte auch politische Funktion; so tritt sie in Erscheinung im Zusammenhang mit der Auflösung der Zünfte durch

24

Einleitung

1867 die in Berlin gegründet. Aus den zahlreichen privaten Initiativen ging der Grundstock der der Kunstgewerbeschule Berlin angeschlossenen Sammlung hervor; ferner wurden der Sammlung die für die Weltausstellung 1867 angeschafften Gegenstände durch das preußische Handelsministerium zugewiesen. 45 - Spezielle Kenntnisse im kolonialen Verwaltungsbeamten

Bereich sollten Kaufleuten und

in Einrichtungen wie dem Bremer

Überseemuseum

vermittelt werden. 4 6 - Ebenfalls in diese Reihe der "Volksbildungsmuseen" gehören das 1906 gegründete Deutsche Museum in München, das seine Exponate und Mittel wie einige Kunstgewerbemuseen zu einem großen Teil aus Spenden der Wissenschaft und Industrie erhielt, 47 sowie das 1907 gegründete Röntgenmuseum 48 und das 1912 eröffnete Deutsche Hygienemuseum. 49 Aus der Zielrichtung dieser Museen erklärt sich, daß diese Museen fast alle Tage

Joseph II 1783, vgl. Wagner, S. 48 f., und in der Restauration, in dem eine autonome Akademie als unvereinbar mit der konstitutionellen Staatsform angesehen und der Einfluß der Wiener Künstlerschaft auf den Gesamtstaat als gefährlich verhindert wurde, Darstellung bei Wagner, S. 138 f. Eine krassere Interpretation bei Fliedl, S. 42 ff. Vgl. auch das Interview des Museumsdirektors durch Birgitta Ashoff, FAZ-Magazin vom 9. 7. 93 (Heft 697), S. 50 f. 45

Die Sammlung der Kunstgewerbeschule wurde ferner um Werke der ehemals preussischbrandenburgischen Kunstkammer bereichert. 1875 wurde das Deutsche Gewerbemuseum in Kunstgewerbemuseum umbenannt; zu allem: Mündt, Geschichte, S. 10 und 13. Eine Liste der frühen Gewerbe- und Kunstgewerbemuseen in zeitlicher Reihenfolge findet sich bei Mündt, Kunstgewerbe, S. 48. Zu den privaten, gesellschaftlichen und staatlichen Initiativen hierbei s. dies., a.a.O., S. 49, 55 ff. und 58 ff. 46

Gegründet 1896 als Städtische Museum für Natur-, Völker- und Handelskunde. Es geht zurück auf die Initiative der 1783 gegründeten Gesellschaft Museum, die 1890 die erste Handelsausstellung veranstaltete, die zur Gründung eines Vereins zum Bau eines Museums führte. Der Verein brachte mit Hilfe der Sparkasse und Handelskammer 400.000 Mark zusammen, der Senat gab nochmals die gleiche Summe, Ganslmayer, S. 14.- Ebenso das 1837 gegründete Rijksmuseum voor Volkenkunde in Ley den und das 1865 gegründete Colonial Museum in Haarlem, vgl. Wittlin, S. 140. 47

Zur Liste der Nachlässe, die an das Deutsche Museum gingen, vgl. Gottmann, S. 28. Vorgänger des Deutschen Museums waren das Conservatoire des arts et métiers in Paris und das South Kensington Museum (s.o. Fn. 39), ders., S. 12. Auf Initiative Oskar von Millers gab die Stadt München 1.000.000 RM und die Isarinsel zum "ewigen" Erbbaurecht, das Land Bayern weitere 2.000.000 RM und das Deutsche Reich ebenso 2.000.000 RM. Interessant ist, daß das Reich sich durch Hinweis auf die Kulturhoheit der Länder von einer Inanspruchnahme freihalten wollte, ders., S. 14. 48

Das Röntgenmuseum der Deutschen Röntgengeseilschaft wurde 1907 in Berlin, 1930 in Remscheid neu eröffnet. In Remscheid stellte die Stadt das Gebäude zur Verfügung, ansonsten ergriffen aber Wissenschaftler und Industrielle die Initiative. Außerdem existiert seit 1951 ein Förderverein, Hennig, S. 36 und 126. 49

Das Deutsche Hygiene-Museum wurde in Dresden nach der internationalen Hygiene-Ausstellung 1911 eröffnet, Stein.

II. Ziele und Motive der Kunstförderung

25

in der Woche geöffnet waren und - wenn überhaupt - nur sehr geringe Eintrittsgelder nahmen.50 Nach dem ersten Weltkrieg entwickelten sich intellektuell-liberale Zusammenschlüsse wie die internationale Museumsbehörde zwecks europäischer oder internationaler Zusammenarbeit; diese Unternehmungen wurden getragen von dem Bewußtsein eines universalen kulturellen Erbes, an dem alle Menschen Anteil haben müßten, und dem Willen, fremde Kulturen zwecks besserer Verständigung zwischen den Völkern zu vermitteln. 51 Weitere Arten von Museumgründungen in diesem Jahrhundert sind die Heimat- sowie Ur- und Frühgeschichtemuseen, die in Deutschland und Italien vorübergehend als Propagandamittéi 52 eingesetzt wurden. Aus Amerika kam das Museum als Einrichtung "for the people and of the people", das den Mitgliedern die Möglichkeit einer befriedigenden Tätigkeit auf dem Feld der Volksbildung bot. 53 Motive der Sammlung und des Erhalts von Kunstgegenständen, ihrer öffentlichen Ausstellung und der Förderung von Künstlern sind demnach:54 - das Interesse an den Gegenständen um ihrer Schönheit oder ihres wissenschaftlichen Weites willen, 55 - das Verständnis von Kunstgegenständen als Wirtschaftsgut 56 oder

50

Wittlin,

S. 144.

51

Die Internationale Museumsbehörde von 1926 war angegliedert an das Institut Intellektueller Zusammenarbeit in Paris, seinerseits eine Gründung der Vereinten Nationen; vgl. Wittlin, S. 170; liegt geistig auf der gleichen Linie wie der Völkerbund. Der selben Motivation entsprang der von Preußen aus initiierte deutsch-amerikanische Gelehrtenaustausch; vgl. die Begründung Althoffs bei vom Brocke, S. 743. In derselben Tradition auch die Londoner Erklärung vom 5. 1. 1943 gegen die Verschleppung von Kulturgütern und der Befehl General Eisenhowers an die alliierten Streitkräfte vom 29. Dezember 1943, der für den Fall der Landung in Europa jedem Armeeführer zu Pflicht machte, "soweit möglich und mit dem Erfordernis, Blut zu sparen, vereinbar, das kulturelle Erbe der von den Truppen betretenen Länder zu respektieren "since that heritage truly symbolizes the civilization which the Allies went to war to defend".", vgl. Strebel , S. 44. 52

Völkerkundemuseen gab es schon vorher; zu den Museen für Heimat- und Ur- und Frühgeschichte vgl. Wittlin, S. 156 ff., 159 ff. 53

Wittlin,

54

Eine etwas andere Aufteüung findet sich bei Grimm, VVDStRL 42 (1984), S. 58.

S. 162-167.

55 So Privatsammlungen und die Museen der Bildungs- und Kunstvereine, die privaten Stiftungen und die neueren amerikanischen, mitgliedschaftlich organisierten Museen. Eine solche Motivation kann dem Staat nach Geis, S. 139 ff., 148, nicht unterstellt werden. 56

So die merkantilistische Sicht, s.o. S. 20 f. S. auch Fn. 60.

26 -

Einleitung der Einsatz von Kunst als Mittel zu einem weiteren Zweck. Hier reicht die Palette von einem nahe der Kunstliebhaberei angesiedelten Drang zur individuellen oder kollektiven Repräsentation als Sammler oder Patron 57 über den gezielten Einsatz zur Förderung des Glaubens oder gewisser geistiger - bspw. nationaler - Einstellungen 58 bis hin zur Betrachtung von Ausstellungsgegenständen als Lehr- 5 9 oder Werbematerial. 60 Der historische Überblick zeigte, daß die Förderung von Kunst um ihrer

selbst willen eher im Vordergrund gesellschaftlicher Initiativen steht, während staatliche oder staatsnahe Förderungsmaßnahmen häufig andere als künstlerische Ziele verfolgen.

57

Kollektive Selbstdarstellung war bedeutender Faktor bei den Museen der Bürgergesellschaften und den Nationalmuseen. Insbes. individuelle Selbstdarstellung mittels Kunst oder durch das Verhältnis zu berühmten Künstlern ist von der Liebhaberei oft schwer zu unterscheiden. - Selbstdarstellung des Staates bestimmte bspw. das Verhältnis zwischen Staat und Künstlern in der DDR, wo die Künstler durch staatliche Förderung auf die Weltanschauung des Staates verpflichtet werden und diese gegenüber den eigenen Bürgern und dem Ausland aufwerten sollten, Thomas Rietzschel, Ende einer Legende, FAZ, 11.3. 1992, S. 27. 58

So die Sammlungen der Kirchen und Fürsten, die Museen der französischen Revolution, die österreichischen Landesmuseen und die deutschen und italienischen Museumsgründungen vor dem 2. Weltkrieg. 59 60

Bspw. die Kunst- und Gewerbemuseen und die Technikmuseen.

So das Aachener Projekt, vgl. oben Fn. 35.- Zu Kultur als Kriterium der Standortauswahl vgl. him., Die Semper-Oper ist kein Standortkriterium für Dresden, FAZ vom 10. 2. 94, S. 13, und die Immobilienanzeige "19 km bis zur Semperoper", FAZ vom 11. 2. 94, S. 51. Für das Beispiel New Yorks vgl. unten Teil 1 Fn. 134 f.- Zum privatwirtschaftlichen Einsatz als Werbemittel: Eine der modernsten Entwicklungen ist der Ausstellungsbetrieb großer Kaufhäuser in Japan, wo die Leihgaben großer Museen nur einen Teil der Ausstellungen bilden, die Ausstellung insgesamt durch den Verkauf in Kommission genommener Bilder finanziert wird {Sebastian Frobenius, Arbeitsteilung - Kaufhäuser und Galerien in Japan, FAZ 25. 5. 1991 ); auf gleicher Ebene liegen die Förderung von Musikausübung und Musikerziehung durch die MusikinstrumenteFirma Yamaha, die inzwischen in Deutschland allein 404 Musikschulen mit 26.500 Schülern betreibt {Wg, FAZ vom 20. 9. 1991).

III. Art und Umfang öffentlicher Kunstförderung

27

I I I . Art und Umfang öffentlicher Kunstförderung

Nachdem schon die unterschiedlichen Beweggründe für staatliche Kunstförderung eine juristische Untersuchung interessant erscheinen lassen, gewinnt das Thema noch durch einen Blick auf seinen finanziellen Umfang. 6 1 1. Direkte Förderung Die direkte Förderung durch Gewährung finanzieller Mittel ergibt sich aus den Haushaltsplänen, nach denen 1991 für kulturelle Zwecke (ohne Bildung und Wissenschaft) veranschlagten: die EG der Bund die Länder Baden-Württemberg Bayern Berlin Brandenburg Bremen Hamburg Hessen Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Thüringen Gemeinden (ohne Stadtstaaten) Bonn München Karlsruhe Stuttgart Wiesbaden Kiel Schwerin 1992

773.922. 000 DM, 1.302.000. 000 DM, 5.798.000. 000 DM: 643.600. 000 DM, 805.500. 000 DM, 755.800. 000 DM, 237.000. 000 DM, 126.900. 000 DM, 355.600. 000 DM, 284.500. 000 DM, 154.000. 000 DM, 365.200. 000 DM, 570.500. 000 DM, 135.800. 000 DM, 59.600. 000 DM, 594.000. 000 DM, 252.000. 000 DM, 135.000. 000 DM, 323.000. 000 DM, 6.376.077. 000 DM: 150.196. 000 DM, 291.650.,000 DM, 77.647. 000 DM, 229.252. 000 DM, 39.141. 000 DM, 60.594 .000 DM, 46.011 .300 DM.

61 Die Untersuchung soll nicht nur auf Subventionen im Sinne der seit Zacher (VVDStRL 25, 308, 317 f.) herrschenden (vgl. Maurer, § 17 Rn. 3-9) Definition als Leistungen an Personendes privaten Rechts beschränkt werden.

28

Einleitung

Anteilsmäßig bezogen auf die gesamte staatliche Kulturförderung beträgt der Anteil des Bundes 1,7 %, der der Länder 40,3 % und der der Kommunen 57,9 %. 6 2

2. Indirekte Förderung

Interessanter noch ist die indirekte Förderung der Kunst durch steuerliche Vergünstigungen.63 Der Umfang des dadurch entstehenden Steuerausfalls ist nach Angaben des Bundesfinanzministeriums kaum zu schätzen.64

62 Vgl. HHPEG, ABl 91/L 30/97; BHHP 1991, Gesamtübersicht S. 10 und 34, und KMK, Statistik, S. 1419. Angaben für die neuen Bundesländer: s. Anhang IV. Angaben zu den alten Bundesländern nach KMK, Statistik, S. 1411. Angaben über die gemeindliche Kunstförderung nach Köhler, s. auch Anhang III. Angaben nach BT-Drcks. 10/2237, S. 8 f.: 1978: Bund: 6,7 % Länder: 39,8 % Gemeinden: 53,5 %; 1980: Bund: 6,6 % Länder: 35,9 % Gemeinden: 53,2 %. Insgesamt gaben Bund, Länder und Gemeinden 1990 rund 13 Milliarden DM für Kultur aus; Jan Bielicke, Kunst und Knete, Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, vom 20. 8. 93, S. 21. Nach Kurt Reumann, Die Erpressung von Weimar, FAZ vom 21. 5. 1992 betragen die öffentlichen Aufwendungen für Kultur rund 10 Milliarden DM jährlich. Weitere, z.T. abweichende Angaben auch bei Hufen, BayVBl 85, 1, 2; Zerull, S. 86, und Pappermann, DVB1 80, 701, 711 (kommunaler Anteil: 60 %) sowie für 1993 B.M., Was Kultur wiegt, FAZ vom 15. 6. 1994, S. 38. S. auch Anhang III. Zu beachten ist außerdem die Umwegförderung über die Rundfunkanstalten; hierzu Knies, AfP 78, 57, 59. Die Mittel der alten Bundesländer verteilen sich folgendermaßen (Mio. DM): 4% Bibliothekswesen 181,6 12 % Erwachsenenbildung 491,5 Kunsthochschulen 440,3 10 % 74 % und Kunst- und Kulturpflege 3.124,6 Theater 42 % 1.309 8 % Musikpflege 246,5 Museen und Sammlungen 500,4 16 % Denkmalschutz u.-pflege 495,5 16 % 573,2 18 %; Sonstige K.pflege Allein für Literaturförderung haben die Bundesländer 1991 rund 46 Mio DM aufgewendet, FAZ, Lesen bildet, FAZ vom 25. 8. 1992. 63 Die Zulässigkeit solcher Maßnahmen bezweifelt Kirchhof, NJW 85, 225, 230, da sie nach seiner Meinung das parlamentarische Recht der Bestimmung staatlicher Handlungsziele, die staatliche Finanzplanung, die Finanzkontrolle, den Finanzausgleich und die finanzstaatliche Gleichheit aller Bürger gefährden.- Zum Verhältnis zwischen Steuern und Kultur s. auch Isensee, Gemeinwohl, insbes. S. 59 ff. (zum Problem der hinreichenden Bestimmtheit). 64

Vgl. BT-Drcks. 3/1229, S. 23 f. zu § 10 b EStG, § 4 Abs. 1 Ziff. 6 KStG, § 3 Ziff. 6 VStG

III. Art und Umfang öffentlicher Kunstförderung

29

Steuerliche Begünstigungen knüpfen entweder an bestimmte Gegenstände oder Leistungen oder an die Handelnden/"Träger" oder sogar an den Verwendungszweck von Vermögen an. 65 Steuerfrei bleiben folgende Gegenstände: -

"Kunstgegenstände und Sammlungen, wenn ihr Wert insgesamt 20.000 Deutsche Mark" nicht übersteigt,66

-

"Kunstgegenstände von Künstlern, die im Zeitpunkt der Anschaffung noch leben",67

-

Kunstgegenstände und Handschriften, deren Eigentümer gegenüber der von der Landesregierung bestimmten Stelle jeweils für fünf Jahre unwiderruflich seine Bereitschaft erklärt hat, sie für öffentliche Ausstellungen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen,68

-

"Grundbesitz oder Teile von Grundbesitz, Kunstgegenstände, Kunstsammlungen, wissenschaftliche Sammlungen, Bibliotheken und Archive ..., wenn ... die Erhaltung der Gegenstände wegen ihrer Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft im öffentlichen Interesse liegt" (Ziff. 1) "und die Gegenstände in einem den Verhältnissen entsprechenden Umfang den Zweckender Forschung oder der Volksbildung nutzbar gemacht werden" (Ziff. 2) 69 und

und den erbschaftssteuerlichen Ermäßigungen. Zum Zusammenhang zwischen steuerlichen Regelungen und Kunstförderung s. auch den Bericht über amerikanische Steuerrechtsänderungen und ihre Auswirkungen: Jörg von Uthmann, L'art pour l'argent, FAZ vom 10. 9. 93, S. 36. 65 Zugrundegelegt sind die Steuergesetze in folgenden Fassungen: Einkommensteuergesetz in der Fassung vom 15. 9. 1990, BGBl. I S. 1898; Bewertungsgesetz in der Fassung vom 1. 2. 1991, BGBl. I S. 230; Vermögensteuergesetz in der Fassung vom 14. 11. 1990, BGBl. I S. 2467; Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz in der Fassung vom 19. 2. 1991, BGBl. I S. 468; Körperschaftsteuergesetz in der Fassung vom 11.3. 1991, BGBl. I S. 638; Abgabenordnung vom 16. 3. 1976, BGBl. I S. 613 und 1977, BGBl. I S. 269; Umsatzsteuergesetz in der Fassung vom 8. 2. 1991, BGBl. I S. 350; Gewerbesteuergesetz in der Fassung vom 21. 3. 1991, BGBl. I S. 814; Grundsteuergesetz vom 7. 8. 1973, BGBl. I S. 965. 66 § 110 Abs. 1 Nr. 12 BewG; ausgenommen sind die in Nummer 10 genannten Gegenstände: Edelmetalle, Edelsteine, Perlen, Münzen und Medaülen jeglicher Art sind nur dann als sonstiges Vermögen anzusetzen, wenn ihr Wert insgesamt 10.000 Deutsche Mark übersteigt, § 110 Abs. 1 Ziff. 10 BewG. 67

§ 110 Abs. 1 Nr. 12 BewG (ohne Rüchsicht auf ihren Wert).

68

Allerdings nur für Ausstellungen, deren Träger eine inländische juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine regelmäßig öffentlich geförderte juristische Person des privaten Rechts ist. Die Gegenstände werden dann für alle in den Zeitraum fallenden Stichtage nicht als "sonstiges Vermögen" angesetzt (§ 110 Abs. 1 Nr. 12) und gehören nach § 101 Nr. 5 BewG auch nicht zum Betriebsvermögen, also dem Vermögen, das dem Betrieb eines Gewerbes als Hauptzweck dient. Beide Vorschriften wurden erst durch das Kulturförderungsgesetz vom 13. 12. 1990 eingefühlt. 69 § 115 Abs. 2 BewG. Zudem muß der Steuerpflichtige bereit sein, die Gegenstände den geltenden Bestimmungen der Denkmalpflege zu unterstellen (Ziff. 3 (seit 1. 1. 1993 Nr. 4)). Außerdem müssen sich die Gegenstände, die älter als 30 Jahre sind, seit mindestens 20 Jahren im

30 -

Einleitung "Grundbesitz oder Teile von Grundbesitz, wenn sie für Zwecke der Volkswohlfahrt der Allgemeinheit zur Benutzung zugänglich gemacht sind und ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt."70

Steuerbefreiungen von der Einkommenssteuer gibt es ferner für Zuwendungen an Künstler, nämlich -

-

für "Bezüge aus öffentlichen Mitteln oder aus Mitteln einer öffentlichen Stiftung, die wegen Hilfsbedürftigkeit oder als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, ...die Wissenschaft oder Kunst unmittelbar zu fördern", 71 für den Ehrensold für Künstler sowie Zuwendungen aus den Mitteln der Deutschen Künstlerhilfe wegen der Bedürftigkeit, 72

-

für Stipendien, die zur Förderung der künstlerischen Ausbildung oder Fortbildung gewährt werden,73 und

-

für Beiträge, die die Künstlersozialkasse an einen Träger der Sozialversicherung oder an den Versicherten zahlt (§ 3 Nr. 57 EStG).

Einen steuerrechtlichen Sonderstatus haben Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige ... Zwecke ... verfolgen ( § 5 1 AO) und deren tatsächliche Geschäftsführung auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet ist (§ 63 Abs. 1 AO). 74

Besitz der Familie befinden oder in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes eingetragen sein, Ziff. 4. 70 § 115 Abs. 3 BewG. Die Absätze 1 bis 3 gelten nur dann, wenn die jährlichen Kosten i.d.R. die erzielten Einnahmen übersteigen, § 115 Abs. 4 BewG.- S. auch § 115 Abs. 1 BewG, § 13 Abs. 1 Nr. 2 a und b ErbStG.- Ebenso ist Grundbesitz einer inländischen Person des öffentlichen Rechts und solcher, der von einer solchen Person für einen öffentlichen Dienst (hierzu Abs. 2 und 4) oder Gebrauch benutzt wird, nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 3 a GrdStG von der Grundsteuer befreit. 71

§ 3 Nr. 11 EStG. Voraussetzung ist, daß der Empfänger nicht zu einer bestimmten wissenschaftlichen oder künstlerischen Gegenleistung verpflichtet wird; a.a.O (dann kann allerdings die Förderung der Kunst m.E. nur eine mittelbare sein). 72

§ 3 Nr. 43 EStG.

73

Voraussetzung ist, daß sie unmittelbar aus öffentlichen Mitteln oder von zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtungen gezahlt werden, denen die Bundesrepublik Deutschland als Mitglied angehört, § 3 Nr. 44 EStG. Das gleiche gilt für Stipendien, die zu den in Satz 1 bezeichneten Zwecken von einer Einrichtung, die von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet ist oder verwaltet wird, oder von einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes gegeben werden. 74

Körperschaften sind Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes (§ 51 S. 2 AO). Zur Unmittelbarkeit: § 57 Abs. 1 S. 1 AO. Die tatsächliche Geschäftsführung muß den Bestimmungen der Satzung über die Voraussetzungen der Steuervergünstigungen entsprechen (§ 63 Abs. 1), deren Kontrollierbarkeit der Begünstigte durch ordnungsgemäße Buchführung zu ermöglichen hat (§ 63 Abs. 3 AO).

31

III. Art und Umfang öffentlicher Kunstförderung

"Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 sind als Förderung der Allgemeinheit anzuerkennen insbesondere: (1) die Förderung von ... Kunst und Kultur, ... des Denkmalschutzes ..." (§ 52 AO). 75 Theater, Orchester, Kammermusikensembles, Chöre, Museen, botanische und zoologische Gärten, Tierparks, Archive, Büchereien sowie Denkmäler der Bauund Gartenbaukunst sind nach § 4 Nr. 20 a UStG von der Umsatzsteuer, 76 Unterrichts- und Bildungseinrichtungen von der Vermögenssteuer befreit. 77 Steuerbegünstigt wegen ihres Verwendungszweckes

sind gemeinnützige

Zuwendungen, sei es, daß sie direkt an gemeinnützige Körperschaften gehen, oder daß ihre gemeinnützige Verwendung durch den Empfänger gesichert ist. 7 8 In diese Gruppe gehören auch Beiträge "an Personenvereinigungen, die nicht lediglich die Förderung ihrer Mitglieder zum Zweck haben, " wenn der Beitrag pro Mitglied und Jahr 500,- D M nicht übersteigt 79 sowie generell "Grundbesitz, der für Zwecke der Wissenschaft, des Unterrichts oder der Erziehung benutzt wird" 8 0 oder dessen Erhaltung wegen seiner Bedeutung für

75

Diese Körperschaften sind gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftssteuer, gemäß § 3 Nr. 6 GewStG von der Gewerbesteuer und nach § 3 Abs. 1 Nr. 12 S. 1 und 2 VStG von der Vermögenssteuer befreit, soweit nicht ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb gefühlt wird. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 b GrdStG sind sie für den Grundbesitz, der für den gemeinnützigen Zweck verwendet wird, von der Grundsteuer befreit. Schließlich sind sie gemäß § 13 Abs. 1 Ziff. 16 b ErbStG von der Erbschafts- und Schenkungssteuer befreit. 76 Soweit sie Einrichtungen der öffentlichen Hand sind; andernfalls muß die zuständige Landesbehörde bescheinigen, daß die Einrichtung die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllt. Museen im Sinne dieser Vorschrift sind wissenschaftliche Sammlungen und Kunstsammlungen, § 4 Nr. 20 S. 3 VStG. 77 § 3 Abs. 1 Nr. 4 VStG. Sie müssen aber der öffentlichen Hand, einem Zweckverband oder Sozialversicherungsträgern, Religionsgesellschaften mit Körperschaftsstatus oder ihren Einrichtungen gehören. Auf die Rechtsform kommt es nicht an. 78 § 13 Abs. 1 Nr. 15, 16 b und 17 ErbStG.- Ebenso sind als Sonderausgaben steuerabzugsfähig "Ausgaben zur Förderung ... der als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke" in Höhe von 5 %, für als besonders förderungswürdig anerkannte kulturelle Zwecke sogar 10 %; § 10 b Abs. 1 EKG und § 9 Nr. 3 a KStG; Berechnungsgrundlage ist der Gesamtbetrag der Einkünfte; statt der 5 % sind auch abzugsfähig "2 vom Tausend der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalendeijahr aufgewendeten Löhne und Gehälter."- Welchen Einfluß solche Regelungen auf die Zahl und den Umfang privater Schenkungen haben können, zeigt der Anstieg der Schenkungen in den USA, nachdem die steuerlichen Vorteile wieder eingeführt worden waren; vgl. H.B., Steuern sparen mit Rodin, Die Welt vom 28. 12. 1991. 79 80

§ 18 ErbStG.

§ 4 Nr. 5 GrStG; vorausgesetzt ist die Anerkennung des Benutzungszwecks als öffentliche Aufgabe durch die Landesregierung.

32

Einleitung

Kunst, Geschichte, Wissenschaft oder Naturschutz im öffentlichen Interesse liegt.81 Schließlich gibt es noch die Möglichkeit, sich von Steuern zu befreien, indem man den Gegenstand, der die Steuer auslöst, dem Staat zuwendet.82 Die Steuerbefreiungen dienen also den schon aus oben I I 3. bekannten Zielen der Kunstförderung, nämlich der Förderung des lebenden Künstlers83 und der Erhaltung des Kunstgegenstandes für die Nachwelt, und zwar sowohl im Sinne reiner Erhaltung84 als auch unter dem Aspekt, daß er jetzt schon entweder der Wissenschaft 85 oder sogar der Allgemeinheit zugänglich gemacht wird. 86 Eine weitere Art der Förderung ist die kostenlose Bereitstellung von sonst zu vergütenden Leistungen. Paradebeispiel hierfür ist die kostenlose Bereitstellung von Ausstellungsräumen. Daneben gibt es aber auch Maßnahmen, die sich direkt an den Künstler wenden, beispielsweise die miet- und nebenkostenfreie Überlassung von Räumlichkeiten durch verschiedene Städte,87 die neuerdings in der Form einer Anstellung als "Stadtschreiber" betrieben wird. 88 Außerdem gibt es Reisestipendien und Stipendien zu Auslandsaufent-

81 § 32 Abs. 1 GrStG. Die erzielten Einnahmen und die sonstigen Vorteile (Rohertrag) müssen in der Regel unter den jährlichen Kosten liegen. Bei Park- und Grünanlagen von geschichtlichem Wert ist der Erlaß von der weiteren Voraussetzung abhängig, daß sie in dem billigerweise zu fordernden Umfang der Öffentlichkeit zugänglich gemacht sind. 82 Vgl. § 29 Abs.l Nr. 4 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz. Dieselbe Möglichkeit gibt es in Frankreich, den USA, Kanada und Großbritannien, vgl. Kirchof NJW 85, 225, 230.- Auf diese Weise erwarb Bayern 1993 einen Kernbestand der Kunstsammlungen Thum und Taxis, bsa, Bayern kauft, FAZ vom 17. 6. 93, S. 32.- Zum Steuerverfahren in diesem Fall (und allgemein zum Kultur- und Stiftungsförderungsgesetz unter steuerlichen Gesichtspunkten) s. Pöllath, NJW 91,2608,2610. 83

S. § 110 Abs. 1 Nr. 12 BewG, § 3 Nr. 11, 43, 44 und 57 EStG.

84

S. § 115 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BewG, § 32 Abs. 1 GrStG.

85

S. § 115 Abs. 2 Nr. 2 BewG, § 13 Abs. 1 Nr. 2 a ErbStG.

86

S. § 110 Abs. 1 Nr. 12 und § 115 Abs. 3 BewG, § 13 Abs. 1 Nr. 2 a ErbStG, § 23 Abs. 1 GrStG. 87

Z.B. durch die Städte Delmenhorst, Syke, Otterndorf, Soltau (mit Unterstützung des Landes Niedersachsen) und Lüneburg, Zerull, S. 15, 45, 43, 44 und 41. 88

Es handelt sich dabei um Schriftsteller, die für ein Jahr Wohnung und ein Monatsgeld erhalten; bspw. hat ab 1993 auch Potsdam einen Stadtschreiber mit 1200 DM/Jahr; vgl. dpa/FAZ, Angleichung, FAZ vom 31.8. 1992; Baden-Baden lobte mit Anzeige in der FAZ vom 22. 1. 94, S. 20, die mit monatlich 1600 DM und einer 50 qm großen Wohnung ausgestattete Stelle eines Stadtschreibers aus.- Es scheint allerdings nicht immer einfach zu sein, die Stadtschreiber nach

III. Art und Umfang öffentlicher Kunstförderung

33

halten für Künstler, z.B. in der Villa Massimo in Rom, der Casa Baldi in Olevano Romano und der Cité Internationale des Arts in Paris. 89

ihrer Amtszeit wieder los zu werden; vgl. mön., Weihnachtsbelästigung, FAZ vom 7. 12. 93, S. 35. 89

Zerull

3 Geißler

y

S. 41. S. hierzu auch Teü 2.

Teil 1:

Staatliche Kunstförderung 1 I . Bedenken gegen staatliche Kunstförderung

Bedenken gegen staatliche Kunstförderung erwecken - wie schon aus der Einleitung ersichtlich - insbesondere - die - mögliche - Differenz zwischen vorgeblichem Ziel und dem Motiv im Hintergrund der Maßnahme und - die Unterschiede zwischen Adressat und Auswirkung der Maßnahmen.

1. Unterschied zwischen Ziel und Motiv der Maßnahmen

Mißtrauen gegenüber dem, was sich hinter Kunstförderung verbergen konnte, hatte in Rom dazu geführt, daß Amtsträgern, aber auch dem Rest der herrschenden Klasse die Errichtung öffentlicher Bauten in der Stadt grundsätzlich verboten war. Denn man vermutete hinter dem mäzenatischen Dienst an der Allgemeinheit egoistische Motive, vor allem eine Einflußnahme auf die Politik durch Werbung für die eigene Person.2 Eine ausgeprägte Kontrolle der Amtsinhaber durch ihre Standeskollegen führte dazu, daß jedenfalls die Gelder der Staatskasse nicht zu diesem Zweck eingesetzt werden konnten.3 "Demago-

1

Es geht hier (Teil 1) allein um das Problem der staatlichen Berechtigung oder Verpflichtung zur Kunstförderung.- Zur Zuständigkeit (Bund oder Länder, ggf. EG) s.u. Teil 2 und 3.- Die Frage nach der juristischrichtigenForm für solche Maßnahmen (Stichwort: Gesetzesvorbehalt) wird in dieser Arbeit überhaupt nicht untersucht; hierzu Ipsen, VVDStRL 25, S. 257 ff., und Zacher, VVDStRL 25, S. 308 ff.; in neuerer Zeit Schulze-Fielitz, NJW 91, 2456, 2458. 2

Vgl. Einleitung Fn. 17 und 21; Veyne, Triumphators.

S. 375. Dort auch zur Ausnahmestellung des

3 Soweit private Mittel eingesetzt wurden, bestand eher die Möglichkeit, sich in der und für die Öffentlichkeit freigebig zu zeigen, insbesondere im Zusammenhang mit den circenses und Gladiatorenkämpfen, wenn auch in beiden Fällen bis zum Ende der Republik nur unter Vorwand: "Bedauerliche" Fehler im Ablauf der öffentlichen circenses botenden ausrichtenden Beamten einen Vorwand, die Spiele auf eigene Kosten zu wiederholen, und die Gladiatorenkämpfe waren

I.

e n t l i c h e

Kunstförderung

35

gischen" Vorwänden für Geldausgaben "im Interesse aller" wurde dadurch der Boden entzogen, daß der Staatsschatz quasi als Mündelgeld der Republik angesehen wurde.

Dadurch unterlag der Senat Beschränkungen wie ein

Mündelvormund und durfte sich nicht auf Kosten des Mündels, der Republik, großzügig erweisen, und zwar auch nicht im Interesse der Bürger, die nicht als mit dem Mündel identisch angesehen wurden. 4 Demgegenüber Verfügbarkeit

wurde

im

Norddeutschen

Bund

die

uneingeschränkte

staatlicher Gelder 5 behauptet. 6 Auch in der Bundesrepublik

werden die meisten großen Kunstförderungsmaßnahmen vorgeschlagen und beschlossen,

7

von Amtsträgern

und zwar nicht zu Lasten ihres privaten

Vermögens, sondern zulasten eines Staatshaushalts, der - anders als in Rom zu 3/4 aus Steuergeldern gefüllt wird. 8 Das Geschrei ist groß, wenn der Amtsträger öffentliche Gelder in die eigene Tasche leitet, aber es kommt kaum eine Reaktion, solange die öffentlichen Mittel "zugunsten der Allgemeinheit" eingesetzt werden und damit scheinbar an den Zahlenden zurückfließen. Daß

Bestandteil von Begräbnisfeiern. Unzulässig blieb aber das, was an privaten "Stiftungen" in Griechenland und im sonstigen Italien gang und gäbe war, nämlich die Ausstattung der Stadt mit öffentlichen Gebäuden pp. Sie blieb in Rom allein dem Triumphator vorbehalten. S. hierzu Veyne S. 326 ff., 359 ff., 375. 4

t

S. insgesamt Veyne, S. 324 f., auch S. 375 ff. S. auch sogleich Fn. 8.

5

Mangels finanzieller Reserven des Staates fällt es schwer, von einem "Staatsschatz" zu sprechen. 6 Vgl. Miquel, 19. Sitzung des Reichstags des Norddeutschen Bundes am 9. 6. 1868, Sten. Ber. S. 325 ff., 334 (es ging um die Bezuschussungdes Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg): "Um Schenkungen zu machen, dazu braucht man sich nicht in der Verfassung die Competenz vorzuschreiben; das ist ein wahres Menschenrecht und Recht jeden Staates." 7

So werden finanziert das Deutsches Museum München vom Bund und Bayern zu 61 % und das German. Nationalmuseum Nürnberg vom Bund und Bayern zu 79 %, BHHP 1991, EP 06, S. 411 f. ; die Bamberger Symphoniker vom Bund und Bayern zu 72 %, das RSO Berlin vom Bund und Berlin zu 80 % und die Philharmonia Hungarica vom Bund zu 81 %, BHHP 1991, EP 06, S. 399 f. ; Hamburger Staatsoper von der Hansestadt Hamburg zu 79 % und das Thalia Theater von der Hansestadt Hamburg zu 84 %, HHP HH 1991, EP 3.3, S. 227 und 239. 8 So stammten 1991 rund 76 % der Einnahmen der Bundesrepublik aus Steuern und steuerähnlichen Einnahmen, 312.775.000.000DM, BHHP 1991, Gesamtplan S. 10 f.; Vergleichszahlen (je nach dem Gesamtplan, S. 10 f.): Jahr BHHP Einnahmen Steuereinnahmen Anteil 1990 1990 300.135.000.000DM 248.347.900.000DM 83 % 1990 1991 396.146.356.000DM 274.326.900.000DM 69 % 1992 1992 422.100.000.000DM 344.343.050.000DM 82 % Dagegen wurde der römische Staat nicht aus Steuern, sondern aus Staatsvermögen (Minen, Tributlierferungen pp.)finanziert und hatte meist Einnahmen von mehreren Jahren in Reserve; Veyne, S. 375 f.

36

Teil 1 : Staatliche Kunstförderung

die öffentlichen Mittel gleichzeitig der Selbstdarstellung eines Politikers dienen, findet selten die Aufmerksamkeit der Betrachter. 9 Dabei sind die Vorstellungen der Römer über die Verfügbarkeit des Staatsschatzes gar nicht so unpassend für die heutige Lage. Denn die Behandlung des Staatsschatzes als Mündel vermögen würde dazu führen, daß nur "erforderliche" Ausgaben getätigt werden können.10 Dies entspräche zwei Grundvorstellungen des modernen Staates: Steuern, die heute den Hauptanteil des staatlichen Vermögens ausmachen, gelten nicht als quasi vergemeinschafteter Teil des individuellen Vermögens, der der Mehrheit zur beliebigen Entscheidung übergeben wird, sondern werden als Beitrag der im Staat Lebenden zu den Unkosten erhoben, die der Staat hat. Die Beitragspflicht zu Unkosten ist grundsätzlich auf einen Beitrag zu den notwendigen Unkosten beschränkt. Auf das Erforderliche beschränkt ist auch das, was der Beauftragte, der Träger eines Mandates, verlangen kann, und die Idee der fremdnützigen Beauftragung liegt unserer Wahl von Abgeordneten, der Erteilung eines politischen Mandats, ebenso wie dem Amtsgedanken zugrunde. Es liegt also nahe, das Verfügungsrecht der parlamentarischen Mehrheit, die den Haushaltsplan annimmt, auf sachlich begründete oder legitime Ausgaben zu beschränken und dadurch staatliche Ausgaben zumindest einem gesteigerten Begründungszwang zu unterwerfen. 11

9

Hintergrund ist die Gleichsetzung von "kulturell" und "gut", die unter Politikern und Kritikern jeden Tadler als "Kulturbanausen" erscheinen läßt. S. dazu auch Kirn, VVDStRL 42, 128: "Dieses Harmoniemodell ist aufgeklärt-absolutistisch: Der Staatsbürger soll nicht nur wissen, daß der Herrscher und die Regierenden klug sind, sondern auch, daß sie schön sind."- Ein Verhalten "wie Privatspender" kritisiert an den Politikern auch Josef Oehrlein, Gespräche mit Tönen, FAZ vom 8. 10. 1992, S. 37.-Vergleichbare Probleme bestehen bei den als "sozial" etikettierten Maßnahmen s. Forsthoff, Verfassungsprobleme, S. 163. 10 11

Man wird sich hier an §§ 1835, 670 BGB orientieren können.

So bspw. Köttgen, DVB1 53, 483, 487: der Staat hat, "anders als ein Privatmann, kein Recht zu "Geschenken" und bedarf daher auch als Mäzen einer besonderen - hier nicht im formalen Sinne gemeinten - Legitimation". K. Vogel, Begrenzung, S. 552, fordert "sachliche Begründbarkeit". Eine verfassungsrechtliche Grundlage verlangen auch Bleckmann, Subventionsrecht, S. 29; Pöttgen, S. 23 (unter Berufung auf Art. 20 Abs. 3 GG); Bull, S. 105 f. Ähnlich Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 278 f. (zwar staatliche Omnipotenz (S. 295), dem Staat obliegt aber aufgrund des Rechtsstaatsprinzips die Beweispflicht dafür, daß ein öffentlicher Zweck staatliche Tätigkeit erforderlich macht; da er aber von einem Ermessen des Staates für das Bedürfnis spricht, scheint es sich nur um eine Begründungspflicht zu handeln).- Eine öffentliche Aufgabe als Grundlage von staatlichen Ausgaben verlangen Maunz, Kulturhoheit, S. 87, und Peters, Stellung, S. 296; ein öffentliches Interesse Ipsen, VVDStRL 25, 257, 281.

I. Für

diese

"sachliche

e n t l i c h e Begründung"

Kunstförderung oder

"Legitimation"

37 ist

verfas-

sungsrechtlich vor allem die Auslegung von Art. 5 Abs. 3 G G von Bedeutung. 12 Dagegen sind die in Rom verbotenen "demagogischen" Maßnahmen ebenso wie solche mit wohlfahrtstaatlichem Hintergrund oder "sozialem" Motiv mit Vorsicht zu betrachten. 13

2. Unterschied zwischen Adressat und Auswirkung der Maßnahmen Auf der Suche nach einer "sachlichen Begründung" oder "Legitimation" der Kunstförderungsausgaben stößt man in Art. 5 Abs. 3 S. 1 G G auf die einzige Stelle, an der Kunst im Grundgesetz erwähnt ist, und dabei auf ein weiteres Bedenken gegen staatliche Kunstförderung: Der Wortlaut "Kunst und Wissenschaft,

Forschung und Lehre sind frei."

läßt vollkommen offen, wer begünstigt werden soll. Art. 5 Abs. 3 G G gewährleistet nur eine Reihe von Abstrakta. Anders als bei Art. 4, 6, 7 und

Die Rechtsprechung geht - insbes. dort, wo die Ausgabe keine Pflicht ist, sondern im Ermessen steht (!) - von einem weiten Ermessen aus, BVerfGE 17, 210, 216 (Wohnungsbau-Prämiengesetz). Sie steht damit in der Tradition Miquels, 19. Sitzung des Reichstags des Norddeutschen Bundes am 9. 6. 1868, Sten. Ber. S. 325 ff., 334 (es ging um die Bezuschussung des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg): "Um Schenkungenzu machen, dazu braucht man sich nicht in der Verfassung die Competenz vorzuschreiben; das ist ein wahres Menschenrecht und Recht jeden Staates."- Kritisch gegenüber der vorschnellen Zurückhaltung des Gerichts auch Haverkate, S. 170 f. Das Problem wird - entgegen der Ansicht Steiners, VVDStRL 42, 7, 34 Fn. 129 - auch nicht dadurch vermieden, daß es sich um Einnahmen handelt, die der Staat durch freiwillige Leistung der Bürger erhält, bspw. Einnahmen aus Toto, Lotto oder Spielbanken (so erwarb die Kunsthalle Karlsruhe mit Lottogeldern 70 Kupferstiche; Bettina Erche, Italienische Souvenirs, FAZ vom 20. 1. 94, S. 29). Denn diese Einnahmen sind im Vergleich mit den staatlichen Kunstförderungsausgaben minimal. Außerdem geht der Großteil in den Bereich der Sportförderung pp., bew., Vater Staat hat jede Woche einen Sechser im Lotto, FAZ vom 5. 12. 1991, S. 20.- In Großbritannien wurde die Finanzierung über eine Staatslotterie (wodurch bspw. der Bau des British Museumsfinanziert wurde) abgeschafft, weil man es nichtrichtigfand, mit dem Traum der Armen vom Gewinn die Vergnügungen der Oberschicht zufinanzieren (Gina Thomas, Laster Lotto, FAZ vom 29. 1. 1992); Lotto wird aber 1995 wohl wieder in Großbritannien eingeführt werden; Rh., Gelassen warten die Briten auf das Lotto, FAZ vom 24. 2. 94 S. 14. 12 13

Hierzu sogleich S. 39 ff. und S. 46 ff.

Warnend vor einer weiten Auslegung sozialer Ermächtigungen schon Forsthoff, Verfassungsprobleme, S. 163: "... kein Staat ist mehr in Gefahr, im Dienst des jeweils Mächtigen instrumentalisiert zu werden wie der Sozialstaat".- Zur sozialstaatlichen Begründung von Kunstförderung s.u. S. 62 ff.

38

Teil 1 : Staatliche Kunstförderung

10 G G gibt es für die Freiheit der Kunst auch keinen weiteren, erklärenden Absatz. Zwar begann die Gewährleistung der Freiheit der Kunst als eine besonders geschützte Form der Meinungsfreiheit 14

und ist auch heute wieder

als

Sonderfall der Meinungsfreiheit in Art. 5 G G geregelt. M a n wird daher als ersten Begünstigten den Künstler sehen müssen. Jedoch zeigen die historischen Ziele der Kunstförderung 15 und die Entstehungsgeschichte des G G , 1 6 daß eine Begünstigung von Kunst auch zugunsten des Konsumenten oder der Nachwelt erfolgen kann. 1 7 Ob aber Konsument und Nachwelt - oder sogar Kunst als Wert an sich - Begünstigte von Art. 5 Abs. 3 G G sein sollen oder nur die positiven Auswirkungen der Förderung des Künstlers genießen, bleibt nach dem Wortlaut offen. 18 Damit begünstigt die Formulierung von Art. 5 Abs. 3 G G , daß der Staat seine Maßnahmen schlicht mit dem Etikett "Kunstförderung" versieht und damit jegliche Frage danach, ob die eingesetzten Mittel wirklich den Adressaten erreichen und ob das Ziel nicht auch anders, insbesondere billiger erreicht werden könnte, verhindert.

14

Vgl. nur Ridder,

S. 16.

15

S.o. S. 18 ff.

16

Hierzu unten S. 56 ff.

17

Ebenso unklar hinsichtlich des Begünstigten sind auch die anderen Gewährleistungen von Art. 5 Abs. 3 GG, denn sie dienen dem Interesse des Forschers wie der Umwelt, des Lehrenden wie des Lernenden und der Nachwelt. 18

Klarheit verschaffen hier immerhin einige Vorschriften des einfachen Rechts, die entweder ihren Regelungszweck ("Kunstwerke und anderes Kulturgut ..., deren Abwanderung aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes einen wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitz bedeuten würde", § 1 des Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung, BGBl. 1955 I S. 501) oder ihren Regelungsgegenstand ausdrücklich nennen. Beispiel für die zweite Art von Regelungen ist § 2 Abs. 1 Ziff. 1 des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung Preußischer Kulturbesitz: "... soweit es sich handelt 1. um Kulturgüter; hierzu gehören insbesondere Archiv-, Bibliotheks-, Museumsbeständeund sonstige Kunstsammlungen oder wissenschaftliche Sammlungen einschließlich Inventar". Ebenso fast alle deutschen Kulturabkommen (KA) mit dem Ausland, vgl. Art. 9 des KA mit Spanien: "Die Regierungen der hohen vertragsschließenden Teile verpflichten sich zu gegenseitiger Unterstützung, um dem deutschen und dem spanischen Volk die Kenntnis von Kulturgütern ihrer beiderseitigen Länder zu vermitteln, und dies insbesondere durch: 1. Kunstausstellungen und Ausstellungen anderer Art; 2. Konzerte und Vortrage; 3. Theatervorstellungen; 4. Austausch von Lehr-, Kultur- oder wissenschaftlichen Filmen; 5. Förderung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Rundfunks (Tonrundfunk und Fernsehrundfiink)."; ebenso Art. 11 des KA mit Belgien, Art. 9 des KA mit Griechenland, Art. 1 des KA mit Japan, Art. 12 des KA mit Italien, Art. 9 des KA mit dem Vereinigten Königreich und Art. 9 des KA mit den Niederlanden (Fundstellennachweise in BGBl. Fundstellennachweis Β, Sachgebiet XII, 1).

II.

efug

des Staates zur Kunstförderung

39

I I . Befugnis des Staates zur Kunstförderung und Einschränkung der staatlichen Handlungsbefugnis durch Grundrechte

Die herrschende Meinung geht davon aus, daß die staatliche Gewalt des Grundgesetzes nur durch die Kompetenzordnung, also die Verteilung auf Bund und Länder (hierzu in Teil 2), und die Grundrechte beschränkt ist. Zu fragen ist daher, ob das Kunstförderungsrecht des Staates durch Grundrechte begrenzt wird.

1. Art. 5 Abs. 3 GG als Gewährleistung der negativen Kunstfreiheit

Neben der Kunstfreiheit garantiert die Verfassung eine Reihe weiterer Freiheiten, so die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG, von Glauben und Gewissen in Art. 4 Abs. 1 GG und die Vereinigungsfreiheit in Art. 9 Abs. 1 GG, aber auch die in Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG verankerte Freiheit der Wahl. Diese Freiheiten gewähren gleichzeitig auch die sogenannte negative Freiheit, d.h. nicht zu forschen, zu glauben, Vereinen beizutreten oder zu wählen pp. Man kann also davon ausgehen, daß Art. 5 Abs. 3 GG auch die Freiheit, Kunst abzulehnen und insbesondere nicht zu fördern, garantiert. 19 Was bedeutet das für die staatliche Kunstförderung? Es liegt nahe, hier auf die Formel zurückzugreifen, die nach dem GG für das Verhältnis zwischen Staat und Religion gilt: Der Staat ist zwar neutral, nicht aber indifferent. 20 Für den - wie die Religion verfassungsrechtlich anerkannten - Wert der Kunst heißt das: Der Staat darf sich nicht auf eine bestimmte Kunst festlegen, er kann sich aber zu Kunst als Wert bekennen und diesen fördern. 21

19 Eindrücklich weist Krüger, S. 184, daraufhin, daß staatliche "Nicht-Identifikation" die für den Bürger und seine Freiheit beste Lösung ist, bei der er zwar auf die staatliche Förderung seiner Ideale verzichten muß, aber auch nicht zwangsweise fremde Ideale fördern muß. 20 21

Vgl. Hesse, Grundzüge, Rn. 159 m.w.N.

Ebenso Bull, S. 202 f.: kein Abwehranspruch aus Art. 5 Abs. 3 GG. Für die Gleichbehandlung von Religion und Kunst spricht auch, daß die letzte zunehmend an die Stelle der ersten tritt: Der Museumsbesuch am Wochenende ersetzt den Besuch des Gottesdienstes, vgl. Wolf Schön, Zwischen Schaulust und Wissensdurst - Die boomenden Museen Fluchtorte für eine entwurzelte Gesellschaft, Rheinischer Merkur, 21. 6. 1991.- Für die

40

Teil 1 : Staatliche Kunstfördeng Das staatliche Recht zur Kunstförderung endet aber jedenfalls in der

Bereitstellung von Kunst. Z u m "Genuß" oder Konsum kann er seine Bürger nicht zwingen, und wenn er Kunst für noch so wertvoll hält. 2 2

2. Art. 2 Abs. 1 GG Art. 2 Abs. 1 G G könnte unter zwei Aspekten verletzt sein und damit einer staatlichen Kunstförderung entgegenstehen:

a) Die Zwangsmitgliedschaft im Staatsverband Art. 2 Abs. 1 G G könnte unter dem Gesichtspunkt verletzt sein, daß die Deutschen durch ihre deutsche Staatsbürgerschaft, d.h. ohne Rücksicht auf ihre eigene Einstellung, Mitglieder in einem Verband sind, der Kunst fördert. Denn das BVerfG hat entschieden, daß eine "Zwangsmitgliedschaft nur im Rahmender verfassungsmäßigen Ordnung möglich ist. Danach darf der Staat öffentlich-rechtliche Verbände nur schaffen, um legitime öffentliche Aufgaben wahrnehmen zu lassen. " 2 3 Unter solchen "legitimen öffentlichen

Aufgaben", die den Eingriff in Art. 2

Abs. 1 G G rechtfertigen können, versteht das BVerfG Aufgaben,

Gleichartigkeit auch Lerche, Verfassungsfragen, S. 31, und pba., Projektkultur, FAZ vom 24. 3. 1992, S. 33.- Zur Neutralitätspflicht s. auch unten S. 45 f. 22 Dies wäre ein wohlfahrtstaatliches Verhalten, das dem Staat heute nicht mehr zusteht. S. auch unten S. 57. 23

BVerfGE 78, 320, 329 ff (Rechtsweg bei Streitigkeiten mit gesetzlichen Krankenversicherungen); 10, 89, 102 (Rheinisches Braunkohlegebiet - Erft); 15, 235, 241 (Industrie- und Handelskammern); 38, 281, 299 (Arbeitnehmerkammern in Bremen und dem Saarland). Diese Entscheidungen betreffen zwar nicht den Staat selbst, sondern solche Verbände, die den Bürger im Wege der mittelbaren Staatsverwaltung erfassen. Es gibt aber keinen Grund, die Anforderungen an den Zwangsverband Staat niedriger anzusetzen. Denn sollte man davon ausgehen, daß der Staat den genannten Beschränkungen nicht unterliegt, spräche nichts für eine Beschränkung im Falle demokratisch organisierter mittelbarer Staatsverwaltung.- Allerdings haben nach der Rspr. des BVerfG die Mitglieder eines solchen Zwangsverbundes nicht das Recht, Maßnahmen, die die gesetzlich zugewiesenen Aufgaben der Körperschaft überschreiten, anzugreifen; BVerfGE 78, 320, 329 ff; 67, 26, 37 (Leistungen gesetzlicher Krankenkassen für Schwangerschaftsabbrüche); a.A. das BVwG, BVwGE 68,115,117 (Steuerberater) und 64, 298, 301 (Ärztekammer), nach dem Art. 2 Abs. 1 GG einen Abwehranspruch gegen solche Maßnahmen gibt, die nicht im Rahmen legitimer öffentlicher Aufgaben bleiben.

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"an deren Erfüllung ein gesteigertes Interesse der Gemeinschaft besteht, die aber so geartet sind, daß sie ..." nicht "im Wege privater Initiative wirksam wahrgenommen werden können".24

Man könnte zumindest Zweifel haben, ob Kunst eine solche Aufgabe ist. Zwar ist das "gesteigerte Interesse" des Staates an Kunst in Art. 5 Abs. 3 GG

24 BVerfGE 38, 281, 299 und 303 (Arbeitnehmerkammern in Bremen und dem Saarland). Kann die Aufgabe "von frei gegründeten Vereinigungen ebensogut erfüllt werden ..., kann der in der Pflichtmitgliedschaft liegende Eingriff in die Freiheit des Einzelnen sich als übermäßig, weil nicht unbedingt erforderlich, und deshalb als verfassungswidrig erweisen."- Die Entscheidung des BVerfG betrifft aber primär nicht das Verhältnis Zwangsverband-Bürger, sondern das Verhältnis des Zwangsverbands nach "oben", also zwischen mittelbarer und unmittelbarer Staatsverwaltung; ebenso die Entscheidung BVerfGE 8, 122, 134 (Volksbefragung über Atomwaffen).- Ein öffentliches Interesse oder einen Vorteil des Gemeinwohls setzt auch Mihatsch, S. 41, voraus. Schäuble, S. 171, verlangt, daß die Maßnahme sich am Gemeinwohl orientiert, das wesentlich durch die Verfassung bestimmt werde; fahrt dann aber ohne weitere Begründung fort: "also ist auch die Freiheit der Kunst eine Forderung des Gemeinwohls" (S. 172). Soweit in der Literatur Staatsaufgabe und öffentliche Aufgabe unterschieden werden, liegt eine Staatsaufgabe vor, wenn der Staat eine öffentliche Aufgabe ohne Verstoß gegen die Verfassung in Regie genommen hat; vgl. Mihatsch, S. 41 f.; ähnlich Köstlin, S. 29. Diese Argumentation führt zu einer Begünstigung des Staates. Denn dadurch, daß nach dem öffentlichen Interesse noch die Frage nach einem Verfassungsverstoß gestellt wird, sinken die Anforderungen, die an die Öffentlichkeit des Interesses gestellt werden; vgl. die schnelle und unbegründete Annahme eines Interesses der Allgemeinheit an Kunstförderung bei Mihatsch, S. 42. Problematisch ist das deshalb, weil dann der Staat nicht mehr (positiv) eine Handlungsgrundlage nachweisen muß, sondern umgekehrt ihm ein Verfassungsverstoß, was bei der Zurückhaltung der Rspr. gegenüber dem Staat schwieriger ist. Dagegen scheitert staatliche Kunstförderung nicht aus Gründen der Subsidiarität (von "subsidium" = Unterstützung). Seit der Verwendung des Wortes in der Enzyklika "Quadragesimo anno" (Pius XI) Bezeichnung für das Verhältnis der kleineren zur übergeordneten Gemeinschaft: letztere soll nur, aber auch immer dann eine Aufgabe übernehmen, wenn die kleinere Einheit nicht zurechtkommt; s. Geiger, S. 21 ff. Nach Geiger vor allem eine Beschränkung der Ansprüche des Bürgers gegen den Staat. Den Doppelcharakter betont auch Haverkate, S. 172 f.- Allerdings läßt sich die verfassungsrechtliche Geltung des Subsidiaritätsprinzips nicht nachweisen. Es wurde zwar von Süsterhenn in der 2. Sitzung des Pari. Rates (8. 9. 1948) angesprochen (Sten. Prot. S. 20: "Der Staat hat die Aufgabe, die persönliche Freiheit und Selbständigkeit des Einzelnen Menschen zu schützen sowie das Wohlergehen des Einzelnen und der innerstaatlichen Gemeinschaften durch die Verwirklichung des Gemeinwohls zu fördern. Der Staat darf nicht Selbstzweck sein, sondern muß sich seiner subsidiären Funktion gegenüber dem Einzelmenschen und den verschiedenen innnerstaatlichen Gemeinschaften stets bewußt bleiben"). Die Aufnahme als Verfassungsprinzip wird aber bestritten, vgl. Wolff/Bachof; § 138 II a, RN 12, S. 195; Haverkate, S. 172 f.; Küster, S. 338 f.; Schmidt-Jortzig, S. 17 (Subsidiarität nur im Rahmen von Art. 28 GG, S. 17 ff. und 24); Hesse, Bundesstaat, S. 117 f.; von Hagemeister, S. 168 und 170.- Für eine indirekte oder beschränkte Geltung Stewing , S. 52 ("klare Handschrift des Subsidiaritätsprinzips im Rahmender verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen")\Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 258 (Subsidiarität im inneren Staatsaufbau lege auch Subsidiarität der äußeren Ordnung nahe), S. 278 f. (Subsidiarität aus dem Rechtsstaatsprinzip) und S. 281 ff. (Subsidiarität aus den Grundrechten); Hailbronner, JZ 90, 149, 152; Zuck (Geltung im Verhältnis zwischen Personen und Gemeinschaft über das Rechtsstaatsprinzip, S. 83, 105, 113, 124 und 133; nicht aber im Bund-Länder-Verhältnis, S. 102).

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Teil 1 : Staatliche Kunstförderung

verfassungsrechtlich anerkannt.25 Zweifelhaft ist aber, ob Kunstförderung nicht "im Wege privater Initiative wirksam wahrgenommen werden" kann. Die deutsche Geschichte und das Beispiel der USA zeigen, daß privates und wirtschaftliches Engagement kulturelles Leben in einem erheblichen Umfang zu tragen vermag. 26 Einwänden gegen die Praxis der Sponsorenförderung 27 stehen mindestens gleichgewichtige Mängel staatlicher Förderung gegenüber,28 und

25 Allerdings könnte dieses Interesse wohl auch im Wege privater Initiative wahrgenommen werden, vgl. hierzu unten S. 51 ff. 26 So gibt es in Deutschland 774 Stiftungen, die Kunst und Kultur unterstützen (.Kurt Reumann, Man muß kein Wolpertinger sein, um die Norddeutschen zu beißen, FAZ vom 10. 6. 1991), zu deren großen die Stiftung FVS, die Körber-Stiftung, die Siemens-Stiftung, die Ponto-Stiftung und die Bosch-Stiftung gehören. In Basel baut Roche für 34 Mio. DM ein Museum {km., Tinguely am Rhein, FAZ vom 16. 9. 93, S. 35), das Opernhaus Glyndeboume/GB wurde ausschließlich mit privaten Geldern erbeut und erweitert {Gina Thomas, Festung und Arena zugleich, FAZ vom 7. 2. 94, S. 27), die Firma Höchst steckt seit 1963 erhebliche Gelder in die "Jahrhunderthalle" und subventioniert so kulturelle Veranstaltungen {Wolfgang Sander, Charme des diskreten Mäzenatentums, FAZ vom 5. 4. 94, S. 31. Weitere Beispiele für Kulturförderung durch Unternehmen bei Bruhn/Dahlhojf \ S. 117 ff., 151 ff.; speziell zur Kulturförderung durch die Tabakindustrie Stephan Lorz, Der Cowboy als Mäzen, Rhein. Merkur vom 3. 12. 93, S. 14.- Natürlich gibt es für manche Maßnahmen ein besonderes Engagement bestimmter Berufsgruppen, bspw. die Unterstützung des Frankfurter Architekturmuseums durch eine Gruppe von Bauunternehmen {F.A.Z., Ferngesteuert, FAZ vom 31. 1. 94, S. 29). Insgesamt reicht die unternehmerische Kunstförderung von Klassik bis Moderne. Vgl. auch Fn. 29.- Daß nicht-öffentliche Förderung nicht automatisch Abhängigkeit von der Wirtschaft bedeutet, zeigen die USA, in denen 80 % der Spenden aus privaten Mitteln und nur 5 % aus Unternehmensgeldern kommen; Betsy Hills Bush, Amerika, das Land der großzügigen Spender, FAZ vom 9. 2. 1991, S. 13. Privates Engagement ist auch fähig, auf aktuelle Probleme zu reagieren. Dies beweisen die zahlreichen Aktivitäten im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung, vgl. hier nur die Dankanzeige der Deutschen Stiftung Denkmalschutz für Spenden, die sie für die Georgskirche in Wismar gesammelt hatte, FAZ vom 19. 6. 1991. Eine wirtschafdiche Notlage der Künstler kann jedenfalls nicht mehr mit dem (inzwischen über 20 Jahre alten) Künstlersozialbericht (BT-Drucks. 7/3071, insbes. S. 9) begründet werden. 27 Insbes. das Ausüben von Druck durch den Sponsor (bspw. beruhte das Verhalten von BMW bei der Berufung des neuen Direktors der Münchener Pinakotheken auf Konkurrenz zu DaimlerBenz; tw., Streit um Kaisers Bild, FAZ vom 6. 5. 1991), ferner die Tatsache, daß 1/2 bis 2/3 des gesponserten Geldes in die damit verbundene Werbung geht {Dietmar Polaczek, Wer fördert?, FAZ vom 15. 8. 1991) und der u.U. begrenzte Kreis der durch den Sponsor Begünstigten (bspw. ein Sinatra-Konzert in Frankfurt im Herbst 1991 nur für Mitglieder eines Kreditkartenkonzerns, Andreas Obst, Die Würde der Vergangenheit, FAZ vom 7. 10. 1991).- Vgl. zu den Faktoren des Kunstsponsoring auch Graber, ZschR Band 110 (1911), 237, 242 ff., und zu den Problemen privater Förderung Fohrbeck, Mäzene, insbes. S. 125 ff., 398 ff. und 441 ff. 28

Diese knüpft mit dem Erhalt etlicher kleinerer und mittlerer Einrichtungen an historische, aber wirtschafdich untragbare Zustände an (vgl. Becker/Kluge, S. 188: "der Übernahme des duodezfürstlichen Mäzenatentums durch zwergdemokratische Gemeinschaften"). Dabei führen staatliche Kultureinrichtungen weder zu einer Steigerung des kulturellen Niveaus {Pommerehne/Frey, JfS 38, 259, 261: kein Unterschied im Angebot staatlicher und privater Theater), noch ist nachgewiesen, daß sie tatsächlich zum Erhalt von Kunst, zur regionalen Identität oder zur Kreativität des Einzelnen

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gerade der Bereich, der gegenüber den Härten "marktwirtschaftlicher" Regeln am anfälligsten erscheint, nämlich junge Kunst, wird überwiegend privat gefördert. 29 Allerdings wird man den Beweis, daß Kunstförderung auch ohne staatliche Hilfe genauso "wirksam" wahrgenommen werden kann, nicht positiv führen können. M i t dem Wegfall staatlicher Subventionen wäre mit Sicherheit weniger Geld auf dem Kunstsektor vorhanden und das Angebot würde sich verstärkt am Markt ausrichten. Ob das aber eine geringere "Wirksamkeit" der Kunstförderung wäre, hängt davon ab, wonach sich die Wirksamkeit beurteilt. M a n ist hier wieder an dem Punkt angelangt, an dem die Etikettierung als Kunstförderung verschleiert, auf wen es eigentlich ankommt: auf den Künstler, den Konsumenten oder die Kunst an sich (nach Qualität und Masse).

b) Die Finanzierung der Kunstförderung Unter dem Aspekt der Heranziehung der Bürger zu rechtwidrigen Abgaben verletzt staatliche Kunstförderung Art. 2 Abs. 1 G G nicht:

beitragen (dies., S. 263 f.). Schließlich fehlt für staatlich bezuschußte Unternehmen jeder Anreiz, Gewinne oder eine bessere Bilanz zu produzieren, da sie "Kosten in Form des Verlusts an Unterstützung" darstellen (Pommerehne/Frey, a.a.O., S. 270 f.). So spielt selbst der Spitzenreiter unter den öffentlichen Opern (München) nur 28,2 % und unter den Theatern (Deutsches Schauspielhaus, Hamburg) nur 26,7 % der Kosten ein; dpa, München vorn, FAZ vom 19. 6. 1991. Tendenziell spielen die Landes-und Stadttheater unter 13 % ihrer Kosten ein, vgl. zur Kostenstruktur: Manfred Schäfers, Die Stadt, das Theater und das Geld, FAZ vom 22. 11. 93, S. 15; Henry C. Brinker, Flucht aus den Hosen des Erzbischofs, Günter Engelhard, Die Angst im Nacken, und Werner Schulze-Reimpell, Geld? Kein Problem!, alle in: Rheinischer Merkur vom 9. 7. 93, S. 17 f. In Frankreich haben die Häuser aus Gründen der Kostenminimierung i.d.R. kein eigenes Ensemble, Joseph Hanimann, Mehr Handwerk, FAZ vom 24. 2. 94, S. 33. Als Beispiele möglicher Selbstfinanzierung sei nur hingewiesen auf das Telefonkartenangebot der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, FAZ vom 21. 11. 1992, S. 11, und den sanften Druck zu Eintritt in den Museumsverein der New Yorker Museen, J.v.U., Matisse und Magritte, FAZ vom 4. 2. 1993, S. 25. 29 Nämlich überwiegend durch private Kunsthändler und Galeristen, Pommer ehne/Frey, JfS 38, 259, 260. Auch der Betrieb von mehr als 400 Musikschulen in Deutschland durch die Instrumentenfirma Yamaha (Wg., Die Förderung der Musik zahlt sich aus, FAZ vom 20. 9. 1991) beweist, daß die Regeln des Marktes zu einem Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage führen können (und widerlegt die Behauptung Scheytts, S. 187, daß der Unterricht an Musikschulen vom Einzelnen nicht finanzierbar sei).- Insgesamt stellt zu Recht mar, Kunst als Ablaß?, Die Welt vom 29. 8. 1992, fest, daß die private Finanzierung allen Beteiligten (dem Geber, dem Künstler und der Allgemeinheit) Vorteile bringt.

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Teil 1 : Staatliche Kunstförderung Zwar ist die Befugnis des Gesetzgebers, "ordnend und klärend in das Wirtschaftleben einzugreifen, und ... in diesem Zusammenhang auch Geldleistungen"

aufzuerlegen, 30 durch Art. 2 Abs. 1 G G beschränkt, so daß er den Bürger nur i m Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung zu Steuerleistungen heranziehen darf. 3 1 Aber auch hier greift die Wertentscheidung der Verfassung für die Kunst in Art. 5 Abs. 3 G G legitimierend ein, so daß auch die Ansätze für Kunstförderung in den staatlichen Haushaltsplänen als Teil der verfassungsmäßigen Ordnung gelten können und damit zulässigerweise den allgemeinen Staatsausgaben zugerechnet werden können, die durch Steuererhebungen zu decken sind. Außerdem gehört seit 1969 zu den verfassungsrechtlichen Pflichten des Staates auch, "den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen" (Art. 109 Abs. 2 G G ) . 3 2 Hiermit und mit dem gleichzeitig verabschiedeten Stabilitätsgesetz33 sind Ziele aufgestellt worden, die sich in ihrer Verfolgung gegenseitig widersprechen, wenn nicht ausschließen.34 Staatliche Einnahmen mögen zwar einem der Ziele nicht dienen, sind dann aber mögliches Mittel zur

30 BVerfGE 78, 232, 244 f. (landwirtschaftliche Altershilfe). BVerfGE 4, 7, 18 (Investitionshilfe): "Dies ermöglicht dem Gesetzgeber, die ihm jeweils sachgemäß erscheinende Wirtschaftpolitik zu verfolgen, sofern er dabei das Grundgesetz beachtet. " 31 BVerfGE 48, 102, 114 f. (Steuererlaß); ebenso BVerfGE 9, 3, 11 (steuerliche Veranlagung), wonach neben der Verfassungsmäßigkeit der Steuervorschrift erforderlich ist, daß "dem Betroffenen ein angemessener Spielraum verbleibt, sich wirtschaftlich frei zu entfalten"; BVerfGE 78, 232, 244 f. (landwirtschaftliche Altershilfe).- Art. 14 GG ist dagegen nicht einschlägig, BVerfGE 4, 7, 17 (Investitionshilfe) und BVerfGE 74, 129, 148 (Widerruf von Leistungen durch die Unterstützungskasse in Versorgungsfällen). 32 Die Grundgesetzänderung spricht dafür, daß der Staat ohne sie diese Ziele eben nicht hätte verfolgen dürfen und also auf die durch die Verfassung erlaubten Ziele staatlichen Handelns beschränkt ist. 33 Das Stabilitätsgesetz ist zwar verfassungsrechtlich unverbindlich, wurde aber ebenfalls am 8. 6. 1967 verabschiedet. § 1 lautet: "Bund und Länder haben bei ihren wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten. Die Maßnahmen sind so zu treffen, daß sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichen Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen. " 34

Sog. "magisches Viereck", s. auch Hesse, Grundzüge, Rn. 260.

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Erreichung eines anderen, so daß sie in jedem Fall zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe erhoben werden. 35

3. Art. 3 GG

Problematisch bleibt staatliche Kunstförderung in Bezug auf Art. 3 GG. Denn jede Zuwendung an einen bestimmten Künstler, sei es als "Subvention" oder als Entgelt für eine bestimmte Leistung, greift nicht nur in das Recht nicht-geförderter Künstler auf Gleichbehandlung ein, 36 sondern beeinträchtigen auch wettbewerbsverzerrend den Prozeß einer öffentlichen Kunstgeschmacksbildung, was den nicht-geförderten Künstler materiell am Marktwert seiner Arbeit und ideell an seiner Bedeutung schädigen kann. Das gilt auch dann, wenn sich die Auswahl des Staates an den Urteilen des Marktes orientiert, denn auch hierin liegt zumindest eine Verstärkung der gegebenen Umstände.37 Ferner liegt in der Förderung von Künstlern u.U. eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in Bezug auf andere Berufs- und Interessengruppen, deren "Wert" ebenfalls durch die Verfassung anerkannt ist. Es handelt sich hier um typische Probleme des Subventionsrechts, die sich für die Kunstförderung deshalb besonders akut stellen, weil ein Verstoß gegen Art. 3 GG eine Ungleichbehandlung voraussetzt. Um diese festzustellen, muß man aber als Maßstab für die Gleichheit wissen, welches Ziel die begünstigende Maßnahme verfolgt hat. Die Angabe des Zieles "Kunstförderung" reicht

35

Im übrigen ist diese Überlegung angesichts des staatlichen Defizits illusorisch, da auf absehbare Zeit alle Staatseinnahmen dem zulässigen Ziel der Deckung des staatlichen Haushalts dienen werden. Probleme entstünden erst dann, wenn der Staat aus Gründen des Art. 109 GG mehr einzunehmen versucht, als er ausgeben will. 36

Schon dies führt zu unübersehbaren Abgrenzungsproblemen, die auch nicht durch die Übertragung der Entscheidung auf unabhängige Gremien vermieden wird; nicht nachvollziehbar insoweit die Auffassung von Schreyer, S. 138, die "die Überantwortung von Kunstförderungsentscheidungen auf autonome Verwaltungseinheiten" für "spezifisch grundrechtslegitimiert" hält. Staatliche Kunstförderung greift schließlich in die Gleichheit der Steuerzahler insofern ein, als zumindest bei Kunstförderung durch den Bund eindeutig keine Gleichheit der Auswirkungen der Förderung besteht: Von einer Förderung der Münchener Kultureinrichtungen profitieren die Münchener selbst kulturell und über den entsprechenden Fremdenverkehr; der Besucher aus Schleswig-Holstein wird nur unverhältnismäßig an den Früchten der Kulturförderung beteiligt. 37

Zum gleichen Problem bei der Parteienfinanzierung vgl. BVerfGE 24, 300, 345 ff.- Zum Problem eines "staatlich anerkannten Kunstgeschmacks" auch VGH Kassel, NJW 87, 1436, 1437.

46

Teil 1 : Staatliche Kunstförderung

angesichts dessen, was man darunter alles verstehen kann (s.o. S. 19 ff.), für die Vergleichbarkeit nicht.

I I I . Verpflichtung des Staates zur Kunstförderung?

M a n liest häufig, der Staat sei nicht nur zur Kunstförderung berechtigt, sondern auch zu ihr verpflichtet. 38 Es soll daher hier geprüft werden, ob nach dem G G eine solche Pflicht besteht.

1. Art. 5 Abs. 3 GG und die Kulturstaatlichkeit der Bundesrepublik a) Der Wortlaut von Art. 5 Abs. 3 G G Nach dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 3 G G besteht nur die Verpflichtung des Staates, die Freiheit

der Kunst zu gewährleisten. Dagegen ist von einer

staatlichen Pflicht zur Kunstförderung nicht die Rede, 3 9 obwohl dem Gundgesetz weder Verfassungsaufträge 40 noch Schutzpflichten 41 oder Pflichten des Staates zur Überwachung und Beaufsichtigung im Sinne einer Förderung 42 fremd sind.

38 So nicht nur in der allgemeinen Presse (wie in letzter Zeit die Kultursenatorin Christina Weiss, Kultur als Programm verordnet, FAZ vom 24. 5. 1993, S. Β 15), sondern auch im juristischen Schrifttum, bspw. Knies, AfP 78, 57, 65; Steiner, § 86, Rn. 1 und 5; Maihofer, Aufgaben, S. 994 ff.; Bidder , S. 21 ff.; Geis, S. 235; Bull, S. 304 ff. 39

Dagegen gibt es Kunstförderungspflichten nach einigen Verfassungen der Bundesländer: Art. 86 bw. Verfassung; Art. 3, 83, 139, 140, 141 der bay. Verf.; Art. 34 brandenb. Verf.; Art. 11 II Bremer Verf.; Art. 62 hess. Verf.; Art. 16 der Verf. vonMeckl.-Vorp.; Art. 6 nds. Verf.; Art. 18 ndr-wf. Verf.; Art. 40 III rh-pf. Verf.; Art. 34 Verf. des Saarl.; Art. 11 sächs. Verf.; Art. 36 der Verf. von Sachsen-Anhalt; Art. 9 schl-h. Verfassung und Art. 36 thür. Verf.- Ebenso in der Verfassungen anderer europäischer Staaten: Art. 16 I griech. Verf.; Art. 9 ital. Verf.; Art. 22 III niederländ. Verf.; Art. 24 sexies II und III schw. Verf.; Präambel, Art. 44 Abs. 1, Art. 46, 48 span. Verf.; Art. 42, 73, 113, 150 portugiesische Verfassung. 40

Bspw. Art. 6 Abs. 5 GG für die Stellung nichtehelicher Kinder.

41

Bspw. Art. 6 Abs. 1 GG für Ehe und Familie und Art. 6 Abs. 4 GG für Mütter.

42

Bspw. Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG für die Ausübung des elterlichen Erziehungsrechts und Art. 7 Abs. 1 GG für das Schulwesen.

47

III. Verpflichtung des Staates zur Kunstförderung?

Die Garantie der Kunstfreiheit erstreckt sich auch nur auf die Freiheit der Kunst gegenüber dem Staat. Zwar ist der Staat zum Schutz eines verfassungsrechtlich anerkannten Rechtsguts auch gegenüber Angriffen durch Dritte verpflichtet. 43 Z u diesen Angriffen gehört aber nicht das Risiko des Künstlers, seine Produkte auf dem Markt nicht absetzen zu können. Denn hierbei handelt es sich um ein echtes Absatzrisiko, das die Kunstfreiheit weder i m "Werkbereich" (dem künstlerischen Schaffen) noch im "Wirkbereich" (der Vermittlung durch Angebot auf dem Markt) berührt. Der Schutz vor dem Absatzrisiko würde auf eine Absatzgarantie hinauslaufen. Eine solche müßte dann aber auch für alle anderen Produkte aus der Gewährleistung der Berufsfreiheit hergeleitet werden - womit der Ansatz sich selbst ad absurdum führt. 44 Darüber hinaus widerspräche eine Absatzgarantie auch den Grundlagen eines demokratischen Staates: Kann die Regierung des Staates auf die Entscheidung der Mehrheit, also eine "Marktentscheidung", zurückgeführt werden, wenn eine solche Entscheidung für den Bereich Kunst "nicht gut genug" ist?

45

43 Vgl. nur BVerfGE 56, 54 ff (Fluglärm), BVerfGE 49, 89, 142 (Kernenergie) und BVerfGE 39, 1 ff (Abtreibung). 44 Für staatliches Eingreifen aber Graul, S. 50 ff., die die Abhängigkeit des Künstlers vom Markt mit dem Absterben von Kunst gleichsetzt. Ähnlich Maihof er, Aufgaben, S. 996. S. auch Ridder, S. 21, der aus dem Desinteresse Privater die Pflicht des Staates zur Kunstförderung ableitet und "um der Würde der Menschen willen" den Künstler von (einseitigem) künstlerischem Engagement (S. 22) und dem "Ausgeliefertsein an das Publikum en large" (S. 24) befreien will, indem er die Allgemeinheit zu (pauschalem) künstlerischem Engagementverpflichtet. Ob dies mit der Menschenwürde der die Allgemeinheit bildenden Individuen vereinbar ist, fragt er sich nicht.- Vgl. schon die wohlfahrtsstaatliche Begründung bei Kugler, Speculation, S. 583, nach dem die Abhängigkeit des Künstlers vom Markt "die hohe, innerlich sittliche Bedeutung der Kunst in Frage" stellt. Ebenso warnte Carriere , S. 168, vor einer Kunst, die "dem Geschmack des Publikums" huldige, "statt ihm reformatorisch gegenüberzutreten". Ebenso Becker/Kluge: "Ein Theater, das sich dem künstlerischen Geschmack des zahlungskräftigen Publikums anpaßt, wäre auch kein Theater mehr", S. 183. 45

Dies scheint zumindest die Auffassung Steiners, § 86, Rn. 7, zu sein (anders noch Rn. 6). Wie hier auch pba., Projektkultur, FAZ vom 24. 3. 1992, S. 33: "Kultur ist der Inbegriff all dessen, was nicht reglementiert werden kann. Sie taugt daher nicht zur staatlichen Verteilung, sondern ist geschaffen für die freie Entscheidung, für den Markt. Die staatliche Kulturförderung wird gewöhnlich als notwendiger Protektionismus verteidigt, als Schutz für Qualität, die auf dem Markt keine Chance hätte. Das ist ein undemokratisches Argument. "

48

Teil 1 : Staatliche Kunstförderung b) Art. 5 Abs. 3 G G als objektivrechtliche Weitentscheidung Die Grundrechte gewährleisten aber nicht nur individuelle Abwehrrechte,

sondern sind zugleich objektivrechtliche Wertentscheidungen der Verfassung, 46 die eine objektive Wertordnung "aufrichten", in der "eine prinzipielle Verstärkung der Geltungskraft der Grundrechte zum Ausdruck" kommt. 4 7 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt aus dem objektivrechtlichen Gehalt "die Pflicht der Organe, sich schützend und fördernd vor die ... genannten Rechtsgüter zu stellen und sie insbesondere vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren".48 Gegenstand der Entscheidung war die Pflicht des Staates zum Schutz seiner Bürger vor Eingriffen Dritter in grundrechtlich geschützte Bereiche (hier: Art. 2 Abs. 2 G G ) . 4 9 Die Förderungspflicht

wurde nur beiläufig erwähnt und

war nicht entscheidungsrelevant. 50 Dennoch griff das Bundesverfassungsgericht bei der Auslegung von Art. 5 Abs. 3 G G auf diese Auslegung von Art. 2 Abs. 2 G G zurück: Nach BVerfGE 35, 79 ff., 114 schließt die Wertentscheidung von Art. 5 Abs. 3 G G "das Einstehen des Staates, der sich als Kulturstaat versteht, für die Idee einer freien Wissenschaft und seine Mitwirkung an ihrer Verwirklichung ein und verpflichtet ihn, sein Handeln positiv danach einzurichten, d.h. schützend und fördernd einer Aushöhlung dieser Freiheitsgarantie vorzubeugen. Hieraus ergeben sich Postulate in zweifacher Richtung: a) Der Staat hat die Pflege der freien Wissenschaft und ihre Vermittlung an die nachfolgende Generation durch Bereitstellung von personellen, sachlichen und organisatorischen Mitteln zu ermöglichen und zu fördern. ... " 5 1

46 BVerfGE 49, 89, 142 (Friedliche Nutzung der Kernernegie); die Wertentscheidungengelten für alle Bereiche der Rechtsprechung und geben Richtlinien für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung; BVerfGE, a.a.O. 47

BVerfGE 7, 198, 205 (Lüth).

48

BVerfGE 56, 54, 73 (Fluglärm). Auch BVerfGE 49, 89, 142 (Kernernergie) sieht den Inhalt einer aus der objektivrechtlichen Wertentscheidungfließenden staatlichen Schutzpflicht darin, Gefahren für das grundrechtlich geschützte Rechtsgut einzudämmen. Dabei wird die Art der Pflichterfüllung dem Gesetzgeber überlassen, BVerfGE 39, 1, 44 (Abtreibung). 49 Gegenstand war die Beeinträchtigung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit durch Fluglärm (BVerfGE 56, 54 ff) und einen möglichen Reaktorunfall (BVerfGE 49, 89, 142) und die Beeinträchtigung des Rechts auf Leben durch Abtreibung (BVerfGE 39, 1 ff.). 50 Interessant ist, daß die - überflüssige - Formulierung "schützend und fördernd" rhythmisch die Begriffskoppelung "zu achten und zu schützen" (Art. 1 Abs. 1 GG) assoziiert. 51

BVerfGE 35, 79 ff., 114 f. (Niedersächsische Gesamthochschulen). Distanzierter noch

III. Verpflichtung des Staates zur Kunstförderung?

49

Diese Entscheidung zur Wissenschaftsfreiheit dehnte das Gericht konsequent auf die ebenfalls in Art. 5 Abs. 3 GG gewährleistete Kunstfreiheit aus: "Als objektive Wertentscheidung für die Freiheit der Kunst stellt sie" (die Verfassungsnorm des Art. 5 Abs. 3 GG) "dem modernen Staat, der sich im Sinne einer Staatszielbestimmung auch als Kulturstaat versteht, zugleich die Aufgabe, ein freiheitliches Kunstleben zu erhalten und zu fördern. " 5 2

Das Bundesverfassungsgericht führte in keiner der beiden Entscheidungen aus, was es unter einem Kulturstaat versteht. Eine solche Erklärung ist auch überflüssig, wenn man die rechtliche Grundlage der Kunstförderungspflicht, dem Entscheidungswortlaut folgend, nicht in der Kulturstaatlichkeit der Bundesrepublik, sondern in der Wertentscheidung von Art. 5 Abs. 3 GG für Wissenschaft und Kunst sieht. Diese Wertentscheidung reichte bei einer Auslegung, die sich an der optimalen Wirksamkeit von Art. 5 Abs. 3 GG orientierte, 53 auch aus, um die konkrete Entscheidung des Gerichts zu tragen, nämlich um einen Eingriff in Art. 3 durch Berufung auf Art. 5 Abs. 3 GG zu rechtfertigen. Es war daher in den Entscheidungen überflüssig, über die Auslegung von Art. 5 Abs. 3 GG hinaus noch allgemeine Aussagen über das Verhältnis zwischen Staat und Kultur zu machen und eine Kulturstaatlichkeit mit der Folge einer Kunstförderungspflicht 54 bzw. eine Staatszielbestimmung Kultur zu behaupten, für die sich im Grundgesetz keine Grundlagen finden. 55 Versteht man die Entscheidungen des BVerfG hingegen so, daß die Kulturstaatlichkeit der Bundesrepublik entscheidungstragend und mögliche

BVerfGE 10, 20, 36 f. (Stiftung Preußischer Kulturbesitz): "Andererseits betrachtet es der Staat als seine Aufgabe, die kulturelle Entwicklung der Gemeinschaft zu fördern und erfüllt darum auch in ständig wachsendem Maße kulturelle Verwaltungsaufgaben. " 52

BVerfGE 36, 321 ff., 331 (Schallplatten) und wortgleich in BVerfGE 81, 108 ff., 116 (§ 34 Abs. 4 EStG). Ähnlich E.R. Huber, S. 26, der aus der Qualität des Staates als "Kulturgebilde" Folgen ableitet, und Krüger, S. 808, nach dem der Staat Kulturphänomen ist und sich als Kulturstaat bezeichnet, "der es unter seine Aufgaben rechnet, die Kultur seiner Bürger zu fördern. "Dagegen noch viel zurückhaltender BVerfGE 12, 205, 228 (Deutschland-Fernsehen): "Soweit kulturelle Angelegenheiten überhaupt staatlich verwaltet und geregelt werden können ... ". Kritisch ?MchMaunz, Sicherheit, S. 113. 53

Hierzu Hesse, Grundzüge, Rn. 72. Ähnlich das Sondervotum in BVerfGE 35, 79 ff., 148 ff., 152 f. 54 Nach BVerfGE 36, 321, 333 besteht der Inhalt dieser Pflicht in der "Steigerung der künstlerischen Produktion nach Qualität und Umfang". 55 Denn die punktuelle Gewährleistung von Wissenschaft und Kunst als Teilbereiche der Kultur muß nicht als pars pro toto, sondern kann auch als partielle Gewährleistung vor dem Hintergrund genereller Neutralität gegenüber Kultur als Ganzem gesehen werden. 4 Geißler

50

Teil 1 : Staatliche Kunstförderung

Grundlage für eine Kunstförderungspflicht des Staates ist, 5 6 dann hätte das Bundesverfassungsgericht

darlegen müssen, woraus die Kulturstaatlichkeit

abgeleitet wird. Art. 5 Abs. 3 G G scheidet dabei als Grundlage aus, weil in beiden Entscheidungen die Kulturstaatlichkeit zur Auslegung von Art.

5

Abs. 3 G G herangezogen wird. 5 7

c) Leerlauf einer verfassungsrechtlichen Gewährleistung Geeigneter für die Herleitung einer staatlichen Kunstförderungspflicht erscheint ein Ansatzpunkt, den das Bundesverfassungsgericht auch bei der Auslegung anderer Verfassungsnormen herangezogen hat, wenn es um die Frage

staatlicher

Handlungspflichten

rechtlichen Unmöglichkeit,

ging:

den der

eine verfassungsrechtliche

Hilfe des Staates wahrzunehmen.

tatsächlichen

oder

Gewährleistung ohne die

58

56 So das Verständnis der Bundesregierung, vgl. BT-Drucks. 10/2236, S. 2, die sich auf die Entscheidung des BVerfG stützt, a.a.O., S. 3.- In der Literatur sprach Maunz schon 1958 davon, daß der Staat als "Kulturstaat" zur "Stabilisierung bestimmter geistiger Positionen" berechtigt sei, Sicherheit, S. 113. Nach Hippel, DÖV 50, 257, 260 f., ist die Kultur als "Haupt und Herz" die belebende Kraft des Staates und der Kulturbereich seine geistig-moralische Mitte, durch die der "barbarische Machtstaat ... zum Rechts- und Kulturstaat veredelt" wird, Kulturpflege also moralische Legitimation des staatlichen Machtanspruchs. Evers, NJW 83, 2161, 2166, will mit seinem Hinweis, daß "Kulturwerke ihren Wert in sich tragen und Kulturförderung im Kulturstaat sich aus diesem Eigenwert zu legitimieren vermag", sicher nicht auf den finanziellen Vorteil für den kunstfördernden Staat hinweisen. Maihofer, Aufgaben, S. 994 f., folgert aus "Der Staat sind wir alle! " und "Kultur ist für alle da! " die Pflicht zur Öffnung vorhandener und zur Förderung und Pflege neuer Möglichkeiten. Nach ihm erkennt das BVerfG ein Interesse der Allgemeinheit an einem ungehinderten Zugang zu den Kulturgütern an, S. 995 Fn. 110 mit Bezug auf BVerfGE 31, 229 ff. (§ 46 UrhG). Die Entscheidung des BVerfG trägt Maihofers weite Interpretation aber nicht, BVerfGE 31, 229, 242 f. 57

Wenn man die Kulturstaatlichkeit aber vorher aus Art. 5 Abs. 3 GG abgeleitet hat, ist das ein Zirkelschluß. Kritisch zu einer Ableitung aus Art. 5 Abs.3 GG auch Knies, AfP 78, 57, 64. Nach ihm folgt die Kulturstaatlichkeit (mit der Folge der Kulturförderungspflicht, S. 65) der Bundesrepublik aus dem inhaltlichen Bezug, den man bei der Entstehung des Grundgesetzes auf die Landesverfassungen nehmen konnte. Hierfür findet sich allerdings in den Protokollen von Hauptausschuß und Parlamentarischem Rat kein Beleg. Auch nach Steiner, § 86, Rn. 3, gehen die Formulierungen des BVerfG über das Verfassungsrecht hinaus, obwohl auch er eine Staatsaufgabe bejaht, Rn. 1 und 5. 58 S. bspw. die Zitate oben bei Fn. 48 und 49.- Grimm, VVDStRL 42, 46, 65, leitet aus dem Realisierungsgebot der Verfassungsnormen das Gebot ab, auch die tatsächlichen Voraussetzungen der Realisierung zu garantieren. Allerdings bleiben die Voraussetzungen und Grenzen dieses Gebots bei Grimm unklar. Die von Grimm angeführte Rechtsprechung des BVerfG bleibt hinter Grimms Auslegung deudich zurück.

III. Verpflichtung des Staates zur Kunstförderung?

51

Die Gefahr des Leerlaufs einer Verfassungsnorm aus tatsächlichen Gründen erachtet das Verfassungsgericht nicht als ausreichend, um daraus eine staatliche Unterstützungspflicht abzuleiten. So lehnte es im Parteienfinanzierungsurteil von 1966 die Dotierung der Parteien von Staats wegen für ihre politische Tätigkeit mit der Begründung ab, daß zu den von der Verfassung vorausgesetzten Grundlagen der demokratischen Staatsordnung auch die Fähigkeit und Bereitschaft der Bürger gehöre, sich selbst die erforderlichen Organisationen zu schaffen und lebensfähig zu halten. Die freiheitliche Demokratie nehme prinzipiell die Risiken in Kauf, die im Vertrauen auf die Urteilskraft und Aktivität der Bürger liegen. Außerdem vermißt das Gericht den Beleg dafür, daß die Parteien ohne Staatszuschüsse tatsächlich nicht in der Lage seien, ihre Aufgaben zu erfüllen. 59 Allerdings betrifft das Parteienfinanzierungsurteil keine grundrechtliche Gewährleistung. Das führt aber nicht dazu, "zumindest" - oder sogar "erst recht" - im Bereich der Grundrechte aus verfassungsrechtlichen Gewährleistungen staatliche Handlungspflichten abzuleiten. Dies ergibt sich aus folgendem: - Art. 5 Abs. 3 GG betrifft eine Wertentscheidung der Verfassung, die zwar in das heutige Staatsbild mit einfließt, für die Identität der Verfassung aber nicht von gleicher Bedeutung ist wie die demokratische Ordnung des Grundgesetzes. Dies ergibt sich schon aus Art. 79 Abs. 3 und 20 Abs. 1 GG, wonach die demokratische Ordnung unter die sogenannte Ewigkeitsklausel fällt, die Kunstfreiheit aber nicht. Die "Garantenpflicht" des Staates ist daher bei Art. 20 Abs. 1 GG höher als bei der Kunstfreiheit; führt sie dort nicht zu einer Förderungspflicht aus tatsächlicher Unmöglichkeit (s.o.), spricht nichts dafür, daß dies bei Art. 5 Abs. 3 GG anders sein sollte.60 - Das Bundesverfassungsgericht setzt voraus, daß sich die Umstände im Zeitpunkt, in dem ein Anspruch auf öffentliche Gelder erhoben wird, gegenüber der Sachlage bei Schaffung der einschlägigen Verfassungsnorm

59 60

BVerfGE 20, 56, 102 f.

Die Bewertung verschiebt sich allerdings, wenn man die Gefahr staatlicher Einmischung für die Meinungsbildung in den Vordergrund stellt. Denn dann ist der Kunstgeschmack weniger schützenswert als die politische Meinungsbildung, eine staatliche Meinungsverzerrung also bei Art. 5 Abs. 3 GG eher erlaubt als bei Art. 20 Abs. 1 GG. Sie ist aber jedenfalls nicht geboten.Zur Frage nach Einschränkungendes staatlichen KunstförderungsrecAft s. schon oben S. 39 ff.

52

Teil 1 : Staatliche Kunstförderung nachteilig geändert haben. 61 Dieser Nachweis einer nachteiligen Veränderung gegenüber 1948/49 fehlt für den Kunstschaffenden und den Kunstkonsumenten. 62

Denn die gegenüber damals weit bessere

Situation ermöglicht nicht nur dem Staat,

63

wirtschaftliche

sondern auch Privaten und

Wirtschaftsunternehmen, Geld für Kunst auszugeben. Privates und wirtschaftliches Engagement haben in Vergangenheit und Gegenwart in einem erheblichen Umfang kulturelles Leben gefördert und unterliegen im Ergebnis nicht größeren

Bedenken als staatliche Kunstförderung. 64

Wie

schon

erwähnt, tut sich die private Förderung gerade in dem Bereich hervor, der es am nötigsten hat, nämlich dem der jungen Kunst (s. auch oben Fn. 29).

61

"... ohne Staatszuschüsse seien die Parteien nicht mehr in der Lage, ihre Aufgaben zu erfüllen ...", BVerfGE 20, 56, 102 (Parteienfinanzierung). Das BVerfG geht damit - zu Recht - von Folgendem aus: Wenn die Situation schon bei den Beratungen zum GG ebenso war, wie sie sich im Zeitpunkt des Verfassungsstreits darstellte, dann ist sie i.d.R. vom Verfassungsgeber mitbedacht und mitentschieden. Diese Entscheidung ist nur durch Verfassungsänderung, nicht aber durch Entwicklung von Nebenverfassungsrecht durch die Rspr. zu revidieren.- Die Voraussetzung einer nachträglichen Änderung wird auch im Hochschulurteil (allerdings nicht kompetenzbegründend, aber kompetenzunterstützend) aufgegriffen; BVerfGE 35, 79 ff., 115: "Diesem Gebot kommt deswegen besondere Bedeutung zu, weil ohne eine geeignete Organisation und ohne entsprechende finanzielle Mittel, über die im wesentlichen nur noch der Staat verfügt, heute in weiten Bereichen der Wissenschaften, insbesondere der Naturwissenschaften, keine unabhängige Forschung und wissenschafüiche Lehre mehr betrieben werden kann"; ebenso auch S. 114 ("Aushöhlung"). Die Feststellung der negativen Entwicklung wird im Hochschulurteil nicht näher begründet. 62

Entgegen Meldungen in der FAZ vom 4. 8. 93, S. Ν1, und vom 22. 12. 93, S. 28, wächst die Zahl der Museumsbesucher; vgl. dpa, Publikumsmagnete, FAZ vom 22. 12. 93, S. 28, und Peter Dittmar, Die Millionen der Museen, Die Welt vom 31. 12. 93, S. 1. Steigend sind auch die Besucherstatistiken der deutschen Theater, dpa, Wieder steigend, FAZ vom 11. 10. 93, S. 35. Daß Kunst auch ohne staatliche Unterstützung verbreitet werden kann, indem sie sich privat um Finanzierung kümmert, beweisen Beispiele wie die des Musikhauses Breitkopf und Härtel (Verlag von Noten bei entsprechender Subskription; Wolfgang Sandner, Humanfaktor Ton, FAZ vom 29. 1. 94, S. 27) oder des Autors Michael Tod, der sein Werk mit Hilfe Privater, die er hatte überzeugen können, veröffentlichte (P.I., Rotes Eichhörnchen, FAZ vom 24. 1. 94, S. 25). Zu privater Tätigkeit in der Vergangenheit s. auch Einleitung, S. 19 ff. 63

So schätzt der Bundesverband Bildender Künstler, daß 1/3 seiner 15.000 Mitglieder von Aufträgen der öffentlichen Hand (Kunst am Bau) lebt; Michael Mönninger, Die Lehre von den Schneemännern, FAZ vom 19. 5. 1992. 64

Zu den Gefahren, die von Kunstförderung durch den Staat einerseits und durch die Wirtschaft andererseits ausgehen, s.o. S. 34 ff. und 42 ff.- In den USA kommen 80 % der Spenden aus privaten Mitteln und weitere 5 % aus Unternehmensgeldern; Betsy Hills Bush, Amerika, das Land der großzügigen Spender, FAZ vom 9. 2. 1991, S. 13. In Deutschland gibt es heute 774 Stiftungen, die Kunst und Kultur unterstützen (.Kurt Reumann, Man muß kein Wolpertinger sein, um die Norddeutschen zu beißen, FAZ vom 10. 6. 1991).- Vgl. ferner oben Fn. 26 ff. Eine wirtschaftliche Notlage der Künsüer kann jedenfalls nicht mehr mit dem (inzwischen über 20 Jahre alten) Künstlersozialbericht (BT-Drucks. 7/3071, insbes. S. 9) begründet werden.

III. Verpflichtung des Staates zur Kunstförderung?

53

- Schließlich ergeben sich Schwierigkeiten auch noch daraus, daß der Sinn der Kunst - anders als der der Parteien - sich nicht unmittelbar aus der Verfassung oder dem Verfassungsleben ergibt. 65 Insofern können sich aus unterschiedlichen Zielen (Förderung der Künstler, der Konsumenten, des Kunstbestandes an sich oder für eine Nachwelt) Spannungen ergeben.66 - Im übrigen widerspricht die Argumentation auch der historischen Auslegung (s.u. S. 54 ff.). Eine staatliche Pflicht zur Kunstförderung könnte aber bestehen, wenn die Wahrnehmung der verfassungsrechtlich garantierten Kunstfreiheit aus rechtlichen Gründen unmöglich ist. Beispielhaft für einen drohenden Leerlauf verfassungsrechtlicher Gewährleistungen durch vorangehende rechtliche Eingriffe des Staates ist der numerusclausus-Fall des Bundesverfassungsgerichts. 67 Der angegriffene Ausbildungsengpaß war u.a. verursacht durch das Erfordernis einer Ausbildung, für die der Staat praktisch ein Monopol hatte. Die Ausbildungsregelung diente der Allgemeinheit (Schutz vor unzureichend ausgebildeten Leuten). Sie war insoweit rechtmäßig, führte aber zu einem Sonderopfer. Das Gericht fragte nun, ob aus dieser besonderen Belastung vor dem Hintergrund der grundrechtlichen Gewährleistung von Art. 12 Abs. 1 GG ein Anspruch darauf hergeleitet werden könne, daß wenigstens hinreichend Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt würden. Die Frage blieb in der Entscheidung letztlich offen, 68 festgestellt wurde nur, daß eine solche Pflicht jedenfalls unter dem Vorbehalt dessen stände, "was der Einzelne vernünftigerweise vom Staat verlangen kann".69 - Bezogen auf den kulturellen Bereich fehlt es schon an einer durch staatliche Regelung verursachten besonderen Belastung.70

65

Hierzu oben S. 34 ff.

66

Schäuble, S. 91, weist daraufhin, daß die deutsche Kunst ausgerechnet in der Weimarer Zeit eine Blüte erlebte, als es den Künstler überwiegend schlecht ging. 67 BVerfGE 33, 303 ff. Nach dem BVerfG handelt es sich um eine tatsächliche Einschränkung. Meines Erachtens ist das nicht richtig, da die Einschränkung durch rechtliche Regelung (Vorschreiben eines Hochschulstudiums und Monopolstellung des Staates hierfür) herbeigeführt wurde. 68

BVerfGE 33, 303, 331 ff.

69

BVerfGE 33, 303, 333.

70

Ein belastender Eingriff in die Freiheit der Künstler zugunsten der Allgemeinheit könnte höchstens im Künstlersozialversicherungsgesetz vom 27. 7. 1981, BGBl. IS. 705, gesehen werden, das aber mit dem Zweck erlassen wurde, den Künstlern etwas zugute kommen zu lassen, was für andere Berufsgruppen längst "eine Selbstverständlichkeit ist", vgl. Abg. Lutz, 38. Sitzung BT in

54

Teil 1 : Staatliche Kunstförderung d) Historische Auslegung Als Grundlage einer verfassungsrechtlichen Kunstförderungspflicht kommt

schließlich die historische Auslegung von Art. 5 Abs. 3 G G in Betracht. Ausgangspunkt sind die Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung zum Thema Kunst: Art. 18: Die Gliederung des Reiches in Länder soll unter möglichster Berücksichtigung des Willens der beteiligten Bevölkerung der wirtschaftlichen und kulturellen Höchstleistung des Volkes dienen.71 Art. 142: Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei. Der Staat gewährt ihnen Schutz und nimmt an ihrer Pflege teil. Art. 150: Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie die Landschaft genießen den Schutz und die Pflege des Staates. Es ist Sache des Reiches, die Abwanderung deutschen Kunstbesitzes in das Ausland zu verhüten.72 Art. 158: Die geistige Arbeit, das Recht der Urheber, der Erfinder und der Künstler genießt den Schutz und die Fürsorge des Reichs. Den Schöpfungen deutscher Wissenschaft, Kunst und Technik ist durch zwischenstaatliche Vereinbarung auch im Ausland Geltung und Schutz zu verschaffen. 73 V o n diesen weiten Bestimmungen zum Schutz und zur Förderung der Kunst wurde nur die Regelung des Art. 142 Abs. 1 S. 1 W R V in das Grundgesetz übernommen (Art. 5 Abs. 3 G G ) . 7 4 Alles andere, sowohl die weiten Förderungspflichten für das Volksbildungswesen nach Art. 148 W R V als auch Art. 18 Abs. 1 W R V , der die Gliederung des Reiches in Länder in den Dienst der reichsverfassungsrechtlich festgelegten Aufgabe stellt, die kulturelle Leistung des Volkes zu steigern, fehlt im Grundgesetz. Auch der Herrenchiemseer Entwurf für Art. 14 Abs. 3, "Jeder hat Anspruch auf gleiche wirtschaftliche und kulturelle Entwicklungsmöglichkeiten"

der 9. Wahlperiode, 26. 5. 1981, Sten. Prot. S. 2057; also keine Besser-, sondern eine Gleichstellung bezweckte. 71

1. Hauptteil: Aufbau und Aufgabendes Reiches, 1. Abschnitt: Reich und Länder.

72

Art. 142 und 150 WRV gehörten beide zum 2. Hauptteil (Grundrechte und Grundpflichten), 4. Abschnitt (Bildung und Schule). 73 74

2. Hauptteil: Grundrechte und Grundpflichten, 5. Abschnitt: Das Wirtschaftsleben.

Art. 74 Abs. 1 Ziff. 5 GG entspricht zwar ungefähr Art. 150 Abs. 2 WRV, ist zumindest jetzt aber eine reine Kompetenzverteilungsvorschrift für das Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Ridder, S. 16 f., weist daraufhin, daß Art. 142 S. 1 WRV ein rein politisches Grundrecht darstellt und vor dem Hintergrund oppositioneller Kunst in der Bismarckzeit entstand.

III. Verpflichtung des Staates zur Kunstförderung?

55

wurde nicht Teil des Grundgesetzes. 75 Dies muß als bewußte Abkehr von den Regelungen der Weimarer Reichsverfassung verstanden werden 76 und kann nicht mit der knapperen Fassung des Grundrechtsteils im Grundgesetz, einer Zurückhaltung auf kulturellem Gebiet zugunsten der Länder oder der Tatsache, daß von den Ländern schon etliche Regelungen über staatliche Kunstförderung erlassen hatten, erklärt werden. 7 7 Denn die knappere Fassung des Grundrechtsteils steht vor dem Hintergrund der "weiten und rechtlich unbestimmten Fassung von Weimar". 7 8

Auf

die

Länder

wurden nur

Entscheidungen

verschoben, deren Regelung im Grundgesetz wegen ihrer Brisanz zu einer geringeren Akzeptanz hätten fuhren können. 79 Außerdem können die Landesverfassungen rechtlich keine Aussage über die Staatsmacht des Bundes machen;

75 Allerdings wollte die DP offensichtlich einen Kulturrat auf Bundesebene, vgl. Seebohm, 7. Sitzung des Pari. Rats, 21. 10. 1948, Sten. Prot. S. 92. 76 So auch Geis, S. 231 f. Auch der Verzicht des Parlamentarischen Rats auf eine Regelung der "Lebensordnungen" bei der Schaffung des Provisoriums "GG"; Schmid, Pari. Rat, Sten. Prot. S. 172, spricht bestenfalls für eine Lücke, aber nicht für eine stillschweigende Übernahme. Dagegen ist nach Erbel, S. 175, das früher in Art. 142 S. 2 WRV festgelegte Recht des Staates, Kunst zu fördern, eine nicht formulierungsbedürftige Selbstverständlichkeit. Die staatliche Teilnahme an der Kunstförderung wird nach Erbel nur durch das Subsidiaritätsprinzip begrenzt, wobei er dahingestellt sein läßt, ob dieses Prinzip ein allgemein geltendes Verfassungsprinzip ist. Er folgert "aus kulturpolitischen Erwägungen allgemeiner Art" und "aus dem Zweck der Kunstfreiheitsgarantie", daß das Kunstleben soweit wie möglich seiner eigengesetzlichen Entwicklung zu überlassen ist, S.176.- Gegen diese Argumentation bestehen erhebliche Zweifel: Die Annahme "selbstverständlicher und daher nicht formulierungsbedürftiger Rechte" wird vom Grundgesetz schon mit der Ausformulierung der Grundrechte auch in ihren allgemeinen und "selbstverständlichen" Bereichen widerlegt. Ebenso bedenklich ist es, dann zur Begrenzung eines "selbstverständlichen Rechts" ein weiteres Prinzip heranzuziehen, dessen Geltung weder allgemein noch für diesen speziellen Bereich näher begründet wird. 77 So aber Knies, S. 212 f. und AfP 78, 57, 64, der es für "abwegig" hält, aus dem Fehlen einer dem Art. 142 WRV entsprechenden Regelung eine "Absage des GG an kulturstaaüiche Verpflichtungen und Befugnisse des Staates auf den Gebieten von Kunst und Wissenschaft zu folgern. " Zur Untersützung seiner Ansicht führt er die kulturellen Zuständigkeitendes Bundes nach dem GG an. Hierin liegt jedoch ein logischer Fehler, da die Kompetenzendes Bundes aufgrund von Art. 30 GG eindeutig Ausnahmen von der Regel "keine kulturelle Befugnisse des Bundes" sind. Selbst wenn dies nur das Verhältnis zwischen Bund und Ländern betrifft, bliebe doch die Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Staat und Kunst den Ländern vorbehalten, so daß man für Einzelheiten auf die Landesverfassungen zurückgreifen müßte. 78 79

Vgl. nur von Mangoldt, S. 5.

Bspw. das Schulrecht; vgl. Ehlers, Hauptausschuß, 43. Sitzung, Sten. Prot. S. 556 f; Bergsträsser, Hauptausschuß, Sten. Prot., 22. Sitzung, 256. Ebenso BVerfGE 41, 29, 45 f. (badische Simultanschule): "Dem Bund wurde diese Regelungsmaterie nicht zugewiesen, weil die religiöse und weltanschauliche Ausprägung der Schulerziehung umstritten war, die Erfahrungen der Weimarer Zeit... dagegen sprachen und weil sich die Schulgesetzgebung in den Ländern nach 1945 eigenständig weiterentwickelt hatte ... ".

56

Teil 1 : Staatliche Kunstförderung

das ergibt sich schon aus Art. 31 G G und aus dem Anspruch der Landesverfassungen, die nur das Landesverfassungsrecht regeln wollen. 8 0 Bei den Beratungen des Grundgesetzes

wurde das Thema der Kulturstaat-

lichkeit nur von Dr. Seebohm (DP) angesprochen und bejaht: "Wir sind der Ansicht, daß diese drei Gebiete der Politik, also des Staatslebens, der Wirtschaft und des Geisteslebens sich frei und unabhängig voneinander entfalten und entwickeln müssen ... Deshalb haben wir in unserem Verfassungsvorschlag gerade für das Kulturleben ... eine klare und eindeutige Autonomie vorgeschlagen. Wir haben in diesem Verfassungsentwurf vorgeschlagen, daß das künstlerische und kulturelle Schaffen als wichtiger Ausgleich gegen die Verarmung der Gemütskräfte zu fördern ist. Es soll sich frei von staatlicher Bevormundung halten. Die Teilnahme an den Kulturgüter ist dem gesamten Volk zu erschließen. Überlieferung, Brauchtum, Sprache und Kultur der Heimat sind zu pflegen. Die Abwanderung deutschen Kunstbesitzes ist zu verhüten. " 8 1 Die Argumentation Dr. Seebohms ist aber verfassungsrechtlich nicht haltbar: Weder kann bewiesen werden, daß die "Gemütskräfte verarmen", noch, daß künstlerisches und kulturelles Schaffen sie bereichert. 82 Und schließlich kann man Dr. Seebohm auch nicht darin folgen, daß der Staat mit Blick auf die "geistige Aufgabe einer bestimmten Gemeinschaft im Rahmen der Evolution der Menschheit" 83 verpflichtet sei, der Verarmung der Gemütskräfte entgegenzuwirken - nach dem G G hat der Staat weder eine solche Aufgabe, noch die wohlfahrtstaatliche Pflicht, seine Bürger zu bessern. 84

80 Nach den Landesverfassungen geben die Landesvölker regelmäßig sich die Verfassung; vgl. nur den Vorspruch der Verf. von Baden-Württemberg. 81 3. Sitzung des Pari. Rates am 9. 9. 1948, Sten. Prot., S. 27 ff., S. 48. So sogar noch 1981 Reuhl, JZ 81, 321 und 324, nach dem man auf die öffentliche Bedeutung der Kultur zurückgreifen muß, "mit der sie in vorstaatlicher Zeit praktische Staatsfunktionen übernahm. Kultur war in der Geschichte sozialer Gemeinschaften schon immer die Konfiguration aller Lebens- und Erkenntnisformen, die zu einem ausgeglichenen Verhältnis zwischen Individuum und Staat beitragen sollten ... Der Politik stellt sich dabei vor allem die Aufgabe, dem Einzelnen und der Gesellschaft Orientierungen in der schwierigen Zone zwischen den Anforderungen der traditionellen Kulturkräfte und den Möglichkeitendes wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts zu vermitteln" und 1983 Evers, NJW 83, 2161, 2167: "Schutz, Pflege und Gestaltung der Kultur durch das Gemeinwesen ist daher ein notwendiger Beitrag zur Erhaltung der Existenz des Staates und seiner Bürger in einem umfassenden Sinne. " 82 Was ist mit "Gemütskräften" gemeint? Kann nur künstlerisches Schaffen die Verarmung ausgleichen, sind nur Künstler zu fördern (sollten moralische Qualitäten gemeint sein, ist eine begünstigende Wirkung künstlerischen Schaffens jedenfalls nicht für alle Künstler nachzuweisen). 83 A.a.O. Allerdings spricht er selbst für eine "Ablehnung nationalstaatlicher Prinzipien", a.a.O., S. 49. Unter diesem Blickwinkel scheint es folgerichtiger, nationale Kultur - wenn es eine solche denn gibt - ins europäische Ausland zu exportieren.

III. Verpflichtung des Staates zur Kunstförderung?

57

Ebenfalls nicht überzeugend in diesem Zusammenhang ist das {gewohnheitsrechtliche) Argument, staatliche Kunstförderung habe es - auch im demokratischen Deutschland - schon immer gegeben;85 aus diesem Grunde gebiete es das "Merkmal des "Traditionellen" und "Herkömmlichen"" sowie die Staatspraxis, auf diesem Wege weiter zu gehen.86 Denn diese Argumentation verstößt eindeutig gegen die Entscheidung des Verfassungsgebers des Grundgesetzes, Art. 142 Satz 2, 150 und 158 Abs. 2 WRV nicht ins Grundgesetz zu übernehmen (s.o.). Während die Länder ggf. nach ihren Landesverfassungen verpflichtet sein können, fehlt es beim Bund außerdem an einer weiteren Voraussetzung des Gewohnheitsrechts: die tatsächliche Übung über einen längeren Zeitraum muß in dem Bewußtsein erfolgen, eine rechtliche Pflicht zu erfüllen. 87 Ein solches Bewußtsein kann sich auf der Ebene des Bundes angesichts der eindeutigen Kompetenzlage im kulturellen Bereich nicht gebildet haben. Schließlich stößt Verfassungsgewohnheitsrecht auf Bedenken hinsichtlich Art. 79 Abs. 1 Satz 1 GG, weshalb das BVerfG die Anwendung der Merkmale des "Traditionellen" und "Herkömmlichen" auch nur als Auslegungsmittel, nicht jedoch zur Kompetenzbegründung heranzieht.88

e) Zusammenfassung Weder aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG noch aus einer "Kulturstaatsqualität" der Bundesrepublik kann also eine Pflicht des Staates zur Kunstförderung hergeleitet werden, und zwar weder gegenüber der Kunst89 noch gegenüber

84

Vgl. auch die Begründung des Parteienfinanzierungsurteils, BVerfGE 20, 56, 102 f.; s.o. S. 51 ff.- Zum wohlfahrtstaatlichen Ansatz s. Link, VVDStRL 48, 7, 35 m.w.N. und unten S. 59 f. 85

Vgl. nur Schäuble, S. 5.

86

Diesen Merkmalen kommt nach der Rechtsprechung des BVerfG wesentliche Bedeutung zu, allerdings nur für solche Begriffe, deren ausreichende Bestimmung nach Wortlaut und systematischem Zusammenhang nicht möglich ist, BVerfGE 41, 205, 220 (Gebäudeversicherungsmonopole) für den Begriff "privatrechtliches Versicherungswesen". 87

Larenz, S. 341.

88

BVerfGE 33, 125, 152 (Facharzt); 41, 205, 220 (Gebäudeversicherungsmonopol);65, 1, 39 (Volkszählung). S. auch unten Teil 2, S. 145 ff. 89 So kann aus Art. 5 Abs. 3 GG heute nicht mehr eine Pflicht des Staates hergeleitet werden, Lehr- und Bildungsanstalten im Kunstbereich zu verstaatlichen, um die Würde der Kunst zu wahren; so aber Kugler, Gründung, S. 583 f.

58

Teil 1 : Staatliche Kunstförderung

dem Kunstwerk, noch schließlich gegenüber dem Künstler90 oder der Gesellschaft, denn - Art. 5 Abs. 3 GG verpflichtet den Staat nicht ausdrücklich zur Kunstförderung; - die Kulturstaatlichkeit der Bundesrepublik findet keine Stütze im Grundgesetz; - ein Eingriff Dritter in die durch Art. 5 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich anerkannte Kunstfreiheit, der den Staat verpflichtet, zum Schutz eines Verfassungsgutes einzugreifen, liegt nicht vor; - die Veränderung der allgemeinen Lebensumstände Zeit und Geschmack im Bereich der Kunst führt zu keiner Verpflichtung für den Staat, einzugreifen. Außerdem ist eine Verschlechterung der Umstände gegenüber der Lage bei Erlaß des Grundgesetzes nicht ersichtlich. - Eine Sonderbelastung des Lebensbereichs Kunst durch den Staat, die diesen im Gegenzug zu Ausgleichsmaßnahmen verpflichtet, liegt nicht vor. - Die historische Auslegung kann die Pflichten des Staates nach der Verfassung nicht über deren Wortlaut hinaus erweitern.

2. Die Menschenwürde

Die These Dr. Seebohms von der Bereicherung der Gemütskräfte durch Kunst legt immerhin nahe zu prüfen, ob der Staat nicht unter dem Aspekt der Menschenwürde zur Kunstförderung verpflichtet ist.91 Hier sind zunächst zwei Fragen zu klären: Wie weit besteht ein Anspruch gegen den Staat auf Förderung der Menschenwürde? Wie ist das Verhältnis zwischen Kunst und Menschenwürde?

90

So auch Bull, S. 205: "Insbesondere kann es nicht Sinn der Freiheitsrechte sein, sich auf Kosten der Allgemeinheit zu betätigen, d.h. sich die zur Ausübung von Freiheiten benötigten Güter unentgeltlich zu beschaffen... ". Bull kommt aber doch zu einer Staatsaufgabe der Kulturförderung, weil der Staat "die Entfaltung aller Fähigkeiten möglichst aller ihm angehörenden Menschen zu fördern hat" (S. 304, ohne Angabe einer Rechtsgrundlage). 91

Vgl. hierzu auch Geis, S. 235 f. und 268 Ziff. 20 mit Hinweis auf Art. 1 Abs. 1 GG und die Konkretisierung in einzelnen Grundrechten; Häberle, § 20, Rz. 60.

III. Verpflichtung des Staates zur Kunstförderung?

59

Art. 1 Abs. 1 GG gebietet es dem Staat, die Menschenwürde zu achten und vor Eingriffen durch Dritte zu schützen, insbesondere vor "Erniedrigung, Brandmarkung, Verfolgung, Ächtung usw."92 Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistet damit den Anspruch jedes Menschen im Geltungsbereich des Grundgesetzes auf ein "menschenwürdiges Dasein". Hierzu gehört jedenfalls die Sicherung des Existenzminimums durch den Staat.93 Dieser Bedarf wird in der Bundesrepublik für alle Berufsgruppen durch die Sozialhilfe 94 gedeckt. Die Frage ist aber, ob die Pflicht des Staates aus Art. 1 Abs. 1 GG mit der Gewährleistung der äußeren Bedingungen des Existenzminimums erfüllt ist. Gehört zu einem menschenwürdigen Dasein nicht mehr als Wohnung und Nahrung, insbesondere die Bereitstellung einer der Menschenwürde des Einzelnen entsprechenden Kunst? 95 Diese Frage wirft unüberwindliche Schwierigkeiten auf: Wer könnte kontrollieren, welches Maß an Kunst (und in welcher Qualität) für die Menschenwürde des jeweils Betroffenen erforderlich ist? Oder gibt es ein einheitliches Minimum dessen, was für jeden an Kunst (und an welcher?) erforderlich ist, um ein menschenwürdiges Dasein zu führen? Wer sollte dies festlegen und wie sollte man insbesondere Kunst da verwalten, wo das Angebot eine natürliche Beschränkung aufweist? Man stelle sich die

92 BVerfGE 1, 97, 104 (Bundesversorgungsgesetz).- Mag die Qualifizierung von Art. 1 Abs. 1 GG als Grundrecht auch im Hinblick auf Art. 1 Abs. 3 GG zweifelhaft sein, so ist doch anerkannt, daß sich aus Art. 1 Abs. 1 GG staaüiche Pflichten und Rechte der Menschen ableiten lassen, vgl. nur Krametz, S. 283 f. 93 Dieses ist allerdings auch durch Art. 2 Abs. 2 GG gewährleistet; hierzu JarassiJP, Art. 1 Rz. 8. 94

Die Sozialhilfe umfaßt Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe in besonderen Lebenslagen. Aufgabe der Sozialhilfe ist es, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Die Hilfe soll ihn soweit wie möglich befähigen, unabhängig von ihr zu leben; hierbei muß er nach seinen Kräften mitwirken (§ 1 BSHG). Das Sozialhilfegesetz ist allerdings keine bindende Auslegung von Art. 1 Abs. 1 GG. 95 So geht das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 11. 3. 92 zur Situation des Künstlers in der Europäischen Gemeinschaft ausdrücklich von einer Pflicht der Mitgliedstaaten aus, den kulturellen Bedürfnissen des Bürgers genauso Rechnung zu tragen wie seiner materiellen Versorgung; ABl. 92/C 94/213, lit. Α. Ebenso Maunz, Kulturhoheit, S. 86 ("Der Zugang zu den kulturellen Werten gehört zur Würde des Menschen und zur freien Entfaltung der Persönlichkeit ...") und Kilian, S. 113. Auch nach Götte, Kultusministerin von Rheinland-Pfalz, Kultursommer 1992, FAZ vom 12. 5. 1992, ist Kultur "Lebensmittel für alle". Ähnlich Geis, S. 235: "Ist nämlich Kultur nichts anderes als die Vermittlung von Individualität, so ergibt sich gerade aus dem Instrumentalcharakter des Staates, der die Menschenwürde zum obersten Prinzip erhebt, eine Verpflichtung zur Kunstpflege, d.h. eben zur Ermöglichung der Selbstentfaltung aller individuellen geistigen Anlagen. " Geis sieht aber selber, daß diese Kulturdefinition nur die Probleme von Art. 5 Abs. 3 GG auf die Begrenzung des weiten Art. 1 Abs. 1 GG (insbes. durch Art. 3 GG) verschieben, S. 235 und ZG 92, 38, 47.

60

Teil 1 : Staatliche Kunstförderung

Situation nur am Beispiel von Konzertkarten vor: wer wäre für welche Kategorie von Platzkarten anspruchsberechtigt? 96 Eine Entscheidung dieser Fragen wäre zwangsläufig eine wohlfahrtsstaatliche Entscheidung mit dem Ziel der Förderung der Menschenwürde der Kunstkonsumenten, 97 als solche aber gerade nicht mit der Menschenwürde als Garantie der individuellen Entscheidungsfreiheit 98 vereinbar. Sie wäre daher rechtswidrig. 99 Der Einwand wohlfahrtstaatlicher Bevormundung des Konsumenten greift zwar nicht beim Voucher-System, bei dem Gutscheine verteilt werden, deren Wert auf Eintrittskarten verrechnet wird (die Veranstalter holen sich den Wert dann bei dem Förderer, der die Gutscheine ausgegeben hat, wieder). 1 0 0 Er greift auch nicht beim Verleih von Kunst durch Artotheken 101

und der

Kunstförderung über steuerlich begünstigte Spenden, 102 denn in allen diesen Fällen treffen die Konsumenten ihre Entscheidung selbst. Die Mehrheit der derzeitigen

staatlichen Förderung

knüpft aber bei der Verteilung der Mittel an

den Künstler oder die Kunstinstitution an. 1 0 3 Sie läßt sich daher nicht aus der Menschenwürde der Kunstkonsumenten

ableiten.

96

Gerade aus der Begrenztheit des kulturellen Angebots folgt aber nach Roellecke, DÖV 83, 653, 658, die Pflicht des Staates zu kulturellem Engagement. Dieses Problem stellt sich aber bei allen Luxusgütern; "Kultur für alle" stößt an ähnliche Grenzen wie "Kaviar für alle", nämlich an die Frage, bis zu welcher Grenze ein Staat, der verpflichtet ist, seinen Bürgern ein Existenzminimum zu sichern, auch für Luxusgüter sorgen muß. 97 So auch Grimm, VVDStRL 42, 46, 65. Grimm bietet auf S. 54 ff. einen guten Überblick über die Stellung des Staates zur Kunstförderung im Wohlfahrtsstaat, liberalen Rechtsstaat und während der preußischen Reformen. 98 Das BVerfG leitet das Recht einer privaten Lebensgestaltung aus Art. 2 Abs.l in Verbindung mit Art. 1 Abs.l GG her, BVerfGE 35, 202, 219 f. (Lebach); in BVerfGE 5, 85, 204 (KPD) aus der Menschenwürde. Für einen Limitierung des staatlichen Wohlfahrtszweckes durch das GG auch Ress, VVDStRL 48, 56, 101.- Dagegen ist nachLM, VVDStRL 48, 7, 25, die Bestimmung des Gemeinwohls im demokratischen Prozeß zulässig. Zur Beschränkung staatlicher Befugnisse über das Subsidiaritätsprinzip s.o. Fn. 24. 99

Das Problem läßt sich auch nicht durch die Verlagerung der Entscheidung auf pluralistische Gremien lösen, da die Entscheidung letztlich doch eine des Staates ist; s. Häberle, Kulturstaat, S. 41, insbes. Fn. 120. 100 Beschreibung des Systems und wirtschaftliche Beurteilung bei Horlacher, S. 122 ff. S. auch Pommerehne/Frey, JfS 38, 259, 269 f. 101

Diese verleihen Kunst wie Bibliotheken Bücher, vgl. Fohrbeck, Kunstförderung, S. 174 ff.

102

Beide Arten vermeiden nicht nur die wohlfahrtsstaatliche Kunstbewertung, sondern fördern gleichzeitig das Interesse der Gutscheininhaber an der Kunst, die die Auswahlentscheidung treffen müssen; s. Pommerehne/Frey, JfS 38, 259, 269. 103

Vgl. Einleitung, S. 28 ff.

III. Verpflichtung des Staates zur Kunstförderung?

61

Aber auch die den Konsumenten direkt begünstigende Förderung durch das Voucher-System oder Artotheken geht über das hinaus, was der Staat gemäß Art. 1 Abs. 1 GG für seine Menschen bereitstellen muß. 104 Denn die Ableitung von Ansprüchen aus Art. 1 Abs. 1 GG, die über das Existenzmwwzw/w hinausgehen, berücksichtigt nicht, daß das Versprechen aus Art. 1 Abs. 1 GG, wenn es unabhängig von der staatlichen Finanzlage eingelöst werden soll, notwendigerweise nicht über ein Minimum hinausgehen kann.105 Zu prüfen ist schließlich die Pflicht des Staates aus Art. 1 Abs. 1 GG, Künstler, die unterhalb ihres Existenzminimums leben, zu fördern. Da das "normale" Existenzminimum durch die Sozialhilfe gewährleistet wird, könnte eine Sonderleistung an Künstler nur dann die Pflicht des Staates auf Gewährleistung des Existenzminimums erfüllen, wenn man von einem gegenüber anderen Berufen erhöhten Existenzminimum des Kunstschaffenden ausginge. Dies bedürfte mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG einer besonderen Rechtfertigung. Als Rechtfertigungsnorm käme im Vergleich zu anderen Berufsgruppen höchstens Art. 5 Abs. 3 GG in Betracht. Daß diese Norm zumindest nicht eine Besserstellung der Künstler gebietet, wurde oben bereits dargelegt.106 Auch muß darauf hingewiesen werden, daß die Menschenwürde eine Differenzierung nach dem Beruf nicht zuläßt. Auch aus Art. 1 Abs. 1 GG kann eine Kunstförderungspflicht des Staates daher nicht abgeleitet werden.

104

Zu Beschränkungendes Staates s.o. S. 39 ff.

105

StarckhM, Art. 1 Rz. 24. Eine Beschränkung der staatlichen Verantwortung auf "lebensnotwendige Güter" wie Ernährung, Wohnung, Versorgung im Krankheitsfall und Pflege vertritt auch Zacher, § 25 Rn. 30. Diese Auffassung berücksichtigt die Gefahren, die für eine Verfassung dadurch entstehen, daß aus finanziellen Gründen Verfassungstext und Verfassungsrealität auseinanderfallen. Ebenso nur für materielle Sicherung Zippelius/BK, Art. 1 Abs. 1 und 2, Rn. 102; Podlech/AK, Art. 1 Abs. 1, Rn. 23 und 44. Auch aus dem anerkannten Recht auf Arbeit (ders., Rn. 24) folge nicht die Ermöglichung jeglichen Berufs.- Auch Dürig, der den Menschen als Leib-Seele-Geist-Einheit auffaßt, leitet aus Art. 1 Abs. 1 GG nur die Pflicht des Staates her, die "äußeren materiellen Leibes- und Lebensbedingungen" zu gewährleisten, AöR 81, 117, 131. 106 S. oben S. 39 ff., 46 ff.- A.A. aber bspw. Ridder, S. 21, der eine Pflicht des Staates zur Kunstförderung bejaht, um "um der Würde der Menschen willen" den Künstler von (einseitigem) künstlerischem Engagement (S. 22) und dem "Ausgeliefertsein an das Publikum en large" (S. 24) zu befreien. Daß er damit die Allgemeinheit ohne Rücksicht auf deren Menschenwürde zu (pauschalem) künsderischem Engagement verpflichtet, scheint ihn nicht zu stören. Ebenso György Konrad auf der Tagung Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung 1994, der für Künstier, die von einem Fachgremium anerkannt sind, das Durchschnittsgehalteines Staatsbeamten fordert; Siegfried Stadler, Leipziger Allgemeinplätze, FAZ vom 2. 5. 94, S. 38.

62

Teil 1 : Staatliche Kunstförderung 3. Das Sozialstaatsprinzip

Schließlich könnte das Sozialstaatsprinzip den Staat verpflichten, tätig zu werden. Das Sozialstaatsprinzip ist nach seiner Stellung im Grundgesetz (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 1) kein Grundrecht. Daher kann sich der Bürger nicht unmittelbar auf das Sozialstaatsprinzip berufen, um Ansprüche gegen den Staat geltend zu machen.107 - Allerdings ist das Sozialstaatsprinzip Auslegungskriterium für Grundrechte und kann im Zusammenhang mit diesen einklagbare Ansprüche hergeben.108 Als Anknüpfungspunkte kommen hier wieder die Grundrechte aus Art. 5 Abs. 3 und 1 Abs. 1 GG in Betracht, die jeweils allein nicht zu einer staatlichen Förderungspflicht führen (s.o.). Fraglich ist, ob sich dieses Ergebnis ändert, wenn man die genannten Normen in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip betrachtet. Voraussetzung für staatliche Leistungspflichtenaufgrund des Sozialstaatsprinzips ist entweder, daß die Interessen und die soziale Schutzbedürftigkeit der Betroffenen ein Handeln des Staates erfordern, weil diese sich selbst nicht helfen können,109 oder -

"daß die staadiche Gemeinschaft ... Lasten mitträgt, die aus einem von der Gesamtheit zu tragenden Schicksal, namentlich durch Eingriffe von außen, entstanden sind und mehr oder weniger zufällig nur einige Bürger oder bestimmte Gruppen getroffen haben."110

Die Art der Hilfe steht grundsätzlich im Ermessen des Gesetzgebers;111 es besteht keine Verpflichtung des Staates zur allgemeinen Daseinsvorsorge für den Bürger, 112 dessen Ansprüche "unter dem Vorbehalt des Möglichen im

107 Hierzu Herzog!MD, Art. 20, VIII, Rz. 28, mit systematischer Begründung (Stellung der Sozialstaatsklausel gerade nicht im Grundrechtsteil der Verfassung), Martens, VVDStRL 30, 7, 31 f. 108 Vgl. BVerfGE 33, 303, 331 f. (numerus clausus): der Anspruch folgte hier aus dem Gleichheitssatz, Art. 12 GG und dem Sozialstaatsprinzip. Ebenso BVerfGE 75, 40, 65 f. (Privatschulen): hier folgte die Pflicht aus dem sozialstaatlichen Gehalt von Art. 7 Abs. 4 GG. 109

BVerfGE 9, 20, 35 (Arbeitslosenhilfe: "wirkliche Bedürftigkeit"); 18, 257, 267 (Rentenversicherung des Ehegatten: keine staadiche Pflicht, da Möglichkeit privater Versicherung), und 40, 121, 133 (Waisenrente: Ableitung der Pflicht aus einer die Kräfte des Einzelnen übersteigenden Hilfsbedürftigkeit). 1,0

BVerfGE 27, 253, 283 (Besatzungsschäden).

111

BVerfGE 10, 354, 371 (bayerische Ärzteversorgung); BVerfGE 18, 257, 267 und 273 (Rentenversicherung des Ehegatten); BVerfGE 40, 121 ff., 133 (Waisenrente). 112 Eine auch kulturelle Bedürfnisse umfassende staadiche Fürsorgepflicht bejahen auch Wolff/Bachof, § 138 I a, RN 2, S. 190 (aber in c, RN 5, S. 192, nur noch die Sicherung des Existenzminimums).- Pappermann, DVB1 80, 701, 706 f., leitet ein Recht auf Kulturteilhabe aus

III. Verpflichtung des Staates zur Kunstförderung? Sinne dessen, was der Einzelne vernünftigerweise

63

von der Gesellschaft

beanspruchen kann" stehen. 113 Ist nun der Staat als Sozialstaat auf künstlerischem

Gebiet verpflichtet? Da

eine besondere Belastung, die den Künstler als Teil der Gemeinschaft trifft (s.o. Fall 2), nicht ersichtlich ist, muß sich die Frage darauf konzentrieren, ob die Künstler sich nicht selbst helfen können und ihnen aus diesem Grund geholfen werden muß (s.o. Fall 1). Den angestellten Künstlern 114 wird dieselbe soziale Sicherung zuteil wie anderen Angestellten auch.

Die Untersuchung reduziert

sich daher

auf

freiberufliche 115 oder arbeitslose Künstler. Diese tragen grundsätzlich nur das gleiche wirtschaftliche Risiko wie andere selbständige Berufe oder andere Arbeitslose und fallen wie diese in wirtschaftlichen Notfällen unter die Sozialhilfe (s.o.). Eine darüber hinausgehende besondere Unterstützungspflicht des Staates bestände nur dann, wenn die Künstler als Berufsgruppe besondere Gründe hätten, weshalb sie mit der allgemeinen Sozialhilfe nicht auskommen könnten. Solche Gründe sind aber nicht ersichtlich. Eine staatliche Handlungspflicht ist daher aus dem Sozialstaatsprinzip nicht abzuleiten. 116

den "sozialstaatlich begründbaren Aspekten" der Kulturarbeit mit "kommunikativem, gemeinschaftsbildendem Charakter" ab, die eine schöpferische und geistig geeignete Reaktionsform auf geänderte Lebensbedingungen ermöglichen.- Nach Evers, NJW 83, 2161, 2162, gehört es zu den Aufgaben des Sozialstaats, die kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen, insbes. jedermann reale Möglichkeiten kultureller Selbstentfaltung zu sichern". 113

BVerfGE

33, 303, 333.

114

Und das ist die Mehrheit, freiberuflich sind nur wenige Künstier tätig, nämlich 49.100 bildende Künstier, 20.900 darstellende Künstler, 25.500 Musiker, 48.500 Publizisten; bart., "Brotlose Kunst", FAZ vom 14. 3. 1992. 115 Von den Freiberuflern lebt nach einer Untersuchung des Ifo-Instituts ein Großteil der Vollzeiterwerbstätigen mit einem Einkommen unter Sozialhilfeniveau; bart., "Brotlose Kunst", FAZ vom 14. 3. 1992 (zum Vergleich: in den USA leben nach einer Untersuchung der New Yorker Columbia Universität nur 14 % der Maler der USA vom Verkauf ihrer Bilder, der Rest verdient in anderen Berufen dazu; dpa, Amerikas Maler, FAZ vom 24. 10. 1991).- Die freiberuflichen Künstler fielen allerdings schon im Künstiersozialbericht 1975 (BT/Drucks. 7/3071, S. 61) auf als Berufsgruppe, bei der eine häufig fehlende Bereitschaft zur Vorsorge zu finden war; dies wurde auch in der Begründung des Gesetzesentwurfs zum Künstlersozialversicherungsgesetz, BT-Drucks. 9/26, S. 16, 17 (zum Bundeszuschuß), erneut festgestellt und als Begründung für die bei anderen Berufen nicht gegebene Sonderlage hinzugefügt: "Insoweit trägt auch die Gesamtheit der Bürger zur sozialen Sicherung derjenigen bei, die die Voraussetzungen für das kulturelle Leben dieser Gesellschaft schaffen." 116

Ebenso Knies, AfP 78, 57, 59. Auch Hesse, Grundzüge, Rn. 215, betont, daß dem

64

Teil 1 : Staatliche Kunstförderung 4. Kunstförderung als Teil einer staatlichen Bildungsaufgabe Z u prüfen bleibt schließlich, ob der Staat die Aufgabe hat, seine Büger -

auch mit Mitteln der Kunst - zu bilden. Dabei geht es hier nicht um moralische Bildung, die als staatliche Aufgabe schon oben abgelehnt wurde (S. 38 f.), sondern um Bildung im Sinne von Wissensvermittlung. Entscheidend ist, was für Wissen vermittelt werden soll. Staatliche Bildungsförderung kann sich darauf richten, Bildung i m Sinne einer Allgemeinbildung

zu heben. Schon v. Humboldt betonte das wirtschaft-

liche Interesse des Staates an Allgemeinbildung: Da bei nur einseitiger Bildung kein Fundament für einen erforderlichen Berufswechsel der Bürger vorhanden sei, "so ladet sich der Staat die Last auf, diese ... versorgen zu müssen".117 Als geeignetes Mittel zur Hebung der Allgemeinbildung und Steigerung der Lebenstüchtigkeit wurde auch Kunst angesehen. 118 Da aber die Bildung durch Kunst überwiegend über "moralische Bildung" erfolgt, rückt sie in bedenkliche Nähe zum wohlfahrtstaatlichen Ansatz, bei dem die moralische "Besserung" des Menschen im Vordergrund steht. 119 Moralische "Besserung" ist aber nicht

Sozialstaatsprinzip durch den Vorrang selbstverantwoitlicher Freiheit gegen wohlfahrts- und versorgungsstaatiiche Ansätze Grenzen gezogen sind. Kritisch auch H.-C. Link, VVDStRL 48, 7, 36.- Nach Steiner, § 86, Rn. 6, wird das Sozialstaatsprinzip durch die Pflicht des Staates, akzeptable Zugangsbedingungenzur öffentlichen Kultur zu schaffen, und die öffendiche Hilfe zur Entfaltung kultureller Fähigkeiten des Einzelnen immerhin berührt. 117

Vgl. v. Humboldt, S. 217 f.

118

So bspw. von Maximilian I von Bayern, Stiftungsurkunde der Münchener Akademie 1808, zitiert nach Carriere , S. 167: "Denn die Liebe für Maß und Schicklichkeit, welche die Kunst einflößt, geht endlich auf das Leben über und lehrt auch in diesem das Zweckmäßige und Gebüdete vorzugsweise suchen". 119 Vgl. Carriere , S. 165: Sobald sich das Verständnis vom Staat "dazu erweitert, daß in ihm die Gesellschaft auch eine Fülle von Gütern materieller Wohlfahrt und idealer Bildung erwirbt, die dem Einzelnen für sich allein versagt wären, sobald ... auch diese positiven Zwecke der politischen Vereinigung zum Bewußtsein kommen, dann kann auch die Sorge für das Schöne, die Pflege der Kunst nicht mehr bloß dem gottbegnadeten Genius des Künstlers, nicht mehr bloß der immerhin zufälligen Theilnahme kunstsinniger Fürsten und erleuchteter Staatmänner überlassen bleiben, sondern muß als eine öffendiche Angelegenheit, als eine Sache des Volkes anerkannt werden. " Eine Kunstförde-rungspflichtdes Staates sei nur abzulehnen, wenn "man im Staate nur eine Anstalt zum Schutz der Person und des Eigenthums sieht und ihn darauf beschränkt, daß er die Bedingungen gewährleiste, ohne welche eine freie Entwicklung des Individuums und eine menschliche Gemeinsamkeit nicht möglich wäre ... ".

III. Verpflichtung des Staates zur Kunstförderung?

65

Aufgabe des Staates, 120 ebensowenig wie das wirtschaftliche Interesse des Staates an Allgemeinbildung zu einer staatlichen Verpflichtung

fuhren kann.

Eine Pflicht zur Vermittlung von Allgemeinbildung trifft den Staat höchstens gegenüber der Jugend (Art. 6 Abs. 2, Art. 7 G G ) . 1 2 1 Bildungsmaßnahmen des Staates unter Einsatz des Mittels "Kunst" können sich auch auf die Vermittlung politischer Bildung richten. Der Staat nimmt dann gewissermaßen "eigene Interessen" wahr, denn die Demokratie lebt vom informierten Bürger. 1 2 2 Ein neueres Beispiel für Förderung politischer Bildung durch eine kulturelle Maßnahme ist das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 123 dessen Aufgabe es ist, "das Verständnis für die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, die für die Mehrheit der Bevölkerung bereits die eigene erlebte Vergangenheit darstellt, zu fördern. ... Im Mittelpunkt wird die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland stehen, jedoch im größeren nationalen, die Geschichte des geteilten Deutschland mit einbeziehenden Rahmen wie auch im untrennbaren Zusammenhang mit den demokratischen Traditionen und Entwicklungen der westlichen Welt. Der Beitrag der Länder zum Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg und zur Entstehung der Bundesrepublik Deutschland sowie die Aufgaben und Leistungen der Länder als Gliedstaaten der Bundesrepublik Deutschland werden gebührende Berücksichtigungfinden. " 1 2 4

120

Vgl. BVerfGE 22, 180, 219 f. (Jugendwohlfahrtund Bundessozialhilfegesetz).-Unter Staat im hier gebrauchten Sinne sind Bund und Länder im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten zu verstehen. 121

Vgl. auchßw//, S. 318 ff.- Dagegen hat sich die Erwachsenenbildung aus gesellschaftlicher Initiative entwickelt (Volkshochschulen, Volksbüchereien, Volksbühnen) und wurde erst spät vom Staat übernommen; Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 68 ff. 122 Schon Art. 148 I und III WRV ordneten an: "In allen Schulen ist ... staatsbürgerliche Gesinnung ... im Geiste des deutschen Volkstums und der Völkerversöhnung zu erstreben. Staatsbürgerkunde und Arbeitsunterricht sind Lehrfächer in den Schulen. Jeder Schüler erhält bei Beendigung der Schulpflicht einen Abdruck der Verfassung." S. auch Art. 21 Verf.-BW und die Bundes- und Landeszentralen für politische Bildung.- Die Information der Bürger ist nach DahrendorfS. 230, vorderstes Bildungsziel: "Jeder Mensch hat das Recht auf eine intensive Grundausbildung, die ihn befähigt, von seinen staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten wirksamen Gebrauch zu machen."- So auch der Ansatz der liberal-rechtsstaatlichen Lehre, vgl. Grimm, VVDStRL 42,46, 55. Für die Beschränkung der "staatsbürgerlichen Bildung" auf "jüngere Bürger" (so Bull, S. 321) gibt es m.E. keinen Grund. 123

Hierzu auch unten Teil 2 S. 141.

124

BT-Drcks. 10/2237, S. 34. Mit dem Museum wollte man "dem stärker gewordenen Bedürfnis der Gesellschaft, sich mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen, Rechnung tragen"; so die Bundesbauministerin, zitiert nach BM, Richtfest für das Haus der Geschichte in Bonn, FAZ vom 28. 6. 1991; dort ebenfalls Bericht über das Richtfest am 27. 6. 1991. S. auch BHHP 92, Kap. 25, S. 51. Zu den Kosten für den Bund s. Teil 2, Fn. 316. 5 Geißler

66

Teil 1 : Staatliche Kunstförderung

Soweit der Staat zur Vermittlung von politischer Bildung Kunst einsetzt, handelt es sich nicht um gezielte Förderung von Kunst; Kunst ist nur Mittel zum Zweck, 125 und zwar ein Mittel, das der Staat nur im Rahmen des Zieles, also nicht unbeschränkt einsetzen darf. 126 - Aufgrund dieser Beschränkungen ist jedenfalls eine Pflicht des Staates zur politischen Selbstdarstellung mit Mitteln der Kunst abzulehnen, ohne daß hier geklärt werden muß, ob der Staat überhaupt zur politischen Bildung verpflichtet oder nur berechtigt ist. 127

I V . Ergebnis

1. Der Staat ist in seinem Recht, Kunst zu fördern, nur durch die Kompetenzordnung beschränkt. Er hat allerdings bei seiner Förderung den Anforderungen von Art. 3 GG zu genügen. Eine Pflicht des Staates zur Kunstförderung besteht nicht. 2. "Kunstförderung" ist ein Ausdruck, der das eigentliche Ziel der Maßnahme nicht offenbart. Selbst wenn konkrete Kunstförderungsmaßnahmen mit einer Begründung versehen sind, läßt sich nur schwer feststellen, wer außer dem Adressaten begünstigt wird. Das Motiv, aus dem heraus der Fördernde tätig wird, läßt sich kaum feststellen. 3. Aus den unter 2. genannten Gründen und der Anfälligkeit von künstlerischen Werturteilen für Irrationalität ("Kunst ist schön, Kunstgenuß etwas Gutes")128 sowie vor dem Hintergrund von Art. 2 Abs. 1 GG als Freiheits-

125

Problematisch allerdings Maßnahmen wie der Spielfilmwettbewerb der Bundeszentrale für politische Bildung, Roland Rust, Zwischen Aufruf und Nachruf, FAZ vom 20. 4. 1991, S. 29.- Das Problem stellt sich übrigens weniger im Rahmen der staatsbürgerlichen Bildung, sondern vor allem im Rahmen der nationalen Repräsentation, für die das hier Gesagte ebenso gilt. 126 Die Beschränkungen aus BVerfGE 12, 205, 252 f. (Deutschland-Fernsehen) gegenüber einem "nationalrepräsentativen" Einsatz von Kunst sind auf die Vermittlung politischer Bildung entsprechend anzuwenden, ohne daß das Verhältnis zwischen beiden Verwendungsarten abschließend geklärt werden muß. 127

Eine Verpflichtung könnte sich nur aus dem Aspekt ergeben, daß politische Information Voraussetzung eines demokratischen Staates ist und daher eine staadiche Pflicht zur Selbsterhaltung besteht. 128

S. nur die ironische Stellungnahme Isensees, VVDStRL 42, 133: "Wer "Kultur" sagt, hat

IV. Ergebnis

67

recht gegen eine umfassende Staatsgewalt besteht ein Bedürfnis danach, daß sich der Staat nicht einfach auf "Kunstförderung" beruft, sondern unter dem Aspekt der Akzeptanzwerbung, aber auch der Kontrollierbarkeit darlegt, warum er eine Maßnahme beschließt. Exkurs: Die genannten Bedenken gelten auch da, wo Kunst nur als Mittel zum Zweck eingesetzt wird, es sich also dem Ziel nach gar nicht um Kunstförderung handelt. Hier ist in jedem Fall die Begrenzung des Mitteleinsatzes durch den Zweck vorrangig. Es kann aber an verschiedenen Punkten zu einer Gemengelage von Kunstförderung und einem weiteren Ziel kommen, das verfolgt wird. Insbesondere kommen in Betracht: -

der Bereich der nationalen Repräsentation. 129 Die Berührung mit der Kunst ergibt sich da, wo der Staat Kunst als Mittel der Selbstdarstellung oder Verschönerung einsetzt, bspw. die Nationalhymne, Musik bei Staatsakten, Abbildungen auf

Banknoten p p . ; 1 3 0

allerdings

tritt

die

künstlerische

Aussage in der Nationalhymne, der Staatsflagge und der Staatssymbole hinter der politischen so weit zurück, daß sie nicht mehr gesondert empfunden wird. Kunst ist also in diesen Fällen nur Mittel zum Zweck und durch den Zweck in ihrem Einsatz begrenzt. 131

notwendig Niveau ... Jeder kann sich etwas anderes vorstellen, und jeder denkt an etwas Angenehmes. " 129

Sie ergibt sich nicht unmittelbar aus der Verfassung und kann entgegen Graul, S. 19 f., auch nicht aus historischen Maßnahmen abgeleitet werden, da in der Monarchie staadiche und persönliche Selbstdarstellung kaum zu trennen sind. Nationale Repräsentation wird aber vom BVerfG anerkannt, BVerfGE 12, 205, 252 (aber keine £w/iifoykompetenz für die Darstellung nach innen; BVerfGE 12, 205, 242 und 250), und ist m.E. auch implizite Befugnis jeder rechtsetzenden Körperschaft, weil eine Vorstellung der Rechtsunterworfenen vom Rechtsetzer wesenüiche Voraussetzung für die Akzeptanz des Rechts ist. S. zur nationalen Repräsentation auch Krüger, S. 214 ff., und Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 34, 141 ff., 536 ff. 130 So bspw. bei Kunst am Bau, Staatsakten, Banknoten, kurz: allen Gegenständen des Staatsgebrauchs.- Rund 2 % der Bausumme für Bundesbauten werden für Kunst am Bau ausgegeben; von 1979 bis 1982: 35 Millionen; Michael Mönninger, Die Lehre der Schneemänner, FAZ vom 19. 5. 1992. Zur künsüerischen Ausstattung des neuen Bundestagsgebäudes s. Günter Engelhard, Startposition für ein erleuchtetes Parlament, Rheinischer Merkur vom 23. 10. 1992, S. 17. Beispiele aus den USA und dem revolutionären Frankreich bei Hartmann, Eichholzbrief 3.89, 38. 131

Bedenklich kann es allerdings werden, wenn der Staat Kunst "vorschiebt" und durch Zustimmung zu künstlerischen Aussagen, Stimmungen oder Empfindungen Akklamation zu politischen Aussagen anstrebt. Denn der Erwerb von Zustimmung durch werbende und damit - wie bei jeder Werbung - mindestens einseitig positive, wenn nicht sogar verfälschende Darstellung, kann Grundlage einer im Gottesgnadentum begründeten, nicht aber einer demokratischen Regierung sein, die vorgibt, auf einer bewußten Entscheidung des Volkes zu beruhen. Die meisten

68

Teil 1 : Staatliche Kunstförderung

- der therapeutische Einsatz von Kunst, und zwar aktiv und passiv, bspw. durch Musik und Malerei, 132 und - schließlich besteht eine typische Gemengelage da, wo Kunst zum Wirtschaftsgut wird 133 und der Staat sich ihrer unter diesem Aspekt (insbesondere der Wirtschaftsförderung) annimmt.134 Auch bei diesen Fällen der

Rechtfertigungen machen sich hierüber keine Gedanken, sondern bejahen ohne weiteres die Zulässigkeit symbolischer Integration: Bpsw. Evers, NJW 83, 2161, 2165 f.; vgl. auch Scheytt, S. 139 (sachliche Integration durch Mitarbeit und gemeinsames Interesse); Grimm, VVDStRL 42, 46, 55; Häberle, Kulturstaat, S. 55 (betont die besondere Relevanz für Bundesstaaten). Andere erkennen die "bestechende" Wirkung, halten sie aber für erforderlich: So Graul, S. 106 f., weil ohne die planmäßige Verursachung Konsens nicht in ausreichendem (staatstragenden) Maße durch Zufall herbeigeführt wird; Krüger, S. 224, weil der Einsatz des integrierenden Effekts, den die Bejahung eines Hilfsweites hat, eine Existenzfrage des freiheiüichen Staates ist, die ihm Motivation und Gehorsam seiner Bürger sichern soll und ihm insbesondere von den "an sich selbst irregewordene Intellektuellen" aufgedrängt wird, "die es als sittiiche Lauheit mißverstehen, wenn nicht der Staat den Kampf für das Gute und Wahre auf seine Fahnen schreibt", S. 216. Deshalb soll sich der Staat insbesonder mittels staaüicher Bauten nicht nur sachlich und würdig, sondern auch schön darstellen, S. 226. Krüger, S. 221, weist aber daraufhin, daß "wie bei jeder Werbung" "auch hier mit einwandfreien wie mit zweifelhaften Mitteln gearbeitet werden" kann. Auch nach Arndt, S. 19 und 27, ist es eine eminent politische Entscheidung, "daß ein demokratisches Gemeinwesen in ... öffentiichen Bauten das Selbstbewußtsein der politischen Gesellschaft Gestalt werden läßt...". Zu den Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Staatssymbol und Kunstwerk: Regina Wyrwoll, Streit um den Bundesadler von Ludwig Gies, FAZ vom 6. 8. 1992, S. 29, und dies., Alte Henne, FAZ vom 22. 8. 1992. S. 24. Zu den Staatssymbolen der Bundesrepublik: Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 540 f. 132 Vgl. df., Musizieren und malen gegen Schmerz, FAZ vom 30. 9. 1992, S. Ν 4. Danach werden in den USA wöchendich 600.000 Patienten mit chronischen Schmerzen, Krebsschmerzen und rheumatischen Beschwerden von 10.000 Kunsttherapeuten behandelt. Vgl. auch Barbara Dreifert, Wenn Sebastian die Trommel schlägt, Rheinischer Merkur vom 27. 3. 1992, S. 14, und cpm., Mit Musiktherapie zur Ruhe kommen, FAZ vom 26. 10. 93, S. 14. 133

Die Fälle reichen von dem Einsatz von Kunst als Handelsware bis zum Einsatz als Werbemittel: So kamen im Sommer 1975 in das Metropolitan Museum of Art, New York, 85.000 Besucher pro Woche, von denen die Hälfte nicht aus New York City und 27 % nicht einmal aus der Region waren. Die Auswärtigen ließen bei ihren Besuchen in New York 4 Millionen Dollar pro Woche in Hotels, Restaurants, Geschäften und Unterhaltungszentren. Dem stehen Subventionen der Stadt an das Museum in Höhe von 2,6 Millionen Dollar im Jahr gegenüber; vgl. Netzer, S. 160. Dieses Beispiel dürfte sich für große Kulturzentren beliebig wiederholen (vgl. das Beispiel Aachens, Einleitung, Fn 35). Außerdem ziehen Gebiete mit guten kulturellen Angeboten die Ansiedlung von Industrieunternehmen mit hochqualifizierten Mitarbeitern an, was für die Gebiete wieder wirtschafdich lohnend ist; Netzer, S. 161, sowie das Beispiel Dresdens, Einleitung, Fn. 60. 134 Die reine Behandlung als Wirtschaftsgut setzt dann aber auch eine wirtschaftliche Betrachtung, insbesondere nach Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten voraus (daher äußerst zweifelhaft reine Arbeitsbeschafftingsmaßnahmen). Nach Röttgen, Spielraum, S. 21 und 38 f. und 41, steht die allgemeine Wirtschaftsförderung außerdem unter dem Vorbehalt des öffentiichen Interesses, für das steuerfiskalische Gründe nicht reichen. Zur Kunst- und Wirtschaftsförderung Steiner, § 86, Rn. 6.

IV. Ergebnis

69

Gemengelage kann den oben genannten Bedenken (2. und 3.) begegnet werden, wenn der Staat die Ratschläge aus 3. berücksichtigt.

Teil 2: K u n s t f ö r d e r u n g des Bundes I . Maßnahmen des Bundes auf dem Gebiet der Kunstförderung 1. Finanzielle Maßnahmen des Bundes1

Der Bund hatte nach den Ansätzen im Haushaltsplan 1991 Einnahmen in Höhe von 410.332.000.000 D M . 2 Von diesen Einnahmen dienten 1.302.000.000 D M , also 0,32 % des Geamthaushalts, der Kunst- und Kulturpflege. 3

1

Ohne Nachtragshaushalte und "Schattenhaushalte", insbes. der Treuhandanstalt und des Fonds deutscher Einheit (hierzu kpk., Aus Sondertöpfen am öffenüichen Haushalt vorbeifinanziert, FAZ vom 29. 11. 1991, S. 17). Die folgenden Angaben dienen als Beispiele und geben den BHH nicht vollständig wieder. 2 Von den Ausgaben haben nach dem jeweiligen BHHP, Gesamtplan, S. 13 (für 1993 nach Entwurf in der FAZ vom 9. 9. 1992, S. 2): 1993 1991 1992 Einzelpläne 1990 21 % 22 % 23 % Arbeit und Soziales 23 % 12 % Verteidigung 18 % 13 % 12 % 14 % 12 % 11 % allg. Finanzverwaltung 6 % Der Bundeshaushalt von 1993 wird einen Umfang von 435,6 Milliarden DM haben; FAZ, a.a.O. 3 BHHP 1991, Gesamtplan, S. 34, Kennziffer 18 (nach Angaben im BHHP 1992, Gesamtplan, S. 34, sogar 1.482.000.000 DM). Von diesen Ausgaben werden 89 % mit der Funktion "Sonstiges" bezeichnet; BHHP 1991, Gesamtübersicht S. 34.- Gegenüber 1990 hat sich 1991 der Betrag versechsfacht (im BHHP für 1990, Gesamtplan, S. 34, sind sogar nur 208.000.000 DM veranschlagt). Der BHHP 1992, a.a.O., sieht für 1992 1.132.000.000DM vor.- Prozentual beträgt der Anteil der Ausgaben für Kunst und Kulturpflege 1993 0,3 %, 1994 aber nur noch 0,169 % des Gesamthaushalts; 1994 ist dieser Ausgabentitel auch absolut niedriger als 1993, wobei allerdings berücksichtigt werden muß, daß die Nachtragshaushalte für 1994 noch nicht berücksichtigt sind; vgl. BHHP 1994, Gesamtplan, S. 32 und 36. Allerdings sollen ab 1995 dauerhaft jährlich 690 Mio DM vom Bund an deutsche Kultureinrichtungen gezahlt werden, dpa, 690 Millionen Mark, FAZ vom 4. 8. 1994, S. 23; das sind dann 0,14 % des gesamten Haushaltsvolumens des Bundes von 484.600 Mio DM, Entwurf des BHHP 1995, FAZ vom 15. 7. 1994, S. 2.- Nicht schätzbar sind die durch Steuerverzicht subventionierten Kunstförderungsmaßnahmen, s.o. S. 13 ff.- Zum Vergleich: der Anteil der Kulturausgaben beträgt in Italien 0,2 % (dp, Palazzo Barberini, FAZ vom 6. 11. 1992, S. 29); in Frankreich 1 % (= 13,8 Mill. Francs, davon gehen 2,8 Mill, in diverse Bauprojekte, 88 Mio in die Denkmalpflege und 1,2 Mill, in die schulische

I. Maßnahmen des Bundes auf dem Gebiet der Kunstförderung

71

a) Das Bundesinnenministerium Die kulturellen Ausgaben des Bundes belasten hauptsächlich das Bundesinnenministerium,4 dessen Gesamtetat 1991 rund 2 % des Gesamthaushalts des Bundes ausmachte.5 Hiervon sind 18 %, nämlich 1.487.534.000 D M , für kulturelle Maßnahmen bestimmt.6 Der Bund zahlte zunächst an eigene Einrichtungen bspw.

auf kulturellem Gebiet,

- 300.000 D M an die Bundesakademie für kulturelle Bildung e.V. in Wolfenbüttel7 - an die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH, Bonn, 5.083.000 D M , 8 - an die "Deutsches Historisches Museum GmbH" 21.432.000 D M , 9 - an die nationale Forschungs- und Gedenkstätte der klassischen deutschen Literatur in Weimar 6.821.000 D M 1 0 und schließlich - für den Orden "Pour le Mérite" für Wissenschaft und Künste 260.000 D M sowie - für die deutsche Künstlerhilfe 4.300.000 D M . 1 1

Kunsterziehung; hart., Pariser Kulturpolitik, FAZ vom 9. 10. 1992, S. 33; hart., Hohle Hülsen, FAZ vom 30. 6. 1994, S. 30); in den USA werden über das National Endowment for the arts 170 Mio. Dollar (weniger als der Etat der Pentagon-Militärkapelle) staatiiche Gelder weitergeleitet, J.v.U., Rituale, FAZ vom7. 7. 1994, S. 33. 4

Zur Tätigkeit des Außenministeriums s.u. S. 75 f., zur Tätigkeit sonstiger Ministerien s. Fohrbeck/Wiesand, S. 111 ff. 5

8.278.370.000DM, BHHP 1991, Gesamtplans. 13.

6

BHHP 1991, EP 06, S. 434.

7

BHHP 1991, EP 06, S. 414; für 1992, EP 06, S. 420, sind es 350.000 DM.

8

BHHP 1991, EP 06, S. 415; 1992 (HHP, EP 06, S. 421) 28.094.000 DM (in diesen Ansätzen waren die Einrichtungskosten und Baukosten, die sich 1992 auf 23.000.000 DM beliefen (BHHP, Kap. 25, S. 52) und 1991 55.000.000 DM betrugen (BHHP 1991, EP 06, S. 421 und EP 25, S. 50).). 1993 gab der Bund für die Ausstellungshalle 30.922.000 DM und 1994 30.951.000 DM aus (HHP 94, EP 06, S. 394). 9 BHHP 1991, EP 06, S. 416 f; 1992 26.453.000 DM, HHP 1992, EP 06, S. 422; 1993 26.453.000 DM und 1994 31.950.000 DM (HHP 94, EP 06, S. 394). 10

BHHP 1991, EP 06, S. 417 f. 1992 12.400.000 DM, BHHP 1992, EP 06, S. 423.

11

BHHP 1991, EP 06, S. 402.

72

Teil 2: Kunstförderung des Bundes

Außerdem förderte er die deutsche Sprache 1991 mit 700.000 D M für Vorhaben von literarischen Einrichtungen und literarischen Preisen12 und durch Zahlung von 316.000 D M an die Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden sowie - unter der Rubrik "Wissenschaftliche Bibliotheken ..." durch weitere 50.194.000 D M für "Die Deutsche Bibliothek" in Frankfurt und Leipzig.13 Für die Sicherung national wertvollen Kulturguts stellte der Bund 7.300.000 D M bereit. Diese Ausgaben waren nach der Erläuterung im Haushaltsplan vorgesehen "zur Sicherung bewahrungswürdiger Zeugnisse von Kunst und Kultur mit gesamtstaatlicher Bedeutung"; weitere Ausgaben auf dem Gebiet der ehemaligen DDR waren vorbehalten.14 Der Bund zahlte ferner für kulturelle Einrichtungen und Institutionen mit "gesamtstaatlicher Bedeutung so für - die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit 166.565.000 D M , 1 5 - die Schlösser und Gärten Potsdam-Sanssouci weitere 15.740.000 D M , 1 6 - repräsentative kulturelle Einrichtungen in Berlin einen pauschalierten Zuschuß in Höhe von 80.000.000 D M , 1 7

12 BHHP 1991, EP 06, S. 401; bspw. den Literaturwettbewerb für "ältere Mitbürger" im Rahmen des Bundesaltenplans des Familienministeriums, dpa, Mehr Gehör, FAZ vom 11. 11. 1992, S. 38. S. auch die zahlreichen Jugendwettbewerbe des Bundes im kulturellen Bereich.- Gefördert wird aber beispielsweise auch die "Brandenburger-Kleist-Ausgabe" mit rund 100.000 DM, FAZ, Ein ganzer Kleist, FAZ vom 10. 9. 1991 und Thomas Rietzschel, Kleist zwischen den Fronten, FAZ vom 25. 6. 1991. 13

BHHP 1991, EP 06, S. 405; Gesamtplan S. 33. 1992 58.029.000 DM, BHHP 1992, EP 06, S. 412. 14 BHHP 1991, EP 06, S. 398. Der BHHP 1992 sieht im Einzelplan 06 auf S. 405 eine Summe von 50.000.000 DM für die "Sicherung und Erhaltung von unbeweglichen Kulturdenkmälern und wertvollen historischen Bauten im Beitrittsgebiet" und auf S. 430 17.900.000 DM für "Erhaltung und Wiederaufbau von unbeweglichen Kulturdenkmälern mit besonderer nationaler Bedeutung" vor und veranschlagt außerdem für den Deutschen Dom in Berlin 3.000.000 DM, EP 06, S. 433. 1993 gab der Bund 7.500.000 DM aus, und für 1994 veranschlagte er 7.300.000 DM für die Sicherung national wertvollen Kulturguts, BHHP 94, EP 06, S. 381. 15

BHHP 1991, EP 06, S. 405; 1992, EP 06, S. 410: 194.185.000 DM. 1993 (incl. Projektförderung) 248.889.000 DM und 1994 242.761.000 DM, BHHP 94, EP 06, S. 399. 16 BHHP 1991, EP 06, S. 418; 1992, HHP 92, EP 06, S. 424: 19.455.000 DM; 1993 24.839.000 DM und 1994 22.031.000 DM, BHHP 1994, EP 06, S. 395.- Inzwischen in der Rechtsform der Stiftung Preußische Schlösserund Gärten Berlin-Brandenburg, dpa, Schlösserund Gärten, FAZ vom 22. 8. 1994, S. 23. 17

Soll folgenden national bedeutsamen Institutionen zugute kommen, die nicht allein von Berlin

I. Maßnahmen des Bundes auf dem Gebiet der Kunstförderung -

73

den Kulturfonds nach Art. 35 Abs. 6 Einigungsvertrag 16.000.000 D M 1 8 und

-

"institutionelle Förderung" "wissenschaftlicher Museen" 14.610.000 D M . 1 9 Diese verteilten sich unter anderem auf das Deutsche Museum in München mit 3.753.000 D M , 2 0 das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg mit 3.963.000 D M 2 1 und das römisch-germanische Zentralmuseum in Mainz 2.274.090 D M . 2 2

-

V o n 4.500.000 D M , die außerdem der Förderung gesamtstaatlich bedeutsamer Vorhaben aus den Bereichen Kunst und Kultur dienten, gingen an den Kunstfonds 29 %, an den Literaturfonds 25 %, an den Fonds Soziokultur 13 %, an den Fonds darstellende Künste 13 % und an das internationale Theatertreffen 21 % . 2 3

fortgeführt werden können: Deutsche Staatsoper Berlin, Komische Oper Berlin, Deutsches Theater Berlin, Berliner Ensemble, Berliner Sinfonieorchester, Schauspielhaus Berlin, Akademie der Künste; BHHP 1991, EP 06, S. 419; der Haushaltsplan für 1992, EP 06, S. 425, sieht 74.000.000 DM vor. 18 Hiervon sollen 6 Millionen an den Kulturfonds gehen und 10 Millionen auf der Grundlage des Künsdersozialversicherungsgesetzesvon 1981 die Sozialversicherungsbeiträge von Künstiern und Publizisten erstatten; BHHP 1991, EP 06, S. 398. 1992 sind es nach dem BHHP, EP 06, S. 405, 16.000.000 DM. 19

BHHP 1991, EP 06, S. 411 ff. 1990 betrug dieser Posten 13.052.000 DM, BHHP 1990, EP 06, S. 46.- Durch die Funktionsbezeichnung "wissenschafdiche Museen" fallen die Einrichtungen unter die Rubrik "Wissenschafdiche Bibliotheken, Archive, Dokumentation, Dokumentationsforschung" . Der Bund beruft sich bei dieser Ausgabe auf die zwischen Bund und Ländern geschlossene "Rahmenvereinbarung Forschungsförderung", nach der er 1/2 des Zuschußbedarfs des Forschung santeils der Haushalte von Museen von überregionaler Bedeutung beteiligten darf, die Angabe im Bundeshaushaltsplan betrifft aber gerade nicht die Projektförderung. Aufgrund derselben Rechtsgrundlage stellt der Bund 1991 für die genannten Museen weitere 8.438.000 DM, 1992 sogar 20.445.000 DM für Baumaßnahmen zur Verfügung, vgl. BHHP 1991, EP 06, 422 f. (1992: S. 429). 20 BHHP 1991, EP 06, S. 411; 1992, EP 06, S. 417: 4.601.000 DM. 1993 4.955.000 DM, 1994 5.225.000 DM, BHHP 1994, EP 06, S. 396. 21 BHHP 1991, EP 06, S. 412; 1992, EP 06, S. 417: 4.342.000 DM. 1993 5.215.000 DM, 1994 5.577.000 DM, BHHP 1994, EP 06, S. 397. 22

BHHP 1991, EP 06, S. 412; 1992, EP 06, S. 417: 2.455.260 DM; 1993 2.601.000 DM, 1994 2.615.000 DM, BHHP 1994, EP 06, S. 397.- Ferner bekamen 1991 das Deutsche Bergbaumuseum in Bochum 1.967.500 DM (1990: 1.861.500 DM), das Zoologische Forschungsinstitut und Museum Alexander Koenig in Bonn 1.255.900 DM (1990: 1.117.700 DM) und das Deutsche Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven 1.395.323 DM (1990: 1.256.125 DM), BHHP 1991, EP 06, S. 411 und BHHP 1990, EP 06, S. 47. Nach dem BHHP 1992, EP 06, S. 432, erhält die Arbeitsgemeinschaft "Friedhof und Denkmal" in Kassel für Bauvorhaben 500.000 DM. 23

BHHP 1991, EP 06, S. 427. Zum Kunstfonds (Förderprogramme und Vergaberichtiinien für

74

Teil 2: Kunstförderung des Bundes

Für "Berufsorchester und -chore, sonstige Musikpflege" veranschlagte der Bund zur Musikförderung insgesamt 25.981.000 DM. Hiervon erhielten die Bamberger Symphoniker 6.255.194 D M , 2 4 das Radio-Symphonie-Orchester Berlin GmbH 5.044.400 D M 2 5 und die Philharmonia Hungarica in der Bundesrepublik Deutschland e.V. 9.476.100 D M . 2 6 An Festspielen förderte der Bund die Berliner Festspiele GmbH mit 12.281.000 D M , 2 7 die Bayreuther Festspiele mit 2.865.000 D M , 2 8 die Ruhrfestspiele Recklinghausen mit 675.000 D M , die Festspiele Bad Hersfeld mit 260.000 D M , 2 9 die Bachwoche Ansbach mit 110.000 D M und die Dresdener Musikfestspiele mit 2.900.000 D M . 3 0 Ferner gingen an das Freie Deutsche Hochstift (Frankfurter Goethemuseum) e.V. in Frankfurt 808.333 D M 3 1 und 444.400 D M an den Verein Beethovenhaus Bonn,32 3.471.000 D M an die deutsche Schiller-Gesellschaft in Marbach,33 und an das Bauhaus-Archiv e.V. in Berlin 230.000 D M . 3 4

Stipendien pp.) s. Fohrbeck, Kunstförderung, S. 250 ff. Der Literaturfonds wurde 1980 gegründet zur Förderung zeitgenössischer Literatur, s. auch Küster, S. 279. 24 BHHP 1991, EP 06, S. 399; 1992 6.914.390 DM, BHHP, EP 06, S. 406; 1993 dann 7.440.000 DM, 1994 7.538.000 DM (BHHP 1994, EP 06, S. 392. 25 BHHP 1991, EP 06, S. 400; 1992 5.794.591 DM, BHHP 1992, EP 06, S. 406. 1993 und 1994 erfolgte keine Förderung des Orchesters mehr. 26

BHHP 1991, EP 06, S. 400; 1992 9.174.600 DM, BHHP 1992, EP 06, S. 406; 1993 9.253.000 DM, 1994 8.614.000 DM (BHHP 1994, EP 06, S. 381 und 392).- Gefördert werden auch die Junge Deutsche Philharmonie und das Bundesjugendorchester (dieses über das Frauenund Jugendministerium, vgl. Gerhard Rohde, Die Nationalmannschaft spielt auf, FAZ vom 20. 1. 94, S. 27). 27

BHHP 1991, EP 06, S. 410. Die Förderung betrug 1990 10.220.000 DM, BHHP 1990, EP 06, S. 46; 1992 12.348.000 DM, BHHP 1992, EP 06, S. 416. 28

BHHP 1991, EP 06, S. 401. Die Förderung betrug 1990 2.780.000 DM, BHHP 1990, EP 06, 5. 36, und 1992, BHHP 1992, EP 06, S. 406, 2.965.275 DM. 1993 3.175.000 DM, 1994 3.283.000 DM (BHHP 1994, EP 06, S. 393). 29

Beide wurde auch schon 1990 gefördert, vgl. BHHP 1990, EP 06, S. 38 und BHHP 1991, EP 06, S. 402. 30 Beide BHHP 1991, EP 06, S. 451. Die Ansbacher Bachwoche wurde offensichtlich schon 1990 gefördert, der BHHP 1991 verweist auf BHHP 1990, EP 06, S. 36. 31 BHHP 1991, EP 06, S. 407. 1992, BHHP 1992, EP 06, S. 413, 850.333 DM. Aufgabe ist die Forschung über Goethe und die Romantik, gegründet 1859, der Bund ist im Verwaltungsausschuß vertreten. 32 BHHP 1991, EP 06, S. 407 f. 1992, BHHP, EP 06, S. 413, 599.000 DM. Der Verein wurde 1889 gegründet. 33

BHHP 1991, EP 06, S. 407. 1992, BHHP 1992, EP 06, S. 413, 4.285.100 DM. 1993

I. Maßnahmen des Bundes auf dem Gebiet der Kunstförderung

75

Für kulturelle Ausgaben mit internationalem Bezug stellte der Bund weitere 5.081.000 D M zur Verfugung, von denen 12 % an den Deutschen Musikrat, 3 % an das Deutsche Nationalkomitee des Internationalen Denkmalrats und 1 % an das Deutsche Nationalkomitee des Internationalen Museumsrates gingen; die übrigen 83 % wurden auf Projektförderungen wie Fachtagungen verwendet. 35

b) Das Auswärtige Amt Kulturausgaben des Bundes werden auch über das Auswärtige Amt getätigt. Dieses hatte 1991 einen Anteil von 0,82 % am Gesamtetat. 36 Es wandte davon für kulturelle Maßnahmen 1.125.700.000 D M 3 7 und für das Deutsche Archäologische Institut 36.922.000 D M , 3 8 also insgesamt 1.162.622.000 D M ( = 34 % seines Etats) auf. Dazu kam noch eine umfangreiche Unterstützung des Bildungswesens mit Auslandsbezug. 39

5.198.000 DM, 1994 5.519.000 DM; BHHP 1994, EP 06, S. 393. Die Gesellschaft unterhält das Schiller-Nationalmuseumund das deutsche Nationalarchiv; der Bund trägt 41 % der institutionellen Fördermittel. 34

BHHP 1991, EP 06, S. 407 ff. 1990 erhielt es 230.000 DM, BHHP 1990, EP 06, S. 42. Ferner erhielt das Bauhaus Dessau 2.420.000 DM, BHHP 1991, EP 06, S. 419. 1992 waren für das Bauhaus im BHHP, Kap. 06, S. 425, 3.092.000 DM vorgesehen. 35

BHHP 1991, EP 06, S. 403 (1990: 1.502. 000 DM, BHHP 1990, EP 06, S. 39). Ferner gingen an Einrichtungen für deutsche Künstier in Rom, Florenz und Paris 2.177.000 DM sowie an das Studienzentrum Venedig 594.000 DM, BHHP 1991, EP 06, S. 419 f.- Das deutsche Nationalkomitee des Internationalen Museumsrats erhielt bspw. 1994 260.000 DM, BHHP 1994, EP 06, S. 380. 36

1991: 3.377.746.000DM, 1990: 3.347.083.000DM (Erhöhung um 1 %); vgl. BHHP 1991, Gesamtplans. 13. 37

BHHP 1991, EP 05, S. 101. Unter die Funktionsgruppe "Auswärtige Angelegenheiten" fallen folgende Einzelfunktionen: Auslandsvertretungen, Internationale Organisationen, Wirtschafdiche Zusammenarbeit, Auslandsschulwesen und kulturelle Angelegenheiten im Ausland; vgl. BHHP 1991, Gesamtplans. 32. 38 BHHP 1991, EP 05, S. 134. 1993 46.148.000 DM, 1994 44.997.000 DM, BHHP 1994, EP 05, S. 113. 39

Hierzu gehören u.a. das deutsche Auslandsschulwesen mit insgesamt 320.099.000 DM (BHHP 1991, EP 05, S. 80 ff.), die Aufwendungen für deutsche wissenschafdiche Lehrkräfte und Lektoren der deutschen Sprache im Ausland 46.716.000 DM (BHHP 1991, EP 05, S. 70.), 31.688.000 DM zur Förderung der Beziehungen zwischen deutschen und ausländischen Wissenschafdern, Studenten und Hochschulen (BHHP 1991, EP 05, S. 69 f.) und 6.000.000 DM als Beitrag zum Programm der Fullbright-Kommission (BHHP 1991, EP 05 S. 71.).- Von den institutionellen Kosten des DAAD in Höhe von 34.162.000 DM trägt der Bund 91 %; BHHP

76

Teil 2: Kunstförderung des Bundes

Über das Auswärtige Amt werden zunächst die Beiträge zu internationalen Vereinigungen (insgesamt 102.414.000 DM) gezahlt, u.a. an die UNESCO 41.685.000 D M , an den UNESCO-Fonds für das Erbe der Welt 378.000 D M , an das Europa-Kolleg in Brügge 71.000 D M und an die internationale Studienzentrale für die Erhaltung und Restaurierung von Kulturgut 378.000 D M . 4 0 Ein weiterer Anknüpfungspunkt für die finanzielle Tätigkeit des Bundes ist die Pflege der deutschen Sprache im Ausland. Sie wird mit 49.000.000 D M gefördert. 41 Außerdem erhält das Goethe-Institut zur Pflege der deutschen Sprache im Ausland und zur Förderung der internationalen kulturellen Zusammenarbeit e.V. 209.992.000 D M . 4 2 Zuschüsse zu Fach- und Unterhaltungsliteratur und Buchausstellungen werden in Höhe von 14.070.000 D M gewährt43, zu Sprach-Tonträgern in Höhe von 3.095.000 D M . 4 4 Schließlich wird der Bund über das auswärtige Amt auch im engeren künstlerischen Bereich tätig und veranschlagt im Haushaltsplan 1991 - für Musik, Theater und Tanz insgesamt 22.230.000 D M , 4 5 - für bildende Kunst und Ausstellungen 15.642.000 D M 4 6 und - für offizielle Kulturwochen sowie die Programme des "Hauses der Kulturen der Welt" in Berlin 10.104.000 D M . 4 7

1991, EP 05, S. 80 f. (die Länder tragen immerhin knappe 2 %). Ferner gehen aus Bundesmitteln an die Humboldt-Stiftung 6.848.000 DM (= 80 % ihres Etats, BHHP 1991, EP 05, S. 82 f. 40

BHHP 1991, EP 05, S. 132. Zusätzlich gehen an die deutsche UNESCO-Kommission 2.274.000 DM, BHHP 1991, EP 05, S. 85. 41

BHHP 1991, EP 05, S. 74.

42

Der Haushalt des Instituts hat (ohne Projektförderung) einen Umfang von 240.981.000 DM, von denen 87 % vom Bund getragen werden. Daneben wird das Vortrags- und Seminarprogramm des Goethe-Instituts mit 4.000.000 DM bezuschußt; BHHP 1991, EP 05, S. 74 ff. 43

Z.B. über Inter Nationes; BHHP 1991, EP 05, S. 72.

44

BHHP 1991, EP 05, S. 73.

45 BHHP 1991, EP 05, S. 73. Zusätzlich erhält der deutsche Musikrat 607.000 DM, BHHP 1991, EP 05, S. 84. 46

BHHP 1991, EP 05, S. 74.

47

BHHP 1991, EP 05, S. 74.

I. Maßnahmen des Bundes auf dem Gebiet der Kunstförderung

77

2. Rechtsetzung des Bundes

Der Bund erläßt Gesetze mit rein innerstaatlicher Bedeutung wie bspw. das Gesetz zum Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung ins Ausland vom 6. 8. 1955, das Künstlersozialversicherungsgesetz vom 27. 7. 1981 und das Kultur-und Stiftungsförderungsgesetz vom 13. 12. 1990. Er schließt außerdem völkerrechtliche Verträge, so z.B. das Europäische Kulturabkommen und die zahlreichen Kulturabkommen mit einzelnen Staaten.48

I I . Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

Staatliche Kunstförderung schlägt sich zwar am deutlichesten in der Gewährung von öffentlichen Mitteln nieder. Schon die Einleitung hat aber gezeigt, daß auch die Förderung durch die Verschonung von Abgaben oder Einrichtung gewisser Institutionen eine erhebliche Rolle spielt. Um die verschiedenen Formen der Begünstigung übersichtlicher prüfen zu können, wird hier nicht mit Art. 104 a GG als der zentralen Norm für die Ausgabenberechtigung begonnen, sondern mit Art. 30 GG als der Grundsatznorm für die Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern.

1. Art. 30 GG

Art. 30 GG lautet: "Die Ausübung staatiicher Befugnisse und die Erfüllung staaüicher Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt. "

Äußerlich handelt es sich hier um dasselbe System der Kompetenzverteilung, das auch der Weimarer Reichs Verfassung und der Verfassung von 1871 zugrundelag: Länder als Gliedstaaten

48 Vgl. Abkürzungsverzeichnis (KA). Geplant sind bspw. Kulturabkommen mit dem Iran (epd, AFP, Abkommen mit dem Iran?, FAZ vom 5. 11. 1992, S. 33) und mit Südafrika (Robert von Lucius, Morgen in Kapstadt, FAZ vom 8. 10. 1992, S. 33).

78

Teil 2: Kunstförderung des Bundes "mit eigener - wenn auch gegenständlich beschränkter - nicht vom Bund abgeleiteter, sondern von ihm anerkannter staatiicher Hoheitsmacht".49

Trotz dieser Gleichartigkeit muß aber der unterschiedliche Hintergrund der Verfassungen berücksichtigt werden: 1871 entstand das Reich aus einem Zusammenschluß der Länder, diese waren also Träger des Zusammenschlusses. Auch 1918/19 waren die Länder Bestandteile des Reichs, ohne deren Mitwirkung Reichsbildung und Reichspolitik nicht möglich waren. 5 0 Anders als 1918/19 hatten die Länder durch die Neugliederung 1945-49 an "Persönlichkeit" verloren; sie waren zwar funktionierende Verwaltungseinheiten, die Schaffung des Gesamtstaats aber nicht mehr von ihrer Zustimmung abhängig. 51 Die Gliederung in Länder war nun funktionell bedingt: sie sollte der Teilung der Gewalten eines grundsätzlich als Einheit zu sehenden Staates dienen. 52

Durch diese Bedeutungsverschiebung kann es bei der Auslegung

föderaler Bestimmungen des Grundgesetzes zu Ergebnissen kommen, die von den Ergebnissen der Auslegung der Weimarer Reichsverfassung abweichen. 53

49

BVerfGE 1, 14, 35 (Neugliederung Südweststaat).

50

Zum Widerstand einer Reichsbildung ohne Beteiligung der Länder - hauptsächlich durch Bayern und Preußen - vgl. Huber, Verfassungsgeschichte, S. 972 f., 1025 f. und insbes. 1081 ff. Ders., S. S. 1024, auch zur Einmischung Bayerns in die Außenpolitik.- Die Weimarer Reichsverfassung führte nach Art. 18 den föderalen Staatsaufbau auch deshalb fort, weil sie sich davon die Steigerung der wirtschaftiichen und kulturellen Leistung des Volkes versprach. Vgl. auch Preuß y S. 31. 51 So konnte die fehlende Zustimmung Bayerns zum Grundgesetz das Entstehen der Bundesrepublik 1945 nicht verhindern.- Zu den Problemen, die Bayern 1918/19 machte, s.o. Fn. 50. 52 Sie geht zurück auf das erste der am 1. 7. 1948 durch die drei westiichen Militärgouverneure den deutschen Ministerpräsidenten übergebenen Frankfurter Dokumente: "Die verfassungsgebende Versammlung wird eine demokratische Verfassung ausarbeiten, die für die beteiligten Länder eine Regierungsform des föderalistischen Typs schafft, die am besten geeignet ist, die gegenwärtig zerrissene deutsche Einheit schließlich wieder herzustellen, und die Rechte der beteiligten Länder schützt, eine angemessene Zentralinstanz schafft, und Garantien der individuellen Rechte und Freiheiten enthält." (JöR 1 (1951), 2). Aus der französischen Fassung geht hervor, daß man sich die "Eignung zur Wiedervereinigung" von der föderalen Regierungsform versprach (nicht von der Verfassung).- Während der Beratungen zu Art. 30 GG gab es nur zwei Abänderungsvorschläge zur Formulierung: der Antrag Dr. Seebohms: "Alle Rechte, die nicht durch das Grundgesetz dem Bund übertragen sind, verbleiben den Ländern. " (HA, 6. Sitzung, 19. 11. 1948, Sten. Ber. S. 69 ff. , 74) wurde von Schmid und Heuss als dasselbe wie der jetzige Art. 30 GG angesehen und deshalb abgelehnt (a.a.O. S. 74); der Vorschlag v. Mangoldts und Schmids: "Die Ausübung der Staatsgewalt ist Sache der Länder. " verbunden mit der Streichung der "Erfüllung staatiicher Aufgaben" aus dem Text der Vorschrift wurde ebenfalls abgelehnt; 48. Sitzung des HA, 9. 2. 1949, Sten. Ber. S. 621 ff., 626. 53

Vgl. BVerfGE 33, 52, 61 (verfassungsfeindliche Filme).- Gegen eine Übertragung der Weimarer Kompetenzverhältnisse spricht ferner, daß das Reich, das mit mehr Kompetenzen als der

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

79

Art. 30 GG betrifft jegliche Form staatlichen Handelns, 54 auch die - im künstlerischen Bereich häufige - gesetzesfreie Verwaltung, 55 privatrechtliches Staatshandeln56 und die Förderung durch Hingabe von Haushaltsmitteln.57 All dies ist grundsätzlich Sache der Länder, nicht des Bundes. Art. 30 GG wird jedoch als lex generalis von jeder speziellen Norm verdrängt, insbesondere von Art. 70 ff., 83 ff. GG, die dem Bund Kompetenzen zuweisen. Allerdings gilt:

"Bei Zweifeln über die Zuständigkeit des Bundes spricht keine Vermutung zugunsten einer Bundeskompetenz. Die Systematik des Grundgesetzes fordert vielmehr eine strikte Interpretation der Art. 73 ff. GG. Soweit kulturelle Angelegenheiten überhaupt staatlich verwaltet und geregelt werden können... fallen sie ... nach der Grundentscheidung des Grundgesetzes ... in den Bereich der Länder ..., soweit nicht besondere Bestimmungen des Grundgesetzes Begrenzungen oder Ausnahmen zugunsten des Bundes vorsehen. Diese Grundentscheidung der Verfassung, die nicht zuletzt eine Entscheidung zugunsten des föderalistischen Staatsaufbaus im Interesse einer wirksamen Teilung der Gewalten ist, verbietet es gerade im Bereich kultureller Angelegenheiten, ohne e

Bund ausgestattet war, davon aber keinen Gebrauch machte; vgl. Röttgen, Kulturpflege, S. 99. Es ist daher nicht eindeutig, ob den Entscheidungen der Verfassungsgeber von 1949 die rechtiiche oder die tatsächliche Lage in der Weimarer Zeit zugrundeliegt.- Übrigens gab es trotz der im Verhältnis zum GG zahlreichen " Kulturartikel " der WRV Streit zwischen Reich und Ländern (insbes. Preußen) über die kulturellen Aktivitäten des Reiches, Peters, Stellung, S. 283. 34

EbensoKöstlin, Kulturhoheit, S. 29, nach Darlegung der "kompetenzfreienRäume", S. 25 ff., die er zu Recht nicht "mit Sinn und Zweck des Art. 30 GG" vereinbaren kann.- Noch klarer als der heutige Art. 30 GG war die Fassung des Herrenchiemseer Entwurfs und der Fachausschüsse: "Soweit nicht dieses Grundgesetz die Zuweisung an den Bund anordnet oder zuläßt, sind die staatlichen Befugnisse und Aufgaben Sache der Länder und der in ihnen bestehenden Selbstverwaltungen. Dies gilt insbesondere für die Gesetzgebung, die Verwaltung, die Rechtspflege, die Inanspruchnahme von Einnahmequellen und die Bestreitung öffentlicher Aufgaben. " 33

BVerfG 12, 205, 246 ff. (Deutschland-Fernsehen); 22, 180, 217 (Jugendwohlfahrts- und Bundessozialhilfegesetz); 39, 96, 109 (Städtebauförderungsgesetz). 56 37

BVerfG 12, 205, 244 ff.

Maunz, Kulturhoheit, S. 87.- Die Auffassung Röttgens, JöR 11, 173, 200, Art. 30 GG sei nur auf "inhalüich qualifizierte Aufgaben" anzuwenden, nicht aber auf "qualitätslose Agenden des Bundes" wie die gewinnorientierte Erwerbswirtschaft des Staates, ist hier deshalb unbeachüich, weil Kunstförderung jedenfalls keine Erwerbswirtschaft ist.- Nach Lerche, VVDStRL 21, 66, 73, 77 f., ist Art. 30 mangels Einweisung in konkrete Aufgaben keine Kompetenznorm, sondern nur "Auslegungsakzent". Er schränkt den Geltungsbereich von Art. 30 GG dahingehend eine, daß immerhin dem Bundestag auch außerhalb der Bereiche der Bundeskompetenzendie Möglichkeit der Beschäftigung, Aussprache und Stellungnahme bleibt (Verfassungsfragen, S. 27) und leitet dies aus der Verfassungsrealität ab (m.E. juristisch problematisch). Die von ihm vorgeschlagenen Schranken (aufgedrängte Bundes-Mustergesetze, faktischer Druck in dem Maß einer rechtiichen Bindung) sind für eine Abgrenzung zwischen zulässiger und unzulässiger Tätigkeit des Bundestags nicht tauglich.

80

Teil 2: Kunstförderung des Bundes

hinreichend deutliche grundgesetzliche Ausnahmeregelung anzunehmen, der Bund sei z dig.» 5* In der Folge soll das Grundgesetz auf solche Anerkennungen von Bundeskompetenzen hin untersucht werden.

2. Gesetzgebungskompetenzen A m ergiebigsten für Sachbereichszuweisungen an den Bund sind die Gesetzgebungskompetenzen, Art. 70 ff. GG. Sie sind für die Frage der Kunstförderung, die i.d.R. i m Bereich der gesetzesfreien Verwaltung erfolgt, vor allem als äußerste Grenze der Verwaltungsbefugnisse des Bundes relevant. 59 Kunstfördernde Gesetzgebung des Bundes (bspw. das Kultur- und Stiftungsförderungsgesetz vom 13. 12. 1990) fallt in der Regel in den Bereich der Steuergesetzgebung.

a) Der Grundsatz des Art. 70 G G Art. 70 G G lautet: "(1) Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht.

58

BVerfGE 12, 205, 228 f. (Deutschland-Fernsehen). Ebenso BVerfGE 15, 1, 17 (Reinhaltung der Bundeswasserstraßen) 6, 309, 354 (Niedersachsen und das Reichskonkordat): "Diese Grundentscheidungen sind in Art. 7, 30, 70 ff. GG getroffen. Sie erklären - im Gegensatz zur Weimarer Verfassung - die Länder zum ausschließlichen Träger der Kulturhoheit... ".- Unzutreffend daher der Ansatz von Peters, Stellung, S. 293: "Weder ausdrücklich noch dem Sinne nach ist es ... dem Bund verboten ..."; es müßte dem Bund erlaubt sein!- Sogar Isensee, nach dem die Länder auch da einheidiche Lebensverhältnisse hervorzubringen haben, wo sie ausschließlich zuständig sind, "weil auch hier das Gemeinwohl des ganzen Staatsverbandes berührt werden kann" und "die Streuung der Kompetenzen ... nicht Entwicklungen ..., die das Gemeinwohl erfordert" hemmen darf (Subsidiaritätsprinzip S. 232 f.), gesteht dem Bund keine Reservekompetenz zu (auch nicht aus Sachzusammenhang oder der Natur der Sache, S. 234 f.). 59

"Es entspricht einem Grundsatz-des deutschen Verfassungsrechts, daß die Bundeskompetenzen zur Gesetzgebung weiter reichen als die zur Verwaltung ... Nach der Systematik des Grundgesetzes bezeichnet die Gesetzgebungskompetenzdie äußerste Grenze für seine Verwaltungsbefugnisse ... Das heißt aber, daß die Verwaltungskompetenzenden Gesetzgebungsbefugnissendes Bundes folgen und nicht umgekehrt die Gesetzgebungs-den Verwaltungsbefugnissen.", BVerfGE 12, 205, 229 (Deutschland-Fernsehen).-A.A. noch Peters, Stellung, S. 292 und 294 f., nach dem dem Bund nur die Gesetzgebung in diesem Bereich verboten ist und sich Art. 30 GG nur auf die staadiche Befehls- und Zwangsgewalt bezieht.

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

81

(2) Die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern bemißt sich nach den Vorschriften des Grundgesetzes über die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebung." 6 0

b) Die ausschließliche Gesetzgebung "Im Bereiche der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur, wenn und soweit sie hierzu in einem Bundesgesetze ausdrücklich ermächtigt werden." (Art. 71 GG). Z u diesem Bereich ausschließlicher Gesetzgebung gehören nach Art. 73 G G u.a. folgende Sachgebiete: "5.

7. 9.

die Einheit des Zoll- und Handelsgebietes, die Handels- und Schiffahrtsverträge, die Freizügigkeit des Warenverkehrs und den Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Auslande einschließlich des Zoll- und Grenzschutzes; ... das Post- und Fernmeldewesen,... den gewerblichen Rechtsschutz, das Urheberrecht und das Verlagsrecht; ..."

Welche kunstfördernden Maßnahmen kann der Bund aufgrund dieser Normen ergreifen? a) Art. 73 Nr. 5 GG erfaßt nach seinem Wortlaut ("Warenverkehr mit dem Ausland") zunächst den gesamten grenzüberschreitenden Kunsthandel. Darf der Bund diesen Handel fördern und damit indirekt Kunstförderung betreiben? Darf der Bund den Kunsthandel auch gezielt aus kulturellen Gründen fördern? Art. 73 Nr. 5 G G unterscheidet nicht zwischen negativen und positiven Eingriffen in den Handelsverkehr, also Handelsverboten und Handelsförderung. Nach der Rechtsprechung des BVerfG deckt Art. 73 Nr. 5 G G Handels verböte aus allen Gründen. 61 Entsprechend müßte auch die Förderung des Kunsthan-

60 Vgl. Art. 12 Abs. 1 WRV: "Solange und soweit das Reich von seinem Gesetzgebungsrechte keinen Gebrauch macht, behalten die Länder das Recht der Gesetzgebung. Dies gilt nicht für die ausschließliche Gesetzgebung des Reiches." 61 Da Art. 73 Nr. 5 GG nur eine "Neuauflage" von Art. 6 Nr. 6 WRV ("Das Reich hat die ausschließliche Gesetzgebung über: ... 6. das Zollwesen sowie die Einheit des Zoll- und Handelsgebiets und die Freizügigkeit des Warenverkehrs ... ") ist, geht das BVerfG von der Auslegung des Art. 6 WRV aus (BVerfGE 33, 52, 61 und 63 f. (verfassungsfeindliche Filme)): "Nach dieser Entwicklung war es im wissenschafüichenSchrifttum ... einmütige Ansicht, daß Ein und Ausfuhrverbote ... nur vom Reich erlassen werden könnten... Dabei wurde es als unerheblich angesehen, ob die Verbote aus außenpolitischen, militärischen, wirtschaftlichen, finanziellen oder polizeilichen Gründen ergingen; den Ländern seien alle Einfuhr- und Ausfuhrverbote aus eigener Zuständigkeit 6 Geißler

82

Teil 2: Kunstförderung des Bundes

dels aus allen, einschließlich kulturellen Motiven von Art. 73 Nr. 5 GG gedeckt sein. Dagegen spricht aber die systematische Auslegung von Art. 73 Nr. 5 und Art. 74 Nr. 5 GG. Die weite Auslegung von Art. 73 Nr. 5 GG durch das BVerfG wurde mit dem Hinweis auf Art. 75 Nr. 2 GG angegriffen, der dem Bund für das materielle Filmrecht nur eine Rahmenkompetenz verleiht. 62 Eine Kompetenz des Bundes aus Art. 73 Nr. 5 GG wurde für Eingriffe aus "geistigen" Gründen daher abgelehnt.63 Ähnlich ist das Verhältnis zwischen Art. 73 Nr. 5 und Art. 74 Nr. 5 GG (Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland). Denn wenn man Art. 74 Nr. 5 GG als Erweiterung der Bundeskompetenzen versteht hierfür spricht, daß die Materien in Art. 73 und 74 GG generell Kompetenzen verleihen und nicht einschränken -, wenn also Art. 74 Nr. 5 GG die Kompetenzen des Bundes vermehren soll, muß man davon ausgehen, daß ein kulturell motiviertes Verbot der Ausfuhr von Kulturgut gerade nicht von Art. 73 Nr. 5 GG gedeckt ist und daher die Kompetenzerweiterung durch Art. 74 Nr. 5 GG erforderlich war. Nach dieser Auslegung kann der Bund weder Ausfuhr noch - wegen des einheitlichen Kompetenzbereichs für Ein- und Ausfuhr nach Art. 73 Nr. 5 GG - Einfuhr aus kulturellen Erwägungen beeinflussen, also auch nicht die Einfuhr aus Erwägungen der Kunstförderung begünstigen.

versagt, auch die aus polizeilichen Motiven ... Nach alledem ist Art. 73 Nr. 5 GG in Übereinstimmung mit Art. 6 Nr. 6 WRV dahin auszulegen, daß dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit für alle Wareneinfiihr- und ausfuhrverbote - auch aus polizeilichen Gründen zusteht."- S. auch BVerfGE 26, 281, 299 (Gebührenpflichtvon Bundesbahnund Bundespost): "Die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes sind im Grundgesetz im Hinblick auf die Weimarer Reichsverfassung formuliert worden. " 62 Diese beziehe sich zwar nur auf inländische Filme, doch erscheine eine "Differenzierung nach der "Herkunft" bei Geisteswerken in einer freiheidiche Ordnung von vorneherein als inadäquat", BVerfGE 33, 78, 79 (Sondervotum Rupp-v.Brünneck und Dr. Simon). 63 BVerfGE 33, 78, 79 (Sondervotum Rupp-v.Brünneck und Dr. Simon): "Das Überwachungsgesetzrichtetsich eindeutig gegen den Inhalt bestimmter Filme; es betrifft also nicht den Film als ... Gegenstand des Handelsverkehrs, sondern als Träger geistiger Aussagen und als Massenkommunikationsmittel. Zum Erlaß solcher Vorschriften bietet Art. 73 Nr. 5 GG ... keine ausreichende Grundlage. Auch wenn man mit der Mehrheit annimmt, daß diese Kompetenznorm den Bundesgesetzgeber zu Einfuhrverboten aus rein polizeilichen Gründen ermächtigt, kann sich dies doch nur auf die Abwehr solcher Gefahren beziehen, die sich aus der körperlichen Beschaffenheit des Einfuhrgutes ergeben. "

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

83

Eine andere Auslegung von Art. 73 Nr. 5 G G im Sinne einer umfassenden Befugnis des Bundes, Ein- und Ausfuhr zu beeinflussen, müßte Art. 74 Nr. 5 G G - entgegen dem Wortlaut - als Einschränkung von Art. 73 Nr. 5 G G verstehen. 64 ß) Art. 73 Nr. 7 GG "umfaßt nur den sendetechnischen Bereich des Rundfunks unter Ausschluß der sogenannten Studiotechnik".65 Der Bund ist danach nicht zur Kunstförderung befugt. 66 y) Art. 73 Nr. 9 GG beschränkt sich auf die Gewährung des gewerblichen Rechtsschutzes, der sich zwar positiv für den Künstler und damit indirekt auch für die Kunst auswirken mag, aber keine Möglichkeiten unmittelbarer Begünstigung gibt.

c) Die konkurrierende Gesetzgebung "(1) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch macht. (2) Der Bund hat in diesem Bereich das Gesetzgebungsrecht, soweit ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung besteht, weil 1. eine Angelegenheit durch die Gesetzgebung einzelner Länder nicht wirksam geregelt werden kann oder 2. die Regelung einer Angelegenheit durch ein Landesgesetz die Interessen anderer Länder oder der Gesamtheit beeinträchtigen könnte oder

64

Für eine solche Auslegung, nach der der Bund den Handel hindern und fördern könnte, wie er wollte und nur bei der Ausfuhr von Kulturgut auf bestimmte Motive beschränkt wäre, spricht, daß grundsätzlich alle Bundesstaaten eine möglichst umfassende Handelskompetenz der Zentralgewalt vorsehen, vgl. Art. 4 Ziff. 1 der Reichsverfassung von 1871, Art. 28 und 31 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft und section 8 N° 3 der amerikanischen Verfassung. - Eine solche Auslegung widerspräche aber nicht nur dem Wortlaut von Art. 74 Nr. 5, sondern auch dem von Art. 73 und 70 GG: Art. 70 spricht positiv von der Verleihung von Befugnissen, Art. 73 verleiht diese Befugnisse mit den Worten "hat die ausschließliche Gesetzgebung".- Das Problem stellte sich übrigens ähnlich in der WRV zwischen Art. 6 Nr. 6 und Art. 150 S. 2 ("Es ist Sache des Reiches, die Abwanderung deutschen Kulturbesitzes in das Ausland zu verhüten."). 65

BVerfGE 12, 205, 225 (Deutschland-Fernsehen).

66

Zur Filmförderung s.u. S. 92 ff.; zu den Bundessendern s.u. Fn. 253.

84

Teil 2: Kunstförderung des Bundes 3.

die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit, insbesondere die Wahrung der Einheitiichkeit der Lebensverhältnisse über das Gebiet eines Landes hinaus sie erfordert. "(Art. 72 GG) 67

"Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete: ... 5.

den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung in das Ausland;68

6.

die Angelegenheiten der Flüchdinge und Vertriebenen;

7.

die öffendiche Fürsorge;69 ...

11.

das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe,

12. 13.

Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechdiches Versicherungswesen);70 ... ... die Sozialversicherung ... ; die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftiichen Forschung; ... 7 1

24.

... die Luftreinhaltung ... ".

α ) V o n Interesse ist zunächst Art. 74 Nr. 5 GG, der sprachlich verunglückt ist. Ziel der Regelung ist nämlich nicht der Schutz des Kulturguts, 72 sondern ein weiterer Zweck, über den sich das Grundgesetz ausschweigt. Er wird aber im Gesetz vom 6. 8. 1955 73 näher bezeichnet, das von einem "wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitz" spricht. Schutzgut ist demnach der deutsche Kulturbesitz, der weit mehr als nur deutsches Kulturgut umfassen kann und dessen Umfang durch die Belegenheit, nicht durch die Herkunft des Kulturguts bestimmt ist.- Wann ein Verlust für den deutschen Kulturbesitz vorliegt, ist ebenso unbestimmt wie die Kriterien, die für die Qualifizierung des Gegenstandes als Kulturbesitz gelten. 74 Eindeutig ist nur, daß der Erhalt

67

Art. 72 Abs. 2 GG hatte in der WRV keine Entsprechung, vgl. Art. 7 und 12.

68

Entspricht Art. 150 Abs. 2 WRV: "Es ist Sache des Reichs, die Abwanderung deutschen Kunstbesitzes in das Ausland zu verhüten. " 69

Entspricht Art. 9 WRV: "Soweit ein Bedürfnis für den Erlaß einheidicher Vorschriften vorhanden ist, hat das Reich die Gesetzgebung über: 1. die Wohlfahrtspflege ..." 70 Die Regelung entspricht Art. 7 Nr. 16 WRV, nach der das Reich die Gesetzgebung über Gewerbe und Bergbau , und Art. 7 Nr. 17 WRV, wonach das Reich die Gesetzgebungskompetenz über das Versicherungswesen hatte. 71

Art. 74 GG. Zur Forschungsförderung (Art. 74 Nr. 13 GG) s.u. bei Art. 91 b GG, S. 105.

72

Denn das Kulturgut ist durch den Export gar nicht gefährdet.

73

Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung, BGBl. I S. 501.

74

S. bspw. die Entscheidung des VGH München, NJW 92, 2584, 2585 (Käfersammlung): "Kultur umfaßt nach allgemeinem Begriffsverständnis jedes geistige Schaffen und Wirken der Menschen, mag es sich in Werken der Kunst, Musik, Literatur oder Wissenschaft dokumentieren

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

85

des Kulturguts im Inland nicht bedroht ist, soweit es sich um die Ausfuhr von reproduzierbaren Gegenständen handelt. Um Kunstförderung handelt es sich hier nur insoweit, als es Ziel der Regelung ist, die Gegenstände in der Nähe der potentiellen Konsumenten zu halten; sie erstreckt sich nur auf den Erhalt des status quo. Der Bund ist weder verpflichtet noch berechtigt, das "geschützte" Kulturgut, das ihm in der Regel gar nicht gehört, öffentlich zugänglich auszustellen. Die nach dem Grundgesetz bestehende Möglichkeit des Bundes, kulturelle Entscheidungen zu treffen, wird nach dem Gesetz zum Schutz deutschen Kulturguts aber weitgehend den Ländern überlassen,75 so daß deren Kompetenzen in jedem Fall gewahrt werden. 76 β) Von größerer Bedeutung für die Kunstförderung im Sinne eines unmittelbaren Vorteils für Künstler oder Konsument ist Art. 74 Nr. 6 GG. Der Bund geht offensichtlich davon aus, daß die Kompetenz für die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen auch deren kulturelle Belange erfaßt. 77 Da die Kompetenz aus Art. 74 Nr. 6 GG an personelle bzw. sachliche Merkmale (Flüchtlinge bzw. deren Angelegenheiten) anknüpft, sind Kollisionen mit der räumlich definierten Länderkulturhoheit vorprogrammiert. Allerdings sind gesetzliche - kulturelle Maßnahmen des Bundes grundsätzlich vom Wortlaut

oder seinen Ausdruck in der wertbewußten Prägung der Lebensverhältnisse oder der Umwelt finden. Kulturgut sind demgemäß alle Gegenstände, in denen das Schaffen menschlichen Geistes ... konkrete Gestalt angenommen hat." und die Ablehnung der Revision durch das BVwG, NJW 92, 2584, mit der Begründung, die Käfersammlung als naturwissenschaftliche Sammlung sei "eindeutig Kulturgut im Sinne von § 1 KSchG". Behauptungen dieser Art sind die notwendige Folge der schon oben angesprochenen Unklarheit über den vom Kunst-/Kulturschutz Begünstigten (s.o. S. 34 ff.). 75

S. §§ 2 und 3 des Gesetzes. S. aber auch § 3 Abs. 2 KSchG.- Zur Bedeutung des anzuhörenden Sachverständigenausschusses und zum Umfang der gerichtiichen Kontrolle vgl. VGH Mannheim, NJW 87, 1440. 76 Aus der Behandlung als eine Art Rahmenregelung zog die Gemeinsame Verfassungskommission in ihrem Vorschlag vom 15. 10. 1992 die Konsequenz, die Materie künftig als Art. 75 Nr. 7 GG zu regeln. 77 Anders § 96 BVFG, BGBl. 19711 S. 1566. Dieser überträgt die Aufgabe, Kulturgut, Archive, Museen und Bibliotheken der Vertreibungsgebiete im Bewußtsein der Vertriebenen und Flüchtlinge, des gesamten deutschen Volkes und des Auslands zu erhalten und die Weiterentwicklung der Kulturleistungen der Vertriebenen zu fördern, Bund und Ländern "entsprechend ihrer durch das Grundgesetz gegebenen Zuständigkeit", rührt also bewußt die Zuständigkeitsverteilung des GG nicht an.- Die Bundesförderung der Kulturarbeit der Vertriebenen betrug 1990 26.618.000 DM, BHHP 1990, EP 06, S. 360 f.

86

Teil 2: Kunstförderung des Bundes

des Art. 74 G G gedeckt. Ob sie den Anforderungen von Art. 72 G G standhalten, der für alle Kompetenzen von Art. 74 und 75 G G eine Regelung für den Konflikt mit Länderkompetenzen trifft, soll unten untersucht werden (s.u. S. 97 ff.). Voraussetzung ist aber jedenfalls, daß es sich um eine Angelegenheit der Flüchtlinge und Vertriebenen handelt. Der Bund fördert zahlreiche Verbände, die entweder ihren ursprünglichen Sitz in ehemals deutsche Gebieten hatten oder sich aus Vertriebenen zusammensetzen, so die Kleist- und die Eichendorff-Gesellschaft, die Bamberger Symphoniker, 78 die Philharmonia Hungarica 7 9 und das Radio-Symphonieorchester Berlin. 8 0 Eine Förderung dieser Einrichtungen durch den Bund kann aber nicht auf Art. 74 Nr. 6 G G gestützt werden. Denn daß diese Verbände eine "Angelegenheit der Flüchtlinge" sind, muß 40 Jahre nach der Flucht bezweifelt werden. Weder setzen sie sich heute noch aus Flüchtlingen zusammen, noch nehmen sie besondere Interessen der Flüchtlinge wahr. 8 1

78

1946 von den deutschen Flüchdingen der ehemaligen Mitglieder der "Deutschen Philharmonie in Prag" gegründet; Friedrich Bösel, Musik in Prag und Bamberg, FAZ vom 10. 6. 1992 (Leserbrief); J H., Auf dem Markt, FAZ vom 22. 6. 1992. 79 Die Philharmonia Hungarica Marl ging aus dem 1956 geflüchteten ungarischen Philharmonieorchester hervor, J.H., Auf dem Markt, FAZ vom 22. 6. 1992; Küster, S. 225 f. 80

Zu den Betroffenen gehört auch das Radio-Symphonie-Orchester Berlin, das nach dem Krieg in den Westen der Stadt gewechselt war; J.H., Auf dem Markt, FAZ vom 22. 6. 1992; Küster, S. 225 f. Gesellschafter sind das RIAS, der SFB und Berlin. Einrichtung Anteil am Gesamthaushalt BHHP 1992 Personalausgaben eig.Einnahmen Bundeszuschuß Kap.,S. Bamb. Symphoniker RSO Berlin Philh. Hungarica

93 % 94 % 85 %

18 % 21 % 11 %

40 % 32 % 78 %

06,406 06,407 06,407

81 Aus diesem Grund plädiert der Kultusminister von Nordrhein-Westfalen Hans Schmer, Sich seiner selber sicher sein, FAZ vom 26. 5. 1992, für eine Beendigung der Bundesuntersützung für Philharmonia Hungarica, Radio-Symphonie-Orchester Berlin und Bamberger Symphoniker, allerdings erst nach einer Neuordnung der Finanzen zwischen Bund und Ländern.- Die Bundesunterstützung kann auch nicht mittelbar gerechtfertigt werden, bspw. dadurch, daß die Bamberger Symphoniker ihrerseits Benefizkonzerte für das Baltikum veranstalten (Andreas Obst, Hartes Leben, hohe Musik, FAZ vom 10. 6. 1992, S. 36). Denn der Sinn von Art. 74 Nr. 6 GG ist nicht die mittelbare Unterstützung Dritter. Im übrigen ist der h.M. {PierothlJP Art. 74 Rn. 16 m.w.N.), nach der auch die kulturelle Betreuung der Flüchtiinge und Aussiedler unter Art. 74 Nr. 6 GG fällt, nicht zu folgen. Denn sie führt zu einem Spannungsverhältnis zu Art. 74 Nr. 4 GG, nach dem der Bund für die kulturelle Betreuung der Ausländer nicht zuständig ist. Zwar sind die Flüchdinge eher den Inländern gleichzustellen, aber auch für deren kulturelle Betreuung ist der Bund nicht zuständig. Es ist kein

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes 7 ) Nach Art. 74 Ziff.

87

7 GG hat der Bund die konkurrierende Gesetzgebung

i m Bereich der öffentlichen Fürsorge. 82 Das Bundesverfassungsgericht dehnt die öffentliche Fürsorge auch auf den Bereich der Pflege durch Zusammenführung mit anderen Menschen und Veranstaltungen zur poltischen Bildung aus. 83 Voraussetzung bleibt allerdings die Bedürftigkeit der Person im Sinne des Sozialstaatsprinzips. 84 "Künstlerische Maßnahmen" könnten hier auf zwei Arten ins Spiel kommen, nämlich -

entweder als besondere Erfahrung der Kreativität und Individualität für den Fürsorgeempfänger - dann aber ist die Maßnahme nicht primär Kunstförderung, sondern dient anderen Zwecken, durch die sie begrenzt und aus dem engeren Bereich der Förderung der Kunst ausgeschlossen wird -

-

oder als künstlerisches Ereignis mit besonderer

Integrationswirkung. 85

Solche Veranstaltungen und Einrichtungen richten sich aber in der Regel gerade nicht nur an die der öffentlichen Fürsorge Bedürftigen, sondern an ein offenes Publikum, 8 6 und sind daher nicht durch Art. 74 Nr. 7 G G gedeckt.

Grund ersichdich, warum Art. 74 Nr. 6 GG insoweit von der sonstigen Kompetenzverteilung des GG mit kultureller Zuständigkeit der Länder abweichen sollte. Da die Maßnahmen des Bundes also schon aus inhaldichen Gründen nicht von Art. 74 Nr. 6 gedeckt sind, braucht nicht mehr auf die Form der Maßnahme (Art. 74 Nr. 6 ist Gesetzgebungsbefugnis) eingegangen zu werden.- Der Bund stützt die Förderung nach dem BHHP 92, EP 06, S. 403, auf seine "verfassungsrechüiche Zuständigkeit zur Wahrung von Belangen gesamtstaatlicher oder internationaler Bedeutung"; hierzu s.u. S. 139 ff. 82

Er hat ebenso nach Art. 74 Nr. 12 GG die Kompetenz für das Recht der Sozialversicherung. "Die Beschränkung auf Arbeitnehmer und auf eine Notlage gehört also nicht zum Wesen der Sozialversicherung." (BVerfGE 11, 105, 113 (Familienausgleichskassen)). 83 BVerfGE 22, 180, 212 f. (Jugendhilfe und Sozialversicherung); dabei bleibt offen, ob dies aus Art. 74 Nr. 7 selbst oder aus der "engen Verzahnung" und Sachzusammenhang mit Art. 74 Nr. 7 folgt. 84 So betont das Gericht die zumindest latent vorhandenen Schwierigkeiten der Jugendlichen, s.o Fn. 83. Zum Sozialstaatsprinzip s.o. Teil 1 S. 62 ff. 85

In diese Richtung geht beispielsweise das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, wenn es die Aufgabe verfolgt, "das Verständnis für die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, die für die Mehrheit der Bevölkerung bereits die eigene erlebte Vergangenheit darstellt, zu fördern" (BT-Drucks. 10/2237, S. 34) oder "dem stärker gewordenen Bedürfnis der Gesellschaft, sich mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen, Rechnung" zu tragen, so die Bundesbauministerin, zitiert nach BM, Richtfest für das Haus der Geschichte in Bonn, FAZ vom 28. 6. 1991; dort ebenfalls Bericht über das Richtfest am 27. 6. 1991. 86

Daher auch die Finanzierung über die Einrichtung oder die Veranstalter, s.o. S. 71 ff.

88

Teil 2: Kunstförderung des Bundes

Zu untersuchen bleiben Fürsorgemaßnahmen der Bundes für bedürftige Künstler. Im Rahmen des Künstlersozialversicherungsgesetzes 87 trägt der Bund zwar zu den Versicherungsbeiträgen bei, 88 die soziale Sicherung der Künstler geht aber nicht über die Sicherung der Arbeitnehmer hinaus89 und bleibt damit in dem Rahmen, den der Bund generell für Sozialleistungen in Ausnutzung seiner Befugnisse aus Art. 74 Nr. 7 GG festgelegt hat. Anders ist die Deutsche Künstlerhilfe zu beurteilen, die als einmalige oder laufende Ehrengabe Künstlern gewährt wird, die durch ihre Tätigkeit "einen Beitrag für das deutsche Kulturschaffen geleistet haben und durch Alter, Krankheit oder sonstige widrige Umstände in Not geraten sind".90

Unterstützung ist in diesen Fällen schon aufgrund der Bedürftigkeit nach Art. 1 und 2 GG und dem Sozialstaatsprinzip geboten, soweit sie sich in demselben Rahmen hält wie bei anderen Berufsgruppen auch.91 Zweifelhaft wird aber nicht nur die Unterstützung an sich,92 sondern erst recht die Unterstützung durch den Bund da, wo sie über die Unterstützung für andere Berufsgruppen hinausgeht. Denn dann stützt der Bund seine Maßnahmen auf Überlegungen, für die er nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes nicht zuständig ist, nämlich die Ehrung von Künstlern für ihren "Beitrag für das deutsche Kulturschaffen". 93 Die Bewertung künstlerischer Maßnahmen ist aber Länder-

87

Gesetz vom 27. 7. 1981, BGBl. I S. 705; gestützt auf Art. 74 Nr. 12 GG (Sozialversicherung); BVerfGE 75, 108, 146 ff. 88

Vgl. §§10 und 34 des Gesetzes, danach tragen die Künstier wie Arbeitnehmer nur die Hälfte der Versicherungsbeiträge selber, die andere Hälfte wird von den Kunstvermarktern und dem Bund getragen, der auch die Verwaltungskosten der Künstlersozialkasse trägt. Die Beiträge betrugen 1991 53.000.000DM zur Künstlersozialversicherung und 25.319.000 DM zur Künstlersozialkasse, BHHP 1991, EP 11, S. 162. 89 Vgl. § 1 Künstlersozialversicherungsgesetz: Rentenversicherung der Angestellten und gesetzliche Krankenversicherung. 90

Küster, S. 220. 1991 immerhin 4.300.000 DM, BHHP 1991, EP 06, S. 402.

91

Allerdings wurde durch den Bericht der Untersuchungsgruppe festgestellt, daß die Bereitschaft der Künstler, Vorsorge zu treffen, häufig fehle; Begründung des Gesetzesentwurfs BT-Drucks. 9/26, S. 16. 92 93

Hierzu oben Teil 1.

S.o.- Ebenfalls bedenklich ist die Begründung des Bundes für den Bundeszuschuß zur Künstlersozial Versicherung, BT-Drucks. 9/26, S. 17: "Insoweit trägt auch die Gesamtheit der Bürger zur sozialen Sicherung derjenigen bei, die die Voraussetzungen für das kulturelle Leben dieser Gesellschaft schaffen. "

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

89

sache, 94 so daß die Maßnahme des Bundes insoweit einen Verstoß gegen die Kompetenzverteilung des G G darstellt.

ò) Z u prüfen bleibt der Umfang der Maßnahmen, die der Bund aufgrund Art.

74 Nr.

11 GG, der weiten 95 Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet

des Wirtschaftsrechts, 96 treffen kann. Von Interesse sind hier solche Maßnahmen, die entweder wirtschaftliche und künstlerische Zwecke verfolgen 97 oder aber, ohne daß dies der Zweck der Maßnahme ist, Auswirkungen i m künstlerischen Bereich haben. Typische Beispiele sind der Einsatz von Kunst zur Steigerung des Fremdenverkehrs, 98 die Filmförderung (hierzu sogleich unter d) und die Förderung der Ausbildung von Künstlern, 99 aber auch Maßnahmen

94 Eine Ausnahme könnte nur wegen der gesamtstaadichen Bedeutung der Leistung gerechtfertigt sein, hierzu unten S. 139 ff. 95 "Der Parlamentarische Rat wollte in Angelegenheitender Wirtschaft eine weite Zuständigkeit des Bundes begründen ...", BVerfGE 68, 319, 331 f. (Gebührenordnungfür Ärzte). 96

"Unter Recht der Wirtschaft im Sinne von Art. 74 Nr. 11 GG sind alle das wirtschaftiiche Leben und die wirtschaftiiche Betätigung als solche regelnden Normen zu begreifen und vor allem diejenigen Vorschriften dazuzurechnen, die sich in irgendeiner Form auf die Erzeugung, Herstellung und Verteilung von Gütern des wirtschaftlichen Bedarfs beziehen (BVerfGE 8, 143 [148 f.]). " BVerfGE 26, 246, 254 (Ingenieurgesetz).- Darüber hinaus ergibt sich nach BVerfGE 26, 246, 255 aus Art. 74 Nr. 11 GG auch die Befugnis des Bundes, "Berufe "in der Wirtschaft" rechtlich zu ordnen und ihre Berufsbilder rechtiich zu fixieren. In diesem Rahmen kann der Gesetzgeber sowohl den Inhalt der beruflichen Tätigkeit wie auch die Voraussetzungen für die Berufsausübung (Ausbildung, Prüfungen) normieren ..."; allerdings muß ein Bezug zum Recht der Wirtschaft bestehen, indem es das Berufsbild bestimmt, BVerfGE, S. 256.- "Zum "Recht der Wirtschaft" gehört auch der Fragenkreis der praktischen beruflichen Ausbildung", BVerfGE 55, 274, 308 f. (AP1FG). 97 Nach dem BVerfG schließt eine doppelte Zweckbestimmung die Zurechnung zum Recht der Wirtschaft nicht aus, BVerfGE 8, 143, 148 f. (Handfeuerwaffen). 98 So schon im 19. Jh. die Aachener, Einleitung, Fn. 35. Bspw. kamen im Sommer 1975 in das Metropolitan Museum of Art/New York, 85.000 Besucher pro Woche, von denen die Hälfte nicht aus New York City und 27 % nicht einmal aus der Region waren. Die Auswärtigen ließen bei ihren Besuchen in New York 4 Millionen Dollar pro Woche in Hotels, Restaurants, Geschäften und Unterhaltungszentren. Dem stehen Subventionen der Stadt an das Museum in Höhe von 2,6 Millionen Dollar im Jahr gegenüber; vgl. Netzer, S. 160. Dieses Beispiel dürfte sich für große Kulturzentren beliebig wiederholen. Außerdem ziehen Gebiet mit guten kulturellen Angeboten die Ansiedlung von Industrieunternehmen mit hochqualifizierten Mitarbeitern an, was für die Gebiete wieder wirtschafdich lohnend ist; Netzer, S. 161.- Zu entsprechenden EG-Initiativen s.u. S. 175 und Teil 3 Fn. 167. 99

Bundeswettbewerb und Förderpreise zum 10jährigen Jubiläum des Bundeswettbewerbs "Kunststudenten stellen aus" für junge büdende Künstier (Bundesbildungsministerium); insgesamt 50.000 DM; FAZ, Kunststudenten, FAZ vom 28. 8. 1992. Der Förderpreis des Bundesbildungsministeriums für junge Schauspielstudenten beträgt ebenfalls 50.000 DM, FAZ vom 2. 11. 1991.

90

Teil 2: Kunstförderung des Bundes

wie der Bundespreis "Gute Form" für Stücke der laufenden Produktion von Industrie- und Konsumgütern.100 Im Bereich des Fremdenverkehrs kommen vor allem die vom Bund geförderten Festspiele,101 aber auch die Museen von überregionaler Bedeutung in Betracht. 102 Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung103 könnten diese Maßnahmen als Mittel der regionalen Wirtschaftsförderung von Art. 74 Nr. 11 GG gedeckt sein.- Art. 74 Nr. 11 GG erlaubt aber nur den Erlaß eines entspre-

100

Künftig "Bundespreis Produktdesign", der Preis soll die deutsche Designerqualität international aufweiten. Er wird durch das Bundeswirtschaftsministerium, Land, Stadt und Industriespendenfinanziert, dpa, Schöner formen, FAZ, 16. 8. 1991. 101 Unterstütztes Fetspiel (F.)

eigene Einnahmen

Bundeszuschuß % (F.kosten) in DM

BHHP,Kap. 06, S.

F.Bayreuth 57 % 16 % 2.965.275 92,408 Berliner F. GmbH 26 % 35 % 12.348.000 92,416 RuhrF. Recklinghausen 675.000 91,402 F. Bad Hersfeld 260.000 91,402 Bachwoche Ansbach 110.000 91,451 Dresdener MusikF. 2.900.000 91,451 Die Berliner Festspiele werden getragen von der Berliner Festspiele GmbH, die nach einem Verwaltungsabkommen zwischen Bund und dem Land Berlin vom 7.3. 1967 die Aufgabe hat, "die internationalen Festspiele Berlin und die Berliner Festwochen einschließlich aller dazugehörenden Festspiele zu veranstalten. " Dazu gehören die Filmfestspiele, die Festwochen, das Theatertreffen, das JazzFest, das Festival der Weltkulturen "Horizonte", die Berliner Musiktage und MetamusikFestivals, die Sommerfestspiele und Jugendprojekte sowie die Musik-Biennale; stellvertretender Intendant der Berliner Festspiele GmbH Torsten Maß, Festspiele in Berlin, FAZ vom 10. 12. 1991.- Gesellschafter der Ruhrfestspiele Recklinghausen GmbH sind der DGB und die Stadt Recklinghausen, aro., Streikbrecher, FAZ vom 2.5.1992, S. 27.- Die Bundessubventionen für die Dresdener Musikfestspiele sollen spätestens 1994 eingestellt werden, AP, Dresden bangt, FAZ v. 20. 12. 1991. Festspiele sind besonder effektive Kulturmaßnahmen, weil sie im Verhältnis zur Aufführungszahl eine große Besucherzahl aktivieren und dabei Bevölkerungsgruppen weit über den normalen Einzugsbereich hinaus ansprechen: Fest- und Freilichtspielen machen zwar nur 7,2 % aller Aufführungen in Bayern aus, locken aber 21,2 % aller Besucher an (Zahlen von 1988/89), "Strukturdaten", S. 40. 102

Der Bund fördert das Deutsche Museum München, das Germanische Nationalmuseum Nürnberg, das Römisch-Germanische Zentralmuseum Mainz, das Bergbaumuseum Bochum, das Museum A. Koenig und das Schiffahrtsmuseum Bremerhaven, s.o. S. 73.- Zur Attraktivität von Museen: Von den Besuchern der Römisch-Germanischen Museums kommen im Sommer die Hälte, von denen des Wallraf-Richartz-Museum ein Drittel aus dem Ausland, aro., Kölnisches Behagen, FAZ vom 11. 3. 1993, S. 35. 103 Vgl. Fn. 101 und 102.- Die wirtschaftliche Bedeutung führt dazu, daß für Maßnahmen des Tourismus sowie des Verlagswesen und der Filmindustrie in Großbritannien das Department of trade zuständig ist, Kazda, S. 374.

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

91

chenden Gesetzes.104 An einem solchen fehlt es auf Bundesebene bisher; die Bundesgesetze, die Wirtschaftsförderung über eine Verbesserung des Fremdenverkehrs zum Ziel haben, stützen sich auf Art. 91 a GG. 1 0 5 Ebenso fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage für den Bundespreis "Gute Form" und ähnliche Maßnahmen, weshalb auch diese nicht auf Art. 74 Nr. 11 GG gestützt werden können. e) Schließlich stellt sich die Frage, ob die Kompetenz des Bundes für die Luftreinhaltung (Art. 74 Nr. 24 GG) es deckt, einer "Deutschen Bundesstiftung Umwelt" die Förderung der "Bewahrung und Sicherung national wertvoller Kulturgüter im Hinblick auf schädliche Umwelteinflüsse (Modellvorhaben)"

zu übertragen. 106 Denn der Bund hat nur eine beschränkte Kompetenz für das Umweltrecht (nämlich nur punktuelle Gewährleistungen in Art. 74 Nr. 24 und 75 Nr. 3 und 4 GG). Art. 74 Nr. 24 GG erlaubt dem Bund nur Maßnahmen zur Erhaltung der Luftreinheit, nicht aber Maßnahmen zur Beseitung von Folgen, die durch unreine Luft entstanden sind. Eine absolute Luftreinheit ist aber gar nicht zu verwirklichen. Insofern muß schon für die Ermittlung der zu ertragenden Grenzwerte ermittelt werden, welche Auswirkungen Luftverunreinigungen auf die einzelnen Rechtsgüter hat. Hier kann sicherlich nicht beanstandet werden, wenn die "Deutsche Bundesstifung Umwelt" Modellvorhaben durchführt, um "national wertvolle Kulturgüter" zu schützen, solange diese Modellvorhaben nicht zu eigenständigen Denkmalpflegemaßnahmen des Bundes werden, sondern der Ermittlung der oben genannten Grenzwerte dienen. Diese Differenzierung legt es nahe, daß der Bund die Entscheidung, ob ein "Kulturgut" "national wertvoll" ist und damit Gegenstand eines Modell Vorhabens sein kann, den Ländern überlassen muß.

104

Damit wäre die Klippe der Art. 83 ff., 104 a ff. GG noch nicht umschifft.

105

Gesetz zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft in den Ländern vom 20. 12. 1988 (Art. 1 § 3 Nr. 1 e), BGBl. I S. 2358. Das Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" vom 6. 10. 1969, BGBl. I S. 1861, sah noch keine Maßnahmen im Bereich des Fremdenverkehrs vor. 106

So § 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung "Deutsche Bundesstiftung Umwelt" vom 18. 7. 1990, BGBl. I S. 1448.

92

Teil 2: Kunstförderung des Bundes d) Filmförderung Die Filmförderung des Bundes 107 erfaßte nach dem Filmförderungsge-

setz 108 die Förderung der Filmproduktion, 1 0 9 des Filmabsatzes und des Filmabspiels. Es handelte sich hierbei um eine Tätigkeit des Bundes, die sowohl Elemente der dem Bund erlaubten Wirtschaftsförderung 110 als auch der Kulturförderung enthielt. Denn Ziel der Filmförderung war es, "den künsderischen Rang des deutschen Films zu steigern und zur Verbreitung deutscher Filme mit künsüerischem Rang beizutragen",111 während gleichzeitig die künstlerische Bewertung des Films in Gestalt eines von einer Bewertungskommission verliehenen Gütezeugnisses gemäß § 31 FilmfG eine Voraussetzung war, die die wirtschaftlichen Anforderungen für die Förderung des Filmes herabsetzte; Kunst war also zugleich Vorausset-

107 1992: 16.300.000 DM, BHHP 1992, EP 06, S. 415. Darüber hinaus verleiht das Bundesinnenministerium den Deutschen Filmpreis als Filmband in Gold 90.000 DM (möglich auch Verleihung der Goldenen Schale (1 Million)), Einzelauszeichnungen mit 20.000 DM, Filmbänder in Silber mit 700.000 DM, schon Nominierung gibt 400.000 DM, allerdings zweckgebunden für ein neues Projekt, FAZ, 20. 4. und 7. 6. 1991. Der Bund fördert ferner die Westdeutschen Kurzfilmtage in Oberhausen, die Internationale Filmwoche in Mannheim und die Internationalen Filmfestspiele in Berlin; Küster, S. 228. 108 BGBl. 1986 I S. 2046 ff. Geändert durch Gesetz vom 21. 12. 1992 (BGBl. I S. 2135), neu bekanntgemacht in BGBl. 1993 I S. 66. 109

Insbesondere Referenzfilme, Projektfilme und Kurzfilme sowie Drehbücher; §§22 ff.

110

Die wirtschaftliche Bedeutung der Herstellung von Filmen folgt aus den hohen Herstellungkosten.- Zur wirtschafdichen Situation des deutschen Films: Der Verleihumsatz deutscher Filme hat sich von 1986 bis 1990 auf 34 Mio DM halbiert, das sind 10 % des gesamten deutschen Verleihumsatzes; dpa, Umsatz halbiert, FAZ vom 11.6. 1992. Ein Großteil der deutschen Filme bleibt unterhalb 130.000 Besuchern (50.000 Besucher sind die Rentabilitätsgrenze). Das Kinogeschäft hat aber 1993 eine Besucher- und Umsatzsteigerung von über 10 % erfahren, AP, Viele schöne Stunden, FAZ vom 29. 11. 1993, S. 36.- In Deutschland erfolgt die Filmförderung über die Filmförderungsanstalt (1991: 40 Mio DM), die sich durch einen Anteil von 3-4 % an jeder Kinokartefinanziert; die Ländergeben weitere 10 bis 12 Mio DM als Arbeitsplatzsicherung oder Regionalförderung. Ferner fördern der Bund und das Kuratorium Junger Deutscher Film mit 16 Mio DM. Zu allem: Claudia Ebel, Das harte Brot der Cineasten, Rheinischer Merkur vom 26. 4. 1991, sowie Überblick über die Bundesfilmpreise bei KNA/dpa, Bonner Filmpreise, FAZ vom 22. 10. 1993, S. 33. Überblick über die deutschen Filmfestivals und ihre Träger (u.a. Berlin, Köln, Hamburg, München, Mannheim, Stuttgart, Leipzig, Oberhausen, Saarbrücken Freiburg und Hof) bei dpa, Streichkonzert, FAZ vom 20. 8. 1993, S. 25. 111 I 1 der Filmförderungsrichtlinien des BMI vom 29. 6. 1990 (abgedruckt in Media Perspektiven, Dokumentation 11/90, 106 ff.).- Zur Verwaltungsvereinbarung und der Verfahrensordnung der Filmbewertungsstelle vgl. auch VGH Kassel, NJW 87, 1436 ff.

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

93

zung und Ziel der finanziellen Förderung im Wirtschaftsbereich Film. 112 Aus diesem Grund war die Zulässigkeit der Bundesfilmförderung nicht unumstritten. 113 Als Grundlage der Bundestätigkeit kam neben Art. 74 Nr. 11 GG (Wirtschaft) Art. 75 Nr. 2 GG (Rahmengesetzgebung über die allgemeinen Rechtsvorschriften des Films) in Betracht. 114 Die Frage war aber, ob Art. 75 Nr. 2 GG die Befugnisse des Bundes auf künstlerische oder nur auf publizistische Aspekte ausdehnt. Für diese Frage ist die Behandlung des Films im Zusammenhang mit der Kompetenz für die "Rechtsverhältnisse der Presse" aufschlußreich. 115 Die Presse stand als publikumswirksames Medium schon im 19. Jh unter - möglichst zentraler - Staatsaufsicht. 116 Infolgedessen spricht die gemeinsame Behandlung von Presse und Film dafür, daß es sich bei beiden um die Kompetenz der Zentralgewalt für publikumswirksame Medien handelt und daß sich die Bundeskompetenz nur auf diese Aspekte erstreckt. Gegen eine solche Auslegung spricht nicht, daß die Medien Film und Presse in der Weimarer Reichsverfassung nicht zusammen geregelt worden waren, sondern die Presse im Zusammenhang mit dem Vereins- und Versammlungswesen (Art. 7 Nr. 6 WRV) und der Film zusammen mit dem Theater (Art. 7 Nr. 20 WRV). Denn nach der damaligen Auffassung war auch das Theater ein publizistisches Mittel. 117 Allerdings spricht gegen eine Begrenzung der Bundeskompetenz für Presse und Film auf die publizistische Bedeutung dieser Medien, daß der Bund gerade für das Medium mit der größten publizistischen Wirkung, nämlich den Rund-

112

Ebenso andere künsderische Auszeichnungen eines Filmes; vgl. § 22 Abs. 2 und § 23 Abs. 1 FilmfG. 113 So fordert bspw. Hufen, BayVBl 85, 1, 40: "Die Filmförderung des Bundes ist insgesamt entweder als reine Wirtschaftssubvention auszuflaggen und hat sich dann jeder ästhetischen Akzentuierung zu enthalten, oder sie ist als überwiegende Kulturfördemng auf die Länder zu übertragen." Weitere Literatur bei Woeller, S. 33 ff. 114 Nach Art. 7 Nr. 6 und 20 WRV hatte das Reich die uneingeschränkte Gesetzgebung über das Presse-, Vereins- und Versammlungswesen und das Theater- und Lichtspielwesen. 115

Nach der Ansicht Woellers darüber hinaus auch die Parallele zu Art. 5 Abs. 1 GG, S. 36 f.

116

Und zwar i.d.R. in der Form einer "Rahmenkompetenz"; vgl. das Bundespreßgesetz vom 20. 9. 1819 (Teil der Karlsbader Beschlüsse) und der Bundesbeschluß über die Preßfreiheit vom 3.3. 1848 (Frankfurter Bundestag). Keine Kompetenz der Zentralgewalt nach der Verfassung des Norddeutschen Bundes, aber wieder in Art. 4 Ziff. 16 der Verfassung des Deutschen Reiches von 1871. 117

Vgl. Carriere , S. 169 f.; ν. Mohl y S. 516; W. Klein, S. 190 und 207 ff.

94

Teil 2: Kunstförderung des Bundes

funk, keine Rahmenkompetenz hat, sondern hier auf die technische Seite beschränkt ist. Das Argument ist aber nicht überzeugend. Denn die Überlassung des publizistisch wertvollen Rundfunks an die Länder beruhte nicht auf einem freiwilligen Verzicht des Bundes, sondern erfolgte auf Verlangen der Besatzungsmächte nach 1945, die eine zentralstaatliche Ausnutzung des Rundfunks wie im Dritten Reich verhindern wollten.118 Daß der Bund heute nicht mehr für den Rundfunk zuständig ist, kann also nicht widerlegen, daß seine Zuständigkeit für den Film ebenso wie früher seine Zuständigkeit für den Rundfunk auf publizistischen Erwägungen beruht, sich aber auch in ihnen erschöpft. Schließlich spricht auch die Ausgestaltung als Rahmenkompetenz dafür, daß der Bund keine volle inhaltliche Kompetenz hat, 119 und sich die Bundeskompetenz im Bereich des Films nicht auf künstlerische Fragen bezieht.120 Nach Art. 75 Nr. 2 GG ist der Bund außerdem auf die Rahmengesetzgebung über die allgemeinen Rechtsverhältnisse des Films beschränkt.121 Ein Rechtsverhältnis im Sinne einer Rechtsbeziehung zwischen Rechtssubjekten lag vor. 122 Die Regelung war auch "allgemein" in dem Sinne, daß der Bund keine Einzelfallregelungen traf, denn er überließ die Entscheidungen über die Fimförderung der Bewertungs- und der Vergabekommission, § § 7 und 8 FilmfG. Die Regelung des Filmförderungsgesetzes war aber keine ausfüllungsbedürftige Rahmenregelung mehr. 123 Denn den Ländern blieb keine

118

Hierzu Bullinger, § 142, Rn. 89.

119

Als Rahmenkompetenz erst in der Fassung des Fünferausschusses. Bis zur 3. Lesung im HA war eine Vorranggesetzgebung des Bundes für "das Vereins- und Versammlungsrecht, das Presserecht und das Lichtspielwesen" vorgesehen (Art. 36 Nr. 3). S. auch Fn. 121. 120

A.A. Woeller, S. 38 und 80, nach dem der Bund aber auf Maßnahmen für Filme selbst (im Gegensatz zu ihrer Verbreitung) beschränkt ist.- An der Unzulässigkeit ändert auch die Übertragung der Entscheidung auf die Bewertungs- und Vergabekommission nichts, denn diese Kommissionen werden für den Bund und mit Befugnissen des Bundes tätig, so daß ihre Handlungen ihm zuzurechnen sind. 121

Nach der Enquêtekommission Verfassungsreform sollte Art. 75 gestrichen werden und die Kompetenz für Presse und Film als Art. 74 Nr. 27 eingeführt werden, BT-Drucks. 7/5924. Ebenso der Vorschlag der Gemeinsamen Verfassungskommission, vgl. Beschluß vom 15. 10. 1992. S. auch oben Fn. 119. 122 Dabei steht auf der einen Seite der Bund, vertreten durch die bundesunmittelbare Filmförderungsanstalt, und auf der anderen Seite der Hersteller des Filmes, § 8 des Gesetzes. 123 Nach Maunz handelt es sich bei der Ausfüllungsbedürftigkeit um ein Kriterium für die Allgemeinheit der Regelung, Abgrenzung, S. 265. Nach Bullinger, DÖV 70, 797, 799 ist nur eine richtungsweisende gesetzgeberische Gestaltung möglich.- Herzog, BayVBl 91, 513, 515, weist

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

95

Möglichkeit, im Rahmen der Gesetzgebung noch eine eigene Entscheidung einzubringen. 124 Daß die Länder über die Bundespreise hinaus ebenfalls Filmförderungspreise verleihen konnten, 125 war keine Ausfüllung des FilmfG und konnte den Verstoß des Bundes gegen Art. 75 G G nicht rechtfertigen. Eine abschließende Regelung war dem Bund auch nicht deshalb erlaubt, weil es sich um eine Einzelfrage handelte, an deren einheitlicher Regelung ein "besonders starkes und legitimes Interesse" bestand. 126 Denn das Filmförderungsgesetz regelte keine Einzelfrage, sondern versuchte, den gesamten Bereich der Filmproduktion bewertend zu erfassen. Auch bestand kein starkes oder legitimes Interesse an einer einheitlichen Regelung, das so groß war, daß es eine Abweichung von der grundsätzlichen Zuständigkeit der Länder rechtfertigte. Das Bundesfilmförderungsgesetz überschritt daher die Kompetenzen des Bundes. Fraglich ist, ob dieses Urteil auch noch für die Neufassung des Filmförderungsgesetzes gilt. 1 2 7 Denn in der neuen Fassung ist die Bewertungskommis-

darauf hin, daß beide Einschränkungen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts inzwischen rein theoretisch geworden sind. 124 Selbst da, wo die Länder im Rahmen des Filmförderungsgesetzes in Erscheinung treten, nämlich bei der Wahl zweier Vertreter in den Verwaltungsrat (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 FilmfG), der Wahl eines Mitglieds und eines Vertreters in die Vergabekommission (§ 8 Abs. 4 Nr. 2 FilmfG; dagegen keine Repräsentation in der Bewertungskommission, § 7 Abs. 4 FilmfG) und bei der Verleihung eines Preises der Filmbewertungsstelle Wiesbaden oder eines A-Festivals, der im Rahmen der Bewertung von Referenzfilmen nach § 22 Abs. 2 FilmfG eine Rolle spielen könnte, handelt es sich nicht um die "Ausfüllung" der bundesgesetzlichen Rahmenregelung. Denn es sind nicht die Länder selbst, denen eine Entscheidung überlassen bleibt, sondern von ihnen eingesetzte Jurys. 125 Was die Länder auch tun. Übersicht über die Ausgaben für Film und Filmförderung (Ff.) 1990 insgesamt wirtschafti. Ff. "kultur." Ff. alle Länder 110.055.671DM 47.133.510 DM 33.977.550 DM der Bund 50.672.500 DM 7.059.720 DM 6.650.000 DM Von den Bundesausgaben laufen 24,3 % über das Auswärtige Amt. Vgl. zu allem: KMK, Film, S. 1369 bis 1371. 1992 haben die Länder für Filmförderung 154 Mio DM ausgegeben, dpa, Filmaförderung, FAZ vom 27. 8. 1993, S. 30. 126 Unter diesen Umständen wäre die Regelung einer Einzelfrage kein Verstoß gegen die Beschränkung des Bundes auf eine Rahmenkompetenz; BVerfGE 33, 52, 64 (verfassungsfeindliche Filme).- S. auch die Beschlüsse der Gemeinsamen Verfassungskommission vom 15. 10. 1992 für Art. 75 Abs. 2 GG: "Rahmenvorschriften dürfen nur in Ausnahmefällen in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen enthalten. " 127

Gesetz vom 21. 12. 1992, BGBl. I S. 2135 ff.

96

Teil 2: Kunstfördeng des Bundes

sion aufgelöst und das Gütezeugnis nach § 31 FilmfG abgeschafft. 128 Zwar werden die wirtschaftlichen Anforderungen an zu fördernde Filme immer noch dadurch herabgesetzt, daß der Film schon künstlerische Meriten errungen hat. 129 Auf diese hat der Bund aber keinen Einfluß mehr. 130 Mit dieser Änderung ist aber nur ein Bedenken gegen das alte Filmförderungsgesetz beseitigt. Denn die Förderung selber ist immer noch keine Rahmenregelung, die den Ländern einen eigenen Spielraum offenließe. Und die Förderung der Filme ist auch nicht auf reine Wirtschaftförderung reduziert, solange künstlerischen Gesichtspunkte eine Rolle spielen können. Denn dann handelt es sich um eine die Kunst positiv berücksichtigende Maßnahme, kurz: um eine Maßnahme der Kunstförderung, zu der der Bund nach Art. 75 Nr. 2 GG nicht berechtigt ist. Die Beurteilung des Filmförderungsgesetzes in der alten Fassung gilt im Ergebnis also auch für die neue Fassung.131

e) Ausbildungsförderung und Forschungsförderung Die Kompetenz des Bundes nach Art. 74 Nr. 13 GG berechtigt den Bund zum Erlaß von Gesetzen, die die Ausbildungsbeihilfen regeln, 132 nicht aber zur permanenten Unterhaltung von Akademien oder zu Einzelmaßnahmen im Bereich der Ausbildung junger Künstler. 133 Hierfür gibt auch Art. 75

128

Art. 1 Nr. 3 und 18 des Änderungsgesetzes.

129

Art. 1 Nr. 11 des Änderungsgesetzes (§ 22 FilmfG n.F.).

130

Nicht unproblematisch aber bei Filmpreisen, die im Rahmen von Filmtagen verliehen werden, die der Bund bezuschußt, bspw. die Westdeutschen Kurzfilmtage in Oberhausen, die Internationale Filmwoche in Mannheimund die Internationalen Filmfestspiele in Berlin; Küster, S. 228. 131 Die Neufassung des Filmförderungsgesetzes hat aber durch die Gleichstellung deutscher und anderer europäischer Filme die europarechtlichen Bedenken gegen eine diskriminierende Bevorzugung deutscher Filme berücksichtigt, vgl. bspw. Art. 1 Nr. 1 und 23 des Änderungsgesetzes. Hierzu unten Teil 3, S. 188 f. 132 Dagegen fallen die allgemeinen Regelungen über die Ausbildung unter Art. 74 Nr. 11 GG, s.o. S. 89 ff. 133

Bspw. die Finanzierung der Villa Massimo, der Cité des Arts, pp., s.u. S. 121 ff. Diese Maßnahmen stehen in der Tradition landerherrlicher Ausbildung der Untertanen zum eigenen Nutzen (s.o. Einleitung, S. 20 f.). Als solche sind sie nicht Gegenstand einer Bundeskompetenz. So auch Küster, S. 268, für die Stipendien, er hält aber die Förderung der Einrichtungen an sich für zulässig.- Speziell zur Problematik der "Landeskinderförderung "nach Gemeinschaftsrecht s.u. Teil 3 S. 209 ff.

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

97

Nr. 1 a GG (Tta/zmertgesetzgebungskompetenz über die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens) keine Grundlage. 134 Unzulässig sind auch Stipendien an junge Künstler, und zwar auch dann, wenn diese sich im Ausland aufhalten. Denn diese Maßnahmen betreffen nicht Beziehungen der Bundesrepublik zum Ausland. 135 Art. 74 Nr. 13 G G ist auch Grundlage für die Trägerschaft des Bundes für die Deutschen Bibliothek in Frankfurt. Es handelt sich aber bei dieser Archivbibliothek weniger um Kunstförderung als um eine wissenschaftliche Sammlung, 1 3 6 weshalb keine weitere Prüfung stattfindet.

f) Art. 72 Abs. 2 G G Für alle Kompetenzen nach Art. 74 und 75 G G müssen über die speziellen Anforderungen hinaus die Voraussetzungen von Art. 72 Abs. 2 G G vorliegen (Art. 72, 75 GG), der eine Art genereller Entscheidung für den Kompetenzkonflikt zwischen Bund und Ländern für die Sachbereiche der Art. 74 und 75 G G trifft: Nur wenn die Voraussetzungen des Art. 72 G G neben den

134

Zu den engen Voraussetzungen von Art. 75 Nr. 1 a GG s. Maunz, Abgrenzung, S. 262 und 265 f.- Abzulehnen ist m.E. der Vorschlag Bullingers, DÖV 70, 797, 799, die Kompetenzen zugunsten der Länder eng auszulegen, denn dies widerspräche dem Sinn der Verfassungsänderung.- Zu Art. 91 a GG s.u. S. 105 ff. 133

Zur Kompetenz des Bundes nach Art. 32 GG im Einzelnen unten S. 117 ff.

136

Als Archivbibliothek war sie Pendant und Ergänzung zur Deutschen Bücherei in Leipzig, da diese die westdeutschen Pflichtexemplare nicht mehr vollständig archivierte. Zunächst privat getragen, seit 1952 hessische Stiftung des öffentiichen Rechts mit Beteiligung des Bundes, wurde sie 1969 durch Gesetz zur bundesunmittelbaren Anstalt des öffentiichen Rechts mit bundeseinheitiicher Pflicht zur Hinterlegung eines Pflichtexemplars. Gemäß der UNESCO-Definition ist sie durch die Erfüllung der "jedem Kulturstaat obliegende Aufgabe einer umfassenden Sammlung des nationalen Schrifttums" Nationalbibliothek der Bundesrepublik Deutschland und damit nach Meinung Küsters, S. 236 ff., insbes. 239, eine zentrale kulturelle Institution auf gesamtstaatlicher Ebene, die nicht durch einzelne Ländereinrichtungen hätte ersetzt werden können". Im Ergebnis ebenso Köstlin, DVB1 86, 219, 220, und Köttgen, JöR 3, 67, 146 (ein Fall unproblematischer Beteiligung des Bundes an Ländereinrichtungen).-M.E. ist der Schluß von der Erforderlichkeit auf die Zulässigkeit problematisch, vgl. hierzu unten S. 137 ff. Mit der Wiedervereinigung entfiel eigentiich die Notwendigkeit für zwei gesamtdeutsche Archivbibliotheken, doch sollen nach Anlage I zum Einigungsvertrag, BGBl. 1990 II S. 885, 910, 913 (Nr. 3), beide Einrichtungen als Teile der Deutschen Bibliothek (mit künftigem Sitz in Frankfurt und Leipzig) fortgeführt werden. Ob nach BVerfGE 86, 148, 268 (Finanzierung Saarland und Bremen) eine Standortentscheidung des Bundes zugunsten Leipzigs ausfallen müßte, bleibt daher noch offen. 7 Geißler

98

Teil 2: Kunstförderung des Bundes

speziellen Anforderungen von Art. 74 und 75 G G erfüllt sind, geht die Bundeskompetenz der grundsätzlichen Länderzuständigkeit vor. Art. 72 G G setzt voraus, daß ein Bedürfnis

nach einer bundesgesetzlicher

Regelung besteht, weil "1. eine Angelegenheit durch die Gesetzgebung einzelner Länder nicht wirksam geregelt werden kann oder 2. die Regelung einer Angelegenheit durch ein Landesgesetz die Interessen anderer Länder oder der Gesamtheit beeinträchtigen könnte oder 3. die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit, insbesondere die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse über das Gebiet eines Landes hinaus sie erfordert. "

Dieser Bedürfnisprüfung hat das BVerfG jedoch schon sehr früh jede Bedeutung genommen: "Die Entscheidung darüber, ob ein solches Bedürfnis vorliegt, ... hat zunächst derjenige zu treffen, dem es obliegt zu handeln, also der Bundesgesetzgeber. ... Das Bundesverfassungsgericht ist deshalb auf die Prüfung beschränkt, ob der Bundesgesetzgeber die in Art. 72 ... GG verwendeten Begriffe im Prinzip zutreffend ausgelegt und sich in dem dadurch bezeichneten Rahmen gehalten hat. " 1 3 7 Diese Rechtsprechung widerspricht dem klaren Wortlaut von Art. 72 G G

138

75,

ebenso wie der Systematik des Grundgesetzes (Art. 30, 70 ff., 83 ff.

G G ) und der Struktur der Bundesrepublik als Bundesstaat. Denn i m Bundesstaat ist der Streit zwischen Bund und Ländern ein echter Parteienstreit, in dem nach der Grundentscheidung von Art. 30 und 70 G G die Länder

Nutz-

nießer eines "non liquet" sind. 1 3 9 Entgegen der Rechtsprechung des Bundes-

137 BVerfGE 13, 230, 233 f. (Ladenschlußgesetz 1); S. auch BVerfGE 13, 237, 239 (Ladenschlußgesetz 2) und BVerfGE 14, 56, 75 (Gemeinderichter). Ebenso Maunz, Abgrenzung, S. 264. Schon Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 230 f., kritisiert, daß dem Kriterium der Erforderlichkeit durch das BVerfG - anders als bei den Grundrechten - bei Art. 72 Abs. 2 GG bislang keine Bedeutung beigemessen wurde. Er spricht von einer "normativen Schwäche". Kritisch auch Merten, Beteiligung, S. 41, und Ehard , BayVBl 61, 1, 2.- Herzog, BayVBl 91, 513, 515, weist darauf hin, daß Abs. 2 zunächst den Schutz der Alliierten genoß, die auch die unterschiedlichen Arten von Bundesgesetzgebungskompetenzen befürwortet hatten. Selbst dann kann man die Rechtsprechung des BVerfG nicht damit rechtfertigen, sie habe nur die von den Deutschen eigentlich gewollten Zustände hergestellt. Selbst wenn dies die einzige Möglichkeit gewesen wäre, diese Zustände herzustellen, wäre dies nicht Aufgabe des Bundesverfassunsggerichts gewesen. 138 139

"Der Bund hat... das Gesetzgebungsrecht, soweit ein Bedürfnis

... besteht".

Denn nach Art. 30 und 70 GG ist die Zuständigkeit des Bundes die Ausnahme. Will der Bund sich auf diese Ausnahme berufen, muß er das Vorliegen ihrer Voraussetzungen notfalls beweisen. Das BVerfG darf m.E. in diesem Fall auch nicht die Aussage des Bundesgesetzgebers als wahr unterstellen. Denn eine solche Beschränkung verfassungsgerichdicher Kontrolle des

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

99

Verfassungsgerichts ist daher bei Art. 72 Abs. 2 G G ggf. der Nachweis eines Bedürfnisses nach bundesgesetzlicher Regelung durch den Bund zu fordern. 1 4 0 Dies gilt insbesondere für die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse nach Nr. 3, auf die der Bund die meisten seiner Handlungen stützt; sie erfaßt nämlich nur die Maßnahmen, die erforderlich

sind, um die Rechts-

oder Wirtschaftseinheit oder die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse zu wahren. Damit sind insbesondere Maßnahmen auf den Gebieten ausgeschlossen, die traditionell durch die Länder unterschiedlich geregelt wurden, da hier nie Einheitlichkeit bestand. 141

(Bundes-)Gesetzgebers ist nur im Staat-Bürger-Streit aus Gründen der Gewaltenteilung zwischen Legislative und Judikative gerechtfertigt, nicht aber bei der Verteilung der Gewalten zwischen zwei gleichartigen Funktionsträgern (Bundes- und Landesgesetzgeber). In diesem Verhältnis ist auch ein Rückzug des Gerichts auf "wer zuerst kommt, mahlt zuerst" (= wer eine Aufgabe zuerst an sich zieht, genießt die Vermutung der Zuständigkeit, wobei sich das nach Art. 31 GG einseitig zu Lasten der Länder auswirkt) nicht möglich. 140 Nach den Beschlüssen der Verfassungsreformkommission vom 15. 10. 1992 soll mit Art. 93 Nr. 2 a GG eine Spezialregelung für die Kontrolle der Einhaltung der Grenzen von Art. 72 Abs. 2 GG eingeführt werden. 141 Ebenso Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 232. Hufen, BayVBl 85, 1, 41, betont, "daß Art. 72 GG keine Kompetenz begründet, sondern voraussetzt. " Nach ihm kommt selbst da, wo "strukturelle Unterschiede wirklich bedenklich werden oder die Gleichwertigkeit zur Sicherung von Freizügigkeit und Mobilität erforderlich ist, ... der Selbstkoordinierung der Länder - also der horizontalen Sicherung der Gleichwertigkeit - der Vorrang vor der zentralstaatiichen Lösung zu...", wobei er sich auf die praktischen Erfahrungen und das Verhältnismäßigkeitsprinzip stützt, S. 42. Auch private Fördervereine, Stiftungen, pp. seien eine "verfassungskonforme Lösung", S. 41. A.A. das BVerfG: "Was insbesondere Nr. 3 des Art. 72 Abs. 2 GG anlangt, so ist der Bundesgesetzgeber nicht darauf beschränkt, einer bereits bestehenden Einheitiichkeit der Lebensverhältnisse mit bundeseinheitiicher Gesetzgebung lediglich zu folgen. Es kann ihm nicht versagt sein, auf das ihm erwünscht erscheinende Maß an Einheitiichkeit im Sozialleben hinzustreben. Hierin liegt eine politische Vorentscheidung, die das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich zu respektieren hat, weil es die Aufgabe jedes Gesetzgebers ist, Lebensverhältnisse ... gestaltend zu ordnen. ... Das Bundesverfassungsgericht ist deshalb auf die Prüfung beschränkt, ob der Bundesgesetzgeber die in Art. 72 Abs. 2 Nr. 3 GG verwendeten Begriffe im Prinzip zutreffend ausgelegt und sich in dem dadurch bezeichneten Rahmen gehalten hat." BVerfGE 13, 230, 233 f. (Ladenschlußgesetz 1). Ebenso BVerfGE 13, 237, 239 (Ladenschlußgesetz 2). Das BVerfG verkennt hier, daß die Gestaltung der Lebensverhältnisse, selbst wenn sie Aufgabe des Gesetzgebers ist, im Bundesstaat nicht Aufgabe jedes Gesetzgebers ist, sondern daß sich hier die Kompetenzfrage stellt.- Hesse, Föderalismus, S. 160, sieht in der Herstellung der Einheitiichkeit der Lebensverhältnisse eine "kategorischen Aufgabe" des Sozialstaats, die zwangsläufig mit dem Föderalismus kollidiert. M.E. kann aber auch im Sozialstaatsprinzip angesichts des eindeutigen Wortlauts von Art. 72 Abs. 2 Nr. 3 GG keine Befugnis des Bundes zur Vereinheitiichung des Lebensverhältnisse gesehen werden.

100

Teil 2: Kunstförderung des Bundes

Art. 72 Abs. 2 Nr. 1 GG setzt die Wirkungslosigkeit142 einer landesgesetzlichen Regelung voraus, wobei aus dem Text nicht eindeutig hervorgeht, ob die Kompetenz des Bundes schon eröffnet ist, - wenn ein einzelnes Land scheitern würde, 143 - wenn mehrere Länder scheitern würden oder erst, - wenn ein - ggf. koordinierter Versuch der Länder gescheitert ist. 144 Im Ergebnis ist davon auszugehen, daß der Bund nicht von Schwierigkeiten eines Landes, die evt. landesintern seien können, auf die Unfähigkeit aller Länder schließen darf, die Materie zu regeln, daß aber andererseits die Möglichkeit einer freiwilligen Selbstkoordinierung der Länder nicht gegen die Unmöglichkeit für "einzelne Länder" spricht. Damit besteht eine Bundeskompetenz nach Nr. 1 jedenfalls dann, wenn eine Regelung bundesweit gelten soll. 145 Schließlich ist auch Art. 72 Abs. 2 Nr. 2 GG nicht eindeutig. Dies liegt daran, daß die Formulierung der Vorschrift im Konjunktiv ( "könnte") nahelegt, daß es nur auf eine Einschätzung durch den Bund ankommt. Man wird den Bund also nicht auf Fälle verweisen können, in denen die Interessen anderer Länder oder der Gesamtheit schon beeinträchtigt sind. Auf der anderen Seite kann eine bloße Vermutung des Bundes wegen der Grundentscheidung in Art. 30, 70 und 72 GG nicht ausreichen. - Im Ergebnis wird man hier dieselben Maßstäbe wie bei jeder Prognose-Entscheidung anwenden müssen: Auszugehen ist von dem Stand des Wissens im Zeitpunkt der Entscheidung. Eine Bundeszuständigkeit darf nur dann angenommen werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür sprechen, daß die Verletzung von Interessen des Bundes oder der

Vorschlag der Gemeinsamen Verfassungskommission vom 15. 10. 1992: "Der Bund hat in diesem Bereich das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet... im gesamtstaatiichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. " In diese Richtung ging schon der Vorschlag der Enquêtekommission Verfassungsreform, BT-Drucks. 7/5924. 142

Soweit es dem Bund nur um die Einheitiichkeit der Rechts-, Wirtschafts- und Lebensverhältnisse geht, eine unterschiedliche Regelung aber die Wirksamkeit der Regelung nicht beeinflußt, ist Nr. 3 lex specialis; und zwar auch für die Herbeiführung einheiüicher Lebensverhältnisse (es wäre widersprüchlich, dem Bund die Herbeiführung einheidicher Lebensverhältnisse eher zu gestatten als deren Wahrung). 143

Hiergegen spricht die Verwendung der Mehrzahl ("einzelner Länder").

144

Hiergegen spricht die Formulierung "einzelner" Länder.

145

Zur Länderkoordination s. unten S. 110 ff.

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

101

Gesamtheit möglich ist. Ob darüber hinaus die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung erforderlich ist, um die Zuständigkeit des Bundes zu eröffnen, erscheint fraglich. 146 Zu berücksichtigen ist auch die Möglichkeit der Länder, sich selbst gegen die Interessenverletzung durch ein anderes Land vor dem Verfassungsgericht zu wehren, 147 so daß an eine Tätigkeit des Bundes im Interesse eines Landes gemäß Art. 72 Abs. 2 GG höhere Anforderungen zu stellen sind als an Maßnahmen im Interesse des Gesamtstaates.148

Nach den obigen Erkenntnissen konnten sich folgende Maßnahmen auf Art. 74 oder 75 GG stützen: - ein Teil der Maßnahmen des Bundes aufgrund § 96 BVFG und - die Beauftragung der "Deutschen Stiftung Umwelt" mit der Prüfung der Sicherung von Kulturgut gegen die Auswirkungen von Luftverunreinigung. In beiden Fällen ist nun also noch zu prüfen, ob auch die Voraussetzungen von Art. 72 GG gegeben sind: Für die Maßnahmen nach § 96 BVFG kommt eine Rechtfertigung aus Art. 72 Nr. 3 GG in Betracht, soweit man annimmt, daß für die Vertriebenen einheitliche Lebensverhältnisse über ein Land hinaus erforderlich sind. Dies liegt dann nahe, wenn man den Sinn der Regelung nicht in einer vollständigen Assimilierung der Vertriebenen in den Aufnahmeländern sieht, sondern in der Bewahrung ihrer Eigenart, die sich, da ihr die räumliche Grundlage entzogen ist, nur noch kulturell darstellen kann und in der Darstellung ihrer (einheitlichen) Besonderheit gerade nicht einem unterschiedlichen Einfluß der Aufnahmeländern unterliegen darf.

146

Dafür spricht die Zurückhaltung des GG mit Bundeskompetenzen. Dagegen spricht die Formulierung von Art. 72 Abs. 2 Nr. 2 GG, die gerade nicht von "beeinträchtigen können" oder "zu beeinträchtigen droht", sondern nur von "beeinträchtigen könnte" (also Konjunktiv) spricht. 147

Art. 93 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 4 GG. Diese Möglichkeit spielt aber keine Rolle für die Wahrscheinlichkeit der Interessenverletzung. Sie ist Mittel zur Wiederherstellung des Rechts, aber ohne Einfluß auf das Ausmaß der ursprünglichen Rechtsverletzung. 148 Dies ergibt sich schon daraus, daß die einmalige Kompetenzüberschreitung eines Landes durch ein Urteil des BVerfG beseitigt wird, wogegen eine Maßnahme des Bundes nach Art. 72 Abs. 2 GG die Kompetenz auf Dauer einem neuen Träger zuordnet und damit stärker als das Urteil und als zum Schutz der betroffenen Interessen erforderlich in die Rechte aller Länder eingreift. Aus diesem Grund kann auch die unterschiedliche Ausdrucksweise in Art. 93 GG ("Rechten") und Art. 72 GG ("Interessen") nicht zur Annahme verleiten, die Schutz der Länder sei bei Art. 72 GG weitergehend, seine Voraussetzungen daher geringer als die von Art. 93 GG.

102

Teil 2: Kunstförderung des Bundes

Die Sicherung des Kulturguts gegen Luftverunreinigungen ist von Art. 72 Nr. 1 gedeckt, soweit sie "an der Luft" anknüpft: solche Maßnahmen können wirksam nur durch den Bund geregelt werden, eine Regelung der Luftreinhaltung beschränkt auf das Gebiet eines Landes ist utopisch. Soweit die Maßnahmen aber an Gebäudesicherung anknüpfen und damit nicht die Frage der Luftreinhaltung berühren, sondern die der Kompensation von Folgen der Luftverunreinigung, sind sowohl die Grenzen von Art. 72 Nr. 1 G G als auch die von Art. 74 Nr. 24 G G überschritten.

3. Verwaltungskompetenzen a) Ausgang: Art. 83 G G Kunstförderung ist in erster Linie Verwaltungstätigkeit. 149 Der Grundsatz der Zuständigkeitsverteilung im Bereich der Verwaltung ist niedergelegt in Art. 83 GG: "Die Länder fuhren die Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten aus, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zuläßt."150 Der V I I I . Abschnitt des Grundgesetzes erfaßt sowohl die gesetzesakzessorische als auch die gesetzesfreie Verwaltung 151 und gibt grundsätzlich den

149 S. auch Zacher, VVDStRL 25, 308, 389: "Geldausgaben in dieser Größenordnung kann nur als Verwaltung zulässig sein und folgt daher der Zuständigkeitsverteilung für die Verwaltung." m.w.N. 150

Insoweit eine Wiederholung von Art. 30 GG.- Im Sinne von Art. 83 GG sind "eigene Angelegenheit" der Länder auch solche, die nach einem Bundesgesetz den Kommunen pp. obliegen, und zwar auch, soweit die Gesetze in ihrem materiell-rechtiichen Vorschriften die Berücksichtigung gesamtstaatiicher Gesichtspunkte vorschreiben, BVerfGE 39, 96, 109 (Städtebauförderungsgesetz) . 151

BVerfGE 12, 205,247 f. (Deutschland-Fernsehen): "Die Gegenüberstellung von "Ausführung der Bundesgesetze" und "die Bundesverwaltung" in der Überschrift des VIII. Abschnitts wäre jedoch unverständlich, wenn auch die folgenden Artikel lediglich die gesetzesakzessorische Verwaltung erfassen würden. Die in Art. 87 bis 90 GG und besonders in Art. 87 Abs. 1 GG angeführten Sachbereiche bundeseigener Verwaltung werden zu einem nicht unerheblichen Teil "gesetzesfrei" verwaltet. ... Der VIII. Abschnitt trifft also nicht generell für die gesetzesfreie Verwaltung eine "andere Regelung" dahin, daß sie von dem in Art. 30 GG statuierten Vorrang der Länder ausgenommen ist. "- Zweifelnd noch Köngen, JöR 3, 67, 77; ablehnend Köngen, JöR 11, 173, 203 und 254, nach dem der 8. Abschnitt des GG die gesetzesfreie Verwaltung nicht erfaßt, es fehle daher eine "andere Regelung" im Sinn von Art. 30 GG. Grundlage solchen Verwaltungshandelns sei daher ungeschriebenes Verfassungsrecht, für das Art. 73 ff. GG auch nicht über den Umweg des Haushaltsgesetzes eine Schranke bilde, S. 204. Die aus der Organisationsgewalt

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

103

Ländern die Verwaltungskompetenz auch für Bereiche, in denen der Bund nach Art. 70 ff. G G Gesetze erlassen darf. Die Ausführung der Bundesgesetze ist durch Art. 84 bis 86 G G geregelt. Davon kommen Art. 84 und 85 G G nicht als Grundlage für eigene Kunstförderungsmaßnahmen des Bundes in Betracht. 1 5 2 Art. 86 G G erlaubt dem Bund den Erlaß von VerwaltungsVorschriften für und die Einrichtung von Behörden, die für die Ausführung der Bundesgesetze durch den Bund zuständig sind. 1 5 3 Allerdings bezieht sich diese Befugnis des Bundes nur auf die in Art. 87 ff. G G bezeichneten Sachgebiete. 154

der Regierung resultierende Berechtigung zur gesetzesfreien Verwaltung sei aber durch pauschales Gesetz der Länder ausschaltbar, S. 206. Röttgens Konstruktion einer konkurrierenden Zuständigkeit der Länder mit Verdrängungswirkung gegenüber dem Bund ist dem GG aber unbekannt. Demgegenüber war die Bindung der Mittelvergabe an Kompetenzen noch bei der Verfassungsgebung unklar, vgl. 30. Sitzung des HA, 6. 1. 1948, Sten. Ber. S. 62-64: Schmid vertrat die Ansicht, der Staat müsse die Vergabe von Geldern mit Auflagen pp. verbinden können, diese seien aber kompetenzabhängig, was auf die Vergabe selbst rückwirke, S. 62. Laforet ging von einem unbeschränkten Ausgaberecht des Bundes aus: es "folgt aus der allgemeinen Kulturaufgabe des Bundes, jeder Einrichtung, die er für unterstützenswert hält, Mittel zufließen zu lassen, auch wenn er hierzu keine Gesetzgebungsbefugnis hat" (S. 63). Laforet folgte damit der älteren Ansicht Miquels, 19. Sitzung des Reichstags des Norddeutschen Bundes am 9. 6. 1868, Sten. Ber. S. 325 ff., 334 (es ging um die Bezuschussungdes Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg): "Um Schenkungen zu machen, dazu braucht man sich nicht in der Verfassung die Competenz vorzuschreiben; das ist ein wahres Menschenrecht und Recht jeden Staates." 132

Nach Art. 84 GG hat der Bund bei den Gesetzen, die die Länder als eigene Angelegenheiten ausführen, ausnahmsweise die Möglichkeit, Behördenaufbau und Verwaltungsverfahren zu regeln (Abs. 1), kann aber allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen (Abs. 2) und übt die Aufsicht über die Ausführung seiner Gesetze durch die Länder aus (Abs. 3 bis 5). Bei allen Maßnahmen bedarf er der Zustimmung des Bundesrates.- Art. 85 GG betrifft die Bundesauftragsverwaltung durch die Länder. Auch in diesen Fällen bleibt die Einrichtung der Behörden Sache der Länder (Abs. 1), der Bund kann allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen (Abs. 2), aber auch Weisungen erlassen (Abs. 3). Die Länderunterliegen nicht nur der Rechts-, sondern auch der Fachaufsicht (Abs. 4). 133

"Führt der Bund die Gesetze durch bundeseigene Verwaltung oder durch bundesunmittelbare Körperschaften oder Anstalten des öffentiichen Rechts aus, so erläßt die Bundesregierung, soweit nicht das Gesetz Besonderes vorschreibt, die allgemeinen Verwaltungsvorschriften. Sie regelt, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, die Einrichtung der Behörden."- Zum Behördenbegriff s. BVerfGE 10, 20, 48 (Stiftung Preußischer Kulturbesitz). 134

HerrfahrdtlBK,

Art. 86 II; zu diesen sogleich.

104

Teil 2: Kunstförderung des Bundes b) Besondere Verwaltungskompetenzen des Bundes

Kunstförderungsmaßnahmen des Bundes finden ihre Grundlage am ehesten in Art. 8 7 , 1 5 5 87 b Abs. I 1 5 6 und 89 Abs. 2 G G . 1 5 7 Diese könnten nämlich die Einrichtung und Unterhaltung des wehrgeschichtlichen Museums Rastatt 158

und die

Bezuschussung des Schiffahrtsmuseums

Bremerhaven, 159

das Bundesbahn- und das Bundespostmuseum decken. 1 6 0 Das Museum in Rastatt dient aber nicht der "unmittelbaren

Deckung des

tac/ibedarfs der Streitkräfte", was nach Art. 87 b Abs. 1 S. 2 G G erforderlich wäre. 1 6 1 Auch das Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven ist nicht Teil des Aus-

155

Abs. 1 betrifft den Auswärtigen Dienst, die Bundesfinanzverwaltung, die Bundeseisenbahnen und die Bundespost; Abs. 3 verweist auf die Gesetzgebungskompetenzendes Bundes. Aus Abs. 3 leitet Hieronymus, WissR 8, 203, 208 ff., die Kompetenz des Bundes für die Deutsche Nationalstiftung für Kunst und Kultur ab. 156 ..(J) j)j e Bundeswehrverwaltung... dient den Aufgabendes Personalwesens und der unmittelbaren Deckung des Sachbedarfs der Streitkräfte." 157 "Der Bund verwaltet die Bundeswasserstraßen durch eigene Behörden. Er nimmt die über den Bereich eines Landes hinausgehenden staadichen Aufgaben der Binnenschiffahrtund die Aufgaben der Seeschiffahrt wahr, die ihm durch Gesetz übertragen werden. ..." S. auch den Verweis auf Art. 87 Abs. 1 GG. 158 Für wehrgeschichdiche Sammlungen stellt der Bund nach dem BHHP 1992, Kap. 14, S. 29, insgesamt 600.000 DM zur Verfügung, davon 45.000 für das Luftwaffenmuseum Appen, weitere 280.000 DM für das wehrhistorische Museum Dresden und 275.000 DM für das wehrgeschichdiche Museum in Rastatt. Dieses ist aus der militärgeschichdichen Sammlung des Badischen Landesmuseums Karlsruhe hervorgegangen und erst 1969 in die Verwaltung des Bundesverteidigungsministeriums übergegangen; Baumann. Aufgrund des Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Baden-Württemberg zahlt Baden-Württemberg jährlich Zuschüsse an den Bund (1992: 810.000 DM, BHHP 1992, Kap. 14, S. 25). Schon die Finanzierungsanteile sprechen also gegen eine Trägerschaft des Bundes bzgl des Rastatter Museums.- Neben diesen Museen existiert das militärgeschichdiche Forschungsamt (früher: Freiburg, jetzt: Potsdam) und das Militärarchiv (Sitz: Freiburg); Peter Jochen Winters, Militärgeschichdiches Forschungsamt nimmt Sitz in Potsdam, FAZ vom 23. 9. 1994, S. 5. 159

1991 mit 1.395.323 DM aus Bundesmitteln, vgl. BHHP 1991, EP 06, S. 411. Träger ist eine Stiftung privaten Rechts, die vom Bund, den Ländern und der Stadt Bremerhaven finanziert wird. Das Museum ist das Nachfolgeinstitut für das Museum für Meereskunde in Berlin; Krüger. 160 Das Verkehrsmuseum Nürnberg wurde 1899 als Königlich Bayerisches Eisenbahnmuseum gegründet und hat seit 1901 eine Postabteilung (Benz-Zauner). Es wird heute von Bundesbahn und Bundespost gemeinsam getragen (Krüger).- Das Bundespostmuseum in Frankfurt am Main wird vom Bundespostministerium getragen und enthält die Restbestände des Reichspostmuseums, das auf die 1872 gegründete Plan- und Modellkammer der Reichspost zurückging (Krüger). Außerdem existiert bspw. in Stuttgart ein Post- und Fernmeldemuseum, dessen Träger die Oberpostdirektion Stuttgart ist, Baumann. 161

Enger Dürig/M/D,

Art. 87 b Rn. 19. Nach HernekampN.M., Art. 87 b Rn. 8, ist auch die

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

105

baus und der Unterhaltung der Wasserstraßen 162 und somit nicht von Art. 89 GG gedeckt. Bei beiden Förderungen handelt es sich daher um eine Betätigung des Bundes ohne verfassungsrechtliche Grundlage, die unzulässig ist. Bundespost- und Bundesbahnmuseum sind für die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben von Bundespost und Bundesbahn nicht erforderlich; ausreichend wäre in beiden Fällen eine hauseigene Dokumentationssammlung, bei der insbesondere die durch den Museumsbetrieb erforderlichen Personalkosten nicht in dem Ausmaß anfielen. Angesichts der ausschließlichen Kompetenz des Bundes für Post und Bahn kann man aber daran zweifeln, wie weit sich die Länder mit Art. 30 GG gegen die Tätigkeit des Bundes wehren können. Für eine Bundeszuständigkeit spricht immerhin, daß beide Kompetenzen - im Gegensatz zur Bundeskompetenz bei der Bundeswehrverwaltung163 - ohne weitere Einschränkung in das Grundgesetz übernommen wurden, und das, obwohl es beide Museen schon in der Weimarer Zeit gab. 164 Die Tatsache, daß der Verfassunggeber hierzu nicht Stellung genommen hat, spricht für eine stillschweigende Billigung der Weimarer Praxis. 165

c) 91 a und b GG "Der Bund wirkt auf folgenden Gebieten bei der Erfüllung von Aufgaben der Länder mit, wenn diese Aufgaben für die Gesamtheit bedeutsam sind und die Mitwirkung des Bundes zur Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlich ist (Gemeinschaftsaufgaben): 1. Ausbau und Neubau von Hochschulen 2. Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, ...", Art. 91 a Abs. 1 GG. "Bund und Länder können auf Grund von Vereinbarungen bei der Bildungsplanung und bei der Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftiichen Forschung von überregionaler Bedeutung zusammenwirken. Die Aufteilung der Kosten wird in der Vereinbarung geregelt.", Art. 91 b GG.

Rüstungsforschung noch gedeckt; unter diesem Gesichtspunkt könnte auch das Museum in seinem Forschungsteil gedeckt sein.- Dagegen überwiegt nach Röttgen, Kulturpflege, S. 105, in jedem Fall der Aspekt der Verteidigung, weshalb er wohl eine Bundeszuständigkeit bejahen würde. 162 Dies ist nach Bull/AK, § 101, Rn. 97.

Art. 89 Rn. 10, der Inhalt der Bundeskompetenz; ebenso Blümel,

163

"Unmittelbare

164

Hierzu Fn. 160.

165

Vgl. hierzu auch unten S. 135 ff.

Deckung des Sûc/ïbedarfs der Streitkräfte", Art. 87 b Abs. 1 S. 2 GG.

106

Teil 2: Kunstförderung des Bundes

Art. 91 a und b G G erlauben dem Bund ausnahmsweise, auch da zu planen und Geld auszugeben, wo es sich um Aufgaben der Länder handelt, 166 und machen damit eine Ausnahme von generellen Verbot der Gemeinschaftsaufgaben, das aus dem Grundsatz der für Bund und Länder unabdingbaren Kompetenzverteilung folgt. 1 6 7 Art. 91 a Abs. 1 Nr. 1 GG betrifft den Aus- und Neubau von Hochschulen. Laufende Kosten der Einrichtung werden nicht erfaßt, so daß hierdurch höchstens Einzelmaßnahmen des Bundes gerechtfertigt

werden. 1 6 8 Art.

91

a

Abs. 1 Nr. 2 GG betrifft Verbesserungen der regionalen Wirtschaftsstruktur, wenn diese bedeutsam für die Gesamtheit sind und die Mitwirkung des Bundes erforderlich ist. 1 6 9 Eine Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur ist auch durch kulturelle Einzelmaßnahmen möglich, bspw. durch die Veranstaltung von Festspielen und die Unterhaltung attraktiver Museen p p . 1 7 0 Den vom Bund auf diesem Gebiet getroffenen Einzelmaßnahmen fehlt aber in der Regel die Bedeutsamkeit für die Gesamtheit. 171 So erscheint es schwierig, die Förderung des Münchener Raumes durch die Bezuschussung des Deutschen

166

Allerdings nicht eine Verwaltungsaufsicht und kein Weisungsrecht; vgl. insgesamt Blümel, § 101, Rn. 128 m.w.N. Die Enquêtekommission Verfassungsreform hatte diese Vorschrift aufgespaltet in Art. 28 a (gemeinsame Planung als Rahmenkompetenz, wobei auf die Zuständigkeiten von Bund und Ländern Bezug genommen wird) und Art. 104 b (reine Finanzierungskompetenz), BT-Drucks. 7/5924. 167 Vgl. nur Grawert, S. 282 (speziell für Kulturräte: S. 275 f.). Im Einzelnen unten S. 110 ff.Nach dem BKPräsFin, Ziff. 1, sollten beide abgeschafft werden, da sie das Haushaltsbewilligungsrecht der Parlamente in einem sachlich nicht gebotenen Maße beeinträchtigen. 168 Die Ausgaben des Bundes müssen also strikt zweckgebunden sein (i.d.R. einmalige Ausgaben). Blümel, § 101, Rn. 146; Faber/Richter/AK, Art. 91 a/91 b, Rn. 30 f.; Lies egang/\M, Art. 91 a Rn. 15. Dagegen widerspricht die Auffassung Bullingers, DÖV 70, 797, 799 (enge Auslegung der Bundeskompetenz zugunsten der Länder) m.E. dem Sinn der Verfassungsänderung.Unzulässig sind jedenfalls laufende Unterstützungsleistungen an Ausbildungseinrichtungen (Villa Romana, Cité des Arts, pp., s.u. S. 122). 169

In diesem Fall ist streitig, ob es sich nur um eine Kompetenz oder um einen Verfassungsauftrag handelt, für letzteres Blümel, § 101, Rn. 143 m.w.N.- Streitig ist ebenfalls das Verhältnis von Art. 91 a Abs. 1 Nr. 2 zu Art. 104 a Abs. 4 GG; Blümel, § 101, Rn. 136 f.; Blümel, a.a.O., Rn. 137, geht von einem Wahlrecht des Bundes aus. 170

Hierzu oben Fn. 103 und 104. Der New Yorker Kulturbesucherstrom bringt der Stadt jährlich 5,1 Mio $, Vera Graf, Der Jüngste Tag der Künste, Süddeutsche Zeitung vom 19. 8. 1991. 171 LieseganghM, Art. 91 a Rn. 10, und Maunz/MO, Art. 91 a Rn. 21, fordern eine Wirkung über ein Land hinaus.- Dem Gebot sinnvoller Verfassungsauslegung widerspricht sowohl eine Auslegung, die die Verbesserung einer Region stets als Vorteil der Gesamtheit sieht, als auch eine solche, die die Bedeutung einer Maßnahme für die Region und für die Gesamtheit stets als Gegensätze versteht und so Art. 91 a Abs. 1 Nr. 2 GG jeden Anwendungsbereich nimmt.

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

107

Museums als wirtschaftlichen Vorteil der Gesamtheit darzustellen; die einseitige Begünstigung der Münchener Gegend ist nicht zu leugnen und die typische - Konzentration von kulturellen Einrichtungen in Großstädten ist kein Vorteil der Gesamtheit.172 Problematisch erscheint auch die Erforderlichkeit der Mitwirkung des Bundes.173 Dies zeigt sich insbes. an dem schon bei Art. 74 Nr. 11 GG erwähnten Gesetz zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft in den Ländern, 174 nach dessen § 3 Nr. 1 e strukturverbessernde Investitionen zur Verbesserung des Fremdenverkehrs durch Finanzhilfen des Bundes gefördert werden. 175 Soweit es sich hier tatsächlich um für die Gesamtheit bedeutende Maßnahmen handelt, stellt sich zunächst die Frage, ob die Bundesbeteiligung nicht nur deshalb erforderlich ist, weil die Finanzverteilung zwischen Bund und Ländern 176 nicht richtig erfolgte und Art. 91 a GG nun - verfassungswidrig als Korrektiv unter Beibehaltung der grundsätzlichen Bevorteilung der Bundes bei der Verteilung der Mittel herangezogen wird. Dies liegt insbesondere bei langandauernden Maßnahmen nahe, wodurch das ganze Gesetz, das auf eine Laufzeit von 10 Jahren angelegt ist, zweifelhaft wird. 177 Kommt man über diese Bedenken hinweg, dann ist zu beachten, daß sich die Kompetenz nach Art. 91a GG allein auf wirtschaftliche Maßnahmen erstreckt. Die geförderten Veranstaltungen und Einrichtungen sind dann ausschließlich nach wirtschaftlichen, nicht nach künstlerischen Maßstäben auszusuchen. Der Bund stützt seine kulturellen Förderungsmaßnahmen denn auch überwiegend nicht auf Art. 91 a GG, sondern auf die gesamtstaatliche Bedeutung der Einrichtungen.178

172 Insbes. dann nicht, wenn man mit Maunz/MD, Art. 91 a, Rn. 37, den Zweck der Vorschrift in der Verminderung der unterschiedlichen Wirtschaftskraft der Regionen sieht. 173 Die Vorschrift steht dabei zwischen einer Umgehung von Art. 106 Abs. 3 (Verteilung der Umsatzsteuer auf Bund und Länder) und Art. 107 GG (Länderfinanzausgleich) einerseits und einer Reduktion von Art. 91a GG auf Fälle, die aus juristischen Gründen die Mitwirkung des Bundes erfordern (diese dürften aber sowieso Bundesaufgaben sein). 174

Oben Fn. 107.

175

BGBl. 1988 I S. 2358, sog. Strukturhüfegesetz. Nach Auskunft des Bundesfinanzministeriums wird dieses Gesetz seit 1992 nicht mehr angewandt. 176

Insbes. nach Art. 106 Abs. 3 S. 3 GG, hierzu unten S. 113 f.

177

Das Gesetz sieht in § 1 eine Laufzeit von 10 Jahren vor. Auch die Tatsache, daß nicht nur wenige Regionen, sondern fast alle Länder (9 der 11 alten Länder, § 1) von dieser Maßnahme profitieren sollen, spricht für eine Fehlverteilung der Mittel. 178

Hierzu unten S. 139 ff.

108

Teil 2: Kunstförderung des Bundes

Art.

91 b GG erlaubt die Förderung von Einrichtungen oder Vorhaben

wissenschaftlicher Forschung 179 von überregionaler Bedeutung. Aufgrund von Art. 91 b G G wurde am 28. 11. 1975 die Rahmenvereinbarung Forschungsförderung geschlossen, in der eine Reihe von Einrichtungen festgelegt werden, die vom Bund mitfinanziert werden sollen. 180 "Selbständige Forschungseinrichtungen von überregionaler Bedeutung und gesamtstaatlichem wissenschaftspolitischem Interesse" wie das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg, 1 8 1 das Deutsche Museum in München, das Römisch-Germanische Zentralmuseum in M a i n z , 1 8 2 das Deutsche Bergbaumuseum in Bochum, das Zoologische Museum Alexander König in Bonn und das Deutsche Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven sollen vom Bund und dem Sitzland i.d.R. je zur Hälfte getragen werden. 1 8 3 Allerdings sind die Maßnahmen des Bundes in zwei Punkten nicht rechtmäßig: Z u m einen ist Forschung eine Tätigkeit, die auf die Gewinnung neuer

179

Nicht aber eigene Bundesforschung, Blümel, § 101, Rn. 132; schon die Einrichtung des Bundesforschungsministeriums war umstritten, Oppermann, AöR 90, 86 f. 180

Vgl. BHHP 1991, EP 06, S. 411.

181

Das Germanisches Nationalmuseum wurde 1947 provisorisch neueröffnet, auf Anweisung der amerikanischen Militärregierung wurden zunächst auch die Reichszuschüsse durch Bayern übernommen (Küster, S. 210). Bayern wollte auch gern allein weiterfinanzieren, stimmte aber schließlich der Umlegung des ehemaligen Reichszuschusses in Höhe von 2/3 der laufenden Kosten auf die Länder einschließlich Bayern zu ÇKüster, S. 211). Im März 1949 wurde das Königsteiner Abkommen geschlossen, um deudich zu machen, daß die Länder auf ihrer Kulturhoheit beharrten und auch fähig waren, gesamtdeutsche Einrichtungen ohne den Bund zu tragen CKüster, S. 212). Das Germanische Nationalmuseum wurde schon vom Norddeutschen Bund und vom Deutschen Reich gefördert. 182

Das Römisch-Germanische Zentralmuseum wurde seit 1872 durchs Reich gefördert, nachdem es sich auf die Förderung des Germanischen Museums berufen hatte; Abelein, S. 17. 183

Einrichtung (M=Museum)

Anteil am Gesamthaushalt Personalausgaben eig.Einnahmen Bundeszuschuß

BHHP 92 Kap., S.

Dt.M München 54 % 27 % 9 % 06,417 Germ. Nat.M Nürnberg 32 % 5% 12 % 06,418 Röm.-Germ.Zentr.M Mainz 75% 0,02% 31% 06,418 M Bochum 74 % 39 % 20 % 06,419 M A. Koenig 67 % 6 % 21 % 06,419 Dt.Schiff.M Bremerhaven 58 % 20 % 26 % 06,419 Das Land wiederum kann 1/3 seines Anteils auf alle Länder umlegen, was aber weiterhin als Förderung durch das Land gilt; Küster, S. 213 Fn. 19. Erfaßt werden von dem Abkommen nur die laufenden Kosten, nicht aber Grunderwerb, Baumaßnahmen und Ersteinrichtungen. Der Bund zahlte aber darüber hinaus für den Aus- und Neubau von Museen mit gesamtstaatiicher Bedeutung 1991 8.438.000 DM, BHHP 1991, EP 06, S. 422.

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

109

Erkenntnisse gerichtet ist. 1 8 4 Während danach die Projektzuschüsse des Bundes 185 unproblematisch sind, muß die Beteiligung des Bundes am institutionellen Haushalt der Museen mit Skepsis betrachtet werden. Denn dieser besteht zu einem großen Teil in Unterhaltungsaufwand und den Kosten, die aus der Öffnung an ein allgemeines Publikum entstehen. 186 Die Bundeszuschüsse für den institutionellen Haushalt sind also nur soweit zulässig, wie sie Kosten des Museums als Forschungseinrichtung Kosten nur beteiligen darf.

betreffen, wobei sich der Bund an diesen

187

Z u m anderen gehören auch die Baukosten nicht zu den von Art. 91 b G G gedeckten Ausgaben. 188 Der Bund fördert auch "bedeutende kunst- und kulturgeschichtliche Ausstellungen, die nicht nur regionalen Bezug haben" wie die Dürer-Ausstellung in Nürnberg 1971, die Staufer-Ausstellung in Stuttgart 1977 p p . 1 8 9 Diese Maßnahmen mögen zwar von "überregionaler Bedeutung" sein (hierzu auch unten S. 139 ff.), sind aber, soweit es den Durchschnittsbesucher angeht, ebensowenig wie die Unterstützung der Museen "wissenschaftliche Forschung" und daher nicht von Art. 91 b G G gedeckt.

184 Maurizi MD, Art. 91 b Rn. 32; LiesegangNM, Art. 91 b GG Rn. 14; Köstlin, DVB1 86, 219, 220: wissenschafdiche Forschung zielt "auf die Gewinnung neuer Erkenntnisse nach wissenschaftlich anerkannten Grundsätzen und mit wissenschafdichen Mitteln", während "ein Museum zumindest im klassischen Sinne - ... vor allem der Volksbildung" dient, "wobei es sich andernorts gewonnene Erkenntnisse wissenschafdicher Forschung zunutze macht. " 185 Die getrennt ausgewiesenen Projektmittel machen beim Deutschen Museum 20 %, beim Germanischen Nationalmuseum sogar 53 % des Gesamthaushalts aus, BHHP 1992, EP 06, S. 417 f. 186

S.o. Fn. 183 m.w.N.

187

Unzulässig sind dagegen die Förderung des Städelschen Instituts, des Freien Deutschen Hochstifts, der Schillergesellschaft, des Bauhaus-Archivsund des Beethovenhauses durch den Bund (s.o. S. 74), weil diese nicht in der "Blauen Liste" stehen, also die nach Art. 91 b GG erforderliche Vereinbarung fehlt, Köstlin, S. 89 ff.- Nach der "Blauen Liste" werden angeblich aus Proporzgründen auch Einrichtungen minderer Bedeutung gefördert (Reimar Lüst (Präsident der Humboldt-Stiftung), Blaue Listen, FAZ vom 27. 3. 1993, S. 29). Ein solches Vorgehen (für Gemeinschaftsfinanzierungen nicht untypisch) überschreitet die Grenzen von Art. 91 b GG. 188

Ebenso Blümel, § 101, Rn. 164. Sie sind übrigens auch nicht von der Rahmenvereinbarung zwischen Bund und Ländern gedeckt; s.o S. 108.- Dies gilt auch für die Bezuschussung des Kasseler Museums für Sepulchralkultur durch den Bund; hierzu Wolf gang Pehnt, Der Hang zum Museum, FAZ vom 4. 3. 1992. 189 Küster, S. 219. Ebenso bezuschußte der Bund den Kauf des Evangeliars Heinrichs des Löwen 1983 zusammen mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Höhe von 9 Millionen.; Niedersachsen und Bayern zahlten zusammen 17 Millionen, private Spender die resdichen 5,4 Millionen DM, vgl. Küster, S. 219 f.

110

Teil 2: Kunstförderung des Bundes

d) Beteiligung des Bundes an Länderzusammenschlüssen Schließlich ist zu prüfen, ob der Bund sich an Zusammenschlüssen der Länder mit kulturellem Zweck beteiligen darf. Beispiele für solche Beteiligungen sind die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (s.u. S. 127 ff.) und die Kulturstiftung der Länder. Diese wurde am 4. 6. 1987 mit Wirkung vom 1.1. 1988 gegründet und ist eine rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts.190 "Zweck der Stiftung ist die Förderung und Bewahrung von Kunst und Kultur nationalen Ranges."191 "Der Stiftungszweck wird insbesondere verwirklicht durch 1. Förderung des Erwerbs für die deutsche Kultur besonders wichtiger und bewahrungswürdiger Zeugnisse, vor allem wenn deren Abwanderung ins Ausland verhindert werden soll oder 192

wenn sie aus dem Ausland zurückerworben werden sollen; 2. die Förderung von und die Mitwirkung bei Vorhaben der Dokumentation und der Präsentation deutscher Kunst und Kultur; 3. unbeschadet der Aufgaben nach Nr. 4., die Förderung zeitgenössischer Formen und Entwicklungen von besonderer Bedeutung auf dem Gebiet von Kunst und Kultur; 4. die Förderung von überregional und international bedeutsamen Kunst- und Kulturvorhaben; sie ergeben sich insbesondere aus § 1 Abs. (1) des Abkommens über die Mitwirkung des Bundes an der Kulturstiftung der Länder. ..." 1 9 3

190

§ 1 Abs. 2 der Stiftungssatzung. Küster, S. 286, sieht in der Flucht ins Privatrecht einen Verlust an demokratischer Legitimation und Kontrolle. Nach Schulze-Fielitz, NJW 91, 2456, 2457 eine "wegweisende" Einrichtung.- Die Stiftung ersetzt das Bundesprojekt einer Nationalstiftung für Kunst und Kultur, die der Bund allein oder in Zusammenwirken mit den Ländern errichten wollte, was am Widerstand der Länder scheiterte; Hufen, BayVBl 85, 1, 38; Küster, S. 278. Bei der Nationalstiftung war an die Förderung von gesamtstaatiich bedeutsamen Projekten (Museen, Bibliotheken, Archiven, ...), die Sicherung und den Erwerb von zeitgenössischer Kunst, Nachlässen und Sammlungen, an internationale Künstiertreffen, die Förderung junger deutscher Künstier und bedeutsamer Vorhaben wie Ausstellungen und Festspiele gedacht, Hieronymus, WissR 8, 203, 204. Seit 1974 stand für die Nationalstiftung im BHHP ein Leertitel bereit; Hufen, BayVBl 85, 1, 38; ebenso Küster, S. 278. 191

§ 2 Abs. 1 der Stiftungssatzung.

192

Die Kulturstiftung der Länder will für den Erwerb national wertvollen Kulturguts 11 Mio DM zur Verfügung stellen, hinzu kommen noch Mittel des Ernst-von-Siemens-Kunstfonds; dpa, Opus 90 für Bonn, FAZ vom 19. 6. 1992. 193 § 2 Abs. 2 der Stiftungssatzung.- Die Stiftung förderte bspw. 1993 sieben verschiedene Anschaffungen für deutsche Museen mit insgesamt 7 Mio DM (FAZ vom 8. 12. 93, S. 35).- Die Stiftung hatte 1993 für den Erhalt national wertvollen Kulturguts 12,5 Mio DM und weitere 17 Mio DM für den Musikrat, den Kunstfonds pp. zur Verfügung {dpa, Ausgespart, FAZ vom 21. 12. 93, S. 30).

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

111

Das Recht des Bundes zur Mitwirkung und Mitfinanzierung ist im Recht der Stiftung ausdrücklich festgelegt. 194 Eine Zusammenarbeit zwischen den Ländern ist nach der Verfassung zulässig, 195 auch wenn sie institutionalisiert wird. 196 Die Länder hatten sich nach dem Zweiten Weltkrieg in der Sorge um etliche kulturelle Institutionen zusammengeschlossen, und zwar auch für solche, die unter der Weimarer Verfassung vom Reich getragen oder bezuschußt worden waren. 197 Diese erste von den

194

Vgl. I Abs. 3 des Abkommens zur Errichtung der Kulturstiftung der Länder: "Die Bundesrepublik Deutschland (Bund) kann nach Maßgabe eines mit den Ländern zu schließenden Abkommens an der Stiftung mitwirken."- Dieses Abkommen wurde am 4. 6. 1987 geschlossen (in Kraft getreten am 1. 1. 1988, § 6 des Abkommens) und enthält folgende Regelungen: "Der Kulturstiftung der Länder obliegt die Förderung von überregional und international bedeutsamen Kunstund Kulturvorhaben als eigene Aufgabe." (§ 1 S. 1). Zu diesen Vorhaben gehören die Förderung von Musik, der bildenden Kunst incl. des Kunstfonds e.V. und des Deutschen Museumsbundes, von Literatur und Theater incl. des Literaturfonds, der Filmfestspiele Mannheim und Oberhausen, der Deutschen Burgenvereinigung und der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal, insgesamt lauter Bereiche, die im EP 06 des Bundeshaushalts veranschlagt sind, vgl. § 1 Abs. 1 S. 2 I und II.- Die Länder haben die alleinige Zuständigkeit bei der Entscheidung über die Aufstellung des Wirtschaftsplanes (§ 3 Abs. 1 S. 2) und "wirken durch die Kulturstiftung der Länder in den Gremien des "Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" sowie der "Kunst- und Ausstellungshalle" in der Bundeshauptstadt mit ..." (§ 3 Abs. 2 des Abkommens). - Der Bund stellt "Mittel nach Maßgabe des jeweils geltenden Haushaltsgesetzes" zur Verfügung und "kann der Stiftung weitere Mittel zuwenden." (§ 2); er enstsendet drei Mitglieder der Bundesregierung in den Stiftungsrat (§ 4 Abs. 1).- "Das Abkommen ist aufgehoben, wenn der Bund oder mindestens sechs Länder gekündigt haben ..." (§ 5 Abs. 2 des Abkommens, entspricht § 12 Abs. 1 des Stiftungssatzung).- "Das Abkommen kann von jedem Land durch schrifdiche Erklärung gegenüber den übrigen Ländern zum Schluß eines Kalenderjahres mit einer Frist von zwei Jahren gekündigt werden, erstmals zum 31. Dezember 1997." (I Abs. 2 Satz 2 des Abkommens zur Errichtung der Kulturstiftung der Länder).- Der Finanzierungskompetenz nach dem Abkommen entspricht § 4 Abs. 2 der Stiftungssatzung; s. auch BHHP 1992, EP 06, S. 433. 195

Und zwar obwohl die Selbstkoordination die Einflußmöglichkeitder Legislative schwächt, die bei der Umsetzung in Landesrecht auf Annahme oder Ablehnung beschränkt ist. Dennoch handelt es sich gerade nicht um Zentralisierung, sondern stärkt die gewaltenteilende Kraft und bedeutet vor allem keinen endgültigen Kompetenzverlust. Den Landesparlamenten bleibt die Möglichkeit eines Vetos (wenn auch mit hoher Hemmschwelle), was sie nicht mehr haben, wenn sich der Bund der Sache erst angenommen hat. Konsequent ist nach BVerfGE 24, 246, 257 (Ingenieurgesetz) die Möglichkeit einer Kompetenzwahrnehmung durch die Länder zusammen ein Grund gegen eine Bundeskompetenz aus der Natur der Sache. Für die Zulässigkeit auch Hesse, Bundesstaat, S. 135; ders. y Föderalismus, S. 155 f. und 160.- A.A. Lerche, Verfassungsfragen, S. 31 f. und 42 ("Grenzüberschreitung des kooperativen Föderalismus"). 196 Wie bspw. in der Filmbewertungsstelle in Wiesbaden (Bischoff\ S. 36).- Negativ das Votum der Enquête-Kommission Verfassungsreform, BT-Drucks. 7/5924, S. 128, zu einer Institutionalisierung der Länder-Selbstkoordination: in Fällen, wo dies nötig sei, sei eine Zuweisung der Materie an den Bund eindeutiger und daher vorzuziehen. 197

Bspw. das Deutsche Museum (Dokumente I, 799: Beteiligung Bayerns, Groß-Hessens und

112

Teil 2: Kunstförderung des Bundes

Alliierten zurückgewonnene Kompetenz wollten weder die Länder aufgeben, 1 9 8 noch wollten die Verfassungsgeber sie auf den Bund übertragen, und zwar auch nicht für Institutionen von länderübergreifendem Ansehen oder Finanzbedarf. 199 Dagegen ist eine Beteiligung des Bundes an solchen Zusammenschlüssen unzulässig, weil sie eine Bund-Länder-Kooperation

über die Fälle

von

Art. 91 a und b G G hinaus vorsieht und damit die Kompetenzverteilung des Grundgesetzes verletzt. Hierzu sind weder Bund noch Länder im Rahmen eines Abkommens befugt. 2 0 0 D a der Bund auf kulturellem Gebiet keine Zuständigkeit hat, handelt er bei Beitritt zu und Abstimmung in kulturellen Bund-Länder-Zusammschlüssen als Nichtberechtigter. Diese Nichtberechtigung führt m.E. auch dann zur Nichtigkeit des Beschlusses, wenn die Stimme des Bundes nicht ausschlaggebend war. Denn der Bund kann nicht nur die Beratungen im Vorfeld beeinflussen; entscheidend ist, daß die Länder sich nicht darüber im Klaren sind, daß die

Württemberg-Badens); das Reichsarchiv Abt. Frankfurt, das Archäologische Institut Abt. Frankfurt, das Germanische Museum und die Monumenta Germaniae Historica (Dokumente I, 799 Fn. 10), das Archäologische Institut in Rom, das Historische Institut im Vatikan, das Kunsthistorische Institut "Bibliotheca Hertziana" in Rom und das Kunsthistorische Institut in Florenz (Dokumente V, S. 254 f., 434 und dort Fn. 26) sowie die Reste der preußischen Sammlungen (s.u. Fn. 262).- Vgl. auch Beschluß des Länderrats der US-Zone vom 8.1. 1946 über die Bildung eines Ausschusses für Radio, Presse, Theater und Musik beim Länderrat zur Vorbereitung der Übernahme entsprechender Einrichtungen auf die Länder (Antrag von Württemberg-Baden, zurückgehend auf eine Initiative des Radios Stuttgarts und der Besatzungsmächte durch Clay), Dokumente I, 233. Ähnliche Regelung im Theater- und Musikwesen, Dokumente I, 234, II, 618. 198 Vgl. Ehard auf der Sitzung des Länderrats der US-Zone vom 10./11. 3. 1947: "... An sich sind Kulturfragen typische Fragen, die den Ländern vorbehalten bleiben müsse. ...", Dokumente II, 269. 199 Schwalber, Pari. Rat, 3. Sitzung, 9. 9. 1948, Sten. Ber. S. 37, sprach ausdrücklich die Möglichkeit von Ländervereinbarungen an. Die Nichterwähnung der Länder-Selbstkoordinierung im GG bedeutet also stillschweigende Zustimmung; ebenso Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 596 Fn. 140.- A.A. Lerche, Verfassungsfragen, S. 29; Röttgen, JöR 3, 67, 146; kritisch auch schon Lerche, VVDStRL 21, 66, 89 und Bachof, VVDStRL 21, 119 f.- Zur Frage, ob eine Bundeskompetenz aus der Natur der Sache in Betracht kommt, s.u. S. 139 ff. 200 BVerfGE 32, 145, 156 (Beförderungssteuer). Im Ergebnis ebenso Röttgen, JöR 3, 67, 145, mit Verweis auf Art. 28 GG und JöR 11, 173, 309, der die Mitwirkung des Bundes bei der Erfüllung von Landesaufgaben (nicht aber den umgekehrten Fall) für einen Verstoß gegen Art. 30 GG hält. Wegen der beschränkten Verwaltungs- und Finanzierungskompetenz und dem Verbot der Mischfinanzierang (Art. 91 a und b GG, Argument e contrario) wäre daher eine Verfassungsänderung erforderlich, die den Anforderungendes Art. 79 GG genügt.- Für die Zulässigkeit einer kooperativen Lösung vgl. Rüster, S. 344.

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

113

Meinung des Bundes die eines Nichtberechtigten ist und daher ggf. seine Stellungnahme falsch bewerten. 201

4. Kompetenzen des Bundes im Bereich des Finanzrechts

a) Verbot der Finanzierung von Landesaufgaben durch den Bund "Bund und Länder sind in ihrer Haushaltswirtschaft selbständig und voneinander unabhän-

• „202 gig·

"Der Bund und die Länder tragen gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt. " 2 0 3

Nach diesen Vorschriften besteht für den Bund kaum eine Möglichkeit, sich finanziell zu betätigen, wo er - wie im Bereich der Kunst - keine eigenen Aufgaben wahrnimmt. 204 Der Bund kann aber "den Ländern Finanzhilfen für bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) gewähren,"

201

A.A. Köstlin, S. 76, nach dem es sich um einen Fall gemeinsamer Kompetenzauslegung handelt. Eine Mitwirkung des Budnes werde nur im Einzelfall festgelegt.- Angesichts der langen Liste von "Einzelfällen" in § 1 Abs. 1 des Abkommens mit dem Bund, die fast alle kulturellen Ausgaben des Bundesinnenministeriums erfaßt (so auch Köstlin, S. 77), und angesichts der Generalklausel in § 1 Abs. 11 Nr. 6 ("Projekte von bundesweiter Bedeutung") trägt die Auslegung Köstlins dem Abkommen nicht voll Rechnung. Im übrigen wäre auch ein beiderseitiges Kompetenzeinbringen als Verstoß gegen die Kompetenzverteilung des GG, die auch dazu dient, den Verantwortlichen klar zu bezeichnen, verfassungswidrig. 202 Art. 109 Abs. 1 GG. Jeder dieser Haushaltspläne ist in Einnahme und Ausgabe abzugleichen, vgl. Art. 110 Abs. 1 S. 2 GG und die enstprechenden Bestimmungen der Länder, bspw. Art. 79 Abs. 1 LVerf-BW. 203 Art. 104 a Abs. 1 GG.- Daher auch die Einkommenstrennung zwischen Bund und Ländern: Ein Teil steht unmittelbar dem Bund (Art. 106 Abs. 1 GG, insbesondere Zölle, Ergänzungsabgaben u.a.m.), ein Teil unmittelbar den Ländern (Art. 106 Abs. 2 GG, vor allem die Vermögen, Erbschaft-, Kraftfahrzeugsteuer und die Abgabe von Spielbanken), ein dritter sogar unmittelbar den Gemeinden zu (Art. 106 Abs. 6 Satz 1: die Realsteuern); die "großen" Steuerquellen der Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer aber stehen Bund und Ländern gemeinsam zu, wobei Einkommen- und Körperschaftsteuer Bund und Länder je zur Hälfte zustehen, die Umsatzsteuer aber durch zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz auf Bund und Länder unter Berücksichtigung ihrer notwendigen Ausgaben verteilt (Art. 106 Abs. 3 GG).- Hintergrund der getrennten Mittelverwaltung ist die Eigenstaadichkeit der Länder; vgl. zuletzt BVerfGE 68, 148, 264 (Finanzierung Saarland unf Bremen). 204 Vgl. auch Röttgen, JöR 11, 173, 311; ebenso Küster, S. 312, für jegliche Finanzierung fremder Aufgaben inclusive Fondsverwaltung und Zuschüsse an die Länder. 8 Geißler

114

Teil 2: Kunstfördeng des Bundes

allerdings nur dann, wenn diese Finanzhilfen "zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet oder zur Förderung des wirtschaftiichen Wachstums erforderlich sind."205

Sie dürfen aber nicht zum Ersatz werden für die "rechtzeitige undrichtigeVerteilung des Aufkommens der Gemeinschaftsteuern gemäß Art. 106 Abs. 3 ff. GG oder ... die rechtzeitige und richtige Regelung des Finanzausgleichs nach Art. 107 Abs. 1 und 2 GG". 206

Jahrelange Zuschüsse zu kulturellen Einrichtungen sind mit diesen Voraussetzungen unvereinbar. 207

205 Art. 104 a Abs. 4 S. 1 GG. In diesen Fällen bedarf es eines Bundesgesetzes mit Zustimmung des Bundesrats oder einer Verwaltungsvereinbarung aufgrund des Bundeshaushaltsgesetzes; Art. 104 a Abs. 4 S. 2 GG.- Den Ausnahmecharakter der Vorschrift betont BVerfGE 39, 96, 108 (Städtebauförderungsgesetz).-Unzulässig sind Auflagen des Bundes, die nicht der Wahrnehmung von Bundesaufgaben dienen; Röttgen, JöR 3, 67, 142 f.; BVerfGE 41, 291, 313 (Bundesförderung strukturschwacher Gebiete). 206 BVerfGE 39, 96, 108 (Städtebaufördemngsgesetz).-Sehrdeutiich auch Maw/iz, Kulturhoheit, S. 89: "Sind ... im Bundeshaushalt Mittel vorhanden für Aufgaben, die nach dem Grundgesetz den Ländern zufallen, so ergibt sich daraus deutiich, daß beim Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern etwas nicht in Ordnung ist. Die finanzielle Wirklichkeit ist anders als die verfassungsrechtiiche Normierung.", es folgt nämlich die Kompetenzverteilung der des Geldes statt umgekehrt. Dagegen fällt eine weitergehende sachliche Mitwirkung des Bundes, insbesondere in der Form der Mitplanung, Mitverwaltung und Mitentscheidung, unter das Verbot der Mischverwaltung (in Abgrenzung zu den Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91 a und b GG). "Soweit die in Art. 91 a, 91 b GG genannten Kompetenzen des Bundes über die Mitfinanzierung hinausgehen, läßt sich daraus für den Umfang der Kompetenz des Bundes nach Art. 104 a Abs. 4 Satz 1 GG nichts herleiten."; BVerfGE 39, 96, 120 (Städtebauförderungsgesetz). 207

Unzulässig sind in jedem Fall Durchgriffe des Bundes auf Gemeinden oder Direktzahlungen an dieselben, BVerfGE 41, 291, 310 und 313 (Bundesförderung strukturschwacher Gebiete; ebenso wie der Vorbehalt der Einzelentscheidung durch den Bund, BVerfGE 41, 291, 311 ; nicht aber jede Vereinbarung über ein Einzelprojekt; BVerfGE 41, 291, 311 f.- Dagegen ist nach Röttgen, Kulturpflege, S. 110 f., jede unmittelbare Bundesförderung von Ländereinrichtungen selbst bei Zustimmung des Landes unzulässig wegen Unverzichtbarkeit der Kompetenzverteilung.

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

115

b) Folgen für die Festsetzung aller Steuern Zuständig für die Festsetzung der Steuern durch Gesetz ist der Bund, 209 und zwar auch für solche Steuern, die vollständig den Ländern zustehen.210 Daher können den Ländern durch Bundesgesetz die Einnahmen gekürzt werden. Besonders problematisch ist dies, wenn die Kürzung aus Motiven erfolgt, für die der Bund nicht zuständig ist, bspw. aus dem Motiv der Kunstförderung, die der Bund durch Steuerreduzierungen und -befreiungen begünstigt.211 Zu Maßnahmen dieser Art ist der Bund aus zwei Gründen nicht berechtigt: Erstens liegt in dem Verzicht auf die SteueTeinnahme ein actus contrarius zur Geidausgabe. Die fehlende Ausgabenberechtigung des Bundes muß also auch auf den Einnahmeverzicht durchschlagen.212 - Zweitens ist hier die Grenze dessen erreicht, was Sinn und Zweck der Bundeskompetenz bei der Festsetzung auch der den Ländern zustehenden der Steuern ist, nämlich einer gewissen Vergleichbarkeit in allen Ländern, denn im Bereich der Kultur und Kulturförderung hat das Grundgesetz die Entscheidung über das Ob und die Höhe allein den Ländern überlassen, Unterschiede zwischen den Ländern sind also verfassungsrechtlich vorgesehen. Aus dem ersten dieser Gründe ist der kulturell motivierte Steuerverzicht auch in den Steuern unzulässig, an denen der Bund beteiligt ist oder die ihm ganz zustehen. Verfassungswidrig war daher bspw. die Umsatzsteuerermäßigung für Bücher, der der Bund folgende Begründung unterlegte: "Bei Überlegungen kulturpolitischer Art, insbesondere bei allen Bemühungen, die Erziehung, zumal die gesellschaftliche, staatsbürgerliche und sittliche, zu fördern, spielt das gedruckte

209 Soweit das Aufkommen der Steuern ganz oder zum Teil dem Bund zusteht oder die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 vorliegen, hat der Bund die konkurrierende Gesetzgebung über die Steuern, Art. 105 Abs. 2 GG; allerdings bedürfen "Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt, ... der Zustimmung des Bundesrates.", Art. 105 Abs. 3 GG. 210 Die Beteiligung des Bundesrates, Art. 105 Abs. 2 GG, kann darüber nicht hinwegtäuschen; er ist Bundesorgan.- Die Bundeskompetenz ist insoweit sinnvoll, als es bei Festsetzung durch die Länder selbst zu höchst ungleichmäßigen Belastungen der Bundesbürger kommen könnte. 211 S. bspw. das Kultur- und Stiftungsförderungsgesetz vom 13. 12. 1990, BGBl. I S. 2775, i.V.m. § 224 a AO und die Übersicht über die kulturellen Steuerbegünstigungen ο. S. 15 ff.- Nach Ziff. 4 BKPräsFin sollen die Länder künftig vor Steuervergünstigungen durch den Bund geschützt werden, und zwar sogar vor solchen aus zulässigen Motiven des Bundes. 212 So auch Knies, AfP 78, 57, 65.- Interessant ist, daß die fehlende Ausgabeberechtigung den Bund bspw. von der Erhebung eines "Kulturgroschens" für die neuen Bundesländer abgehalten hat, BT-Drucks. 12/4411, S. 3.

116

Teil 2: Kunstförderung des Bundes

Wort und seine sinnvolle Verbreitung eine entscheidende Rolle. Immer steht seine geistige und kulturelle Bedeutung im Vordergrund." 213

Auch die daneben angestellten finanzielle Erwägungen, auf diese Art staatliche Subventionen zu sparen,214 sind ein Eingriff des Bundes in die Kulturförderungsentscheidungen der Länder. 215 Ebenso unzulässig ist es, dem Steuerzahler zu ermöglichen, seine Verpflichtung mit Kunstgegenständen zu erfüllen (s.o. Einleitung, S. 32). Hierin liegt nicht nur ein Verstoß gegen die parlamentarische Souveränität bei der haushaltsrechtlichen Mittelplanung,216 sondern wieder eine Verfügung des Bundes über die den Ländern zustehenden Steuern aus Motiven, für die der Bund nicht kompetent ist.

c) Konsequenzen für die Verteilung der Steuern Bei der Verteilung der Bund und Länder gemeinsam zustehenden Umsatzsteuer sind nur Ausgaben des Bundes zu berücksichtigen, die "notwendig" sind, also solche, um die der Bund nicht herumkommt, ohne eine seiner Aufgaben nicht zu erfüllen. 217 Da Kunstförderung nicht dazu gehört, dürfen Kunstförderungsausgaben des Bundes bei der Verteilung der Gemeinschaftssteuern nicht berücksichtigt werden. 218 Dabei ist es unerheblich, ob die Aus-

213

BT-Drucks. 3/2101 (Antrag auf Umsatzsteuerermäßigung für Bücher), S. 3 der Begründung.

214

"Es kommt hinzu, daß im Falle einer Steuerpflicht dieser Einrichtungen ... die gewährten Subventionen aufgestockt werden müßten." vgl. BT-Drucks. zu Drucks. V/1581 (Schrifdicher Bericht des Finanzausschusses über den von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurf eines Umsatzsteuergesetzes, Anlage, S. 5. 215 Allerdings könnte diese Auffassung auf einen faktischen Förderungszwang der Länder durch den Bund hinauslaufen. 216

So Kirchhof , NJW 85, 230.

217

Art. 106 Abs. 3 S. 4 Ziff. 1 GG. Zu den Problemen von Art. 106 GG für den Subventionsbereich s. Zacher, VVDStRL 25, 308, 392. 2,8

Kritisch auch Köttgen, JöR 3, 67, 143 und JöR 11, 173, 311.- Diese Argumentation kann aber wegen Art. 30 GG nicht auf die Länderseite übertragen werden: Da die Aufgaben der Länder durch Landesverfassung bestimmt werden können und das GG hiervon ausging und dies wünschte, kann man gegenüber solchen Aufgaben (bspw. einer landesverfassungsrechdich verankerten Kunstförderungspflicht) nicht einwenden, dies seien keine Aufgaben nach dem Grundgesetz und damit keine notwendigen Ausgaben. Hierzu ausführlich Maunz/MD, Art. 106 Rn. 50 ff.

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

117

gaben im Bundeshaushaltsplan festgestellt wurden. Denn das Haushaltsgesetz berechtigt verfassungsrechtlich nicht zu Ausgaben.2183

d) Finanzierung durch den Bund wegen Armut der Länder Der Bund ist auch dann nicht zur Finanzierung von Länderaufgaben berechtigt, wenn er geltend macht, daß eine wichtige Investition sonst aufgrund der Armut der Länder unterbliebe. Denn hiergegen bietet Art. 106 Abs. 3 GG die richtige Hilfe: Nach dem Grundgesetz sind die Mittel entsprechend den Aufgaben, nicht aber die Aufgaben nach den Mitteln zu verteilen. 219

e) Ergebnis Wo der Bund keine Aufgabe finanziert, die sich aus Verfassungsvorschriften außerhalb der Finanzordnung ergibt, ist er nicht berechtigt, Gelder auszugeben.

5. Sonder falle im Kompetenzgefüge

a) Die auswärtige Gewalt Außenpolitik wird nicht nur mit macht- oder wirtschaftspolitischen, sondern auch mit kulturellen Mitteln betrieben. 220 Zu prüfen ist also, wie weit sich

218a

Rupp, NJW 66, 1097, 1098, begründet dies damit, daß sonst sonst alle Gesetzgebungskompetenzen "absorbiert" würden. Jedoch kann die Verletzung des Grundgesetzes nicht von dem durch das Haushaltsgesetz in seinen Rechten nicht verletzten Bürger, sondern nur im Verfahren nach Art. 93 Nr. 2 GG angegriffen werden, ders., a.a.O., S. 1099.- Maunz, BayVBl 66, 194, nimmt wie folgt Stellung: "Über den Haushalt und seine Bestandteile kann es aber zu einem BundLänderstreit (Art. 93 Nr. 3 GG) kommen, wenn die im Grundgesetz genannten Bundesorgane oder andere Beteiligten über die Auslegung des Grundgesetzes in Bezug auf den Haushaltsplan streiten. Dagegen kann nicht über den Haushaltsplan und seine Bestandteile - wohl aber über das Haushaltsgesetz - ein Normenkontrollstreit entstehen, da keine Norm vorliegt."- Zur Unüberbrückbarkeit des Kompetenzmangels durch die Zustimmung des Bundesrats s.u. S. 161 f. 219

Ebenso Köngen, Kulturpflege, S. 106; Steiner, VVDStRL 42, 7, 22; Eiselstein, NVwZ 89, 323, 327; BVerfGE 12, 205, 251 (Deutschland-Fernsehen); 86, 148, 265 (Finanzierung Saarland und Bremen).- Für den Sonderfall Art. 104 a Abs. 4 GG gilt dasselbe wie bei Art. 91 a GG, s.o. S. 105 ff. 220

Der finanzielle Umfang der Bundestätigkeit in diesem Bereich ist für die Kunstförderung

118

Teil 2: Kunstförderung des Bundes

ein Kunstförderungsrecht des Bundes aus seiner außenpolitischen Kompetenz ergibt. Urspünglich wurden deutsche kulturelle Unternehmungen im Ausland von Privaten 221 und der Wirtschaft 222 getragen. Die Aufmerksamkeit der Politik zogen sie erst durch die Kollision mit der offiziellen Außenpolitik auf sich.223 Mit erheblicher Verspätung gegenüber anderen europäischen Staaten224 entallerdings nicht von so überragendem Gewicht gegenüber seiner innerstaadichen Kulturpflege, wie Köstlin, S. 62, behauptet, vielmehr überwiegen die Ausgaben, die Bildung und Wissenschaft fördern; hierzu oben S. 75 f. 221 1906 gab es Auslandsvereine in Hamburg, München, Frankfurt und Berlin; schon 1912/14 ungefähr waren 50 Auslandsvereine gegründet (Kloosterhuis, S. 16).- Früheste Einrichtugen waren die - oft kirchlich getragenen - Auslandsschulen: 1319 die Domschule in Reval, noch vor dem 18. Jh. die Schulen in Stockholm, Kopenhagen, Moskau und im Banat; vgl. Statistik der deutschen Auslandsschulen, SDAA. Übersicht über die deutschen Auslandsschulen (SD A A), S. 316 ff.; über private Träger und private Förderung: S. 300 und 302; über Förderung durch das Reich: 303 ff., insbes. S. 308.- Bei den fürstiichen Auslandskontakten (imponierenden Geschenken pp.) können politische und persönliche Aspekte nicht getrennt werden. 222

Das Zusammenwirken von Politik, Handel und gesellschafdichem Interesse zeigt sich bspw. im deutsch-chinesischen Verband (Entstehungsgeschichte bei Kloosterhuis, S. 18 ff.) und der deutsch-asiatischen Gesellschaft (Entstehungsgeschichte bei Schmiterlöw, S. 146 ff., und Kloosterhuis S. 25 ff.), aber auch in den deutschen Auslandsschulen Ende des 19. Jh., die dort entstanden, wo Wirtschaftsunternehmen im Ausland deutsche Arbeiter beschäftigten, so 1883 in Karaagatsch/Türkei (Orientalische Eisenbahnen), 1889 in Hoboken/Belgien (Gründung zweier Firmen), 1895 in Eskischehir/Türkei (Anatolische Eisenbahnen), 1901 in Horta/Azoren (Deutsche Telegraphen-Gesellschaft), 1907 in Azuga/Rumänien (mehrere Fabriken), 1909 in Neerpelt/Belgien (zwei Firmen), 1911 in Dalmine bei Bergamo/Italien (Mannesmann); vgl. SDAA. Diese Schulen sollten nach Ansicht des Reiches von den wirtschaftiichen Unternehmen getragen werden, die hinter ihnen standen; vgl. DAA, S. 312.- Ein Beispiel für Engagement der Wirtschaft im Ausland aus neuerer Zeit: Bertelsmann finanziert die Bibliothekarsstelle am Goethe-Institut Los Angeles, F.A.Z., Goethe gerettet, FAZ vom 28. 7. 93, S. 23. 223

Bspw. die Deutsch-Asiatische Gesellschaft, die eigentiichals deutsch-anatolische Gesellschaft gegründet werden sollte, sich aber aufgrund der Interessenkonflikte zwischen Deutschland, Frankreich und Großbritannien in der Türkei nicht so nennen durfte; vgl. Schmiterlöw, S. 146 f. 224 Insbes. Frankreich (ungefähr ab 1880, Kloosterhuis, S. 15): erste Auslandsschulen schon nach Napoleons Ägyptenfeldzug im Orient (Geheime Denkschrift (DAA), S. 315); frz. Institute, Schulen, Klubs, Zirkel, Bibliotheken und Sporderaustausch, Ausstellungen und Theaterreisen der Comédie Française (Düwell, S. 217), sowie accords intellectuels internationals (Austausch von Schüler bis Professoren, Museumsexperten pp; Düwell, 224). 1922 fuhr ein frz. Panzerkreuzer nach Ostasien, der Innenarchitektur, Spitzen, Roben und Parfüm mit sich führte (Düwell, S. 203; Abelein, S. 126 f.).- Großbritannien unterstützte die religiöse Mission, Reisen von Wissenschaftlern, Vorträge im Ausland, Wanderbibliotheken, Musterlager und die Förderung des brit. Verlagsbuchhandels (Düwell, S. 215).- Italien hatte das Auslandsschulwesen schon 1889 gesetzlich geordnet (Düwell, S. 216). Der Vorsprung des Auslands zeigt sich auch im gesellschafdichen Bereich: 1821 Société Asiatique; 1823 Royal Asiatic Society; 1845 Deutsche Morgenländische Gesellschaft (Düwell, S. 50), 1900-1914 der deutsch-chinesischer Verband (Kloosterhuis, S. 18-32).

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

119

schied sich auch Deutschland schließlich zur kulturellen Außenpolitik 225 mit den Zielen -

der Einwirkung auf die Auslandsdeutschen,226 der Ermöglichung besserer Kontakte mit dem Ausland für Inlandsdeutsche und

-

der Beeindruckung der Ausländer mit und der Werbung bei ihnen für deutsche Kultur und Mentalität. 2 2 7 Zweck der kulturellen Außenpolitik ist also eine Wirtschafts- und Frie-

denspolitik. 228 Als Mittel wird neben der Ausbildung deutscher Diplomaten, dem Sprachexport durch deutsche wissenschaftliche Lehrkräfte und der Pflege der deutschen Sprache im Ausland, 2 2 9 neben der Förderung der Beziehungen zwischen deutschen und ausländischen Wissenschaftlern, Studenten und Hochschulen 230 und dem Institut für Auslandsbeziehungen 231 tation deutscher Kunst im Ausland eingesetzt.

auch die Präsen-

232

225 Insbes. aus Kostengründen nach dem 1. Weltkrieg (büliger als Machtpolitik); Düwell, S. 246 f. 226 Schon die Zuschüsse des Reichs an Auslandsschulen zielten nicht nur auf Wirkung bei den Schülern, sondern auch den deutschen Erwachsenen, vgl. DAA, S. 310. 227

Z.B. war die Aufnahme fremder Schüler und ausländischer Studenten an deutschen Schulen und Universitäten "Kulturwerbung", vgl. DAA, S. 311.- Vgl. auch die Stellungnahme Stresemanns im Reichstag, Sitzung vom 24. 6. 1929, Auszüge bei Düwell, S. 229; Stresemann betonte, daß die Beeinflussung der ausländischen Studenten im Sinne Deutschlands den späteren Generationen wieder zugute komme. 228 Vgl. Becker, S. 13: "Kulturpolitik heißt bewußte Einsetzung geistiger Werte im Dienste des Volkes und des Staates zur Festigung im Innern und zur Auseinandersetzung mit anderen Völkern nach außen. " 229 Insbes. das Goethe-Institut. Ihm vergleichbar sind die Alliance Française, der British Council und das Institute Cervantes; Martin Spiewak, Nicht nur der Herrgott spricht Spanisch, Rhein. Merkur vom 28. 2. 1992.- Nach Fastenrath, S. 182, besteht für Sprachförderung eine natürliche Bundeszuständigkeit. 230

U.a. die Fullbright-Kommission und der 1925 gegründete DAAD, Abelein, S. 116.

231

Bundesausgaben 1991: 4.330.000 DM, BHHP 1991, EP 05, S. 83 (= 61 % des Institutshaushalts; je weitere 16 % tragen das Land Baden-Württemberg und die Gemeinden. Das Institut ist Anstalt des öffentiichen Rechts, hat eine Bibliothek, veranstaltet Ausstellungen und gibt Zeitschriften heraus, Doka, S. 96 f. 232

Beispielhaft hierfür die Aufbauarbeit nach dem ersten Weltkrieg, die insbes. im musikalischen Gebiet (Furtwängler, Kleiber, Walter, von Schillings) zu einem besseren Ansehen Deutschlands beitrug, aber auch die deutschsprachigen Bühnen in Kattowitz, Memel, Danzig und Riga. Ebenso die Teilnahme an der Biennale in Venedig 1922 und an den Kunstgewerbeausstellungen in Monza

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Teil 2: Kunstförderung des Bundes

Die Außenpolitik mit kulturellen Mitteln bleibt nicht auf Handlungen im Ausland beschränkt, sondern wird unter dem Gesichtspunkt der Gegenseitigkeit der Kulturpolitik auch auf den Import fremder Kultur ins Inland, 2 3 3 j a sogar auf die Präsentation deutscher Kultur im Inland "mit Wirkung nach außen" ausgedehnt. 234 Rechtsgrundlage für die rechtliche Beurteilung der Maßnahmen des Bundes ist Art. 32 GG: "Die Pflege der Beziehungen zu den auswärtigen Staaten ist Sache des Bundes. Vor dem Abschlüsse eines Vertrages, der die besonderen Verhältnisse eines Landes berührt, ist das Land rechtzeitig zu hören. Soweit die Länder für die Gesetzgebung zuständig sind, können sie mit Zustimmung der Bundesregierung mit auswärtigen Staaten Verträge abschließen. " 2 3 5 Wie schon in der Weimarer Verfassung ist für die Pflege der Beziehungen zu ausländischen Staaten einschließlich des Abschlusses völkerrechtlicher Verträge grundsätzlich der Bund zuständig, also auch für die Kulturabkommen 236 mit auswärtigen Staaten. 237

und Mailand sowie die deutschen Gemäldeausstellungen in Stockholm und Helsinki, London und Amsterdam, Bern und Basel, die Gastspielreisen deutscher Schauspieler und der deutsche Film; vgl. Düwell, S. 181 ff., und Abelein, S. 127.- Die staatiiche Finanzierung ausländischer Kulturunternehmen ging mangels Geld ab 1928 zurück; dennoch trugen sich zahlreiche deutschsprachige Bühnen selbst weiter, so New York, Chicago, Milwaukee, Thorn, Kattowitz, Bromberg, Riga, Tientsin und Kobe; vgl. Düwell, S. 185.- 1932 betrugen die Ausgaben des Reichs auf diesem Gebiet noch 204.000 Mark; Düwell, S. 239 ff. 233

Vgl. den Runderlaß Bethmann-Hollwegs vom 5. 8. 1913, abgedruckt bei Kloosterhuis,

S. 11.

234

Bspw. die offiziellen Kulturwochen und die Programme des "Hauses der Kulturen der Welt", die der Bund 1991 mit über 10 Millionen DM förderte (BHHP 1991, EP 05, S. 74), die Kunstund Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland; hierzu unten S. 123 ff. 235

Übersicht über Vereinbarungen zur Außenpolitik bei Fastenrath, S. 267 ff. (Anhang). Ein neueres Beispiel für Verträge der Länder ist der Vertrag vom 2.10. 1990 mit Frankreich über den europäischen Kulturkanal "Arte", hierzu Starck, S. 567 ff. Zur Entwicklung des Senders: Philippe Petolon, Ein Bastard sucht Anerkennung, Rheinischer Merkur vom 2. 7. 93, S. 8.- Zur möglichen Erweiterung von Art. 32 GG s. die Beschlußempfehlung des BR an die GemVerfK, Arbeitsunterlage Nr. 27 (entspricht dem Bericht der Kommission Verfassungsreform des Bundesrates an den Bundesrat, BR-Drucks. 360/92 Rn. 18 ff.). 236 1.d.R. Verwaltungsabkommen, da keine bindende Verpflichtung übernommen wird, die den Erlaß von Gesetzen erfordert, Kramer, S. 57.- Zum möglichen Inhalt solcher Abkommen: Mosler, ZauslöffRuVR XVI, 1, 4 f., 24: überwiegend keine Kunstförderung, sondern Austausch, Anerkennung von Prüfungen, Bereinigung von Schulbüchern, Sprachförderung, pp; auch RojahnhM, Art. 32 Rn. 41. 237 Die Frage ist zwischen Bund und Ländern streitig. Beide Parteien schlossen unter Wahrung ihrer Rechtsauffassungen am 14. 11. 1957 das Lindauer Abkommen (BT-Drucks. 7/5924, S. 236; hier: Anhang 2.1), das für erfüllungsbedürftige Kulturabkommen das Einverständnis der Länder

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

121

Dagegen erstreckt sich die Zuständigkeit des Bundes nicht auf alle "auswärtigen Beziehungen ", 2 3 8 insbesondere nicht auf Maßnahmen, die nicht den Beziehungen zu ausländischen Staaten dienen sollen, sondern privaten, wirtschaftlichen oder ideellen deutschen Interessen im Ausland, bspw. dem Deutschen Archäologischen Institut239 oder Studien- und Ausbildungszentren wie dem Studienzentrum Venedig, den Deutschen Historischen Instituten in Rom 2 4 0 und Paris 241 und dem Deutschen Kunsthistorischen Institut in

vor der Verbindlichkeit des Vertrages voraussetzt (Ziff. 3 des Abkommens). Vgl. bspw. Art. 10 S. 3 des Kulturabkommens (künftig: KA) mit Spanien: "Die Mitglieder des Ausschusses werden für die Bundesrepublik Deutschland vom Bundesminister des Auswärtigen im Benehmen mit den zuständigen Bundesministern und den Kultusministern der Länder ... ernannt." Ebenso Art. 13 Abs. 2 des KA mit Belgien, Art. 15 des KA mit Griechenland, Art. 9 Abs. 3 des KA mit Japan, Art. 13 Abs. 3 des KA mit Italien, Art. 12 S. 4 des KA mit Großbritannien und Nordirland und Art. 13 Abs. 2 des KA mit den Niederlanden. Art. 32 ist eine ausdrückliche anderweitige Regelung im Sinne von Art. 30 GG; Fastenrath, S. 101; Mosler, ZauslöffRuVR 16, 1, 12; Zuleeg/AK, Art. 32 Rn. 5; Busch, S. 55 m.w.N. Überleitung in nationales Recht und Erfüllung richtensich nach nationalem Recht: Die Überleitung erfolgt nach Art. 59 Abs. 2 GG (ohne Mitwirkung des Bundesrats), Art. 73 Nr. 1 GG. Art. 73 Nr. 1 GG setzt die wesentiiche und unmittelbare Betroffenheit von Bestand, Stellung und Gewicht des Staates innerhalb der Staatengemeinschaft voraus, BVerfGE 1, 372, 381 f. und 388, 390 (Deutsch-FranzösischesWirtschaftsabkommen). Für die Erfüllung sind i.d.R. die Länder zuständig, die nach BVerfGE 6, 309, 361 f. und 365 (Niedersachsen und das Reichskonkordat) hier in besonderem Maße zur Bundestreue verpflichtet sind; der Bund kann aber nicht eingreifen.- Zur Verfassungsmäßigkeit des Lindauer Abkommens: Fastenrath, S. 136 ff. (nach norddt. Verständnis eine zulässige Kompetenzausübungsgewährang, nach süddt. Verständnis eine unzulässige Kompetenzübertragung), und MaunzfMD, Art. 32 Rn. 45. 238

So der Vorschlag der Enquête-Kommission, BT-Drucks. 7/5924 (dagegen hatte die EnquêteKommission Auswärtige Kulturpolitik keine Änderung des Grundgesetzes befürwortet, BT-Drucks. 7/4121). Wie hier auch Busch, S. 51 ff.; Schuppert, S. 19.- Dagegen hat nach Köstlin, S. 38, der Bund für die kulturelle Außenpolitik Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Finanzierungskompetenz. 239 Geht zurück auf eine private Gründung eines Instituts für Archäologische Korrespondenz in Rom 1829 zurück, die erste öffentiiche Förderung erfolgte 1859 durch Preußen, Düwell, S. 7. Seit 2. 3. 1871 königlich-preußische Staatsanstalt, seit 18. 5. 1874 Reichsanstalt; Detern, S. 104. Ab 1874 aus Reichsmitteln finanziert, 1875 die Zweigstelle in Athen und 1906 die in Kairo gegründet, Düwell, S. 54. Die Zweigstelle in Kairo wurde 1907 als Deutsches Institut für Ägyptische Altertumskunde in Kairo zur selbständigen Reichsanstalt, die die wissenschaftiiche Forschung des alten Ägypten ermöglichen sollte; Abelein, S. 105.- An Ausgrabungen wurden die Ausgrabungen in Olympia als einmaliges Unternehmen vom Reich unterstützt, die Bewilligung der ersten Rate durch den Reichstag erfolgte 1874; Abelein, S. 105 f. 240 1888 durch Preußen gegründet, unterstand dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Aufgabe: wissenschaftiiche Erforschung der deutschen und europäischen Geschichte einschließlich der Musikgeschichte, insbesondere der dt.-ital. Beziehungen; Veröffentlichung von Quellen zur deutschen Geschichte, die sich in Italien befinden; Hilfe für deutsche Forscher und die Pflege der entsprechenden Beziehungen zu Italien. S. BHHP 1992, Kap. 30, S. 138.

122

Teil 2: Kunstförderung des Bundes

Florenz, 2 4 2 der Villa Massimo in R o m 2 4 3 und der Cité Internationale des Arts in Paris. 2 4 4 In allen diesen Fällen ist die derzeitige Bundesförderung nicht vom Wortlaut des Art. 32 G G gedeckt. 245 - Auch eine erweiternde Auslegung der Bundeskompetenz aus teleologischen Gründen kommt nicht in Betracht. Denn Sinn der Bundeszuständigkeit im Bereich der auswärtigen Beziehungen ist ein politisch einheitliches

Auftreten nach außen. Die Einheit-

lichkeit wird aber durch die Förderung von Ausgrabungen und musikwissenschaftlichen Forschungen nicht berührt, ebenso wenig wie durch die Ausbildung deutscher Künstler i m Ausland. 2 4 6 In Betracht kommt hier höchstens die Recht-

241

1958 durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts errichtet, 1964 durch Erlaß des Bundesforschungsministers Bundesinstitut; dient der Erfüllung des dt.-frz. Vertrags vom 22. 1. 1963; BHHP 1992, Kap. 30, S. 147. 242

Privat gegründet 1897, auf den Reichsetat übernommen 1902; vgl. Düwell, S. 56. Bis 1970 von einem privaten e.V. getragen. Die Bundesrepublik hatte sich bei der Rückgabe durch Italien im Abkommen vom 30. 4. 1953 zur Unterhaltung des Instituts verpflichtet. Durch Erlaß des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft vom 25. 6. 1970 Bundesinstitut; dient durch Kurse und weitere Hilfen für Forschende der Erforschung der ital. Kunstgeschichte. Vgl. BHHP 1992, Kap. 30, S. 155.- Ähnl. Einrichtungen z.B. die Schweiz: Istituto Svizzero in Rom und Fondation suisse à la Cité universitaire de Paris, Doka , S. 285 ff.- Seit 1976 existiert zusätzlich ein Deutsches Historisches Institut in London im Haus der Volkswagenstiftung, das vom Bundesforschungsministeriumfinanziert wird; dsch, Betrug in London, FAZ vom 6. 8. 1991. 243 Gegründet als private Stiftung von Preußen 1913, nach dem 2. Weltkrieg von Italien konfisziert, 1955 an den Bund zurückgegeben, seitdem unselbständige Anstalt des Bundes; die Länder nominieren die Kandidaten für das gemeinsame Auswahlverfahren undfinanzieren ihren Landesstipendiaten den Aufenthalt; vgl. Küster, S. 267. 244

Frz. Stiftung, der Bund erwarb 1963 Belegungsrechte für einen Maler, einen Bildhauer und einen Musiker; die Belegung wird in turnusmäßigem Wechsel von den Bundesländern vorgeschlagen; Küster, S. 267 f.- Eine dritte Einrichtung dieser Art ist die Bezuschussung der Villa Romana, deren Träger und Preisstifter allerdings ein privater Verein ist; vgl. Küster, S. 268. 245 Ebenfalls eng Fastenrath, S. 89; Eiselstein, NVwZ 89, 323, 327. Die Enquête-Kommission Auswärtige Kulturpolitik empfahl die Ausgliederung dieser Einrichtungen aus dem Auswärtigen Amt; BT-Drucks. 7/4121, S. 27 f.- A.A. und für eine Bundeskompetenz in den Fällen, in denen die überwiegende Tätigkeit der zu fördernden Institution im Ausland liegt, Röttgen, Kulturpflege, S. 101, für das Deutsche Archäologische Institut und das historische Institut in Rom. Nach Steiner, VVDStRL 42, 7, 20 f., umfaßt die Pflege der kulturellen Beziehungen zu den auswärtigen Staaten auch die Mitfinanzierung von kulturellen Einrichtungen und Veranstaltungen im Inland, "die einen signifikant internationalen Zuspruch aufweisen". Gesetzgebungs-, Verwaltungs-und Finanzierungskompetenz des Bundes für das Deutsche Archäologische Institut bejaht Köstlin, S. 38. 246

Dies gilt auch für die Unterstützung der Deutschen Bibliothek in Pennsylvania durch das Auswärtige Amt, vgl. F.A.Z., Zerfällt, FAZ vom 23. 4. 94, S. 29.- Eine Rechtfertigung der Bundestätigkeit kommt auch nicht durch seine Forschungskompetenz in Betracht. Denn nach Art. 74 Nr. 13 GG ist der Bund nur zum Erlaß von Gesetzen befugt; nach Art. 91 b GG müßten die Länder beteiligt werden, was nicht der Fall ist. Auch die Eingliederung des Archäologischen Instituts in den Haushalt des Auswärtigen Amtes zeigt, daß sich der Bund auf Art. 32 GG stützen

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

123

fertigung unter Gesichtspunkten wie Sachzusammenhang, deutscher Repräsentation und überregionaler Bedeutung (hierzu unten S. 137 ff.). Anders liegen die Verhältnisse da, wo sich der Bund der Kunst nur zur Selbstdarstellung

bedient. Z u diesem Zweck - und in seinen Grenzen - sind

künstlerische Aktivitäten des Bundes im Ausland rechtmäßig. 247 Zwar dient auch die Kunst- und Ausstellungshalle

der Bundesrepublik

Deutschland 248 dem Zweck, "in- und ausländischen Besuchern das kulturelle Leben in der Bundesrepublik Deutschland beispielhaft" zu verdeutlichen und "den Bundesländern und anderen Staaten" Gelegenheit zur Darstellung ihrer Kultur zu geben. 2 4 9 Insgesamt ist die Rechtmäßigkeit dieses Baus 2 5 0 aber zweifelhaft, weil die Halle mehreren Begünstigten dienen soll (In- und Ausländern, fremden Staaten und den Bundesländern) und weil der außenpolitische Teil der Veranstaltung im Inland stattfindet. Bei mehreren

will. Folgerichtig sind es bspw. die Länder, die über die Kulturstiftung der Länder (allerdings unter Mitfinanzierung des Bundes, s.o. S. 91) die Bodleian Library/Oxford unterstützen, Gina Thomas, Aus der Gelehrtenrepublik, FAZ vom 25. 10. 93, S. 37.- Nach Hufen, BayVBl 85, 1, 7, gibt ein nach außen föderales Auftreten der Bundesrepublik im kulturellen Bereich nur den bundesstaadichen Aufbau der Bundesrepublik wieder. S. auch unten Fn. 310. 247 Bspw. auf den Gebieten Musik, Theater und Tanz (BHHP 1991, EP 05, S. 73), bildende Kunst und Ausstellungen (BHHP 1991, EP 05, S. 74) und für die offiziellen Kulturwochen in Berlin (BHHP 1991, EP 05, S. 74) und im Baltikum (dpa, Im Baltikum, FAZ vom 7. 9. 93, S. 33); ebenso die Teilnahme an internationalen Veranstaltungen wie der Architekturbiennale in Venedig (FAZ, Der Flop, FAZ vom 26. 3. 1992) und der Weltausstellung (schon vom Deutsch Reich seit 1892 mit jährlich 20.000 Mark unterstützt; Abelein, S. 58). Gedeckt ist insoweit auch der Bundesingenieurpreis. Aber auch hier wird dem Bund die Rücksichtnahme auf die föderale Struktur der Bundesrepublik nahegelegt, Hufen, BayVBl 85, 1 ff., 7. Berghoff weist außerdem auf die Problematik der Angrenzung von Repräsentation nach innen und nach außen hin, S. 59. 248 Kosten 1991: 5.083.000 DM, BHHP 1991, EP 06, S. 415; 1992: 28.094.000 DM, BHHP 1992, EP 06, S. 421. Zusätzlich Einrichtungskosten, BHHP 1991, EP 06, S. 421, und die Baukosten, die sich 1991 auf 55.000.000 DM (BHHP 1991, EP 06, S. 50) und 1992 auf 23.000.000 DM beliefen (BHHP, Kap. 25, S. 52).- Die Bundeskunsthalle soll insgesamt 128 Mio DM kosten. Sie hat einen Ausstellungsetat von 2 Mio DM (Eduard Beaucamp, Gebremster Höhenflug am Rhein, FAZ vom 19. 6. 1992, S. 33) und einen Jahresetat von 20 Mio DM (Andreas Rossmann, Ausgleich, FAZ 3. 12. 1991). 249 BHHP, a.a.O.- Darstellung der Vorgeschichte der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland bei Küster, S. 287 ff.- Bei Zustimmung zur Bundeskunsthalle hatten die Länder verlangt, der Bund dürfe nur Ausstellungen gemischten Charakters machen, aber keine eigene Sammlung aufbauen; Eduard Beaucamp, Gebremster Höhenflug am Rhein, FAZ vom 19. 6. 1992, S. 33. 250 Getragen wird sie jetzt von der Kulturstiftung des Länder; § 3 Abs. 2 des Errichtungsabkommens. Hierzu oben S. 110 ff.

124

Teil 2: Kunstförderung des Bundes

Zwecken einer Bundestätigkeit muß nach der Rechtsprechung der für das Ausland bestimmte Teil überwiegen. Einrichtungen für Deutsche rechtfertigen Maßnahmen des Bundes nicht, auch wenn die Deutschen im Ausland

le-

ben. 2 5 1 Als möglicherweise von Art. 32 G G gedeckte Zwecke der Kunst- und Ausstellungshalle bleiben also nur die Darstellung gegenüber den Ausländern und die Ermöglichung der Selbstdarstellung für ausländische Staaten übrig. Die Darstellung gegenüber Ausländern im Inland ist nicht von Art. 32 G G gedeckt. Denn es handelt sich nicht um die "Beziehung zu auswärtigen Staatensondern

zu im Inland lebenden Ausländern. Für deren kulturelle Belange

ist der Bund nicht zuständig. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut von Art. 32 GG, sondern auch aus Art. 74 Nr. 4 GG, der eine Zuständigkeit des Bundes auf das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht schränkt.

der Ausländer be-

252

Dagegen ist der Zweck, ausländischen Staaten die Möglichkeit zur Selbstdarstellung in der Bundesrepublik zu geben, nur dann unzulässig, wenn man

251 Beides BVerfGE 12, 205, 250 (Deutschland-Fernsehen).-Durch Art. 32 GG eindeutig nicht gerechtfertigt ist die "Verdeutiichung des kulturellen Lebens in der Bundesrepublik für "Inländer"; eine Bundeskompetenz hierzu könnte höchstens aus einem ungeschriebenen Selbstdarstellungsrecht des Bundes abgeleitet werden (hierzu unten S. 138 ff.), ist aber im Ergebnis zu verneinen. Ebenso besteht keine Kompetenz des Bundes, den Ländern Selbstdarstellung zu ermöglichen.

252 Nach Hufen, BayVBl 85, 1 ff., 40, ist kulturelle Ausländerpolitik sachnäher zur Kultur- und Schulkompetenz der Länder als zur Bundeskompetenz aus Art. 74 Nr. 4 GG und damit Ländersache.- Anders der Bund schon 1950 (BHHP 1950, EP VI, S. 35): bei internationaler Bedeutung der Kulturveranstaltungen im Inland handele es sich um Darstellung "nach außen"; damit aber hätte er eine in der Verfassung nicht angelegte Möglichkeit, sich alle attraktiven Großprojekte auszusuchen. Zulässig ist dagegen die Deutschen Welle als Mittel zur kulturellen Selbstdarstellung des Bundes im Ausland, s.o. S. 103 (die Deutsche Wellerichtetsich an Rundfunkteilnehmer im Ausland zur Vermittlung eines umfassenden Bildes vom politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben in Deutschland und zur Darstellung und Erläuterung der deutschen Auffassung zu wichtigen Fragen, § 1 I 2 des Gesetzes über die Rundfunkanstaltendes Bundes; BGBl. 1960 I S. 862 ff.; zum Ausbau nach den Umbrüchen im Osten: K.B., Stärkung der Deutschen Welle, FAZ vom 29. 8. 1991; Web., Deutsche Welle startet Fernsehprogramm, FAZ vom 24. 2. 1992).- Der Deutschlandfunk (Zweck: Rundfunksendungen für Deutschland und das europäische Ausland, die ein umfassendes Bild Deutschlands vermitteln sollen, § 5 I des gleichen Gesetzes) nur insoweit zulässig, wie er sich an Auslandrichtet(zur Entstehungsgeschichte: Lukas Weber, Ein Ende der unendlichen Entstehungsgeschichte deutet sich an, FAZ vom 29. 10. 93, S. 6; zur neueren Entwicklung: Jacqueline Henard, Katz und Maus im Äther, FAZ vom 27. 1. 94, S. 28, und Lukas Weber, Endlich schlecht, FAZ vom 3. 3. 94, S. 12). Deutschlandfunk und RIAS sind durch Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern und durch Bundesgesetz vom 20. 12. 1993 zum Deutschlandradio vereinigt worden, BGBl. 93 I S. 2246 f. und 2248 ff. Maßnahmen des Bundes für Ausländer im Inland können auch dann zulässig sein, wenn es sich mehr um eine Zufälligkeit des Standorts handelt; beispielsweise die Unterstützung der GoetheInstitute auch in ihren inländischen Aktivitäten; hierzu auch Schulz, S. 62 ff., insbes. 64 f.

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

125

die Grenze kultureller Aktivitäten des Bundes an der Grenze der Bundesrepublik zieht. 2 5 3 Hier ist m.E. zu differenzieren: Für kulturelle Aktivitäten des Bundes ist es sinnvoll, der räumlichen Grenze zu folgen, weil sonst eine Abgrenzung zu Länderkompetenzen äußerst schwierig wird. Sollen dagegen kulturelle Maßnahmen des Auslandes im Inland stattfinden, sind organisatorische Hilfe und ggf. eine finanzielle Unterstützung Teil der Beziehungen des Bundes zu den auswärtigen Staaten. Diese Beziehungen kann der Bund dadurch fördern, daß er für ausländische Staaten eine Ausstellungshalle zur Verfügung hält. Dieser Zweck der Kunst- und Ausstellungshalle ist also von Art. 32 G G gedeckt. 254 Als einer von vier verfolgten Zwecken kann er aber nicht als "überwiegend" bezeichnet werden, so daß der Bau der Kunst- und Ausstellungshalle mit der damaligen Zweckgebung unzulässig war. Z u untersuchen bleiben die Mitgliedschaft nationalen

Organisationen

der Bundesrepublik in inter-

mit kultureller Tätigkeit (bspw. U N E S C O 2 5 5 und

Europarat 256 ) und die Bezuschussung von sogenannten "Mittlerorganisatio-

253

So BVerfGE 12, 205, 250 (Deutschland-Fernsehen).

254

Von der Außenpolitik gedeckt ist allerdings nur die Hilfe bei der Selbstdarstellung fremder Staaten im Ausland, nicht aber von Kulturkreisen; problematisch daher die Programme des "Hauses der Kulturen der Weif in Berlin (BHHP 1991, EP 05, S. 74) und die Schirmherrschaft über die "Ibero-Americana '92" (14. 8. - 5. 9. 1992, Köln und Hamburg, aro., Ibero-Americana, FAZ vom 1.6. 1992). Ob das Haus der Kulturen der Welt weiterhin vom Bund getragen wird, ist zweifelhaft; C.B., In Aktion, FAZ vom 18. 3. 94, S. 35.- Nicht umsonst scheiterte die Einrichtung der Halle an dem Widerspruch der Länder, bis man sich auf eine gemeinsame Trägerschaft über die Kulturstiftung der Länder einigte; hierzu oben S. 110 ff. 255 Educational, Scientific, and Cultural Organization der Vereinten Nationen. Vorläufer war das Pariser Völkerbundsinstitut für internationale geistige Zusammenarbeit mit folgenden Aufgaben: Vorbereitung der Beratungen der Völkerbundskommission, Entwicklung geistiger Eigentumsrechte, Kulturaustausch, Zuständigkeit für Bibliographie und Bibliotheken, die wissenschafdiche Nomenklatur, Ausgrabungen und Denkmalschutz sowie in Museumsfragen; Düwell, S. 235. Ebenso die UNESCO; Düwell, S. 244 f. Unterorganisationen der UNESCO sind die International Association of Plastic Arts (IAPA), der International Council of Museums (ICOM), der International Music Council (CIM) und das International Theatre Institute (ITI); Doka, S. 190. S. auch Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 632 ff. Die UNESCO verleiht bspw. die Mozart-Medaille {AFP, Elisabeth Schwarzkopf, FAZ, 26. 10. 1991) und verwaltet den Fonds für das Kulturerbe der Welt (bezuschußt vom Bund mit 378.000 DM 1991; BHHP 1991, EP 05, S. 132). Außerdem stellt sie die UNESCO-Liste besonders geschützter Kulturgüter auf, die knapp 400 Objekte in aller Welt umfaßt; dpa, Weltkulturerbe, FAZ vom 16. 12. 93, S. 31. In den Fonds zur Erhaltung von Naturund Kulturschätzen fließen jährlich rund 2,5 Mio Dollar, wovon die Bundesrepublik 12 % trägt; Marion Löhndorf, Gotik ist nicht gut genug, FAZ vom 3. 4. 93, S. 27. 256 Geschaffen durch Vertrag vom 5. 5. 1949 (Belgien, Dänemark, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Schweden und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland) mit der Aufgabe, die Mitglieder durch gemeinschaftliches Vorgehen u.a. auf kulturellem Gebiet zum Schutz und zur Förderung des gemeinsamen Erbes an Idealen und

126

Teil 2: Kunstförderung des Bundes

nen", die zur Vermittlung deutscher Kultur im Ausland auch Kunst einsetzen (bspw. D A A D 2 5 7 und Goethe-Institut 258 ). Die künstlerischen Aktivitäten der Mittlerorganisationen sind unterstützendes Mittel für die kulturelle Darstellung Deutschlands i m Ausland. Ihre Föderung fällt damit in den Bereich zulässiger Außenpolitik. Zwar sind die Beziehungen zu U N E S C O und Europarat rechtlich nicht solche zu anderen Staaten. Sie fördern aber die Gemeinschaft mit anderen Staaten, die grundsätzlich in den Bereich von Art. 32 G G fallt. 2 5 9 Problematisch ist allerdings, daß ihre kulturpolitischen Ziele innerhalb der jeweiligen Mitgliedstaaten verfolgt werden sollen, sie also letztlich auf eine kulturelle Innenpolitik abzielen, die allerdings gemeinschaftlich betrieben werden soll. Das G G hat diesen Konflikt nicht gelöst, sondern nur die Extremfalle der reinen Außenpolitik und der reinen kulturellen Innenpolitik verschiedenen staatlichen Ebenen zugeordnet. Es kommt also darauf an, diesen Entscheidun-

Grundsätzen zu verbinden, Art. 1 Abs. 1 der Satzung, BGBl. 1950 S. 263. Beitritt der Bundesrepublik durch Gesetz vom 8. 7. 1950. Der Europarat verabschiedet Erklärungen (bspw. die Erklärung der Kulturminister des Europarats zur europäischen Kultur vom 25. 5. 1984), richtet auch Ausstellungen aus (bpw. "Wikinger, Waräger und Normannen", 1992 in Paris und Berlin; Camilla Blechen, Neue Welten, FAZ vom 15.2. 1992); hat den Jakobsweg zur ersten Kulturstraße Europas erklärt (Oet., Europas erster Kulturweg, FAZ vom 31. 10. 1991); betreut das Festival "Praha Europa Musica" (zusammen mit den tschech., österr., ital. und frz. Kultusministerien, dp, Italien in Prag, FAZ vom 2.9. 1992); bewilligt über seinen Filmfonds Zuschüsse {AFP, Filmgelder, FAZ vom 12. 5. 1992). 257 Der DAAD unterhält u.a. eine Galerie mit Ausstellungsberieb in Berlin; FAZ vom 27. 4. 1991, S. 30. 258 Ist ein e.V. (W. Link, S. 271), betreibt inzwischen 170 Goethe-Institute (Christian Marquart, Ohne Bücher, FAZ vom 20. 8. 1992, S. 25); bspw. wurden 1992 die Abteilungen in Moskau und Riga eröffnet, 1993 sollen die in Petersburg, Minsk, Kiew, Alma Ata folgen (kho, Auf nach Deutschland, FAZ vom 13. 10. 1992, S. 33). Vergleichbar sind das Institut Français, Pro Helvetia, Österreichische Kulturinstitute, Istituti Italiani di cultura; Dietmar Polaczek, Kulturboten, FAZ vom 22. 7. 1991, S. 19. Das Goethe-Institut verleiht auch Preise; AP, Nach Weimar, FAZ vom 16. 3. 1992, und veranstaltet auch Kurse im Inland, s.o. Fn. 252. Zu den Mittlerorganisationen gehört auch Inter Nationes (e.V., gegründet vom Presse- und Informationsamt der Bundesrepublik im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt, hauptsächlich tätig im Verhältnis zu den USA, Doka, S. 95). Der Bund zahlt ferner an den Deutschen Musikrat, das Deutsche Nationalkomitee des Internationalen Denkmalrats und das Deutsche Nationalkomitee des Internationalen Museumsrates (s.o. S. 57).- Überblick über die Organisationen für kulturelle Zusammenarbeit bei Fohrbeck/Wiesand, S. 104 ff. 259 Beide fallen nicht unter Art. 24 GG, weil ihnen keine Hoheitsrechte übertragen worden sind. Die "Abkommen" nach Art. 1 b der Satzung des Europarats sind normale völkerrechtiiche Verträge i.S.v. Art. 32 GG; vgl. das Gesetz zur UNESCO-Konvention vom 14. 5. 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten, BGBl. 1967 II S. 1233 (geändert: BGBl. 1971 II S. 1025), und BT-Drucks. 10/2237, S. 41: bis 1983 kein Beitritt der Bundesrepublik zur UNESCO-Konvention über Maßnahmen zu dem Verbot und der Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut von 1970.

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

127

gen weitmöglichst Rechnung zu tragen. M . E . ist danach der Bund zur Teilnahme an internationalen Kulturorganisationen berechtigt, muß sich aber für Maßnahmen, die die Kulturinnenpolitik der Länder betreffen, um deren Einverständnis bemühen. 2 6 0

b) Art. 135 G G und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz Die Stiftung "Preußischer Kulturbesitz" ist eine öffentlich-rechtliche Stiftung des Bundes und wurde durch Gesetz vom 25. 7. 1957 2 6 1 geschaffen.

Ihr

wurde der größte Teil der Vermögenswerte der ehemals preußischen Sammlungen übertragen. 262 Die Stiftung "hat den Zweck, bis zu einer Neuregelung nach der Wiedervereinigung die ihr übertragenen preußischen Kulturgüter für das deutsche Volk zu bewahren, zu pflegen und zu ergänzen, unter Beachtung der Tradition den sinnvollen Zusammenhang der Sammlungen zu erhalten und eine Auswertung des Kulturbesitzes für die Interessen der Allgemeinheit in Wissenschaft und Bildung und für den Kulturaustausch zwischen den Völkern zu gewährleisten. " 2 6 3 Nach § 11 des Stiftungsgesetzes tragen Bund und Länder anteilig entsprechend ihren Stimmrechten die Fehlbeträge der Stiftung; dieser Fehlbetrag belief sich

1991 auf 2 2 2 . 0 8 6 . 0 0 0

DM,

w o v o n der Bund 75

%,

nämlich

260 Folgt aus dem Auslegungsgebot optimaler Wirksamkeit von Verfassungsnormen und dem Prinzip der Bundestreue.- Die Enquête-Kommission Auswärtige Kulturpolitik empfahl sogar die Entsendung von Ländervertretern in die deutschen Delegationen der UNESCO und des Europarats; BT-Drucks. 7/4121, S. 37. 261

Im Gesetzgebungsverfahren nach Art. 77 Abs. 3 GG, also ohne Zustimmung des Bundes-

rates. 262 BGBl. 1957 I S. 841 ff.; BT-Drucks. 11/1670; Vhdl. BT, Sten. Ber. S. 5700 ff. und 10998 f. S. auch § 27 Abs. 4 des Rechtsträgerabwicklungsgesetzesvom 6. 9. 1965, BGBl. I S. 1065.Vorgeschichte: Errichtung des Zentralen Kunstgutiagers in Celle durch Erlaß der brit. Militärregierung vom 28. 8. 1945, insbes. für den ausgelagerten Berliner Kunstbesitz; Übernahme der Verwaltung des Kunstgutiagers "im Namen und unter der Weisung der Bundesregierung" gemäß Art. V (3) der britischen MRVO Nr. 202 vom 6. 9. 1949 durch Niedersachsen als Treuhänderland für das Eigentum des ehemaligen preußischen Staates Ende 1949; seit 1956 Finanzierung des Kunstgutiagers durch 7 in der Verwaltungsvereinbarung vom 1.1. 1955 zusammengeschlossenen Nachfolgestaaten Preußens. Auflösung durch Erlaß des Niedersächsischen Kultusministers vom 12. 8. 1958 nach der Gründung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der anfänglich außer dem Bund und Berlin nur Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg mit sehr geringe Beiträgen zum Defizit beitraten.- S. auch BT-Drucks. 11/1670, S. 7 ff.; Küster, S. 242 ff., und BVerfGE 10, 20, 21 ff. (Stiftung Preußischer Kulturbesitz). 263 Vgl. § 3 des Gesetzes. § 4 ermächtigt die Bundesregierung, mit Zustimmung des Bundesrats eine Satzung zu erlassen; s. BGBl. 1961 I S. 1709 und BGBl. 1974 I S. 3710.

128

Teil 2: Kunstförderung des Bundes

166.565.000 D M trug. 2 6 4 Die Ausgabe trägt im Haushaltsplan die Funktionsbezeichnung "Wissenschaftliche Bibliotheken, Archive, Dokumentation, Dokumentationsforschung " und fallt damit unter die Rubrik "Wissenschaft, Forschung, Entwicklung außerhalb der Hochschule". 265 Damit erweckt der Bund den Anschein, er berufe sich für seine Zahlungen auf seine Kompetenzen im Bereich der Forschung. Diese könnten aber die Aktivitäten des Bundes nicht decken. Art. 74 Nr. 13 G G deckt nur die Gesetzgebung, aber nicht die Finanzierung; Art. 9 1 b G G setzt eine Bund-Länder-Vereinbarung voraus, an der es hier fehlt. Als Rechtsgrundlage für die Zahlungen des Bundes kommt weiter Art. 135 Abs. 4 G G in Betracht, auf den sich auch die Gründung der Stiftung stützt. Die hier entscheidenden Passagen des Art. 135 G G lauten: "(2) Das Vermögen nicht mehr bestehender Länder ... geht, soweit es nach seiner ursprünglichen Zweckbestimmung überwiegend für Verwaltungsaufgaben bestimmt war, oder nach seiner gegenwärtigen... Benutzung überwiegend Verwaltungsaufgaben dient, auf das Land oder die Körperschaft oder Anstalt des öffendichen Rechts über, die nunmehr diese Aufgaben erfüllen. (4) Sofern ein überwiegendes Interesse des Bundes oder das besondere Interesse eines Gebietes es erfordert, kann durch Bundesgesetz eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelung getroffen werden. "

264

Haushalt der Stiftung (1991, vgl. BHHP 1991, EP 06, S. 405; ohne Bauinvestitionen der Stiftung, von denen die Hälfte der Bund und die Hälfte Berlin tragen): 229.953.000 DM Gesamthaushalt 7.867.000 DM 3,4 % Eigenfinanzierung Zuschußbedarf 96,6 % 222.086.000 DM davon: 166.565.000DM Mittel des Bundes 75 % 55.521.000 DM 25 % Beitrag der Länder davon tragen: 14 % 7.867.000 DM Baden-Württemberg 0,7 % 430.000 DM Bayern 15.278.000 DM Berlin 27,5 % 660.000 DM Bremen 1,2 % 1.608.000 DM Hamburg 2,9 % 4.611.000 DM Hessen 8,3 % 5.763.000 DM Niedersachsen 10,4 % 13.949.000 DM Nordrhein-Westfalen 25 % 2.937.000 DM Rheinland-Pfalz 5,3 % 470.000 DM 0,8 % Saarland 2.055.000 DM 3,7 % Schleswig-Holstein 129.129.000 DM. Anteil der Personalausgaben am Gesamthaushalt: 56 % 265

Statt mit der Funktion "Museen, Sammlungen, Ausstellungen" unter "Kunst- und Kulturpflege" zu fallen.

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

129

Preußen wurde am 25. 2. 1947 durch den Kontrollrat aufgelöst. Das durch das Gesetz von 1957 (Stiftungsgesetz) erfaßte Vermögen ist Verwaltungsvermögen i m Sinne von Art. 135 Abs. 2 G G . 2 6 6 Es wäre jedenfalls nach Art. 135 Abs. 2 G G nicht auf den Bund übergegangen, denn diesem ist keine allgemeine Bildungsaufgabe übertragen. Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende bundesgesetzliche Regelung nach Art. 135 Abs. 4 G G muß ein "überwiegendes Interesse des Bundes" oder ein "besonderes Interesse eines Landes" bestehen. Als überwiegendes Landesinteresse käme nur das Interesse Niedersachsens 267 oder Berlins in Betracht, nicht allein für die Kosten aufkommen zu müssen. Ein solches Interesse ist aber nie zur Rechtfertigung des Stiftungsgesetzes geltend gemacht worden; ihm wäre außerdem auch mit einem Zusammenschluß der Länder gedient. 2 6 8 Z u prüfen ist also, ob ein Interesse des Bundes besteht, das die grundsätzlich vorrangigen Interessen der Länder 2 6 9 überwiegt. Das BVerfG läßt als solches Interesse den Bedarf nach Fortführung der national-repräsentativen Sammlungen im geteilten Deutschland gelten. 270 Außerdem liege ihr

266 BVerfGE 10, 20, 37: "Daher ... werden ... die im allgemeinen Interesse der wissenschaftiichen Forschung und der Öffentiichkeit zugänglich gemachten Sammlungen und Büchereien allgemein zu den "Bildungsanstalten" im technischen Sinne gezählt und dem Verwaltungsvermögen zugezählt. " 267

Die Gegenstände befanden sich zu einem großen Teil im Kulturgudager Celle.

268

Auch eine solche Lösung wäre eine "abweichende Regelung" im Sinne von Art. 135 Abs. 4 GG. Zwar kennt das Grundgesetz nur Bund und Länder als verschiedene Ebenen; trotzdem kann daraus nicht die Unzulässigkeit von Länderzusammenschlüssen gefolgert werden, und zwar auch dann nicht, wenn diese flächenmäßig mit dem Bund übereinstimmen und evt. nicht freiwillig, sondern auf Zwang Zustandekommen. Denn auch ein solcher Zusammenschluß ließe den Ländern noch mehr Freiheit in der Durchführung ihrer Aufgabe als eine Übernahme der Aufgabe durch den Bund oder durch eine vom Bund dominierte Bund-Länder-Einrichtung.- Zu Länderzusammenschlüssen s.o. S. 111 f. 269 Ein solcher Vorrang besteht schon nach Art. 30, 70 und 83 GG. Art. 134 und 135 knüpfen für die Rechtsnachfolge nach Auflösung von Gebietskörperschaften an Art. 83 ff. GG an und kommen damit zu einer weitgehenden Übertragung (bzw. einem automatischen Übergang) an die Länder (je Abs. 2), und das sogar für das ehemalige Reichsvermögen. Dies muß für das Vermögen aufgelöster Länder erst recht gelten, zumal auch die unmittelbare Nachbarschaft beider Regelungen einen Gleichlauf beider nahelegt, so daß auch für Art. 135 GG gilt, daß er Teil und Ausprägung der Regelzuständigkeit der Länder ist. 270

"Der preußische Kulturbesitz diente ... zumindest seit der Reichsgründung, einer Aufgabe, die weit über den Bereich des ehemaligen Landes Preußen hinauswies und den deutschen Sammlungen in der Reichshauptstadt einen gesamtdeutschen, national-repräsentativen Charakter verlieh. ... Die ... verstreuten Bestände wieder zusammenzuführen, sie zu ergänzen und zu pflegen sowie die Tradition der ehemals preußischen Sammlungen fortzuführen, ist darum eine gesamtdeutsche Aufgabe. Dem Bund kann aus diesem Grunde ein legitimes Interesse an einer von den Absätzen 9 Geißler

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Teil 2: Kunstförderung des Bundes

"besonderer Wert darin daß sie sich gegenseitig ergänzten und zusammen mit der preußischen Staatsbibliothek ein in Deutschland einmaliges Gesamtbild der kulturellen und geistesgeschichtiichen Entwicklung des Erdkreises von den Anfängen bis zur Gegenwart boten. Auch diese Besonderheit macht es verständlich, weshalb der Gesetzgeber es nicht bei der durch Art. 135 Abs. 2 GG geschaffenen Rechtslage belassen ... wollte."271

Fraglich ist aber, ob man die "Interessen" im Rahmen von Art. 135 Abs. 4 GG isoliert von der Kompetenzverteilung im restlichen Grundgesetz betrachten kann. Zwar scheint Art. 135 Abs. 4 GG dann, wenn der Bund auch hier auf seine sonstigen Kompetenzen beschränkt ist, auf den ersten Blick überflüssig zu sein, weil dann eine Rechtsgrundlage für Maßnahmen des Bundes ja schon in den sonstigen Kompetenzen bestand. Damit verkennt man aber, daß Art. 135 GG vorrangig gerade keine Kompetenzverteilungsnorm, sondern - wie sich auch aus seiner Stellung im Grundgesetz ergibt - eine Regelung der Vermögensverteilung mit dem Ziel der "Abwicklung" der aufgelösten Länder ist. Vor diesem Hintergrund spricht wenig dafür, daß Art. 135 Abs. 4 GG die gerade erst geschaffene und durch Art. 135 Abs. 2 GG bestätigte Zuständigkeits-(und entsprechende Vermögens-)verteilung des Grundgesetzes von Anfang an aushöhlen wollte und statt einer endgültigen Verteilung im Sinne einer Abwicklung die dauerhafte Errichtung systemwidriger Fremdkörper begünstigt. Bei dem danach gebotenen Rückgriff auf die sonstige Kompetenzverteilung wird deutlich, daß das Bieten eines "einmaligen Gesamtbildes der kulturellen und geistesgeschichtlichen Entwicklung des Erdkreises von den Anfängen bis zur Gegenwart" nach dem Grundgesetz nicht zu den Aufgaben des Bundes gehört, demnach nicht von einem legitimen - noch weniger von einem die Länderinteressen überwiegenden - Interesse des Bundes im Sinne von Art. 135 Abs. 4 GG ausgegangen werden kann. Allerdings muß neben der eben dargestellten Ausgangslage auch berücksichtigt werden, daß Art. 135 Abs. 4 GG von einer allein der Kompetenzverteilung entsprechenden Rechtsnachfolge gemäß Art. 135 Abs. 2 GG eine Ausnahme macht, die letztlich die Sachgerechtigkeit der Vermögensverteilung gewährleisten soll. Zu diesem Zweck - aber auch nur in diesen Grenzen - darf

1 bis 3 des Art. 135 GG abweichenden Regelung, deren Ziel es ist, die national-repräsentative Funktion der ehemals preußischen Sammlungen über die gegenwärtige Spaltung Deutschlands hinaus dem gesamtdeutschen Kulturleben zu erhalten, nicht abgesprochen werden ...", BVerfGE 10, 20, 40 f. 271 BVerfGE 10, 20, 41.

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

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der Bund - wie schon der Wortlaut von Art. 135 Abs. 4 GG (Interesse eines Gebietes) zeigt - auch solche Erwägungen berücksichtigen, die grundsätzlich den Ländern zustehen, nämlich - wie die Entstehungsgeschichte von Art. 135 Abs. 4 GG belegt272 - auch kulturelle Erwägungen. Im Rahmen dieser Erwägungen den Erhalt der Sammlungen als Einheit zu befürworten, war eine sachgerechte Lösung, da der Wert der Sammlungen wesentlich von ihrem Umfang und ihrer Vollständigkeit abhing.273 Ein entgegenstehendes Interesse der Länder an einer anderen Regelung als der nach Abs. 2 wurde nicht geltend gemacht,274 so daß es auf das Über-

272 Zur Einfügung von Art. 135 Abs. 4 GG kam es in der 51. Sitzung des Pari. Rats am 10. 2. 1949 (Sten. Prot. S. 680). Seebohm schlug vor, durch die Einfügung "unter Wahrung seiner ursprünglichen Zweckbestimmung" in Abs. 1 den "einverleibten" Ländern die Vorteile ihrer besonderen Vermögens zu erhalten. Gegen eine solche Dauerfixierung der Rechtslage wandten sich Schmid, Zinn und Renner. Zinn schlug daraufhin eine Garantiefunktion des Bundesgesetzgebers vor (strukturell falsch, da Aufgabe des Verfassungsgerichts) und sagt dann ohne weiteren Zusammenhang: "Ich könnte mir vorstellen, daß meinetwegen das Kaiser-Friedrich-Museum, dessen Bestand über das ganze Land oder verschiedene Länder verstreut ist, zusammengefaßt wird und daß man nicht das eine Kunstwerk diesem Land udn das andere jenem Land überläßt. Hier sollte der Bundesgesetzgeber eingreifen. " und schlug dann den heutigen Art. 135 Abs. 4 vor. Der Bund kam also nur als Streitschlichter und Garant gegen ein Auseinanderfallen der Einrichtungen in Betracht, nicht aber selbst als deren Träger. 273 Die ausschließliche Anwendung von Art. 135 Abs. 2 GG hätte zu einem Auseinanderfall der Sammlungen - entweder nach dem Belegenheitsprinzip oder durch Übereinkunft der preußischen Nachfolgestaaten - führen können, s.o. Fn. 262. Aus Gründen der Sachgerechtigkeit (Erhalt der Sammlung, da ihr Wert in der Geschlossenheit liegt) konnte der Bund hier also nach Art. 135 Abs. 4 GG tätig werden. Dagegen ist die Berufung des Bundes auf sein Ziel, "die national-repräsentative Funktion der ... Sammlungen über die gegenwärtige Spaltung Deutschlands hinaus dem gesamtdeutschen Kulturleben zu erhalten", äußerst problematisch. Denn erstens ginge der Erhalt der Sammlung auch bei national-repräsentativem Charakter - unter normalen Umständen den Bund nichts an (so könnte der Bund bspw. nicht verhindern, daß Bayern das Deutsche oder das Germanische Museum auflöst und in alle Lande verkauft, ausgenommen den Verkauf ins Ausland, Art. 74 Nr. 5 GG, denn die Berücksichtigung des besonderen kulturellen Wertes der Einheit der Sammlungen ist nach der Verfassung nicht Teil der Bundeskompetenzen (a. A. Röttgen, JöR 11, 173, 284: Bundeskompetenz für die "gemeindeutsche Einrichtung")). Und zweitens ist die Berufung auf die nationalrepräsentative Ausstrahlung der Sammlung Kriterium insoweit zweifelhaft, als die Sammlung nach Berlin zurückgeführt und dadurch eine (national-repräsentative) Verbindung mit Bonn als Regierungssitz unterlassen wurde. 274 In Betracht käme das finanzielle Interesse, sich überhaupt nicht um die ehemals preußischen Sammlungen zu kümmern. Ein solches Interesse der Länder ist aber im Verfahren vor dem BVerfG nicht geltend gemacht worden; BVerfGE 10, 20, 28 ff.- Ein entgegenstehendes Interesse der Länder an der vom Bund getroffenen Regelung - und ein solches bestand, wie schon das Verfahren vor dem BVerfG zeigt - ist nicht für die Abgrenzung zwischen Art. 135 Abs. 2 und 4, sondern für die verfassungsrechtiiche Beurteilung der Ausnutzung der Kompetenz des Bundes aus Art. 135 Abs. 4 GG relevant.

132

Teil 2 Kunstförderung des Bundes

wiegen der (sachgerechten) Bundesinteressen nicht ankam, die Errichtung der Stiftung also als von Art. 135 GG gedeckt erscheint. Die Frage ist aber, ob Art. 135 GG sich darin erschöpft, festzustellen, wann der Bund tätig werden darf und das weitere Vorgehen in das Ermessen des Bundes stellt275 oder ob Art. 135 Abs. 4 GG auch für die Frage Anwendung findet, wie das Interesse gesichert wird, das eine abweichende Regelung i.S.v. Art. 135 Abs. 4 GG rechtfertigt. Hierfür spricht die Formulierung "überwiegendes Interesse", die sich auf die "abweichende Regelung" bezieht. Danach muß die Vermögensverteilung nach Art. 135 Abs. 4 GG (im Hinblick auf die Sachgerechtigkeit) die Verteilung nach Abs. 2 "überwiegen". Dies setzt aber den Vergleich zweier Ergebnisse voraus, so daß Art. 135 Abs. 4 GG erst dann offensteht, wenn eine konkret andere Lösung sachgerechter als die Lösung nach Abs. 2 ist. Für die Maßgeblichkeit von Art. 135 GG auch für die Art der Interessensicherung nach Abs. 4 sprechen auch systematische Gesichtspunkte: Man kann davon ausgehen, daß die Ausnahmeregelung des Art. 135 GG dem Bund nur insoweit die Wahrnehmung von Interessen außerhalb seiner Befugnisse (hier: kulturelle Erwägungen) überlassen soll, wie übergeordnete Interessen (hier: die Sachgerechtigkeit der Vermögens Verteilung) das Abweichen von Art. 30, 135 Abs. 2 GG erfordern, und daß die Ausnahme durch ihren Zweck begrenzt wird. 276 Der Bund war also nur insoweit berechtigt, vom Grundsatz der Kulturträgerschaft der Länder abzuweichen, als dies erforderlich war, um die (sachgerechte) Fortführung der Preußischen Sammlungen als Einheit zu gewähr-

275

So das BVerfG 10, 20, 40: "Einer näheren Prüfung der Frage, ob dem überwiegenden Interesse des Bundes nur durch die im Stiftungsgesetz getroffene Regelung genügt werden kann oder ob auch andere, möglicherweise bessere Lösungen denkbar wären, bedarf es im vorliegenden Zusammenhang nicht. Die Frage, ob ein überwiegendes Interesse des Bundes eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelung erfordert und wie gegebenenfalls diesem Interesse am besten Rechnung getragen werden soll, ist grundsätzlich vom Bundesgesetzgeber im Rahmen der ihm zustehenden gesetzgeberischen Freiheit zu entscheiden. ... Das Bundesverfassungsgerichtkan lediglich prüfen, ob der Gesetzgeber mit dem Stiftungsgesetz eine durch ein überwiegendes Bundesinteresse offenbar nicht gerechtfertigte Regelung getroffen hat, also offenbar nicht sachgerecht verfahren ist, und die ihm gesetzten Grenzen überschritten hat. Von einem Mißbrauch seiner Entscheidungsfreiheit kann aber im vorliegenden Fall nicht die Rede sein." 276

Als Grund der Sachgerechtigkeit hätte sich u.U. der Vorteil geregelter Entscheidungsfindungen gegenüber langsamerer Koordination in einem Länderzusammenschluß anführen lassen. Dieses Argument wird aber dadurch entkräftet, daß die Verteilung der Kulturkompetenzen auf die Länder automatisch deren Koordination voraussetzt. Was im berufsrelevanten Bereich der schulischen Bildung nach dem Rahmen des Grundgesetzes zu funktionieren hat, kann doch für eine Sammlung nicht per se ungeeignet sein.

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

133

leisten. Über diese Berechtigung ist der Bund mit der Schaffung der "Stiftung Preußischer Kulturbesitz" hinausgegangen. Denn die Einheitlichkeit der Sammlungen hätte auch durch die Übertragung an ein Land - ggf. mit einer Beitragpflicht der anderen Länder 2 7 7 - oder an einen Länderzusammenschluß 278 gewahrt werden können. Beide Möglichkeiten wären als geringerer Eingriff in die Kulturhoheit der Länder der jetzigen Lösung vorzuziehen gewesen. 279 Die Beteiligung des Bundes an der Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat ebenso wie seine fortlaufenden Unterstützungsmaßnahmen keine Rechtsgrundlage.280 Durch die Wiedervereinigung

ist der Stiftungszweck nicht entfallen, da eine

Neuregelung im Sinne von § 3 des Stiftungsgesetzes noch aussteht. Vielmehr hat die Stiftung durch Art. 35 Abs. 5 des Einigungsvertrags zusätzlich die vorläufige Trägerschaft für die Staatlichen Museen zu Berlin, die Deutsche Staatsbibliothek und die Dienststelle Zentrales Staatsarchiv Merseburg über-

277 Daß damit auch der "gesamtdeutsche, national-repräsentative "Charakter der Sammlungen erhalten worden wäre, beweist schon die Anerkennung des BVerfG, daß dieser Charakter auch unter der alleinigen preussischen Trägerschaft der Sammlungen vorhanden war und also nicht an die Trägerschaft des Reichs/Bundes gebunden ist, BVerfGE 10, 20, 40 f. 278 Schließlich hatten die Länder die Sammlungen auch nach dem Krieg getragen (s.o. Fn. 262) und die Verfassungsgeberdas Zusammenwirkender Länder anerkannt (s.o. S. 111 f.). Zwar ist auf gesamtstaatiicher Ebene ein Länderzusammenschluß als offizieller Aufgabenträger nicht bekannt ist (s. ebenfalls oben S. 111 f.), was gegen eine Übertragung von Aufgaben oder Vermögen auf eine Ländergemeinschaft sprechen könnte, die Koordination der Länder wird aber doch von der Verfassung vorausgesetzt. 279 280

Insoweit fehlt ein überwiegendes Interesse an der jetzigen Regelung.

A.A. BVerfGE 10, 20, 42 und 44, wonach Art. 135 Abs. 4 GG den Bund zur Gründung der Stiftung und zur Übertragung des ehemals preußischen Kulturbesitzes sowie zur organischen Fortentwicklung berechtigt. Auch Köstlin, S. 38, geht von einer Gesetzgebungs-, Verwaltungs-und Finanzierungskompetenz des Bundes aus.- Nachrichtiger Ansicht trug der Bund dagegen - wie bei jeder Inanspruchnahme von Kompetenzen - die volle Beweislast für die Rechtmäßigkeit seiner Maßnahme, die vom BVerfG uneingeschränkt zu überprüfen ist (hierzu oben S. 97 ff.). Im übrigen könnten sich weitere Probleme daraus ergeben, daß der Bund auch zur Auflösung der Stiftung als actus contrarius der Gründung berechtigt sein müßte. Wären dann die jahrelange Zahlungen der Länder zu berücksichtigen? Nach Köttgen, JöR 11, 173, 285 handelt es sich bei diesen Zahlungsverpflichtungen um einen Fall des Bundeszwanges; was auch schon für den Zwangszusammenschlußder Länder durch das (Bundes)Stiftungsgesetzgilt. Köttgen, JöR 11, 173, 286, tröstet sich dann damit, daß die Stiftung "lediglich nach ihrem äußeren Erscheinungsbilde eine Bundeseinrichtung, in der Sache jedoch Träger einer Aufgabe" ist, "die weder zur Bundes- noch zur Landesverwaltung gehört." Das ist aber kaum zur Legitimierung der Tätigkeit des Bundes geeignet.

134

Teil 2 Kunstförderung des Bundes

nommen.281 - Bis 1994 soll übergangsweise verfahren werden wie bisher, 282 und auch die endgültige Lösung für die Zeit nach 1995 sieht eine Fortsetzung der jetzigen Regelung vor. 283

281

"Die durch die Nachkriegsereignisse getrennten Teile der ehemals staatiichen preußischen Sammlungen (unter anderem Staadiche Museen, Staatsbibliotheken, Geheimes Staatsarchiv, IberoAmerikanisches Institut, Staadiches Institut für Musikforschung) sind in Berlin wieder zusammenzuführen. Die Stiftung preußischer Kulturbesitz übernimmt die vorläufige Trägerschaft. Auch für die künftige Regelung ist eine umfassende Trägerschaft für die ehemals staatiichen preußischen Sammlungen in Berlin zu finden."- Die je 14 staatlichen Museen Ost und West wurden zu 17 Museen vereint. Betroffen sind das Rathgen-Labor (Forschung für die Konservierung von Kulturdenkmälern in der Dritten Welt), Schloß Rheinsberg (seit 1.4. 1991) und die Kupferstichkabinette (schon Anfang November 1991), nicht aber das Fontane-Archiv in Potsdam; vgl. Eberhard Vogt, Das Flaggschiff auf märkischem Sand, Die Welt vom 6. 2. 1992, S. 17; Camilla Blechen, Neue Welten, FAZ vom 15. 2. 1992; F.A.Z., Kupferstichkabinette, FAZ vom 12. 6. 1991; Helmut Caspar, Der Vorgänger von Sanssouci, FAZ v. 28. 5. 1991; C.B., Kupferstichunion, FAZ v. 8. 11. 1991; dpa, Fontanes Papiere, FAZ v. 25. 10. 1991. Wiedervereinigt sind auch die Sammlungen der Nationalgalerien, dpa, Etwas selbständig, FAZ vom 21. 12. 93, S. 27. Zu den Neubauprojekten der Stiftung s. FAZ vom 26. 3. 1991, S. 36, Rhein. Merkur vom 1. 3. 1991, S. 17, und FAZ vom 13. 1. 94, S. 24. Der Haushalt beträgt 1992 267 Mio DM im Betriebshaushalt und 97 Mio DM an Baukosten. Vgl. auch dpa/F.A.Z., Ohne Bayern, FAZ vom 5. 2. 1992, wonach bei einem vorläufigen Haushalt der Stiftung von 259 Millionen DM 1992 (ohne Baumittel) die Länder insgesamt 64 Mio DM tragen sollten mit einem Spitzenbeitrag Berlins in Höhe von 17,8 Mio. DM und 500.000 DM als niedrigstem Beitragssatz (Bayern und Saarland). Zu den durch die Wiedervereinigung erforderlich gewordenen Sparmaßnahmen s. dpa, Mitarbeitern kündigen, FAZ vom 31. 8. 93, S. 31. 282 Beschluß der Ministerpräsidenten vom 12. 3. 1992 (Übergangslösung unter Beteiligung aler Länder (incl. neuer Bundesländer) bis 1994, endgültige Regelung ab 1995); F.A.Z., Bayern zahlt, FAZ vom 24. 2. 1992; wortgleich in FAZ vom 26. 2. 1992. 283

Vgl. dpa, Kasse stimmt, FAZ vom 28. 2. 94, S. 33, Camilla Blechen, Überbrückung, FAZ vom 16. 2. 94, S. 30, und (ausführlich) Peter Jochen Winters, Die Schmuckstücke der Nation, FAZ vom 16. 3. 94, S. 38. Die Regelung entspricht den Vorstellungen des Bundes. Bayern hatte vorgeschlagen, nur Berlin und der Bund sollten künftig Träger der Stiftung sein (F.A.Z., Bayern zahlt, FAZ vom 24. 2. 1992; wortgleich in FAZ vom 26. 2. 1992; s. auch dpa/F.A.Z., Ohne Bayern, FAZ vom 5.2. 1992). Die Länder einigten sich für die Jahre bis 1995 auf einen Festbetrag von 60 Mio DM jährlich, den Rest (rund 76 %) soll der Bund tragen; dpa, Preußens Erbe, FAZ vom 5. 7. 1994, S. 35.- Schon 1957 schlug Köttgen, Kulturpflege, S. 107, vor, die Sammlungen nach einer Wiedereinsetzung Berlins als Hauptstadt als Bundesaufgabe der nationalen Repräsentation fortzuführen.

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

135

6. Ungeschriebene Kompetenzen des Bundes und das Prinzip der Bundestreue a) Zulässigkeit ungeschriebener Kompetenzen Ein Rückgriff auf ungeschriebene Kompetenzen begegnet grundsätzlich dem Einwand der geschriebenen Verfassung. 284 Denn Art. 79 Abs. 1 S. 1 G G ist Indiz dafür, daß die Regelungen des Grundgesetzes am Text zu erkennen sein sollten. 285 Und gerade auf dem Gebiet der ZuständigkeitsVerteilung zwischen Bund und Ländern besteht eine scheinbar abschliessende Regelung

in

Art. 30 G G , der nach seinem Wortlaut alle Kompetenzen verteilt. 2 8 6 Eine von Art. 30 G G abweichende Kompetenzverteilung kann daher nur mit der Begründung vertreten werden, der jeweilige Sachverhalt sei von den Vorstellungen des Verfassungsgebers

nicht erfaßt und die Regelung des

Art. 30 G G erstrecke sich rein zufallig und eigentlich sinnwidrig auf i h n 2 8 7 Das kann man aber nur behaupten, wenn sich die fragliche Materie dem

284 Kompetenzen kraft Sachzusammenhang und aus der Natur der Sache sind aber nach Achterberg, DÖV 66, 695, 696, stillschweigendes, durch Auslegung (Analogie, S. 697 f.) zu ermittelndes Verfassungsrecht (mit Rückgriff auf implied und resulting powers in der Verfassung der USA). Ebenso Bullinger, AöR 96, 237, 283; Maunz, Art. 30 Rn. 21; Küster, S. 307, und RojahnlAK, Art. 30 Rn. 12 f. Von einer stillschweigenden Ermächtigung des Bundes durch das Grundgesetz sprechen auch BVerfGE 22, 180 216 f. (Jugendpflege und Sozialhilfe) und BVerfGE 11,6, 17 (Dampfkessel). 285 Vgl. Hesse, Grundzüge, Rn. 697 f.- Das Erfordernis Schriftiichkeit von Verfassungsänderungen ist nur dann sinnvoll, wenn der Verfassungstext schon vorher das geltende Verfassungsrecht wiedergibt.- Unbedeutend ist demgegenüber die Funktion der Schriftiichkeit, gegenüber den Politikern die Bedeutung der Verfassungsänderung zu betonen (wäre es nur das, dann könnte die Verfassung an sich ruhig unvollständig sein, es also ungeschriebene Kompetenzen geben), da diese Funktion schon durch Art. 79 Abs. 2 GG ausgeübt wird. 286

Durch die Regelzuständigkeit der Länder nach Art. 30 GG, die formell alles deckt, was nicht vom Grundgesetz aus ihrem Anwendungsbereich ausgenommen wird, vgl. auch Köstlin, S. 39 f. Aus diesem Grund hielt der Herrenchiemseer Konvent Bundeskompetenzen kraft Sachzusammenhang für unzulässig, da mit dem Kompetenzkatalog unvereinbar. Er erkannte allerdings eine Kompetenz des Bundes aus der Natur der Sache für die Bundessymbole an; Kommentierender Teil, S. 29.- In jedem Fall werden aber auch die ungeschriebenen Verwaltungskompetenzendes Bundes durch die - ggf. ungeschriebene - Gesetzgebungskompetenzdes Bundes begrenzt, vgl. auch Küster, S. 310.- Einer weiteren Einschränkung - bspw. durch Grundsätze der Subsidiarität, die für das Verhältnis von Bund und Ländern als Kompetenzbegrenzung geprüft, aber nicht als Teil deutschen Verfassungsrechts anerkannt wurde (hierzu auch Lerche, VVDStRL 21, 66, 73 ff.) - unterliegt Art. 30 GG nicht. 287 Das Problem liegt darin, daß das Grundgesetz zwar die Kompetenzen des Bundes grds. ausdrücklich nennt, nach Art. 30 GG aber offen bleibt, was eindeutig den Ländern zustehen soll und was "mehr zufällig" unter die dort aufgestellte Regel fällt.- Jedenfalls verlangt die Grundentscheidung des Art. 30 GG eine enge Auslegung der Ausnahme; vgl. Hesse, Grundzüge, Rn. 235 f.; s. auch BVerfGE 12, 205, 228 f. (Deutschland-Fernsehen).

136

Teil 2 Kunstförderung des Bundes

Verfassungsgeber nicht aufdrängen mußte, sei es wegen ihrer generellen Bedeutung oder des Zusammenhangs mit anderen Regelungen der Verfassung 288 oder mit - streitigen - Regelungen der Weimarer Verfassung. Denn je mehr sich eine Materie nach diesen Gesichtspunkten aufdrängen mußte, um so wahrscheinlicher ist es, daß der Verfassungsgeber sich auch mit ihr beschäftigt hat und sie bewußt unter die Regelung des Art. 30 G G fallen lassen wollte, selbst wenn sich dies aus den historischen Dokumenten nicht ergibt. 2 8 9 Dies gilt vor allem für die kulturellen Einrichtungen, die schon vor 1945 bestanden und/oder deren Finanzierung unter den vorhergehenden Verfassungen oder nach Zusammenbruch des Deutschen Reiches durch Sonderregelungen aufgefallen w a r , 2 9 0 und ebenfalls für das Problem des Wiederaufbaus kriegszerstörter Objekte. 2 9 1 In allen diesen Fällen mußte sich die Frage einer zentralen Finanzierung bei der

Verfassungsgebung

aufdrängen,

weshalb eine

von

Art. 30 G G abweichende Kompetenzverteilung "aus Versehen" nicht wahrscheinlich ist.

288

Dies gilt insbesondere für die Frage der Verwaltungskompetenz in Materien, in denen der Bund eine ausdrückliche Gesetzgebungskompetenz hat. Denn hier ist davon auszugehen, daß der Verfassungsgeber sich nach der Entscheidung, eine Ausnahme von Art. 70 GG zu machen, auch gefragt hat, ob er von dem Grundsatz der Länderverwaltung eine Ausnahme machen sollte; vgl. Kölble, DÖV 63, 660, 666; ähnlich Küster, S. 313. 289

Insoweit gelten ähnliche Kriterien wie für die Normsetzung im Rahmen des § 1 Abs. 6 BauGB, (vgl. BVwG 59, 87, 103 f.). Die Protokolle und sonstigen Dokumente der Verfassungsgebung sind also nicht als abschließende Dokumentation für die Frage, was bewußt entschieden wurde, anzusehen, sondern nur für die Fragen maßgeblich, von denen nicht aus den genannten Gründen davon ausgegangen werden muß, daß der Verfassungsgeber hier entschieden hat, weil sich ihm die Materien aufdrängten. Zwar kommt der Entstehungsgeschichte und den Materialien zum Grundgesetz gerade bei der Auslegung des organisatorischen Teils nach BVerfGE 62, 1, 45 (Mißtrauensvotum) nur geringe Bedeutung zu, maßgeblich sei vielmehr, wechselnden Gestaltungsmöglichkeiten Raum zu lassen. Diese Rechtsprechung kann aber nur da Anwendung finden, wo der Verfassungstext überhaupt Raum läßt. Anders als bei der Abgrenzung der Rechte von Parlament und Kanzler ist aber die Abgrenzung zwischen Bund und Ländern im Grundgesetz ausdrücklich geregelt: Art. 30 GG geht nun einmal von der Zuständigkeit der Länder aus. 290 Bspw. waren auf Reichsebene schon aufgefallen (weil vom Reich bezuschußt): das Germanische Museum, das Römisch-Germanische Zentralmuseum (s.o. Fn. 181 f.) und das Deutsche Museum.- Zu den Sonderregelungen nach 1945 s.o. S. 111 f. 291

So das Goethehaus und -museum in Frankfurt, das Germanische Nationalmuseum, die Lübecker Marienkirche; Küster, S. 217.

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

137

b) Kompetenz aus Sachzusammenhang Eine Abweichung von der Entscheidung des Art. 30 G G ist aber für solche Materien anzuerkennen, die in einem sachlich notwendigen Zusammenhang mit einer ausdrücklichen Bundeskompetenz stehen (Kompetenz aus Sachzusammenhang). Die Kompetenz aus Sachzusammenhang setzt voraus, daß die fragliche Materie in Zusammenhang mit einer Bundeskompetenz steht, die nicht ausgenutzt werden kann, ohne die fragliche Materie mit zu regeln. 2 9 2 M i t Bundeskompetenzen aus Sachzusammenhang werden die ressortakzessorische Kunst, 2 9 3 die Kunst am Bau, 2 9 4 das wehrgeschichtliche Museum in Rastatt (Zusammenhang mit Art. 87 b GG), das Bundespostmuseum in Frankfurt (Art. 87 Abs. 1 GG) und die Unterstützung des Schiffahrtsmuseums Bremerhaven (Art. 87 Abs. 1 und 89 Abs. 2 GG) gerechtfertigt. 295 - Jedenfalls Art. 87 b (Bundeswehrverwaltung) und 87 Abs. 1 i . V . m . Art. 89 Abs. 2 G G (BundesWasserstraßen) sind so eng gefaßt, daß hier eine Erweiterung auf einen etwaigen Sachzusammenhang nicht in Betracht kommt, zumal in beiden Fällen keine besondere Sachnähe besteht. Die Förderung der Museen in Rastatt und Bremerhaven ist daher verfassungswidrig. 296

292 BVerfGE 3, 407, 421 (Baurechtsgutachten); std. Rspr. S. auch Hesse, Grundzüge, Rn. 236 m.w.N. Die Zweckmäßigkeit der Lösung ist nicht ausreichend (BVerfG 3, 407, 421); das schließt aber nicht aus, daß sie berücksichtigt wird {Hesse, Grundzüge, Rn. 75, legt die Berücksichtigung sogar nahe). BothelAK, Art. 30 Rn. 14, weist daraufhin, daß das Ergebnis der Argumentation mit dem Sachzusammenhang davon abhängt, ob man von der Bundes- oder Landeskompetenz ausgeht. Dies legt die Lösung Bullingers, AöR 96, 237, 283, nahe, nach dem überwiegenden Sachzusammenhang zu entscheiden (zustimmend Maunz/MD, Art. 30, Rn. 24). Damit wird aber die Benennung der beeinträchtigten Landeskompetenz nötig. Und hier liegt das Problem m.E. nicht in der Herausarbeitung der größeren Sachnähe, sondern in der Benennung der Landeskompetenz. Je enger man diese nämlich formuliert, um so eher wird der Sachzusammenhang zur Landeskompetenz der Nähere sein. Und für die Formulierung der Landeskompetenzen bietet Art. 30 GG keine Hüfe.- Darstellung der Rechtslehre während der Reichsverfassung von 1871 bei Abelein, S. 18 ff. Zur frühen Rechtsprechung des BVerfG s. Bullinger, DÖV 70, 797, 800. 293 Steiner, VVDStRL 42, 7, 21.- Gleiches wird auch für die Forschung behauptet, soweit sie für die Bundesverwaltung nötig ist, vgl. Köttgen, Kulturpflege, S. 102 f., für das Bundeswirtschaftsministerium. Hier hat der Bund aber immerhin eine Gesetzgebungszuständigkeit, Art. 74 Nr. 13 GG. 294 2 % der Baukosten öffentiicher Gebäude; nach Küster, S. 223, rechtfertigt sie sich mit der staatiiche Selbstdarstellung des Bundes, also als Sachzusammenhang mit einer ungeschriebenen Kompetenz aus der Natur der Sache.- Zum Erwerb zeitgenössischer Kunstwerke zur kulturellen Repräsentation des Bundes s. BHHP 1992, EP 06, S. 428. 295

Vgl. zu allen dreien Küster, S. 315, und oben S. 104 f.

296

S. auch oben S. 85 f.- Berücksichtigt werden sollte hier auch, daß Forschung im Zusam-

138

Teil 2 Kunstförderung des Bundes

Das Bundespostmuseum stand schon im Deutschen Reich unter der Verwaltung des Reichspostministeriums und war aus dessen Bedürfnissen hervorgegangen.297 Aus diesem Grund liegt eine Kompetenz aus Sachzusammenhang mit der Bundeskompetenz für die Post nahe. Dagegen spricht nicht, daß die Verfassungsgeber diesen Fall hätten kennen und als Abweichung von Art. 30 GG ausdrücklich übertragen müssen. Denn das Museum war unselbständiger Teil des Reichspostministeriums und ging als solcher unselbständig auf die Bundespost über. 298 Dagegen kann eine Bundeskompetenz für das von der Bundesbahn getragene Verkehrsmuseum in Nürnberg nicht bejaht werden. Zwar spricht die Errichtung der Deutschen Reichsbahn299 für den Übergang der ursprünglichen Landeseinrichtung300 auf das Reich, ebenso wie die Zuständigkeit des Reichs für den Straßenverkehr 301 für die Ausdehnung der Sammlungen auf den gesamten Verkehr spricht. Es fehlt aber ein behördlicher Nutzen der Sammlung, wie sie beim Bundespostministerium erkennbar ist. Die engen Kompetenzen des Bundes nach Art. 87 und 90 GG, die ein Verwaltungshandeln des Bundes weitgehend beschränken, können daher die Trägerschaft des Bundes für das Verkehrsmuseum nicht rechtfertigen. 302

c) Kompetenz aus der Natur der Sache Anerkannt als Fall ungeschriebener Bundeskompetenz ist auch die Kompetenz aus der Natur der Sache. Sie

menhang mit den Bundeswasserstraßen durch die Archive des Bundesamtes für Seeschiffahrt und Hydrographie und die Amtiiche Seekartenverwaltung der Bundesmarine (zu beidem: hfr., Selten und teuer: alte Seekarten, Segeberger Zeitung vom 7. 5. 94, S. 14) hinreichend abgedeckt sein sollte. 297

S.o. Fn. 160.

298

Übrigens war dies das einzige Reichsmuseum mit unbestrittener Reichszuständigkeit, Küster, S. 121. 299

1920; Brockhaus.

300

Vgl. Fn. 160.

301

Art. 7 Nr. 19 WRV, heute Art. 87 und 90 GG.

302

Insbesondere besteht keine allgemeine Kompetenz des Bundes für den Verkehr allgemein, sondern nur Eigentum an Straßen und - auf Länderantrag - Verwaltung der Bundesstraßen. Art. 73 Nr. 5 GG betrifft nur Eisenbahn und Luftverkehr. Nur Art. 74 Nr. 22 GG gibt dem Bund (bei Bestehen eines Bedürfnisses, Art. 72 Abs. 2 GG) eine ziemlich umfassende Gesetzgebungskompetenz.

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

139

"ist begründet nach dem "ungeschriebenen, im Wesen der Dinge begründeten, mithin einer ausdrücklichen Anerkennung durch die Reichsverfassung nicht bedürftigen Rechtssatz, wonach gewisse Sachgebiete, weil sie ihrer Natur nach eigenste, der partikularen Gesetzgebungszuständigkeit a priori entrückte Angelegenheiten des Reichs darstellen, vom Reich und n u r von ihm geregelt werden können." ... Schlußfolgerungen "aus der Natur der Sache" müssen begriffsnotwendig sein und eine bestimmte Lösung unter Ausschluß anderer Möglichkeiten sachgerechter Lösung zwingend fordern. , , 3 ° 3 Z u den "der partikularen Gesetzgebung a priori entrückten" Angelegenheiten werden zuvörderst Einrichtungen und Veranstaltungen nationalen Charakters gezählt, rücken diese doch schon "begriffsnotwendig" in die Nähe einer Bundeszuständigkeit. Denn wer wollte leugnen, daß sich Nationalfeiertag, Nationaltheater 304 und anderen "kulturelle Nationalanstalten" oder -Veranstaltungen (Bundeskunsthalle, Bundesakademie für kulturelle Bildung, Verleihung von Bundespreisen, Bundesfilmförderung 305 ), aber auch die kulturelle Selbstdarstellung der Bundeseigene, kulturelle Veranstaltungen in der Bundeshauptstadt und die gesamtdeutsche Verantwortlichkeit des Bundes 306 gerade durch ihren Bezug zum gesamten Staat von jedem anderen Feiertag, anderen Kultureinrichtungen und kulturellen Initiativen unterscheiden? Oder erschöpft sich die Nähe zum Bund in ihrer Bezeichnung? 307 Z u m Thema der nationalen Repräsentation 308 - und diese ist der Grund für den nationalen Charakter all dieser Einrichtungen und Veranstaltungen -

hat

das BVerfG ausgeführt:

303

BVerfGE 11, 89, 98 f. (Bremer Urlaubsgesetz); 12, 205, 251 (Deutschland-Fernsehen).

304

Röttgen, Kulturpflege, S. 106 und 120.

305

Nach Küster, S. 315, wird diese vom Bund als gesamtstaadiche Repräsentation gerechtfertigt.

306

Zu allem: Steiner, VVDStRL 42, 7, 21.

307

Auf die gefährliche Nähe der Bundeskompetenz aus der Natur der Sache zur Begriffsjurisprudenz wies schon Bullinger, AöR 96, 237, 269 hin; allerdings mehr mit Blick auf Folgerungen aus der "Natur des Bundesstaats" als aus der Natur der Sache. 308

Nach Köttgen, Kulturpflege, S. 106, besteht hierfür unstreitig eine Bundeszuständigkeit; ebenso auch Häberle, Kulturstaat, S. 36 f; auch Hieronymus, WissR 8, 203, 211. Hieronymus, WissR 8, 203, 212, leitet aus der Präambel des GG ab, daß der "Bund ... weiterhin Verantwortung für die Pflege deutscher Geistesgeschichte und die Darstellung des deutschen kulturellen Erbes in seiner Gesamtheit. " trägt, was allerdings seines Erachtens nicht zu einer ausschließlichen Bundeskompetenz führt, S. 213; wohl aber sei aus der Natur der Sache abzuleiten eine originäre "Kompetenz des Bundes für die Wahrung des kulturellen Ranges der Nation und die Darstellung des deutschen kulturellen Erbes in seiner Gesamtheit", S. 214. Die Bundeszuständigkeiten seien allerdings soweit, wie nur im Sinne gesamtstaatiicher Repräsentation möglich, begrenzt, S. 214 f. Gegen eine Bundeskompetenz zur nationalen Repräsentation BVerfGE 12, 205, 252.

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Teil 2 Kunstförderung des Bundes

"Aus der Notwendigkeit nationaler Repräsentation nach innen, d.h. der Selbstdarstellung der Nation vor der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland, kann eine natürliche Bundeskompetenz zur Veranstaltung von Rundfunksendungen ebenso wenig abgeleitet werden wie aus dem Gebot, die "kontinuitätsbewahrende Tradition" zu pflegen. Sicherlich ist es notwendig, diese Dinge von Staats wegen zu fördern. ... Für die Förderung dieser Aufgaben durch Rundfunksendungen gilt die Abgrenzung des Zuständigkeiten von Bund und Ländern durch das Grundgesetz. ... Aus der Natur der Aufgabe "nationale Repräsentation nach innen" folgt nicht begriffsnotwendig, daß ihre Förderung durch Rundfunksendungendes Bundes zwingend geboten ist „309

Das BVerfG unterscheidet also zwischen der - in jedem Staat notwendigen nationalen Repräsentation und den dafür eingesetzten Mitteln. Der Mitteleinsatz wird an der Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern gemessen. D a der Bund für Rundfunksendungen (zumindest inhaltlich) nicht zuständig ist, darf er sich ihrer auch nicht zu repräsentativen Zwecken bedienen. Damit folgt aus der Unzuständigkeit des Bundes für Museen, Theater pp. auch die Unzulässigkeit kultureller Selbstdarstellung des Bundes mit diesen Mitteln. Auch hier sind die Länder zuständig. 310 Nationalfeiertag, Museen und Preise sind Sache der Länder.

Nationaltheater,

311

309

BVerfGE 12, 205, 252 f. (Deutschland-Fernsehen; "das gilt umso mehr, als der Einflußnahme des Bundes auf den Inhalt der Sendungen, ohne den ihr "nationalrepräsentativer" ... Charakter schwerlich erreicht werden könnte, durch Art. 5 GG enge Grenzen gezogen wären. ").Nach Steiner, § 86, Rn. 18, ist die künstlerische Darstellung der Bundesrepublik durch Länderveranstaltungen sachgerechter Ausdruck des dezentralen Aufbaus der Bundesrepublik. Ebenso Eiselstein, NVwZ 89, 323, 326. S. auch o. Fn. 246. 310 Hintergrund ist das zweigliedrige Bundesstaatverständnis, BVerfGE 13, 54, 77 f. (Neugliederung).- Die Ansicht Küsters, S. 328 und 332, nach der die Bundesorgane Kompetenzen des Gesamts\aa.ts als dessen Organe wahrnähmen, ist abzulehnen. Denn nach dem GG gibt es keine solchen Aufgaben, sondern nur Aufgaben des Bundes und Aufgaben der Länder. 311 Für den Nationalfeiertag (Tag der Deutschen Einheit) ist dies auch durchgeführt: Gemäß Absprache zwischen Bundesrat und Bundesregierung wird er ohne zentralen Staatsakt durch die Länder gefeiert, und zwar je von dem Land, das im Bundesrat den Vorsitz führt; der Bund trägt aber mit an den Kosten (von 1,2 Mio DM 0,5, ebenfalls 0,5 Hamburg als "diesjähriger" Ausrichter); ban., Den Tag der Einheit feiern die Länder, FAZ vom 13. 9. 1991.- Differenziert werden muß bei der Frage der Nationalonfe/i: soweit sie für künstlerische Qualitäten verliehen werden, ist der Bund hier unzuständig. Kritisch insoweit die Bezuschussung des "Pour le Mérite" durch den Bund, s.o. S. 71 (zur Geschichte des Ordens: Horst Mühleisen, Ein anderes Preußen, mit Adler, Rhein. Merkur vom 29. 5. 1992, S. 7).- Auch die historische Entwicklung zeigt, daß "Nationalmuseen " und anderen "Nationalanstalten " nicht unbedingt vom Staat getragen werden müssen, s.o. Einleitung, S. 6 f.; Köstlin, DVB1 86, 219, 222 zieht daraus den Schluß, daß staadicherseits nicht unbedingt eine Trägerschaft des Bundes nötig ist; so m.E. nicht zwingend, da die historisch dezentrale Trägerschaft auf Zentralisierung angelegt war.

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes Unzulässig sind daher Bundeskunsthalle, Bildung und die zahlreichen Bundespreise.

312

Bundesakademie fir

141 kulturelle

Soweit hier keine Erstreckung

auf das gesamte Bundesgebiet durch ein Zusammenwirken der Länder erfolgt, müßte man in der zersplitterten Lage eine Repräsentation der Bundesrepublik als föderalem Staat sehen. - Unzulässig ist auch das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,

dessen Bau den Bund allein 1992 35 M i o D M

kostete; hinzu kamen jährliche Leistungen für die Einrichtung in Höhe von 10.342.000 D M 1992. 3 1 3 Denn auch die Darstellung der Geschichte der Bundesrepublik 314 ist nicht Aufgabe des Bundes. 315 auch unzulässig das Deutsche Historische Museum 316

Aus diesem Grund sind und die Versuche des

Bundes, ein Stück der Berliner Mauer als Museum oder Gedenkstätte zu erhalten. 3 1 7

312 Zur Bundesfilmförderung s.o. S. 73 ff. Ausdrücklich abgelehnt wird die Zulässigkeit der Filmförderung aus Gründen der gesamtstaadichen Repräsentation auch bei Berghoff\ S. 57 f. Ebenso unzulässig ist die Unterstützung der nationalen Forschungs- und Gedenkstätte der klassischen deutschen Literatur in Weimar (vgl. BHHP 1992, EP 06, S. 423). 313 BHHP 1992, Kap. 25, S. 51, und EP 06, S. 421. Darstellung der Vorgeschichte des Hauses bei Küster, S. 289 ff.- Das Museum soll am 14. 6. 1994 eröffnet werden; dpa, Haus der Geschichte, FAZ vom 15. 4. 94, S. 33. 314

§ 2 des Stiftungsgesetzes, BGBl. 1990 I S. 294 ff.

315

Kritisch auch Steiner, § 86, Rn. 19, Fn. 85, und Köstlin, DVB1 86, 219, 225. Köstlin stellt aber die Darstellung des Bundes in der Bundeshauptstadt dem Presse- und Informationsamt der Bundesregierung gleich und hält das Haus der Geschichte insoweit für zulässig, Kulturhoheit, S. 94. 316 Träger ist die Deutsche Historische Museum GmbH, Gesellschafter sind der Bund und Berlin. Darstellung der Vorgeschichte bei Küster, S. 291 ff. Der besondere Clou an diesem Museum ist seine Konkurrenzstellung zu dem - ebenfalls vom Bund bezuschußten - Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg, die im September/Oktober 1993 zu heftigen Diskussionen um eine evt. Zusammenlegung führte; vgl. E.B., Das Germanische, FAZ vom 22. 9. 93, S. 35; Dr. Jörn Bahns, Zum Ausschlachten freigegebene Sammlung, und Dr. Oscar Schneider, Niemand plant Museumsfusion, beides: FAZ vom 29. 9. 93, S. 9; Thomas Kliemann, Museumsfusionsgespenst, FAZ vom 29. 10. 93, S. 35. Ebenfalls unzulässig ist die Unterstützung des Alliierten-Museums, das im September 1994 eine Ausstellung in Berlin eröffnen soll (konzeptionelle Oberhoheit: Deutsches Historisches Museum, Förderung vom Bund 1994: 650.000 DM; J.H., Lebensgemeinschaft, FAZ vom 16. 12. 93, S. 33). Nach dem oben S. 104 zur Außenpolitik Gesagten kann der Bund keine eigenen Ausstellungen dieser Art im Inland abhalten; er dürfte höchstens den Alliierten bei der Selbstdarstellung organisatorische Hilfe leisten. Die Konzeption des Alliierten-Museums (hierzu: Ws., Zur Erinnerung an die Alliierten, 24. 8. 1994, S. 5, und ders., Erste Ausstellung des Alliiertenmuseums, FAZ vom 5. 9. 1994, S. 7, und Jacqueline Hénard, Stadt des Lächelns, FAZ vom 8. 9. 1994, S. 37) geht als historisches Museum in Trägerschaft von Bund, Berlin und Deutsches Historisches Museum aber weit darüber hinaus. 317

Der Plan eines Museum wurde allerdings inzwischen aufgegeben, vgl. Thomas Rietzschel,

142

Teil 2 Kunstfördeng des Bundes

Der Bund ist nur zuständig für die Bundessymbole 318 und die Darstellung der Bundesorgane 319 sowie für Maßnahmen in der der Bundeshauptstadt320 als Sitz der Bundesorgane und der Bundesregierung. 321 Allerdings ist zu berücksichtigen, daß der Bund bewußt keine Kulturmetropole als Hauptstadt wählte; aus Bonn nachträglich eine zu machen, erscheint daher als venire contra factum proprium. 3 2 2 Der gesamtstaatliche Rang einer kulturellen Veranstaltung oder eines Kunstwerks führt dagegen nicht zu einer Bundeszuständigkeit aus der Natur der Sache. 323 Unzulässig ist daher die mit dieser Begründung geleistete Unterstützung der Bamberger Symphoniker, des RSO und der Philharmonia Hungari-

Aufgegeben, FAZ vom 15. 4. 94, S. 33. Dafür schrieb der Bund, vertreten durch die Deutsches Historisches Museum GmbH, schon in der FAZ vom 25. 4. 94, S. 36, einen Ideenwettbewerb zur architektonisch-künsderischenGestaltung der Gedenkstätte Berliner Mauer (für die im BHHP 1994, EP 06, S. 389, ein einmaliger Zuschuß von 500.000 DM ausgewiesen ist) aus. 318

Anerkannt schon im Herrenchiemseer Konvent, s.o. Fn. 286.

319

Hier geht es nicht um Kunstförderung, sondern um Selbstdarstellung, wodurch der Einsatz von Kunst begrenzt wird (ebenso Kunst an Bundesbauten). Unzulässig wäre bspw., wenn sich Behörden - insbes. des Bundes - als Kunstförderer darstellen, weil ihnen gerade diese Kompetenz fehlt, es sich also um falsche Darstellung handelte. S. auch Bullinger, DÖV 70, 797, 800 f.- Bund und Länder haben versucht, durch eine Vereinbarung die Repräsentationszuständigkeit des Bundes offiziell festzulegen, was aber scheiterte; vgl. Schmidt-Bleibtreu-Klein, Art. 30 Rn. 8. 320

Der 1990 verlängerte Bonn-Vertrag, der nach der Hauptstadtvereinbarung bestätigt wurde, verpflichtet den Bund zur jährlichen Zahlung von 92 Mio. DM an die Stadt Bonn (Steigerung von 3 % jährlich), wovon 2/3 zur Absicherung von Kultureinrichtungen bestimmt sind; aro., Mehr Geld für Kultur, FAZ vom 18. 3. 1992. Der Vertrag läuft bis 1999, nach ihm erhält die Bonner Kultur 1,3 Milliarden aus der Bundeskasse; Andreas Rossmann, Ausgleich, FAZ 3. 12. 1991. Insgesamt trägt der Bund bis zu 70 % des Zuschußbedarfs der Stadt für das Theater- und Konzertwesen und einen Festbeitrag für Ausstellungen, Großveranstaltungen und die Erhaltung eines repräsentativen Stadtbildes; Küster, S. 232; hinzu kommt, daß der Bund für das städtische Kunstmuseum in Bonn, das 100 Mio DM kosten soll, einen Großteil der Bau- und Unterhaltungskosten zahlt, Eduard Beaucamp, Gebremster Höhenflug am Rhein, FAZ vom 19. 6. 1992, S. 33.- Zuwendungen an die "latente Hauptstadt" Berlin für repräsentative kulturelle Einrichtungen: BHHP 1991, EP 06, S. 419; Überblick über die Berlin-Hilfe bei Götz, S. 196 ff.; Berlinhilfe-Gesetz: BGBl. 1964 I S. 675 ff. Kritisch zur Schenkung des "Deutschen Historischen Museums" durch den Bund an Berlin zur 750-Jahrfeier und zur Beteiligung an der Träger-GmbH auch Köstlin, DVB186, 219 ff., 223 ff. (Schenkung an Berlin, obwohl keine Kompetenz zur Errichtung des Museums) und Steiner, § 86, Rn. 19 Fn. 85.- Zur Bonn- und Berlinförderung nach der Wiedervereinigung s.u. Fn. 362 und 363. 321 Nach Eiselstein, NVwZ 89, 323, 326, muß sich die innere Vielfalt Deutschlands als Bundesstaat auch in den national-repräsentativen Bauten widerspiegeln. 322

Restriktiv auch Steiner, § 86, Rn. 19.

323

Vgl. Steiner, VVDStRL 42, 7, 22.

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

143

ca. 3 2 4 Eine Kompetenz des Bundes aus der Natur der Sache wäre hier nur mit deren Überregionalität

rechtfertigen, 325 worauf der Bund seine Zahlungen

für die Dürer-Ausstellung in Nürnberg 1971, die Staufer-Ausstellung in Stuttgart 1977, den Zuschuß zum Kauf des Evangeliars Heinrichs des Löwen ganz und die Förderung der Festspiele Bayreuth, Bad Hersfeld, der Bachwoche Ansbach und der Ruhrfestspiele Recklinghausen sowie der Westdeutschen Kurzfilmtage in Oberhausen, die Internationale Filmwoche in Mannheim und die Internationalen Filmfestspiele in Berlin zum Teil stützt. 326 Eine Zuständigkeit des Bundes für überregionalen Aufgaben widerspricht aber Art. 72 Abs. 2 und Art. 91 b GG. Nach beiden Vorschriften reicht die Überregionalität einer Maßnahme oder Einrichtung - trotz grundsätzlicher sachlicher Zuständigkeit des Bundes - als solche gerade nicht aus, um eine Zuständigkeit des Bundes zu begründen. Dann kann sie auch nicht für die Begründung ungeschriebener Kompetenzen reichen. 327 Z u m gleichen Ergebnis kommt das Bundesverfassungsgericht, wenn es feststellt "Argumente aus der Natur der Sache versagen aber, wenn sich, wie hier, auch eine andere Lösung mit beachtiichen Gründen rechtfertigen läßt"328 und als Alternative die Möglichkeit einer durchführbaren einheitlichen Regelung durch die Länder akzeptiert, 329 der gegenüber die größere

324

Zweck-

Ebenso Köstlin, S. 103 f.

325

Nach Küster, S. 225, macht der Bund auch geltend, regionale Vereinigungen entsprächen der Länderstruktur, die überregionale aber der des Bundes, der darum fördern dürfe. 326 "Bedeutende kunst- und kulturgeschichtiiche Ausstellungen, die nicht nur regionalen Bezug haben"; vgl. Küster, S. 219 f., 224 und 228. S. auch oben bei Art. 91 b GG, S. 108 f., und für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz S. 129 ff. Die eindeutige Überregionalität der Aufgabe war auch entscheidend in BVerfGE 22, 180, 217 (Jugendwohlfahrtund Sozialhilfe). 327 Ebenso Maunz, Kulturhoheit, S. 88, wegen des außerverfassungsrechdicher Charakters des Begriffs "Überregionalität" und dem Hinweis darauf, daß auch bei Einrichtungen, deren Bedeutung über das Bundesgebiet hinausgeht, nicht die Zuständigkeit internationaler Zusammenschlüsse angenommen wird. Gegen eine rechtfertigende Wirkung der Überregionaltität allein auch Röttgen, Kulturpflege, S. 105; Schulze-Fielitz, NJW 91, 2456, 2457; Bullinger, DÖV 70, 797, 801. Schon Lerche, VVDStRL 21, 66, 89 f., weist darauf hin, daß die Berufung auf ein Gesamtinteresse kein Ausdruck der Bundestreue sei, da allein die Entscheidungen der Verfassung für die Kompetenzverteilung maßgeblich seien. 328 329

BVerfGE 11, 89, 99.

BVerfGE 26, 246, 257 (Ingenieurgesetz): "Eine einheitiiche Regelung durch inhaltiiche überstimmende Ländergesetze ist durchaus denkbar und praktikabel." Umgekehrt "ist die Tatsache der gemeinsamen oder koordinierten Erfüllung einer Aufgabe durch die Länder... kein Grund, der eine natürliche Bundeszuständigkeit rechtfertigen könnte. Es ist ein für den Bundesstaat entscheidender Unterschied, ob sich die Länder einigen, oder ob der Bund eine Angelegenheit auch

144

Teil 2 Kunstförderung des Bundes

mäßigkeit einer Bundeslösung nicht ins Gewicht fallt. 330 - Im Bereich der Kultur gibt es keine Bundeskompetenzen aus der Natur der Sache.331

d) Das Prinzip der Bundestreue332 Das Prinzip der Bundestreue wird aus dem Wesen eines Bundesstaates hergeleitet.333 Es bedeutet für Bund und Länder eine Rechtsschranke für die Ausübung der ihnen verfassungsrechtlich zustehenden Befugnisse, wenn die Auswirkungen der Maßnahme mit Kompetenzen des anderen Teils in Konflikt kommen;334 dagegen kann es keine Kompetenzverstöße rechtfertigen. - Zur

gegen den Willen der Länder oder einzelner Länder gesetzgeberisch regeln und verwalten kann."; BVerfGE 12, 205, 252 (Deutschland-Fernsehen). Ebenso Schulze-Fielitz, NJW 91, 2456, 2457. 330 Vgl. BVerfGE 22, 180, 216 f. (Jugendpflege und Sozialhilfe); 11, 6, 18 (Dampfkessel); 41, 291, 312 (Bundesförderung strukturschwacher Gebiete); Bullinger, DÖV 70, 797, 801.- Da eine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit der Länder impliziert, daß diese die Aufgaben auch erfüllen können, sind Bundeskompetenzen kraft "Natur der Sache" stets ausschließliche Kompetenzen; Wipfelder, DVB1 82, 477, 483; ebenso Schulze-Fielitz, NJW 91, 2456, 2459 für alle ungeschriebenen Kompetenzen. Mitfinanzierungen des Bundes können also nicht auf die "Natur der Sache" gestützt werden; Schulze-Fielitz, NJW 91, 2456, 2459. 331

Vgl. Hufen, BayVBl 85, 1, 6 f: "Für die "Sache Kultur" jedenfalls spricht kraft der ihr durchaus eigenen Natur, ihrer immanenten Gesetzlichkeit und evidenten Differenzierungsbedürftigkeit zunächst nichts für die Zentralisierung, aber alles für die föderalistische Vielfalt." Hufen, a.a.O., S. 3, kritisiert auch, daß sich der Bund mit der Begründung des besonderen nationalen Ranges der von ihm geförderten Einrichtungen stets die Rosinen aus dem Kulturkuchen herausholt. 332

Sehr zurückhaltend mit Folgerungen aus dem Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens Hesse, Grundzüge, Rn. 269 f.- S. auch allg. Bauer, S. 333 ff. 333 BVerfGE 8, 122, 140 (hess. Volksbefragung zu Atomwaffen): "Der für Bund und Länder gleicherweise geltende Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens hat die Funktion, die aufeinander angewiesenen "Teile" des Bundesstaates, Bund und Länder, stärker unter der gemeinsamen Verfassungsrechtsordnung aneinander zu binden ..."- Nach Bauer, S. 254, bundesstaatliche Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben. 334 BVerfGE 4, 115, 140 (Besoldungsgesetz Nordrhein-Westfalen). Er begründet dabei auch gewisse akzessorische Pflichten, so für die Handlungen des Bundes in der EG {Isensee, § 98, Rn. 293) und allgemein für das procedere und den Stil der Verhandlungen, BVerfGE 12, 205, 255 (Deutschland-Fernsehen), und zwar insbes. in anfälligen Bereichen wie der Finanzkompetenz und der Außenpolitik; BVerfGE 4, 115, 140 (Besoldungsgesetz Nordrhein-Westfalen) und BVerfGE 6, 309, 361 f. (Niedersachsen und das Reichskonkordat; in der Entscheidung blieb offen, wie weit allgemein die Pflicht der Länder dem Bund gegenüber reicht, die die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtiich bindenden Verträge zu beachten, S. 353). Verstöße sind möglich durch Tun und Unterlassen; "Treulosigkeit" oder der Böswilligkeit sind nicht Voraussetzung, aber die mißbräuchliche Ausnutzung einer Kompetenz; BVerfGE 8, 122, 131 und 140 (hess. Volksbefragung zu Atomwaffen) und BVerfGE 14, 197, 215 (Bundesaufsichtsamtfür Kreditwesen). Unerheblich dabei ein Verstoß der anderen Seite (BVerfGE 8, 122, 140 (hess. Volksbefragung zu Atomwaffen).-

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

145

Frage einer Kunstförderungskompetenz des Bundes ergibt sich aus der Pflicht der Länder zur Bundestreue nichts.

e) Gewohnheitsrecht und Tradition Schließlich werden als Kriterien für Bundeszuständigkeiten "Verfassungstradition" und "Staatspraxis"

angeführt. 335

Beide Begründungen bedürfen

einer näheren Untersuchung. Dabei zeigt sich, daß es sich bei dem Argument der "Verfassungtradition" um einen topos handelt, der eigentlich Teil der herkömmlichen

historischen

Auslegung bestehender Kompetenzen und also nichts Neues ist. Das Bundesverfassungsgericht hat sich schon früh der Einstellung des Herrenchiemseer Entwurf angeschlossen, der auf das Weimarer Verständnis von Verfassungsnormen verweist. Es hat damit den Merkmalen des "Herkömmlichen" und "Traditionellen" als Auslegungskriterien eine indizierende Bedeutung zugewiesen, soweit es um das herkömmliche juristische Verständnis ging. 3 3 6 Daß die

Lassen sich allerdings eindeutige Kompetenzen ermitteln, werden diese nicht durch die Pflicht zur Bundestreue beschränkt. 333

Vgl. BVerfGE 65, 1, 39 (Volkszählungsgesetz: Bedeutung der Staatspraxis fir die Ermittlung des Umfangs einer Kompetenznorm); BVerfGE 41, 205, 220 (Gebäudeversicherungsmonopole:wo Wortlaut und systematische Auslegung keine ausreichende Bestimmung des Begriffs ermöglichen, "ist für die Ermittiung des Umfangs der geregelten Materie der Grundsatz des Art. 30 GG und der historische Zusammenhang in der deutschen Gesetzgebung zu beachten; dem Merkmal des "Traditionellen " und "Herkömmlichen " kommt dabei wesentliche Bedeutung zu. Entstehungsg und Staatspraxis gewinnen deshalbfir die Auslegung von Zuständigkeitsvorschriften besonderes Gewicht" m.w.N.). S. auch Fn. 339 und Köstlin, S. 41 m.w.N. Auch die Literatur benutzt beide Gesichtspunkte zur Rechtfertigung von Handlungen des Bundes, wenn sich anders eine Zuständigkeit nicht herleiten läßt, so bspw. Röttgen, Kulturpflege, S. 107, für die Monumenta Germaniae Historica (mit Hinweis auf das diskontinuierliche Verfassungsrecht). Den Äußerungen des Freiherrn von Stein und des Deutschen Bundes kann aber für die Auslegung des GG nur bedingt Bedeutung beigemessen werden. 336

So prüft das Gericht die Beratungen des Grundgesetzes (BVerfGE 41, 205, 221) und stellt fest, daß die Praxis nicht abweiche (S. 222); ebenso in der Facharztentscheidung (BVerfGE 33, 125, 153); es geht also um das herkömmliche juristische Verständnis (BVerfGE 5, 25, 29 (Apothekenstoppgesetz); 7, 29, 44 (bayerisches Pressegesetz); 11, 192, 199(hess. Ortsgerichtsgesetz); 11, 234, 237 (GjS); auch schon BVerfGE 3, 407, 414 f. (Baurechtsgutachten) und Herrenchiemseer Konvent), die herkömmliche Praxis hat nur unterstützende Funktion. Diese Einschränkung ist in den späteren Urteilen etwas aus dem Blickfeld verschwunden (BVerfGE 28, 21, 32 (Amtstracht eines Rechtsanwalts); 33, 125, 152 (Facharzt); 41, 205, 220 (badisches Gebäudeversicherungsgesetz)), aber durch die Entscheidung vom 19. 10. 1982 zum Staatshaftungsgesetz 10 Geißler

146

Teil 2 Kunstförderung des Bundes

- rein tatsächliche - Staatspraxis

Ausnahmen von geschriebenem Verfassungs-

recht begründet, kann von juristischer Seite nicht ernsthaft behauptet werden. 3 3 7 Zwar spricht das Bundesverfassungsgericht in seiner neueren Rechtsprechung auch die Möglichkeit einer Bestandsgarantie

a n . 3 3 8 Eine Bestands-

garantie kann aber nach allgemeinen Regeln nur geltend gemacht werden, wenn der Bestand zu irgendeiner Zeit rechtmäßig w a r . 3 3 9 Außerdem darf die Änderung der kompetenzrechtlichen Lage nicht ausdrücklich erfolgt sein. 3 4 0 Selbst bei stillschweigenden Verfassungsänderungen stößt man auf systematische Probleme, die im Institut des Bestandsschutzes angelegt sind. Denn der Bestandsschutz kommt rechtlich aus den Bereichen der Über- und Unterordnung und ist ein Mittel, mit dem sich der Untergeordnete gegen eine ihm nachteilige Rechtsänderung wehren kann. 3 4 1 Dagegen ist das entsprechende Rechtsinstitut zwischen Gleichrangigen 342

das des Gewohnheitsrechts

des

Handelnden bzw. der Verwirkung durch den, dem die Handlung oder das Recht eigentlich zusteht. 343 Eine Kompetenzverschiebung aus Gewohnheitsrecht wird aber vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt. 344

teilweise wieder aufgegriffen worden (BVerfG 61, 149, 175 f., 185).- Irreführend insofern die Nachweise bei Köstlin, Kulturhoheit, S. 41 Fn. 78. 337

Immerhin waren Ansätze des Bundes für kulturelle Ausgaben schon in den Haushalt von 1950 (1. HHP ), EP VI, Kap. 2 Tit. 23 ff., eingestellt. Auch BVerfGE 32, 145, 155 (Finanzverwaltung) zieht die langjährige Übung nur als unterstützendes Argument "hinzu". 338

BVerfGE 61, 149, 175 f. (Staatshaftungsrecht): Die herkömmliche Staatspraxis zeigt an, ob der Gesetzgeber eine Kompetenz genutzt hat und "wieweit sich dadurch unter dem übergeordneten Gesichtspunkt der Kontinuität der Kompetenzordnung eine Bestandsgarantie herausgebildet hat. " 339 Rechtswidrige Bestände sind nicht schützenswert; vgl. die Rspr. im Baurecht, BVwG NJW 1971, 1624, 1625. 340

Denn gegen eine beabsichtigte Verfassungsänderung besteht kein Bestandsschutz des Kompetenzträgers, andernfalls wären Verfassungsänderungen sinnlos. 341

So im Bau- und Enteignungsrecht gegen belastende Eingriffe des Staates, s. auch Fn. 339.

342

Und um ein solches Verhältnis handelt es sich zwischen Bund und Ländern, s.o. S. 97 ff.

343

Zur Verwirkung sogleich unten S. 161 ff.

344

"Das Entstehen von Gewohnheitsrecht aufgrund längerer tatsächlicher Übung, die eine dauernde und ständige, gleichmäßige und allgemeine ist und von den Beteiligten als verbindliche Rechtsnorm anerkannt wird ..., hat nicht zur Folge, daß sich die Kompetenzordnung des Grundgesetzes für das gesetzte Recht verwandelte und Regelungsbereiche in die Gesetzgebung des Bundes hinüberwanderten, die ihm vorher verschlossen waren. Gewohnheitsrecht ist vielmehr dem Kompetenzbereich zuzuordnen, den es durch seine Übung aktualisiert. Wächst es auf einem Felde, das dem Gesetzgebungsrecht der Länder unterliegt, so verbleibt es auch dort ..." BVerfGE 61, 149, 302 f. (Staatshaftungsgesetz).-Auch schon BVerfGE 12, 205, 252 (Deutschland-Fernsehen):

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

147

7. Art. 35 EV und die Folgen der Wiedervereinigung

a) Wirtschaftliche Folgen Die Folgen der Wiedervereinigung sind - auch auf kulturellem Gebiet - nicht auf die neuen Bundesländer beschränkt.345 Zu den Betroffenen gehören auch die Länder und Gemeinden in den alten Bundesländern, die nicht nur selber an die neuen Bundesländer zahlen,346 sondern auch Einkünfte verlieren, weil Bundesgelder wie die alte Zonenrandförderung wegfallen 347 und Strukturhil-

"Die Tatsache der ... Erfüllung einer Aufgabe ... ist ... kein Grund, der eine ... Bundeszuständigkeit rechtfertigen könnte." 345

Einige Zahlen zum "Preis der Wiedervereinigung": Der Fonds Deutsche Einheit (Rechtsgrundlage Art. 31 des G zum Staatsvertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, BGBl. 1990 II S. 518) brachte 1990: 22, 1991: 35, 1992: 28 (in Mrd. DM; künftig: 1993: 20, 1994: 10) auf; dabei verzichtet der Bund auf die Rückzahlung seines Anteils von 15%; ausführlich hierzu Henneke, Rn. 870 ff. Weitere Aufstockungendes Fonds sind geplant. Die neuen Länder erhielten aus dem Bundeshaushalt 1991 81 Mrd. DM und über den Länderftnanzausgleich 5 Mrd DM. Es gibt ein zinsgünstiges Kreditprogramm für kommunale Investitionen (1991-9 15 Mrd. DM zur Erschließung von Gewerbeflächen, kommunale Umweltschutzmaßnahmen, Verkehr, Dorf- und Stadtsanierung; Zinsverbilligung für 10 Jahre auf 3 % des Kapitalmarktzinses) und das Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost (1991 und 1992: je rund 200 Millionen DM für Städtebauförderung und Denkmalschutz; Jahresbilanz 1991: 12,2 Mrd. DM, davon 5,34 Mrd. an Kommunen, 1992: 12 Mrd. DM, hai., 5,3 Milliarden Mark an die ostdeutschen Kommunen, FAZ vom 27. 2. 1992, S. 1).- Vgl. zu allem: mwh., Übersicht über wirtschafüiche Hilfen in den neuen Ländern, FAZ vom 2. 5. 1991. 346 Für öffendiche Investitionen 2,3 Mrd jährlich, 1994 bis 3 Mrd; mwh., Übersicht über wirtschafdiche Hilfen in den neuen Ländern, FAZ vom 2. 5. 1991.- Die alten Länder sind allerdings die vor der Wiedervereinigung aufgebrachten Teilungslasten los (von 1990: insges. 32 Mrd. DM, Länderanteil 6 Mrd. DM; fy., Kolbe bestreitet hohen Finanztransfer der alten in die neuen Länder, FAZ vom 3.8. 1992).- Zur Hilfe der Länder: Baden-Württemberg leistet sogar mehr Hilfe für Sachsen, als nach Fonds Deutsche Einheit und Umsatzsteuerverteilung nötig (210 Mio mehr; bhr., Stuttgart erhöht Hilfe für Sachsen, FAZ vom 28. 5. 1991); s. auch gemeinsame Literaturtage Baden-Württemberg/Sachsen mit der Verleihung des ersten Meißener Literaturpreises (Thomas Rietzschel, Ein Preis zum Schluß, FAZ v. 23. 9. 1991).- Zur Hilfe der Städte: Potsdam erhielt von der Stadt Bonn 1.000.000 DM für die Renovierung des Nicolaisaals (mön., Geschenkideen, FAZ vom 21. 9. 1991). Schon vor der Wende gab es 56 deutsch-deutsche Städtepartnerschaften (entstanden seit 1986), inzwischen haben fast alle ostdeutschen Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern einen westdeutschen Partner (Monika Toman, Eine "diplomatische Unverbindlichkeit" wird zur Stütze der Kommunalverwaltung, FAZ vom 3. 9. 1991). 347

Hiervon sind bspw. die Schloßfestspiele in Eutin betroffen. 1993 fallen dort die 135.000 DM Zonenrandförderung weg (Gesamthaushalt: 1,7 Mio DM), wofür man als Ersatz bisher nur 50.000 DM Sponsorengelder gesammelt hat (kr, Was plant Eutin fürs nächste Jahr, Die Welt vom 5. 8. 1992, S. 25). Ebenso das Hersfelder Festival (Etat 1 Mio, 20 Konzerte und 17 Opemauffuhrungen); Ellen Kohlhaas, Himmel, Zirkus, Friedhof, Unterwelt; FAZ vom 20. 8. 1991.

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Teil 2 Kunstfördeng des Bundes

femittel des Bundes umgelenkt werden, 3 4 8 sich die Bemessungsgrundlage für die ihnen zustehenden Steuern durch Investitionen der Steuerpflichtigen im Osten senkt 349 oder weil Einrichtungen in die neuen Länder ziehen. 3 5 0 In den neuen Bundesländern werden kulturelle Einrichtungen mangels Geld geschlossen. 351 Kleinere Kulturträger wie Buchhandel und Kinos werden privatisiert. 352 Hinzu kommen Maßnahmen, die die Länder durch rechtliches Ungeschick weiter belasten. 353 - Allerdings gibt es auch Versuche, die finanzielle Lage durch eigene Maßnahmen zu bessern. 354 Auch Private 355 und

348 Denn die neuen Bundesländer sind bedürftiger; K.B., Strukturhilfe für die neuen Länder, FAZ vom 2. 9. 1991.- S. auch BGBl. 1992 I S. 674 und 1547. 349 Renate Schostack, Randlage, FAZ vom 11. 12. 1991: München beispielsweise verliert an Gewerbesteuern dadurch 100 Mio DM. Allerdings machen die Betribe z.T. auch erhöhten Umsatz, der zu einigungsbedingten Steuermehreinnahmen führt (20 Mill. DM; Jy., Kolbe bestreitet hohen Finanztransfer der alten in die neuen Länder, FAZ vom 3. 8. 1992. 350

Im Gespräch war zumindest der Umzug der Max-Planck-Gesellschaft von München nach Berlin, Renate Schostack, Randlage, FAZ vom 11. 12. 1991. Das Goethe-Institut wird doch nicht nach Weimar verlegt, sondern bleibt in München; Weimar wird aber Sitz eines Inlandsinstituts mit 200 Mitarbeitern; ack., Nicht nach Weimar, FAZ vom 13. 4. 1992. 351

So die künsderischen Ausbildungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern (Lt., Sparkurs im Nordosten, FAZ vom 31. 7. 1992), der DDR-Staatszirkus {Reuter, Gnadenfrist für ehemaligen DDR-Staatszirkus, FAZ vom 29. 10. 1992, S. 12), das Seebach-Stift (1895 von Marie Seebach in Weimar als Alterssitz für Künstier gestiftet, in der NS-Zeit vergrößert, in der DDR staatiich unterhalten, nun wegen unklarer Finanzierung an das städtische Krankenhaus angegliedert; Reinhard Tschapke, Wenn Vorzeigekultur in Verwaltungshände gerät, Die Welt vom 15.8. 1992). S. auch Wolfgang Klausewitz, Die Not greift um sich, FAZ vom 26. 5. 1993, S. 35. 352

So hat die Treuhandanstalt bis Ende Juni 1991 475 Buchhandlungen und 318 Kinos verkauft; vgl. hai. , Die Treuhandanstalt hat Schwierigkeiten mit der Finanzierung, FAZ vom 1. 11. 1991 .Entwicklung in Ostdeutschland (Ergebnis einer vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft finanzierten Umfrage bei 32 % der ostdeutschen Gemeinden): Anzahl der vor der Wiedervereinigung Anfang 1992 Jugendzentren 1788 1082 Kulturhäuser 582 500 öff. Bibliotheken 2397 1794 Kinos 426 216 Museen 372 382 Musikschulen 177 199 gleich geblieben ist die Zahl der Volkshochschulen, Theater, Buchhandlungen; in MecklenburgVorpommern fielen 40 % der Bibliothekarstellen weg, die Ausleihe ging um 62 % zurück. Allerdings litt die Befragung daran, daß es überwiegend um große Gemeinden ging und alle Gemeinden gleichgesetzt wurden; vgl. Andreas Rossmann, Fehlalarm, FAZ vom 3. 3. 1992. 353

So Entiassungen, die schließlich zu Schadensersatz und Abfindungsverpflichtungen führen, bspw. für den Intendanten des Landestheaters Mecklenburg in Neustrelitz 125.000 DM; vgl. dpa, Gregory von Leitis, FAZ vom 29. 6. 1992. 354

Bilderverleih gegen Gebühren (Dresden an Stuttgart, Gebühr soll dem Aufbau der Stadt

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

149

Wirtschaft 356 springen helfend ein. Insgesamt fehlt es jedoch vielfach an dem nötigen Geld, um Kultur zu sanieren, zu erhalten oder entsprechend zu präsentieren. Belastet ist auch der Bund. Der Haushalt des Bundesinnenministeriums weist bei einem Gesamtvolumen von 8.278.370.000 D M 2.332.650.000 D M als einigungsbedingte Ansätze aus, also rund 28 %. Dabei erklärt er zu Ansätzen aufgrund Art. 35 Einigungsvertrag 900.000.000 D M , das sind rund 39 % der als einigungsbedingt bezeichneten Summe und rund 1 1 % seines Gesamthaushalts. 3 5 7 Die Verlegung der Bundeshauptstadt führt zu Investitionen in der

dienen; AP, Dresdener Kunstschätze, FAZ vom 16. 2. 1992). Ebenso die Tourismusförderung in Sachsen-Anhalt, die indirekt der Kunst zugute kommen wird (Kerstin Schwenn, Verkommenes Schloß, Turnvater Jahn und Rotkäppchen Sekt, FAZ vom 7. 11. 1992, S. 12). Das Opernangebot des Mecklenburger Landestheaters wird strikt an der Nachfrage ausgerichtet (Lotte Thaler, Opern für die Erlebnisgesellschaft, FAZ vom 8. 12. 93, S. 35). Sachsen führt Zweckverbände für Theater und Museen ein (aß., Zweckverbände für Theater und Museen, FAZ vom 2. 11. 93, S. 5, und sst, Kulturpflicht, FAZ vom 19. 4. 94, S. 37) und sucht Investoren, denen es seine renovierungsbedürftigen Schlösser (bspw. Schloß Torgau) schenken kann (Albert Funk, Sachsen sucht investitionsfreudige Herren für seine Schlösser, FAZ vom 31.3. 94, S. 41). Dresden finanziert den Wiederaufbau der Dresdener Frauenkirche durch den Verkauf von Porzellanmodellen (Albert Funk, 1500 Mark für ein Porzellanmodell der Dresdner Frauenkirche, FAZ vom 14. 2. 94, S. 37). Magdeburg verleiht zwar einen Preis, dotiert diese aber nicht mit Geld (dpa, Magdeburger Otto, FAZ vom 21. 6. 93, S. 30). 355 Bspw. der Musikverein Mecklenburg-Vorpommern e.V. beim Mecklenburger Musikfest (AP, Ohne Justus Frantz, FAZ vom 13. 7. 1991); ein Förderkreis für das Ensemble von Schloß Leitzkau bei Dessau (gegründet 1991, Henrike Junge, Klassenzimmer im Renaissancepalast, FAZ 6.1.1992); s. auch roe., Dächer für Ostdeutschland, FAZ vom 8. 10. 1992, S. 37. Bemerkenswert ist auch das Angebot eines Lohnverzichts der Mitarbeiter des Stadttheaters Annaberg, dpa, Lohnverzicht?, FAZ vom 22. 10. 1992, S. 35. S. auch die Initiative "Ascholdinger Nachmittag", ADN, Zwei Millionen Mark, FAZ vom 24. 9. 93, S. 36. 356 So erhielt Potsdam von der Potsdamer Commerzbank 60.000 DM für das Jägertor (mön., Geschenkideen, FAZ vom 21. 9. 1991), die Leipziger Galerie für zeitgenössische Kunst vom Kulturkreis des Bundesverbands Deutscher Industrie einen Grundstock von 55 Werken im Wert von 3 Mio DM (bisher als Dauerleihgaben in westdeutschen Museen zu sehen; die Schenkung wird wirksam, wenn die Galerie über eigene Räume verfügt, für den Neubau setzt sich der Kulturkreis mit einer Spendenaktion und einer eigenen Stiftung ein; die Stadt Leipzig wird das Gelände zur Verfügung stellen; getragen soll die Einrichtung werden vom Land, der Stadt und einem Förderverein; Konstanze Crüwell, Bereicherung oder Konkurrenz, FAZ vom 30. 9. 1992, S. 35), VW will Altertumswissenschaften und Orientalistik in Ostdeutschland fördern (FAZ, Spendierhosen, FAZ 4. 8. 1992). Die Kulturstiftung Dresden der Dresdener Bank hat schon 2,3 Mio DM in Dresdener Projekte gesteckt, F.A.Z., Die Kulturstiftung Dresden, FAZ vom 9. 11. 93, S. 37. 337 Der Bund hat vor allem 3 Programme eingerichtet, die 1991 und 1992 insgesamt 1.780 Mio DM in die neuen Bundesländer verteilen, nämlich das Substanzerhaltungsprogramm (1.091 Mio), das Infrastrukturprogramm (546.000 Mio) und das Denkmalschutz-Sonderprogramm (143 Mio DM); Auskunft des BMI vom 16. 7. 1992. S. auch Anhang IV.- Sunstanzerhal-

Teil 2ù. Kunstförderung des Bundes

150

neuen 3 5 8 und Abfindungszahlungen an die alte Hauptstadt; 359 zudem zahlte der Bund erheblich Beträge für die Kultur in den neuen Bundesländern, 360 was allerdings auch zu stärkerem politischen Interesse des Bundes auf kulturellem Gebiet führte. 3 6 1 b) Art. 35 E V und seine Sonderregelungen Der Einigungsvertrag wurde als Vertrag zwischen mehreren Völkerrechtssubjekten geschlossen362 und durch das Zustimmungsgesetz in innerstaatliches Recht übergeleitet, gilt also - auch nach Art. 45 Abs. 2 E V in Verbindung mit

tungsprogramm und Infrastrukturprogramm wurden vom Bund 1993 mit 600.000.000 DM unterstützt; im Haushalt für 1994 ist kein entsprechender Ansatz vorgesehen, BHHP 1994, EP 06, S. 380.- Demgegenüber betrug der Haushalt der DDR allein im Bereich Kunst (ohne Bildung und Wissenschaft) 1988 3.914 Mio DM bei einem Staatshaushalt von 269.465,7 Mio (= 1,45 %). Für 1989 und 1990 können keine genauen Angaben gemacht werden, auch hier dürften die Ausgaben der DDR aber um 4 MRd DM gelegen haben; Auskunft des BMI vom 16.7. 1992.- Zu den durch die Wiedervereinigung ausgelösten Finanzströmen s. auch Heike Göbel, Erblasten, Finanzausgleich, Ergänzungszuweisungen - Die Kosten der Wiedervereinigung trägt der Bund, FAZ vom 24. 4. 93, S. 3: danachfinanzieren die Wiedervereinigung der Bund mit 17,7 Milliarden DM und die alten Bundesländern mit 2,2 Milliarden. 358 Ab 1. 7. 1991 fiel ein großer Teiles der Berlin-Förderprogramme weg; mwh. y Was sich vom 1. Juli an alles ändert, FAZ vom 25. 6. 1991. Betroffen ist bspw. das RSO, Küster, S. 226. 359 Der zuletzt 1990 verlängerte Bonn-Vertrag wurde nach der Hauptstadtvereinbarung bestätigt. Danach ist der Bund zur jährlichen Zahlung von 92 Mio. DM an die Stadt Bonn verpflichtet bei einer Steigerung von 3 % jährlich. Von diesem Geld sind 2/3 zur Absicherung von Kultureinrichtungen bestimmt (aro ., Mehr Geld für Kultur, FAZ vom 18.3. 1992). Der Bonn-Vertrag läuft bis 1999. Insgesamt sind vom Bund für die Bonner Kultur 1,3 Milliarden zu zahlen (Andreas Rossmann, Ausgleich, FAZ 3. 12. 1991).- Wie sehr das Bonner Kulturleben vom Status der Stadt als Hauptstadt abhängt, zeigt die Tatsache, daß 60 % der Theaterabonnenten Bundesbeamte sind und die Stadt 6 Museen, die Bundeskunsthalle und das Haus der Geschichte hat (Andreas Rossmann, Weiter so, FAZ vom 10. 8. 1991). 360 Insgesamt 900 Mio DM. Davon gingen 60 Mio an die Leipziger Oper zwecks Angleichung der Gagen an westdeutsches Niveau; gut 300 Mio nach Dresden; Mecklenburg bekam nicht 100 Mio; 80 Mio nach Berlin zum Erhalt der ostberliner Theater (Thomas Rietzschel, Not- und Sonderopfer?, FAZ vom 9. 2. 1991).- Zur einigungsbedingten Erhöhung des Haushalts der Bundesinnenministerium direkt hiervor. 361 Bspw. der Neukonstituierung eines CDU-Fachausschusses Kultur geplant (Thomas Rietzschel, Der Löwe geht bei Fuß, FAZ vom 4. 9. 1991); der Stellungnahme des Bundesbildungsministers für mehr Bundeskompetenzen in Bildungswesen und Kultur (B.M., Ortieb fordert "Bundeshoheit Bildung", FAZ vom 25. 5. 1991; zur verärgerten Reaktion der Länder: B.M., Kritik aus den Ländern an Bildungsminister Ordeb, FAZ vom 28. 5. 1991). 362

Die DDR Schloß ihn als Zentralstaat, die Länder wurden erst zum 3. 10. 1990 eingeführt, vgl. zu ihrer Entwicklung Schnapauff\ DVB1 90, 1249, 1255.

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

151

dem Überleitungsgesetz - als einfaches Bundesrecht. 363 Als solches hat der Einigungsvertrag i. V . m . dem Zustimmungsgesetz auf die Kompetenzverteilung grundsätzlich keinen Einfluß, so daß für die Erfüllung und Finanzierung kultureller Aufgaben im Beitrittsgebiet die neuen Bundesländer zuständig sind. 3 6 4 Allerdings enthält Art. 35 E V darüber hinaus eine Reihe von Sonderregelungen: Art. 35 Abs. 1 E V betont die besondere Bedeutung von Kunst und Kultur für deutsche und europäische Einigung und spricht sich für Kulturaustausch als Mittel kultureller

Außenpolitik

Kulturstaatscharakter

aus. 3 6 5 Die Regelung spielt ferner auf den

der Bundesrepublik an. 3 6 6 Durch Art. 35 Abs. 1 E V

tritt aber keine Änderung der Rechtslage in der Außenpolitik ein. 3 6 7 Art. 35 Abs. 2 E V "Die kulturelle Substanz in dem in Art. 3 genannten Gebiet darf keinen Schaden nehmen. " stellt eine Art Bestandsgarantie des Bundes zugunsten der kulturellen Substanz der D D R dar (Substanzerhaltungsprogramm).

368

363 Nach Stern, Einigungsvertrag, S. 39, gilt dies nicht für die die Verfassung ändernden Teile (Art. 4 EV); nach BVerfGE 84, 90, 119 (Enteignungen 1945 - 49), handelt es sich auch nur um Übergangsbestimmungen. 364

Vgl. auch Art. 35 Abs. 3 EV.

365

"In den Jahren der Teilung waren Kunst und Kultur - trotz unterschiedlicher Entwicklung der beiden Staaten in Deutschland - eine Grundlage der fortbestehenden Einheit der deutschen Nation. Sie leisten im Prozeß der staatiichen Einheit der Deutschen auf dem Weg zur europäischen Einigung einen eigenständigen und unverzichtbaren Beitrag. Stellung und Ansehen eines vereinten Deutschlands in der Welt hängen außer von seinem politischen Gewicht und seiner wirtschafdichen Leistungskraft ebenso von seiner Bedeutung als Kulturstaat ab. Vorrangiges Ziel der Auswärtigen Kulturpolitik ist der Kulturaustausch auf der Grundlage partnerschaftiicher Zusammenarbeit. " 366

S. hierzu Geis, ZG 92, 38, 40 ff., der die Formulierung nicht für "bundesfest" hält; Häberle, JöR 40, 291, 320, der in ihr die Vorbereitung für die Einführung der Sozialstaatsklausel ins GG sieht (ähnlich Norbert Lammert, Aufgeklärter Föderalismus, FAZ vom 7. 5. 1992). Beide lassen m.E. sowohl den systematischen Zusammenhang von Art. 35 Abs. 1 mit Abs. 3 (grundsätzliche Zuständigkeit der Länder) und Art. 4 Nr. 5 EV (nur vorübergehende Abweichung von der Kompetenzordnung des GG) als auch die Befristung und den Ausnahmecharakter der Regelung außer Acht, die einem Schluß a minore ad maius entgegenstehen. 367

Die einigungsbedingte Erhöhung des Etats des Auswärtigen Amtes um 8 % (BHHP 1991, Gesamtübersicht S. 65) liegt hauptsächlich an der Übernahme der außenpolitischen Einrichtungen der ehemaligen DDR. Zur Beurteilung der Bundeskompetenzen im Bereich der Außenpolitik s.o. S. 117 ff. 368 Wortlaut des Substanzerhaltungsprogramms in Anhang 4.4; Übersicht über die einzelenen Bundesanteile in Anhang 4.5. Zu Substanzerhaltungs-, Infrastruktur- und Denkmalschutzsonderprogramm s. auch Anton Pfeifer, Der Bund zahlt, die alten Länder geizen, Rheinischer Merkur vom 9. 10. 1992, S. 19. S. auch oben Fn. 361.

152

Teil 2 Kunstförderung des Bundes

Gemäß Art. 35 Abs. 4 E V 3 6 9 sind die zentral geführten kulturellen Einrichtungen in Ostdeutschland in die Trägerschaft der Länder übergegangen. 370 Für die ehemals preußischen Sammlungen ordnet Art. 35 Abs. 5 E V die Vereinigung unter der Trägerschaft der Stiftung Preußischer Kulturbesitz an und verweist auf eine künftige Regelung, die 1995 getroffen werden soll (vgl. hierzu oben S. 133 f.). Nach Art. 35 Abs. 6 E V ist die Fortführung des Kulturfonds chen Stiftung Kulturfonds - bis 31. 12. 1994 befristet.

372

71

- inzwis-

Die Stiftung nimmt

zur Zeit die Aufgaben der noch nicht bestehenden Länder-Kunstförderungsprogramme wahr. 3 7 3 Soweit die Leistungen des Bundes an den Kunstfonds in die Künstlersozialversicherung

fließen, 3 7 4 gilt das zu dieser Gesagte (oben

369 "Die bisher zentral geleiteten kulturellen Einrichtungen gehen in die Trägerschaft der Länder oder Kommunen über, in denen sie gelegen sind. Eine Mitfinanzierung durch den Bund wird in Ausnahmefällen, insbesondere im Land Berlin, nicht ausgeschlossen." 370 Zu den Einrichtungen im Einzelnen: Anhang IV. 1.- Art. 35 Abs. 2 EV erfaßt allerdings nur kulturelle Einrichtungen. Für von der Verwaltung genutzte Gebäude sind Art. 21 und 22 EV einschlägig. 371

Wurde in der DDR von einem Kuratorium geleitet. Die Mittelverwaltung erfolgte über ein dem Ministerium für Kultur unterstehendes Büro, das den zuständigen Bezirksräten weitgehende Verfügungsfreiheit beließ. Das Aufkommen war in der Verteilung regional gebunden. Finanzierung: Anteil von 5 Pfennigen auf Eintrittspreise, Schallplatten und Rundfunkgebühren. Einsatz der Mittel für die Förderung des künsderischen Schaffens, Stipendien für junge Künsder, Ateliers und Erholungsstätten und die soziale Sicherung der Künsder.- Auskunft des BMI vom 16. 7. 1992. Anordnung und Statut des Kulturfonds sind auch abgedruckt bei Fohrbeck, Kunstförderung, S. 263 ff. 372 "Der Kulturfonds wird zur Förderung von Kultur, Kunst und Künstiern übergangsweise bis zum 31. Dezember 1994 in dem in Art. 3 genannten Gebiet weitergeführt. Eine Mitfinanzierung durch den Bund im Rahmen der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes wird nicht ausgeschlossen. Über eine Nachfolgeeinrichtung ist im Rahmen der Verhandlungen über den Beitritt der Länder der in Art. 1 Abs. 1 genannten Länder zur Kulturstiftung der Länder zu verhandeln." Der Stiftungsrat hat sich für eine dauerhafte Existenz ausgesprochen und die Länder prüfen, ob eine gesamtdeutsche Tätigkeit möglich sein könnte. Die Stiftung verfügt über ein Vermögen von rund 90 Mio DM, das ihm 1990 vom ehemaligen Ministerium für Kultur der DDR zur Verfügung gestellt worden war und aus SED/PDS-Zuwendungen herrührt; jährliche Erträge sind rund 8 Mio DM, hinzu kommt ein Bundeszuschuß von 6 Mio DM. Die Stiftung Kulturfonds wurde vom Bund 1993 mit 6 Mio DM und 1994 mit 4,5 Mio DM unterstützt; BHHP 1994, EP 06, S. 381. 373 Auskunft des BMI vom 16. 7. 1992. Die Stiftung hat sich durch Beschluß vom 11.6. 1991 zu Rücksichtnahme auf die Kulturstiftung der Länder verpflichtet (insbes. das Unterlassen von Ankäufen); Auskunft des BMI, s.o.- Der Kulturfonds unterhält die Künsderheime Wiepersdorf, Ahrenshoop, Biesdorf und Kochberg (insgesamt 79 Betten); Eberhard Vogt, Eine Villa Massimo im märkischen Sand, Die Welt, 7. 8. 1992; und Thomas Rietzschel, Wo der Park mit dem Wald schläft, FAZ vom 12. 8. 1992. 374

Der Bundeszuschuß von 16 Mio DM an teilt sich auf in 6 Mio DM, die an den Kulturfonds

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

153

S. 88 ff.). Eine weitere Beteiligung des Bundes an der Finanzierung des Kunstfonds kann nur mit dem Übergangscharakter der Lösung gerechtfertigt werden. Nach Art. 35 Abs. 7 EV "Zum Ausgleich der Auswirkungen der Teilung Deutschlands kann der Bund übergangsweise zur Förderung der kulturellen Infrastruktur einzelne kulturelle Maßnahmen und Einrichtungen in dem in Art. 3 genannten Gebiet mitfinanzieren. "

beteiligt sich der Bund an einzelnen kulturellen Maßnahmen im Beitrittsgebiet 375 (Infrastrukturprogramm). Dabei entfallen von den Förderungsmitteln dieses Programms "auf Berlin 5 %, Brandenburg 21 %, Mecklenburg-Vorpommern 17 %, Sachsen 23 %, Sachsen-Anhalt 18 % und Thüringen 16 %." 376

Der Bund kann sich die zu fördernden Einrichtungen nicht selbst aussuchen,377 sondern beteiligt sich nur in Höhe von 49 % an Maßnahmen, die von den Ländern benannt wurden "(ohne Landesvorschlag keine Bundesförderung)". 378

c) Rechtmäßigkeit von Art. 35 EV und den darauf gestützten Programmen Fraglich ist, ob Einigungsvertrag, Überleitungsgesetz und Ausführungsprogramme Ausnahmen von Art. 30 GG (grundsätzliche Zuständigkeit der Länder) machen durften. Der Einigungsvertrag ist ein völkerrechtlicher Vertrag, für dessen Abschluß die Bundesregierung und für dessen Überleitung der Bundesgesetzgeber zwar ein weites Ermessen hatten, aber ans Grundgesetz gebunden blieben. Sie hatten

gehen, und 10 Millionen, die auf der Grundlage des Künsdersozialversicherungsgesetzes die Sozialversicherungsbeiträge von Künstiern und Publizisten erstatten; BHHP 1991, EP 06, S. 398. 1992 sind es nach dem BHHP, a.a.O., S. 405, noch einmal 16 Mio DM. 375 Förderungsgrundsätze wurden aufgestellt mit dem Stand vom 16. 1. 1991 (a.F.) und 28. 3. 1991 (n.F.; s. Anhang IV.3). Die neue Fassung unterscheidet sich von der alten dadurch, daß Ziff. 4 der Grundsätze ("Die Förderung wird zunächst auf den Zeitraum vom 1. 1. 1991 bis zum 31. 12. 1994 (eine Legislaturperiode) begrenzt.") ersatzlos gestrichen wurde; die übrigen Grundsätze sind dann "aufgerückt". 376

Ziff. 3 Abs. 2 S. 2 der Grundsätze.

377

Bedenken erregten insoweit die Formulierungen "Ausnahmefälle" in Art. 35 Abs. 4 S. 2 EV und "einzelne ... Maßnahmen" in Art. 35 Abs. 7 EV, die nach einer Entscheidungsbefugnis des Bundes klangen. 378

Ziff. 4 Abs. 2 und Ziff. 6 Abs. 2 der Grundsätze.

154

Teil 2 Kunstförderung des Bundes

also die Kompetenzordnung und Art. 30 GG zu beachten, aber auch das Gebot der Wiedervereinigung. oc) Soweit beide Gebote nicht gleichzeitig zu befolgen waren, war Bundesregierung und Bundesgesetzgeber nur zuzumuten, eine Lösung zu suchen, die beiden Geboten weitestmöglich Rechnung trug. Geht man davon aus, daß die Beitrittswilligkeit des Beitrittsgebietes (auch) von der Garantie der kulturellen Substanz abhängig war, wird man die Aufnahme dieser Garantie in den Einigungsvertrag (Abschluß des Beitritts) für zulässig halten. ß) Fraglich ist aber, ob der Bund auch die Erfüllung der Garantie übernehmen durfte oder die Länder zur Erfüllung der Garantie hätte verpflichten müssen. Der Bund durfte die Garantie selbst übernehmen, wenn er sich auf eine Bundeszuständigkeit stützen konnte. Eine solche könnte sich aus der extremen Haushaltsnotlage in den neuen Bundesländern ergeben. Denn in einem solchen Fall ist nach der Rechtsprechung des BVerfG das bundesstaatliche Prinzip berührt mit der Folge, daß alle Glieder der bundesstaatlichen Gemeinschaft, vor allem aber der Bund, die verfassungsrechtliche Pflicht haben, den verarmten Gebieten zu helfen. 379 Zwar sind diese Hilfeleistungen an die bestehenden Kompetenzen gebunden, die Notlage ist aber bei der Auslegung der bestehenden Kompetenzen, insbes. Art. 109 Abs. 3, 91 a und b, 104 a Abs. 4 und 106 Abs. 8 GG, zu berücksichtigen.380 Von diesen betreffen Art. 109 Abs. 3 und Art. 104 a Abs. 4 GG nur die allgemeine wirtschaftliche Lage. Art. 9 1 a und b GG sind auf Fälle beschränkt, die hier nicht als Rechtsgrundlage in Betracht kommen.381 Möglich ist es aber, die Maßnahmen des Bundes auf Art. 106 Abs. 8 GG 3 8 2 zu stützen, da es sich bei den kulturellen Maßnahmen um solche handelt, die der Bund durch die Einigung auf Art. 35 EV auf Kosten der Länder veranlaßt hat und auch veranlassen durfte (s.o. a). Denn Art. 35 EV ist insoweit eine Sonderbelastung, als nur den neuen Ländern die Wahrung ihre kulturellen Bestandes vorgeschrieben wurde. In der Situation der neuen Bun-

379 BVerfGE 68, 148, 263 ff. (Finanzierung Saarland und Bremen). In der Diktion Häberles, JöR 40, 291, 307, wohl ein Fall des "treuhänderischen Föderalismus". 380

BVerfGE 86, 148, 265 (Finanzierung Saarland und Bremen).

381

Zum Normbereich s.o. S. 105 ff.

382

"Veranlaßt der Bund in einzelnen Ländern ... besondere Einrichtungen, die diesen Ländern ... unmittelbar Mehrausgaben ... verursachen, gewährt der Bund den erforderlichen Ausgleich, wenn und soweit den Ländern ... nicht zugemutet werden kann, die Sonderbelastungen zu tragen. "

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

155

desländer war es aber nicht zumutbar, einen so großen Anteil an finanziellen Mitteln zu binden.383 Dagegen kann allein aus dem Gebot der Wiedervereinigung eine Zuständigkeit der Bundes nicht abgeleitet werden. Denn dieses verpflichtet Bund und Länder, ist also kompetenzneutral. Allenfalls kann das Gebot der Wiedervereinigung eine - zeitlich begrenzte - Ausnahme von Art. 30 GG rechtfertigen, wenn Wiedervereinigung und Einhaltung der Kompetenzordnung anders nicht zu vereinbaren waren. Eine solche Situation war aber 1990 gegeben, weil der verfassungsrechtlich korrekte Weg einer alleinigen Zuständigkeit der Bundesländer finanziell nicht durchführbar war. Weder die alten noch die neuen Bundesländer hatten genug Geld zur Durchführung der vereinbarten Hilfsprogramme. Dieses Problem hätte nur durch eine Neuverteilung der Finanzen gelöst werden können, die aber daran scheiterte, daß keine Klarheit über die Höhe des Finanzbedarfs in den neuen Bundesländern bestand. Vor diesem Hintergrund wird man die zeitlich befristete Ausnahme von der Kompetenzordnung und den Aufschub einer endgültigen Neuverteilung der Finanzen bis 1995 akzeptieren müssen. 7) Fraglich ist aber, ob die Ausnahme von der normalen Kompetenzverteilung im Grundgesetz hätte geregelt werden müssen (Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG) oder ob die Einführung von Art. 143 GG n.F. ausreicht, der Abweichungen von Bestimmungen der Abschnitte II, Vili, V I I I a, IX, X und X I GG bis 1995 zuläßt. Geht man (wie ß) davon aus, daß der Bund zuständig ist oder das Wiedervereinigungsgebot eine Ausnahme von der Kompetenzverteilung rechtfertigt, ist keine Änderung der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes nötig. 384 Aber auch dann, wenn man von einer materiellen Verfassungsänderung ausgeht und daher eine Änderung der geschriebenen Verfassung für erforderlich hält, ist dem durch Art. 143 GG Genüge getan. Die Änderung von Art. 143 GG erfolgte durch das Zustimmungsgesetz zum Einigungsvertrag, 385 das mit der

383 Dagegen handelt es sich nach Schulze-Fielitz, NJW 91, 2456, 2458, bei Art. 35 IV 2 und VI 2 EV um Fälle verfassungsrechdich bedenklicher Mischfinanzierung. Schulze-Fielitz, weist insbes. darauf hin, daß die Bundeshilfen nicht mehr von der amtlichen Erklärung zu Art. 35 EV gedeckt seien, nach der sich der Bund auf Ausnahmefälle beschränken wollte. 384

Das BVerfG legt sich hier nicht fest: nach ihm handelt es sich zwar um Verfassungsänderungen, diese sind aber formell durch Art. 143 GG und inhaltiich durch Art. 23 S. 2 GG i.V.m. dem Wiedervereinigungsgebot gedeckt; BVerfGE 84, 90, 118 f. (Enteignungen 1945-49). 383

Kap. II Art. 5 Ziff. 5 EV und Art. 1 des Zustimmungsgesetzes zum EV.

156

Teil 2 Kunstförderung des Bundes

nach Art. 79 Abs. 2 G G erforderlichen Mitwirkung der Länder beschlossen wurde. I m übrigen sind die Programme nach Art. 35 E V an eine Entscheidung der Länder gebunden, so daß der Eingriff in die Länderhoheit nicht allzu schwer i s t . 3 8 6 Außerdem haben die Maßnahmen

Übergangscharakter, 3 8 7

weshalb in diesem besonderen Fall viel dafür spricht, keine Verfassungsänderung statt zwei Verfassungsänderungen in kurzem zeitlichem Abstand zu machen. 3 8 8 Schließlich greifen auch demokratische Bedenken nicht durch. Denn die Vergabe von Mitteln ohne öffentliche Kontrolle 3 8 9 ist - auch in solchem Umfang 3 9 0 - kein Einzelfall. Hält man diese Praxis grundsätzlich für zulässig, dann reicht auch im Falle der Programme aufgrund Art. 35 E V die doppelte pauschale Zustimmung des Parlaments zu Überleitungsgesetz und Haushaltsgesetz. δ) Z u prüfen bleibt der Umfang des Garantieversprechens. Dabei verdient Art. 35 Abs. 2 E V besondere Aufmerksamkeit. Das Versprechen, die kulturelle Substanz zu erhalten, führt nämlich bei einer vollständigen Erfüllung dazu, daß Bund und alte Länder, die als Teile der Bundesrepublik zur Erfüllung des mit der Bundesrepublik geschlossenen Vertrages verpflichtet sind,

386

Vgl. auch die Protokollerklärung I Nr. 14 (4.) zum Einigungsvertrag.

387

Endgültige Änderungen bleiben der Verfassungsrevision vorbehalten (Art. 5 EV).

388

So auch BVerfGE 84, 90, 118 f. (Enteignungen 1945-49): "Ob eine Verfassungsänderung darüber hinaus grundsätzlich erkennen lassen muß, in welcher Hinsicht und in Bezug auf welche konkrete Regelung das Grundgesetz geändert wird und was in Zukunft als Verfassungsrecht gelten soll ..., kann dahingestellt bleiben; denn hier liegt jedenfalls eine besondere Situation vor, in der eine Bezugnahme auf Regelungen außerhalb des Grundgesetzes zulässig ist. " So schon BVerfGE 4, 157, 170 (Saarstatut) mit der Begründung: "Die rechtiiche Feststellung einer Verfassungswidrigkeit wird grundsätzlich dadurch ausgeschlossen, daß der durch den Vertrag geschaffenen Zustand "näher beim Grundgesetz steht" als der vorher bestehende." Ebenso Stern, Einigungsvertrag, S. 39 und ders., DtZ 90, 289, 290. Merten, Einigungsvertrag, S. 32 f., geht zwar von einer Pflicht zu uneingeschränkten In-Kraft-Setzung des GG nach Art. 23 S. 2 GG aus, hält aber Abweichungen für zulässig, wenn sie im Weg der Verfassungsgebung (S. 33 bis 37 m.w.N. 5. 39 ff.), übergangsweise für einen bestimmbaren Zeitraum (S. 36 f. und 42 f.) und "zur Vermeidung erheblicher politischer Schwierigkeiten unerläßlich" sind, "ohne die die Wiederherstellung der staatiichen Einheit Deutschlands gefährdet gewesen wäre" (S. 42). Solche Modifizierungen könnten sich auf Art. 23 S. 2 GG stützen, obwohl dieser gleichzeitig mit der Verkündung der Modifikationen aufgehoben wurde (S. 47 m.w.N.). Ebenso Schmitt Glaeser, S. 14 f.- Die Ansicht ist allerdings problematisch, weil sie Sondersituationen anerkennt, in denen Verfassungsrecht nicht angewendet werden muß. 389

Kritisch Dieter E. Zimmer, So schleppt sich alles notdürftig dahin, Die Zeit vom 29. 3. 1991,

S. 55. 390

S.o. Überblick über die Bundesförderung.

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

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dazu beitragen müssen, in den neuen Ländern ein kulturelles Niveau aufrechtzuerhalten, das nicht nur gleich, sondern höher ist als das in den alten Bundesländern. Denn die kulturelle Dichte in der DDR lag z.T. deutlich über dem Stand in den neuen Bundesländern.391 Man muß sich daher fragen, ob der Bund mit der Übernahme dieser Garantie die Pflicht zur Gleichbehandlung der Länder verletzt hat. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und der Verabschiedung des Überleitungsgesetzes war aber das Beitrittsgebiet noch nicht Bundesland, so daß der Bund durch die Übernahme der Garantie nicht Gleiches ungleich behandelte. Allerdings ist nicht zu übersehen, daß der Beitritt darauf gerichtet war, dem Beitrittsgebiet die Stellung von Bundesländern zu verschaffen, so daß insoweit das Gleichbehandlungsgebot gewisse Vorwirkungen erzeugte. Auch das Gleichbehandlungsgebot ist aber mit dem Wiedervereinigungsgebot zu praktischer Konkordanz zu bringen, so daß man die befristete Fortführung der kulturellen Einrichtungen der DDR im Sinne einer Übergangslösung als vertretbar akzeptieren kann, wenn man voraussetzt, daß die Beitrittswilligkeit des Beitrittsgebietes (auch) von der vorübergehenden Sicherung seines kulturellen Bestandes abhängig war. Über diese Beschränkung gehen die einzelnen kulturellen Programme für das Beitrittsgebiet nicht hinaus,392 weshalb sie sich auf

391 Bspw. hatte Brandenburg 8 Orchester und 50 Herrenhäuser und Schlösser (J.H., Auf dem Markt, FAZ 22. 6. 1992; Eberhard Vogt, Eine Villa Massimo im märkischen Sand, Die Welt, 7. 8. 1992); Sachsen 4 staadiche Orchester und 19 öffendiche Theater (Knut Lennartz, Land der Musiktheater, FAZ v. 24. 9. 1991 S. Β 37); Sachs en-Anhalt hat 15 Theater (Knut Lennartz, Krisen sind auch Zeiten der Erneuerung, FAZ vom 27. 9. 93, S. Β 19. Thüringen 8 Theater sowie 5 weitere Theaterhäuser und 8 Philharmonische Orchester (FAZ vom 26. 2. 1992; Claus Peter Müller, Wie es euch gefällt, geht es nicht mehr, FAZ v. 29. 1. 1993, S. 37; Knut Lennartz, Die Fürsten waren Freunde des Theaters, FAZ v. 10. 11. 1992, S. Β 23); Berlin hatte nach der Wiedervereinigung 39 Theater (davon 1/3 staatiich) und 6 Orchester (Klaus Siebenhaar, Bei Berlins Theatern beginnt die Revolution an der Kasse, Die Welt, 20. 8. 1992; nach Jesko SchulzeReimpell, Pfeifen auf dem letzten Loch, Rhein. Merkur vom 27. 8. 93, S. 17, sogar 8 große Orchester, von denen allerdings das Sinfonische Orchester Berlin aufgelöst werden sollte (aber wohl nicht aufgelöst wird, F.A.Z., Rettung nach Noten, FAZ vom 27. 10. 93, S. 35)); s. auch Anhang 4.1 und 4.6.- Der Ansicht, daß der Bund eine Dauergarantie in voller Höhe übernommen hat, ist offensichtiich die "Kommission zur Neustrukturierung der sächsischen Theater- und Orchesterlandschaft" (Naumann-Kommission), vgl. Thomas Rietzschel, Dauerhilfe durch Dauerkürzung, FAZ vom 24. 2. 1993, S. 31. 392 So sind an kulturellen Einrichtungen bspw. schon geschlossen worden: die Musiksparte des Potsdamer Hans-Otto-Theaters (dpa, Strikter Sparkurs, FAZ vom 24. 10. 1992, S. 30); das Potsdamer Theaterorchester wurde mit dem DEFA-Orchester vereinigt, das Philharmonische Orchester in Frankfurt und die Brandenburgischen Philharmoniker versuchen, als Tourneeorchester zu überleben (J.H., Auf dem Markt, FAZ vom 22. 6. 1992); das Philharmonische Landesorchester Mecklenburg-Vorpommern ist aus finanziellen Gründen zum 31. 7. 1992 aufgelöst worden

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Teil 2 Kunstförderung des Bundes

Art. 35 EV stützen können. - Abweichungen von Art. 30 GG können sich also für eine Übergangszeit auf das Wiedervereinigungsgebot, Art. 143 GG n.F. und Art. 106 Abs. 8 GG stützten.393 Dies gilt aber nicht für Maßnahmen, die der Bund unberechtigt über Umwege finanziert, bspw. die die Instandsetzung der Türme der Liebfrauenkirche in Halberstadt und des Magdeburger Doms als Pilotprojekt des BundesforschungsmìmstQÙums über Umwelteinflüsse und technische Sanierungsmethoden.394 Ebenso dürfte sich für die Schenkung von 120 Graphiken an die

(Andreas Rossmann, Mehr Atem!, FAZ vom 25. 7. 1991); die Landesbühne Parchim ist vor dem Ende (dpa, Theatr sterben, FAZ vom 15. 10. 93, S. 35); spätestens 1994 soll die Bundessubventionierung der Dresdener Musikfestspiele eingestellt werden (AP, Dresden bangt, FAZ v. 20. 12. 1991); das vom Bund und dem Auswärtigen Amt unterstützte Weimarer Kunstfest (der Gewinn von 1990 betrug 200.000 DM, die der Renovierung des Weimarer Schlosses zugute kommen sollen, Günter Engelhard, Olympiade auf Goethes Brettern, Rheinischer Merkur vom 3. 5. 1991) wird künftig durch Weimar selbst veranstaltet (dpa, Selbstbestimmung, FAZ vom 29. 1. 1993, S. 37 und dpa, Kunstfest '94 gesichert, FAZ vom 22. 4. 94, S. 37); in Thüringen wird die Zusammenlegung verschiedener Theater erwogen (F. A.Z., Aus drei mach eins, FAZ vom 28. 11. 1992, S. 27; zur Zusammenlegung des Landessinfonieorchester Gotha mit dem Erfurter Theater auch F.A.Z., Puppen tanzen, FAZ vom 6. 7. 93, S. 32). Die Leipziger Oper kann sich nur 2 Opern- und 2 Balettproduktionen leisten (ADN, Leipziger Oper, FAZ vom 31. 8. 93, S. 31). Berlin hat die Staatiichen Schauspielbühnen, die freie Volksbühne und das Schiller-Theater inzwischen geschlossen und das Metropol-Theater privatisiert, doch will es an seinen übrigen Einrichtungen festhalten (dpa, FAZ vom 13. 7. 93, S. 26; Sp., Musicaldämmerung, FAZ vom 3. 7. 93, S. 25; F.A.Z., Nur keine Angst, FAZ vom 20. 1. 94, S. 27; Stephan Speicher, Immobilien-Operette, FAZ vom 4. 3. 94, S. 36). Aufgelöst wurde auch das Institut für Museumswesen in Berlin ( Wolfgang Klausewitz, Von der Flaute spurlos verweht, FAZ vom 29. 3. 94, S. 35) und die Kunsthalle (F.A.Z., Berliner Kulturetat, FAZ vom 7. 12. 93, S. 39). Ein guter Überblick über die Theater in den neuen Bundesländern bietet Werner Schulze-Reimpell, Abwickeln, umwickeln, Rhein. Merkur vom 10. 9. 93, S. 18. Allerdings sind auch Neuanfänge zu verzeichnen, so die Eröffnung der Kunsthochschule Rostock (dpa, Erste Geige, FAZ vom 26. 1. 94, S. 27), die Barlach-Stiftung in Güstrow (dpa, Speziell für Barlach, FAZ vom 6. 11. 93, S. 30), das Theaterfestival in Schwerin (F.A.Z., Bühnen für Europa, FAZ vom 15. 2. 94, S. 25) und das Opernfestival auf Rügen (dpa, Rossini erzählt, FAZ vom 16. 7. 93, S. 29; und das trotz der Schwierigkeiten, in denen sich bewährte Opern- und Musikfestspiele wie Bayreuth, Aix und Schleswig-Holstein befinden, vgl. dpa, Wagners Broschüre, FAZ vom 18. 12. 93, S. 28; AFP, Hoffnung in Aix, FAZ vom 26. 2. 94, S. 27; dpa, Abspecken, FAZ vom 26. 2. 94, S. 30). 393

Nach Häberle, JöR 40, 291, 323, auch auf die "Natur der Sache"; dies ist m.E. zweifelhaft, weil die "Sachen" selbst keine Förderung durch den Bund erfordern.- Dagegen sind nach SchulzeFielitz, NJW 91, 2456, 2459, Art. 35 Abs. 4 und 7 EV "unabweisbar verfassungswidrig". 394 Klaus Broichhausen, Kleinode im Osten noch nicht verloren, FAZ vom 10. 12. 1992, S. 12, und dpa, Kathedrale des Ostens, FAZ vom 23. 3. 1992. Das Bundesforschungsministerium fördert die Denkmalpflege in Ostdeutschland 1992 mit 40 Mio DM; Klaus Broichhausen, Kleinode im Osten noch nicht verloren, FAZ vom 10. 12. 1992, S. 12.- Problematisch ist insofern auch die Vereinbarung, 4 Städte modellhaft zu sanieren (u.a. Stralsund), die aus Städtebauförderungsmitteln

II. Verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundes

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Staatliche Galerie Moritzburg/Halle durch die Treuhand keine Rechtsgrundlage finden lassen. 395 Auch die Finanzierung eines Museum oder einer Gedenkstätte an der Berliner Mauer läßt sich nicht auf das Wiedervereinigungsgebot stützen; denn hier könnten auch die durch das Wiedervereinigungsgebot ebenfalls verpflichteten Länder tätig werden, so daß das Wiedervereinigungsgebot in diesem Fall keine Durchbrechung der grundsätzlichen Kompetenzverteilung rechtfertigt. V o n dem Substanzerhaltungsversprechen aus Art. 35 E V ebenfalls nicht gedeckt ist die Unterstützung der erst 1991 gegründeten MendelssohnStiftung in Leipzig durch den Bund. 3 9 6 Der Aufschub einer endgültigen Neuverteilung der Finanzen bis 1995 ist vor diesem Hintergrund zu akzeptieren. Er darf aber nicht dazu führen, daß die bis 1995 über 5 Jahre erfolgte Mitfinanzierung des Bundes schon einen gewissen Anschein der Legalität erlangt und die finanzielle Unselbständigkeit der neuen Länder zur Routine w i r d . 3 9 7 - Es ist daher darauf hinzuweisen, daß eine Fortführung der Bundesunterstützungen über 1995 hinaus als verfassungswidrige Umgehung einer Art. 106 Abs. 3 G G entsprechenden Finanzverteilung zu betrachten ist. 3 9 8

bezahlt wird (deren Zuteilung an die alten Bundesländer um 40 % gekürzt wurde). Allerdings handelt es sich um eine Vereinbarung zwischen Bonn und Ost-Berlin von vor der Wiedervereinigung. S. Eckart Kauntz, Die Stolpersteine auf Stralsunds Bürgersteigen werden beseitigt, FAZ vom 10. 8. 1991. 395

Vgl. dpa, Kunstmäzen Treuhand, FAZ vom 16. 8. 93, S. 23.

396

Mit 400.000 DM 1993, dpa, Unterstützung gesucht, FAZ vom 13. 11. 93, S. 27.

397

S. auch Lhotta, ZParl 22, 253, 275, und BVerfGE 86, 148, 263 ff. (Finanzierung Saarland und Bremen). Darstellung der ersten Reaktionen von Bund und Ländern bei Klatt, Vwarchiv 82, 430 ff.- Kritisch ist bspw. das Streben der Länder nach einer Fortsetzung der Bundesförderung durch Übertragung der Ländereinrichtungen auf Stiftungen und GmbHs, an denen sich der Bund beteiligen kann (Thomas Rietzschel, Die Kultur in der Not des Übergangs, FAZ vom 3.8. 1992, S. 27). S. Beispiele in Fn. 398. Zur Unzulässigkeit solcher Bund-Länder-Kooperationen s.o. S. 110 f. 398 Zu Art. 106 Abs. 3 GG oben S. 94. Kritisch auch Bohr/Albert, ZRP 92, 61, 64.- Bedenklich sind also Maßnahmen wie die Zusage des Bundes, die Zuschüsse für Potsdam-Sanssouci als Beitrag zur künftigen Schlösser-Stiftung von Berlin und Brandenburg fortzuführen (dpa, Preußen pflegen, FAZ vom 24. 2. 1993, S. 29 und oben Fn. 16 (das Eigentum an Schloß und Park Sanssouci hat der Bund inzwischen auf Brandenburg übertragen, Ws., Sanssouci - Ort der Weltoffenheit und der Liberalität, FAZ vom 12. 8. 1994, S. 3); der jetzigefinanzielle Anteil des Bundes beträgt fast 50 %; s. auch oben S. 55 Fn. 16); die Übernahme eines Großteils der Kosten für das neue Theater in Frankfurt/Oder (45 Mio DM; dpa, Bund bezahlt, FAZ, 11.2. 1992); die Fortführung der nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur als Stiftung Weimarer Klassik mit einer Bundesbeteiligung von 50 % (dpa, Weimarer Klassik, FAZ vom 28. 10. 1991, und FAZ, Rücktritt, FAZ vom 5. 3. 1992). S. auch die Aussagen der Bundesregierung für die Zeit nach den Übergangsprogrammen: BT-Drucks. 12/4411, S. 2.

160

Teil 2 Kunstförderung des Bundes

d) Teilungsbedingte Kunstförderung des Bundes Soweit Kunstförderungsmaßnahmen des Bundes teilungsbedingt waren und auf den Verfassungsauftrag der Wiedervereinigung gestützt wurden, ist mit der Wiedervereinigung die Berechtigung einer Bundestätigkeit entfallen. 399

I I I . "Heilung" von Kompetenzverstößen

Nachdem die Unzuständigkeit des Bundes für die meisten unter I 1 erwähnten Maßnahmen festgestellt worden ist, stellt sich die Frage, ob der Mangel der Zuständigkeit nicht geheilt werden kann. Hierfür kommen verschiedene Konstruktionen in Betracht.

1. volenti non fit iniuria

Die erste Möglichkeit einer Heilung besteht in der Anwendung der Satzes "volenti non fit iniuria". Sind die Kompetenzverstöße des Bundes unbeachtlich, weil die Länder die Maßnahmen des Bundes stillschweigend dulden?400 Der Gedanke einer Legitimation durch schweigende Akzeptanz ist dem Verfassungsrecht nicht unbekannt.401 Er kombiniert die Fiktion von Schwei-

399 S.o. Fn. 347 und Schulze-Fielitz, NJW 91, 2456, 2459.- Betroffen sind nicht nur die BonnFörderung (hierzu Friedrich Karl Fromme, Ein Gesetz eigentiich für Bonn, FAZ vom 10. 3. 94, S. 14), sondern insbesondere solche "Doppeleinrichtungenn, die man jetzt zusammenlegen könnte, bspw. das Bauhaus in Dessau und das Bauhausarchiv in Berlin (beide werden vom Bund unterstützt; s.o. Fn. 34, BHHP 1994, EP 06, S. 396 und dpa, Bauhaus Dessau, FAZ vom 18. 12. 93, S. 25) oder das Deutsche Hygienemuseum in Dresden und die Bundeszentrale für gesundheidiche Aufklärung (Ressort des Bundesgesundheitsministeriums; hierzu: Albert Funk, Umbau, Umbruch, Umzug, FAZ vom 26. 8. 93, S. 30, und Norbert Göller, Ins Abseits gedrängt, FAZ vom 31.8. 1994, S. 8). 400

Für dieses Verhalten mögen zwei Gründe verlockend sein: Zum einen muß das Land die Einrichtung, die der Bund finanziell unterstützt, selbst weniger oder gar nichtfinanzieren. Zum anderen deckt der Bund seinen (durch sein kulturelles Engagement steigenden) Finanzbedarf durch Steuern, an deren zwei großen, nämlich der Einkommen- und Körperschaftsteuer, die Länder je zur Hälfte beteiligt sind. 401

Er wird regelmäßig zur Begründung des Geltungsanspruchs des GG herangezogen; vgl. nur Mußgnug, § 6, Rn. 102.

III. "Heilung" von Kompetenzverstößen

161

gen als Zustimmung mit dem Grundsatz, daß Rechtsschutz nur der gegen seinen Willen in seinem Recht Beeinträchtigte genießen soll, "volenti non fit iniuria". Die Widerrechtlichkeit der Rechtsverletzung wird aber nur durch das Einverständnis eines Rechtsinhabers beseitigt, der zur Verfügung über das Recht befugt ist. Zwar ist die Verfügungsbefugnis des Rechtsträgers über sein Recht der Regelfall, doch kann der Rechtsträger in der Ausübung seines Rechts durch entgegenstehende Rechte Dritter beschränkt sein, was bis zur treuhänderischen Bindung des Rechtsinhabers gehen kann. 402 Sind also die Länder nach dem Grundgesetz in der Verfügung über ihre Rechte frei oder Bindungen unterworfen? Für die Bindung spricht, daß nach dem Staatsverständnis des Grundgesetzes alle Staatsmacht quasi treuhänderisch beschränkt ist. 403 Die Kompetenzverteilung auf Bund und Länder wird als Regelung gesehen, die das demokratische Element vervielfältigt und der Stimme des Einzelnen in den Fällen des Art. 30 GG ein größeres Gewicht gibt, als dies auf Bundesebene möglich ist. 404 Der föderale Aufbau besteht also im Interesse der Bürger als Dritten, so daß die Länder als Rechtsträger in ihrer Verfügungsbefugnis beschränkt sind und durch die stillschweigende Aufgabe ihrer Kompetenzen ihre Treupflichten gegenüber den Bürgern verletzen. 405 Außerdem ist der Bund nach Art. 91 b GG selbst da, wo er bei einer Landesaufgabe mitwirken darf, an eine ausdrückliche Einigung mit dem Land gebunden. Auch dies spricht eindeutig dagegen, daß im Fall einer Unzuständigkeit des Bundes ein stillschweigendes Einverständnis der Länder reichen kann. 406

402

Treuhänder und anglo-amerikanischer "trustee" sind durch die Interessen des Treunehmers im Innenverhältnis trotz überschießender Rechtsmacht im Außenverhältnis beschränkt; Heinric/zj/Palandt, Überblick vor § 104, Rn. 25. 403

Zur Idee des Mandats S. 34 f.

404

Aufgrund des besseren Repräsentationsverhältnisses, s. hierzu auch BVerfGE 83, 37, 52 (Kommunalwahlrecht für Ausländer). S. auch Süsterhenn, S. 185 (zur gewaltenteilenden Funktion des Föderalismus); Hesse, Rechtsstaat, S. 110 ff., ders., Grenzen, S. 173 und 179 f. 405

So schon Lehr, 7. Sitzung des Pari. Rats, Sten. Prot. S. 85. Ebenso BVerfGE 1, 14, 35 (Neugliederung Südweststaat): "Über seine Gesetzgebung kann ein Land nicht verfügen." Ablehnend auch Grawert, S. 190, für die Exekutive.- Unzulässig ist nach Köttgen, Kulturpflege, S. 110 f., auch die unmittelbare Förderung von Landeseinrichtungen durch den Bund, und zwar auch bei Zustimmung des Landes. S. auch BVerfGE 41, 291, 311 (Bundesförderung für strukturschwache Gebiete) für Art. 104 a GG. 406 S. auch Art. 79 GG.- Die Rechtfertigung von Eingriffen in die Länderkompetenzen damit, daß die föderale Gliederung der Bundesrepublik etwas den Deutschen Aufgedrängtes sei (Frank11 Geißler

162

Teil 2: Kunstförderung des Bundes 2. "Heilung" durch Beteiligung des Bundesrates?

Die zweite Möglichkeit einer Heilung könnte darin gesehen werden, daß die Länder als Kompetenzträger über den Bundesrat an den Maßnahmen des Bundes beteiligt sind. Aber der Bundesrat ist Organ des Bundes. 407 Als Rat 4 0 8 repräsentiert er zudem nicht das Landesparlament, desregierung.

sondern die Lan-

Diese ist nicht Trägerin der Landesgesetzgebungskompetenzen,

also i m Falle einer Verfügung über die Kompetenz durch Zustimmung oder Unterlassen eines Einspruchs Nichtberechtigte. Die i m Völkerrecht umstrittene Frage, ob die Nichtberechtigung auf die Wirksamkeit der geschlossenen Vereinbarungen durchschlägt, 409 muß für das Grundgesetz positiv beantwortet werden. 4 1 0 Denn die Vertretungsmacht der

furter Dokumente), ist verfassungsrechdich bedenklich insofern, als sie stillschweigende Verfassungsdurchbrechungen legitimiert und durch Aussagen bei der Beratung des GG widerlegt wird, so etwa die des Abgeordneten Süsterhenn, 2. Sitzung Pari. Rat, 8. 9. 1948, Sten Prot. S. 18. S. auch Adenauer, 17. Sitzung des Zonenbeirats der britisch besetzten Zone in Hamburg am 24. 11. 1947: "...Wir wollen ... einen wirklichen Bundesstaat, und ... nicht einen zentralisierten Staat mit bundesstaatiichem Anstrich. Ein Bundesstaat setzt voraus, daß seine Glieder aus Ländern zu eigenem Recht bestehen. " Dokumente III, 868. Zur Frage späterer Akzeptanz: Rudolf Grundgesetz, S. 145. 407 So ausdrücklich schon Lehr, 7. Sitzung des Pari. Rates, 21. 10. 1948, Sten Prot. S. 86. Er soll die Länder in Entscheidungendes Bundes einbinden und ihnen insbesondere auch eine etwaige Bundesexekutive leichter verdaulich machen (Süsterhenn, 2. Sitzung des Pari. Rats, Sten. Prot., S. 24; Seebohm, 7. Sitzung, S. 94). 408

Als solcher wird er von Länderregierungen mit gebundenen Vertretern beschickt (Senatssystem: Gewählte der Landtage mit freiem Mandat). Für das Ratssystem Süsterhenn, 2. Sitzung des pari. Rats, 8. 9. 1948, Sten. Prot. S. 21 und 23 f.; ebenso Seebohm, 7. Sitzung, 21. 10. 1948, S. 92 ff., und Brockmann, 7. Sitzung, S. 96 f.; s. auch Heuss, 3. Sitzung, 9. 9. 1948, S. 42, und Dehler, 7. Sitzung, S. 89. Für ein freies Mandat der Regierungsvertreter aber bspw. Lehr, 7. Sitzung, S. 87; ebenso Katz, 7. Sitzung, S. 90.- Auch der bizonale Länderrat war ein echtes Parlament mit "freiem Mandat"; vgl. Strickrodt, S. 119.- Im GG entschied man sich zum dritten Mal in der deutschen Geschichte nach 1871 und 1918 gegen das Senatssystem, vgl. Ehard , BayVBl 61, 1, 3; der Bundesrat von 1871 war aufgrund der personellen Identität der preußischen Abgeordneten mit den Chefs der Reichsverwaltung eher ein Organ des Reiches; vgl. Laband, S. 47. 409 Hier werden alle Meinungen vertreten; die Wiener Vertragsrechtskonvention folgt in Art. 46 einer vermittelnden Ansicht, nach der offenkundige, also für den Vertragspartner erkennbare Mängel des Vertretungsrechts einen Einwand des Vertretenen gegen die Vertragserfüllung begründen; Simma, §§ 689 ff. 410 So auch BVerfGE 4, 115, 139 (Besoldungsgesetz Nordrhein-Westfalen): "ohne rechtliche Wirkung". Ebenso Isensee, § 98 Rn. 293.- Busch S. 110, läßt die Bundesratsäußerung für das Land gelten, hält sie aber für unzulässig. Diese Lösung hat den Nachteil, daß die Äußerung rechtswidrig, aber nicht offenkundig nichtig ist. Sie ist wegen der sich daraus ergebenden Rechtsunklarheit abzulehnen.

III. "Heilung" von Kompetenzverstößen

163

Bundesratsmitglieder wurde im Grundgesetz festgelegt; nur so konnte größtmögliche Rechtssicherheit auf Bundesebene über die Wirksamkeit der Beschlüsse des Bundesrates erreicht werden. Die Landesparlamente können daher keine abweichende Regelung treffen, die ihnen einen besseren Schutz ermöglichte. 411 Diese Beschränkung der Landesparlamente zugunsten des Bundes muß dann aber dadurch ausgeglichen werden, daß den Bund eine Art Garantenstellung gegenüber den Landesparlamenten trifft, er sich also für die Übernahme von Kompetenzen des Landesgesetzgebers nicht auf die Zustimmung des Bundesrats berufen kann. Die Zustimmung des Bundesrats - auch mit verfassungsändernder Mehrheit kann also Eingriffe in die Kompetenzverteilung nie rechtfertigen. 412

3. Überlassung der Kompetenzausübung

Eine dritte Möglichkeit wäre, trotz der Unzulässigkeit endgültiger Kompetenzübertragungen ein Recht der Länder anzuerkennen, den Bund zur Ausübung von Landeskompetenzen im Einzelfall zu ermächtigen. Dafür spricht, daß im umgekehrten Fall dem Bund die Überlassung von Kompetenzausübungen an die Länder sogar im Bereich der ausschließlichen Bundeskompetenz nach Art. 71 GG möglich ist. 413 Dagegen spricht die systematische Analyse von Art. 71 GG. Denn dieser kehrt als Ausnahme von der Ausnahme (Bundeszuständigkeit) zur Grundregel des Art. 30 GG (Länderzuständigkeit) zurück und folgt damit der Regel der

411

Art. 51 GG.- Strickrodt, S. 116, weist darauf hin, daß es auch den Ländern selbst hätte überlassen werden können, wen sie schicken wollen (und damit auch seine landesrechdiche Stellung). 412 "Über seine Gesetzgebung kann ein Land nicht verfügen. Und der Bund kann eine Gesetzgebungszuständigkeit, die ihm das Grundgesetz nicht gewährt, auch nicht durch Zustimmung des Landes gewinnen.", BVerfGE 1, 14, 35 (Neugliederung Südweststaat). S. auch Fastenrath, S. 136 f. m.w.N.; Hufen, BayVBl 85, 1, 4. Unerheblich ist auch eine Bundesratsentscheidung mit verfassungsändernder Mehrheit, vgl. Hesse, Grundzüge, Rn 697 f.: "Manipulationen solcher Art würden zur Entstehung einer Nebenverfassung führen ... Dies wäre um so gefährlicher, als es nicht offen Ausdruck fände und jene Aushöhlung daher für den Bürger kaum erkennbar wäre. Der Primat und die stabilisierende Wirkung der geschriebenen Verfassung, die Rechtsklarheit und die Rechtsgewißheit, die sie schafft, wären preisgegeben zugunsten der Zulassung eines notwendig immer unübersehbarer werdenden Konglomerats von Abweichungen ..." 413

So eine Überlegung Fastenraths, S. 137 ff.

164

Teil 2 Kunstförderung des Bundes

engen Auslegung von Ausnahmen. Im umgekehrten Fall (Ermächtigung des Bundes durch die Länder) würde man aber gerade zu einer Erweiterung der verfassungsrechtlichen Ausnahme der Bundeszuständigkeit kommen. Ein solches Vorgehen ist systematisch ohne ausdrückliche Grundlage in der Verfassung nicht vertretbar. Die fehlende Zuständigkeit des Bundes kann also nicht geheilt werden.

I V . Verfassungsreform nach der Wiedervereinigung

Fraglich ist, welchen Einfluß die verschiedenen Verfassungsänderungen, die im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung und Art. 5 (3. Spiegelstrich) des EV zur Debatte stehen oder standen, auf die Unzuständigkeit des Bundes für Kunstförderung hätten.

1. Die Einführung einer Kulturstaatsklausel

Im Zusammenhang mit der möglichen Einführung von "Staatszielbestimmungen"414 wird immer wieder die Einführung einer Kulturstaatsklausel angesprochen.415 Der bundesstaatliche Gesichtspunkt dieser Frage ist schon in der DennigerKommission besprochen worden. Sie wollte dem Bund keine neuen kulturellen Kompetenzen zugestehen,416 hielt die Einfügung eines Staatszieles Kultur in Art. 20 oder 28 GG aber für neutral für das Verhältnis zwischen Bund und Ländern. 417

414

Art. 5 (3. Spiegelstrich) des EV.

415

S. bspw. vom Kuratorium fiir einen demokratisch verfaßten Bund deutscher Länder in s Denkschrift zum Verfassungsentwurf von 1991 (Art. 20 und 5 a eines geänderten GG). Befürwortet wird die Einführung einer Kulturstaatsklausel auch vom Deutsche Kulturrat; aro. , Kulturrat rät, FAZ vom 28. 9. 1991. 416

Bericht, Rn. 193.

417

Bericht, Rn. 215. Geplant waren folgende Formulierungen: Art. 20 Abs. 1: "Die Bundes-

IV. Verfassungsreform nach der Wiedervereinigung

165

Meines Erachtens ist das aber eine Illusion. Denn mit Aufnahme einer Kulturstaatsklausel in das Grundgesetz (zumindest in Art. 20 GG) wird Kultur etwas, was auch der Bund bei seinen Entscheidungen beachten müßte, was er zunehmend beachten würde und was im Laufe der Zeit zu einer umfangreichen und wegen der finanziellen Kraft des Bundes bedeutenden Kulturpflege durch den Bund ausarten würde, der man nicht mehr den Vorwurf der Verfassungswidrigkeit machen könnte.418 Bei einer Einführung in Art. 28 GG sind zwei Auslegungsmöglichkeiten zu unterscheiden: Entweder vertritt man die Ansicht, daß Art. 28 GG nur solche Festsetzungen enthält, die auch der Bund beachten muß. Dann gilt das Gleiche wie für eine Einführung in Art. 20 GG. - Oder man geht, vom Wortlaut unterstützt, davon aus, daß Art. 28 Abs. 1 und 2 GG sich nur an die Länder und Gemeinden wenden,419 der Bund also durch die Änderung von Art. 28 GG nur die Länder auf einen kulturstaatlichen Charakter festlegen würde. Dann aber wäre das Bundesstaatsprinzip dadurch gefährdet, daß der Bund den Ländern nicht nur solche Grundsätze vorschriebe, die er auch selbst erfüllt (Demokratie, Rechtstaatlichkeit, pp.), sondern den Ländern (belastende) Pflichten auferlegen könnte, ohne gleichzeitig selbst gebunden zu sein. Eine Selbstbindung des Bundes an alle Grundsätze, die er den Ländern vorschreiben

republik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. Sie schützt und pflegt die Kultur und die natürlichen Lebensgrundlage des Menschen."- Art. 28 Abs. I S . 1: "Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes und der Verantwortung des Staates für Kultur und natürliche Umwelt entsprechen. " Gleicher Ansicht wie die Kommission Häberle, DV 91, 203 f., der eine Einfügung der Kulturstaatsklausel in Art. 28 GG vorschlägt und dadurch die "zentralistische Sog Wirkung" zugunsten einer Bundeskompetenz - auch gegenüber der EG - für gebannt hält. 418

Auch nach Wienholtz, AöR 109, 532, 544, wäre eine Kulturstaatsklausel nicht kompetenzneutral, sondern würde den Bundeseinfluß verstäken. Ebenso Geis, S. 194 f., und ders., ZG 92, 38, 42. 419 So Häberle, DV 91, 203 f. Häberle, Bundesstaat, S. 50, schlägt eine Verankerung in der Homogenitätsklausel vor, um den Kulturstaatscharakter und -auftrag der Länder bundesverfassungsrechdich festschreiben zu lassen, und meint (DV 91, 203), daß es nach der Regelung im Einigungsvertrag, die immerhin mit verfassungsändernder Mehrheit beschlossen wurde, nur noch ein kleiner Schritt bis zu einer Kulturstaatsklausel wäre und die Bundesrepublik sowieso ein solcher Staat ist. Er weist aber auf die zentralistische Sogwirkung hin und schlägt aus diesem Grund die Einführung der Klausel in Art. 28 vor, wodurch er sich einen Schutz der Länder gegen Bund und EG verspricht; Probleme, S. 204. Ebenso ders., JöR 40, 291, 320 und 353.- Die Hoffnung, durch Einführung einer Kulturstaatklausel Kompetenzabwanderungen an die EG zu verhindern, ist m.E. trügerisch, denn die bisherige Kompetenzverteilung hat Abwanderungen nach Brüssel auch nicht verhindert.

166

Teil 2 Kunstförderung des Bundes

will, ist aber m.E. ein wertvolles Regulativ gegen die stets gefahrliche Möglichkeit, Dritte zu verpflichten. - Wo man sie auch unterbringt, führt die Einführung einer Kulturstaatsklausel also zur Betroffenheit des bundesstaatlichen Systems. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß die Einführung der Staatszielbestimmung Kultur rechtlich unmöglich wäre. Als Verfassungsänderung unterläge sie Art. 79 GG, insbesondere Art. 79 Abs. 3. Zu den dort festgelegten Grenzen einer Verfassungsänderung im Rahmen des Grundgesetzes gehören die "Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung und"

das Bundesstaatsprinzip (Art. 79 Abs. 3 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG). 420 Die auslegungsbedürftige - Formulierung von Art. 79 Abs. 3 GG erschien dem Parlamentarischen Rat als Mittelweg zwischen einem zu engen Festhalten an der einmal festgesetztes Kompetenzverteilung und Veränderungen, die die Identität der Verfassung berühren, indem sie bspw. die Länder zu reinen Verwaltungseinheiten degradieren. 421 Die Länder müssen also mehr staatliche Gewalt als nur die Exekutivgewalt haben.422 Da die Judikative kein eigener Bereich, sondern höchstens Begleiterscheinung politischer Dezentralisation ist, 423 kommt als Gewalt, die den Ländern eine andere Qualität als Verwaltungseinheiten verleiht, nur die Legislative in Betracht. Zwar sind die Gegenstände der Länderlegislative nicht im Grundgesetz festgelegt. Die historische Auslegung zeigt aber, daß Art. 79 Abs. 3 GG auch keine absolute Sperre gegen Kompetenzverschiebungen sein soll, sondern daß im Vordergrund steht, die Länder als Foren zu sichern, auf denen in demokratischer Weise politische Entscheidungen getroffen werden, und so das demokratische Element in der

420

S. auch Tomuschat!BK, Art. 24 Rn. 25.- Jenseits dieser Grenze ist nur neue Verfassunggebung, nicht aber Verfassungsänderung möglich. 421 Andererseits sollte nicht jede Kompetenzverschiebung einen Streit über die Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG vor dem Verfassungsgericht führen (Sten. Prot, der 12. Sitzung des HA am 1. 12. 1948, S. 146 ff.). Die Diskussion kam zu ihrem Höhepunkt mit der Frage Dr. Laforets: "was sind denn diese Länder?", die aber nach dem Zwischenruf Dr. Greves: "Das soll der Staatshof entscheiden! " nicht einer endgültigen Klärung der essentialia zugeführt wurde (beides a.a.O., S. 147). 422

Nach Busch, S. 68, müssen die Länder über alle drei Gewalten incl. Gesetzgebung verfügen, S. 113 f. Vgl. auch die Formulierung von der "Eigenstaadichkeit der Länder", die meint, die Länder müßten alle drei klassischen Gewalten (Judikative, Exekutive und Legislative) haben. 423 Entscheidend ist, daß sie keine produktive Qualität hat, in der sich eine eigene Identität der Länder ausprägen könnte, da sie - ideal betrachtet - nur von Dritten gesetztes Recht anzuwenden hat.

IV. Verfassungsreform nach der Wiedervereinigung

167

Verfassung zu stärken. 424 Entscheidend ist daher, daß auf der Ebene der Landesgesetzgebung noch Entscheidungen von einem gewissen politischen Gewicht getroffen werden; 425 der Sachbereich, auf dem sie getroffen werden, tritt dahinter zurück. Die Bedeutung der legislativen Entscheidungen der Länder ist aber seit Schaffung des Grundgesetzes kontinuierlich gesunken, den Ländern ist kaum noch politisch entscheidende Gesetzgebung übrig geblieben. 426 Übrig bleibt die Exekutive der Länder. Hier ist "politische Entscheidung" nur da möglich, wo die Verwaltungsentscheidung nicht durch Gesetze vorgegeben ist. Die Kulturpolitik ist der Paradefall für die gesetzesfreie Verwaltung* 21 und - angesichts der bis auf ein Nichts herabgesunkenen Bedeutung der sonstigen Entscheidungen, die noch auf Landesebene getroffen werden einer der wenigen Bereiche, in denen die Länder überhaupt noch entscheiden, wobei darauf hinzuweisen ist, daß die Möglichkeit von Verwaltungsentscheidungen allein die Länder nicht hinreichend von Verwaltungseinheiten abgrenzt, die sie nach dem Grundgesetz gerade nicht sein sollen (s.o.). Aus diesem Grund kann die Kompetenz der Länder auf dem Gebiet der Kunst zwar auf einen anderen Entscheidungsträger übertragen werden. Dies führt aber nur dann nicht zur endgültigen Beseitigung der Länder als selbständiger Entscheidungsträger und damit zu einem Verstoß gegen Art. 79 Abs. 3 GG, wenn dieser Verlust durch die Übertragung anderer Entscheidungskompetenzen auf die Länder ausgeglichen würde. Das gilt auch dann, wenn die Länder durch die Verfassungsänderung ihre kulturelle, insbes. künstlerische Zuständigkeit nicht gänzlich verlören. Denn schon bei einer kulturellen Zuständigkeit des

424

S. hierzu oben Fn. 52 und 410; ferner Hesse, Rechtsstaat, S. 110 f.; Grenzen, S. 174 ff.

425

Ebenso Hesse, Grenzen, S. 174 ff.- Busch, S. 114, verlangt sogar, daß die eigenverantwortlichen Entscheidungen der Länder nach ihrem Gewicht denen des Bundes "ebenbürtig" sein müssen (er leitet dies allerdings nicht aus dem GG ab. Man könnte ggf. auf Art. 30 GG zurückgreifen, der von der Regelzuständigkeit der Länder ausgeht und damit für den Schwerpunkt politischer Entscheidungen auf Landesebene sprechen könnte; im Hinblick auf die Kataloge von Art. 73 ff. GG ist das aber gewagt).- Merten, Beteiligung, S. 41 f., spricht von "Erforderlichkeit" und dehnt damit Art. 72 Abs. 2 GG auf das ganze Verfassungsrecht aus, obwohl dieser nur auf Art. 74 und 75 GG anzuwenden ist. 426 Landesgesetzen "im Schatten" einer vom Bund wahrgenommenen Kompetenz nach Art. 74 oder 75 GG bleibt in der Regel kaum noch viel zu entscheiden übrig. Die klassischen Bereiche der Landesgesetzgebung werden außerdem zunehmend durch Spezialregelungen des Bundes verdrängt (insbes. im besonderen Recht der Gefahrenabwehr) oder vom GG oder der EG vorgegeben (insbes. Schul- und Bildungsrecht durch Art. 12 GG und EG-Regelungen). S. auch Hesse, Grenzen, S. 177. 427

Auch sie ein nach der Ausdehnung des Gesetzesvorbehalts stark geschrumpfter Bereich.

168

Teil 2 Kunstförderung des Bundes

Bundes neben den Ländern ist der Status der Länder als selbständige Entscheidungsträger so eingeschränkt, daß ein Verstoß gegen Art. 79 Abs. 3 GG vorliegt, weil sich der Bund als der Finanzkräftigere durchsetzen würde. 428 Die Position des Bundes würde noch dadurch verstärkt, daß er im Falle einer eigenen Zuständigkeit für Kunstförderung nach Einführung einer Kulturstaatsklausel diese als Verpflichtung in die Verteilung der Finanzen nach Art. 106 Abs. 3 GG einbringen könnte und damit seine finanzielle Überlegenheit weiter ausbauen könnte. Diese Bewertung gilt auch da, wo die Länder aufgrund ihrer Kulturkompetenz zuständig sind für Maßnahmen über das Gebiet eines Landes hinaus, wobei für die Bewertung einer Maßnahme als landesüberschreitend schon problematisch ist, ob der Ruf der Einrichtung, die durch sie verursachten Kosten, der Landeskulturhaushalt, der Anteil auswärtiger Nutznießer der Einrichtung oder der durch die Besucher verursachte Gewinn des Niederlassungsgebietes zugrundezulegen ist. Selbst wenn man sich hierüber verständigen könnte, sprechen die besseren Gründe dafür, daß das von der Ausübung der Länderkompetenz betroffene räumliche Gebiet für die Zuständigkeitsfrage unerheblich ist. Denn das Grundgesetz hat die Kompetenzen nicht nach räumlicher Betroffenheit und auch nicht danach verteilt, ob Bund oder Länder zweckmäßiger entscheiden können.429 Zweckmäßigkeit mag wünschenswert sein und als Überlegung hinter den meisten Zuständigkeiten des Bundes stehen; eine Begrenzung von Landeskompetenzen aus Zweckmäßigkeit scheitert aber daran, daß die Länder Einrichtungen sind, die nicht zweckmäßiger, sondern demokra-

428 S. oben bei Art. 91a und b GG, S. 105 ff.- Denn als der Finanzkräftigere wäre es der Bund, der die großen, teuren und bedeutenden Objekte fördern würde, der für solche Objekte zum Ansprechpartner und damit auch zu demjenigen wird, der die kulturpolitischen Akzente setzt, während die Länder auf Objekte mittierer und geringer kultureller Bedeutung beschränkt blieben. Vgl. hierzu auch Hufen, BayVBl 85, 1, 3, und Berghoff, S. 57 f. (für die Filmförderung des Bundes). Die Entscheidungshoheit der Länder wäre also nicht nur partiell berührt, sondern in ihrem interessantesten Bereich (sozusagen im Kern) verletzt. 429 So aber Grabitz, Grundlagen, S. 171 f., nach dem sich das Bundesstaatsprinzip nicht durchsetzt, wenn der Grundsatz der Subsidiarität (und damit Praktikabilität) gebieten, sämtiiche Kompetenzen auf die höhere Ebene zu übertragen.- Zur Ablehnung des Subsidiaritätsprinzips als Rechtsprinzip im Rahmendes GG s.o. Teil 1 Fn. 24; zum Argument der Überregionalität s. oben (bei Art. 72 Abs. 2 GG) S. 98 ff. Gerade Art. 72 Abs. 2 GG zeigt, daß allein die Überregionalität nicht zu einer Bundeskompetenz führt. Die Geeignetheit ist aber auch umgekehrt kein Argument zugunsten einer Länderkompetenz. Dies und Skepsis gegenüber der Herleitbarkeit aus dem Grundgesetz führen dazu, daß ich der Ansicht von Geis und anderen, nach der die Länder für alle Entscheidungen zuständig sind, die "den einzelnen individuell besonders betreffen" (wozu insbes. der Bereich von Schule und Bildung gezählt wird; s. Geis, DÖV 92, 522, 528 m.w.N.), nicht folgen kann.

IV. Verfassungsreform nach der Wiedervereinigung

169

tischer Aufgabenerfüllung dienen - und das ist fast schon ein Gegensatz in sich. 430 Eine Bundeszuständigkeit für länderübergreifende Maßnahmen ist hier auch nicht deshalb zu befürworten, weil sie das demokratische Element stärken würde und damit dem Zweck der Gliederung in Länder, nämlich die Verstärkung demokratischer Elemente, besser dienen würde als eine Entscheidung der Länder. Zwar können die Landesparlamente die Entscheidungen, soweit sie im Wege der Länderkooperation getroffen werden, nur durch pauschale Zustimmungsgesetze beeinflussen. Aber auch bei Zuständigkeit des Bundes wäre das (Bundes-)Parlament im Bereich der Kunstförderung als gesetzesfreier Verwaltung auf die Kontrolle der Bundesregierung beschränkt. Demgegenüber muß die mehrfache Kontrolle durch mehrere Landesparlamente431 als demokratisch stärker angesehen werden. Soweit den Ländern keine anderen Bereiche eigener Entscheidung als Kompensation übertragen werden, verbietet Art. 79 Abs. 3 GG also eine kulturelle Zuständigkeit des Bundes neben den Ländern. 432

2. Länderkompetenzen und Bundesrat

Ein weiterer Bereich des Grundgesetzes, für den eine Änderung in Betracht kommt, ist - vor dem Hintergrund der erheblichen Kompetenzverschiebungen von den Ländern auf den Bund oder die EG - die Neuverteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern. 433

430

Denn Demokratie ist mit ihrem Rekurs auf möglichst viele Entscheidungsträgerund mit einer möglichst ausgeprägten Kontrolle staatiicher Machtausübung in der Regel die unzweckmäßigste Entscheidungsform. Die Entscheidung des GG für die demokratische Staatsform (Art. 20 Abs. 1) und ihre zusätzliche Verstärkung durch die Einrichtung von Ländern (Art. 79 Abs. 3) ist Ausdruck dafür, daß im Vordergrund des Staatsaufbaus nach dem GG nicht Zweckmäßigkeit, sondern möglichst große Machtverteilung und Machtkontrolle stehen; man könnte fast von einer "staatsnegativen" Grundentscheidung sprechen. 431 Die an sich schon durch das bessere Repräsentationsverhältnis (und die größere Nähe zu der betroffenen kulturellen Einrichtung) die höhere demokratische Legitimation haben, vgl. Teil 1, Fn. 91. - Zu berücksichtigen ist auch die Möglichkeit der Länder, Länderverträge zu lösen und ihre eigenen Wege zu gehen. Auch die Möglichkeiten der Landesparlamente bei Abschluß und Erfüllung der Verträge sind auf der Ebene des Landes(verfassungs)rechtsbeeinflußbar. 432 Solche Übertragungen sind nicht ersichdich. Die Einführung einer Kulturstaatsklausel ins Grundgesetz ist auch nicht mehr in der Diskussion. 433

S. bspw. Herzog, BayVBl 91, 513, 515 f.; aber auch die Bedenkender Enquête-Kommission

170

Teil 2 Kunstförderung des Bundes

Änderungen zu Lasten der Länder wären wieder an Art. 79 Abs. 3 G G zu prüfen, sind aber nicht ernsthaft im Gespräch. 434 Vorgeschlagen wird eine Aufwertung des Bundesrats, die aber als Kompensation fur den Kompetenzverlust der Länder kein ausreichender Ersatz ist, wenn man die föderale Struktur als Verstärkung des demokratischen Elements der Verfassung sieht. 435

3. Verteilung der Finanzen Ein Bereich, in dem auf jeden Fall Änderungen nötig wären, ist der der Finanzverteilung. Denn die Länder können nur dann Entscheidungen treffen, wenn sie auch eine entsprechend selbständige Finanzhoheit haben. 4 3 6 Eine Neuverteilung der Finanzen ist für 1994 in Sicht, eine Änderung zugunsten der Länder aber äußerst unwahrscheinlich. 437

Verfassungsreform, BT-Drucks. 7/ 5924, S. 128 (Gefahr der Rechtszersplitterung). Zu den Vorschlägen der Gemeinsamen Verfassungskommission: Friedrich Karl Fromme, Mehr Kompetenzen für die Länder, FAZ vom 15. 7. 93, S. 10. 434 Nicht mehrheitsfähig ist wohl der Vorschlag des Bundesbildungsministers Ordeb für eine erhebliche Vermehrung der Bundeskompetenzen in Bildungswesen und Kultur vor dem Hintergrund der deutschen und europäischen Einigung; vgl. B.M., Ordeb fordert "Bundeshoheit Bildung", FAZ vom 25. 5. 1991 ; zur verärgerten Reaktion der Länder: B.M., Kritik aus den Ländern an Bildungsminister Ordeb, FAZ vom 28. 5. 1991. 433

Vgl. oben S. 139 f. und 144 f. S. auch Scheuner, DÖV 62, 641, 645; Lerche, VVDStRL 21, 66, 78 f. m.w.N. insbes. in Fn. 46; ders., Verfassungsfragen, S. 42; Hesse, Bundesstaat, S. 145.Schulze-Fielitz, NJW 91, 2456, 2460, sieht den Bundesrat schon durch die größere Zahl der Bundesländer nach der Wiedervereinigung der Gefahr der Zersplitterung ausgesetzt. 436 Nach Köngen, Kulturpflege, S. 118, sind die bestehenden Schwierigkeiten mit Ausnahmen der Finanzfrage geräuschlos durch Selbstkoordinierung der Länder zu beheben. Ebenso der Deutsche Städtetag, kum., Rommel wieder zum Präsidenten des Städtetags gewählt, FAZ vom 7. 6. 1991; Hans D. Barbier, Ein Deutschland der Regionen, FAZ vom 3. 7. 1991; auch die SPD hatte die Anhebung des Länderanteils an der Umsatzsteuer von 35 auf 37 % gefordert, hai. , Haushaltsreste und Kredite, FAZ vom 7. 2. 1992.- Vgl. übrigens schon Lehr, 7. Sitzung des Pari. Rates, 21. 10. 1948, Sten. Prot. S. 86: "Die Sicherung gegen .. eine etwa befürchtete Aushöhlungspolitik gegenüber den Ländern muß vor allem auf folgende Weise geschaffen werden: Erstens durch eine den Bund, die Länder und die Gemeinden in ihrer selbständigen Existenz und in ihren Rechten sichernde Verteilung der Finanzen; zweitens durch eine Verteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern, wie sie durch ausdrückliche Zuweisung im Zuständigkeitskatalog der Art. 35, 36 ff. unseres Verfassungsentwurfs und durch die Ablehnung des Begriffs der Kompetenz-Kompetenz, die - sei sie ausdrücklich, sei sie durch die Fassung anderer Artikel ausgesprochen vorgesehen ist. " 437

Wer gibt schon auf, was er hat?- Jedenfalls das Gesetz zur Umsetzung des föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23. 6. 93, BGBl I S. 976 f., hat keine grundlegenen Änderungen gebracht. Allerdings zieht sich der Bund inzwischen deutiich - nicht nur in den neuen Bundes-

V. Ergebnis

171

V. Ergebnis

Nach dem Grundgesetz besteht grundsätzlich keine Kompetenz des Bundes zur Kunstförderung. Daher sind fast alle Kunstförderungsmaßnahmen des Bundes unzulässig, woran auch das stillschweigende Einverständnis der Länder nichts ändert. 438 Zulässig sind ausnahmsweise die kulturellen Maßnahmen, die der Bund in den neuen Bundesländern getroffen hat. Dies gilt aber nur für die unmittelbare Übergangszeit nach der Wiedervereinigung und kann nicht auf weitere Fälle ausgedehnt werden. Im Rahmen einer Verfassungänderung ist zu beachten, daß die Einführung einer Kulturstaatsklausel im Grundgesetz einen Verstoß gegen Art. 79 Abs. 3 GG bedeuten würde. Die schon jetzt angegriffene Stellung der Länder als Träger eigener politischer Entscheidungen sollte auf jeden Fall wieder verbessert werden, und zwar vor allem im finanziellen Bereich. Auf diesen Punkt ist bei der Neuverteilung der Finanzen 1994 zu achten.439 Berücksichtigt werden sollte dabei auch, daß Ausgaben für Kultur zu einem grossem Anteil im Wege der Umwegrentabilität in die Kasse des Bundes fließen. 440

ländern - aus der Kulturförderung zurück. Vgl. hierzu Wolfgang Sandner, Die Förderlücke, FAZ vom 23. 7. 93, S. 25; Regina Wyrwoll, Ein Kahlschlag ohnegleichen, Süddeutsche Zeitung vom 20. 8. 93, S. 12; Theo Waigel, Wo die Musik nicht spielt, FAZ vom 26. 8. 93, S. 27; dpa, Wortbruch, FAZ vom 3. 9. 93, S. 31; Freimut Duve, Bayreuth ja, Bauhaus nein?, FAZ vom 7. 9. 93, S. 35; Wolfgang Sandner, Vorlieben, FAZ vom 10. 9. 93, S. 33; Frieder Reininghaus, Geld ist Glück, FAZ vom 28. 9. 93, S. 35; Gerhard R. Baum, Den Faden weiterspinnen, FAZ vom 9. 10. 93, S. 29; Sp., Sedierend, FAZ vom 9. 12. 93, S. 35; Sto., "Kulturhilfe muß fortgesetzt werden", FAZ vom 11. 12. 93, S. 4; ders., Entrüstung über Vorschlag zur Kulturhilfe, FAZ vom 16. 12. 93, S. 4; dpa, Schleichender Abbau, FAZ vom 23. 6. 93, S. 29; cpm, Ohne Lobby, FAZ vom 24. 1. 94, S. 29. Die niedrigeren Förderquoten ergeben sich zum Teil auch aus Fn. ... ff. Interessanterweise wurde 1993 der Aufbau des Bundeshaushaltsplans in diesem Bereich (insbesondere EP 06) geändert, vgl. BHHP 1993, EP 06, S. 346 und BHHP 1994, EP 06, S. 377. 438 Allerdings stieß die Bezeichnung "Kulturhoheit der Länder" schon bei der Denniger-Kommission auf Kritik, die den Ausdruch "kulturellen Regelzuständigkeit" der Länder vorgezog; Bericht, Rn. 175 f.- Die Länder können sich gegen diese Kompetenzüberschreitungendes Bundes vor dem Bundesverfassungsgericht wehren, wobei sie sich nach der Rechtsprechung des BVerfG u.U. sogar auf Art. 5 Abs. 3 GG stützen können; BVerfGE 12, 205, 259 (Deutschland-Fernsehen) für die Rundfunkfreiheit. 439

S. hierzu Dt., Der Startschuß für den Verteilungskampf ist gefallen, FAZ vom 16. 9. 1992, S. 5; Carl-Heinz Tretner, Vielfalt von Aachen bis Trittau, FAZ vom 28. 9. 1991, S. 13. 440

So das Ergebnis einer Studie, die das Münchener Ifo-Institut im Auftrag des Bundesinnenministeriums gemacht hat, vgl. Andreas Rossmann, Mehr Atem, FAZ vom 25. 7. 1991.

Teil 3:

Kunstförderung und EG I . Maßnahmen der EG auf dem Gebiet der Kunst

1. Der Haushalt der EG Der Haushalt der E G hat 1992 einen Umfang von 62.827.602.349 E C U , das sind rund 129.013.550.000 D M , 1 also ca. 30,6 % des Haushalts der Bundesrepublik i m gleichen Jahr. 2 Finanziert wurde die Gemeinschaft bisher zu über 99 %, seit 1. 11. 1993 ausschließlich aus Eigenmitteln (Art. 201 Abs. 1 E G V ) , hauptsächlich durch Beteiligung an der Mehrwertsteuer, am Bruttosozialprodukt der Mitgliedstaaten und aus Zöllen. 3 Die Ausgaben der E G flössen 1992 zu 85 % in die Bereiche "Agrarpolitik" und

"Strukturmaßnahmen

und

Fischerei". 4

Demgegenüber

wirken

die

Ausgaben der Gemeinschaft für Kultur mit 1.037.886.300 D M ( = 0,8 % des

1

Gesamthaushalt der EG 1992, ABl. 92/L 26/5.- Angaben nach now ., Delors präsentiert die Rechnung für Maastricht, FAZ vom 13. 2. 1992: 66,6 Milliarden ECU. Der Haushalt der EG wuchs 1993 im Verhältnis zu 1992 um 4,3 % und 1994 im Verhältnis zu 1993 noch einmal um 8,14 % auf 70.857.939.052 ECU (Gesamthaushalte der EG, ABl. 93/L31/5 und 94/L 34/5). 2

Zum BHHP s.o. S. 70 ff.

3

Einnahmen Mwst.bet. Zölle Bruttosoz.pr. Anteil am EG-Haushalt 54,5 % 20,5 % 21 % dt. Anteil hieran 29 % 30 % 26 % HHPEG 1992, S. 5, 21, 19 und 25.- Vgl. auch Bieber!BBPS, S. 158 ff. Angaben über die EGEinnahmen 1990 bei Messal, S. 26.- Rechtsgrundlage waren vor 1. 11. 93 Art. 201 EWGV und der Beschluß des Rates vom 24. 6. 1988 über das System der Eigenmittel der Gemeinschaft (ABl. 88/L 185/24). 4

HHPEG 1992, S. 103: Agragpolitik 57 % ; Strukturmaßnahmen und Fischerei: 28 %.- Angaben für 1990 bei Messal, S. 30: Agrarpolitik 65 %, Regionalpolitik und Verkehr 11,2 %, Sozialpolitik 7,9 %, Verwaltung 5 %. Vgl. auch Bieber/BBPS, S. 162 f., und now., Delors präsentiert die Rechnung für Maastricht, FAZ vom 13. 2. 1992.- Zu den Finanzströmen In der EG s. auch Heinrich Lummer, Deutsches Geld in Brüssels Töpfen, FAZ vom 12. 1. 94, S. 8.

I. Maßnahmen der EG auf dem Gebiet der Kunst

173

Gesamthaushalts der EG) recht bescheiden.5 Dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn man bedenkt, daß mindestens 93 % dieses Geldes nicht für Kunst, sondern für Bildung ausgegeben wird. 6 - Allerdings ist die Bereitstellung von Mitteln nicht die bedeutsamste Tätigkeit der EG. Das finanzielle Engagement der E G ist eher die Spitze eines Eisbergs kultureller Empfehlungen, Richtlinien und sonstiger Maßnahmen, mit denen die E G selbst kunstfördernd tätig wird oder dies den Mitgliedstaaten - mehr oder weniger verbindlich - aufgibt.

2. Ziel kultureller Tätigkeit der EG Die kulturellen Maßnahmen der E G sollen zur Entfaltung nationaler und regionaler Identitäten beitragen, die Gemeinsamkeit des kulturellen Erbes und der Werte betonen und die Toleranz gegenüber der Kultur des anderen fördern. 7 Der Einzelne soll sich mit dem gemeinsamen Kulturerbe identifizieren, 8 Kultur soll also integrierend wirken. 9 Kunstförderung wird als Vorteil der gesamten Gemeinschaft gesehen,

5 506.286.000 ECU, HHPEG 1992, S. 103 (1993 Absenkung um gut 7 % bei gleichzeitiger Steigerung der Kulturausgaben im engeren Sinn um 393 % (von 12.896.000auf 63.575.000 ECU); 1994 Steigerung der Gesamtkulturausgaben um 9,5 % bei Steigerung der Kulturausgaben im engeren Sinn um 14,78 %; vgl. HHP EG 1992, S. 103, 689 und 1241, HHP EG 1993 (ABl. L 31), S. 115 und 777, HHP EG 1994 (ABl. L 34), S. 137 und 783; dazu kommen noch Forschungsausgaben von weiteren 3 % des Gesamthaushalts, a.a.O. Für spezielle Aktionen stellt die EG weitere 5.119.000 ECU (HHPEG 1992, S. 706 ff.) und für die kulturelle Zusammenarbeit mit Dritdändern 1.511.000 ECU (HHPEG 1992, S. 708 f.) zur Verfügung.- Immerhin sind die Kulturausgaben der EG knapp so hoch wie die des Bundes, s.o. S. 70. 6

Nämlich für die Allgemeine und berufliche Büdung 269.875.000 ECU (HHPEG 1992, S. 689 und 1241), für die kulturelle Bildung der Kinder der Wanderarbeiter 2.000.000 ECU, der Kinder der Sinti und Roma 700.000 ECU und die der Binnenschiffer, Zirkusangehörigen und Schausteller 300.000 ECU (S. 692 f.), für die Programme PETRA 28.696.000 ECU (S. 696), COMETT 51.560.000 ECU (S. 698), ERASMUS 80.000.000 ECU (S. 700) und LINGUA 38.000.000 ECU (S. 700). 7 KOM (92) 149 endg., S. 1 b, ebenso Schlußfolgerungender im Rat vereinigten Minister für Kulturfragen vom 12. 11. 92, ABl. 92/C 336/01 (das ist offensichtlich auch nötig, wenn die Einführung von Deutsch als 3. Amtssprache damit abgelehnt wird, daß dazu "keine Kultur gehöre", K.F., Gegen Deutsch als dritte Amtssprache, FAZ vom 13. 5. 93, S. 3).- Kritisch zur übertriebenen Interpretation der Geschichte als einer "europaorientierten" der Kulturbeirat auf seiner Sitzung am 12. 3. 1992; S. 2 der Zusammenfassung der Sitzung. 8 9

KOM (92) 149 endg., S. 5.

So ausdrücklich Ziff. 32 der Entschließung des Europäischen Parlaments A3-0396/92, ABl. 93/C 42/181: als "wirksames Gegengewicht in denjenigen Regionen Europas", "in denen sich starke Tendenzen zu nationalistischer Abgrenzung ... manifestiert".

174

Teil : Kunstförderung und

"denn es sind die Künstier, die dank ihres Talents die Bezugspunkte und Werte schaffen und weitergeben, die die Kulturen unserer Gemeinschaften mit Leben erfüllen und ihren Fortbestand sichern."10

3. Einzelne Maßnahmen der Kunstförderung 11 Zur Erreichung der genannten Ziele bemüht sich die Gemeinschaft um die Erhaltung des architektonischen -

Erbes, indem sie

mindestens ein Vorhaben zur Erhaltung des gemeinschaftlichen architektonischen Erbes in jedem Mitgliedstaat finanziert,

wofür

1991 insgesamt

2.600.000 E C U bewilligt wurden; 12 -

Restaurierungsarbeiten an bedeutenden europäischen Kulturdenkmälern und Kulturstätten von herausragender historischer Bedeutung finanziell unterstützt, wofür allein 1991 1.200.000 E C U bewilligt wurden; 13

10

KOM (92) 149 endg., S. 6.

11

S. auch Häberle, JöR 32, 9 ff.

12

Nach HHPEG 1992, s.o. Fn. 1, S. 706, 1992 sogar 6.000.000 ECU. Das Programm besteht seit 1984 undfinanziert sich aus Zuschüssen für Restaurierungsarbeiten auf europäischer Ebene (= rund 1/3 des Budgets des Referats "Aktion im kulturellen Bereich"). (in 1000 ECU) 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 verfügbare Mittel 400 500 700 2100 2700 2400 2600 2600 ausgewählte Vorhaben 12 12 13 22 30 24 26 37 Verfahren: Jährl. Ausschreibung, 1. Auswahl nach formalen Kriterien in Zusammenarbeit mit Fachkreisen der Denkmalpflege unter Berücksichtigung der Stellungnahme der nationalen und regionalen Stellen, 2. Auswahl durch eine Jury aus unabhängigen Sachverständigen, endgültige Entscheidung der Kommission; ab 1989 jährlich wechselnde thematische Akzente: 1989: Baudenkmäler; 1990: Histor. Stätten oder Gebäude im Stadt-/Dorfbild; 1991: Zeugnisse der menschl. Produktionstätigkeit; 1992: öffentl. Straßen oder Plätze in histor. Zentren.- Vorläufer waren die Entschließung des Eur. Pari, für verstärkte Anstrengungen zur Erhaltung des europ. Kulturguts, ABl. 74/C 62/5, und die Empfehlung der Kommission an die Mitgliedstaaten zum Schutz des baulichen Kulturerbes und des nationalen Lebensraums (ABl. 75/L 21/22; befürwortet Ratifizierung des UNESCOÜbereinkommens von 1972 und die Unterstützung der Initiative des Europarats "Europajahr der Baudenkmäler 1975"); vgl. zu allem: ABl. 90/C 304/04 (Entschliessung der im Rat vereinigten, für Kulturfragen zuständigen Minister über die Erhaltung des europäischen architektonischen Erbes); KOM (92) 149 endg., Anhang A, S. 5 ff. 13 Insgesamt bis 1991: 5.003.500 ECU. Unterstützt wurden (KOM (92) 149 endg., Anhang A, S. 7 f.): - Parthenon und Akropolis mit insgesamt 3.533.500 ECU, - Klosteranlagen auf dem Berg Athos (s. Entschließung des Eur. Pari., ABl. 81/C 144/92) mit insges. 520.000 ECU, - das 1988 abgebrannte Stadtviertel "Chiado" in Lissabon (s. Entschließung des Eur. Pari. ABl. 88/C 262/110) mit insges. 750.000 ECU,

I. Maßnahmen der EG auf dem Gebiet der Kunst

175

- allein 1991 Stipendien im Bereich der Ausbildung von Restauratoren (Handwerkern, Architekten, Stadtplanern, Archäologen und Kunsthistorikern) im Wert von 302.640 ECU 1991 vergab. 14 Die Initiativen der EG zur Erhaltung des europäischen architektonischen und kulturellen Erbes sind z.T. mit fremdenverkehrsfördernden Maßnahmen verbundenen.15 Sie stützten sich nach dem Haushaltsplan 1992 auf Art. 117, 118 und 128 EWGV. 1 6

- Renovierung eines Gebäudes an der Universität Coimbra (P), das anschließend dem Europa-Kolleg zur Verfügung stehen soll, mit 200.000 ECU. In Ddd. sollen in das Restaurierungsprogramm die Alsterarkaden in Hamburg, der Stadtkern von Münsterberg/Breisach, das Empfangsgebäude des Dresdener Hauptbahnhofs und das "Bürgerhaus am Markt" in Luckau gehören, KNA, Baudenkmäler, FAZ vom 25. 6. 1992. 14

Diese verteilten sich auf 148 Stipendien. Die Lehrgänge standen bisher nur Teilnehmern aus der Europäischen Gemeinschaft offen, sollen jedoch in Zukunft auch von Teilnehmern aus anderen europäischen Ländern besucht werden können.- Die Richtiinie des Rats vom 10. 6. 1985 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise auf dem Gebiet der Architektur und für Maßnahmmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Diensdeistungsverkehr, ABl. 85/L 223/15, hat nur insoweit einen kunstfördernden Bezug, wie sie die berufliche Mobilität von potentiellen Künstlern ermöglicht.- Vgl. im übrigen folgende Aktivitäten des Europäischen Parlaments: - Anregung vom 18. 1. 1979 für einen europäischen Fonds für Kulturdenkmäler und historische Stätten; ABl. 84/C 115/02. - Entschließungen zu den Trulli in Apulien, der Ausgrabung in Skylettion, zu Orvieto und Todi, Eleusis, Lucca, Bronzezeitfunden in den Niederlanden, der Akropolis und den britischen Piers; s. Aufzählung in ABl. 82/C 267/25. - Entschließung zum Schutz des europäischen Kulturguts, Abi. 74/C 62/5. - Entschließung zur Erhaltung des architektonischen und archäologischen Erbes, Abi. 82/C 267/25. Diese Entschließung beruht nur zum Teil auf kulturellen Motiven (lit. C-F), verfolgt aber auch wirtschaftliche Zwecke wie die Steigerung des Tourismus und die Arbeitsplatzbeschaffung (lit. J). Das Parlament forderte die Schaffung eines europäischen Fonds für Denkmäler und Kulturstätten (Ziff. 1) und beschloß, aus einer gemeinsam mit dem Europarat erstellten Liste europäischer Baudenkmäler auf Vorschlag der Kommission jährlich ein Baudenkmal aus Haushaltsmitteln der EG zu restaurieren und zu pflegen (Bezuschussung; Ziff. 14). Die Kommission sollte den Mitgliedstaaten eine Besteuerung empfehlen, die es dem Besitzer von Baudenkmälern ermöglicht, Erhalt und Restauration zu betreiben (Ziff. 16). - Entschließung zur Erhaltung des architektonischen und archäologischen Erbes der Gemeinschaft, Abi. 88/C 309/423. 15 Nach den Ersten Überlegungen der Kommission für eine Fremdenverkehrspolitik der Gemeinschaft, ABl. 84/C 115/02, ist das architektonische Erbe ein wertvolles Grundkapital und eine Einnahmequelle. Daher sollen ein Kulturförderungsprogramm vorbereitet und ein Jugendaustauschprogramm erwogen werden (S. 6). Die Entschließung des Rats vom 10. 4. 1984 zu einer Fremdenverkehrspolitik der Gemeinschaft (84/C 115/01) befürwortet diese Initiative der Kommission und fordert diese auf, Vorschläge zu unterbreiten. 16

KOM (92) 149 endg., Anhang A, S. 14; ABl. 90/C 167/2.

176

Teil : Kunstförderung und

Außerdem stellte die Gemeinschaft kulturellen

1991 zur Erhaltung des sonstigen

Erbes über die Mittel für Restaurierungsarbeiten am architektonis-

chen Erbe hinaus 383.120 E C U zur Verfügung. 17 Das Parlament hat außerdem die Kommission aufgefordert, Vorschläge zur Angleichung der einzelstaatlichen Gesetzgebung über die Pflege des Kulturguts zu machen. 18 I m Bereich der Musik wird die E G aktiv durch die -

Gründung und Unterstützung des Jugendorchesters

mit 420.000

ECU

1991, 1 9 -

Gründung und Unterstützung der Jugendoper der Europäischen Gemeinschaft, 20

-

Unterstützung der Chöre der E G mit 1991 30.000 E C U , 2 1 und

-

Gründung und Unterstützung des Barockorchester der Europäischen Gemeinschaft mit 230.000 E C U 1991. 2 2 Die Förderung größerer Mobilität von Theaterkünstlern

und Theaterauffüh-

rungen, einer besseren Kommunikation zwischen den Theatern, der Überset-

17 KOM (92) 149 endg., Anhang A, S. 14. Geht zurück auf die Entschließungen der im Rat vereinigten, für Kulturfragen zuständigen Minister vom 13. 11. 1986 über die Erhaltung von Kunstwerken und sonstigen Werken von kulturellem und historischem Wert (ABl. 86/C 320/01 und ABl. 86/C 320/03), deren Zweck es war, den "Reichtum an Kulturgütern ... zum Wohl dieser und kommender Generationen" zu erhalten und zu schützen. Die Erhaltung sollte durch Zusammenarbeit, Dokumentation und Ausbildung von Konservatoren sowie durch die Aufstellung technischer Leitfäden unterstützt werden.- 1994 hat die Gemeinschaft für Maßnahmen zur Erhaltung und Valorisierung des europäischen kulturellen Erbes auf der Grundlage von Art. 117, 118 und 128 EGV 6.100.000ECU (bei einer νβφΑΐϋΙιίη^ββΓΠ^Ι^ω^ΐβ zu 8.000.000ECU) angesetzt, HHP EG 1994, S. 822 f. 18

Aufforderung vom 13. 5. 1974; vgl. ABl. 84/C 115/02.

19

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 28.3.1976, Abi. 76/C 79/8. Das Orchester bietet jungen Musikern vor allem die Möglichkeit der beruflichen Weiterbildung. Die Unterstützung seit 1988 beläuft sich auf 1.571.000 ECU; der jährliche Grundzuschuß durch die EG (ohne Tourneebeihilfen) beträgt 300.000 ECU; KOM (92) 149 endg., Anhang A, S. 12 f. 20

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 20.5.1988, Abi. 88/C 167/461. Nach KOM (92) 149 endg., Anhang A, S. 13, erhielt die Jugendoper bisher nur 1988 150.000 ECU. 21 22

KOM (92) 149 endg., Anhang A, S. 13.

Aus Anlaß des Europäischen Jahres der Musik 1985. Jährliche Grundausstattung (ohne Tourneebeihilfen) 150.000 ECU; KOM (92) 149 endg., Anhang A, S. 12 f. Nach Ress y S. 182, gibt es auch Initiativen zur Begünstigung des Kaufs von Musikinstrumenten.- Außerdem war unter der Schirmherrschaft des Präsidenten der Kommission der EG im Oktober 1993 eine Folge von Konzerten durch 33 europäische Symphonieorchesterin München stattfinden, F.A.Z., Klanggemeinschaft, FAZ vom 20. 9. 93, S. 35.

I. Maßnahmen der EG auf dem Gebiet der Kunst

177

zung von Theaterstücken, der Ausbildung der Theaterkünstler auf internationaler Ebene sowie die Förderung des Schreibens und Inszenierens von Theaterstücken,

eine europäische

Theaterkonferenz,

die

Förderung

von

Kontakten zwischen den Theaterschulen und der Theater in Mittel- und Osteuropa sowie die Einrichtung einer Veranstaltung "Abend der offenen Tür" zu Spielzeitbeginn in den europäischen Theatern enthalten Elemente der Literatur-, aber auch der Ausbildungsförderung und ebenso der kulturellen Versorgung der EG-Bürger. 2 3 Darüber hinaus betreibt die Gemeinschaft Literaturförderung

durch das seit

1991 laufende Pilotprojekt zur Bezuschussung der Übersetzung von Werken zeitgenössischer Literatur (Jahresetat: 200.000 E C U ) 2 4 und gewährt Stipendien zur Teilnahme an Übersetzerkollegien. 25

Für Maßnahmen zugunsten der

Sprachen und Kulturen regionaler und ethnischer Minderheiten stellte die E G im Haushaltsplan von 1992 2.500.000 E C U bereit. 26 Geplant waren schließlich die Prüfung der einzelstaatlichen Buchpreisregelungen, 27 die Zusammenarbeit

23 Empfehlung der im Rat vereinigten Minister für Kulturfragen vom 7. 6. 1991, ABl. 91/C 188/3, Schlußfolgerungen der im Rat vereinigten Minister für Kultur vom 14. 11. 1991 über die Förderung von Theaterveranstaltungen im Jahr 1993, ABl. 91/C 314/03, und Erschliessung des Rats und der im Rat vereinigten Minister für Kulturfragen vom 17. 5. 93, Abi. 93/C 160/1, unter Bezugnahme auf das Pilotvorhaben für die Übersetzung zeitgenössischer literarischer Werke, ABl. 87/C 309. 2 Mio DM gingen allein an das Piccolo Teatro/Mailand zur Weiterbildung junger Künsder; Wolfgang David, Ein Meister ist aus dem Himmel gefallen, Rhein. Merkur vom 4. 12. 1992, S. 21. 24 Der "Zuschuß" beträgt 100 % des Übersetzerhonorars; vgl. Abi. 91/C 86/02. Priorität hat die Übersetzung von literarischen Werken aus weniger verbreiteten Sprachen der Gemeinschaft in Sprachen mit größerer Verbreitung. Das Programm startete 1990 und ist vorläufig auf fünf Jahre begrenzt; Vorläufer war das Kommissionsprogramm "Förderung der literarischen Übersetzung", das seit 1982 mit einem Umfang von 20.000 ECU lief. Ausgegeben wurden allein 1990 und 1991 688.071 ECU; KOM (92) 149 endg. Anhang A, S. 18. S. auch Abi. 91/C 86/3.- Geplant war auch die Förderung der Übersetzung bedeutender Werke der europäischen Kultur, ABl. 87/C 309/03. 25 So wurden den Kollegien in Straelen, Arles, Tarazona, Precida und Norwich 1991 insgesamt 149.000 ECU zur Verfügung gestellt. KOM (92) 149 endg. Anhang A, S. 19 f.- Das Programm sollte auch Reisekostenzuschüsse für Praktika zur Literaturübersetzung enthalten; ABl. 89/C 183/01. Zu den Modalitäten im Einzelnen vgl. ABl. 90/C 35/04 und 90/C 35/05. 26

HHPEG (s.o. Fn. 1), S. 700, und Empfehlung des Parlaments vom 30. 10. 1987 (ABl. 87/C 318/160). 27 Durch Schlußfolgerung vom 18.5. 1989 zur Förderung des Buches und der Lektüre mit Blick auf die Vollendung des Binnenmarktes im Jahre 1992 beauftragten der Rat und die im Rat vereinigten Minister für Kulturfragen die Kommission mit einer weiteren Prüfung der Besteuerung von Büchern, akzeptiert aber die Fortsetzung der einzelstaatiichen Buchpreispoltiken unter Beachtung der Wettbewerbsregeln. ABl. 89/C 183/02; vgl. auch Entschließung des Rats und der im Rat vereinigten Minister für Kulturfragen vom 18. 5. 1989, ABl. 89/C 183/1. 12 Geißler

178

Teil 3: Kunstförderung und EG

zwischen den Bibliotheken 28 und insbesondere eine Beteiligung an Maßnahmen zur Konservierung von Büchern. 29 Auch das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte blieben von der E G nicht unberührt. 30 I m Rahmen ihrer Aktivitäten im Bereich Buch und Lektüre

31

verleiht die

Gemeinschaft je einen Europäischen Literatur- und Übersetzungspreis im Wert von 20.000 E C U ; hinzu kommen für Durchführung der Aktionen und an Verwaltungs- und Werbekosten 350.000. E C U . 3 2 Sie verleiht weiter den Europalia-Literaturpreis

der

Europäischen

Gemeinschaften. 33

Für

ein

Europäisches Poesiefestival wurden 1991 25.000 E C U ausgegeben.34 Neben der Förderung des Büchersektors sollen bei Aktionen im Kulturbereich folgende Bereiche den Vorrang haben: 35

28

ABl. 85/C 271/01 und Abi. 90/L 117/28.- S. auch die Entschließungen zum Archivwesen vom 14. 11. 1991, ABl. 91/C 314/02. 29 Hierzu ist für Ende 1991 ein Treffen von Experten der Konservierung von Büchern aus säurehaltigem Papier und der Verwendung von "alterungsbeständigem" Papier vorgesehen. 30 Initiativen zum Grünbuch - Arbeitsprogramm der Kommission auf dem Gebiet des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte (KOM(90)584 endg. vom 17.1.1991).- Nach der Richtiinie des Rats vom 14. 5. 1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen, ABl. 91/L 122/42, Art. 1 II:"... schützen die Mitgliedstaaten Computerprogramme urheberrechtiich als literarische Werke im Sinne der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst...". 31

Nach den Schlußfolgerungen des Rates und der im Rat vereinigten für Kulturfragen zuständigen Minister vom 27. Mai 1988 betreffend die künftigen vorrangigen Aktionen im Kulturbereich. Abi. 88/C 197/2, ein vorrangiger Bereich. S. auch Mitteilung der Kommission vom 26. April 1989 über "Das Buch und die Lektüre: ein unverzichtbarer Bestandteil des kulturellen Lebens in Europa", KOM(89)258 endg. vom 3.8.1989, und Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Minister für Kulturfragen vom 18.5.1989 über die Förderung des Buches und der Lektüre. Abi. 89/C 183/1, sowie Zwischenbericht der Kommission, Dok. 6432/91 "Kultur 29" vom 28. 5. 1991. 32

Jährlich im Rahmen der Aktion "Kulturstadt Europas", erstmals 1990. Verleihung auf Vorschlag einer Jury. Seit 1992 Verwaltung durch die Kommission in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen Kulturstadt; vgl. KOM (92) 149 endg., Anhang AS. 17 f. und Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Minister für Kulturfragen vom 18. Mai 1989 über die Förderung des Buches und der Lektüre, Abi. 89/C 183/1. 33

KOM (92) 149 endg., Anhang A, S. 12, und ABl. 89/C 183/1.

34

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16.12.1983, Abi. 84/C 10/291; KOM (92) 149 endg., Anhang A, S. 13. 35

Schlußfolgerungen vom 27. 5. 1988; ABl. 88/C 197/02. Diese Schlußfolgerungen gehen u.a. zurück auf die Mitteilung der Kommission über neue Impulse für die Aktion der Europäischen Gemeinschaft im kulturellen Bereich und das von der frz. Regierung vorgelegte Blaubuch für ein Europa im Bildungsbereich und auf kulturellem Gebiet.

I. Maßnahmen der EG auf dem Gebiet der Kunst

179

- die Förderung des audiovisuellen Sektors,36 - die kulturelle Aus- und Weiterbildung37 und - die Förderung des Kulturschaffens durch Unternehmen. Die Gemeinschaft hat sich darum bemüht, für den kulturellen Bereich Sponsoren aus der Wirtschaft zu gewinnen. Sie stellt dem Europäischen Ausschuß für die Annäherung von Wirtschaft und Kultur CEREC (Zusammenschluß aus dem Kulturkreis im Bundesverband der deutschen Industrie e.V. und vergleichbaren Organisationen) für die Jahre 1989-1992 216.000 ECU zur Verfügung. 38

36

S. hierzu: - Entschließung zum europäischen Film- und Fernsehjahr (1988), ABl. 86/C 320/04. - Beschluß zur vorrangigen Förderung des audiovisuellen Bereichs, Abi. 88/C 197/2; - Richdinie des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit Abi. 89/L 298/23 ("Fernsehen ohne Grenzen", seit 3. Oktober 1991 in allen Mitgliedstaaten in Kraft; legt Mindestvorschriften zur ungehinderten Ausstrahlung von Fernsehsendungen in allen Mitgliedstaaten fest); - Vorschlag für eine Richtlinie zur Koordinierung bestimmter Urheber- und leistungsschutzrechdicher Vorschriften bei Satellitenrundfunk und Kabel Verbreitung; KOM (91) 276 endg. vom 11.9. 1991; wird derzeit vom Ministerrat geprüft. - Beschluß des Rates über das hochauflösende Fernsehen; Abi. 89/L 142/1; - Beschluß des Rates über die Förderung der Entwicklung der europäischen audiovisuellen Industrie (MEDIAX1991 -1995), Abi. 90/L 380/37. Für das zeidich begrenzte Projekt (1991 - 1995) wurden 200 Mio. ECU bereit gestellt, die Maßnahmen wie der Förderung des Filmverleihs in Kinos (EFDO) und der Drehbuchgestaltung (SCRIPT) sowie der unabhängigenProgrammproduktionund Nutzung der Fernseharchive dienen sollen. Als Ansprechpartner für junge Filmproduzenten werden die Media-Antennen in Berlin, München und Düsseldorf von der EG und der jeweiligen Region zu je 1/2finanziert; dpa, Media Antennen, FAZ, 30. 10. 1991. Ebenfalls in den audiovisuellen Bereich gehört der Europäische Filmpreis Felix; FAZ, Felix Europa, FAZ, 2. 11. 1991, der im Zusammenhang mit der Kulturstadt Europas verliehen wird, dessen weitere Finanzierung 1992 unklar war, dpa, Zum fünften und letzten Mal?, FAZ vom 10. 12. 1992, S. 33, der aber 1993 wieder verliehen wurde, AP/dpa/F.A.Z., Felix '93, FAZ vom 6. 12. 93, S. 33.Gestützt auf Art. 128 EGV stellte die EG in den HHP 1993 für die europäische Dimension im audiovisuellen Bereich 3.000.000 ECU als Verpflichtungsermächtigung und 1.934.000 ECU als Zahlungsermächtigung ein, HHP EG 1993, S. 826 f.- S. auch Schubert, S. 975 ff., und Übersicht über die Maßnahmen der EG im Film- und Fernsehbereich bei Weyringer, S. 1019 ff. 37

Beispielsweise die Entschließung des Rats zur Ausbildung von Verwaltungsfachleuten für den kulturellen Bereich vom 7. 6. 1991, ABl. 91/C 188/01; dem Programm soll im Rahmen von ERASMUS und anderen Programmen mehr Gewicht als bisher eingeräumt werden.- Zu künstierischen Ausbildungen s.o. im Zusammenhang mit den Preisen der EG, ihrem musikalischen Engagement und ihrer Theaterförderung. 38 KOM (92) 149 endg., Anhang A, S. 20 f; Teil der sog. "Netzwerke" (Entschließung des Rats und der im Rat vereinigten Minister für das Bildungswesen vom 14. 11. 1991, ABl. 91/C 314/01). Die EG geht davon aus, daß "ein höherer Grad des Kulturschaffens ... das Kulturleben und die

180

Teil 3: Kunstförderung und EG

Neben den Literaturpreisen (s.o.) verleiht die Gemeinschaft den "Königin Elisabeth "-Preis 39 und den Architektur-Preis. 40 Die Preise der Gemeinschaft haben das Ziel, der europäischen Kultur international Geltung zu verschaffen. 41 Zweifelhaft erscheint allerdings, ob Maßnahmen wie der europäische Bildhauerwettbewerb, der alle zwei Jahre von einem Mitgliedstaat ausgerichtet werden soll, diesem Ziel dient. Denn es ist vorgesehen, daß jeweils eins der drei von einem Teilnehmermitgliedstaat eingereichten Werke preisgekrönt wird. 42 Die Auswahl richtet sich demnach nur begrenzt nach künstlerischen Gesichtspunkten, wodurch der Wettbewerb sich überwiegend als Mittel der Selbstdarstellung der EG-Mitgliedstaaten im Rahmen der EG darstellt.- Die Entschließung vom 24. 5. 1988, die die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, im Rahmen ihrer jeweiligen bildungspolitischen Leitvorstellungen und Strukturen alle erforderlichen Anstrengungen zu unternehmen, in den Schulen den Europäischen Wettbewerb auch im Bereich Kunst durchzuführen, 43 dürfte primär eine Maßnahme der Integration sein. Symbolischen Wert mißt die EG auch der Maßnahme "Kulturstadt Europas" bei, 44 durch die "einer Kultur Ausdruck verliehen werden soll, die sich in ihrer ... Entwicklung sowohl durch Gemeinsamkeiten als auch durch einen aus der Vielfalt hervorgegangenenReichtum auszeichnet. ... Durch die Veranstaltung sollten der europäischen Öffendichkeit bestimmte kulturelle Aspekte der Stadt, der Region oder des betreffenden Landes zugänglich gemacht werden. Auch könnte die betreffende Stadt zum Mittelpunkt einer Reihe von kulturellen Beiträgen aus anderen Mitgliedstaaten gemacht werden, die vor allem den Einwohnern der betreffenden Region zugute kommt."45

Freizeittätigkeit der europäischen Bürger" fördert und "verschiedene Vorteile einschließlich eines Anwachsens des Tourismus mit sich" bringt. Sie verspricht sich von einer Kunstförderung, die von internationalen Unternehmen durchgeführt wird, eine Europäisierung der Kultur. Für die Unternehmen sieht sie dabei die Möglichkeit, ihr Image und das Arbeitsumfeld ihrer Mitarbeiter zu verbessern. Vgl. ABl. 86/C 320/02. 39

KOM (92) 149 endg., Anhang A, S. 12.

40

KOM (92) 149 endg., Anhang A, S. 12.- Weiter hat das Parlament in Ziff. 11 seiner Entschließung vom 11. 3. 92, ABl. 92/C 94/213, gefordert, das "Kunstwerk des Jahres" auszuzeichnen. 41

KOM (92) 149 endg., Anhang A, S. 12.

42

Entschließung der im Rat vereinigten für Kulturfragen zuständigen Minister vom 13.6. 1985, ABl. 85/C 153/04. 43

ABl. 88/C 177/02, II A 7, 4. Spiegelstrich.

44

KOM (92) 149 endg., Anhang A, S. 10 ff.

45

Entschließung der im Rat vereinigten für Kulturfragen zuständigen Minister vom 13. 6. 1985

I. Maßnahmen der EG auf dem Gebiet der Kunst

181

Die Maßnahme ist also sowohl auf die bestimmte Region als auch auf die gesamte Gemeinschaft bezogen. Obwohl die Veranstaltung grundsätzlich von dem ausrichtenden Mitgliedstaat finanziert werden sollte, 46 hat die Gemeinschaft im Rahmen der Aktion "Kulturstadt Europas" bis 1991 insgesamt 991.000 E C U ausgegeben. 47 - Die Anforderungen an europäische Teilnehmer, die nicht der Gemeinschaft angehören, 48 erinnnern an die Grundsätze für die Kulturförderung

der E G 4 9 und vermitteln - wie auch der

turnusmäßige

Wechsel der Kulturstadt zwischen den Ländern in alphabetischer Reihenfolge den Eindruck, daß die kulturelle Bedeutung der "Kulturstadt Europas" hinter ihrer EG-politischen Bedeutung zurücktritt. 50 - Verbunden mit der Kulturstadt

für die alljährliche Benennung einer "Kulturstadt Europas", ABl. 85/C 153/02. Zur "Kulturstadt Europas" wird jährlich eine Stadt ernannt, wobei Durchführung und Finanzierung zwischen den Mitgliedstaaten in alphabetischer Reihenfolge wechseln; Kulturstädte Europas waren 1985 Athen, dann Florenz, Amsterdam, Berlin, Paris, Glasgow, Dublin, Madrid, 1993 Antwerpen, 1994 Lissabon, 1995 Luxemburg, 1996 Kopenhagen (KOM (92) 149 endg., Anhang A S. 10). 46 Entschließung der im Rat vereinigten für Kulturfragen zuständigen Minister vom 13.6. 1985 für die alljährliche Benennung einer "Kulturstadt Europas", ABl. 85/C 153/02. 47 Und zwar an Athen 108.000 ECU, an Florenz 136.000 ECU, an Amsterdam 137.000 ECU, an Paris 120.000 ECU, an Berlin (aufgrund seiner spezifische Situation ausnahmsweise) 200.000 ECU, an Glasgow 120.000 ECU und an Dublin 120.000 ECU sowie weitere 50.000 ECU für punktuelle Maßnahmen in Drittiändern; KOM (92) 149 endg., Anhang A, S. 11. Weimar soll 1999 Kulturhauptstadt werden, W. W., Groß und Klein, FAZ vom 8. 11. 93, S. 35.- Berücksichtigt werden sollen als "Kulturstädte" künftig sowohl Haupt- als auch Provinzstädte, Städte innerhalb und außerhalb der EG, wobei auch zwei Städte zusammen oder sukzessive in einem Jahr Kulturstadt sein können. Zur Vermeidung von Enttäuschungen soll der Europäische Kulturmonat zu einer "lohnenden Alternative" ausgebaut werden, womit die Zahl der berücksichtigten Städte steigt. Vgl. Schlußfolgerungen der im Rat vereinigten Minister für Kulturfragen zur Auswahl der Kulturstädte Europas nach 1996 sowie zum "EuropäischenKulturmonat" vom 18. 5. 92, ABl. 92/C 151/01. 48

S. Schlußfolgerungen der im Rat vereinigten Minister für Kulturfragen vom 18. 5. 1990 betreffend die künftigen Bedingungen für die Ernennung zur "Kulturstadt Europas" und einen Europäischen Kulturmonat (ABl. 90/C 162/01): bei der Verteilung nach 1996 können "auch andere europäische Länder, in denen die Grundsätze der Demokratie, des Pluralismus und der Rechtsstaadichkeit gelten" Vorschläge machen. 49

Nach Auskunft der Generaldirektorin für Audiovisuelle Medien, Information, Kommunkation und Kultur, Colette Flesch ist dies "ein bestimmtes Wertesystem (Freiheit, Solidarität, Bürgerrechte, Abkehr vom Freund-Feind-Denken, Selbstverantwortlichkeit, geglücktes Leben), Vielfalt statt Einfalt, soziale Verpflichtung, Wechselbeziehung von Wirtschaft und Kultur"; vgl. Kurt Reumann, Die Erpressung von Weimar, FAZ vom 21. 5. 1992. 50 Vgl. hierzu auch Ziff. 15 der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. 9. 93 zur Lage in Bosnien-Herzegowina, ABl. 93/C 268/160: das Parlament erklärte seine Unterstützung für die Ausrufung Sarajewos zur "multikulturellen Hauptstadt Europas" undrief die Gemeinschaft auf, "zusammen mit Städten wie Antwerpern und Lissabon, die Kulturhauptstädte der Gemeinschaft sind oder sein werden, konkrete Programme zur Unterstützung dieses Projekts zu erarbeiten".

182

Teil 3: Kunstförderung und EG

Europas ist der Europäische Kulturmonat.51 Kulturstadt und Kulturmonat haben auch Auswirkungen auf Fremdenverkehr und Arbeitsplätze, was bei der Benennung des Europäischen Kulturmonats berücksichtigt wird. 52 Mit der "Auszeichnung Kulturbühne Europa" und dem Programm "Kaleidoscop" bemüht sich die Kommission, "in der breiten Öffentlichkeit Interesse für kulturelle Belange zu wecken".53 Für die "Auszeichnung Kulturbühne Europa" veranschlagte die EG 1991 1.174.300 ECU. 5 4 Die Auszeichnung unterstützt europäisch geprägte Veranstaltungen mit dem Ziel, "das lokale, regionale und nationale kulturelle Leben durch die Förderung anspruchsvoller kultureller Ereignisse von europäischem Gepräge zu beleben, den kulturellen Austausch in Europa und den Dialog zwischen Europa und den anderen Kulturkreisen zu fördern und das Bewußtsein für die gemeinsamen kulturellen Quellen und Errungenschaft in Europa zu sichern, " 5 5

geht also an Veranstaltungen mit kulturell grenzüberschreitender oder sogar kulturell vereinheitlichender Tendenz.- Das Programm "Kaleidoskop"56 soll das Verständnis für die Kulturen anderer Mitgliedstaaten, Regionen und Gebiete, die Zusammenarbeit zwischen Kulturschaffenden und insbesondere das zeitgenössische künstlerische Schaffen und die Kenntnis des gemeinsamen kulturellen Erbes fördern. Die Kommission wird in Zukunft unabhängige Sachverständige zur Auswahl der Vorhaben hinzuziehen.57 Schließlich fördert die EG Kunst auch indirekt, indem sie den Mitgliedstaaten verbietet, Vorgänge im Bereich der Kunst zu besteuern oder mit Abgaben zu belegen.58

51

Soll dann "Europa in (Name der Stadt) 199..." heißen, darf auch über einen Monat dauern, einmal im Jahr; vgl. zu allem die Schlußfolgerungen, ABl. 90/C 162/01. Soll stattfinden 1992 in Krakau, 1993 in Graz, 1994 in Budapest, 1995 in Prag; KOM (92) 149 endg., Anhang A, S. 10. 32

KOM (92) 149 endg., Anhang A, S. 11.

53

KOM (92) 149 endg., Anhang A, S. 14; Abi. 90/C 167/2.

54

KOM (92) 149 endg., Anhang A, S. 14; Abi. 90/C 167/2.

55

Voraussetzung ist, daß an der Veranstaltung mindestens 3 Mitgliedstaaten beteiligt sind, dabei können Teilnahme-Bewerbungen auch aus privater Hand kommen. Überwiegend gewinnorientierte Veranstaltungen werden nicht berücksichtigt; Investitions-und Betriebskosten nicht unterstützt. Der Beitrag der EG reicht bis zu 50.000 ECU, beträgt aber höchstens 1/4 der Veranstaltungskosten; die Gesamtsumme hängt vom Haushaltsrahmender EG ab. 56

Abi. 91/C 205/18. Zu Einzelmaßnahmens. auch Bohr/Albert,

57

KOM (92) 149 endg., Anhang A, S. 14.

58

S.u. S. 212 ff.

ZRP 93, 61, 64.

II. Rechtstruktur der EG

183

I I . Rechtsstruktur der EG

1. Das primäre Gemeinschaftsrecht 59 Die Europäische

Wirtschaftsgemeinschaft

25. 3. 1957 geschaffen.

61

160

wurde durch Vertrag

vom

Sie hat als Gemeinschaft mehrerer Staaten mangels

eigener Staatlichkeit 62 nur die Kompetenzen, die ihr von ihren Mitgliedern übertragen worden sind. 63 Diese Kompetenzen sind überwiegend nicht über die Handlungen, zu denen die Gemeinschaft berechtigt ist, sondern über die Ziele, die sie erreichen soll, definiert, 64 bspw. die Freiheit des Warenverkehrs, der Dienstleistungen und des Kapital Verkehrs, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, aber auch der Selbständigen und Unternehmer (Art. 9 ff., 59 ff., 67 ff., 48 ff., 52 ff. E G V ) . Daneben verfolgt die E G auf einigen Gebieten eine gemeinsame Politik. 6 5

59

Zum primären Gemeinschaftsrecht gehören die Rechtsgrundlagen der Gemeinschaft, zum sekundären das von der Gemeinschaft erlassene Recht. Zitiert werden: der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. 3. 1957, BGBl. 1957 II S. 766 mit der Abkürzung EWGV; die durch den Maastrichter Vertrag (MV) geänderte Version mit der Abkürzung EGV. Die Bezeichnung EWGV/EG V bedeutet, daß diese Vorschrift in beiden Versionen wortgleich ist. 60

Künftig: EWG. Eine Austrittsregelung besteht nicht; vgl. Beutler/BBPS, S. 72. Kritisiert in neuerer Zeit vor dem Hintergrund des Maastrichter Vertrags, vgl. Stellungnahme Großbritanniens, Ho., Für Maastricht sind noch fünf Punkte offen, FAZ vom 5. 12. 1991, und Hans D. Barbier, Schwieriger als eine Ehescheidung, FAZ vom 9. 8. 1991, S. 1. 61

Histor. Entwicklung: Oetting, S. 26 ff.

62

Die Gemeinschaft hat allerdings nach Art. 210 EWGV/EGV eigene Rechtspersönlichkeit.

63

Art. 4 Abs. 1 EGV; s. auch Beutler/BBPS, S. 75; BVerfGE 22, 293, 296 (Verfassungsbeschwerden gegen Verordnungen des Rates und der Kommission der EG); Ipsen, Kulturbereich, S. 345 (nur Ermächtigungen "nach Maßgabe des Vertrags"); Schweitzer, S. 148 (doppelte Begrenzung: auf die vertraglich geregelten Bereiche und innerhalb dieser auf die vertragliche festgelegten Kompetenzen); Pipkorn/BB?S, S. 413; v. Simson, S. 57. 64 Vgl. Art. 2 EGV, der die Aufgaben der Gemeinschaft umschreibt, in seiner Stellung vor Art. 3 EGV, der die zu ergreifenden Maßnahmen nennt. Zur Auslegung gemäß der vertraglichen Zielsetzung vgl. nur Ipsen, Gemeinschaftsrecht, S. 131 Rz. 72 (Rn. 73: in dubio pro communitate; dagegen Hailbronner, JZ 90, 149, 154).- Krit. hierzu Grimm, Wandel, S. 300: Finalprogramme lassen "nur die Kontrolle zu, ob konfligierende Ziele nachvollziehbar abgewogen und alle normativ vorgegebenen Gesichtspunkte berücksichtigt wurden. Tun die Gerichte ungeachtet des verdünnten Bindungsgrades der Gesetze mehr, so setzen sie sich ihrerseits an die Stelle der Verwaltung und betreiben justizförmige Politik." Grimm sieht hierin a.a.O. 301, eine Krise des Rechtsstaats. 65

Bspw. die gemeinsame Agrarpolitik nach Art. 39 ff. EGV. Mehr zu den gemeinsamen Politiken unten S. 218 ff.

184

Teil 3: Kunstförderung und EG

Das Gemeinschaftsrecht wirkt in zwei Richtungen: Es ermächtigt nicht nur die Gemeinschaft zu eigenen Handlungen, sondern betrifft auch das Verhalten der Gemeinschaftsmitglieder: Art. 5 EGV verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Erfüllung der EG-rechtlichen Pflichten und dazu, der EG bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu helfen. Die Erfüllung der EG-rechtlichen Pflichten durch die Mitgliedstaaten wird von der Kommission überwacht (Art. 155 EGV) und kann von ihr vor dem EuGH eingeklagt werden (Art. 173 EGV). 6 6 Durch die Einheitliche Europäische Akte vom 28. 2. 198667 wurde die Europäische Zusammenarbeit in der Außenpolitik vereinbart (Art. 30 EEA) und der Europäische Rat als gemeinsames Organ der Europäischen Gemeinschaften und der Europäischen Zusammenarbeit in der Außenpolitik geschaffen (Art. 3 EEA). 6 8 - Das Gemeinschaftsrecht wurde u.a. um die Regeln über den Binnenmarkt (Art. 7 a bis c EGV), den Regionalfonds (Art. 130 c EGV) und den Strukturfonds (Art. 130 d EGV) ergänzt. 69 Eine weitere Änderung des primären Gemeinschaftsrechts erfolgt durch den Vertrag von Maastricht. Er wurde am 7. 2. 1992 geschlossen und ist nach der Ratifizierung durch sämtliche Mitgliedstaaten (Art. R M V ) 7 0 am 1. 11. 93 in Kraft getreten.71 Durch ihn haben die Vertragsparteien auf der Grundlage der Europäischen Gemeinschaften eine Europäische Union (Art. A M V ) auf unbegrenzte Zeit (Art. Q M V ) gegründet. Die Union hat keine eigene Rechts-

66

In der Regel ist die Zuständigkeit der Gemeinschaft eine konkurrierende, d.h. die Mitgliedstaaten bleiben zuständig, soweit nicht die Gemeinschaft geregelt hat, vgl. Stewing , S. 105.- Im Unterschied zum Völkerrecht sind Zuständigkeiten der Gemeinschaft nicht eng zugunsten möglichst geringer Souveränitätsverzichte der Mitgliedstaaten auszulegen, vgl. Ipsen, Gemeinschaftsrecht, S. 131 f., Rn. 72 f. 67

Künftig: EEA. Zustimmungsgesetz vom 19. 12. 1986, BGBl. II S. 1102 ff.

68

Deutschland schlug die Errichtung gemeinsamer Botschaften der EG-Mitglieder in der GUS vor, Frankreich lehnt ab; Hans Arnold, Kein Raum für Experimente, FAZ vom 23. 1. 1992. 69 Der Zweck der Gemeinschaft geht damit deutiich über einen Staatenverein zur Wahrnehmung gemeinsamer wirtschafdicher Aufgaben hinaus und ist jetzt die Herstellung der politischen Einheit; vgl. Ulrich Everling, Im Kern eine politische Aufgabe, FAZ vom 16. 4. 1991, S. 9. 70 Die Wirksamkeitsregelung entspricht auch nationalem Verfassungsrecht und Art. 236 Abs. 3 EWGV. 71

Der Bundestag hatte dem Vertrag mit Gesetz vom 28. 12. 1992 zugestimmt, BGBl. II S. 1251. Der Bundespräsident hat die Ratifikationsurkunde aber mit Rücksicht auf die anhängigen Verfassungsbeschwerden gegen das Gesetz noch nicht ausgefertigt, Sto., Seidl schließt sich Verfassungsklage an, FAZ vom 12. 1. 1993, S. 5. Inzwischen ist das Gesetz nachdem Urteil des BVerfG vom 12. 10. 93 (2 BvR 2134/92 uns 2159/92, JZ 93, 1100 ff.) ausgefertigt worden und der MV in Kraft getreten, BGBl. 93 I S. 1780.

II. Rechtstruktur der EG

185

persönlichkeit. 72 - Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft wird künftig nur noch als "Europäische Gemeinschaft" bezeichnet. Ihre Tätigkeit wird u.a. auf eine gemeinsame Handelspolitik (ohne Einschränkung), einen gemeinsamen Binnenmarkt, 73 eine gemeinsame Sozialpolitik und einen Beitrag zur Entfaltung des Kulturlebens in den Mitgliedstaaten ausgedehnt (Art. 3 lit. b, c, i und ρ

EGV).

Als Ausgleich dieser Kompetenzerweiterungen

wird das Sub-

sidiaritätsprinzip in das Gemeinschaftsrecht aufgenommen (Art. 3 b E G V ) . 7 4 Die Maßnahmen der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Kunstförderung sind nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung also darauf zu prüfen, ob sie eine Grundlage in den genannten Verträgen haben.

2. Organe und sekundäres Gemeinschaftsrecht Für die Gemeinschaft handeln ihre Organe, das sind der Ministerrat, 75 die Kommission, 76 das Europäische Parlament 77 und der Europäische Gerichts-

72 S. v.Simson/Schwarze, S. 43. Wenn sie sich nach Art. F Abs. 3 MV mit Mitteln ausstatten kann und nach Art. 8 II EGV Personalhoheit besitzt, so betrifft das nur das Innenverhältnis; die Rechtsfähigkeit richtetsich aber nach dem Außenverhältnis. - Eingeführt wird auch eine einheitiiche Unionsbürgerschaft (Art. 8 EGV). Der durch die EEA geschaffene Europäische Rat wird nicht als Organ der Union weitergeführt (vgl. Art. 4 EGV). 73

Die Vollendung des Binnenmarktes soll dazu führen, daß rund 80 % der marktrelevanten Gesetzgebung auf die EG übergeht; Werner Weidenfeld, In der Falle des eigenen Erfolges, Rheinischer Merkur vom 1.11. 1991, S. 3. 74

Nähere Untersuchung der Ausgleichswirkung unten S. 249 ff.

75

Entscheidungsorgan der EG (Art. 145 EGV); besteht aus den Ministern der EG-Mitglieder je nach fachlicher Zusammensetzung. Die Entscheidungen werden durch den ständigen Ausschuß vorbereitet; Art. 4 des Vertrags zur Einsetzung eines gemeinsamen Rats und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 8.4. 1965, BGBl. II S. 1453, in Kraft getreten am 1. 7. 1967, BGBl. IIS. 2156. 76 Gibt Empfehlungen und Stellungnahmen ab und übt die ihr vom Rat übertragenen Befugnisse aus (Art. 155 EGV); auf kulturellem Gebiet bspw. durch die Ermächtigung des Königreichs Belgien, die Umsätze aus Dienstleistungen der Künsder und Interpreten von Kunstwerken steuerlich nicht zu berücksichtigen, Art. 1 Ziff. 2 der Entschliessung ABl. 83/L 96/43, und durch die Entscheidung über die Beihilfen der griechischen Regierung an die Filmwirtschaft für die Herstellung von griechischen Filmen, ABl. 89/L 208/38. Von der Kommission stammen aber auch die Empfehlung an die Mitgliedstaaten zum Schutz des baulichen Kulturerbes und des nationalen Lebensraums, ABl. 75/L 21/22; die Unterstützung gemeinschafdicher Pilotvorhaben zur Erhaltung von Baudenkmälern, ABl. 90/C 304/04; das Pilotprojekt zur Bezuschussungder Übersetzung von Werken zeitgenössischer Literatur, Abi. 91/C 86/02, und die Auszeichnung "Kulturbühne Europa", ABl. 90/C 167/02.

Teil 3: Kunstförderung und EG

186

hof 7 8 und der Rechnungshof (Art. 4 E G V ) . - Außerdem gibt es in der Gemeinschaft

einen Ausschuß

für

Kulturfragen,

bestehend aus Vertretern

der

Mitgliedstaaten und der Kommission, 79 und den Kulturbeirat der Kommission, eine informelle Expertengruppe mit Beratungsfunktion für die Kommission. Seit 1991 hat die E G ein eigenes Ressort "Audiovisuelle Medien, Information, Kommunikation und Kultur", das sich mit Filmförderung und Denkmalpflege beschäftigt. 80 Parlament,

Rat und Kommission erlassen als sogenanntes sekundäres

Gemeinschaftsrecht

Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen und geben

Empfehlungen und Stellungnahmen ab (Art. 189 S. 1 E G V ) . Diese haben nach Art. 189 S. 2 bis 5 E G V folgende Wirkung: "Die Verordnung hat allgemeine Geltung. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Die Richtiinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtiich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überläßt jedoch den innerstaatiichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Die Entscheidung ist in allen ihren Teilen für diejenigen verbindlich, die sie bezeichnet. Die Empfehlungen und Stellungnahmen sind nicht verbindlich."81 Aufgrund der unterschiedlichen Verbindlichkeiten muß darauf geachtet werden, in welcher Form kulturelle Gemeinschaftsmaßnahmen ergehen. Dabei ist für die Bewertung kultureller Maßnahmen vor allem die für ihre Verabschiedung erforderliche

Mehrheit

von Interesse. Denn wo Einstimmigkeit

erforderlich ist, kann eine Bindung des deutschen Vertreters an die deutsche Kompetenzverteilung von Bedeutung sein.

77 Wird in allgemeinen unmittelbaren Wahlen gewählt (Beschluß des Rates vom 20. 9. 1976; deutsches Gesetz zur Wahl der Europaparlamentarier: BGBl. 1978 I S. 709); hatte vor dem MV nur beratende und kontrollierende Funktion (Art. 137 EWGV), ist nun aber auch an der Rechtsetzung beteiligt, vgl. Art. 189 Abs. 1, 189 b und 100 EGV. 78

Vgl. Art. 164 ff. EGV.

79

Entschließung des Rats und der im Rat vereinigten für Kulturfragen zuständigen Minister über die künftige Gestaltung ihrer Arbeit vom 27. 5. 1988, ABl. 88/C 197/01. 80

Mathias Döpfner, Ficht für Kultur, FAZ vom 16. 5. 1991. Die wichtigsten Grundsätze für die Kulturförderung der EG sind nach Auskunft der Generaldirektorin für Audiovisuelle Medien, Information, Kommunkation und Kultur Colette Flesch "ein bestimmtes Wertesystem (Freiheit, Solidarität, Bürgerrechte, Abkehr vom Freund-Feind-Denken, Selbstverantwortiichkeit, geglücktes Leben), Vielfalt statt Einfalt, soziale Verpflichtung, Wechselbeziehung von Wirtschaft und Kultur"; Kurt Reumann, Die Erpressung von Weimar, FAZ vom 21. 5. 1992. 81 Trotz der Ausfüllungsbedürftigkeit der Richtiinien durch die Mitgliedstaaten hat das BVerfG das Recht des Bürgers anerkannt, sich auf bestimmte Richtiinien unmittelbar zu berufen; BVerfGE 75, 223, 243 (Bindungswirkung von Vorabentscheidungen).

II. Rechtstruktur der EG

187

Maßgeblich sind Art. 100, 100 a und 235 E G V . Nach Art. 100 E G V ist zum Erlaß von Richtlinien grundsätzlich Einstimmigkeit

des Rates erforderlich. 82

Art. 100 a E G V i . V . m . Art. 7 b und Art. 189 b Abs. 2 E G V macht hiervon eine Ausnahme zugunsten der Herstellung des Binnenmarktes und ermächtigt den Rat, mit qualifizierter

Mehrheit Maßnahmen zur Angleichung der Rechts-

und Verwaltungsvorschriften zu erlassen. 83 Kulturelle Maßnahmen kommen hier nur insoweit in Betracht, als es um einen gemeinsamen Markt für kulturelle Güter oder Leistungen geht. 84 - Nach Art. 235 E G V 8 5 außerdem möglich, durch einstimmigen

Ratsbeschluß auf Vorschlag

ist es der

Kommission und nach Anhörung der Versammlung Vorschriften zu erlassen, die zur Verwirklichung eines Zieles der Gemeinschaft 86 im Rahmen des

82 Es geht hier um Richtiinien zur Angleichung derjenigen einzelstaatiichen Rechtsvorschriften, die eine unmittelbare Auswirkung auf die Errichtung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes haben, vor allem solcher, die nicht mit den Zielen des Vertrags in Einklang steht (Tajc/mer/Groeben, Vorbemerkung zu den Artikeln 100 bis 102, Rn. 2). 83 Das wird gemildert durch Art. 100 a Abs. 4 und 5 EWGV, nach denen die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, kollidierendes nationales Recht bei der Kommission anzumelden und aufgrund von Schutzklauseln das EG-Recht vorläufig nicht anzuwenden. Die Erklärung zu Art. 100 a des EWG-Vertrags aus der Schlußakte der Luxemburger Konferenz vom 9.9. 1985 verspricht zudem: "Die Kommission wird bei ihren Vorschlägen nach Art. 100 a Absatz 1 der Rechtsform der Richtiinie den Vorzug geben, wenn die Angleichung in einem oder mehreren Mitgliedstaaten eine Änderung gesetzlicher Vorschriften erfordert. "- Art. 100 a EWGV ist subsidiär zu allen spezielleren Regelungen, insbes. denen der Grundfreiheiten und der gemeinsamen Politiken, s. Wortlaut des Art. 100 a Abs. 1 EWGV und Pipkorn!Groeben, Art. 100 a Rn. 46 f. 84 Bpsw. für die Vereinheitiichung von Rechtsvorschriften, die die Mitgliedstaaten in Ausnutzung des Vorbehalts aus Art. 36 EGV treffen, vgl. hierzu Müller-Grajf/Groeben, vor Art. 30 bis 37 Rn. 3. Hierzu unten S. 189 ff. 85 Art. 235 EWGV war eine Ausnahme zu Art. 236 EWGV (allerdings nur für die Konkretisierung und das Erreichen der Ziele, nicht für deren Setzung; vgl. Schwartz/ Groeben, Art. 235, Rn. 25 ff.; der Bereich ist aber nicht so gering, wie es nach Schwartz den Anschein hatte; die Regelung war außerdem problematisch im Hinblik auf Art. 59 I GG). Art. 236 EWGV war die Grundregel für die Änderung des primären Gemeinschaftsrechts: die Ausdehnung der Befugnisse der EWG (inhaldich eine Vertragsänderung) war auch als solche ausgestaltet: nach Abs. 3 setzte das Inkrafttreten von Änderungen des EWGVs die Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten nach deren verfassungsrechtiichen Vorschriften voraus und entsprach damit dem allgemeinen Völkerrecht, war allerdings um das Verfahren nach Abs. 2 spezialisiert (Stellungnahme des Rats zugunsten eines Zusammentritts der Vertreter der Mitgliedstaaten, die dann einberufen wird und die Vertragsänderungen vereinbart; nach Everling, Wirkung, S. 124, war damit eine völkerrechdiche Änderung der Verträge ausgeschlossen). Art. 236 wird durch den MV aufgehoben (Art. G MV). Dann gilt aber jedenfalls bis 1996 noch der inhaltsgleiche Art. Ν MV. 86

Insbes. die Aufgaben der Gemeinschaft nach Art. 2 EWGV, nämlich "eine harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft, eine beständige und ausgewogene Wirtschaftsausweitung, eine größere Stabilität, eine beschleunigte Hebung der Lebenshaltung und engere Beziehungen zwischen den Staaten". Hinzu kommen die "ausdrücklichen und impliziten

188

Teil 3: Kunstförderung und EG

Gemeinsamen Marktes 8 7 erforderlich

erscheinen, 88

aber die vertraglichen

Befugnisse der E W G überschreiten (hierzu unten S. 225).

I I I . Kunstförderang und primäres Gemeinschaftsrecht

D a alle Ausgaben und Maßnahmen der Gemeinschaft einer gemeinschaftsrechtlichen Grundlage bedürfen 89 und die Gemeinschaft auf die ihr übertragenen Befugnisse beschränkt ist, muß geprüft werden, ob die Kunstförderungsmaßnahmen von den übertragenen Kompetenzen gedeckt sind. Entscheidend ist dabei das unmittelbare Ziel, nicht eventuelle "Fernziele" der Maßnahme. 9 0 Geprüft

werden

muß aber

auch, wie

weit das Gemeinschaftsrecht

die

Bundesrepublik als Mitgliedstaat in ihrer Kunstförderung beschränkt.

allgemeinen und spezialifizierten Ziele" nach dem Vertrag; vgl. Schwartz! Groeben, Art. 235 Rn. 73 ff.; Schweitzer, S. 154. Angesichts der Weite dieser Ziele kann das Kriterium "Verwirklichung eines Gemeinschaftsziel" in Art. 235 EWGV kaum als Einschränkung der Ermächtigung verstanden werden. Nach Beutler/BBPS, S. 76 f., wurde die EG durch Art. 235 EWGV von ihren Befugnissen unabhängig und ist nur noch durch die Ziele der Gemeinschaft beschränkt, die sehr weit auszulegen sind. 87

Über die Auslegung dieser Klausel herrscht keine Einigkeit in der Literatur; vgl. Schwartz! Groeben, Art. 235 Rn. 119 ff. mit ausfuhrlicher Stellungnahme. Nach Schwartz , bildet der Gemeinsame Markt für Maßnahmen nach Art. 235 EWGV den Rahmen (Rn. 136), aber nur als Verbot, den Gemeinsamen Markt zu beeinträchtigen (Rn. 137), da nach seiner Ansicht Art. 235 EWGV gerade solche Maßnahmen stützen soll, die über die Errichtung des Gemeinsamen Marktes hinausgehen (Rn. 139). M.E. überschreitet das den Wortlaut der Vorschrift. 88 Die Gemeinschaft hat einen Beurteilungsspielraum; allerdings muß eine Tätigkeit der Gemeinschaft als solcher erforderlich sein (str., vgl. Schwartz! Groeben, Art. 235 Rn. 142, 143; bejahend Schweitzer, S. 154). Die Möglichkeit einer vertraglichen Einigung der Mitgliedstaaten "außerhalb" der EG ist kein Argument gegen ein Vorgehen der EG nach Art, 235 EWGV im Sinne etwaiger Subsidiaritätsüberlegungen; allerdings besteht m.E. auch kein Vorrang des Wegs über Art. 235 EWGV vor mitgliedstaadichen Verträgen (so aber Schwartz! Gmeben, Art. 235 Rn. 150). 89 Zum Haushaltsverfahren s. Magiera! Gr&bitz, Art. 203, Rn. 7 ff.- S. auch die Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission vom 30. 6. 1982 über verschiedene Maßnahmen zur Gewährleistung einer besseren Abwicklung des Haushaltsverfahrens; ABl. 82/C 194/01, IV Nr. 3 c, und Leitsatz 4 der ERASMUS-Entscheidung des EuGH, EuR 90, 55: "Die Verwendung der in den Haushalt ... eingesetzten Mittel kann nur nach Erlaß einer Grundverordnung erfolgen. " 90

EuGH vom 30. 5. 1989 (ERASMUS), EuR 90, 55 ff., Rz. 29; hier ging es um Berufsausbildung, die als Teü "der Verwirklichung des Europas der Bürger" gerechtfertigt werden sollte.

III. Kunstförderung und primäres Gemeinschaftsrecht

189

1. Die Grundfreiheiten

Im Bereich der Grundfreiheiten, nämlich dem freien Warenverkehr, der Dienstleistungsfreiheit und der Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit, stehen nicht selbständige Maßnahmen der Gemeinschaft, sondern Ver- und Gebote an die Mitgliedstaaten im Vordergrund.

a) Der freie Warenverkehr Nach der Rechtsprechung des EuGH sind unter Waren im Sinne des EGV alle "Erzeugnisse zu verstehen, die einen Geldwert haben und deshalb Gegenstand von Handelsge91

Schäften sein können. "

Mit dieser Definition lehnte er die Ansicht ab, kulturelle Güter seien keine Waren im Sinne des Gemeinschaftsrechts, weil dieses nach seinem Zweck nur wirtschaftliche Vorgänge und Güter erfasse. 92 Die Auslegung des EuGH wird systematisch durch Art. 36 EGV unterstützt, der als Ausnahmeregelung für bestimmte Kulturgüter nur dann sinnvoll ist, wenn Kulturgüter grundsätzlich von Art. 30 ff. EGV erfaßt werden.93 Im übrigen vermeidet der EuGH mit seiner Definition auch Abgrenzungsprobleme zwischen Handelsgut und Kulturgut. 94 Der EGV schützt den freien Warenverkehr durch das Verbot mengenmäßiger Beschränkungen bei Ein- und Ausfuhr zwischen den Mitgliedstaaten (Art. 30 ff.), das Verbot von Zöllen zwischen den Mitgliedstaaten (Art. 9, 12 ff.) und das Verbot von Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie Zölle (Art. 9).

91 EuGH, Rs. 7/68 (Kommission gegen Italienische Republik), Slg. 1968, S. 633, 642, für Art. 9 EWGV als Eingangsnorm für Art. 30 ff. EWGV (beide wortgleich im EGV). 92

So der Vortrag der Beklagten, a.a.O. (Fn. 91), S. 639 lit. Β 1; vgl. die Entscheidungsgründe des Gerichts, S. 642 f. 93 94

S. auch Roth, ZUM 89, 101, 102, Fn. 5.

Allerdings ist die Abgrenzung dann im Rahmen von Art. 36 EGV vorzunehmen ist; s.u. S. 192 f.

190

Teil 3: Kunstförderung und EG a ) Maßnahmen der E G

Für

kulturell

motivierte

Maßnahmen

der

Gemeinschaft

bieten

Art. 30 ff. E G V keine Rechtsgrundlage. Unzulässig wäre es daher bspw., die Förderung der Übersetzung von Theaterstücken durch die E G als Maßnahme zur

Verbesserung

des Warenverkehrs

zu deklarieren; 95

hierfür

hat

die

Gemeinschaft keine Kompetenz (zur gemeinsamen Handelspolitik s.u. S. 218). Die Verordnung des Rats über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen, 96 die auch gewisse Gegenstände "kulturellen Charakters" von Eingangsabgaben befreit 97

und damit den freien

Warenverkehr

unter

dem

Gesichtspunkt der Zollunion (Art. 9 ff., 12 ff. E G V ) betrifft, 98 hat denn auch als Ziel nicht die Förderung von Kunst, sondern die Erleichterung des Handels, ist also von den Zielen der E G gedeckt.- Dies gilt ebenso für den Beschluß 7 9 / 5 0 5 / E W G , der den grenzüberschreitenden Verkehr von Kulturgut betrifft. 99 Nicht Kunsthandelsförderung, sondern Kunsterhaltung liegt der Verordnung der E G vom November 1992 zugrunde, die die Ausfuhr von bestimmten Kunstschätzen von der Genehmigung des zuständigen Mitgliedstaates abhängig macht. 1 0 0 Soweit die Verordnung die Rückgabe unrechtmäßig verbrachten

95

Die Formulierung der Entschließung (ABl. 93/C 160/1: "in dem Bewußtsein, daß potentielle Produzenten ... diese Werke möglicherweise zunächst in der eigenen Sprache lesen müssen, bevor sie über eine Inszenierung entscheiden") ist etwas mißdeutig. 96

Verordnung vom 28. 3. 1983, (EWG) Nr. 918/83, ABl. 83/L 105/1.

97

Vgl. Art. 50 bis 52, die Gegenstände sind in den Anhängen zu der Verordnung aufgeführt. Dabei gelten die Befreiungen nach Art. 50 unmittelbar, während Verwendungen nach Art. 51 und 52 der Befreiung durch die Behördendes Mitgliedstaates, in dem die Verwendung stattfinden soll, bedürfen (Art. 128 der Verordnung). Den Mitgliedstaaten sind weitere Befreiungen vorbehalten (insbes. Art. 133, auch 134 ff.). 98 Nach Art. 13 und 14 EGV ist der Rat in diesem Zusammenhang allerdings nur zum Erlaß von Richtiinien ermächtigt, nicht von unmittelbar geltenden Verordnungen. 99 Beschluß betreffend den Abschluß des Protokolls zum Abkommen über die Einfuhr von Gegenständen erzieherischen, wissenschafdichenoder kulturellen Charakters vom 8.5. 1979; ABl. 79/L 134/13; betrifft Zölle, Steuern Abgaben und Gebühren sowie erforderliche Genehmigungen der Verwaltung. Es handelt sich hierbei um die Genehmigung des Protokolls der 19. Tagung der Generalkonferenz der UNESCO vom 26. 11. 1976 zum Abkommen von Florenz mit Ausnahme der Teile II (Verpflichtung, keine Steuern oder inländischen Abgaben zu erheben auf Bücher und Veröffendichungen), IV (Bücher und Filme), Cl (Bild- und Tonmaterial), F (Sportausrüstungen), G (Musikinstrumenteund -ausrüstungen) und H (Druckmaschinenpp.). Erfaßt werden aber Bücher pp, Kunstwerke und Gegenstände von ... kulturellem Charakter sowie Bild- und Tonmaterial derselben Art. 100

Die Regelung soll den Wegfall der Binnengrenzen kompensieren und betrifft nur den Verkauf in Drittstaaten. Neben der Verordnung über die Ausfuhr von Kulturgütern wurde die Richtiinie des

. Kunstförderung und primäres Gemeinschaftsrecht

191

Kulturgutes bindend vorsieht (Art. 2), kann sich die Gemeinschaft jedenfalls nicht auf Art. 36 E G V stützen. 101

β ) Maßnahmen der Mitgliedstaaten Den Mitgliedstaaten sind nach Art.

30 und 34 E G V

mengenmäßige

Beschränkungen der Ein- und Ausfuhr 102 von Waren sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung verboten. 103 Soweit der Handel mit Kulturgut nicht Massenhandel

ist, kommen statt mengenmäßiger

Beschränkungen

"Maßnahmen

gleicher Wirkung" in Betracht. Eine Maßnahme gleicher Wirkung ist "jede Handelsregung der Mitgliedsstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschafdichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern ..."; 104 im Bereich des Kulturguthandels bspw.

der gezielte Ankauf

nationaler

Kunstwerke durch einen Mitgliedstaat, wenn er zur Diskriminierung von Kunstwerken anderer Mitgliedstaaten führt. 1 0 5

Rats betreffend die Rückgabe von Kulturgütern, die unrechtmäßig aus dem Staatsgebiet eines Mitgliedstaates verbracht wurden, verabschiedet. "Kulturgut" im Sinne der Richdinie ist das, was von Art. 36 EGV gedeckt ist und in eine Kategorie des Anhangs fällt. S. ABl. 92IC 53/14 (Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rates über die Ausfuhr von Kulturgüter) und ABl. 92/C 53/15 (Vorschlag für eine Richtlinie des Rats betreffend die Rückgabe von Kulturgüter, die unrechtmäßig aus dem Staatsgebiet eines Mitgliedstaats verbracht wurden). Vgl. Friedrich Bischoff; Im Würgegriff der Eurokraten, Rhein. Merkur vom 23. 10. 1992, S. 29, mit kritischen Bemerkungen insbes. zur Liste des geschützten Kulturguts und zu den langen Fristen. 101

Zu Art. 128 EGV s.u. S. 213 (Art. 128 scheint auch nach Schwarze, JZ 94, 111, die Rechtsgrundlage für die Gemeinschaft gewesen zu sein). 102

Einschränkungennach Menge oder Wert der Ware; Müller-Graff/Groeben,

Art. 30 Rn. 6.

103

"Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung sind unbeschadet der nachstehenden Bestimmungen zwischen den Mitgliedstaaten verboten (Art. 30 EGV).- "Mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungensowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung sind zwischen den Mitgliedstaaten verboten." (Art. 34 Abs. 1 EGV). 104 EuGHE 74, 837 ff. Rn. 5 (Staatsanwaltschaft gegen Benoît und Gustave Dassonville), sog. "Dassonville-Formel". Std. Rspr., vgl. Müller-Graff*/Groeben, Art. 30 Rn. 22 und Fn. 46 m.w.N.Entscheidend ist allein die Wirkung, nicht das Ziel der Maßnahme, sie muß auch nicht (mehr) Handelsregelung sein; Müller-Graff!Groeben, Art. 30 Rn. 19 und 26.- Zum Ausfuhrverbot s. EuGHE 79, 3409, 3415 Rn. 7 (P.B. Groenveld BV gegen Produktschap voor Vee en Vlees); std. Rspr., Müller-Graff!Groeben Art. 34 Rn. 16 f. und Fn. 19 m.w.N.- Problematisch ist, ob auch Maßnahmen erfaßt werden, die den inländischen Handel nicht bevorzugen oder sogar benachteiligen; vgl. Müller-Graff!Groeben, Art. 34 Rn. 17. Nach der eben zitierten Rspr. ist das nicht der Fall.

192

Teil 3: Kunstförderung und EG

Die Verbote von Art. 30 ff. E G V gelten aber nur mit zwei Einschränkungen: -

Nach Art. 36 EGV gelten Art. 30 bis 34 E W G V nicht für Ein-, Aus- und Durchfuhrverbote und -beschränkungen, "die ... zum Schutz ... des nationalen Kulturguts von künstierischem, geschichtiichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen oder kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind", soweit die Maßnahmen nicht Mittel zur willkürlichen Diskriminierung oder eine verschleierte Handelsbeschränkung sind. Allerdings ist problematisch, wann es sich um Kulturgut, 1 0 6

um "nationales Kulturgut" 1 0 7 und um

Kulturgut von "künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert" handelt. 1 0 8 I m Ergebnis entscheidet darüber die Gemeinschaft bzw. der E u G H ; die Mitgliedstaaten tragen die Beweislast für die Voraussetzungen von Art.

36 E G V . 1 0 9

Dem EuGH wurde aber in der

Vergangenheit

105 Nach Götz, S. 23, ggf. eine nach Art. 31 EWGV/EGV verbotene Maßnahme "gleicher Wirkung". 106 Nach/torÄ, ZUM 89, 101, 107 ist Kulturgut das, was nachdem Bewußtsein der Allgemeinheit repräsentative Gegenstände nationaler Kultur sind. Dann könnte aber der Staat den Bereich des Kulturguts durch gezielte Werbung vergrößern. 107 Die Nationalität könnte sich nach dem Schöpfer, der Belegenheit oder der Geschichte des Gegenstandesrichten,vgl. Müller-Graff!Groeben, Art. 36 Rn 57. Nach Sparr, S. 92, ist die Nationalität des Sammlers, aber auch der Sitz der Sammlung unerheblich. Nationales Kulturgut kann jedenfalls auch regionales Kulturgut sein, vgl. Müller-Graff!Groeben, Art. 36 Rn. 57. Ein besonderes Problem besteht bei Kulturgütern fremder Kulturkreise ohne besondere Verbindung zum Belegenheitsland, vgl. Sparr, S. 92. Diese dürften nach Schwarze, JZ 94, 111, nicht in den Schutzbereich von Art. 36 EGV fallen, da Kulturverlust nur eintritt, wenn Kunst und Raum zu einer Einheit verschmelzen (sehr eng).- Interessante Beispiele für die Schwierigkeiten der Nationalitätsbestimmung bei Jayme. Entscheidend ist, in Art. 36 EGV nicht ein Instrument "richtiger Zuordnung" des Kunstgegenstandes zu sehen. Er betrifft nur die Zulässigkeit einer Handelsbeschränkung durch das Belegenheitsland, Sparr, S. 93.- Streitig ist, ob ein Mitgliedsland auf Maßnahmen im eigenen Interesse beschränkt ist {Müller-Graff! Groeben, Art. 36 Rn. 31 ff.) und wie Maßnahmen zu bewerten sind, die die gesamte Kultur der Gemeinschaft begünstigen sollen CRoth, ZUM 89, 101, 110, mit der Frage, ob dies nicht über den legitimen Zweck des fördernden Staates hinausgeht). 108 Reicht es für den "künsderischen Wert", daß eine Sache um ihres künstierischen Charakters willen gekauft wird? S. auch Sparr, S. 91 f. (nur Handelsware). 109 Fechner, S. 83.- Die Maßnahmennach Art. 36 EGV müssen "notwendig" sein. Dies setzt die ernstzunehmende Gefährdung eines anerkannten Schutzgutes von Art. 36 EGV voraus, die nicht durch Selbstregulierung des Marktes gebannt wird; EuGHE 76, S. 613 ff. Rn. 14/18 (Adriaan de Peijper, Geschäftsführer der Firma Centrafarm B.V.); std. Rspr., Müller-Graff!Groeben, Art. 36 Rn. 69 und Fn. 159 sowie Rn. 71 und 75. Grundsätzlich ist Art. 36 EGV "als Ausnahme von der Grundregel, daß alle Hindernisse für den freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten zu beseitigen sind, eng auszulegen"; EuGHE 81, S. 1625 ff. Rn. 7 (Kommission gegen Irland); 68, S. 633 ff., 644 (Kommission gegen Italienische Republik); std. Rspr., Müller-Graff!Groeben Art. 36 Rn. 22 und Fn. 41; s. auch Sparr, S. 68 f. und 144 f.

III. Kunstfördeng und primäres Gemeinschaftsrecht

193

Zurückhaltung gegenüber der Beurteilung durch die Mitgliedstaaten empfohlen. 110 Ob diese Empfehlung auch nach Inkrafttreten des M V aufrechtzuerhalten ist, ist zumindest fraglich. Denn nach Art. 3 lit. ρ EGV umfaßt die Tätigkeit der Gemeinschaft auch einen "Beitrag zur Entfaltung des Kulturlebens in den Mitgliedstaaten". Das läßt den Rückschluß zu, daß die Gemeinschaft nun als berechtigt anzusehen ist, eigene Urteile über das "Kulturleben in den Mitgliedstaaten" zu treffen, 111 was auch die Qualifikation bestimmter Waren als "nationales Kulturgut von künstlerischem Wert" einschließen dürfte. Ein Pflicht der Gemeinschaft zur Zurückhaltung bei solchen Beurteilungen kann zwar inzwischen positiv-rechtlich auf Art. 3 b Abs. 2 EGV (Subsidiaritätsprinzip) gestützt werden, 112 doch enthält diese Vorschrift keinen absoluten Vorbehalt zugunsten der Mitgliedstaaten. Gerade der freie Kunstverkehr als Teil des freien Warenverkehrs könnte ein "Ziel" sein, das "auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden kann" (insbesondere nicht die Einheitlichkeit der Beurteilung, was nun Kulturgut ist), so daß die Sperrwirkung von Art. 3 b Abs. 2 EGV nicht eingreift (im Einzelnen zum Subsidiaritätsprinzip S. 249 f.). 1 1 3 Betroffen sind auch die Vorbehalte zugunsten der Mitgliedstaaten in etlichen Rechtsakten der EG, "zum Schutz ... des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert" abweichende Regelungen zu erlassen, also den innergemeinschaftlichen Handel mit bestimmten Waren zu verbieten oder zu beschränken.114 Da die Er-

110 Müller-Graff/Groeben, Art. 36 Rn. 55 f. und Sparr, S. 49 m.w.N., sprechen von Ermessen der Mitgliedstaaten, dessen Grenze bei Massengegenständen ohne überdurchschnitdiche Prägung liegt. Auch der EuGH geht von einem Vorbehalt zugunsten der Mitgliedstaaten aus, EuGHE 74, 773 ff. Rn. 6 (Donato Casagrande gegen Landeshauptstadt München); 85, S. 593 Rn. 19 (Françoise Gravier gegen Stadt Lüttich). Diese Entscheidungen aus dem Bildungsbereich mußten nach dem alten EWGV für Kunst, die vom damaligen Vertragszweck noch weiter entfernt war, erst recht gelten. 111

Zur Beurteilung von Art. 3 lit. ρ EGV als eigener Ermächtigungsgrundlage s.u. S. 207.

112

So bspw. Schwarze, JZ 94, 111, 113, der auf die Kompetenzerweiterung durch Art. 3 lit. ρ EGV nicht eingeht, weil er die Frage nach einer Rechtsgrundlage für das Handeln der Gemeinschaft nur am Rande stellt. 113

In diese Richtung geht auch die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 21. 1. 1993, ABl. 93/C 42/180, Ziff. 30 c. 114

Vgl. bspw. Art. 3 II a der Richtiinie des Rats vom 4. 3. 1969 zur Harmonisierung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften über Zollager, 69/74/EWG, ABl. 69/L 58/7 und Art. 2 II a der 13 Geißler

194

Teil 3: Kunstfördening und EG Weiterung der Kompetenzen der E G durch Art. 3 lit. ρ E G V gegenüber diesen Vorbehalten lex posterior ist, ist auch hier eine einschränkende Auslegung der mitgliedstaatlichen Rechte zu erwarten. Eine solche wird auch dadurch gerechtfertigt, daß jeder Mitgliedstaat der Kompetenzerweiterung der E G zugestimmt hat.

-

Über die Ausnahmen des Art. 36 E G V hinaus hat der E u G H den Anwendungsbereich von Art. 30 ff. E G V durch Auslegung reduziert und sich bereit erklärt, Hemmnisse für den Innenhandel der Gemeinschaft hinzunehmen, die daraus entstehen, daß eine gemeinschaftliche

Regelung fehlt und die

Mitgliedstaaten daher Vorschriften über die Vermarktung erlassen, die "notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen gerecht zu werden, insbesondere den Erfordernissen einer wirksamen steuerlichen Kontrolle, des Schutzes der öffentiichen Gesundheit, der Lauterkeit des Handelsverkehrsund des Verbraucherschutzes."115 Diese "zwingenden Erfordernisse"

sind in der Cassis de Dijon-

Entscheidung nicht abschließend aufgeführt. 116 Sie müssen aber in jedem Fall nicht-wirtschaftlicher Art sein. 1 1 7 Dies entspricht auch den Voraussetzungen für Ausnahmen nach Art. 36 E G V und trifft auf künstlerische Gesichtspunkte - soweit sie nicht Kunst als Handelsware im Auge haben -zu. Gegenüber Art. 36 E G V sind aber die Anforderungen für die Erforderlichkeit gesteigert: Voraussetzung sind nicht nur "zwingende Erfordernisse", 118 Richtiinie des Rats vom 4. 3. 1969 zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Freizonen, 69/75/EWG, ABl. 69/L vom 8. 3. 1969, S. 11.- Die Ausnahme wird von der Rechtsprechung wegendes letzten Satzes von Art. 36 auf Tatbestände "nicht-wirtschafdicher Art" beschränkt, die die Verwirklichung der in Art. 30-34 EGV aufgestellten Grundsätze nicht in Gefahr bringen können, also auf den Schutz von Interessen nicht-wirtschafdicher Art, Müller-Graff/Groeben, Art. 36 Rn. 29 m.w.N. 115

EuGHE 79, S. 649 ff. Rn. 8 (Rewe-Zentral-AG gegen Bundesmonopol für Branntwein; sog. "Cassis de Dijon"); std. Rspr., Müller-Graff/Groeben Rn. 77 und Fn. 245 m.w.N.- Nach MüllerGraff/Groeben, Art. 30 Rn. 75, wäre diese Einschränkung bei einer weiteren Auslegung von Art. 36 EGV überflüssig. 1,6 "insbesondere", a.a.O.; so auch Müller-Graff! Gioeben, Art. 30 Rn. 85. Nach/torÄ, ZUM 89, 101, 109, auch alle nichtdiskriminierenden Regelungen, die den Warenverkehr aus Gründen des Allgemeininteresses behindern, soweit sie nur verhältnismäßig sind. Dabei seien die Mitgliedstaaten für Regelung und Einschätzung der Kulturförderung zuständig. 117

Dies ergibt sich sowohl aus der Zielrichtung der maßgeblichen EGV-Bestimmungen als auch aus der gleichen Funktion der zwingenden Erfordernisse und des Art. 36 EGV; vgl. MüllerGraff/Gxozbtn, Art. 30 Rn. 85. 118 S.o. Fn. 134 ("unbedingt erforderlich", "zwingend"). Für Art. 36 EGV gilt diese Steigerung nicht, da sie im Rahmen des Art. 30 EWGV/EGV entwickelt wurde und daher schon systematisch nicht für Art. 36 gilt; Rabe, S. 52.

195

III. Kunstförderung und primäres Gemeinschaftsrecht

sondern auch eine Lücke im Gemeinschaftsrecht, die aufgrund der wachsenden Regelungsdichte des Europarechts immer seltener zu bejahen sein wird. Mitgliedstaatliche Maßnahmen der Kunstförderung mit handelsbeeinträchtigender Wirkung sind also nur zulässig, wenn sie unter eine der Ausnahmen von Art. 36 E G V fallen oder ausnahmsweise von Art. 30 E G V gar nicht erfaßt werden. 1 1 9 Die nicht nur wirtschaftliche Gefährdung nationalen Kulturguts durch die Einfuhr

(Art.

30 E G V )

von bestimmten Waren ist kaum vorstellbar. 120

Dagegen sind Behinderungen der Ausfuhr (Art. 34 E G V ) durch die Mitgliedstaaten

zum

Schutz

ihres

nationalen

Kulturguts

üblich 1 2 1

und

durch

Art. 36 E W G V gedeckt, soweit sie die Ausfuhr vollständig verbieten. 122 Es handelt sich hier aber nicht um Kunstförderung i.e.S., d.h. um Verbesserung oder Steigerung, sondern um Bestandserhaltung.

119 Diese Prüfungsreihenfolge ist zwar systematisch nicht einwandfrei, weil vor der Prüfung von Art. 36 eigentiich zu prüfen wäre, ob der Fall überhaupt unter Art. 30 ff. fällt. Sie bietet sich aber deshalb an, weil Art. 36 EGV eine abschließende Regelung darstellt, leichter geprüft werden kann und außerdem Rückschlüsse darauf erlaubt, was alles unter Art. 30 EGV fallen sollte (s. auch EuGHE 68, S. 633, 642 (Kommission gegen Italienische Republik)). 120

Ebenso Sparr, S. 91.- Auch die Entscheidung EuGHE 80, S. 833 ff. Rn. 13 (Debauve), ist kein solcher Fall, da die Zulässigkeit mitgliedstaatlicher Regelungen nicht zum Schutz von Kulturgut im Sinne von Art. 36 EWGV/EGV erfolgt: "In Ermangelung einer Harmonisierung der geltenden Vorschriften bewegt sich ein derartiges Verbot im Rahmen der jedem Mitgliedstaat belassenen Zuständigkeit, Fernsehwerbung in seinem Hoheitsgebiet aus Gründen des Allgemeininteresses Rechtsvorschriften zu unterwerfen, zu beschränken oder sogar völlig zu verbieten. Nichts anderes gilt, wenn sich derartige Beschränkungen oder Verbote auf die aus anderen Mitgliedstaaten stammenden Fernsehsendungen erstrecken, solange sie tatsächlich in gleicher Weise auf die innerstaadichen Fernsehanstalten angewandt werden."- Soweit nur die wirtschaftiiche "Gefährdung", bspw. der Preisverfall infolge eines durch Einfuhr gestiegenen Angebots betroffen ist, ist dies eine vom EGV bezweckte Reaktion des Marktes. 121

Bspw. das Gesetz zum Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung, BGBl. 1955 I S. 501. 122

Dagegen werden Formalitäten bei der Ausfuhr sowie Zölle und ähnliche Abgaben für unzulässig gehalten. Denn die Gefährdung des Kulturguts droht allein durch seine Ausfuhr, so daß nur ein Ausfuhrverbot zur Erreichung dieses Zweckes geeignet ist, nicht aber Maßnahmen, die die Ausfuhr nur verzögern. Diese sind nur zulässig, soweit sie geeignet sind, dem Schutz des nationalen Kulturguts vorbereitend zu dienen oder bei der Durchsetzung des Ausfuhrverbots zu helfen, also bspw. Deklarierungspflichten oder Ausfuhrkontrollen, die Eintragung in das Verzeichnis nationalen Kulturguts und die Genehmigungspflicht der Ausfuhr nach § 1 Abs. 4 des deutschen Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung. Vgl. MüllerGraff! Groeben, Art. 34 Rn. 18; EuGHE 68, S. 633 ff., 644 (Kommission gegen Italienische Republik); Sparr, S. 94.

196

Teil 3: Kunstförderung und EG b) Freizügigkeit, Niederlassungsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit und ihre Auswirkungen auf Maßnahmen der Mitgliedstaaten

Z u den Grundfreiheiten des E G V gehört neben der Freiheit des Warenverkehrs

auch

die

Freizügigkeit

der

Arbeitnehmer, 123

die

Niederlas-

sungsfreiheit für Selbständige und Unternehmen und die Freiheit von Dienstleistungen über innergemeinschaftliche Grenzen hinweg, Art. 48 ff., 52 ff. und 59 ff. E G V . 1 2 4 Ziel der Regelung ist es, Arbeitnehmern und Selbstständigen die Arbeit in der ganzen Gemeinschaft zu ermöglichen, und zwar sowohl für einzelne Leistungen als auch die Wahl des Arbeitsplatzes insgesamt. Anknüpfungspunkt

ist daher eine Tätigkeit mit Erwerbszweck (Freizügigkeit

und Niederlassungsfreiheit) 125 bzw. eine entgeltliche 126 Dienstleistung (Dienstleistungsfreiheit). 127 Erfaßt werden auch Leistungen kultureller Art wie Rundfunksendungen, 128 Konzert- und Gastspielreisen, Wanderausstellungen u . s . w . ; 1 2 9 kurz: auch Tätigkeiten, die "wegen ihres künsderischen ... Charakters traditionell nicht dem Bereich der Wirtschaft zugerechnet"130

123 Hierzu Streil/EBPS, S. 306 f. Nach Bieber!BBPS, S. 483, ist die Freizügigkeit eine der Grundlagen für Kompetenzen der EG im Bereich Bildung und Kultur. 124

Troberg/Groeben,

Art. 52 Rn. 3 und 21.

125

Nicht dagegen die Verlegung des Wohnsitzes ohne beruflichen Grund; Troberg!Groeben Art. 52 Rn. 24 bis 26; RandelzhoferlGmbiXz, Art. 52 Rn. 13. 126

Entgeltiichkeit ist gegeben, wenn der Leistende einen Erwerbszweck verfolgt, wobei das Entgelt nicht unmittelbar zwischen Leistendem und Leistungsempfänger fließen muß. Vgl. TrobergIGroeben, Art. 52 Rn. 27 und Art. 60 Rn. 4; Randelzhofer!Grabitz, Art. 60 Rn. 8. 127 Beispielsfälle der Dienstieistung: Art. 60 Satz 2 EGV. S. auch Troberg!Groeben, Rn. 3; Streil!BBPS, S. 317.

Art. 52

128

Vgl. hierzu Sparr, S. 165 ff. (Grenzüberschreitung: S. 165 ff.; Entgeltiichkeit: S. 170 ff.; zusammenfassendS. 182 f.). Ebenso Troberg!Groeben, Art. 60 Rn. 19 f. mit einer Darstellung der Rundfunkrechtsprechung des EuGH in Rn. 23 und 24; Niedobitek, S. 155; EuGHE 80, 833 ff., insbes. Rn. 10 ff. (Debauve); std. Rspr., zuletzt EuGH, JZ 92, 1123 ff.- Einschränkend zum Dienstieistungscharakter Scholz, NJW 90, 941, 942, wegen überwiegend kultureller Qualität. 129

S. Troberg!Groeben, Art. 60 Rn. 19 f. und Art. 52 Rn. 27 (für den Begriff der Erwerbstätigkeit in Art. 52 EGV. Ebenso Weyringer, S. 1000; Streil!BBPS, S. 317. Auch nach Roth, ZUM 89, 101, 103, erfaßt die Niederlassungsfreiheit Autoren, Musiker, Architekten und (Kunst-)Maler. 130 EuGHE 74, 1405, 1418(B.N.O. Walrave und L.J.N. Koch gegen Associetion Union Cycliste Internationale, Konkinklijke Nederlandsche Wieiren Unie und Federacion Espanda Ciclismo.- Die Ausdehnung ihrer Kompetenzen im Bereich der Wirtschaft auf kulturelles Gebiet kommt schon in einer Mitteilung der Kommission von 1977 zum Ausdruck, in der eine Reihe von Maßnahmen im kulturellen Bereich angeregt werden, der als "sozioökonomisches Gefüge von Personen und

III. Kunstförderung und primäres Gemeinschaftsrecht

197

werden. Erwerbszweck oder Entgeltlichkeit fehlen nur, wenn keine Beteiligung am Wirtschaftleben vorliegt, wie bspw. bei karitativen Einrichtungen.131 Im Bereich der entgeltlichen Tätigkeiten sollen die Mitgliedstaaten Beschränkungen abbauen. Der Erlaß neuer Regelungen, die Dienstleistungen oder Niederlassungen nicht "gleich behandeln, unabhängig davon, wo sie ihren Ursprung haben und welche Staatsangehörigkeit der Erbringer der Dienstieistung besitzt oder wo er ansässig ist",

ist ihnen verboten (Diskriminierungsverbot). 132 Mitgliedstaatliche Leistungen an künstlerische Institutionen (Museumszuschüsse pp.) oder Künstler (Preise, Stipendien, pp.) sind in der Regel nicht Gegenwert für erhaltene Vorteile, sondern Anerkennung oder Unterstützung der künstlerischen Arbeit. Es geht also nicht um entgeltliche Leistungen i.S.v. Art. 48 ff. EGV. Eine Bevorzugung inländischer Künstler stellt daher keinen Verstoß des Staates gegen die Grundfreiheiten dar (möglicherweise aber eine Subvention i.S.v. Art. 92 ff. EGV, s.u. S. 182 ff.).- Soweit ausnahmsweise Entgeltlichkeit gegeben ist in dem Sinne, daß es dem Staat auf die Leistung als solche ankommt, muß er die Anbieter aus allen Mitgliedstaaten gleichermaßen berücksichtigen. Ungleichbehandlungen sind nur aus zwei Gründen gerechtfertigt: - Zulässig sind ausnahmsweise Maßnahmen, die einem öffentlichen Interesse unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit dienen und objektiv sinnvoll sind, bspw. Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, Art. 66, 56 EGV. Die Beschränkungen müssen aber für alle Dienstleistungserbringer aus den Mitgliedstaaten gleichermaßen gelten.133 Außerdem ist nach Art. 56 Abs. 2 i.V.m. Art. 7 und 189 b EGV die

Unternehmen, die Kulturgüter und kulturelle Leistungen produzieren und verteilen" definiert wird ("Die Aktion der Gemeinschaft im kulturellen Bereich" - Mitteilung der Kommission an den Rat vom 22. November 1977; Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Beilage 6/77). Die Anregung sah allerdings keinen Einsatz von Haushaltsmittel der EG vor. 131

Troberg/Gioeben,

Art. 52 Rn. 28.

132

Art. 62 EGV; EuGH, Rs. 52/79 (Strafverfahren gegen Marc J.V.C. Debauve und andere), Slg. 1980, S. 833 ff. Rn. 13. Ebenso StreiUBBPS, S. 318; TrobergiGroeben, Art. 52 Rn. 33. Verboten ist schon die Erschwerung der Dienstieistung, Troberg/Groeben, Art. 59 Rn. 24; bspw. durch Genehmigungserfordernisse für die Ausübung der Grundfreiheiten, Sparr, S. 70. Die Tendenz geht sogar dahin, auch Maßnahmen zu verbieten, die die Ausübung der Grundfreiheiten beeinträchtigen, ohne diskriminierend zu sein, die also für In- und Ausländer gleichermaßen gelten; Troberg!Groeben, Art. 59 Rn. 4. 133

EuGHE 80, S. 833 ff. Rn. 13 (Debauve).

198

Teil 3: Kunstförderung und EG

Koordination entsprechender Rechts- und Verwaltungsvorschriften möglich. 134 - Außerdem sind zulässig Ungleichbehandlungen bei Tätigkeiten, "die in einem Mitgliedstaat dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentiicher Gewalt verbunden sind" (Art. 55, 66 EWGV).

Entscheidend ist, ob die Tätigkeit ein besonderes Treueverhältnis zum Staat erfordert, 135 wobei die Rechtsprechung des EuGH nach der Einführung der Unionsbürgerschaft durch Art. 8 Abs. 1 EGV einer neuen Prüfung unterzogen werden müssen wird. Allerdings wird die mitgliedstaatliche Staatsangehörigkeit nicht abgeschafft, so daß auch der geänderte EGV das besondere Näheverhältnis aus der Staatsangehörigkeit respektiert. Als Ausnahmen aufgrund eines besonderen Treueverhältnisses zum Staat kommen höchstens die kulturelle Außenpolitik und der Rundfunk in Betracht. Im Bereich der kulturellen Außenpolitik muß zwischen dem Künstler und dem in der Außenpolitik zuständigen Beamten unterschieden werden. Der in der Außenpolitik zuständige Beamte erbringt keine künstlerische Leistung. Der Künstler nimmt keine hoheitlichen Befugnisse wahr. Allenfalls kann es für die Repräsentation des Staates nützlich sein, daß der Künstler durch seine Staatsangehörigkeit eine besondere Verbundenheit zum Staat hat, doch ist für die Erfüllung seiner Aufgabe keine hoheitliche Gewalt erforderlich. 136 Bei national repräsentativen Einrichtungen, die nach außen

134

Nachdem das Europäische Parlament schon Vereinheitlichungen im Rahmen von Art. 36 EGV angeregt hat (ABl. 93/C 42/180, Ziff. 30 b), wird es sich wohl auch hier nicht aufhalten lassen. 135

S. Everting, DVB190, 225,229. Das besondere Treueverhältnis wird bejaht bei der Ausübung hoheidicher Befugnisse und bei Aufgaben, "die auf die Wahrnehmung der allgemeinen Belange des Staates oder anderer öffentiicher Körperschaften gerichtet sind und die deshalb ein Verhältnis besonderer Verbundenheit des jeweiligen Stelleninhabers zum Staat sowie die Gegenseitigkeit von Rechten und Pflichten voraussetzen, die dem Staatsangehörigkeitsband zugrundeliegen"; EuGHE 86, S. 2121 Rn. 27 (Deborah Lawrie-Blum/Baden-Württemberg). Weitere Nachweise bei Sparr, S. 197, Fn. 2, und bei Everting, DVB190, 225, 226 f. und 229. Auch hier sind die Mitgliedstaaten für Ausnahmen beweispflichtig; Sparr, S. 70 m.w.N. Roth, ZUM 89, 101, 107, weist daraufhin, daß eine Art. 36 EWGV/EGV entsprechende, auf kulturelle Belange zugeschnittene Ausnahme im Bereich der Niederlassungs- und Dienstieistungsfreiheit fehlt. 136 Hierzu auch Everting DVB1 90, 225, 229, und Sparr, S. 198 f.- Dies muß insbesondere vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH zur Ausübung öffentiicher Gewalt durch Lehrer betrachtet werden {Everting, a.a.O.): Wenn schon Lehrer, die immmerhin mit Zeugnissen auch über die Versetzung und den Schulabschluß entscheiden und damit Verwaltungsakte setzen, nicht erfaßt werden, dann kann die der Ausübung öffentlicher Gewalt ferner stehende Kunstausübung

III. Kunstförderung und primäres Gemeinschaftsrecht

199

als Einheit auftreten, kommt es allein auf die Nationalität der Einrichtung, nicht aber ihrer Mitglieder an. 137 Auch die Erbringung von Rundfunkleistungen ist nicht Ausübung hoheitlicher Gewalt. 138 Auf diese Ausnahme kann daher eine Ungleichbehandlung entgeltlicher Leistungen durch einen Mitgliedstaat nicht gestützt werden.

2. Steuerliche Regelungen und Subventionsverbot

Mittel der Kunstförderung sind vor allem die Vergabe von Geld und die Vermeidung von Belastungen, insbes. durch Steuererleichterung oder Steuerbefreiung (s. Einleitung).

a) Steuerliche Regelungen Die steuerlichen Vorschriften des EGV sind Art. 95 bis 99. Durch Art. 95 und 96 EGV (Steuern auf Waren) und Art. 97 bis 99 EGV (indirekte Steuern) ist es den Mitgliedstaaten verboten, zwischen inländischen Steuertatbeständen und solchen anderer Mitgliedstaaten zu differenzieren. Betroffen sind zumindest diejenigen in der Einleitung angeführten indirekten Steuern, die an die Nationalität anknüpfen, bspw. an den Status als "inländische öffentlichrechtliche Körperschaft". 139 Eine Ungleichbehandlung inländischer und innergemeinschaftlicher Steuertatbestände könnte nur durch eine analoge Anwendung von Art. 92 Abs. 3 d EGV oder - bei Steuern, die an die Ein- und Ausfuhr von Warten anknüpfen - von

nicht von Art. 66, 55 EWGV/EGV erfaßt werden (die Abgrenzung erfolgt anscheinend danach, ob politische Entscheidungen getroffen oder zumindest beeinflußt werden können). 137

So überzeugend Hilf,

NJW 84, 517, 522, für Fußball vereine.

138

Sparr, S. 201.- Im Grünbuch der EG wird untersucht, aufgrund welcher Vorschriften Gründe des Allgemeininteresses die Beschränkung grenzüberschreitenden Rundfunks rechtfertigen können; vgl. hierzu Deringer, ZUM 85, 229 ff. 139

Bspw. die Steuerbefreiung für Gegenstände, die für 5 Jahre für öffendiche Ausstellungen zur Verfügung gestellt werden, deren Träger eine inländische juristische Person des öffendichen Rechts ist, § 110 Abs. 1 Nr. 12 und § 101 Nr. 5 BewG (beide wurden erst durch das Kulturförderungsgesetz vom 13. 12. 1990 eingeführt).

200

Teil 3: Kunstförderung und EG

Art. 36 E G V gerechtfertigt werden. Gegen eine analoge Anwendung von Art. 92 Abs. 3 d E G V spricht die Systematik des Vertrages: Art. 95-99 E G V sind für das spezielle Gebiet der Steuern eine abschließende und durch die vertragliche Materie.

Gliederung

von Wettbewerbs-

und Beihilfenrecht

getrennte

Das Gleiche spricht auch gegen eine analoge Anwendung von

Art. 36 E G V . 1 4 0 Die Gemeinschaft hat nach Art. 99 E G V die Möglichkeit, die indirekten Steuern zu harmonisieren. 141

So hat sie versucht,

die Besteuerung des

Mehrwerts von Büchern zu vereinheitlichen, 142 akzeptierte aber nach heftigen Angriffen 1 4 3 die Fortsetzung der einzelstaatlichen Buchpreispolitiken unter Beachtung der Wettbewerbsregeln. 144 Erfolgreich war die Befreiung von der Mehrwertsteuer für Sammlungsstücke und Kunstgegenstände erzieherischen, wissenschaftlichen und kulturellen Charakters, die nicht zum Verkauf bestimmt sind und von Museen, Galerien und anderen Einrichtungen unentgeltlich eingeführt werden. 1 4 5

140

Vgl. Müller-Graff! Groeben, Art. 36 Rn. 12: keine analoge Anwendung von Art. 36 EWGV auf zollgleiche Abgaben, die auf die Ausfuhr von Kunstgegenständen erhoben werden. Ebenso Kommission gegen Itel. Republik, Rs 7/68, Slg. 68, 633, 644. 141 Der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses; allerdings ist Einstimmigkit erforderlich.- Ob allerdings diese Möglichkeit noch besteht, ist nach dem Wortlaut von Art. 7 a EGV (= 8 a EWGV) zweifelhaft, da dieser nur für die Herstellung des Binnenmarktes bis zum 31. 12. 1992 eine Rechtsgrundlage schuf. Immerhin spricht die Übernahme als Art. 7 a EGV dafür, daß die Regelung trotz ihrer technischen Unsauberkeit weiter gelten soll. 142

Auftrag des Rats und der im Rat vereinigten Minister für Kulturfragen vom 18.5. 1989 an die Kommission, die Besteuerung von Büchern zu prüfen; Entschließung zur Förderung des Buches und der Lektüre mit Blick auf die Vollendung des Binnenmarktes im Jahre 1992, ABl. 89/C 183/1. S. auch oben S. 177.- Zur Mehrwertsteuer im Gemeinschaftsrecht: Reicherts!Groeben, Art. 99 Rn. 10 ff. 143

S. bspw. Ipsen, Kulturbereich: das Ausgreifen der EG auf den Bereich der Buchpreisregelungen sei eine eklatante Mißachtung der grundrechdichenund damit kulturpolitischen Destination und Funktion der Buchpreisregelungen (S. 349), für die die Gemeinschaft keine Kompetenz habe und die daher unzulässig sei (S. 351). Es sei auch unvereinbar mit der gemeinschaftsrechtiichen Treuepflicht und dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit (S. 351 f.), gegen die es dadurch verstieße, weil die Nähe zu Kultur und Grundrechten unverhältnismäßig außer Acht bliebe, wenn man Presseerzeugnisse nur als Waren behandelte (S. 353). Selbst bei einer Kompetenz der Gemeinschaft bestände daher eine Ausübungsschranke (S. 354). 144 145

ABl. 89/C 183/02.

S. Art. 79 r der Richtiinie des Rates ABl. 83/L 105/38.- Überblick über die Rechtsprechung zum Gemeinsamen Zolltarif bzgl. Kunst und Antiquitäten bei Niedobitek, S. 137. S. auch EuGHE 88, 6449 ff., Rz. 16 (Volker Huber/Hauptzollamt Frankfurt a.M.): Zweck der Zollbefreiung sei "offensichdich", "der künsderischen Produktion eine Vorzugsbehandlung zu gewähren."

III. Kunstförderung und primäres Gemeinschaftsrecht

201

Die direkten Steuern (bspw. Einkommen-, Vermögen- und Erbschaftsteue r ) 1 4 6 werden von Art. 99 E G V nicht erfaßt. 147 Für sie bleibt strittig, ob Art. 92 ff. E G V (hierzu sogleich) subsidiär eingreifen. 148

b) Das Subventionsverbot Die zentrale Bestimmung 149 für staatliche, von Gegenleistungen unabhängige Kunstförderung ist Art. 92 EGV: "(1) Soweit in diesem Vertrag nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatiiche oder aus staatiichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen."

a ) Begriff der Beihilfe nach Art. 92 Abs. 1 E G V Von Art. 92 E G V erfaßt werden alle Leistungen der Mitgliedstaaten, Länder, Regionen und Gemeinden,

150

ihrer

die ohne - wirtschaftlich angemessene -

Gegenleistung 151 an Unternehmen oder Produktionszweige gehen 152 und eine

146

Zur Aufteilung der Steuern s. Ehrlicher,

Sp. 304 f.

147

Wägenbaur/Grdbitz, Art. 99 Rn. 16 f. (mit Hinweis auf die Möglichkeit der EG, über Art. 100 EWGV vorzugehen). S. auch Götz, S. 123 f.- Betroffen sind bspw. die Regelungen im Vermögensteuerrecht, nach denen Kunstgegenstände, aber auch Immobilien von kulturellem Wert steuerlich nicht oder nur teilweise angesetzt werden; s. nur §§ 110 Abs. 1 Nr. 10 und 12, 115 Abs. 2 und 3 BewG. 148 Aus dem Aufbau der Art. 92 ff. EWGV läßt sich kein zwingendes Argument entnehmen, da nicht klar ist, ob Art. 95 ff. eine verdrängende Sonderregelung für alle Steuern sein soll (so daß Art. 92 ff. nicht subsidiär anzuwenden sind) oder ob Art. 95 ff. nur für bestimmte Arten von Steuern die Anwendung der allgemeinen Regeln über staatiiche Subventionen verdrängen.- Gegen eine Harmonisierungskompetenz der Gemeinschaft auf diesem Gebiet schon für das Verhältnis von Art. 99 und 92 ff. EWGV: Götz, S. 123 f. (mit Überblick über den Streitstand: S. 121 ff.). Nach Wägenbaur/Grabitz, Art. 99 Rn. 17, können solche Maßnahmen jedenfalls auf Art. 100 und 101 EWGV gestützt werden. Ebenso Ress, S. 168 f. ; die Maßnahmen müssen aber für den Binnenmarkt erforderlich sein, Ress, S. 185 (ebenso S. 160). 149 Einschlägig ist auch Art. 5 EGV. Gegenüber Art. 30 sind Art. 92 bis 94 leges speciales, vgl. Wenig!Groeben, Vorbemerkungen zu den Art. 92 bis 94, Rn. 10. 150

Bleckmann, Subventionsrecht, S. 155 f. Früher str., vgl. Wenig!Groeben, Art. 92 Rn. 8. Vgl. auch EuGHE 87, 4013 (Bundesrepublik Deutschland gegen Kommission: Regionalhilfe nach Art. 91 a GG). 151

Allerdings muß es sich nicht um eine vollkommene Unentgeldichkeit handeln, sondern es

202

Teil 3: Kunstförderung und EG

begünstigende Wirkung haben. 153 Hierzu gehören Geld- und Sachleistungen, Steuerbefreiungen 154 und die unentgeltliche oder besonders günstige Überlassung von Gebäuden und Grundstücken, ebenso wie Belastungsverminderungen durch die Übernahme von Verlusten p p . , 1 5 5 aber auch mittelbare Unterstützungen wie die zweckgebundene Unterstützung von Verbrauchern zur Abnahme von Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens. 156 Weitere Voraussetzung von Art. 92 E W G V ist die mögliche Verfälschung des Wettbewerbs oder Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten. 157 Dabei ist nicht ausdrücklich festgelegt, auf welchen Markt sich die Wettbewerbs Verzerrung bezieht. 158

reicht schon, wenn der Austausch nicht im Rahmen eines normalen wirtschafdichen Vorgangs bleibt, sondern ein Mißverhältnis zwischen staatiicher Leistung und der des Begünstigten liegt; v. Wallenberg /Grabitz, Art. 92 Rn. 7; Wenig/Groeben, Art. 92 Rn. 5.- Str. ist, ob wirklich jede Gegenleistung die Beihilfequalität ausschließt, Wenig/Groeben, a.a.O. Dann wäre aber die Einschränkung der Beihilfen auf solche, die begünstigende Wirkung haben, sinnlos. 152 Zum Unternehmensbegriff s. unten Fn. 164.- Verboten ist die Sonderunterstützung "bestimmter Unternehmen", die nicht allen Marktteilnehmern zugute kommt {Wenig!Groeben, Art.92 Rn. 12); dagegen ist die Förderung einer ganzen Branche nicht verboten (das wäre Wettbewerb unter den Mitgliedstaaten, der ggf. unter Art. 103 EGV fällt; vgl. Wenig!Groeben, Art. 92 Rn. 12; Seidel, Problem, S. 71); v. Wallenberg! Grabitz, Art. 92 Rn. 20. 133

Wenig!Groeben, Art. 92 Rn. 2; v. Wallenberg! Grabitz, Art. 92 Rn. 6; Götz, S. 20 f; Ipsen, VVDStRL 25, 257, 272, Fn. 32. Daher auch die Intervention (Stützkauf über Marktpreis); nicht aber Auftragsverhältnisse und das Beschaffungswesen der Verwaltung; Götz, S. 22; allerdings je nach Konditionen der Beschaffung, v.Wallenberg/Grabitz, Art. 92 Rn. 7. Auf die Motivation der Leistung kommt es nicht an; Wenig!Groeben, Art. 92 Rn. 7. 154 V. Wallenberg! Grabitz, Art. 92 Rn. 4.- Allerdings nur, soweit sie nicht unter die speziellen Regelungenüber Zölle, mengenmäßigeEinfuhrbeschränkungen,Transporttarife und steuerrechdiche Maßnahmen fallen; vgl. Götz, S. 21 f. 155 Wenig!Groeben, Art. 92 Rn. 4; v. Wallenberg! Grabitz, Art. 92 Rn. 4 und 11; auch Seidel, S. 73 f. 156

Wenig/Groeben, Art. 92 Rn. 6.- Die Mitgliedstaaten müssen die konkreten Anwendungsmodalitäten von allgemeinen Beihilferegelungen sowie die wichtigen Einzelfälle und alle Änderungen vor der Durchführung umfassend der Kommission mitteilen (gilt als Ausfluß der Gemeinschafttreue nach Art. 5 EGV), auf Verlangen der Kommission auch nachträglich berichten; Wenig/Groeben, Art. 93 Rn. 7 und 4. 157

Art. 92 Abs. 1 EGV. Ipsen, VVDStRL 25, 257, 272, Fn. 32; vgl. auch Götz, S. 102; und Wenig!Groeben, Art. 92 Rn. 18. An einer Handelsbeeinträchtigung fehlt es jedoch, wenn die Auswirkung der Beihilfe lokal begrenzt sind oder kein innergemeinschafdicher Handel besteht; vgl. Wenig!Groeben, Art. 92 Rn. 25. Die tatsächliche Beeinträchtigung ist keine Voraussetzung für die Subvention selbst, Götz, S. 20, v. Wallenberg! Grabitz, Art. 92 Rn. 23 ff., 25. Erforderlich ist die Spürbarkeit der Wettbewerbsbeeinträchtigung, Bieber/BBPS, S. 336. 158

Nach dem Wortlaut ist der Handel zwischen den Mitgliedstaaten entscheidend.- Nach Ipsen, VVDStRL 25, 257, 272, Fn. 32, ist schon eine Wettbewerbsverfälschung auf dem nationalen Markt

III. Kunstförderung und primäres Gemeinschaftsrecht

203

Eine Schädigung des Konkurrenten ist nicht erforderlich. 159 Von Art. 92 EWGV nicht erfaßt werden - die Leistungen der EG selbst,160 - private Unterstützungsleistungen wie Spenden und Preise aus der Wirtschaft oder von Bürgervereinigungen 161 und - Leistungen an private Einzelpersonen (Stipendien pp.). 162 Dagegen sind mitgliedstaatliche Begünstigungen für kulturelle Einrichtungen wie Theater und Museen nicht von vorneherein aus dem Bereich der verbotenen Beihilfe auszuschliessen,163 denn auch sie können den Wettbewerb verfalschen. Fraglich ist nur, ob es sich um Leistungen an "Unternehmen " handelt, was die Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke voraussetzt.164 Diese Voraussetzung ist jedenfalls bei privaten Kultureinrichtungen wie Theater pp. gegeben, und zwar auch dann, wenn tatsächlich kein Gewinn gemacht wird. 165 Etwas anderes könnte sich bei öffentlichen Einrichtungen ergeben. Allein die Tatsache, daß eine Einrichtung von der öffentlichen Hand getragen wird, schließt den Charakter als Unternehmen im Sinne von Art. 92 EGV nicht

ausreichend. Ebenso Wenig/Groeben, Art. 92 Rn. 18. Die Konsequenz dieser Auffassung ist, daß der EGV direkt in die nationale Wirtschaft eingreift, selbst wenn diese keine Auswirkungen auf die gemeinschafdiche Wirtschaft hat und es also nicht um innergemeinschafdichen sondern innerstaadichen Handel geht. 159

Ipsen, VVDStRL 25, 257, 273, Fn. 32.

160

Allerdings ist die Gemeinschaft auch nicht selbst aus Art. 92 EGV zur Subventionierung berechtigt; zu beidem Götz, S. 102. Nach Bleckmann, Subventionsrecht, S. 159, setzt eine Subvention der Gemeinschaft allerdings voraus, daß sie der Erreichung eines der Ziele des EWGVertrages bezweckt.- Die EG ist nach Seidel, S. 81, auch nicht berechtigt, die Mitgliedstaaten zu Subvenionen zu verpflichten. 161

Wenig/G roeben, Art. 92 Rn. 9.

162

Es fehlt an der Voraussetzung "Unternehmen", vgl. Ress, S. 143, und unten Fn. 164.

163

S. nur Koch/Grabitz,

Art. 85 Rn. 7.- A.A. Ress, S. 144, dem dies absurd erscheint.

164

Zum Unternehmensbegriff v.WallenberglGrabitz, Art. 92 Rn. 20; Schröter, Vorbemerkung zu den Art. 85 bis 89, Rn. 12. Der Unternehmensbegriff in Art. 92 ist identisch mit dem in Art. 85 und 86 EWGV, Wenig!Groeben, Art. 92 Rn. 13 (s. auch Rn. 12 und 29).- Vergünstigungen für gemeinnützigen Einrichtungen fallen in der Regel nicht unter Art. 92 EGV, weil die Anerkennung der Gemeinnützigkeit davon abhängt, daß kein wirtschafdicher Geschäftsbetrieb geführt wird (§§ 51, 52, 63 AO, § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG, § 3 Nr. 6 GewStG und § 3 Abs. 1 Nr. 12 S. 1 und 2 VStG), so daß kein Unternehmen i.S.v. Art. 92 EGV vorliegt. Zu kirchlichen und karitativen Einrichtungen vgl. auch WenigiGroeben, Art. 92 Rn. 12. 165

V. Wallenberg! Grabitz, Art. 92 Rn. 20 i.V.m. Koch!Grabitz,

Art. 85 Rn. 7.

204

Teil 3: Kunstförderung und EG

aus. 1 6 6 Problematisch ist aber, daß oft nicht einmal der Wille besteht, Gewinn zu machen. D a öffentliche Theater aber in einem Wettbewerbsverhältnis mit unternehmerisch geführten Privattheatern stehen, nehmen sie als Konkurrenten am Wirtschaftleben teil, so daß es m.E. nicht darauf ankommen kann, ob man sich von vorneherein mit einer negativen Bilanz abfindet oder nicht. Allerdings dürfte bei konkurrierenden privaten und öffentlichen Theatern i.d.R. das Merkmal der Beeinträchtigung des Wettbewerbs Mitgliedstaaten

zwischen den

fehlen, außer in grenznahen Bereichen. Das ist aber nur eine

Frage der Kultursparte. Denn daß große Kultureinrichtungen durchaus als Wettbewerbsfaktor über eine erhebliche Strecke wirken können und somit durchaus

ein Wettbewerbsverhältnis

zwischen den großen Museen

und

Theatern/Opern in ganz Europa besteht, wurde schon oben dargelegt. 167 Fraglich ist, ob eine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten durch Bevorzugung nationaler Unternehmen auch dann vorliegt, wenn die Begünstigung an Klauseln wie "gemeinnützige Zwecke", für Kunst", "Geschichte" anknüpft. 1 7 0

Denn hier

169

168

die "Bedeutung

oder auch pauschal an das "öffentliche Interesse"

dürfte

der

deutsche

Gesetzgeber

vorrangig

die

166

V. Wallenberg /Grabitz, Art. 92 Rn. 10, Koch/Grabitz Art. 85 Rn. 8; s. auch Schröter!Groeben, Vorbemerkung zu den Art. 85 bis 89, Rn. 10 f. mit Hinweis auf die Rspr. des EuGH; Seidel, S. 68.- Staatiiche Finanzzuführungenan eigene Unternehmen sind erst dann zulässig, wenn sie auch von einem "reasonable owner" durchgeführt worden wären und damit auf der Ebene der Betriebswirtschaft, nicht staatlicher Politik bleiben; vgl. Seidel, S. 74 f. Als "reasonable owner" handelt der Staat nach Ress, S. 144, bspw. bei der Finanzierung von Einzelanschaffungen für Museen. 167 Teil 2 Fn. 98 (Beispiel New Yorks). Ebenso das Beispiel der Kölner Museen: im Sommer kommt jeder 2. Besucher des Römisch-Germanischen Museums und jeder 3. Besucher des WallrafRichartz-Museums aus dem Ausland, vgl. aro., Kölnisches Behagen, FAZ vom 11.3. 1993, S. 35. Insoweit unzutreffend Ress, S. 142 f., der einen Wettbewerb um Besucher für Theater, Orchester und Museen eher ausschließt. 168

Verweist seinerseits auf Begriffe wie Kunst und Kultur, § 52 AO.

169

So § 115 Abs. 2 BewG für die Steuerbefreiung von Grundbesitz oder Teile von Grundbesitz, Kunstgegenstände, Kunstsammlungen, wissenschafdiche Sammlungen, Bibliotheken und Archive, deren Erhaltung der Gegenstände wegen ihrer Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft im öffentiichen Interesse liegt; § 115 Abs. 1 BewG für Grundbesitz und beweglichen Gegenstände, die zum sonstigen Vermögen gehören, wenn ihre Erhaltung wegen ihrer Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft im öffentiichen Interesse liegt (das gleiche gilt für die Erbschaft- und Schenkungsteuer); § 3 Nr. 11 EStG für Bezüge aus öffentlichen Mitteln, die zu dem Zweck bewilligt werden, die Kunst zu fördern. 170 So § 115 Abs. 3 BewG für die Steuerbefreiung von "Grundbesitz oder Teile von Grundbesitz, wenn ihre Erhaltung im öffentiichen Interesse liegt; § 3 Abs. 1 Nr. 1 GrdStG bei Grundbesitz, der von einer inländischen Person des öffentiichen Rechts für einen öffentiichen Dienst oder Gebrauch

III. Kunstfördeng und primäres Gemeinschaftsrecht

205

deutsche Kunst, Geschichte und Öffentlichkeit vor Augen gehabt haben.171 Immerhin können "gemeinnützige Zwecke", "Kunst", "Geschichte" oder "öffentliches Interesse" auch als solche der Gemeinschaft bzw. anderer Mitgliedstaaten172 ausgelegt werden. Problematisch bleibt die mittelbare Kunstförderung durch den Staat, wenn er also begünstigt, daß wirtschaftliche Unternehmen ihrerseits Einrichtungen mit "Bedeutung für Kunst" pp. unterstützen. Denn hier verschafft er den wirtschaftlichen Unternehmen selbst auch Vorteile. 173 Da diese Vorteile i.d.R. am Sitz des Unternehmens anfallen, handelt es sich - selbst dann, wenn mit der Regelung die Kunst der Gemeinschaft unterstützt werden soll, - um eine Begünstigung nationaler Unternehmen, die von Art. 92 EGV erfaßt wird. 174

ß) Ausnahmen nach Art. 92 Abs. 2 und 3 EGV Art. 92 sieht allerdings Beihilfen vor, die nach Abs. 2 mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind oder nach Abs. 3 als mit ihm vereinbar angesehen werden können.175 Nach Art. 92 Abs. 2 lit. a EWGV sind Beihilfen an einzelne Verbraucher zulässig, wenn sie ohne Diskriminierung nach der Herkunft der Ware gewährt werden. 176 Von dieser Ausnahme sind also alle an den Verbraucher anknüp-

benutzt wird und § 4 Nr. 5 GrStG für Grundbesitz, wenn anerkannt ist, daß der Benutzungszweck im Rahmen der öffendichen Aufgaben liegt. 171

Beispiele für Verbote der EG, die mitgliedstaatiiche kulturelle Maßnahmen mit nationaler Anknüpfung betrafen: Niedobitek, S. 138 ff. 172

Nicht unbedingt aller Mitgliedstaaten an jeder einzelnen Regelung.

173

Bspw. die Steuerabzugsfähigkeit von Zuwendungen nach § 10 Abs. 1 EKG und § 9 Nr. 3 a KStG, s. Einleitung, S. 28 ff. 174 Es kommt also nicht darauf an, ob die Unternehmen nun überwiegend deutsche Kunst fördern oder nicht (bspw. fördert die Deutsche Bank auch die Opernfestspiele in Glyndebourne, Großbritannien), sondern nur darauf, ob der Vorteil des fördernden Unternehmens den Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen kann (was bspw. bei der Deutschen Bank nicht zu bezweifeln ist). Die Regelung erfaßt also gerade die Motivierung der großen, grenzüberschreitend tätigen Unternehmen, obwohl diese aufgrund ihres grenzüberschreitenden Marktes am ehesten auch nicht-nationale Kunst fördern würden.- Zum neuen Art. 92 Abs. 3 d EGV sogleich. 175 Nach Götz, S. 101, ist Art. 92 EWGV/EGV mißverständlich gefaßt, weil alle wichtigen Subventionen im Ergebnis erlaubt sind. 176

V. Wallenberg /Grabitz, Art. 92 Rn. 38. Wenig/Groeben, Art. 92 Rn. 12, 29 und 30; auch Beihilfen an alle Bewohner einer bestimmten Region, nicht aber Beihilfen an die ganze Bevölkerung; vgl. Wenig/Groeben, Art. 92 Rn. 30. S. auch Seidel, S. 72.

206

Teil 3: Kunstförderung und EG

fenden Maßnahmen der Kunstförderung, die dem Verbraucher die Auswahl des Kulturangebots überlassen, gedeckt, insbesondere das Voucher-Systems,177 wobei allerdings die Beschränkung auf bestimmte Anbieter durch EG-Recht verboten ist. 178 Zulässig sind ferner Beihilfen für die Wirtschaft in Gebieten Deutschlands, die durch die Teilung wirtschaftliche Nachteile erlitten haben (Art. 92 Abs. 2 lit. c EGV). Die Ausnahme ist nicht räumlich beschränkt,179 betrifft aber nur Beihilfen mit schadensbeseitigender Funktion.180 Gerechtfertigt sind durch diese Vorschrift auch die wirtschaftlichen Beihilfen für die neuen Bundesländer nach der Wiedervereinigung, solange noch negative Auswirkungen der Teilung bestehen.181 Legt man die Entwicklung in den alten Ländern für die hypothetische Entwicklung in den neuen Ländern (ohne die Teilung) zugrunde, dann gehen erst solche Maßnahmen über die Beseitigung des Teilungsschadens hinaus, die in den neuen Bundesländern zu einem kulturellen Stand führen würden, der höher als der in den alten Bundesländern ist. Die volle Erfüllung des SubstanzerhaltungsVersprechens, verstünde man es im Sinne einer Fortführung aller kulturellen Einrichtungen der DDR auf Dauer, würde hieran scheitern. Eine solche Erfüllung findet aber nicht statt.182 Nach Art. 92 Abs. 3 lit. b EGV kann eine Ausnahme vom Subventionsverbot zugelassen werden zugunsten der "Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse". Hierin liegt ein Verweis auf Art. 2 EGV, der die allgemeinen Ziele der Gemeinschaft enthält.183 Zu diesen gehörten vor Inkrafttreten des M V

177

Hierzu oben Teil 1 S. 60.

178

Durch Art. 92 EGV, die Dienstieistungsfreiheit und das allgemeine Diskriminierungsverbot.

179 Wenig! Groeben, Art. 92 Rn. 36.- Beihilfen, die schon vor dem 3. 10. 1990 im Gebiet der DDR gewährt wurden, gelten als nicht-anzeigepflichtige Altbeihilfen, Wenig!Groeben Art. 93 Rn. 4 (zum Anzeigeverfahren s.o. F. 156). 180

Wenig! Groeben, Art. 92 Rn. 34.

181

So zutreffend Wenig!Groeben, Art. 92 Rn. 37. Ebenso Ress, S. 151.

182 Hierzu oben Teil 2 S. 153 ff.- Eine Anerkennung der kulturfördernden Maßnahmen nach Art. 92 Abs. 3 a EGV für die neuen Bundesländer dürfte hinter der Reichweite von Art. 92 Abs. 2 lit. c EGV zurückbleiben, weil sie voraussetzt, daß die neuen Bundesländer im EG-Vergleich als "wirtschaftiich außergewöhnlich schwach" gelten. S. aber unten Fn. 250 und 252. 183

Wenig! Groeben, Art. 92 Rn. 49. Nach v. Wallenberg! Grabitz gilt das nur für solche Maßnahmen, an denen alle Mitgliedstaaten Interesse haben.

III. Kunstförderung und primäres Gemeinschaftsrecht

207

"eine harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft, ... eine beschleunigte Hebung der Lebenshaltung und engere Beziehungen zwischen den Staaten".

Theoretisch ließ sich zwar auch die Hebung der kulturellen Lebenshaltung unter diesen Wortlaut subsumieren, doch hätte dies damals widerspräche dies der Beschränkung des Vertrags auf eine Wirtschaftsgemeinschaft widersprochen.184 Allerdings wurde Art. 2 EWGV durch den Maastrichter Vertrag auf die "Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität" ausgedehnt. Zu ihrer Förderung soll die Gemeinschaft nach Art. 3 lit. ρ EGV "einen Beitrag zu einer qualitativ hochstehenden allgemeinen und beruflichen Bildung sowie zur Entfaltung des Kulturlebens in den Mitgliedstaaten"

leisten. Danach wäre künftig also abzuwägen, in welchem Verhältnis die gemeinsamen Interessen an der Ungestörtheit der Wirtschaft und an der Hebung der kulturellen Lebensqualität zueinander stehen. Erst solche Beeinträchtigungen des Handels und Wettbewerbs, die die Interessen der Gemeinschaft an der Steigerung der kulturellen Lebensqualität übersteigen, werden nicht mehr zu den mit Art. 92 EWGV vereinbaren Subventionen gehören.185 Diese Änderung von Art. 2 und 3 EWGV dürfte allerdings deshalb ohne Einfluß auf die Auslegung von Art. 92 Abs. 3 lit. b EGV sein, weil insoweit der - ebenfalls neu eingefügte - Art. 92 Abs. 3 lit. d, nach dem "Beihilfen zur Förderung der Kultur und der Erhaltung des kulturellen Erbes, soweit sie die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft nicht in einem Maß beeinträchtigen, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft",

als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zugelassen werden können,186 als abschließende Sonderregelung für kulturbezogene Beihilfen gegenüber lit. b gelten muß, wenn nicht die Einschränkung in lit. d (Beeinträchtigung von Handel und Wettbewerb zugunsten von Kultur nur im Rahmen des gemeinsamen Interesses, s.o.) leerlaufen soll.

184

Art. 1 EWGV.- Art. 1 EGV spricht nur noch von der Europäischen Gemeinschaft.

185

Nach Bohrs /Alberts y ZRP 93, 61, 65, handelt es sich bei Art. 92 Abs. 3 lit. d um eine Ausdehnung der Kompetenzen der Gemeinschaft. Denn die betroffenen Subventionen wurden auch schon vorher von Art. 92 EWGV erfaßt (so offensichdich die Meinung der Länder, auf deren Betreiben die Änderung zurückzuführen ist, dies., a.a.O.). Neu ist nur, daß die Gemeinschaft jetzt Entscheidungen über das Verhältnis zwischen Kultur und Wirtschaft treffen wird.- Erforderlich ist in allen Fällen von Abs. 3 eine Anerkennung der Ausnahme durch die Kommission; vgl. hierzu v. Wallenberg! Grabitz, Art. 92 Rn. 41 (ggf. sogar nach Ländern unterschiedlich, Rn. 47); Wenig!Groeben, Art. 92 Rn. 38. 186

s.o.).

Das "gemeinsame Interesse" verweist wieder auf Art. 2 EGV (wie bei Art. 92 Abs. 3 lit. b,

208

Teil 3: Kunstförderung und EG

Nach Art. 92 Abs. 3 lit. c kann die Förderung gewisser Wirtschaftszweige als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden. Der EuGH mußte sich schon mehrfach mit der Filmförderung beschäftigen, 187 die i.d.R. an nationale Kriterien 188 anknüpft und geeignet ist, den gemeinsamen Handel durch Wettbewerbsverzerrung zu beeinträchtigen. Nach seiner Rechtsprechung ist es zulässig, Beihilfen zur Stützung der geringen nationalen Filmindustrie vom Drehort oder Entwicklungsort abhängig zu machen. Allerdings müssen auch Produzenten aus anderen EG-Ländern in den Genuß der Beihilfe kommen können, die Beihilfe darf nicht auf Filme beschränkt sein, an denen nur Inländer mitwirken. Den Erhalt der Nationalsprache hält die Kommission zwar für ein legitimes Interesse, das aber durch Synchronisierung erreichbar ist, so daß die Subvention nicht von der Originalsprache abhängen darf. 189 Ob das neue deutsche Filmförderungsgesetz 190 vor diesem Hintergrund Bestand haben wird, ist fraglich. Denn die Förderung bleibt auf deutsche Filme beschränkt (§ 14 n.F.). Dabei ist für die Bezeichnung als deutsch Voraussetzung, daß der Hersteller Wohnsitz oder Niederlassung in Deutschland hat, die Sprache der Endfassung deutsch ist, mindestens 70 % der Atelieraufnahmen in Deutschland gedreht werden und der Film als deutscher Film oder auf deutsch in Deutschland uraufgeführt wird. 191 Allerdings wird die Förderung nach § 16 n.F. auf Filme ausgedehnt, die unter Beteiligung von Deutschen oder Angehörigen der europäischen Gemeinschaft Zustandekommen; auch bei deutschen Filmen darf der Regisseur Angehöriger eine anderen Mitgliedstaates sein.192 Damit nimmt das Filmförderungsgesetz in seiner neuen Fassung weitgehend auf die Anforderungen des Gemeinschaftsrechts Rücksicht. Kritisch bleibt aber die Frage der Originalsprache, die nach der Entscheidung zur griechischen Filmförderung kein zulässiger Anknüpfungspunkt ist.

187

Verfahren gegen das italienische Filmfördeningsgesetz (eingestellt, da der italienische Staat vor der Entscheidung abhalf; vgl. Ipsen, VVDStRL 25, 257, 273, Fn. 32); Entscheidung der Kommission über die Beihilfen der griechischen Regierung an die Filmwirtschaft (ABl. 89/L 208/38); Verfahrender Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland (dpa, Diskriminierend?, FAZ vom 31. 1. 1992). 188

Nationalität des Herstellers, Drehort, Originalsprache, pp.

189

Entscheidung der Kommission vom 21. 12. 1988 zur griechischen Filmförderung; ABl. 89/L 208/38. 190

BGBl. 1992 I S. 2135 ff.

191

§ 15 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 5 FilmfG n.F.

192

§ 15 Abs. 2 Nr. 4 FilmfG n.F.

III. Kunstförderung und primäres Gemeinschaftsrecht

209

Auch für die Filmförderung ist noch unklar, ob die Einführung von Art. 92 Abs. 3 lit. d EGV zu einer Änderung der Entscheidungen der Kommission, die nationalen Filmförderungen betreffend, führen wird. 193

3. Allgemeine Grundsätze für die Berufsausbildung

a) Rechtslage nach Art. 128 EWGV Nach Art. 128 EWGV war der Rat der EG berechtigt, allgemeine Grundsätze zur Durchführung einer gemeinsamen Berufsausbildungspolitik aufzustellen, "die zu einer harmonischen Entwicklung sowohl der einzelnen Volkswirtschaften als auch des Gemeinsamen Marktes beitragen kann."194

Damit betraf Art. 128 EWGV den Bereich des Gemeinsamen Marktes für Arbeitskräfte, und zwar das Vorfeld der Berufsausbildung einschließlich der Ausbildung künstlerischer Arbeitskräfte. 195 Hier förderte die Gemeinschaft u.a. - das Jugendorchester, - die Jugendoper der Europäischen Gemeinschaft, - die Ausbildung der Theaterkünstler auf internationaler Ebene und die Förderung von Kontakten zwischen den Theaterschulen, - Stipendien im Bereich der Ausbildung von Restauratoren (Handwerkern, Architekten, Stadtplanern, Archäologen und Kunsthistorikern) 196 und - die Ausbildung von Verwaltungsfachleuten für den kulturellen Bereich. 197

193 Das wird als erste die Förderung des Verkaufs französischer Filme durch Frankreich (F. A.Z., Fördern, FAZ vom 26. 2. 94, S. 30) und das neue italienische Film- und Kinoförderungsgesetz (epd y Miteinander fördern, FAZ vom 7. 3. 94, S. 36, und Filmgesetzlein, FAZ vom 14. 3. 94, S. 36) betreffen, die wohl die ersten Versuche einer Ausnutzung der Neuregelung darstellen. 194

Für die Anerkennung von Diplomen und Zeugnissen pp. ist Art. 57 EWGV lex specialis zu Art. 128 EWGV; EuGH vom 30. 5. 1989 (ERASMUS), EuR 90, 55 ff., Rz. 14. 195

So auch Schweitzer, Mitgliedstaaten.

S. 152, mit Berufung auf das übliche Verständnis in den meisten

196 Zu allen Maßnahmen s.o. S. 175 ff. Vgl. auch die Entschließung der im Rat vereinigten, für Kulturfragen zuständigen Minister vom 13. 11. 1986, ABl. 86/C 320/03. 197

Entschließung des Rats vom 7. 6. 1991, ABl. 91/C 188/01.

14 Geißler

210

Teil 3: Kunstförderung und EG

Diese finanziellen Maßnahmen hatten aber keine Grundlage im Gemeinschaftsrecht. Denn Voraussetzung für die Bewilligung von Ausgaben ist ein Rechtsakt der Gemeinschaft. 198 Art. 128 E W G V erlaubte aber der Gemeinschaft nur den Erlaß von Grundsätzen allgemeiner Art, 199

also gerade nicht

von verbindlichen Rechtsakten nach Art. 189 E W G V . Eine Kompetenz der Gemeinschaft konnte auch nicht aus Art. 235 E W G V abgeleitet werden. Denn Art. 235 E W G V setzte eine Lücke im Gemeinvoraus, 200

schaftsrecht

von der angesichts der eindeutigen Fassung von

Art. 128 E W G V nicht die Rede sein konnte. 201 Die E G war also zu den oben erwähnten Programmen nicht berechtigt. 202 Nach

der

Mitglieder

Rechtsprechung

des E u G H

im Sinne einer effektiven

konnte die Gemeinschaft

Auslegung von Art.

128

ihre

EWGV

verpflichten, Einrichtungen in den Mitgliedstaaten die Teilnahme an den EGProgrammen zu ermöglichen. 203 Insoweit war der Versuch, die Mitgliedstaa-

198

Nämlich eine Verordnung; vgl. Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, ABl. 82/C 194/1, IV Nr. 3 c (s.o. S. 188 und Fn. 89).- Der EuGH wies zwar in Leitsatz 4 der ERASMUS-Entscheidung, EuR 90, 55, darauf hin, daß die Anforderungendes Haushaltsverfahrens nicht auf das Rechtsetzung verfahren zurückwirken. M.E. ändert das aber nichts an der Rechtswidrigkeit der Mittel vergäbe. 199

Wird auch durch die französische Fassung gestützt: "principes généraux".

200

S.o. S. 187 und s.u. S. 225 ff.

201

Für die Berufsausbildung dezidiert Schweitzer, nach dem Bildung nicht zu den Gemeinschaftszielen gehört und es außerdem an der Erforderlichkeit nach Art. 235 EWGV fehlt, S. 154. Ebenso Hochbaum, BayVBl 87, 481, 490, nach dem die EG im Bildungsbereich keine Rechtsakte setzen darf und allein die Mitgliedstaaten zuständig seien, die nur durch die Gemeinschaftstreue beschränkt seien. Nach ihm ging es bei der Einführung von Art. 128 EWGV nur um die schrittweise Harmonisierung der Wirtschafts- und Sozialpolitik, wobei die Zuständigkeitsfrage ungeklärt blieb, S. 489. 202

So auch Schweitzer, S. 152 f., der daraufhinweist, daß die Kompetenzausdehnung durch Rat auf konkrete Maßnahmen zwar die Billigung des EuGH, aber keine Rechtsgrundlage in Art. 128 EWGV habe (mit kritischen Bemerkungen zur Argumentation des EuGH in PETRA und Gravier). A.A. der EuGH, nach dem allein das Ziel der Durchführung einer gemeinsamen Politik maßgeblich ist, die Beschränkung der EG auf "allgemeine Programme" dagegen keine Rolle spielt und der Rat daher Rechtsakte erlassen kann, "die gemeinschafdiche Aktionen auf dem Gebiet der Berufsbildung vorsehen und den Mitgliedstaaten entsprechende Mitgwirkungpflichten auferlegen"; EuGH vom 30. 5. 1989 (ERASMUS), EuR 90, 55 ff., Rz. 10 f.- Die oben angefühlten Programme enthalten keine präzisierten Pflichten der Mitgliedstaaten. 203

Nach EuGH vom 30. 5. 1989 (ERASMUS), EuR 90, 55 ff., Rz. 11, können den Mitgliedstaaten Mitwirkungspflichten an den beschlossenen Gemeinschaftsaktionen auferlegt werden. Vgl. auch Art. 5 EWGV.- Nach Currall/Groeben, Art. 128 Rn. 43, handelt es sich dabei um eine Politik sui generis.

III. Kunstförderung und primäres Gemeinschaftsrecht

211

ten zu verpflichten, in den Schulen den Europäischen Wettbewerb im Bereich Kunst durchzuführen, unproblematisch, 204 denn die Entschließung ließ den Mitgliedstaaten einen ziemlich breiten Spielraum. 205 Problematischer war, daß der Schulwettbewerb im Bereich Kunst im Rahmen der allgemeinen Schulbildung stattfand. Nach Art. 128 E W G V waren aber nur allgemeine Grundsätze in Bezug auf die Zterw/sausbildung zulässig. Der E u G H hielt zwar auch die im Rahmen einer speziellen beruflichen von Art. 128 E W G V gedeckt.

206

Ausbildung vermittelte Allgemeinbildung

Voraussetzung war aber eine Ausbildung,

"die auf eine Qualifikation für einen bestimmten Beruf oder eine bestimmte Beschäftigung vorbereitet oder die die besondere Befähigung zur Ausübung eines solchen Berufs oder einer solchen Beschäftigung verleiht".207 A n der Vorbereitung für einen bestimmten Beruf fehlte es aber, soweit der allgemeine

Schulunterricht

betroffen

war.

Die

Entschließung über

den

Kunstwettbewerb an Schulen konnte sich daher nicht auf Art. 128 E W G V stützen. 208 Nicht umsonst handelte es sich um eine Entschließung des Rats und der im Rat vereinigten Minister, also eine Maßnahme, für die die Gemeinschaft selbst davon auszugehen schien, daß sie nicht voll im Rahmen ihrer Kompetenzen liegt. 2 0 9

204

Entschließung vom 24. 5. 1988, ABl. 88/C 177/02, II A 7, 4. Spiegelstrich.

205

Die Verpflichtung ist darauf begrenzt, "im Rahmen ihrer jeweiligen bildungspolitischen Leitvorstellungen und Strukturen alle erforderlichen Anstrengungen zu unternehmen". 206

Nach EuGH vom 30. 5. 1989 (ERASMUS), EuR 90, 55 ff., Rz. 24 std. Rspr.; s. auch Leitsatz 5. Das bloße Auswirken von zulässigen Maßnahmen der EG auf den Bereich der allgemeinen Bildung beschränke die Gemeinschaft nicht in der Ausübung ihrer Befugnisse, Rz. 31. Mit dieser Unterscheidung weicht der EuGH nach Schweitzer, S. 151, und Hochbaum, BayVBl 87, 481, von deutschen Vorstellungen ab.- Dagegen beanspruchte die EG keine allgemeine Bildungskompetenz (EuGH, ERASMUS, EuR 90, 55 ff., Rz. 31) und auch keine Kompetenz für Allgemeinbildung. Die Unzuständigkeit hierfür ergibt sich auch aus der frz. Fassung, die von "formation" (= "éducation intellectuelle et morale", Erläuterung N° 5 im petit Robert) spricht, was aber im Vertrag durch das Adjektiv "professionnelle" beschränkt wird. Allerdings will die Gemeinschaft in stärkerem Maßstab Mittel für berufsbildende Maßnahmen im Kunstsektor bereitstellen, Entschließung des Europäischen Parlaments vom 21. 1. 1993, ABl. 93/C 42/178. 207

EuGH vom 30. 5. 1989 (ERASMUS), EuR 90, 55 ff., Rz. 24 und Leitsatz 5.

208

Was die EG auch nicht behauptet, wenn sie sich auf einen Beschluß der im Rat vereinigten Minister beruft, s.u. S. 225 ff. 209

Sie wird es daher nicht unbedingt auf einen Streit ankommen lassen. Die Mitgliedstaaten sind aber ihrerseits mindestens völkerrechdich zur Einhaltung verpflichtet, hierzu oben S. 184.

212

Teil 3: Kunstförderung und EG

b) Rechtslage nach Art. 126 und 127 EGV Der Maastrichter Vertrag ersetzt Art. 128 EWGV durch Art. 126 und 127 EGV. Art. 126 EGV dehnt die Aufgaben der EG auf die "Entwicklung einer qualitativ hochstehenden Bildung"

aus, wozu u.a. die "Entwicklung der europäischen Dimension im Bildungswesen, insbesondere durch Erlernen und Verbreiten der Sprachen der Mitgliedstaaten"

gehört. 210 Hierzu kann die Gemeinschaft mit qualifizierter Mehrheit Fördermaßnahmen - allerdings nicht zur Harmonisierung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften - erlassen.211 Allerdings bleiben die Mitgliedstaaten für Inhalt und Gestaltung der Bildung und die Vielfalt ihrer Kulturen zuständig.212 Nach Ausdehnung der Bildungskompetenz auf allgemeine Bildung wird man Maßnahmen wie den Kunstwettbewerb in den Schulen für zulässig halten können, insbes. solange sie wie diese Entschließung die Mitgliedstaaten nur zur Durchführung "im Rahmen ihrer jeweiligen bildungspolitischen Leitvorstellungen und Strukturen"

verpflichtet. 213 Die Gemeinschaft kann aber von den Mitgliedstaaten keine konkreten Einzelmaßnahmen verlangen, ohne über Inhalt und Gestaltung der Maßnahmen zu verfügen und damit ihre Kompetenzen zu überschreiten. 214 Auch die Neufassung von Art. 127 EGV deckt daher Maßnahmen wie die oben angeführten Stipendien pp. nicht, denn die Auswahl für die Ausbildungsstipendien gibt der EG die Möglichkeit, die Entwicklung der Kunst in Europa zu beeinflussen. 215 Die Möglichkeit der einzelnen Mitgliedstaaten, die

210

Die Bildungsziele sind für die allgemeine Bildung in Art. 126 Abs. 2 EGV, für die berufliche Bildung in Art. 127 Abs. 2 EGV festgelegt. 211

Art. 126 Abs. 4 EGV i.V.m. 189 b EGV; ebenso Art. 127 Abs. 4 i.V.m. 189 c EGV.

212

Art. 126 Abs. 1 EGV; ebenso Art. 127 Abs. 1 für die berufliche Bildung. Immerhin kann die Gemeinschaft Einfluß auf die Bildungsinhalte nehmen, indem sie Maßnahmen mit den ihr genehmen Inhalten finanziell fördert. Es besteht hier dasselbe Problem wie bei den Gemeinschaftsaufgaben in der Bundesrepublik, s.o. Teil 2 S. 105 ff. 2,3

S.o. Fn. 204 und 205.

214

Dies gilt auch bei einstimmigem Beschluß, wenn die Einschränkungennach Art. 126 und 127 nicht überflüssig sein sollen. Möglich sind dann nur völkerrechtiiche Vereinbarungen; hierzu unten S. 225 ff. 215

Auch bei einer Übertragung der Entscheidung auf eine Jury wird die Maßnahme letztiich der Gemeinschaft zuzurechnen sein, in deren Namen sie erfolgt.

III. Kunstförderung und primäres Gemeinschaftsrecht

213

Entscheidung im Rahmen der Gemeinschaftsorgane zu beeinflussen, reicht angesichts der Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen nicht aus, um den Mitgliedstaaten - wie von Art.

126 I und 127 I E G V vorgesehen - die

Verantwortung für den Bildungsinhalt zu überlassen. Als

zulässig erscheint

nach Ratifizierung

des Maastrichter

Vertrages

immerhin eine pauschale Vorgabe der E G an die Mitgliedstaaten, erhöhte Aufwendungen zur Ausbildung von Künstlern zu machen. Denn hierin läge keine Einflußnahme auf Bildungsinhalte. 216

4. Art. 128 EGV Z u den Maastrichter Änderungen des E W G V gehört die Einführung von Art. 128 E G V , der lautet: "(1) Die Gemeinschaft leistet einen Beitrag zur Entfaltung der Kulturen der Mitgliedstaaten unter Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt sowie gleichzeitiger Hervorhebung des gemeinsamen kulturellen Erbes. (2) Die Gemeinschaft fördert durch ihre Tätigkeit die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und unterstützt und ergänzt erforderlichenfalls deren Tätigkeit in folgenden Bereichen:217 - Verbesserung der Kenntnis und Verbreitung der Kultur und Geschichte der europäischen Völker, 218

- Erhaltung und Schutz des kulturellen Erbes von europäischer Bedeutung, - nichtkommerzieller Kulturaustausch,219 - künstierisches und literarisches Schaffen, einschließlich im audiovisuellen Bereich.220 (3) Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten fördern die Zusammenarbeit mit dritten Ländern und den für den Kulturbereich zuständigen internationalen Organisationen, insbesondere mit dem Europarat. 216

Es wäre aber eine Einflußnahme auf die Verteilung staadichen finanziellen Engagements.

217

Ebenso die frz. Fassung ("l'action de la Communauté vise à encourager..."), weiter aber die engl. Fassung ("action by the community shall be aimed at... "), was das Folgende nicht unbedingt wie eine Einschränkung klingen läßt, sondern scheinbar eine weitere Auslegung erlaubt. 218 Im 1. niederländischen Entwurf (Agence Europe/Europe Dokumente N° 1733/34 vom 3. 10. 1991) noch ohne die Einschränkung "von europäischer Bedeutung". Der Kulturartikel dieses Entwurfs ist identisch mit dem des luxemburgischen Entwurfs, Agence Europe/Europe Dokumente N° 1722/23 vom 5. 7. 1991.- Weitere Entwürfe des Vertrags in: Agence Europe/Europe DokumenteN0 1746/47 vom 20. 11. 1991 und inN° 1750/51 vom 13. 12. 1991. Diese Entwürfe nähern sich immer mehr der in Maastricht beschlossenen Fassung. 219

Im 1. ndl. Entwurf (s. Fn. 282) ohne die Einschränkung "nichtkommerziell".

220

Zur Weite der Formulierung s. Bohr/Albert,

ZRP 93, 61, 64.

214

Teil 3: Kunstförderung und EG

(4) Die Gemeinschaft trägt den kulturellen Aspekten bei ihrer Tätigkeit aufgrund anderer Bestimmungen Rechnung.221 (5) Als Beitrag zur Verwirklichung der Ziele dieses Artikels erläßt der Rat - gemäß dem Verfahren des Art. 189 b und nach Anhörung des Ausschusses der Regionen Fördermaßnahmen unter Ausschluß jeglicher Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten. Der Rat beschließt im Rahmen des Verfahrens des Artikels 189 b einstimmig; - einstimmig auf Vorschlag der Kommission Empfehlungen. " 2 2 2 Art. 128 Abs. 5 E G V ermächtigt die E G nicht nur zum einstimmigen Erlaß von - unverbindlichen 223 - Empfehlungen (Abs. 5, 1. Spiegelstrich), sondern und das ist von viel größerer Bedeutung - auch zu eigenen Fördermaßnahmen (Abs.

1 - 3 ) . 2 2 4 Zwar

setzen auch nach Art.

Gemeinschaft, die Kunstförderung sion,

128 E G V

Maßnahmen

der

zum Ziel haben, eine Initiative der Kommis-

die Mitwirkung des Europäischen

Parlaments,

die Anhörung des

Ausschusses der Regionen und einen einstimmigen Ratsbeschluß 225 voraus. Auch darf die Gemeinschaft nach Art. 128 Abs. 5 E G V die Rechts- und Verwaltungsvorschriften

der

Mitgliedstaaten

nicht

harmonisieren.

Eine

Harmonisierung von Vorschriften ist aber für Kunstförderung durch Gewährung finanzieller Mittel gar nicht erforderlich. 226 Art. 128 E G V ermöglicht der E G also in vollem Umfang, durch die Auswahl der Maßnahmen, die sie unterstützen will, eine eigene Kulturpolitik

m verfolgen. 227

Auch der Vorbehalt des einstimmigen Beschlusses solcher Maßnahmen 2 2 8 kann hier kaum als Beschränkung der Möglichkeiten der Gemeinschaft gelten.

221

Ohne Vorläufer im 1. ndl. Entwurf (s. Fn. 218).

222

Der 1. ndl. Entwurf machte keinen Vorbehalt vor den Rechts- und Verwaltungsvorschriften, verzichtete auf eine Beteiligung des Regionenrats und sah nur eine qualifizierte Mehrheit vor. 223

Vgl. Art 189 EGV.

224

Diese ausdrückliche Erweiterung der Gemeinschaftskompetenzen spricht ebenso wie die bisherige Kunstförderungspraxis der Gemeinschaft (Maßnahmen des Rats und der im Rat vereinigten Minister) dafür, daß sich die Gemeinschaft selbst bisher nicht für berechtigt hielt, Kunstförderung zu betreiben. 225

Art. 128 Abs. 5, 189 b Abs. 2 und 3 EGV.

226

Vgl. oben Teil 2 zur Bundesförderung, die überwiegend ohne rechtiichen Grundlage erfolgt.

227

So auch Bohr/Albert,

228

ZRP 93, 61, 65.

So Abs. 5 (in beiden Alternativen); wie bei Art. 126 und 127 EGV legen die vorausgehenden Absätze nur die Ziele für Art. 128 Abs. 5 EGV fest. Dies zeigt sich sowohl an der Formulierung von Abs. 5 ("als Beitrag zur Verwirklichung der Ziele dieses Artikels") als auch an der Systematik: Besteht schon für so unverbindliche und damit "rangniedere" Maßnahmen wie die Empfehlungen nach Abs. 5 eine so hohe Voraussetzung wie die Einstimmigkeit, dann muß sie für alle Maßnahmen nach Art. 128 EGV gelten, wenn Abs. 5 nicht leerlaufen soll.

III. Kunstförderung und primäres Gemeinschaftsrecht

215

M . E . wird er nur dazu führen, daß die beschlossenen Programme nach dem Prinzip "do ut des" die Mitgliedstaaten reihum zum Nutznießer der gemeinschaftlichen Maßnahmen machen, wie es bei den Veranstaltungen "Kulturstadt Europas" 229 und der europäische Bildhauerwettbewerb 230 schon der Fall ist. Eine Beschränkung gemeinschaftlicher Kunstförderungspolitik kann darin nur insoweit gesehen werden, als die Entscheidungen der Gemeinschaft weniger künstlerisch als politisch motiviert sein dürften, der Aspekt der Kunstförderung also zurücktritt. Jedenfalls hat die Gemeinschaft durch die Maßnahmen, die sie schon vor Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages auf Grund des neuen Art. 128 ergriffen hat, 2 3 1 gezeigt, daß sie sich bei der Ausnutzung von Art. 128 E G V kaum auf flankierende

Maßnahmen zu den nationalen Kulturpolitiken beschränken,

sondern eigene Schwerpunkte setzen wird und Art. 128 E G V als Grundlage einer eigenen Kulturpolitik der Gemeinschaft sieht. 2 3 2 Trotz der Einführung von Art. 128 E G V bleibt die bisherige Abgrenzung zwischen Wirtschaft und Kunst im Gemeinschaftsrecht erforderlich, obwohl die

229

S.o. s. 180 f.

230

S.o. S. 180.

231 So stellte sie mit den Schlußfolgerungender im Rat vereinigten Minister für Kulturfragen vom 12. 11. 1992 (zu Leitiinien für ein Kulturkonzept der Gemeinschaft, ABl. 92/C 336/01) ein Kulturkonzept zum Zweck der Wahrung der nationalen und regionalen Vielfalt und der Hervorhebung des gemeinsamen kulturellen Erbes auf, das schwerpunktmäßig auf gemeinschaftsweite Maßnahmen ausgerichtet ist. Durch das Konzept sollen kulturelle Tätigkeiten mit europäischer Dimension in allen Mitgliedstaaten gefördert und Anstöße für eine Zusammenarbeit zwischen diesen Staaten gegeben werden. Außerdem sind die kulturelle Zusammenarbeit mit Drittiändern (Pkt. 9) und die Sorge für das bewegliche und unbewegliche kulturelle Erbe, Museen u.s.w. (Pkt. 4) Gegenstand der Schlußfolgerung.-Im Zusammenhang mit der Einführung von Art. 128 EWGV hat die EG Kulturberater ernannt (u.a. den Leiter der Volkshochschule München, Lößl, s. Interview mit der Süddeutschen Zeitung, Ausgabe vom 2. 11. 1992, S. 32). Das Europäische Parlament forderte durch Entschließung vom 21. 1. 1993, "das typische Feld der Gemeinschaftspräsenz nach und nach auf Bereiche auszuweiten, die bisher ausgeschlossen bzw. unterrepräsentiert waren, obwohl neue und nützliche Aktionen dort möglich sind, wie z.B. Musik, Theater, Tanz und andere künsderische Ausdrucksformen" (ABl. 93/C 42/179).- Kritisch zu diesen - zumindest voreiligen - Maßnahmen auch Lepsius, Stellungnahme, S. 3. 232

Vgl. hierzu auch lit. L und M der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 21. 1. 1993, ABl. 93/C 42/175: Art. 128 EGV erfülle die Forderungen des Parlaments zwar nicht ganz, aber doch zum Teil, und stelle einen wichtigen Wendepunkt für die Präsenz der Gemeinschaft im eigentiich kulturellen Bereich dar. Ebenso die Entschließung des Parlaments vom 12. 2. 1993, ABl. 93/C 72/160 ff.- Dasfinanzielle Übergewicht der Gemeinschaft wird m.E. - ähnlich wie die Kulturförderung des Bundes im Verhältnis zu den Ländern - dazu führen, daß die Kulturpolitik der Gemeinschaft schon allein aufgrund der Bedeutung der Maßnahmen zu einer Beeinträchtigung der mitgliedstaatiichen Kulturpolitiken führen wird. A.A. Schwartz , AfP 93, 409, 417.

216

Teil 3: Kunstförderung und EG

Gemeinschaft jetzt in beiden Bereichen Zuständigkeiten hat, denn auf beiden Gebieten werden unterschiedliche Anforderungen an Regelungen der Gemeinschaft gestellt: Im Bereich der Handels- und Wirtschaftspolitik reicht je die qualifizierte Mehrheit im Rat aus,233 im Kulturbereich ist grundsätzlich Einstimmigkeit erforderlich, Art. 128 Abs. 5 EGV. Die Zuständigkeit der Gemeinschaft wird also umso größer, je enger der Bereich der Kunst gegenüber der Wirtschaft gefaßt wird. Eine möglichst weite Zuständigkeit der Gemeinschaft 234 kann aber in diesem Falle nicht Ziel der Auslegung sein. Denn Art. 128 erkennt nach Abs. 2 4. Spiegelstrich auch für kommerzielle Angelegenheiten im audiovisuellen Bereich die vorrangige Zuständigkeit der Mitgliedstaaten an. Ferner deuten die Formulierungen "fördert die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten" und "unterstützt und ergänzt" darauf hin, daß die kulturelle Tätigkeit von den Mitgliedstaaten ausgehen soll. Hierfür spricht auch die Zurückhaltung der Gemeinschaft in Art. 128 Abs. 5 EGV gegenüber den mitgliedstaatlichen Rechts- und VerwaltungsVorschriften. Einziges Gegenbeispiel für diese Reihe von Argumenten für "in dubio pro arte" und damit "im Zweifel für den Mitgliedstaat" ist der 3. Spiegelstrich von Art. 128 Abs. 2 EGV, nach dem der kommerzielle Kulturaustausch nicht von Art. 128 EGV erfaßt wird und damit weiter der Zuständigkeit der Gemeinschaft für den Austausch von Waren und Dienstleistungen unterliegt. Mit Ausnahme dieses 3. Spiegelstrichs überwiegt bei der Abgrenzung zwischen Kunst und Wirtschaft nach Art. 128 EGV im Zweifel der kulturelle Aspekt und damit die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten bzw. die Einstimmigkeit in der EG. 2 3 5

233

Art. 102 a, 103 Abs. 2, 110, 113 Abs. 4 EGV.

234

So aber der Grundsatz der Auslegung von Gemeinschaftsrecht, Ipsen, Gemeinschaftsrecht, S. 131 f. Rz. 72 f. 235 Dagegen sprach der Zweifel bei der Ausnahmevorschrift von Art. 36 EWGV/EGV stets für eine Zuständigkeit der Gemeinschaft. Die weite Auslegung von Art. 128 EGV zugunsten der Mitgliedstaaten könnte allerdings auch auf die Auslegung von Art. 36 EWGV zurückwirken. Denn immerhin ist die Gemeinschaft nach Einführung von Art. 128 EGV nicht mehr ganz ohne Einfluß auf den Inhalt von Art. 36 EWGV/EGV.

III. Kunstförderung und primäres Gemeinschaftsrecht

217

5. Forschungseinrichtungen der £ G

Nach Art. 130 f und g EWGV konnte die EWG Einrichtungen wie das Deutsche Museum in München sowohl bei der Durchführung von Forschungsprogrammen als auch bei der Ausstellung der Forschungsergebnisse unterstützen. Denn nach Art. 130 g und 130 f Abs. 2 EWGV unterstützte die EG Maßnahmen, die der Stärkung der wissenschaftlichen Grundlagen der europäischen Industrie dienen.236 Die Gemeinschaft war allerdings auf Forschungsiördtmng beschränkt. Aus den Vorschriften ergab sich keine Kompetenz zur Ä^AWiförderung. Unter dem neuen Art. 130 f Abs. 1 EGV wird die Abgrenzung nicht mehr so eindeutig sein. Denn dieser deckt die Unterstützung von Forschungsmaßnahmen, die aufgrund eines der Kapitel des Vertrags für erforderlich gehalten werden, und gibt damit die Beschränkung auf die Stärkung der Industrie auf. 237 Im Bereich der Kunst können Forschungen bspw. im Zusammenhang mit Art. 36, 126 bis 128 und 3 ρ EGV (Entfaltung des Kulturlebens in den Mitgliedstaaten) für erforderlich gehalten werden, so daß die Gemeinschaft Forschungen, aber auch die Repräsentation der Ergebnisse (in Museen pp.) im gesamten Bereich der Kunst (Malerei, Musik, Architektur, Kulturgut) unterstützen könnte. Dabei ergibt sich aus der Beschränkung auf "Unterstützung" kein Vorbehalt zugunsten der Mitgliedstaaten in dem Sinn, daß die Gemeinschaft nur fördern dürfe, wofür sich ein Mitgliedstaat schon entschieden hat, denn auch die "Unterstützung" privater Maßnahmen ist vom Wortlaut des Art. 130 f EGV gedeckt. Außerdem ist zu erwarten, daß der EuGH der Gemeinschaft eine Einschätzungsprärogative für die Erforderlichkeit zusprechen wird. Auch Art. 130 f. Abs. 1 EGV führt also zu einer bemerkenswerten Erweiterung der Möglichkeiten der Gemeinschaft. Unzulässig bleibt allerdings nach wie vor die Einrichtung eigener Forschungs- und Ausstellungseinrichtungen der Gemeinschaft, kurz: von Museen der EG.

236

Art. 130 f Abs. 1 EWGV.- Dagegen beruht die Gründung des Europäischen Hochschulinstituts in Florenz, dessen Forschung nicht auf die "Grundlagen der europäischen Industrie beschränkt ist, sondern Kulturgeschichte, Geschichte, Politologie, Gesellschaftswissenschaften, Rechtswissenschaften und Wirtschaftswissenschaften umfaßt, nicht auf Art. 130 h EWGV, sondern auf dem selbständigen Abkommen vom 19. 4. 1972 (ABl. 76/C 29/1); BiebertmVS, S. 486. 237 Die Bedeutung der Forschungsförderung der Gemeinschaft zeigt sich nicht zuletzt auch daran, daß auch aus den neuen Bundesländern schon entsprechende Nachfrage nach solcher Unterstützung besteht, Silvia Schattenfroh, Forschung kämpft um Geld aus Brüssel, FAZ vom 23. 9. 93, S. 16.

218

Teil 3: Kunstförderung und EG 6. Gemeinsame Politiken

Rechtsgrundlage für kunstfördernde Maßnahmen der Gemeinschaft könnte auch eine der Gemeinsamen Politiken der EG sein, zu denen die Handels- und Wirtschaftspolitik, die Sozialpolitik, die Regionalpolitik und die Außenpolitik gehören. Auf diesen Gebieten war die Gemeinschaft schon vor Inkrafttreten des M V zum Erlaß der jeweils erforderlichen wirtschaftpolitischen Grundentscheidungen befugt. 238

a) Handels- und Wirtschaftspolitik Die gemeinsame Handels- und Wirtschaftpolitik hat ihre Grundlage in Art. 110 ff. EWGV und betrifft, wie sich aus Art. 111 ff. EWGV ergibt, nur den Handel der Mitgliedstaaten mit Drittländern, 239 während für den innergemeinschaftlichen Handel Art. 9 ff., 30 ff. EWGV einschlägig sind. Soweit der Handel mit Drittländern betroffen ist, sind zwei Arten von Maßnahmen der Gemeinschaft zu unterscheiden: die Regelung des Handels mit und ohne Differenzierung nach dem kulturellen Charakter der Ware: Maßnahmen der EG, die den Außenhandel mit allen - auch kulturellen - Waren betreffen, also nicht nach dem kulturellen Charakter der Ware unterscheiden, sind vom Wortlaut des EWGV gedeckt. Der Vertrag enthält keine Grundlage dafür, den Handel mit kulturellen Gütern vom allgemeinen Handel auszunehmen. 240 Trifft die EG dagegen Maßnahmen des Außenhandels, von denen kulturelle Güter entweder generell ausgenommen werden oder in denen den Mitgliedstaaten die Möglichkeit besonderer Regelungen für kulturelle Güter gegeben wird, dann scheint hier auf den ersten Blick Zurückhaltung in der Ausnutzung einer bestehenden Kompetenz vorzuliegen. Der Eindruck trügt aber. Denn mit der Differenzierung zwischen kulturellen und nicht-kulturellen Gütern urteilt die Gemeinschaft über ein Kriterium, für das sie nach dem alten EWGV keine Kompetenz hatte.241 Insbesondere konnte Art. 36 EWGV/EGV, der für den

238

Rambow, S. 118.

239

Nach Ratifizierung des MV fallen hier die Übergangsregelungen aus Art. 111 EWGV weg.

240

Zum Begriff der Ware s.o. S. 189.

241

Die Aufstellung von Listen kultureller Güter, für die andere Regelungen als für den Rest der Waren gelten sollen, setzt ein Bild dessen, der die Liste aufstellt, davon voraus, was als Kunst oder

III. Kunstförderung und primäres Gemeinschaftsrecht

219

Handel zwischen den Mitgliedstaaten gilt, nicht auch im Rahmen der gemeinsamen Handels- und Wirtschaftspolitik - analog - herangezogen werden. Denn fur eine Analogie fehlte die Voraussetzung der vergleichbaren Interessenlage. Zwar konnte man behaupten, daß die EG, die Sondereglungen der Mitgliedstaaten schon innerhalb der Gemeinschaft nach Art. 36 EWGV hinnehmen muß, die Interessen der Mitgliedstaaten gegenüber Drittländern noch viel stärker zu berücksichtigen hat. Man kann den Vorbehalt von Art. 36 EWGV aber auch so verstehen, daß Handelsbeschränkungen durch die Mitgliedstaaten gerade aufgrund des engen, auch kulturelle Aspekte umfassenden Verhältnisses unter den Mitgliedstaaten hinzunehmen sind, daß es aber für Handelsbeziehungen zu Dritten auf ein einheitliches Verhalten der Gemeinschaft ankommt und daher mitgliedstaatliche Vorbehalte für Waren kulturellen Charakters abzulehnen sind. Der Charakter der Gemeinschaft als Wirtschaftsgemeinschaft spricht für geschlossenes Auftreten nach außen.242 Die Interessenlage zwischen Handel in der EG und Handel mit Drittländern ist daher nicht vergleichbar, eine analoge Anwendung von Art. 36 EWGV scheidet aus. Der EG waren vor dem 1. 11. 1993 also nur Regelungen möglich, die entweder alle Waren erfaßten oder für den Handel mit Kulturgut Ausnahmeregelungen durch die Mitgliedstaaten zuließen.243 Durch den Maastrichter Vertrag und die Ausdehnung der Tätigkeit der Gemeinschaft auf "das Kulturleben" (Art. 3 ρ EGV) ist die Gemeinschaft befugt, sich Gedanken über Kulturgut zu machen. Sie kann nun auch selber bestimmen, für welche kulturellen Güter Sonderregelungen gelten sollen.244

Kultur angesehen und darum begünstigt werden soll. Abgesehen davon, daß schon mit dieser Auswahl Kulturpolitik betrieben wird, ist die Gemeinschaft zur Definition von Kunst nach dem EWGV nicht befugt. 242

Vgl. Teil 2 Fn. 64.

243

So die allgemeinen Bestimmungen über den Handel mit Drittländern: Art. 18 a der Verordnung (EWG) Nr. 926/79 des Rats vom 8. 5. 1979 betreffend die gemeinsamen Einfuhrregelungen, ABl. 75/L 131/15; Art. 12 der Verordnung (EWG) Nr. 925/79 des Rats vom 8. 5. 1979 über eine gemeinsame Regelung für die Einfuhr aus Staatshandelsländern, ABl. 75/L 131/1, und Art. 11 der Verordnung (EWG) Nr. 2603/69 des Rats vom 20. 12. 1969 zur Fesdegung einer gemeinsamen Ausfuhrregelung, ABl. 69/L 324/25; und von den Absprachen mit einzelnen Dritdändern bspw. Art. 29 des Zusatzprotokolls zum Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaftund der Türkei vom 19. 12. 1972, ABl. 72/L 293/1 und 4; Art. 14 des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Anwendung der Bestimmungen über das gemeinsame Versandverfahren, ABl. 72/L 294/2. 244

Problematisch sind dagegen die Listen, die die Gemeinschaft zur Absicherung des Binnenmarktes für den Kulturexport aufgestellt hat, nämlich Richtiinie und Verordnung über

220

Teil 3: Kunstfördening und EG b) Sozialpolitik

I m Rahmen der gemeinsamen Sozialpolitik 245 fördert die Kommission auf den sozialen Gebieten des Art. 118 E W G V / E G V , u.a. dem der beruflichen Aus- und Fortbildung, 246 die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten durch Untersuchungen, Stellungnahmen und die Vorbereitung von Beratungen. Es handelt sich hierbei um eine Kompetenz, die im vorbereitenden Bereich bleibt. 2 4 7

Daher

können

sich

Rechtsakte

der

Gemeinschaft

nicht

auf

Art. 118 E G V stützen. 248

c) Regionalpolitik Grundlage der Regionalpolitik ist Art. 130 a S. 2 E G V : "Die Gemeinschaft setzt sich insbesondere zum Ziel, die Unterschiede im Entwicklungstand der verschiedenen Regionen und den Rückstand der am stärksten benachteiligten Gebiete, einschließlich der ländlichen Gebiete, zu verringern. " 2 4 9 Dementsprechend fördert die Gemeinschaft strukturschwache Regionen 2 5 0 über den Europäischen Regionalfonds, 251 kontrolliert aber gleichzeitig die

Ausfuhr und Rückgabe von Kulturgütern, ABl. 92/C 53/14 und 15 (Entwürfe). Allerdings geht es hier um Kulturprotektionismus, nicht um -förderung im Sinne einer Verbesserung. S. auch oben S. 195. 245 Art. 117 ff. EGV; zum Wirtschafts- und Sozialausschuß: Art. 193 EGV; zum Sozialfonds: Art. 123 ff. EGV.- Die Ausgaben im Bereich der Sozialpolitik machten 1990 7,9 % der gesamten EG-Ausgaben aus (nach Angabe bei Messal, S. 30). 246

Nach Bieber/BBPS,

S. 483, eine der Grundlagen der Bildungs- und Kulturmaßnahmen der

EG. 247 Nach Schweitzer, S. 150, nur verfahrensrechdicher Bereich. S. auch EuGHE 87, 3203 (Bundesrepublik Deutschland u.a. gegen Kommission: Wanderpolitik - Zuständigkeit der Gemeinschaft). 248 Jansen/Grabitz, Art. 118 Rn. 8 f., weist drauf hin, daß Art. 118 EWGV Bedeutung nur für unverbindliche Rechtsakte hat, verbindliche Rechtsakte aber auf Art. 235 EWGV gestützt werden. Hierzu auch unten S. 225 ff. 249

Vgl. Art. 130 a S. 2 EWGV: "Die Gemeinschaft setzt sich insbesondere zum Ziel, den Abstand zwischen den verschiedenen Regionen und den Rückstand der am wenigsten begünstigten Gebiete zu verringern." 250

So bspw. die neuen Bundesländer: diese erhalten bis 1993 aus der EG 6 Milliarden Mark als Strukturhilfen, davon kommen 1,5 Milliarden aus dem Regionalfonds, 900 Mio aus dem Sozialfonds, 600 Mio aus dem Agrarfonds. Ab 1994 sollen die neuen Länder als Ziel-Eins-Gebiet der EG (=höchste Förderstufe) eingestuft werden (Ho., Neues Verhältnis Deutschlands zur EG,

221

III. Kunstfördeng und primäres Gemeinschaftsrecht

Fördermaßnahmen der Migliedstaaten für ihre Regionen. 252 Indem sie die betroffene

Gebietskörperschaft

auf ihre Vorgaben verpflichtet und deren

Einhaltung kontrolliert, 253 betreibt die Gemeinschaft eine eigene Regionalpolit i k . 2 5 4 Schon vor Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages beschränkte sie sich nicht auf den Abbau der "wichtigsten" Ungleichgewichte, sondern stellte auch zahlreiche kleinere Programme auf. 2 5 5 Z u diesen gehörten u.a. Maßnahmen im Bereich der Fremdenverkehrspolitik, in denen das kulturelle Erbe als Grundkapital und Einnahmequelle eingesetzt w i r d . 2 5 6 Für diese Maßnahmen galt und gilt aber das Gleiche wie bei entsprechenden Förderprogrammen des Bundes: Es ist darauf zu achten, daß die Maßnahmen unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgewählt werden. 2 5 7 Für

Kulturförderung

in

wirtschaftlich

gesunden

Gebieten

bietet

Art. 130 a E G V jedenfalls keine Grundlage. 258

FAZ vom 27. 5. 1991, S. 5; vgl. aucha/fc., Drei Milliarden der EG für Ostdeutschland, FAZ vom 20. 5. 1992; Peter Hort, In Dresden eine Deutschstunde für die EG-Außenminister, FAZ vom 4. 6. 1991; cpm., EG-Unterstützung für die neuen Länder, FAZ vom 5. 5. 1993, S. 5.- Die Ausgaben des Regionalfonds sind nach einer Übereinkunft zwischen Rat und Parlament nichtobligatorische Ausgaben im Sinne von Art. 203 EWGV; Glaesner, S. 44. 251

Art. 130 c EGV; ABl. 75/L 73/1; zum EFRE ABl. 84/L 169/1. S. auch Beutler/BBPS, 5. 492 ff.- Nach Ehring, S. 26, soll regionale Strukturpolitik bzw. Regionalpolitik regionale Ungleichgewichte in Wohlstandsniveau und Wirtschaftkraft abbauen und ist Teil des Verfassungsauftrags, gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen.- Der Anteil der Ausgaben der EG für die Regional- und Verkehrspolitik betrug nach den Angaben bei Messal, S. 30, 1990 11,2 %. 252

So bspw. die innerdeutschen Zahlungen nach der Wiedervereinigung; Ho., Brüssel setzt sich durch: Weniger Regionalhilfe in Westdeutschland, FAZ vom 2. 5. 1991. 253

Ehring, S. 34 f. und S. 37.

254

S. Ehring, S. 32 ff. (mit ausführlicher Zielbeschreibung der EG-Regionalpolitik, S. 33).

255

Ehring, S. 34 f.

256 S. Überlegungen der Kommission, ABl. 84/C 115/02; Entschließung des Rats, ABl. 84/C 115/01; Entschließung zur Erhaltung des architektonischen und archäologischen Erbes vom 14.9.1982, Abi. 82/C 267/25, lit. C-F einerseits und lit. J andererseits.- Vgl. BT-Drucks. 10/2237, S. 40: generelle Zustimmung der Bundesregierung zum FANTI-Bericht, der als Maßnahme zur Förderung des Fremdenverkehrs grundsätzlich die Möglichkeit gibt, Mittel des europäischen Fonds für regionale Entwicklung für Erwerb, Inauftraggebung und Erhaltung von Kunstwerken als Teil der Fremdenverkehrsförderung auszugeben, was allerdings nach Auffassung der Bundesregierung nur von Fall zu Fall geschehen kann (die Bundesregierung befürchtet eine Zersplitterung des Mitteleinsatzes).- Nach Hochbaum, DÖV 92, 285, weist darauf hin, daß auch Programme wie ERASMUS, COMETT und LINGUA ihre Grundlage in der Regionalpolitik hatten. 257

S.o. S. 89 ff. und 105 ff. Insbes. nach Gesichtspunkten von Angebot und Nachfrage.

258

Bspw. Theater und Museen in München o.Ä.

222

Teil 3: Kunstfördening und EG d) Außenpolitik

Art. 30 E E A betrifft die Europäische Zusammenarbeit in der Außenpolitik. Diese zielt auf ein einheitliches Vorgehen in allen Fällen allgemeinem Interesses. I m Rahmen der gemeinsamen Außenpolitik kommt es - wie auch in der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland - auch zum Einsatz kultureller Mittel. Ein Beispiel dafür ist der Europäische Kulturmonat,an dem auch Drittländer beteiligt werden. 2 5 9

Solche Maßnahmen waren jedenfalls

vor

Ratifizierung des Maastrichter Vertrags unzulässig. Denn die Gemeinschaft stellte sich mit ihnen als kulturelle Einheit dar, was sie nach den Verträgen nicht war. Auch hier ergibt sich aber durch Inkrafttreten des Maastrichter Vertrags eine andere Bewertung. 260

7. Die Europäische Stiftung Die Europäische Stiftung mit Sitz in Paris wurde durch völkerrechtlichen Vertrag vom 29. 3. 1982 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft errichtet. 261 "Aufgabe der Stiftung ist es, ... zu einer besseren Verständigung zwischen den Völkern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft... beizutragen und eine bessere Kenntnis des kulturellen Erbes Europas - in seiner großen Vielfalt und in seiner Einheit - zu fördern sowie ein größeres Verständnis für die europäische Integration zu entwickeln. " 2 6 2

259

S. ABl. 90/C 162/01; KOM (92) 149 endg., Anhang A, S. 10 f., und oben S. 181.

260

Die sich auch prompt in der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 21. 1. 1993 niedergeschlagen hat, das die systematische Aufnahme von Kulturklauseln in Verträge mit Drittiändern fordert, ABl. 93/C 42/177 Nr. 19 und 180 lit. c). 261 Zustimmungsgesetz des Bundes vom 15. 5. 1986, BGBl. II S. 646 (Einspruchsgesetz). Dagegen ist die Europäische Kulturstiftung (gegründet 1954) eine unabhängige gemeinnützige private Stiftung niederländ. Rechts mit Sitz in Amsterdam; sie arbeitet mit Kommission und Europarat zusammen (Europäisches Institut für Bildungs- und Sozialpolitik, ERASMUS-Büro, Beteiligung an COMETT pp., der Datenbank für höheres Schulwesen Eurydice und HEURAS (Sekretariat u.a. der Rektorenkonferenz der Mitgliedstaaten der EG; 2 Vertreter des Europrats sitzen in ihrem Rat) und wird zu 35 % finanziert über die allg. Ndl. Lotterie und den ndl. Fußballtoto sowie über Forschungsarbeiten und Dienstieistungen (Budget 1987 und 1988 je rund 2,4 Mio Gulden). Sie gewährt Zuschüsse für Projekte gemeinnütziger Organisationen, an denen mindestens 3 europäische Länder beteiligt sind.- Außerdem gibt es das Europäische Kulturzentrum in Delphi, BGBl. 1986 II S. 652. 262

Art. 2 des Übereinkommens.

III. Kunstförderung und primäres Gemeinschaftsrecht

223

Die Stiftung führt vorrangig indirekte Maßnahmen, die sich auf das Hoheitsgebiet von mehr als einem Mitgliedstaat erstrecken, 263 mittels richtungsweisender finanzieller Beteiligungen durch (Art. 3 S. 2). Gefördert werden hauptsächlich Informationen über die Länder und die Gemeinschaft sowie die jeweilige Geschichte, das Erlernen mitgliedstaatlicher Sprachen und Vorhaben, die der kulturellen Ausstrahlung der Gemeinschaft dienen (Art. 5). Die Finanzmittel der Stiftung stammen aus einem Beitrag der Gemeinschaft sowie weiteren öffentlichen und privaten Zuwendungen. Für den Gemeinschaftsbeitrag ist ein Beschluß der Gemeinschaft erforderlich. 264 Fraglich ist, ob eine solche Stiftung überhaupt gegründet werden durfte. Da es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag, also nicht um einen Rechtsakt auf Grundlage des EWGV handelt, waren die Mitgliedstaaten nicht an die Kompetenzen der Gemeinschaft gebunden. Auch der Beitrag der Gemeinschaft an der Finanzierung der Stiftung wurde auch nicht als Vertrag zulasten Dritter beschlossen, sondern von einem Beschluß der Gemeinschaft abhängig gemacht (Art. 16 des Übereinkommens). Zu diesem Beschluß war die Gemeinschaft aber nicht berechtigt. Denn weder für den Beschluß über die Bereitstellung der Mittel 265 noch für den Beschluß zur Entsendung von Stiftungsratsmitgliedern 266 konnte sie sich auf eine Kompetenz im Gemeinschaftsrecht berufen. Auch eine Zuständigkeit nach Art. 235 EWGV kam nicht in Frage, 267 da die Stiftung mit der "besseren Verständigung zwischen den Völkern" der EWG und der "besseren Kenntnis des kulturellen Erbes Europas" Ziele verfolgt, die über die Ziele des EWGV hinausgingen.268

263

So der Grundsatz, vgl. Art. 3 S. 4.

264

Art. 16; entspricht auch dem Haushaltsrecht der EG. Die Stiftung erhält außerdem unentgeldich ein Gelände in Paris von der frz. Regierung (Art. 211). Ausführlich zum Inhalt des Stiftungsabkommens s. auch Rudolf Stifung, S. 794 ff. 265

Zum haushaltsrechdichen Ansatz s.o. S. 188.

266

Art. 10 Abs. 1,2. Spstr. des Übereinkommens.

267

So aber grds. Rudolf Stiftung, S. 800 und 807, der nur Bedenken wegen der Einseitigkeit der Erklärung hat, wenn es sich um einen einseitigen Beschluß handelt; ein Vertrag wäre seiner Meinung nach auf der Grundlage von Art. 235 EWGV zulässig. Ebenso wohl auch die Mitgliedstaaten bei der Frage der Rechtsgrundlage der Stiftung, s. Rudolf Stiftung, S. 791.- Zu Art. 235 EWGV s.u. S. 225 ff. 268 Vgl. Art. 2 des Übereinkommens. Allein das Ziel eines "größeren Verständnisses für die europäische Integration" käme als ungeschriebenes Ziel im Zusammenhang mit der Selbstdarstellung der Gemeinschaft (hierzu s.o. S. 203 f.) in Frage.

224

Teil 3: Kunstfördening und EG

Die Europäische Stiftung hätte auch nicht durch Vertrag zwischen den Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft zustande kommen können. Mangels Rechtsgrundlage im Gemeinschaftsrecht hätte es sich hierbei um einen die Kompetenzen erweiternden völkerrechtlichen Vertrag zwischen den Mitgliedstaaten als solchen und der Gemeinschaft gehandelt. Zwar ergibt sich die Völkerrechtsfähigkeit der EG aus Art. 210 EGV. 2 6 9 Problematisch ist aber schon, daß die Gemeinschaft - auch mit Dritten - nur Verträge schließen kann, deren Erfüllung ihr rechtlich möglich ist. 270 Für die Festsetzung der zugunsten der Stiftung beschlossenen Zuschüsse fehlte der Gemeinschaft nach dem damaligen Gemeinschaftsrecht aber gerade die Rechtsgrundlage. Vor allem aber verbot Art. 236 EWGV als lex specialis eine Erweiterung der gemeinschaftlichen Kompetenzen außerhalb des durch diese Norm aufgestellten Verfahrens. 271 Schließlich trug zur Unzulässigkeit auch bei, daß die Stiftung, deren Stiftungsratsmitglieder zu einem Viertel direkt und zu einem weiteren Viertel indirekt von der Gemeinschaft bestellt werden, 272 deren finanzielle Hauptlast die Gemeinschaft trägt 273 und deren Haushalt von der Gemeinschaft kontrolliert wird, 274 schon nach ihrem Zweck Aufgaben wahrnimmt, die Aufgaben der Selbstdarstellung der Gemeinschaft sind: Zu fördern sind - in erster Linie bei den Völkern der Gemeinschaft - das Verständnis für den Europa-Gedanken, die Information über den Aufbau Europas und über die Länder der Gemeinschaft und ihre Geschichte, das Erlernen der Sprache der Länder der Gemeinschaft und

269

S. Vedder/Grabitz,

Art. 228 Rn. 2; Ipsen, Gemeinschaftsrecht, S. 201 ff.

270

Vgl. Art. 228 ff. EWGV sowie Vedder/Grabitz, Art. 228 Rn. 7 ff. und Grabitz/Grabitz, Art. 189 Rn. 8; also insbes. über die ausdrücklich genannten Fälle und im Rahmen der gemeinsamen Politiken, Vedder!Grabitz, Art. 228, Rn. 3 und 9.- Nach Rudolf, Stiftung, S. 800, hätte die EG Vertragspartner werden können, allerdings nicht auf der Grundlage von Art. 228, sondern von Art. 235 EWGV. 271

Vgl. Vedder/Grabitz, Art. 236 Rn. 21 ff. und 24 (h.M., str.).- Eine andere Auslegung von Art. 236 EWGV könnte sich nur dann ergeben, wenn man den Sinn der Vorschrift hauptsächlich in einem Schutz der Gemeinschaft davor sieht, daß die Mitgliedstaaten durch völkerrechdichen Vertrag der Gemeinschaft Kompetenzen entziehen. Diese Auslegung wird aber der Funktion von Art. 236 EWGV nicht gerecht. Denn daraus, daß Art. 236 EWGV nicht nur die Mitwirkung der Gemeinschaftsorgane vorschreibt, sondern auch die Ratifizierung nach nationalem Verfassungsrecht, ergibt sich, daß Art. 236 EWGV auch die nationalen Verfassungsorgane davor schützt, daß der Gemeinschaft ohne ihre Zustimmung weitere Kompetenzen übertragen werden (das würde in der Bundesrepublik außerdem an Art. 24 und 59 GG scheitern). 272

Art. 10 Abs. 1, 2. und 3. Spstr. des Übereinkommens.

273

Art. 16 des Übereinkommens.

27 4

Rudolf, Stiftung, S. 801.

III. Kunstförderung und primäres Gemeinschaftsrecht

225

die kulturelle Ausstrahlung der Gemeinschaft; zu untersuchen ist, mit welchen Mitteln die Länder der Gemeinschaft ihr gemeinsames kulturelles Erbe bewahren und weiterentwickeln können; zu unterstützen ist der Austausch von Personen innerhalb der Gemeinschaft.275

Solche Art von selbstwerbenden Maßnahmen konnten - und können auch nach Inkrafttreten des M V - aber höchstens der Gemeinschaft selbst im Rahmen ungeschriebener Kompetenzen zustehen. Zur Übertragung auf Dritte wie bspw. eine selbständige Stiftung sind sie als Versuch, evt. Grenzen des ungeschriebenen Selbstdarstellungsrechts der Gemeinschaft zu umgehen, ungeeignet.

8. Ungeschriebene Kompetenzen

Wie im nationalen Recht stellt sich auch im Gemeinschaftsrecht die Frage nach ungeschriebenen Kompetenzen. Voraussetzung ist eine Lücke im geschriebenen Recht, die nicht als bewußte Entscheidung gegen eine Kompetenzübertragung zu verstehen ist, also eine "planwidrige Lücke". Damit scheiden folgende Fälle für die Frage nach ungeschriebenen Kompetenzen aus: -

Die Gemeinschaft handelt zur Erreichung eines ihrer ausdrücklichen Ziele und im Rahmen ihrer ausdrücklichen Befugnisse (keine Lücke).

-

Die Gemeinschaft ist ausdrücklich unbefugt, wobei es unerheblich ist, ob sie ein Ziel der Gemeinschaft erreichen will oder nicht (geplante Lükke). 276

-

Die Gemeinschaft ist zwar (vielleicht) befugt, will aber keines ihrer vertraglichen Ziele erreichen. Da sie durch die Ziele in ihren Befugnissen begrenzt wird, geht es hier um restriktive Kompetenzenauslegung,277 und zwar gleichermaßen für Fälle einer ausdrücklichen Verneinung von Zielen wie auch für die Fälle, in denen die Gemeinschaft sich auf ein "ungeschriebenes Ziel" berufen möchte. Denn da die Gemeinschaft weitgehend

275

Auszüge aus Art. 5 des Übereinkommens.

276

So wurde ihr die Kompetenz für die Bestimmung des Sitzes der Gemeinschaft (wofür man eine ungeschriebene Aufgabe annehmen könnte) in Art. 216 EGV ausdrücklich verweigert. 277 Vgl. auch Schwartz , AfP 93, 409, 410. Allerdings wird dieser Fall selten eintreten, da im Gemeinschaftsrecht die meisten Befugnisse über die Ziele definiert sind, die Gemeinschaft inzwischen die verschiedensten Zielvorgaben hat und also kaum eine Befugnis ohne Zielvorgabe denkbar ist. S. sogleich.- Keinesfalls kann die Gemeinschaft Befugnisse in Anspruch nehmen, mit denen sie die Voraussetzungen für ihre Ziele erst herstellen will, bspw. die Befugnis zur Stärkung von Mobilitätsbereitschaft oder einem europäischen Bewußtsein, die zu einem Bedarf an Freizügigkeit pp. führen; vgl. Hiermaier, S. 99. 15 Geißler

226

Teil 3: Kunstförderung und EG über ihre Ziele definiert wird und auf die übertragenen Kompetenzen beschränkt ist, 2 7 8 ist davon auszugehen, daß bei dieser Definition eine abschließende Entscheidung darüber getroffen wurde, ob eine Zuständigkeit der

Gemeinschaft

gemeinschaftlichen

bestehen soll. 2 7 9 Tätigkeit,

weil

Allein das Bedürfnis nur

durch

diese ein

nach einer bestimmtes,

vertraglich aber nicht festgelegtes Ziel erreicht werden kann, kann die rechtliche Anerkennung des Zieles nicht ersetzen. 280 Erforderlich

ist vielmehr,

daß sich das Ziel der

Gemeinschaft

zumindest konkludent aus dem Vertrag ergibt. Da die Gemeinschaft Recht setzt, gehört bspw. die Befolgung dieses Rechts durch die Rechtsunterworfenen zu ihren Zielen. Soweit es hierfür erforderlich ist, daß sie ein Bild von

sich

selbst

als

Rechtssetzer

vermittelt, 2 8 1

nimmt

sie

eine

un-

geschriebene Befugnis zur Erfüllung eines ungeschriebenen, sich aber konkludent aus dem Vertrag ergebenden Ziels wahr. 2 8 2 Sie bleibt aber auf sachliche und sachlich richtige Darstellung beschränkt, 283 so daß sie bspw.

278 Compétence d'attribution. S.o. S. 183. Ausdrücklich betont vom BVerfG in seiner Entscheidung zum Zustimmungsgesetz zum MV, JZ 93, 1100, 1104. 279

So schon die Grundregel geschlossener Rechtsetzungen, nach der Recht außerhalb des schrifdich fixierten Bereichs die Ausnahme ist, s. Ipsen, Gemeinschaftsrecht, S. 132 f., Rz. 75.Darüberhinaus entfällt bei der Verteilung der Zuständigkeiten nach Zielen - anders als bei der Verteilung nach Sachgebieten - die Möglichkeit, aus dem Sachgebiet eine weitergehende Zuständigkeit teleologisch abzuleiten (die Sachgebietskompetenz wurde nur zu dem Zweck X verliehen, um diesen zu erreichen, muß die Zuständigkeit aber auch auf das Gebiet Y ausgedehnt werden), die darauf beruht, daß man das Gesetz nicht als willkürlich, sondern als zweckgerichtet betrachtet und damit die Akzeptanz der Norm (auch in ihrer Erweiterung) erhöht. 280

Sonst liefe Art. 235 EWGV leer.- Auch die bei Bleckmann, Europarecht, Rn. 495, angeführten "Kompetenzen aus der Natur der Sache" sind eher Fälle des Annexes an bestehende Kompetenzen. 281

Hierzu auch oben Teil 1, S. 65 ff.

282

Eine ungeschriebene Zuständigkeit kommt auch für die EG-Symbole in Betracht. Vgl. Bleckmann, Europarecht, Rn. 493 bis 495; ders., DÖV 77, 615 ff., 616 f. 283

Hierbei ist die Gemeinschaft in dem Versuch, das Diskriminierungsverbot durchzusetzen, teilweise über die Grenze dessen hinausging, was ihr erlaubt war (kritisch Ipsen, Kulturbereich, S. 346 und 349 ff.; ebenso Engler, Polit. Studien 42, 345, 352; dagegen hatte nach Weyringer, S. 1002, die Gemeinschaft immerhin eine Kompetenz zum Abbau der künsdichen Grenzen und Hindernisse).- Die Gemeinschaft konnte ihre Kompetenzen auch nicht dadurch erweitern, daß sie auf völkerrechtliche Instrumente als Grundlage ihrer Maßnahmen ausweicht; vgl. Eiselstein, NVwZ 89, 323, 329, und unten S. 230 ff. Übrig bleibt als Befugnis auf kulturellem Gebiet daher nur das, was im Zusammenhang mit ausdrücklichen Kompetenzen der Gemeinschaft steht, aber nicht unverhältnismäßig in die Sphäre der Mitgliedstaaten eingreift, sowie die Befugnis der Gemeinschaft zur Selbstdarstellung. Auch hier hat sich die Gemeinschaft aber zu begrenzen.

III. Kunstförderung und primäres Gemeinschaftsrecht

227

vor dem Inkrafttreten des M V keine Aussagen über ihr Verhältnis zur Kunst machen durfte, weil rechtlich ein solches Verhältnis nicht bestand. 284 Diese Beschränkung durch die - konkludenten - Vertragsziele greift auch bei ausdrücklichen Befugnissen der Gemeinschaft ein. So erlaubt bspw. Art. 211 E G V der Gemeinschaft den Erwerb von Gebäuden und beweglichen Sachen. Auch damit muß die Gemeinschaft aber ein vertraglich vorgegebenes (geschriebenes oder ungeschriebenes) Ziel verfolgen. Solange Kunstförderung nicht zu den Aufgaben der Gemeinschaft gehörte, konnte sie sich also nicht auf Art. 211 E G V berufen, um Kunstschätze anzukaufen. 2 8 5 W i l l die Gemeinschaft ein vertraglich festgelegtes Ziel erreichen, ohne daß ihre Organe ausdrücklich befugt (dann oben Fall a) oder ausdrücklich unbefugt (dann oben Fall b) sind, kommt Art. 235 EWGV/EGV

zur Anwendung, der

trotz bestehender Ziele 2 8 6 ungeschriebene Befugnisse nur zuläßt, wenn die Maßnahme zur Verwirklichung eines Zieles der Gemeinschaft im Rahmen des gemeinsamen Marktes erforderlich erscheint. 287 Aufgrund der Einschränkung

284 Vgl. aber (KOM (92) 149 endg., Anhang A S. 3), und die weit mehr als nur "symbolische" Gemeinschaftsaktionen oben S. 174 ff.- Problematisch auch hier Werbung (vgl. Hiermaier, S. 94, der ein Recht der EG "aus der Natur der Sache" bejaht, für die "europäische Idee" und Integration zu werben), die auf der Grenzlinie zwischen Schaffung von Voraussetzungen der Gemeinschaft (s. bei Fn. 264) und der zulässigen Vermitdungrichtiger Informationen liegt.- Unzulässig unter diesem Aspekt auch der Europäische Schulwettbewerb im Bereich Kunst, der mangels sachlicher Aussage nicht der Information, sondern nur einer irreführenden (weil nicht auf ein Kompetenzgebiet der Gemeinschaft verweisenden) und damit unzulässigen Integration diente; s. auch oben Fn. 227). 285

Anders seit Inkrafttreten von Art. 3 lit. ρ, 128 MV.

286

Bei denen schon der Gedanke einer effektiven Rechtsverwirklichung für eine entsprechende Befugnis spricht (so das gemeinschaftsrechtiiche Auslegungsprinzip des effet utile; vgl. Ipsen, Gemeinschaftsrecht, S. 131 f. Rz. 72 f.). S. auch Bleckmann, DÖV 77, 615, 616 f., nachdem sich im EG-Recht die Aufgaben aus dem EWGV ergeben müssen, bei Befugnissen aber auf implied powers zur Erfüllung der Aufgaben nach Art. 2 und 3 EWGV zurückgegriffen werden kann.- Zur Herabsetzung der Begründungsbedürftigkeit einer Befügnis, wenn eine Aufgabe besteht, s. auch v. Simson, Rechtsetzungsaufträge, S. 57; Hiermaier, S. 93. 287 Sogenannte "unvorhergesehene Fälle". Art. 235 EWGV gilt demnach nur subsidiär zu anderen vertraglichen Kompetenzvorschriften; so auch Schwartz/Groeben, Art. 235 Rn. 65. Die Subsidiarität wird von der Begründungspflicht des Art. 190 EWGV erfaßt; so auch Schwartz/ Groeben, Art. 235 Rn. 68. "Ob die Voraussetzungendes Art. 235 vorlagen, ist vom EuGH überprüfbar. Daß eine Maßnahme auf Art. 235 gestützt wird, obwohl eine speziellere Ermächtigungsgrundlage besteht, führt aber nur dann zur Rechtswidrigkeit, wenn die speziellere Ermächtigungsgrundlage andere Verfahrensrechtliche Voraussetzungen enthält."; Beutler/BBPS, S. 77.- Nach Schweitzer, S. 154, regelt Art. 235 die Transformation von völkerrechdichen Vereinbarungen im Rat zu EG-Recht (anders h.M.).

228

Teil 3: Kunstförderung und EG

"im Rahmen des Gemeinsamen Marktes" konnten sich m.E. rein kulturell motivierte Maßnahmen der EG nicht auf Art. 235 EGV stützen, selbst wenn sie geeignet waren, eine engere Beziehung zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern, und damit ein Ziel der Gemeinschaft nach Art. 235, 2 EWGV verwirklichen konnten.288 Im kulturellen Bereich kam es vor Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages zu zahlreichen Maßnahmen der Gemeinschaft im Grenzbereich zwischen Vertragsänderung und Ausnutzung vertraglicher Kompetenzen. Zwar lagen die Kompetenzen der Gemeinschaft ihrem Ursprung als Wirtschaftsgemeinschaft gemäß auf wirtschaftlichem Gebiet. Die Gemeinschaft dehnte ihre Befugnisse aber immer stärker auf den kulturellen Bereich aus, indem sie den wirtschaftlichen Aspekt im Kulturleben betonte. Dabei gingen ihre Bemühungen in zwei Richtungen: Zum einen versuchte die Gemeinschaft, eine eigene Kulturpolitik und eigene Programme auf dem Gebiet der Kunst durchzuführen. Hierfür besaß sie nach eigener Erkenntnis keine rechtliche Grundlage. 289 Zum anderen versuchte sie, das allgemeine Diskriminierungsverbot (Art. 7 EWGV) auch im Bereich der Kultur durchzusetzen. Betroffen war vor allem die mitgliedstaatliche Kulturförderung, die meist schon ihrem Zweck nach diskriminierend ist, weil sie die nationale Kunst und Kultur herausheben soll. Zwar ist der kulturelle Bereich - wie bei den einzelnen Kompetenzgrundlagen der Gemeinschaft dargestellt - nicht a priori der Zuständigkeit der Gemeinschaft entzogen, insbesondere dann nicht, wenn er ein gewisses wirtschaftliches Gewicht hat. 290 Die Gemeinschaft bewegte sich aber in einem Grenzgebiet

288 A.A. Niedobitek, S. 298, nach dem die Förderung des gegenseitigen Kennenlernens der verschiedenene Kulturen Aufgabe und Ziel der Gemeinschaft ist, und der sich auch auf die Präambel der EEA beruft (S. 299), die ihrerseits auf die Feierliche Deklaration von Stuttgart von 1983 verweist, die einen Abschnitt über die kulturelle Zusammenarbeit enthalte.- M.E. ist dies zu weit hergeholt, um hieraus konkrete Kompetenzen der Gemeinschaft abzuleiten. Voraussetzung für Art. 235 EGV ist ferner ein einstimmiger Ratsbeschluß und die Beteiligung von Kommission und Versammlung, zu allem oben S. 166 ff. S. auch Grabitz!Grabitz, Art. 189 Rn. 6; Hiermaier, S. 97 f.; Bleckmann, Europarecht, Rn. 492 ff. mit Hinweis auf die Rspr. des EuGH. 289

Vgl. KOM (92) 149 endg., Anhang 1, S. 2.- Auch in der Literatur wurde eine umfassende Kompetenz der EG im Kulturbereich verneint, s. Ipsen, Kulturbereich, S. 340 und 345; Eiselstein, NVwZ 89, 323, 329. 290

S.o. S. 189 und 196 f. Wie hier auch Oppermann, Entwicklung, S. 82; Roth, ZUM 89, 101, 107 (Art. 36 und 56 EWGV nähmen nur einen kleinen Teil, aber nicht einmal den ganzen Bereich

III. Kunstförderung und primäres Gemeinschaftsrecht

229

zwischen der Kulturhoheit der Mitgliedstaaten und ihrer eigenen Kompetenz für die Wirtschaft 291 und verband dies mit dem Versuch, die Mitgliedstaaten auch durch rechtlich unverbindliche gemeinsame Beschlüsse auf ein gemeinsames Vorgehen

festzulegen. 292

Haben unverbindliche

Empfehlungen und Stel-

lungnahmen noch eine Grundlage in Art. 189 S. 5 E W G V , so entstand mit den Entschließungen, Programmen und Schlußfolgerungen sowie den "Beschlüssen der im Rat vereinigten Minister" eine "Grauzone des Gemeinschaftsrechts", 293 dessen Verbindung durch Bezeichnung, 294 Art der Veröffentlichung 295 und Urheber nicht eindeutig zu ermitteln w a r . 2 9 6 Tätig wurden i.d.R. die "im Rat vereinigten, zusammen,

für Kulturfragen 298

zuständigen Minister"

allein 2 9 7 oder mit dem Rat

wobei der Rat dann in der Zusammensetzung der Kultur-

der Kultur aus der Gemeinschaftskompetenz aus); Maihofer, Notwendigkeit, S. 201 f.; Niedobitek, S. 195 f. (mit dem Argument, daß sonst Art. 36 EWGV überflüssig wäre). 291 Besonders problematisch im Rundfunkbereich, s. Delbrück, Media Persp. 87, 55, 56 (Vorrang der Kulturqualität, EG habe höchsten die Kompetenz für den wirtschafdichen Teil). 292

Everting , Wirkung, S. 117 f.

293

PipkornfBBPS,

S. 188; sog. "soft law" der EG.

294

Bspw. sind "Programme" nach Everting , Wirkung, S. 107, nur Orientierungshilfen für die Mitgliedstaaten oder für die weitere Entwicklung in der EG. 295 Von jeher Kennzeichen für eine Bindungswirkung dem Bürger gegenüber. - Veröffentiichungen im Amtsblatt haben daher eine höhere Rechtsverbindlichkeit als unveröffentiichte Einigungen. Vgl. hierzu auch Everting , Wirkung, S. 114 f. 296

Die vorgebliche Unverbindlichkeit dürfte außerdem dazu geführt haben, daß die Aufmerksamkeit der Beschließenden nicht in gleichem Maße bestand wie bei der Verabschiedung von Richtiinien und Verordnungen; das gilt auch für die öffentiiche Diskussion und die Beteiligung des Europäischen Parlaments.- Zweifelhaft ist, ob die Einhaltung der Abkommen vom Gerichtshof kontrolliert werden kann. Denn der EuGH ist eigentiich nur für Gemeinschaftsrecht zuständig, s. Art. 171 ff. EWGV. Everting , Wirkung, S. 122 und 126, weist daraufhin, daß die Beschlüsse zumindest dann, wenn sie in die Zuständigkeit des EuGH fallen, durch dessen Rechtsprechung verbindliche Wirkung erlangen, da der EuGH den Grundsatz des Vorrangs von Gemeinschaftsrecht anwenden wird, wodurch im Ergebnis die EG-rechtiiche Regelung vorrangig vor dem nationalen Recht gilt. Nach ihm sind die Mitgliedstaaten auch durch Mitwirkung und Gemeinschaftstreue gebunden, S. 123. 297

Hierzu gehören bspw. von den oben angeführten kulturellen Maßnahmen die Entschließung für die alljährliche Benennung einer "Kulturstadt Europas", ABl. 85/C 153/02, und Schlußfolgerungen, ABl. 90/C 162/01, die Entschließung zur Förderung von Kunst durch Unternehmen, ABl. 86/C 320/02, der europäische Bildhauerwettbewerb, ABl. 85/C 153/04, und die Empfehlungen im Bereich des Theaters, ABl. 91/C 188/02 und 91/C 314/03. 298

Hierzu gehören u.a. das Übereinkommen über die vorranigen Fördermaßnahmen auf dem Gebiet der Kultur, ABl. 88/C 197/02, die Entschließung über die Förderung des Buches und der Lektüre (Europäischer Literatur- und Übersetzespreis, finanzielle Unterstützung im Bereich von Übersetzungen), ABl. 89/C 183/01, 89/C 183/02, 90/C 35/04 und 90/C 35/05, die Entschließung zur Beteiligung von Schulen am Europäischen Wettbewerb im Kunst, ABl. 88/C 177/02, die Entschließung über die Einsetzung eines Ausschusses für Kulturfragen, ABl. 88/C 197/01, die

230

Teil 3: Kunstförderung und EG

minister tagte. 2 9 9

Die

Form von Beschlüssen

"der

i m Rat

vereinigten

Minister" war regelmäßig ein Hinweis darauf, daß selbst nach Auffassung der E G ihre Kompetenzen für den in Frage stehenden Rechtsakt zweifelhaft waren. 3 0 0

Hierüber

konnte

weder

die

scheinbare

Unverbindlichkeit

der

Maßnahmen 3 0 1 noch der Hinweis auf Art. 173 E W G V hinweghelfen. Denn Art.

173 E W G V spricht nicht für die Zulässigkeit von "soft law" neben

Empfehlungen und Stellungnahmen, 302 sondern nimmt nur letztere - aufgrund ihrer Unverbindlichkeit - von der rechtlichen Kontrolle des EuGH aus. 3 0 3 Selbst wenn sich die Beschlüsse der Regierungsvertreter

als "im Rat

vereinigte Minister" materiell-rechtlich auf gemeinschaftsrechtliche Ermächtigungen hätten stützen können, wären sie formell nicht Gemeinschaftsrecht, sondern völkerrechtliche Vereinbarungen, die nach den nationalen Vorschriften hätten umgesetzt werden müssen. 304 Denn ein Organ "im Rat vereinigte

Entschließung zum europäischen Film- und Fernsehjahr (1988), ABl. 86/C 320/04, der Beschluß zur vorrangigen Förderung des audiovisuellen Bereichs, Abi. 88/C 197/2, und die Entschließung über die Erhaltung von Kunstwerken und sonstigen Werken von kulturellem und historischem Wert, ABl. 86/C 320/03. 299

Vom Rat und den im Rat vereinigten Minister zusammen erlassene Rechtsakte wurden stillschweigend anerkannt durch EuGHE 85, 593 ff. Rn. 22 f. (Françoise Gravier gegen Stadt Lüttich), und durch BVerfGE 68, 1, 82 (Pershing-2).- Die EG betrachtet die formellen Ratstagungen der Kulturminster als ersten Ansatz zu einer institutionalisierten Anerkennung; KOM (92) 149 endg., Anhang A S. 4. 300

Nach Everling, Wirkung, S. 127, spricht die Angabe der Regierungsvertreter neben dem Rat als Urheber des Beschlusses gegen den Bindungswillen.- Es besteht ferner ein Unterschied danach, ob die Regierungsvertreter im Rahmen des Rats oder "nur so" zusammentreffen (.Everling, Wirkung, S. 114), ebenso wie es nicht das Gleiche ist, ob der Rat (bestehend aus Vertretern der Mitgliedstaaten, und zwar je den Fachministern) oder "die im Rat vereinigten Minister" (personengleich mit den Mitgliedern des Rats) entscheiden (Bieber!BBPS, S. 122 und 129). "Beschlüsse der im Rat vereinigten Minister" begannen in den 60er Jahren auf Feldern, wo die EG-Kompetenzen nicht ausreichten; hier wird inzwischen meist Art. 235 EWGV angewandt, vgl. Everling, Wirkung, S. 108. Zur Geschichte der sog. "gemischten Formel" auch Hochbaum, BayVBl 87, 481,488. 301

An der es bspw. fehlt bei Aufnahme in Beitrittsverträge oder Urteile des EuGH.

302

So aber Hiermaier, S. 91, nach dem der Wortlaut von Art. 173 EWGV zeigt, daß es neben Empfehlungen und Stellungnahmen noch das "soft law" (Entschließungen, Beschlüsse, Aktionsprogramme) geben muß, das er für faktisch bindend hält. 303

Äußerst kritisch zur Weiterentwicklung von Gemeinschaftsrecht über unverbindliche Rechtsakte auch Streinz, S. 41, in Auseinandersetzung mit EuGHE 85, 593 ff. (Gravier). Hochbaum, DÖV 92, 285, 291 f., weist auf die Risiken einer Ermessenkontrolle durch den EuGH für den Kläger und die geringen Erfolgsaussichten hin. 304

Das ist für die Bundesrepublik Art. 59 GG, s.o. Teil 2, Fn. 236 und 237. So auch Schweitzer, S. 155. Im Ergebnis ebenso Hochbaum, BayVBl 87, 481, 488, der als Alternative nur die

III. Kunstförderung und primäres Gemeinschaftsrecht

231

Minister" war und ist i m Gemeinschaftsrecht nicht vorgesehen. Die Beschliessenden konnten also nicht als Zuständige handeln. 305 Hieran änderte weder die personelle Identität mit dem Rat noch die ausdrückliche Berufung auf die Vereinigung "im Rat" etwas. Denn mit der Selbstbezeichnung als "im Rat vereinigt" vermieden die Minister bewußt die Möglichkeit, als Rat und Organ der Gemeinschaft zu handeln. Sie mußten deshalb in Kauf nehmen, daß ihr Beschluß nicht die Qualität von EG-Recht hat, 3 0 6 daher auch nicht unter die Auslegungsregel des "effet utile" (Auslegung zugunsten einer Gemeinschaftskompetenz)

fallt. 3 0 7

Auf den Willen der Vertragsschließenden,

Gemein-

schaftsrecht zu setzen, kommt es nicht an. 3 0 8

Beurteilung als rechdich irrelevante Zielsetzungen auf der Ebene der Gemeinschaft sieht. Hiergegen spricht aber, daß die Gemeinschaft in zahlreichen Fällen diese Beschlüsse als Grundlage ihres Handelns ansieht und ihnen also Verbindlichkeit zuspricht.- Niedobitek, S. 272, führt die Veröffentlichung der Beschlüsse im Amtsblatt als Grund dafür an, daß sie Akte der EG sind. Auch bedürfe nur das für Mitgliedstaaten und Individuen verbindliche hoheidiche Handeln der EG einer Rechtsgrundlage im primären Gemeinschaftsrecht, Niedobitek, S. 258 und 260 (m.w.N.); der Rechtsbindungswille sei durch Auslegung zu ermitteln, wobei es auf den Inhalt und nicht die Bezeichnung ankommen, S. 255. Niedobitek, S. 198, zieht die Grenze dann über die Organkompetenzen, die seiner Meinung nach auf die einzelnen Zuweisungen beschränkt sind. 305 Sehr deutlich hierzu Schweitzer, Woher sollte man sie auch nehmen ?"

S. 158: "Rechtsgrundlagen werden dabei keine angegeben.

306

Unklar hierzu Zuleeg, JöR 20, 1, 20 f.: Als Regierungskonferenz schließe der Rat völkerrechdiche Verträge in vereinfachter Form, die nicht dem Rat als Gemeinschaftsorgan zuzurechnen seien, aufgrund ihrer engen Verflechtung mit den gemeinschaftiichen Institutionen aber zum Gemeinschaftsrecht gehörten. Sie seien an die Vertragsziele gebunden, in begrenztem Umfang könne der Rat aber mit uneigendichen Ratsbeschlüsse den Kompetenzbeschränkungen nach dem Gemeinschaftsrecht entgehen.- Diese Auffassung ist nicht konsequent.-Bezeichnend ist, daß neue Mitglieder der Gemeinschaft regelmäßig die "Erklärungen, Entschließungen und sonstige Stellungnahmendes Rates" und "Erklärungen, Entschließungen und Stellungnahmen, die von den Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen angenommen wurden", übernehmen, Everling, Wirkung, S. 120. Problematisch ist m.E. die Ansicht Niedobiteks, S. 277, nach dem die Beschließenden bewußt und quasi als auflösende Bedingung das Fehlen einer Rechtsgrundlage in Kauf nehmen. Eine solche Ansicht verschiebt die Last der Prüfung von Rechtsgrundlagen auf den durch die Regelung belasteten. Als bewußte Haltung ist die unter rechtsstaatiichen Gesichtspunkten äußerst bedenklich. Nicht eindeutig auch Everling, Herren, S. 98, nach dem die Beschlüsse der im Rat vereinigten Vertreter nicht auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts stehen, das aber auch auf das außergemeinschafdiche Verhalten der Mitgliedstaaten einwirke. Die Wirkung der Beschlüsse sei unklar. 307 Weite Auslegung der Befugnisse der Gemeinschaft zugunsten einer effektiven Rechtsverwirklichung, vgl. Ipsen, Gemeinschaftsrecht, S. 131 f. Rz. 72 f. 308 Zwar besteht auf keiner Seite die Absicht, einen völkerrechtiichen Vertrag zu schließen. Da die Vertragspartner das gegenseitig auch wissen, könnte man zu dem Ergebnis kommen, daß diese Vereinbarungen rechtsunwirksam oder anfechtbar sind. Es lag aber ein Rechtsbindungswille vor,

232

Teil 3: Kunstförderung und EG

Zwar konnte die Gemeinschaft im Sinne eines Vertrages zugunsten Dritter berechtigt werden, Maßnahmen zur Erfüllung dieser völkerrechtlichen Verträge zu ergreifen.

Sie konnte aber nicht zur Finanzierung der völkerrechtlich

beschlossenen Programme verpflichtet werden 3 0 9 und war hierzu auch nicht berechtigt. 310 Insbesondere stand nach altem Recht auch Art. 236 E W G V mit seinen ausdrücklichen Vorschriften zu Vertragsänderungen

einer

solchen

Kompetenzerweiterung entgegen. Der Maastrichter

Vertrag

beeinflußt die ungeschriebenen Kompetenzen in

zwei Richtungen: Nach Art. 3 b E G V wird es schwieriger,

ungeschriebene Ziele oder Befug-

nisse der Gemeinschaft zu begründen, denn hier heißt es ausdrücklich: "Die Gemeinschaft wird innerhalb der Grenzen der ihr in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse und gesetzten Ziele tätig." Damit erscheint jeder Versuch, ungeschriebene Ziele oder Befugnisse geltend zu machen, vertraglich ausgeschlossen. Das gilt auch dann, wenn "nur" eines von beiden fehlt, denn im Vertrag heißt es ausdrücklich "und" und nicht "oder", so daß also beides, Befugnisse und Aufgaben, vorausgesetzt werden. 3 1 1 Gleichzeitig ist geklärt, daß die sog. "gemischten Beschlüsse" des Rats und der im Rat vereinigten Minister nicht zum Gemeinschaftsrecht gehören,

für den es unerheblich ist, auf welcher Rechtsgrundlage die Vereinbarung getroffen wird.- S. auch Eiselstein, NVwZ 89, 323, 329, nach dem derzeit kulturelle Aktivitäten nur im völkerrechtiichen Rahmen möglich sind und eine Beteiligung der Gemeinschaftsorgane an Planung und Durchführung sowie der Einsatz von Gemeinschaftsmitteln unzulässig ist; möglich sei nur eine ausdrückliche Vertragsänderung gemäß 236 EWGV.- Dagegen geht Everting, Herren, S. 98, davon aus, daß den Entschließungen des Rats i.d.R. der rechdiche Bindungswille fehle, sie seien politische Verpflichtungen ohne direkte rechdiche Wirkung. Dieser Beurteilung kann deshalb nicht gefolgt werden, weil die Entschließungen des Rats Grundlage des Handelns der Gemeinschaft sind und dadurch Rechtswirkungen erzeugen.- Das BVerfG hält es für möglich, daß ein Akt einer internationalen Gemeinschaft gleichzeitig ein Vertrag zwischen den Mitgliedstaaten dieser Gemeinschaft darstellt, fordert allerdings besondere Anhaltspunkte dafür, daß eine solche Überbrückung oder Außerstreitsteilung möglicher Kompetenzmängel der Gemeinschaft dem Willen der Vertragsschließenden entspricht BVerfGE 68, 1, 82. 309 Dies wäre ein unzulässiger Vertrag zulasten Dritter, der außerdem der ausdrücklichen Regelung von Art. 236 EWGV widerspräche, nach dem Änderungen des Gemeinschaftsrecht einer Änderung der Verträge bedürfen. 310

Denn Ausgaben der EG brauchen eine Rechtsgrundlage im Gemeinschaftsrecht, nicht nur in völkerrechtiichen Verträgen (zu Lasten der Gemeinschaft als Dritter). S. auch S. 188. 311

Ebenso nach englischer und französische Fassung.

III. Kunstförderung und primäres Gemeinschaftsrecht

233

weil es der Gemeinschaft an einer Befugnis fehlt, solche gemischten Gremien entscheiden zu lassen.312 Diese Beschränkung der Gemeinschaft wird aber durch die Erweiterung der Ziele der Gemeinschaft in Art. 2 und 3 EGV ausgeglichen: Nach Art. 2 EGV werden die Aufgaben der Gemeinschaft auf die "Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität" ausgedehnt. Nach Art. 3 lit. ρ EGV umfaßt die Tätigkeit der Gemeinschaft "im Sinne des Art. 2" auch "einen Beitrag zu einer qualitativ hochstehenden allgemeinen und beruflichen Bildung sowie zur Entfaltung des Kulturlebens in den Mitgliedstaaten".313 Art. 3 lit. ρ EGV kommt systematisch nicht als eigene Kompetenzgrundlage neben Art. 128 EGV in Betracht, will man nicht Art. 128 EGV für überflüssig erklären. Art. 2 und 3 lit. ρ EGV können aber im Rahmen der Auslegung der anderen Kompetenzen der Gemeinschaft eine Rolle spielen314 und führen jedenfalls dazu, daß der Gemeinschaft eine Selbstdarstellung als "kulturelle Persönlichkeit" künftig nicht mehr versagt werden darf. Zwar findet nach Art. 3 lit. ρ EGV das kulturelle Leben eindeutig "in den Mitgliedstaaten" statt,315 was theoretisch auch die Lesart "nur in den Mitgliedstaaten" zuläßt. Hieraus kann aber keine Einschränkung von Art. 128 EGV abgeleitet werden, da Art. 3 lit. ρ EGV gleichzeitig die Mitwirkung der Gemeinschaft am mitgliedstaatlichen Kulturleben ausdrücklich zuläßt. Immerhin dürfte eine ausdehnende Auslegung von Art. 3 lit. ρ EGV schwierig werden, denn die Formulierung

3,2 Außerdem folgt aus den gesteigerten Voraussetzungen für Maßnahmen der Kulturförderung nach Art. 128 Abs. 5 EGV (Beteiligung von Parlament, Regionenrat, Kommission und Rat), daß sich kunstfördernde Maßnahmen der Gemeinschaft künftig nicht auf Art. 235 EWGV (s.o. S. 225 f.) stützen können, da sonst Art. 128 EGV leerläuft (a.A. Bohr/Albert, ZRP 93, 61, 65). 313

Eine solche Erweiterung der Kompetenzen war schon längere Zeit im Gespräch, vgl. bspw. das Arbeitsdokument zur internationalen Konferenz in Rom über das Thema "Die Zukunft Europas - Kultur und Verfassung des Kontinents" im Oktober 1990, veröffentiicht von der Bertheismann Stiftung, Die Zukunft Europas, S. 141 ff. Bezeichnend ist die Kompetenzneuverteilung auf kulturellem Gebiet "zwischen dem Ministerrat, der Kommission und dem Europäischen Parlament sowie den nationalen Stellen und den regionalen Behörden" (.Rovan, S. 275), also ein Ansatz, der zuerst die EG mit allen ihren Organen "bedient", während sich die anderen dann die Reste teilen können. 314 Nämlich im Rahmen des freien Warenverkehrs, s.o. S. 189 f., des Subventionsrechts, s.o. S. 201 f., der Forschung, s.o. S. 217 f., der Handelspolitik, s.o. S. 218 f., und der ungeschriebenen Kompetenzen, S. 225 ff. 315

Ebenso die englische und französische Fassung: "des cultures des États membres" bzw. "of the cultures of the member states".

234

Teil 3: Kunstförderung und EG

widerspricht klar einer Auslegung, die dazu fuhren würde, daß das Kulturleben auf der Ebene der Gemeinschaft statt in den Mitgliedstaaten stattfindet. Die vor Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages getroffenen kulturellen Maßnahmen der Gemeinschaft sind nicht allein durch die Erweiterung der Kompetenzen der Gemeinschaft geltendes Gemeinschaftsrecht geworden. 316 Nach der oben vertretenen Auffassung wäre eine Genehmigung der Beschlüsse und Maßnahmen durch die - nunmehr zuständige - Gemeinschaft erforderlich, um sie ihnen die Qualität von Gemeinschaftsrecht zu verleihen. 317

I V . Bedeutung für die Rechtslage in der Bundesrepublik

1. Beurteilung nach dem Grundgesetz

Die doppelte Wirkungsrichtung des Gemeinschaftsrechts (Ermächtigung der Gemeinschaft und Einschränkung der Mitgliedstaaten) führt auf dem Gebiet der Kunst für den Bund zu folgender Situation: - Gemeinschaftsrechtlich ist ihm praktisch jede wirtschaftlich relevante Maßnahme der Kunstförderung verboten. Denn sie könnte den Wettbewerb verzerren und Anbieter anderer Nationalität diskriminieren. Es ist also in jedem Fall eine Entscheidung der Gemeinschaft erforderlich, nach der die kunstfördernde Maßnahme mit dem Allgemeininteresse vereinbar ist oder eine Maßnahme zum Schutz des nationalen Erbes (Art. 36 EGV) oder keinen

316 Denn die pauschale Zustimmung der Mitgliedstaaten zum Maastrichter Vertrag dürfte insoweit keine rückwirkende Ermächtigung der Gemeinschaft enthalten. Das gilt insbesondere auch für die zahlreichen Maßnahmen, die zwischen Abschluß und Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages (ohne Rücksicht darauf, daß die Voraussetzungen seiner Inkrafttretens gerade noch nicht herbeigeführt worden waren) auf die erweiterten EG-Befugnisse stützten: Musterbeispiel die Entschließungendes Europäischen Parlaments vom 21. 1. 1993, ABl. 93/C 42: "in der Erwägung, daß die Gemeinschaft sich nunmehr an einem wichtigen Wendepunkt im Hinblick auf ihre Präsenz in den im eigentiichen Sinn kulturellen Bereichen befindet" (S. 175 lit. M), "in der Erwägung, daß der Kulturbereich auf dem Gipfel von Maastricht als spezifischer Bereich für Gemeinschaftsaktionen im Vertrag über die Europäische Union anerkannt worden ist" (S. 183 lit. D). 317

Ansätze im Haushaltsplan von 1994 sind allerdings, soweit sie inhaltiich von den Kompetenzen der Gemeinschaft gedeckt sind (hierzu im Einzelnen oben), schon formell rechtmäßig eingestellt worden, denn der Haushaltsplan für 1994 wurde erst am 16. 12. 1993, also nach Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages zum 1.11. 1993, verabschiedet.

IV. Bedeutung für die Rechtslage in der Bundesrepublik

235

Verstoß gegen das gemeinsame Interesse (Art. 92 Abs. 3 lit. b E G V ) darstellt. 3 1 8 -

Gegenüber den Ländern sind dem Bund grundsätzlich nur wirtschaftliche Maßnahmen erlaubt. M i t einem von beiden, Ländern oder Gemeinschaft, gerät der Bund also fast

zwangsläufig in Konflikt. 3 1 9 Das Verhalten der Länder

wird davon bestimmt, daß sie sich bemühen

müssen, mit der E G zusammenzuarbeiten, um nicht von dieser "überrollt" zu werden, 3 2 0 daß sie damit aber am Verlust ihrer Kompetenzen an die Gemeinschaft mitwirken. 3 2 1 Das gilt vor allem für die gemeinschaftliche Beihilfenvergabe, bei der sich dieselben Probleme stellen wie bei den Beihilfen des Bundes (hierzu oben S. 110 ff. und 113 ff.). Denn hier hat die Gemeinschaft die Möglichkeit, durch gezielte regionale oder lokale Programme die verschiedenen mitgliedstaatlichen Ebenen gegeneinander auszuspielen. 322 Die Länder haben kaum eine Möglichkeit, sich zu wehren: die Beschlüsse der E G (bis auf Richtlinien) - sogar Änderungen der Gemeinschaftsverträge - sind grundsätzlich

318 Die Entscheidungen der Gemeinschaftsorgane sind für die Bundesrepublik als Mitgliedstaat mindestens so lange verbindlich, wie sie Mitglied der Gemeinschaft ist, vgl. E. Klein, VVDStRL 50, 56, 66 f; Dieter Grimm, Subsidiarität ist nur ein Wort, FAZ vom 17. 9. 1992, S. 38.- Das Gemeinschaftsrecht beeinflußt auch das außergemeinschafdiche Verhalten der Mitgliedstaaten; s. Everting, Herren, S. 98. So bleibt zwar den Mitgliedstaaten da, wo keine EG-Regelung getroffen wurde, vorbehalten, selbst tätig zu werden, aber nur sinnvoll, nicht diskriminierend, ohne Handelsbeeinträchtigung und, um unlautere Verhaltensweisen zu unterbinden; EuGHE 74, 837 ff. Rn. 6 (Staatsanwaltschaft gegen Benoît und Gustave Dassonville). 319 Schon Ipsen, VVDStRL 25, 257, 275, wies hin auf "die Anfälligkeit und die Eignung der Subvention, die bundesstaatiiche Kompetenzverteilung der ersten und zweiten Gewalt zu unterwandern". 320 Nach Ipsen, Bundesstaat, S. 256, ist die Gemeinschaft mit Landes-Blindheit geschlagen, die Länder sind "gemeinschaftsrechtiichmediatisiert", S. 258. Zustimmendem, EuGRZ 86, 549, 551. 321 S. auch Borchmann, DÖV 88, 623, 624 ff., insbes. S. 632 f.- Die Änderungen durch den MV sind für die Bundesländer insbesondere durch die unscharfen Grenzen von Art. 128 und Art. 3 lit. ρ EGV gefährlich (dagegen sprechen v.Simson/Schwarze, S. 49, beschwichtigend von "ohnehin sachlich begrenzten Kompetenzen", deren Wahrnehmung für die Bundesländer nicht bedrohlich sei), aber auch durch die weite Ausnutzung der Normen, die die EG offensichtlich vorhat (s.o. S. 234). 322 Bspw. durch die finanzielle Unterstützung der Restaurierung von Baudenkmälern und Kulturstätten auf regionaler und lokaler Ebene. Der Druck, der durch eine solche gemeinschaftliche Förderung auf den Mitgliedstaat ausgeübt wird, sich neben der Beteiligung über die Gemeinschaft auch direkt an dem regionalen Vorhaben zu beteiligen, darf nicht unterschätzt werden.- Dagegen sind v.Simson/Schwarze, S. 58, der Ansicht, daß die gemeinschaftlichen Befugnisse im Bereich der Kultur "nach Art und Ausmaß" die Befürchtungen der Länder über eine weitere Kompetenzerosion nicht rechtfertigen.

236

Teil 3: Kunstförderang und EG

nicht zustimmungsbedürftig; 323 die Länder waren vor Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages weder auf gemeinschaftlicher noch auf nationaler Ebene an der Entstehung des Gemeinschaftsrechts beteiligt und auf EG-Ebene nur eingeschränkt klagebefugt. 324 Diese Situation wird noch dadurch verschärft, daß die Mitglieder der Bundesrepublik in den EG-Organen vom Bund bestimmt werden. 325 Geht also

323 Es handelt sich grds. nicht um Vertragsabschlüsse nach Art. 59 II 1 GG; BVerfGE 68, 1, 84 (Pershing-2). Auch Vertragsänderungen sind nur bei einer wesentiichen Änderung ratifizierungsbedürfüg; BVerfGE 68, 1, 98 f. und 101 (Pershing-2). Maßstab hierfür sind der Lebenssachverhalt des Vertrages, die Gestaltungsfreiheit der Exekutive und die Praktikabilität von Art. 24 Abs. 1 GG im internationalen Bereich, wobei es reicht, daß ein Programm im Vertrags-"Vorspruch" als möglich angelegt beschrieben wird, und der Bundestag den Wortlaut kannte und keinen ausdrücklichen oder stillschweigenden Vorbehalt bezüglich irgendwelcher Punkte bei der Verabschiedung des Gesetzes zum urspünglichen Vertrag gemachthat. A.A. Mahrenholz, BVerfGE 68, 1, 82, 114 ff., nach dem Art. 24 GG sich als Schutzvorschrift einer Auslegung unter dem Aspekt der Praktikabilität widersetzt, zumal es sich um einen Verzicht auf Rechte (Souveränität) und eine Verfassungsänderung handelt, während die vertraglichen Bestimmungen offene Programmsätze seien, denen es an der erforderlichen inhaltiichen Bestimmtheit fehle.- Allerdings sind die Zustimmungsgesetze zum EWGV, zur EEA und zum MV jeweils mit Zustimmung des Bundesrats und verfassungsändernder Mehrheit in Bundesrat und Bundestag zustandegekommen; BGBl. 1957 II S. 766 ff., BGBl. 1986 II S. 1102 ff. und BGBl. 1992 II S. 1251 ff.- Die durch den Maastrichter Vertrag eingeführte Mitwirkung des Regionenrates kann die Beteiligung der Bundesländer nicht ersetzen, vgl. unten S. 247 ff. 324

Nämlich nur nach Art. 173 Abs. 2 EWGV, s. Wenig!Grabitz, Art. 173 Rn. 2; v.Simson/Schwarze, S. 54 m.w.N.; Hailbronner, JZ 90, 149, 157 f. (auch die Betroffenheit von Länderkompetenzen verpflichte den Bund nicht zur Klage). Eine eigene Klagebefugnis war das Hauptanliegender Länder im Zusammenhang mit dem Maastrichter Vertrag, vgl. Sto., Länder bestehen auf eigenständigem KLagerecht, FAZ vom 2. 10. 1993, S. 4. Diese Forderung wurde allerdings auf Gemeinschaftsebene nicht erfüllt; eine gewisse Kompensation wird durch § 7 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. 3. 1993, BGBl. I S. 313, erreicht, nach dem der Bund sich verpflichtet, auf Verlangen des Bundesrates sein Klagerecht auszuüben. Voraussetzung ist aber für die Länder die individuelle und unmittelbare Betroffenheit; an der Individiualität fehlt es meistens , zum Klagerecht nach 173: Weber, S. 17.- Classen, ZRP 93, 57, 58, Fn. 17, weist aber zu Recht darauf hin, daß eine Klagebefugnis der Länder aus ihren nationalrechdichen Kompetenzen vor dem EuGH u.U. deshalb kontraproduktiv sein kann, weil der EuGH dann bei der Auslegung dieser Kompetenzen ihren Umfang definieren würde. 325 S. Ziller, 100 f. Das Verhältnis gilt nicht als "auswärtig" im Sinne des Lindauer Abkommens.Anders allerdings das Verfahren nach Art. 2 EEA (BGBl. 1986 II S. 1102 f.) und der dazugehörigen Bund-Länder-Vereinbarung(enthält Begründungspflichtbei Abweichung von der Stellungnahme des Bundesrats und eine Beteiligung im Rahmen der deutschen EG-Vertreter, geht zurück auf eine Bund-Länder Vereinbarung von 1979): s. Hrbek/Thaysen, S. 237 f., Fastenrath, DÖV 90, 125, mit Hinweis auf ihre Stellung als weisungsgebundene Mitglieder eines Bundesdelegation (S. 126); Oschatz/Risse, DÖV 89, 509 ff., nach dem die Ländervertreter aber nur den Weisungen des Bundesrats unterlagen, S. 518; Borchmann, AöR 117, 586 ff.; H.-J. Vogel, S. 1067 ff.; Hrbek, Entscheidungsprozeß, S. 29 ff. mit Hinweis auf die neue Möglichkeit der Gewichtung der Länder

IV. Bedeutung für die Rechtslage in der Bundesrepublik

237

eine Kompetenz von den Ländern auf die Gemeinschaft über, führt das dazu, daß nun Vertreter des Bundes in Materien entscheiden können, auf die sie innerstaatlich keinen Einfluß nehmen dürfen. 326 I m Unterschied zur Wahrnehmung der kulturellen Außenpolitik durch den Bund wirken diese Maßnahmen aber in den eigentlich zuständigen Ländern. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die Übertragung von Kompetenzen auf die Gemeinschaft (insbesondere die Übertragungen durch den Maastrichter Vertrag) noch vom Grundgesetz gedeckt ist. Denn die Kompetenzen der E G sind nicht nur am primären Gemeinschaftsrecht zu messen, sondern setzen eine nach nationalem Recht wirksame Übertragung auf die Gemeinschaft voraus. Erforderlich ist also, daß die völkerrechtliche Zustimmung der Bundesregierung zum E W G V , zur EE A und zum Maastrichter Vertrag sowie die deutschen Zustimmungsgesetze zu diesen Verträgen inhaltlich vom deutschen Verfassungsrecht gedeckt sind. 3 2 7 Diese Voraussetzung unterliegt der vollen Kontrolle des Bundesverfassungsgerichts. 328

und der Mehrheitslösung (S. 30); Einert, S. 46 ff.; Strohmeier, DÖV 88, 633 ff.; Grabitz, Grundlagen, S. 172 ff.- Zum Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheitender Europäischen Union, BGBl. 1993 I S. 313, s.u.- Eine Pflicht zur Information und Anhörung ergibt sich nach v.Simson/Schwarze, S. 36, schon aus der Bundestreue (mehr aber nicht). 326 Kritisch hierzu Harbich, S. 124; Hiermaier, S. 105; Herzog, BayVBl 91, 513, 514; Schröder, JöR 35, 83, 98. Isensee, § 98 Rn. 291, bezweifelt ausdrücklich, daß die innerstaadiche Zuordnung an die Länder mit der Übertragung an die Gemeinschaft verloren geht.

327 Völkerrechtlich str., vgl. Simma, § 690; europarechtlich - zumindest für die EEA und den MV - durch Art. 236 Abs. 3 EWGV anerkannt. Verfassungsrechtlich ist nach Art. 93 Nr. 2 GG jedes Übertragungsgesetz nach Art. 24 GG durch das BVerfG auf seine Verfassungsmäßigkeit nachprüfbar (anders bei sekundärem Gemeinschaftsrecht). Die Unwirksamkeit müßte allerdings vom BVerfG festgestellt werden (Verwerfungsmonopol). Vom Verwerfungsmonopol wird auch Art. 236 EWGV keine Ausnahme machen wollen, wahrscheinlicher ist, daß er nur auf das je geltende Verfassungsrecht incl. des Verwerfungsmonopol des BVerfG verweist. 328

Zutreffend lehnt Ehring, S. 39 f., hier die zurückhaltende Rspr. des BVerfG aus Solange-1 für das Bund-Länder-Verhältnis und die Kompetenzfrage ab, da diese Rspr. nur einen Bereich betrifft, bei dem Rechtsschutz auch auf der Ebene der EG besteht (Grundrechte). Bei den Länderkompetenzen ist dies nicht der Fall, so daß ihr bundesrechtiich hoher Rang nur durch die Rspr. des BVerfG gewahrt werden kann; der EuGH prüft zwar die Grenzen der Kompetenzübertragung im Rahmen von Art. 235 EWGV, Beutler/BBPS, S. 77, aber nicht evt. Länderkompetenzen. Wie Ehring auch Hailbronner, JZ 90, 149, 151. Hinzu kommt außerdem, daß die BundLänder-Streitigkeit eine Parteienstreitigkeit ist, so schon oben bei Art. 72 Abs. 2 GG.- Dagegen übernimmt Kewenig, JZ 90, 458, 459 f., ohne weiteres die Rspr. des BVerfG aus Solange-2 (BVerfGE 73, 339 ff.).

238

Teil 3: Kunstförderung und EG

Maßstab für die Übertragung von Kompetenzen auf die Gemeinschaft war vor dem 25. 12. 1992 Art. 24 Abs. 1 GG: "(1) Der Bund kann durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen 329

übertragen. "

Obwohl Art. 24 GG ursprünglich nur die französische Verfassung aufgreifen sollte330 und diese nach der Präambel nur Souveränitätseinschränkungen zugunsten des Friedens zuließ, 331 deckte der Wortlaut von Art. 24 GG uneingeschränkt die Übertragung aller Arten von Kompetenzen.332 Eine

329

S. auch Art. 93 der span., Art. 25 bis der belg. Verfassung und Art. 11 S. 2 der ital. Verfassung.- Nach Art. 49 bis der luxemb. Verfassung ist nur eine vorübergehende Übertragung zulässig.- Sehr ausführlich hierzu ist die irische Verfassung: Nach Art. 29 Abs. 4 Nr. 3 kann der irische Staat Mitglied der EG werden und die EEA ratifizieren. EG-Recht und irisches Recht, das EG-Recht umsetzt, haben auch Vorrang vor irischem Verfassungsrecht, allerdings nicht dann, wenn öffentliche Mittel betroffen sind (Art. 29 Abs. 5 Nr. 2). Die irische Nation bekräftigt in Art. 1 der Verfassung "ihr unveräußerliches, unverletzliches und souveränes Recht, ihre eigene Regierungsform zu wählen, und ihre Beziehungen zu anderen Nationen und die Entwicklung ihres politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens in Übereinstimmung mit ihrem besonderen Wesen und ihren Überlieferungen zu bestimmen. " 330

Vgl. Eberhard, 6. Sitzung des HA des Pari. Rates, 19. 11. 1948, Sten. Ber. S. 70.

331

Die Präambel von 1946 bestimmt: "Unter dem Vorbehalt der Gegenseitigkeit stimmt Frankreich den zur Organisation und Verteidigung des Friedens notwendigen Einschränkungen seiner Souveränität zu." Auf diese Erklärung verweist auch die Präambel der jetzt geltenden Verfassung. 332

Und zwar nicht nur die Hoheitsgewalt im Sinne einer Zwangsgewalt, sondern jede Art staatlicher Befugnisse; vgl. Stern, Staatsrecht, S. 385; hierzu auch Ruppert, S. 56.- Die bis zum 25. 12. 1992 geltende Fassung folgte insoweit dem Herrenchiemseer Entwurf, der die Aufrechterhaltung der Friedens (s. frz. Vorbild) als besonderen Fall nannte, dem aber eine allgemeine Regelung für die Übertragung von Hoheitsrechten in Abs. 1 voranstellte und damit zum Ausdruck brachte, daß Abs. 2 nur einer der denkbaren Fälle des Abs. 1 sein sollte ("insbesondere" in Art. 24 Abs. 2 des Herrenchiemseer Entwurfs; dies entspricht auch der Gliederung von Art. 24 Abs. 1 und 2 GG). Allerdings darf die Verknüpfung von Souveränitätsverzicht und wirtschaftlichen Fragen des Ruhrgebiets und den staatsrechdichen und wirtschafdichen Problemen des Saargebiets nicht unterschätzt werden; vgl. Süsterhenn, 2. Sitzung des Pari. Rates, 8. 9. 1948, Sten. Ber. S. 20 (Ruhrgebietund andere wirtschaftliche Zentren Europas) und Dr. Heuss, 3. Sitzung des Pari. Rates, 9. 9. 1948, Sten. Prot. S. 43 (Saargebiet). Denn erst mit der Schaffung der EGKS wurden die besatzungsrechtlichen Beschränkungen für diese Gebiete aufgehoben und die wirtschaftliche Kontrolle über die kriegsrelevante Industrie auf die EGKS übertragen.- A.A. Tomuschat/BK, Art. 24 Rn. 21, nach dem die Befugnis zu schlicht-hoheitlichem Handeln und Maßnahmen der Daseinsvorsorge nicht von Art. 24 GG erfaßt wird. Diese Auffassung läßt sich nicht halten. Denn die Neuerung des Art. 24 GG lag nicht darin, daß die Ausübung von Zwangsgewalt übertragen werden konnte, die Übertragbarkeit des schlicht-hoheidichen Handelns und der Daseinsvorsorge aber schon vorher anerkannt war (auf diesen Gebieten gab es nur internationale Einrichtungen ohne "Durchgriffsrecht" auf die Mitgliedstaaten), sondern darin, daß überhaupt die Ausübung staatlicher Gewalt übertragen werden konnte. Eine solche Differenzierung wie die von Tomuschat gemeinte

IV. Bedeutung für die Rechtslage in der Bundesrepublik

239

Einschränkung der Kompetenzübertragung ergab sich auch weder aus dem Satz des "nemo plus juris

transferre

potest quam ipse habet" 333

noch aus dem

Gedanken treuwidriger "Kompetenzenteignung" der Länder durch den Bund. Zwar war nach Art. 24 G G allein der Bund - auch für Kompetenzen der Länder - übertragungsberechtigt, 334 während die Länder nur die Möglichkeit eines Einspruchs des Bundesrats haben. 3 35 Und es ist zunächst 336 der Bund, der durch die Übertragung der Länderkompetenzen auf die Gemeinschaft auf Gemeinschaftsebene für die ehemaligen Ländermaterien zuständig w i r d . 3 3 7 Da aber die Befugnis zur Kompetenzübertragung nicht lückenhaft sein konnte, konnte nach h . M . der Bund auch Kompetenzen der Länder übertragen. 338

wäre sicher auch bei Schaffung des GG angesprochen worden. Im übrigen unterschlägt die Auffassung Tomuschats, daß Akte der leistenden Verwaltung regelmäßig mit belastenden Akten einhergehen (Zurücksetzung des Konkurrenten, Belastung der Steuerzahler zur Aufbringung der Mittel). 333 Ulpian, Digesten 50, 17, 54.- Engler, Polit. Studien 42, 345, 354, lehnt mit dieser Begründung die Zulässigkeit der Übertragung von Kulturkompetenzen durch den Bund auf die EG ab. 334 TomuschatiBK, Art. 24 Rn. 14, mit dem Hinweis darauf, daß bei Art. 24 GG eine dem Art. 32 Abs. 3 GG vergleichbare Regelung fehlt. 335

Wie bei jedem völkerrechdichen Vertrag nach Art. 32 GG (zur eingeschränkten Ratifizierungsbedürftigkeit von Vertragsänderungen s.o. Fn 323). Das gilt sogar für die Übertragung von Länderkompetenzen: S. Tomuschat/BK, Art. 24 Rn. 31. Ebenso Fastenrath, S. 150. 336 Das Gesetz zur EEA und das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (zu beidem oben Fn. 325) haben nur innerstaatliche Bedeutung; die Verpflichtungen des Bundes sind allenfalls auf nationaler Ebene durchsetzbar. 337 338

Kritisch hierzu Hiermaier,

S. 105; Schröder, JöR 35, 83, 98.

So zutreffend Tomuschat/BK, Art. 24 Rn. 25, aus Gründen der Praktikabilität und der Systematik (einheidiches Außenvertretungsrecht des Bundes). S. auch Schröder, JöR 35, 83, 98.A.A. DüriglMD Art. 24 Abs. 1 Rn 18 (zumindest Beschränkung des Bundes nach dem Prinzip der Bundestreue, Maunz/MO, Art. 24 Rn. 14); ebenso Hiermaier, S. 104 f.; H.-J. Vogel, S. 1065; Everling, Struktur, 194. Nach Ruppert, S. 286, muß gleichzeitig eine Bundeskompetenz übertragen werden und ein sachlicher Grund für die Übertragung der Landeskompetenz bestehen. Weitere Nachweise bei Fastenrath, S. 123, Fn. 569, und S. 149, Fn. 712 (zu den Auffassungen Kleins und Bernhardts). Lepsius, Stellungnahme, S. 2. V. Simson/Schwarze, S. 37, weisen daraufhin, daß die EG durch diese Übertragungen zu mehr Kompetenzen kommen kann, als der Bund hat.- Der Pari. Rat hatte das Problem einer Beeinträchtigung der Länderkompetenzen gesehen, tendierte aber zu einer Kompetenz des Bundes, vgl. Seebohm, 6. Sitzung des HA, 19. 11. 1948, Sten. Prot. S. 70. Die Frage wurde zurückgestellt und sollte bei den zustimmungsbedürftigen Bundesgesetzen wieder zur Sprache kommen (vgl. den Wortwechsel zwischen Seebohm und Schmid, a.a.O. S. 70); sie taucht dort aber nicht mehr auf.Der Satz des nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet ist im Bundesstaats Verhältnis also ebenso eingeschränkt wie die Verfügungsbefugnis der Länder über eigene Rechte, s.o. S. 162 ff.

240

Teil 3: Kunstfördening und EG

Eine

Einschränkung

der

Kompetenzübertragungsmöglichkeit

nach

Art. 24 G G ergab sich schließlich auch nicht daraus, daß die Einrichtung, auf die übertragen wurde, zwischenstaatlich

sein mußte, auf nationaler Ebene also

noch einen Staat voraussetzte, während die Gemeinschaft noch keine Staatlichkeit besitzen durfte. 3 3 9 Denn diese Voraussetzung war jedenfalls bis zur Übertragung gemäß der E E A gegeben. 340 Für den M V ist die Begrenzung nicht mehr relevant (s.u.). D a umstritten war, ob Art. 24 G G a.F. ("auf zwischenstaatliche Einrichtungen", s.o.) noch tragfahige Grundlage einer Ratifizierung des M V konnte,

341

sein

wurde rechtzeitig vor der Ratifizierung der neue Art. 23 GG in

Kraft gesetzt. 342 Er lautet:

339 Vgl. Tomuschat/BK, Art. 24 Rn. 20, nach dem die Übertragung (an die Exekutive) nicht nur durch Zweckmäßigkeit, sondern auch rechdich begrenzt sein muß, um eine Staatiichkeit der EG abzulehnen. - Es besteht außerdem keine Notwendigkeit zur Überdehnung von Art. 24 GG, da man weitere Übertragungen auch durch normale Verfassungsänderung erreichen kann; die verfassungsänderndem Mehrheiten lagen bei den Zustimmungsgesetzen jeweils vor; s.o. Fn. 325. Zur Grenze von Art. 79 Abs. 3 GG s.u. S. 243 ff. 340

S. Steinberger, VVDStRL 50, 9, 19 ff., Klein, VVDStRL 50, 56, 59. Allerdings ist schon das Kriterium, nach dem sich die Staatiichkeitrichtensoll, unklar: Z.T. wird die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, die Gemeinschaft zu verlassen, als Kriterium genommen; so Simma, §§ 381 f.; Tomuschat!BK, Art. 24 Rn. 48 und 99 (allerdings nicht mehr bei exzessiven Interpretation von Art. 100, 235 EWGV oder, wenn das europäische Parlament Rechtsetzungsbefugnisse in weiterem Maß erhält). Ebenso Randelzhof er, 1. ÖA, S. 14. Allerdings können nach Everling, Herren, 102, die Mitgliedstaaten die EG nur noch unter außergewöhnlichen Umständen durch eine Art verfassungsgebenden Akt verlassen. Als Kriterium für die Staatiichkeit gilt auch die Frage nach einer verfassungsgebenden Gewalt der EG; s. Everling, Herren, S. 103, Fn. 67; Tomuschat/BK Art. 24 Rn. 46. Lerche, Stellungnahme, S. 1, verneint auch noch die Staatlichkeit der Union mangels umfassender Gebiets- und Personalhoheit und Kompetenzkompetenz; ähnlich Stern, Stellungnahme, S. 9. Problematisch allerdings im Vergleich zur Stellung des Bundes in der Bundesrepublik: auch sie ist in ihrer Kompetenzkompetenz (durch Verfassungsänderung) an die Zustimmung der Länder gebunden und ansonsten in ihrer Kompetenz beschränkt. 341 Dies bejahen: Steindorf, AöR 116, 460; Schilling, AöR 116, 32, 50; v.Simson/Schwarze, S. 58; Bieber, Stellungnahme, S. 4 (mangels sprunghafter Qualitätsveränderung); Lerche, 1. ÖA, S. 12 (einschränkend aber in seiner Stellungnahme, S. 5); Everling, DVB1 93, 936, 943.- Gegen die Zulässigkeit: Isensee, 1. ÖA, S. 9 a.E.; i. Erg. auch Stem, 1. ÖA, S. 19; Tomuschat, 1. ÖA, S. 21 (wegen der Gründung eines neuen Gemeinwesens); Ernst Wolf, Nach Maastricht kein aus eigenem Recht handlungsfähiger Staat mehr, Süddeutsche Zeitung vom 19./20. 9. 1992, S. VII; ebenso Dietrich Murswiek, Maastricht - nicht ohne Volksentscheid, Süddt. Zeitung vom 14. 10. 1992, S. 11; Lepsius, Stellungnahme, S. 5; Randelzhof er, 1. ÖA, S. 13 f. (wegen der Einführung des Kommunalwahlrechts für Ausländer). 342 Gesetz vom 21. 12. 1992, BGBl. I S. 2086 f., in Kraft seit dem 25. 12. 1992. Identisch mit dem Beschluß der Gemeinsamen Verfassungskommission vom 16. 10. 1992.-Zustimmungsgesetz zum MV: Gesetz vom 28. 12. 1992, BGBl. 92 II S. 1251.- Ob die Ratifizierung des MV wegen

IV. Bedeutung für die Rechtslage in der Bundesrepublik

241

"(1) Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatiichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentiichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Der Bund kann hierzu durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte übertragen.343 Für die Begründung der Europäischen Union sowie für Änderungen ihrer vertraglichen Grundlagen und vergleichbare Regelungen, durch die dieses Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglicht werden, gilt Art. 79 Abs. 2 und 3. (2) In Angelegenheitender Europäischen Union wirken der Bundestag und durch den Bundesrat die Länder mit. Die Bundesregierung hat den Bundestag und den Bundesrat umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten. (3) Die Bundesregierung gibt dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme vor ihrer Mitwirkung an Rechtsetzungsaktender Europäischen Union. Die Bundesregierung berücksichtigt die Stellungnahmen des Bundestages bei den Verhandlungen. Das Nähere regelt ein Gesetz. (4) Der Bundesrat ist an der Willensbildung des Bundes zu beteiligen, soweit er an einer entsprechenden innerstaatiichen Maßnahme mitzuwirken hätte oder soweit die Länder innerstaatiich zuständig wären. (5) Soweit in einem Bereich ausschließlicher Zuständigkeiten des Bundes Interessen der Länder berührt sind oder soweit im übrigen der Bund das Recht zur Gesetzgebung hat, berücksichtigt die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundesrates. Wenn im Schwerpunkt Gesetzgebungsbefugnisse der Länder, die Einrichtung ihrer Behörden oder ihre Verwaltungs verfahren betroffen sind, ist bei der Willensbildung des Bundes insoweit die Auffassung des Bundesrates maßgeblich zu berücksichtigen; dabei ist die gesamtstaadiche Verantwortung des Bundes zu wahren. In Angelegenheiten, die zu Ausgabenerhöhungen oder Einnahmenminderungen für den Bund führen können, ist die Zustimmung der Bundesregierung erforderlich. (6) Wenn im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betroffen sind, soll die Wahrnehmung der Recht, die der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union zustehen, vom Bund auf einen vom Bundesrat benannten Vertreter der Länder übertragen werden. Die Wahrnehmung der Rechte erfolgt unter Beteiligung und in Abstimmung mit der Bundesregierung; dabei ist die gesamtstaadiche Verantwortung des Bundes zu wahren. (7) Das Nähere zu den Absätzen 4 bis 6 regelt ein Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. "

Art. 8 b EGV u.U. verfassungswidrig (Verstoß gegen Art. 20 und 28 GG) ist (vgl. Häberle, EuGRZ 92, 429, 431 mit Bezug auf die Rspr. des BVerfG zum Ausländerwahlrecht), oder ob aufgrund der Einführung von Art. 23 GG eine andere Auslegung von Art. 20 und 28 GG geboten ist, die sich mit einem Ausländerwahlrecht vereinbaren läßt, kann hier dahingestellt bleiben, da man selbst bei Verfassungswidrigkeit dieser Änderung wohl nur zu einer Teilnichtigkeit des Zustimmungsgesetzes kommt, so daß die anderen Änderungen in Kraft bleiben. 343 Entspricht den Wünschen des Bundesrats und den Vorschlägen der Enquête-Kommission Verfassungsreform, s. BT-Drucks. VI/3829 S. 39 und BT-Drucks. 7/5924 S. 230, die eine Beteiligung des Bundesrats als Minus zur rechdich nicht machbaren Beteiligung der Landesparlamente (durch Bundesgesetz!) als der eigentiichen Kompetenzträger ansahen, BT-Drucks. 7/5924 S. 230 f. 16 Geißler

242

Teil 3: Kunstförderung und EG

Durch das gleiche Gesetz wurde Art. 24 um einen Abs. 1 a ergänzt: "Soweit die Länder für die Ausübung der staatiichen Befugnisse und die Erfüllung der staatiichen Aufgaben zuständig sind, können sie mit Zustimmung der Bundesregierung Hoheitsrechte auf grenznachbarschaftiiche Einrichtungen übertragen. " 3 4 4

Nach der Änderung des Grundgesetzes ist Art. 23 GG Grundlage aller Kompetenzübertragungen auf die Gemeinschaft. Allerdings bleibt offen, was unter der "Verwirklichung der Europäischen Union" zu verstehen ist. 345 Immerhin ist die Gemeinschaft nicht mehr auf einen Status als zwischenstaatliche Einrichtung beschränkt. Kompetenzübertragungen346 sind aber auch künftig 347 an die Mitwirkung des Bundesrates gebunden (Abs, 1 S. 2) und unterliegen den Schranken von

344

Im Entwurf hieß es noch "grenznachbarstaatliche".-Die Neuregelung unterscheidet sich vor allem dadurch von den Vorschlägen der Verfassungsreformkommission zu Art. 24 GG, daß in diesen Vorschlägen die Mitwirkung der Länder für alle zwischenstaatlichen Einrichtungen vorgesehen war, während nach der Neufassung von Art. 24 GG wenig geändert wird und die Sonderregelungen nur für den Fall der EG gelten, der allerdings derzeit die einzige zwischenstaatliche Einrichtung von solcher Bedeutung ist, so daß die Abweichung derzeit ohne Folgen ist.- Vgl. auch den Entwurf des Bundesrats zurück BT-Drucks. 11/7391, BR-Drucks. 703/89 und (neu eingebracht) 920/90. Zur Entstehungsgeschichte der Grundgesetzänderungen s. auch Schotten, Verwaltungsrundschau93, 89, 91 f., und Scholz, NJW 92, 2593, 2594 f. 345

In der Begründung (zitiert bei Sto., Einigung im Europa-Sonderausschuß, FAZ vom 28. 11. 1992, S. 4) heißt es dazu: "Eine Europäische Union im Sinne des Grundgesetzes liegt vor, wenn sich die heute bestehende Integrationsgemeinschaft gegenüber dem gegenwärtigen Integrationsstand durch vertragliche Regelungen, durch die das Grundgesetz seinem Inhalt nach verändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen oder Ergänzungen möglich werden, in Richtung auf eine Europäische Union weiterentwickelt. " Eine Definition der Union ist das nicht; nach Magiera, Jura 94, 1, 8, handelt es sich vielmehr um eine Staatszielbestimmung.- Bemerkenswert ist auch die Verwendung des Begriffs der "föderativen Grundsätze", der die sonst im Grundgesetz übliche "bundesstaatliche Ordnung" ersetzt. 346 347

Die nächste Stufe der Europäisierung ist nach Art. Ν II MV für 1996 zu erwarten.

Die Anwendbarkeit von Art. 79 auf Art. 24 GG a.F. war umstritten. M.E. handelte es sich aber um eine materielle Verfassungsänderung (nicht nur um die Ausübung einer bestehenden Kompetenz), die von den Anforderungen des Art. 79 GG an alle Verfassungsänderungen nur hinsichtlich der erforderlichen Mehrheiten befreit war. Hierfür sprechen nicht nur die erwähnten systematischen Gründe, sondern auch die historische Auslegung.- Für die grundsätzliche Anwendbarkeit von Art. 79 GG auch Tomuschat!BK, Art. 24 Rn. 51; Maunz!MD, Art. 24 Rn. 16 (zumindest für Art. 79 Abs. 3 GG); Isensee, 1. ÖA, S. 9; Stern, Staatsrecht I, S. 397;//.-/. Vogel, S. 1066; Erler, VVDStRL 18, 7, 40 f.; Ruppert, S. 281-283 (da der Hoheitsverzicht als Änderung der innerstaatlichen Zuständigkeitsordnung automatisch unter Art. 79 Abs. 3 GG fällt); Mahrenholz, BVerfGE 68, 1, 111, 114 (Pershing 2) für die materiellen Schranken; Merten, Beteiligung, S. 38, wegen der Höherrangigkeit von Art. 79 Abs. 3 GG. Im Ergebnis auch Hesse, Grundzüge, Rn. 107 f., nach dem die Grenze des Gemeinschaftsrechts die Identität der Verfassung ist; so auch BVerfGE 37, 271, 279 (Solange 1); 73, 339, 375 f. (Solange 2); Ress, EuGRZ 86, 549, 555 f.;

IV. Bedeutung für die Rechtslage in der Bundesrepublik

243

Art. 79 Abs. 2 und 3 G G (Abs. 1 S. 4 ) , 3 4 8 wobei sich die Frage stellt, welche materiellen Schranken von Art. 79 Abs. 3 sich gegenüber Kompetenzübertragungen auf die E G durchsetzen. Denn Art. 79 Abs. 3 G G ist - wie schon oben S. 144 dargestellt - Ausdruck für die Anpassungsfähigkeit des Grundgesetzes an geänderte Umstände bis hin zu einer Grenze, die die Identität der Verfassung sichern soll und daher im Rahmen dieser Verfassung nicht überschritten werden kann. 3 4 9 Z u diesen in Art. 79 Abs. 3 G G festgelegten Grenzen gehören die "Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung und" das Bundesstaatsprinzip (Art. 79 Abs. 3 i . V . m . Art. 20 Abs. 1 G G , s.o. S. 166 ff.).

Nicht gewährleistet wird die alleinige

Souveränität

von Bund und

Busch, S. 108 f., der die Ausübung von Art. 24 GG allerdings für eine Verfassungsdurchbrechung hält, die aber den Grenzen von Art. 79 unterliegt. - Nach Lerche, Stellungnahme, S. 4, stellt Art. 79 Abs. 3 GG sogar nur eine Mindestgrenze auf. Auch Randelzhofer und Stern befürworten eine Grenze schon vor Art. 79 Abs. 3, 1. ÖA a.E.- Dagegen handelt es sich bei Art. 24 GG a.F. nach Thieme, VVDStRL 18, 50, 58, um eine Verfassungsdurchbrechung,die nicht durch Art. 79 GG, sondern höchstens durch immanente Schranken begrenzt wird; Ähnlich Klein, VVDStRL 50, 56, 69 ff. Für generelle Höherrangigkeit von Art. 24 GG: Hiermaier, S. 109.- Im Rahmen der Verfassungsgebung wurde das Verhältnis von Art. 24 und Art. 79 GG im Zusammenhang mit der Zustimmungspflicht zu Kompetenzübertragung behandelt. Die Herrenchiemseer Fassung schrieb die Zustimmung der Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl von Bundestag und Bundesrat zur Übertragung vor (Art. 24 Abs. 3; er forderte außerdem die Gegenseitigkeit der Beschränkung). Noch Seebohm, 6. Sitzung des HA des Pari. Rats, 19. 11. 1948, Sten. Prot. S. 96, verlangte ein verfassungsänderndes Gesetz. Dies wurde in den Fachausschüssen mit der Begründung aufgegeben, die Übertragung von Hoheitsrechten solle gerade nicht von einem verfassungsändernden Gesetz abhängig sein - dann sei Art. 24 GG nämlich überflüssig (Abgeordneter Katz, Sten. Prot, des HA, S. 70.) -, sondern schon bei Erlaß des Grundgesetztes solle die "kooperative" Einstellung der Bundesrepublik deutlich werden; vgl. die Anregung des Abgeordneten Seebohm und die Entgegnung des Vorsitzenden Schmid, 6. Sitzung des Hauptausschusses, 19. 11. 1948, Sten. Prot. S. 69 f. So auch BVerfGE 58, 1, 36 (EUROCONTROL). Die systematisch naheliegende Frage nach einer Anwendung von Art. 7911 GG (Änderung des Textes des GG) wurde erstaunlicherweise nie gestellt; s. hierzu Stern, Staatsrecht, S. 133; Mosler, Organisation, S. 277. Busch, S. 108 ff. m.w.N., vertritt die (analoge) Anwendung von Art. 79 (incl. Abs. 1) GG selbst dann, wenn es sich bei Art. 24 GG um eine Suspendierung des GG handelte. Zu Art. 79 I 1 und dem neuen Art. 23 (der nur auf Art. 79 II und III verweist) vgl. Wolf, JZ 93, 594, 598. 348

Ob dies den Verlust der Länderkompetenzen aufhalten kann, bezweifelt allerdings Schröder, JöR 35, 83, 95, der die Flut der EG-Regelungen für entscheidend hält. 349

Vgl. nur Dr. Katz, 12. Sitzung des HA des Pari. Rats am 1. 12. 1948, Sten. Prot. S. 147, der von einem "revolutionären Akt", der "auf keinen Fall durch die Verfassung gedeckt werden könnte" spricht. S. auch oben S. 143.

244

Teil 3: Kunstförderung und EG

Länder. 3 5 0 Die durch Art. 23 G G n.F. erweiterte Möglichkeit, Kompetenzen nicht nur auf zwischenstaatliche, sondern auch auf (teil-)souveräne Einrichtungen zu übertragen, verstößt daher nicht gegen Art. 79 Abs. 3 G G . 3 5 1 Die Gliederung des Bundes in Länder setzt - wie schon oben S. 166 ff. festgestellt - voraus, daß die Länder Foren bleiben, auf denen in demokratischer Weise noch politische Entscheidungen von einer gewissen Bedeutung getroffen werden. 3 5 2 Die Kulturpolitik ist als Teil der gesetzesfreien Verwaltung einer der letzten Sachbereiche, in denen die Länder noch eigene Entscheidungen politischer Art treffen. Nimmt man den Ländern diesen Sachbereich - wobei es unerheblich ist, ob die Entscheidungen im Rahmen einer Kulturstaatsklausel vom Bund oder aufgrund von Art. 128 E G V von der E G getroffen werden, 3 5 3 ob die Zuständigkeit den Ländern ganz oder nur durch konkurrierende Zuständigkeit der E G genommen wird 3 5 4 -, dann ist die Gliederung des Bundes in Länder als eigene Entscheidungszentren in einem Maße beeinträchtigt, das gegen Art. 79 Abs. 3 G G verstößt. Das zeigt sich insbesondere, wenn man die Verstärkung demokratischer Elemente als - eine - Funktion der föderalen Gliederung der Bundesrepublik Deutschland betrachtet. 355 Dann tritt die Verletzung von Art. 79 Abs. 3 G G erst recht hervor, werden doch die

350

Schon Jellinek, S. 503, erkannte eine Aufteilung der Souveränität zwischen mehreren Trägern nach den Objekten der Staatsgewalt an.- Die Grenze von Art. 79 Abs. 3 GG, die es verbietet, den Ländern die Staatiichkeit zu nehmen, ist unabhängig von der Grenze des Art. 24 GG, der es verbot, der Gemeinschaft Staatiichkeit zu verleihen. Denn die Staatlichkeit der Länder zur inhaltsleeren Fassade werden, ohne daß deshalb die Gemeinschaft Staatiichkeit erhielt. Genauso könnte aber auch die Gemeinschaft Staatiichkeit erhalten, ohne daß die der Länder aufgehoben wird, die Summe würde sich dann statt wie bisher auf Bund und Länder auf EG, Bund und Länder verteilen. 351

Im übrigen hat er die verfassungsrechtliche Stellung der Länder nur verbessert.

352

S. hierzu oben S. 166 f., insbes. Fn 425. Einigkeit besteht darüber, daß die Länder "mehr als Verwaltungseinheiten" sein müssen. Was aber damit gemeint ist, ist streitig: Stern, DtZ 90, 289, 290. Vgl. bspw. BVerfGE 34, 9, 20 (hess. Besoldungsanpassungsgesetz): "unentziehbares Hausgut", "angemessener Anteil am Gesamtsteueraufkommen"; Harbich, S. 121, 125 und 128: "mehr als eine Domäne unabgeleiteter Hoheitsmacht zu politischer Entscheidung"; offen über den Umfang der Garantie von Art. 79 Abs. 3 GG auch Ossenbühl, Landesbericht, S. 149; s. auch Hesse, Grenzen, S. 177 f. (mehr als Selbstverwaltungseinheiten, jedenfalls ihr formelles Verfassungs- und Organisationsrecht). 353

Und das Art. 128 EGV die EG zu einer eigenen Kulturpolitik berechtigt, wurde oben S. 213 festgestellt. 354 Denn auch bei konkurrierender Zuständigkeit würde die EG als Finanzkräftigere letztlich die Leitlinien der Kulturpolitik bestimmen und den Ländern nur die unbedeutenderenEinrichtungen und Veranstaltungen überlassen.- Eine andere Beurteilung rechtfertigt sich auch nicht aufgrund der räumlichen Bedeutung der Maßnahmen, s.o. S. 140 ff. 355

Hierzu oben S. 166 und Fn. 424.

IV. Bedeutung für die Rechtslage in der Bundesrepublik

245

Entscheidungen der Gemeinschaft bestenfalls nach Anhörung des Parlaments beschlossen.356 Für den Kompetenzverlust der Länder an die EG können auch nicht deshalb andere Maßstäbe als für Kompetenzverluste an den Bund gelten, weil sich bei einer Verteilung auf Bund, Länder und EG die Zahl der Kompetenzträger vermehrt hat, was den Anteil an Kompetenzen bei den einzelnen Trägern verringern muß. Denn wenn - wie oben festgestellt - die Staatlichkeit der Länder die Zuständigkeit für eigene politische Entscheidungen voraussetzt, dann ist damit die ausschließliche Zuständigkeit für Entscheidungen in einem bestimmten Sachbereich gemeint;357 eine Zuständigkeit, die sich auf die Entscheidungen beschränkt, die Bund und EG nicht an sich ziehen, ließe die Länder auf den Status reiner Verwaltungseinheiten ohne eigene Staatlichkeit nämlich ohne Sachbereichszuständigkeit aus eigenem Recht - herabsinken. Daß nach dem Grundgesetz eine Verteilung der Staatlichkeit auf Bund, Länder und EG möglich ist, bedeutet also nur, daß die Sachbereiche staatlichen Handelns auf Bund, Länder und EG verteilt werden können, heißt aber nicht, daß eine Verteilung der Zuständigkeiten innerhalb von Sachbereichen dem Grundgesetz entspricht.358 Vielmehr widerspricht die Einführung von Art. 3 ρ und 128 EGV der Art. 79 Abs. 3 GG zugrundeliegenden Idee von Ländern mit eigener Staatlichkeit. Der Verlust eigener ausschließlicher Kompetenzen wird durch die Beteiligung von Ländervertretern auf EG-Ebene, wie sie durch das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union 359 eingeführt worden ist, nicht kompensiert.360 Das Zustim-

356 Auch die kulturpolitischen Entscheidungennach Art. 128 EGV sehen nur eine "Mitwirkung" des Parlaments vor, die nicht entscheidend ist, vgl. S. 213 f.- Auch darf nicht übersehen werden, daß sich rein rechnerisch die Repräsentation des einzelnen Bundesbürgers und damit das Maß seiner demokratischen Mitwirkung verschlechtert. Dies ist insbesondere bedenklich, wo es um die demokratische Durchsetzung kultureller Minderheiten geht. Kritisch hierzu auch Tomuschat/BK Art. 24 Rn. 50, der eine Verschlechterung der Rechtsstellung des Bürgers ablehnt, soweit nicht zwingende integrationspolitische Erfordernisse eine abweichende Lösung erfordern. 357 Die Grenze ist umstritten und unklar, s. auch oben S. 144 und Fn 434. So fordert Harbich, mehr als eine Domäne unabgeleiteter Hoheitsmacht zu politischer Entscheidung für die Länder, S. 121, 125 und 128. Offen bleibt der Umfang bei Ossenbühl, Landesbericht, S. 149. 358

Hier hat immer nur einer im Sinne eines "quis judicabit" das letzte Wort und damit die Souveränität. 359 Gesetz vom 12. 3. 1993, BGBl. I S. 313. Das Gesetz sieht insbesondere Unterreichtung, Gelegenheit zur Stellungnahme und die Beteiligung von Ländervertretern an den Beratungen der EG vor.

246

Teil 3: Kunstförderung und EG

mungsgesetz zur Einführung von Art. 3 ρ und 128 E G V greift daher in Art. 79 Abs. 3 G G ein, m

wobei die Zustimmung des Bundesrats zu dem Gesetz

keine Bedeutung hat (s. hierzu oben Teil 2 S. 162 ff.). Betroffen ist auch die Garantie der Mitwirkung

der Länder bei der Gesetzge-

bung. Sie betrifft die Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung (s.o. S. 166 f.). Durch die Übertragung von Kompetenzen vom Bund auf die Gemeinschaft reduziert sich dieses Recht erheblich. Auch hier gewährleistet Art. 79 Abs. 3 G G aber nicht einen bestimmten Bestand von Sachgebieten, die auf der Ebene des Bundes mit Beteiligung des Bundesrats entschieden werden müssen. Insofern ist die Verschiebung eines Teiles der Entscheidungen vom Bund auf die E G zulässig, ohne daß sie automatisch kompensationspflichtig wäre. 3 6 2 Bleibt aber eines Tages auf der Ebene des Bundes keine Gesetzgebung mehr übrig, an der der Bundesrat beteiligt werden kann, 3 6 3 dann muß

360 S. schon Schröder, JöR 35, 83, 95 und 100, denn Kompetenzträger sind die Länder, mitspracheberechtigt also eigentiich die Landesparlamente und nicht nur die von den Landesregierungen geschickten Ländervertreter. Ebenso Haas, DÖV 88, S 613, 623. Skeptisch auch Dästner, NWVB1 94, 1, 9, der darauf hinweist, daß selbst dann, wenn die Bundesrepublik durch einen Landesminister im Ministerrat vertreten wird, dieser politisch dem Bundesrat, aber nicht den Landesregierungen verantwortlich ist, daß die Landesparlamente kein Weisungs- und Instruktionsrecht haben und ihnen auch kein eigenes Benennungsrecht zum Regionenausschuß zusteht (hierzu sogleich). 361

Ähnlich Schweitzer, S. 158 f. Ebenso Busch schon vor dem MV, S. 129 f. und 149.- A.A. noch 1989 Everling, Struktur, S. 194, auf "alle voraussehbare Zeit"; ebenso v.Simson/ Schwarze, S. 58, für den MV. Auch das BVerfG geht von der Verfassungsmäßigkeit des Zustimmungsgesetzes zum Maastrichter Vertrag aus (JZ 93, 1100 ff.), hat den Vertrag aber nur auf die Verletzung des demokratischen Prinzips, nicht der bundesstaatiichen Ordnung geprüft. Das Urteil enthält immerhin einige Ansätze, die einer weiteren Kompetenzausdehnung der EG entgegenstehen sollen. Ob dies angesichts der im kulturellen Bereich dargelegten Regelungsfreude der EG - aber einen zurückhaltenden Effekt auf die gemeinschaftliche Tätigkeit hat, muß bezweifelt werden. Nicht umsonst hatte Dänemark dem MV erst am 18. 5. 1993 im 2. Anlauf zugestimmt, nachdem es u.a. aus kulturellen Gründen die Zustimmung abgelehnt hatte {Hr. wie oben; Jürgen Wahl, Die dänische Dusche, Rheinischer Merkur vom 5. 6. 1992, S. 3,feb., Volksbefragung mit Signalwirkung, FAZ vom 30. 4. 1992, S. 9; now., wie oben). Der Vertrag gilt nun in Dänemark nur mit gewissen Vorbehalten, die allerdings nicht auf die von Dänemark geäußerten Bedenken zur Subsidiarität eingehen; ABl. 92/C 348/01. 362

Immerhin wurde BR-Drucks. 703/89 die Zustimmungspflicht für die Übertragung von Bundeskompetenzen damit begründet, daß dem Bundesrat Beteiligungsrechte entzogen würden. Isensee, § 98, Rn. 292, weist aber darauf hin, daß die Zustimmung zur Übertragung keine vollwertige Kompensation des Mitwirkungsverlustes sei. 363 Und hier ist die Ansicht v.Simson/Schwarze, S. 36 und 65 f., abzulehnen, nach denen das Recht der Länder auf Mitwirkung an der Gesetzgebung durch das aus der Bundestreue fließende Gebot der Anhörung und Information durch den Bund gewahrt und der Bund zu einer weiteren

IV. Bedeutung f r die Rechtslage in der Bundesrepublik

247

bei der Frage, ob die Beteiligung des Ausschusses der Regionen364 an den Entscheidungen der EG kompensierend wirkt, 365 berücksichtigt werden, daß die Länder nur einen Teil des Ausschusses ausmachen, so daß die Möglichkeit besteht, daß die deutschen Vertreter überstimmt werden. 366 Abzuwarten bleibt auch, ob die Bedeutung des Ausschusses der Regionen wirklich durch den Beitritt neuer föderativ gegliederter Mitglieder und dezentralistische Tendenzen in den Mitgliedstaaten der EG 3 6 7 gestärkt wird, denn eine größere Mitglieder-

Beteiligung der Länder nicht verpflichtet ist. Das mag für die jetzigen Kompetenzübertragungen richtig sein, als kompensierendes Beteiligungsrecht reicht das nicht. 364 Art. 198 a ff. EGV.- Er geht auf Forderungen des Bundesrats zurück; so verlangten die Länder nach BR-Drucks. 550/90, daß ein Regionenrat bei den Maßnahmen der Gemeinschaft Gelegenheit zur Stellungnahme bekäme und Rat und Kommission von diesen Stellungnahmen nur begründet abweichen dürften. Außerdem verlangten sie ein Klagerecht des Regionenrats bei Verletzung seiner Rechte oder des Subsidiaritätsprinzips nach Art. 173 Abs. 1 S. 4 EWGV und die Einführung eines Klagerechts von Ländern und Regionen gegen Rat und Kommission nach Art. 173 Abs. 1 EWGV: "Klagen im Sinne von Satz 2 können auch Länder, Regionen oder autonome Gemeinschaften eines Mitgliedstaates erheben, oweit sie gemäß der innerstaatlichen Rechtsordnung durch das Handeln des Rats und der Kommission in eigenen Rechten berührt sein können. " und eine entsprechende Regelung in Art. 175 EWGV. S. auch Ho., Schritt für Schritt in die europäische Föderation, FAZ vom 28. 6. 1991, S. 8.- Weitergehend sind die Forderungen der European Constitutional Group, die eine Ausgestaltung als 2. Kammer fordert, vgl.: Für Europa eine Verfassung der Freiheit, FAZ vom 28. 8. 1993, S. 11.- Für Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, die keine regionalen oder dezentralen Elemente haben, ist er nicht unproblematisch; s. Stewing , S. 168 f. Er wird außerdem auch von den nicht berücksichtigten Kommunen Spaniens und Deutschlands angegriffen; Klaus-Dieter Frankenberger, Die Länder sehen im Ausschuß der Regionen für deutsche Kommunen keinen Platz, FAZ v. 17. 3. 1992. 365 Die Möglichkeit einer Kompensation der Verluste der Länder wird allgemein anerkannt; vgl. Hesse, Grenzen, S. 182 ff.; Klein, VVDStRL 50, 56, 91 f., Ress, EuGRZ 86, 549, 555; Busch, S. 163.- Den bisher praktizierten inoffiziellen Beteiligungen konnte eine solche Wirkung allerdings nicht zugesprochen werden, vgl. zu diesen: Badura, ZschR 109, 115, 126 f.; Ehlermann, S. 139 ff.; Fastenrath, DÖV 90, 125 und 127 ff.; Hrbek, Entscheidungsprozeß, S. 25 ff.; Kruis, S. 155 ff., insbes. 173 ff. und 176; Merten, Beteiligung, S. 49; Oetting, S. 27 f. m.w.N., S. 31 mit Fn. 61 und S. 50-73, verfassungsrechtiicheUntersuchung S. 74 ff., Rechtvergleich mit anderen Mitgliedstaaten S. 150; Strohmeier, DÖV 88, 633 ff.; s. auch oben Fn. 329 und BR-Drucks. 550/90 und 630/92.- Skeptisch zu einer Kompensation durch die Beteiligung des Regionenausschusses Wolf, JZ 93, 594, 597. 366

So auch Ress, EuGRZ 86, 549, 557. Bedenken äußerte auch Penner, 4. Sitzung der GemVerfK, 2. 4. 1992, Sten. Prot. S. 22, nach dem es sich um 250 Gebietskörperschaften auf Gemeinschaftsebene handeln wird. 367 Z.B. in den Niederlanden (E.L., Streiks während der Thronrede, FAZ vom 18. 9. 1991), Spanien (insbesondere das Baskenland und Katalonien; Walter Haubrich, Diskussion um eine Ausweitung der Autonomierechte in Spanien, FAZ vom 14. 9. 1991; Heidemarie Blankenstein, Jordi Pujol hat Großes vor in Barcelona, Rheinischer Merkur vom 20. 9. 1991 ; allerdings sind nach Parejo, S. 68, Art. 148 und 149 span. Verf. nicht vollständig) oder Selbständigkeitsbewegungen wie in Italien (Tirol; Reinhard Olt, Innsbruck lockt wider den Stachel des Wiener Zentralismus, FAZ vom 20. 6. 1991; ders., Wie die Landeseinheit Tirols wiedererringen?, FAZ vom

248

Teil 3: Kunstförderung und EG

zahl könnte genausogut dazu führen, daß die Bedeutung sinkt, weil eine Einigung schwerer w i r d . 3 6 8 Die Beteiligung der Länder an der Bundesgesetzgebung ist aber zur Zeit wohl noch nicht kompensationspflichtig beeinträchtigt. 369

2. Rückwirkungen auf das Gemeinschaftsrecht? Aufgrund der gravierenden Einflüsse des Gemeinschaftsrechts stellt sich die Frage, ob die Gemeinschaft in irgendeiner Weise verpflichtet ist, auf die Mitgliedstaaten Rücksicht zu nehmen. Ein solches Rücksichtnahmegebot fand im Vertragstext des E W G V keine Grundlage. Denn in Art. 5 EWGV/EGV

sind nur die Pflichten der Mitglied-

staaten festgelegt. Zwar wird die Vorschrift auch über den Wortlaut hinaus zu Lasten

der

Gemeinschaft

angewandt, 370

doch

werden

konkrete

Folgen

17.9. 1991 ; ders., Von Saint-Germain-en-Layebis New York, FAZ vom 11.6. 1992, S. 6; Peter Hermes, Die separatistischen Zeiten sind in Südtirol vorbei, Rheinischer Merkur vom 20. 9. 1991) und Griechenland (