Parallelimporte nach EG- und WTO-Recht: Patente und Marken versus Handelsfreiheit [1 ed.] 9783428501779, 9783428101771

Die Frage der rechtlichen Behandlung von Parallelimporten ist zwar nicht neu, jedoch in der aktuellen Diskussion noch im

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Parallelimporte nach EG- und WTO-Recht: Patente und Marken versus Handelsfreiheit [1 ed.]
 9783428501779, 9783428101771

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CHRISTIANE FREYTAG

Parallelimporte nach EG- und WTO-Recht

Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht Herausgegeben von Thomas Oppermann in Gemeinschaft mit Heinz-Dieter Assmann, Burkhard Heß Hans v. Mangoldt, Wernhard Möschel Wolfgang Graf Vitzthum sämtlich in Tübingen

Band 54

Parallelimporte nach EG- und WTO-Recht Patente und Marken versus Handelsfreiheit

Von Christiane Freytag

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Freytag, Christiane:

ParalleJimporte nach EG- und WTO-Recht: Patente und Marken versus Handelsfreiheit I Christiane Freytag. Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (fübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht; Bd. 54) Zug!.: Tübingen, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-428-10177-4

D21 Alle Rechte vorbehalten

© 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Gennany ISSN 0720-7654 ISBN 3-428-10177-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 8

Vorwort Diese Arbeit lag der Juristischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität zu Tübingen im Herbst 1999 als Dissertation vor. Rechtsprechung und Literatur wurden im Hinblick auf die Drucklegung noch bis Anfang 2000 berücksichtigt. Zu aufrichtigem Dank verpflichtet bin ich vor allem meinem verehrten akademischen Lehrer und Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Thomas Oppermann, an dessen Lehrstuhl ich viele Jahre tätig sein konnte. Er gab den Anstoß zu dem Thema der Arbeit, unterstützte mich mit wertvollen Anregungen und Hinweisen und ermöglichte mir die Teilnahme an einer Konferenz des International Trade Law Committee der International Law Association im November 1998. Ihm danke ich auch für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe "Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht". Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Graf Vitzthum danke ich herzlich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Dank gebührt auch Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Josef Molsberger und Herrn Rüdiger Wapler von der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen für die Bereitschaft zur Diskussion der wirtschaftlichen Aspekte des Themas, dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht in München für die freundliche Ermöglichung der Nutzung der Bibliothek und insbesondere Herrn Christopher Heath für wichtige Anregungen, ebenso wie Herrn Meinhard Novak vom EFTA-Gerichtshof und Herrn Pascal Leardini von der Europäischen Kommission. Der Reinhold-und-Maria-Teufel-Stiftung danke ich für die Auszeichnung dieser Arbeit mit dem Preis für hervorragende wissenschaftliche Leistungen an der Juristischen Fakultät der Universität Tübingen. Sehr herzlich danke ich meinem Freund Alexander Karl, der diese Arbeit mit viel Verständnis begleitete, hilfreiche Anregungen zu wirtschaftswissenschaftlichen Fragen gab und mir besonders in der Schlußphase eine große Hilfe war. Mein besonderer und inniger Dank gilt meinem Vater und meinen Eltern. Sie haben mir das Studium der Rechtswissenschaft und diese Promotion erst ermöglicht. Insbesondere bei meiner Mutter habe ich jederzeit den Rückhalt gefunden, dessen es bedurfte, um eine solche Arbeit erstellen zu können. Ihr ist diese Arbeit gewidmet. Tübingen, im Februar 2000

Christiane Freytag

Inhaltsverzeichnis Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

17

A. Gegenstand und Gang der Untersuchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

17

B. Rechtliche Lösungsmodelle und Schutzgründe . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . .. . .. I. Erschöpfungsgrundsatz .......................................... 11. Implied licence-Doktrin ... ,. . . .... . .. . .. ... ... .. . .. . . ... . . . ... . .. III. Begründung der Schutzwürdigkeit des Patentrechts. . . . . . . . . . . . . . . . .. IV. Begründung der Schutz würdigkeit des Markenrechts . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Herkunftsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Vertrauensfunktion (Qualitäts- und Garantiefunktion) . . . . . . . . . . . .. 3. Werbefunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 4. Kommunikationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 5. Interessenabwägung ..........................................

20 20 21 23 24 24 25 26 26 26

C. Wirtschaftliche Bedeutung und Bewertung von Parallelimporten . . . . . . . . .. I. Gründe für die Entstehung von Parallelhandel und Interessenlage der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 11. Betroffene, finanzieller Umfang und Marktanteile des Parallelhandels . III. Wirtschaftstheoretische Grundlagen und Argumentation .............

27 27 29 30

Teil I EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

41

A. Entwicklung des gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfungsgrundsatzes . . . . . ..

41

B. Grundsätze der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 30 (36) EGV. . . . . . . . .. I. Anwendungsbereich des Art. 30 (36) EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 11. Bestand und Ausübung gewerblicher Schutzrechte . . . . . . . . . . . . . . . . .. III. Der "spezifische Gegenstand" des Schutzrechts als Rechtfertigung von Warenverkehrsbeschränkungen ................................... 1. Spezifischer Gegenstand des Patentrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Spezifischer Gegenstand des Markenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. IV. Zurechnung des Inverkehrbringens ...... '" . . . .. .. . . .. . .. . . . . . .. ..

43 44 44

C. Parallel importe patentierter Erzeugnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. I. Vorgehen gegen Parallelimporte aus Mitgliedstaaten. . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Erfindungsgleiches Parallelpatent. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Inhaberidentisches erfindungsgleiches Paralle1patent. . . . . . . . . ..

50 50 51 51

45 45 45 47

Inhaltsverzeichnis

8

H.

b) Erfindungsgleiches originäres Patent unabhängiger Dritter. . . .. c) Erfindungsgleiches derivativ erworbenes Patent unabhängiger Dritter/Patentaufspaltung .................................. 2. Weiterverarbeitung, Bearbeitung, Vermischung. . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Zwangslizenz ................ .' . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 4. Rechtliche oder moralische Vermarktungsverpflichtung ........... 5. Import aus einem patentfreien Mitgliedstaat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Fehlende Patentierbarkeit im Exportstaat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Rechtsprechung des EuGH ..... ,. . . . . . . .. . .. . . . . . . . .... bb) Stellungnahme....................................... cc) Problematik in bezug auf das Gemeinschaftspatent. . . . . . .. b) Weitere Fallkonstellationen des Inverkehrbringens in einem patentfreien Mitgliedstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Unterlassen bzw. Versäumnis der Beantragung von Patentschutz ............................................... bb) Fehlende Zustimmung des Patentinhabers. . . . . . . . . . . . . . .. 6. Problem staatlicher Preisbindungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Stellungnahme............................................ aa) Zulässigkeit staatlicher Preisregelungen ................. bb) Beleuchtung des Problems unter dem Gesichtspunkt des Territorialitätsprinzips. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. cc) Beleuchtung des Problems unter dem Gesichtspunkt des Zustimmungskriteriums. . .. . . .. . .. . .. . . . . ... . . . . . . .. . .. dd) Beleuchtung des Problems unter dem Gesichtspunkt der Belohnung des Rechtsinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Vorgehen gegen Parallelimporte aus Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Verhältnis zu Drittstaaten, mit denen keine Freihandelsabkommen der EG bestehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Verhältnis zu Drittstaaten, mit denen Freihandelsabkommen der EG bestehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Ältere Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Vorbemerkung: Unmittelbare Anwendbarkeit. . . . . . . . . . . .. bb) Auslegung der Freihandelsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (1) Verbot von Maßnahmen gleicher Wirkung wie Einfuhrbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (2) Verbot von Abgaben zollgleicher Wirkung. . . . . . . . . .. (3) Verbot steuerlicher Diskriminierung. . . . . . . . . . . . . . . .. cc) Stellungnahme....................................... b) Rechtslage im EWR. .. . .. .. . . . .. .. .. . . .. .. . . .. . . . .. . . . . . .. c) Europaabkommen mit den Staaten Mittel- und üsteuropas .....

52 53 55 56 60 61 61 61 64 65 68 68 68 72 72 73 73 76 79 80 81 81 83 83 85 85 91 92 93 96 103 106

Inhaltsverzeichnis D. Parallelimporte von Markenwaren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorgehen gegen Parallelimporte aus Mitgliedstaaten. . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Neues Kennzeichnen .......................................... 2. Markenaufspaltung ........................................... 3. Umpacken ................................................... a) Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme............................................ aa) Gleichbehandlung von Fällen mit und ohne Neukennzeichnung ................................................ bb) Gleichbehandlung verschiedener Kategorien von Erzeugnissen .............................. , ................ cc) Auslegung des Art. 7 Abs. 2 MRRL und Art. 13 Abs. 2 GMVO unter Berücksichtigung der Kriterien der Rechtsprechung . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . .. (I) Mangelnde Erforderlichkeit des Umpackens .......... (2) Aktuelle oder potentielle Veränderung oder Verschlechterung des Original zustands . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verletzung von Hinweis- und Informationspflichten ... (4) Rufschädigende Aufmachung der neuen Verpackung .. (5) Unterlassen der Information des Markeninhabers sowie der Lieferung eines Musters.. . . .. . . .. . .. . . . . . . . . . .. (6) Sonderfalle des Umpackens von Originalware ........ (a) Vertreiben auch fremder Ware unter der geschützten Marke .................................... (b) Wiederverwendung der Originalverpackung ...... 4. Austauschen oder Anpassen der Marke wegen Markendifferenzierung ........................................................ a) Markenaustausch .......................................... b) Markenanpassung ........................ , ................ 5. Produktdifferenzierungen ...................................... 6. Verkauf vertriebsgebundener Waren durch Außenseiter ........... a) Entfernen von Kontrollnummern ............................ b) Reiner Außenseitervertrieb ................................. 7. Verletzung von Gebietslizenzverträgen .......................... 11. Vorgehen gegen Parallelimporte aus Drittstaaten .................... 1. Abwehransprüche aufgrund nationalen Markenrechts der Mitgliedstaaten und Geltungsbereich des Art. 7 Abs. 1 MRRL ............ a) Die Silhouette-Entscheidung des EuGH ...................... b) Die Maglite-Entscheidung des EFfA-Gerichtshofs und ihr Verhältnis zur Silhouette-Entscheidung . ......................... aa) Die Maglite-Entscheidung ............................. bb) Verhältnis zu Silhouette . ...............................

9 111 111 112 114 116 118 123 123 123

124 124 125 128 129 132 133 133 133 134 134 138 140 144 145 147 152 155 155 157 160 160 162

10

Inhaltsverzeichnis Konsequenzen der Silhouette-Entscheidung .............. . Umstellen der Rechtslage in EU-Mitgliedstaaten .......... Folgen für das Verhätnis zu den EFfA-Staaten .......... , Beweislastfrage im Zusammenhang mit regionaler Erschöpfung ........................................... dd) Erschöpfung als Instrument der Handelspolitik. . . . . . . . . .. (1) Gemeinschaftskompetenz .. . .. . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. (2) Vereinbarkeit mit TRIPS/GA TI-Recht .............. (3) Tatsächliche Notwendigkeit des Aushandelns der internationalen Erschöpfung/Regelungen der wichtigsten Handelspartner. ................................... (4) Abschließender Handelsvertragsvorbehalt oder verbleibende Entscheidungskompetenz des nationalen Richters? ............................................ d) Bewertung der Silhouette-Entscheidung und Darstellung der rechtlichen Grenzen einer möglichen Änderung von Art. 7 Abs. 1 MRRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kompetenz der Gemeinschaft .............. " .......... (1) Diskussionsstand in der Literatur .................... (2) Stellungnahme................................... . (a) Art. 95 (looa) EGV ........................... (b) Art. 133 (113) EGV ........................... (c) Kompetenz kraft Sachzusammenhangs ........... bb) Haltbarkeit der Silhouette-Entscheidung bei rechtlicher Bewertung des Art. 7 Abs. 1 MRRL ...................... (1) Wortlaut .. . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . . .. . . . . . . (2) Entstehungsgeschichte............................. (3) Systematik....................................... (4) Sinn und Zweck .................................. (5) Gemeinschaftsgrundrechte als Argument für die internationale Erschöpfung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (6) Unvergleichbarkeit von EU und EWR ............... cc) Zusammenfassung.................................... 2. Abwehransprüche bei Gemeinschaftsmarken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

197 200 201 202

E. Zusammenfassung................................................... 1. Patentrecht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Parallelimporte aus Mitgliedstaaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Parallelimporte aus Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Markenrecht . ................................................. . 1. Parallelimporte aus Mitgliedstaaten.. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. . . . . . . 2. Parallelimporte aus Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

204 204 204 206 207 207 208

c) Die aa) bb) cc)

166 166 167 167 170 170 171

174

176

180 181 182 183 183 187 189 190 190 190 193 194

Inhaltsverzeichnis

11

Teil Il

Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

210

A. Einführung......................................................... 210

B. Regelung im TRIPS-Abkommen ...................................... I. Regelungsgehalt des Art. 6 TRIPS ................................ 1. Prozessuale Theorie ................................ . . . . . . . . . . 2. Materielle Theorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme ............................................... 11. Materielle Vorschriften des TRIPS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Patentrecht .................................................. 2. Markenrecht ................................................. III. Präambel und allgemeine Grundsätze des TRIPS-Abkommens ........ 1. Präambel .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Vorschriften der Art. 3 und 4 TRIPS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Zielvorschrift des Art. 7 TRIPS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

214 215 216 216 218 219 219 221 226 227 228 230

C. Die Bedeutung der PVÜ für die Parallelimportfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 I. Territorialitätsprinzip und Unabhängigkeitsgrundsatz, Art. 4 bis und 6 Abs. 3 PVÜ .................................................... 231 11. Art. 5quater PVÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 D. Die Bedeutung des GATT 94 für die Parallelimportfrage ................. I. Anwendbarkeit des GATT 94 neben TRIPS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungen des TRIPS-Abkommens ............................ 2. Gesamtsystematik der WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Materielle Regelungen des GATT 94 .............................. 1. Grundsatz des Art. XI GATT 94 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahmen nach Art. XX GATT 94 ............................ 3. Sonderproblem regionale Erschöpfung - Art. XXIV GATT 94 .....

236 236 238 240 241 241 243 248

E. Völkerrechtlicher Mindeststandard für geistige Eigentumsrechte? .......... 251 F.

Entwicklungsländerproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256

G. Übertragbarkeit der Grundsätze des EG-Rechts auf die WTO ............. I. Allgemeine Betrachtung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Patentrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliche Anwendbarkeit der internationalen Erschöpfung. . . . a) Neuere Gerichtsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik in der Literatur ..................................... c) Stellungnahme ............................................ 2. Ausnahmen vom Grundsatz der internationalen Erschöpfung ....... a) Preisregulierte Märkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fehlender Patentschutz im Exportland .......................

262 262 265 265 265 268 269 273 273 274

12

Inhaltsverzeichnis III. Markenrecht ................................................... 1. Grundsätzliche Anwendbarkeit der internationalen Erschöpfung. . . . 2. Ausnahmen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Umpacken ............................................... b) Markendifferenzierung ..................................... c) Produktdifferenzierungen ........... .. ............... .. ..... d) Außenseitervertrieb ... .. ............................ . ......

276 276 277 277 278 279 279

Schlußbetrachtung und Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 Literaturverzeichnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Sachwortverzeichnis . ..... .. ........................ .. .............. ... . 306

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. ABI. Abs. AFfA AIPPI Anm. APEC Art. ASEAN Aufl. AWD BB Bd. BGBI. BGE BGH BGHZ BISD bzw. CML Rev. CR ders. / dies. d.h. Doc. DSU DZWir EA Ed., Eds. EFfA

anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt der EG Absatz Asean Free Trade Area Internationale Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz Anmerkung Asia-Pacific Economic Cooperation Artikel Association of South-East Asian Nations Auflage Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters Der Betriebs-Berater Band Bundesgesetzblatt Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Basic Instruments and Selected Documents (zunächst als Vol. I bis IV, seit 1953 als Supp.) beziehungsweise Common Market Law Review Computer und Recht derselbe/ dieselbe das heißt Dokument Dispute Settlement Understanding; Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Streitbeilegung Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europa Archiv Editor(s), Herausgeber European Free Trade Association, Europäische Freihandelsassoziation

14 EG EGV Egrd. EIPASCOPE EIPR ELR EMRK endg. EPO EPÜ etc. EU EuGH EuGHE EuZW EWGV EWR EWS f., ff.

FAZ FHA

Abkürzungsverzeichnis Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Erwägungsgrund European Institute of Public Administration-SCOPE European Intellectual Property Review European Law Review Europäische Menschenrechtskonvention endgültig Europäische Patentorganisation Europäisches Patentübereinkommen et cetera Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Entscheidungen des EuGH, amtliche Sammlung Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäischer Wirtschaftsraum Europäische Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerrecht folgende, fortfolgende Frankfurter Allgemeine Zeitung Freihandelsabkommen

Fn. FS GATT

Fußnote Festschrift General Agreement on Tariffs and Trade, Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen

ggf. GMVO GPÜ GRUR GRUR Int. GYIL Hastings Int'l & Comp.L. Rev. Herv. durch d. Verf. Hrsg. HC ILA Int'l & Comp. L. Q. IR-Marke

gegebenenfalls Verordnung des Rates über die Gemeinschaftsmarke Gemeinschaftspatentübereinkommen Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil German Yearbook of International Law Hastings International and Comparative Law Review Hervorhebung durch den Verfasser Herausgeber International Review of Industrial Property and Copyright Law International Law Association The International and Comparative Law Quaterly im internationalen Register eingetragene Marke

Abkürzungsverzeichnis ITLC

International Trade Law Committee (der ILA)

JIEL

Journal of International Economic Law

1. Int. Econ.

Journal of International Economics

JWT

Journal of World Trade

15

Law& Pol'y Int'1 Bus. Law and Policy in International Business LG

Landgericht

Iit.

Litera, Buchstabe

LZ

Lebensmittelzeitung

MA

Der Markenartikel

MERCOSUR

Mercado Comun deI Sur

Mich. J. Int'l L. Michigan Journal of International Law Mitt.

Mitteilungen der deutschen Patentanwälte

MRRL

Erste Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken

MTN

Multilateral Trade Negotiations

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NJW-RR

NJW -Rechtsprechungsreport Zivilrecht

No.

Number, Nummer

Nr.

Nummer

NZZ

Neue Zürcher Zeitung

ÖBI.

Österreichische Blätter für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht

ÖstOGH

Österreichischer Oberster Gerichtshof

OLG

Oberlandesgericht

PCIJ Ser. A

Permantent Court of International Justice, Sero A: Collection of Judgements, Nos. 1-24 (1923-30)

PCT

Patent Cooperation Treaty (Patentzusammenarbeitsvertrag)

PLT

Patentrechtsvertrag

PVÜ

Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums

Rdn.

Randnummer

RDS/ZSR

Revue de droit suisse/Zeitschrift für Schweizerisches Recht

RG

Reichsgericht

RGZ

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

RIW

Recht der Internationalen Wirtschaft

R.P.C.

Reports of Patent, Design and Trade Mark Cases

Rs.

Rechtssache

Rz.

Randziffer

16

S. s. SACU SADC SAFfA SJZ SMI sog. StIGH st. Rspr. Supp. TRIPS

u.a. UAbs. u.ä. ÜGA u.U. Vand. J. Transnat'l L. Verf. vgl. VO Vol. wbl WIPO WRP WSA WTO WVRK WZG z.B. ztZ zit. ZHR

Abkürzungsverzeichnis Seite siehe Southern African Customs Union Southern African Development Community South Asian Free Trade Area Schweizerische Juristenzeitschrift Schweizerische Mitteilungen über Immaterialgüterrecht sogenannt Ständiger Internationaler Gerichtshof ständige Rechtsprechung Supplement Agreement on Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights, Übereinkommen über handels bezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums und andere; unter anderem Unterabsatz und ähnliches Abkommen vom 2. Mai 1992 über die Errichtung einer EFfAÜberwachungsbehörde und eines EFfA-Gerichtshofs unter Umständen Vanderbilt Journal of Transnational Law Verfasser vergleiche Verordnung Volume, Band Wirtschaftsrechtliche Blätter World Intellectual Property Organization, We1torganisation für geistiges Eigentum Wettbewerb in Recht und Praxis Wirtschafts- und Sozial ausschuß (der EU) World Trade Organization, Welthandelsorganisation Wiener Vertragsrechtskonvention Warenzeichengesetz zum Beispiel Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern, Rundschau für Außenwirtschaft und Finanzpolitik zitiert Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht

Einführung A. Gegenstand und Gang der Untersuchung Von Parallelimporten spricht man, wenn Waren, an denen geistige Eigentumsrechte bestehen, neben und damit parallel zu einem vertraglich vereinbarten Vertriebsnetz eingeführt und angeboten werden. Parallel eingeführte Waren gelangen somit auf anderen Kanälen ins Land, als über die durch den Hersteller vorbestimmten Vertriebshändler, Alleinimporteure etc. Sie werden deshalb teilweise auch als grey goods oder Graumarktimporte bezeichnet. Der Begriff "Parallelimporte" bezieht sich aber nur auf legal hergestellte und in Verkehr gebrachte Waren; nicht erfaßt werden also Fälle der sogenannten Produktpiraterie, d. h. des Vertriebs nachgeahmter oder gefälschter Erzeugnisse l . Da an Parallelimporten selbst also nichts "grau" oder unlauter ist, ist diese Bezeichnung irreführend und wird im folgenden nicht mehr verwendet. Einen Unterfall der Parallelimporte stellen die sogenannten Reimporte dar. Hier erfolgt die Erstinverkehrsetzung der Ware im Inland, auf einen anschließenden Export folgt dann der Reimport. Auf diese Konstellation braucht aber nicht explizit eingegangen zu werden, weil alle Ausführungen zu Parallelimporten auch auf den Fall der Reimporte Anwendung finden. Da Vertriebsbindungssysteme als solche nur in wenigen Rechtsordnungen und auch nur unter bestimmten Voraussetzungen rechtlichen Schutz genießen, läßt sich die Paralleleinfuhr so im Regelfall nicht unterbinden. Daher wird versucht, nicht über den Schutz des Vertriebssystems, sondern über die bestehenden gewerblichen Schutzrechte gegen die Parallelimporte vorzugehen. Die Kernfrage lautet daher folgendermaßen: In welchem Umfang können die Inhaber nationaler bzw. regionaler geistiger Eigentumsrechte die Einfuhr von Waren, die von ihnen oder mit ihrem Einverständnis in Verkehr gebracht wurden, in ihr Schutzrechtsgebiet untersagen? Die Antwort auf die Frage nach der Zulässigkeit von Parallelimporten entscheidet darüber, ob und inwieweit internationale Marktsegmentierungen und damit Preisdiskriminierungen in einzelnen Ländern möglich sind. Denn Parallelimporte treten nur auf, wo ein zwischenstaatliches Preisgefälle für Dritte Anreiz bietet, die Waren in das Hochpreisland einzuführen. I Hierbei handelt es sich um eindeutige Schutzrechtsverletzungen, gegen die sowohl im Inland als auch bei Importen an der Grenze vorgegangen werden kann.

2 FreYlag

18

Einführung

Die Frage der rechtlichen Behandlung von Parallelimporten ist nicht neu. In Deutschland ergingen bereits im Jahre 1902 zwei Entscheidungen des Reichsgerichts zur Frage der Zulässigkeit der Paralleleinfuhr patent- und markenrechtlich geschützter Waren 2 • Die Rechtsfigur der "Erschöpfung" geistiger Eigentumsrechte, die in der juristischen Argumentation eine große Rolle spielt, geht auf die Ende letzten Jahrhunderts von Joseph Kahler begründete Lehre vom ,,zusammenhang der Benutzungsarten,,3 zurück. Nach Gründung der EWG im Jahre 1957 drehte sich die Diskussion vor allem darum, ob die mittlerweile im nationalen Recht anerkannte Erschöpfung von Schutzrechten auf das Gebiet des Gemeinsamen Marktes übertragen werden sollte4 . Im Zuge der Verhandlungen des Agreement on Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPS) im Rahmen der GATI-Verhandlungen der Uruguay-Runde kam das Thema erneut auf die Tagesordnung: während das TRIPS-Abkommen, das am 1.1.1995 in Kraft getreten ist, hinsichtlich des internationalen Schutzes geistigen Eigentums weit über das bis dahin geltende internationale Recht hinausgeht, gelang es den Staaten nicht, eine Einigung in der Frage der Behandlung von Parallelimporten zu erzielen s. Der TRIPS-Rat soll das Abkommen im Jahre 2000 erstmals überprüfen 6 . Es ist zu erwarten, daß die Frage der internationalen Erschöpfung von geistigen Eigentumsrechten, also das Problem der Parallelimporte, zu den wesentlichen Diskussionspunkten im Rahmen der Revisionsverhandlungen zählen wird. Auch das International Trade Law Committee der International Law Association ist derzeit mit der Ausarbeitung eines Entwurfs zu einer auf internationaler Ebene zu vereinbarenden Erschöpfungsregelung beschäftigt7 • Eine erneute Auseinandersetzung mit der "alten" Frage erscheint daher berechtigt. Ein zweiter Punkt, der eine erneute Beschäftigung mit dem Problem der Paralleleinfuhren fordert, ergibt sich aus der neueren Entwicklung des europäischen Markenrechts. Durch die Markenrechtsrichtlinie vom 21.12. 1988 2 RGZ 51, 139 - Gujakolkarbonat; RGZ 51, 263 - Mariani. Zur Entwicklung der Rechtsprechung in Deutschland Beier, GRUR Int. 1968, 8; ders., GRUR Int. 1996, 1. J Kohler, Deutsches Patentrecht, 1878, S. 160f.; ders., Handbuch des Deutschen Patentrechts, 1900, S. 452ff. 4 Dazu insbesondere Gotzen, GRUR Int. 1958, 224; Koch/Froschmaier, GRUR Int. 1965, 121. Vgl. auch die Darstellung bei Möschel, Die rechtliche Behandlung der Paralleleinfuhr von Markenware innerhalb der EWG, S. 125ff. s Art. 6 TRIPS enthält eine Kompromißfonnel, deren Aussagegehalt unten Teil n, 8. I. eingehend untersucht wird. 6 Art. 71 Abs. I i. V.m. Art. 65 Abs. 1,2 TRIPS. 7 Vgl. The International Law Association, Report of the 67. Conference held at Helsinki 12.-17.8.96, S. 271; dies., Report of the 68. Conference held at Taipei 24.30.5.1998, S. 184f.; Abbott, First Report, IIEL 1998, 607; ders., Second Report, 1999.

A. Gegenstand und Gang der Untersuchung

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(MRRL)8 wurden die Mitgliedstaaten der EU zu einer weitgehenden Angleichung der materiellen Vorschriften zum Schutz eingetragener Marken verpflichtet. Mit der Gemeinschaftsmarkenverordnung vom 20.12.1993 (GMVO)9 wurde darüber hinaus die Gemeinschaftsmarke als in der EG einheitliches Zeichenrecht eingeführt. Beide Rechtsakte enthalten fast wortgleiche Regelungen zur Erschöpfung. Im Silhouette-Urteil vom 16.7.1998 10 hat der EuGH nun die Regelung der MRRL im Sinne einer ausschließlich gemeinschaftsweiten Erschöpfung ausgelegt, die im Widerspruch zu der in einigen Mitgliedstaaten bis dahin vorgesehenen internationalen Erschöpfung steht, und hat dadurch einem neuen Verständnis der Funktion der Marke zum Durchbruch verholfen. Ziel dieser Arbeit ist es festzustellen, inwieweit sich diese Neuerung in die der Handelsfreiheit verpflichtete EG-Rechtsordnung einfügt und welche Auswirkungen sie auf die Diskussion um eine mögliche Übertragbarkeit des Modells der gemeinschaftsweiten Erschöpfung auf den internationalen Bereich hat. Ausgehend vom EG-Recht sollen am Beispiel des Patent- und Markenrechts juristische Maßstäbe dafür entwickelt werden, wo jeweils im Einzelfall der "goldene Schnitt" zwischen den legitimen Schutzanforderungen wohlerworbener Rechte des geistigen Eigentums, die zugleich Handelshemmnisse darstellen, und der von EG und WTO als erstrangiges Ziel hochgehaltenen Handelsfreiheit zu legen ist. Zu diesem Zweck werden zunächst die rechtlichen Lösungsmodelle für diesen Konfliktfall sowie die Gründe für die Anerkennung von Patent- und Markenrechten aufgezeigt. Auch soll die wirtschaftliche Bedeutung der Parallelimportfrage verdeutlicht werden. Der erste Teil der Arbeit befaßt sich sodann mit der EG-rechtlichen Beurteilung von Parallelimporten. Hier werden zunächst die Entwicklung des sog. gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfungsgrundsatzes und die vom EuGH allgemein zur Abwägung zwischen Inmaterialgüterrechten und Warenverkehrsfreiheit herangezogenen Abgrenzungskriterien dargelegt. Auf dieser Grundlage wird anschließend sowohl für das Patentrecht als auch für das Markenrecht im einzelnen geklärt, wie weit genau die Befugnisse des Schutzrechtsinhabers gehen bzw. wo sie gegenüber der Warenverkehrsfreiheit zurücktreten müssen. Dabei wird unterschieden zwischen dem innergemeinschaftlichen Handel und dem Handel mit Drittstaaten. 8 Erste Richtlinie des Rates vom 21.12.1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (89/104/EWG), ABI. 1989, L 40/1 und L 159/60. 9 Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20.12.1993 über die Gemeinschaftsmarke, ABI. 1994, L 11/1 und L 349/83. 10 EuGHE 1997, 1-4799 - Silhouette, bestätigt durch EuGH, Urt. v. 1. 7.1999, Rs. C-173/98 - Sebago.



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Einführung

Im zweiten Teil der Arbeit gilt das Interesse der Behandlung von Parallelimporten im Bereich der WTO. Hier wird zunächst analysiert, inwiefern insbesondere das TRIPS-Abkommen, die Pariser Verbandsübereinkunft über den Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ) oder das GA TI 94 zur Klärung der Parallelimportfrage beitragen können. Anschließend wird untersucht, ob die für das Gemeinschaftsrecht entwickelten Grundsätze auf den WTO-Bereich übertragbar sind. Die Arbeit schließt mit einer zusammenfassenden Analyse der Ergebnisse und einem kurzen Ausblick auf die zukünftige internationale Rechtsentwicklung.

B. Rechtliche Lösungsmodelle und Schutzgründe Es gibt zwei Modelle zur Beantwortung der Frage, inwieweit Parallelimporte zulässig sind bzw. wie weit die Rechte der Schutzrechtsinhaber gehen, den sog. Erschöpfungsgrundsatz und die sog. implied licence-Doktrin. I. Erschöpfungsgrundsatz Nach dem Erschöpfungsgrundsatz kann ein Immaterialgüterrechtsinhaber aus seinem Schutzrecht nicht mehr gegen den weiteren Vertrieb des geschützten Erzeugnisses vorgehen, wenn dieses durch ihn oder mit seiner Zustimmung in Verkehr gebracht wurde. Hinsichtlich der territorialen Reichweite des Erschöpfungsgrundsatzes wird unterschieden zwischen nationaler, regionaler und internationaler Erschöpfung. Im Fall der nationalen Erschöpfung kann der Schutzrechtsinhaber nur beim ersten Inverkehrbringen im Inland die Benutzung und den Weitervertrieb durch Dritte nicht mehr untersagen, wohl aber gegen Importe aus anderen Ländern vorgehen. Die regionale Erschöpfung weitet diese Rechtsfolge auf ein mehrere Staaten umfassendes Gebiet aus, so etwa die gemeinschaftsweite oder mittlerweile EWR-weite Erschöpfung. Bei Annahme einer internationalen Erschöpfung führt das erste rechtmäßige Inverkehrbringen in irgendeinem Land dazu, daß der Schutzrechtsinhaber den Vertrieb dieses Erzeugnisses weltweit nicht mehr untersagen kann. Der Erschöpfungsgrundsatz geht auf die von Kohler Ende des letzten Jahrhunderts zum Patentrecht entwickelte "Lehre vom Zusammenhang der Benutzungsarten"· zurück. Im deutschen Patentgesetz war zwar keine ausdrückliche Ausnahme von den dem Patentinhaber gewährten AusschließlichkeitsI Ausführlich dargestellt in Kohler, Handbuch des Deutschen Patentrechts, S.452ff.

B. Rechtliche Lösungsmodelle und Schutzgründe

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rechten enthalten, so daß dem Wortlaut des Gesetzes zufolge der Patentinhaber auch im Binnenmarkt jede weitere gewerbliche Benutzung des von ihm in Verkehr gebrachten Erzeugnisses von seiner Zustimmung (und einer Vergütung) hätte abhängig machen können. Da das aber dem Interesse der Allgemeinheit und den Belangen des Verkehrs zuwiderliefe, leitete Kohler aus dem Zweck des Patentgesetzes eine Einschränkung ab: Ein weiteres Verbotsrecht des Patentinhabers sei ausgeschlossen, wenn bereits eine rechtmäßige Verwertungshandlung - Kohler stellte insoweit auf die Herstellung ab - stattgefunden habe. Das Reichsgericht übernahm diesen Ansatz auch für Markenund Urheberrecht, nahm Erschöpfung (Komsumtion) allerdings nur im Falle des ersten rechtmäßigen Inverkehrbringens an 2 • Diese Rechtsprechung wurde vom BGH fortgeführt 3 . Sie gilt in den meisten Staaten der Welt4 . Auch der EuGH geht von der Erschöpfungstheorie aus, wenn er die Vereinbarkeit der Ausübung nationaler Schutzrechte mit den Vorschriften über die EG-W arenverkehrsfreiheit prüft5 • Die Erschöpfungslehre stellt für die Zulässigkeit weiterer Verwertungshandlungen nicht auf den Willen des Schutzrechtsinhabers, sondern auf den objektiv bestimmbaren Zweck des Schutzrechts ab. Ist dieser Zweck erreicht, kann der Rechtsinhaber die weiteren Verwertungshandlungen nicht mehr verhindern. Ist er hingegen nicht erreicht, kommt eine Untersagung in Betracht, unabhängig davon, ob das für den Verkehr erkennbar ist oder nicht. Hinter der Erschöpfungslehre steht damit die Idee, einen Ausgleich zwischen den Interessen der Allgemeinheit und denen des Schutzrechtsinhabers zu finden. 11. Imlied Iicence-Doktrin

Ein anderer, mehr auf die Verkehrssicherheit abstellender Lösungsweg wurde vorwiegend im anglo-amerikanischen Rechtskreis 6 entwickelt. Die freie Verkehrsfähigkeit geschützter Erzeugnisse ergibt sich nach dieser 2 Zum Markenrecht: RGZ 50, 229 - Kölnisch Wasser; RGZ 51, 263 - Mariani; zum Patentrecht (Komsumtionstheorie): RGZ 51, 139 - Duotal/Gujakolkarbonat; zum Urheberrecht: RGZ 63, 394 - Koenigs-Kursbuch; vgl. auch die übersichtliche Darstellung bei Joos, Die Erschöpfungslehre im Urheberrecht, S. 23 ff. 3 Vgl. BGHZ 41, 84 - Maja; BGHZ 49,331 - Voran; BGH GRUR 1976,579 Tylosin. 4 In den USA hat sich auch der Begriff ..First-Sale"-Doktrin durchgesetzt. Inhaltlich entspricht dies aber dem Erschöpfungsgrundsatz. Vgl. dazu YusujlMoncayo von Hase, 16 World Competition 1992, 115, 119. S Zur Entwicklung des gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfungsgrundsatzes unten Teil I, A. 6 Großbritannien, Kanada, Australien, Neuseeland, Argentinien, Brasilien, Ungarn, mittlerweile zumindest zum Patentrecht auch Japan (siehe Japanischer Ober-

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Einführung

Theorie daraus, daß im Verkauf der geschützten Produkte eine stillschweigende Lizenz zum weiteren Gebrauch und Vertrieb gesehen wird, sofern keine eindeutigen anderweitigen Regelungen getroffen wurden. Für die Frage des Parallelimports kommt es somit nicht darauf an, ob mit dem Inverkehrbringen im Ausland der Zweck des Schutzrechts erreicht wurde, sondern ob der Schutzrechtsinhaber den Parallelimport ausdrücklich verboten hat7 • Diese Lehre hat sich allerdings außerhalb des anglo-amerikanischen Rechtskreises kaum und insbesondere in der Rechtsprechung des EuGH überhaupt nicht durchgesetzt. Sofern eine Ausnahme von der Annahme einer stillschweigenden Lizenz nur zugelassen wird, wenn das Einfuhrverbot auf dem Produkt für Dritte sichtbar (und verständlich) angebracht wird, trägt sie zwar den Bedürfnissen der Verkehrssicherheit Rechnung. Am britischen Beispiel wird jedoch deutlich, daß die Untersuchung, was tatsächlich vereinbart war und ob eine ausreichende Kenntlichmachung vorlag, zu einem wahren Katz-und-Maus-Spiel ausarten kann 8 • Schwerer wiegt aber die dogmatische Kritik an der implied licence-Doktrin9 • Einerseits wird bezweifelt, daß es rechtlich möglich sei, parallel zum Verkauf des Produkts einen Lizenzvertrag anzunehmen. Es handle sich hierbei um sich gegenseitig ausschließende Verträge. Auch führt diese Doktrin dazu, schuldrechtlichen Verträgen zwischen zwei Parteien Drittwirkung zuzusprechen. Andererseits erscheint die Lehre insofern unbefriedigend, als sie die Beschränkung der Schutzrechte nicht aus dem Zweck des jeweiligen Schutzrechts heraus erklärt, sondern dem Rechtsinhaber anheimstellt. Erschöpfung bzw. Nicht-Erschöpfung liegt somit in den Händen Privater. Die durch gewerbliche Schutzrechte als Monopolrechte bewirkte Beschränkung des Wettbewerbs läßt sich aber letztlich nur rechtfertigen, weil die Schutzrechte ihrerseits zu einer Belebung des Wettbewerbs beitragen 10. Diese Überlegung sollte auch bei der Beschränkung des durch das Schutzrecht gewährten Vertriebsrechts berücksichtigt werden. Angesichts dieser schwerwiegenden Kritik an der implied licence-Theorie und der Tatsache, daß im Zentrum dieser Arbeit zunächst die Herausarbeitung der einzelnen Aspekte des in der Europäischen Gemeinschaft vom EuGH anerkannten Erschöpfungsgrundsatzes steht, wird im folgenden die Erschöpfungslehre im Vordergrund stehen. Aber nicht nur zur Beurteilung ster Gerichtshof, Urt. v. 1. 7.1997, GRUR Int. 1998, 168 - Kraftfahrzeugfelgen III/ BBS); vgl. Heath, nc 1997,623, 624f. 7 Ausführlich zur implied licence-Doktrin Rothnie, Parallel Imports, S. 115ff. 8 Comish, EIPR 1998, 172, 177. 9 Vgl. dazu CasteIl, L'epuisement du droit intellectuel, S. 34ff.; Heath, RIW 1997,541,542; Yusuj/Moncayo von Hase, 16 Word Competition 1992, 115, 118f. \0 Vgl. Lehmann, GRUR Int. 1983,356,360 m.w.N.

B. Rechtliche Lösungsmodelle und Schutzgründe

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der Zulässigkeit von Parallelimporten innerhalb der EU, sondern insbesondere, um später Rückschlüsse auf eine mögliche Anwendung der EGGrundsätze auf den weltweiten Handel ziehen zu können, ist es erforderlich, die dogmatischen Grundlagen der Erschöpfung zu klären. Wie bereits dargestellt, soll die Erschöpfung einen Ausgleich der Interessen von Schutzrechtsinhaber und Freihandel bewirken. Um beurteilen zu können, wie weit dabei die Rechte des Patent- bzw. Markeninhabers gehen müssen, bedarf es einer kurzen Darstellung der Schutzgründe. Für das Markenrecht, das mittlerweile aufgrund von MRRL und GMVO weitgehend gemeinschaftsrechtlich geprägt ist, wird sogleich anband der einschlägigen Normen dieser Rechtsakte dargelegt, inwieweit diese Schutzgründe für die EG maßgeblich sind. 111. Begründung der Schutzwürdigkeit des Patentrechts Die Gründe für die Gewährleistung von Patentschutz sind dogmatisch sehr umstritten. Nach der Eigentums- oder Naturrechtstheorie hat der Erfinder ein natürliches Anrecht auf das Produkt seiner Leistung, das wie das Sacheigentum ohne weiteres, d. h. insbesondere ohne staatlichen Verleihungsakt, anzuerkennen sei 11. Der Leistungsaspekt steht bei dieser Betrachtung im Vordergrund. Problematisch ist allerdings, daß sie auf ein u. U. zeitlich unbeschränktes Recht zur Ausbeutung der Erfindung hinausläuft und damit zur Blockade anderer Forscher und in letzter Konsequenz zum Erliegen technischen Fortschritts führen würde l2 • Die neueren Theorien stellen deshalb auf das Verhältnis des Erfinders zur Allgemeinheit ab l3 . Nach der Belohnungstheorie wird der Erfinder, der seine Erfindung der Öffentlichkeit offenbart, mit einem zeitlich befristeten Ausschließlichkeitsrecht belohnt, damit er sich durch einen rechtlich abgesicherten Vorsprung vor seinen Mitbewerbern einen Gewinn verschaffen kann. Die Anspomtheorie orientiert sich mehr an wirtschaftspolitischen Zwecken des Patentwesens. Sie basiert auf der Vorstellung, daß die Aussicht auf die Erlangung eines Patents und die dadurch gesicherte Gewinnerwartung den Erfindergeist stimuliert und die Bereitschaft zu vernmehrten Ausgaben für Forschung, Entwicklung und Einführung von Neuerungen auf dem Markt erhöht und dadurch den technischen Fortschritt zum Wohle der 11 Darstellung bei HubmannlGötting, Gewerblicher Rechtsschutz, S. 20ff.; Oppermann, FS Hahn, S. 447, 462f. 12 Benkard-Bruchhausen, Patentgesetz, Ein!. Rz. la. 13 Die Theorien sind dargestellt bei Benkard-Bruchhausen, Patentgesetz, Ein\. Rz. la, Fechner, Geistiges Eigentum und Verfassung, S. 140ff., sowie bei Hubmannl Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, S. 67f., jeweils m. w.N. Die weiteren Ausführungen beruhen auf diesen Quellen.

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Einführung

Allgemeinheit fördert. Die Offenbarungstheorie erblickt den wesentlichen Rechtfertigungsgrund des Patentrechts in der möglichst frühzeitigen Offenbarung der Erfindung für die Allgemeinheit. Heute werden meist die verschiedenen Theorien miteinander verbunden, um die technischen Schutzrechte zu rechtfertigen 14. Bei der Beurteilung, ob bzw. inwieweit der Patentinhaber gegen Parallelimporte zu schützen ist, wird daher auf die Vereinbarkeit mit allen dargestellten Theorien abzustellen und eine Abwägung zwischen dem Schutzinteresse des Patentinhabers und den Interessen der Öffentlichkeit vorzunehmen sein.

IV. Begründung der Schutzwürdigkeit des Markenrechts Der rechtspolitische Grund für die Gewährung des Zeichenmonopols liegt ebenfalls sowohl in privaten als auch in öffentlichen Interessen. Durch das Markenrecht soll einerseits die Werbeleistung des Unternehmers von Beginn an geschützt, die Entwicklung des zunächst noch unbekannten Zeichens begünstigt und nach Verkehrsdurchsetzung der Besitzstand erhalten werden. Auf der anderen Seite soll sich der Verkehr orientieren können und vor Verwechslungen und Irreführungen bewahrt werden 15. Zur Darstellung dieser wechselseitigen Interessen wird in der Regel auf die Markenfunktionen abgestellt. Allerdings ist gleich vorauszuschicken, daß die Markenfunktionen "bloße Auslegungshilfen"16 bei der Ermittlung der Zwecke des Schutzes darstellen und von der Abwägung der Interessen aufgrund der dahinterstehenden Wertungen und der Entscheidung im Einzelfall nicht entbinden 17. 1. Herkunftsfunktion Durch die Kennzeichnung einer Ware oder Dienstleistung soll es den Abnehmern ermöglicht werden, diese nach ihrer betrieblichen Herkunft zu unterscheiden und dem Hersteller zuzuordnen l8 . Aus Art. 2 MRRL und Art. 4 GMVO, wonach Zeichen nur dann als Marken in Betracht kommen, wenn sie geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden, ergibt sich, daß diese sog. Herkunfts- oder Unterscheidungsfunktion der Marke auch im neuen Markenrecht geschützt ist l9 . HubmannlGötting, Gewerblicher Rechtsschutz. S. 68. HubmannlGötting, Gewerblicher Rechtsschutz, S. 71 f. 16 Jackermeier, in: FS Klaka, S. 160, 174. 17 Jackermeier, in: FS Klaka, S. 160, 174; zu allgemeiner Kritik an der Funktionenlehre vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz Einl. Rz. 35 f. 18 HubmannlGötting. Gewerblicher Rechtsschutz, S. 255. 14

IS

B. Rechtliche Lösungsmodelle und Schutzgründe

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Aus den Erwägungsgründen zur MRRL und GMVO läßt sich aber entnehmen, daß diese nicht die einzig geschützte Markenfunktion darstellt2o . Allerdings wird auch deutlich, daß die Herkunftsfunktion als Hauptfunktion der Marke angesehen wird. So kann die Fonnulierung "insbesondere die Herkunftsfunktion" in den Erwägungsgründen nicht damit erklärt werden, daß es sich um ein Regelbeispiel handle, daß also auch andere gleichwertige Markenfunktionen geschützt werden sollten. Vielmehr ist daraus, daß die Herkunftsfunktion als einzige Markenfunktion ausdrücklich angesprochen ist, zu folgern, daß die zitierte Passage als eine hervorhebende Betonung dieser Funktion zu lesen ist. Auch der EuGH spricht in diesem Zusammenhang von der Hauptfunktion der Marke, die darin bestehe, "dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der mit ihr versehenen Ware zu garantieren, indem ihm ennöglicht wird, diese Ware ohne Verwechslungsgefahr von Waren anderer Herkunft zu unterscheiden,,21.

2. Vertrauensfunktion (Qualitäts- und Garantiefunktion)

Wie aus Art. 7 Abs. 2, Art. 8 Abs. 2 MRRL, Art. 13 Abs. 2, Art. 22 Abs. 2 GMVO hervorgeht, ist auch die Qualitätsfunktion der Marke geschützt, d. h. der Markeninhaber kann frei über den von ihm gewünschten Qualitätsstandard seiner Markenware entscheiden. Dadurch soll der Markeninhaber in die Lage versetzt werden, Kunden durch die Qualität seiner Markenware an sich zu binden 22 . Dazu muß er aber auch die Möglichkeit haben, die Qualität seiner Waren bis zur Veräußerung an den Endabnehmer markenrechtlich zu kontrollieren 23 . Eine Verpflichtung zur Einhaltung gleichbleibender Qualität ist damit jedoch nicht verbunden 24 . 19 Überzeugend zur Weitergeltung der Herkunftsfunktion unter dem neuen Markenrecht trotz der darin vorgesehenen Möglichkeit der Übertragung der Marke ohne den Geschäftsbetrieb Vanzetti, GRUR Int. 1999, 205. 20 10. Egrd. der MRRL; 7. Egrd. GMVO: In beiden Fällen wird betont, daß "insbesondere" die Herkunftsfunktion der Marke gewährleistet werden soll, was den Schluß zuläßt, daß zumindest auch andere Funktionen geschützt werden sollen. 21 EuGHE 1996, 1-3457, 3532 Rz. 47 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3619 Rz. 34 - Eurim-Pharm; EuGHE 1996, 1-3671, 3683 Rz. 20 - MPA Pharma. In EuGHE 1998, 1-4799 - Silhouette wird zwar nicht auf die Markenfunktionen abgestellt, jedoch liegt diesem Urteil möglicherweise eine andere Gewichtung zugrunde, näher dazu unten Teil I, D. 11. 1. a), c), d). 22 EuGHE 1990, 1-3711, 3758 Rz. 13 - HAG 11; EuGHE 1994, 1-2789, 2848, 2850f. Rz. 37, 43, 45 - Ideal Standard; EuGHE 1996, 1-3457, 3531 Rz. 43 Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3618 Rz. 30 - Eurim-Pharm; EuGHE 1996,1-3671,3682 Rz. 16 - MPA Pharma. 23 Ebenroth. Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Warenverkehrsfreiheit, S. 41, 47f.; Sack, RIW 1994,897,901; ders., GRUR 1997, 1,3; Schuster, Die Ausnahmen vom markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz, S. 35.

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Einführung 3. Werbefunktion

Ebenfalls geschützt ist die Werbefunktion der Marke, wie sich aus dem Schutz bekannter Marken außerhalb des Warenähnlichkeitsbereichs nach Art. 4 Abs. 3, 5 Abs. 2 MRRL, Art. 8 Abs. 5, 9 Abs. 1 c) GMVO ergibt 25 • Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, daß durch die Marke die Aufmerksamkeit der Konsumenten erregt und durch den Wiedererkennungseffekt ständig an sie erinnert wird, so daß sie zum Imageträger und Symbol des Unternehmens wird. Geschützt ist also der goodwill, d. h. der wirtschaftliche Wert der Marke. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist daher bei Schädigung des guten Rufes einer Marke eine Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz anzunehmen, so daß solche rufschädigenden ParaUelimporte unzulässig sind26 • 4. Kommunikationsfunktion

Ein neuerer, interdisziplinärer Ansatz, der auch ökonomische und verbraucherpsychologische Aspekte einbezieht, sieht die Marke als Bestandteil eines mehrdimensionalen und multimedialen Kommunikationsprozesses durch Werbung. Die Marke repräsentiert danach als Imageträger die Leistungsfähigkeit und Wertschätzung eines Unternehmens in umfassendem Sinne27 • Da die einzelnen Funktionen, die der Marke traditionell zugeschrieben werden, auch hier nur als Konkretisierung der Kommunikationsfunktion der Marke gesehen werden, ihrerseits aber "greifbarer" sind als die Kommunikationsfunktion selbst, wird in den folgenden Ausführungen auf die traditionellen Markenfunktionen zurückgegriffen. 5. Interessenabwägung

Einerseits ist in Art. 7 Abs. 1 MRRL, Art. 13 Abs. 1 GMVO die Erschöpfung markenrechtlicher Ansprüche festgelegt, wodurch im Grundsatz dem freien Warenverkehr Vorrang vor den Interessen des Markeninha24 Hubmann/Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, S. 257; Lehmann/Schönjeld, GRUR 1994, 481, 487. 2S Berlit, GRUR 1998, 423, 426; Hubmann/Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, S.257. 26 EuGHE 1996, 1-3457, 3531 Rz. 40 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3617 Nr. 27 - Eurim-Pharm; EuGHE 1996, 1-3671, 3681 Rz. 13 - MPA Pharma; EuGHE 1997, 1-1729, 1748 Rz. 23 - Phytheron; EuGHE 1997, 1-6013, 6048ff. Rz. 43ff., 54 - Dior; EuGHE 1997, 1-6227, 6256 Rz. 33, 6262f. Tenor Loendersloot. 27 Vgl. Fezer, Markengesetz, Einl. Rz. 34; SchönJeld, Die Gemeinschaftsmarke als selbständiger Vermögensgegenstand eines Unternehmens, S. 155ff., heide m.w.N.

C. Wirtschaftliche Bedeutung und Bewertung von Parallelimporten

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bers am Schutz seines Zeichens eingeräumt wird. Andererseits sehen die jeweiligen Absätze 2 unter Angabe der Regelbeispiele der Veränderung oder Verschlechterung der Ware nach dem Inverkehrbringen die Zulassung von Ausnahmen vom Erschöpfungsgrundsatz vor, wenn "berechtigte Gründe es rechtfertigen". Im Einzelfall kann eine Entscheidung daher nur aufgrund einer Interessenabwägung getroffen werden. Der EuGH sieht dementsprechend den Zweck von Art. 7 Abs. 1 MRRL und Art. 30 (36) EGV 28 darin, "die grundlegenden Belange des Markenschutzes mit denen des freien Warenverkehrs ... in Einklang zu bringen,,29. Zur Klärung der Frage, in welchen Fällen in der EG Parallelimporte zulässig sind, müssen somit folgende Regeln beachtet werden. Es ist von den einschlägigen Erschöpfungs- und Ausnahmeregelungen in Art. 7 MRRL bzw. Art. 13 GMVO auszugehen, wobei im Einzelfall eine Abwägung zwischen dem Interesse der Allgemeinheit am freien Warenverkehr und den Schutzbedürfnissen des Markeninhabers vorzunehmen ist. Bei dieser Abwägung kann auf die oben dargestellten Markenfunktionen als Argumentationshilfe zurückgegriffen werden. Für die Übertragung auf das WTO-Recht wird gegebenenfalls dort zu prüfen sein, inwiefern die Markenfunktionen auch nach dem TRIPS-Abkommen geschützt sind.

C. Wirtschaftliche Bedeutung und Bewertung von Parallelimporten I. Gründe für die Entstehung von Parallelhandel und Interessenlage der Beteiligten Parallelhandel entsteht immer dann, wenn das gleiche Produkt in einem Land A so viel günstiger verkauft wird als in einem Land B, daß trotz anfallender Transport- und sonstiger Vertriebskosten (z. B. Zölle, Kosten für Genehmigungs- oder Zulassungsverfahren) der Parallelimporteur mit einem Gewinn rechnen kann. Große Unterschiede der Preise ab Werk in den betroffenen Ländern sind regelmäßig die Folge bewußter Marketingstrategien und damit verbundener Segmentierung des Weltmarkts. Sie können sich aber auch aus dem unterschiedlichen Lohnniveau oder aufgrund von Wechselkursschwankungen 28 Die Numerierung der Artikel des EGV entspricht der konsolidierten Fassung nach Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages am 1.5.1999 (vgI. ABI. 1999, L 114/ 56). Die frühere Numerierung ist in Klammern angegeben. 29 EuGHE 1996, 1-3457, 3530 Rz. 40 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3617 Rz. 27 - Eurim-Phann; EuGHE 1996, 1-3671, 3681 Rz. 13 - MPA Phanna; EuGHE 1997,1-6227,6251 Rz. 18 - Loendersloot.

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Einführung

ergeben. Ausschlaggebend für Parallelimporte sind außerdem unterschiedliche Verkaufspreise in verschiedenen Ländern bei gleichem Einkaufspreis. Solche Differenzen ergeben sich in der Regel daraus, daß die international agierenden Unternehmen die Verkaufspreise ihrer Produkte nach der Leistungsfähigkeit des Absatzmarktes bestimmen ("Charging wh at the market can bear"); diese schwankt infolge unterschiedlicher Kaufkraft und Zahlungsbereitschaft der Konsumenten für ein bestimmtes Gut oder verschieden intensiven Wettbewerbs weltweit gesehen aber stark. Auch hier können Wechselkurs schwankungen eine Rolle spielen. Und schließlich sind Parallelimporte rentabel, wenn erhebliche Handelsspannen der autorisierten Importeure bestehen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Parallelimporteure meist zweckorientierter handeln können als in das Vertriebsnetz eingebundene Händler. Der Parallelimporteur verkauft Ware nämlich nur dorthin, wo Marktbedürfnisse bestehen; außerdem handelt er nicht mit der gesamten Produktpalette des Herstellers, sondern nur mit ausgewählten Erzeugnissen 1• Parallelhandel wird von den unterschiedlichsten Parteien betrieben. Zum einen gibt es internationale Großhändler, die praktisch ausschließlich Parallelhandel betreiben. Große Kaufhausketten agieren als Parallelimporteure, wenn sie im Ausland zu günstigen Preisen Waren einkaufen, die sie im Inland weiterveräußern. Aber auch Einzelhändler importieren sowohl selbst (insbesondere Audiovision und Bekleidung) als auch über ihre nationalen und internationalen Einkaufsringe (z. B. Sport- oder Drogerieartikel). Und schließlich ist auch die Industrie selbst manchmal Parallelimporteur ihrer eigenen Produkte2 . Die Verhinderung von Parallelimporten liegt im wesentlichen im Interesse der Inhaber von Immaterialgüterrechten, weil sie diesen aufgrund der Abschottung der nationalen Märkte ermöglicht, beim Absatz ihrer Güter Preisdifferenzierungen aufrechtzuerhalten und dadurch insbesondere in Ländern mit höherem Preisniveau ohne zusätzliche Leistung einen höheren Gesamtgewinn zu erzielen, als dies ohne Marktsegmentierung möglich wäre. Auch die autorisierten Importeure bzw. Hersteller der geschützten Erzeugnisse sind am Verbot von Parallelimporten interessiert, weil dadurch ihre Gewinnspannen gesichert werden 3 . An der Zulassung von Parallel importen sind in erster Linie die Verbraucher in Ländern mit höherem Preisniveau interessiert, da durch die Konkur1 Zu den Parallelimporte auslösenden Momenten vgl. auch Abbot!, First Report, JlEL 1998, 607, 629; European Merchants Association, Summary of the report "The signification of parallel trade to the Netherlands", S. 1; Hilke, 32 World Competition 1988, 75 ff. 2 European Merchants Association, Summary of the report "The significance of parallel trade to the Netherlands", S. 1 f. 3 Vgl. die in der NERA-Studie dargestellten Umfrageergebnisse, S. 17.

C. Wirtschaftliche Bedeutung und Bewertung von Parallelimporten

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renz durch Parallelimporte eine Senkung des Preisniveaus zu erwarten ist4 . Auch den Unternehmen in diesen Ländern kommen Parallelimporte insofern zugute, als die Senkung des Preisniveaus zu einer Verminderung des Drucks nach Lohnerhöhungen führen wird; außerdem können sie zur Produktion parallel eingeführtes Material beschaffen5 . Andererseits muß auch die eigene Ware der Konkurrenz durch Parallelimporte standhalten. Weitere Befürworter von Parallelimporten sind die (potentiellen) Parallelimporteure und Händler, denen durch Preisdifferenzen lohnende Geschäftsmöglichkeiten eröffnet werden. 11. Betroffene, finanzieller Umfang und Marktanteile des Parallelhandels

Vom Parallelhandel sind letztlich alle Branchen betroffen, die Markenware oder patentierte Produkte herstellen und übernational vertreiben. Der Marktanteil parallel importierter Ware am Gesamthandel variiert aber von Branche zu Branche stark6 • Luxusgüter sind dabei in der Regel mehr von Parallelimporten betroffen als günstige Alltagsgegenstände. Auch wirken sich Transportschwierigkeiten (z. B. durch Größe und Gewicht insbesondere bei Autos, Empflindlichkeit bei Telekommunikationsgeräten oder Verderblichkeit der Ware), strenge Vertriebssysteme, unterschiedliche technische Normen (z. B. im Elektronikbereich) sowie Gesundheits- und Sicherheitsstandards (z. B. bei Medikamenten oder Kraftfahrzeugen) hemmend auf den Parallelhandel aus 7 • Derzeit gibt es noch kein verläßliches Zahlenmaterial über den tatsächlichen Umfang des weltweiten Parallelhandels. Schätzungen gehen für den Parallelhandel in den USA und in Großbritannien von 0,1-0,2 % des Bruttosozialprodukts aus, in den Niederlanden nimmt man etwa das Doppelte ans; 4 Zu diesem Ergebnis kommt auch die NERA-Studie für beinahe aller der untersuchten Branchen, S. 20 ff. Auch die befragten Markeninhaber gaben Preisanpassungen als wahrscheinliche Reaktion auf die Einführung der internationalen Erschöpfung an (a. a. O. S. 17). 5 Ziich, SJZ 1995, 30 I, 304. 6 VgJ. die detaillierte Darstellung zum Parallelimport von Markenwaren in der EU, NERA-Studie, S. 12; allgemein European Merchants Association, Summary of the report "The significance of parallel trade to the Netherlands", S. 2f. 7 VgJ. NERA-Studie, S. 15 ff., Tabellen 4.5-4.7. 8 European Merchants Association, Summary of the report "The significance of parallel trade to the Netherlands", S. 2; vgJ. auch Hilke, 32 World Competition 1988,75, 83ff.; Malueg/Schwanz, 37 1. Int. Econ. 1994, 167, 168; Rothnie, Parallel Imports, S. 477 ff. Über die direkte Wertschöpfung aufgrund des Parallelhandels hinaus sind die Auswirkungen auf andere Sektoren zu berücksichtigen, wie z. B. Transport, Finanz- und Rechtsberatung, Versicherung, Reise und Unterkunft, Werbung.

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Einführung

deutsche Zahlen sind nicht erhältlich9 • Eine im Auftrag der Europäischen Kommission erstellte Studie über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Parallelhandels auf die europäische Industrie im Bereich des Markenrechts enthält zwar keine absoluten Zahlen zum finanziellen Umfang der derzeitigen Parallelimporte in der EU; jedoch sind die Darstellungen zum Marktanteil von Parallelimporten in den untersuchten Branchen aufschlußreich. Danach wird der Parallelhandel mit Autos, Elektrogeräten, Haushaltsgeräten, alkoholischen Getränken, Lederwaren und Schuhen derzeit als gering (d.h. unter 5% des Gesamthandels) eingeschätzt. Zwischen 5 und 10% des Handels mit Markenbekleidung, alkoholfreien Getränken und Süßigkeiten ist Parallelhandel. Ein großer Marktanteil parallel importierter Waren ist derzeit nur bei Tonträgern (teilweise bis zu 20%) und Parfum/Kosmetik (13 % ) feststellbar lO• Wie hoch die Verluste für die Schutzrechtsinhaber sind, läßt sich nur schwer berechnen, da diese von der Prognose abhängen, wieviel mehr Umsatz ohne Parallelhandel möglich gewesen wäre. Fest steht jedenfalls, daß nur ein verhältnismäßig geringer Anteil der Güter auf sog. "grauen Märkten" parallel gehandelt wird. Daraus läßt sich folgern, daß zumindest die direkten Auswirkungen des Parallelhandels nicht dramatisch sein können. Wenn Parallelimporte aber dennoch so sehr umstritten sind, geht es im wesentlichen um deren mittelbare Auswirkungen auf den Handel. Die Ausweitung von Parallelimporten führt nämlich zur Entstehung von sog. "intra-brand"-Wettbewerb und längerfristig zu einer allgemeinen Preissenkung der betroffenen Erzeugnisse, da infolge des Wettbewerbs durch Parallelimporte auch die autorisierten Händler gezwungen sind, die Preise zu senken 11 • III. Wirtschaftstheoretische Grundlagen und Argumentation Eine Arbeit zum internationalen Wirtschaftsrecht kann die wirtschaftstheoretischen Grundlagen des internationalen Handels nicht außer acht lassen. Daher seien im folgenden kurz die wirtschaftstheoretischen Grundlagen des gewerblichen Rechtsschutzes sowie einige darauf aufbauende wirtschaftliche Argumente für und gegen die internationale Erschöpfung dargestellt. 9 Die Verfasserin hat das Bundesministerium für Wirtschaft, das Bundesministerium für Justiz, alle großen Wirtschafts-/lnteressenverbände sowie einige große deutsche Unternehmen mit der Bitte um Zahlenmaterial angeschrieben, allerdings übereinstimmend die Antwort erhalten, es gebe keine empirischen Studien. 10 Tab. 4.2. der NERA-Studie, S. 12. 11 Diese wirtschaftlichen Folgen werden selbst von dem Parallelhandel skeptisch gegenüberstehenden Studien nicht ausgeschlossen, vgl. Chard/Mellor, World Economy 1989,69, 77ff.

C. Wirtschaftliche Bedeutung und Bewertung von Parallelimporten

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Die Wirtschaftstheorie steht der Anerkennung gewerblicher Schutzrechte grundsätzlich positiv gegenüber. Die Frage des Schutzumfangs und damit des Erschöpfungsregimes ist dadurch jedoch noch nicht entschieden. Der Patentschutz wird in der modemen Wirtschaftslehre rein wettbewerbstheoretisch begründet. Im Rahmen des Wettbewerbsprozesses wird es einem Anbieter gelingen, nicht nur eine marginal verbesserte Leistung anzubieten, sondern zum sog. "Pionier-Unternehmer" zu werden, indem seine Aktivität zu Innovationen führt, die erhebliche Kostenerspamisse ermöglichen (Prozeßinnovationen) oder neue Produkte hervorbringen, die den bisher angebotenen deutlich überlegen sind (Produktinnovationen). Die Furcht, bei Passivität im Wettbewerb zurückzufallen, oder die Hoffnung, an den Erfolgen des Pioniers teilhaben zu können, lösen eine Phase der Imitation 12 aus, die bei modellgerechtem Verlauf darin endet, daß der Wettbewerbsvorsprung des Pionier-Unternehmers aufgeholt wird und damit verlorengeht. Patente dienen nun dem Zweck, den Innovatoren für eine gewisse Zeit ein Pioniermonopol zu sichern, um den Abstand zwischen Innovator und Imitator zu gewährleisten, der als Voraussetzung für neue Innovation gilt. Durch sein zeitlich und geographisch beschränktes Monopolrecht ist der Patentinhaber in der Lage, durch entsprechende Preisgestaltung seine Forschungs- und Entwicklungskosten zu amortisieren sowie andere am Kopieren der Erfindung zu hindern. Die Erfindung wird im Gegenzug öffentlich zugänglich gemacht und kann zu neuen, darauf aufbauenden Forschungsprojekten Anlaß geben und möglicherweise zu neuen Erfindungen führen. Dabei wird die Sicherung der Gewinnrealisierung unter monopol ähnlichen Bedingungen heute nicht mehr als "Belohnung" für die Erfindung verstanden, sondern rein objektiv als Anreiz für entsprechendes Verhalten in der Zukunft, nämlich neue Forschung und Entwicklung 13 • Von diesem wettbewerbstheoretischen Standpunkt aus ist zwar der Schutz von Patenten als solcher notwendig. Allerdings läßt sich die staatliche Hilfeleistung zur Marktabschottung durch Verhinderung von Parallelimporten nicht mehr erklären. Daher scheint eine Ausdehnung der im Binnenmarkt gefundenen Erschöpfungslösung auf den Weltmarkt aus Wettbewerbssicht durchaus möglich und sogar sinnvoll. Das Problem besteht hier weniger in der theoretischen Anerkennung, daß eine Ausdehnung 12 Der Begriff Imitation ist hier nicht im Sinne der markenrechtlichen Nachahmung und Produktpiraterie zu verstehen. In der Wirtschaftstheorie wird damit lediglich der Versuch, den Pionier-Unternehmer einzuholen, bezeichnet, vgl. dazu Berg, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, S. 250f. 13 Ausführlich zur Wettbewerbstheorie Berg, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, S. 241 ff.; vgl. auch Lilley, AIPPI Journal 1998, 123, 132ff.

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sinnvoll ist, als vielmehr im "Gefangenendilemma" der Staaten, von denen keiner den ersten Schritt machen möchte. Eine internationale Regelung ist daher unerläßlich. Das Markenrecht als zeitlich unbeschränktes Ausschließlichkeitsrecht läßt sich hingegen nicht wettbewerbstheoretisch erklären. Das genannte Anreizargument greift hier nicht; auch wird keine Leistung der Öffentlichkeit zugängig gemacht, auf die auch durch Dritte weiter aufgebaut werden könnte. Eine Erklärung für das Markenrecht kann daher nur eigentumsrechtlich mit der sog. "Property Rights"-Theorie gefunden werden l4 . Auch unter diesem Gesichtspunkt ist es nicht geboten, dem Markeninhaber ein Recht zur Verhinderung von Parallelimporten einzuräumen. Es gibt soweit ersichtlich keine wirtschaftswissenschaftlichen Arbeiten, in denen zuverlässige Modelle zur Beurteilung der Auswirkungen der Zulassung der internationalen Erschöpfung auf die Weltwirtschaft entwikkelt worden wären. Die in diesem Bereich erwähnenswerte Studie von Malueg/Schwartz hat zwar zum Ergebnis, daß im Vergleich zwischen vollkommener Preisdiskriminierung und Einheitspreisen aufgrund Zulassung von Parallelimporten der Wohlfahrtsgewinn bei Preisdiskriminierung höher sein dürfte 15 . Bei einem Modell der Preisdiskriminierung nur zwischen einigen wenigen Ländergruppen fielen diese Wohlfahrtsgewinne noch höher aus 16 . Diese Studie beruht jedoch auf so vielen vereinfachenden Grundannahmen über weltweite wirtschaftliche Gegebenheiten und Verhaltensmuster der betroffenen Unternehmen 17 , daß die Ergebnisse eher als Entscheidungshilfen denn als Entscheidungsvorgaben anzusehen sind 1g. In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur steht bisher die allgemeinere Frage im Vordergrund, ob ein strengerer Schutz von geistigen Eigentumsrechten überhaupt wirtschaftlich sinnvoll ist 19. Ergebnis dieser Studien ist, daß ein verstärkter 14 Vgl. insb. Krauß, Die internationale Erschöpfung des Markenrechts unter Berücksichtigung der Gesetzgebung und der Markenfunktionen, S. 156ff.; Lehmann, GRUR 1983, 356ff.; ders., in: Neumann, Ansprüche, Eigentums- und Verfügungsrechte, S. 519 ff.; Schön/eid, Die Gemeinschaftsmarke als selbständiger Vermögensgegenstand eines Unternehmens, S. 266 ff. 15 MalueglSchwartz, 37 1. Int. Econ. 1994, 167, 175ff., 190. 16 MalueglSchwartz, 37 J. Int. Econ. 1994, 167, 184ff., 190ff. 17 MalueglSchwartz, 37 J. Int. Econ. 1994, 167, 170ff. 18 Daß die Zulassung von Parallel importen nicht zu Einheitspreisen führt, verdeutlicht das Beispiel der EU, wo durchaus Preisunterschiede zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten beibehalten wurden. Kritisch gegenüber dieser Studie auch Abbott, First Report, JlEL 1998, 697, 613, 620 f. Andere wirtschaftstheoretische Arbeiten zu Parallelimportfrage sind rein hypothetischer Natur und daher noch weniger aussagekräftig, so z.B. ChardlMellor, World Economy 1989, 69ff. 19 Vgl. etwa Ferrantino, Weltwirtschaftliches Archiv 1993, 300ff; Helpman, Econometrica 1993, 1247ff. m.w.N.; Kondo, 29 JWT 6, 1995,97; Mansfield, Intellectual propertY protection, foreign direct investment, and technology transfer, 1994;

C. Wirtschaftliche Bedeutung und Bewertung von Parallelimporten

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Immaterialgüterrechtsschutz für Entwicklungsländer im wesentlichen negative Folgen hat. Ein erhöhtes Schutzniveau führt dazu, daß die Produzenten in Industrieländern ihren Standort beibehalten. Die dadurch erhöhte Nachfrage nach Produktionsfaktoren in den Industrieländern hat eine Erhöhung des dortigen Preisniveaus und damit eine Verbesserung der Terms of Trade der Industrieländer im Vergleich zu den Entwicklungsländern zur Folge. In den Entwicklungsländern, die durch das hohe Schutzniveau an der Imitation der geschützten Produkte gehindert sind, kann diese negative Entwicklung der Terms of Trade nicht ausgeglichen werden, so daß sie die "Verlierer" eines strengeren Immaterialgüterrechtsschutzes sind2o• Die Auswirkungen auf die Industrieländer werden nicht einheitlich beurteilt. Teilweise wird angenommen, der Norden profitiere oder verliere von der Schutzverstärkung, je nach dem, ob die positive Bilanz der Terms of Trade durch Effektivitätsverluste infolge der Beibehaltung des Produktionsstandorts in der Hochpreisregion (ineffiziente interregionale Produktionsallokation) zunichte gemacht werde. Bei Annahme einer ursprünglich relativ hohen Imitationsrate sei davon auszugehen, daß der Norden von der Verstärkung des Schutzes profitiere, andernfalls sei gesamtwirtschaftlich auch hier mit Verlusten zu rechnen. Eine Steigerung der Innovationsrate sei jedenfalls nur kurzfristig anzunehmen. Längerfristig werde sie infolge der Absicherung der Marktmacht des Produzenten und des dadurch verminderten Anreizes zur Forschung wieder sinken, so daß dann auch im Norden die Güterversorgung nicht mehr verbessert sein werde 21 . Andere Autoren nehmen an, daß angesichts des erheblichen Anteils geschützter Waren am Gesamtwelthandel verbunden mit der zunehmenden Fähigkeit (insbesondere von Schwellenländern) zur Imitation, ein verbesserter Schutz für die Industriestaaten von erheblicher Bedeutung sei und auch wohlfahrtstheoretisch gerechtfertigt werden könne. Zumindest längerfristig könne ein strengerer Schutz des geistigen Eigentums auch im Interesse der Entwicklungsländer liegen, weil die verbesserten Wachstumsbedingungen in den Industrieländern auch auf sie zurückwirkten 22 • Maskus, The World Economy 1990, 387ff.; Preuße, Die Welthandelsorganisation (WTO) und die geistigen Eigentumsrechte, 1995, m. w. N.; Primo Braga, Vand. 1. Transnat'l L. 22 (1989), 243; Primo Braga/Fink, International Transactions in Intellectual Property and Developing Countries, 1998. 20 Die wirtschaftliche Entwicklung Japans sowie der Schwellenländer der ersten Generation (Taiwan, Hongkong, Singapur und Südkorea) und der zweiten Generation (Thailand, Indonesien u. a.) verdeutlicht, daß die Ausnutzung des technologischen Potentials der Industriestaaten durch Imitation von großer Bedeutung für die Entwicklung ist. 21 So insbesondere Helpman, Econometrica 1993, 1247ff. 22 Vgl. dazu insbesondere Preuße, Die Welthandelsorganisation (WTO) und die geistigen Eigentumsrechte, S. 7 ff. m. w. N. 3 Freytag

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Zur Frage der wirtschaftlichen Auswirkungen der Einführung der internationalen Erschöpfung im Markenrecht der EU ist mittlerweile die von der Europäischen Kommission im April 1997 in Auftrag gegebene Studie erschienen23 • Die NERA-Studie untersucht anhand von zehn ausgewählten Industriebranchen die wirtschaftliche Bedeutung von Parallelhandel (Parallelimporte und -exporte) mit markenrechtlich geschützten Erzeugnissen für die EU, wobei einerseits von der einseitigen Einführung der internationalen Erschöpfung durch die EU ausgegangen wird, andererseits von der Einführung durch die EU, die USA und Japan auf Gegenseitigkeitsbasis. Dabei ergab sich für beide Szenarien als Ergebnis der Untersuchung, daß die internationale Erschöpfung kurzfristig voraussichtlich eine gewisse Senkung des Preisniveaus für die meisten Markenartikel in der EU zur Folge hätte. Außerdem sei mit einem (allerdings geringfügigen) Anstieg der Beschäftigung in der EU zu rechnen. Auf der anderen Seite seien Einbußen der europäischen Industrie zu erwarten. Bei der einseitigen Einführung der internationalen Erschöpfung lägen diese Einbußen für die meisten Markenartikelhersteller in einem mittleren Bereich bei etwa 15%, allerdings mit starken Schwankungen nach unten und oben 24 • Im Falle der reziproken Einführung wären sie für die meisten Branchen mit nur 3-6% geringer, nur für Kraftfahrzeuge, Elektro- und Haushaltsgeräte wären auch hier Gewinneinbußen in Höhe von 15-19% zu erwarten 25 . Insgesamt seien die kurzfristigen Folgen unter makro-ökonomischen Gesichtspunkten als gering einzuschätzen. Längerfristige Vorhersagen seien kaum möglich, da nicht kalkulierbar sei, wie die schwerer betroffenen Firmen auf die Gewinneinbußen reagieren werden26 • Angesichts der Tatsache, daß bislang kaum empirisches Material über die wirtschaftlichen Folgen von Parallelhandel zusammengetragen wurde, ist es zu begrüßen, daß nun eine aktuelle Studie zumindest für die EU vorliegt. Dennoch kann aus den Ergebnissen der NERA-Studie kein allgemeingültiger Schluß über Sinn oder Unsinn der Anerkennung der internationalen Erschöpfung im Markenrecht gezogen werden. Denn zum einen bezieht sich die Untersuchung ausschließlich auf die EU-Industrie; weltweite Folgen sind damit nicht kalkulierbar27 . Zum anderen muß die Vorgehensweise berücksichtigt werden. Ein Großteil der wirtschaftlichen Analyse 23 NERA-Studie. Zu den Auswirkungen von Parallelhandel im Bereich patentierter Waren gibt es soweit ersichtlich bisher kein vergleichbares empirisches Material. 24 NERA-Studie S. 27 Table 6.1. ~ NERA-Studie S. 28 Table 6.2. 26 NERA-Studie S. 25 ff. 27 In der NERA-Studie (S. 9) klingt nur an, daß Japan aufgrund des in vielen Branchen im Verhältnis zur EU höheren Preisniveaus eher mit Parallelimporten zu rechnen habe, die USA mit einem insgesamt niedrigeren Preisniveau eher als Parallelexporteur in Frage kommt.

c.

Wirtschaftliche Bedeutung und Bewertung von Parallelimporten

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beruht auf Umfragen, die unter betroffenen Gruppen (Unternehmen, Verbraucherverbände etc.) durchgeführt wurden. Dabei war die Antwortquote sehr gering. Auch wurden viele wirtschaftliche Informationen nur "nach bestem Wissen" gegeben. Die Verallgemeinerungen in der Studie sind daher mit Vorsicht zu behandeln. Außerdem liegen der NERA-Studie Preisinformationen aus Sekundärquellen zugrunde 28 , die zu allgemein sind, um eine konkrete Grundlage für eine solche Untersuchung zu bilden. Die zur Beurteilung der Frage, ob die Einführung der internationalen Erschöpfung im Markenrecht wirtschaftlich sinnvoll wäre, wesentlichen Ergebnisse über dynamische Folgen einer solchen Rechtsänderung vermag die NERA-Studie nicht zu geben; vorsichtige Aussagen über solche dynamischen Konsequenzen basieren auf den (wie bereits dargelegt problematischen) Umfrageergebnissen 29 . Da empirische Studien über die Auswirkungen von Parallelhandel auf den Welthandel sowohl im Bereich markenrechtlich als auch patentrechtlich geschützter Erzeugnisse fehlen, kann hier nur eine allgemeine Auseinandersetzung mit einigen wesentlichen wirtschaftlichen Argumenten für bzw. gegen die Einführung der internationalen Erschöpfung erfolgen 3o. Gegen die Einführung eines internationalen Erschöpjungsgrundsatzes wird insbesondere geltend gemacht, die internationale Erschöpfung werde den Unterschieden in der wirtschaftlichen Leistungskraft der verschiedenen Länder nicht gerecht und vermindere den Anreiz zu neuer Forschung. Wenn ein Erzeugnis in einem Land mit niedrigem Lebensstandard auf den Markt gebracht werde, liege sein Preis grundsätzlich unter dem, der in höher entwickelten Ländern erzielt werde. Allerdings müßten Unternehmen durch den Verkauf ihrer Produkte in den entwickelteren Ländern ausreichend Geld erwirtschaften, um in die Erforschung und Entwicklung neuer Produkte investieren zu können. Die Anwendung der internationalen Erschöpfung vermindere jedoch diese "Entlohnung" der Erfinder und Hersteller, wodurch auch der Anreiz zu neuer Innovation gemindert werde, was wiederum der Innovationspolitik der meisten (insbesondere entwickelten) Länder zuwiderlaufe. Vgl. Anhang C der NERA-Studie. Zur Kritik an der Methode der NERA-Studie vgl. auch Abbott, Second Report, S. 7f. Vorteile der internationalen gegenüber der nationalen/regionalen Erschöpfung weisen eine Studie der schwedischen Kartell behörde über die voraussichtlichen Auswirkungen der regionalen Erschöpfung auf den schwedischen Markt und eine Studie der neuseeländischen Regierung zur Erschöpfungsfrage aus, vgl. Kur, GRUR Int. 1999,725,726 Fn. 7. 30 Zu den verschiedenen Argumenten vgl. auch Chard/Mellor, World Economy 1989, 69ff.; Europäische Kommission, L'epuisement des droits de propriete intellectuelle et industrielle, S. I f.; NERA-Studie, S. 5 ff. 28

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Einführung

Diese Argumentation wird allerdings durch die Ergebnisse der im Rahmen der NERA-Studie durchgeführten Umfrage bei Markenartikelherstellern relativiert. Danach wollten betroffene Unternehmen auf die Einführung der internationalen Erschöpfung zwar mit Preisanpassungen und der Verstärkung ihrer Vertriebssysteme reagieren, nicht hingegen mit einer Reduktion von Forschung und Entwicklung31 • Auch muß bedacht werden, daß durch Preissenkungen in Hochpreisländern infolge der Zulassung von Parallelimporten unter Umständen hier mehr Waren absetzt werden können, so daß die Unternehmen von Skalenerträgen profitieren können. Weiter wird vorgebracht, die internationale Erschöpfung könne Verbrauchererwartungen enttäuschen, wenn unter demselben Markennamen angebotene Produkte, die in verschiedenen Ländern hergestellt wurden, unterschiedliche Geschmacks- und/oder Qualitätsmerkmale aufweisen. Infolge solcher Enttäuschung könnten die Verbraucher sich von bestimmten Markenprodukten abwenden, was nicht nur dem Ruf und dem Image der betroffenen Unternehmen, sondern letztlich auch ihrer wirtschaftlichen Lage schade. Wie noch zu zeigen sein wird, ist der Gefahr der Rufschädigung durch Parallelimporte in der MRRL vorgebeugt worden, indem in solchen Fällen eine Kennzeichnungspflicht für Parallelimporte besteht. Der EuGH hat in Urteilen wie beispielsweise dem zum Reinheitsgebot für Bier32 dem Argument eine Absage erteilt, aus Verbraucherschutzgründen staatliche Restriktionen aufrechterhalten zu müssen, und auf den ausreichenden Schutz der Verbraucher durch entsprechende Kennzeichnung des Produkts verwiesen. Auch international wäre eine solche Lösung denkbar. Außerdem wird angenommen, die internationale Erschöpfung gefährde die Versuche der Unternehmen, ein After-Sales-Servicenetz und die Qualitätsgarantie sicherzustellen. Wenn die Erzeugnisse aus allen Regionen der Erde unbeschränkt importiert werden könnten, bleibe für die lokalen Händler- und Vertriebsnetze nur noch die Unterhaltung und Reparatur der Erzeugnisse, was jedoch nicht genüge, um die Rentabilität des Systems zu gewährleisten. Ein After-Sales-Servicesystem und ein Garantiesystem (mit zum Teil großer Lagerhaltung von Ersatzteilen) rentierten sich nur, wenn der Verkauf des Erzeugnisses im Vordergrund stehe. Dazu ist zu bemerken, daß bestehende Vertriebssysteme, wenn sie unrentabel sind, eben angepaßt werden müssen. Das ist grundsätzlich eine Folge ungehinderten Wettbewerbs. Jedenfalls aber handelt es sich hierbei um ein Problem des Wettbewerbsrechts, nicht des geistigen Eigentumsrechts 33 . 31 32

JJ

NERA-Studie, S. 17. EuGHE 1987, 1227. Vgl. auch Venna, He 1998,534,561.

C. Wirtschaftliche Bedeutung und Bewertung von Parallel importen

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Schutzrechtsinhaber bauen unter dem Schutz der nationalen Erschöpfung weltweit Vertriebsnetze aus, um ihr Monopol zu stärken. In Verträgen mit Lizenznehmern oder Alleinvertriebsberechtigten werden handelsbeschränkende Klauseln aufgenommen, um Vertriebssysteme zu schaffen, die territoriale Exklusivität hinsichtlich des Vertriebs der geschützten Erzeugnisse gewährleisten, so daß die Preisgestaltung allein den Vertreibern obliegt. Dabei kommt es auch zu wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, die sich auf nationaler Ebene mit Hilfe des Wettbewerbsrechts unterbinden lassen. Auf internationaler Ebene, auf der die multinationalen Unternehmen agieren, fehlt dagegen ein zuverlässiger Mechanismus zur Mißbrauchskontrolle. Sowohl zum Schutz legaler Vertriebsnetze als auch zur Kontrolle wettbewerbsbeschränkender Systeme ist auf Dauer eine internationale Harmonisierung des Wettbewerbsrechts daher unumgänglich 34 . Für die Übergangszeit läßt sich an eine Regelung entsprechend dem Beispiel der EG-Gruppenfreistellungs verordnungen für Patentlizenzverträge 35 bzw. Know-how-Lizenzverträge denken 36 . Diese sorgen für einen angemessenen Schutz und Rechtssicherheit für den Lizenznehmer, erlauben aber gleichzeitig Parallelimporte unter diesen Lizenznehmern. Auch wird argumentiert, die internationale Erschöpfung sei willkürlich im Falle staatlich preisregulierter Märkte. Wenn der Preis eines Produktes nicht durch die Marktkräfte bestimmt werde, sondern staatlich festgelegt sei, könnte die internationale Erschöpfung einen zerstörerischen Effekt haben. Die Produzenten, deren Produkte aufgrund der Preiregulierung im Ausland wesentich günstiger erhältlich seien als im nichtpreisregulierten Inland, könnten aufgrund der Konkurrenz durch die günstigeren Parallelimporte im Inland nicht mehr die zur Amortisation ihrer F&E-Kosten erforderlichen Gewinne machen. Wirtschaftswissenschaftler haben ein gewisses Verständnis für Marktsegmentierungen im Bereich staatlicher Preisbindungssysteme, wenngleich die aus ihrer Sicht beste Lösung nicht das Parallelimportverbot, sondern die Aufhebung der staatlichen Preisregulierung wäre. Die Frage, ob eine weltweite Zulassung von Parallelimporten trotz 34 Art. 8 Abs. 2, 40 Abs. 2 TRIPS erlauben den Mitgliedstaaten zwar, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den Mißbrauch von Rechten des geistigen Eigentums durch die Rechtsinhaber oder den Rückgriff auf Praktiken, die den Handels unangemessen beschränken, zu verhindern. Im Interesse der Beteiligten am internationalen Handel ist aber dennoch ein einheitliches internationales Wettbewerbsrecht wichtig, zu Bestrebungen in diese Richtung vgl. Fikentscherllmmenga, Draft International Antitrust Code. 35 ABI. 1984, L 219/15 und ABI. 1989, L 61/1. 36 So auch Verma, HC 1998, 534, 561, der vorschlägt, "aktiven Wettbewerb" der Parallelimporteure, d. h. durch Werbemaßnahmen, zeitweilig zu unterbinden, während "passiver Wettbewerb" erlaubt sein soll. Ebenso YusujlMoncayo von Hase, 16 World Competition 1992, 115, 125f.

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Einführung

staatlicher Preisregulierung erfolgen soll, wird im Zusammenhang mit der Übertragbarkeit der in der EG gefundenen Lösungen auf den Welthandel eingehend diskutiert werden 37 . Und schließlich wird vorgetragen, die Anwendung eines Grundsatzes der internationalen Erschöpfung habe negative Auswirkungen auf Drittstaaten, insbesondere auf Entwicklungsländer, da die Inhaber von Schutzrechten, wenn sie billige Parallelimporte aus diesen Ländern zu befürchten hätten, entweder die Preise auch dort anheben oder sogar die Versorgung dieser Länder mit ihren Produkten ganz einstellen würden. Dadurch würde nicht nur für die inländischen Unternehmen der Marktzugang in Drittstaaten erschwert, sondern auch gewisse Entwicklungshilfemaßnahmen wie die Vergabe günstiger Lizenzen zur Produktion "nützlicher" Erzeugnisse wie z. B. Medikamenten gefährdet. Die Zulassung von Parallelimporten führe global gesehen daher zu einer Wohlfahrtsminderung. Dieses Argument ist kritisch zu beleuchten. Zu bedenken ist, daß Unternehmen nur ihren Anteilseignern verpflichtet sind. Die sog. "Entwicklungshilfe" ist daher keine Wohltätigkeit seitens dieser Unternehmen, sondern findet nur statt, wenn sie sich - und sei es nur ideell durch Aufwertung des Rufes des Unternehmens - rentiert. Jedenfalls sollten Marktverhältnisse wie Lohnniveau, Umweltstandards, Gewerkschaftswesen u. ä. keinen Einfluß auf die Regelung der Erschöpfung geistiger Eigentumsrechte haben, die sich richtigerweise nur nach objektiven Kriterien wie Zustimmung des Schutzrechtsinhabers und Möglichkeit einer Belohnungsrealisierung richten darf38 • Für die Einführung der internationalen Erschöpfung wird im wesentlichen das "allgemeine Freihandelsargument" ins Feld geführt 39 . Seit den Schriften von Adam Smith und David Ricardo im 18. Jahrhundert und dem Bestehen einer Theorie des internationalen Handels ist der Grundsatz anerkannt, daß im Rahmen der Handelsbeziehungen zwischen verschiedenen Staaten der Freihandel diejenige Lösung ist, die für die beteiligten Staaten am nützlichsten ist, und daß protektionistische Maßnahmen immer zu Marktschwächen (Unvollkommenheiten des Marktes) und damit zu Kosten führen. Freihandel ist ein wesentliches Element eines effizienten Weltmarktes, das es den Unternehmen erlaubt, ihre Wettbewerbsvorteile auszunützen und von Skalenerträgen (economies of scale) zu profitieren. Unten Teil 11, G. II. 2. a). Zutreffend Verma, IIC 1998, 534, 564. Zur Beurteilung der Lage bei staatlichen Preisbingen für Medikamente unten Teil I, C. I. 7. und Teil 11, G. 11. 2. 39 Vgl. Europliische Kommission, L'epuisement des droits de propriete intellectuelle et industrielle, S. 1 f.; NERA-Studie, S. 7f.; Quick, An Industrial View on International Exhaustion of Patent Rights, S. 1 f. 37 38

C. Wirtschaftliche Bedeutung und Bewertung von Parallel importen

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In den vergangenen zehn Jahren hat sich in der Handelspolitik ein revolutionärer Wandel vollzogen, wobei der wesentliche Aspekt dieser weitreichenden Veränderungen in der Entstehung eines weltweiten Konsenses über die grundlegende Bedeutung des Freihandels für wirtschaftlichen Fortschritt liegt. Dieser spiegelt sich wider im Grad der Handelsliberalisierung, der im Rahmen der Uruguay-Runden-Verhandlungen des GATI erzielt werden konnte. Aber auch auf nationaler Ebene haben einige Staaten (hauptsächlich in Süd- und Südost-Asien) durch autonome Programme zur Handelsliberalisierung und/oder Gesetzesreformen zu dieser Entwicklung beigetragen. Darüber hinaus ist auf zunehmende Bestrebungen regionaler Integration hinzuweisen, die den Freihandel und generell offene Wirtschaftspolitik fördern sollen4o • Offene Handelspolitiken tragen zum schnellen Fortschreiten internationaler wirtschaftlicher Interdependenz bei, wodurch nicht nur enorme Wachstumsmöglichkeiten, sondern auch ein gemeinsames Interesse von Staaten unterschiedlicher Entwicklungsstufen geschaffen werden. Die WTO gibt diesem neuen Wirtschafts verständnis einen vertraglichen Rahmen und Stabilität und gewährleistet seine Durchsetzbarkeit41 • Es wird nun vorgebracht, der Grundsatz der nationalen bzw. regionalen Erschöpfung führe aufgrund der Unzulässigkeit von Parallelimporten zur Abschottung des nationalen bzw. regionalen Marktes. Folglich könne die Wirtschaft dieses Staates oder dieser Gemeinschaft nicht von der internationalen Arbeitsteilung, von Wettbewerbsvorteilen, von Skalenerträgen durch Massenproduktion (econornies of sc ale) oder dem intensiver werdenden Wettbewerb profitieren. Ein Staat, der sich für die nationale Erschöpfung entscheide, verweigere somit seinen Einwohnern mögliche Wohlfahrtsgewinne aufgrund Außenhandels. Unter der Voraussetzung, daß ein bestimmtes Produkt im Ausland günstiger ist als im Inland, könnten inländische Verbraucher von der internationalen Erschöpfung profitieren, da infolge möglicher Importe des günstigen Produkts auch im Inland die Preise dafür gesenkt werden müßten. Das Preisniveau im Inland würde tendenziell sinken, wobei zu beachten sei, daß das Geschäft weiterhin im wesentlichen 40 Es gibt kaum noch WTO-Mitgliedstaaten, die nicht mindestens einer regionalen Wirtschaftsgruppierung angehörten. Im MERCOSUR wird auf die völlige Vereinheitlichung des gemeinsamen Außenzolltarifs und auf weitergehende Integration in anderen Politikbereichen hingearbeitet. Eine ähnlich Entwicklung ist unter den Anden-Staaten zu beobachten, aber auch in Afrika (SADC, SACU) und im asiatischen Raum (AFfA, SAFfA, ASEAN, APEC) wird stärkere Integration angestrebt. Zu diesen Entwicklungen vgl. WTO, Annual Report 1997, Vol. I, S. 3f., 23f.; Übersicht über Regionalabkommen in Annual Report 1996, Vol. I, Übersicht Tab. 111.2 auf S. 40ff. Allerdings sollte man vorsichtig sein bei Schlüssen vom rechtlichen Bestehen solcher Regionalabkommen auf deren tatsächliches wirtschaftliches Funktionieren. 41 WTO, Annual Report 1996, Vol. I, S. 4; Annual Report 1997, Vol. I, S. 3f.

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Einführung

bei den inländischen Anbietern verbleiben und der Bedarf nicht nur über Parallelimporte gedeckt wird, weil aufgrund des Wettbewerbs mit den Parallelimporteuren die inländischen Anbieter ihre Preise senken würden und weiterhin den Markt - eben zu niedrigeren Preisen - versorgen würden. Diese Senkung des Preisniveaus wiederum führe zu Wohlfahrtsgewinnen. Die Verbraucher Gedenfalls in Staaten mit hohem Preisniveau) profitierten daher von der internationalen Erschöpfung. Gegen die Anwendbarkeit des Freihandelsgrundsatzes auf den Parallelhandel und damit die Frage des Erschöpfungsregimes sprechen allerdings gewichtige Gründe42 . Im Fall von Parallelhandel sind wesentliche Grundvoraussetzungen, die den Freihandelstheorien zugrundeliegen, nicht erfüllt. Die von Adam Srnith begründete Klassische Freihandelstheorie ist ein statisches Modell, das auf der Annahme sog. vollkommener Märkte mit vollkommener Konkurrenz, offenem Marktzugang und Unbeeinflußbarkeit des Preises durch den Anbieter beruht43 • Parallelimporte setzen aber das Bestehen von Immaterialgüterrechten voraus, die ihrem Inhaber Ausschließlichkeitsrechte gewähren. Dadurch können die Rechtsinhaber sowohl die Preise vorgeben, als auch andere Anbieter abwehren. Die Voraussetzungen der vollkommenen Konkurrenz sowie des offenen Marktzugangs sind also nicht erfüllt. Hinzu kommt, daß die klassischen wie auch die neoklassischen Handelstheorien auf einem Zwei-Güter-Modell beruhen, im Fall von Parallelimporten aber nur "ein" Gut gehandelt wird. Bei der sog. Neuen Außenhandelstheorie wird zwar auch intra-sektoraler Handel berücksichtigt; auch wird von unvollkommenen Märkten ausgegangen. Jedoch beruht die Annahme unvollkommener Märkte in diesen Modellen hauptsächlich auf der Berücksichtigung steigender Skalenerträge. Die Voraussetzung des freien Marktzugangs wird hingegen in der Regel beibehalten44 , so daß die dargestellte Problematik im Hinblick auf Parallel importe bleibt. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, daß die Wirtschaftstheorie kein Musterkonzept für die Frage der Erschöpfung bereit hält. Auch die praktischen Auswirkungen der Zulassung von Parallelimporten sind schwer einzuschätzen. Sie hängen von zu vielen Unwägbarkeiten ab. Empirisches Zahlenmaterial, das Rückschlüsse auf ein zu favorisierendes Erschöpfungsmodell zuließe, fehlt aber weitgehend.

42 Dazu Fink, Does national exhaustion of intellectual property rights contradict the principle of free trade?, 1998. 43 Berg, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, S. 247f.; Krugman/Obstjeld, International Economics, S. 13ff. 44 Krugman/Obstjeld, International Economics, S. 67ff.

Teil I

EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten A. Entwicklung des gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfungsgrundsatzes Kurz nach Gründung der EWG wurden in der Literatur die ersten Stimmen laut, die angesichts des Ziels der Schaffung eines Binnenmarkts die Übertragung der im nationalen Recht anerkannten Erschöpfungslehre auf die EWG forderten 1• Ursprünglich überprüfte der EuGH nationalstaatlich gewährte Schutzrechte des geistigen Eigentums hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit EG-Recht auf der Grundlage der Art. 85, 86 EWGV 2 • Da jedoch nicht immer die Voraussetzungen der Art. 85, 86 EWGV (Vereinbarung, abgestimmte Verhaltensweise, marktbeherrschende Stellung) vorlagen, konnten so nicht alle Fälle zur Überprüfung gelangen. In seiner Sirena-Entscheidung 3 zog der EuGH im Rahmen der Prüfung der Art. 85, 86 EWGV erstmals auch Art. 36 EWGV heran. Die alleinige Anwendung der Vorschriften über den freien Warenverkehr (Art. 30, 36 EWGV) als Prüfungsmaßstab für die Vereinbarkeit nationaler Schutzrechte mit dem EWG-Vertrag erfolgte erstmals im Jahre 1971 in der Entscheidung Deutsche Grammophon ./. Metro 4 • Dort stellte der EuGH den Grundsatz der gemeinschaftsweiten Erschöpfung - begründet aus Art. 30, 36 EWGV - für das Urheberrecht auf. Später folgten entsprechende Entscheidungen für andere gewerbliche Schutzrechte, darunter das Marken- und Patentrecht5 • I Insb. Koch/Froschmaier, GRUR Int. 1965, 121; vgl. auch die Darstellung bei Möschel, Die rechtliche Behandlung der Paralleleinfuhr von Markenware innerhalb der EWG, S. 125ff.; a.A. Gotzen, GRUR Int. 1958, 224 mit der Theorie von der totalen Bereichsausnahme. 2 EuGHE 1966, 321 - Grundig ./. Consten; EuGHE 1968, 85 - Parke, Davis; EuGHE 1971, 69 - Sirena ./. Novimpex; vgl. Hejermehl/Fezer, in: Hefennehl/Ipsen/Schluep/Sieben, Nationaler Markenschutz und freier Warenverkehr in der Europäischen Gemeinschaft, S. 65 ff.; zum Verhältnis der kartellrechtlichen Vorschriften zu den Freiverkehrsregelungen im Hinblick auf die Erschöpfungsfrage vgl. Körber, Der Grundsatz der gemeinschaftsweiten Erschöpfung im Recht der Europäischen Union, S. 62ff. 3 EuGHE 1971, 69 - Sirena ./. Novimpex. 4 EuGHE 1971,487.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

Im Markenrecht könnte sich eine Änderung des Prüfungsmaßstabs dadurch ergeben haben, daß die MRRL von 1988 und die GMVO von 1993 Regelungen zur Frage der Erschöpfung enthalten. Fraglich ist daher, ob die auf Art. 28, 30 (30, 36) EGV gestützte EuGH-Rechtsprechung aus der Zeit vor Inkrafttreten der MRRL und GMVO weiterhin zur Beurteilung der Frage der Zulässigkeit von Parallelimporten herangezogen werden kann. Dazu ist zunächst festzustellen, daß die Richtlinie und die Verordnung die für ihren Regelungsbereich spezielleren Hannonisierungsvorschriften enthalten, so daß das nationale Recht in erster Linie an diesen zu messen ist6 . Das gesamte Sekundärrecht der Gemeinschaft muß aber im Einklang stehen mit dem primären Gemeinschaftsrecht, so daß MRRL und GMVO ihrerseits im Lichte der Vertragsbestimmungen über den freien Warenverkehr auszulegen sind7 • Der EuGH stellte wiederholt fest, daß Art. 7 MRRL ebenso wie Art. 30 (36) EGV den Zweck habe, die grundlegenden Belange des Markenschutzes mit denen des freien Warenverkehrs im Gemeinsamen Markt in Einklang zu bringen. Da mit beiden Bestimmungen somit dasselbe Ergebnis angestrebt werde, seien sie gleich auszulegen 8 . Hinsichtlich der im Rahmen dieser Arbeit interessierenden Erschöpfungsregelungen der Art. 7 MRRL, Art. 13 GMVO kann daher die frühere Rechtsprechung des EuGH zu Art. 28, 30 (30, 36) EGV berücksichtigt werden. Allerdings ist zu bedenken, daß frühere Entscheidungen des EuGH teilweise unter den Vorbehalt des "gegenwärtigen Standes des Gemeinschaftsrechts" gestellt wurden 9 , der EuGH sich damit also eine Änderung seiner Rechtsprechung explizit offengehalten hat. 5 Im Rahmen dieser Arbeit interessieren nur die Entscheidungen zum Markenrecht, EuGHE 1976, 811 - Centrafarrn ./. Winthrop, und zum Patentrecht, EuGHE 1974, 1147 - Centrafarrn ./. Sterling Drug; Nachweise zu den übrigen Schutzrechten bei Ebenroth, Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Warenverkehrsfreiheit, S. 14f., Fn. 11. 6 EuGHE 1977, 1555, 1575f. Rz. 33, 35 - Tedeschi; EuGHE 1979, 3963, 3388 Rz. 14 Denkavit; EuGHE 1996, 1-3457, 3527 Rz. 25 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1997, 1-1729, 1746 Rz. 17 - Phytheron; Matthieslv. Borries, in: Grabitzl Hilf, Art. 36 Rz. 9; GTE-MÜller-Gra.fJ Art. 36 Rz. 13ff. 7 EuGHE 1996, 1-3457, 3527 Rz. 27 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1997, 1-1729, 1746 Rz. 18 - Phytheron; EuGHE 1997,1-6013,6047 Rz. 37 - Dior; JoUet, GRUR Int. 1991, 177, 183; Sack, EWS 1994, 333, 337; Schuster, Die Ausnahmen vom markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz, S. 31 f. m. w. N. 8 EuGHE 1996, 1-3457, 3531 Rz. 40 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3617 Rz. 27 - Eurim-Pharrn; EuGHE 1996, 1-3671, 3681 Rz. 13 - MPA Pharma; EuGHE 1997, 1-1729, 1748 Rz. 22 - Phytheron; EuGHE 1997, 1-6013, 6048,6051 Rz. 42, 53 - Dior; EuGHE 1997,1-6227,6251 Rz. 18 - Loendersloot. 9 EuGHE 1976, 1039, 1062 Rz. 7 - Terrapin ./. Terranova; EuGHE 1982, 2853, 2872 Rz. 20 - Keurkoop B. V. ./. Nancy Keen Gifts; vgl. auch lpsen, in: Hefer-

B. Grundsätze der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 30 (36) EGV

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Im Bereich des Patentrechts ist keine Harmonisierung durch Gemeinschaftsrechtsakte erfolgt; das Gemeinschaftspatentübereinkommen 10 von 1975 ist bisher nicht in Kraft getreten 11. Hier ist daher zu berücksichtigen, daß die Verfasser des Amsterdamer Vertrags in Kenntnis der Rechtsprechung des EuGH zu den Art. 28, 30 (30, 36) EGV die Vorschriften über den freien Warenverkehr nicht geändert haben. Für die Abwägung zwischen freiem Warenverkehr und gewerblichem Rechtsschutz bleibt auch nach Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrags die bisherige Rechtsprechung des EuGH maßgeblich 12. Auch eine Reform der Außenbeziehungen im Bereich von Dienstleistungen und geistigem Eigentum ist im Amsterdamer Vertrag nicht erfolgt. In dem Gutachten 1/94 hatte der EuGH diesbezüglich eine gemischte Kompetenz von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten angenommen 13. Durch den Amsterdamer Vertrag wurde lediglich Art. 133 (113) EGV durch einen Absatz 5 ergänzt, wonach der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments durch einstimmigen Beschluß die Anwendung der Absätze 1 bis 4 auf internationale Verhandlungen und Übereinkünfte über Dienstleistungen und Rechte des geistigen Eigentums ausdehnen kann, soweit sie durch diese Absätze nicht erfaßt sind l4 .

B. Grundsätze der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 30 (36) EGV Nach der Dassonville-Formel 1 ist eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine verbotene Einfuhrbeschränkung im Sinne des Art. 28 (30) EGV ,jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinmehl/lpsen/Schluep/Sieben, Nationaler Markenschutz und freier Warenverkehr in der Europäischen Gemeinschaft, S. 159, 208ff.; Kunz-Hallstein, GRUR Int. 1990, 747, 750; ders., GRUR Int. 1992, 81, 90; Schuster, Die Ausnahmen vom markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz, S. 33 f. 10 Übereinkommen über das Europäische Patent für den Gemeinsamen Markt (Gemeinschaftspatentübereinkommen), ABI. 1976, L 1711 in der geänderten Fassung von 1989 gemäß der Vereinbarung des Rates über Gemeinschaftspatente, geschlossen in Luxemburg am 15.12.1989, ABI. 1989, L 401/1. 11 Zu den Gründen für das Nichtinkrafttreten vgI. Europäische Kommission, Förderung der Innovation durch Patente - Grünbuch über das Gemeinschaftspatent und das Patentschutzsystem in Europa, KOM (97), 314, S. 9ff.; Krieger, in: Hilf/Oehler, Der Schutz des geistigen Eigentums in Europa, S. 117 f.; ders., GRUR 1998, 256,261 ff. 12 Bezüglich der Einheitlichen Europäischen Akte kam Beier, GRUR Int. 1989, 603, 607 bereits zum sei ben Ergebnis. 13 Gutachten 1/94 zum TRIPS und GATS, EuGHE 1994,1-5267, 5419 Rz. 105. 14 VgI. dazu Brok, Der Amsterdamer Vertrag: Etappe auf dem Weg zur europäischen Einigung, Integration 1997, 215.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallel importen

schaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern". Danach stellt die nationale Gewährung gewerblicher Schutzrechte eine solche verbotene Maßnahme gleicher Wirkung dar, soweit die Geltendmachung des Schutzrechts ein Importverbot zur Folge hat; das ist bei Anwendung des Grundsatzes der nationalen Erschöpfung der Fall. Eine Rechtfertigung kommt aber nach Art. 30 (36) EGV in Betracht. I. Anwendungsbereich des Art. 30 (36) EGV Zum Schutz des "gewerblichen und kommerziellen Eigentums" im Sinne des Art. 30 (36) EGV gehören nach der Rechtsprechung des EuGH zunächst alle gewerblichen Schutzrechte, d. h. Patente, Gebrauchsmuster, Sortenschutzrechte, Geschmacksmuster und Marken sowie geographische Herkunftsangaben und Ursprungsbezeichnungen, aber über den Wortlaut hinaus auch Urheberrechte und verwandte Schutzrechte. 2 Den Schutz gegen unlauteren Wettbewerb zählt der EuGH dagegen nicht dazu 3 . 11. Bestand und Ausübung gewerblicher Schutz rechte Für die Abgrenzung zwischen unzulässigen und nach Art. 30 (36) EGV gerechtfertigten Einfuhrbeschränkungen nimmt der EuGH eine Unterscheidung zwischen Bestand und Ausübung des nationalen Schutzrechts vor. Der Bestand des Schutzrechts richtet sich - soweit eine Rechtsvereinheitlichung auf EG-Ebene nicht stattgefunden hat - ausschließlich nach dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten; nach Art. 295 (222) EGV bleiben die Eigentumsordnungen der Mitgliedstaaten unberührt. Die Ausübung des Schutzrechts hingegen kann EG-rechtlich beschränkt sein4 • Entscheidend ist daher nach der Rechtsprechung des EuGH, ob die Ausübung zur Wahrung von Rechten erforderlich ist, die den "spezifischen Gegenstand" des Schutzrechts ausmachens . I EuGHE 1974, 837, 852 - Dassonville; vgl. Matthieslvon Borries, in: Grabitzl Hilf, Art. 30 Rz. 12ff.; Oppermann, Europarecht, Rz. 1292, 1295. 2 GTE-Müller-Graf!, Art. 36 Rz. 71ff.; Beier, GRUR Int. 1989, 603, 608f.; Matthieslvon Borries, in: Grabitz/Hilf, Art. 36 Rz. 19 m.w.N., allerdings a.A. bzgl. Herkunftsangaben und Ursprungsbezeichnungen. 3 Matthieslvon Borries, in: Grabitz I Hilf, Art. 36 Rz. 19 m.w.N.; GTE-MüllerGraf!, Art. 36 Rz. 74.; zur Kritik an der Nichteinbeziehung des Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb vgl. Beier, GRUR Int. 1989,603,609 m. W.N. 4 EuGHE 1974, 1147 - Centrafarm ./. Sterling Drug, EuGHE 1974, 1183 - Centrafarm ./. Winthrop, EuGHE 1981, 2063 - Merck ./. Stephar; vgl. Ebenroth, Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Warenverkehrsfreiheit, S. 15ff.; Matthiesl von Borries, in: Grabitz/Hilf, Art. 36 Rz. 21 m. w.N.; kritisch zu diesem Abgrenzungskriterium Beier, GRUR Int. 1989,603, 609f.

B. Grundsätze der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 30 (36) EGV

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III. Der "spezifische Gegenstand" des Schutzrechts als Rechtfertigung von Warenverkehrsbeschränkungen Nach der Rechtsprechung des EuGH läßt Art. 30 (36) EGV Ausnahmen von dem fundamentalen Grundsatz des freien Warenverkehrs innerhalb des Gemeinsamen Marktes nur insoweit zu, als diese Ausnahmen zur Wahrung der Rechte gerechtfertigt sind, die den "spezifischen Gegenstand" des geistigen Eigentums ausmachen. Nur soweit eine Beschränkung des freien Warenverkehrs notwendig und erforderlich ist, um dem spezifischen Gegenstand des jeweils in Frage stehenden gewerblichen und kommerziellen Eigentums Rechnung zu tragen, und damit das Privilegierungsziel des Art. 30 (36) S. 1 EGV zu verwirklichen, ist diese als gerechtfertigt anzusehen. Dabei gelangt der EuGH nach Art. 28, 30 (30, 36) EGV zu einer eigenständigen Bestimmung des spezifischen Gegenstands des jeweiligen Schutzrechts6 • 1. Spezifischer Gegenstand des Patentrechts

Im Bereich des Patentrechts ist der spezifische Gegenstand des gewerblichen Eigentums dadurch gekennzeichnet, "daß der Inhaber zum Ausgleich für seine schöpferische Erfindertätigkeit das ausschließliche Recht erlangt, gewerbliche Erzeugnisse herzustellen und in den Verkehr zu bringen, mithin die Erfindung entweder selber oder im Wege der Lizenzvergabe an Dritte zu verwerten"7. 2. Spezifischer Gegenstand des Markenrechts

Den spezifischen Gegenstand des Warenzeichenrechts kennzeichnet der EuGH dahingehend, "daß der Inhaber durch das ausschließliche Recht, ein Erzeugnis in den Verkehr zu bringen und dabei das Warenzeichen zu benutzen, Schutz vor Konkurrenten erlangt, die unter Mißbrauch der aufgrund des Warenzeichens erworbenen Stellung und Kreditwürdigkeit widerrechtlich mit diesem Zeichen versehene Erzeugnisse veräußem"s. Für die s EuGHE 1974, 1147 - Ceotrafann ./. Sterling Drug, st. Rspr.

Vgl. Ebenroth, Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Warenverkehrsfreiheit, S. 17ff.; Matthieslvon Borries, in: Grabitz/Hilf, Art. 36 Rz. 21 m. w. N.; GTE-Müller-Graff, Art. 36 Rz. 109ff.; kritisch zu diesem Abgrenzungskriterium Beier, GRUR lot. 1989, 603, 610; Körber, Der Grundsatz der gemeinschaftsweiteo Erschöpfung im Recht der Europäischen Union, S. 98 ff. 7 EuGHE 1974, 1147, 1163 Rz. 9 - Centrafann ./. Sterling Drug; st. Rspr., vgl. etwa EuGHE 1996,1-6285,6384 Rz. 30 - Merck n. 8 EuGHE 1974, 1183, 1195 Rz. 8 - Centrafann ./. Winthrop; st. Rspr., vgl. etwa EuGHE 1996,1-3457,3532 Rz. 44 - Bristol-Myers Squibb. 6

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

Bestimmung der genauen Reichweite des Ausschließlichkeitsrechts des Warenzeicheninhabers ist die Hauptfunktion des Warenzeichens zu berücksichtigen, die nach Ansicht des EuGH darin besteht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität des gekennzeichneten Erzeugnisses zu garantieren. Dem Verbraucher müsse ermöglicht werden, dieses Erzeugnis ohne Verwechslungsgefahr von Erzeugnissen anderer Herkunft zu unterscheiden. Diese Herkunftsgarantie schließe auch ein, daß der Verbraucher oder Endabnehmer sicher sein dürfe, daß an einem ihm angebotenen gekennzeichneten Erzeugnis nicht auf einer früheren Vermarktungsstufe durch einen Dritten ohne Zustimmung des Markeninhabers ein Eingriff vorgenommen wurde, der den Originalzustand des Erzeugnisses berührt hat, so daß das Recht, sich jeder Benutzung zu widersetzen, welche die Herkunftsgarantie verfalschen könnte, zum spezifischen Gegenstand des Warenzeichenrechts gehöre9 . Selbst wenn nach den dargestellten Grundsätzen eine Beschränkung des freien Warenverkehrs gerechtfertigt ist, kann diese nach Art. 30 (36) S. 2 EGV unzulässig sein, wenn die Ausübung des Schutzrechts eine willkürliche Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen Mitgliedstaaten zur Folge hat. Eine solch mißbräuchliche Rechtsausübung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sie geeignet ist, künstliche Abschottungen innerhalb des Gemeinsamen Marktes beizubehalten oder zu schaffen 10. In Parallelimportfallen erlangt die Definition des spezifischen Gegenstands schutzrechtsbegrenzende Wirkung. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH gehört nämlich die nach nationalem Recht (bei Anwendung des Grundsatzes der nationalen Erschöpfung) gegebene Befugnis des Schutzrechtsinhabers zur Abwehr von Parallelimporten der von ihm selbst, mit seiner Zustimmung oder durch eine wirtschaftlich von ihm abhängige Person innerhalb der EG (mittlerweile des EWR) rechtmäßig in Verkehr gebrachten Ware nicht zum spezifischen Gegenstand des betreffenden Schutzrechts 11 •

9 EuGHE 1978, 1139, 1165 Rz. 7 - Hoffmann-La Roche ./. Centrafarm; EuGHE 1978, 1823, 1841 Rz. 14 - Centrafarm ./. American Horne Products Corporation; EuGHE 1996,1-3457, 3531 f. Rz. 43ff. - Bristol-Myers Squibb. 10 EuGHE 1976, 1039, 1062f. Rz. 7 - Terrapin ./. Terranova; EuGHE 1978, 1823, 1841 Rz. 19ff. - Centrafarm ./. American Horne Products Corporation; EuGHE 1982,2853,2873 Rz. 24 - Keurkoop ./. Nancy Kean Gifts. Die Verhinderung von Parallelimporten kann als Hauptfall solch mißbräuchlicher Ausübung gewerblicher Schutzrechte angesehen werden, vgl. Beier, GRUR Int. 1989,603, 6lOff. 11 Vgl. nur EuGHE 1974, 1147, 1163 f. Rz. IOff. Centrafarm ./. Sterling Drug; EuGHE 1974, 1183, 1195 Rz. 9 ff. - Centrafarm ./. Winthrop; EuGHE 1996, 1-3457, 3532 Rz. 45 - Bristol-Myers Squibb.

B. Grundsätze der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 30 (36) EGV

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IV. Zurechnung des Inverkehrbringens Der EuGH hat den Grundsatz aufgestellt, der Schutzrechtsinhaber habe die Erschöpfungsfolgen seiner eigenen Vertriebshandlungen im gesamten Binnenmarkt gleichermaßen hinzunehmen. Ihm stehe der Binnenmarkt nur als einheitliches, nicht als privat segmentierbares Absatzgebiet offen 12. Diese Festlegung des Schutzrechtsinhabers auf sein eigenes Vertriebsverhalten erfordert, daß die dem Schutzrechtsinhaber angelasteten Absatzmaßnahmen auch von ihm beherrscht werden können 13. Daher setzt der gemeinschaftsrechtliche Erschöpfungsgrundsatz voraus, daß die Ware vom Schutzrechtsinhaber selbst oder mit seiner Zustimmung in Verkehr gebracht wurde 14. Inverkehrbringen bedeutet die Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt auf einen anderen, der dadurch in die Lage versetzt wird, die Sache zu veräußern oder zu gebrauchen 15. Das Inverkehrbringen durch den Schutzrechtsinhaber selbst birgt keine Probleme; es läßt sich in aller Regel problemlos feststellen. Aus diesem Merkmal ergibt sich, daß nur Original waren des Rechtsinhabers von der Erschöpfung betroffen sind, nicht dagegen Konkurrenzwaren oder nachgeahmte Produkte 16. In solchen Fällen kommen Parallelimporte nicht in Betracht. Wird die Ware durch wirtschaftlich und rechtlich selbständige Dritte in Verkehr gebracht, tritt die gemeinschaftsrechtliche Erschöpfung nur ein, soweit der Dritte mit Zustimmung und in deren Grenzen handelt. Die Grenzen dieser Zustimmung kann der Schutzrechtsinhaber allerdings nicht beliebig, sondern nur ihrerseits in Übereinstimmung mit der Warenverkehrs- und Wettbewerbsfreiheit setzen 11. Zustimmung bedeutet in diesem Zusammenhang ein einvernehmliches Inverkehrbringen l8 . Nach Art. 28, 76 Abs. 1 GPÜ 19 bedarf es für die patentrechtliehe Erschöpfung einer ausdrücklichen Zustimmung der Patent12 Das gilt sogar dann, wenn in einzelnen Mitgliedstaaten kein Patentschutz besteht, EuGHE 1981,2063,2082 Rz. II - Merck I; dazu unten Teil I, C. I. 6. 13 Ullrich, GRUR Int. 1983, 370, 371. 14 Z. B. Art. 7 Abs. I MRRL, Art. 13 Abs. I GMVO; Art. 28 GPÜ; EuGHE 1974, 1147, 1168 Nr. 1 des Tenors - Centrafarrn ./. Sterling Drug; EuGHE 1974, 1183, 1199 Nr. 1 des Tenors - Centrafarrn ./. Winthrop; st. Rspr. 15 BemhardtlKraßer, Lehrbuch des Patentrechts, S. 548; Fezer, Markenrecht, § 14 MarkenG Rz. 471; Mes, Patentgesetz, § 9 Rz. 96; Schulte, Patentgesetz, § 9 Rz. 36; zum Problem der Lieferung ins Ausland Litten, WRP 1997, 678, 680f.; Sack, GRUR 1999, 193, 195. 16 Zu dem Problem der sog. Teilidentität von Waren unten Teil I, C. I. 2. und D. I. 3. b) cc) (6) (a). 17 Ullrich, GRUR Int. 1983, 370, 371.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

inhabers. Da alle anderen Erschöpfungsregelungen in Gemeinschaftsrechtsakten keine solche Beschränkung enthalten, genügt insoweit auch die konkludente Zustimmung. Die bloße Duldung des Inverkehrbringens erfüllt diese Anforderungen allerdings nicht2o • In der Regel werden aber vertragliche Vereinbarungen über das Inverkehrbringen vorliegen. Vertriebsvereinbarungen, durch die Vermarktungs- und Distributionssysteme errichtet werden, enthalten namentlich im internationalen Handels- und Wirtschaftsverkehr vertragliche Vereinbarungen über die Zustimmung des Markeninhabers zur Benutzung seines Kennzeichens, wozu auch das Inverkehrbringen zählt. Auch Lizenzverträge enthalten regelmäßig eine die Erschöpfung bewirkende Zustimmung des Schutzrechtsinhabers21 . Bei Zustimmung des Rechtsinhabers zum Inverkehrbringen tritt Erschöpfung nur hinsichtlich derjenigen Erzeugnisse ein, auf die sich diese Zustimmung erstreckt. Es genügt nicht, daß sie sich nur auf die jeweilige Warenart bezieht. 22 Das ist insbesondere von Bedeutung, wenn Waren aus Drittstaaten in die Gemeinschaft eingeführt werden sollen. Im Verhältnis zu diesen Drittstaaten gilt der Grundsatz der regionalen Erschöpfung 23 , so daß das Inverkehrbringen dieser Erzeugnisse außerhalb der Gemeinschaft nicht zur Erschöpfung der Schutzrechte in der Gemeinschaft führt. Auch wenn der Hersteller identische Waren in der Gemeinschaft vertreibt, sind Parallelimporte der in Drittstaaten in Verkehr gebrachten Waren demnach unzulässig. Einen gerade im internationalen Handel bedeutsamen Sonderfall stellt das Inverkehrbringen durch konzernverbundene Unternehmen dar. Eine ausdrückliche Zustimmung zum Inverkehrbringen wird hier regelmäßig fehlen. Da allerdings der gemeinschaftsrechtliche Erschöpfungsgrundsatz durch Registrierung erfindungsgleicher Parallelpatente oder der gleichen Marke für konzernangehörige Tochtergesellschaften in den einzelnen Mitgliedstaaten umgangen werden könnte, wird das Inverkehrbringen durch ein konzern18 Fezer, Markenrecht, § 24 MarkenG, Rz. 21; zur Zustimmung durch Geltendmachung von Schadensersatz und Bereicherungsansprüchen gegen den Verletzer vgl. Sack, GRUR 1999, 193, 197. 19 Nach Art. 79 Abs. 1 GPÜ ist die Erschöpfungsregelung des Art. 76 auf nationale Gebrauchsmuster oder Gebrauchszertifikate entsprechend anzuwenden. Das GPÜ ist allerdings noch nicht in Kraft getreten. 20 Fezer, Markenrecht, § 24 MarkenG, Rz. 21. 21 Benkard-Bruchhausen, Patentgesetz, § 9 Rz. 22; Fezer, Markenrecht, § 24 MarkenG, Rz. 25. 22 So neuerdings zu Art. 7 Abs. 1 MRRL explizit EuGH, Urt. v. 1.7.1999, Rs. C-173/98 Rz. 18ff. - Sebago. Das entspricht der bereits bisher ganz herrschenden Meinung, vgl. nur BerUt, Das neue Markenrecht, Rz. 322; Fezer, Markenrecht, § 24 Rz. 17f.; Hubmann/Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, S. 176. 23 Dazu im einzelnen unten Teil I, C. II. und D. II.

B. Grundsätze der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 30 (36) EGV

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angehöriges Unternehmen den anderen zugerechnet 24 • Im Markenrecht wird der Konzern als kennzeichenrechtliche Einheit behandelt25 , so daß die Konzernunternehmen sich nicht auf ihr Markenrecht berufen können, um den Parallelimport von Waren zu verhindern, die von einem Konzernunternehmen im EWR in Verkehr gebracht wurden. Für den Eintritt der europarechtlichen Erschöpfung ist es dabei unerheblich, ob die Produktmarkierung durch ein konzernverbundenes Unternehmen aufgrund eines Lizenzvertrags (etwa im Verhältnis eines Mutterunternehmens zu einem Tochterunternehmen oder verschiedener Tochterunternehmen untereinander) erfolgt, oder ob für das produktmarkierende Konzernunternehmen selbst nationaler Zeichenschutz besteht. Im Falle dezentraler Schutzrechtszuständigkeiten im Konzern soll die jeweilige nationale Marke nicht auf die Herkunft aus einer nationalen Produktionsstätte, sondern als Hinweis auf die Herkunft aus dem Konzern dienen, so daß die Herkunftsfunktion gewahrt bleibt. Die Schutzrechtslage innerhalb des Konzerns ist hinsichtlich der Erschöpfungswirkung rechtlich irrelevant, ebenso wie die Frage, ob es sich um originäre oder abgeleitete Marken handelt 26 . Auch im Patentrecht wird der Konzern als Einheit angesehen, die die gegenseitige Zurechnung des Inverkehrbringens rechtfertigt27 . Art. 76 Abs. 2 GPÜ sieht beispielsweise vor, daß bei einem nationalen Patent die Erschöpfung auch für ein Erzeugnis eintritt, "das der Inhaber eines für dieselbe Erfindung in einem anderen Vertrags staat erteilten nationalen Patents, der mit dem Inhaber des [vorgenannten einzelstaatlichen] Patents wirtschaftlich verbunden ist, in Verkehr gebracht hat". 24 EuGHE 1976, 1039, 1064 Tenor - Terrapin ./.Terranova; EuGHE 1982, 2853, 2873 Rz. 25 - Keurkoop ./. Nancy Kean Gifts, st. Rspr. Ob grenzüberschreitende konzerninterne Lieferungen Lieferungen zur Erschöpfung führen, beurteilt sich nach dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten. In Deutschland wird hier mangels Inverkehrbringens keine Erschöpfung angenommen, vgl. nur Benkard-Bruchhausen, Patentgesetz, § 9 Rz. 17; Fezer, Markenrecht, § 14 MarkenG Rz. 473f.; Mes, Patentgesetz § 9 Rz. 31; kritisch Ullrich, GRUR Int. 1983, 370, 373 ff. 25 Ebenroth, Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Warenverkehrsfreiheit, S. 26 m.w.N.; Fezer, Markenrecht, § 24 MarkenG, Rz. 19; differenzierend Ullrich, GRUR Int. 1983,370, 373f. 26 Ebenroth, Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Warenverkehrsfreiheit, S. 26 m. w. N.; Fezer, Markenrecht, § 24 MarkenG, Rz. 19; Hejennehl/Fezer, in: Hefermehl/Ipsen/Schluep/Sieben, Nationaler Markenschutz und freier Waren verkehr in der Europäischen Gemeinschaft, S. 117 ff. 27 Benkard-Bruchhausen, Patentgesetz, § 9 Rz 19, 22; Ebenroth, Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Warenverkehrsfreiheit, S. 55; Ullrich, GRUR Int. 1983, 370, 373 ff., der allerdings bei dezentral gehaltenen Patentrechten die konkrete Einflußmöglichkeit innerhalb des Konzerns und bei zentraler Schutzrechtszuständigkeit eine tatsächliche Absatzermächtigung, an deren Vorliegen allerdings keine hohen Anforderungen zu stellen seien, fordert. 4 FreYlag

Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

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Unterschiede der nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten im Verständnis eines Konzerns im Rechtssinne sind marken- und patentrechtlieh unerheblich. Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt es nur darauf an, daß irgendeine rechtliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit besteht, die die marken- oder patentrechtliehe Zurechnung des Inverkehrbringens rechtfertigt 28 .

C. Parallelimporte patentierter Erzeugnisse Im Bereich des Patentrechts hat bisher auf EG-Ebene keine materielle Rechtsangleichung stattgefunden. Bemühungen um die Schaffung eines Gemeinschaftspatents sind bislang gescheitert. Das am 15.12.1975 in Luxemburg unterzeichnete Gemeinschaftspatentübereinkommen I in der 1989 durch die Vereinbarung des Rates über Gemeinschaftspatente geänderten Fassung 2 (im folgenden GPÜ) ist mangels ausreichender Ratifikation bis heute nicht in Kraft getreten. Allerdings hat die Europäische Kommission in ihrem Arbeitsprogramm für 1999 die Ausarbeitung eines Vorschlags zur Schaffung eines Gemeinschaftspatents aufgenommen 3 . Die Reichweite des gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfungsgrundsatzes und damit die Zulässigkeit von Parallelimporten bestimmt sich daher im Rahmen der EG nach den Art. 28, 30 (30, 36) EGV, die durch die Rechtsprechung des EuGH präzisiert wurden. Im folgenden wird zunächst die Problematik der Parallelimporte im Handel zwischen den Mitgliedstaaten dargestellt, bevor auf die Handhabung des Problems im Handel mit Drittstaaten eingegangen wird. I. Vorgehen gegen Parallelimporte aus Mitgliedstaaten Der Patentinhaber kann sich auf sein nationales Patentrecht zur Abwehr von Parallel importen nicht berufen, wenn diese Rechtsausübung durch den spezifischen Gegenstand des Patentrechts nicht gerechtfertigt ist oder eine verschleierte Handelsbeschränkung oder willkürliche Diskriminierung darstellt. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergeben sich einige Anhaltspunkte, wo jeweils die Grenze zwischen rechtmäßiger Ausübung des nationalen Schutzrechts und gemeinschaftsrechtswidriger Handelsbeschränkung liegt. EuGHE 1976, 1039, 1063 Rz. 8 - Terranova ./. Terrapin. Übereinkommen über das europäische Patent für den Gemeinsamen Markt (Gemeinschaftspatentühereinkommen), ABI. 1976, L 17/1; auch abgedruckt in Genera/sekretariat des Rates der EuropiJischen Gemeinschaften, Dokumente der Luxemburger Konferenz über das Gemeinschaftspatent 1975, S. 317 ff. 2 Vereinbarung des Rates über Gemeinschaftspatente, geschlossen in Luxemburg am 15.12.1989, ABI. 1989, L 40111 mit Anhang GPÜ, ABI. 1989, L 401/9. 3 KOM (98) 609 endg., Nr. 18; ABI. 1998, C 366/1, 2. 28 I

C. Parallelimporte patentierter Erzeugnisse

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1. Erfindungsgleiches Parallelpatent

a) Inhaberidentisches erfindungsgleiches Parallelpatent

Ist der Inhaber eines inländischen Patents gleichzeitig in einem anderen Mitgliedstaat Inhaber eines ausländischen Parallelpatents, d. h. eines Patents hinsichtlich der identischen Erfindung 4 , kann er sich nicht aufgrund des inländischen Parallelpatents gegen den Import der in dem anderen Mitgliedstaat von ihm selbst oder mit seiner Zustimmung in Verkehr gebrachten Erzeugnisse wehren 5 . Der Patentinhaber hat durch das erste Inverkehrbringen in diesem Mitgliedstaat sein ausschließliches Verwertungsrecht ausgeübt und dadurch einen Ausgleich für seine schöpferische Leistung erhalten. Dürfte der Patentinhaber sein nationales Schutzrecht in einem solchen Fall ausüben, könnte er die nationalen Märkte innerhalb der EG voneinander abschotten, wodurch der freie Warenverkehr schwerwiegend beeinträchtigt würde. Das durch das nationale Patentrecht gewährte Verwertungsrecht erlaubt das erstmalige Inverkehrbringen unter monopol artigen Verhältnissen. Angesichts der Tatsache, daß es sich um Patente an derselben Erfindung handelt und dieses in einem Mitgliedstaat bereits verwertet wurde, ist eine weitere Marktsegmentierung innerhalb der EG nicht mehr zur Erhaltung der Substanz dieses Verwertungsrechts erforderlich. Der Grundsatz des freien Warenverkehrs fordert, daß einmal rechmäßig in Verkehr gebrachte Waren wie im nationalen Markt frei zirkulieren können. Dieser Grundsatz überwiegt hier. Sowohl unter Zustimmungs- als auch unter Belohnungsgesichtspunkten ist ein Schutz des Patentinhabers nicht erforderlich. Ebensowenig kann der Patentinhaber den Parallelimport verhindern, wenn das ausländische Parallelpatent nicht ihm selbst, sondern einem von ihm rechtlich oder wirtschaftlich abhängigen Unternehmen zusteht. Andernfalls könnten die Vorschriften über den freien Warenverkehr durch die Verteilung der nationalen Patente auf unterschiedliche konzernangehörige Unternehmen umgangen werden. Den Ausgleich für die im Konzern hervorgebrachte Erfindung erlangt der Konzern, so daß dieser hinsichtlich der Vorschriften über den freien Warenverkehr als Einheit zu betrachten ist. Die jeweiligen Patentinhaber müssen sich das Inverkehrbringen durch ein konzern angehöriges Unternehmen zurechnen lassen 6 • Dies stellt eine 4 Der jeweils gewährte nationale Schutzumfang braucht dabei nicht identisch zu sein, weil der Bestand der nationalen gewerblichen Schutzrechte durch den EGV nicht berührt wird, siehe oben Teil I, B. 11. 5 EuGHE 1974, 1147 - Centrafram ./. Sterling Drug, st.Rspr. 6 Benkard-Bruchhausen, Patentgesetz, § 9 PatG Rz. 22; Ebenroth, Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Warenverkehrsfreiheit, S. 55; auch im Konzern auf besondere Zurechenbarkeitskriterien abstellend Ullrich, GRUR Int. 1983, 370, 372ff. Vgl. dazu bereits oben Teil I, B. IV.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

zum Schutz gegen Umgehung notwendige Erweiterung des Zustimmungskriteriums dar. b) Erfindungsgleiches originäres Patent unabhängiger Dritter

Steht das ausländische erfindungsgleiche Patent nicht demselben Patentinhaber bzw. einem konzernangehörigen Unternehmen zu, sondern einem rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Dritten, der es originär erlangt hat 7 , so "mag" nach Ansicht des EuGH eine Abwehrbefugnis des inländischen Patentinhabers gegen Importe gerechtfertigt seins. Es stellt sich hier zunächst die Frage, ob es sich in einem solchen Fall überhaupt um Parallelimporte handelt. Das könnte zweifelhaft sein, weil die importierten Waren aus voneinander unabhängigen Quellen stammen, so daß man annehmen könnte, es handle sich um unterschiedliche Produkte, bei denen zwar ein Import, jedoch kein "Parallel"import vorliegen könne. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß es sich um identische Erfindungen handelt. Eine Lösung des Problems sollte daher nicht durch eine wertende Auslegung des Begriffs der Parallelimporte erfolgen, sondern nach rechtlichen Kriterien vorgenommen werden. Die Zögerlichkeit des EuGH bei der Beantwortung dieser Frage läßt sich aber nur dadurch erklären, daß es sich in bei den Fällen um ein bloßes "obiter dictum" handelte. Denn sowohl unter Zugrundelegung des Zustimmungskriteriums, als auch bei Berücksichtigung des Belohnungsgedankens muß man zu dem Ergebnis gelangen, daß eine Abwehrbefugnis zur Wahrung des spezifischen Gegenstands des nationalen Patentrechts erforderlich ist9 • Durch den Import der im anderen Mitgliedstaat für den Dritten geschützten Erzeugnisse kann der inländische Patentinhaber keinen Ausgleich für seine schöpferische Tätigkeit erlangen. Auch liegt keine Zustimmung des inländischen Patentinhabers zum Inverkehrbringen durch den selbständigen Dritten vor; dessen Verhalten ist dem inländischen Patentinhaber angesichts der rechtlichen und wirtschaftlichen Selbständigkeit bei der 7 Ein originärer Erwerb eines Patentes für dieselbe Erfindung ist sicher selten. Aufgrund des absoluten Neuheitsbegriffs im Patentrecht setzt er nämlich voraus, daß in verschiedenen Unternehmen dieselbe Erfindung gemacht wurde und keines der Unternehmen diese vor dem Prioritätszeitpunkt der anderen Anmeldung veröffentlicht hat. Die Anmeldungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten müssen also beinahe zeitgleich vorgenommen werden. 8 EuGHE 1974, 1147, 1163 Rz. 11 - Centrafarrn ./. Sterling Drug; EuGHE 1981, 2063, 2080 Rz. 5 - Merck I. 9 Ebenroth, Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Warenverkehrsfreiheit, S. 56 und Comish, Intellectual Property, S. 247 stellen zu unrecht nur auf den Belohnungsgedanken ab.

C. Parallelimporte patentierter Erzeugnisse

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Unternehmen auch sonst keinesfalls zurechenbar. In einer solchen Konstellation können wechselseitige Importe aufgrund der jeweiligen nationalen Patentrechte abgewehrt werden. c) Eifindungsgleiches derivativ erworbenes Patent unabhängiger

Dritter/Patentaufspaltung

Unter Patentaufspaltung ist der Fall zu verstehen, daß der Inhaber eines ausländischen erfindungsgleichen Patentrechts dieses nicht originär (bzw. derivativ von einem dritten selbständigen und originären Inhaber) erlangt hat, sondern derivativ von dem inländischen Patentinhaber. Dieser Fall tritt weitaus häufiger auf als der des originären Erwerbs, da er sich insbesondere infolge rechts geschäftlicher Übertragung des Patentrechts ergibt. Allerdings kann auch der Fall des derivativen Rechtserwerbs nicht anders beurteilt werden als der des originären Erwerbs. In dem zum Markenrecht ergangenen Ideal-Standard-Urteil lO hat der EuGH die Anforderungen an eine die Erschöpfung bewirkende Zustimmung zum Inverkehrbringen in einer Weise definiert, die als allgemein gültig anzusehen ist. Danach entspricht die in jeder Übertragung liegende Zustimmung nicht der Zustimmung, deren es für die Erschöpfung des Rechts bedarf. Dafür ist im Markenrecht vielmehr erforderlich, daß der Rechtsinhaber im Einfuhrstaat unmittelbar oder mittelbar die Befugnis zur Bestimmung der Kennzeichnung und zur Qualitätskontrolle hat. Diese Befugnis erlischt aber, wenn der Markeninhaber durch eine Übertragung die Verfügungsgewalt über das Warenzeichen an einen Dritten verliert, zu dem er in keinerlei wirtschaftlicher Beziehung steht, unabhängig davon, ob eine zwangsweise oder privatautonome Aufspaltung vorliegt. Auf das Patentrecht übertragen kann die Entscheidung nicht anders ausfallen. Auch hier hat der Veräußerer dem Inverkehrbringen durch den Erwerber nicht zugestimmt. Das vom EuGH als spezifischer Gegenstand des Patentrechts geforderte ausschließliche Recht des Patentinhabers, zum Ausgleich für seine schöpferische Leistung gewerbliche Erzeugnisse herstellen und in Verkehr bringen zu dürfen, d. h. die Erfindung selbst oder durch Lizenzvergabe an Dritte zu verwerten 11, wird durch die Veräußerung des Patentrechts nicht wahrgenommen. Die Kontrolle über das Inverkehrbringen durch den rechtlich und wirtschaftlich unabhängigen Patenterwerber geht nämlich durch die Veräußerung verloren. Damit behält der Patentveräußerer 10 EuGHE 1994, 1-2789, 2850f. Rz. 43, 46 - Ideal Standard; siehe dazu auch unten Teil I, D. I. 2. 11 EuGHE 1974, 1147, 1163 Rz. 9 - Centrafarm ./. Sterling Drug; vgl. oben Teil I, B. III. 1.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

das Recht, gegen den Import von Erzeugnissen vorzugehen, die nach Patentrechtsübertragung von dem unabhängigen Dritten in Verkehr gebracht wurden 12. Dasselbe muß auch für das Abwehrrecht des Patenterwerbers gelten. Auch dessen im Erwerb liegende "Zustimmung" kann nach der Ideal-Standard-Rechtsprechung nicht als Zustimmung im Sinne des Erschöpfungsgrundsatzes angesehen werden, und zwar weder zum Inverkehrbringen patentierter Erzeugnisse vor noch nach dem Zeitpunkt des Rechtserwerbs. Auch er hatte und hat keinen Einfluß auf das Inverkehrbringen patentierter Erzeugnisse durch den Veräußerer 13 • Das Abstellen auf die Ideal-Standard-Rechtsprechung steht auch nicht im Widerspruch zu Äußerungen des EuGH in früheren Urteilen, insbesondere etwa in Centrafarm ./. Sterling Drug oder Merck I. In der Centrafarm ./. Sterling Drug-Entscheidung wurde zwar als mögliche Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz nur der originäre Rechtserwerb durch selbständige Dritte erwähnt 14 • Allerdings stellt diese Bemerkung, wie bereits dargelegt, ein bloßes obiter dictum dar und kann nicht als abschließende Festlegung der möglichen Ausnahmefälle angesehen werden 15 • Ebensowenig liegt ein Widerspruch zur Merck I-Entscheidung vor. Dort hatte der EuGH zwar ausgeführt, daß eine Abwehrbefugnis des Patentinhabers oder seiner Rechtsnachfolger ausscheide, wenn die Erzeugnisse von ihnen in den freien Verkehr gebracht wurden 16. Jedoch betraf diese Entscheidung nicht das Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber eines Patentrechts, so daß daraus nicht auf die Perpetuierung der Erschöpfung geschlossen werden kann 17. 12 Im Ergebnis ebenso Ullrich/Konrad, in: Dauses, Hdb. WirtschR, C. III. Rz. 25; noch vor der Ideal-Standard-Rechtsprechung Ebenroth, Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Warenverkehrsfreiheit, S. 61; a.A. Heath, HC 1997, 623, 627, der hier offensichtlich allein auf den Belohnungsgedanken abstellt und diesbezüglich den Veräußerungserlös genügen läßt. Damit verkennt er aber die Bedeutung des Zustimmungskriteriums. 13 Die früher teilweise vertretene Theorie der relativen Schutzfreiheit (Demaret, Patents, Territorial Restrictions, and EEC Law, S. 89f.), die im wesentlichen auf einer ökonomischen Betrachtung beruhte, hat mit der Ideal-Standard-Rechtsprechung des EuGH somit ihre Grundlage verloren. 14 EuGHE 1974, 1147, 1163 Rz. 11 - Centrafarm ./. Sterling Drug. 15 Anders noch Kommission, Stellungnahme vom 26. September 1975 betreffend den Entwurf eines Übereinkommens über das europäische Patent für den Gemeinsamen Markt, ABI. 1975, L 261/26, 29 Nr. 13f. Die Kommission schlug unter Berufung auf ebendiese Ausführungen im Urteil Centrafarm ./. Sterling Drug vor, in die Erschöpfungsregelungen des GPÜ ausdrücklich den Fall der Patentaufspaltung einzubeziehen. 16 EuGHE 1981, 2063, 2082 Rz. 13 - Merck I. 17 Zutreffend Ebenroth, Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Warenverkehrsfreiheit, S. 61.

c.

Parallelimporte patentierter Erzeugnisse

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Im Ergebnis ist daher festzuhalten, daß Parallelimporte sowohl durch den Veräußerer als auch durch den Erwerber eines Parallel patents unter Berufung auf das jeweilige nationale Patentrecht unterbunden werden können. 2. Weiterverarbeitung, Bearbeitung, Vermischung

Sind durch das rechtmäßige erste Inverkehrbringen die Rechte an einem patentierten Erzeugnis erschöpft, unterliegt der Erwerber hinsichtlich der weiteren Verwendung dieses Produkts keinen Beschränkungen durch den Patentinhaber mehr. Die Frage nach Abwehrbefugnissen des Patentinhabers stellt sich also nur dann, wenn eine Erschöpfung der Rechte am geschützten Erzeugnis nicht eingetreten ist, die Vermarktung durch Dritte aber nicht das patentierte Produkt selbst betrifft, sondern weiterverarbeitete Erzeugnisse, die das geschütze Produkt enthalten oder zu deren Herstellung geschützte Produkte verwendet wurden. In der Praxis treten solche Fälle beispielsweise auf, wenn Erzeugnisse importiert werden, die Bestandteile enthalten, welche unter einer Zwangslizenz oder im patentfreien Mitgliedstaat ohne Genehmigung des Patentinhabers hergestellt worden sind. Soweit ersichtlich sind zu diesem Problemkreis keine Urteile des EuGH ergangen. Das liegt unter anderem daran, daß es noch kein harmonisiertes Patentrecht innerhalb der Gemeinschaft gibt und nicht ersichtlich ist, wie nichtdiskriminierend auf innerstaatliche und gemeinschaftsweite Sachverhalte anwendbare Vorschriften des nationalen Rechts über den Schutz des Patentinhabers gegen· fremde Benutzungshandlungen handelsbeeinträchtigend wirken sollten. Die Rechtslage richtet sich somit nach dem jeweiligen nationalen Recht der Mitgliedstaaten und, da in der Regel keine ausdrückliche Regelung des Problems vorliegt, nach der Auslegung der das ausschließliche Benutzungsrecht statuierenden Vorschriften. Eine erschöpfende Darstellung der Auslegung der nationalen Regelungen der Mitgliedstaaten würde den Rahmen dieser Arbeit allerdings sprengen. Da es sich in solchen Fällen ohnehin nicht mehr um klassische Fälle von Parallelimporten handelt, weil die geschützten Erzeugnisse nicht mehr als solche, sondern in weiterverarbeitetem Zustand importiert werden, erscheint eine solche Darstellung auch entbehrlich. Im folgenden soll daher nur ein kurzer Überblick zur Auslegung der deutschen Regelung in § 9 PatG, die im wesentlichen Art. 28 Abs. 1 TRIPS entspricht und somit Aussagewert in bezug auf sie später zu diskutierende internationale Lösung hat, gegeben werden. Einigkeit besteht darüber, daß das Patentrecht als Immaterialgüterrecht jedenfalls nicht von einer Veränderung der zivilrechtlichen Eigentumslage

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallel importen

infolge Verbindung oder Vennischung berührt wird 18. Auch reicht der Schutz des Erzeugnispatents weiter als der eines Verfahrenspatents, der nach § 9 Nr. 3 PatG auf die durch das Verfahren "unmittelbar" hergestellten Erzeugnisse beschränkt ist. Im übrigen sind die Beurteilungskriterien aber in Rechtsprechung und Lehre umstritten, wobei insbesondere auf die "Herausnehmbarkeit", den Wert oder die technische Funktion des geschützten Gegenstands im Endprodukt abgestellt wird 19. Als taugliches Abgrenzungskriterium läßt sich herauskristallisieren, daß eine Abwehrbefugnis ausscheidet, wenn das patentierte Erzeugnis im weiterverarbeiteten Endprodukt nur noch völlig unbedeutende oder überhaupt keine technische Funktion mehr erfüllt2o . Ansonsten kann sich der Patentinhaber gegen Importe der seine geschützten Produkte enthaltenden Erzeugnisse zur Wehr setzen. 3. Zwangslizenz

Das Inverkehrbringen eines patentgeschützten Erzeugnisses unter einer Zwangslizenz21 wurde vom EuGH im Fall Pharmon ./. Hoechsp2 als Ausnahme vom Grundsatz der gemeinschaftsweiten Erschöpfung anerkannt: "Im Falle der Erteilung einer Zwangslizenz durch die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats an einen Dritten, durch die diesem Herstellung und Inverkehrbringen des Erzeugnisses erlaubt werden, die der Patentinhaber normalerweise untersagen könnte, kann nicht davon ausgegangen werden, daß letzterer den Tätigkeiten dieses Dritten zugestimmt hat. Dem Patentin18 Vgl. nur Benkard-Bruchhausen, Patentgesetz, § 9 PatG Rz. 30; Klauer-Möhring, Patentrechtskommentar, § 6 Anm. 91; Lindenmaier-Weiss, Das Patentgesetz, § 6 Anm. 47. 19 Überblick bei Benkard-Bruchhausen, Patentgesetz, § 9 PatG Rz. 30 a und bei Ebenroth, Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Warenverkehrsfreiheit, S.69ff. 20 Vgl. LG Düsseldorf, GRUR 1987, 896, 899; Benkard-Bruchhausen, Patentgesetz, § 9 PatG Rz. 30 a; Ebenroth, Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Warenverkehrsfreiheit, S. 74f.; Moser von Filseck, GRUR 1977, 351, 355. 21 Die Zwangslizenz darf nicht auf einer gemeinschaftsrechtswidrigen Rechtsgrundlage beruhen. Um eine solche handelt es sich aber beispielsweise, wenn die Vorschrift den Fall der Deckung der Inlandsnachfrage durch Importe aus anderen Mitgliedstaaten den Fällen gleichstellt, in denen eine Zwangslizenz wegen unzureichender Ausübung des Patents erteilt werden kann. Dann liegt nämlich eine dem Gemeinsamen Markt zuwiderlaufende Diskriminierung von Mitgliedstaatseinfuhren gegenüber inländischer Produktion vor, EuGHE 1992, 1-829 - Kommission ./. Vereinigtes Königreich. Ebenso gemeinschaftsrechtswidrig ist die Praxis, einem Zwangslizenznehmer eine Importerlaubnis aus Drittstaaten für den Fall zu erteilen, daß der Patentinhaber die Inlandsnachfrage durch EG-Importe deckt, eine solche Importerlaubnis abzulehnen, wenn der Patentinhaber im Inland produziert, EuGHE 1992, 1-5335, 5381 - Generics. 22 EuGHE 1985, 2281 - Pharmon.

C. Parallelimporte patentierter Erzeugnisse

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haber wird nämlich durch eine solche Maßnahme sein Recht genommen, frei über die Bedingungen zu entscheiden, unter denen er sein Erzeugnis in den Verkehr bringen Will,,23. Die Substanz des Patentrechts bestehe aber im wesentlichen darin, dem Erfinder das ausschließliche Recht zu verleihen, das fragliche Erzeugnis als erster in den Verkehr zu bringen, um es ihm zu ermöglichen, einen Ausgleich für seine Erfindertätigkeit zu erhalten. Zum Schutz dieser Substanz des Ausschließlichkeitsrechts müsse sich der Patentinhaber gegen Parallelimporte unter einer Zwangslizenz in Verkehr gebrachter Erzeugnisse wehren können, wobei es unerheblich sei, ob die Zwangslizenz an ein Ausfuhrverbot geknüpft sei, ob in ihr Lizenzgebühren für den Patentinhaber festgesetzt seien und ob dieser deren Erhalt angenommen oder abgelehnt habe 24 • Der EuGH stützte sich in dieser Entscheidung im wesentlichen auf das Zustimmungskriterium, das er entgegen den Schlußanträgen von Generalanwalt Mancini vor einer zu extensiven Auslegung bewahrte. Generalanwalt Mancini hatte nämlich in Anlehnung an die Merck I-Rechtsprechung25 in seinen Schlußanträgen eine differenzierende Lösung vorgeschlagen. Der Patentinhaber, der sich in Kenntnis aller Einzelheiten des Rahmens, in dem er tätig werde, dem Verlust seiner Rechte aus dem Patent freiwillig aussetze, lasse freiwillig zu, daß die öffentliche Gewalt sein Recht antaste, und müsse die Folgen der von ihm getroffenen Entscheidung tragen. Daher habe das nationale Gericht im Einzelfall zu entscheiden, ob die Erteilung einer Zwangslizenz für den Patentinhaber ein (hinsichtlich der Frage, ob und wann es eintritt) ungewisses rechtliches Ereignis sei, aufgrund dessen das etwaige nachfolgende Inverkehrbringen des patentierten Erzeugnisses sich nicht unmittelbar oder mittelbar auf einen ausdrücklichen oder stillschweigenden Ausdruck seiner Zustimmung zurückführen lasse 26 • Die Auffassung von Generalanwalt Mancini führt nicht nur zu erheblicher Rechtsunsicherheit, weil keine klaren Abgrenzungskriterien erkennbar sind, wann von einem "ungewissen Ereignis" und wann von einer "konkludenten Zustimmung" gesprochen werden kann. Die nationale Regelung, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen Zwangslizenzen erteilt werden dürfen, ist teilweise sehr unbestimmt oder kompliziert27 und läßt kaum verbindliche Aussagen über die Wahrscheinlichkeit der Erteilung 23 24

25 26

mon.

EuGHE 1985, EuGHE 1985, EuGHE 1981, Schlußanträge

2281, 2298 Rz. 25 - Pharmon. 2281, 2298f. Rz. 26, 30 - Pharmon. 2063 - Merck I; dazu unten Teil I, C. I. 5. a). von Generalanwalt Mancini, EuGHE 1985, 2282, 2290 - Phar-

27 Vgl. die unbestimmten Rechtsbegriffe in § 24 dt. PatG und die im TRIPS-Abkommen in Art. 31 lit. a - I (c) aufgestellten Voraussetzungen für die Erteilung von Z wangslizenzen.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

einer Zwangslizenz zu. Müßte man gegenüber einem Patentinhaber, der sich kaum mit der nationalen Rechtslage im Anmeldestaat auskennt, nachsichtiger sein als gegenüber einem Patentinhaber, der besser informiert ist? Inwiefern müßte sich der Patentinhaber fahrlässige Unkenntnis zurechnen lassen? Wie hoch müßte die Wahrscheinlichkeit sein, damit man nicht mehr von einem "ungewissen Ereignis" sprechen kann? Generalanwalt Mancini verkennt darüber hinaus, daß durchaus ein Unterschied zwischen dem Inverkehrbringen eines Erzeugnisses in einem schutzfreien Mitgliedstaat und der Anmeldung eines Patents in einem Mitgliedstaat, dessen Rechtsordnung die Erteilung von Zwangslizenzen vorsieht, besteht. Im ersten Fall bringt der Patentinhaber die Erzeugnisse selbst in Verkehr und nimmt deren freies Zirkulieren damit in Kauf. Er führt das zur Erschöpfung führende Ereignis unmittelbar selbst herbei. Im zweiten Fall hängt der Entzug seiner Rechte von der weiteren Entscheidung der nationalen Behörden, eine Zwangslizenz zu erteilen, ab. Unabhängig davon, ob der Patentinhaber die rechtliche Möglichkeit der Erteilung von Zwangslizenzen kennt, nimmt er deren Erteilung durch die bloße Anmeldung des Patents nicht mit in Kauf. Gegen die Zulassung von Parallelimporten bei erstem Inverkehrbringen unter einer Zwangslizenz spricht ganz allgemein die Tatsache, daß damit dem enteignenden Hoheitsakt des die Zwangslizenz erteilenden Mitgliedstaats extraterritoriale Wirkung zukäme. Zudem läge eine derartige Wirkung außerhalb von Ziel und Zweck der Zwangslizensierung, die primär national staatliche Grunde haes. Dem EuGH ist daher beizupflichten, wenn er in der Erteilung einer Zwangslizenz in aller Regel keine Zustimmung des Patentinhabers sieht. Anders wird die Fallkonstellation zu beurteilen sein, daß die Zwangslizenz von einem Unternehmen beantragt wird, das rechtlich und wirtschaftlich vom Patentinhaber abhängig ist 29 . Nimmt man nicht bereits an, daß bei 28 Ebenroth, Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Warenverkehrsfreiheit, S. 63; Ullrich/Konrad, in: Dauses, Hdb. WirtschR, C. III. Rz. 27, die allerdings bezweifeln, ob die Entscheidung ebenso ausgefallen wäre, wenn es sich nicht um Direktimporte, sondern um Parallelimporte gehandelt hätte. Die Frage des Vorliegens einer Zustimmung sollte jedoch bei gleichen Umständen im Verhältnis zwischen Patentinhaber und Zwangslizenznehmer nicht von den äußeren Umständen im Einfuhrland abhängen. Ausführlich zum Zweck von Zwangslizenzen Demaret, GRUR Int. 1987, 1, der dann allerdings eine Abgrenzung nicht aufgrund des Zustimmungskriteriums, sondern nach der wirtschaftlichen Substanz des Ausschließlichkeitsrechts befürwortet. 29 So auch Generalanwalt Mancini in den Schlußanträgen zu Pharmon, EuGHE 1985, 2282, 2289 - Pharmon; Ebenroth, Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Warenverkehrsfreiheit, S. 63 f., der die Fallkonstellation allerdings für theoretisch hält.

C. Parallelimporte patentierter Erzeugnisse

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rechtlich und wirtschaftlich verbundenen Unternehmen bereits aufgrund dieser Verflechtung eine Zurechnung möglich ist, so daß es keiner weiteren Zustimmung bedarf, ist jedenfalls in der Nichtgeltendmachung des möglichen Einflusses auf dieses verbundene Unternehmen zur Verhinderung der Zwangslizenz eine konkludente Zustimmung zur Vermarktung (aufgrund der in Kauf genommenen Zwangslizenz) zu sehen 3o • Diese Situation wird in praxi allerdings kaum vorkommen. Denn der Patentinhaber riskiert hier, daß er Parallelimporte seines Konzernunternehmens nicht abwenden kann. Dann aber ist es wirtschaftlich günstiger, einen Lizenzvertrag mit einem Dritten zu ausgehandelten, in aller Regel höheren Gebühren als den Zwangslizenzgebühren zu schließen oder es zumindest auf die Erteilung der Zwangslizenz an einen unabhängigen Dritten, dessen Parallelimporte er dann verhindern könnte, ankommen zu lassen31 • Die zur Zwangs lizenz entwickelten Grundsätze des EuGH finden außerdem keine Anwendung auf Fälle, in denen der Patentinhaber zur Vermeidung einer gesetzlichen Lizenz freiwillig eine Lizenz zu denselben Bedingungen erteilt, die die gesetzliche Lizenz hätte 32 • Dagegen könnte zwar eingewandt werden, daß der Patentinhaber nur sehr eingeschränkt "freiwillig" handelte, wenn er lediglich zwischen gesetzlicher Lizenz einerseits und rechtsgeschäftlicher Lizenz zu denselben Bedingungen andererseits wählen konnte 33 • Dann allerdings setzt man sich dem Problem der Beurteilung aus, ob nicht doch bessere Lizenzbedingungen erzielt wurden als mittels der gesetzlichen Lizenz möglich gewesen wären. Das formale Abstellen des EuGH auf die Zustimmung des Patentinhabers Rechtsinhabers zum Inverkehrbringen bietet daher größere Rechtssicherheit. Es kommt hier nicht darauf an, unter welchen Umständen und aus welchen wirtschaftlichen Gründen die freiwillige Lizenz gewährt wurde. Nur im Fall der problemlos 30 Generalanwalt Mancini spricht ohne nähere Ausführungen von "Zustimmung", a. a. O. S. 2289; Ebenroth geht von einer konkludenten Zustimmung aus, a. a. O. S. 64. Der EuGH spricht diesen Fall nicht an, erwähnt aber das Inverkehrbringen durch eine rechtlich oder wirtschaftlich abhängige Person als gleichberechtigte Alternative neben dem Inverkehrbringen durch den Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung, was darauf hindeutet, daß in diesem Falle eine Zurechnung ohne das Erfordernis der Zustimmung stattfindet, EuGHE 1985, 2281, 2297 Rz. 22 Pharmon. Vgl. auch oben Teil I, B. IV. 31 A. A. Generalanwalt Mancini, a. a. O. S. 2289, der es für möglich hält, daß der Patentinhaber es vorzieht, über einen Mittelsmann eine staatliche Maßnahme zu erwirken, als sich den Gesetzen des Marktes zu unterwerfen und mit einem Dritten über die Erteilung einer Lizenz zu verhandeln. Mancini verkennt aber, daß der Patentinhaber dann Parallelimporte in Kauf nehmen muß. Im Ergebnis wie hier Ebenroth, Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Warenverkehrsfreiheit, S. 64. 32 EuGHE 1981, 147, 165 Rz. 25 - Musik-Vertrieb membran und K-tel International ./. GEMA. 33 Vgl. Sack, GRUR 1999, 193, 198.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

feststellbaren gesetzlichen Lizenz oder Zwangslizenz liegt eine Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz vor. Will der Patentinhaber also Parallelimporte verhindern können, muß er die freiwillige Lizenz verweigern und es auf eine Zwangslizenz ankommen lassen. 4. Rechtliche oder moralische Vermarktungsverpflichtung

Der EuGH hat im Urteil Merck I auf die Bedeutung des Umstands hingewiesen, daß sich der Inhaber frei und in voller Kenntnis der Sachlage für das Inverkehrbringen seines Erzeugnisses entschieden hae 4 . Aus dem Pharmon-Urteil ergibt sich aber, daß sich ein Patentinhaber, dem die Befugnis genommen wird, die Bedingungen des Inverkehrbringens seiner Erzeugnisse im Ausfuhrstaat frei zu bestimmen, der Einfuhr und dem Inverkehrbringen dieser Erzeugnisse in dem Staat, in dem das Patent gilt, widersetzen kann 35 . Daraus hat der EuGH in der Entscheidung Merck II gefolgert, daß einem Patentinhaber, soweit er entweder aufgrund des nationalen oder aufgrund des Gemeinschaftsrechts rechtlich gezwungen sei, seine Erzeugnisse in einem patentfreien Mitgliedstaat in den Verkehr zu bringen, nicht unterstellt werden könne, daß er dem Inverkehrbringen zugestimmt habe. Daher sei er berechtigt, sich der Einfuhr und dem Inverkehrbringen dieser Erzeugnisse in dem Staat, in dem das Erzeugnis geschützt ist, zu widersetzen36 • Bei einer rein moralischen Verpflichtung zum Inverkehrbringen hat der EuGH diese Konsequenz dagegen abgelehnt, weil solche Fälle kaum von denen des freiwilligen Inverkehrbringens abgrenzbar seien37 . Diese Differenzierung zwischen rechtlicher und moralischer Verpflichtung ist sicher richtig. Das Erfordernis der Rechtssicherheit für den Handel mit geschützten Erzeugnissen macht eine klare Abgrenzbarkeit von Fällen, in denen sich der Patentinhaber wehren kann und solchen, in denen der Freihandel gewährleistet ist, notwendig. Einen objektiven Bestand an Regeln, durch die eine moralische Pflicht zum Inverkehrbringen definiert werden könnte, gibt es aber nicht. Außerdem ist zu bedenken, daß das Handeln privater Unternehmen kaum je frei sein wird von ökonomischen Erwägungen, von denen sich die behauptete moralische Verpflichtung nicht zuverlässig trennen läßt. Insbesondere im Fall von Arzneimitteln beinhaltet eine moralische Verpflichtung zur Versorgung des Marktes, daß sich das Unternehmen für die Wahrung der Volksgesundheit verantwortlich fühlt. Wie aber der EuGHE 1981,2063, 2082 Rz. 11 - Merck I. EuGHE 1985,2281, 2298 Rz. 25 - Pharmon. 36 EuGHE 1996, 1-6285, 6389f. Rz. 48ff. - Merck 11 (auch bekannt als Merck und Beecham). 37 EuGHE 1996,1-6285,6390 Rz. 53 - Merck 11. 34

35

C. Parallelimporte patentierter Erzeugnisse

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Gerichtshof bereits in der Rechtssache Centrafann ./. Sterling Drug festgestellt hat, sind Fragen des Schutzes der Volksgesundheit streng von der Frage des Schutzes von Immaterialgüterrechten zu trennen. Die nach Art. 30 (36) EGV aus Gründen des Gesundheitsschutzes gerechtfertigten Maßnahmen müßten so beschaffen sein, daß sie als solche der Gesundheitspflege zu dienen bestimmt seien und nicht erst auf dem Umweg über Vorschriften des gewerblichen und kommerziellen Rechtsschutzes diesen Zweck erfüllten 38 . Der Patentinhaber kann also nur Parallelimporte von Waren, zu deren Inverkehrbringen er rechtlich verpflichtet war, verhindern. Allerdings ist er im Prozeß darlegungs- und beweispflichtig hinsichtlich des Vorliegens einer tatsächlichen und gegenwärtigen rechtlichen Verpflichtung 39 • 5. Import aus einem patentfreien Mitgliedstaat

Besonders umstritten ist die Frage, ob der Grundsatz der gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfung auch dann Anwendung finden soll, wenn in dem Mitgliedstaat, in dem das Produkt auf den Markt gebracht wurde, kein Patenschutz besteht. Dabei muß nochmals unterschieden werden zwischen den Fällen, in denen die Erfindung in den Exportmitgliedstaaten nicht patentfahig war, und Fallgestaltungen, in denen der Patentschutz aus anderen Gründen fehlte. Der EuGH hat in den sog. Merck I und ll-Entscheidungen40 zur ersten Konstellation Stellung genommen.

a) Fehlende Patentierbarkeit im Exportstaat aa) Rechtsprechung des EuGH

r

In dem Urteil Merck 1 entschied der EuGH, daß vom gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz auch die Fälle erfaßt sind, in denen das Erzeugnis aus einem Mitgliedstaat importiert wird, in dem kein Patentschutz für die Erfindung besteht. Zur Begründung stellte er auf die Funktion des Patentrechts ab. Er erklärte, daß die Substanz des Patentrechts im wesentlichen darin bestehe, dem Erfinder das ausschließliche Recht zu verleihen, das Erzeugnis als erster in Verkehr zu bringen. Dadurch, daß dieses 38 EuGHE 1974, 1147, 1166 Rz. 27f. - Centrafarm ./. Sterling Drug; ebenso Schlußanträge von Generalanwalt Trabucchi zu diesem Urteil, EuGHE 1974, 1170, 1179; vgl. insgesamt zur Frage der moralischen Pflicht auch Schlußanträge von Generalanwalt Fennelly, EuGHE 1996,1-6288, 6349ff. Nr. 155ff. - Merck 11. 39 EuGHE 1996,1-6285,6390 Rz. 51 - Merck 11. 40 EuGHE 1981,2063 - Merck I; EuGHE 1996,1-6285 - Merck 11. 41 EuGHE 1981,2063 - Merck I.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallel importen

Recht zum ersten Inverkehrbringen dem Erfinder das Monopol für die Verwertung seines Erzeugnisses vorbehalte, ermögliche es ihm, einen Ausgleich für seine schöpferische Erfindertätigkeit zu erhalten, ohne ihm jedoch diesen Ausgleich unter allen Umständen zu garantieren. Es sei nämlich Aufgabe des Patentinhabers, in voller Kenntnis der Sachlage über die Bedingungen zu entscheiden, unter denen er sein Erzeugnis in den Verkehr bringe, was die Möglichkeit einschließe, das Erzeugnis in einem Mitgliedstaat abzusetzen, in dem dafür kein gesetzlicher Patentschutz bestehe. Entscheide er sich in dieser Weise, so habe er die Konsequenzen seiner Wahl hinzunehmen, soweit es um den freien Verkehr des Erzeugnisses innerhalb des Gemeinsamen Marktes gehe, ein Grundprinzip, das zu den rechtlichen und wirtschaftlichen Faktoren gehöre, denen der Patentinhaber bei Festlegung der Ausübungsmodalitäten seines Ausschließlichkeitsrechts Rechnung tragen müsse. Wäre dem Erfinder oder seinen Rechtsnachfolgern erlaubt, sich auf ein Patent, das sie in einem ersten Mitgliedstaat besitzen, zu berufen, um sich der Einfuhr des Erzeugnisses zu widersetzen, das von ihnen in einem anderen Mitgliedstaat, in dem dieses Erzeugnis nicht patentfähig war, frei in den Verkehr gebracht worden ist, so würde dies zu einer Abschottung der nationalen Märkte führen, die den Zielen des Vertrages zu widerliefe42 • Die Merck I-Entscheidung war teilweise kritisch aufgenommen worden. Insbesondere wurde bezweifelt, daß das Prinzip des freien Warenverkehrs tatsächlich fordere, daß der Patentinhaber sich zwischen der Vermarktung seiner Erzeugnisse im gesamten Binnenmarkt zu dem niedrigeren Preis, der sich aufgrund der Wettbewerbssituation in dem patentfreien Mitgliedstaat ergebe, und der Vermarktung seiner Erzeugnisse zu einem durch das Patentrecht ermöglichten Monopolpreis, allerdings nur in denjenigen Mitgliedstaaten, in denen ein Patent bestehe, zu entscheiden habe. Es zeige sich hier eine Schwäche des Zustimmungskriteriums43 . Außerdem wurde eingewandt, der Grundsatz nehme dem Patentinhaber die Möglichkeit, vollen Ausgleich für seine Erfindermühe zu erhalten. Er beruhe auf der irrigen Annahme, daß ein Recht dort, wo es gar nicht bestehe, erschöpft sein könne. Auch habe diese Rechtspechung zu einem unangebrachten Begriff der Zustimmung geführt, nämlich der Zustimmung zum Inverkehrbringen statt der Zustimmung zur Ausübung eines gewerblichen Schutzrechts. Es werde paradoxerweise unterschieden zwischen den Wirkungen der Entscheidung eines Unternehmens, das in einem Mitgliedstaat Patentschutz genieße, nicht dort, sondern in einem Staat auf den Markt zu gehen, in dem eine Zwangslizenz angeordnet werde, und denen einer Entscheidung desselben UnterEuGHE 1981, 2063, 2081 f. Rz. 9 ff. - Merck 1. So bereits vor der Merck I-Entscheidung Cornish, Intellectual Property, S. 247.; vgl. auch Heath, RIW 1997,541, 543f.; ders., Be 1997,623, 626f. 42

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C. Parallelimporte patentierter Erzeugnisse

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nehmens, das keinen Patentschutz erlangen und gezwungen sein könne, auf diesem Markt zu einem vom Staat festgesetzen Preis zu verkaufen 44 . Die Kritiker sahen sich durch in der Folgezeit ergangene Urteile des EuGH bestätigt. Insbesondere beriefen sie sich auf die Entscheidungen Pharmon und Warner Brothers45 • In Pharmon 46 sei auf dem Hintergrund einer Zwangslizenz entschieden worden, daß die Entgegennahme von Lizenzgebühren durch den Patentinhaber nicht die Erschöpfung des Patents bewirkt habe, weil sie nicht als Gegenleistung für die freie Ausübung des garantierten Eigentumsrechts bezogen worden seien. In den Urteilen Warner Brothers47 und Ideal-Standartf 8 habe der EuGH anerkannt, daß das Gemeinschaftsrecht beim Fehlen paralleler Schutzebenen im Ausfuhr- und Einfuhrmitgliedstaat von einer Überführung der Rechtspolitik des ersten in den anderen Mitgliedstaat absehen sollte. Dieser Denkansatz müsse a fortiori für Patente gelten. Darüber hinaus sei eine Aufrechterhaltung der Merck I-Rechtsprechung angesichts der mit dem Maastrichter Vertrag in den EGV eingefügten neuen Zielsetzungen bezüglich Forschung und Entwicklung sowie Gesundheitsschutz (Art. 3 lit. mund 0, 152 (129), 157 (130) EGV) nicht vereinbar49 • Trotz dieser Kritik und entgegen den Schlußanträgen von Generalanwalt Fennelly bestätigte der EuGH 1996 im Merck II-Urteil die in der Merck 1Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze in vollem Umfang 5o . Aus den Urteilen Pharmon und Warner Brothers ergebe sich nichts, was gegen deren Aufrechterhaltung spreche. Das Urteil Pharmon sei vielmehr als Bestätigung der Merck I-Rechtsprechung anzusehen, indem die Bedeutung der Zustimmung des Patentinhabers zum Inverkehrbringen hervorgehoben 44 Mareneo/Banes, ELR 1990, 224, 247; ähnlich Heath, RIW 1997, 541, 543f.; vgl. auch Schußanträge des Generalanwalts Fennelly, EuGHE 1996, 1-6288, 6330ff. Nr. 107 ff. - Merck 11. 45 Demaret, IIC 1987, 161, 176; Heath, RIW 1997, 541, 544; Mareneo/Banks, ELR 1990, 224, 246ff.; White, CML Rev. 1986,719, 722f. Vgl. auch die schriftlichen Erklärungen von Merck und von Beecham, EuGHE 1996, 1-6285, 6306, 6308 f. - Merck 11. 46 EuGHE 1985, 2281 - Pharmon. 47 EuGHE 1988, 2605 - Warner Brothers; mittlerweile auch EuGHE 1998, 1-1953 - Metronome Musik; EuGH GRUR 1998,878. 48 EuGHE 1994, 1-2789 - Ideal-Standard. 49 Schriftliche Erklärungen von Beecham, EuGHE 1996, 1-6285, 6309 Nr. 57 Merck 11. 50 EuGHE 1996, 1-6285, 6385 Rz. 33,6392 Nr. 2 des Tenors - Merck 11; kritisch Britton/Karet, EIPR 1997, 207, 209; Heath, RIW 1997, 541, 543f.; Mager, GRUR 1999,637, 639f.; Sack, GRUR 1999, 193, 196f.; Watts/Treaey, Patent World 1997, 28, alle im wesentlichen aus den bereits früher geäußerten und von Generalanwalt Fennelly zusammengefaßten Gründen; zustimmend Torremans/Stamatoudi, EIPR 1997,545.

Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

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wurde. Im Urteil Wamer Brothers werde nur den Besonderheiten des Urheberrechts, wo die Erschöpfung des Verkaufsrechts von der des Verrnietrechts zu trennen sei, Rechnung getragen51 .

bb) Stellungnahme Der EuGH betont mit dieser Entscheidung die herausragende Bedeutung des Zustimmungskriteriums. Hinsichtlich des Belohnungskriteriums stellt der EuGH klar, daß es sich hierbei um die bloße Chance, diese Belohnung zu erzielen, handelt. Sie wird nicht unter allen Umständen garantiert. Der Rechtsinhaber hat aufgrund des Ausschließlichkeitsrechts die Möglichkeit, sich den Ort des ersten Inverkehrbringens in der Gemeinschaft auszusuchen, dann aber ist sein Recht erschöpft52 . Wenn der Patentinhaber das Produkt in einem Mitgliedstaat auf den Markt bringt, in dem Patentschutz dafür nicht möglich ist, ist das seine eigene unternehmerische Entscheidung, deren Konsequenzen er auch tragen muß. Das Patentrecht garantiert dem Patentinhaber keinen über den Marktpreis hinausgehenden Gewinn. Dem Patentinhaber wird lediglich das befristete ausschließliche Recht gewährt, jedem Dritten verbieten zu können, den Gegenstand der Erfindung herzustellen und in Verkehr zu bringen. Dieses Ausschließlichkeitsrecht ist die Belohnung dafür, daß durch die Patentanmeldung die Erfindung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, und Anreiz für weitere Innovation. Ob dagegen der Patentinhaber einen zusätzlichen Gewinn beim Verkauf seiner Erzeugnisse verwirklichen kann, hängt insbesondere von seiner Stellung auf dem Markt und davon ab, ob Substitutionsprodukte vorhanden sind53 • Eine Begrenzung der Erschöpfung auf Fälle von Importen aus Mitgliedstaaten, in denen das Erzeugnis patentgeschützt ist, ist daher bereits aus patentrechtlichen Gründen nicht geboten. Diese "zurückhaltende" Anwendung des Belohnungskriteriums ist zu befürworten. Während das Zustimmungskriterium einfach und sicher zu beurteilen ist und damit weitgehende Rechtssicherheit gewährleistet, fehlen zur Beurteilung der Realisierung einer Belohnung zuverlässige rechtliche Bewertungsmaßstäbe. Eine Fall-zu-Fall-Entscheidung in Abhängigkeit von EuGHE 1996,1-6285, 6387f. Rz. 40ff. - Merck 11. Zustimmend YusufiMoncayo v. Hase, 16 World Competition 1992, 115, 121 f.; Schlußanträge des Generalanwaits Reischl, EuGHE 1981,2084,2090 - Merck I. 53 Kommission, Stellungnahme vom 26. September 1975 betreffend den Entwurf eines Übereinkommens über das europäische Patent für den Gemeinsamen Markt, ABI. 1975, L 261/26, 27 Nr. 6. Die Kommission lehnte mit dieser Stellungnahme den französischen Vorschlag zur Begrenzung der Erschöpfungsvorschriften des GPÜ (dazu unten Teil I, C. I. 6. a) ce» ab. Ebenso Generalanwalt Reischl in seinen Schlußanträgen zu Merck I, EuGHE 1981, 2084, 2090. 51

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C. Parallelimporte patentierter Erzeugnisse

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den Kosten-Amortisationsbedürfnissen der Rechtsinhaber würde dem Ziel des gewerblichen Rechtsschutzes, Investitionstätigkeit neutral und unabhängig vom jeweiligen Rechtsinhaber zu fördern, nicht gerecht und entspräche auch nicht den Anforderungen der modemen Wirtschaft an Rechtssicherheit54 . Der Schutz des umfassenden Vertriebsrechts inclusive garantierter Gewinnrealisierung gehört nach der Rechtsprechung des EuGH mithin nicht zum spezifischen Schutzgegenstand des Patentrechts und ist daher - ganz allgemeingültig - auch nicht von dessen Funktion gedeckt. Das Ziel, dem Patentinhaber eine Belohnung für seine Innovationstätigkeit zukommen zu lassen, ist nicht absolut und uneinschränkbar. In den Merck-Entscheidungen findet eine Einschränkung aufgrund der eigenen unternehmerischen Verantwortung des Patentinhabers statt. Der Patentinhaber soll nicht einerseits seine Erzeugnisse in einem patentfreien Mitgliedstaat freiwillig in Verkehr bringen, andererseits sich aber gegen deren Import in andere Mitgliedstaaten und damit die Auswirkungen seiner freien Entscheidung wehren können. Die Merck-Rechtsprechung ist damit eine Bestätigung des Rechtsgedanken "cuius commoda eius et incommoda" bzw. des Grundsatzes des "venire contra factum proprium". cc) Problematik in bezug auf das Gemeinschaftspatent Ein Umstand ist im Zusammenhang mit der Merck-Rechtsprechung im Hinblick auf das GPÜ noch anzusprechen. Dieses ist zwar noch nicht in Kraft getreten. Allerdings will die Kommission 1999 einen erneuten Vorstoß zur Schaffung eines Gemeinschaftspatents machen 55 , so daß die Frage im Falle der Aufnahme einer entsprechenden Vorschrift relevant würde. Das Inverkehrbringen in einem patentfreien Mitgliedstaat könnte einen "berechtigten Grund" und damit eine Ausnahme vom gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz im Sinne des Art. 76 Abs. I, 2. Hs. GPÜ darstellen56 . 54 Zur "Verteilungsneutralität" des gewerblichen Rechtsschutzes vgl. Ullrich, GRUR Int. 1984, 89, 92; ähnlich Demaret, Patents, Territorial Restrictions and EEC Law, S. 9ff. 55 ABI. 1998, C 366/ I, 2; vgl. auch Europäische Kommission, GD XV, Kommission kündigt anspruchsvolles Patentschutzprogramm an, hup:/ /europa.eu.int/comm/ dgI5/de/intprop/indprop/99.htm, S. 1f. Geplant ist danach eine Verordnung zur Einführung eines Gemeinschaftspatents. 56 So die schriftlichen Erklärungen von Merck und der französischen Regierung, EuGHE 1981, 2063, 2072f. - Merck I. Art. 76 Abs. 1 GPÜ lautet wie folgt: "Das Recht aus einem nationalen Patent in einem Vertragsstaat erstreckt sich nicht auf Handlungen, die ein durch das Patent geschütztes Erzeugnis betreffen und im Hoheitsgebiet dieses Staates vorgenommen werden, nachdem das Erzeugnis vom 5 Freytag

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

Anhaltspunkte kann die Entstehungsgeschichte des Art. 76 Abs. 1 GPÜ (Art. 78 des ursprünglichen Entwurfs von 197457 ) geben. Der ursprüngliche Vorschlag des Art. 78 über die Erschöpfung des Rechts aus nationalen Patenten sah folgendes vor: ,,1. Das Recht aus einem nationalen Patent in einem Vertragsstaate erstreckt sich nicht auf Handlungen, die ein durch das Patent geschütztes Erzeugnis betreffen und im Hoheitsgebiet dieses Vertragsstaats vorgenommen werden, nachdem der Patentinhaber dieses Erzeugnis in irgendeinem Vertragsstaat in Verkehr gebracht hat."

Die französische Delegation hatte daraufhin eine Änderung vorgeschlagen, durch die die Erschöpfungswirkung auf den Fall begrenzt werden sollte, daß der Patentinhaber das durch das Patent geschützte Erzeugnis in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft, "in dem er ein Patent für dieselbe Erfindung besitzt", in Verkehr gebracht hat58 . Dieser Vorschlag wurde von den Delegationen des Vereinigten Königreichs sowie vieler nichtstaatlicher internationaler Organisationen unterstützt59 • Die Kommission war gegen eine Einengung des Entwurfs und damit gegen den französischen Vorschlag, weil der Zweck des Patentschutzes nicht darin bestehe, eine gewisse Gewinnspanne zu garantieren, sondern darin, ein ausschließliches Recht für die Herstellung und das Inverkehrbringen des Gegenstands einer Erfindung zu gewähren, und weil dieser Vorschlag den Bestimmungen des EWG-Vertrags über den freien Warenverkehr zuwiderlaufe60 • Nach entsprechendem Vorschlag des Vorsitzenden des Gesamtausschusses wurde von der deutschen Delegation folgende Fassung vorgeschlagen, die einstimmig angenommen wurde: ,,1. Das Recht aus einem nationalen Patent in einem Vertragsstaate erstreckt sich nicht auf Handlungen, die ein durch das Patent geschütztes Erzeugnis betreffen und im Hoheitsgebiet dieses Vertragsstaats vorgenommen werden, nachdem das Erzeugnis vom Patentinhaber oder mit seiner ausdrücklichen Zustimmung in Patentinhaber oder mit seiner ausdrücklichen Zustimmung in einem der Vertragsstaaten in Verkehr gebracht worden ist, es sei denn, daß Gründe vorliegen, die es nach den Regeln des Gemeinschaftsrechts gerechtfenigt erscheinen lassen, daß sich das Recht aus dem Patent auf solche Handlungen erstreckt." [Herv. Durch d. Verf.]. S7 Abgedr. in Generalsekretariat des Rates der Europäischen Gemeinschaften, Dokumente der Luxemburger Konferenz über das Gemeinschaftspatent 1975, S. 65ff. S8 Vorbereitendes Dokument 17, Nr. 4, abgedr. in Generalsekretariat des Rates der Europäischen Gemeinschaften, Dokumente der Luxemburger Konferenz über das Gemeinschaftspatent 1975, S. 43 ff. S9 Vgl. Sitzungsbericht des Gesamtausschusses, abgedr. in Generalsekretariat des Rates der Europäischen Gemeinschaften, Dokumente der Luxemburger Konferenz Uber das Gemeinschaftspatent 1975, S. 246ff, 294 mit Nachweisen der Fundstellen der vorbereitenden Dokumente der Interessenvertreterorganisationen. 60 Vorbereitendes Dokument 36, Nr. 4-13, a.a.O. S. 122ff.

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irgendeinem Vertragsstaat in Verkehr gebracht worden ist. es sei denn. daß Gründe vorliegen. die es nach den Regeln des Gemeinschaftsrechts gerechtfertigt erscheinen lassen. daß sich das Recht aus dem Patent auf solche Handlungen erstreckt...61

Die Kommission wies während der Verhandlungen darauf hin, daß diese Ergänzung in Anbetracht der bereits bestehenden Rechtsprechung des EuGH dahingehend auszulegen sei, daß Gründe, die eine Ausnahme rechtfertigten, nur dann vorliegen könnten, wenn in einem oder mehreren Mitgliedstaaten der Gemeinschaft kein Patentschutz bestehe, da die Situation in der in allen neun Mitgliedstaaten parallele Patente bestünden, durch die Entscheidung in der Rechtssache "Centrafarm gegen Sterling Drug" erfaßt sei; in dieser Situation gebe es deshalb keine Gründe, die die Durchsetzung der Rechte aus einem Patent gegen Einfuhren aus einem anderen Mitgliedstaat rechtfertigen könnten62 . Die Fassung des Art. 32 GPÜ zur Erschöpfung des Rechts aus dem Gemeinschaftspatent wurde ebenfalls geändert, indem auch hier dieser zweite Halbsatz angefügt wurde 63 . Aufgrund der Einigung über diese Ergänzung der beiden Erschöpfungsartikel wurde das "Protokoll über die aufgeschobene Wirkung der Vorschriften über die Erschöpfung der Rechte aus dem Gemeinschaftspatent und aus nationalen Patenten,,64 nicht angenommen 65 • Die Erschöpfungsartikel finden sich mit diesem Wortlaut auch noch in der GPÜ-Version von 1989. Aus der Entstehungsgeschichte der Art. 28 und 76 GPÜ ergibt sich also, daß Abs. 1, 2. Halbsatz den Fall erfassen sollte, daß das Inverkehrbringen in einem schutzfreien Mitgliedstaat stattfindet. In solchen Fällen sollte also keine Erschöpfung eintreten. Das GPÜ ist allerdings bisher nicht in Kraft getreten, so daß die Merck-Urteile nicht im Widerspruch dazu stehen. Allerdings stellt sich die Frage, ob bei dem von der Kommission für 1999 vorgesehenen erneuten Versuch der Schaffung eines Gemeinschaftspatents im Falle der Übernahme dieser beiden Artikel in ihrem derzeitigen Wortlaut die Rechtsprechung in den Merck-Fällen wegen Widerspruchs gegen den Willen des Gesetzgebers hinfallig wird. Das dürfte aber zu verneinen sein. Denn erstens ist zweifelhaft, ob angesichts der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung im Fall des Inverkehrbringens in einem patentfreien Mitgliedstaat ein gesetzgeberischer Wille, daß genau dieser Fall von der Aus61 Dokument LUX/48, a.a.O. S. 199, siehe auch Sitzungsbericht des Gesamtausschusses, a. a. O. S. 296 ff. 62 Sitzungsbericht des Gesamtausschusses, a. a. O. S. 297. 63 Sitzungsbericht des Gesamtausschusses, a. a. O. S. 298 f. 64 Generalsekretariat des Rates der Europäischen Gemeinschaften, Dokumente der Luxemburger Konferenz über das Gemeinschaftspatent 1975, S. 92. 65 Sitzungsbericht des Gesamtausschusses, a. a. O. S. 275 Nr. 278, S. 299 Nr. 406.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallel importen

nahmeregelung erfaßt sein soll, überhaupt noch angenommen werden kann. Und außerdem muß auch die Ausnahmeregelung im 2. Halbsatz natürlich im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht ausgelegt werden. Die MerckUrteile sind aber als Präzisierung des primären Gemeinschaftsrechts zu verstehen. Da die Ausnahmeregeln auslegungsbedürftige Begriffe enthalten, ist die Merck-Rechtsprechung auch unter Geltung einer solchen Neuregelung als Auslegung derselben zu verstehen und behält ihre Gültigkeit. Das Inverkehrbringen in einem patentfreien Mitgliedstaat wird daher keinen "berechtigten Grund" im Sinne dieser Normen darstellen. b) Weitere Fallkonstellationen des Inverkehrbringens in einem patentfreien Mitgliedstaat

aa) Unterlassen bzw. Versäumnis der Beantragung von Patentschutz Die Merck-Rechtsprechung muß auch für den Fall gelten, daß der inländische Patentinhaber bzw. ein Dritter mit seiner Zustimmung das Erzeugnis in einem anderen Mitgliedstaat in Verkehr bringt, in dem die Patentierung der Erfindung zwar rechtlich möglich gewesen wäre, der Patentinhaber es aber unterlassen oder versäumt hat, Schutz zu erlangen. Zustimmungskriterium und Möglichkeit einer Belohnung sind auch hier gegeben, und der Patentinhaber muß umso eher die Konsequenzen seines Handeins tragen, als der fehlende Patentschutz hier auf seiner Entscheidung bzw. Fahrlässigkeit beruht. Hat der inländische Patentinhaber dem Inverkehrbringen in einem Mitgliedstaat, in dem kein Patentschutz besteht, zugestimmt, kann er - unabhängig von der Ursache des Fehlens des Schutzes - Parallelimporte aus diesem Mitgliedstaat nicht verhindern. bb) Fehlende Zustimmung des Patentinhabers Im Fall des Inverkehrbringens durch einen unabhängigen Dritten in einem patentfreien Mitgliedstaat ohne Zustimmung des Patentinhabers kann dieser sich gegen Importe zur Wehr setzen66 • Das allen Entscheidungen des EuGH zur Erschöpfung von Schutzrechten zugrundeliegende Zustimmungskriterium ist hier offensichtlich nicht erfüllt. Und auch bei Berücksichtigung des durch die Merck I-Entscheidung eingeschränkten Belohnungsgedankens muß man zu dieser Entscheidung gelangen. Denn beim nicht genehmigten Inverkehrbringen durch einen rechtlich und wirtschaftlich 66 EuGHE 1974, 1147, 1163 Rz. 11 - Centrafarm ./. Sterling Drug; bestätigt in EuGHE 1981, 2063, 2080 Rz. 5 - Merck I.

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selbständigen Dritten hatte der Patentinhaber keine Möglichkeit einer Entscheidung über das Inverkehrbringen und die damit verbundene Preisgabe seiner Monopolgewinne. Das bereits mehrmals erwähnte obiter dictum aus Centrafarm ./. Sterling Drug scheint allerdings darauf hinzudeuten, daß sich der Patentinhaber nur dann gegen solche Parallelimporte wehren kann, wenn in besagtem Mitgliedstaat das Erzeugnis "nicht patentfähig ist,,67. Bei bloßem Unterlassen der rechtlich möglichen Patentierung könnte der Rechtsinhaber sich also trotz fehlender Zustimmung zum Inverkehrbringen durch den Dritten nicht dagegen zur Wehr setzen. Eine solch differenzierende Lösung hätte den Vorteil, daß der Erfinder nicht durch "taktische" Patentanmeldung Dritte gemeinschaftsweit vom grenzüberschreitenden Handel mit seinen Erzeugnissen ausschließen könnte. Er könnte sich sonst nämlich bei Parallelimporten zwischen patentgeschützten Staaten auf die fehlende Zustimmung zum Inverkehrbringen berufen und auch den Import aus denjenigen Staaten abwehren, in denen er die Patentanmeldung sowie den Vertrieb seiner Erzeugnisse unterlassen hat. Gegen eine solche Differenzierung wird eingewandt, daß dadurch der Erfinder gezwungen würde, die Erfindung in allen Mitgliedstaaten patentieren zu lassen, da er nur dann aufgrund des ausländischen Patents gegen das unbefugte Herstellen und/oder Veräußern, aufgrund des inländischen Patents gegen den Import dieser Erzeugnisse vorgehen könnte. Der Patentinhaber könne jedoch berechtigte Interessen daran haben, nur ein inländisches Patent zu erlangen, sei es, daß er aufgrund seiner Größe nur den Inlandsmarkt versorgen will, sei es wegen des Kostenaufwands für den Parallelschutz in allen Mitgliedstaaten. Letztlich würden ihm seine nationalen Abwehrrechte weitgehend versagt und damit der spezifische Gegenstand seines Patentrechts verletzt68 . Zunächst ist klarzustellen, daß der im Centrafarm-Urteil angesprochene Fall des kumulativen Fehlens von Patentierbarkeit und Zustimmung genau derjenige war, den der EuGH bereits zuvor im Fall Parke, Davis69 entschieden hatte. Hauptsächlich sollte damit also klargestellt werden, daß insoweit keine Änderung der Rechtsprechung gewollt war. Dadurch wird aber umso 67 EuGHE 1974, 1147, 1163 Rz. 11 - Centrafarm ./. Sterling Drug: "Ein solches Hindernis mag zum Schutze des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sein, wenn dieser Schutz in Anspruch genommen wird gegen ein Erzeugnis, das aus einem Mitgliedstaat stammt, in dem es nicht patentfähig ist, und das von Dritten ohne die Zustimmung des Patentinhabers hergestellt worden ist ... " [Herv. durch d. Verf.]. 68 Benkard-Bruchhausen, Patentgesetz, § 9 PatG Rz. 20; Ebenroth, Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Warenverkehrsfreiheit, S. 66. 69 EuGHE 1968, 85 - Parke, Davis.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von ParaJlelimporten

zweifelhafter, ob der Beschränkung auf das kumulative Vorliegen dieser Umstände weitergehende Bedeutung beigemessen werden kann. Richtigerweise ist auch diese Fallgestaltung durch einen Rückgriff auf die Kriterien der möglichen Belohnung und der Zustimmung des Patentinhabers zu lösen. Wenn der Import der Erzeugnisse durch einen rechtlich und wirtschaftlich unabhängigen Dritten vorgenommen wird, kann der inländische Patentinhaber dadurch keinen Ausgleich für seine schöpferische Leistung erhalten. Nun ist aber mit den Merck-Entscheidungen klargestellt worden, daß es nur auf die potentielle Möglichkeit einer Belohnung ankommt und daß der Patentinhaber die Konsequenzen seiner wirtschaftlichen Entscheidungen selbst zu tragen hat. Wollte man dem Patentinhaber auch im vorliegenden Fall den Rechtsschutz verweigern, würde man nicht etwa auf seine Entscheidung zum Inverkehrbringen seiner Erzeugnisse im schutzfreien Mitgliedstaat, sondern - eine Stufe vorher - auf das Unterlassen oder Versäumen der Beantragung von Patentschutz abstellen. Hat sich der Patentinhaber aber gerade entschieden, seine Erzeugnisse in einem bestimmten Gebiet nicht zu vertreiben, wäre es sinnwidrig, auf die mögliche Belohnung abzustellen. Eine solche kann beim Nichtvertrieb überhaupt nicht anfallen. Man würde dem Patentinhaber somit vorwerfen, seine Erzeugnisse nicht gemeinschaftsweit patentieren zu lassen und zu vertreiben. Im Gegensatz zu der den Merck-Fällen zugrundeliegenden Konstellation, wo dem Patentinhaber widersprüchliches Verhalten vorgeworfen werden kann, weil er - wissend daß kein Patentschutz besteht - seine Erzeugnisse unter Abschottung der Märkte zwischen den patentfreien und patentgeschützen Mitgliedstaaten vertreiben will, müßte er hier also die Folgen einer völlig konsequenten Entscheidung (kein Patent, kein Vertrieb) tragen. Die Konsequenz der Merck-Entscheidungen besteht gerade darin, daß der Patentinhaber auf den Vertrieb seiner Erzeugnisse in schutzfreien Mitgliedstaaten verzichten muß, wenn er sich in denjenigen Mitgliedstaaten, in denen Schutz besteht, gegen Parallelimporte wehren möchte. Genau so verhält sich der Patentinhaber aber in der vorliegenden Fallkonstellation. Allein im Unterlassen der Beantragung von Patentschutz und Vertrieb kann nicht der Verzicht auf Belohnung in Mitgliedstaaten, in denen das Erzeugnis geschützt ist, gesehen werden. Insbesondere ist aber auf das Zustimmungskriterium abzustellen. Die Zustimmung ist in allen EuGH-Entscheidungen als grundlegende Voraussetzung für die Erschöpfung von Rechten herausgestellt worden. Der Belohnungsgedanke stellt nur eine darüber hinausgehende weitere Voraussetzung im Patentrecht dar. Angesichts der Tatsache, daß das GPÜ, das eine ausdrückliche Zustimmung fordert, noch nicht in Kraft ist, kann auch eine konkludente Zustimmung als ausreichend angesehen werden. Das bloße Unterlassen der Patentanmeldung kann

C. Parallelimporte patentierter Erzeugnisse

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aber nicht als konkludente Zustimmung zum Inverkehrbringen durch Dritte aufgefaßt werden. Denn wenn bereits im Falle der rechtsgeschäftlichen Übertragung eines bestehenden Schutzrechts an einen unabhängigen Dritten, einem Fall also, in dem der Schutzrechtsinhaber weiß, daß der Erwerber die Erzeugnisse auch in Verkehr bringen wird, keine die Erschöpfung bewirkende Zustimmung angenommen wird7o, kann das erst recht nicht beim bloßen Unterlassen von Patentanmeldung und Vertrieb der Erzeugnisse angenommen werden. Denn hier weiß der Patentinhaber noch nicht einmal, daß ein Dritter in denjenigen Mitgliedstaaten, in denen die Erfindung nicht zum Patent angemeldet wurde, solche Erzeugnisse herstellen und in Verkehr bringen würde. Das gilt umso mehr noch, wenn der Patentinhaber die Beantragung des Patents nur versäumt hat. Die bloße Nichtbeantragung von Patentschutz stellt keine Herausforderung zu Produktion und Vertrieb durch Dritte dar, so daß das Inverkehrbringen dem inländischen Patentinhaber nicht zurechenbar ist. Diese Beurteilung wird bestätigt durch das Phannon-Urteil, wo der EuGH den Standpunkt von Generalanwalt Mancini. daß ein Patentinhaber, der sich freiwillig der Möglichkeit aussetze, seines ausschließlichen Rechts durch eine Zwangslizenz verlustig zu gehen, die Folgen seiner Entscheidung zu tragen habe 71, verworfen hat 72. Der Patentinhaber muß daher das Recht haben, Parallelimporte aus Mitgliedstaaten, in denen er die Patentanmeldung unterlassen oder versäumt hat, zu verhindern, wenn diese ohne seine Zustimmung von unabhängigen Dritten vorgenommen werden. Der Rechtsprechung des EuGH läßt sich damit die folgende Regel entnehmen: Voraussetzung für die gemeinschaftsrechtliche Erschöpfung ist grundsätzlich die Zustimmung des Schutzrechtsinhabers zum ersten Inverkehrbringen (in Fällen des Konzernverbunds genügt die Zurechenbarkeit). Außerdem muß zumindest die Möglichkeit der Erlangung eines Ausgleichs für die schöpferische Leistung bestehen (Belohnungsgedanke ). Das Recht zum ersten Inverkehrbringen ermöglicht es dem Patentinhaber, einen Ausgleich für seine schöpferische Leistung zu erhalten, ohne ihm diesen Ausgleich unter allen Umständen zu garantieren. Zur Beurteilung dieser Möglichkeit, einen Ausgleich zu erlangen, stellt der EuGH aber wiederum auf das Inverkehrbringen ab. Nur wer ein Erzeugnis selbst bzw. über im Rahmen der Zustimmung handelnde Dritte in Verkehr bringt, muß auch die Konsequenzen tragen. Ein bloßes Unterlassen kann dem nicht gleichgestellt werden. 70 71

mon. 72

EuGHE 1994,1-2789,2850 Rz. 43 - Ideal-Standard. Schlußanträge von Generalanwalt Mancini, EuGHE 1985, 2282, 2290 - PharEuGHE 1985,2281,2298 Rz. 25 - Pharmon.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

6. Problem staatlicher Preisbindungssysteme

Staatliche Preisbindungssysteme haben zum Ziel, die Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern zu einem angemessenen Preis sicherzustellen. Konflikte mit den Immaterialgüterrechten der Hersteller solcher preisgebundener Waren entstehen besonders häufig im Arzneimittelsektor, auf den sich die Arbeit in der folgenden Untersuchung daher beschränkt. In zahlreichen Mitgliedstaaten sind die Arzneimittelpreise gesetzlich auf einem bestimmten Niveau festgeschrieben 73 . Insbesondere in Verbindung mit Wechselkurs schwankungen konnten diese staatlichen Preisreglementierungen zu Preisdifferenzen führen. Zwar sind die Wechselkursschwankungen zwischen den Teilnehmerstaaten an der Währungsunion mit der Einführung des Euro zum 1.1.1999 weggefallen, dennoch kann nicht davon ausgegangen werden, daß sich das Problem der Parallelimporte damit erledigt hat. Denn die Unterschiede der staatlichen Preisfestsetzungsverfahren führen weiterhin zu Preisunterschieden, die aufgrund der einheitlichen Währung nun noch einfacher erkennbar sein werden. Parallelimporteure machen sich diese Preisdifferenzen zunutze, indem sie Arzneimittel auf den reglementierten Märkten billig einkaufen, um sie auf nicht reglementierten Märkten anderer Mitgliedstaaten mit Gewinn zu verkaufen. Letztendlich werden so nationale Preisreglementierungen insbesondere südeuropäischer Staaten über Parallelimporte auf die Märkte anderer Mitgliedstaaten "durchschlagen" bzw. dorthin "exportiert" werden 74 • Angesichts der Tatsache, daß die Preisbildung hier nicht durch Marktkräfte, sondern aufgrund staatlicher Entscheidung erfolgt, ist zu untersuchen, ob die Anwendung des gemeinschaftsweiten Erschöpfungsgrundsatzes auch hier gerechtfertigt ist, oder ob eine Ausnahmeregelung zu erfolgen hat. a) Rechtsprechung des EuGH

Der EuGH hat bisher in ständiger Rechtsprechung das Vorliegen einer Ausnahme vom gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz im Falle staatlicher Preiskontrollen verneint, auch wenn die Anordnung von Preiskontrollen tatsächlich einen Umstand darstelle, der unter bestimmten Vor73 Die Natur öffentlicher Preisregelungen unterscheidet sich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat. In einigen, wie z. B. Spanien und Portugal, setzen die nationalen Behörden die Preise fest, während sie in anderen zwischen der Industrie und den zuständigen Behörden ausgehandelt werden oder überhaupt keine formellen Regelungen bestehen, vgl. Schlußanträge von Generalanwalt Fennelly, EuGHE 1996, 1-6288,6352 Nr. 162 - Merck 11. 74 Schwarze, Gutachtliche Stellungnahme, S. I.

C. Parallelimporte patentierter Erzeugnisse

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aussetzungen geeignet sei, den Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten zu verfälschen. Verzerrungen, die durch eine unterschiedliche Preisregelung in einem Mitgliedstaat verursacht würden, seien durch Maßnahmen der Gemeinschaftsbehörden auszuschalten und nicht dadurch, daß ein anderer Mitgliedstaat Maßnahmen treffe, die mit den Bestimmungen über den freien Warenverkehr unvereinbar seien75 . Dabei macht es nach Auffassung des EuGH keinen Unterschied, ob die Erzeugnisse in einem patentfreien Mitgliedstaat oder in einem Mitgliedstaat, in dem sie patentiert sind, in Verkehr gebracht werden. Einwänden, daß die Verhandlungsposition der Hersteller gegenüber den staatlichen Behörden bei der Preisfestsetzung im Falle fehlenden Patentschutzes und daher schnell auftretender günstigerer Generika wesentlich schlechter sei als im Falle bestehenden Patentschutzes, wodurch die entsprechenden Arzneimittelpreise in den patentfreien Staaten in der Regel niedriger seien als in anderen Mitgliedstaaten76 , maß der EuGH dabei keine Bedeutung zu. b) Stellungnahme

aa) Zulässigkeit staatlicher Preisregelungen In dem Merck li-Urteil geht der EuGH in Übereinstimmung mit seiner bisherigen Rechtsprechung davon aus, daß nationale Preisregelungssysteme "als solche" nicht unzulässig sind, sondern nur dann als vertragswidrig eingestuft werden, wenn sie zu einer Beeinträchtigung des Warenverkehrs führen und nicht gerechtfertigt sind77 . Die Richtigkeit dieser Grundaussage wird teilweise bezweifelt. Nicolaysen hält es für "bemerkenswert ... , daß eine staatliche Intervention in die Preisbildung, die mit marktwirtschaftlichen Prinzipien kaum vereinbar ist, nicht schon allein deswegen und schlechthin als vertragswidrig beurteilt wird,,78. 7S EuGHE 1974, 1183 , 1196 Rz. 17 - Centrafarm ./. Winthrop; EuGHE 1981, 147, 165 Rz. 24 - Musik-Vertrieb membran und K-tel International; EuGHE 1996, 1-3457, 3532 Rz. 46 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-6285, 6388f. Rz. 46 Merck H. 76 So die Erklärungen von Merck, Beecham, der Kommission sowie einiger der beteiligten Regierungen in der mündlichen Verhandlung zu Merck H, vgl. die Zusammenfassung in den Schlußanträgen von Generalanwalt Fennelly, EuGHE 1996, 1-6288, 6353 f. Nr. 164 - Merck H. 77 Z.B. EuGHE 1985,305,321 f. - Cullet; EuGHE 1996,1-6285, 6389 Rz. 47 Merck H; vgl. auch Schlußanträge von Generalanwalt Fennelly, EuGHE 1996, 1-6288,6353 Nr. 163 - Merck H. 78 Nicolaysen, Europarecht H, S. 53. Ebenfalls in diesem Sinne äußerte sich der irische Gesundheitsminister Noonan auf der Round Table-Veranstaltung "Completing the Single Pharmaceutical Market" vom 9. Dez. 1996, Konferenzpapier 1996, S. 11: "In the context of the Community, there is, of course, the tension between

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

Zwar liegt dem EGV das Bild der marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung der Mitgliedstaaten zugrunde. Beschränkende staatliche Maßnahmen sind deshalb aber noch nicht per se gemeinschaftsrechtswidrig. Deren Zulässigkeit kann vielmehr nur nach genauer Analyse der Vereinbarkeit mit den Art. 28 (30) und 30 (36) EGV getroffen werden. Nach der DassonvilleFormel ist eine nach Art. 28 (30) EGV verbotene Maßnahme gleicher Wirkung ,jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern,,79. Unterschiedslos anwendbare Preisregelungen haben nach Auffassung des EuGH im allgemeinen keine einfuhrbeschränkenden Wirkungen und fallen daher nicht unter das Verbot der Maßnahmen gleicher Wirkung 8o • Der EuGH hat allerdings im Merck lI-Urteil selbst eingeräumt, daß staatliche Preisregelungen unter bestimmten Voraussetzungen geeignet sind, den Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten zu verfälschen 81 • Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die staatliche Preisfestsetzung sich bei eingeführten Erzeugnissen als Beeinträchtigung der Rentabilitätsspanne und damit importhindernd auswirkt82 . Im Falle einer solchen faktischen Behinderungswirkung können Preisreglementierungen auch nicht als "bestimmte Verkaufsmodalitäten" im Sinne der Keck-Rechtsprechung vom Anwendungsbreich des Art. 28 (30) EGV ausgenommen werden83 . the creation of a true single market in pharmaceuticals allowing for the free movement of medicinal products throughout the Community, and the fact that there are differing pricing and reimbursement policies for medecines among the Member States. The reality, and 1 think we have to face it, is that unrestricted free movement is not compatible with unrestricted Govemment intervention in the domestic market. One or the other must give ground. Having said that, Member States cannot give ground on their prerogative to set health policy within their own jurisdiction. Nor is it acceptable that one country can or should impose its choice of health policy on its neighbours by the action of parallel trade. This would seem to point to the need for both the Commission and the Member States to show flexibility in the application of free movement where national price controls apply." Diese Ansicht wurde auf selbiger Veranstaltung bestätigt von Prof. Valverde-Lopez, Mitglied des Europäischen Parlaments, Konferenzpapier 1996, S. 66. Ebenfalls zustimmend Schwarze, in: Schwarze, Unverfalschter Wettbewerb für Arzneimittel im europäischen Binnenmarkt, S. 62. 79 EuGHE 1974, 837, 847 - Dassonville, st. Rspr. 80 EuGHE 1976, 291, 308f. - Tasca; vgl. Matthieslv. Bordes, in: Grabitz/Hilf, Art. 30 Rz. 39; GTE-Müller-Graff, Art. 30 Rz. 139. 81 EuGHE 1996,1-6285,6389 Rz. 47 - Merck 11. 82 Ausführlich zur Handelsbeeinträchtigung durch Preisregelungen, GTE-MüllerGraff, Art. 30 Rz. 139ff.; Matthieslv. Borries, in: Grabitz/Hilf, Art. 30 Rz. 39; vgl. auch Nicolaysen, Europarecht 11, S. 52. 83 Nach der Keck-Formel sind Verkaufsmodalitäten dann nicht dem Anwendungsbreich des Art. 30 EGV entzogen, wenn die Regelung den Marktzugang für die Erzeugnisse versperrt oder stärker behindert, als das für inländische Produkte

C. Parallel importe patentierter Erzeugnisse

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Ein Verstoß gegen Art. 28 (30) EGV läge aber dann nicht vor, wenn sie nach Art. 30 (36) EGV (bzw. durch nach der Cassis-Rechtsprechung anerkannte "zwingende Erfordernisse,,84) gerechtfertigt wären. In Betracht kommt eine Rechtfertigung solcher Preisreglementierungen durch das in Art. 30 (36) EGV aufgeführte Ziel des Gesundheitsschutzes. Bei der Bestimmung, wie sie den Gesundheitsschutz gewährleisten wollen und was sie dafür für erforderlich halten, haben die Mitgliedstaaten einen relativ weiten Ermessensspielraum85 . Das Ziel eines unverfälschten Wettbewerbs in Art. 3 lit. g) EGV setzt insoweit keine justiziablen Maßstäbe gegenüber mitgliedstaatlichen Preisreglementierungen, auch wenn sie im Ergebnis zu Wettbewerbsverfälschungen führen 86. Die Entscheidung, eine umfassende Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten zu einem angemessenen Preis durch staatliche Preisreglementierungen sicherzustellen, liegt daher ohne weiteres im Rahmen dieses Ermessensspielraums. Allerdings unterliegen die Maßnahmen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz87 . Zu überlegen ist deshalb, ob dasselbe Ziel nicht durch weniger handeisbeeinträchtigende Maßnahmen zu erreichen ist. Kostensenkungsmaßnahmen wie Negativlisten, Zuzahlungsregelungen, Budgets oder Therapieempfehlungen stellen unter dem Gesichtspunkt der Handelsbeschränkung sicher mildere Mittel dar; an ihrer der Preisregelung gleichkommenden Wirksamkeit muß allerdings gezweifelt werden. Unter Berücksichtigung des Ermessenspielraums der staatlichen Behörden kann somit kein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz festgestellt werden. Die Prämisse des EuGH ist richtig. Solange harmonisierte gemeinschaftliche Preisregelungsmaßnahmen fehlen 88 , ist der Versuch der Mitgliedstaaten, die Preise pharmazeutischer Erzeugnisse zu begrenzen, als Teil ihrer Volksgesundheits- und Sozialversicherungspolitik, mit der die angemessene Versorgung mit kostengünstigen Arzneimitteln sichergestellt werden soll, mit Art. 28 (30) EGV vereinbar und daher zulässig. der Fall ist, EuGHE 1993,1-6097, 6131 Rz. 17. Vgl. auch Matthieslv. Borries, in: GrabitzlHilf, Art. 30 Rz. 39; GTE-Müller-Graff, Art. 30 Rz. 253 f. 84 EuGHE 1979, 649, 662 Rz. 8 - Cassis-de-Dijon. 85 EuGHE 1976, 613, 635 - de Peijper, st. Rspr.; vgI. Matthieslv. Borries, in: Grabitz/Hilf, Art. 36 Rz. 16; GTE-Müller-GraJf, Art. 36 Rz. 59. 86 Nicolaysen, Europarecht 11, S. 53. 87 Matthieslv. Borries, in: Grabitz/Hilf, Art. 36 Rz. 7; GTE-Müller-GraJf, Art. 36 Rz.93. 88 Die sog. Transparenz-Richtlinie 89/l05/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme, ABI. 1989, L 40/8, sorgt nur für einen Überblick über die einzelstaatlichen Vereinbarungen zur Preisfestsetzung.

Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

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Allerdings wird man in der ausdrücklichen Verantwortungszuweisung des EuGH an die Gemeinschaftsbehörden89 eine Verpflichtung dieser Behörden zu sehen haben, die durch nationale Preisreglementierung verursachten Wettbewerbsverzerrungen mit Hilfe geeigneter Gemeinschaftsmaßnahmen abzustellen9o . Nach Art. 3 lit. g) EGV gehört die Errichtung eines Systems, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen schützt, zu den grundlegenden Aufgaben der Gemeinschaft. Indem der EuGH aber diese Gemeinschaftspflicht so ausdrücklich erwähnt, übt er Druck zur Situationsänderung aus und hält sich mittelbar die Möglichkeit einer weiteren Kontrolle ähnlich gelagerter Fälle, in denen die Gemeinschaftsbehörden nicht ausreichend tätig geworden sind, vor, so daß er gegebenenfalls angesichts dieser unbefriedigenden Lage dann eine Änderung seiner Rechtsprechung erwägen kann. bb) Beleuchtung des Problems unter dem Gesichtspunkt des Territorialitätsprinzips Es stellt sich die Frage, ob der Erschöpfungsgrundsatz im Falle staatlicher Preisregulierung eingeschränkt werden muß, weil sonst die Entscheidungen einzelner Mitgliedstaaten auf andere "ausstrahlen". Schwarze 91 erwägt die Heranziehung des Territorialitätsprinzips zur Begrenzung von Einsatz und Reichweite staatlicher Preiskontrollen. In dem Konflikt von freiem Warenverkehr und mitgliedstaatlicher Preisintervention könne man zwar den Mitgliedstaaten nach wie vor nicht die Kompetenz zu nationalen Preisreglementierungen im Gesundheitswesen absprechen. Werde aber die den Mitgliedstaaten verbliebene Kompetenz zur Gesundheits- und Sozialpolitik als Grundlage für staatliche Preisreglementierungen im Arzneimittelbereich angeführt, so müßten sich auch die Wirkungen dieser Reglementierungen grundsätzlich in den Grenzen halten, die der nationalen Politikentfaltung gesetzt seien. Und eben was hoheitliche Gestaltungsbefugnisse anbelange, so seien die Staaten nach dem klassischen Völkerrechtsgrundsatz in räumlicher Hinsicht prinzipiell auf ihr eigenes Territorium beschränkt92 • Wenn aber die Reichweite der gewerblichen Schutzrechte als EuGHE 1996,1-6285,6389 Rz. 47 - Merck 11. So auch Schwarze, in: Schwarze, Unverfälschter Wettbewerb für Arzneimittel im europäischen Binnenmarkt, S. 64. In diese Richtung geht auch die Aussage des EG-Kommissars Bangemann auf oben erwähnter Round Tab1e-Veranstaltung, Konferenzpapier 1996, S. 41: ,,But that we have to do something is abundantly dear after that Court decision .... 91 Schwarze, a.a.O. S. 64ff. 92 Zum Territorialitätsprinzip im Völkerrecht siehe ausführlich z. B. Schwarze, Die Jurisdiktionsabgrenzung im Völkerrecht, S. 13 f., 21 f. mit Hinweis auch auf den klassischen Lotus-Fall des StlGH, Urteil v. 7.9.1927, PCIJ Sero A, No. 10, S. 19. 89

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C. Parallelimporte patentierter Erzeugnisse

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territorial begrenzt eingestuft und diese Einschränkung letztlich auf das allgemeine Prinzip der territorialen Begrenztheit staatlicher Hoheitsgewalt zurückgeführt werde 93 , liege es nahe, im Konfliktfeld von freiem Warenverkehr und staatlichen Preisvorschriften das Territorialitätsprinzip in seiner begrenzenden Wirkung auch gegenüber diesen staatlichen Maßnahmen anzuwenden. Denn nationale Preisreglementierungen könnten in zumindest vergleichbarer Form wie gewerbliche Schutzrechte den Zielsetzungen des freien Warenverkehrs zuwiderlaufen und zur Marktabschottung beitragen. Preisreglementierungen sei im Gegensatz zu sonstigen Kostensenkungsmaßnahmen dadurch, daß sie über Parallel importe auf andere Länder ausstrahlten, eine grenzüberschreitende Wirkung immanent. Lasse man also nationale Preisreglementierungen überhaupt zu, so müsse zumindest sichergestellt werden, daß sie nicht über das jeweilige Staatsgebiet hinausgriffen. Und eben dazu könne das Territorialitätsprinzip dienen, wenn es nicht nur zur Beschreibung der Reichweite national gewährter Schutzrechte, sondern auch zur Begrenzung der Regelungsbefugnis der Mitgliedstaaten im Hinblick auf Preisfestsetzungen für pharmazeutische Erzeugnisse herangezogen werde94 . Schwarze schlägt daher vor, den Erschöpfungsgrundsatz dergestalt zu modifizieren, daß er für die spezifische Fallkonstellation einer staatlichen Höchstpreiskontrolle keine Anwendung findet 95 • Eine solche Neubetonung des Territorialitätsprinzips im Binnenmarkt ist allerdings nicht bedenkenfrei 96 • In neueren Urteilen zum Gesundheitswesen hat der EuGH die Geltung des Territorialitätsprinzips zwecks Herstellung von Binnenmarktverhältnissen gerade erst überwunden 97 . Ähnliches läßt sich der Cassis-Rechtsprechung98 , die dazu führt, daß in einem MitgliedFerner Dahm/Delbrück/Woljrum, Völkerrecht, Band 1/1, S. 316ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 761 ff. 93 Vgl. die Feststellung des Generalanwalts Fennelly in seinen Schlußanträgen zum Merck lI-Fall, EuGHE 1996,1-6288,6321 Nr. 90: "Der Umstand, daß ein gewerbliches Schutzrecht auf Grund der nationalen Rechtsvorschriften des Staates entsteht, der das Recht gewährt, begrenzt naturgemäß das Gebiet, innerhalb dessen ein solches Recht wirksam ist. Man hat dies das Territorialitätsprinzip des gewerblichen Rechtsschutzes genannt, ... es ist indessen nicht mehr als ein notwendiger Reflex der territorialen Begrenztheit der Hoheitsgewalt des betreffenden Staates." 94 Schwarze, a.a.O. S. 68; zustimmend Mager, GRUR 1999,637,640. 95 Schwarze, a. a. O. S. 72 f. In diese Richtung ist wohl auch folgende Aussage von Minister Noonan auf der bereits erwähnten Round-table-Veranstaltung zu verstehen: ..Nor is ist acceptable that one country can or should impose its choice of health policy on its neighbours by the action of parallel trade. This would seem to point to the need for both the Commission and the Member States to show flexibility in the application of free movement where national price controls apply.", Konferenzpapier 1996, S. 11. Dieser Ansicht schloß sich Prof. Valverde Lopez auf der zweiten Round Table-Veranstaltung im Jahr darauf an, Konferenzpapier 1997, S. 74. 96 Schwarze spricht selbst mögliche Kritikpunkte an, verwirft diese aber schnell wieder, a.a.O. S. 69ff.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

staat rechtmäßig in Verkehr gelangte Produkte in der gesamten Gemeinschaft grundsätzlich frei zirkulieren können, und dem mittlerweile allgemein neben die Rechtsangleichung getretenen Prinzip der gegenseitigen Anerkennung im Gemeinschaftsrecht entnehmen: Im Gemeinsamen Markt ist eine Auflösung des Territorialitätsprinzips zu beobachten, der die vorgeschlagene Interpretation des Territorialitätsprinzips im Zusammenhang mit staatlichen Preisregelungen zuwiderliefe. Auch aus der Keck-Rechtsprechung99 , die Vennarktungsregelungen vom Cassis-Grundsatz ausnimmt, ergibt sich nichts anderes 100. Die Keck-Rechtsprechung stellt nur den Versuch dar, durch klare Kriterien den Anwendungsbereich des Art. 28 (30) EGV zu definieren. Reine Verkaufsmodalitäten sollten demnach mangels Eignung zur Handelsbeeinträchtigung nicht als Maßnahmen gleicher Wirkung im Sinn von Art. 28 (30) EGV angesehen werden. Das bedeutet aber nicht, daß dadurch der Territorialitätsgrundsatz im Zusammenhang mit Verkaufsmodalitäten zementiert werden sollte. Aus ihr kann nicht die Einschränkung des Erschöpfungsgrundsatzes abgeleitet werden. Diese Ausnahme führt nämlich nicht etwa dazu, daß die entsprechend der in einem Mitgliedstaat geltenden Vennarktungsregelung in Verkehr gelangten Erzeugnisse nicht mehr frei zirkulieren dürften, sondern sichert nur, daß die Erzeugnisse nur im Rahmen der in anderen Mitgliedstaaten geltenden Vermarktungsregelungen dort in Verkehr gebracht werden dürfen. Weichen beispielsweise Ladenschlußzeiten in den Anrainennitgliedstaaten A und B voneinander ab, so hindert die Keck-Rechtsprechung zwar Anbieter aus Land A, nach Ladenschluß in Land B die Waren dort zu veräußern, sie verhindert aber nicht, daß Kunden aus dem Grenzgebiet von Land B dann noch nach Land A zum Einkaufen kommen. Eine Ausstrahlungswirkung der Verkaufsmodalitäten wird also nicht völlig unterbunden. Genauso fordert die Keck-Rechtsprechung im Fall staatlicher Preisregelungen nur, daß diese Regelungen beim Verkauf der Arzneimittel in den reglementierten Mitgliedstaaten eingehalten werden und daß beim Export dieser Erzeugnisse in andere Mitgliedstaaten die dortigen Verkaufsmodalitäten, z. B. hinsichtlich einer Apothekenpflicht, beachtet werden. Angesichts des in Art. 3 lit. g) EGV ausdrücklich erwähnten Ziels der Herstellung einheitlicher Wettbewerbsverhältnisse im Binnenmarkt sollte eine Lösung des Problems der Preisregelungen nicht "sachfremd" über die Einschränkung von Grundsätzen zum gewerblichen Rechtsschutz, sondern 91 Urteile vom 28.4.1998 zur Erstattung von Brillenkäufen bzw. Zahnersatz in anderen Mitgliedstaaten, EuGHE 1998, 1-1831 Decker ./. Caisse de maladie des employes prives und EuGHE 1998, 1-1931 - Kohll ./. Union des caisses de maladie. 98 EuGHE 1979, 649 - Cassis-de-Dijon. 99 EuGHE 1993, 1-6097 - Keck. 100 A.A. Schwarze, a.a.O. S. 71.

C. Parallelimporte patentierter Erzeugnisse

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über die dem Binnenmarktziel gemäßere Möglichkeit der Rechtsharmonisierung gefunden werden. Dem entspricht der EuGH mit seiner Rechtsprechung zu staatlichen Preiskontrollen. cc) Beleuchtung des Problems unter dem Gesichtspunkt des Zustimmungskriteriums Die klägerischen Unternehmen Merck und Beecham haben sich darauf berufen, daß durch die staatlichen Preisregelungen die Möglichkeit der freien Bestimmung der Bedingungen, unter denen sie ihre Erzeugnisse vermarkteten, genommen bzw. erheblich eingeschränkt worden sei 101. Der EuGH war somit aufgefordert, die seit dem Phannon-Urteil anerkannte Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz, wenn der Patentinhaber nicht die Befugnis besaß, "die Bedingungen des Inverkehrbringens seiner Erzeugnisse im Ausfuhrstaat frei zu bestimmen" 102, zu präzisieren. Dabei wäre eine Auslegung in Richtung eines stärkeren Patentschutzes möglich gewesen, indem zu den "Bedingungen des Inverkehrbringens" auch der Verkaufspreis der Erzeugnisse gezählt worden wäre. Die Aussage des EuGH im Phannon-Urteil, der Patentinhaber müsse über die Bedingungen, unter denen er seine Erzeugnis in den Verkehr bringen will, frei entscheiden können, muß aber auf der Grundlage des Sachverhalts des konkreten Falles betrachtet werden. In Frage stand die Zurechenbarkeit des Inverkehrbringens aufgrund einer Zwangslizenz, es ging also nicht etwa um die Entscheidung über die Marktbedingungen, sondern nur um die Entscheidung darüber, ob der Patentinhaber unter gegebenen Marktverhältnissen seine Erzeugnisse überhaupt in den Verkehr bringen will. Darüber hinaus bezog sich die Aussage nur darauf, daß der Patentinhaber bei Inverkehrbringen durch einen unabhängigen Dritten keinen Einfluß auf dessen Vermarktungshandlungen hat und daher diese Vermarktungs"Bedingungen" seiner Produkte nicht beeinflussen und damit auch nicht frei bestimmen kann. Auch ist zu bedenken, daß die Frage des Erhalts von Lizenzgebühren bereits im Phannon-Urteil keine Rolle gespielt hatte. Entscheidend war bereits dort nicht die Frage, ob der Patentinhaber einen - staatlich festgelegten - Preis erhalten hat, sondern nur, ob die eigentliche Entscheidung zum Inverkehrbringen autonom getroffen werden konnte. Das war aufgrund der Zwanglizenz zu verneinen. Im Fall der staatlichen Preisregelung liegt die Entscheidung über das Inverkehrbringen - eben unter den gegeben geregelten Umständen - immer noch beim Patentinhaber. Aus dieser Sicht ist 101 102

Siehe EuGHE 1996,1-6285,6388 Rz. 46 - Merck 11. EuGHE 1985, 2281, 2298 Rz. 25 - Phannon.

Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

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es konsequent, wenn der EuGH die Schranken enger zieht und Gegenmaßnahmen nur erlaubt, wenn eine tatsächliche und gegenwärtige rechtliche Verpflichtung zur Veräußerung der entsprechenden Produkte auf dem administrierten Markt besteht 103. Nur dann nämlich kann der Patentinhaber nicht mehr frei über das Inverkehrbringen entscheiden. dd) Beleuchtung des Problems unter dem Gesichtspunkt der Belohnung des Rechtsinhabers Wie im Merck I-Urteil ausgeführt, soll das ausschließliche Recht des Patentinhabers zum ersten Inverkehrbringen seiner Erzeugnisse diesem die Möglichkeit verschaffen, einen Ausgleich für seine Erfindertätigkeit zu erhalten. Dieser Ausgleich wird aber nicht garantiert 104 • Über die Höhe dieses Ausgleichs kann, wenn dieser schon nicht garantiert wird, erst recht keine Aussage getroffen werden. Soweit das Unternehmen über das Ob des Inverkehrbringens frei entscheiden kann und in Kenntnis der staatlichen Preisregelung seine Erzeugnisse veräußert, nimmt es die bestehende Situation in Kauf und muß daher auch die daraus erwachsenden Konsequenzen tragen. Zustimmungskriterium und Belohnungsgedanke lassen sich hier letztlich nicht trennscharf voneinander unterscheiden. Die Möglichkeit der Realisierung einer Belohnung ist eher als unselbständiges Teilelement des Zustimmungskriteriums aufzufassen: Wer weiß, daß die Belohnung nicht ausgeschöpft wird, seine Erzeugnisse aber dennoch in Verkehr bringt, stimmt den konkreten Bedingungen zu und muß daher auch die Konsequenzen seines HandeIns tragen. Innerhalb der EG ist angesichts der Möglichkeit und Pflicht zur Rechtsharmonisierung im Bereich der staatlichen Preisbindungssysteme ein Abweichen vom Erschöpfungsgrundsatz und damit seine Durchlöcherung nicht zu fordern 105. Das ist weder durch den Territorialitätsgrundsatz noch durch die dem Erschöpfungsgrundsatz zugrundeliegenden Kriterien der Zustimmung und der Belohnung des Patentinhabers rechtlich geboten. Anders liegt der Fall nur in dem vom EuGH auch als Ausnahme anerkannI!.

103

Siehe EuGHE 1996, 1-6285, 6389f. Rz. 50ff. und Nr. 2 des Tenors - Merck

104

EuGHE 1981,2063,2081 Rz. 10 - Merck I; vgl. dazu oben Teil I, C.!. 5. a)

aa).

105 Eine Einschränkung der Vorschriften über den freien Warenverkehr im Arzneimittelbereich wird von der Europäischen Kommission auch strikt abgelehnt. Die Lösung des Problems soll durch Deregulierung des Marktes erfolgen. Vgl. die Präsentationen auf der zweiten Round Table-Veranstaltung ..Completing the Single Pharmaceutical Market", Ergebnisse der Arbeitsgruppe I, Konferenzpapier 1997, S. 13; Statement des deutschen Staatssekretärs im Gesundheitsministerium Wagner, Konferenzpapier 1997, S. 73.

C. Parallelimporte patentierter Erzeugnisse

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ten Fall einer rechtlichen Vermarktungspflicht. In der EG sind Wettbewerbsverzerrungen durch Handeln der Gemeinschaftsbehörden zu unterbinden und nicht durch eine sachfremde Einschränkung des immaterialgüterrechtlichen Erschöpfungsgrundsatzes.

11. Vorgehen gegen Parallelimporte aus Drittstaaten Es ist hier entsprechend der Behandlung der Frage in der Rechtsprechung des EuGH zwischen denjenigen Drittstaaten, mit denen die Gemeinschaft durch Freihandelsabkommen, die den Art. 28 (30) und 30 (36) EGV entsprechende Regelungen zur Warenverkehrsfreiheit enthalten, und solchen Drittstaaten, zu denen keine solchen Beziehungen bestehen, zu unterscheiden. 1. Verhältnis zu Drittstaaten, mit denen keine Freihandelsabkommen der EG bestehen

Im Verhältnis zu Drittstaaten, zu denen die Gemeinschaft keine Freihandels- oder Assoziationsbeziehungen unterhält, tritt nach der Rechtsprechung des EuGH keine Erschöpfung ein, so daß Parallelimporte aus diesen Staaten unter Berufung auf das nationale Patentrecht unterbunden werden können. Leitentscheidung in dieser Frage ist das Urteil EMI .1. CBS aus dem Jahre 1976 106 • Da die Vorschriften der Art. 28, 30 (30, 36) EGV, aus denen der EuGH den gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz herleitet, nur die Gewährleistung des freien Warenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten vorsehen, tritt keine Erschöpfung ein, wenn der Patentinhaber die geschützten Erzeugnisse selbst oder mit seiner Zustimmung durch Dritte erstmalig in einem Drittstaat in Verkehr bringt. Der EGV kennt ein materielles Verbot wie in Art. 28 (30) EGV gegenüber Importen aus Drittstaaten nicht 107. Auch aus Art. 133 (113) EGV kann ein grundsätzliches Verbot entsprechender nationaler Maßnahmen nicht entnommen werden, soweit man ihn als konkurrierende Kompetenz interpretiert. Vorbehaltlich einer Gemeinschaftsregelung sind daher die Bestimmungen der Mitgliedstaaten grundsätzlich weiterhin anwendbar 108 • Da eine solche Gemeinschaftsregelung im Bereich des Patentrechts noch nicht existiert, sind die Erschöpfungsregelungen der nationalen Rechtsordnungen ausschlaggebend lO9 • Wird auch die Konzernlieferung aus einem Mitgliedstaat in einen EuGHE 1976, 811 - EMI ./. CBS. EuGHE 1976,811, 847f. Rz. 8ff. - EMI ./. CBS. 108 EuGHE 1976, 811, 849 Rz. 17 - EMI ./. CBS; EuGHE 1982, 329, 351 Polydor; v. Bogdandy, in: Grabitzlv. Bogdandy/Neuesheim, Europäisches Außenwirtschaftsrecht, S. 80. 106 107

6 Freylag

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

Drittstaat nicht als Inverkehrbringen in der Gemeinschaft angesehen 11 0 , kann der Patentinhaber den Re-/Parallelimport solcher Erzeugnisse in einen patentgeschützten Mitgliedstaat aufgrund seines nationalen Patentrechts untersagen, soweit er diesem nicht zugestimmt hat und dieser ihm nicht zuzurechnen ist. Erfolgt jedoch der Import aus dem Drittstaat in einen schutzfreien Mitgliedstaat, kann die Ware gern. Art. 24 (10) Abs. 1 EGV in den freien Verkehr dieses Mitgliedstaats gelangen, wenn die Einfuhrfönnlichkeiten erfüllt sowie die vorgeschriebenen Zölle und Abgaben gleicher Wirkung erhoben und nicht ganz oder teilweise rückvergütet worden sind. Fraglißh ist also, ob die so in den Freiverkehr gelangte Ware nach Art. 23 (9) Abs. 2 und Art. 28 (30) EGV in der Gemeinschaft frei zirkulieren kann. Im Urteil EMI ./. CBS verneinte der EuGH diese Frage. Art. 24 (10) Abs. 1, 23 (9) Abs. 2 EGV könnten nicht dahingehend ausgelegt werden, daß es für geschützte Erzeugnisse ausreiche, die Zoll-Fönnlichkeiten in dem ersten Mitgliedstaat, in den sie eingeführt worden seien, zu erfüllen, um anschließend im gesamten Gemeinsamen Markt unter Verstoß gegen die Vorschriften zum Schutz des geistigen Eigentums vertrieben werden zu können 111. Eine genauere Analyse der Urteilsgründe verdeutlicht, daß dieses Urteil keine Ausnahme vom Anwendungsbereich des Art. 23 (9) Abs. 2 EGV darstellt, sondern nur Art. 30 (36) EGV seine volle Wirksamkeit sichert. Der aus Art. 28, 30 (30, 36) EGV entwickelte gemeinschaftsrechtliche Erschöpfungsgrundsatz gilt nur beim ersten Inverkehrbringen in der Gemeinschaft durch den Schutzrechtsinhaber bzw. mit dessen Zustimmung. Wird die Drittlandsware allerdings ohne diese Zustimmung importiert, rechtfertigt Art. 30 (36) EGV die nationale Vennarktungsbeschränkung im Falle des Weitervertriebs innerhalb der Gemeinschaft 112. Erfolgt die Einfuhr aus dem Drittstaat in den patentfreien Mitgliedstaat allerdings durch den Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung, so kann dieser sich nicht gegen den weiteren Import der geschützten Ware aus dem schutzfreien Mitgliedstaat in sein Schutzrechtsterritorium, d. h. in der Regel einen oder mehrere andere Mitgliedstaaten, zur Wehr setzen 113. 109 In der EU gehen für das Patentrecht soweit ersichtlich alle Mitgliedstaaten von der gemeinschaftsweiten Erschöpfung aus, abgesehen von GB, das darüber hinaus die implied licence-Theorie anwendet. 110 So z.B. die deutsche Rechtsprechung, BGH GRUR 1969,479,480 - Colle de Cologne; 8GHZ 81. 282. 288f. - Schallplattenexport; OLG Hamburg, GRUR 1988, 923 - Imidazol; vgl. Ebenroth, Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Warenverkehrsfreiheit, S. 53, 68; kritisch Ullrich, GRUR Int. 1983, 370, 372. 111 EuGHE 1976.811, 848f. Rz. 16 - EMI ./. CBS. 112 Ähnlich v. Bogdandy, in: Grabitz/v. Bogdandy/Nettesheim, Europäisches Außenwirtschaftsrecht, S. 84f.; Winkel, NJW 1977, 1992, 1995.

C. Paralle1importe patentierter Erzeugnisse

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Diese unterschiedliche Behandlung der Importfalle aus Drittstaaten rechtfertigt sich aus der konsequenten Anwendung des Zustimmungskriteriums. Während im ersten Fall des nichtgenehmigten Imports in den schutzfreien Mitgliedstaat kein Inverkehrbringen durch den Patentinhaber bzw. mit seiner Zustimmung innerhalb der Gemeinschaft vorliegt, ist dieses im zweiten Fall des genehmigten oder zurechenbaren Imports in den patentfreien Mitgliedstaat zu bejahen. 2. Verhältnis zu Drittstaaten, mit denen Freihandelsabkommen der EG bestehen

Es ist zu klären, ob der aus Art. 28 (30) und 30 (36) EGV abgeleitete Grundsatz der gemeinschafts weiten Erschöpfung auch im Verhältnis zu Drittstaaten, mit denen Freihandelsabkommen mit vergleichbaren Vorschriften über den freien Warenverkehr bestehen, Anwendung finden kann. a) Ältere Abkommen

Da Entscheidungen des EuGH nur zu den älteren Abkommen ergingen, wird im folgenden zunächst diese Rechtsprechung analysiert und anschließend die Rechtslage unter Geltung der neueren Freihandelsabkommen, d. h. im EWR und den Europaabkommen, dargestellt. Anfang der 70er Jahre schloß die - bereits um Großbritannien, Dänemark und Irland erweiterte - Gemeinschaft eine Reihe von Freihandelsabkommen (FHA) mit Drittstaaten, insbesondere mit den ehemaligen EFf A-Staaten und potentiellen späteren Beitrittskandidaten 1l4• Derzeit bestehen Abkommen dieser Generation noch mit Malta, Zypern und der Schweiz 115. Für ll3 Ebenroth, Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Warenverkehrsfreiheit, S.67f. 114 Abkommen mit der Republik Österreich (ABI. 1972, L 3(012), mit dem Königreich Schweden (ABI. 1972, L 3(0/97), mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein (ABI. 1972, L 3001189 und 281), mit der Republik Island (ABI. 1972, L 30112), mit der Portugiesischen Republik (ABI. 1972, L 3011165), mit dem Königreich Norwegen (ABI. 1973, L 17112) und mit der Republik Finnland (ABI. 1973, L 328/2). Auch zwischen den Mitgliedstaaten der EGKS (teilweise zusammen mit der EGKS) und diesen Staaten wurden Freihandelsabkommen geschlossen, die jedoch im Rahmen dieser Arbeit außer Betracht bleiben, vgl. dazu Duric, Die Freihandelsabkommen EG/EFTA, S. 24. IIS Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der EWG und Malta vom 5.12.1970, ABI. 1971, L 61/2; Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der EWG und Zypern vom 19.612.1972, ABI. 1973, L 133/2; zum FHA mit der Schweiz s. oben Fn. 114; allgemein zu diesen Abkommen vgl. GTE-Weber, Art. 238 Rz. 57ff., 61. Die Abkommen mit Malta und Zypern zielen sogar auf die stufenweise Errichtung einer Zollunion, beide Staaten haben allerdings 1990 Bei-

84

Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

diejenigen Rest-EFfA-Staaten, mit denen in den 70er Jahren ebenfalls Freihandelsabkommen geschlossen worden waren, die mittlerweile aber dem EWR angehören, ist das EWR-Abkommen vorrangig 1 16. Mit der Türkei wurde zwar 1996 eine Zollunion errichtet ll7 , die Frage der Erschöpfung von Immaterialgüterrechten aber ausdrücklich ausgeklammert 1 18. Die EWG hat diesen Abkommen "zugestimmt", indem sie sie durch Verordnungen des Rates unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Art. 133 (113) Abs. 1 EWGV geschlossen, gebilligt und bestätigt hat ll9 . Ziel und Zweck all dieser Abkommen ergeben sich aus deren Präambel und Art. 1. Danach soll durch die Festigung und Ausweitung der gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen, insbesondere des Waren verkehrs zwischen den Vertragspartnern die harmonische Entwicklung ihrer Wirtschaftsbeziehungen gefördert und damit der Aufschwung des Wirtschaftslebens, die Verbesserung der Lebensund Beschäftigungsbedingungen, die Steigerung der Produktivität und die finanzielle Stabilität begünstigt werden. Im Warenverkehr sollen gerechte Wettbewerbsbedingungen geWährleistet werden. Außerdem ist beabsichtigt, durch die Errichtung von Freihandelszonen die Hemmnisse für annähernd den gesamten Handel schrittweise zu beseitigen und dadurch zur harmonischen Entwicklung des Welthandels beizutragen. Kernstück der Abkommen bilden die Vorschriften zur Beseitigung und Nicht(wieder)einführung der Zölle und zollähnlichen Abgaben, der diskriminierenden Steuern und - im Rahmen dieser Arbeit vornehmlich von Bedeutung - der mengenmäßigen Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung. Diese Vorschriften in den Freihandelsabkommen stimmen mit den entsprechenden Regelungen des E(W)GV nahezu wörtlich überein. Daher stellte sich auch die Frage, ob die zum EGV entwickelte Auslegung auf die Freihandelsabkommen übertragbar ist. Zu diesen Abkommen erging eine Reihe von Urteilen, die Aufschluß geben können über die Haltung des EuGH zur übereinstimmenden Auslegung gleichlautender oder ähnlicher Vorschriften in EGV und Freihandelsabkommen. Im Anschluß an die Analyse dieser Rechtsprechung soll die Möglichkeit deren Übertragung auf die neueren, heute noch bestehenden Freihandelsabkommen diskutiert werden. trittsanträge gestellt (BullEG 7/8/1990 Ziff. 1.4.24.125.) und gehören zu den Kandidaten für die nächste Erweiterungsrunde. 116 Art. 120 EWR-Abkommen; zum EWR vgl. unten Teil I, C. 11. 2. b). 111 GTE-Weber, Art. 238 Rz. 69ff.; vgl. BullEG 11/1993, Ziff. 1.3.27; 12/1995, Ziff. 1.4.67; 4/1996 Ziff. 1.4.59. 118 Art. 10 Abs. 2 Anhang 8 des Zollunionsbeschlusses lautet: ,,Dieser Beschluß sieht eine Erschöpfung der Rechte an geistigem, gewerblichem und kommerziellem Eigentum in den Handelsbeziehungen zwischen beiden Vertragsparteien im Rahmen dieses Beschlusses nicht vor.", ABI. 1996, L 35/1, 43, 45. 119 Vgl. die FundsteIlen Fn. 114, jeweils 1 Seite vorher.

c.

Parallelimporte patentierter Erzeugnisse

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aa) Vorbemerkung: Unmittelbare Anwendbarkeit Die Abkommen stellen einen "integrierenden Bestandteil des Gemeinschaftsrechts" dar, dem Vorrang vor nationalem Recht und sekundärem Gemeinschaftsrecht zukommt 120• Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist eine Bestimmung eines von der Gemeinschaft mit Drittländern geschlossenen Abkommens als unmittelbar anwendbar anzusehen, wenn sie unter Berücksichtigung ihres Wortlauts und nach Gegenstand und Art des Abkommens eine klare und eindeutige Verpflichtung enthält, deren Erfüllung oder deren Wirkungen nicht vom Erlaß eines weiteren Rechtsakts abhängen 121. Die den Art. 28 (30) und 30 (36) EGV entsprechenden Vorschriften der Freihandelsabkommen erfüllen diese Voraussetzungen. Ergäbe sich aus der Auslegung dieser Abkommen, daß der Grundsatz der gemeinschaftsweiten Erschöpfung ausgeweitet werden müßte, so könnten sich Parallelimporteure also vor nationalen Gerichten darauf berufen.

bb) Auslegung der Freihandelsabkommen Explizit zur Frage der Übertragung der Rechtsprechung zu Art. 28 (30) und 30 (36) EGV, aus der sich der Grundsatz der gemeinschaftsweiten Erschöpfung von Immaterialgüterrechten ergibt, auf entsprechende Vorschriften in Freihandelsabkommen ist bisher nur eine Entscheidung des EuGH ergangen. In der Polydor-Entscheidung 122 ging es um die Auslegung von Art. 14 Abs. 2 und 23 des Freihandelsabkommen mit Portugal, die mit dem Wortlaut der Art. 28 (30) und 30 (36) EGV nahezu übereinstimmten. Die Firma Polydor war ausschließliche Lizenznehmerin der Urheberrechtsinhaberin für Großbritannien. Die Einzelhandelsfirma Harlequin veräußerte in Großbritannien Schallplatten und Kassetten, die sie en gros von einem Importeur erwarb, der die Ware in Portugal beschaffte, wo sie vom dortigen Lizenznehmer, einer Schwesterfirma von Polydor, rechtmäßig hergestellt und in Verkehr gebracht worden war. Polydor wollte den Vertrieb dieser Importware unter Berufung auf ihr britisches Urheberrecht untersagen lassen. Für die Entscheidung dieser Frage kam es somit darauf an, ob die EuGH-Rechtsprechung zur gemeinschaftsweiten Erschöpfung von Urheberrechten auf120 EuGHE 1982, 3641, 3661 ff. Rz. 9ff. - Kupferberg I; vgl. Graz, Propriete intellectuelle et libre circulation des marchandises, S. 41 m.w.N., 49ff.; GTE- Weber, Art. 238 Rz. 45 f. 121 Vgl. nur EuGHE 1982, 3641, 3661 ff. Rz. 9ff. - Kupferberg I; EuGHE 1987, 3719,3752 Rz. 14 - Demirel; EuGHE 1998,1-3655,3701 Rz. 31 - Racke. 122 EuGHE 1982,329 - Polydor ./. Harlequin.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

grund Art. 28, 30 (30, 36) E(W)GV auf das FHA EWG-Portugal übertragbar war 123 . In Polydor .1. Harlequin entschied der EuGH, daß die Rechtsprechung zu Art. 30, 36 EWGV nicht für Art. 14 Abs. 2, 23 FHA EWG-Portugal gilt l24 . Zu dieser Entscheidung gelangte er insbesondere aufgrund der teleologischen Auslegung von EWGV und Freihandelsabkommen. Der EuGH stellte fest, daß die Bestimmungen des Freihandelsabkommens zwar unter mehreren Gesichtspunkten in vergleichbarer Weise wie die des EWGV über die Abschaffung der Beschränkungen des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs konzipiert seien. Insbesondere ähnele sich der Wortlaut der Vorschriften. Diese Ähnlichkeit des Wortlauts sei jedoch kein ausreichender Grund dafür, die Rechtsprechung, die das Verhältnis zwischen dem Schutz der gewerblichen und kommerziellen Eigentumsrechte und den Vorschriften über den freien Warenverkehr im Rahmen der Gemeinschaft bestimme, auf das System des Abkommens zu übertragen 125. Die Tragweite dieser Rechtsprechung sei vielmehr aus der Sicht der Ziele und der Tätigkeit der Gemeinschaft, wie sie in den Art. 2 und 3 EWGV definiert seien, zu beurteilen. Danach ziele der Vertrag mit der Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und der schrittweisen Annäherung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten auf den Zusammenschluß der nationalen Märkte zu einem einheitlichen Markt ab, der die Merkmale eines Binnenmarktes aufweise. Obwohl das Freihandelsabkommen die unbedingte Beseitigung bestimmter Beschränkungen des Handels zwischen der Gemeinschaft und Portugal - wie der mengenmäßigen Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung - vorschreibe, sei die Zielsetzung nicht vergleichbar, da der Aspekt der Annäherung an einen Binnenmarkt fehle. Darüber hinaus fänden die Instrumente, über die die Gemeinschaft verfüge, um innerhalb des Gemeinsamen Marktes zur einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts und zur schrittweisen Abschaffung der Unterschiede in den Rechtsvorschriften zu gelangen, im Rahmen der Beziehungen der Gemeinschaft und Portugal kein Äquivalent l26 . In der Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, daß der PolydorFall vom EuGH heute nicht mehr so entschieden würde 127. Diese Autoren 123 Zu Sachverhalt und Vorlagefragen s. EuGHE 1982, 329, 331 ff. - Polydor ./. Harlequin. 124 EuGHE 1982,329, 349ff. Rz. 19,22 und Tenor - Polydor J. Harlequin. 12S EuGHE 1982,329, 348 Rz. 14f. - Polydor ./. Harlequin. 126 EuGHE 1982,329, 348f. Rz. 16ff. - Polydor ./. Harlequin. 127 loUer, GRUR Int. 1998, 751, 764; nur zu Eurim-Pharm: Duric, Die Freihande1sabkommen EG-Schweiz, S. 83; in diese Richtung auch Cottier. SMI 1995/1, 37, 48f.

C. Parallelimporte patentierter Erzeugnisse

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stützen sich auf die Rechtsprechung des EuGH in neueren Entscheidungen, insbesondere in den Fällen Eurim-Pharm 128 1983 und Aprile 129 1995. In beiden Fällen kam der EuGH zu dem Ergebnis, daß eine übereinstimmende Auslegung von EGV und Freihandelsabkommen geboten sei. Ob daraus jedoch berechtigterweise der Schluß gezogen werden kann, daß auch die Polydor-Entscheidung überholt sei, bedarf eingehender Prüfung, betrafen doch weder die Eurim-Pharm- noch die Aprile-Entscheidung Rechte zum Schutz des geistigen Eigentums. Im folgenden sollen daher zunächst die beiden zitierten Entscheidungen sowie die darauf gestützte Argumentation obengenannter Autoren dargestellt und anschließend unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung zur Auslegung von Freihandelsabkommen insgesamt eine Bewertung vorgenommen werden. In der Rechtssache Eurim-Pharm ./. Bundesgesundheitsamt 130 entschied der EuGH über die Auslegung des FHA EWG-Österreich l31 • Es ging um die Frage, ob die den Art. 28 (30) und 30 (36) EGV entsprechenden Vorschriften über den freien Warenverkehr (Art. 13 und 20 FHA) es verbieten, daß die Gesundheitsbehörde eines Mitgliedstaats ein Arzneimittel aus Österreich, das in allen Punkten mit einem von dieser Gesundheitsbehörde bereits zugelassenen Arzneimittel identisch ist, nur unter der Voraussetzung zum Verkehr zuläßt, daß der Parallelimporteur Unterlagen über die therapeutische Wirkung des Arzneimittels vorlegt, die dieser Behörde bereits vom Hersteller des Arzneimittels beim ersten Antrag auf Zulassung zum Verkehr vorgelegt worden sind. Eurim-Pharm hatte darauf hingewiesen, daß der EuGH im Urteil de Peijper l32 zur gleichen Fallkonstellation innerhalb der EG dieses Vorgehen für unvereinbar mit Art. 28, 30 (30, 36) EGV befunden hatte, und daß diese Rechtsprechung auch für die Art. 13, 20 FHA gelten müsse, da diese Vorschriften den gleichen Wortlaut hätten und das gleiche Ziel verfolgten, nämlich die Beseitigung von Handelsschranken 133. Die britische und italienische Regierung sowie die Kommission hatten demgegenüber geltend gemacht, daß diese Auslegung nicht auf den Anwendungsbereich eines Freihandelsabkommens übertragbar sei, da dieses weder eine Rechtsangleichung noch eine Verpflichtung zur behördlichen Zusammenarbeit im Arzneimittelsektor vorsehe 134 • Der EuGH wies dieses Vorbringen zurück, ohne 128 129 130 131 132 133

134

amt.

EuGHE 1993,1-3723 - Eurim-Pharm ./. Bundesgesundheitsamt. EuGHE 1995, 1-2919 - Aprile. EuGHE 1993, 1-3723 - Eurim-Pharm ./. Bundesgesundheitsamt. ABI. 1972, L 30012. EuGHE 1976,613 - de Peijper. EuGHE 1993, 1-3723, 3725 - Eurim-Pharm ./. Bundesgesundheitsamt. EuGHE 1993, 1-3723, 3747f. Rz. 22 - Eurim-Pharm ./. Bundesgesundheits-

Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

88

allerdings ausdrücklich zur Frage der Übertragbarkeit der Auslegung Stellung zu nehmen: "Selbst unter der Annahme, daß sich die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu den Artikeln 30 und 36 EWG-Vertrag nicht auf die Auslegung der Artikel 13 und 20 des Abkommens übertragen läßt, genügt nämlich die Feststellung, daß die deutsche Gesundheitsbehörde in keiner Weise auf eine Zusammenarbeit mit den österreichischen Behörden angewiesen war, da sie bereits über alle erforderlichen Informationen über das fragliche Arzneimittel verfügte und die Übereinstimmung des eingeführten Arzneimittels mit dem zugelassenen Arzneimittel unstreitig war. Unter diesen Voraussetzungen würde den Artikeln 13 und 20 des Abkommens ein Großteil ihrer praktischen Wirksamkeit genommen, wenn entschieden würde, daß sie einer Regelung wie der hier streitigen nicht entgegenstehen,,135. Vorgenannte Autoren meinen, die Wortwahl im Zusammenhang mit dem Ergebnis deuteten darauf hin, daß der EuGH seine Rechtsprechung zu Art. 28, 30 (30, 36) EGV auch auf das Freihandelsabkommen übertragen würde 136. Die Regelung bewirke im Ergebnis die Zulassung von Parallelimporten des betreffenden Generikums 137. Die soweit ersichtlich letzte Entscheidung zur parallelen Auslegung von EGV und Freihandelsabkommen traf der EuGH 1995 im Fall Aprile 138 im Zusammenhang mit dem Verbot von Abgaben gleicher Wirkung. Ein solches Verbot findet sich in einer ganzen Reihe bi- und multilateraler Abkommen der Gemeinschaft 139 • Der EuGH entschied, daß das Verbot in diesen Fällen ebenso wie im innergemeinschaftlichen Recht auszulegen sei. Wiederum nahm er zum Zweck dieser Abkommen Stellung, der darin bestehe, "die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Parteien zu konsolidieren und zu erweitern und zu diesem Zweck die Handelshemmnisse, darunter die Einfuhrzölle und Abgaben gleicher Wirkung, die mit ihnen eng verbunden sind, zu beseitigen. Diese Abkommen würden einen erheblichen Teil ihrer praktischen Wirksamkeit verlieren, wenn der in ihnen verwendete Begriff der Abgabe gleicher Wirkung dahin auszulegen wäre, daß er eine engere Bedeutung hat als der im Vertrag verwendete gleiche Begriff d4o . 135

amt.

EuGHE 1993, 1-3723, 3748 Rz. 24f. - Eurim-Pharm ./. Bundesgesundheits-

136 Cottier, SMI 1995/I, 37, 48 f.; Joller, GRUR Int. 1998, 751, 763; vorsichtiger: Duric, Die Freihandelsabkommen EG-Schweiz, S. 83 ("gewisse Kehrtwendung"); Stucki, Trademarks and Free Trade, S. 31; kritisch Worth, EIPR 1994, 40, 4lf. 137 Cottier, SMI 1995/1, 37, 48. 138 EuGHE 1995, 1-2919 - Aprile. 139 Vgl. EuGHE 1995, 1-2919, 2951 Rz. 38 - Aprile; Schlußanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer zu dieser Rechtssache, EuGHE 1995, 1-2922, 2932f. Nr.43. 140 EuGHE 1995, 1-2919, 2951 f. Rz. 39 - Aprile unter Verweis auf EuGHE 1992,1-4625,4668 Rz. 26 - Legros.

c.

Parallelimporte patentierter Erzeugnisse

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loUer meint, da kaum ersichtlich sei, weshalb Einfuhrbeschränkungen gleicher Wirkung anders beurteilt werden sollten als Abgaben gleicher Wirkung, erscheine fraglich, ob der EuGH heute an seiner Polydor-Rechtsprechung festhalten würde 141 • Warum er allerdings gerade der Entscheidung im Fall Aprile solche Bedeutung beimißt, bleibt unklar. Diese Einschätzung ist auch nicht gerechtfertigt, da in diesem Urteil lediglich die Argumentation im ganz ähnlichen Fall Legros1 42 von 1992 wiederholt wird.

In der Entscheidung Legros nahm der EuGH zu der Frage Stellung, ob Art. 6 FHA EWG-Schweden, wonach die Erhebung neuer Abgaben mit gleicher Wirkung wie Einfuhrzölle im Handelsverkehr zwischen der Gemeinschaft und Schweden verboten sind, ebenso auszulegen ist wie Art. 23, 25 (9, 12) EGV. Zu der Argumentation im Fall Polydor erklärte er, daß es zwar zutreffe, daß die Begriffe eines Abkommens zwischen der Gemeinschaft und einem Drittland nicht zwangsläufig dieselbe Bedeutung hätten wie gleichlautende Begriffe in den Bestimmungen des EWGV. Wie sich aus dem genannten Urteil ergebe, sei für die Entscheidung darüber, ob die Auslegung einer Bestimmung des EWG-Vertrags auf eine gleichlautende Bestimmung eines Abkommens erstreckt werden müsse, diese Bestimmung im Lichte sowohl von Gegenstand und Ziel des Abkommens als auch seines Kontextes zu untersuchen. Das FHA EWG-Schweden bezwecke, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und Schweden zu festigen und auszuweiten und unter Wahrung gerechter Wettbewerbsbedingungen die harmonische Entwicklung ihres Handels mit dem Ziel sicherzustellen, zum Aufbau Europas beizutragen. Durch die Errichtung einer Freihandelszone sollten die Hindernisse für den wesentlichen Teil ihres Handels schrittweise beseitigt werden. Danach spiele die Abschaffung der Einfuhrzölle im Rahmen der angestrebten Beseitigung der Handelshemmnisse eine wesentliche Rolle. Das gleiche gelte für die Abschaffung der Abgaben gleicher Wirkung, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs in engem Zusammenhang mit den eigentlichen Zöllen stehen. Das Abkommen würde daher einen großen Teil seiner praktischen Wirksamkeit einbüßen, wenn der Begriff der Abgaben gleicher Wirkung im Sinne seines Art. 6 dahin auszulegen wäre, daß er eine beschränktere Tragweite hätte als derselbe Begriff im EWGV 143 • Die Entscheidung Aprile bringt also nichts Neues. Problematisch an der Verallgemeinerung der Rechtsprechung zu den Abgaben zollgleicher Wirkung ganz allgemein ist jedoch die Tatsache, daß sich das Verbot der Erhebung zollgleicher Abgaben durch die Mitgliedstaaten bereits aus der Auf141 142 143

JoUer, GRUR Int. 1998, 751, 764.

EuGHE 1992,1-4625 - Legros. EuGHE 1992,1-4625, 4668f. Rz. 23ff. - Legros.

90

Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

stellung des Gemeinsamen Zolltarifs gern. Art. 23 (9) EGV und der Gemeinsamen Handelspolitik nach Art. 133 (113) EGVergibt. Würden die Mitgliedstaaten einseitig den aufgrund der Gemeinschaftsregelung geschuldeten Abgaben innerstaatliche Abgaben hinzufügen, ginge die Einheitlichkeit der Gemeinschaftszollregelung und -handelspolitik verloren. Die Übertragung der Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffs der zoll gleichen Abgaben läßt sich mit dieser "innergemeinschaftsrechtlichen" Argumentation sogar im Verhältnis zu solchen Drittstaaten vertreten, die nicht über Freihandelsabkommen mit der EG verbunden sind!44. Daß eine einheitliche Auslegung des Begriffs der zollgleichen Abgaben vom EuGH für Freihandelsbeziehungen anerkannt wurde, darf vor dem Hintergrund dieser "gemeinschaftsrechtlichen Abstützung" daher nicht überbewertet werden. Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer machte in seinen Schlußanträgen zu Aprile deutlich, daß eine Verallgemeinerung dieser Lösung nicht ohne wei-

teres möglich ist. Insbesondere wies er auf den Unterschied zwischen zollgleichen Abgaben, die im Licht des Gemeinsamen Zolltarifs und der Gemeinsamen Handelspolitik zu betrachten seien, und den inländischen Abgaben nach Art. 90 (95) EGV, für deren Behandlung sich aus Art. 133 (113) EGV kein rechtlicher Maßstab ergebe, hin!4s. Daher entstehe auch kein Widerspruch zum OTO-Urteil, in dem der EuGH zu Art. 90 (95) EGV ausgeführt hatte, daß dieser nur auf Erzeugnisse anwendbar sei, die aus anderen Mitgliedstaaten eingeführt würden, und gegebenenfalls auf Erzeugnisse, die aus Drittländern stammten und sich in den Mitgliedstaaten im freien Verkehr befänden. Diese Bestimmung sei aber auf unmittelbar aus Drittländern eingeführte Erzeugnisse unanwendbar!46. Die Frage, ob die Polydor-Entscheidung heute wieder so getroffen würde, kann nur im Licht der insgesamt zur übereinstimmenden Auslegung von EGV und Freihandelsabkommen bestehenden Rechtsprechung entschieden werden. Soweit ersichtlich, ergingen Entscheidungen des EuGH über die Frage der übereinstimmenden Auslegung von EGV und Freihandelsabkommen zu drei "Problembereichen": zum Verbot von Maßnahmen gleicher Wirkung wie Einfuhrbeschränkungen, zum Verbot von Abgaben zollgleicher Wirkung und zum Verbot inländischer Abgaben. 144 So ausdrücklich Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer in den Schlußanträgen zu Aprile, EuGHE 1995, 1-2922, 2933ff. Nr. 45ff., insbesondere Nr. 60f. Allgemein zum Verbot der Erhebung von Abgaben zollgleicher Wirkung durch die Mitgliedstaaten im Handel mit Drinstaaten, EuGHE 1995, 1-2919, 2950 Rz. 32ff. Aprile, vgl. dazu bereits EuGHE 1973, 1609 - Diamandarbeiders; EuGHE 1978, 1453 - Simmenthal. 145 Schlußanträge zu Aprile, EuGHE 1995, 1-2922, 2935 f. Nr. 53 ff. 146 EuGHE 1994, 1-3281, 3299 Rz. 18 - OTO mit Verweis auf EuGHE 1992, 1-3713 Rz. 14 - Simba.

C. Parallelimporte patentierter Erzeugnisse

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(1) Verbot von Maßnahmen gleicher Wirkung wie Einfuhrbeschränkungen

Nur die bereits dargestellte Polydor-Entscheidung 147 von 1982 bezog sich direkt auf Rechte zum Schutz des geistigen Eigentums. Hier wurde die Übertragbarkeit der Rechtsprechung zu Art. 28, 30 (30, 36) EGV (gemeinschaftsrechtliche Erschöpfung) auf das Freihandelsabkommen abgelehnt. Allgemein zum Bereich der Maßnahmen gleicher Wirkung entschied der EuGH 1980 und 1993 in den Fällen Chatain und Eurim-Pharm. Im Urteil Chatain hatte der EuGH sich kurz zur Auslegung des Art. 13 FHA EWG-Schweiz geäußert und angedeutet, daß eine mit der Auslegung des Gemeinschaftsrechts (in Frage stand eine EWG-Verordnung über den Zoll wert) übereinstimmende Beurteilung in Betracht komme 148. Allerdings hatte sich der zugrundeliegende Sachverhalt vor Geltung des Verbots der Maßnahmen gleicher Wirkung, also vor dem 1.1.1975,zugetragen, so daß keine nähere Auseinandersetzung mit dieser Norm erfolgte. Bei der Auslegung der Verordnung hatte der EuGH insbesondere auf die Zielsetzung dieser Verordnung abgestellt, die im Ergebnis die Durchsetzung des Gemeinsamen Zolltarifs sicherstellen sollte 149. Eine allgemeine Auseinandersetzung mit den Zielen des EGV erfolgte nicht. Einer Verallgemeinerung dieser Entscheidung steht daher - wie den Entscheidungen zu den Abgaben zollgleicher Wirkung 150 - die enge Verknüpfung des Sachverhalts mit dem Gemeinsamen Zolltarif entgegen. Aber auch die bereits dargestellte Eurim-Pharm-Entscheidung sollte nicht überbewertet werden. Zwar scheint der Wortlaut in der Tat darauf hinzudeuten, daß der EuGH einer übereinstimmenden Auslegung nicht abgeneigt ist, allerdings war diese Frage überhaupt nicht entscheidungsrelevant. Daher kann dem Ergebnis der Entscheidung auch keine Aussagekraft hinsichtlich der Auslegungsfrage beigemessen werden. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß es im Fall Eurim-Pharm im Rahmen der Auslegung von Art. 20 FHA EWG-Österreich, der Art. 30 (36) EGV entspricht, um den Gesundheitsschutz, nicht um das gewerbliche und kommerzielle Eigentum ging. Es muß an dieser Stelle daher auf die Sonderstellung, die die Ausnahmeregelungen zum Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums im Rahmen des Art. 30 (36) EGV einnehmen, hingewiesen werden. Mit Ausnahme der Vorschriften zum Schutz des geistigen Eigentums geht es nämlich in Art. 30 (36) EGV um Schutzgüter, die allein (oder zumindest ganz überwiegend) im öffentlichen Interesse bestehen, z. B. öffentliche Sicherheit EuGHE 1982, 329 - Polydor ./. Harlequin. EuGHE 1980, 1345, 1385 Rz. 22 - Chatain. 149 EuGHE 1980, 1345, 1381 ff. Rz. 5 ff. - Chatain. ISO EuGHE 1992, 1-4625 - Legros; EuGHE 1995, 1-2919 - Aprile; dazu oben Teil I, C. 11. 2. a) bb). 147

148

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallel importen

und Ordnung, Gesundheitsschutz, Kulturgüterschutz. Die Besonderheit des gewerblichen und kommerziellen Eigentums liegt darin, daß es sich hierbei um private Rechte handelt. Es ist schwerlich zu argumentieren, daß der Schutz von Leben und Gesundheit von Menschen einen höheren Stellenwert haben soll, wenn die Vorschriften über den freien Warenverkehr im größeren Zusammenhang der Errichtung eines Binnenmarktes stehen als Wenn sie sich in einem Freihandelsabkommen befinden. Wenn es um die Beschränkung privater Rechte (an geistigem Eigentum) geht, kommt es dagegen schon eher darauf an, wofür sie beschränkt werden. Die gemeinschaftsweite Erschöpfung ergibt sich aus einer Interessenabwägung zwischen dem Schutz des geistigen Eigentums und dem freien Warenverkehr in der Gemeinschaft. Die Rechtsprechung zur Übertragung dieser Auslegung auf Freihandelsabkommen basiert auf einer Gesamtbewertung des jeweiligen Abkommens. Es geht also nicht um die reine Abwägung "Schutz des geistigen Eigentums Versus freier Warenverkehr". Der größere Rahmen, innerhalb dessen dieser freie Warenverkehr gewährleistet werden soll, wird mitberücksichtigt und ist ausschlaggebend. Nach Ansicht des EuGH ist das Ziel der Errichtung eines Binnenmarktes mit der Schaffung einer bloßen Freihandelszone nicht vergleichbar. Es besteht eine graduelle Abstufung. Daher ist die Beschränkung der privaten Rechte an geistigem Eigentum, die im Rahmen des Binnenmarktkonzepts gewissermaßen als Tribut für dieses hochgesteckte Ziel gezollt werden muß, im Rahmen der niedrigeren Integrationsstufe der Freihandelszone nicht zu fordern. Ob dieser Argumentation des EuGH zuzustimmen ist, wird später zu diskutieren sein 151 .

(2) Verbot von Abgaben zollgleicher Wirkung

Zur Auslegung der Vorschriften über das Verbot von Abgaben zollgleicher Wirkung entschied der EuGH 1992 im Fall Legros1 52 und 1995 im Fall Aprile i53 . In beiden Entscheidungen wurde die übereinstimmende Auslegung von EGV und Freihandelsabkommen befürwortet. Da diese Entscheidungen aber der Einheitlichkeit des Gemeinsamen Zolltarifs und der Gemeinsamen Handelspolitik der Gemeinschaft Rechnung tragen, also "von innen heraus" begründet und gemeinschaftsrechtlich abgestützt sind, während sich bei der unterschiedlichen Auslegung der Vorschriften über die Maßnahmen gleicher Wirkung kein Widerspruch zum Binnenmarkt ergibt, kann daraus nicht der Schluß gezogen werden, diese Rechtsprechung würde heute auf den Polydor-Fall übertragen. 151 152 153

Dazu unten Teil I, C. II. 2. a) cc). EuGHE 1992,1-4625 - Legros. EuGHE 1995,1-2919 - Aprile; siehe dazu oben Teil I, C. II. 2. a) aa).

c.

Parallelimporte patentierter Erzeugnisse

93

(3) Verbot steuerlicher Diskriminierung

Die Rechtsprechung zum Verbot der steuerlichen Diskriminierung ergibt ein uneinheitliches Bild. Der EuGH entschied 1982 die Fälle Pabst & Richarz l54 und Kupferberg [155, ersteren zugunsten der übereinstimmenden Auslegung, zweiteren dagegen. 1985 wurde in der Rechtssache Kupferberg lll56 ebenfalls für eine Übertragung der EGV-Auslegung auf die Vorschriften des Freihandelsabkommens votiert, 1993 entschied der EuGH im Fall Metalsa l57 gegen die Übereinstimmung. Zu Art. 53 Abs. 1 des Assoziierungsabkommens EWG-Griechenland bejahte der EuGH im Fall Pabst & Richarz die Übertragbarkeit der Auslegung: "Diese Vorschrift, deren Wortlaut dem des Art. 95 EWGV ähnelt, erfüllt im Rahmen der Assoziation zwischen der Gemeinschaft und Griechenland die gleiche Funktion wie Art. 95. Sie gehört zu einer Reihe von Bestimmungen, die zum Ziel hatten, durch die Erreichung einer Zollunion, die Abstimmung der Agrarpolitiken, die Einführung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und andere Maßnahmen zur schrittweisen Anpassung an die Anforderungen des Gemeinschaftsrechts den Eintritt Griechenlands in die Gemeinschaft vorzubereiten.,,158 Auch in diesem Fall stellt der EuGH auf Sinn und Zweck des gesamten Abkommens ab. Die übereinstimmende Auslegung ergibt sich daraus, daß das Assoziierungsabkommen mit Griechenland dessen Beitritt zur EG vorbereiten soll und daher über die Bildung einer bloßen Freihandelszone hinausgeht. Die Entscheidung kann daher nicht verallgemeinert werden. Im Kupferberg [-Urteil von 1982 entschied der EuGH zu Art. 21 Abs. 2 FHA EWG-Portugal, der entsprechend Art. 90 (95) EGV das Verbot der steuerlichen Diskriminierung enthielt, daß dem EGV und dem Freihandelsabkommen unterschiedliche Zielsetzungen zugrunde lägen, so daß die Auslegung des EGV nicht ohne weiteres auf das Freihandelsabkommen übertragen werden könne. Die Vorschriften seien vielmehr in ihrem jeweiligen Rahmen zu sehen und auszulegen 159. Diese Begründung entspricht der Argumentation in der kurz zuvor ergangenen Polydor-Entscheidung l60 , auf die auch ausdrücklich Bezug genommen wird. Die einheitliche Auslegung wurde im Ergebnis verneint. 154 155 156 157 158 159 160

EuGHE EuGHE EuGHE EuGHE EuGHE EuGHE EuGHE

1982, 1982, 1985, 1993, 1982, 1982, 1982,

1331 - Pabst & Richarz. 3641 - Kupferberg I. 157 - Kupferberg 11. 3751 - Metaisa. 1331, 1350 Rz. 26 - Pabst & Richarz. 3641, 3666 Rz. 28 ff. - Kupferberg I. 329 - Polydor ./. Harlequin.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallel importen

In der Kupferberg Il-Entscheidung l61 nahm der EuGH eine übereinstimmende Auslegung von Art. 90 (95) und Art. 21 FHA EWG-Portugal sowie dem gleichlautenden Art. 3 FHA EWG-Spanien vor. Die Vorschriften der Freihandelsabkommen seien ebenso wie Art. 90 (95) EGV auf die Beseitigung steuerlicher Diskriminierungen gerichtet. Aus dem Wortlaut lasse sich keine Verpflichtung der Vertragsparteien herleiten, eingeführte Erzeugnisse gegenüber der eigenen inländischen Produktion zu bevorzugen. Es werde lediglich eine Verpflichtung zur Nichtdiskriminierung im steuerlichen Bereich begründet, die von der Feststellung der Gleichartigkeit der betreffenden Erzeugnisse abhänge. Der Begriff der Gleichartigkeit im Sinne der Vorschriften der Freihandelsabkommen bedeute in der Auslegung, die der Gerichtshof ihm gegeben habe, daß die betreffenden Erzeugnisse sowohl in ihrer Herstellungsart als auch in ihren wesentlichen Eigenschaften einander gleichen 162. Die übereinstimmende Auslegung des Begriffs der Warengleichartigkeit erstaunt nicht, da dieser - auch soweit er sich aus Freihandelsabkommen ergibt - nach der Implementierung ins Gemeinschaftsrecht ein gemeinschaftsrechtlicher Begriff ist. Auch die Übereinstimmung bezüglich der Reichweite des Verbots steuerlicher Diskriminierung vennag nicht zu überraschen, ging es doch in diesem Fall um eine Ausdehnung dieses Begriffs (Verpflichtung zur Besserbehandlung der ausländischen Produkte?). Daß diese, wenn sie schon im Gemeinschaftsrecht nicht anerkannt ist, erst recht nicht im Freihandelsabkommen anerkannt würde, war zu erwarten. Auf die beschränktere Zielsetzung der Freihandelsabkommen wird immer nur dann abgestellt, wenn es um eine gegenüber dem Gemeinschaftsrecht engere Auslegung des Begriffs im Freihandelsabkommen geht, nicht wenn es um eine erweiternde Auslegung geht. Im Fall Metalsa 163 hatte der EuGH zu beurteilen, ob Art. 18 FHA EWGÖsterreich ebenso wie Art. 90 (95) EGV dahin auszulegen sei, daß eine nationale Regelung, die Verstöße gegen die Vorschriften über die Einfuhrmehrwertsteuer strenger bestraft als Verstöße gegen Vorschriften über die Mehrwertsteuer bei der Veräußerung von Gegenständen im Inland, mit dieser Vertragsbestimmung unvereinbar ist, wenn dieser Unterschied außer Verhältnis zu der Verschiedenartigkeit der beiden Kategorien von Verstößen steht 164. Der EuGH stellte fest, daß sich der Wortlaut der beiden Vorschriften leicht unterscheide, daß aber beide Vorschriften bezweckten, jede unmittelbare oder mittelbare steuerliche Diskriminierung von Erzeugnissen der EuGHE 1985, 157 - Kupferberg 11. EuGHE 1985, 157, 185f. Rz. 17ff. - Kupferberg 11. 163 EuGHE 1993,1-3751 - Metaisa. 164 So die Entscheidung des EuGH zum innergemeinschaftlichen Handel im Fall Drexl, EuGHE 1988, 1213. 161

162

c.

Parallelimporte patentierter Erzeugnisse

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Vertragsparteien zu untersagen. Nach kurzem Verweis auf die bisherige Rechtsprechung, die teilweise die Übernahme der EGV-Auslegung bej ahte 165, teilweise verneinte 166, formuliert der EuGH als Regel, "daß die Übertragung einer Vertrags bestimmung auf eine vergleichbar, ähnlich oder übereinstimmend gefaßte Bestimmung eines Abkommens zwischen der Gemeinschaft und einem Drittland insbesondere davon abhängt, welchen Zweck diese Bestimmungen in dem ihnen je eigenen Rahmen verfolgen; insoweit kommt dem Vergleich von Zweck und Kontext des Abkommens mit demjenigen des Vertrages erhebliche Bedeutung ZU,,167. Angesichts der Unterschiede der von EGV und Freihandelsabkommen verfolgten Ziele einerseits Schaffung eines Binnenmarktes, andererseits Ausweitung der Wirtschaftsbeziehungen und Errichtung einer Freihandelszone durch Beseitigung der Hemmnisse annähernd für den gesamten Handel - sei, wie bereits im Urteil Kupferberg I festgestellt, eine Übertragung der Rechtsprechung zu Art. 90 (95) EGV auf Art. 18 Abs. 1 FHA EWG-Österreich nicht möglich 168 • Angesichts der Tatsache, daß die Entscheidungen Pabst & Richarz sowie Kupferberg II aufgrund der jeweiligen Besonderheiten des Sachverhalts

nicht verallgemeinerungsfähig sind, scheint sich der EuGH in der Frage der steuerlichen Diskriminierung gegen die übereinstimmende Auslegung von Freihandelsabkommen und EGV entschieden zu haben. Die Metalsa-Entscheidung erging am selben Tag wie die Eurim-PharmEntscheidung. Daß hier wieder ausdrücklich auf die Besonderheit des Binnenmarktkonzepts abgestellt wurde, läßt die Deutung, in Eurim-Pharm zeichne sich ein Meinungswandel des EuGH ab, als vorschnell erscheinen. Die beiden Entscheidungen verdeutlichen vielmehr, daß eine Übertragung der Argumentation aus einem der drei dargestellten Problemkreise auf einen anderen ausgeschlossen ist. Damit wird auch die auf die Aprile-Entscheidung gestützte Argumentation desavouiert. Im Ergebnis ist festzustellen, daß die bisherige Rechtsprechung des EuGH nicht den Schluß zuläßt, daß die Entscheidung der Nichtausdehnung des Grundsatzes der gemeinschaftsweiten Erschöpfung im Polydor-Fall überholt sei. Ob diese Entscheidung allerdings richtig war, ist eine ganz andere Frage, die im folgenden untersucht werden soll.

165 Verwiesen wird dabei auf EuGHE 1982, 1331 - Pabst und Richarz KG, sowie auf EuGHE 1992,1-4625 - Legros. 166 Hier werden angeführt EuGHE 1982, 329 - Polydor und EuGHE 1982, 3641 - Kupferberg I. 167 EuGHE 1993,1-3751,3773 Rz. 11 - Metaisa. 168 EuGHE 1993,1-3751, 3774f. Rz. 16ff. - Metaisa.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

cc) Stellungnahme Die beinahe stereotype Berufung auf die Ziele des EGV, "zu denen an erster Stelle die Schaffung eines Gemeinsamen Marktes gehört, in dem alle Hemmnisse im innergemeinschaftlichen Handel mit dem Ziel der Verschmelzung der nationalen Märkte zu einem einheitlichen Markt, dessen Bedingungen denjenigen eines wirklichen Binnenmarktes möglichst nahe kommen, beseitigt sind,,169, legt die Vermutung nahe, daß wahre Argumentation dahinter verlorengeht. Duric hielt die Polydor-Entscheidung für eine "politische" Antwort auf Urteile der obersten Gerichte in Österreich und der Schweiz, in denen die Abwehrbefugnis des Schutzrechtsinhabers gegenüber Parallelimporten aus der EG bejaht wurde 170. Diese Einschätzung wird bestätigt durch die Hinweise auf die fehlende Gegenseitigkeit in den schriftlichen Stellungnahmen von Polydor sowie den Schlußanträgen von Generalanwalt Rozes l71 • Die politische Komponente des Urteils wird auch deutlich, wenn man die Stellungnahme der Kommission im Verfahren EMI berücksichtigt. Dort findet sich bereits der Hinweis, daß kraft Gemeinschaftsrecht ein Zustand der Gegenseitigkeit - freier Waren verkehr in beide Richtungen - nicht hergestellt werden könne l72 .

Der EuGH hat in der Polydor-Entscheidung anerkannt, daß die Ausübung gewerblicher Schutzrechte auch im Rahmen des Freihandelsabkommens als Maßnahme gleicher Wirkung verstanden werden muß 173. Die entscheidende 169 Vgl. nur EuGHE 1993, 1-3751, 3774 Rz. 15 - Metaisa; EuGHE 1988, 1213, 1235 Rz. 24 - Drexl. 170 Duric, Die Freihandelsabkommen EG/EFTA, S. 87; ders., Die Freihandelsabkommen EG-Schweiz, S. 77; ebenso Aschenbrenner, in: Robinson/Findlater, Creating a European Economic Space: Legal Aspects of EC-EFTA Relations, S. 215. 171 Schriftliche Stellungnahmen, EuGHE 1982, 329, 399 - Polydor; Schlußanträge des Generalanwalts Rozes, EuGHE 1982, 351, 354 - Polydor. In den Schlußanträgen wird so großer Wert auf diesen Aspekt gelegt, daß es scheint, als sei eine andere Bewertung der Frage möglich, wenn die Gegenseitigkeit verbürgt wäre: "Es wäre erforderlich, daß der von den Firmen Harlequin und Simons beanspruchte Vorteil den Einfuhren solcher Erzeugnisse aus der Gemeinschaft nach Portugal gewährt würde, die in diesem Land durch gewerbliche und kommerzielle Eigentumsrechte geschützt sind, die denen gleichwertig sind, die für diese Erzeugnisse in der Gemeinschaft gelten". Das aber wird angesichts der damaligen Rechtsprechung in einigen EFTA-Staaten bezweifelt. 172 Stellungnahme der Kommission, EuGHE 1976, 811, 841; vgl. dazu Sedemund, EuR 1977, 165, 168. 173 EuGHE 1982, 329, 349 Rz. 19 - Polydor: "Hieraus folgt, daß im Rahmen des Abkommens Beschränkungen des Warenverkehrs in einer Situation als zum Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt angesehen werden können, in der ihre Rechtfertigung innerhalb der Gemeinschaft nicht möglich wäre." [Herv. durch d. Verf.]; in diese Richtung deutete bereits die Differenzierung zwi-

C. Parallelimporte patentierter Erzeugnisse

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Frage ist also, ob auch die Rechtsprechung zu den Rechtfertigungsgründen übertragen werden muß. Beier erkannte bereits 1989 in der neueren Rechtsprechung des EuGH zurecht die Tendenz, die Ausübung gewerblicher Schutzrechte und Urheberrechte nur dann zu beschränken, wenn dies zur Erreichung des übergeordneten Ziels der Gemeinschaft erforderlich ist, nämlich des Zusammenschlusses der nationalen Märkte zu einem einheitlichen Binnenmarkt 174 . Allerdings kann man sich fragen, ob die teleologische Interpretation des EGV nicht zu weit geht 175.

Gegen die Übertragbarkeit der innergemeinschaftsrechtlichen Rechtsprechung auf Freihandelsabkommen mit Drittstaaten wird auch in der Literatur hauptsächlich auf den Funktionsunterschied zwischen EGV und Freihandelsabkommen abgestellt 176 • Die Art. 28 (30) ff. EGV dienten der Errichtung eines einheitlichen Gemeinsamen Marktes mit binnenmarktähnlichen Verhältnissen und erklärten sich nur auf der Grundlage des EGV in seiner Gesamtheit. Ein solch umfassender Zweck liege den völkerrechtlichen Verträgen mit Drittstaaten allgemein nicht zugrunde, so daß die Anwendung der Grundsätze der gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfung der nationalen Schutzrechte auf das Verhältnis der Mitgliedstaaten zu Vertragsstaaten nicht gerechtfertigt sei und einen "Überschuß an Gemeinschaftsrecht,,177 in die Vertrags beziehungen einbrächte. Gemeinschaftsrechtliche Grundsätze, deren Entwicklung eng mit dem Integrationsprozeß der Gemeinschaft verknüpft sei, könnten nicht auf das Verhältnis zu Drittstaaten übertragen werden. Die Anwendung der regionalen Erschöpfung könnte sich allerdings aus der Ausschen Drittstaaten mit bzw. ohne völkerrechtliche Abkommen mit der Gemeinschaft in EuGHE 1976, 811, 849 Rz. 18f. - EMI ./. CBS. A.A. Lux, ztZ 1990, 194,206, der meint, daß bereits der Begriff "Maßnahmen mit gleicher Wirkung" im Drittlandshandel enger auszulegen sei als im innergemeinschaftlichen Handel. Wie hier Duric, Die Freihandelsabkommen EG/EFfA, S. 87. 174 Beier, GRUR Int. 1989,603,614. 175 So bereits Mann, FS Ballerstedt, S. 423 ff. 176 Hejermehl/Fezer, in: Hefermehl/lpsen/Schluep/Sieben, Nationaler Markenschutz und freier Warenverkehr in der Europäischen Gemeinschaft, S. 156f; vgl. auch die schriftliche Stellungnahme von Polydor und RSO im Polydor-Verfahren, EuGHE 1982, 329, 336ff.; Stellungnahme der Kommission im Polydor-Verfahren, EuGHE 1982, 329, 341; zum Wettbewerbsrecht: Arioli, in: Meyer-Marsilius, Wettbewerb und Kartellrecht im Freihandelsabkommen Schweiz-EWG, S. 14; Homburger, SJZ 1972, 337, 340; Koller, FS Deschenaux, S. 593ff.; Litpher, Auswirkungen der ersten Markenrechtsrichtlinie auf die Merkmale der Verwechslungsgefahr und der Erschöpfung im deutschen Markenrecht, S. 239ff., der allerdings nur im Rahmen von FHA, nicht dagegen bei Assoziationen die unterschiedliche Auslegung befürwortet. 177 Hejermehl/Fezer, in: Hefermehl/lpsen/Schluep/Sieben, Nationaler Markenschutz und freier Warenverkehr in der Europäischen Gemeinschaft, S. 156. 7 Freylag

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

legung des Freihandelsabkommens selbst - unabhängig vom Gemeinschaftsrecht - ergeben. Dazu sei zu untersuchen, welches Maß an Kooperation die Vertagsparteien anstrebten, ob und in welchem Umfang sie auf Regelungskompetenzen in dem entsprechenden Sachbereich und damit auf Souveränität verzichteten. Es müsse eine sorgfältige Analyse des gegenwärtigen und künftig angestrebten Standes der Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und dem Vertragsstaat bestimmt werden 178. Von den Befürwortem der Übertragung gemeinschaftsrechtlicher Grundsätze zum Prinzip des freien Warenverkehrs 179 wird auf die Übereinstimmung des Wortlauts der entsprechenden Vorschriften in EGV und Freihandelsabkommen verwiesen. In den EG- wie auch in den EFf A-Mitgliedstaaten bestünden auch übereinstimmende Vorstellungen davon, was den spezifischen Gegenstand der jeweiligen Schutzrechte ausmache. Außerdem seien die Abkommen nach Erlaß des EuGH-Urteils in der Rechtssache Deutsche Grammophon unterzeichnet worden. Da also zum Zeitpunkt des Abschlusses der Freihandelsabkommen die Rechtsprechung des EuGH zur gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfung bereits bekannt war, hätte durch eine entsprechende Fassung des Abkommens klargestellt werden müssen, daß eine andere Auslegung gewollt war. Darüber hinaus wird im wesentlichen darauf abgestellt, daß der Grundsatz des freien Warenverkehrs in gleicher Weise Grundlage der Freihandelsabkommen und Mittel zur Schaffung eines Binnenmarktes sei. Die Freihandelsabkommen der Gemeinschaft sind völkerrechtliche Verträge mit Drittstaaten, für die die völkerrechtlichen Auslegungsregeln gelten. Nach Art. 31 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WVRK) ist ein Vertrag "nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seine Zieles und Zwekkes auszulegen". Nur auf den übereinstimmenden bzw. ähnlichen Wortlaut der entsprechenden Vorschriften abzustellen, greift daher zu kurz. 178 Hejennehl/Fezer, in: Hefermehl/Ipsen/Schluep/Sieben, Nationaler Markenschutz und freier Warenverkehr in der Europäischen Gemeinschaft, S. 156f. (bereits vor der Polydor-Entscheidung). 179 Aschenbrenner, in: Robinson/Findlater, Creating a European Economic Space: Legal Aspects of EC-EFTA Relations, S. 215f.; Diskussionspapier der niederländischen Delegation, The Exhaustion of Intellectual Property Rights in the European Community, S. 6; Duric, Die Freihandelsabkommen EG/EFTA, S. 90ff.; ders., Die Freihande1sahkommen EG-Schweiz, S. 79ff.; Graz, Propriete intellectuelle et !ihre corculation des marchandises, S. 172ff.; Küchler, RDS/ZSR 1975, 177, 190ff.; Schluep, in: Hefermehl/Ipsen/Schluep/Sieben, Nationaler Markenschutz und freier Warenverkehr in der Europäischen Gemeinschaft, S.255 ff.; vgl. auch die schriftlichen Erklärungen von Harlequin und Simons im Polydor-Verfahren, EuGHE 1982. 329. 334 f.

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Nach Art. 31 Abs. 3 lit. b) WVRK ist auch die authentische Vertragsauslegung zu berücksichtigen, darunter ,jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht". Eine solche Übung könnte in übereinstimmenden, die regionale Erschöpfung im Verhältnis der Vertragsparteien zueinander nicht anerkennenden Gerichtsurteilen in den Vertragsstaaten zu sehen sein. Bereits vor der Polydor-Entscheidung waren in Österreich und in der Schweiz Urteile der obersten Gerichte ergangen, die keine Erschöpfung nationaler Schutzrechte im Verhältnis zur EWG anerkannten 180. Allerdings hatte sich der ÖstOGH mit der Anwendbarkeit des Freihandelsabkommens überhaupt nicht näher auseinandergesetzt, das Schweizerische Bundesgericht verneinte bereits die unmittelbare Anwendbarkeit des Freihandelsabkommens 181. Angesichts der Tatsache, daß in der Schweiz Tendenzen zu erkennen sind, die auf eine Änderung der Rechtsprechung hinweisen 182, kann von einer einheitlichen Übung in der Vertragsauslegung keine Rede sein. Wesentlich für die Entscheidung ist daher in der Tat die teleologische Auslegung von Freihandelsabkommen einerseits und EGV andererseits. Zweifellos bestehen wesentliche Unterschiede in den Zielsetzungen von EGV und Freihandelsabkommen. Der E(W)GV strebte die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes an, der einem nationalen Binnenmarkt gleichen soll. Der Binnenmarkt umfaßt nach Art. 14 (7 a) Abs. 2 EGVeinen "Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen dieses Vertrages gewährleistet ist". Das Ziel geht also weit über die bloße Realisierung des freien Warenverkehrs hinaus. Allerdings ist fraglich, ob die verschiedenen Elemente in untrennbarem Zusammenhang stehen oder ob sie nicht doch isoliert betrachtet werden können. Art. 3 lit. a) und c) EGV spricht eher für die Möglichkeit einer isolierten Betrachtung: in Ht. a) wird "die Abschaffung der Zölle und mengenmäßigen Beschränkungen bei der Ein- und AUsfuhr von Waren sowie aller sonstigen Maßnahmen gleicher Wirkung [Herv. durch d. Verf.] zwischen den Mitgliedstaaten" erwähnt, in lit. c) der den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr beinhaltende Binnenmarkt. Dies wird durch die systematische Gliederung des EGV - Titel I: Der freie Warenverkehr, bestehend aus der Zollunion in Kapitel 1 und der Beseitigung 180 Österreichischer Oberster Gerichtshof, GRUR Int. 1980, 185 - Austro Mechana; Schweizerisches Bundesgericht, GRUR Int. 1979,569 - Omo; vgl. dazu Aschenbrenner, in: Robinson/Findlater, Creating a European Economic Space: Legal Aspects of EC-EFfA Relations, S. 213f. 181 Duric, Die Freihandelsabkommen EG/EFfA, S. 87f. 182 BaudenbacherlJoller, Bundesgericht erlaubt Parallelimporte, SZW 1997, 91, 94; Graz, Propriete intellectuelle et libre circulation des marchandises, S. 55 ff. Für Österreich ist die Frage seit dem Beitritt zur EU nicht mehr relevant.

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der mengenmäßigen Beschränkungen in Kapitel 2, Titel III: Freizügigkeit, freier Dienstleistungs- und Kapitalverkehr - unterstrichen. Der Binnenmarkt der EG basiert auf einer Zollunion, die sich auf den gesamten Warenaustausch erstreckt 183 . Eine Zollunion besteht wesensmäßig aus zwei Elementen: dem freien Warenverkehr im Innern und dem Gemeinsamen Zolltarif im Verhältnis zu Drittstaaten. Die Freihandelszone stellt eine gegenüber der Zollunion niedrigere Integrationsstufe dar, bei der die zoll- und handelspolitische Autonomie der Vertragsstaaten erhalten bleibt. Gerade das erstgenannte Element, die Herstellung des freien Warenverkehrs, ist aber zugleich Wesensmerkmal einer Freihandelszone, wie sie durch die Freihandelsabkommen geschaffen wird 184 . Der freie Warenverkehr ist also sowohl für die Zollunion als auch für die Freihandelszone zentrale Voraussetzung. Zu berücksichtigen ist allerdings, daß die Warenverkehrsfreiheit im Rahmen der Freihandelszone bloßer Selbstzweck ist, im Rahmen der EG dagegen nur Mittel zur Verwirklichung des weitergehenden Binnenmarktes l85 • Für die Übertragung der vom EuGH zum Gemeinschaftsrecht entwickelten Grundsätze ergibt sich daher folgende Regel: Soweit sich diese Rechtsprechungsgrundsätze ausschließlich auf das Prinzip des freien Warenverkehrs stützen, ist die übereinstimmende Auslegung von EGV und Freihandelsabkommen geboten. Soweit diese Grundsätze jedoch (explizit oder implizit) zur Erreichung von über die Zollunion und damit eo ipso über die reine Warenverkehrsfreiheit hinausgehenden Zielen der EG entwickelt wurden, kommt eine Übertragung auf die Freihandelsabkommen nicht in Betracht l86 . In bezug auf den gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz ist daher zu untersuchen, inwieweit dieser allein zur Realisierung des freien Warenverkehrs entwickelt wurde. Entscheidende Frage ist also: Was ist zur Realisierung des Freihandels erforderlich? Art. 23 (9)ff. EGV. Vgl. Art. XXIV Abs. 8 lit. a) und b) GATT. Daß die FHA der EG mit Drittstaaten auf Industrieerzeugnisse beschränkt sind, kann für die Auslegung nicht ausschlaggebend sein. Denn es geht nur um die Frage, ob und in welchem Umfang der Freihandel für die von diesen Vorschriften erfaßten Produkte realisiert werden soll. 18S Dune, Die Freihandelsabkommen EG/EFTA, S. 91; ders., Die Freihandelsabkommen EG-Schweiz, S. 81; Sehluep, in: Hefermehl/Ipsen/Schluep/Sieben, Nationaler Markenschutz und freier Warenverkehr in der Europäischen Gemeinschaft, S. 258; vgl. auch Gutachten 1/91, EuGHE 1991, 1-6079, 6102 Rz. 18 - erstes EWR-Gutachten. 186 Zutreffend Durie, Die Freihandelsabkommen EG/EFTA, S. 92; ders., Die Freihandelsabkommen EG-Schweiz, S. 82; Graz, Propriete intellectuelle et libre circulation des marchandises, S. 175; Sehluep, in: Hefermehl/lpsen/Schluep/Sieben, Nationaler Markenschutz und freier Warenverkehr in der Europäischen Gemeinschaft, S. 258. 183

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C. Parallelimporte patentierter Erzeugnisse

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Art. XXIV Abs. 8 lit. a) (a) und b) GAIT, der die Beseitigung von Zöllen und beschränkenden Handelsvorschriften für annähernd den gesamten Handel mit Ursprungs waren fordert, kann insoweit als Anhaltspunkt dienen. Allerdings wird in dieser Vorschrift auf Art. XX GAIT verwiesen, nach dessen lit. d) Maßnahmen erlaubt sind, die zur Anwendung von Gesetzen oder sonstigen Vorschriften u. a. über den Schutz von Patenten, Warenzeichen und Urheberrechten erforderlich sind. Nach GAIT-Recht 187 ist die Anwendung des Verbots von Handelsbeschränkungen auf Immaterialgüterrechte damit nicht gefordert. Allerdings enthält das GAIT lediglich Mindeststandards, über die die Vertragsparteien hinausgehen können. Von dieser Möglichkeit hat die EG in allen hier in Frage stehenden Freihandelsabkommen Gebrauch gemacht. Nach der Rechtsprechung des EuGH im PolydorFall ist insoweit anerkannt, daß Immaterialgüterrechte in das Prinzip des freien Warenverkehrs einbezogen werden und daß die dem Art. 30 (36) EGV entsprechenden Rechtfertigungsvorschriften auch nicht als Bereichsausnahme angesehen werden können, sondern daß es auch im Bereich des Freihandelsabkommens auf eine Interessenabwägung zwischen freiem Warenverkehr und Schutz des Immaterialgüterrechts ankommt l88 . Auch hier ist also eine umfassende Güterabwägung vorzunehmen. Sofern der Schutzrechtsinhaber sein Recht nur zur Abschottung der Märkte, d. h. des Gemeinschaftsmarktes gegenüber dem des Vertragspartners und umgekehrt, ausübt, überwiegt das Interesse am freien Warenverkehr. Das ist insbesondere der Fall, wenn eine Ausübung des Schutzrechts nur zur Verhinderung billigerer Parallelimporte erfolgt. Die zu Art. 28, 30 (30, 36) EGV ergangene Rechtsprechung stützt sich diesbezüglich allein auf das Prinzip des freien Warenverkehrs; auf eine darüber hinausgehende Zielsetzung des EGV wird dort nicht abgestellt l89 . Diese Rechtsprechung ist daher auf die Freihandelsabkommen übertragbar 190. 187 Ausführlicher dazu unten Teil 11, D. Allgemein zur GATT-Konformität der Freihandelsabkommen der EG Duric, Die Freihandelsabkommen EG-Schweiz, S. 25ff. 188 EuGHE 1982, 329, 349 Rz. 19 - Polydor; vgl. Duric, Die Freihandelsabkommen EG/EFTA, S. 92; Schluep, a.a.O. S. 259f. 189 Vgl. nur EuGHE 1974, 1147, 1163 Rz. lOff. - Centrafarm ./. Sterling Drug; EuGHE 1974, 1183, 1195 Rz. 9ff. - Centrafarm ./. Winthrop; EuGHE 1976, 1039, 106lf. Rz. 5f. - Terrapin ./. Terranova; EuGHE 1982, 2853, 2872f. Rz. 23f. Keurkoop ./. Nancy Kean Gifts; EuGHE 1985,2281, 2297f. Rz. 23ff. - Pharmon ./. Hoechst. 190 So auch Graz, a.a.O. S. 176. Andere Autoren halten es - auch bei Zugrundelegung der Polydor-Rechtsprechung - für möglich, daß sich zumindest aus dem Mißbrauchsverbot in S. 2 der Ausnahmeklausel (entsprechend Art. 30 (36) S. 2 EGV) eine Grenze für die Ausübung gewerblicher Schutzrechte auch im Rahmen von FHA ergebe: Baldi, in: Koppensteiner, Rechtsfragen der Freihandelsabkommen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit den EFTA-Staaten, S.180; Ulmer, in:

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

Anders sind Fälle zu beurteilen, in denen staatliche Preisregelungen im Drittstaat bestehen 191. Hier war in der Rechtsprechung des EuGH zur Begründung der Unzulässigkeit von Importverhinderungen wesentlich auf die Idee des Gemeinsamen Marktes abgestellt worden. Die Rechtsharmonisierung zur Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen sollte Vorrang vor der Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit durch Anerkennung einer Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz haben. Das vom EuGH darüber hinaus angeführte Argument, die Freihandelsabkommen enthielten keine dem EGV entsprechenden Instrumente zur Durchsetzung der einheitlichen Rechtsanwendung sowie zur schrittweisen Rechtsharmonisierung 192 , widerspricht der soeben dargelegten differenzierenden Lösung nicht. Es bezieht sich allein auf das über die Zollunion (und damit den freien Warenverkehr) hinausgehende Binnenmarkt-Element der EG. Dem war aber in der vorgestellten Lösung insoweit Rechnung getragen worden, als Grundsätze, die nur im Hinblick auf die Binnenmarktrealisierung aufgestellt wurden, gerade nicht übertragungsfahig sind 193 . Diese Lösung steht auch im Einklang mit der in neueren Urteilen des EuGH zur übereinstimmenden Auslegung von Freihandelsabkommen und EGV anklingenden Argumentation, den Vorschriften der Freihandelsabkommen müsse ihre praktische Wirksamkeit erhalten bleiben 194 . Die Freihandelsabkommen betreffen nach ihrem sachlichen Anwendungsbereich nur/überwiegend Industrieerzeugnisse. Gerade Industrieprodukte sind aber zu einem großen Teil Gegenstand geistiger Eigentumsrechte. Durch die Nichtzulassung von Parallelimporten im Handel zwischen EG und Freihandelspartner wird daher der Handel mit nahezu allen Hochtechnologieprodukten, einem Großteil der Luxus- und Konsumgüter sowie mit Erzeugnissen von künstlerischem Wert (Filmen, Büchern, CDs etc.) behindert. Auch für die Vorschriften über den freien Warenverkehr muß daher angenommen werden, daß sie einen Großteil ihrer praktischen Wirksamkeit verlören, wenn sie nicht wie die entsprechenden EGV -Vorschriften dahingehend ausgelegt würden, daß Koppensteiner, Rechtsfragen der Freihande1sabkommen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit den EFTA-Staaten, S. 215; Schriftliche Erklärungen von Harlequin und Simons im Verfahren EuGHE 1982, 329, 335 - Polydor; ähnlich Soltysinski, GRUR Int. 1996, 316, 322. 191 EuGHE 1974, 1183, 1196 Rz. 17 - Centrafarm ./. Winthrop; EuGHE 1981, 147, 165 Rz. 24 - Musik-Vertrieb membran und K-tel International; EuGHE 1996, 1-3457, 3532 Rz. 46 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-6285, 6388f. Rz. 46 Merck 11; dazu Teil I, C. I. 7. Vgl. auch Graz, a.a.O. S. 176, 127ff.; Küchler, RDS/ZSR 1977, 177, 187f., 194. 192 EuGHE 1982, 329, 349 Rz. 20 - Polydor. 193 So auch Duric, Die Freihandelsabkommen EG/EFTA, S. 93. 194 EuGHE 1992,1-4625,4668 Rz. 26 - Legros; EuGHE 1993,1-3723,3748 Rz. 25 - Eurim-Pharm; EuGHE 1995, 1-2919, 2952 Rz. 40 - Aprile.

c. Parallelimporte patentierter Erzeugnisse

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die gelstlgen Eigentumsrechte beim ersten Inverkehrbringen durch den Schutzrechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung im Vertrags gebiet erschöpften 195. Im Ergebnis ist also festzuhalten, daß die derzeitige Rechtsprechung des EuGH zu restriktiv ist. Rechtlich spricht nichts dagegen, die zu Art. 28, 30 (30, 36) EGV entwickelten Grundsätze auf entsprechende Vorschriften in Freihandelsabkommen zu übertragen, soweit sie allein auf dem Prinzip des freien Waren verkehrs basieren. Grundsätze, die nur angesichts des weitergehenden Ziels der Realisierung des Binnenmarktes gerechtfertigt sind, sind dagegen auf reine Freihandelsabkommen nicht übertragbar.

b) Rechtslage im EWR Mit dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWRAbkommen) 196 vom 2. 5. 1992, das am 1. 1. 1994 in Kraft getreten ist, wurden die Grundfreiheiten des EGV auf den EWR ausgedehnt. Seit dem Beitritt Schwedens, Österreichs und Finnlands zur EU im Jahre 1995 ist die Gemeinschaft über das EWR-Abkommen nur noch mit Norwegen, Island und Liechtenstein verbunden l97 . Das EWR-Abkommen enthält in Art. 11 und 13 Vorschriften über Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie deren Rechtfertigung, die den Art. 28 (30) und 30 (36) EGV entsprechen. Der EuGH hatte in seinem ersten EWR-Gutachten 1/91 auch in bezug auf die Vorschriften des EWR-Abkommens(entwurfs) unter Hinweis auf die Zweckverschiedenheit . von EWR-Abkommen und EGV festgestellt, daß "die Homogenität der Rechtsnormen im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum nicht dadurch gewährleistet ist, daß die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts inhaltlich oder in ihrem Wortlaut mit den entsprechenden Bestimmungen des Abkommens übereinstimmen" 198. Allerdings sieht 195 Einen ähnlichen Vorschlag äußert Cottier hinsichtlich der zukünftigen Auslegung des FRA EG-Schweiz durch das Schweizerische Bundesgericht, indem er fordert, daß die Möglichkeit eines generellen Verbots von Parallelimporten klar als unzulässige Maßnahme gleicher Wirkung i. S. d. Art. 13 FRA und die Rechtfertigungsvoraussetzungen des Art. 20 FRA in Anlehnung an die Rechtslage des Gemeinschaftsrechts beurteilt werden müßten, SMI 1995/1, 37, 52. 196 ABI. 1994, L 1/3 = BGBI. 1993 11, 267. 197 Die Schweiz ist nicht Mitglied des EWR geworden, da dort das EWR-Referendum negativ ausging. Vgl. zum EWR-Abkommen GTE-Weber, Art. 238 Rz. 62ff.; Oppermann, Europarecht Rz. 137ff. m.w.N. 198 Gutachten 1/91 "Entwurf eines Abkommens zwischen der Gemeinschaft einerseits und den Ländern der Europäischen Freihandelsassoziation andererseits über die Schaffung des Europäischen Wirtschaftsraums", EuGRE 1991, 1-6079, 6101 f. Rz.22.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

das EWR-Abkommen andere Mittel zur Gewährleistung dieser Homogenität vor. Nach Art. 6 EWR-Abkommen werden Bestimmungen dieses Abkommens, soweit sie mit den entsprechenden Bestimmungen des EGV sowie der aufgrund dessen erlassenen Rechtsakte in ihrem wesentlichen Gehalt identisch sind, bei ihrer Durchführung und Anwendung im Einklang mit den einschlägigen Entscheidungen ausgelegt, die der EuGH vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des EWR-Abkommens erlassen hat. In Art. 65 Abs. 2 EWR-Abkommen wird bezüglich der besonderen Bestimmungen und Regelungen über das geistige Eigentum und den gewerblichen Rechtsschutz auf Protokoll 28 und Anhang XVII verwiesen 199. Durch Anhang XVII wird der "acquis communautaire" einbezogen. Die Rechtsakte der Gemeinschaft zum Schutz des geistigen Eigentums (Halbleiter, Marken, Computerprogramme) werden ausdrücklich auf die EWR-Staaten erstreckt und textlich angepaßt, darunter - für die vorliegende Arbeit von besonderer Bedeutung - die Erste Richtlinie 89/104/ EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken, deren Erschöpfungsregelung ausdrücklich auf den EWR erweitert wird 2OO• Das Protokoll 28 201 enthält Harmonisierungsvorschriften, die den Schutz des geistigen Eigentums auf dem von der Gemeinschaft erreichten Niveau gewährleisten sollen. Außerdem ist die Verpflichtung zum Beitritt zu den wesentlichen multilateralen Abkommen auf dem Gebiet des Schutzes des geistigen Eigentums niedergelegt202 . Art. 2 Abs. I des Protokolls regelt die Behandlung der Erschöpfung: "Soweit die Erschöpfung der Rechte in Maßnahmen oder in der Rechtsprechung der Gemeinschaft geregelt ist, sehen die Vertragsparteien die Erschöpfung der Rechte des geistigen Eigentums nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts vor. Diese Bestimmung ist unbeschadet der künftigen Entwicklung der Rechtsprechung in Übereinstimmung mit den vor der Unterzeichnung des Abkommens ergangenen einschlägigen Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften auszulegen."

Durch diese Vorschriften ist die Übereinstimmung der EWR-Erschöpfungsregelung mit der vor Unterzeichnung des EWR-Abkommens geltenden Fassung und Auslegung des Gemeinschaftsrechts ausdrücklich sicherge199 Vgl. dazu van der Pas, in: Jacot-Guillarmod, Accord EEE/EWR-Abkommen/ EEA Agreement, S. 11Of. 200 ABI. 1994, L 1/482, 483 Nr. 4. Da zum Patentrecht noch keine materielle Rechtsvereinheitlichung in der EG stattgefunden hat, entfällt insoweit auch die Erstreckung auf den EWR. Zur Erschöpfung im Markenrecht vgl. unten Teil I, D.lI.1. 201 ABI. 1994, L 1/194. 202 Art. 1, 3 ff. des Protokolls.

C. Parallelimporte patentierter Erzeugnisse

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stellt. Im Rahmen des EWR gilt daher der Grundsatz der regionalen Erschöpfung, wie er in der Rechtsprechung des EuGH bis 1992 als gemeinschaftsweiter Erschöpfungsgrundsatz entwickelt worden war. Weiterentwicklungen des Gemeinschaftsrechts nach Unterzeichnung des EWR-Abkommens werden nach Art. 3 Abs. 2 des Abkommens über die Errichtung einer EFfA-Überwachungsbehörde und eines EFfA-Gerichtshofs durch den EFfA-Gerichtshof "berücksichtigt". Eine Bindungswirkung gibt es nicht mehr. Aber der Gemeinsame EWR-Ausschuß setzt sich gern. Art. 105 Abs. 2 a. E. EWR-Abkommen dafür ein, daß die homogene Auslegung des Abkommens gewahrt bleibt. Für Gemeinschaftspatente ist nach Art. 3 Protokoll 28 vorgesehen, daß binnen drei Jahren nach Inkrafttreten der Vereinbarung 89/695/EWG über Gemeinschaftspatente die Verhandlungen über die Beteiligung der EFf AStaaten an dieser Vereinbarung abgeschlossen werden 203 • Diese Vereinbarung ist bisher nicht in Kraft getreten; die Ausarbeitung einer Gesetzesinitiative zur Schaffung eines Gemeinschaftpatents ist aber für 1999 im Arbeitsprogramm der Kommission vorgesehen 204 • Es kann angesichts der soeben dargestellten Regelung des EWR-Protokolls davon ausgegangen werden, daß die EFfA-Staaten in die neue Regelung miteinbezogen werden. Art. 8 Abs. 1 Protokoll 28 sieht vor, daß interessierten EFf A-Staaten die volle Beteiligung an künftigen gemeinschaftsrechtlichen Maßnahmen auf dem Gebeit des geistigen Eigentums ermöglicht werden soll. Abschließend ist noch zu klären, ob für die vor Unterzeichnung des EWR-Abkommens ergangenen EuGH-Entscheidungen komplette Übereinstimmung gefordert ist, oder ob auch im Rahmen des EWR nur eine differenzierende Lösung, wie sie oben dargestellt wurde, in Betracht kommt. Darauf könnten die Formulierungen "einschlägige Entscheidungen" des EuGH in Art. 2 Protokoll 28 und "in ihrem wesentlichen Gehalt identisch" in Art. 6 EWR-Abkommen sprechen. Immerhin hat auch der EWR nicht dieselbe Finalität wie die Gemeinschaft; der Begriff "Binnenmarkt" fällt im EWR-Abkommen nicht205 . Andererseits ist zu berücksichtigen, daß die vier Grundfreiheiten des EGV, die ja gerade die Elemente des Binnenmarktes sind, in das EWR-Abkommen übernommen wurden, dieses also weit über die bloße Schaffung einer Freihandelszone hinausgeht. Das EWR-Abkommen zielt gern. Art. lAbs. 1 darauf ab, die Märkte der Rest-EFf A-Staaten mit dem Binnenmarkt zu einem "homogenen Europäischen Wirtschaftsraum", d.h. einem einheitlichen Markt zu intergrieren206 . Die Beziehungen ABI. 1994, L 1/194. ABI. 1998, C 366/11, 12, Nr. 18: Vorschlag zur Schaffung eines Gemeinschaftspatents. 205 Vgl. auch Gutachten 1191, EuGHE 1991,1-6079, 61Olf. 203

204

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

sind durch Regeln konstruiert, die den Bestimmungen des EGV entsprechen. Das bedeutete für die EFf A-Staaten die Übernahme des relevanten Bestands an EG-Rechtsregeln, des "acquis communautaire,,207. Da über die Binnenmarktverwirklichung hinausgehende Erwägungen in den Urteilen des EuGH aber keine Rolle spielten, im EWR insoweit aber ein "binnenmarktähnliches Verhältnis,,208 besteht, ist der Erschöpfungsgrundsatz voll auf den EWR zu erstrecken. Es kann also von einer "europaweiten Erschöpfung" gesprochen werden.

c) Europaabkommen mit den Staaten Mittel- und Osteuropas

Anfang der 90er Jahre hat die Gemeinschaft mit den mittel- und osteuropäischen Staaten sog. Europaabkommen geschlossen, durch die schrittweise eine Freihandelszone errichtet werden so11 209 . Sie können daher als Freihandelsabkommen im Sinn von Art. XXIV Abs. 8 lit. b) GATI qualifiziert werden 21O . Die Abkommen sehen Übergangszeiten von maximal 10 Jahren vor und enthalten Vorschriften über die Abschaffung von Handelshemmnissen, die den Art. 28-30 (30-36) EGV entsprechen. Insbesondere Art. 30 (36) EGV ist nahezu wörtlich übernommen 2l1 • Am 10.6. 1995 wurden mit den drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen ebenfalls Europaabkommen nach dem Vorbild derjenigen mit den mittel- und osteuropäischen Staaten abgeschlossen, die allerdings kürzere (für Lettland und Litauen) bzw. keine (Estland) Übergangsfristen enthalten212 . 1996 folgte Vgl. auch Egrd. 4 und 15 der Präambel, Art. 105 EWR-Abkommen. Krenzier, Integration 1992,61,62. 208 Krenzier, Integration 1992, 61, 62. 209 Europaabkommen mit Ungarn vom 16.12.1991, ABI. 1993, L 347/2; Europaabkommen mit Polen vom 16.12. 1991, ABI. 1993, L 348/2, beide in Kraft seit 1. 2. 1994. Europaabkommen mit Rumänien vom 1. 2. 1993, ABI. 1994, L 357/2; Europaabkommen mit Bulgarien vom 8.3. 1993, ABI. 1994, L 358/2; Europaabkommen mit der Slowakischen Republik vom 4.10.1993, ABI. 1994, L 359/2; Europaabkommen mit der Tschechischen Republik vom 4.10.1993, ABI. 1994, L 360/2, alle in Kraft seit 1. 2. 1995. 210 Allgemein zur GATI-Konformität der FHA-Abkommen der EG vgl. Duric, Die Freihandelsabkommen EG-Schweiz, S. 25 ff. Angesichts der Ausklammerung des Agrar-Sektors wird diese Beurteilung teilweise kritisch gesehen, Jaeger, GATI, EWG und EFfA, S. 276ff. (zu den EFfA-Abkommen), neuerdings Stucki, Trademarks and Free Trade, S. 54. Aufgrund politischen Drucks werden diese Vorschriften in der Praxis aber sehr großzügig ausgelegt, Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 9 Rz. 6; vgl. auch Soltysinski, GRUR Int. 1996,316, 319. 211 Art. 35 Europaabk. Ungarn und Polen; Art. 36 Europaabk. Rumänien, Bulgarien, Slowakische Republik und Tschechische Republik. 212 Europaabkommen mit Estland, ABI. 1998, L 68/3; Lettland, ABI. 1998, L 26/3 und Litauen, ABI. 1998, L 51/3. Diese lösten die Freihandelsabkommen vom 206

207

c. Parallelimporte patentierter Erzeugnisse

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der Abschluß eines Europaabkommens mit Slovenien213 • Daher stellt sich auch in diesem Rahmen die Frage nach der übereinstimmenden Auslegung von EGV und Europaabkommen. Während der Brüsseler Verhandlungen 1991-1992, die zum Abschluß der Europaabkommen führten, wurde auch die Erschöpfungsfrage aufgeworfen. Zumindest Polen hatte versucht, eine Versicherung der übereinstimmenden Auslegung der Vorschriften über den freien Warenverkehr und das Wettbewerbsrecht im Europaabkommen und dem EGV zu erlangen, allerdings erfolglos. Die Europäische Kommission stellte sich auf den Standpunkt, daß die dem Art. 30 (36) EGV entsprechenden Vorschriften in den Europaabkommen im Licht der Polydor-Rechtprechung zu interpretieren seien214 . Es gibt allerdings sowohl rechtliche als auch wirtschaftspolitische Argumente gegen diese offizielle Auffassung. Die Europaabkommen sehen eine viel weitergehende Integration der Märkte der betreffenden Staaten mit dem Europäischen Binnenmarkt vor als die früheren Freihandelsabkommen, insbesondere das Freihandelsabkommen mit Portugal, das Gegenstand der Polydor-Entscheidung war. Die Übergangszeiten für die Übernahme der Gemeinschaftsstandards sind kürzer. Außerdem enthalten die Abkommen - im Gegensatz zu den früheren Freihandelsabkommen - Regelungen über Bereiche wie den Schutz des geistigen Eigentums, die Abschaffung von Exportbeschränkungen, die Freizügigkeit, die Koordinierung der Wirtschaftspolitiken, den freien Kapitalund Zahlungsverkehr, Umweltschutz, kulturelle und politische Kooperation u. ä. Die Ziele der Europaabkommen weichen zwar von denen der EG ab, aber aus den Präambeln und Art. 1 ergibt sich, daß diese Abkommen die Teilnahme der mittel- und osteuropäischen Staaten am europäischen Integrationsprozeß ermöglichen und einen Rahmen dafür bieten sollen. Die Europaabkommen sind aus weislich des letzten Erwägungsgrundes ihrer Präambeln in der Erkenntnis geschlossen, daß die mittel- und osteuropäischen Staaten letztlich die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft anstreben und daß diese Assoziation nach Auffassung der Vertragsparteien zur Verwirklichung dieses Zieles beitragen wird. Zur Erreichung dieser schrittweisen Integration haben sich die Staaten Mittel- und Osteuropas strenge Verpflichtungen zur Schaffung der entsprechenden Voraussetzungen, insbesondere zur Anpassung ihrer Rechts- und Sommer 1994 mit Estland (ABI. 1994, L 373/1), Lettland (ABI. 1994, L 374/1) und Litauen (ABI. 1994, L 375/l) ab. 213 ABI. 1999, L 5I12. Die Europaabkommen von 1995/96 sind nahezu identisch mit denen der ersten Generation, so daß im folgenden Artikel einiger Europaabkommen exemplarisch zitiert werden können. 214 Berichtet bei Soltysinski, GRUR Int. 1996, 316, 323; vgl. auch Horovitz, 25

JWT 2, 1991, 55, 62.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

Wirtschaftssysteme auferlegt. Im Bereich des Schutzes der Rechte an geistigem Eigentum sind sie verpflichtet, ihr Rechtssystem binnen 5 Jahren an das der Gemeinschaft anzugleichen215 • Auch die gerichtliche Durchsetzung dieser Rechte wird diskriminierungsfrei gewährleistet216 • Das Argument der fehlenden Rechtsharmonisierung, das vom EuGH im Polydor-Fall vorgebracht wurde217 , greift hier also nicht. Auch sehen die Europaabkommen die Schaffung eines Assoziationsrates, der verbindlich über die Anwendung und Auslegung der Abkommen entscheiden kann, sowie die Möglichkeit der Streitschlichtung durch ein Schiedsgericht vor218 , so daß auch die vom EuGH geforderte 219 Sicherung einheitlicher Rechtsanwendung als erfüllt angesehen werden kann. Auch die Erklärungen der Gipfeltreffen von Essen (1994) und Mallorca (1995) sowie das Weißbuch über die Vorbereitung der mittel- und osteuropäischen Staaten auf die Integration in den Binnenmarkt der Europäischen Union22o sprechen für die übereinstimmende Auslegung. Dort wurde erklärt, daß die vollständige Integration dieser Staaten in den Binnenmarkt das Hauptziel der Europaabkommen sei 221 • Rat und Kommission betonten, daß die Schlußfolgerungen des Essener Gipfels mehr forderten als die bloße Rechtsangleichung, nämlich die Schaffung der Bedingungen für die Errichtung eines einheitlichen Marktes, bestehend aus der EU und den assoziierten Staaten222 • Werden Art. 35 bzw. 36 der Europaabkommen und Art. 30 (36) EGV unterschiedlich ausgelegt, führt das aber dazu, daß im wichtigen Bereich der markengeschützten und high-tech-Produkte bzw. Dienstleistungen diese Integration behindert würde.

215 Art. 66, 68f. Europaabk. Polen; Art. 65, 67f. Europaabk. Ungarn; Art. 67, 69f. Europaabk. Bulgarien, Rumänien, Slowakische Republik, Tschechische Republik. Außerdem sind die mittel- und osteuropäischen Staaten zum Beitritt zu den wichtigsten multilateralen Abkommen im Bereich des geistigen Eigentums verpflichtet. Bereits 1995 war festgestellt worden, daß insbesondere im Bereich des Patent- und Markenrechts bereits große Fortschritte bei der Gesetzgebung erzielt wurden, KOM (95), 163 endg., Nr. 4.23. Soweit ersichtlich wird nur noch in der Beitrittspartnerschaft mit Bulgarien die Verbesserung der Durchsetzung der Rechte zum Schutz des geistigen Eigentums gefordert. 216 Z.B. Art. 113 Europaabk. Ungarn; Art. 115 Europaabk. Rumänien. 217 EuGHE 1982,329, 349 Rz. 20 - Polydor. 218 Z. B. Art. 105 ff. Europaabk. Polen; Art. 104 ff. Europaabk. Slowakische Republik, Tschechische Republik, Ungarn. 219 EuGHE 1982, 329, 349 Rz. 20 - Polydor. 220 KOM (95) 163 endg.: White Paper - Preparation of the Associated Countries of Central and Eastern Europe for Integration into the Internal Market of the Union (http://europa.eu.int/ enl agenda/peco-w 1en/index.htlm). 221 KOM (95) 163 endg., Nr. 1.2. 222 KOM (95) 163 endg., Nr. 1.6.

c. Parallelimporte patentierter Erzeugnisse

109

Die EuGH-Rechtsprechung zur gemeinschaftsweiten Erschöpfung war bereits zu einer Zeit entwickelt worden, zu der auch innerhalb der EG die Verwirklichung des Binnenmarkts noch in den Kinderschuhen steckte. Es wird mit dieser Rechtsprechung folglich nicht der tatsächlichen Entwicklung, sondern dem bloßen Ziel der Binnenmarktintegration Rechnung getragen. Hier wiederum wird aber offensichtlich zwischen Zielen (Binnenmarktintegration) und Fernzielen (Beitrittsassoziierung, d. h. späterer Beitritt und Integration) unterschieden. Das ist, gerade wenn man nicht auf den tatsächlichen Entwicklungsstand des freien Warenverkehrs abstellt, kaum gerechtfertigt. Im Fall Pabst & Richarl23 hatte der EuGH unter Hinweis auf die Beitrittsvorbereitung Griechenlands die übereinstimmende Auslegung von Freihandelsabkommen und EGV befürwortet. In Fällen der Beitrittsassoziierung soll längerfristig die Bildung eines einheitlichen Marktes angestrebt und vorbereitet werden. Auch die Europaabkommen sollen ausdrücklich den späteren Beitritt dieser Staaten vorbereiten 224 . Besteht dann noch hinsichtlich des Grundsatzes des freien Warenverkehrs ein qualitativer Unterschied zwischen dem früheren Stadium der Freihandelsbeziehungen und dem späteren Beitrittsstadium, der eine solch unterschiedliche Behandlung der Maßnahmen gleicher Wirkung im Bereich des geistigen Eigentums rechtfertigt? Angesichts der Tatsache, daß die mittel- und osteuropäischen sowie die baltischen Staaten ihre Rechtsordnungen (auch) im Bereich des Schutzes von Rechten an geistigem Eigentum der EG anpassen, also hinsichtlich Schutzvoraussetzungen und Rechtsdurchsetzung einen dem EGRecht entsprechenden Standard bieten, läßt sich ein solcher Unterschied nicht mehr erkennen; die im Rahmen der Art. 35 bzw. 36 der Europaabkommen (= Art. 30 (36) EGV) vorzunehmende Interessenabwägung muß hier folglich gleich ausfallen wie im Gemeinschaftsrecht. Die Nichtanwendung des Erschöpfungsgrundsatzes auf die über Europaabkommen verbundenen Staaten stellt sich unter diesen Umständen als protektionistische Maßnahme dar, die den Gemeinschaftsunternehmen die "Rosinen" sichert, indem sie zwar Schutz für ihre Erzeugnisse erhalten, im Gegenzug aber nicht der Konkurrenz durch Waren ausgesetzt werden, die sie selbst in Verkehr gebracht haben. Da eine Integration der mittel- und osteuropäischen Staaten in den Binnenmarkt aber die Abschaffung sämtlicher Handelshemmnisse erfordert, müssen die Art. 28, 30 (30, 36) EGV und die ihnen entsprechenden Vorschriften in den Europaabkommen - jedenfalls ab dem Zeitpunkt, zu dem in diesen Staaten ein gleichwertiger Schutz der Rechte an geistigem Eigentum gewährt wird - gleich ausgelegt werden. Eine wirtschaftliche Betrachtung bestätigt die Notwendigkeit der übereinstimmenden Auslegung von Art. 30 (36) EGV und den entsprechenden Vor223 224

EuGHE 1982, 1331 - Pabst & Richarz; vgl. oben Teil I, C. 11. 2. a) bb) (3). Letzter Erwägungsgrund der Präambel des jeweiligen Europaabkommens.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

schriften in den Europaabkommen. Govaere 225 legte in einer Studie dar, daß die Europaabkommen ausdrücklich die Frage des angemessenen Schutzes von geistigem Eigentum in den assoziierten Staaten mit der Handelsliberalisierung verbinden. Sie warnte aber gleichzeitig davor, daß die Schutzrechtsinhaber der Gemeinschaft angesichts des wirtschaftlichen Gefälles zwischen West und Ost und der Nachfrage nach Konsumgütern in den mittel- und osteuropäischen Staaten einseitig von der Einführung eines Regimes zum Schutz geistigen Eigentums in diesen Vertragsstaaten profitieren würden, da sie sich gegen die Paralleleinfuhr der Produkte aus den mittel- und osteuropäischen Staaten unter Berufung auf Art. 35 bzw. 36 der Europaabkommen (= Art. 30 (36) EGV) wehren könnten. Westliche Exporteure von Technologieprodukten könnten die Märkte der Freihandelszone durch vertragliche Vereinbarungen (z. B. Exportbeschränkungen, Preisfestsetzung, einseitige grant-back- und no-challenge-Klauseln) abschotten. Zwar privilegierten gewerbliche Schutzrechte theoretisch nicht die westlichen Firmen; in der Paxis würden aber fast ausschließlich diese Firmen vom Schutz profitieren. Aufgrund ihres überragenden Marktvorsprungs und ihrer faktischen Monopolstellung infolge Fehlens einheimischer Konkurrenzprodukte könnten sie Monopolpreise verlangen, zumal sie bei Nichtanwendung des Erschöpfungsgrundsatzes auf die mittel- und osteuropäischen Staaten gegen Reimporte in die EG geschützt seien226 • Diese Staaten, die auf Technologietransfer aus der EG zum Aufbau und zur Modernisierung ihrer Wirtschaften - und diesem Zweck dienen die Europaabkommen ausdrücklich 227 - angewiesen sind, werden gleichzeitig durch die PolydorRechtsprechung in der Wahl ihrer Exportmärkte behindert und eingeschränkt. Da sie aber auf diesen Export angewiesen sind, um die neuen Technologien bezahlen zu können, wird durch diese unterschiedliche Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes der wirtschaftliche Fortschritt der mittel- und osteuropäischen Staaten behindert228 • Der Zweck der Europaabkommen kann also auch aus wirtschaftlicher Sicht nur erreicht werden, indem Art. 30 (36) EGV und die ihm entsprechenden Vorschriften der Europaabkommen im Rahmen der oben vorgeschlagenen differenzierenden Lösung übereinstimmend ausgelegt werden.

225 226 227 228

Govaere, 25 JWT 2, 1991,57. Govaere, 25 JWT 2, 1991,57,67. Vgl. die Präambeln der Europaabkommen. Vgl. Govaere, 25 JWT 2,1991,57,75.

D. Parallelimporte von Markenwaren

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D. Parallelimporte von Markenwaren I. Vorgehen gegen Parallelimporte aus Mitgliedstaaten Ob der Markeninhaber gegen Parallelimporte aus anderen Mitgliedstaaten erfolgreich vorgehen kann, hängt davon ab, ob seine ausschließlichen Rechte erschöpft sind oder ob keine Erschöpfung eingetreten ist bzw. eine Ausnahme vom markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz eingreift. Mit der Markenrechtsrichtlinie vom 21.12.1988 1 (MRRL) und der Gemeinschaftsmarkenverordnung vom 20.12.1993 2 (GMVO) sind auf Gemeinschaftsebene zwei Rechtsinstrumente geschaffen worden, die zu einer weitgehenden Vereinheitlichung des Markenrechts innerhalb der EU geführt haben. Dem Markeninhaber stehen nach Art. 5 Abs. 1 MRRL, Art. 9 Abs. 1 GMVO markenrechtliche Ansprüche zu, wenn die Rechtswidrigkeitsvoraussetzungen der Art. 5 Abs. 1 S. 2 MRRL, Art. 9 Abs. 1 S. 2 GMVO (d. h. Doppelidentität3 , Verwechslungsgefahr, gedankliches Inverbindungbringen, Rufausbeutung bzw. -beeinträchtigung, Verwässerung)4 vorliegen und ein Dritter die geschützte Marke ohne seine Zustimmung in im Sinne von Art. 5 Abs. 3 MRRL, Art. 9 Abs. 2 GMVO relevanter Weise benutzt5 . Zu diesen relevanten Benutzungshandlungen gehören "insbesondere" das Kennzeichnen, Anbieten, Veräußern bzw. Verbreiten, Ein- oder Ausführen sowie das Werben mit dem geschützten Zeichen. Markenrechtliche Erschöpfung tritt nach Art. 7 Abs. 1 MRRL und Art. 13 Abs. 1 GMVO ein, wenn die Waren unter der Marke vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung in der Gemeinschaft in Verkehr gebracht worden sind. Rechtstechnisch betrachtet handelt es sich hierbei um eine Einwendung gegen die markenrechtlichen Ansprüche 6 . Eine Ausnahme hiervon ist nach Art. 7 Abs. 2 MRRL, Art. 13 Abs. 2 GMVO gegeben, wenn berechtigte Gründe es rechtfertigen, daß der Markeninhaber sich dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist. Bei I Erste Richtlinie des Rates vom 21.12. 1988 zur Ang1eichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (891104/EWG), ABI. 1989, L 40/1. 2 Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20.12. 1993 über die Gemeinschaftsmarke, ABI. 1994, L 1111 und L 349/83, in Kraft seit 15.3.1994. 3 Kur in: Schricker/Bastianl Albert, Die Neuordnung des Markenrechts in Europa, S. 29f.; Sack, GRUR 1996,663. 4 Ausführlich lngerl, Die Gemeinschaftsmarke, S. 73 ff.; lngerl/Rohnke, Markengesetz, § 14 Rz. 137 ff. 5 Ausführlich Fezer, Markengesetz, § 14 Rz. 459 ff. 6 BerUt, Das neue Markenrecht, Rz. 327; Schuster, Die Ausnahmen vom markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz, S. 28.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelirnporten

der Beurteilung dieser Kriterien kann die frühere Rechtsprechung des EuGH zu Art. 28,30 (30, 36) EGV berücksichtigt werden? 1. Neues Kennzeichnen

Im Zusammenhang mit Parallelimporten und der daraus oft resultierenden Notwendigkeit des Umpackens der Waren, um sie im Importland verkehrsfähig zu machen, stellt sich die Frage, ob der Importeur berechtigt ist, die umgepackten Produkte mit der Marke des Zeicheninhabers neu zu kennzeichnen. Ein Sonderfall liegt dann vor, wenn nicht die ursprüngliche Marke wieder neu angebracht werden soll, sondern die Marke, unter der das Produkt im jeweiligen Importland bekannt ist, um dem dortigen Markt die Produktidentität deutlich zu machen. Da diese Situation jedoch nur im Falle der Markendifferenzierung nach Mitgliedstaaten auftreten kann, wird sie dort behandelt8 . Nach Art. 5 Abs. 3 lit. a) MRRL, Art. 9 Abs. 2 lit. a) GMVO steht dem Markeninhaber das ausschließliche Recht zur Kennzeichnung von Waren oder deren Aufmachung zu. Fraglich ist nun, ob auch dieses Kennzeichnungsrecht unter den Erschöpfungsgrundsatz des Art. 7 Abs. 1 MRRL, Art. 13 Abs. 1 GMVO fällt. Vor Inkrafttreten der MRRL zählte der EuGH das Kennzeichnungsrecht zum spezifischen Gegenstand des Warenzeichenrechts, da die Herkunftsfunktion des Warenzeichens gefährdet wäre, wenn ein Dritter das Warenzeichen auf der Ware anbringen könnte9 . Folglich war es nach Auffassung des EuGH gemäß Art. 30 (36) EGV gerechtfertigt, daß dem Zeicheninhaber das Recht eingeräumt wurde. sich gegen die unbefugte Neukennzeichnung seiner Markenware durch Dritte zur Wehr zu setzen 10. Eine Einschränkung sah der EuGH allerdings im Falle einer Art. 30 (36) S. 2 EGV zuwiderlaufenden verschleierten Handelsbeschränkung gegeben, also insbesondere dann, wenn die Geltendmachung des Warenzeichenrechts durch den Zeicheninhaber eine künstliche Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten darstelltell. Mittlerweile hat der EuGH entschieden, daß das Kennzeichnungsrecht unter den Erschöpfungsgrundsatz des Art. 7 Abs. 1 MRRL fällt. Der MarVgl. oben Teil I. A. Teil I. D. I. 4. 9 EuGHE 1978. 1139, 1165 Rz. 7 - Hoffrnann-La Roche ./. Centrafarm EuGHE 1978, 1823. 1840f. Rz. 14 - Centrafarm ./. Arnerican Horne Products; EuGHE 1981.2913.2926 Rz. 8f. - Pfizer ./. Eurirn-Pharm. \0 EuGHE 1978. 1139. 1165 Rz. 8 - Hoffrnann-La Roche ./. Centrafarm. 11 EuGHE 1978. 1139. 1165 Rz. 10 - Hoffrnann-La Roche ./. Centrafarm; vgl. dazu auch GTE-Müller-GraJf Art. 36 Rz. 177; Ebenroth. Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Warenverkehrsfreiheit. S. 31 f. 7

B

D. Parallelimporte von Markenwaren

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keninhaber könne sich gegen das Neukennzeichnen der von ihm oder mit seiner Zustimmung in Verkehr gebrachten Markenwaren nicht wehren, es sei denn, es lägen besondere "berechtigte Gründe" i. S. d. Art. 7 Abs. 2 MRRL vor l2 . Der EuGH begründete seine Auffassung damit, daß die frühere Rechtsprechung zu Art. 28, 30 (30, 36) EGV durch Art. 7 MRRL nicht in ihrer Tragweite eingeschränkt werden sollte, was jedoch bei Annahme der Nichterschöpfung des Kennzeichnungsrechts der Fall wäre l3 • Außerdem sei eine unterschiedliche Behandlung der Fälle, in denen eine Neukennzeichnung vorgenommen werde, und jener, in denen die ursprüngliche Marke durch ein Klarsichtfenster an der neuen Umverpackung sichtbar gemacht werde, nicht durch den spezifischen Gegenstand des Markenrechts gerechtfertigt l4 . Die neue Rechtsprechung des EuGH steht auch im Einklang mit Wortlaut und Sinn des Art. 7 MRRL. In Art. 7 Abs. 1 MRRL ist ganz allgemein von der Benutzung der Marke für in Verkehr gebrachte Waren die Rede. Für die dem Markeninhaber bis dahin vorbehaltenen Benutzungshandlungen sind aber in Art. 5 Abs. 3 MRRL Regelbeispiele aufgeführt, in denen das Kennzeichnungsrecht im gleichen Atemzug mit dem Recht zum Inverkehrbringen, dem Ein- und Ausfuhrrecht sowie dem Werberecht, also Rechten, die unstreitig erschöpfen, genannt wird. Für eine Differenzierung zwischen den Benutzungshandlungen gibt es keinen Anhaltspunkt. Eine teleologische Reduktion des Art. 7 Abs. 1 MRRL ist auch nach Sinn und Zweck des Art. 7 MRRL nicht geboten, da den berechtigten Interessen des Markeninhabers durch die Ausnahmeregelung des Art. 7 Abs. 2 MRRL bei Vorliegen berechtigter Gründe ausreichend Rechnung getragen werden kann l5 . Es ist also festzuhalten, daß Parallelimporte auch bei Neukennzeichnung der Ware grundsätzlich zulässig sind, es sei denn, es liegen Ausnahmegründe i. S. d. Art. 7 Abs. 2 MRRL vor. Dieses Ergebnis ist angesichts übereinstimmenden Wortlauts und Sinnes der Erschöpfungsregelung in MRRL und GMVO auf Parallelimporte von Gemeinschaftsmarkenwaren übertragbar.

12 EuGHE 1996, 1-3457, 3530, 3534 Rz. 37,50 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1997,1-6227,6254 Rz. 26f. - Loendersloot. 13 EuGHE 1996,1-3457, 3529f. Rz. 35f. Bristol-Myers Squibb. 14 EuGHE 1996, 1-3603, 3620 Rz. 38 - Eurim-Pharm. Das Sichtbarmachen der Marke durch ein Klarsichtfenster war schon nach der alten Rechtsprechung zulässig: EuGHE 1981,2913,2926 Rz. 10 - Pfizer./. Eurim-Pharm. 15 So auch Sack, GRUR 1997, 1, 3f.; Schuster, Die Ausnahmen vom markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz, S. 45 f. 8 Freylag

114

Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten 2. Markenaufspaltung

Wird eine Marke, die einem Inhaber in verschiedenen Mitgliedstaaten zustand, durch hoheitliche Zwangmaßnahme (insbesondere Enteignung) oder durch freiwillige (insbesondere rechtsgeschäftliche) Übertragung dergestalt aufgespaltet, daß sie in verschiedenen Mitgliedstaaten nun unterschiedlichen, rechtlich unabhängigen Markeninhabern zusteht, stellt sich die Frage, ob der jeweilige Markeninhaber gegen Parallelimporte der mit der gleichen Marke des anderen Inhabers gekennzeichneten Ware vorgehen kann. Problematisch ist in den Fällen der Markenaufspaltung bereits der Eintritt der Erschöpfung. Nach Art. 7 Abs. 1 MRRL 16 tritt Erschöpfung nur ein, wenn die Ware vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung in den Verkehr gebracht wurde. Da sowohl im Fall der zwangsweisen als auch der freiwilligen Markenaufspaltung die Erzeugnisse, um die es in Parallelimportfällen geht, nicht vom Markeninhaber in Verkehr gebracht wurden, kommt nur die Variante der Zustimmung des Markeninhabers in Betracht. Der EuGH hatte im Rahmen der Art. 28, 30 (30, 36) EGV in seiner HAG I-Entscheidung für den Fall einer zwangsweisen Markenaufspaltung durch Enteignung eine Abwehrbefugnis zunächst verneint. Im Fall Terranova ./. Terrapin stellte der EuGH die freiwillige Markenaufspaltung der zwangsweisen gleich. In beiden Fällen stützte er sich auf die sog. Theorie der Ursprungsgleichheit aufgespaltener nationaler Markenrechte, wonach bereits durch die Aufspaltung als solche, d. h. unabhängig von einem darauf gerichteten Willen des Rechtsinhabers, die Hauptfunktion des Warenzeichens, dem Verbraucher die Identität des Warenursprungs zu garantieren, in Frage gestellt sei 17. Die Theorie der Ursprungsgleichheit hat der EuGH in der HAG li-Entscheidung wieder aufgegeben und nun darauf abgestellt, ob das Inverkehrbringen der gekennzeichneten Ware in einem Mitgliedstaat mit oder ohne Zustimmung desjenigen erfolgte, der sein nationales Abwehrrecht geltend macht. Im Fall der Markenaufspaltung durch Enteignung kam er dabei zu dem Ergebnis, daß keine Zustimmung vorliege und daher die Abwehrbefug16 Für Gemeinschaftsmarken stellt sich das Problem der Markenaufspaltung jedenfalls innerhalb der Gemeinschaft nicht, da die Gemeinschaftsmarke nach Art. I Abs. 2 GMVO einheitlich ist und nur für das gesamte Gebiet eingetragen oder übertragen werden kann. Eine Aufspaltung ist nur im Verhältnis zu Drittstaaten möglich, vgl. dazu unten Teil I, D. 11. I., 2. 17 EuGHE 1974, 731 - HAG I; EuGHE 1976, 1039 - Terranova ./. Terrapin; vgl. dazu nur Ebenroth, Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Warenverkehrsfreiheit, S. 37ff.; EbenrothlParche, GRUR Int. 1989, 738ff.; Fezer, Markenrecht, § 24 MarkenG Rz. 85 ff.

D. Parallelimporte von Markenwaren

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nis des ongmaren Zeicheninhabers gemeinschaftsrechtlich zulässig sei 18. Für die freiwillige Markenaufspaltung auf rechtlich und wirtschaftlich vollständig voneinander unabhängige Unternehmen entschied der EuGH im Fall Ideal-Standard ebenfalls, daß nach Art. 28, 30 (30, 36) EGV eine Abwehrbefugnis gemeinschaftsrechtlich zulässig sei 19. Diese Entscheidungen sind zwar noch zu Art. 28, 30 (30, 36) EGV ergangen, da aber auf das Zustimmungskriterium abgestellt wird, das mittlerweile in Art. 7 Abs. I MRRL ausdrücklich verankert ist, hat diese Rechtsprechung auch unter der neuen Rechtslage noch Gültigkeit. Das Zustimmungskriterium ist im Lichte des spezifischen Gegenstands des Markenrechtes zu sehen. Nach ständiger Rechtsprechung läßt Art. 30 (36) EGV Ausnahmen vom Grundsatz des freien Warenverkehrs nur insoweit zu, als diese zur Wahrung des spezifischen Gegenstands des Schutzrechts gerechtfertigt sind. In diesem Zusammenhang wird festgestellt, daß eine solche Ausnahme nicht zur Verhinderung der Einfuhr und des Vertriebs von Waren in Betracht kommt, wenn diese Waren vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung in einem anderen Mitgliedstaat in den Verkehr gebracht worden sind. Der spezifische Gegenstand des Markenrechts ist aber gerade anhand seiner Funktionen zu bestimmen2o • Fehlt es im Fall der zwangsweisen Markenaufspaltung aber an jeglicher Zustimmung des Markeninhabers zum Inverkehrbringen der Waren durch ein von diesem weder rechtlich noch wirtschaftlich abhängiges Unternehmen, so wäre die Hauptfunktion der Marke gefährdet, wenn er sich dem Import und Vertrieb dieser Waren nicht widersetzen könnte. Denn in einem solchen Fall wären die Verbraucher nicht mehr in der Lage, den Ursprung des gekennzeichneten Erzeugnisses festzustellen, und der Rechtsinhaber könnte für die schlechte Qualität eines Erzeugnisses verantwortlich gemacht werden, die ihm in keiner Weise zuzurechnen wäre 21 . Eine Einschränkung des freien Warenverkehrs ist daher im Fall der zwangsweisen Markenaufspaltung geboten, weil andernfalls die Herkunftsfunktion der Marke nicht gewährleistet wäre, ohne daß das dem Markeninhaber zurechenbar wäre. Für die freiwillige Markenaufspaltung ergibt sich nach Ansicht des EuGH dasselbe Ergebnis 22 , obwohl hier nicht zu bestreiten ist, daß eine autonome Willensentscheidung des Markeninhabers zugrundeliegt. Die Gefährdung der Herkunftsfunktion der Marke ergibt sich aber unabhängig 18 EuGHE 1990, 1-3711, 3758f. Rz. 15ff. - HAG 11; vgl. dazu auch laliet, GRUR Int. 1991, 177ff. und oben Teil I, C. I. I. c). 19 EuGHE 1994, 1-2789, 2849ff. Rz. 40ff. - Ideal-Standard. 20 EuGHE 1990,1-3711, 3757ff. Rz.12ff. - HAG 11; EuGHE 1994,1-2789,2851 Rz. 45 - Ideal-Standard. 21 EuGHE 1990,1-3711, 37598f. Rz. 15f. - HAG 11. 22 EuGHE 1994,1-2789, 2850f. Rz. 43ff. - Ideal-Standard.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

davon, ob eine zwangsweise oder freiwillige Markenaufspaltung vorliegt 23 . Darüber hinaus muß die Qualitäts- oder Garantiefunktion der Marke gewährleistet sein: Die Marke muß Gewähr dafür bieten, daß alle Erzeugnisse, die mit ihr versehen sind, unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens hergestellt worden sind, das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann, wobei es entscheidend auf die Möglichkeit einer Kontrolle der Qualität der Erzeugnisse, nicht auf die tatsächliche Ausübung dieser Kontrolle ankommt24 . Im Fall einer Markenübertragung an ein rechtlich und wirtschaftlich völlig unabhängiges Unternehmen besteht aber keinerlei Möglichkeit des Veräußerers, die Qualität der Waren zu kontrollieren, die vom Erwerber unter der Marke vertrieben werden 25 • Somit wird die Qualitätsfunktion der Marke nur dann gewahrt, wenn sich der Markeninhaber gegen den Parallelimport wehren kann. Die in jeder Übertragung liegende Zustimmung entspricht nach Ansicht des EuGH auch nicht der Zustimmung, deren es für die Erschöpfung des Rechts bedarf: Dafür ist nämlich erforderlich, daß der Zeicheninhaber im Einfuhrstaat unmittelbar oder mittelbar die Befugnis hat zu bestimmen, auf welchen Erzeugnissen die Marke im Ausfuhrstaat angebracht werden darf, und die Qualität dieser Erzeugnisse zu kontrollieren. Diese Befugnis erlischt aber, wenn er durch die Übertragung die Verfügungsgewalt über die Marke an einen Dritten verliert, zu dem er in keinerlei wirtschaftlicher Beziehung steht26 . Die Annahme einer stillschweigenden Zustimmung zum Inverkehrbringen durch die privatautonome Markenaufspaltung scheidet daher aus.· Im Ergebnis ist also festzustellen, daß im Fall der - zwangsweisen oder freiwilligen - Markenaufspaltung mangels Zustimmung des Markeninhabers zum Inverkehrbringen durch das rechtlich und wirtschaftlich unabhängige Unternehmen, das im jeweils anderen Mitgliedstaat Inhaber der gleichen Marke ist, nach Art. 7 Abs. 1 MRRL keine Erschöpfung eintritt, so daß Parallelimporte solcher Waren vom jeweiligen Markeninhaber verhindert werden können. 3. Umpacken

Parallelimporte von Markenartikeln sind nur dann möglich, wenn die Waren im Importland verkehrsfähig sind. Da aber von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat trotz des insgesamt hohen Integrationsstands der EG teilweise noch unterschiedliche gesetzliche Anforderungen an die Verpackung bzw. 23

24 25

26

EuGHE EuGHE EuGHE EuGHE

1994, 1-2789, 1994,1-2789, 1994,1-2789, 1994, 1-2789,

2851 Rz. 46 - Ideal-Standard. 2848f. Rz. 37f. - Ideal-Standard. 2849f. Rz. 41 - Ideal-Standard. 2850 Rz. 43 - Ideal-Standard.

D. Parallelimporte von Markenwaren

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Beschriftung der Waren oder unterschiedliche Kaufgewohnheiten der Verbraucher bestehen, müssen in solchen Fällen die Markenwaren neu verpackt werden, damit sie im Importland verkauft werden können. Eine im Zusammenhang mit Parallelimporten wesentliche Frage ist daher die folgende: Inwieweit kann der Markeninhaber sich dem Umpacken der von ihm oder mit seiner Zustimmung in Verkehr gebrachten Waren widersetzen? In der Rechtsprechung des EuGH ging es bisher im wesentlichen um Fälle des Umpackens von Arzneimitteln. Im Arzneimittelbereich sind Parallelimporte insbesondere deshalb lukrativ, weil aufgrund in einigen Mitgliedstaaten bestehender staatlicher Preisreglementierungen die Preisunterschiede für Medikamente sehr groß sind. Allerdings handelt es sich hier auch um einen noch nicht harmonisierten Bereich, so daß unterschiedliche Anforderungen an Packungsgrößen, -kennzeichnung und -beschriftung bestehen. Darüber hinaus variieren die ärztlichen Verschreibungsgewohnheiten, die durch Normgrößenempfehlungen der Berufsverbände und Krankenversicherungsträger beeinflußt sind, sowie die Leistungen der Krankenkassen, so daß unterschiedliche Packungsgrößen üblich sind27 • Bereits vor Erlaß der MRRL hatte der EuGH zum Problem des Umpakkens von Arzneimitteln in den Entscheidungen Hoffmann-La Roche .1. Centrafarm28 und Pfizer .1. Eurim-Pharm 29 Stellung genommen. Diese Rechtsprechung hat er in drei Entscheidungen vom 11.7. 199630 bestätigt und weiter konkretisiert. Eine Fortführung der alten Rechtsprechung war gerechtfertigt, da Art. 7 MRRL an die frühere Rechtsprechung des EuGH zu Art. 28, 30 (30, 36) EGV anknüpft, denselben Zweck des Ausgleichs von Markenschutz und freiem Warenverkehr verfolgt und in Abs. 2 auslegungsbedürftige unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, die nur unter Rückgriff auf die frühere Rechtsprechung sinnvoll konkretisiert werden können 31 • Mittlerweile hat sich der EuGH in der Entscheidung Loendersloot .1. BaUantine 32 zu einem ähnlich gelagerten Fall außerhalb des Arzneimittelbereichs geäußert und damit geklärt, daß die von ihm aufgestell27 Vgl. Schlußanträge des Generalanwalts Jacobs zu den EuGH-Entscheidungen vom 11.7.1996, EuGHE 1996, 1-3461, 3463; Schuster, Die Ausnahmen vom markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz, S. 83 f. 28 EuGHE 1978, 1139 - Hoffmann-La Roche. 29 EuGHE 1981,2913 - Pfizer. 30 EuGHE 1996, 1-3457 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603 - EurimPharm; EuGHE 1996,1-2671 - MPA Pharma. 31 Vgl. dazu EuGHE 1996, 1-3457, 3531 Rz. 41 - Bristol-Myers Squibb; Schlußanträge des Generalanwalts Jacobs zu den EuGH-Entscheidungen vom 11.7. 1996, EuGHE 1996, 1-3461, 3497 Nr. 91 ff. und Teil I, A. 32 EuGHE 1997, 1-6227 - Loendersloot. In diesem Fall ging es um die Zulässigkeit des Umetikettierens von Whiskyflaschen.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallel importen

ten Voraussetzungen zum Umpacken auch über den Arzneimittelbereich hinaus gültig sind33 • a) Rechtsprechung des EuGH

Im folgenden sollen die Kriterien des EuGH dargestellt und im Hinblick auf den spezifischen Gegenstand des Markenrechts und die Markenfunktionen näher beleuchtet werden. In Hoffmann-La Roche34 hatte der EuGH einen Parallelimportfall zu entscheiden, in dem Markenarzneimittel ("Valium") aus Großbritannien nach Deutschland importiert, unter Wiederanbringung der Marke umgepackt und in Verkehr gebracht wurden. Prüfungsmaßstab waren die Art. 28, 30 (30, 36) EGV. Nach Ausführungen zum spezifischen Gegenstand des Schutzrechts und zur Hauptfunktion, nämlich der Herkunftsfunktion des Warenzeichens 35 kam der EuGH zu dem Ergebnis, daß ein Abwehrrecht des Warenzeicheninhabers gegen das Umpacken importierter Markenware und Wiederanbringen des Warenzeichens durch einen Dritten nach Art. 30 (36) S. I EGV gerechtfertigt sei 36 . Allerdings sei noch zu prüfen, ob die Ausübung dieses Rechts eine "verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten" im Sinne von Art. 30 (36) S. 2 EGV darstellen könne. Eine solche Beschränkung könne sich insbesondere daraus ergeben, daß der Inhaber des Warenzeichens das gleiche Erzeugnis in verschiedenen Mitgliedstaaten in unterschiedlicher Verpackung auf den Markt bringe und sich auf die aus dem Warenzeichen fließenden Rechte berufe, um das Umpakken durch einen Dritten zu verhindern, selbst wenn dieses so vorgenommen werde, daß die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware und deren Originalzustand nicht beeinträchtigt werden könnten. Es gehe also um die Frage, ob das Umpacken eines Markenerzeugnisses geeignet sei, den Originalzustand des Erzeugnisses zu beeinträchtigen. Diese Frage müsse anhand der Umstände des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Erzeugnisses und dem beim Umpacken angewandten Verfahren, entschieden werden 37 • Der EuGH stellte fest, daß eine verschleierte Handelsbeschränkung i. S. d. Art. 30 (36) S. 2 EGV vorliege, 33 Daß es sich insoweit um grundsätzliche Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Umpackens und Neukennzeichnens von Markenware handelt, hatte der EuGH bereits in der Entscheidung Hoffmann-La Roche, EuGHE 1978, 1139, 1167 Rz. 13, angedeutet. 34 EuGHE 1978, 1139 - Hoffmann-La Roche. 3S EuGHE 1978, 1139, 1164f. Rz. 6f. - Hoffmann-La Roche. 36 EuGHE 1978, 1139, 1165 Rz. 8, 1168 Nr. 1 a) des Tenors - Hoffmann-La Roche. 37 EuGHE 1978,1139, 1165f. Rz. 9f. Hoffmann-La Roche.

D. Parallelimporte von Markenwaren

119

- wenn erwiesen sei, daß die Geltendmachung des Warenzeichenrechts den Inhaber unter Berücksichtigung des von ihm angewandten Vermarktungssystems zur künstlichen Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten beitragen würde, - wenn dargetan sei, daß das Umpacken den Originalzustand des Erzeugnisses nicht beeinträchtigen könne, - wenn der Inhaber des Warenzeichens vorher von dem Feilhalten des umgepackten Erzeugnisses unterrichtet werde und - wenn auf der neuen Verpackung angegeben sei, von wem das Erzeugnis umgepackt wurde 38 . Der zweite Fall, in dem sich der EuGH vor Erlaß der MRRL mit der Rechtmäßigkeit der Benutzung einer Marke zur Verhinderung von Parallelimporten umgepackter Arzneimittel beschäftigte, war die Rechtssache Pfizer. Hier ging es um den Import des Antibiotikums der Marke "Vibramycin" aus Großbritannien nach Deutschland, wobei das Medikament umgepackt wurde, indem die Blisterstreifen aus der englischen Packung herausgenommen wurden und derart in eine vom Parallelimporteur für den deutschen Markt neu entworfene Schachtel eingelegt wurden, daß die auf der Rückseite der Blisterstreifen aufgedruckte Originalmarke durch ein Klarsichtfenster in der neuen Umverpackung sichtbar wurde. In seinem Urteil wiederholte der EuGH die Ausführungen, die er in der Rechtssache Hoffmann-La Roche über den spezifischen Gegenstand und die Hauptfunktion des Warenzeichens sowie über seine Rolle als Ursprungsgarantie gemacht hatte 39. Eine solche Benutzung des Warenzeichens, die die Herkunfts- oder Qualitätsgarantie vernUschen könnte, liege jedoch nicht vor, wenn ein Parallelimporteur ein pharmazeutisches Erzeugnis in der Weise umpacke, daß er lediglich die äußere Umhüllung ersetze, ohne die innere Verpackung zu berühren, und daß er das vom Hersteller auf der inneren Verpackung angebrachte Warenzeichen durch die neue äußere Umhüllung sichtbar mache, wobei er auf der äußeren Verpackung deutlich darauf hinweise, daß das Erzeugnis von einer Tochtergesellschaft des Warenzeicheninhabers hergestellt und von ihr neu verpackt worden sei40 . Zum Umpacken von Arzneimitteln erließ der EuGH am 11. 7.1996 drei Vorabentscheidungen, im folgenden "Bristol-Myers Squibb,,41, "EurimPharm,,42 und "MPA Pharma,,43 genannt. Nur im Fall "Bristol-Myers 38 EuGHE Roche. 39 EuGHE 40 EuGHE 41 EuGHE 42 EuGHE

1978, 1139, 1167 Rz. 14, 1169 Nr. 1 b) des Tenors - Hoffmann-La 1981,2913, 2925f. Rz. 6ff. - Pfizer. 1981, 2913, 2926 Rz. IOf., 2928 Tenor - Pfizer. 1996, 1-3457 - Bristol-Myers Squibb. 1996, 1-3603 - Eurim-Pharm.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

Squibb" setzte er sich mit Art. 7 MRRL auseinander, die bei den anderen Urteile wurden auf Art. 30 (36) EGV gestützt. Da die Ergebnisse der Entscheidungen aufgrund der einheitlichen Auslegung von Art. 7 MRRL und Art. 30 (36) EGV übereinstimmen44 - kleinere Unterschiede ergeben sich lediglich aus Abweichungen der Vorlagefragen bzw. der zugrundeliegenden tatsächlichen Fallgestaltungen - werden die wesentlichen Aspekte der Urteile im folgenden gemeinsam dargestellt. Der EuGH entschied, daß Art. 7 Abs. 1 MRRL außer unter den Voraussetzungen des Abs. 2 der Berufung eines Markeninhabers auf die Marke zu dem Zweck, einen Importeur am Vertrieb einer Ware zu hindern, die vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung in einem anderen Mitgliedstaat in den Verkehr gebracht worden sei, auch dann entgegenstehe, wenn dieser Importeur die Ware umgepackt und die Marke wieder darauf angebracht habe. Art. 30 (36) EGV bzw. Art. 7 Abs. 2 MRRL seien dahin auszulegen, daß sich ein Markeninhaber grundsätzlich dem weiteren Vertrieb eines von ihm oder mit seiner Zustimmung in den Verkehr gebrachten Arzneimittels widersetzen könne, wenn dieser Importeur das Arzneimittel umgepackt und die Marke wieder darauf angebracht habe. Ein Abwehrrecht bestehe auch, wenn der Importeur es so in eine neue äußere Verpackung umgepackt habe, daß die auf der inneren Originalverpackung angebrachte Marke sichtbar werde, oder wenn er Inhalt und Aussehen einer äußeren Verpackung verändert habe, dabei aber die vom Hersteller darauf angebrachte Marke stehengelassen habe. Dies gelte aber nicht, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt seien:

- Es sei erwiesen, daß die Geltendmachung einer Marke durch den Markeninhaber zu dem Zweck, sich dem Vertrieb der umgepackten Waren unter der Marke zu widersetzen, zu einer künstlichen Abschottung der Märkte zwischen Mitgliedstaaten beitragen würde. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn der Markeninhaber das gleiche Arzneimittel in unterschiedlichen Packungen in verschiedenen Mitgliedstaaten in den Verkehr gebracht habe und das Umpacken erforderlich sei, um das Arzneimittel im Einfuhrmitgliedstaat vertreiben zu können, und zum anderen unter solchen Bedingungen erfolge, daß der Originalzustand des Arzneimittels dadurch nicht beeinträchtigt werden könne. Diese Voraussetzung bedeute nicht, daß der Importeur nachweisen müsse, daß der Markeninhaber beabsichtigt habe, die Märkte zwischen Mitgliedstaaten abzuschotten. EuGHE 1996,1-3671 - MPA Pharma. Vgl. Schlußanträge des Generalanwalts Jacobs zu den EuGH-Entscheidungen vom 11.7.1996, EuGHE 1996, 1-3461, 3508 Nr. 129; Schuster, Die Ausnahmen vom markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz, S. 96; Verkade, GRUR Int. 1996, 1152. 43 44

D. Parallelimporte von Markenwaren

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- Es sei dargetan, daß das Umpacken den Originalzustand der in der Verpackung enthaltenen Ware nicht beeinträchtigen könne. Dies sei insbesondere der Fall, wenn der Importeur nur Handlungen vorgenommen habe, mit denen kein Risiko einer Beeinträchtigung verbunden sei, so z. B. wenn Blisterstreifen, Flaschen, Ampullen oder Inhalatoren aus ihrer äußeren Original verpackung herausgenommen und zusammen mit einer oder mehreren Original packungen in eine neue äußere Verpackung umgepackt oder in eine andere Original packung eingelegt würden, auf den äußeren oder inneren Originalverpackung Aufkleber angebracht würden oder in die Verpackung neue Beipack- oder Informationszettel in der Sprache des Einfuhrstaats eingelegt würden. Das nationale Gericht habe zu beurteilen, ob beim Zerschneiden von Blisterstreifen oder beim Aufstempeln von Chargennummern so vorgegangen werde, daß jedes konkrete Risiko einer Beeinträchtigung des Originalzustands der darin befindlichen Tabletten ausgeschlossen sei. Dies sei u. a. dann anzunehmen, wenn diese Handlungen von einer Behörde genehmigt und daraufhin überwacht würden, daß die einwandfreie Beschaffenheit der Ware gewährleistet sei. Das nationale Gericht habe außerdem zu prüfen, ob der Originalzustand der in der Verpackung enthaltenen Ware insbesondere dadurch mittelbar beeinträchtigt werde, daß die äußere oder innere Verpackung der umgepackten Ware oder ein neuer Beipack- oder Informationszettel bestimmte wichtige Angaben nicht enthalte oder aber unzutreffende Angaben enthalte oder daß ein vom Importeur in die Verpackung eingelegter zusätzlicher Artikel, der zur Einnahme und zur Dosierung des Arzneimittels diene, nicht der Gebrauchsanweisung und Dosierungsempfehlungen des Herstellers entspreche oder daß die Verpackung der umgepackten Ware nicht so gestaltet sei, daß diese ausreichend geschützt werde. - Auf der neuen Verpackung sei klar angegeben, von wem das Arzneimittel umgepackt worden sei und wer der Hersteller sei. Diese Angaben müßten so aufgedruckt sein, daß sie ein normalsichtiger Verbraucher bei Anwendung eines normalen Maßes an Aufmerksamkeit verstehen könne. Ferner müsse die Herkunft eines zusätzlichen Artikels, der nicht vom Markeninhaber stamme, in einer Weise angegeben sein, die den Eindruck ausschließe, daß der Markeninhaber dafür verantwortlich sei. Dagegen brauche nicht angegeben zu werden, daß das Umpacken ohne Zustimmung des Markeninhabers erfolgt sei. - Das umgepackte Arzneimittel sei nicht so aufgemacht, daß dadurch der Ruf der Marke und ihres Inhabers geschädigt werden könne. Die Verpakkung dürfe folglich nicht schadhaft, von schlechter Qualität oder unordentlich sein. Das nationale Gericht habe zu ermitteln, ob die Verpakkung dadurch, daß in eine äußere Verpackung sowohlOriginalpackungen

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

als auch lose Blisterstreifen gepackt würden, unordentlich werde und damit den Ruf der Marke schädigen könne. Hinsichtlich des Zerschneidens von Blisterstreifen habe es im Einzelfall zu beurteilen, ob dieses in einer Weise erfolge, daß dadurch der Ruf der Marke geschädigt werden könnte. - Der Importeur unterrichte den Markeninhaber vorab vom Feilhalten des umgepackten Arzneimittels und liefere ihm auf Verlangen ein Muster der umgepackten Ware4S . Daß die dargestellten Grundsätze auch für andere Waren als Arzneimittel gelten, soweit sie nicht nur die Besonderheiten des Arzneimittelhandels betreffen, hat der EuGH am 11.11.1997 im Fall Loendersloot ./. Ballantine 46 entschieden. Hier ging es um die Frage, ob sich der Markeninhaber dagegen wehren könne, daß ein Dritter Whiskyf1aschen in einem Mitgliedstaat kaufe, dann neu etikettiere, wobei die Identifikationsnummern sowie die Namen der autorisierten Importeure und das Wort "pure" entfernt und die Marke des Markeninhabers wieder neu angebracht werden, und sie in einem anderen Mitgliedstaat in den Verkehr bringe. Der EuGH entschied, daß sich ein Markeninhaber nach Art. 30 (36) EGV auf das Markenrecht berufen könne, um einen Dritten daran zu hindern, vom Inhaber selbst auf von ihm auf den Markt gebrachten Erzeugnissen angebrachte, mit seiner Marke versehene Etiketten zu entfernen und anschließend wiederanzubringen oder zu ersetzen, selbst wenn dies den innergemeinschaftlichen Handel behindere. Das gelte nicht, wenn - nachgewiesen sei, daß es zur künstlichen Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten beitrüge, wenn der Inhaber der Marke sein Markenrecht verwendete, um die Vermarktung erneut mit dieser Marke etikettierter Erzeugnisse zu verhindern, - dargetan sei, daß die Neuetikettierung den Original zustand des Erzeugnisses berühre, - die Aufmachung des neuetikettierten Erzeugnisses dem guten Ruf der Marke und ihres Inhabers nicht schaden könne, und - derjenige, der die Neuetikettierung vornehme, den Markeninhaber vorab vom Verkauf der neuetikettierten Erzeugnisse unterrichte47 .

45 EuGHE 1996, 1-3457, 3541 f. Rz. 79, 3544f. Nr. 3 des Tenors - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3628ff. Rz. 70, 3630ff. Tenor - Eurim-Pharm; EuGHE 1996,1-3671,3691 f. Rz. 50, 3692ff. Tenor - MPA Pharma. 46 EuGHE 1997,1-6227 - Loendersloot. 47 EuGHE 1997, 1-6227, 6261 f. Rz. 50, 6262f. Tenor - Loendersloot.

D. Parallelimporte von Markenwaren

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b) Stellungnahme

aa) Gleichbehandlung von Fällen mit und ohne Neukennzeichnung Der EuGH hat in seinen Entscheidungen vom 11. 7. 1996 keinen Unterschied zwischen dem Umpacken unter Neuanbringung der Marke und der Klarsichtfensterlösung gemacht. Diese Gleichbehandlung ist gerechtfertigt, wenn man sich das entscheidende Kriterium für die Zulässigkeit des Umpackens von Waren zum Parallelimport vor Augen hält. Eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit ist nach Art. 30 (36) EGV nur gerechtfertigt, wenn sie zur Erhaltung des spezifischen Gegenstands der Marke oder zur Durchsetzung der Hauptfunktion der Marke erforderlich ist. Es geht also allein um eine Interessenabwägung zwischen dem Interesse der Allgemeinheit am freien Warenverkehr in der Gemeinschaft und den schutzwürdigen Belangen des Markeninhabers, die durch die Markenfunktionen begrenzt werden. Damit überhaupt schutzwürdige Interessen des Markeninhabers zu bejahen sind, muß also die Möglichkeit der Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion, der Veränderung des Originalzustands der Ware oder einer Rufausbeutung gegeben sein. Zur Beurteilung dieser Frage ist es aber nicht entscheidend, auf welche Art und Weise die Marke des Markeninhabers durch den Dritten sichtbar gemacht wird, also ob sie neu angebracht, durch ein Klarsichtfenster sichtbar gemacht oder stehengelassen wird48 . bb) Gleichbehandlung verschiedener Kategorien von Erzeugnissen Der EuGH hat in der Entscheidung Loendersloot die zum Umpacken von Arzneimitteln entwickelten Grundsätze auch auf das Neuetikettieren von Whiskyflaschen angewandt. Eine Gleichbehandlung verschiedener Erzeugnisse kommt nur in Betracht, wenn es einen allgemein gültigen Grundsatz gibt. Dieser läßt sich wie folgt formulieren: Das Recht des Markeninhabers zur Bestimmung der Aufmachung seiner Erzeugnisse muß unter bestimmten Umständen den Erfordernissen des freien Warenverkehrs weichen, jeweils unter Vorbehalt der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen, die zum Erhalt der wesentlichen Markenfunktionen, d. h. der Herkunfts-, Qualitätsund Werbefunktion erforderlich sind49 • Allein mit dem Zustimmungskriterium läßt sich eine solche Einschränkung nicht mehr rechtfertigen. 48 Vgl. Schlußanträge des Generalanwalts Jacobs zu den EuGH-Entscheidungen vom 11. 7.1996, EuGHE 1996, 1-3461, 3489 Nr. 63ff.; Schuster, Die Ausnahmen vom markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz, S. 99 f. 49 Vgl. Schlußanträge des Generalanwalts Jacobs im Fall Loendersloot, EuGHE 1997,1-6229,6238 Nr. 30.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

cc) Auslegung des Art. 7 Abs. 2 MRRL und Art. 13 Abs. 2 GMVO unter Berücksichtigung der Kriterien der Rechtsprechung Da mittlerweile die Erschöpfung von Markenrechten durch Art. 7 MRRL harmonisiert bzw. in Art. 13 GMVO für Gemeinschaftsmarken geregelt wurde, sind die vom EuGH weitgehend im Rahmen der Auslegung des Art. 30 (36) EGV aufgestellten Voraussetzungen auf Art. 7 MRRL bzw. Art. 13 GMVO anzuwenden, da diese im Lichte des Art. 30 (36) EGV auszulegen sind. Nach Art. 7 Abs. 2 MRRL, Art. 13 Abs. 2 GMVO ist eine Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz zu bejahen, wenn berechtigte Gründe es rechtfertigen, daß der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist. Gleichzeitig soll herausgearbeitet werden, inwieweit sich diese Kriterien aus der Interessenabwägung zwischen Freihandel und Markenschutz unter Berücksichtigung der jeweils betroffenen Markenfunktion ergeben, damit im zweiten Teil der Arbeit eine Übertragung auf den Welthandel diskutiert werden kann. (1) Mangelnde Eiforderlichkeit des Umpackens

Das Umpacken von Markenware ist nur dann gerechtfertigt, wenn es eiforderlich ist, um die Ware im Importland vertreiben zu können 5o. In den Worten des EuGH liegt dann eine "künstliche Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten durch den Markeninhaber" vor, die als Fall der "verschleierten Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten" gern. Art. 30 (36) S. 2 EGV verboten ist51 . Das Markenrecht dient nämlich nicht dazu, den Markeninhabern die Möglichkeit zu geben, die nationalen Märkte abzuschotten und dadurch die Beibehaltung der eventuellen Preisunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern 52 . Letztlich basiert das auf dem Gedanken der Interessenabwägung zwischen Freihandel und Markenschutz. Ist der Parallelimport auch ohne Umpacken (also beispielsweise durch Anbringen neuer Etiketten auf der äußeren Verpackung und Einlegen 50 EuGHE 1996, 1-3457, 3535 Rz. 56 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3622 Rz. 46 - Eurim-Pharm; EuGHE 1996, 1-3671, 3686 Rz. 28 - MPA Pharma. 51 EuGHE 1996, 1-3457, 3534 Rz. 52 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3621 Rz. 43 - Eurim-Pharm; EuGHE 1996, 1-3671, 3685 Rz. 25 - MPA Pharma; vgl. dazu auch schon EuGHE 1978, 1139, 1165f. Rz. 9f. - Hoffmann-La Roche. 52 EuGHE 1996, 1-3457, 3533 Rz. 46 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3618f. Rz. 33 - Eurim-Pharm; EuGHE 1996, 1-3671, 3683 Rz. 19 - MPA Pharma.

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neuer Beipackzettel in der Sprache des Importlandes53 ) möglich, so besteht kein schutzwürdiges Freihandelsinteresse am Umpacken. Allerdings darf die Erforderlichkeit des Umpackens nicht zu restriktiv beurteilt werden. So darf sie z. B. nicht bereits deshalb verneint werden, weil im Importland zumindest eine der im Exportland existierenden Pakkungsgrößen verkehrsfahig wäre 54 . Vielmehr muß hier im Interesse des freien Warenverkehrs die Erforderlichkeit des Umpackens in andere, nur im Importland zulässige Packungsgrößen bejaht werden. Sonst fände eine Marktabschottung für einen Teil des Importlandmarktes statt, und der freie Warenverkehr würde bereits auf dieser Stufe der Abwägung zu sehr eingeschränkt. Der Schutz der Interessen des Markeninhabers kann nämlich noch gewährleistet werden, indem das Vorliegen eines anderen berechtigten Grundes sowie die Wahrung der Markenfunktionen durch das Umpacken geprüft wird. Nicht erforderliches Umpacken stellt also einen berechtigten Grund i.S.d. Art. 7 Abs. 2 MRRL, Art. 13 Abs. 2 GMVO dar. Unnötigerweise umgepackte Parallelimporte sind unzulässig. (2) Aktuelle oder potentielle Veränderung oder Verschlechterung des Originalzustands

Zu den vom EuGH aufgestellten Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Parallelimporten gehört, daß das Umpacken den Originalzustand der Ware nicht beeinträchtigen kann 55 . Der EuGH leitet diese Voraussetzung aus der Herkunftsfunktion der Marke ab. Den Verbrauchern oder Endabnehmern muß ermöglicht werden, das Erzeugnis ohne Verwechslungsgefahr von Erzeugnissen anderer Herkunft zu unterscheiden. Diese Herkunftsgarantie schließt nach Ansicht des EuGH ein, daß der Verbraucher sicher sein darf, daß an einem ihm angebotenen gekennzeichneten Erzeugnis nicht auf einer früheren Vermarktungsstufe durch einen Dritten ohne Zustimmung des Markeninhabers ein Eingriff vorgenommen wurde, der den Originalzustand des Erzeugnisses berührt hat56 . 53 EuGHE 1996, 1-3457, 3535 Rz. 55 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3622 Rz. 45 - Eurim-Pharm; EuGHE 1996, 1-3671, 3685 Rz. 27 - MPA Phanna. 54 EuGHE 1996, 1-3457, 3535 Rz. 54 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3622 Rz. 44 - Eurim-Pharm; EuGHE 1996, 1-3671, 3685 Rz. 26 - MPA Phanna. 55 EuGHE 1978, 1139, 1166 Rz. 9 - Hoffmann-La Roche; EuGHE 1981,2913, 2926 Rz. 1Of. - Pfizer; EuGHE 1996, 1-3457, 3542 Rz. 79 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996,1-3603,3629 Rz. 70 - Eurim-Phann; EuGHE 1996,1-3671,3691 Rz. 50 - MPA Pharma; EuGHE 1997,1- 6227, 6261 Rz. 50 - Loendersloot. 56 EuGHE 1978, 1139, 1165, Rz. 7 - Hoffmann-La Roche; EuGHE 1981, 2913, 2926 Rz. 8 - Pfizer.

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Die Veränderung oder Verschlechterung, also Beeinträchtigung des Originalzustands der Ware ist ausdrücklich in Art. 7 Abs. 2 MRRL, Art. 13 Abs. 2 GMVO als Beispiel eines berechtigten Grundes aufgeführt und führt daher zur Unzulässigkeit des Parallelimports umgepackter Erzeugnisse. In den Umpackentscheidungen vom 11. 7. 1996 hat der EuGH klargestellt, daß unter Ware i. S. d. Art. 7 Abs. 2 MRRL nicht etwa das Erzeugnis inclusive Verpackung zu verstehen ist, sondern daß es allein auf die Beeinträchtigung der in der Verpackung enthaltenen Ware ankommt 57 • Dieser Auslegung des Art. 7 Abs. 2 MRRL ist zuzustimmen, da andernfalls in jedem Umpacken eine relevante Veränderung des Warenzustands läge, so daß Parallelimporte umgepackter Erzeugnisse immer untersagt werden könnten. Diese Lösung würde aber zu einer zu weitgehenden Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit führen, die nicht durch die Interessen des Markeninhabers gerechtfertigt wäre. Auch der Wortlaut von Art. 5 Abs. 3 lit. a) MRRL, Art. 9 Abs. 2 lit. a) GMVO, wo zwischen "Waren" und "deren Aufmachung" explizit unterschieden wird, bestätigt die Auslegung des EuGH. Was die nur potentielle Beeinträchtigung des Originalzustands der Ware anbelangt, so könnte darin ein unbenannter berechtigter Grund i. S. v. Art. 7 Abs. 2 MRRL, Art. 13 Abs. 2 GMVO zu sehen sein. Der EuGH hat in den Umpackentscheidungen vom 11. 7.1996 eine Konkretisierung des bereits in seinen bei den früheren Entscheidungen58 aufgestellten Kriteriums vorgenommen und entschieden, daß nicht jedes hypothetische Risiko einer Warenbeeinträchtigung zur Verhinderung des Parallelimports ausreiche, sondern daß ein konkretes Risiko der Beeinträchtigung des Originalzustands der Ware gegeben sein müsse 59 • Die Forderung eines konkreten Risikos zur Annahme eines berechtigten Grundes läßt sich durch Abwägung der widerstreitenden Interessen von Freihandel und Markenschutz unter Berücksichtigung der Markenfunktionen erklären60 • Müßte der Markeninhaber den Eintritt einer Warenbeeinträchtigung abwarten, bevor er gegen den Parallelimport einschreiten könnte, bedeutete das mit hoher Wahrscheinlichkeit, daß der Ruf seiner Marke durch bereits unter der Marke in Verkehr gelangte 57 EuGHE 1996, 1-3457, 3536 Rz. 58 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3623 Rz. 48 - Eurim-Pharm; EuGHE 1996, 1-3671, 3686 Rz. 30 - MPA Pharma. 58 EuGHE 1978, 1139, 1166 Rz. lOf. - Hoffmann-La Roche; EuGHE 1981, 2913,2926 Rz. 11 - Pfizer. 59 EuGHE 1996, 1-3457, 3537 Rz. 63 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3624 Rz. 53f. - Eurim-Pharm; EuGHE 1996, 1-3671, 3687 Rz. 35 - MPA Pharma. 60 Vgl. dazu auch Schuster, Die Ausnahmen von markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz, S. 105 f.

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minderwertige Ware beeinträchtigt würde. Das kann ihm aber nicht zugemutet werden, wenn er bereits vor Inverkehrgelangen der veränderten Ware Anhaltspunkte, die auf deren Minderwertigkeit schließen lassen, hat. Die Anerkennung jedes hypothetischen Risikos der Warenverschlechterung als Grund für das Einschreiten gegen Parallelimporte würde andererseits zu einer sehr weitgehenden Einschränkung des freien Warenverkehrs führen. Daher stellt die Forderung nach dem Vorliegen eines konkreten Risikos einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen von Markenschutz und Freihandel dar. Parallelimporte können also nur verhindert werden, wenn ein konkretes Risiko der Beeinträchtigung des Originalzustands der Ware gegeben ist, da nur dann ein berechtigter Grund i. S. v. Art. 7 Abs. 2 MRRL, Art. 13 Abs. 2 GMVO vorliegt. Ob eine Veränderung des Originalzustands der Ware bzw. ein konkretes Risiko gegeben ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art der Ware und dem beim Umpacken angewandten Verfahren zu beurteilen61 . Aus der Rechtsprechung des EuGH ergeben sich allerdings einige Anhaltspunkte, wann eine Beeinträchtigung des Zustands der Ware auszuschließen ist und Parallelimporte daher zulässig sind. Dazu gehören das Umpacken doppelt verpackter Ware, wobei die Ware beim Umpacken in der inneren Verpackung verbleibt und nur die äußere Verpackung ausgetauscht wird, sowie die behördliche Überwachung des Umpackens62 . Ebenfalls unproblematisch ist nach Auffassung des EuGH das Anbringen von Aufklebern auf der äußeren oder inneren Verpackung und das Einlegen neuer Beipack- oder Informationszettel in die äußere Verpackung 63 . Ebenso beurteilt der EuGH das Einlegen zusätzlicher Original ware und auch nicht vom Markeninhaber stammender Zusatzartikel 64 in die äußere Verpackung; die Gefahr, daß dabei Blisterstreifen aus unterschiedlichen Chargen mit unterschiedlichen Verfallsdaten zusammengepackt werden könnten, sieht er als rein hypothetisches Risiko an 65 . Im Falle des Zupackens zerschnittener Blisterstreifen ist dagegen im Einzelfall festzustellen, ob beim Zerschneiden so vorgegangen wurde, daß 61 EuGHE 1978, 1139, 1166 Rz. 10 - Hoffmann-La Roche; EuGHE 1996, 1-3457, 3536 Rz. 59 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3623 Rz. 49 Eurim-Pharm; EuGHE 1996,1-3671,3686 Rz. 31 - MPA Pharma. 62 EuGHE 1978, 1139, 1166 Rz. 10 - Hoffmann-La Roche; EuGHE 1996, 1-3457, 3536 Rz. 60 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3623 Rz. 50 Eurim-Pharm; EuGHE 1996,1-3671,3687 Rz. 32 - MPA Pharma. 63 EuGHE 1996, 1-3457, 3537 Rz. 64 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3624 Rz. 55 - Eurim-Pharm; EuGHE 1996, 1-3671, 3687 Rz. 36 - MPA Pharma. 64 Dazu untenTeil I, D. I. 3. b) cc) (6) (a). 65 EuGHE 1996, 1-3457, 3537 Rz. 64 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3624 Rz. 53 - Eurim-Pharm.

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jedes konkrete Risiko einer Beeinträchtigung des Originalzustands der darin befindlichen Tabletten ausgeschlossen ist. Das sei anzunehmen, wenn eine behördliche Genehmigung und Überwachung stattfinde66 . Auch bei der Neuetikettierung von Flaschen entsteht gewöhnlich kein Risiko der Beeinträchtigung des Originalzustands der Ware 67 • Im Vergleich zum Umpacken doppelt verpackter Waren wird hier sogar ein geringerer Eingriff in die Aufmachung des Produkts vorgenommen. (3) Verletzung von Hinweis- und Informationspflichten

Ein berechtigter Grund i. S. d. Art. 7 Abs. 2 MRRL, Art. 13 Abs. 2 GMVO könnte vorliegen, wenn der Parallelimporteur bei Erstellung der neuen Verpackung Hinweispflichten nicht genügt bzw. fehlerhafte Beipackoder Informationszettel beilegt. Da es sich bei Arzneimitteln um einen besonders sensiblen Produktbereich handelt, der weitergehend als andere das Vertrauen der Verbraucher fordert, und das Erscheinen von Arzneimitteln in unterschiedlichen Verpackungen zu Verwirrungen über den Hersteller führen kann, hat der EuGH Hinweispflichen für das Umpacken von Medikamenten statuiert. Der Parallelimporteur muß auf der Verpackung klar angeben, von wem das Arzneimittel umgepackt wurde, und wer der Hersteller ist68 . Diese Hinweispflicht soll verhindern, daß der Verbraucher oder Endabnehmer zu der Annahme veranlaßt wird, der Markeninhaber sei für das Umpacken verantwortlich bzw. der Importeur sei Inhaber der Marke, und die Ware sei unter seiner Kontrolle hergestellt worden. Sie dient also der Sicherung der Herkunftsfunktion der Marke. Ein Hinweis darauf, daß das Umpacken ohne Zustimmung des Markeninhabers erfolgt ist, hat dagegen keine darüber hinausgehende Klarstellungswirkung. Er kann angesichts der möglichen negativen Folgen für den Absatz des Parallelimporterzeugnisses infolge Mißtrauens der Verbraucher, das Produkt sei möglicherweise nicht ordnungsgemäß, nicht gefordert werden69 . Die Hinweise müssen an der äußeren Verpackung der umgepackten Ware deutlich angebracht sein, d. h. sie müssen so gestaltet sein, daß ein normalsichtiger EuGHE 1996,1-3603, 3624 Rz. 54 - Eurim-Pharm. EuGHE 1997,1-6227,6256 Rz. 32 - Loendersloot. 68 EuGHE 1978, 1139, 1166 Rz. 12 - Hoffmann-La Roche; EuGHE 1981, 1139, 2926 Rz. 11 - Pfizer; EuGHE 1996, 1-3457, 3539f. Rz. 70, 74 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3626f. Rz. 61, 64 - Eurim-Pharm; EuGHE 1996, 1-3671,3689 Rz. 42, 45 - MPA Phanna. 69 EuGHE 1996, 1-3457, 3539 Rz. 72 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603,3626 Rz. 63 - Eurim-Pharm; EuGH 1996,1-3671,3689 Rz. 44 - MPA Pharma; vgl. auch Schlußanträge des Generalanwalts Jacobs zu den EuGH-Entscheidungen vom 11. 7.1996, EuGHE 1996, 1-3461, 3497 Nr. 88; Sack, GRUR 1997, I, 6; Schuster, Die Ausnahmen von markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz, S. 117 f. 66 67

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Verbraucher sie bei Anwendung eines normalen Maßes an Aufmerksamkeit verstehen kann7o . Werden vom Parallelimporteur Aufkleber angebracht oder neue Beipackoder Informationszettel erstellt und beigelegt, müssen diese alle wichtigen Angaben enthalten und dürfen nicht fehlerhaft sein 71. Der Importeur darf jedoch nicht daran gehindert werden, bestimmte zusätzliche Angaben zu machen, sofern sie denjenigen des Markeninhabers im Einfuhrmitgliedstaat nicht widersprechen 72. Damit wird letztlich der Werbefunktion der Marke Rechnung getragen, da der Ruf der Marke geschädigt werden könnte, wenn schlechte Produktinformationen zur Gefährdung von Patienten führen. Da diese Hinweispflichten die legitimen Interessen des Markeninhabers angesichts der Besonderheiten der Arzneimittel berücksichtigen, sind sie beim Umpacken und insbesondere beim bloßen Neuetikettieren anderer Erzeugnisse nicht erforderlich73. Parallelimporte umgepackter Arzneimittel sind im Ergebnis nur zulässig, wenn auf der Verpackung ein Umpack- und Herstellerhinweis klar angebracht ist und Produktinformationen vollständig und richtig sind.

(4) Ru/schädigende Aufmachung der neuen Verpackung Eine Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz nach Art. 7 Abs. 2 MRRL, Art. 13 Abs. 2 GMVO könnte bei rufschädigender Aufmachung der neuen Verpackung anzunehmen sein. In den Umpackentscheidungen vom 11.7. 1996 entschied der EuGH erstmalig, daß sich der Markeninhaber gegen Parallelimporte umgepackter Waren wehren kann, wenn die neue Verpackung der Ware so aufgemacht ist, daß dadurch der Ruf der Marke und ihres Inhabers geschädigt werden können. Nach Ansicht des EuGH ergibt sich das berechtigte Interesse des Markeninhabers an der Verhinderung solcher Parallelimporte aus dem spezifischen Gegenstand des Markenrechts 74 . Generalanwalt Jacobs präzisiert dies in seinen Schlußanträgen 70 EuGHE 1996, 1-3457, 3539f. Rz. 71, 74 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3626f. Rz. 62, 64 - Eurim-Pharm; EuGHE 1996, 1-3671, 3689 Rz. 43, 45 - MPA Pharma; Schlußanträge des Generalanwalts Jacobs zu den EuGHEntscheidungen vom 11. 7.1996, EuGHE 1996,1-3461,3508 Nr. 128. 71 EuGHE 1996, 1-3457, 3538 Rz. 65 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3625 Rz. 56 - Eurim-Pharm; EuGHE 1996, 1-3671, 3688 Rz. 37 - MPA Pharma. 72 EuGHE 1996, 1-3457, 3538 Rz. 66 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3625 Rz. 57 - Eurim-Pharm; EuGHE 1996, 1-3671, 3688 Rz. 38 - MPA Pharma. 73 EuGHE 1997,1-6227,6261 Rz. 48f. - Loendersloot. 74 EuGHE 1996, 1-3457, 3540 Rz. 75 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3627 Rz. 65 - Eurim-Pharm; EuGHE 1996, 1-3671, 3690 Rz. 46 - MPA

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insofern, als er ausführt, daß zum spezifischen Gegenstand des Markenrechts der Schutz des Markeninhabers davor, daß Konkurrenten einen ungerechtfertigten Vorteil aus seinem kaufmännischen Ruf ziehen, gehöre75. Daher ist auch die Werbefunktion der Marke vom neuen Markenrecht geschützt. Diese ist allerdings mit der Herkunftsfunktion der Marke in gewisser Weise verbunden, da eine ungeeignete Aufmachung des umgepackten Erzeugnisses in der Regel auch Verwirrung über die Herkunft des Erzeugnisses hervorrufen wird76• Zur Beurteilung der Rufschädigung sind die Art der Ware und der Markt, für den sie bestimmt ist, zu berücksichtigen77. Hinsichtlich der Art der Ware ist insbesondere etwa darauf abzustellen, ob es sich um Luxusprodukte von hervorragendem Ruf oder um Gebrauchsgegenstände hande1t78 . Bei Arzneimitteln ist zu beachten, daß es sich hier um einen sensiblen Bereich handelt, in dem die Öffentlichkeit besonderen Wert auf Qualität und einwandfreie Beschaffenheit der Ware legt. Im Einzelfall ist daher zu prüfen, ob die Packung dadurch, daß Original packungen und lose Blisterstreifen zusammengepackt wurden oder daß Blisterstreifen zerschnitten wurden, unordentlich wirkt oder sonst schadhaft oder von schlechter Qualität ist79 • Außerdem hängt die Beurteilung der Imageschädigung vom Bestimmungsmarkt ab. Bei Arzneimitteln ist zu unterscheiden, ob diese an Kran-

kenhäuser geliefert oder über Apotheken an die Verbraucher abgegeben werden. Im ersten Fall werden die Medikamente den Patienten von Fachkräften verabreicht, für die die Aufmachung der Ware keine große Bedeutung hat. Im zweiten Fall dagegen ist die Aufmachung für den Verbraucher von größerer Bedeutung. Hier ist nach Ansicht des EuGH darüber hinaus noch zwischen rezeptpflichtigen und apothekenpflichtigen Medikamenten

Pharma; vgl. auch später EuGHE 1997,1-1729, 1748f. Rz. 23 - Phytheron; EuGHE 1997,1-6013, 6048 Rz. 43 - Dior; EuGHE 1997, 1-6227, 6256 Rz. 33 - Loendersloot; EuGH, Urt. v. 23.2.1999, Rs. C-63/97 - BMW. 75 Schlußanträge des Generalanwalts Jacobs zu den EuGH-Entscheidungen vom 11. 7.1996, EuGHE 1996,1-3461,3492 Nr. 72,3505 Nr. 117. 76 Schlußanträge des Generalanwalts Jacobs im Fall Loendersloot, EuGHE 1997, 1-6229, 6238 Nr. 28; a. A. wohl Schuster, Die Ausnahmen vom markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz, S. 120. 77 EuGHE 1996, 1-3457, 3540 Rz. 75 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3627 Rz. 65 - Eurim-Pharm; EuGHE 1996, 1-3671, 3690 Rz. 46 - MPA Pharma. 78 EuGHE 1997, 1-6013, 6049 Rz. 45 - Dior (zum Werberecht); EuGHE 1997, 1-6227, 6256 Rz. 33 - Loendersloot. 79 EuGHE 1996, 1-3457, 3540 Rz. 76 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3627f. Rz. 66, 68 - Eurim-Pharm; EuGHE 1996, 1-3671, 3690 Rz. 47 MPA Pharma.

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zu differenzieren, da im ersten Fall bereits die Verschreibung durch den Arzt dem Verbraucher ein gewisses Vertrauen in die Ordnungsmäßigkeit gebe, während im zweiten Fall der Verbraucher allein entscheide8o . Diese Unterscheidung erscheint allerdings fragwürdig, da der Arzt in seiner Verschreibung üblicherweise zwar den Namen des Medikaments aufführt, nicht aber die Entscheidung zwischen Original und Parallelimport treffen wird, zumal ja beide dieselbe Marke tragen. Dann aber hängt auch im Falle verschreibungspflichtiger Medikamente die Entscheidung vom Patienten ab, der vom Apotheker auf die Wahlmöglichkeit hingewiesen wurde 81 . Auch der Sonderfall, daß es beim Hinzufügen zerschnittener Blisterstreifen zur Verwirrung der Verbraucher und eventuell sogar zu deren Gefährdung durch Überdosierung kommen kann, weil die Reihenfolge von auf der Rückseite der Blister aufgedruckten Wochentagen unterbrochen wird (im Fall Eurim-Pharm war ein Wochentag doppelt angegeben)82, kann dem Komplex der Rufschädigung zugeordnet werden. Durch die Verunsicherung oder sogar Schädigung von Verbrauchern kann der Ruf der Marke und damit die Werbefunktion der Marke beeinträchtigt werden. Daher hat der Markeninhaber ein berechtigtes Interesse daran, daß solche Waren nicht unter seiner Marke vertrieben werden. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß zur Erreichung der in anderen Mitgliedstaaten üblichen Packungsgrößen ein Zerschneiden von Blisterstreifen oft unumgänglich ist, so daß ein Umpackverbot den freien Warenverkehr beeinträchtigen würde. Allerdings ist bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Danach käme als gegenüber dem völligen Parallelimportverbot milderes Mittel die Pflicht zur Anbringung klarstellender Aufkleber in Betracht, wodurch die Verwirrung der Verbraucher ohne großen Aufwand vermieden werden könnte. Im Ergebnis ist daher ein berechtigter Grund zu bejahen, wenn das Umpacken in einer Art und Weise vorgenommen wird, die zu Verwirrungen der Verbraucher führen kann. Solche Parallelimporte sind daher unzulässig.

80 EuGHE 1996, 1-3457, 3540f. Rz. 77 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3627 Rz. 67 - Eurim-Pharm; EuGHE 1996, 1-3671, 3690 Rz. 48 - MPA Pharma. 81 In diesem Sinne auch BGH, GRUR 1997, 629ff., 632 - Sermion 11; Schuster, Die Ausnahmen vom markenrechtilichen Erschöpfungsgrundsatz, S. 124. 82 Schlußanträge des Generalanwalts Jacobs zu den EuGH-Entscheidungen vom 11. 7.1996, EuGHE 1996, 1-3461, 3506 Nr. 120; eingehend zu diesem Problem Schuster, Die Ausnahmen vom markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz, S. 127f. 9"

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(5) Unterlassen der Information des Markeninhabers sowie der Lieferung eines Musters Sowohl das Unterlassen der Infonnation des Markeninhabers vom Umpakken als auch das Unterlassen der Lieferung eines Musters auf Verlangen des Markeninhabers könnten berechtigte Gründe i. S. d. Art. 7 Abs. 2 MRRL, Art. 13 Abs. 2 GMVO darstellen und Parallelimporte unzulässig machen. Die Infonnationspflicht war vom EuGH bereits in der Entscheidung Hoffmann-La Roche aufgestellt worden 83 . In den Umpackentscheidungen vom 11. 7.1996 wurde darüber hinaus gefordert, daß dem Markeninhaber auf Verlangen ein Muster der umgepackten Ware geliefert werden muß 84 . Dem Markeninhaber soll dadurch die Nachprüfung ennöglicht werden, ob durch das Umpacken der Originalzustand der Ware beeinträchtigt werden kann und ob deren Aufmachung nach dem Umpacken den Ruf der Marke schädigt. Außerdem soll ihm erleichtert werden, sich vor Aktivitäten von Fälschern zu schützen. Unterrichtungs- und Musterlieferungspflicht können als Hilfspflichten zur Gewährleistung des Schutzes der Markenfunktionen angesehen werden. Da der freie Warenverkehr dadurch kaum behindert wird - allenfalls könnte an eine zeitliche Verzögerung des Parallelimports gedacht werden, die sich daraus ergibt, daß das Muster eine zur Überprüfung angemessene Zeit vor Inverkehrbringen der umgepackten Waren ausgeliefert werden muß -, sind sie im Rahmen der Interessenabwägung auch geboten. Der EuGH hat mittlerweile entschieden, daß diese Voraussetzungen nicht für alle Fälle des Umpackens/Neuetikettierens von Markenware gelten. Die Pflicht zur Lieferung einer Probe sei nur angesichts der Besonderheiten der Arzneimittel berechtigt. Die Interessen des Markeninhabers, insbesondere sein Interesse daran, Nachahmungen bekämpfen zu können, seien hinreichend berücksichtigt, wenn dieser den Markeninhaber vorab vom Verkauf neuetikettierter Erzeugnisse unterrichte 85 . Es ist daher festzuhalten, daß bei Arzneimitteln die fehlende Unterrichtung des Markeninhabers vom Parallelimport umgepackter Waren sowie die Nichtlieferung einer Probe auf Verlangen berechtigte Gründe i. S. d. Art 7 Abs. 2 MRRL, Art. 13 Abs. 2 GMVO darstellen, die zur Unzulässigkeit von Parallelimporten führen. Für Umpack-/Neuetikettierfalle außerhalb des Arzneimittelsektors gilt dies nur für die fehlende Infonnation des Markeninhabers. EuGHE EuGHE 1-3603, 3628 Phanna. 85 EuGHE 13 84

1978, 1139, 1166 Rz. 12 - Hoffmann-La Roche. 1996, 1-3457, 3541 Rz. 78 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, Rz. 69 - Eurim-Phann; EuGHE 1996, 1-3671, 3690f. Rz. 49 - MPA 1997,1-6227,6261 Rz. 48f. - Loendersloot.

D. Paralle1impone von Markenwaren

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(6) Sondeifälle des Umpackens von Originalware (a) Vertreiben auch fremder Ware unter der geschützten Marke Es geht hier um Fälle, in denen in die neue Verpackung zur Originalware des Markeninhabers auch Erzeugnisse anderer Herkunft gelegt werden, z. B. Dosiersprays86, Meßbecher o. ä. Da der Vertrieb nur fremder Ware unter der geschützten Marke fraglos untersagt werden kann, weil mangels Inverkehrbringens durch den Markeninhaber unter der Marke keine Erschöpfung eintreten konnte, der Vertrieb auch fremder Ware zusammen mit Originalware unter der geschützten Marke aber nur möglich ist, wenn diese zusammengepackt werden, ist dieser Fall als Sonderfall des Umpackens von Originalware zu behandeln. Es könnte aber eine Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz nach Art. 7 Abs. 2 MRRL, Art. 13 Abs. 2 GMVO gegeben sein, wenn auch fremde Ware unter der geschützten Marke vertrieben wird. Der EuGH hat entschieden, daß der Parallelimport umgepackter Waren, zu denen ein nicht vom Markeninhaber stammender Artikel zugepackt wurde, zulässig ist, wenn die Herkunft dieses Artikels in einer Weise angegeben wird, die den Eindruck ausschließt, daß der Markeninhaber dafür verantwortlich sei 87 . Diese Entscheidung trägt der Herkunftsfunktion der Marke Rechnung. Das fremde Produkt könnte nämlich falschlicherweise dem Markeninhaber zugeordnet und somit die Herkunftsfunktion der Marke beeinträchtigt werden. Ob der Markeninhaber das Zupacken fremder Ware, das erforderlich ist, um das Gesamterzeugnis im Importland vertreiben zu können, untersagen kann, ist anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu beurteilen. Danach kommt als gegenüber dem Vertriebsverbot milderes Mittel eine entsprechende Hinweispflicht auf die Fremdheit des Zusatzartikels in Betracht. Da es sich um einen Sonderfall des Umpackens handelt, müssen natürlich auch die weiteren, bereits dargestellten Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Parallelimporten umgepackter Waren beachtet werden. (b) Wiederverwendung der Original verpackung Parallelimporte unter Wiederverwendung der Originalverpackung sind vorstellbar, wenn Waren in die leeren, mit der Marke gekennzeichneten Originalverpackungen nachgefüllt und wieder vertrieben werden. Der EuGH hat bisher noch nicht zu diesem Problem Stellung genommen. AllerSo im Fall Bristol-Myers Squibb, EuGHE 1996, 1-3457. EuGHE 1996, 1-3457, 3540 Rz. 73 - Bristol-Myers Squibb; vgl. auch Sack, GRUR 1997, 1,5; Schuster, Die Ausnahmen vom markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz, S. 140f. 86 87

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

dings sind grenzüberschreitende Nachfüllfälle angesichts zunehmenden Umweltbewußtseins in der Gemeinschaft, das Müllvermeidung und Recycling mit sich bringt, für die Zukunft recht wahrscheinlich. Auch ist es für den Parallelimporteur unter Umständen kostengünstiger, Originalverpackungen wiederzuverwenden anstatt neue zu entwerfen und mit der Marke des Markeninhabers zu kennzeichnen. Auch kann er so aus billigeren Großpakkungen in kleinere, teurere Packungen umfüllen. Erschöpfung kann nur eintreten, wenn Originalware in die Originalpackungen nachgefüllt wird 88 • Da das Nachfüllen eine Art Umpacken darstellt, ist es als Sonderfall des Umpackens von Markenware anzusehen. Die oben dargestellten Kriterien finden Anwendung, soweit sie nicht nur den Besonderheiten der Arzneimittel Rechnung tragen. Von besonderer Bedeutung für Nachfüllfälle ist hierbei die Voraussetzung der Vermeidung der Beeinträchtigung des Originalzustands bzw. des konkreten Risikos einer solchen Beeinträchtigung 89 • 4. Austauschen oder Anpassen der Marke wegen MarkendifTerenzierung

a) Markenaustausch

Hat ein Hersteller dasselbe Produkt in verschiedenen Mitgliedstaaten durch unterschiedliche Marken geschützt, ist der "Parallelimport" dieses Produkts in der Regel wirtschaftlich nur sinnvoll, wenn zugleich die Marke ausgetauscht wird. Da sich der Bekanntheitsgrad der Marke auf den jeweiligen nationalen Markt beschränken und die ausländische Marke weitgehend unbekannt sein wird, müßte der Parallelimporteur ansonsten für die ausländische Marke im Importstaat einen eigenen Goodwill aufbauen, was aber mit erheblichen Kosten verbunden ist. Durch Austausch der Marke hingegen kann er an das bereits bestehende Marktpotential anknüpfen9o • Eine Markendifferenzierung nach Staaten wird vom Hersteller aus unterschiedlichen Gründen vorgenommen. Zum Teil ist sie notwendig, weil in anderen Mitgliedstaaten bereits identische oder verwechlungsfähige Zeichen Dritter geschützt sind, oder weil einer einheitlichen Benennung sprachliche Hindernisse im Wege stehen, etwa weil die Marke in einer der Sprachen der Mitgliedstaaten einen anrüchigen oder beleidigenden Wortsinn erhielte. Andererseits kann sie auch eine Strategie zur Aufteilung des Gemeinsamen 88 Siehe oben Teil I, B. IV. Im Fall des Einfüllens von Ware, die vom Markeninhaber unter einer anderen Marke vertrieben wird, sind die Grundsätze zum Markenaustausch anwendbar, dazu unten Teil I, D. I. 4. a). 89 Vgl. Schuster, Die Ausnahmen von markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz, S. 149f. 90 Ebenroth, Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Warenverkehrsfreiheit, S. 32; ausführlich zur Strategie von Parallelimporten Troller, EIPR 1988, 67.

D. Parallelimporte von Markenwaren

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Marktes darstellen und die Gefahr der ungerechtfertigten Preisdifferenzierung zwischen den Mitgliedstaaten mit sich bringen91 . Zur Beurteilung der Zulässigkeit von Parallelimporten stellt sich also die Frage, ob der Parallelimporteur berechtigt ist, die Marken auszutauschen, oder ob sich der Markeninhaber dagegen zur Wehr setzen kann, weil eine Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz nach Art. 7 Abs. 2 MRRL vorliegt. Es sei an dieser Stelle nur kurz angemerkt, daß sich das Problem bei Gemeinschaftsmarken jedenfalls innerhalb der Gemeinschaft nicht stellen kann, da die Gemeinschaftsmarke gerade eine einheitliche Marke für das gesamte Gemeinschaftsgebiet ist. Der Markeninhaber könnte gegen das Austauschen der Marke vorgehen, wenn bereits keine Erschöpfung der Markenrechte an der Ware eingetreten wäre. Nach Art. 7 Abs. 1 MRRL tritt Erschöpfung nur ein, wenn die Waren "unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden sind". Da es zur Beurteilung der Erschöpung von Rechten auf die konkrete Ware, nicht auf die Gattung oder sonstige andere, gleichartige Waren ankommt, die umgezeichneten Waren jedoch nicht unter "dieser", d.h. der im Importland bekannten Marke (sondern nur unter der im Exportland eingetragenen Marke) vom Markeninhaber bzw. mit seiner Zustimmung in den Verkehr gebracht wurden, ist nach dem Wortlaut der Norm keine Erschöpfung bezüglich des Kennzeichnungsrechts mit der Importlandmarke eingetreten, so daß der Markeninhaber den Parallelimport solch umgezeichneter Ware verhindern könnte. Möglicherweise ist die MRRL diesbezüglich aber EG-rechtskonform erweiternd auszulegen, wenn sich nämlich unmittelbar aus Art. 28, 30 (30, 36) EGV die Erschöpfung der Markenrechte ergäbe. Daß in einem solchen Fall Art. 7 Abs. 1 MRRL nicht einschlägig ist, sondern auf Art. 28, 30 (30, 36) EGV abzustellen ist, hat mittlerweile auch der EuGH entschiedenn. Der EuGH hat zu dieser Frage zunächst im Fall Centrafann ./. Arnerican Horne Products Corporation (im folgenden AHPC)93 Stellung genommen. Centrafarm hatte von AHPC in Großbritannien unter der Marke Serenid D, in den Benelux-Staaten unter der Marke Seresta vertriebene Tabletten aus Großbritannien in die Niederlande importiert und nach Umzeichnung dort 91 Vgl. Schlußanträge des Generalanwalts Capotorti im Fall Centrafarm ./. Arnerican Horne Products Corporation, EuGHE 1978, 1844, 1850; Bemdt/Fantapie Altobelli/Sander, Internationale Marketing-Politik, S. 60, 133f.; Cohen, EIPR 1990, 369, 374; Ebenroth, Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Warenverkehrsfreiheit, S. 32. 92 Urteil vom 12.10.1999 - Pharmacia&Upjohn SA ./. Paranova AIS, Rz. 27f. 93 EuGHE 1978, 1823 - Centrafarm ./. AHPC, auch bekannt unter dem Namen Serenid-Seresta-Entscheidung.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

vertrieben. Der EuGH entschied, daß es im Sinne des Art. 30 (36) S. EGV gerechtfertigt sei, wenn sich der Inhaber eines in einem Mitgliedstaat geschützten Warenzeichens dagegen zur Wehr setze, daß eine Ware von einem Dritten unter diesem Warenzeichen auf den Markt gebracht werde, selbst wenn diese Ware zuvor in einem anderen Mitgliedstaat unter einem anderen, dort demselben Inhaber zustehenden Warenzeichen rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden sei. Ein solches Verhalten könne jedoch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 30 (36) S. 2 EGV darstellen, wenn der Inhaber nachweislich unterschiedliche Warenzeichen für die gleiche Ware mit dem Ziel verwende, die Märkte künstlich abzuschotten94 . Auf der Grundlage dieser Entscheidung war anzunehmen, daß eine Markendifferenzierung mißbräuchlich ist, wenn sie nicht notwendig ist. Das ist der Fall, wenn eine gemeinschaftsweit einheitliche Marke hätte erworben werden können. Auch unterschiedliche Niveaus der Herstellungskosten in verschiedenen Mitgliedstaaten in Verbindung mit einer Markendifferenzierung können für eine künstliche Marktabschottung sprechen95 . Die Marktabschottung ist dagegen nicht künstlich, wenn sie sich als natürliche Folge der Wettbewerbs- und MarktverhäItnisse ergibt96 . Aus den Umpackentscheidungen des EuGH vom 11. 7.1996 ergab sich sodann, daß es keines Nachweises einer Marktabschottungsabsicht des Markeninhabers beda.rf7 . Fraglich war aber nunmehr, ob auch die weiteren Vorausstzungen der Umpackentscheidungen98 , insbesondere die Erforderlichkeit des Umpackens, auf die Fälle des Markenaustauschs zu übertragen waren. 94 EuGHE 1978, 1823, 1843 Nr. I des Tenors - Centrafarrn ./. AHPC; vgl. dazu BaumbachlHefermehl, Warenzeichenrecht, § 15 Rz. 83; Ebenroth, Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Warenverkehrsfreiheit, S. 32f.; Fezer, Markenrecht, § 24 MarkenG Rz. 78; Hefermehl/Fezer, in: Heferrnehl/lpsen/Schluep/Sieben, Nationaler Markenschutz und freier Warenverkehr in der Europäischen Gemeinschaft, S. 76, 132&3E;f.; Röttger, WRP 1979, 292, 295; ders., WRP 1980,243, 246ff. 95 Schlußanträge des Generalanwalts Capotorti im Fall Centrafarrn ./. AHPC, EuGHE 1978, 1844, 1851 Nr. 6; Ebenroth, Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Warenverkehrsfreiheit, S. 33; Fezer, Markenrecht, § 24 MarkenG Rz. 97. 96 Ebenroth, Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Warenverkehrsfreiheit, S. 33f.; Fezer, Markenrecht, § 24 MarkenG Rz. 97. 97 EuGHE 1996, 1-3457, 3536 Rz. 57 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3623 Rz. 47 - Eurim-Pharrn; EuGHE 1996, 1-3671, 3686 Rz. 29 - MPA Pharrna; vgl. auch Schlußanträge des Generalanwalts Jacobs zu den EuGH-Entscheidungen vom 11.7.1996, EuGHE 1996,1-3461,3495 Nr. 83; BerUt, GRUR 1998, 423, 427; Fezer, Markenrecht, § 24 MarkenG Rz. 97.; kritisch, d.h. für subjektive Betrachtung, Beier, FS Vieregge, S. 43 ff.; ausführliche Gegenüberstellung von objektiver und subjektiver Theorie bei Schuster, Die Ausnahmen vorn markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz, S. 161 ff. 98 Dazu im einzelnen oben Teil I, D. I. 3. a).

D. Parallelimporte von Markenwaren

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Der EuGH hatte mittlerweile einen entsprechenden Fall des Markenaustausches zu entscheiden und konnte unter Berücksichtigung der AHCPRechtsprechung einerseits und den Umpackentscheidungen andererseits Klarstellungen vornehmen. In seinem Urteil im Fall Pharmacia&Upjohn SA ./. Paranova AIS vom 12.10. 1999 stellte er fest, daß zwischen der Wiederanbringung einer Marke nach dem Umpacken und der Ersetzung der ursprünglichen Marke durch eine andere kein sachlicher Unterschied bestehe, der es rechtfertigen würde, den Begriff der künstlichen Marktabschottung in bei den Fällen unterschiedlich anzuwenden. Soweit daher das Markenrecht des Einfuhrmitgliedstaats dem Markeninhaber erlaube, sich der Wiederanbringung der Marke nach dem Umpacken oder deren Ersetzung zu widersetzen, und soweit der Parallelimporteur zum Umpacken mit erneuter Anbringung oder Ersetzung der Marke gezwungen sei, um die Ware im Einfuhrmitgliedstaat vertreiben zu können, liege ein Hemmnis für den Binnenhandel der Gemeinschaft vor. Im Gegensatz zur AHCP-Entscheidung erklärte der EuGH nunmehr, daß dies unabhängig davon gelte, ob die Abschottung vom Inhaber angestrebt wurde. Eine Übertragung der im Urteil Bristol-Myers Squibb aufgestellten Kriterien sei möglich. Das bedeute aber, daß das Recht des Markeninhabers, sich der Ersetzung der Marke zu widersetzen, nur dann ausgeschlossen sei, wenn diese Ersetzung im Sinne des genannten Urteils objektiv notwendig sei. Dieses Tatbestandsmerkmal der Zwangslage sei gegeben, wenn im Einzelfall der tatsächliche Zugang des Parallelimporteurs zu den Märkten des Einfuhrmitgliedstaats behindert wäre, falls ihm die Ersetzung der Marke verboten wäre. Davon sei auszugehen, wenn Regelungen oder Praktiken im Einfuhrmitgliedstaat den Vertrieb der betreffenden Ware auf dem Markt dieses Staates unter der Marke, die sie im Ausfuhrmitgliedstaat trägt, verhindert, wenn also etwa eine Verbraucherschutzvorschrift die Benutzung der im Aufuhrstaat angebrachten Marke im Einfuhrstaat verbietet, weil sie zur Irreführung der Verbraucher geeignet ist. Der EuGH stellte aber klar, daß das Merkmal der Zwangslage nicht erfüllt sei, wenn die Ersetzung der Marke ihren Grund ausschließlich darin habe, daß der Parallelimporteur einen wirtschaftlichen Vorteil erlangen möchte. Der EuGH stellt im Fall des Markenaustausches nunmehr allein auf die objektive Zwangslage des Parallelimporteurs ab. Ein darüber hinausgehender subjektiv geprägter Marktabschottungsbegriff wird abgelehnt. Es kann daher auch nicht mehr argumentiert werden, daß die Marktabschottung schon dann mißbräuchlich sei, wenn sie - aus Sicht des Markeninhabers nicht notwendig ist, etwa weil eine gemeinschaftsweit einheitliche Marke hätte erworben werden können. Die bislang flexible Lösung, die der Warenverkehrsfreiheit den Vorzug gab, wenn kein sachlich legitimiertes Interesse des Markeninhabers an der Markendifferenzierung anzuerkennen war, ist angesichts der KlarsteIlung des EuGH, daß es nur auf die Frage des objek-

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

tiv möglichen Vertriebs ohne Markenaustausch ankommt, nicht mehr möglich. Vielmehr traf der EuGH eine Entscheidung zugunsten des Rechts des Markeninhabers, seine Marke und deren Geltungsbereich selbst zu bestimmen. Diese Begrenzung der Erschöpfungswirkung rechtfertigt sich aber dadurch, daß im Fall der Markendifferenzierung die Waren i. d. R. auch ohne Umzeichnung im Importland verkehrsfahig sind99 • Daß der Importeur - wenn ein Parallelimport ohne Ummarkierung möglich wäre - durch eigenen Werbeaufwand zunächst einen Markt für das unter der Exportlandmarke unbekannte Erzeugnis schaffen müßte, gehört zu den üblichen kaufmännischen Schwierigkeiten, die nicht ausreichen, um eine Behinderung des freien Warenverkehrs anzunehmen 100. Demgegenüber hat der Markeninhaber grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran, daß seine Waren nur unter der von ihm bestimmten Marke vertrieben werden und Dritte nicht durch Umzeichnen den Goodwill seiner Marke ausnutzen. Der Markenaustausch durch den Parallelimporteur ist daher nur zulässig, wenn er erforderlich ist, um die Ware im Importland verkehrsfähig zu machen.

b) Markenanpassung

Eine Abwandlung des Markenaustausches stellt die Markenanpassung dar, d. h. das Ergänzen der Marke durch klarstellende Zusätze (z. B. forte, retard), die dafür sorgen, daß im Einfuhrstaat Verwirrung der Verbraucher vermieden wird. In den Urteilen zum Umpacken von Arzneimitteln vom 11.7. 1996 entschied der EuGH diesbezüglich, daß der Importeur nicht daran gehindert werden dürfe, bestimmte zusätzliche Angaben zu machen, sofern diese denjenigen des Markeninhabers im Einfuhrmitgliedstaat nicht widersprächen. Diese Voraussetzung sei insbesondere dann erfüllt, wenn es sich um abweichende Angaben handle, die sich aus der vom Markeninhaber im Ausfuhrmitgliedstaat verwendeten Verpackung ergäben 101. 99 Ist das nicht der Fall, ist die Ummarkierung zulässig, da andernfalls die Warenverkehrsfreiheit zu weitgehend eingeschränkt würde. Allerdings müssen zum Schutz der Interessen des Markeninhabers die weiteren in den Umpackfällen aufgestellten Voraussetzungen (keine imageschädigende Aufmachung, Benachrichtigung des Markeninhabers und ggf. Musterlieferung) erfüllt werden. 100 Vgl. Schlußanträge des Generalanwalts Capotorti im Fall Centrafarm ./. AHPC, EuGHE 1978, 1844, 1848f. Nr. 4, der außerdem darauf verweist, daß das, was im einzelnen Mitgliedstaat zulässig sei, auch auf Gemeinschaftsebene grundsätzlich zulässig sein müsse. 101 EuGHE 1996, 1-3457, 3538 Rz. 66 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3625 Rz. 57 - Eurim-Pharm; EuGHE 1996, 1-3671, 3688f. Rz. 38 - MPA Pharma; das betont auch Generalanwalt Jacobs in den Schlußanträgen vom 19.11. 1998 in der Rs. C-379/97 Upjohn S. A. Dänemark ./. Paranova AIS, GRUR Int. 1998, 10 17.

D. Parallelimporte von Markenwaren

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Auch der Fall der Markenanpassung ist nicht vom Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 MRRL erfaßt, weil die Ware eben nicht "unter dieser Marke" vom Markeninhaber in Verkehr gebracht wurde. Allerdings ist zu bedenken, daß der Parallelimporteur die Ware auch unter der unveränderten Marke vertreiben könnte, ohne Markenrechte des Markeninhabers zu verletzen. Denn im Fall Ideal-Standard hat der EuGH entschieden: "Ist die Herstellung der Erzeugnisse innerhalb einer Unternehmensgruppe dezentralisiert und stellen die in den einzelnen Mitgliedstaaten niedergelassenen Tochterunternehmen Erzeugnisse her, deren Qualität den Besonderheiten des jeweiligen nationalen Marktes angepaßt sind, so muß eine nationale Regelung, die einem Tochterunternehmen der Gruppe die Möglichkeit gibt, sich unter Hinweis auf diese Qualitätsunterschiede dem Vertrieb von Erzeugnissen: die von einer Schwestergesellschaft hergestellt worden sind, in ihrem Gebiet zu widersetzen, [nach den Artikeln 30 und 36 EGV; Anm. d. Verf.] ebenfalls außer Betracht bleiben" 102. Der Markeninhaber kann sich also nicht dagegen zur Wehr setzen, daß unterschiedliche Produktqualitäten unter seiner Marke vertrieben werden, wenn er die Möglichkeit zur Qualitätskontrolle hatte. Das ist hier aber der Fall. Daß der Parallelimporteur die Waren unter Umständen ohne den entsprechenden Zusatz im Einfuhrstaat wegen Verstoßes gegen das wettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot nicht in Verkehr bringen kann, ist für die Beurteilung markenrechtlicher Ansprüche unerheblich. Die Anbringung des klarstellenden Zusatzes führt nicht nur dazu, daß die Ware nach den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften verkehrsfahig wird, sondern dient auch dazu, eine Rufschädigung des Markeninhabers aufgrund der Verwirrung der Verbraucher zu vermeiden. Wenn die Markenanpassung aber gerade auch im Interesse des Markeninhabers liegt, kann es nicht angehen, diesem ein Abwehrrecht dagegen einzuräumen. Nach Sinn und Zweck des Erschöpfungsgrundsatzes, wonach der Weitervertrieb der einmal rechtmäßig in Verkehr gelangten Waren nicht mehr durch markenrechtliche Ansprüche behindert werden soll, ist dieser analog auch auf den Fall der Teilidentität der Marken anzuwenden 103. Eine Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz nach Art. 7 Abs. 2 MRRL kommt hier nicht in Betracht, da keinerlei Eingriffe in die Produktbeschaffenheit vorgenommen wurden und der Zusatz dafür sorgt, daß eine Verwirrung der Verbraucher, die möglicherweise zu einer Rufschädigung des Markeninhabers führen könnte, gerade vermieden wird. Die Markenfunktionen werden nicht beeinträchtigt. Daher ist kein berechtigtes Interesse des Markeninhabers an einer Verhinderung solcher Parallelimporte anzuerkennen. EuGHE 1994,1-2789,2849 Rz. 38 - Ideal-Standard. Im Ergebnis ebenso Sack, GRUR 1997, 1, 7; Schuster, Die Ausnahmen vom markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz, S. 169f. 102 103

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

Eine Interessenabwägung geht angesichts der Geringfügigkeit des Eingriffs zugunsten der Warenverkehrsfreiheit aus 104 • Im Ergebnis ist festzuhalten, daß ein Markenaustausch durch den Parallelimporteur nur zulässig ist, wenn die Ware sonst im Importstaat nicht verkehrsfahig ist. Eine Markenanpassung durch klarstellende Zusätze ist zulässig. 5. ProduktditTerenzierungen

Wenn der Markeninhaber in allen bzw. mehreren Mitgliedstaaten unter derselben Marke Produkte vertreibt, die sich von Staat zu Staat in ihrer Qualität und ihren Eigenschaften etwas unterscheiden, stellt sich die Frage, ob er sich gegen Parallelimporte dieser Erzeugnisse wehren kann, weil dann unter derselben Marke unterschiedliche Produktqualitäten auf demselben Markt vertrieben werden, was zur Verwirrung der Verbraucher und Schädigung des Rufes der Marke führen kann. Solche Produktdifferenzierungen können Folge nationaler Rechtsvorschriften (z. B. Umwelt- und Sicherheitsstandards), Verbrauchererwartungen (z. B. hinsichtlich des Geschmacks von Lebensmitteln) sowie klimatischer Bedingungen sein; sie können aber auch rein zum Zweck der Marktsegmentierung und Ausnutzung unterschiedlicher Preisniveaus vorgenommen werden 105. Das unter Stichworten "unechter Parallelimport"I06, "Nescafe-Doktrin,,107 und neuerdings "Grauimport,,108 diskutierte Problem der Paralleleinfuhr von Markenware unterschiedlicher Qualität sollte innerhalb von EG bzw. EWR allerdings nicht überschätzt werden 109, da es sich hier um einen sehr weitgehend integrierten Wirtschaftsraum mit bereits hohem Harmonisierungsstand handelt. Auch ist zu berücksichtigen, daß Hersteller zu Standardisierungen und Serienproduktion neigen werden, um Skalenerträge realisieren zu können, und daher mit zunehmender Schärfe des Preiswettbewerbs Produktdifferenzierungen vermeiden werden. Daher erklärt sich auch, weshalb der EuGH sich bis heute noch nicht mit dieser Frage beschäftigen mußte 1 10. Weil aber mit zunehmender Erweiterung der EU die Bedeutung 104 Im Ergebnis übereinstimmend Schuster, Die Ausnahmen vom markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz, S. 167 ff. 105 Vgl. Beier, GRUR Int. 1968, 8, 15; Fezer, Markenrecht, § 24 MarkenG Rz. 56; Hejermehl/Fezer in: HefermehllIpsen/Schluep/Sieben, Nationaler Markenschutz und freier Warenverkehr in der Europäischen Gemeinschaft, S. 129. 106 Heydt, GRUR 1969, 450, 463. 107 Beier, GRUR Int. 1973, 565. 108 Franzosi, He 1990, 194, 199. 109 Darauf verwies 1968 bereits Mäschel, Die rechtliche Behandlung der Paralleleinfuhr von Markenware innerhalb der EWG, S. 181.

D. Parallelimporte von Markenwaren

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des Problems möglicherweise wieder zunimmt, und um im zweiten Teil der Arbeit Schlußfolgerungen für den internationalen Handel ziehen zu können, soll die Frage bereits an dieser Stelle erörtert werden. Daß nach Art. 7 Abs. 1 MRRL, Art. 13 Abs. 1 GMVO Erschöpfung eingetreten ist, weil die Waren vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht wurden, steht außer ZweifelllI. Der Markeninhaber kann den Parallelimport daher nur verhindern, wenn ein Ausnahmegrund nach Art. 7 Abs. 2 MRRL, Art. 13 Abs. 2 GMVO gegeben ist. Da der Originalzustand der Ware nicht verändert wurde, kommt als berechtigter Grund nur die Gefahr der Rufschädigung infolge Verwirrung der Verbraucher in Betracht. Diese Ausnahme ist zu bejahen, wenn eine Interessenabwägung zwischen Markenschutz und Freihandel unter Berücksichtigung der Markenfunktionen zugunsten des Markenschutzes ausgeht. Die Herkunftsfunktion der Marke wird nicht beeinträchtigt, weil es sich tatsächlich um Waren handelt, die vom Markeninhaber bzw. einem von ihm abhängigen Unternehmen stammen und nicht verändert wurden. In Betracht kommt aber eine Verletzung der Garantiefunktion der Marke dadurch, daß die Verbraucher über die Qualität der Ware getäuscht werden könnten 112. Die Garantiefunktion der Marke beinhaltet jedoch nicht eine Garantie für gleichbleibende Güte und Beschaffenheit der Ware. Es geht vielmehr um die Qualitätsbestimmung durch den Markeninhaber, wobei es nur auf die Möglichkeit einer Kontrolle der Qualität durch den Markeninhaber, nicht die tatsächliche Ausübung dieser Kontrolle ankommt l13 • Die Möglichkeit einer Qualitätsbestimmung und -kontrolle durch den Markeninhaber ist aber beim Inverkehrbringen durch ihn selbst oder das mit seiner Zustimmung handelnde bzw. verbundene Unternehmen gegeben, so daß die Garantiefunktion der Marke nicht beeinträchtigt wird l14 . 110 Die Nissan-Entscheidung EuGHE 1992, 1- 131 bezieht sich lediglich auf die irreführende Werbung. 111 Auch wenn gesetzliche Vorschriften zur Produktdifferenzierung führen, kann nicht bereits der Eintritt der Erschöpfung verneint werden, denn das Produkt wurde in Kenntnis dieser Vorschriften in diesem Mitgliedstaat in Verkehr gebracht; vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschluß v. 17. Juli 1998, Aktz.: 6 W 33/98 (rechtskräftig), GRUR Int. 1998, 895, 896. 112 Reimer, GRUR Int. 1972, 221, 223; Riehle, Markenrecht und Parallelimport, S. 212ff. 113 EuGHE 1994, 1-2789, 2849 Rz. 38 - Ideal-Standard; vgl. auch Baumbachl Hefermehl, Warenzeichenrecht, § 15 Rz. 56; Möschel, Die rechtliche Behandlung der Paralleleinfuhr von Markenware innerhalb der EWG, S. 181.; Sack, GRUR 1999, 193,203. 114 Möschel, Die rechtliche Behandlung der ParalleIeinfuhr von Markenware innerhalb der EWG, S. 181 f.; Sack, EWS 1994,333, 338; Schuster, Die Ausnahmen vom markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz, S. 178 f.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

Durch die Verwirrung der Verbraucher kommt allerdings eine Rufschädigung von Marke und Markeninhaber l15 und daher eine Beeinträchtigung der Werbefunktion der Marke in Betracht. Diese muß gegenüber dem Interesse am freien Warenverkehr abgewogen werden. Dabei sind die unterschiedlichen Gründe für die Produktdifferenzierung getrennt zu betrachten, da hier möglicherweise ein unterschiedliches Schutzbedürfnis des Markeninhabers anzunehmen ist. Wird die Produktdifferenzierung nur zum Zweck der Marktsegmentierung vorgenommen, damit das unterschiedliche Preisniveau in den verschiedenen Mitgliedstaaten ausgebeutet werden kann, handelt es sich in den Worten des EuGH um ein "künstliche Marktabschottung" 116, die als verschleierte Handelsbeschränkung nach Art. 30 (36) S. 2 EGV verboten ist. Hier ist kein schutzwürdiges Interesse des Markeninhabers anzuerkennen. Es überwiegt das Interesse am freien Warenverkehr, so daß keine Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz vorliegt. Parallelimporte sind daher zulässig. Ist die Produktdifferenzierung Folge einer autonomen Entscheidung des Markeninhabers (Fälle der Anpassung des Produkts an Verbraucherpräferenzen), ist eine erhöhte Schutzwürdigkeit des Markeninhabers anzunehmen, da diesem immerhin kein "böser Wille" vorgeworfen werden kann. Hier greift aber der Gedanke des venire contra factum proprium durch: Wer in Kenntnis des Grundsatzes des freien Warenverkehrs innerhalb der Gemeinschaft freiwillig Produktdifferenzierungen unter derselben Marke einführt, obwohl er durch Markenzusätze oder sonstige Hinweise in der Lage wäre, die Irreführung der Verbraucher zu verhindern, hat auch die Konsequenzen dieses HandeIns zu tragen 117 • Allerdings ist zu bedenken, daß der Vertrieb unter unterschiedlichen Marken bzw. mit Markenzusätzen für den Markeninhaber mit einem erhöhten Kostenaufwand verbunden ist, weil z. B. unterschiedliche Verpackungsbeschriftungen und Werbekampagnen nötig sind. Ein Hinweis durch den Markeninhaber stößt ebenfalls auf Probleme. Dem Markeninhaber kann nicht zugemutet werden, in den Sprachen aller möglichen Importländer Hinweise aufdrucken. Daher ist ein entsprechender Hinweis auf die Produktunterschiede vom Parallelimporteur zu verlangen. Das stellt ein milderes Mittel als ein Parallelimportverbot dar und ist geeignet, rufschädigende Verwirrungen der Verbraucher zu vermeiden 118 • Der Ansicht, auch ein klarer Hinweis auf die Verschiedenheit der Produktqualität sei nicht ausreichend zum Schutz des Markeninha115 BaumbachlHefermehl, Warenzeichenrecht, § 15 Rz. 56; HefermehllFezer in: Hefermehl/lpsen/Schluep/Sieben, Nationaler Markenschutz und freier Warenverkehr in der Europäischen Gemeinschaft, S. 130. 116 Vgl. oben Teil I, D. I. 3. a). 117 Es besteht kein Widerspruch zu der Entscheidung im Falle der Verwirrung der Verbraucher durch Umpacken der Ware, da im Falle des Umpackens die Irreführung nicht vom Markeninhaber zu vermeiden war. Sie ist dort vom umpackenden Parallelimporteur verursacht. Vgl. dazu oben Teil I, D. I. 3. a), b) cc) (3).

D. Paralle1importe von Markenwaren

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bers l19 , kann nicht gefolgt werden. Dem europäischen Recht liegt das Leitbild eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers zugrunde 120. Für einen solchen Verbraucher ist es durchaus möglich, sich angesichts deutlicher Hinweise nicht verwirren zu lassen, sondern vielmehr davon zu profitieren, daß das Warenangebot vergrößert ist. Als dritte Fallgruppe ist diejenige zu entscheiden, wo sich die Produktdifferenzierung aufgrund voneinander abweichender, in den einzelnen Mitgliedstaaten gesetzlich vorgeschriebener Anforderungen an die Beschaffenheit des Produkts ergibt. Hier findet der Satz des venire contra factum proprium keine Anwendung, weil die Produktunterschiede gerade nicht auf der autonomen Entscheidung des Markeninhabers, sondern auf gesetzlichen Vorschriften beruhen. Man kann dem Markeninhaber sicher nicht vorwerfen, daß er auf die gesetzlichen Unterschiede nicht mit der Eintragung unterschiedlicher Marken reagiert hat. Bei der Abwägung des berechtigten Interesses des Markeninhabers am Schutz des Rufes seiner Marke mit dem freien Warenverkehr ist aber das Verhältnismäßigkeitsprinzip einzubeziehen. Danach kommt als gegenüber dem Parallelimportverbot milderes Mittel eine Hinweispflicht des Importeurs bezüglich der Qualitätsunterschiede in Betracht. Wie bereits dargestellt, kann dadurch die Rufschädigung des Markeninhabers ausgeschlossen werden, so daß unter dieser Bedingung dem freien Warenverkehr der Vorrang einzuräumen ist 121 .

118 Es handelt sich bei der Hinweispflicht um eine aufgrund der Werbefunktion der Marke gebotene Pflicht, nicht nur um eine Maßnahme zur Verhinderung des Verstoßes gegen das wettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot. So aber Sack, EWS 1994, 333, 338; Schuster, Die Ausnahmen vom markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz, S. 180f. 119 Hejermehl/Fezer, in: Hefermehillpsen/Schluep/Sieben, Nationaler Markenschutz und freier Warenverkehr in der Europäischen Gemeinschaft, S. 130 Fn. 421, S. 17 Fn. 21 m.w.N. 120 EuGHE 1995, 1-1923, 1944 Rz. 24 - Mars; EuGHE 1996, 1-3457, 3539 Rz. 71 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3626 Rz. 62 - Eurim-Pharm; EuGHE 1996,1-3671, 3689 Rz. 43 - MPA Pharma; vgl. dazu insbesondere auch die Fälle zur Beurteilung der Verwechslungsgefahr von Marken: EuGH GRUR Int. 1998, 56, 58 Rz. 23 - Springende Raubkatze 11; EuGHE 1998, 1-4657, 4693 - Gut Springenheide; Schlußanträge des Generalanwalts Fennelly in der Rs. C-303/97, Nr. 34 - Verbraucherschutzverein e. V . ./. Sektkellerei G. C. Kessler GmbH & Co.; Emmerich, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 228, 230; GTE-Müller-Graff, Art. 30 Rz. 217f. m.w.N.; Hösch, Der Einfluß der Freiheit des Warenverkehrs (Art. 30 EWGV) auf das Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 17, 55f.; Sack, GRUR 1998,871, 879ff. m.w.N. (allerdings kritisch zur Behauptung des Leitbilds eines "mündigen" Verbrauchers im EG-Recht im Gegensatz zum Leitbild eines "unmündigen, fast schon pathologisch dummen und fahrlässig unaufmerksamen Durchschnittsverbrauchers" (Emmerich, a. a. O. S. 230) im deutschen Recht). 121 Im Ergebnis ebenso Schuster, Die Ausnahmen vom markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz, S. 180, die allerdings zur Begründung wieder auf die Quali-

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallel importen

Im Ergebnis ist festzuhalten, daß unabhängig vom Grund der Produktdifferenzierung keine Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz eingreift, so daß Parallelimporte von Waren, die einer Produktdifferenzierung unterliegen, zulässig sind. Der Parallelimporteur muß allerdings auf die Produktunterschiede hinweisen. Im Falle der autonomen und gesetzlichen Produktdifferenzierung ergibt sich diese Hinweispflicht bereits aufgrund der Abwägung zwischen Markenrecht und freiem Warenverkehr, im Falle der Marktabschottung aus dem wettbewerbsrechtlichen Irreführungsverbot 122 •

6. Verkauf vertriebsgebundener Waren durch Außenseiter

In bezug auf Parallelimporte von Bedeutung ist auch noch die Frage, ob der Markeninhaber, der ein selektives Vertriebssystem für die Vermarktung seiner Produkte aufgebaut hat, sich dagegen wehren kann, daß Parallelimporte von sog. Außenseitern, d. h. nicht vertriebsgebundenen Händlern, verkauft werden. Bei den Vertriebsbindungssystemen unterscheidet man zwischen sog. qualitativen und sog. quantitativen selektiven Vertriebssystemen. Im Fall von qualitativen Vertriebssystemen werden die Großhändler dazu verpflichtet, die Waren nur an bestimmte qualifizierte Fachhändler weiterzuveräußern. Rein qualitative Vertriebssysteme, die keine sonstigen Beschränkungen enthalten (sog. einfache Fachhandelsbindungen), sind gemeinschaftsrechtlich grundsätzlich zulässig. Sie fallen nicht unter das Verbot des Art. 81 (85) Abs. 1 EGV, wenn die Auswahl der Wiederverkäufer aufgrund objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgt, die sich auf die fachliche Eignung des Wiederverkäufers, seines Personals und seiner sachlichen Ausstattung beziehen, und sofern diese Voraussetzungen einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden 123 • Bei der quantitativen Selektion wird über die qualitative tätskontrollmöglichkeit verweist und damit die Selbständigkeit der Werbefunktion verkennt. 122 Zum wettbewerbsrechtlichen Irreführungsverbot, das Inhalt aller Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der EU ist, vgl. BaumbachlHefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG Rz. 25, § 3 UWG Rz. 48 ff. (Irreführung durch Unterlassen der gebotenen Aufklärung). 123 EuGHE 1977, 1875, 1905 Rz. 20 - Metro I, st. Rspr. Enthalten solche qualitativen Vertriebsbindungsverträge zusätzliche Verpflichtungen, die über das unbedingt Erforderliche hinausgehen, stellen sie zwar Wettbewerbsbeschränkungen nach Art. 81 (85) Abs. 1 EGV dar, können aber nach Art. 81 (85) Abs. 3 EGV freigestellt werden, EuGH, GRUR Int. 1981,315,316 Nr. 16f. - L'Oreal; EuGH GRUR Int. 1980, 741, 743 Nr. 21 - Lancöme; vgl. BaumbachlHefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rz. 795; GTE-Jakob-Sieben, EWG-Vertrag, Art. 85 - Fallgruppen Rz. 310ff.; Ohly, GRUR Int. 1998,162, 164.

D. Parallelimporte von Markenwaren

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Auswahl hinaus die Zahl der zugelassenen bzw. belieferten Händler begrenzt, so daß die Produkte nur über wenige sog. autorisierte oder konzessionierte Händler vertrieben werden. Diese Vertriebsbindungen fallen unter Art. 81 (85) Abs. 1 EGV, sind jedoch nach Art. 81 (85) Abs. 3 EGV freistellungsfähig 124. Die in Frage stehenden Außenseiterverkäufe treten auf, wenn einer der in das Vertriebsnetz eingebundenen Händler vertragsbrüchig wird und an den Außenseiter-Parallelimporteur liefert. Da die Waren vom Markeninhaber bzw. mit dessen Zustimmung durch einen der Vertragshändler in der Gemeinschaft in Verkehr gebracht wurden, kann der Markeninhaber Parallelimporte nur verhindern, wenn eine Ausnahme nach Art. 7 Abs. 2 MRRL, Art. 13 Abs. 2 GMVO gegeben ist.

a) Entfernen von Kontrollnummern Wird vom Parallel importeur an den Waren bzw. deren Verpackung die Kontrollnummer entfernt, damit der Markeninhaber nicht die undichte Stelle in seinem Vertriebsnetz entdeckt, und wird dadurch der Originalzustand der Ware gebrauchstauglichkeitsmindernd beeinträchtigt oder wird die Verpackung dabei so beschädigt, daß die Aufmachung der Ware den Ruf des Markeninhabers und der Marke schädigen kann, so liegt entsprechend den Ausführungen des EuGH zum Umpacken von Markenware eine Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz vor l25 • Im Fall Loendersloot ./. Ballantine hat der EuGH aus markenrechtlicher Sicht zur Frage der Entfernung von Identifikationsnummern ohne Substanzbeeinträchtigung Stellung genommen 126. Dabei unterschied er zwei Fälle: Wenn die Identifikationsnummern vom Hersteller angebracht würden, um den Absatzweg seiner Erzeugnisse verfolgen zu können und seine Wiederverkäufer daran zu hindern, Teilnehmer am Parallelhandel zu beliefern, führe diese Anbringung zu einer künstlichen Abschottung der Märkte zwischen Mitgliedstaaten, weil sich die Parallelimporteure nicht mehr bei den Vetriebshändlern, die Sanktionen des Herstellers befürchteten, versorgen könnten. Sei die Anbringung von Identifikationsnummern dagegen erforderlich, um einer gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen oder um andere gemeinschaftsrechtlich legitime Ziele zu erreichen, etwa den Rückruf schadhafter Erzeugnisse oder die Bekämpfung von Nachah124 EuGHE 1980,2511,2536 Rz. 21 - Lancome, st. Rspr.; vgl. BaumbachlHefermehl, Wettbewerbsrecht, § I UWG Rz. 795; GTE-lakob-Siebert, EWG-Vertrag, Art. 85 - Fallgruppen Rz. 330ff.; zur wettbewerbsrechtlichen Beurteilung insgesamt vgl. auch Dutoit, Les importations paralleles au crible de quel droit?, S. 92 ff. 125 Vgl. oben Teil I, D. I. 4. a), b) ce) (2). 126 EuGHE 1997,1-6227, 6258f. Rz. 39ff. - Loendersloot. 10 Freytag

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

mungen, so liege keine künstliche Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten vor. In einem solchen Fall bestehe kein Anlaß, die Rechte des Markeninhabers aus Art. 30 (36) EGV zu beschränken. Stehe einerseits fest, daß die Identifikationsnummern zu gemeinschaftsrechtlich legitimen Zwecken angebracht wurden, andererseits aber auch, daß sie vom Markeninhaber verwendet würden, um undichte Stellen in seiner Verkaufsorganisation zu ermitteln und damit den Parallelhandel mit seinen Erzeugnissen zu bekämpfen, müßten sich die Teilnehmer am Parallel handel im Rahmen der Wettbewerbsregeln des EG-Vertrags gegen das letztere Vorgehen schützen. Im Ergebnis gewährt der EuGH dem Kontrollnummernsystem also markenrechtIichen Schutz, sofern dieses System (auch) gemeinschaftsrechtlich legitimen Zwecken dient 127 . Damit ging er über die Schlußanträge von Generalanwalt Jacobs hinaus. Dieser hatte in seinen Schlußanträgen zu besagtem Fall festgestellt, daß unter Berücksichtigung des sich aus dem Urteil Bristol-Myers Squibb ergebenden Grundsatzes der Erforderlichkeit des Umpackens klar sei, daß ein Importeur, soweit die dem Schutz von Herkunft, Qualität und Ruf des Erzeugnisses dienenden Voraussetzungen erfüllt seien, dazu in der Lage sein müsse, Erzeugnisse umzuetikettieren, wenn das zur Ausübung des Parallelhandels erforderlich sei; ansonsten könnte der Markeninhaber unter Berufung auf sein Markenrecht die Märkte der Mitgliedstaaten künstlich abschotten 128. Der Generalanwalt war der Ansicht, inwieweit ein Parallelimporteur zu Recht eine entweder ohne Verpflichtung (aus legitimen Gründen) oder aufgrund einer gemeinschaftsrechtlichen oder nationalen Vorschrift angebrachte Identifikationsnummer aus dem Grund entfernen dürfe, daß sie zum Aufspüren von Parallelimporten benutzt wird, sei eine Frage, die über den Rahmen der Vorlagefragen hinausgehe. Zweifelsohne könne aber das Entfernen solcher Identifikationsnummern nicht allein aufgrund der Markenrechte verhindert werden 129. Daher hatte er dem EuGH vorgeschlagen zu entscheiden, daß sich der Markeninhaber nicht gegen das Umetikettieren zur Wehr setzten könne, wenn bei dem Umetikettieren (I) die Herkunftsfunktion gewahrt bleibe, (2) der Originalzustand des Erzeugnisses nicht beeinträchtigt werde und (3) der Ruf der Marke nicht geschädigt werde. Zustimmend Fezer, GRUR 1999,99, 104. Schlußanträge des Generalanwalts Jacobs im Fall Loendersloot, EuGHE 1997,1-6229,6241 Nr. 40f. 129 Schlußanträge des Generalanwalts Jacobs im Fall Loendersloot, EuGHE 1997, 1-6229, 6242 Nr. 43. 127 128

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Unter den gleichen Voraussetzungen könne der Markeninhaber seine Markenrechte nicht ausüben, um sich dagegen zur Wehr zu setzen, daß die von ihm angebrachten, auf oder unter den Etiketts befindlichen Identifikationszeichen entfernt würden 130. In diese Richtung scheint auch die frühere Entscheidung des EuGH im Fall Centrafarm ./. Sterling Drug zu weisen. Dort hatte der EuGH noch festgestellt, daß Maßnahmen zum Schutz von Leben und Gesundheit so beschaffen sein müssen, "daß sie als solche der Gesundheitspflege zu dienen bestimmt sind und nicht erst auf dem Umweg über Vorschriften des gewerblichen und kommerziellen Rechtsschutzes diesen Zweck erfüllen,,131. Diese Entscheidung erging zwar zum Patentrecht, die allgemeine Formulierung scheint aber auf eine Übertragbarkeit des Gedankens auf andere Bereiche des gewerblichen Rechtsschutzes hinzudeuten. Dennoch ist die mittlerweile eingetretene Änderung im Verständnis der Funktion der Marke zu berücksichtigen. Im neuen europäischen Markenrecht ist auch die Werbefunktion der Marke anerkannt 132, d. h. der Ruf des Markeninhabers ist zu schützen. Dieser Ruf kann aber nicht nur dadurch geschädigt werden, daß bereits das Entfernen der Kontrollnummer zur Beeinträchtigung der Ware oder ihrer Aufmachung führt, sondern auch dadurch, daß Rückrufaktionen nicht alle Erzeugnisse erreichen, weil von manchen die Kontrollnummer entfernt wurde, und deshalb Menschen zu Schaden kommen. Die Entscheidung des EuGH, bereits bei Vorliegen eines solchen berechtigten Interesses neben dem allgemeinen Interesse an der Verhinderung von Parallelimporten das Entfernen der Kontrollnummer zu verbieten, ist daher unter dem Gesichtspunkt der Werbefunktion der Marke zu befürworten. Dieser Aspekt überwiegt hier das Interesse der Allgemeinheit am freien Warenverkehr. b) Reiner Außenseitervertrieb Fraglich ist aber, ob bereits allein die Tatsache, daß die Waren durch einen Außenseiter verkauft werden, zur Annahme einer Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz führt. Das ist ebenfalls anhand einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Markenfunktionen zu entscheiden. In Betracht kommt nur eine Verletzung der Werbefunktion der Marke, sofern bereits allein der Außenseiterverkauf dem Ruf der Marke und ihres Inhabers schadet 133. Selektive Vertriebssysteme dienen dazu, das Luxusimage \30 Schlußanträge des Generalanwalts Jacobs im Fall Loendersloot, EuGHE 1997, 1-6229, 6242 f. Nr. 44 (Nr. 1 und 3 des Antrags). \31 EuGHE 1974, 1147, 1166 Rz. 27f. - Centrafann ./. Sterling Drug; vgl. auch Sack, GRUR 1999, 193,208. 132 Vgl. nur EuGHE 1997, 1-6013 Dior und oben Einführung, B. IV. 3.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallel importen

der Markenerzeugnisse aufzubauen und aufrechtzuerhalten, um im Wettbewerb gegen andere Markenprodukte zu bestehen. Daher sind das Image der Produkte und der Ruf der Marke von besonderer Bedeutung. Es wird deshalb die Ansicht vertreten, der Außenseiter schade dem Ruf der Marke, wenn er Ware vertreibe, die ansonsten in einem kartellrechtlich schützenswerten System vertrieben werde 134. Die markenrechtliche Schutzwürdigkeit wird also durch die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit des Vertriebssystems begründet. Das führt aber zu einer zu weitgehenden Verallgemeinerung wettbewerbsrechtlicher Gesichtspunkte. Die Benutzung einer Marke kann markenrechtlich und wettbewerbsrechtlich durchaus unterschiedlich beurteilt werden 135. Außerdem beruht diese Ansicht auf der Annahme, die gemeinschaftsrechtliche Zulassung von Vertriebssystemen sei mit einer Verurteilung des Parallelhandels verbunden. Dem ist aber nicht so. Der EuGH stand der Möglichkeit von Verkäufen außerhalb des Netzes und damit von Paralleleinfuhren stets wohlwollend gegenüber und hielt sie für nützlich und notwendig, um Erscheinungen einer übermäßigen Starrheit zu mildern 136. Erst kürzlich entschied er im Fall Javico ./. Yves Saint Laurent 133 Markenrechtliche Ansprüche wurden in Deutschland unter der Geltung des Warenzeichengesetzes überwiegend abgelehnt, vgl. BaumbachlHefermehl, Warenzeichenrecht, § 15 Rz. 68; Vlmer, WRP 1987,299,302 (unter Berufung darauf, daß das WZG die Werbefunktion der Marke nicht schütze). Ebenso ablehnend für Italien SchellenberglCavezza, WRP 1997, 697; für Frankreich BaudenbacherlKlauer, GRUR Int. 1991, 799; a.A. für Frankreich Thierr, GRUR Int. 1991, 516; für die Schweiz Bieri-Gut, Rechtsprobleme beim Absatz auf grauen Märkten, S. 264ff.; Dutoit, Les importations paralleles au crible de quel droit?, S. 96ff.; Knaak, GRUR Int. 1998, 526 f., wobei anzumerken ist, daß nach Feststellung des Schweizerischen Bundesgerichts in der genannten Entscheidung die Werbefunktion der Marke durch das schweizerische Markenschutzgesetz nicht anerkannt ist (GRUR Int. 1998, 520, 523). 134 Schuster, Die Ausnahmen vom markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz, S.219. m BaumbachlHefermehl, Warenzeichenrecht, Einl. WZG Rz. 44; Meyer, SJZ 1994,94,97. 136 Z.B. EuGHE 1983, 1825, 1899ff. Rz. 8lff. - Musique Diffusion Fran~aise; EuGHE 1987,2717, 2738 Rz. 12 - Kom . ./. Italien; EuGHE 1994, 1-15, 38 Rz. 26 - Cartier. In der letztgenannten Entscheidung hebt der EuGH hervor, daß die Voraussetzung der Lückenlosigkeit eines Vertriebssystems für seine Vereinbarkeit mit Art. 81 (85) Abs. I EGV die paradoxe Folge hätte, daß die starrsten und ge schi ossensten Vertriebssysteme nach Art. 81 (85) günstiger behandelt würden als die flexibleren und dem Parallelhandel stärker geöffneten Vertriebssysteme. Schlußanträge des Generalanwalts Tesauro im Fall VAG Händlerbeirat ./. SYD-Consult, EuGHE 1997, 1-3125, 3\30 Nr. \3f.; vgl. auch Art. 3 Nr. II der Verordnung (EWG) Nr. 123/85 der Kommission über die Anwendung von Art. 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge (ABI. 1985 L 15116; mittlerweile ersetzt durch VO (EG) Nr. 1475/95, ABI. 1995 L 145/25, wobei Art. 3 Nr. II unverändert übernommen wurde), der die Freistellung ausdrücklich davon abhängig macht, daß das System Verkäufe über Vermittler zu-

D. Parallelimporte von Markenwaren

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Parfums (YSLP), daß Klauseln, die einem Vertriebshändler die direkte Ver-

marktung der Vertragserzeugnisse, die er vertragsgemäß in Drittländern zu verkaufen hat, in der Gemeinschaft und ihre Rückausfuhr in die Gemeinschaft untersagen, nicht deshalb vom Verbot des Art. 81 (85) Abs. I EGV ausgenommen seien, weil der in der Gemeinschaft ansässige Lieferant seine Erzeugnisse über ein selektives Vertriebsnetz vertreibe, für das eine Freistellungsentscheidung nach Art. 81 (85) Abs. 3 EGV vorliege 137. Der EuGH stützte seine Entscheidung darauf, daß sowohl die Einzelfreistellungsentscheidung als auch die Gruppenfreistellungsverordnung für Alleinvertriebsverträge 138 nur Standardverträge für den selektiven Vertrieb der Erzeugnisse innerhalb der Gemeinschaft beträfen, es im Sachverhalt dagegen um Klauseln bezüglich des Vertriebs in Drittländern ging 139 • Freistellungsentscheidungen nach Art. 81 (85) Abs. 3 EGV, durch die das Verbot des Art. 81 (85) Abs. 1 EGV für nicht anwendbar erklärt werde, seien aber eng auszulegen, damit sich ihre Wirkungen nicht auf Vereinbarungen und Sachverhalte erstreckten, die sie nicht erfassen sollten 140. Letztlich hat der EuGH damit eine über den unmittelbaren Regelungsgehalt der Freistellungsentscheidung hinausgehende Legalisierungswirkung ausgeschlossen 141.

läßt, wobei unter Vennittlern die Verkäufer verstanden werden, die dem offiziellen System nicht angehören, aber schriftlich bevollmächtigt sind. Die Freistellung im Bereich des Vertriebs von Kraftfahrzeugen hängt somit u. a. von der Möglichkeit des Verkaufs an Bevollmächtigte der Endverbraucher und damit letztlich von Paralleleinfuhren ab, die natürliche Folge davon sind. Dazu EuGHE 1996, 1-651, 675 Rz. 20 - Grand garage albigeois; EuGHE 1996, 1-677, 699 Rz. 20 - Nissan France; EuGHE 1997,1-967,980 Rz. 17 - Fontaine; EuGHE 1997,1-3123, 3139f. Rz. 17VAG Händlerbeirat; VW -Entscheidung der Kommission vom 28. Januar 1998, ABI. 1998, L 124/60. Allgemein zum Verbot der Benachteiligung parallel eingeführter Kraftfahrzeuge EuGHE 1996,1-3179,3204 Rz. 26 - Schmit. 137 EuGHE 1998,1-1983,2007 Rz. 33 und Nr. 2 des Tenors - Javico. 138 Verordnung (EWG) Nr. 1983/83 der Kommission vom 22.06.1983 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Alleinvertriebsvereinbarungen, ABI. 1983, L 17311; vgl. GTE-lakob-Siebert Art. 85 - Fallgruppen Rz.230ff. 139 EuGHE 1998, 1-1983, 2007 Rz. 30f. - Javico. 140 EuGHE 1998, 1-1983, 2007 Rz. 32 - Javico. 141 Ähnliche Schlüsse lassen sich aus EuG, EuGHE 1996, 11-1931, 1953 ff. Rz. 63 ff., 69 ff. - Kruidvat, bestätigt durch EuGH, Urt. v. 17.11.1998 (ABI. 1998, C 111), ziehen: Dort wurde die Klage eines Außenseiters auf Nichtigerklärung des von der Kommission nach Art. 81 (85) Abs. 3 EGV freigestellten Vertriebssystems von Givenchy mangels unmittelbarer Betroffenheit i. S. d. Art. 173 IV EGV als unzulässig abgelehnt. Wenn aber schon im Rahmen des Wettbewerbsrechts keine unmittelbare Betroffenheit des Außenseiters durch die Freistellungsentscheidung angenommen wird, kommt eine Übertragung der in der Freistellung liegenden Wertung (Zulässigkeit der Vertriebsbindung) auf das Markenrecht und die dortige Verurteilung des Außenseiterverkaufs als markenrechtsverletzend erst recht nicht in Betracht.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

Der Javico-Entscheidung lag ein Fall des Vertriebs in Drittländern unter Verbot des Reimports in die Gemeinschaft zugrunde 142. Ebenso entschied der EuGH aber auch zu einem innergemeinschaftlichen Sachverhalt. Die Gruppenfreistellungsverordnung für Kraftfahrzeugvertriebsverträge betreffe, entsprechend der Aufgabe, die ihr im Rahmen der Anwendung von Art. 81 (85) EGV zugewiesen sei, nur die vertraglichen Beziehungen zwischen den Lieferanten und ihren Vertragshändlern, indem sie die Voraussetzungen festlege, unter denen bestimmte Vereinbarungen zwischen ihnen nach den Wettbewerbsregeln des Vertrages zulässig seien Sie könne die Rechte und Pflichten Dritter, insbesondere unabhängiger Händler, im Verhältnis zu den zwischen den Kraftfahrzeugherstellern und ihren Vertragshändlern geschlossenen Verträgen nicht berühren. Die Beschaffung von Ware durch Parallelimporte und deren Vertrieb durch unabhängige Händler außerhalb des offiziellen Vertriebsnetzes sei danach nicht verboten 143. Wenn aber, wie dargelegt, bereits wettbewerbsrechtlich der Parallelhandel nicht verpönt ist, kommt trotz des bestehenden Sinnzusammenhangs von Wettbewerbs- und Markenrecht eine Übertragung auf das Markenrecht in dem Sinne, daß sich der Markeninhaber bei Bestehen eines anerkannten Vertriebssystems immer gegen Außenseiterverkäufe soll wehren können, nicht in Betracht. Bejahte man in allen Fällen des Außenseitervertriebs einen markenrechtlichen Anspruch, könnte über das Markenrecht der Vertriebs weg der Ware kontrolliert werden, was aber nicht Sinn der Marke ist l44 • Das Markenrecht dient nicht dazu, den Markeninhabern die Möglichkeit zu geben, die nationalen Märkte abzuschotten l45 . 142 Die Ausfuhrverpflichtungs- und Reimportverbotsklauseln in den Vertriebsbindungsverträgen sind nach Ansicht des EuGH - in dubio pro communitate - nicht dahin auszulegen, daß sie Paralleleinfuhren und den Verkauf des Vertragserzeugnisses innerhalb der Gemeinschaft verhindern sollten, sondern dem Hersteller die Durchdringung eines außerhalb der Gemeinschaft gelegenen Marktes durch den Absatz einer ausreichenden Menge der Vertragserzeugnisse auf diesem Markt sichern sollten, EuGHE 1998, 1-1983, 2004 Rz. 19 - Javico. 143 EuGHE 1996, 1-651, 675 Rz. 20 - Grand garage albigeois; EuGHE 1996, 1-677, 699 Rz. 20 Nissan France; EuGHE 1997, 1-967, 979f. Rz. 13, 16f. - Fontaine; EuGHE 1997,1-3123, 3139f. Rz. 17f. - VAG Händlerbeirat. 144 In diesem Sinne wohl auch Schweizerisches Bundesgericht, Urt. v. 23.10.1996, ..Chanei", GRUR Int. 1998, 520, 523: ..Aufgrund des nationalen Erschöpfungsgrundsatzes könnte sich der Inhaber der nationalen Marke zwar gegen Parallelimporte wehren, er hätte aber keine markenrechtliche Handhabe, wenn der Parallelwiederverkäufer in der Schweiz bei einem zugelassenen Händler Waren kauft. Die Anwendung von Art. 3 Abs. 1 lit. a) und Art. 13 MSchG [diese entsprechen im wesentlichen Art. 5 Abs. I lit. a) und Abs. 3 MRRL] erweist sich infolgedessen nicht als geeignetes Mittel, alle Verkäufe außerhalb eines selektiven Vertriebssystems zu unterbinden." So auch Baudenbacher/Joller, SZW/RSDA 1997, 91; Fischer, WM 1997, 597, 604; Meyer, SJZ 1994, 94, 97; a.A. Fezer, GRUR 1999,99, 103f.

D. Parallelimporte von Markenwaren

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Außerdem ist zu bedenken, daß mittlerweile die Existenz von Parallelimporten allgemein bekannt ist. Unter Zugrundelegung des gemeinschaftsrechtlichen Leitbilds eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers 146 kann (und muß) der Verbraucher selbst entscheiden, ob er das Produkt von einem Vertriebshändler mit entsprechendem Service und Garantieleistungen 147 zu einem höheren Preis kaufen will oder ob er auf diese Leistungen verzichtet und zu einem günstigeren Preis vom Parallelimporteur, einem nicht gebundenen Händler bzw. im Discountgeschäft kaufen will. Der bloße Verkauf durch nicht vertriebsgebundene Händler genügt demnach nicht zur Annahme einer Rufschädigung. Es müssen vielmehr weitere Gründe - etwa eine imageschädigende Aufmachung - hinzutreten. Nur so läßt sich das Ergebnis mit dem Urteil des EuGH im Fall Dior .1. Evora in Einklang bringen, wo der EuGH zum Werberecht des Außenseiter-Wiederverkäufers entschied, daß der Markeninhaber einen Wiederverkäufer, der gewöhnlich Artikel gleicher Art, aber nicht unbedingt gleicher Qualität wie die mit der Marke versehenen Waren vertreibt, nicht gemäß Art. 7 Abs. 2 MRRL daran hindern könne, diese Marke im Rahmen der für seine Branche üblichen Werbeformen zu benutzen, um der Öffentlichkeit den weiteren Vertrieb dieser Waren anzukündigen, sofern nicht erwiesen sei, daß diese Benutzung der Marke ihren Ruf im konkreten Fall erheblich schädige 148. Denn läge bereits im bloßen Außenseitervertrieb eine Rufschädigung, wäre nicht einzusehen, weshalb an das Werberecht dieses Außenseiters weitere Anforderungen (erhebliche Rufschädigung im konkreten Fall) gestellt werden. Auch aus der Loendersloot-Entscheidung des EuGH läßt sich zumindest entnehmen, daß der Parallelimport nicht schon allein deshalb markenrechtlich verhindert werden können soll, weil ein Außenseiter die geschützte und in einem selektiven Vertriebssystem vertriebene Ware verkauft. Andernfalls wären die Ausführungen zum Entfernen von Kontrollnummern überflüssig gewesen. Der bloße Außenseiterverkauf kann dem145 EuGHE 1996, 1-3457, 3532 Rz. 46 - Bristol-Myers Squibb; EuGHE 1996, 1-3603, 3618 Rz. 33 - Eurim-Pharm; EuGHE 1996, 1-3671, 3683 Rz. 19 - MPA Pharma. 146 Zuletzt EuGHE 1998,1-4657,4693 - Gut Springenheide; vgl. dazu oben Teil I, D. I. 5. Fn. 120. 147 Zum Wegfall der Herstellergarantie bei Parallelimporten, EuGHE 1994, 1-15, 39 Rz. 31 ff., Nr. 2 des Tenors - Cartier. Nach einer Pressemitteilung der Kommission von 6. Juli 1994 (JP 38/94/488) gilt das allerdings nicht für unentgeltliche Kundendienstleistungen im Kraftfahrzeugbereich, da nach Art. 5 Nr. 1 der Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 123/85 (ABI. 1985, L 15/16) die Freistellung davon abhängt, daß diese Leistungen unabhängig davon, ob das Fahrzeug von einem gebundenen oder ungebundenen Händler erworben wurde, erbracht werden müssen. 148 EuGHE 1997, 1-6013, 6049f. Rz. 46, 6054f. Nr. 3 des Tenors - Dior.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

nach markenrechtlich nicht verhindert werden. Derartige Parallelimporte sind zulässig. Im Ergebnis ist festzuhalten, daß der Außenseiterverkauf allein keinen berechtigten Grund i. S. v. Art. 7 Abs. 2 MRRL, Art. 13 Abs. 2 GMVO darstellt. Parallelimporte durch Außenseiter können daher nur verhindert werden, wenn im konkreten Fall der Originalzustand der Ware beeinträchtigt oder der Ruf der Marke durch die Aufmachung des Erzeugnisses geschädigt wird, was nur denkbar ist, wenn durch den Parallelimporteur Eingriffe zumindest in die Verpackung, z. B. durch ein Entfernen der Kontrollnummern, vorgenommen werden. 7. Verletzung von Gebietslizenzverträgen

Ein besonderes Problem im Rahmen der Frage der Erschöpfung von Gemeinschaftsmarkenrechten kann sich im Fall territorial begrenzter Lizenzen l49 stellen. Es geht darum, daß die mit der Gemeinschaftsmarke gekennzeichnete Ware zwar mit Zustimmung des Markeninhabers zulässigerweise in dem Lizenzgebiet A innerhalb der EG vertrieben wird, dann jedoch ohne Zustimmung des Markeninhabers in den außerhalb der Gebietslizenz liegenden EG-Mitgliedstaat B verkauft wird. Einerseits wird argumentiert, daß auch innergemeinschaftliche Verletzungen zu Unterlassungsansprüchen führen könnten, da die Erschöpfungsregel des Art. 13 GMVO nicht extensiv ausgelegt werden dürfe l50 . Zur Begründung wird die Bestimmung des Art. 22 Abs. 2 GMVO angeführt, wonach Verletzungsansprüche des Gemeinschaftsmarkeninhabers gegen den Lizenznehmer wegen der Verletzung lizenzvertraglicher Gebietsbeschränkungen vorgesehen sind. In Verbindung mit der gleichzeitigen Zulassung solcher territorialer Beschränkungen innerhalb der Gemeinschaft nach Art. 22 Abs. 1 GMVO ergebe sich eine über die bloße Vertragsverletzung hinausgehende Sanktionierung gerade auch solcher innergemeinschaftlicher Gebietsverletzungen 151. Es fehle eben die Zustimmung des Markeninhabers zum konkreten Inverkehrbringen, so daß keine Erschöpfung eintrete. Andererseits wird hier unter Berufung auf den Wortlaut des Art. 13 GMVO vertreten, daß die Rechte des Gemeinschaftsmarkeninhabers auch 149 Allgemein zu den Anforderungen an Gemeinschaftsmarkenlizenzen Schön/eid, Die Gemeinschaftsmarke als selbständiger Vermögensgegenstand eines Unternehmens, S. 84 ff. ISO Ingerl, Die Gemeinschaftsmarke, S. 97; zum deutschen Markenrecht Starck, WRP 1994, 698, 702. 151 Ingerl, Die Gemeinschaftsmarke, S. 97; LehmannISchön/eld, GRUR 1994, 481, 487; Schön/eid, Die Gemeinschaftsmarke als selbständiger Vermögensgegenstand eines Unternehmens, S. 126f.

D. Parallelimporte von Markenwaren

153

für Land B erschöpft seien, da die Markenware ja "mit seiner Zustimmung in der Gemeinschaft" in den Verkehr gebracht wurde 152 • Der Lizenzvertrag regle nur das Verhältnis zwischen Lizenzgeber und Lizenznehmer, so daß eine Ausdehnung dieser Absprachen auf Dritte, denen daraufhin die Berufung auf den Erschöpfungsgrundsatz verwehrt sei, einen Verstoß gegen den allgemeinen Rechtsgrundsatz, daß Verträge zu Lasten Dritter unwirksam sind, darstelle. Der Abnehmer der Ware im Mitgliedstaat B kenne die Absprachen zwischen dem Gemeinschaftsmarkeninhaber und dem Lizenznehmer nicht. Es sei ihm auch nicht zuzumuten, vom Verkäufer im Einzelfall den Nachweis dessen Berechtigung zum Verkauf im Mitgliedstaat B zu verlangen, so daß er sich darauf verlassen dürfe, daß er die in der Gemeinschaft erworbene Ware vertreiben dürfe. Auf den Erschöpfungsgrundsatz soll sich der Dritte nur dann nicht berufen dürfen, wenn die Ware ausschließlich für den Vertrieb im außereuropäischen Wirtschaftsraum produziert wurde, so daß Qualitätsabweichungen gegeben seien 153. Richtig ist, daß Art. 22 GMVO nur das Innenverhältnis zwischen Lizenzgeber und Lizenznehmer(n) regelt, nicht dagegen das Außenverhältnis gegenüber Dritten. Diese Interpretation legt bereits die Formulierung des Art. 22 GMVO nahe, da ausschließlich von "Lizenznehmer" und vom "Inhaber der Gemeinschaftsmarke" die Rede ist, nicht dagegen von Dritten. Die Systematik bestätigt dieses Ergebnis. Hinsichtlich der Wirkung gegenüber Dritten bestimmt nämlich Art. 23 GMVO, daß die in den Art. 17 (Rechtsübergang), 19 (dingliche Belastung) und 22 (Erteilung/Übergang einer Lizenz) GMVO bezeichneten Rechtshandlungen Dritten gegenüber erst nach Eintragung bzw. Kenntnis des Dritten wirksam werden. Angesichts der Tatsache, daß die Regelung des Außen verhältnisses in einer eigenen Norm Eingang gefunden hat, verbietet sich eine erweiternde Auslegung des Art. 22 GMVO. Der Gemeinschaftsmarkeninhaber muß sich über eine Vertragsverletzungsklage gegen den vertragsbrüchigen Lizenznehmer schadlos halten. Ein Blick auf Art. 28, 30 (30, 36) EGV führt nicht zu einer Lösung des Problems. Klar ist nur, daß der Grundsatz der gemeinschaftsweiten Erschöpfung nicht ganz ausnahmslos durchgehalten wird. Andererseits ist die Tendenz erkennbar, der Handelsfreiheit innerhalb der Gemeinschaft weitgehend Vorrang gegenüber den Rechten der Inhaber geistigen Eigentums einzuräumen. Weiterführend könnte aber ein Vergleich mit der deutschen Regelung sein. Da letztlich der EG-Binnenmarkt einem nationalen Markt angepaßt werden soll und da aufgrund des Art. 8 MRRL eine Harmonisierung gege152 153

Vgl. zu dieser Argumentation Berlit, GRUR 1998,423,430. Berlit, GRUR 1998, 423, 430.

154

Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallel importen

ben ist, darf die deutsche Regelung hier als Beispiel dienen. Eine Beschränkung des Lizenzgebietes auf Teile Deutschlands ist gern. § 30 Abs. I MarkenG zulässig. Aus § 30 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG ergibt sich allerdings, daß die Beschränkung des Vertragsgebiets nur in begrenztem Umfang zu deliktischen Anspruchen und zum Entfallen der für die Erschöpfung erforderlichen Zustimmung des Lizenzgebers führt. Von den möglichen Benutzungsarten erfaßt ist nämlich nur das Anbringen des Zeichens ("hinsichtlich des Gebiets, in dem die Marke angebracht werden darf'), insbesondere also nicht das Inverkehrbringen. Hinsichtlich solcher Waren, die der Lizenznehmer bereits in gekennzeichneter Form vom Lizenzgeber bzw. mit dessen Zustimmung von Dritten bezieht, ist in dem Veräußerungsgeschäft zwischen Lizenzgeber und -nehmer ein Inverkehrbringen zu sehen, so daß bereits Erschöpfung eingetreten ist 154 • Auch nach dem ersten Inverkehrbringen durch den Lizenznehmer im Vertrags gebiet tritt gern. § 24 MarkenG Erschöpfung ein, so daß die gekennzeichneten Waren vom Käufer des Erstgeschäfts markenrechtsfrei an weitere Abnehmer außerhalb des Territoriums geliefert werden können. Die praktische Bedeutung der territorialen Beschränkung liegt somit vor allem in der Beschränkung der Geschäftslokale, in denen das Kennzeichen verwendet werden darf. In Franchisesystemen kann der Lizenzgeber beispielsweise so die Lage der Franchisebetriebe verbindlich festlegen 155. Ebenso sind die Markenrechte hinsichtlich derjenigen Waren erschöpft, die vom Lizenznehmer im Lizenzgebiet mit der Marke versehen werden, aber vertragswidrigerweise außerhalb des Lizenzgebiets angeboten werden i56 • Derartige Angebote werden nämlich vom Wortlaut des § 30 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG nicht erfaßt. Eine erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung verbietet sich angesichts des klaren Wortlauts und der Tatsache, daß gerade im Bereich der kartellrechtlich problematischen Gebietsbeschränkungen ansonsten Drittwirkungen einträten 157. Auch der BGH stellt nur auf das Anbringen der Marke mit Zustimmung des Markeninhabers ab l58 . Auf die EU übertragen bestätigt das also das Ergebnis der grammatischen und systematischen Auslegung. Der Lizenzgeber kann nicht markenrechtlich gegen Parallelimporte der von seinem Lizenznehmer vertragswidrig in Verkehr gebrachten Waren vorgehen. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 30 Rdn. 37. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 30 Rdn. l3. 156 Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 24 Rdn. 7, § 30 Rdn. 37; wohl auch BaumbachlHefennehl, Warenzeichenrecht, WZG § 8 Anh. Rdn. 17, § 15 Rdn. 46 unter Ablehnung von RGZ 50, 229, 231 (Kölnisch Wasser); a. A. Fezer, Markenrecht, § 24 Rdn. 29. 157 lngerl/Rohnke, Markengesetz, § 24 Rdn. 7, § 30 Rdn. 33. 158 BGH GRUR 1984, 545 - Schamotte-Einsätze; vgl. auch 8GHZ 41, 84, 89 Maja: Ein Rechtsvorbehalt des Zeicheninhabers wirkt nur zwischen den Parteien und vermag die Erschöpfung seines Inverkehrsetzungsrechts nicht zu hindern. 154 155

D. Paralle1importe von Markenwaren

155

11. Vorgehen gegen Parallelimporte aus Drittstaaten Was die Möglichkeit des Markeninhabers zur Verhinderung von Parallelimporten aus Drittstaaten anbelangt, so stellt die MRRL einen entscheidenden Einschnitt dar. Eine weitere Nonnierung enthält die GMVO. 1. Abwehransprüche aufgrund nationalen Markenrechts der Mitgliedstaaten und Geltungsbereich des Art. 7 Abs. 1 MRRL

Bis zum Erlaß der MRRL gab es keine Harmonisierungsmaßnahmen der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Marken. Nationales Markenrecht mußte lediglich im Einklang mit den Art. 28 (30) und 30 (36) EGV stehen. Diese Vorschriften beschränken sich aber auf ein Verbot solcher Ein- und Ausfuhrbeschränkungen, die den Handel zwischen den Mitgliedstaaten, nicht dagegen den Handel zwischen der Gemeinschaft und Drittstaaten, betreffen. Da sich die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 28, 30 (30, 36) EGV also auf den Gemeinsamen Markt bezog, der sich daraus ergebende Grundsatz der gemeinschaftsweiten Erschöpfung daher nur als Minimalstandard angesehen werden konnte l59 , war im Verhältnis zu Drittstaaten keine Vereinheitlichung gegeben. Hier waren die Erschöpfungsregelungen der nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten entscheidend. Vor der Hannonisierung galt in mehreren Mitgliedstaaten der Grundsatz der internationalen Erschöpfung, etwa in Deutschland, den Beneluxstaaten, Dänemark sowie in Großbritannien, soweit eingetragene Marken betroffen waren 160. Der EuGH hat in der EMI ./. CBS-Entscheidung klargestellt, daß die Abfertigung der Ware zum freien Verkehr in einem Mitgliedstaat nach Art. 23, 24 (9, 10) EGV nicht ausreiche, um "im gesamten Gemeinsamen Markt unter Verstoß gegen die Vorschriften zum Schutz des Warenzeichens vertrieben werden zu können,,161. Markeninhaber in Mitgliedstaaten, die von der nationalen bzw. aufgrund von Art. 28, 30 (30, 36) EGV der gemeinschaftsweiten Erschöpfung ausgingen, konnten sich gegen Importe von Markenware aus oben aufgeführten Staaten unter Bezugnahme auf ihr nationales Markenrecht und Art. 30 (36) EGV wehren, da aus Drittstaaten stammende Waren 159 EuGHE 1976,811 - EMI ./. CBS; Beier, GRUR Int. 1989,603, 613f.; Cottier, SMI 1995/1,37,46. 160 Kur, Einführung, in: Schricker/Bastianl Albert, Die Neuordnung des Markenrechts in Europa, S. 42; dies., GRUR 1997,241,245. In anderen europäischen Ländern wie Österreich und den nordischen Ländern galt ebenfalls der Grundsatz der internationalen Erschöpfung. Österreich, Schweden und Finnland sind allerdings erst 1995 der EU beigetreten, also zu einer Zeit, zu der die MRRL und GMVO bereits existierten. Norwegen ist bis heute nur über den EWR mit der EU verbunden. 161 EuGHE 1976, 811, 848 Rz. 16 - EMI ./. CBS; vgl. Winkel, NJW 1977, 1992, 1994 f.

156

Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

nicht innerhalb der EG mit ihrer Zustimmung in den Verkehr gelangt waren 162 • Durch die MRRL wurde eine Harmonisierungspflicht bezüglich der nationalen Erschöpfungsregelungen statuiert. Hinsichtlich der territorialen Reichweite des Erschöpfungsgrundsatzes ist Art. 7 Abs. I MRRL von Bedeutung: ,,(1) Die Marke gewährt ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden sind."

Art. 7 Abs. 1 MRRL übernimmt den Grundsatz der gemeinschafts weiten Erschöpfung, wie er in der Rechtsprechung des EuGH entwickelt wurde. Danach gewährt die Marke ihrem Inhaber nicht das Recht, die Benutzung der Marke für Waren zu verbieten, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden sind 163 • Durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR)l64 wurde dieser Grundsatz auf das Gebiet des EWR erstreckt, der nun aus der Gemeinschaft sowie Island, Liechtenstein und Norwegen besteht. Art. 65 Abs. 2 EWR-Abkommen i. V. m. Nr. 4 lit. c) des Anhangs XVII des Abkommens gibt Art. 7 Abs. 1 MRRL "für die Zwecke des Abkommens" eine Fassung, die auf das Inverkehrbringen im EWR, nicht in der Gemeinschaft abstellt: die Worte "in der Gemeinschaft" werden durch die Worte "in einem Vertragsstaat" ersetzt 165 • Durch Art. 2 Abs. 1 des Protokolls Nr. 28 zum EWR-Abkommen 166 wird die Übereinstimmung der Regelungen zur Erschöpfung geistiger Eigentumsrechte mit der vor Unterzeichnung des EWR-Abkommens geltenden Fassung und Auslegung des Gemeinschaftsrechts sichergestellt. Es gilt hier der Grundsatz der sog. europaweiten oder EWR-weiten Erschöpfung 167 • Im Hinblick auf die Frage der Behandlung von Parallelimporten aus anderen Drittstaaten ist nun die Bedeutung des Art. 7 Abs. I MRRL für Vgl. auch oben Teil I, C. H. 1. Schlußanträge des Generalanwalts Jacobs, EuGHE 1998,1-4799,4802 Nr. 2 Silhouette. 164 ABI. 1994, L 1/3. 165 ABI. 1994, L 1/482. 166 ABI. 1994, L 1/194. Art. 2 Abs. 1 des Protokolls lautet: "Soweit die Erschöpfung der Rechte in Maßnahmen oder in der Rechtsprechung der Gemeinschaft geregelt ist, sehen die Vertragsparteien die Erschöpfung der Rechte des geistigen Eigentums nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts vor. Diese Bestimmung ist unbeschadet der künftigen Entwicklung der Rechtsprechung in Übereinstimmung mit den vor der Unterzeichnung des Abkommens ergangenen einschlägigen Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften auszulegen.". 167 Vgl. dazu auch oben Teil I, C. H. 2. b). 162 163

D. Parallelimporte von Markenwaren

157

den im nationalen Recht einiger EU-Mitgliedstaaten bis dahin geltenden Grundsatz der internationalen Erschöpfung zu klären. Zu dieser Frage sind neuere Entscheidungen des EuGH!68 sowie des EFfA-Gerichtshofs!69 ergangen. Dabei hat der EuGH in seiner Silhouette-Entscheidung festgestellt, daß Art. 7 Abs. 1 MRRL im Sinne einer ausschließlich gemeinschaftsweiten Erschöpfung von Markenrechten verstanden werden muß, so daß im Verhältnis zu Drittstaaten keine markenrechtliche Erschöpfung mehr eintreten kann. Der EFf A-Gerichtshof ist in seiner Maglite-Entscheidung dagegen zu dem Ergebnis gekommen, daß die Rest-EFf A-Staaten den Grundsatz der internationalen Erschöpfung beibehalten dürfen. Im folgenden sollen nun die bei den Entscheidungen näher dargestellt und ihr Verhältnis zueinander erörtert werden. Anschließend werden die Konsequenzen der Silhouette-Entscheidung aufgezeigt und eine Bewertung dieser Entscheidung unter Darstellung der rechtlichen Möglichkeiten und Grenzen einer Änderung der MRRL vorgenommen. Diese Untersuchung ist erforderlich, weil nur so geklärt werden kann, inwieweit eine Marktabschottung der EG stattfindet und wie diese - z. B. durch eine Zweckänderung des Markenrechts - gerechtfertigt wird, um später im Vergleich zum internationalen Recht, insbesondere den TRIPS-Regelungen, Schlußfolgerungen auf die Zulässigkeit von Parallel importen ziehen zu können. a) Die Silhouette-Entscheidung des EuGH

Der EuGH hat in der am 16.7.1998 ergangenen Vorabentscheidung zur Vorlage des österreichischen Obersten Gerichtshofs (ÖstOGH) im Fall Silhouette .1. Hartlauer zur Frage der Zulässigkeit der internationalen Erschöpfung im nationalen Recht eines Mitgliedstaats Stellung genommen 170. Da sich der Fall nach dem Beitritt Österreichs, eines früheren EWR-Vertragsstaates, zur Gemeinschaft am 1. 1. 1995 ereignete, geht es nur um die Auslegung des Art. 7 MRRL, nicht um Art. 2 des Protokolls 28 zum EWRAbkommen. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde!7): Die Klägerin des österreichischen Ausgangsverfahrens stellt unter der Marke "Silhouette" hochwertige Brillenfassungen her und vertreibt sie über ein selektives Vertriebssystem. Die Beklagte handelt mit Brillen zu niedrigen Preisen und 168 EuGHE 1998, 1-4799 - Silhouette; bestätigt durch Urteil vom I. 7.1999, Rs. C-173/98 - Sebago. 169 EFfA-Gerichtshof, Gutachten vom 3.12.1997, Rs. E-2/97, Mag Instrument Inc . ./. Califomia Trading Company Norway, Uisteen - Maglite, GRUR Int. 1998, 309. 170 EuGHE 1998, 1-4799, Rs. C-355/96 - Silhouette. 171 Siehe EuGHE 1998,1-4799, 4826ff. Rz. 6-14 - Silhouette.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Paral1e1importen

wird von der Klägerin nicht beliefert, weil diese den Vertrieb durch die Beklagte als dem von ihr aufgebauten Image besonderer Qualität und Aktualität abträglich erachtet. Dennoch gelang es der Beklagten, im November 1995 unter nicht näher geklärten Umständen in Bulgarien einen Restposten von Brillengestellen zu erwerben, die die Klägerin dorthin veräußert hatte, angeblich mit der Anweisung, diese Fassungen nur in Bulgarien und den Staaten der früheren Sowjetunion zu verkaufen und nicht in andere Länder zu exportieren. Als die Beklagte diese Brillengestelle dann in Österreich zum Verkauf anbot, erhob die Klägerin unter Berufung auf ihr Markenrecht Unterlassungsklage. Der mit dem Rechtsstreit befaßte ÖstOGH hatte angesichts des früher in Österreich geltenden Grundsatzes der internationalen Erschöpfung von Markenrechten Zweifel, ob das Markenrecht der Klägerin durch das Inverkehrbringen in Bulgarien erschöpft ist, und legte dem EuGH zwei Fragen zur Vorabentscheidung vor, von denen die erste hier relevant ist: "Ist Art. 7 Abs. 1 MRRL dahin auszulegen, daß die Marke ihrem Inhaber das Recht gewährt, einem Dritten zu verbieten, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke in einem Staat, der nicht Vertragsstaat ist, in den Verkehr gebracht worden ist?,,172 Der EuGH hatte also zu klären, ob nationale Rechtsvorschriften von EU-Mitgliedstaaten, die die internationale Erschöpfung vorsehen, mit Art. 7 Abs. 1 MRRL vereinbar sind. In dem Urteil vom 16.7. 1998 kam der EuGH zu dem Ergebnis, daß nationale Rechtsvorschriften, die die Erschöpfung des Rechts aus einer Marke für Waren vorsehen, die vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung unter dieser Marke außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums in den Verkehr gebracht worden sind, nicht mit Art. 7 Abs. 1 MRRL in der Fassung des EWR-Abkommens vom 2.5.1992 vereinbar sind 173 • Der EuGH hat mit dieser Entscheidung den Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 1 MRRL eindeutig im Sinne einer ausschließlich gemeinschafts-IEWR-weiten Erschöpfung von Markenrechten festgelegt. Es handelt sich hierbei um eine Grundsatzentscheidung von erheblicher wirtschaftlicher, politischer und juristischer Tragweite. Die eigentliche und über den Wortlaut des Urteils hinausgehende dogmatische Bedeutung der EuGH-Entscheidung liegt darin, daß der Marke über ihre Hauptfunktion, nämlich die Herkunftsfunktion, hinaus, nun auch die Funktion zur Vertriebssteuerung - jedenfalls im Verhältnis zu Drittstaaten zuerkannt wird. Der Markeninhaber in der EU kann Parallelimporte aus EuGHE 1998,1-4799,4828 Rz. 14 - Silhouette. EuGHE 1998, 1-4799, 4836 Nr. I des Tenors. Der EuGH entsprach damit dem Vorschlag des Generalanwalts Jacobs in den Schlußanträgen vom 29. I. 1998, EuGHE 1998,1-4799,4821 Nr. 73. 172 173

D. Parallelimporte von Markenwaren

159

Drittstaaten verhindern und somit seine Vertriebstätigkeit im Verhältnis zwischen EU und Drittländern steuern 174. Der EuGH hat die Interessen des Markeninhabers an der Aufrechterhaltung seines erworbenen "Goodwill" und der daraus resultierenden Vertriebssteuerung seiner Markenware letztlich höher angesiedelt als die Möglichkeit der Intensivierung des Wettbewerbs durch Parallelimporte. In dieser Betrachtungsweise ist zweifellos eine Stärkung der Rechte von Markeninhabern zu sehen 175. Zu dieser Entscheidung kommt der EuGH aufgrund einer Auslegung des Art. 7 Abs. 1 MRRL im Hinblick auf Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck der Richtlinie. Im einzelnen stellt er folgendes fest: Nach dem Wortlaut der Richtlinie könne eine Erschöpfung nur eintreten, wenn die Waren in der Gemeinschaft (bzw. seit dem Inkrafttreten des EWR-Abkommens im EWR) in den Verkehr gebracht wurden. Diese Regelung könne auch nicht als bloße Mindestvorschrift aufgefaßt werden, sondern stelle eine abschließende Regelung der Erschöpfung dar. Das ergebe sich aus der systematischen Auslegung der Art. 5 bis 7 MRRL. Zwar sei nach der 3. Begründungserwägung gegenwärtig keine vollständige Angleichung der Markenrechte der Mitgliedstaaten erforderlich, die Regelung der Erschöpfung stelle jedoch eine i. S. dieses Erwägungsgrundes "sich am unmittelbarsten auf das Funktionieren des Binnenmarktes" auswirkende und damit zu harmonisierende Vorschrift dar. Aus den Erwägungsgründen 1 und 9 gehe hervor, daß das derzeit in den Mitgliedstaaten geltende Markenrecht Unterschiede aufweise, durch die der freie Waren- und Dienstleistungsverkehr im Gemeinsamen Markt verHUscht werden könnte, so daß zur Errichtung und zum Funktionieren des Binnenmarktes ein einheitlicher Schutz der Markeninhaber in allen Mitgliedstaaten und damit eine Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten erforderlich sei. Abgesehen von einigen besonders aufgezählten Bereichen wie beispielsweise dem Schutz bekannter Marken nach Art. 5 Abs. 2 MRRL, in denen die Mitgliedstaaten weitergehende nationale Vorschriften beibehalten oder einführen können, stellten die Art. 5 bis 7 MRRL eine umfassende Harmonisierung der nationalen Vorschriften über die Rechte aus der Marke dar l76 . Auch die teleologische Auslegung lasse nur dieses Ergebnis zu, da der Zweck der Richtlinie, nämVgl. Renck, EuZW 1998,565. FAZ v. 17.7.1998: Europäischer Gerichtshof stärkt Markenrechte; Pressemitteilung des Markenverbands vom 20.7. 1998: Markenverband begrüßt Stärkung des geistigen Eigentums durch Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs zum Markenrecht; Klein, EuGH bestätigt Erschöpfungsregelung, LZ 30 v. 24.7.1998, S. 20: "Während die Verbraucherverbände und Teile des Handels als Konsequenz erneut eine Änderung der EU-Markenrechtsrichtlinie fordern, wertet die Markenartikelindustrie die Entscheidung als Stärkung des geistigen Eigentums."; Renck, EuZW 1998, 565,566. 176 EuGHE 1998,1-4799, 4830f. Rz. 23-25 - Silhouette. 174 175

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

lich das Funktionieren des Binnenmarktes zu schützen, angesichts der unvermeidlichen Behinderungen des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs bei unterschiedlicher Erschöpfungsregelung in den Mitgliedstaaten nicht zu verwirklichen wäre l77 . Zweifeln an der Kompetenz der EG zur Regelung des Verhältnisses zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern auf der Grundlage des Art. 95 (lOOa) EGV, der nur zur Angleichung der Rechtsvorschriften über das Funktionieren des Binnenmarktes ermächtige, begegnet der EuGH mit dem Argument, daß Art. 7 MRRL lediglich eine Regelung des Inhalts der Markenrechte innerhalb der Gemeinschaft enthalte, nicht dagegen eine Regelung des Außenverhältnisses l78 • Und schließlich weist der EuGH noch darauf hin, daß durch den Abschluß völkerrechtlicher Verträge die Vereinbarung der internationalen Erschöpfung (wie im Rahmen des EWR-Abkommens geschehen) möglich bleibe 179 • b) Die Maglite-Entscheidung des EFTA-Gerichtshofs und ihr Verhältnis zur Silhouette-Entscheidung

aa) Die Maglite-Entscheidung Bereits vor dem EuGH hatte sich der EFfA-Gerichtshof in einem Gutachten vom 3.12.1997 zur Auslegung des Art. 7 Abs. 1 MRRL geäußert 180 . Anders als der EuGH kam der EFfA-Gerichtshof zu dem Ergebnis, daß Art. 7 Abs. 1 MRRL für den Bereich des EWR dahin auszulegen sei, daß es den EFfA-Staaten überlassen bleibe, ob sie den Grundsatz der internationalen Erschöpfung von Markenrechten für Waren, die aus Staaten herrühren, die nicht dem EWR angehören, beibehalten oder neu einführen. Dieses Gutachten wurde auf Antrag des Fredrikstad byrett erstattet, eines norwegischen Stadtgerichts, das zu entscheiden hatte, ob der Import und Vertrieb sogenannter Maglite-Lampen in Norwegen durch die California Trading Company Norway, Ulsteen, denen die Markenrechtsinhaberin, die US-amerikanische Gesellschaft Mag Instrument Inc., die ihre Erzeugnisse in Norwegen über einen einzigen autorisierten Importeur und Alleinvertriebshändler verkauft, nicht zugestimmt hatte, deren ausschließliche Markenrechte verletzen. Da im norwegischen Markenrecht die internationale EuGHE 1998,1-4799,4831 Rz. 27 - Silhouette. EuGHE 1998, 1-4799, 4831 f. Rz. 28 f. - Silhouette. 179 EuGHE 1998,1-4799,4832 Rz. 30 - Silhouette. 180 Gutachten des EFfA-Gerichtshofs vom 3.12.1997, Rs. E-2/97, Mag Instrument Inc ./. California Trading Company Norway, Uisteen - Maglite, GRUR Int. 1998,309. In 178

D. Parallelimporte von Markenwaren

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Erschöpfung von Markenrechten anerkannt ist, fragte das Gericht, ob Art. 7 Abs. 1 MRRL dahin auszulegen sei, daß sich der Inhaber einer Marke gegen den Import aus einem Drittland außerhalb des EWR zur Wehr setzen könne, wenn dieser Import ohne die Zustimmung des Markeninhabers erfolge, ob also Art. 7 Abs. 1 MRRL so zu verstehen sei, daß die Erschöpfung von Markenrechten weder auf nationale Erschöpfung zu beschränken, noch auf den Grundsatz der internationalen Erschöpfung auszudehnen sei l8I . In dem Gutachten setzte sich der EFf A-Gerichtshof mit der bis dahin bestehenden EuGH-Rechtsprechung I82 auseinander, wonach die nationale Erschöpfung zugunsten der gemeinschafts weiten Erschöpfung verdrängt sei, während die den freien Warenverkehr zwischen Mitgliedstaaten betreffenden Art. 28 ff. (30 ff.) EGV nicht auf das Inverkehrbringen markenrechtlich geschützter Produkte in Drittländern anwendbar seien, so daß sich letztlich die EG-weite Erschöpfung als Mindeststandard ergebe I83 . Der EFf A-Gerichtshof stellte fest, daß der Grundsatz der internationalen Erschöpfung im Interesse des freien Handelsverkehrs und Wettbewerbs und damit im Interesse der Verbraucher liege. Parallelimporte aus Drittstaaten führten zu einem erhöhten Angebot von Markenwaren innerhalb des EWR, so daß die Preise für diese Waren niedriger würden, als wenn es nur autorisierte Importeure und Vertreiber gebe I84 . Außerdem äußerte sich der EFfAGerichtshof dahingehend, daß die internationale Erschöpfung mit der maßgeblichen Funktion der Marke, nämlich es dem Verbraucher zu ermöglichen, die Herkunft der Waren mit Sicherheit feststellen zu können, im Einklang stehe. Der in einer neueren Entscheidung des EuGH I85 als Markenfunktion herausgestellte Schutz des Rufes der Marke könne nicht als Hauptfunktion einer Marke angesehen werden, welche einen generellen Ausschluß von Parallelimporten erfordern würde I86 • Zur Auslegung des Art. 7 Abs. 1 MRRL erklärte der Gerichtshof, daß weder Wortlaut noch Entstehungsgeschichte gegen die internationale Erschöpfung im Recht der Vertragsstaaten spräche. Das von den Regierungen Frankreichs, Deutschlands, Großbritanniens und der Europäischen Kommission vorgebrachte Argument, unterschiedliche nationale Erschöpfungsregelungen könnten zu Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt \81 Zu Sachverhalt und Vorlagefragen siehe Nr. 1-10 des Gutachtens, GRUR Int. 1998, 309. 182 EuGHE 1974, 1143, Rs. 16/74 - Centrafarm ./. Winthrop; EuGHE 1994 1-2789, Rs. C-9/93 - Ideal-Standard; EuGHE 1976,811, Rs. 51/75 - EMI ./. CBS. 183 Nr. 15 f. des Gutachtens, a. a. O. 184 Nr. 19 des Gutachtens, a. a. O. 185 EuGHE 1997,1-6013,6047 Rz. 39ff. - Dior ./. Evora. \86 Nr. 20 des Gutachtens, a. a. O.

11 Freylag

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

führen, verwarf der EFfA-Gerichtshof in bezug auf den EWR. Anders als der EGV begründe der EWR-Vertrag keine Zollunion, sondern lediglich eine Freihandelszone. Nach Art. 8 EWR-Vertrag gelte der in Art. 11 bis 13 EWR-Vertrag enthaltene Grundsatz des freien Warenverkehrs nur für Ursprungserzeugnisse des EWR, während im EG-Binnenmarkt sich Waren im freien Verkehr befanden, wenn sie rechtmäßig im Markt eines Mitgliedstaats in den Verkehr gebracht worden seien 187 . Außerdem sehe der EWRVertrag im Gegensatz zum EGV (insbesondere Art. 133 (113» keine gemeinsame Handelspolitik gegenüber Drittländern vor. Nach Ansicht des EFfA-Gerichtshofs bedeutete es eine Einschränkung der EFfA-Staaten in ihren Handelsbeziehungen zu Drittstaaten, würde Art. 7 Abs. I MRRL im Bereich des EWR in dem Sinne ausgelegt, daß er die EFf A-Staaten zur Anwendung des Grundsatzes der EWR-weiten Erschöpfung zwingt 188 • bb) Verhältnis zu Silhouette Es ist nun zu klären, ob widersprüchliche Entscheidungen zur sei ben Frage ergangen sind und wie eine solche Situation gegebenenfalls zu behandeln ist. Fest steht zunächst, daß von bei den Gerichten die Auslegung des Art. 7 MRRL gefordert war. Haben die Gerichte nun aber innerhalb dieses Rahmens überhaupt dieselbe Frage entschieden und dabei widersprüchliche Entscheidungen getroffen? Formal muß diese Frage verneint werden, denn der EFfA-Gerichtshof hat seinem Gutachten ausdrücklich nur die Frage der Behandlung von Waren, die aus Drittstaaten in den EWR importiert wurden und somit nicht den Regeln des freien Warenverkehrs im EWR unterliegen, zugrunde gelegt. Er konnte seine Entscheidung daher mit den Unterschieden zwischen einer Freihandelszone wie dem EWR und einer Zollunion wie der EG begründen. Allerdings muß berücksichtigt werden, daß der EFf A-Gerichtshof bei Erstellung seines Gutachtens im Maglite-Fall nicht nur die Stellungnahmen der EU-Mitgliedstaaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien sowie der Europäischen Kommission berücksichtigen konnte, sondern daß er darüber hinaus bereits von den Schlußanträgen des Generalanwalts Jacobs im Silhouette-Fall Kenntnis hatte 189 • Daher liegt es nahe anzunehmen, daß die eingehende Auseinandersetzung mit den innerhalb der EU vorgebrachten Argumenten ebenso wie die Betonung, daß das Gutachten nur Waren Nr. 24-26 des Gutachtens, a. a. O. '" Nr. 27 des Gutachtens a. a. O. 189 Nach persönlicher Auskunft von Herrn Meinhard Novak, Legal Secretary des Richters am EFfA-Gerichtshof Prof. Dr. earl Baudenbacher, kannten die EFfARichter die Schlußanträge im Fall Silhouette und gingen davon aus, daß der EuGH diesen Schlußanträgen folgen würde. 111

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betreffe, die im EWR nicht frei zirkulieren dürften, dazu dient, den Anschein zu erwecken, es seien verschiedene Fragen entschieden worden. Aber ist dem auch wirklich so? Besteht ein materieller Unterschied zwischen Waren, die sich nicht im freien Warenverkehr befinden und solchen, die frei zirkulieren können? Ein solcher Unterschied kann wohl nicht festgestellt werden. Als Beispiel diene folgender, der Silhouette-Entscheidung nachgebildeter und auf den EWR übertragener Fall, der mit dem Maglite-Fall zu vergleichen ist: Ein Unternehmen A im EWR-Staat X produziert Waren, die ausschließlich für den Export bestimmt sind, also nicht im EWR, sondern nur im Drittstaat Y in Verkehr gebracht werden. Dort werden diese Produkte vom Unternehmer B gekauft und in den EWR reimportiert. Da es sich aufgrund der Herstellung der Ware im EWR nach Art. 2 Abs. 1 des Protokolls Nr. 4 zum EWR-Abkommen l90 um Ursprungserzeugnisse handelt, unterliegen diese Reimporte nach Art. 8 Abs. 2 EWR-Abkommen i. V. m. Art. 12 des Protokolls Nr. 4 191 dem freien Warenverkehr im EWR. Soll nun etwa dieser Unternehmer A, der sogar im EWR produziert, seine Produkte aber lediglich in Drittstaaten vertreibt, besser gestellt werden als der Produzent im Maglite-Fall, der die Ware in einem Drittland herstellt und über autorisierte Händler im EWR vertreibt? Dann käme man zu dem erstaunlichen Ergebnis, daß Ware, die im EWR hergestellt, aber außerhalb verkauft wird, nicht in den EWR importiert werden dürfte, während solche, die gleich außerhalb hergestellt wurde, importiert werden könnte. Eine solche Ungleichbehandlung ist aber nicht einzusehen l92 . EWR-Protokoll 4 über die Ursprungsregeln, BGBL 1993 11, 297. Art. 12 des Protokolls Nr. 4 bestimmt: "Waren, die aus dem Gebiet einer Vertragspartei in ein Drittland ausgeführt und anschließend wiedereingeführt worden sind, werden so behandelt, als hätten sie den EWR nicht verlassen, sofern den Zollbehörden glaubhaft dargelegt werden kann, daß a) die wiedereingeführten Waren die nämlichen ausgeführten Waren sind; b) diese Waren während ihres Aufenthalts in dem betreffenden Land oder während der Ausfuhr keine Behandlung erfahren haben, die über das zur Erhaltung ihres Zustandes erforderliche Maß hinausgeht." 192 Die Tatsache, daß im Maglite-Fall bereits ein autorisierter Importeur und Alleinvertriebshändler die Lampen im EWR verkaufte, ist hierbei unerheblich, da die Erschöpfung von Schutzrechten sich immer nur auf den jeweiligen geschützten Gegenstand beziehen kann, nicht aber auf die gesamte Gattung (vgl. EuGH, Urt. v. 1. 7.1999, Rs. C-173/98 Rz. 18ff. - Sebago). Allenfalls wäre zu überlegen, ob der im EWR produzierende Hersteller seine Waren nicht bereits durch den Verkauf ins Ausland im EWR in Verkehr bringt (so die deutsche Rechtsprechung insbesondere zum Patentrecht: RGSt 10,349, 351f.; RGSt 36,178,180; RGZ 45,147,149; RGZ 51, 139, 142; RGZ 65, 160; OLG Karlsruhe GRUR 1982, 295, 299f.; parallele Entscheidung zum Markenrecht: BGRZ 23, 100, 103/106; neuerdings anders OLG Stuttgart, NJW-RR 1998, 482). Das hängt letztlich aber von der Ausgestaltung des Inverkehrbringens im Drittland ab (Versendung durch Fremdunternehmer ins Aus190 191

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Außerdem übersieht der EFTA-Gerichtshof bei seiner Argumentation, daß auch im EG-Binnenmarkt Waren, die aufgrund der in einem Mitgliedstaat geltenden internationalen Erschöpfung dort in Verkehr gelangen konnten, aufgrund der Möglichkeit der anderen Mitgliedstaaten, die die internationale Erschöpfung nicht anerkennen, sich auf Art. 30 (36) EGV zu berufen, nicht frei zirkulieren können. Einziger Unterschied ist damit die Tatsache, daß innerhalb des EWR die Kontrolle, ob es sich um Ursprungsoder DriUlandserzeugnisse handelt, unter Umständen üblicher ist als innerhalb der EG. Aber auch innerhalb der EG gibt es Ausnahmen vom freien Warenverkehr, die es zu kontrollieren gilt 193. Ein entscheidender Unterschied zwischen EWR und EU ist in diesem Punkt mithin zu verneinen. Nachdem festgestellt wurde, daß EuGH und EFT A-Gerichtshof - anders als das auf den ersten Blick aus dem Wortlaut der Entscheidungen hervorzugehen scheint - letztlich über die gleiche Frage, nämlich die uneingeschfänkte Auslegung des Art. 7 Abs. 1 MRRL, unterschiedlich entschieden haben, ist zu überlegen, wie mit einer solchen Divergenz umzugehen ist, insbesondere, ob etwa die EuGH-Entscheidung dem Gutachten des EFTAGerichtshofs vorgeht. Zunächst ist zu berücksichtigen, daß Vorabentscheidungen des EFT A-Gerichtshofs keine bindende Wirkung haben, es sich rechtlich gesehen vielmehr um Gutachten handelt 194. Dennoch ist nicht zu bestreiten, daß diese Vorabentscheidungen des EFTA-Gerichtshofs von den vorlegenden Gerichten als verbindlich angesehen werden und ihnen auch Leitbildfunktion für die übrigen Gerichte der EFT A-Staaten zukommt l95 . Es sollte daher nicht von einem Zurücktreten der EFTA-Entscheidung hinter diejenige des EuGH ausgegangen werden. Damit würde man der Selbständigkeit und Unabhängigkeit des EFTA-Gerichtshofs als EWRGericht nicht gerecht. Das Problem einander widersprechender Entscheidungen ergibt sich aus der rechtlichen Ausgestaltung des Verhältnisses der beiden Gerichte zueinander. Die Homogenitätsregeln des EWR-Abkommens sehen eine Befolgungsobliegenheit bezüglich der Unterzeichnung des Abkommens vorausgegangener EuGH-Entscheidungen und ein Berücksichtigungsgebot hinsichtlich späterer EuGH-Entscheidungen lediglich einseitig für den EFT A-Gerichtshof vor l96 . Bezüglich des EuGH dagegen enthält das EWR-Recht - im Gegensatz beispielsweise zum Lugano-Übereinkomland, Inverkehrbringen durch Tochterfirma im Ausland o. ä.). Vgl zu diesem Problem Litten, WRP 1997,678, 682ff; Sack, GARUR 1999, 193, 214f. m.w.N. 193 Vgl. die Darstellung der Ausnahmen vom markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz oben Teil I, D. I. sowie von der patentrechtIichen Erschöpfung oben Teil I, C. I. Außerdem muß auch eine Kontrolle gegenüber nachgeahmten Waren stattfinden. 194 Art. 34 ÜGA. 195 Baudenbacher, EuZW 1998, 391 f. 196 Art. 6 EWR-Abkommen, Art. 3 Abs. 2 ÜGA.

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men 197 - keine ausdrückliche Vorschrift, die eine irgendwie geartete Bindung anordnet. Offensichtlich war das System der Befolgungs- und Berücksichtigungsregeln des EWR-Rechts in der Annahme errichtet worden, daß der EuGH grundsätzlich als erstes supranationales Gericht über neue Rechtsfragen entscheiden werde. Diese Annahme hat sich in der Praxis jedoch nicht bewahrheitet. Aus der nur einseitigen ausdrücklichen Befolgungsobliegenheit schließen zu wollen, daß die Entscheidungen des EuGH denjenigen des EFTA-Gerichtshofs vorgehen, erscheint deshalb zu weitgehend. Vielmehr ist zu bedenken, daß die Interessenlage letztlich dieselbe ist wie im Fall des Luganer Übereinkommens. Auch im Rahmen des EWRAbkommens ergibt sich grundsätzlich die Notwendigkeit zu möglichst einheitlicher Auslegung. Daher ist auch in diesem Rahmen anzunehmen, daß sich der EuGH mit der einschlägigen Rechtsprechung des EFT A-Gerichtshofs auseinandersetzen sollte 198 . Daß das Fallrecht des EFTA-Gerichtshofs für den EuGH praktisch relevant ist, zeigt sich sowohl am Umstand, daß sich die EU-Mitgliedstaaten offensichtlich aufgrund der Annahme solcher Einflüsse an den Verfahren vor dem EFf A-Gerichtshof beteiligen, als auch insbesondere daran, daß vorausgegangene EFT A-Gerichtshofs-Entscheidungen sowohl in den Schlußanträgen der Generalanwälte 199 als auch in einigen EuGH-Entscheidungen zitiert werden. Was die explizite Auseinandersetzung des EuGH mit Urteilen des EFf A-Gerichtshofs angeht, so fällt allerdings auf, daß diese soweit ersichtlich nur in denjenigen Fällen stattfindet, in denen der EuGH die Auffassung des EFT A-Gerichtshofs teilt 2OO • Eine solch einseitige Handhabung wird der Gesamtteleologie des EWRAbkommens jedoch nicht gerecht. Es bleibt also festzuhalten, daß im vorliegenden Fall der Auslegung des Art. 7 Abs. 1 MRRL nicht die Auffassung des EuGH ausschlaggebend ist, sondern daß die Entscheidungen von EuGH und EFTA-Gerichtshof gleich197 VgI. Protokolle und Erklärungen zum Lugano-Übereinkommen, ABI. 1988, L 319/29, insb. Art. 1 des Protokolls Nr. 2 über die einheitliche Auslegung des Übereinkommens. 198 Im gleichen Sinne Baudenbacher, EuZW 1998, 391, 397. 199 Z. B. Generalanwalt Lenz in der Rs. Kommission ./. Vereinigtes Königreich, EuGHE 1996, 1-4025, 4027; Generalanwalt Jacobs in der Rs. De Agostini, EuGHE 1997, 1-3843, 3851 Nr. 21, 3858 Nr. 46; Generalanwalt Eimer in der Rs. Franzen, EuGHE 1997, 1-5909, 5911 f. Nr. 3; Generalanwalt Jacobs in der Rs. Silhouette, EuGHE 1998,1-4799,4813 Nr. 43f. 200 Explizit berücksichtigt wurde z.B. in EuGHE 1997, 1-1259, 1272f. Rz. 10 Süzen die Entscheidung des EFfA-Gerichtshofs in Ulstein und R~iseng, in EuGHE 1997, 1-3843, 3889 Rz. 37 - De Agostini die Entscheidung des EFfA-Gerichtshofs in Mattel/Lego. Keine ausdrückliche Erwähnung hingegen fanden die EFfA-Gerichtshofsentscheidung "Wilhelmsen" in EuGH, EuZW 1998, 55 - Franzen sowie die EFfA-Gerichtshofsentscheidung "Maglite" in EuGHE 1998, 1-4799 - Silhouette.

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berechtigt nebeneinanderstehen und bewertet werden dürfen. Die Ausführungen in Maglite zu den Unterschieden zwischen Zollunion und Freihandelszone deuten außerdem darauf hin, daß der EFfA-Gerichtshof seine Rechtsprechung auch in Anbetracht der Silhouette-Entscheidung des EuGH beibehalten wird201 . c) Die Konsequenzen der Silhouette-Entscheidung

Da durch die Silhouette-Entscheidung die aktuelle Rechtslage in der EU für die Rechtspraxis abschließend geklärt ist202 , müssen die Konsequenzen dieses Urteils erörtert werden. Die Entscheidung hat zunächst Folgen für diejenigen EU-Mitgliedstaaten, die bislang von der internationalen Erschöpfung ausgingen, außerdem für das Verhältnis zu den EFf A-Staaten. Auch stellt sich infolge der territorialen Beschränkung der Erschöpfung nunmehr die Frage der Beweislast. Und schließlich sind Probleme im Zusammenhang mit dem Verweis des EuGH auf den Abschluß völkerrechtlicher Verträge zur Vereinbarung der internationalen Erschöpfung zu klären. aa) Umstellen der Rechtslage in EU-Mitgliedstaaten Schweden hatte im Hinblick darauf, daß die Bedeutung des Art. 7 Abs. I MRRL offen sei, die Einfügung einer entsprechenden Regelung in das nationale Markengesetz abgelehnt 203 . Österreich und Dänemark hatten bei der Umsetzung der MRRL in ihr nationales Recht Art. 7 Abs. I MRRL wortgleich übernommen, jedoch in der Gesetzesbegründung festgehalten, daß damit die weitere Anwendung der internationalen Erschöpfung nicht ausgeschlossen sein sollte204 . Diese EU-Mitgliedstaaten müssen nunmehr die regionale, d. h. EWR-weite Erschöpfung, in ihren nationalen Markenrechten verbindlich vorsehen205 • Diese Pflicht besteht nach der SilhouetteEntscheidung nur im Regelungsbereich des Art. 7 MRRL, der nach Ansicht des EuGH eine abschließende Regelung für eingetragene Marken entSo auch Joller, GRUR Int. 1998, 751, 764. Vgl. Beckmann, NJW 1999, 1688, 1689. 203 Kur, Einführung, in: Schricker/Bastianl Albert, Die Neuordnung des Markenrechts in Europa, S. 43. 204 Kur, Einführung, in: Schricker/Bastianl Albert, Die Neuordnung des Markenrechts in Europa, S. 43 f. 205 In Deutschland, wo früher auch die internationale Erschöpfung anerkannt war, hat der SGH mit seiner Leitentscheidung "Gefärbte Jeans" (GRUR 1996, 271) zum neuen deutschen Markenrecht bereits 1995 entschieden, daß nunmehr die gemeinschaftsweite Erschöpfung gelte; vgl. dazu AlbertlHeath, GRUR 1996, 275; dies., ne 1997, 24; BerUt, GRUR 1998, 423, 427; Loewenheim, GRUR Int. 1996, 307; Pickrahn, GRUR 1996,383. 201

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hält206 • Nicht eingetragene Marken liegen dagegen außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 7 MRRL, so daß hier weder Art. 28, 30 (30, 36) EGV noch Art. 7 MRRL einer weitergehenden nationalen Regelung entgegenstehen 207 . bb) Folgen für das Verhältnis zu den EFfA-Staaten Für die EFfA-Staaten hat der EFfA-Gerichtshof in der Maglite-Entscheidung die Zulässigkeit der internationalen Erschöpfung festgestellt. An dieser Bewertung wird er vermutlich auch festhalten 208 . Sollten EFfA-Staaten, die bisher an der internationalen Erschöpfung festhielten, den Beitritt zur EU anstreben, sähen sie sich daher in der mißlichen Lage, daß sie sich, um der Zollunion als weitergehender Integrationsform angehören zu können, zu mehr Protektionismus verpflichten 209 und die regionale Erschöpfung übernehmen müßten. cc) Beweislastfrage im Zusammenhang mit regionaler Erschöpfung Infolge der territorialen Beschränkung der Erschöpfung stellt sich die Frage, wer darzulegen und zu beweisen hat, daß die Voraussetzungen der Erschöpfung vorliegen. Da es keine gemeinschaftsrechtliche Regelung der Darlegungs- und Beweislast gibt, richtet sich diese Frage nach dem nationalen Recht. Es seien an dieser Stelle dennoch ein paar grundSätzliche Überlegungen unter Zugrundelegung der deutschen Rechtslage dazu angestellt. Bisher galt die regionale Erschöpfung bereits im Patent- und Urheberrecht, so daß die dort angewandten Beweislastregeln nunmehr auf das Markenrecht übertragbar sein könnten. In Deutschland wurde die Beweislast dabei dem Beklagten auferlegt: Dieser habe die tatsächlichen Voraussetzungen der Einwendung, daß das ausschließliche Verbreitungsrecht bezüglich der in Frage stehenden Erzeugnisse erschöpft sei, zu beweisen21O • Das OLG München hat dementsprechend den Parallelimporteur von Markenware für beweispflichtig erklärt211 . In einer Entscheidung des OLG Hamburg212 wird 206 EuGHE 1998, 1-4799, 4829 Rz. 17, 4831 Rz. 25 - Silhouette; zum Anwendungsbereich der MRRL nur für eingetragene und IR-Marken siehe Art. 1 MRRL; vgl. auch Sack, GRUR 1999, 193,213. 207 Zum Regelungsumfang der Art. 28, 30 (30, 36) EGV siehe oben Teil I, D.Il.1. 208 Dazu oben Teil I, D. 11. 1. b). 209 Vgl. Joller, GRUR Int. 1998, 751, 762; Ullrich, Mitt. 1998, 190, 192; ähnlich bereits Beier, GRUR Int. 1989,603,615. 210 Hesse, GRUR 1972, 675, 681; Mes, PatG § 139 Rz. 62; Schricker-Loewenheim, Urheberrecht, § 17 Rz. 34.

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dagegen eine vennittelnde Lösung vertreten. Es handle sich bei der Erschöpfung zwar um eine Einwendung. Läge aber die Darlegungs- und Beweislast allein beim Verletzer, so würde bereits "das einfache Behaupten eines "unberechtigten" Imports von Originalware die Vennutung rechtswidrigen Verhaltens begründen." Eine solche Privilegierung des Markeninhabers sei jedoch nicht geboten, so daß eine Verteilung der Beweislast dergestalt vorzunehmen sei, daß der Markeninhaber Umstände vortrage, "die einige Anhaltspunkte und eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür bieten, daß die betreffenden Markenwaren aus Importen stammen, die ohne Zustimmung des Markeninhabers im europäischen Bereich in Verkehr gebracht worden sind", und der Parallelimporteur/Verletzer erst dann die strengere Beweislast zum Einwand der Erschöpfung trage. Beiden soeben zitierten Fällen liegen Sachverhalte zugrunde, in denen die Originalware in Drittländern produziert und dann in den EWR eingeführt wurde. Jedenfalls für Fälle der Produktion innerhalb des EWR wird in der Literatur z. T. eine noch weitergehende Lösung vertreten 213 . Dann nämlich habe der Markeninhaber die volle Beweislast dafür zu tragen, daß nicht bereits ein Inverkehrbringen in der EU bzw. im EWR stattfand. Nur dieser Ansatz sei im Hinblick auf die tatsächlichen Infonnationsmöglichkeiten der Parteien angemessen. Im Gegensatz zum Parallelimporteur, der kaum in der Lage sei, die Erwerbskette bis hin zum Ersterwerber nachzuweisen, habe es der Markeninhaber in der Hand, durch entsprechende Markierungen und Aufzeichnungen zu dokumentieren, ob die Ware mit seiner Zustimmung erstmals in EU IEWR in den Verkehr gebracht wurde. Der Markeninhaber könne dieser Beweislast dadurch nachkommen, daß er den Weg der Ware von der Produktionsstätte bis zum ersten Abnehmer aufzeige und darlege, daß er seinem außerhalb der EU IEWR ansässigen Abnehmer rechtswirksam auferlegt habe, die Ware nicht in den EWR zu reimportieren214 • Es stellt sich also die Frage, wann einem im EWR ansässigen Unternehmen dieser Beweis gelingt. Dazu sei ein kurzer Vergleich zum Patentrecht gezogen. Jedenfalls nach deutscher Rechtsprechung wird auch die Veräußerung und Versendung ins Ausland, d. h. der bloße Export der Ware, als Inverkehrbringen im Inland angesehen. In der Übergabe an das Transportunternehmen liegt der Akt des Inverkehrbringens 215 . Dahinter steht die Absicht, dem Produzenten die Verhinderung von Reimporten der von ihm OLG München, Mitt. 1998, 186 - Chicago Bulls. OLG Hamburg, NJW-RR 1998,402 - DC-Schuhe; ähnlich bereits LG München, WRP 1997, 123, 125 - Maglite. 213 Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 24 Rz. 15; Pickrahn, GRUR 1996, 383, 385; a. A. Fezer, GRUR 1999, 99, 105; Schricker, Anti Piracy News, Dez. 1996, S. Ilff. 214 Zu einer solchen Reirnportklausel im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems vgl. EuGHE 1998,1-1983 - Javico. 211

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selbst in Verkehr gebrachten Erzeugnisse zu verwehren, letztlich ihm also nicht die Früchte eines als widersprüchlich empfundenen Verhaltens zukommen zu lassen (venire contra factum proprium). Bei einer Übertragung auf das Markenrecht hat das allerdings zur Folge, daß im wesentlichen ausländische Unternehmen, europäische multinational tätige Unternehmen und sonstige Großunternehmen von der regionalen Erschöpfung profitieren werden. Denn nur bei Produktion in Drittländern bzw. bei der konzerninternen Verschiebung von Waren aus dem EWR in einen Drittstaat, was mangels Außenwirkung nicht als Inverkehrbringen im EWR angesehen wird, können Unternehmen dem Vorwurf des Inverkehrbringens im EWR entgehen. Ebenfalls nicht als Inverkehrbringen würde nach dieser Rechtsprechung der Verkauf in Drittländer bei Transport durch eigene Leute (Tochterunternehmen) angesehen. Leidtragende dieser Neuregelung sind also letztlich kleinere und mittlere Unternehmen, die zwar Waren in Drittländer veräußern, sich in Ermangelung eigener Kapazitäten dazu aber eines Dritt-/Transportunternehmens bedienen müssen. Dann nämlich wird die Außenwirkung bejaht und ein Inverkehrbringen im EWR angenommen. Im Hinblick auf die praktischen Konsequenzen ist die oben dargestellte Ansicht, wonach der Markeninhaber bei Herstellung in EU IEWR den Weg zum Erstkäufer, bei Produktion in Drittstaaten tatsächliche Anhaltspunkte für den unberechtigten Import nachweisen muß, sicher interessengerecht. Wird durch Art. 7 Abs. 1 MRRL der unter dem Blickwinkel des Freihandels problematische Grundsatz der regionalen Erschöpfung in EU IEWR festgeschrieben, so darf die Ausgestaltung der Beweislast nicht auch noch dazu führen, daß bei Ware, die in einer längeren Kette von Wiederverkäufern gehandelt wird, der Nachweis dieser Erschöpfung fast unmöglich wird. Außerdem entspricht diese Verteilung der Beweislast der im Wettbewerbsrecht anerkannten Regel, daß den Gegner der beweisbelasteten Partei eine Darlegungs- und Beweislast treffen kann, wenn die beweisbelastete Partei keine Möglichkeit hat, den Sachverhalt von sich aus zu ermitteln, und ihm dies nach den Umständen auch zuzumuten ist216 . Diese Auffassung läßt sich auch dogmatisch untermauern. Abwehransprüche stehen dem Markeninhaber nach Art. 5 MRRL nur zu, wenn eine Markenbenutzung durch den Dritten "ohne seine Zustimmung" erfolgt. Die Ver215 Aus der deutschen Rechtsprechung: RGSt 10,349,351 f.; RGSt 36, 178, 180; RGZ 45, 147, 149; RGZ 51, 139, 142; RGZ 65, 160; OLG Karlsruhe GRUR 1982, 295, 299f.; BGHZ 23, 100, 103, 106. Vgl. auch Benkard-Bruchhausen, PatG § 9 Rz. 43; kritisch Litten, WRP 1997, 678, 681; Sack, GRUR 1999, 193, 214f. 216 BGH GRUR 1961, 356, 359 - Pressedienst; BGH GRUR 1975, 78, 79 Preisgegenüberstellung; BGH GRUR 1983, 650, 651 - Kamera; s. dazu Baumbachl Hefennehl, Wettbewerbsrecht, EinlUWG Rz. 472.

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botsrechte des Markeninhabers werden daher nicht nur durch die in Art. 7 MRRL geregelte Erschöpfung begrenzt; Art. 7 MRRL kann ebenso als nähere Ausgestaltung des im Verbotstatbestand des Art. 5 MRRL enthaltenen negativen Tatbestandsmerkmals "ohne Zustimmung" verstanden werden. Im Falle des ersten Inverkehrbringens mit Zustimmung des Markeninhabers wird damit klargestellt, daß für die weiteren Vertriebshandlungen nach Art. 5 MRRL keine erneute Zustimmung erforderlich ist 217 . Im Ergebnis ist daher eine verteilte Beweislast für die markenrechtliche Erschöpfung zu befürworten. Danach muß der Markeninhaber im Falle der Produktion im EWR den Weg zum Erstkäufer, im Falle der Herstellung der Markenware in Drittstaaten tatsächliche Anhaltspunkte für die unberechtigte Einfuhr in den EWR darlegen und beweisen. Erst dann trifft den Parallelimporteur die Darlegungs- und Beweislast für den Einwand der Erschöpfung. dd) Erschöpfung als Instrument der Handelspolitik Der EuGH hat in der Begründung der Silhouette-Entscheidung weitgehend auf handelspolitische Argumente, die zuvor bereits von der Kommission vorgetragen worden waren, abgestellt. Wesentlicher Bestandteil dieser Argumentation ist der Verweis auf die Möglichkeit des völkerrechtlichen Aushandelns der internationalen Erschöpfung in Verträgen mit Drittstaaten. Letztlich hat er die Frage der Erschöpfung damit für die Außenhandelspolitik instrumentalisiert. Die Gemeinschaft soll nicht durch Anerkennung der internationalen Erschöpfung einseitige Vorleistungen im Verhältnis zu Drittstaaten, die diesen Grundsatz nicht kennen, erbringen und dadurch die Unternehmen in der Gemeinschaft benachteiligen. Vielmehr soll die internationale Erschöpfung Gegenstand völkerrechtlicher Verträge der zuständigen Gemeinschaftsstellen mit Drittländern sein, die die Gegenseitigkeit verbürgen218 • (1) GemeinschaJtskompetenz

Bei dieser Argumentation fallt zunächst auf, daß der EuGH ganz selbstverständlich eine EG-Kompetenz zum Abschluß solcher Erschöpfungsregelungen annimmt. Das verwundert angesichts der Tatsache, daß er noch im Gutachten 1/94 vom 15. November 1994 festgestellt hat, daß die Gemein217 Vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 24 Rz. 15 zum deutschen Markenrecht; a. A. Schricker, Rechtsgutachten zur Beweislast bei Markenverletzungen, Anti Piracy News, Dez. 1996, S. 11 ff. 218 EuGHE 1998, 1-4799, 4832 Rz. 30 - Silhouette; Kommissionsmitglied Narjes zum geänderten Vorschlag zur MRRL, abgedr. bei Klaka, GRUR 1994, 321, 325.

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schaft nicht über eine ausschließliche Kompetenz zum Abschluß völkerrechtlicher Abkommen auf dem Gebiet des Schutzes des geistigen Eigentums verfügt, sondern daß in diesem Bereich sog. "gemischte Abkommen" von EG und Mitgliedstaaten erforderlich sind219 • Die Aussage in Silhouette kann daher nur so verstanden werden, daß der EuGH die Erschöpfungsfrage als eine rein handelspolitische Frage versteht, für die die Gemeinschaft nach Art. 133 (113) EGV ausschließlich kompetent ist, oder daß er jedenfalls nach der AETR-Doktrin 22o davon ausgeht, daß für die Erschöpfungsfrage durch MRRL und GMVO eine Innenkompetenz realisiert wurde und sich somit nun auch eine parallele ausschließliche Außenkompetenz der Gemeinschaft ergebe. Dann aber überrascht die Argumentation des EuGH in der vorherigen Passage, daß nämlich die Erschöpfungsvorschrift des Art. 7 MRRL nicht die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern regle, also keine handelspolitische Vorschrift darstelle, sondern lediglich die Rechte von Markeninhabern in der Gemeinschaft festlege. Die Argumtentation des EuGH ist in diesem Punkt inkonsistent221 • Richtigerweise ist davon auszugehen, daß völkerrechtliche Verträge, in denen mit Drittstaaten die internationale Erschöpfung auf Gegenseitigkeitsbasis vereinbart wird, als Handelsregelung im Sinne des Art. 133 (113) EGV der Gemeinschaftskompetenz unterliegen 222 • (2) Vereinbarkeit mit TRIPS/GATT-Recht

Es stellt sich die Frage, ob völkerrechtliche Abkommen, in denen die internationale Erschöpfung auf Gegenseitigkeitsbasis ausgehandelt werden soll, nicht der Meistbegünstigungsklausel des Art. 4 TRIPS unterliegen, so daß der Abschluß eines solchen Vertrages dazu führte, daß sich die Parallelimporteure aus allen Mitgliedstaaten des TRIPS auf Erschöpfung berufen könnten. Angesichts der Ratifikationslage des TRIPS bedeutete das dann eine beinahe weltweite Erschöpfung. Art. 4 TRIPS bestimmt, daß "in bezug auf den Schutz des geistigen Eigentums ... Vorteile, Vergünstigungen, Sonderrechte und Befreiungen, die von einem Mitglied den Angehörigen eines anderen Landes gewährt werden, sofort und bedingungslos den AngehöriEuGHE 1994,1-5267,5419 Rz. 105. EuGHE 1971, 263 - AETR. 221 Der EFfA-Gerichtshof beurteilt die Frage, ob Art. 7 Abs. 1 MRRL, wenn er als Verbot der internationalen Erschöpfung verstanden wird, den Außenhandel betrifft, offensichtlich anders als der EuGH und bezeichnet dieses Problem zu Recht als handelspolitische Frage, Maglite-Gutachten Nr. 27, GRUR Int. 1998,309, 311. 222 Sowohl nach der finalen Theorie des Rates als auch nach der instrumentalen Theorie der Kommission läge bei der expliziten Regelung der internationalen Erschöpfung eine Handelsregelung i. S. d. Art. 133 (113) EGV vor, vgl. GTE-Bourgeois, Art. 113 Rz. 2ff. und unten Teil I, D. H. 1. d) aa). 219 220

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gen aller anderen Mitglieder gewährt" werden. Nach Art. 6 TRIPS findet die Meistbegünstigungsklausel des Art. 4 TRIPS ausdrücklich auch für die Frage der Erschöpfung Anwendung. Art. 4 TRIPS wäre allerdings nicht einschlägig, wenn es sich bei der Vereinbarung der internationalen Erschöpfung nicht um eine "Vergünstigung" o. ä. im Sinne dieser Vorschrift handelte. Teilweise wird die Auffassung vertreten, das TRIPS-Übereinkommen habe die internationale Verstärkung des Schutzes der Rechte des geistigen Eigentums zum Ziel. Aus Sicht des Rechtsinhabers aber bedeute die Vereinbarung der internationalen Erschöpfung eine Schwächung seiner Rechte und somit gerade keine Vergünstigung 223 . Für eine Beurteilung der Frage der Begünstigung allein aus Sicht des Rechtsinhabers könnte auch die Formulierung "in bezug auf den Schutz des geistigen Eigentums" in Art. 4 TRIPS sprechen.

Diese Argumentation steht und flillt aber letztlich mit der Prämisse, das TRIPS-Übereinkommen ziele auf einen verstärkten Schutz des geistigen Eigentums zum Wohle der Rechtsinhaber ab. Dieser Annahme steht aber schon der eindeutige Wortlaut der Zielbestimmung des Art. 7 TRIPS entgegen, wonach der Schutz von Rechten des geistigen Eigentums nicht einseitig den Rechtsinhabern zugute kommen, sondern einen Interessenausgleich zwischen Rechtsinhabern und Nutzern herstellen so1l224. Danach könnten Vergünstigungen im Sinne des Art. 4 TRIPS also auch solche sein, die den Nutzern geistiger Eigentumsrechte - hier also Konsumenten und Parallelimporteuren - zugute kommen. Diese Argumentation wird auch der Stellung des TRIPS im größeren Rahmen der WTO gerecht. In der bisherigen Praxis des GATT waren "Vorteile, Vergünstigungen, Vorrechte oder Befreiungen,,225 als solche zum Abbau von Handelsschranken verstanden worden. Aus der Präambel des TRIPS-Übereinkommens ergibt sich, daß auch hier das Ziel im Vordergrund steht, "Verzerrungen und Behinderungen des internationalen Handels zu verringern '" sowie sicherzustellen, daß die Maßnahmen und Verfahren zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums nicht selbst zu Schranken für den rechtmäßigen Handel werden,,226. Zur Verwirklichung dieses Zwecks wird explizit auf die Notwendigkeit der Anwendung der Grundprinzipien des GATT 94, wozu die Meistbegünstigung zweifelsfrei gehört, hingewiesen 227 . Die Auslegung des TRIPS-Übereinkommens, die im Einklang mit dem Gesamtkontext von GATT IWTO steht, führt zu dem Ergebnis, daß die Vereinbarung der internationalen Wichard, GRUR 1997,711,714; Sack, WRP 1998,549,563. Zum Ziel des TRIPS s. auch unten Teil 11, B. III.; vgl. dazu auch Albert/ Heath, GRUR 1998,642,646. 225 Art. I GATI 94, Allgemeine Meistbegünstigung. 226 TRIPS-Präambel, Abs. 1. 227 TRIPS-Präambel, Abs. 2 a). 223

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Erschöpfung auf Gegenseitigkeitsbasis von der Meistbegünstigungsklausel des Art. 4 TRIPS erfaßt würde. Dieses Ergebnis stimmt auch mit den Ausführungen des EuGH in seinem Gutachten 1/94 überein, wo genau zur Frage der Erschöpfungsregelung festgestellt wird, daß ,jedes Land, das Mitglied des TRIPs ist, durch den Grundsatz der Meistbegünstigung daran gehindert [ist], gegenüber den Staatsangehörigen von Drittländern nach Maßgabe ihrer Staatsangehörigkeit unterschiedliche Vorschriften anzuwenden,m8. Würde in den Handelsverträgen nicht auf die Staatsangehörigkeit abgestellt, sondern nur auf den Ort des ersten Inverkehrbringens im Vertragsland, wäre die allgemeine Meistbegünstigungsklausel des Art. I GATI 94 einschlägig229 . Allerdings sind nach Art. XXIV GATI 94 Ausnahmen im Rahmen von Freihandelszonen und Zollunionen möglich. Teilweise wird bestritten, daß die Voraussetzungen dieser Privilegierungsvorschrift erfüllt seien23o . Da die Vorschriften angesichts politischen Drucks in der Praxis aber sehr großzügig angewendet werden 231 und sich die EU-Delegation in den UruguayRunden-Verhandlungen ausdrücklich für die Anwendbarkeit aussprach232 , ist davon auszugehen, daß sie im Sinne der EU als erfüllt betrachtet werden können. Soll also eine Ausweitung der Vereinbarung internationaler Erschöpfung in einem völkerrechtlichen Vertrag zwischen der EU und einem Drittstaat auf alle Mitgliedstaaten der WTO vennieden werden, müssen sich diese Verträge im Rahmen von Freihandelszonen und Zollunionen halten. Damit ist der Anwendungsbereich dieses "Aushandeins" erheblich eingeschränkt. Derzeit bestehen Freihandelsabkommen der EU mit Malta, Zypern und der Schweiz233 ; außerdem sehen die Europaabkommen mit den mittel- und osteuropäischen und drei baltischen Staaten234 die schrittweise Errichtung einer Freihandelszone vor, innerhalb derer dann eine solche Vereinbarung möglich wäre. Mit der Türkei wurde zwar eine 228 EuGH, Gutachten 1194, EuGHE 1994,1-5267, 5297; vgl. auch AlbertlHeath, GRUR 1998,642,646. 229 Zu dieser Problematik vgl. unten Teil 11, B. III. 2. und D. 11. 3. 230 Marx, in: Baudenbacher, Aktuelle Probleme des Europäischen und internationalen Wirtschaftsrechts, S. 282; Stucki, Trademarks and Free Trade, S. 54. 231 Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 9 Rz. 6. 232 BaU, in: Oppermann/Molsberger, A New GATT far the Nineties and Europe '92, S. 251; Soltysinski, GRUR Int. 1996,316,319. 233 GTE-Weber, Art. 238 Rz. 57ff., 61. 234 GTE - Weber, Art. 238 Rz. 72 ff., 80. Mit den drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen wurden bereits im Sommer 1994 Freihandelsabkommen geschlossen, die seit 1. 1. 1995 in Kraft sind. Am 10.6. 1995 folgte der Abschluß der Europaabkommen. Außerdem wurde noch ein Europaabkommen mit Slowenien geschlossen, ABI. 1999, L 51/1. Zu den Freihandels- und Europaabkommen der EG s. auch oben Teil I, C. 11. 2. a), c).

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

Zollunion235 errichtet, allerdings die Erschöpfungsfrage ausdrücklich ausgeklammert 236 • Für andere Drittstaaten, mit denen eine Erschöpfungsregelung getroffen werden soll, kommt nur der Beitritt zur EU oder der Abschluß eines Freihandelsabkommens in Betracht. (3) Tatsächliche Notwendigkeit des Aushandelns der internationalen Erschöpfung/Regelungen der wichtigsten Handelspartner

Mit dem in der Silhouette-Entscheidung erwähnten Handelsvertragsvorbehalt soll gewährleistet werden, daß die EU durch Einführung der internationalen Erschöpfung nicht einseitig Vorleistungen im Verhältnis zu ihren Handelspartnern, die von der nationalen Erschöpfung ausgehen, erbringt. Von einer so wesentlichen Vorleistung, wie der EuGH glauben machen will, kann jedoch keine Rede sein. Denn die wichtigsten Handelspartner der EG, aus denen bisher Parallelimporte in die EG gelangten, sehen bereits die internationale Erschöpfung im Markenrecht vor. In den USA ist die internationale Erschöpfung im Markenrecht seit der K-Mart-Entscheidung des USSupreme Court von 1988 weitgehend anerkannt 237 • Und auch in nahezu allen asiatischen Ländern einschließlich Japans238 , in Norwegen 239 und in der Schweiz240 wird von der weltweiten Erschöpfung von Markenrechten m GTE-Weber, Art. 238 Rz. 69ff.; vgl. BullEG 11/1993, Ziff. 1.3.27; 12/1995, Ziff. 1.4.67; 4/1996 Ziff. 1.4.59. 236 Art. 10 Abs. 2 Anhang 8 des Zollunionsbeschlusses lautet: "Dieser Beschluß sieht eine Erschöpfung der Rechte an geistigem, gewerblichem und kommerziellem Eigentum in den Handelsbeziehungen zwischen den beiden Vertragsparteien im Rahmen dieses Beschlusses nicht vor", ABI. 1996, L 3511, 43, 45. 237 486 U.S. 281 (1988) - K mart Corp . ./. Cartier Inc. = GRUR Int. 1989, 68 mit Anm. Hoebbel. Zur sog. "first sale-Doktrin" vgl. Abbott, First Report, JIEL 1998, 607, 629 f. m. w. N. Im Falle von Produktdifferenzierungen hat sich allerdings eine restriktive Handhabung dieser Doktrin herausgebildet, indem an die Unterschiede zwischen den einzelnen Originalprodukten nur geringe Anforderungen gestellt werden; Nordemann, DZWir 1995, 315, 319. In den USA ließ der Supreme Court letztens sogar den Parallelimport urheberrechtlich geschützter Erzeugnisse zu, Urt. v. 9.3.1998 - Quality King Distributors Inc ./. L' Anza Research International Inc., nc 1998, 472. Allerdings sind zum Urheberrecht derzeit Gesetzgebungsarbeiten im Gange, die die nationale Erschöpfung vorsehen, vgl. JaUer, GRUR Int. 1998, 751, 762 Fn. 110. 238 AlbertlHeath, GRUR 1998, 642, 646. Der Japanische Supreme Court ließ sogar den Parallelimport patentierter Waren zu, allerdings auf der Grundlage der implied licence-Doktrin, Urt. v. 1. 7.1997, GRUR Int. 1998, 168 - Kraftfahrzeugfelgen m, näher dazu unten Teil 11, G. 11. 1. a). 239 Dazu Maglite-Gutachten des EFTA-Gerichtshofs Nr. 4, GRUR Int. 1998, 309. 240 Schweizerisches Bundesgericht, Urteil vom 23.10.1996, BGE 122 III 469, "ChaneI" = GRUR Int. 1998, 520. Auch in der Schweiz wurde die internationale Erschöpfung für das urheberrechtliche Verbreitungsrecht anerkannt: Entscheidung

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ausgegangen. Mit diesen Staaten müßten daher möglichst bald entsprechende Verhandlungen aufgenommen werden. Dies ist schon deshalb erforderlich, weil die Gefahr, daß Drittstaaten, die die internationale Erschöpfung anerkennen, sich nunmehr die Argumentation der EU zu eigen machen und sich ebenfalls ein Faustpfand besorgen wollen241 , nicht von der Hand zu weisen ist. Im Verhältnis zu den USA werden bereits Verhandlungen über Wirtschaftsfragen geführt. Im März 1998 hatte die Kommission Vorschläge über den Abschluß eines Abkommens zur Schaffung eines Neuen Transatlantischen Marktes unterbreitet242 • Auf ihrem Gipfeltreffen im Mai 1998 verständigten sich die EU und die USA dann aber u. a. auf eine Transatlantische Partnerschaft im Bereich der Wirtschaft (TEP), wodurch die Kommissionsvorschläge hinf3.1lig wurden 243 • Die Regelung der Erschöpfungsfrage ist soweit ersichtlich zwar noch nicht Gegenstand der Verhandlungspunkte im Rahmen des Aktionsplans zur Umsetzung der TEP. Da sich die TEP aber ohnehin schwerpunktmäßig mit der Beseitigung noch bestehender Handeishemmnisse und Marktzugangsschranken beschäftigt, würde sich die Vereinbarung der internationalen Erschöpfung nahtlos einfügen. Problematisch im Verhältnis zu den USA ist allerdings, daß keine Freihandelszone besteht und die Schaffung einer solchen angesichts möglicher negativer Folgen für eine weltweite Liberalisierung derzeit auch nicht mehr befürwortet wird 244 • Damit erlangte im Fall der Vereinbarung der internationalen Erschöpfung Art. 4 TRIPS Geltung, so daß eine Erstreckung dieser Vereinbarung auf alle Mitgliedstaaten des TRIPS stattfände. Dasselbe Problem stellt sich im Verhältnis zu den meisten der erwähnten Handelspartner. In der TEP-Vereinbarung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß eine verstärkte Partnerschaft dazu beitragen kann, einer stärkeren Öffnung des Welthandels den Weg zu bereiten245 • Möglicherweise bleibt die Neuregedes Schweizerischen Bundesgerichts vom 20.7.1998, BGE 124 III 321, ,,Nintendo" = GRUR Int. 1999, 362. Ebenso zum Patentrecht: Urteil des Handelsgerichts Zürich vom 23.11.1998, "Kodak", GRUR Int. 1999,555. 241 Darauf wird zutreffend hingewiesen von Camish, EIPR 1998, 172; laUer, GRUR Int. 1998,751,762. 242 VgI. Stellungnahme des WSA zum Thema "Die transatlantische Partnerschaft im Bereich der Wirtschaft", ABI. 1998, C 407/263 (1.3., 1.4.). 243 Stellungnahme des WSA zum Thema "Die transatlantische Partnerschaft im Bereich der Wirtschaft", ABI. 1998, C 407/263,264 (1.5.). 244 1994 hatten einige europäische Regierungschefs den Vorschlag einer Intensivierung der Handelsbeziehungen zu den USA in Gestalt der Transatlantischen Freihandelszone (TAFTA) unterbreitet, der allerdings auf ablehnende Haltung der USA stieß. Die in der TEP enthaltenen Vorschläge zielen nicht auf die Schaffung eines transatlantischen Binnenmarktes, vgI. Stellungnahme des WSA zum Thema "Die transatlantische Partnerschaft im Bereich der Wirtschaft", ABI. 1998, C 407/263, 265 (1.1., 3.3.1.).

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Paralle1importen

lung der Erschöpfungsfrage damit einer neuen WTO-Verhandlungsrunde vorbehalten. (4) Abschließender Handelsvertragsvorbehalt oder verbleibende Entscheidungskompetenz des nationalen Richters?

Der EuGH hat in der Silhouette-Entscheidung bei seinem Verweis auf die Möglichkeit der Vereinbarung der internationalen Erschöpfung in Handelsverträgen die Gegenseitigkeit einer solchen Regelung vorausgesetzt. Wie oben dargelegt, ergibt sich als weitere Voraussetzung aus Art. 4 TRIPS, Art. XXIV GATI 94 die Beschränkung solcher Verträge auf Freihandelszonen bzw. Zollunionen. Außerdem wurde darauf hingewiesen, daß einige wesentliche Handelspartner der EU bereits die internationale Erschöpfung anwenden. Unter diesen Voraussetzungen ist zu erwägen, ob auch der nationale Richter die internationale Erschöpfung anerkennen kann. Diese Überlegung ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der MRRL. Im ersten Vorschlag zur MRRL war noch zwingend die internationale Erschöpfung vorgesehen. Nachdem diese Regelung bereits in den Beratungen des Wirtschafts- und Sozialausschusses sowie des Rechtsausschusses in die Kritik geraten war, kam in den Verhandlungen des Europäischen Parlaments zur Sprache, daß es unklug sei, "der Kommission zum jetzigen Zeitpunkt Zwänge aufzuerlegen, da diese mit Drittländern wie Japan, den Vereinigten Staaten und Skandinavien darüber verhandeln muß, ob diese der weltweiten Erschöpfung zustimmen werden, falls wir es tun,,246. In dieser Verhandlung schloß sich die Kommission den vorgebrachten Argumenten letztlich an. Zwar sprächen markenrechtliche Gründe für die Beibehaltung der internationalen Erschöpfung, mögliche negative handelspolitische Auswirkungen sollten jedoch den Ausschlag geben. Diese Auswirkungen seien in einer Benachteiligung der Unternehmen in der Gemeinschaft gegenüber den Unternehmen in Drittstaaten, die die internationale Erschöpfung nicht kennen, zu sehen. Die Gemeinschaft würde im Verhältnis zu diesen Drittstaaten einseitige Vorleistungen erbringen. Allerdings wird zugleich darauf verwiesen, daß die Gemeinschaft im Sinne einer Förderung des internationalen Handels zum Abschluß völkerrechtlicher Verträge mit wichtigen HandeIspartnern befugt sein müsse, in denen die internationale Erschöpfung eingeführt werde 247 . In den Erläuterungen der Kommission zum geänderten Vorschlag der MRRL, der den heutigen Wortlaut des Art. 7 Abs. I MRRL enthielt, wurde 245 Stellungnahme des WSA zum Thema "Die transatlantische Partnerschaft im Bereich der Wirtschaft", ABl. 1998, C 407/263,266 (3.8.). 246 Berichterstatter Turner, Verhandlungen des Europäischen Parlaments v. 12.10.1983, Prot. Nr. 1304/112,113.

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klargestellt, daß sich die Kommission in Übereinstimmung mit den Ausschußvorschlägen dazu entschlossen habe, auf die internationale Erschöpfung zu verzichten, und auf die Ausführungen zum geänderten Vorschlag der GMVO, der nun ebenfalls im Gegensatz zum ersten Vorschlag nur noch die gemeinschaftsweite Erschöpfung vorsah, verwiesen 248 . Dort führte die Kommission aus, daß sich der Gemeinschaftsgesetzgeber mit der gemeinschaftsweiten Erschöpfung begnügen sollte. Die Gemeinschaft müsse aber befugt sein, "zu gegebener Zeit mit wichtigen Handelspartnern zwei- oder mehrseitige Verträge abzuschließen, durch die die internationale Erschöpfung von den Vertragsparteien eingeführt wird. Durch die Beschränkung auf die gemeinschaftsweite Erschöpfung wird der nationale Richter jedoch nicht daran gehindert, in besonders gelagerten Fällen, namentlich in Fällen, in denen auch ohne Vorliegen eines förmlichen Vertrages die Gegenseitigkeit verbürgt ist, über die gemeinschaftsweite Erschöpfung hinauszugehen,,249. Es stellt sich also die Frage, ob diese Möglichkeit auch nach der Silhouette-Entscheidung noch offensteht25o. Der EuGH stützte die SilhouetteEntscheidung auf Wortlaut, Systematik und Zweck der Erschöpfungsregelung. Zur Entstehungsgeschichte des Art. 7 Abs. I MRRL äußerte er sich nicht. Außerdem erwähnte der EuGH ausdrücklich nur die Möglichkeit des Abschlusses von Handelsverträgen. Das könnte dafür sprechen, daß diese Option abschließend die Möglichkeiten der Anwendung der internationalen Erschöpfung in der EU umschreibt. Andererseits wird durch den Verweis auf die Möglichkeit der Handelsverträge deutlich, daß der EuGH in dieser Frage das handelspolitische Ziel der Reziprozität als gesetzgeberischen Willen erkannt und anerkannt hat. Der Hinweis auf eine richterliche Entscheidungskompetenz fand in der Diskussion im Vorfeld der Entscheidung kaum Beachtung251 , und auch Generalanwalt Jacobs erwähnte ihn nicht in den Schlußanträgen. Daher war eine explizite Auseinandersetzung des EuGH mit dieser Möglichkeit im Urteil nicht zu erwarten. Da sich das Ergebnis des Urteils aber genau mit der Intention der Kommission deckt, erscheint es auch wahrscheinlich, daß der 247 Kommissionsmitglied Narjes, Verhandlungen des Europäischen Parlaments v. 12.10.1983, Prot. Nr. 13041l12, 12Of.; vgl. dazu insb. Harte-BavendammIScheller, WRP 1994,571,575; Klaka, GRUR 1994,321,325. 248 KOM (85), 793 endg., S. V. 249 KOM (84) 470 endg., Erläuterungen zu Art. 11. 250 Über die dahingehende Vorlagefrage eines dänischen Gerichts in dem Rechtsstreit Calvin Kline Trademark ./. Cowboyland AIS (GRUR Int. 1998, 533) ist vom EuGH noch nicht entschieden worden. 251 Soweit ersichtlich nur bei Harte-BavendammIScheller, WRP 1994, 571, 575; Rasmussen, EIPR 1995, 174, 177f.; Schanda, ÖBI. 1996, 167, 174; Shea, EIPR 1995, 350, 352. 12 Freylag

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

EuGH die von der Kommission angesprochene Möglichkeit der richterlichen Entscheidung für zulässig erachten wird252 . Dafür spricht auch, daß das vom EuGH angestrebte Ergebnis, nämlich die Verhinderung der einseitigen Vorleistung, so schneller erreicht werden kann als durch zum Teil langwierige Verhandlungen völkerrechtlicher Verträge. Damit wird der Anreiz für diese Drittstaaten, sich nun ebenfalls gegenüber der EU abzuschotten, genommen. Eine endgültige Klärung der Haltung des EuGH wird aber letztlich nur eine entsprechende Vorlagefrage bringen können. Dennoch soll bereits an dieser Stelle kurz angesprochen werden, wann ein solch "besonders gelagerter Fall", in dem der nationale Richter entscheiden darf, vorliegen könnte. Die Kommission selbst verwies bereits darauf, daß die Gegenseitigkeit der internationalen Erschöpfung gewährleistet sein müsse. Das ist der Fall, wenn der entsprechende Drittstaat die internationale Erschöpfung zuläßt. Ob die internationale Erschöpfung in besagtem Drittstaat zulässig ist, kann teilweise schwierig zu beurteilen sein, insbesondere wenn dieser Grundsatz nur durch die Rechtsprechung angewendet wird und wenn er nur unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. der Sicherheit, daß Verbraucher nicht getäuscht werden) gilt. Könnten die nationalen Gerichte in solchen Fällen autonom entscheiden, ob die Reziprozität verbürgt ist, bestünde die Möglichkeit unterschiedlicher Einschätzung in verschiedenen Mitgliedstaaten und damit die Gefahr, daß der Grundsatz der gemeinschaftsweiten Erschöpfung unterlaufen würde. Daher muß in solchen Fällen der EuGH im Wege der Vorabentscheidung nach Art. 177 EGV angerufen werden und die Prüfung vornehmen 253 • Da solche Entscheidungen nicht über die Meistbegünstigungsklausel des Art. 4 TRIPS zur Ausdehnung auf alle übrigen TRIPS-Vertragsstaaten führen sollen, ergibt sich als zweite Voraussetzung für richterliche Entscheidungen das Vorliegen eines Freihandelsabkommens oder das Bestehen einer Zollunion 254 • Da in der Zollunion mit der Türkei die Erschöpfungsfrage ausdrücklich ausgeklammert wurde 255 , beschränkt sich der Anwendungsbereich auf die bestehenden Freihandelsabkommen der EU mit Malta, Zypern und der Schweiz. Im Verhältnis zu den über Europaabkommen verbundenen Staa2S2 So auch Joller, GRUR Int. 1998, 751, 759. Vgl. auch das Urteil des englischen High Court (Chancery Division) vom 18.5.1999 im Fall "Davidoff" wo entschieden wurde, daß Großbritannien trotz der Silhouette-Entscheidung an der implied Iicence-Doktrin festhält und unter diesen Voraussetzungen weiterhin Drittlandsimporte zuläßt, Tbe Times, 24.5.1999; Abbott, Second Report, S. 5. 233 Ebenso Harte-BavendammIScheller, WRP 1994, 571, 577; Joller, GRUR Int. 1998,751,763; Rasmussen, EIPR 1995, 174, 178. 2S4 Dazu oben Teil I, D. II. 1. c) dd) (2). 2SS Art. IO Abs. 2 Anhang 8 des Zollunionsbeschlusses, ABI. 1996, L 35/1, 43, 45.

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ten stellt sich die Frage der richterlichen Entscheidungskompetenz, sobald die vorgesehenen Freihandelszonen errichtet sind und die internationale Erschöpfung im jeweiligen Staat anerkannt ist. Die Freihandels- und Europaabkommen der EU enthalten in der Regel Vorschriften, die den Art. 28, 30 (30, 36) EGV nachgebildet sind256 . Es stellt sich wie für das Patentrecht daher auch hier die Frage, ob aufgrund der den Art. 28, 30 (30, 36) EGV entsprechenden Vorschriften der Grundsatz der gemeinschaftsweiten Erschöpfung auch auf die Freihandelspartner ausgedehnt werden muß. Infolge der territorialen Beschränkung des markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatzes auf die regionale Erschöpfung ergibt sich in diesem Bereich nunmehr dieselbe Situation wie im Patentrecht, so daß auf die dortigen Darstellungen verwiesen werden kann 257 . Es ist also eine differenzierende Lösung zu vertreten, wonach die vom EuGH aufgestellten Prinzipien insoweit übertragbar sind, als sie nur auf den Freihandelsgrundsatz gestützt sind, nicht hingegen, soweit sie zur Verwirklichung des darüber hinausgehenden Binnenmarktes entwickelt wurden. In concreto ist wie folgt zu entscheiden: bei bloßem Marktabschottungsinteresse des Markeninhabers ist auch im Rahmen der FHA der Warenverkehrsfreiheit der Vorrang einzuräumen. Anders kann auch nicht entschieden werden, wenn weitere Interessen des Markeninhabers hinzutreten 258 , etwa im Fall der Produkt- oder Markendifferenzierung, da in der Rechtsprechung des EuGH hierzu allein aufgrund der Abwägung zwischen Freihandel und Markenschutz eine sehr ausgewogene Lösung entwickelt wurde 259 , durch die auch im Verhältnis zu Drittstaaten der Schutz des Markeninhabers gesichert werden kann. Die Rechtsprechung zur Ursprungsgleichheit260 , die nicht durch das Interesse des Freihandels gerechtfertigt war, hat der EuGH auch innerhalb der EG mittlerweile aufgegeben 261 , so daß sich diesbezüglich keine Probleme mehr ergeben. Da diese Vorschriften der Freihandelsabkommen unmittelbar anwendbar sind, hätte der nationale Richter unter den dargestellten Voraussetzungen die Geltung des Erschöpfungsgrundsatzes zu berücksichtigen. S. oben Teil I, C. H. 2. c). S. oben Teil I, C. H. 2. c) . . 258 Bedenken äußerte in diesen Fällen Schluep, in: Hefermehl/Ipsen/Schluep/Sieben, Nationaler Markenschutz und freier Warenverkehr in der Europäischen Gemeinschaft, S. 260, allerdings zu einer Zeit, zu der die Rechtsprechung des EuGH zu solchen Fällen noch in den Kinderschuhen steckte. Ebenfalls eher kritisch v. Bogdandy, in: Grabitz/v. Bogdandy/NeUesheim, Europäisches Außenwirtschaftsrecht, S. 80. 259 Dazu oben Teil I, D. I. 4., 5. 260 EuGHE 1974,731 - HAG I. 261 EuGHE 1990, I-3711 - HAG H; zur Problematik der Markenaufspaltung s. oben Teil I, D. I. 2. 256 257

12"

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

Will man dieser differenzierenden Lösung nicht folgen, sondern mit der bisherigen Rechtsprechung des EuGH den Erschöpfungsgrundsatz nicht auf alle Freihandelspartner ausdehnen, käme nach den dargestellten Kriterien eine Anwendung der internationalen Erschöpfung durch den nationalen Richter nUr in Betracht, wenn der entsprechende Freihandelspartner die Reziprozität gewährleistet262 .

d) Bewertung der Silhouette-Entscheidung und Darstellung der rechtlichen Grenzen einer möglichen Änderung von Art. 7 Abs. 1 MRRL In Anbetracht der Tatsache, daß die wesentlichen Handelspartner der EU die internationale Erschöpfung im Markenrecht anerkennen, kann die Silhouette-Entscheidung nur dahingehend verstanden werden, daß sie - jedenfalls kurz- und mittelfristig - auf den Aufbau einer Festung Europa zielt 263 . Mit der Idee des weltweiten Freihandels, der die EU nicht nUr nach Art. 131 (110) EGV, sondern auch durch den Beitritt ZUr WTO verpflichtet ist, ist eine solche Abschottung kaum zu vereinbaren. Über die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Abschottung besteht Uneinigkeit, werden doch Interund Intra-brand-Wettbewerb in der Wettbewerbstheorie unterschiedlich beurteilt. Da bisher kaum empirische Daten ZUr Verfügung standen, hatte die Europäische Kommission im April 1997 eine Studie über die mikround makroökonomischen Folgen der nUr regionalen Erschöpfung in Auftrag gegeben, auf deren Grundlage die Regelung des Art. 7 Abs. 1 MRRL neu überdacht werden soll. Diese Studie hat ergeben, daß die internationale Erschöpfung - unabhängig davon, ob sie einseitig oder nUr im Gegenseitigkeitsverhältnis eingeführt wird - kurzfristig voraussichtlich eine Senkung des Preisniveaus für die meisten Markenartikel in der EU zur Folge hätte. Außerdem wäre mit einem (allerdings geringfügigen) Anstieg der Beschäftigung in der EU zu rechnen. Auf der anderen Seite kommt die Studie zu dem Schluß, daß Einbußen der europäischen Industrie zu erwarten seien. Bei der einseitigen Einführung der internationalen Erschöpfung lägen diese Einbußen fÜr die meisten Markenartikelhersteller in einem mittleren Bereich bei etwa 15 %, im Falle des Aushandelns auf Gegenseitigkeitsbasis wären sie geringer. Längerfristige Vorhersagen seien kaum möglich, da 262 Auch bei der hier vertretenen differenzierenden Lösung wäre im Ergebnis die Reziprozität gewährleistet, weil es sich um die für beide Vertragspartner verbindliche und einheitliche Auslegung des Freihandels- oder Europaabkommens handelt. Sollte der Drittstaat diese Auslegung (Ausdehnung des gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfungsgrundsatzes) seinerseits allerdings nicht anerkennen, müßte die verbindliche Vertragsauslegung zunächst noch durch das für Auslegungsfragen zuständige Organ geklärt werden. 263 Zur gleichen Einschätzung gelangt Joller, GRUR Int. 1998, 751, 760.

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nicht kalkulierbar sei, wie die schwerer betroffenen Firmen auf die Gewinneinbußen reagieren werden 264 • Auch hatte die Silhouette-Entscheidung insbesondere in Österreich und Großbritannien einen Sturm der Entrüstung ausgelöst265 , die deutsche Arbeitsgemeinschaft für Verbraucherverbände hat ausdrücklich die Änderung der MRRL gefordert266• Die Regierungen einiger EU-Mitgliestaaten, darunter Großbritannien, Dänemark und Schweden, haben Studien über die internationale Erschöpfung erstellen lassen. Soweit diese veröffentlicht sind, wird in ihnen eine Präferenz für die internationale Erschöpfung deutlich 267 . Auf der Grundlage der NERA-Studie und eines in Ausarbeitung befindlichen Grundlagendokuments der Europäischen Kommission soll die Diskussion über die markenrechtliche Erschöpfung im Herbst 1999 auf EG-Ebene fortgeführt werden268 • Im folgenden sollen daher im Rahmen einer rechtlichen Bewertung der Silhouette-Entscheidung die rechtlich vorgegebenen Grenzen einer Änderung von Art. 7 Abs. 1 MRRL aufgezeigt werden. aa) Kompetenz der Gemeinschaft Die Erschöpfungsregelung des Art. 7 Abs. 1 MRRL kann nur dann im Sinne eines Verbots der internationalen Erschöpfung interpretiert werden, wenn die EG zu einer solchen Regelung überhaupt kompetent ist. Es geht also keinesfalls darum, der EG die Zuständigkeit zur Rechtsangleichung im Bereich des Markenrechts insgesamt abzusprechen, sondern nur um die Klärung der Frage, ob für die Spezialregelung der Erschöpfung von Markenrechten der Grundsatz der gemeinschaftsweiten Erschöpfung in der MRRL lediglich als Mindestregelung getroffen werden konnte oder ob auch eine verbindliche abschließende Regelung dieses Inhalts erlassen werden 264

C. III.

NERA-Studie S. 25 ff., insb. Table 6.1 und 6.2. Vgl. dazu auch Einführung,

265 Hartlauer: .. Urteil gegen die europäischen Konsumenten", Der Standard, 17.7.1998; ebenso Die Presse, 17.7.1998; Salzburger Nachrichten, 17.7.1998; Tiroler Tageszeitung, 17.7.1998; Griffiths: "Quite cJearly this is bad news for the consumers. lt allows foreign manufacturers to dictate the prices British consumers have to pay.", The Independent, 17.7.1998; McKechnie: "This runs completely counter to how the market is supposed to operate: consumers are supposed to set prices, not the manufacurers.", The Express, 17.7.1998; Financial Times, 17.7.1998; The Daily Telegraph, 17.7.1998. 266 Verbraucherpolitische Korrespondenz Nr. 15 vom 21. 7.1998, S. 7. 267 Vgl. dazu Abbott, Second Report, S. 6. 268 Auskunft vom 1. 7.1999 von Frau Marianne Gumaelius, Genraldirektion 15, an die Verfasserin. Zu einer ersten Anhörung der Mitgliedstaaten und der betroffenen Kreise zur NERA-Studie vgl. European Commission DG XV, Exhaustion of trademark rights: Commission organises meetings with Member States and interested parties, http://europa.eu.int/comm/dgI5/en/intprop/indprop/185.htm.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

konnte. Der EuGH hat mit dem Argument, die Erschöpfungsregelung sei eine Ausgestaltung der Rechte der Markeninhaber innerhalb der Gemeinschaft, eine EG-Kompetenz auf der Grundlage von Art. 95 (lOOa) EGV angenommen, sich mit dem weiteren Verweis auf die Möglichkeit des AushandeIns der internationalen Erschöpfung aber in Widersprüche verstrickt. Wie der EFTA-Gerichtshof hätte auch der EuGH richtigerweise die handelspolitische Tragweite der Erschöpfungsregelung anerkennen müssen 269 • ( 1) Diskussionsstand in der Literatur Die Kompetenz der Gemeinschaft zum Verbot des im nationalen Recht der Mitgliedstaaten geltenden internationalen Erschöpfungsgrundsatzes auf der Grundlage der allein auf Art. 95 (100 a a.F.) EGV gestützten MRRL wird teilweise bestritten27o • Die internationale Erschöpfung betreffe die Beziehungen zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern, sei daher nicht von der der Rechtsangleichung im Binnenmarkt dienenden Kompetenznorm des Art. 95 (lOOa) EGV gedeckt. Nach dem Gutachten 1/94 des EuGH zum WTO-Abkommen 271 stehe zudem die auswärtige Zuständigkeit in Fragen gewerblicher Schutzrechte nicht ausschließlich der Gemeinschaft ZU272 • Dagegen wird zur Untermauerung der EG-Kompetenz darauf hingewiesen, daß zwischen handelspolitischen Regelungen einerseits und Vorschriften über die Wirkung von Markenrechten innerhalb der Gemeinschaft andererseits unterschieden werden müsse. Das Verbot der internationalen Erschöpfung in der MRRL möge sich zwar auf den Außenhandel auswirken, eine "Regelung" der Beziehungen zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern sei darin aber nicht zu sehen. Geregelt würden nur die Rechte von Markeninhabern in der Gemeinschaft273 und darunter eben auch die Voraussetzungen, unter denen Markeninhaber gegen das Inverkehrbringen bestimmter Waren vorgehen könnten, die aus Drittländern eingeführt sein könnten, aber nicht sein müßten274 • Außerdem lasse sich gar nicht vermeiDazu bereits oben Teil I, D. 11. 1. c) dd) (1). Vgl. nur AlbertlHeath, GRUR 1996, 275, 277; Ebenroth, Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Warenverkehrsfreiheit, S. 29f.; Koppensteiner, ÖBl. 1994, 195, 202; Krauß, Die internationale Erschöpfung des Markenrechts unter Berücksichtigung der Gesetzgebung und der Markenfunktionen, S. 82ff.; Litpher, Die Auswirkungen der ersten Markenrechtsrichtlinie auf die Merkmale der Verwechslungsgefahr und der Erschöpfung im deutschen Markenrecht, S. 217. 271 EuGH, Gutachten 1/94 vom 15.11.1994, EuGHE 1994, 1-5267, 5419, Rz. 269

270

105.

272 Vortrag Schwedens im Vorabentscheidungsverfahren "Silhouette", Schlußanträge Nr. 45, EuGHE 1998,1-4799, 4813f. 273 EuGHE 1998,1-4799,4832 Rz. 29 - Silhouette. 274 Vgl. Schlußanträge des Generalanwalts Jacobs, EuGHE 1998, 1-4799, 4814 Nr. 46 - Silhouette; Sack, WRP 1989,549, 564.

D. Parallelimporte von Markenwaren

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den, daß Binnenmarktmaßnahmen Einfuhren aus Drittländern berührten. Das sei bei der unstreitig zulässigen Harmonisierung technischer Nonnen ebenso 275 . Art. 95 (100a) EGV bezwecke die Erleichterung der Verwirklichung des Binnenmarktes, worunter aber auch die Beseitigung von WettbewerbsverHilschungen falle. Solche Wettbewerbsverfälschungen ergäben sich aber gerade aus unterschiedlichen Erschöpfungsregelungen in den nationalen Markenrechten, da derjenige Markeninhaber, der gegen Parallelimporte aus Drittstaaten abgesichert sei, gegenüber demjenigen, der der internationalen Erschöpfung ausgesetzt sei, sich auch innerhalb der EU bzw. des EWR in einer besseren Wettbewerbsposition befinde. Jedenfalls aber sei es unschädlich, wenn eine Richtlinie zur Rechtsangleichung im Binnenmarkt Nebenaspekte mitregle, die die Außenbeziehungen der Gemeinschaft im Rahmen des Art. 133 (113) EGV beträfen276 . Teilweise wird eine EG-Kompetenz zur Regelung der Erschöpfungsfrage zumindest auf der Grundlage des Art. 133 (113) EGV bejaht, der angesichts der Tatsache, daß Art. 95 (lOOa) EGV in der zur Zeit des Erlasses der MRRL geltenden Fassung das Zusammenarbeitsverfahren und damit die gegenüber Art. 133 (113) EGV weitergehende Einbeziehung des Europäischen Parlaments vorsah, in der MRRL nicht ausdrücklich als weitere Rechtsgrundlage angeführt werden brauchte 277 • (2) Stellungnahme

Nach dem Prinzip. der begrenzten Einzelennächtigung (Art. 5 (3 b) Abs. 1, 7 (4) Abs. 1 UAbs. 2 EGV) bedürfen die Gemeinschaftsorgane für ihre Tätigkeit jeweils einer ausdrücklichen Kompetenzzuweisung in den Gründungsverträgen 278 . Für den hier betroffenen Bereich des Erlasses von Richtlinien ergibt sich das unmittelbar aus Art. 189 Abs. 1 EGV, wonach die Rechtsetzungsorgane "nach Maßgabe dieses Vertrages" die entsprechenden Rechtsakte erlassen. (a) Art. 95 (100a) EGV Die MRRL ist auf Art. 95 (100a) EGV gestützt, wonach "Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaa275 Vgl. Schlußanträge des Generalanwalts Jacobs, EuGHE 1998, 1-4799, 4814 Nr. 46 - Silhouette; Gaster, wbl 1997,47,52; Klaka, GRUR 1994,321, 325. 276 Loewenheim, GRUR 1996,307, 313f. 277 Sosnitza, WRP 1998, 951, 955 ff. 278 GTE-Zuleeg, Art. 3 b Rz. 2.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

ten, die die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben", erlassen werden können. Ziel der Rechtsangleichung nach Art. 95 (lOOa) EGV ist es, die Abschottungswirkung zu beseitigen, die sich aus den Unterschieden und der territorial beschränkten Geltung der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten ergibt279 • Art. 95 (lOOa) EGV ist anwendbar, wenn die zu ergreifenden Maßnahmen die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben und der Rechtsangleichung dienen 28o . Es ist somit zu prüfen, ob der Regelungsgehalt der vorgesehenen Maßnahme einen substantiellen Beitrag zur Errichtung des Binnenmarkts und der Sicherstellung seines Funktionierens leistet und ob Hindernisse ausgeräumt werden, die für die Wirkungsweise des Binnenmarktes aus der Unterschiedlichkeit oder der territorial beschränkten Anwendbarkeit der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten herrühren können281 . Dies gilt für die Harmonisierung der Erschöpfungsregelungen der Mitgliedstaaten jedenfalls insoweit, als die gemeinschaftsweite Erschöpfung als Mindestregelung festgelegt wird, weil dadurch Handelsschranken beseitigt werden, die sich daraus ergaben, daß Mitgliedstaaten wie z. B. Spanien282 nur den Grundsatz der nationalen Erschöpfung in ihrem Recht verankert hatten. Durch Art. 7 Abs. 1 MRRL würde insoweit die Rechtsprechung des EuGH zur gemeinschaftsweiten Erschöpfung von Markenrechten ausdrücklich festgeschrieben.

Ob das zwingende Verbot der internationalen Erschöpfung der genannten Voraussetzung der Sicherung des Binnenmarktes genügt, ist zweifelhaft. Auch ohne den in sämtlichen Mitgliedstaaten angewendeten Grundsatz der internationalen Erschöpfung können Importe aus Drittländern nicht frei in der Gemeinschaft zirkulieren. Da aus Sicht des Markeninhabers in einem nur die gemeinschaftsweite Erschöpfung vorsehenden Mitgliedstaat diese Waren gerade nicht i. S. d. Art. 7 Abs. 1 MRRL "von ihm oder mit seiner Zustimmung innerhalb der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht" wurden, kann er sich gegen deren Weiterimport wehren. Eine andere Handhabung liefe dem sich aus der Entstehungsgeschichte ergebenden Ziel der MRRL, die internationale Erschöpfung jedenfalls nicht verpflichtend einzuführen283 , GTE-Pipkom, Art. 110 a Rz. ll. Langeheine, in: Grabitz/Hilf, Art. lOOa Rz. 20, 43; GTE-Pipkom, Art. 100a Rz.25. 281 Langeheine, in: Grabirz/Hilf, Art. lOOa Rz. 41, 43; GTE-Pipkom, Art. lOOa Rz.25. 282 Art. 32 Abs. 1 spanisches Markengesetz enthält noch immer den Grundsatz der nationalen Erschöpfung, abgedruckt bei SchrickerlBastianlAlbert, Die Neuordnung des Markenrechts in Europa, S. 525 ff. 283 Dazu unten Teil I, D. 11. l. d) bb) (2). 279

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zuwider. Einziger Unterschied zwischen dem Verbot der internationalen Erschöpfung für alle Mitgliedstaaten und der bisherigen Lage ist damit der Umstand, daß aus Drittländern importierte Erzeugnisse nicht mehr in den Mitgliedstaat, der bisher die internationale Erschöpfung vorsah, gelangen können. Es ergeben sich insoweit aber keine weitergehenden Behinderungen für den freien Warenverkehr als sie bereits aufgrund der HAG 1I- und ldeal-Standard-Rechtsprechung des EuGH 284 bekannt sind. Angesichts der Tatsache, daß wegen der zulässigen Ausnahmen vom markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz sowie wegen der Gefahr des Verkaufs nachgeahmter Waren ohnehin gewisse Kontrollen an den Binnengrenzen zwischen den Mitgliedstaaten erforderlich sind, ist nicht ersichtlich, daß durch das allgemeine Verbot der internationalen Erschöpfung ein "substantieller Beitrag" zur Verwirklichung des Binnenmarktes geleistet würde. Darüber hinaus sollen nach Art. 95 (lOOa) EGVWettbewerbsverfälschungen aufgrund von Rechtsvorschriften, die miteinander konkurrierende Unternehmen in verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlich belasten, ausgeräumt werden; die internationale Wettbewerbsfahigkeit der Unternehmen in der EG ist durch Art. 163 (l30f.) EGV sogar ausdrücklich zum Bestandteil des Binnenmarktkonzepts im Sinne von Art. 7 a (früher 8 a) EGV gemacht worden 285 . Die Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen fällt jedenfalls dann unter Art. 95 (lOOa) EGV, wenn sich die Wettbewerbsverzerrungen auf den grenzüberschreitenden Verkehr von Waren auswirken (produktbezogene Wettbewerbsverfälschungen) oder daraus herrühren, daß die Produktionsbedingungen in einem Mitgliedstaat gegenüber denjenigen in anderen Mitgliedstaaten rechtlich nachteiliger ausgestaltet sind (standortbezogene Wettbewerbsverfälschungen)286. Das Verbot der internationalen Erschöpfung stellt keine produktbezogene Norm im Sinn dieser Vorschrift dar, da sie völlig unabhängig von der Art des Produkts an den Ort des Inverkehrbringens anknüpft. Genau aus diesem Grunde ist auch der Vergleich mit technischen Harmonisierungsvorschriften, die zweifelsohne produktbezogene Normen darstellen, verfehlt. Die Zulassung der internationalen Erschöpfung im nationalen Recht einzelner Mitgliedstaaten könnte allenfalls zu sog. standortbezogenen Wettbewerbsverfälschungen führen, indem Unternehmen dieser Mitgliedstaaten der Konkurrenz durch Parallel importe ausgesetzt sind, während Unternehmen im Bereich der nur gemeinschaftsweiten Erschöpfung davor verschont blei284 EuGHE 1990, 1-3711 - HAG 11; EuGHE 1994,1-2789 -, Ideal-Standard; siehe dazu auch oben Teil I, D. I. 2. 285 Langeheine, in: Grabitz/Hilf, Art. 100a Rz. 20; GTE-Pipkom, Art. 100a Rz. 17. 286 Langeheine, in: Grabitz/Hilf, Art. 100a Rz. 48; GTE-Pipkom, Art. 100a Rz.18.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallel importen

ben 287 • Unter die sog. standortbezogenen Wettbewerbsverfalschungen fallen Rechtsunterschiede bei Arbeitsschutzbestimmungen, Umweltschutzvorschriften oder steuerrechtlichen Regelungen, die die Chancengleichheit der Unternehmen im Binnenmarkt beeinträchtigen können, indem sie zu wettbewerbsverfalschenden Kostenbelastungen der Unternehmen führen oder Produktionsverlagerungen nach sich ziehen können 288 . All diesen Vorschriften ist gemein, daß sie an die Produktion von Erzeugnissen in einem bestimmten Mitgliedstaat (nämlich demjenigen, in dem diese Vorschriften gelten) anknüpfen. Es handelt sich also auch hierbei letztlich um (zumindest mittelbare) Produktionsbedingungen. Dagegen werden durch die internationale Erschöpfung keine Produktionsbedingungen vorgegeben, sondern es wird ein auf das Erzeugnis selbst bezogenes Schutzrecht begrenzt und dadurch die Ware der Konkurrenz durch Parallelimporte ausgesetzt. Die Liberalisierung und Erhöhung des Wettbewerbs ist aber nicht mit der Erschwerung des Wettbewerbs durch Kostenbelastung/Produktionsauflagen vergleichbar und stellt daher keine Weubewerbsverfalschung i. S. d. Art. 95 (lOOa) EGV dar289 • Jedenfalls aber sollte ausweislich des 3. Erwägungsgrundes der MRRL gar keine vollständige Angleichung der nationalen Markenrechte und folglich auch kein vollständiger Abbau von Wettbewerbsunterschieden vorgenommen werden. Ausdrücklich wurden den nationalen Gesetzgebern gewisse Bereiche zur Regelung überlassen, insbesondere die Frage des Schutzes bekannter Marken, die sicher von einiger Bedeutung für die Chancengleichheit der betroffenen Unternehmen ist. Daß aber die Zulassung der internationalen Erschöpfung keine sich "am unmittelbarsten auf das Funktionieren des Binnenmarktes" auswirkende Vorschrift darstellt, wurde oben bereits dargelegt. Auf eine Kompetenz, die vom Richtliniengeber ganz bewußt nicht wahrgenommen wurde, kann die Erschöpfungsregelung daher auch nicht gestützt werden 290 . Die Heranziehung von Art. 95 (lOOa) EGV wird jedoch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Rechtsangleichungsmaßnahme Regelungen enthält, die zwar nicht zur Errichtung und zum Funktionieren des Binnenmarktes beitragen, die aber gegenüber dem wesentlichen von Art. 95 (lOOa) EGV erfaßten Regelungsinhalt rein akzessorischen oder nebensächlichen Charakter haben. Allerdings geht es in diesem Zusammenhang nicht um materielle Regelungen, sondern lediglich um verfahrensmäßige Vorkehrungen bzw. die 287 So argumentieren Loewenheim, GRUR Int. 1996, 307, 313; Sack, RIW 1994, 897,900. 288 GTE-Pipkom, Art. l00a Rz. 19f. 289 In diesem Sinne auch Sosnitza, WRP 1998,951,956. 290 So auch AlbertlHeath, GRUR 1996,275,277; Marx, in: Baudenbacher, Aktuelle Probleme des Europäischen und Internationalen Wirtschaftsrechts, S. 263 ff.

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Errichtung von Gemeinschaftsstellen zur Durchführung des Hauptregelungsinhalts der Maßnahme 291 . Das Verbot der internationalen Erschöpfung kann angesichts seiner Auswirkungen auf den Handel mit Drittstaaten jedoch nicht als bloß untergeordnete, akzessorische Regelung im Rahmen der Angleichung des Markenrechts in der Gemeinschaft angesehen werden 292 , so daß es nicht von der Annexkompetenz nach Art. 95 (100a) EGV gedeckt ist. (b) Art. 133 (113) EGV Auch wenn Art. 133 (113) EGV in der MRRL nicht ausdrücklich als Rechtsgrundlage genannt wird, so könnte er doch objektiv die Ermächtigung zum Verbot der internationalen Erschöpfung durch die Gemeinschaft darstellen. Der Ausschluß der internationalen Erschöpfung durch Art. 7 Abs. 1 MRRL müßte als Maßnahme i.S.d. Art. 133 (113) EGV zu qualifizieren sein. Die Beurteilung des Vorliegens einer Handelsregelung i. S. d. Art. 133 (113) EGV ist umstritten. Der Streit wird von den unterschiedlichen Positionen von Rat und Kommission geprägt 293 . Nach der sog. finalen Theorie des Rates fällt ein Rechtsakt unter Art. 133 (113) EGV, wenn er "zur Beeinflussung des Handelsvolumens oder der Handelsströme" vorgenommen wird294 . Da sich aus den Erwägungsgründen zur MRRL als einziges Ziel der MRRL die Rechtsangleichung im Binnenmarkt ergibt, wäre die betreffende Erschöpfungsregelung also nicht von Art. 133 (113) EGV gedeckt. Nach der sog. instrumentalen Theorie der Kommission liegt eine Handeisregelung i. S. d. Art. 133 (113) EGV vor, wenn der Rechtsakt ein "Instrument zur Regelung des internationalen Handels" darstellt, also objektiv geeignet ist, der Regelung des internationalen Handels zu dienen 295 . Da der Ausschluß der internationalen Erschöpfung zur Folge hat, daß der Markeninhaber den Parallelimport aus Drittländern untersagen und somit den Vertrieb dieser Waren in der Gemeinschaft kontrollieren kann, sind objektive Auswirkungen auf den internationalen Handel nicht zu bestreiten. GTE-Pipkom, Art. l00a Rz. 25,45. Ebenso Litpher, Die Auswirkungen der ersten Markenrechtsrichtlinie auf die Merkmale der Verwechslungsgefahr und der Erschöpfung im deutschen Markenrecht, S. 218f.; Sosnitza, WRP 1998,951,956; a.A. wohl Loewenheim, GRUR Int. 1996,307,314. 293 Siehe dazu GTE-Bourgeois, Art. 113 Rz. 2ff. 294 EuGHE 1979, 2871, 2884ff. - Internationales Naturkautschukübereinkommen; EuGHE 1994,1-5267, 5315f. - Gutachten 1/94 GATS und TRIPs. 295 EuGHE 1979, 2871, 2884ff. - Internationales Naturkautschukübereinkornmen; Kombination aus finaler und instrumentaler Theorie in EuGHE 1994, 1-5267, 5313 ff. - Gutachten 1/94 GATS und TRIPs. 291

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

Nach wohl h. L. 296 werden von Art. 133 (113) EGV alle Maßnahmen erfaßt, die den Handelsverkehr mit Drittländern offen und spezifisch regeln, mit Ausnahme solcher, die ausdrücklich durch andere Vertragsbestimmungen geregelt sind. Angesichts des unklaren Wortlauts des Art. 7 Abs. 1 MRRL kann von einer offenen und spezifischen Handelsregelung jedoch keine Rede sein. Der EuGH hat eine Entscheidung zwischen den genannten Theorien in seiner Rechtsprechung weitgehend vermieden und im wesentlichen beide Ansätze miteinander verbunden 297 • In seinem Gutachten 1/94 hat er jedoch erklärt, daß der Zusammenhang zwischen geistigem Eigentum und Warenverkehr, der darin besteht, daß die Rechte an geistigem Eigentum es ihren Inhabern erlauben, Dritte an der Vornahme bestimmter Handlungen, die sich auf den Handel auswirken, zu hindern, nicht genüge, um diese Rechte in den Anwendungsbereich von Art. 133 (113) EGV fallen zu lassen 298 . Außerdem hat er in seiner Silhouette-Entscheidung betont, daß Art. 7 MRRL nicht die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern regle, sondern die Rechte von Inhabern von Marken in der Gemeinschaft festlege 299 • Andererseits spricht der EuGH gleich darauf von der Möglichkeit der zuständigen Gemeinschaftsstellen, die Erschöpfung durch den Abschluß völkerrechtlicher Verträge mit Drittstaaten auszuhandeln 3OO, was darauf hindeutet, daß die Erschöpfungsfrage eben doch als handelspolitisches Instrument betrachtet wird. Angesichts der Tatsache, daß die gemeinsame Handelspolitik nach Art. 131 (110) Abs. 1 EGV zum Ziel hat, zur harmonischen Entwicklung des Welthandels und zur Beseitigung der Beschränkungen im internationalen Handelsverkehr beizutragen, sollte das Verbot der internationalen Erschöpfung, das als protektionistische Maßnahme diesen Zielen zuwiderläuft, nicht als von Art. 131 (113) EGV gedeckt angesehen werden 30I .

GTE-Bourgeois, Art. 113 Rz. 5f. m.w.N. EuGHE 1979, 2871, 2909 - Internationales Naturkautschukübereinkommen; GTE-Bourgeois, Art. 113 Rz. 4; Streinz, Europarecht, Rz. 630. 298 EuGH, Gutachten 1/94, EuGHE 1994, 1-5267, 5273, 5405 Leitsatz 13 und Rz.57. 299 EuGHE 1998,1-4799,4832 Rz. 29 - Silhouette. 300 EuGHE 1998,1-4799,4832 Rz. 30 - Silhouette. 301 So auch OLG Stuttgart, Urt. v. 3.9.1993, 2 U 291192; AlbertlHeath, GRUR 1996, 275, 277; a.A. Litpher, Die Auswirkungen der ersten Markenrechtsrichtlinie auf die Merkmale der Verwechslungsgefahr und der Erschöpfung im deutschen Markenrecht, S. 224; Sack, WRP 1998,549,566; Sosnitza, WRP 1998,951,956. 296

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Cc) Kompetenz kraft Sachzusammenhangs Zu denken wäre noch an eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs, aufgrund derer die Gemeinschaftsorgane diejenigen Maßnahmen treffen dürfen, die zum vollständigen und wirksamen Gebrauch einer ausdrücklich zugeteilten Kompetenz erforderlich sind302 • Diese käme in Betracht, wenn eine unterschiedliche Regelung der internationalen Erschöpfung in verschiedenen Mitgliedstaaten Einfluß auf den innergemeinschaftlichen Handel hätte, insbesondere etwa dadurch, daß Waren, die aufgrund der internationalen Erschöpfung in einen Mitgliedstaat gelangt sind, dann im Binnenmarkt frei zirkulieren könnten. Wie oben dargestellt, ist dem aber nicht so, so daß sich keine weitergehenden Einschränkungen des freien Warenverkehrs ergeben als sie aufgrund der HAG II/Ideal-Standard-Rechtsprechung des EuGH ohnehin schon bestehen. Wie sich aus HAG lI/Ideal-Standard ergibt, kann die EG mit unterschiedlichen nationalen Erschöpfungsgrundsätzen leben, so daß es an der Erforderlichkeit einer Gemeinschaftsregelung fehlt. Daher scheidet auch eine Kompetenz kraft Sachzusammenhanges aus. In Ermangelung einer Kompetenz der Gemeinschaft kann Art. 7 Abs. 1 MRRL nicht dahingehend ausgelegt werden, daß die internationale Erschöpfung verboten ist. Abschließend soll noch zu der Frage Stellung genommen werden, auf welche Rechtsgrundlage eine Neuregelung gestützt werden könnte. Zweck eines expliziten Verbots der internationalen Erschöpfung wäre in der Tat die Regelung des internationalen Handels, so daß nach allen Theorien Art. 133 (113) EGV als Kompetenzgrundlage in Betracht käme. Allerdings ist auch dann die Wertung des Art. 131 (110) EGV und die darin enthaltene Grundentscheidung für eine weltoffene Handelspolitik zu berücksichtigen. Angesichts der Tatsache, daß das Verbot der internationalen Erschöpfung weder durch die Markenfunktionen noch aufgrund einer Interessenabwägung zu rechtfertigen iseo3 , wäre dieser Grundentscheidung zu folgen. Einzig zulässige abschließende Regelung wäre damit nicht etwa das Verbot, sondern die Einführung der internationalen Erschöpfung, die nämlich mit der handelspolitischen Zielvorschrift in Einklang steht.

302 Von Bogdandy/Nettesheim, in: GrabitzlHilf, Art. 3 b Rz. 10; GTE-Zuleeg, Art. 3 b Rz. 3. 303 Dazu unten Teil I, D. H. 1. d) bb) (4).

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

bb) Haltbarkeit der Silhouette-Entscheidung bei rechtlicher Bewertung des Art. 7 Abs. 1 MRRL (1) Wortlaut

Der Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 MRRL, auf den die Silhouette-Entscheidung unter anderem gestützt wird 304, kann nicht als eindeutig bezeichnet werden. Es läßt sich daraus nicht entnehmen, ob es sich um eine abschließende Maximalregelung (Erschöpfung nur bei Inverkehrbringen innerhalb der Gemeinschaft) oder um eine bloße Minimalregelung (Erschöpfung jedenfalls bei Inverkehrbringen in der Gemeinschaft) handeleo5 . Hätte der Gemeinschaftsgesetzgeber eine abschließende Regelung treffen wollen, dann hätte er das - wie in anderen Gemeinschaftsrechtsakten geschehen306 - auch so zum Ausdruck gebracheo7 . (2) Entstehungsgeschichte

Die Entstehungsgeschichte des Art. 7 MRRL läßt auch nicht mit Sicherheit den Schluß zu, daß ein Verbot der internationalen Erschöpfung ausgesprochen werden sollte. Zwar wurde der ursprüngliche KommissionsvorEuGHE 1998,1-4799,4830 Rz. 22 - Silhouette. So auch AlbertlHeath, GRUR 1998, 642, 643; Beckmann, GRUR Int. 1998, 836, 840; ders, NJW 1999, 1688, 1689; v. Gamm, GRUR 1994,775, 778; Loewenheim, GRUR Int. 1996, 307, 314; Marx, in: Baudenbacher, Aktuelle Probleme des Europäischen und Internationalen Wirtschaftsrechts, S. 258ff.; Sosnitza, WRP 1998, 951,954 m.w.N.; a.A. Schmieder, NJW 1994, 1241, 1245. 306 Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie 92/l00/EWG des Rates vom 19.11.1992 zum Vermiet- und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums, ABI. 1992, L 346/61 lautet: "Das Verbreitungsrecht in der Gemeinschaft hinsichtlich eines der in Abs. 1 genannten Gegenstände erschöpft sich nur mit dem Erstverkauf des Gegenstands in der Gemeinschaft durch den Rechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung." [Herv. durch d. Verf.]; Art. 21 des Vorschlags der Kommission vom 12.12. 1997 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Angleichung der Rechtsvorschriften betreffend den Schutz von Erfindungen durch Gebrauchsmuster, ABI. 1998, C 36/13 sieht vor: ,,( 1) Die Rechte aus einem Gebrauchsmuster erstrecken sich nicht auf Handlungen, die ein durch ein Gebrauchsmuster geschütztes Erzeugnis betreffen, nachdem das Erzeugnis von dem Rechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung in der Gemeinschaft in Verkehr gebracht worden ist. (2) Die Rechte aus dem Gebrauchsmuster erstrecken sich jedoch auf Handlungen, die das hierdurch geschützte Erzeugnis betreffen, nachdem das Erzeugnis außerhalb der Gemeinschaft durch den Rechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung in Verkehr gebracht worden ist." . 307 Ebenso AlbertlHeath, GRUR 1998, 642, 643; v. Gamm, GRUR 1994, 775, 778; Loewenheim, GRUR Int. 1996, 307, 314; Sosnitza, WRP 1998, 951, 954 m.w.N. 304

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D. Parallelimporte von Markenwaren

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schlag308 , der den Grundsatz der internationalen Erschöpfung enthielt, nach Ablehnung durch das Europäische Parlament309 in die heutige Version geändere lO • Im Zusammenhang mit Äußerungen des Kommissionsmitglieds Narjes, wonach diese Änderung insbesondere erfolgte, um die Benachteiligung der Industrie in der Gemeinschaft gegenüber Unternehmen in Drittstaaten zu verhindern 31l , könnte man dazu neigen, eine abschließende Regelung der gemeinschafts weiten Erschöpfung anzunehmen 312 . Dagegen wird aber eingewandt, daß die Kommission zwar auf Druck der Lobby aus Industriekreisen ihren ursprünglichen Vorschlag der internationalen Erschöpfung aufgegeben habe, den Mitgliedstaaten eine solche dadurch aber nicht verwehren wollte 313 . Für diesen Standpunkt spricht die Formulierung, mit der die Kommission die Änderung begründete: die Kommission habe sich in Übereinstimmung mit den Ausschußvorschlägen dazu entschlossen, auf die internationale Erschöpfung ..zu verzichten,,314. Die 1800 - Wende in der Formulierung dürfte also so zu erklären sein, daß die Frage der internationalen Erschöpfung auf EG-Ebene offen bleiben sollte, zumindest aber die gemeinschaftsweite Erschöpfung als Mindeststandard sichergestellt werden sollte315 . Ebenso verfuhr ausdrücklich beispielsweise Österreich bei der Umsetzung der MRRL316. Für diese Auslegung spricht auch die Feststellung des EuGH in seinem Gutachten 1/94 zur Zuständigkeit der EG zum Abschluß des GATS und TRIPS, daß es den Mitgliedstaaten frei stehe, den Erschöpfungsgrundsatz auszuschließen, wenn das eingeführte Erzeugnis aus einem Drittland stammt317 . Ein freiwilliger Ausschluß der internationalen Erschöpfung kommt nämlich nur dann in KOM (80) 635 endg. ABI. 1983, C 307/44, 63. 310 KOM (85) 793 endg. 311 Verhandlungen des Europäischen Parlaments v. 12.10.1983, Prot. Nr. 1-304/ 112, 120f. 312 So insbesondere Harte-BavendammlScheller, WRP 1994, 571, 574f.; Klaka, GRUR 1994, 321, 325 mit ausführlichen Darstellungen zur Entstehungsgeschichte des Art. 7 Abs. 1 MRRL. VgI. auch Gaster, wbl 1997, 47, 52; Rasmussen, EIPR 1995, 174, 175f.; Sack, RIW 1994, 897, 899; ders., WRP 1998, 549, 564f.; Wichard, GRUR 1998, 711, 712. 313 Loewenheim, GRUR Int. 1996,307,314. 314 KOM (85) 793 endg., S. V. 31S VgI. auch Marx, in: Baudenbacher, Aktuelle Probleme des Europäischen und Internationalen Wirtschaftsrechts, S. 260ff.; Krauß, Die internationale Erschöpfung des Markenrechts unter Berücksichtigung der Gesetzgebung und der Markenfunktionen, S. 8lff. 316 Nach den Materialien zu dem österreichischen Gesetz, mit dem Art. 7 MRRL umgesetzt wurde, sollte die Frage der Zulässigkeit der internationalen Erschöpfung ausdrücklich offen bleiben und der Klärung durch die Rechtspraxis überlassen bleiben, EuGHE 1998,1-4799,4806 Nr. 13 - Silhouette. 308

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

Betracht, wenn diese vorher zulässig war. Ebenso lassen sich nur bei Annahme der Zulässigkeit einer mitgliedstaatlichen internationalen Erschöpfungsregelung die Ausführungen des EuGH in diesem Gutachten zur Anwendbarkeit der Grundsätze der Inländerbehandlung und der Meistbegünstigung erklären318 . Zwar geht aus neueren Gemeinschaftsrechtsakten bzw. den Vorschlägen dazu zunehmend der Wille des Gemeinschaftsgesetzgebers hervor, die internationale Erschöpfung nicht zuzulassen319 • Ein so einheitliches Bild, daß man daraus die gemeinschaftsweite Erschöpfung als im gesamten Bereich des geistigen Eigentums geltende Absicht herleiten könnte, ergibt sich jedoch nicht 32o• Denn gerade im Markenrecht ist doch zu bedenken, daß die Tradition der nationalen Rechtsordnungen in der EU sehr unterschiedlich ist, teilweise die internationale Erschöpfung anerkannt war, teilweise nur die nationale Erschöpfung galt, was im Patent- und Urheberrecht so nicht der Fall war321 • Vorschnelle Verallgemeinerungen des Willens des europäischen Gesetzgebers sind daher fehl am Platz. Darüber hinaus erscheint es höchst bedenklich, aus dem in neueren Rechtsakten zur Geltung kommenden Willen auf den früheren Willen bei Erlaß der MRRL 1988 zu schließen. Die heutige Haltung und Auslegung des Art. 7 Abs. 1 MRRL durch die Kommission322 ist für die historische Interpretation nicht 317 EuGH, Gutachten 1/94 vom 15.11.1994, EuGHE 19941-5267,5297. Die Tatsache, daß sich diese Feststellung nicht in der Stellungnahme des Gerichtshofs, sondern in dem vorausgehenden Bericht zum Gutachtenantrag findet, ändert nichts daran, daß es sich um eine Aussage des EuGH handelt, die dieser seiner Stellungnahme zugrundelegt. Es handelt sich hierbei also nicht um unverbindliche Parteiansichten, sondern um einen Bestandteil des Gutachtens des EuGH. 318 "Wendet jedoch ein Mitgliedstaat den Erschöpfungsgrundsatz auf seine Staatsangehörigen an, ohne ihn auf den Fall des Inverkehrbringens in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft zu beschränken, so muß er ihn nach dem Grundsatz der Inländerbehandlung so auch auf die Angehörigen von Drittländern anwenden. Ebenso ist jedes Land, das Mitglied des TRIPs ist, durch den Grundsatz der Meistbegünstigung daran gehindert, gegenüber den Staatsangehörigen von Drittländern nach Maßgabe ihrer Staatsangehörigkeit unterschiedliche Vorschriften anzuwenden.", Gutachten 1/94, EuGHE 1994,1-5267,5297. 319 Vgl. etwa Art. 9 Abs. 2 der Vermiet- und Verleihrechtsrichtlinie (ABI. 1992, L 346/61), Art. 4 Abs. 2 im Zusammenhang mit dem 19. Erwägungsgrund des Vorschlags für eine Urheberrechtsharrnonisierungsrichtlinie (ABI. 1998, C 108/6), Art. 21 des Vorschlags für eine Gebrauchsmusterrichtlinie (ABI. 1998, C 36/13). 320 Formulierungen, die derjenigen des Art. 7 Abs. I MRRL ähneln, enthalten etwa Art. 4 lit. c) S. 2 der Richtlinie über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (ABI. 1991/L 122/42), Art. 5 lit. c) S. 2 der Richtlinie über den rechtlichen Schutz von Datenbanken (ABI. 1996, L 77/21), Art. 24 des Vorschlags für eine Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (ABI. 1994, C 29/20) und Art. 15 der Richtlinie über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (ABI. 1998, L 289/28). 32J Siehe oben Teil I, D. 11. 1. c) aa).

D. Parallel importe von Markenwaren

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ausschlaggebend323 • Aus der Entstehungsgeschichte folgt damit entgegen der Ansicht des EuGH in der Silhouette-Entscheidung nicht zwingend, daß der internationale Erschöpfungsgrundsatz im nationalen Recht aufgegeben werden muß 324 •

(3) Systematik Das Argument, Art. 7 Abs. 1 MRRL sei als Ausnahmevorschrift zu den Rechten des Markeninhabers eng auszulegen 325 , greift zu kurz. Denn dadurch wird der größere Zusammenhang verkannt, innerhalb dessen die gewerblichen Schutzrechte zu betrachten sind. Die gewerblichen Schutzrechte sind nämlich ihrerseits nach Art. 30 (36) EGV zulässige Ausnahmen vom Grundsatz des freien Warenverkehrs. Art. 30 (36) EGV ist aber als Ausnahmevorschrift zu Art. 28 (30) EGV nach der Rechtsprechung des EuGH seinerseits eng auszulegen 326 • Wenn nun aber Art. 7 MRRL sozusagen als Unterausnahme der Wiederherstellung des freien Warenverkehrs dient, kann die - in dieser Allgemeinheit ohnehin bedenkliche - Behauptung der engen Auslegung von Ausnahmen hierfür keine Geltung mehr haben. Und auch die Ausführungen des EuGH zum Regelungszusammenhang der Art. 5 bis 7 MRRL, aus dem sich eine umfassende Harmonisierung des Markenschutzes ergebe327 , sind angreifbar. Zwar sollte aus weislich des ersten und neuen Erwägungsgrundes eine Angleichung der nationalen Markenrechte (insbesondere für eingetragene Marken) erfolgen, um Behinderungen für den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, die sich aus unterschiedlichen nationalen Markenrechtsregimes ergeben könnten. Die Bedeutung dieser Erwägungsgründe 322 Nach Ansicht der Kommission ist die internationale Erschöpfung in den nationalen Markenrechten nicht zulässig, vgl. die Antwort der Kommission durch Herrn Vanni d' Archirafi auf die Anfrage des Abgeordneten Horn, die zwar den Ausschluß der internationalen Erschöpfung in Art. 9 Abs. 2 der Vermiet- und Verleihrechtsrichtlinie zum Gegenstand hat, jedoch zum Ausdruck bringt, daß dies mit der Regelung in der MRRL im Einklang stehe, GRUR Int. 1995, 205. 313 Zutreffend Loewenheim, GRUR Int. 1996, 307, 314; Sack, WRP 1998, 549, 565. 324 Ebenso Ebenroth, Gewerblicher Rechtsschutz und europäische Waren verkehrsfreiheit, S. 28f., Loewenheim, GRUR Int. 1996,307,314 .. 325 So Generalanwalt Jacobs in den Schlußanträgen zu Silhouette, EuGHE 1998, 1-4799,4811 Nr. 34. 326 EuGHE 1981, 1625ff. - Rs. 113/80; 1991,1-1361, 1377 - Rs. C-205/89, st. Rspr.; Oppermann, Europarecht, Rz. 1307; GTE-Müller-Graff, Art. 36 Rz. 12, 23. 327 EuGHE 1998, 1-4799, 4830f. Rz. 23ff. - Silhouette; vgl. auch Sack, WRP 1998, 549, 564.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

sollte jedoch nicht überbewertet werden, denn solche formelartigen Ausführungen finden sich in vielen Rechtsangleichungsrichtlinien. Sie dienen dazu, die Gemeinschaftskompetenz aus Art. 95 (lOOa) EGV zur Binnenmarkt-Rechtsangleichung zu begründen. Wie aus dem dritten Erwägungsgrund zur MRRL - und übrigens auch aus dem Titel "Erste Richtlinie" hervorgeht, sollte aber gerade keine vollständige Markenrechtsangleichung erfolgen. Daher spricht viel dafür, hinsichtlich der Erschöpfungsvorschrift keine abschließende Regelung anzunehmen. (4) Sinn und Zweck

Im Hinblick auf das Parallelimportproblem ist zu klären, ob eine Erstrekkung des Markenschutzes auf den Schutz des Vertriebs weges stattgefunden hat, die eine ausschließlich gemeinschafts- bzw. EWR-weite Erschöpfung rechtfertigen könnte. Zu den Markenfunktionen hat der EuGH in der Silhouette-Entscheidung jedoch mit keinem Wort Stellung genommen. Nicht zu bestreiten ist, daß sich die Funktion der Marke tatsächlich fortentwickelt hat und über die Herkunftsfunktion hinaus nun auch andere Markenfunktionen normativ anerkannt sind328 • Die Herkunftsfunktion als solche, auf die bisher der Grundsatz der internationalen Erschöpfung gestützt wurde, verliert damit notwendig an Bedeutung. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß die neuen Markenfunktionen derart überwiegen, daß sie ihrerseits die Begrenzung auf die europaweite Erschöpfung verlangen. Dem ist auch nicht so. Für die Anerkennung des Schutzes des wirtschaftlichen Wertes des Marke spricht zwar die Tatsache, daß nach Art. 4 Abs. 3, 4 lit. a) und Art. 5 Abs. 2 MRRL der Markenschutz gegenüber Zeichen erweitert wurde, die für Waren oder Dienstleistungen verwendet werden sollen, die denen, für die die Marke eingetragen ist, nicht ähnlich sind. Allerdings ist zu beachten, daß die MRRL diese Erweiterung des Schutzes verbindlich nur für in der Gemeinschaft bekannte Gemeinschaftsmarken vorschreibt. Bezüglich nationaler Marken wird eine entsprechende Regelung aber gerade nicht verbindlich vorgegeben, sondern den Mitgliedstaaten überlassen 329 • Der in diesen Regelungen zum Ausdruck kommende rechtliche Schutz des wirtschaftlichen Wertes der Marke mußte also nicht zwingend in nationales Recht umgesetzt werden. Darüber hinaus erfassen die genannten Artikel nur partiell den Schutz des wirtschaftlichen Wertes der Marke. So stellen beispielsweise eingeführte Marken, die den erforderlichen Bekanntheitsgrad noch nicht erreicht haben, auch einen wirtschaftlichen Wert dar. Es ist also festzustellen, daß zwar eine gewisse Zweckänderung der Marke in Richtung Siehe Einführung, B. IV. Für die Bundesrepublik Deutschland findet sich eine entsprechende Regelung in §§ 9 Abs. 1 Nr. 3, 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG, BGBl. 1994, I S. 3082. 328

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auf die Anerkennung und den Schutz des wirtschaftlichen Wertes der Marken stattgefunden haben mag 330 . Dieser neuen Markenfunktion aber denselben Stellenwert einzuräumen wie der bisher als Hauptfunktion der Marke anerkannten Herkunftsfunktion33\, ist nicht gerechtfertige32 . Daß eine graduelle Abstufung zwischen den verschiedenen Markenfunktionen besteht, geht auch aus dem 10. Erwägungsgrund zur MRRL hervor, wonach es "Zweck des durch die eingetragene Marke gewährten Schutzes ist ... , insbesondere die Herkunftsfunktion der Marke zu gewährleisten" [Herv. durch d. Verf.]. Daher ist in diesem Punkt dem EFTA-Gerichtshoe 33 zuzustimmen, nach dessen Ansicht der Umfang der vom EuGH im Dior-Fall 334 anerkannten und den Entscheidungen Silhouette 335 und Canon 336 zugrundeliegenden Good-will-Funktion der Marke nicht so weit geht, daß daraus ein Recht zur Verhinderung von Parallelimporten abgeleitet werden könnte. Demgegenüber hat der EuGH, ohne das in der Silhouette-Entscheidung ausdrücklich zu sagen, seine bisherige Markendefinition (Schutz der Herkunftsfunktion) aufgegeben und zugelassen, daß die Marke auch der Vertriebs steuerung dient. Dafür werden zwei Gründe angeführt. Zum einen sollte dadurch die Entstehung neuer Handelsschranken innerhalb der EG vennieden werden. Diese Handelshemmnisse ergeben sich aus der Möglichkeit der Mitgliedstaaten, sich gegenüber Waren aus anderen Mitgliedstaaten, die dort infolge der internationalen Erschöpfung aus Drittländern importiert werden konnten, auf Art. 30 (36) EGV zu berufen und diese dadurch im Binnenmarkthandel abzublocken. Hierzu ist jedoch zu bemerken, daß sich dieses Problem aufgrund der in Ideal-Standard337 getroffenen Entscheidung ohnehin stellt. Zum anderen sollten einseitige Vorleistungen der Industrie in der Gemeinschaft vennieden werden. Daß dieses Argument die Entscheidung nicht zu rechtfertigen vennag, weil alle wesentlichen Handelspartner der EU-Mitgliedstaaten bereits von der internationalen Vgl. auch EuGHE 1997,1-6013 - Dior zur Werbefunktion der Marke. Vgl. nur EuGHE 1978, 1139, 1165 Rz. 7 - Hoffmann-La Roche ./. Centrafarm; EuGHE 1996, 1-3457, 3532 Rz. 47 - Bristol-Myers Squibb; siehe dazu auch Einführung, B. IV. 332 Ebenfalls kritisch gegenüber der Annahme eines Funktionswandels Beckmann, GRUR Int. 1998, 836, 840f.; ders., NJW 1999, 1688, 1689; v. Gamm, WRP 1993, 793, 795; Hösch, Der Einfluß der Freiheit des Warenverkehrs (Art. 30 EWGV) auf das Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 89ff.; Koppensteiner, ÖBl. 1994, 195, 202; Marx, in: Baudenbacher, Aktuelle Probleme des Europäischen und Internationalen Wirtschaftsrechts, S. 272f.; a.A. Nordemann, DZWir 1995,315, 320f. 333 EFfA-Gerichtshof, Gutachten vom 3.12.1997, Rs. E-2/97 - Maglite, Nr. 20, GRUR Int. 1998,309,310. 334 EuGHE 1997,1-6013 - Dior. 335 EuGHE 1998, 1-4799 - Silhouette. 336 EuGHE 1998,1-5507 - Canon. 337 EuGHE 1994, 1-2789, 2848 ff. - Ideal-Standard; dazu oben Teil I, D. I. 2. 330

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

Erschöpfung im Markenrecht ausgehen. war bereits dargestellt worden 338 • Auf eine angeblich durch die MRRL bewirkte Funktionsänderung der Marke kann diese Entscheidung wie dargelegt ebenfalls nicht gestützt werden. Außerdem geht die durch die Silhouette-Entscheidung mögliche Vertriebssteuerung durch den Markeninhaber auch weit über das hinaus. was innerhalb der EU vom EuGH als Ausfluß des wirtschaftlichen Wertes der Marke anerkannt wurde. Der EuGH hat zwar in der Dior-Entscheidung die Werbefunktion der Marke anerkannt und dem Markeninhaber gewisse Rechte gegen Dritte. die seine Marke zu Werbezwecken benutzen. eingeräume 39 . Gerade im Silhouette-Fall wäre ein Vorgehen unter Zugrundelegung der in der Dior-Entscheidung aufgestellten Kriterien aber nicht möglich gewesen. Denn dort hatte der EuGH entschieden. daß ein Wiederverkäufer rechtmäßig importierter Erzeugnisse die Marke zu Werbezwecken in der in seiner Branche üblichen Werbeaufmachung verwenden darf. sofern dadurch nicht der Ruf der Marke schwerwiegend beeinträchtigt wird. Er hatte ausdrücklich festgehalten. daß allein die Werbung in der brachenüblichen Form. auch wenn diese nicht der vom Markeninhaber für seine Luxuswaren gewünschten Form entspräche. keine Rufschädigung bedeute 340 • Als ein dem EG-Markenrecht implizites Prinzip ist daher anzuerkennen. daß das Markenrecht sich nicht auf den Vertrieb der Markenware erstreckt. sofern nicht besondere Umstände vorliegen. die die Markenbenutzung unfair erscheinen lassen. Die bloße Ankündigung des Verkaufs von Silhouette-Brillenfassungen durch die Firma Hartlauer hätte im Falle des ersten Inverkehrbringens in der Gemeinschaft danach von Silhouette nicht verhindert werden können. Warum eine andere Bewertung möglich sein soll. wenn die Brillen außerhalb des EWR in den Verkehr gebracht wurden. leuchtet angesichts der bei weitem nicht deutlichen Ausgestaltung des selbständigen Schutzes des wirtschaftlichen Wertes der Marke in der MRRL nicht ein. Eine Rufschädigung kann jedenfalls nicht allein deshalb bejaht werden. weil die Fassungen außerhalb des EWR in Verkehr gebracht wurden. Eine Lösung des Problems der rechtlichen Behandlung von Parallelimporten sollte aber mit Rücksicht auf die Funktion der Marke gefunden werden. nicht pauschal durch eine Beschränkung auf die EWR-weite Erschöpfung und damit eine Sperre gegenüber Drittstaaten. Wird aber auf den Zweck des Markenrechts nach dem neuen EU-Markenrecht abgestellt. so ist zu berücksichtigen. daß hier die Herkunftsfunktion im Vordergrund Oben Teil I. D. 11. 1. c) dd). EuGHE 1997.1-6013. 6048ff. - Dior; vgl. zum Werberecht auch die Entscheidung vom 23.2.1999, Rs. C-63/97 - BMW. J.4O EuGHE 1997, 1-6013, 6049 Rz. 46 - Dior; vgl. dazu Comish, EIPR 1998, 172. 175f. 338 339

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steht, während die Qualitäts- und Werbefunktion nur begrenzt anerkannt sind. Daß dieselbe Marke innerhalb der EU bzw. des EWR einen eingeschränkteren Zweck verfolgen sollte als im Verhältnis zu Drittstaaten, kann kaum angenommen werden. Und auch mit dem nur drei Monate vorher ergangenen Javico-Urteil 341 ist die Silhouette-Entscheidung kaum zu vereinbaren. Im Javico-Fall hatte der EuGH nämlich noch fest gehalten, daß Vereinbarungen im Rahmen von Vertriebsbindungssystemen, wonach der Reimport von zum Verkauf in Drittländern bestimmten Waren in die EU verboten ist, am EU-Wettbewerbsrecht zu messen sind342 . Hätte im Silhouette-Fall festgestanden (es war von Silhouette nur behauptet worden), daß die an den bulgarischen Händler verkauften Brillenfassungen nicht reimportiert werden durften, wäre durch die umfassende Anerkennung des Rechts zur Vertriebssteuerung im Verhältnis zu Drittstaaten in Silhouette die Javico-Entscheidung bereits hinfällig geworden 343. Es ist also festzuhalten, daß die Entscheidung des EuGH im SilhouetteFall juristisch keineswegs zwingend war. Die rechtlichen Regelungen sowie die im Vorfeld ergangenen EuGH-Entscheidungen hätten eher eine Auslegung nahe gelegt, nach der die Beibehaltung des Grundsatzes internationaler Erschöpfung im nationalen Recht bzw. durch die nationale Rechtsprechung für zulässig erklärt worden wäre. (5) Gemeinschaftsgrundrechte als Argument für die internationale Erschöpfung?

Zu überlegen ist, ob ein absolutes Parallelimportverbot für Waren aus Drittstaaten gegen Gemeinschaftsgrundrechte verstieße. Das Schweizerische Bundesgericht hat in der Chanel-Entscheidung vom 23.10.1996 festgestellt, daß daß das Recht auf Parallelimporte einen Teil der Handels- und Gewerbefreiheit, die in der Schweiz verfassungsrechtlichen Rang hat, darstelle. Die Handels- und Gewerbefreiheit umfasse nämlich die Freiheit der wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Ausland, darunter die Freiheit des Parallelimporteurs, Originalprodukte unter ihrer Marke zu exportieren und zu importieren. Ein absolutes Verbot von Parallelimporten verletze dieses verfassungsmäßige Reche44 . Diese Erwägung enthält zugleich die Feststellung, 341 Urteil vom 28. April 1998, EuGHE 1998, 1-1983 - Javico; dazu auch oben Teil I, D. I. 6. b). 342 EuGHE 1998,1-1983, 2002ff. - Javico. 343 Zum Teilwiderspruch zwischen der Silhouette-Entscheidung und dem Urteil vom 11.11.1997 im Fall Sabel (EuGHE 1997, 1-6191), in dem entschieden wurde, daß das "gedankliche Inverbindungbringen" nur als Unterfall der Verwechslungsgefahr i.S.d. Art. 4, 5 MRRL anzusehen ist, vgl. Sack, GRUR 1999,197,212.

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

daß ein uneingeschränktes Parallelimportverbot markenrechtlich geschützter Originalwaren die allgemeinen Voraussetzungen der Verfassungsmäßigkeit von Eingriffen in die Importfreiheit, insbesondere das Bestehen eines öffentlichen Interesses, nicht erfülle45 . Im Rahmen der EU ergibt sich hier allerdings die Besonderheit, daß die Ablehnung der internationalen Erschöpfung in der MRRL gerade nicht zu einem absoluten Parallelimportverbot führt, weil aufgrund der Anwendung des Grundsatzes der EWR-weiten Erschöpfung Parallelimporte zwischen den Mitgliedstaaten des EWR noch möglich sind. Die Entscheidung des Schweizerischen Bundesgerichts wäre nur dann auf die EU übertragbar, wenn hier Gemeinschaftsgrundrechte der Art anzuerkennen wären, daß sich ihr Schutzbereich auf das gesamte Gemeinschaftsgebiet erstreckt, so daß aus dieser Sicht das Verbot von Parallelimporten aus Drittstaaten als absolutes Parallelimportverbot zu werten wäre, weil die Parallelimporte zwischen Mitgliedstaaten nicht als "Parallelimporte" anzusehen wären, sondern als "inner(gemeinschafts)staatlicher" Handel. Nach Art. 6 (F) Abs. 2 EUV achtet die Union die Grundrechte, wie sie in der EMRK gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben. In der EMRK bzw. den Zusatzprotokollen findet sich keine derart umfassende Gewährleistung der Handelsfreiheit, die ein Parallelimportverbot unzulässig machen würde. Vom EuGH wurde die Handels- und Wirtschaftsfreiheit ZWar grundsätzlich als Gemeinschaftsgmndrecht anerkanne 46 . Rechtsvergleichend läßt sich in der EU jedoch ebenfalls kein so weitgehendes Recht des Parallelimporteurs erkennen347 . Vielmehr ist eine Abwägung der Handels- und Gewerbefreiheit (als Teil der Berufsfreiheit bzw. des allgemeinen Persönlichkeitsrechts) des Parallelimporteurs mit der Eigentumsfreiheit des Markeninhabers geboten348 . Diese ist durch Art. 7 Abs. 1 MRRL innerhalb des EWR geWährleistet. Im Verhältnis zu Drittstaaten hat der EuGH die Interessen des Markeninhabers für schützenswerter erachtet. Nach der hier vertretenen Auffassung 344 Schweizerisches Bundesgericht, Urt. v. 23.10.1996, "Chanei", GRUR Int. 1998, 520, 524; vgl. dazu Knaak, GRUR Int. 1998, 526, 527. 345 Knaak, GRUR Int. 1998,526,527; Zäch, SJZ 1995, 301, 305ff. 346 EuGHE 1970, 1125, 1135ff. - Internationale Handelsgesellschaft; vgl. Blecknumn/Pieper, in: Dauses, Hdb. WirtschR, B. 1. Rz. 85; Oppermann, Europarecht, Rz. 492; Rengeling, Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft, S. 18ff. 341 Wie oben in Teil I, D. II. 1. dargestellt, sehen die Mitgliedstaaten sehr unterschiedliche Erschöpfungsregelungen vor. Das spricht zumindest gegen eine absolute Gewährleistung eines Rechts auf Parallelimporte. 348 Allgemein zur Einschränkbarkeit des Gemeinschaftsgrundrechts auf Handelsfreiheit durch "öffentliche Interessen" oder verfassungsrechtlich geschützte Güter vgl. Rengeling, Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft, S. 19f.

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müßte aber auch im Verhältnis zu Drittstaaten eine dem Art. 7 Abs. 1 MRRL entsprechende Abwägung vorgenommen werden 349 . Zu denken wäre außerdem an einen Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot350, weil das Verbot von Parallelimporten aus Drittstaaten zu einer Monopolisierung der Importe immaterialgüterrechtlich geschützter Güter zugunsten des Schutzrechtsinhabers und damit zu einer Ungleichbehandlung aller übrigen Händler führen würde 351 . Diese Ungleichbehandlung könnte allerdings sachlich gerechtfertigt sein durch das Ausschließlichkeitsrecht des Schutzrechtsinhabers. Dann müßte aber ein ausschließliches Importrecht als Teil dieses Schutzrechts verbürgt sein. Nach der Rechtsprechung des EuGH insbesondere zu Art. 222 EGV bestimmt sich der Bestand des Schutzrechts nach nationalem Recht, und nur dessen Ausübung unterliegt gemeinschaftsrechtlichen Schranken352 • Allerdings wurde in neueren Entscheidungen klargestellt, daß der nationale Gesetzgeber auf dem Gebiet des geistigen Eigentums keine Maßnahmen ergreifen dürfe, die den Grundsatz des freien Warenverkehrs verletzten353 . Auch wurde die "Ausübung" der Schutzrechte derart erweitert, daß auch eine Beurteilung der Zulässigkeit des Schutzes unter die Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen kann 354 . Und schließlich wurde für ein Schutzrecht neuer Konzeption die Bestimmung der Schutzvoraussetzungen der Kompetenz der Gemeinschaft zugeschrieben355 • Bereits die gemeinschaftsweite Erschöpfung verdeutlicht, daß das sich aus nationalem Markenrecht ergebende Importrecht nicht umfassend gewährleistet ist. Auf Gemeinschaftsebene wurde außerdem in der Diskussion um die Reichweite des Erschöpfungsgrundsatzes des Art. 7 Abs. 1 MRRL geltend gemacht, daß nur eine gemeinschaftsweite Erschöpfung gemeint sei, die internationale Erschöpfung aber als Gegenstand völkerrechtlicher Vereinbarungen ausgehandelt werden könne 356 . Wenn das Recht des Schutzrechtsinhabers zur VerhindeVgl. oben Teil I, D. 11. 1. c) dd) (4). Zur Anerkennung des allgemeinen Gleichheitssatzes als Gemeinschaftsgrundrecht vgl. BleckmannlPieper, in: Dauses, Hdb. WirtschR, B. I. Rz. 98; Rengeling, Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft, S. 137ff. 351 So Zäch, SJZ 1995, 301, 307. 352 Vgl. nur EuGHE 1974, 1147 - Centrafarm ./. Sterling Drug, ausführlich oben Teil I, B. 11. 353 EuGHE 1992, 1-829, 864ff. Rz. 16ff. - Kommission ./. Vereinigtes Königreich. 354 EuGHE 1995,1-743, 822f. Rz. 48ff. - Magill. 355 EuGHE 1995, 1-1985, 2009ff. Rz. 12ff. - Königreich Spanien ./. Rat zum ergänzenden Schutzzertifikat für Arzneimittel; vgl. auch FloridialLamandini, GRUR Int. 1998, 994, 996. 356 Kommissionsmitglied Narjes, zit. bei Klaka, GRUR 1994, 321, 325; EuGHE 1998,1-4799,4832 Rz. 30 - Silhouette. 349

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

rung von Parallelimporten aber Verhandlungsobjekt sein kann, kann es nicht zum grundrechtlieh gewährleisteten Bestand des Markenrechts gehören. Eine Ungleichbehandlung ist somit sachlich nicht durch den Umfang des Ausschließlichkeitsrechts gerechtfertigt. Auch hier kommt daher eine Rechtfertigung nur im Falle des Durchgreifens des geistigen Eigentumsrechts des Markeninhabers in Betracht. Das aber ist nur möglich, wenn das Interesse des Markeninhabers dasjenige des Parallelimporteurs und der Verbraucher überwiege s7 . Eine verbindliche Beurteilung der Erschöpfungsregelung des Art. 7 Abs. 1 MRRL unter dem Gesichtspunkt der Gemeinschaftsgrundrechte krankt daran, daß sich der konkrete Schutzbereich dieser Grundrechte infolge der Herleitung aus den Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten nur schwer bestimmen läßt. Die Mitgliedstaaten sehen aber im Markenrecht unterschiedliche Erschöpfungsregelungen vor, so daß von einer grundrechtlichen Verbürgung eines Rechts auf Parallelimporte kaum ausgegangen werden kann. Allerdings ist auch im Verhältnis zu Drittstaaten eine Abwägung zwischen den Rechten des Markeninhabers und denen des Parallelimporteurs entsprechend der Regelung in Art. 7 MRRL zu befürworten. (6) Unvergleichbarkeit von EU und EWR?

Abschließend sei noch einmal kurz darauf hingewiesen, daß die Auffassung des EuGH sich auch nicht mit dem Argument der Unvergleichbarkeit von EU und EWR halten läßt, auf das insbesondere der EFfA-Gerichtshof in seinem Maglite-Gutachten abgestellt hat. Zwar gilt der Grundsatz des freien Warenverkehrs im EWR nur für Ursprungserzeugnisse des EWR. Auch sieht das EWR-Abkornrnen, das im Gegensatz zum EGV keine Zollunion, sondern eine bloße Freihandelszone begründet, keine gemeinsame Handelspolitik gegenüber Drittstaaten vor. Bereits bei der Erörterung des Verhältnisses der beiden Entscheidungen zueinander war aber anhand eines Beispielsfalles dargestellt worden, daß letztlich auch für die Auslegung des Art. 7 Abs. 1 MRRL im EWR nicht ausschlaggebend sein kann, ob die Erzeugnisse im EWR oder außerhalb hergestellt sind3s8 • Außerdem war klargestellt worden, daß auch in der EU Drittlandsimporte nicht frei zirkulieren können, wenn sie über einen die internationale Erschöpfung anerkennenden Mitgliedstaat eingeführt werden359 . Was die im EWR fehlenden Vorschriften über eine gemeinsame Handelspolitik anbelangt, ist folgendes festzustellen: In der Tat spricht das für die Annahme einer reinen Mindest357 Vgl. die Darstellung zu Parallelimporten zwischen Mitgliedstaaten oben Teil I, D. I. 358 Oben Teil I, D. II. 1. b) bb). 359 Dazu oben Teil I, D. II. 1 am Anfang und b) bb).

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vorschrift und Belassung der nationalen Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Erschöpfung im Verhältnis zu Drittstaaten. Jedoch ist daraus nicht zwingend der Umkehrschluß zu ziehen, daß im Falle der EU mit ihrer gemeinsamen Handelspolitik eine abschließende Regelung erfolgen muß. Wie im Zusammenhang mit der Gemeinschaftskompetenz für eine abschließende Erschöpfungsregelung diskutiert, hätte auch hier viel für die Annahme einer bloßen Mindestvorschrift gesprochen. Außerdem sollte durch die MRRL gerade keine vollständige Harmonisierung des Markenrechts der Mitgliedstaaten erfolgen36o . Sollte eine einheitliche Regelung getroffen werden, so wäre zumindest die handelspolitische Zielvorschrift des Art. 131 (110) EGV zu berücksichtigen gewesen, mit der die internationale Erschöpfung weit besser in Einklang zu bringen gewesen wäre als die gemeinschaftsweite Erschöpfung361 . cc) Zusammenfassung Die Silhouette-Entscheidung des EuGH hält einer kritischen Beleuchtung unter juristischen Gesichtspunkten nicht stand. Bereits die Annahme der Wahrnehmung einer Gemeinschaftskompetenz für eine abschließende Erschöpfungsregelung mit der auf Art. 95 (100a) EGV gestützten MRRL geht zu weit. Die Regelung der Erschöpfung gegenüber Drittstaaten ist nicht von Art. 95 (100a) EGV umfaßt. Art. 133 (113) EGV kann nicht stillschweigend als Rechtsgrundlage angenommen werden, weil die abschließende gemeinschaftsweite Erschöpfung als protektionistische Regelung nicht von der Ziel vorschrift des Art. 131 (113) EGV gedeckt ist. Auch eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs scheidet aus. Aber auch die Ausführungen des EuGH zur Auslegung des Art. 7 Abs. 1 MRRL sind unvollständig und im Ergebnis verfehlt. Der Wortlaut dieser Vorschrift ist keineswegs eindeutig. Auch die Entstehungsgeschichte führt nicht zwingend zu der Annahme einer abschließenden Regelung. Die Systematik der MRRL, insbesondere der dritte Erwägungsgrund, wo ausdrücklich bestimmt ist, daß keine vollständige Angleichung der Markenrechte der Mitgliedstaaten erfolgen sollte, spricht eher für eine bloße Mindestregelung. Ausschlaggebend für die Entscheidung ist aber die teleologische Auslegung. Zu den Markenfunktionen hat sich der EuGH indes überhaupt nicht geäußert. Da aber kein Funktionswandel im europäischen Markenrecht hin zu einer die Herkunftsfunktion überwiegenden Anerkennung des wirtschaftlichen Wertes der Marke festgestellt werden kann, läßt sich die Silhouette-Entscheidung, 360 Vgl. den Titel ,,Erste Richtlinie des Rates über die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken" und den dritten Erwägungsgrund; dazu auch oben Teil I, D. 11. 1. d) aa) und bb) (3). 361 Vgl. oben Teil I, D. 11. 1. d) aa).

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Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

durch die dem Markeninhaber ein zeitlich unbegrenztes Recht der Kontrolle des Vertriebsweges eingeräumt wird, nicht rechtfertigen. Die vom EuGH angeführten Argumente der Verhinderung von Handelsverzerrungen im Binnenmarkt sowie der Vermeidung einseitiger Vorleistungen der EG im Verhältnis zu Drittstaaten greifen nicht durch. 2. Abwehransprüche bei Gemeinschaft8marken

Mit der Gemeinschaftsmarkenverordnung (GMVO)362 wurde 1994 in der EU ein Markensystem geschaffen, das neben den nationalen Markensystemen der Mitgliedstaaten besteht und die Schaffung einer Marke zum Gegenstand hat, die in einem einzigen Verfahren erworben werden kann, die einheitlichen Schutz genießt und in der gesamten Europäischen Gemeinschaft wirksam ist363 . Zuständig für Anmeldungen von Gemeinschaftsmarken ist nach Art. 2 GMVO das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster, Modelle), das in Alicante errichtet wurde. Nach Art. 9 GMVO gewährt die Gemeinschaftsmarke ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht, aufgrund dessen der Markeninhaber Unterlassungsansprüche gegen unberechtigte Dritte geltend machen kann. Ein solches Verbietungsrecht kommt nicht nur gegen die Benutzung identischer oder verwechslungsfahiger Zeichen für dieselben oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen in Betracht, sondern eben auch gegen die Benutzung verwechslungsfahiger Zeichen für andere Waren oder Dienstleistungen, sofern die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Gemeinschaftsmarke in unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt wird (Art. 9 Abs. 1 lit. c) GMVO). Auch in der GMVO bezieht sich also der Markenschutz nicht nur auf die Herkunftsfunktion der Marke, sondern auch auf den wirtschaftlichen Wert der Marke. Zu den verpönten Benutzungshandlungen gehört nach Art. 9 Abs. 2 lit. c) GMVO auch die Einfuhr oder Ausfuhr von Waren unter dem von Abs. 1 erfaßten Zeichen. Wie die MRRL enthält auch die GMVO eine Vorschrift zur markenrechtlichen Erschöpfung. Nach Art. 13 GMVO darf der Markeninhaber einem Dritten nicht verbieten, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden sind (Abs. 1), sofern nicht berechtigte Gründe für 362 Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke, ABI. 1994, L 1111, in Kraft seit 15.3.1994, geändert durch VO (EG) Nr. 3288/94 des Rates vom 22. Dez. 1994, ABI. 1994, L 349/83, um den Verpflichtungen des TRIPS-Übereinkommens (insb. der Inländerbehandlung) nachzukommen. 363 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 2 und Art. 1 Abs. 2 der GMVO, ABI. 1994, L 1111,3.

D. Parallelimporte von Markenwaren

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ein solches Verbot vorliegen, insbesondere wenn sich der Zustand der Waren nach dem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert hat (Abs. 2) [Herv. durch d. Verf.]. Eine Erstreckung des Geltungsbereichs auf den EWR wie im Fall der MRRL hat für die Gemeinschaftsmarke nicht stattgefunden. Allerdings gelten die den Art. 28, 30 (30, 36) EGV nahezu wörtlich entsprechenden Art. 11, 13 EWR-Abkornrnen auch für mit Gemeinschaftsmarken gekennzeichnete Waren 364 • Nach Art. 2 des Protokolls 28 über geistiges Eigentum zum EWR-Abkommen sind sie auch ebenso auszulegen wie Art. 28, 30 (30, 36) EGV, so daß auch der Erschöpfungsgrundsatz gilt. Daher können auch mit Gemeinschaftsmarken gekennzeichnete Waren im gesamten EWR grundsätzlich frei zirkulieren, wenn sie vorn Gemeinschaftsmarkeninhaber oder mit seiner Zustimmung in einern EWR-Staat in Verkehr gebracht wurden 365 • Aus Erwägungsgrund Nr. 8 zur GMVO geht hervor, daß sich die gemeinschaftsweite Erschöpfung der Gemeinschaftsmarke aus dem Grundsatz des freien Warenverkehrs ergibt. In Art. 13 GMVO wird also der Grundsatz der gemeinschaftsweiten Erschöpfung festgeschrieben, wie er bereits vorn EuGH aus Art. 28, 30 (30, 36) EGV hergeleitet worden war. Aus dem freien Warenverkehr ergab sich nach der Rechtsprechung des EuGH allerdings nur die gemeinschaftsweite Erschöpfung als Mindeststandard366 • Die GMVO ist auf Art. 306 (235) EGV gestützt, wonach der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments einstimmig die geeigneten Vorschriften erlassen kann, wenn ein Tätigwerden der Gemeinschaft erforderlich erscheint, um im Rahmen des Gemeinsamen Marktes eines ihrer Ziele zu verwirklichen, die dafür erforderlichen Befugnisse aber im Vertrag nicht vorgesehen sind. Da der EGV keine Kompetenzvorschriften zum Erlaß von Vorschriften über den gewerblichen Rechtsschutz enthält - und im übrigen auch durch den Amsterdamer Vertrag noch nicht auf dieses Gebiet erweitert wurde -, andererseits aber die Verwendung von Marken, die einheitlich in der gesamten Gemeinschaft wirksam sind, sicherlich zur Beseitigung von Handelshemmnissen sowie zum Abbau von Wettbewerbsverfälschungen beiträgt, ist die Kompetenz der EG zum Erlaß der GMVO nicht zu bestreiten. Da sich diese Kompetenz dabei auf die Regelung aller wesentlichen Fragen bezieht, ist auch die Festlegung 364 Nach Art. 8 Abs. 2 EWR-Abkommen gilt der in Art. 11, 13 EWR-Abkommen enthaltene Grundsatz des freien Warenverkehrs allerdings nur für Ursprungswaren von EWR-Staaten (nach Art. 9 EWR-Abkommen i. V.m. Protokoll 4), was bei Waren, die mit einer Gemeinschaftsmarke gekennzeichnet werden, aber in der Regel der Fall sein dürfte. 365 So auch Sack, RIW 1994, 897, 897f.; ders., GRUR 1999, 193,214. 366 EuGHE 1976, 811 - EMI ./. CBS; dazu oben Teil I, D. II. 1.

204

Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von ParalleJimporten

einer Erschöpfungsregelung eingeschlossen. Ob die Entscheidung für die gemeinschaftsweite Erschöpfung als abschließend anzusehen ist, also ein Verbot der internationalen Erschöpfung beinhaltet, hängt von der Kompetenz der Gemeinschaft zum Erlaß einer abschließenden Erschöpfungsregelung ab. Es stellt sich damit dieselbe Frage wie für die MRRL, da auch Art. 306 (235) EGV nur Regelungen deckt, die erforderlich sind, um im Rahmen des Gemeinsamen Marktes eines ihrer Ziele zu verwirklichen. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß mit der Gemeinschaftsmarke ein Instrument geschaffen wurde, das gemeinschaftsweit einheitlich ist und dieselben Rechte gewährleistee67 • Da unterschiedliche Erschöpfungsregelungen diesem Zweck zuwiderliefen, ist für die GMVO daher die Gemeinschaftskompetenz auch zum Erlaß einer abschließenden Erschöpfungsregelung zu bejahen. Angesichts des nahezu identischen Wortlauts und gleicher Entstehungsgeschichte von Art. 13 Abs. 1 GMVO und Art. 7 Abs. 1 MRRL ist davon auszugehen, daß der EuGH die in der Silhouette-Entscheidung getroffene Auslegung - also die abschließende gemeinschafts- bzw. EWR-weite Erschöpfung - auch für die GMVO vornehmen würde. Diese Auslegung ist aber den bereits geschilderten Bedenken ausgesetzt und sollte daher überdacht werden.

E. Zusammenfassung J. Patentrecht 1. ParalleJimporte aus Mitgliedstaaten

Die auf Art. 28, 30 (30, 36) EGV gestützte Rechtsprechung des EuGH zur patentrechtlichen Erschöpfung läßt erkennen, daß eine sehr weitgehende Einschränkung der Rechte des Patentinhabers zugunsten der Warenverkehrsfreiheit stattgefunden hat. Dabei steht das Zustimmungskriterium im Vordergrund. Aspekte der Belohnung des Patentinhabers treten dahinter zurück. Auch zeigt sich eine weitgehende Verweisung auf die unternehmerische Verantwortung; der Grundsatz des venire contra factum proprium findet hier Anwendung. Im einzelnen lassen sich nach einer Analyse der EuGH-Rechtsprechung die folgenden Grundsätze formulieren, aus denen sich der "spezifische Gegenstand des Patentrechts" ergibt: (1) Grundregel des gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfungsgrundsatzes ist,

daß im Falle inhaberidentischer erflndungsgleicher Parallelpatente der Patentinhaber nicht gegen Parallelimporte seiner geschützten Erzeug367

Art. 1 Abs. 2 GMVO und 2. Egrd. zur GMVO.

E. Zusammenfassung

205

nisse aus anderen Mitgliedstaaten vorgehen kann, sofern diese von ihm, mit seiner Zustimmung oder durch einen ihm zurechenbaren Dritten in Verkehr gebracht wurden. Dasselbe gilt, wenn das ausländische Parallel patent einem rechtlich oder wirtschaftlich vom Patentinhaber abhängigen Unternehmen zusteht. (2) Eine Abwehrbefugnis des inländischen Patentinhabers ist dagegen gegeben, wenn das ausländische Parallelpatent originär einem rechtlich und wirtschaftlich unabhängigen Dritten zusteht. (3) Im Fall der Patentaufspaltung können Parallelimporte sowohl durch den Veräußerer als auch durch den Erwerber eines Parallelpatents unter Berufung auf das jeweilige nationale Patentrecht unterbunden werden. (4) In Fällen des Parallelimports weiterverarbeiteter Erzeugnisse ist zu unterscheiden: War das geschützte Erzeugnis bereits rechtmäßig in Verkehr gelangt und das Verwertungsrecht damit erschöpft, kann der Import weiterverarbeiteter Erzeugnisse nicht mehr untersagt werden. Hatte dagegen ursprünglich keine Erschöpfung stattgefunden, ist ein Verbotsrecht des Patentinhabers gegeben, sofern das geschützte Erzeugnis in dem weiterverarbeiteten Produkt nicht nur eine völlig unbedeutende Funktion hat. (5) Eine Ausnahme vom Grundsatz der gemeinschaftsweiten Erschöpfung ist gegeben, wenn das patentierte Erzeugnis in einem Mitgliedstaat aufgrund einer Zwangs lizenz in Verkehr gebracht wird. Der Patentinhaber kann Parallelimporte in andere Mitgliedstaaten dann aufgrund seines dort bestehenden Patentrechts abwenden. Anders ist die Situation allerdings zu beurteilen, wenn die Zwangslizenz einem wirtschaftlich oder rechtlich vom Patentinhaber abhängigen Unternehmen erteilt wird. Der EuGH stellt im Rahmen seiner Prüfungen rein formal auf das Vorliegen einer Zwangslizenz oder einer gesetzlichen Lizenz ab. Diese Ausnahme erstreckt sich daher nicht auf Fälle, in denen zur Vermeidung einer gesetzlichen Lizenz eine rechtsgeschäftliche Lizenz erteilt wurde. (6) Der Patentinhaber kann Parallel importe von Erzeugnissen, zu deren Inverkehrbringen er rechtlich (nicht nur moralisch) verpflichtet war, verhindern. (7) Keine Ausnahme vom gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfungsgrund-

satz ist anzuerkennen, wenn das Erzeugnis in einem patentfreien Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gelangt ist.

206

Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

Ein Abwehrrecht ist dagegen auch hier gegeben, wenn das geschützte Erzeugnis dort von einem rechtlich und wirtschaftlich unabhängigen Dritten in den Verkehr gebracht wurde. (8) Ebenfalls keine Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz wird zugelassen, wenn für das Inverkehrbringen in einem Mitgliedstaat staatliche Preisreglementierungen bestehen, es sei denn, es greift zugleich eine rechtliche Vermarktungspflicht. 2. Parallelimporte aus Drittstaaten

(1) Parallelimporte aus Drittstaaten, zu denen keine Freihandelsabkommen der EG bestehen, können vom Patentinhaber aufgrund seines nationalen Patentrechts grundsätzlich abgewehrt werden. Die nur den Binnenmarkt betreffenden Art. 28, 30 (30, 36) EGV greifen im Verhältnis zu Drittstaaten nicht ein. Das gilt auch für den Fall nicht genehmigter und nicht zurechenbarer Importe, die über einen schutzfreien Mitgliedstaat in die EG gelangt sind, beim Weitervertrieb in einen Mitgliedstaat, in dem Patentschutz besteht. Die Abwehrbefugnis erlischt nur, wenn der Import dem Patentinhaber zugerechnet werden kann. (2) Nach der bestehenden Rechtsprechung des EuGH kann die Auslegung der Art. 28, 30 (30, 36) EGV, aus der sich der Grundsatz der gemeinschaftsweiten Erschöpfung ergibt, grundsätzlich nicht auf gleichlautende Bestimmungen in Freihandelsabkommen übertragen werden. Möglicherweise deutet sich hier aber eine Änderung der Rechtsprechung an. Richtigerweise sollte bei Bestehen von Freihandelsabkommen differenziert werden: Soweit sich die Entscheidungen des EuGH zur patentrechtlichen Erschöpfung nur auf die Vorschriften über den freien Warenverkehr stützten, sind diese Grundsätze auch im Rahmen von Freihandelsabkommen anwendbar. Soweit den Entscheidungen dagegen das Ziel der Verwirklichung eines Binnenmarktes zugrundeliegt, scheidet angesichts der engeren Zielsetzung von Freihandelsabkommen die entsprechende Auslegung aus. Auf die Europaabkommen, die den Beitritt der Vertragspartner zur EU zum Ziel haben, sollte eine umfassende Übertragung der EuGH-Rechtsprechung zu Art. 28, 30 (30, 36) EGV stattfinden. (3) Im Rahmen des EWR ist von der "europaweiten" Erschöpfung auszugehen. Die vom EuGH für den EG-Binnenmarkt entwickelten Grundsätze gelten auch für den EWR.

E. Zusammenfassung

207

ß. Markenrecht 1. Parallelimporte aus Mitgliedstaaten Im Markenrecht hat eine Harmonisierung der nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten durch die MRRL stattgefunden. Auch wurde mit der GMVO eine einheitliche Marke für die EG geschaffen. Dennoch bleibt die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 28, 30 (30, 36) EGV weitgehend anwendbar, da durch die neuen Rechtsinstrumente diese "alte" Rechtsprechung im wesentlichen fortgeschrieben werden sollte. Die Rechtsprechung des EuGH zur markenrechtlichen Erschöpfung ist geprägt von einer Abwägung zwischen dem freien Warenverkehr und den Interessen des Markeninhabers, wobei hier stärker als im Patentrecht nicht nur auf die Zustimmung des Markeninhabers abgestellt wird, sondern auch die Markenfunktionen Berücksichtigung finden. Im einzelnen lassen sich die Ergebnisse dieser Rechtsprechung folgendermaßen zusammenfassen:

(l) Wie im Patentrecht besteht der Grundsatz der gemein schafts weiten Erschöpfung darin, daß der Markeninhaber Parallel importe der mit seiner Marke gekennzeichneten und rechtmäßig in Verkehr gebrachten Waren in andere Mitgliedstaaten nicht verhindern kann. Auch eine Neuanbringung der Marke durch den Parallelimporteur kann dabei grundsätzlich nicht verhindert werden. (2) Im Fall der zwangsweisen oder freiwilligen Markenaufspaltung tritt mangels Zustimmung des Markeninhabers zum Inverkehrbringen der Markenware durch das rechtlich und wirtschaftlich selbständige Unternehmen keine Erschöpfung ein, so daß Parallelimporte solcher Waren von jeweiligen Markeninhaber verhindert werden können. (3) Das Umpacken der Markenware zum Parallelimport ist unter den folgenden Voraussetzungen zulässig: Es muß erforderlich sein, um die Ware in einem anderen Mitgliedstaat vertreiben zu können. Es darf nicht zu einer Beeinträchtigung des Originalzustands der Ware bzw. zu einem konkreten Risiko einer solchen Beeinträchtigung führen. Das Umpacken darf nicht zur Verwirrung des Verbrauchers führen, außerdem muß der Markeninhaber über das Umpacken informiert werden. Parallelimporte umgepackter Arzneimittel sind darüber hinaus nur zulässig, wenn auf der Verpackung ein deutlicher Umpack- und Herstellerhinweis angebracht ist, Produktinformationen vollständig und richtig sind und dem Markeninhaber auf Antrag eine Probe des umgepackten Erzeugnisses geliefert wird.

208

Teil I: EG-rechtliche Beurteilung von Parallelimporten

Liegen die erwähnten Voraussetzungen vor, können in die neue Verpackung auch nicht von Markeninhaber stammende Erzeugnisse dazugelegt werden, sofern nur dadurch das Produkt verkehrsfähig wird und ein Hinweis auf die Fremdheit des Zusatzartikels angebracht wird. Die allgemein für Umpackfälle geltenden Voraussetzungen finden auch auf Nachfüllfälle Anwendung. (4) Parallelimporte ummarkierter Waren sind nur zulässig, wenn die Markendifferenzierung sich als Maßnahme zur künstlichen Abschottung der Märkte der Mitgliedstaaten darstellt. Eine Markenanpassung durch klarstellende Zusätze ist dagegen zulässig. (5) Bei Produktdifferenzierungen der unter derselben Marke vertriebenen Erzeugnisse ist unabhängig vom Grund dieser Differenzierung keine Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz gegeben. Parallelimporte solcher Waren sind daher zulässig. Allerdings muß der Parallelimporteur auf die Produktunterschiede hinweisen. (6) Im Falle des Verkaufs vertriebsgebundener Markenware durch einen Außenseiter-Parallelimporteur ist zu differenzieren: Der bloße Außenseitervertrieb kann markenrechtlich nicht angegriffen werden. Wird vom Parallelimporteur aber die Kontrollnummer entfernt und dabei der Originalzustand der Ware gebrauchstauglichkeitsmindernd beeinträchtigt oder der Ruf des Markeninhabers geschädigt, kann der Markeninhaber den Verkauf dieser Waren untersagen. Der EuGH anerkennt ein solches Verbotsrecht des Markeninhabers darüber hinaus in Fällen, in denen keine Beeinträchtigung des Originalzustands der Ware gegeben ist, sofern nur das Kontrollnummernsystem zumindest auch gemeinschaftsrechtlich legitimen Zielen dient. (7) Bei Gemeinschaftsmarken führt die Verletzung von Gebietslizenzen durch den Lizenznehmer nur zu vertraglichen Ansprüchen des Markeninhabers gegen den Lizenznehmer. Den Eintritt der markenrechtlichen Erschöpfung verhindert die Lizenzverletzung nicht. Der Gemeinschaftsmarkeninhaber kann daher nicht gegen Parallelimporte der von seinem Lizenznehmer unter Verletzung der Gebietslizenz in der Gemeinschaft in Verkehr gebrachten Waren vorgehen. 2. ParallelImporte aus Drittstaaten

(1) Im Rahmen des EWR gelten die für den innergemeinschaftlichen Handel dargestellten Grundsätze in vollem Umfang. Art. 65 Abs. 2 EWR-Abkommen i. V.m. Nr. 4 lit. c) des Anhangs XVII des Abkom-

E. Zusammenfassung

209

mens gibt Art. 7 Abs. 1 MRRL "für die Zwecke des Abkommens" eine Fassung, die auf das Inverkehrbringen im EWR, nicht in der Gemeinschaft abstellt. (2) Für den Handel mit allen übrigen Drittstaaten hat der EuGH in der

Silhouette-Entscheidung vom 16.7.1998 die Erschöpfungsregelung des Art. 7 Abs. 1 MRRL dahingehend ausgelegt, daß nur eine abschließende gemeinschafts- bzw. EWR-weite Erschöpfung gilt. Parallelimporte aus Drittstaaten können somit vom Markeninhaber abgewehrt werden. Es ist davon auszugehen, daß der EuGH diese Auslegung auch für die fast wörtlich mit der MRRL übereinstimmende Erschöpfungsregelung der GMVO vornehmen würde. Die Silhouette-Entscheidung ist jedoch eine handelspolitische Entscheidung, die als Maßnahme zum Aufbau einer "Festung Europa" abzulehnen ist. Der EuGH hat diese protektionistische Entscheidung getroffen, um Vorleistungen der europäischen Industrie zu verhindern. Indes wurde dargelegt, daß angesichts der in der Parallelimportfrage sehr viel liberaleren Haltung der wichtigsten Handelspartner der EU von einer Vorleistung seitens der europäischen Industrie keine Rede sein kann. Die nunmehr vom EuGH angebotene Lösung des Problems über den Abschluß bilateraler Handelsverträge ist aufgrund der Meistbegünstigungsklauseln von GATI 94 und TRIPS aber nur sehr eingeschränkt tauglich, d. h. nur im Rahmen von Freihandelszonen und Zollunionen. Die Silhouette-Entscheidung ist darüber hinaus juristisch angreifbar. Insbesondere war die Anerkennung eines Rechts des Markeninhabers zur Vertriebssteuerung durch die Markenfunktionen keineswegs geboten. Rechtlich konsequenter wäre eine Auslegung des Art. 7 Abs. 1 MRRL als Mindeststandard, der den einzelnen Mitgliedstaaten die Beibehaltung oder Einführung der internationalen Erschöpfung freistellte. Dieses Ergebnis vertritt auch der EFT A-GH für die EFTA-Staaten. Auf der Grundlage der im Auftrag der Europäischen Kommission erstellten NERA-Studie über die wirtschaftlichen Auswirkungen der internationalen Erschöpfung im Markenrecht der Gemeinschaft wird seit Herbst 1999 auf EGEbene eine Korrektur des Art. 7 Abs. 1 MRRL erörtert). Es bleibt nur zu hoffen, daß im Rahmen dieser Verhandlungen eine Rückbesinnung auf das in Art. 133 (113) EGV niedergelegte Ziel der weltoffenen Handelspolitik der EU stattfinden wird.

1 Vgl. dazu das Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen "Erschöpfung der Rechte aus Marken" vom 09.12.1999, hup://europa.eu.int/comm/dgI5/en/intprop/ indprop/ exhaustde. pdf. 14 Freylag

Teil II

Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht A. Einführung Viele Industriezweige sind in hohem Maße von einem effektiven Schutz des geistigen Eigentums abhängig, damit sich bedeutende Investitionen in Forschung und Entwicklung rentieren. In industrialisierten Staaten ist die Notwendigkeit des Schutzes von geistigem Eigentum daher seit langem anerkannt. Die Durchsetzung erfolgt durch Verwaltungsmaßnahmen sowie zivil- und strafrechtliche Verfahren. Dazu gehören zollrechtliche Verfahren zum Schutz gegen Nachahmungen und Piraterieprodukte; zivil- und strafrechtliche Verfahren ermöglichen die Geltendmachung von Schadensersatz, die Untersagung und die Bestrafung von Rechtsverletzungen. Hinzu kommen vorbeugende Maßnahmen zur Verhinderung von Rechtsverletzungen. Da in vielen, insbesondere weniger entwickelten Ländern solche Regelungen zur effektiven Durchsetzung von Rechten an geistigem Eigentum fehlten, kam es bereits in den 70er Jahren zu beachtlichen Handelsverzerrungen infolge eines sehr hohen und anhaltenden Ausmaßes von Nachahmung und Produktpiraterie 1• Zunehmende Globalisierung der Wirtschaft und ein prozentualer Anstieg des Anteils des Handels mit gewerblich geschützten Waren am Gesamthandel verschärften dieses Problem in der Folgezeit2 . Nachdem unter der Ägide des GATI in mehreren Verhandlungsrunden zunächst die Zölle beträchtlich reduziert und dann auch technische Handelshemmnisse abgebaut worden waren, fielen Handelsverzerrungen aufgrund unterschiedlicher Schutzstandards für geistige Eigentumsrechte nun wesentlich ins Gewicht. I Bereits in der Tokyo-Runde des GATT wurde von den USA und der Europäischen Gemeinschaft der Vorschlag eines Anti-Counterfeiting Code eingebracht (GATT Doc. L/8417 v. 31.7.1979), allerdings erfolglos. Vgl. dazu Christians, Immaterialgüterrechte und GATT, S. 37ff.; Cottier, CML Rev. 1991, 383, 386. 2 In einem Bericht der US-International Trade Commission von 1988 wurden die weltweiten Verluste von US-Firmen aufgrund unzureichenden Immaterialgüterrechtsschutzes für das Jahr 1986 bereits auf etwa 24 Mrd. US-Dollar geschätzt; vgl. dazu und zu weiteren Nachweisen über die Größenordnung des Problems Abbott, Vand. J. Transnat'l L. 1989, 689, 699ff.; Christians. Immaterialgüterrechte und GATT. S. 29f.

A. Einführung

211

Immaterialgüterschutz war bis zum Inkrafttreten des TRIPS-Abkommens am 1.1. 1995 auf internationaler Ebene nur Gegenstand einiger völkerrechtlicher Konventionen, die sich hauptsächlich auf die Schutzerstreckung nationaler Vorschriften bezogen. Zuständig für den Immaterialgüterschutz war bis dahin in erster Linie die WIP0 3 • Im Bereich des Patentrechts hervorzuheben ist die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ), die 1883 in Paris unterzeichnet wurde und bis heute mehrere Revisionen erfuhr4 • Sie zielt auf eine internationale Harmonisierung des Patentschutzes. In ihr sind einige Grundprinzipien festgehalten, die auch in der Diskussion um die Reichweite des Erschöpfungsgrundsatzes eine Rolle spielen5 . Eine explizite Erschöpfungsregelung enthält die PVÜ jedoch nicht. Die letzten Revisionsversuche auf der Nairobi-Konferenz 1987 scheiterten allerdings an den gegensätzlichen Positionen von Industrie-, Staatshandels- und Entwicklungsländern. In den Verhandlungen im Rahmen der WIPO hatten sich die Teilnehmerstaaten zu Ländergruppen zusammengeschlossen, was zu einer Verhärtung der Fronten und Inflexibilität der Verhandlungen führte. Insbesondere die Forderung der Entwicklungsländer nach der Einführung einer ausschließlichen Zwangslizenz, die den völligen Ausschluß des Rechtsinhabers von der Nutzung seines Patents zur Folge gehabt hätte, stellte einen Stolperstein in den Nairobi-Verhandlungen dar6 • Von besonderer Bedeutung für das Markenrecht sind das Madrider Markenabkommen 7 aus dem Jahre 1891 sowie das Protokoll zum Madrider Markenabkommen von 19898 . Das Madrider Markenabkommen ermöglicht eine Schutzerstreckung der in einem Mitgliedstaat hinterlegten Marke auf sämtliche anderen Mitgliedstaaten des Abkommens. Durch eine einzige Registrierung beim Internationalen Büro in Genf kann der Inhaber einer im Ursprungsland eingetragenen Marke in jedem Markenverbandsstaat den gleichen Schutz erlangen, wie wenn er die Marke dort unmittelbar hinter3 Ein Überblick über die internationalen Übereinkommen und befaßten Organisationen auf dem Gebiet des Immaterialgüterrechtsschutzes findet sich bei Christians, Immaterialgüterrechte und GATT, S. 98ff. 4 Revisionen von Brüssel 1900, von Washington 1911, vom Haag 1925, von London 1934, von Lissabon 1958 und von Stockholm 1967; Stockholmer Fassung BGBI. 1970 II, 293, 1073. S Dazu unten Teil II, C. 6 Kolker, Should importation be Considered as Working?, S. 6; ähnlich erfolglos waren die Verhandlungen zum PLT (Treaty Supplementing the Paris Convention as far as Patents are Concerned), vgl. Schäfers, GRUR Int. 1996,763, 765f. 7 Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken vom 14.4.1891, Stockholmer Fassung vom 14.7.1967, BGBI. II 1970,293,418. 8 Protokoll zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken, angenommen in Madrid am 27.6. 1989, ABI. 1996, C 293/13.

212

Teil II: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

legt hätte 9 . Das Madrider Markenabkommen selbst enthält lediglich Verfahrensvorschriften, nicht aber materielle Bestimmungen über den Schutz(umfang) der erstreckten Marken. Einzig Art. 5 des Abkommens bestimmt, daß Schutzverweigerungen nur unter den nach der PVÜ geltenden Bedingungen zulässig sind; allerdings enthält auch die PVÜ keine Regelung zur Erschöpfungsfrage. Schutz und Schutzumfang der nach dem Madrider Markenabkommen erstreckten Marken und somit auch die Frage der Erschöpfung richten sich also nach den Bestimmungen des jeweiligen Mitgliedstaats lO • Dasselbe gilt für das Protokoll zum Madrider Markenabkommen, durch das auch Staaten, die bisher nicht Mitgliedstaaten des Markenabkommens waren 11, die Möglichkeit gegeben wurde, Markenschutz durch eine internationale Registrierung zu erlangen. Da das Protokoll sich inhaltlich im wesentlichen an die Bestimmungen des Markenabkommens anlehnt und ebenfalls keine materiell-rechtlichen Vorschriften zum Schutz(umfang) der erstreckten Marken enthält, bleibt auch hier die Regelung der Erschöpfung den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten überlassen 12. Ähnlich verhält es sich mit dem Trademark Law Treaty vom 27.10.1994 13 . Durch ihn sollte zwar ursprünglich das materielle Markenrecht harmonisiert werden. Dieses weit gesteckte Ziel erwies sich jedoch als nicht realisierbar, so daß sich die Verhandlungspartner auf die Vereinfachung und Harmoniserung der administrativen Vorschriften bei der Markenregistrierung beschränkten. Die Priorität des Trademark Law Treaty liegt in der Vereinfachung der Anmeldung, Registrierung und der Registerverwaltung von Marken, und zwar nicht nur für Marken, deren Schutz international ausgedehnt werden soll, sondern auch für rein nationale Marken. Zwar enthält das Abkommen auch gewisse materiell-rechtliche Vorschriften, nicht aber zur Frage der Erschöpfung von Markenrechten l4 . Daß in (Revisions-)Verhandlungen unter der Ägide der WIPO zu internationalen Verträgen, in die materiell-rechtliche Schutzvorschriften für Rechte Art. 4 Madrider Markenabkommen. Für ins deutsche Recht schutzerstreckte Marken sieht die Generalklausei des § 107 MarkenG vor, daß die Vorschriften des Markengesetzes Anwendung finden, soweit sich aus dem nachfolgenden Abschnitt oder aus dem Madrider Markenabkommen selbst nichts anderes ergibt. Für die Frage der Erschöpfung ist daher § 24 MarkenG anwendbar, der Art. 7 MRRL in der durch das EWR-Abkommen erweiterten Fassung entspricht. 11 Insbesondere ging es um die USA, Japan und Großbritannien. 12 Gern. § 119 MarkenG finden die Vorschriften des MarkenG, zur Erschöpfung also § 24 MarkenG, auch auf internationale Registrierungen von Marken nach dem Protokoll zum Madrider Markenabkommen Anwendung. 13 WIPO-Dok. Nr. 255 (G) 1995. 14 Vgl. im einzelnen Bock, SMI 1995/11. 191, 199f.; Kunze, WRP 1996,982. 9

10

A. Einführung

213

des geistIgen Eigentums aufgenommen werden sollten, keine Einigkeit erzielt werden konnte, war mit ein Grund für die Einbeziehung der "handelsbezogenen Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums" (TRIPS) in die Verhandlungen der GATT-Uruguay-Runde I5 . Die Verhandlungssituation in der Urugauy-Runde unterschied sich insofern von derjenigen in der WIPO, als grundsätzlich jeder für sich und nicht als Teil einer Gruppe verhandelte I 6. Außerdem bestand im Rahmen der WTO-Verhandlungen angesichts des breiten Spektrums an Verhandlungsgegenständen die Möglichkeit des sog. "package dealing", d. h. unterschiedliche Aspekte wurden zusammen verhandelt, damit durch gegenseitige Zugeständnisse umfassend Ergebnisse erzielt werden konnten 17. Diese Verhandlungen führten am 15.4.1994 zum Abschluß des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) als Teil des WTO-Abkommens 18 . Dabei kam es zu einem bis dahin international unerreichten Grad der Hannonisierung des Schutzes von geistigem Eigentum. Das TRIPS-Abkommen geht hinsichtlich des Schutzbereichs weit über die bisherigen Konventionen hinaus, indem Mindestvorschriften zum Schutz nahezu aller Bereiche des geistigen Eigentums vorgesehen sind, die dem in den industrialisierten Staaten gewährleisteten Standard weitgehend entsprechen. Es werden klare Grenzen für den Schutzumfang vorgegeben, und auch die Ausübung von Schutzrechten ist geregelt. Von großer Bedeutung ist die Einbeziehung des TRIPS in den WTO-Streitschlichtungs mechanismus 19. Zur Frage der Behandlung von Parallelimporten, die einen ganz wesentlichen handelsbezogenen Aspekt geistiger Eigentumsrechte darstellt, findet sich im TRIPS-Abkommen dagegen keine eindeutige Entscheidung 2o . 15 Kolker, Should importation be Considered as Working?, S. 6f.; Schäfers, GRUR Int. 1996, 763, 766 f. 16 Rail, in: Hilf/Oehler, Der Schutz des geistigen Eigentums in Europa, S. 141; konkret zu den Positionen der Staaten in den TRIPS-Verhandlungen Cottier, CML Rev. 1991, 383, 386ff. 17 Das TRIPS-Abkommen ist entsprechend als Zugeständnis der Entwicklungsländer an die Industriestaaten zu sehen, während die letzteren sich insbesondere etwa im Textil- und Agrarbereich entgegenkommend gezeigt haben. Vgl. Rronckers, CML Rev. 1994, 1245, 1249f.; Faupel, GRUR Int. 1990,225, 156; Pac6n, GRUR Int. 1995, 875f.; Staehelin, Das TRIPs-Abkommen, S. 166. 18 Zum Verhältnis zwischen WTO und WIPO vgl. das Abkommen zwischen WIPO und WTO vom 22.12.1995, ILM 1995, 754; allgemein Abbou, Hastings Int'l & Comp. L. Rev. 1997,661; Schäfers, GRUR Int. 1996,763. 19 Art. 64 TRIPS; dazu ausführlich Abbou, in: Petersmann, International Trade Law and the GATT/WTO Dispute Settlement System, S. 387ff. 20 Art. 6 TRIPS trägt zwar die vielversprechende Überschrift "Erschöpfung", wird dieser Ankündigung inhaltlich jedoch keineswegs gerecht. Dazu unten Teilll, B.1.

214

Teil II: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

Die Industrieländer mußten das Abkommen bis 1996 umsetzen, Entwicklungsländern und Ländern, die sich im Prozeß des Übergangs von der Planwirtschaft zur freien Marktwirtschaft befinden, wurde eine weitere Umsetzungsfrist bis zum 1. 1.2000 eingeräumt; für die am wenigsten entwickelten Länder läuft diese Frist bis 2005 21 . Seit Abschluß des TRIPS-Übereinkommens hat eine beachtliche Zahl von Ländern - sowohl WTO-Mitgliedstaaten als auch Nicht-Mitgliedstaaten - damit begonnen, ihre Systeme zum Schutz des geistigen Eigentums zu revidieren und zu verbessern. Dieser Prozeß hält noch an. China, die Mitgliedstaaten des ASEAN, einige lateinamerikanische Länder, Südkorea, die Türkei und die mittel- und osteuropäischen Beitrittskandidaten zur EU versuchen, ihre Gesetze auf Weltklasseniveau zu bringen22 . Während nun also in den kommenden Jahren mit der Vereinheitlichung der Schutzstandards für geistiges Eigentum zu rechnen ist, bleibt das Problem der Parallelimporte international ungeklärt. Eine Lösung könnte allerdings im Rahmen der bevorstehenden Überprüfung des TRIPS-Abkommens durch den TRIPS-Rat23 angestrebt werden. Im folgenden soll daher untersucht werden, ob die bestehenden internationalen Regelungen für die Frage der Erschöpfung in der einen oder anderen Richtung fruchtbar gemacht werden können. Ausgegangen wird dabei von den für den Bereich des geistigen Eigentumsschutzes nun wohl speziellsten Vorschriften des TRIPS. Anschließend wird ein Blick auf die in den internationalen Konventionen zum Schutz des geistigen Eigentums niedergelegten Grundsätze und auf die Vorschriften des GATI 94 geworfen, bevor die allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätze des Eigentumsschutzes sowie die Belange der Entwicklungsländer in bezug auf Parallelimporte diskutiert werden. Abschließend wird erörtert, inwieweit eine Übertragung der in der EG gefundenen Grundsätze auf den internationalen Bereich als Problemlösung in Betracht kommt.

B. Regelung im TRIPS-Abkommen Umstritten ist, ob dem TRIPS-Abkommen eine Entscheidung für oder gegen die internationale Erschöpfung entnommen werden kann. Das soll im folgenden anhand der Darstellung des Regelungsgehalts der betreffenden Vorschriften untersucht werden.

Art. 65 f. TRIPS. DG I, The European Union and the proteetion of intellectual property, October 1998, http://europa.eu.int/comm/dgO 1Itrade7.htm. 23 Art. 71 Abs. 1 i. V.m. Art. 65 Abs. 1,2 TRIPS. 21

22

B. Regelung im TRIPS-Abkommen

215

I. Regelungsgehalt des Art. 6 TRIPS Der mit dem Titel "Erschöpfung" überschriebene Art. 6 TRIPS lautet wie folgt: "Für die Zwecke der Streitbeilegung im Rahmen dieses Übereinkommens darf vorbehaltlich der Art. 3 und 4 dieses Übereinkommen nicht dazu verwendet werden, die Frage der Erschöpfung von Rechten des geistigen Eigentums zu behandeln."

Das in dieser Vorschrift angesprochene Streitbeilegungsverfahren ist eine durch Art. 64 TRIPS neu eingeführte Möglichkeit der Mitgliedstaaten, Verstöße gegen die Einhaltung des TRIPS-Abkommens vor ein WTO-Tribunal in Genf zu bringen, das darüber entscheiden und gegebenenfalls Sanktionen verhängen kann. Eben diese Möglichkeit soll nun nach Art. 6 TRIPS für Streitigkeiten über die Erschöpfungsregelung von Mitgliedstaaten ausgeschlossen sein, sofern es nicht um einen Verstoß gegen die erwähnten Diskriminierungsverbote geht. Allerdings ist die Auslegung des Art. 6 TRIPS im einzelnen umstritten. Straus meint, bereits der Wortlaut der Regelung zeige, daß sich das TRIPS-Abkommen gegen eine internationale Erschöpfung ausgesprochen habe. Die Formulierung, daß "dieses Übereinkommen nicht dazu verwendet werden [darf], die Frage der Erschöpfung von Rechten des geistigen Eigentums zu behandeln", mache nur Sinn, wenn die internationale Erschöpfung durch das materielle TRIPS-Recht verboten sei I .

Eine so weitgehende Annahme läßt sich jedoch nicht rechtfertigen. Denn zunächst einmal ist durchaus denkbar, daß Streit nicht über die Regelung der internationalen Erschöpfung (das ist offensichtlich der Fall, von dem Straus in seiner Argumentation ausgeht), sondern - etwa weil Handelsunternehmen und nicht Rechtsinhaber sich beeinträchtigt fühlen - über die der nationalen oder regionalen Erschöpfung entbrennt, der im Rahmen des WTO-Streitbeilegungsmechanismus geklärt werden sollte. Und dann ist insbesondere die Entstehung des Art. 6 TRIPS zu bedenken. Vor dem Hintergrund, daß sich international keine Einigung über die Frage der internationalen Erschöpfung erzielen ließ, bestand die einzig mögliche Kompromißlösung darin, eine verbindliche Entscheidung seitens der WTO über diese Frage zu unterbinden. Der Wortlaut des Art. 6 TRIPS ist daher nicht als Verbot von Parallelimporten zu verstehen, sondern deutet darauf hin, daß der WTO nicht die Kompetenz zur verbindlichen Entscheidung dieser Frage zusteht 2 • Die Formulierung stellt nur den kleinsten gemeinsamen Nenner, auf den sich die Parteien einigen konnten, dar. 1Straus, GRUR Int. 1996, 179, 194; ders., in: BeierlSchricker, From GATT to TRIPs, S. 192f.

216

Teil 11: Zulässigkeit von Parallel importen nach WTO-Recht

Darüber hinaus werden in der Literatur im wesentlichen zwei konträre Ansichten zum Regelungsgehalt des Art. 6 TRIPS vertreten, die als prozessuale bzw. materielle Theorie bezeichnet werden können. 1. Prozessuale Theorie

Einerseits wird argumentiert, Art. 6 TRIPS sei eine rein prozessuale Regelung und müsse eng ausgelegt werden. Er entziehe die Frage der Erschöpfung lediglich dem Streitbeilegungsmechanismus des neuen GA TI, nicht jedoch einer Beurteilung auf der Grundlage der allgemeinen Grundsätze und der materiellen Vorschriften des TRIPS. Folglich sei für die Frage der Erschöpfung von Patentrechten auf Art. 27 ff., insbesondere Art. 28 Abs. I TRIPS, für Markenrechte auf Art. 16 TRIPS abzustellen 3 . 2. Materielle Theorie

Andererseits wird vertreten, Art. 6 TRIPS sei in bezug auf die Frage der internationalen Erschöpfung materieller Art, eine Art "agreement to disagree", so daß die Regelung der Erschöpfung den nationalen Gesetzgebern überlassen bleibe4 . Die Verhandlungsführer, die sich der Unterschiede der verschiedenen Systeme bezüglich der Erschöpfung bewußt waren, konnten sich nicht auf eine bestimmte Lösung einigen. Worüber sie sich jedoch einig waren, war, daß der Streitbeilegungsmechanismus nicht eingreifen sollte5 . Aufgrund dieser Uneinigkeit könne daher auch den Art. 16, 27 f. TRIPS keine verbindliche Vorgabe der Erschöpfungsregelung in der einen oder anderen Richtung entnommen werden. Den Vertragsstaaten sei es daher freigestellt, nur die nationale Erschöpfung vorzuschreiben oder die Erschöpfungsregelung auf eine Staatengruppe, etwa in einer Zollunion, zu erstrecken oder auch die internationale Erschöpfung vorzusehen 6 . Zu demselben Ergebnis gelangt auch, wer allgemeine völkerrechtliche Grundsätze heranzieht. Wenn eine Einigung der Staaten in der Frage der So auch Heath, GRUR Int. 1996, 1I 69, 1I 80. Heath, IIC 1997, 623, 629; Mager, Parallel Import in Patented Goods, S. 4; Straus, GRUR Int. 1996, 179, 193; ders., in: BeierlSchricker, From GATT to TRIPs, S. 191 f.; Ullrich, GRUR Int. 1995,623,635. 4 Bronckers, CML Rev. 1994, 1245, 1268; ders., 32 JWT 5, 1998, 1,6; in diesem Sinne auch Correa, EIPR 1994, 327, 330; Cottier, SMI 199511, 37, 56; Cottier/Stucki, Parallelimporte im Patent-, Urheber- und Muster- und Modellrecht aus europarechtlicher und völkerrechtlicher Sicht, S. 54; Cottier, Implications of WTO Law for the Exhaustion Issue and Parallel Imports, S. 2; Soltysinski, GRUR Int. 1996,316,319; Kunz-Hallstein, GRUR 1998,268,271. 5 Quick, An Industrial View on International Exhaustion of Patent Rights, S. 4. 6 Correa, EIPR 1994,327,330. 2

3

B. Regelung im TRIPS-Abkommen

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internationalen Erschöpfung nicht zu erzielen war, sei nach dem Grundsatz in dubio mitius davon auszugehen, daß sie sich auch in der Definition des Inhalts der Ausschließlichkeitsrechte in Art. 16, 28 TRIPS hinsichtlich der internationalen Erschöpfung nicht in der einen oder anderen Richtung festlegen wollten7 . Teilweise wird weitergehend die Ansicht vertreten, durch Art. 6 TRIPS werde die Erschöpfungsfrage überhaupt aus dem TRIPS-Abkommen ausgeklammert. Das habe zur Folge, daß im Hinblick auf nationale Erschöpfungsregelungen weiterhin einseitige Handelssanktionen zwischen WTOMitgliedstaaten zulässig seien 8 . Diese Ansicht ist aber verfehlt9 . Nach dem Wortlaut des Art. 6 TRIPS ist nur der Streitbeilegungsmechanismus hinsichtlich der Erschöpfungsfrage ausgeschlossen, und auch das nur mit Ausnahmen. Für den Fall, daß eine nationale Erschöpfungsregelung gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 3 oder 4 TRIPS verstößt, kommt eine Klärung durch WTO-Panels durchaus in Betracht. Eine "gesplittete" Ausgrenzung der Erschöpfungsfrage aus dem TRIPS-Abkommen erscheint aber wenig einleuchtend. Schwerwiegender sind noch die Konsequenzen obengenannter Ansicht für das Telos des TRIPS-Abkommens. Das TRIPS-Abkommen ist im gesamten Bereich des geistigen Eigentumsschutzes gerade dazu da, einseitige Handelsmaßnahmen zugunsten einvernehmlicher Lösungen zu verhindern. Genau aus diesem Grunde, nämlich insbesondere zur Verhinderung der "Kanonenbootpolitik" der USA, hatten sich letztlich auch die Entwicklungsländer zum Abschluß des TRIPS"Abkommens bereiterklärt. Nähme man nun die Zulässigkeit einseitiger Handelssanktionen in der Frage der Erschöpfungsregelung an, würde dieses grundlegende Ziel des TRIPS-Übereinkommens unterminiert. Zur Verhinderung solch einseitiger Sanktionen war der Streitbeilegungsmechanismus eingeführt worden. Aus Art. 23 Abs. 1 DSU ergibt sich als Grundprinzip des WTO-Rechts, daß alle Streitfragen in bezug auf ein WTO-Abkommen ausschließlich in Anwendung des Streitbeilegungsmechanismus gelöst werden. Wird die Erschöpfungsfrage nun hierKunz-Hal/stein, GRUR 1998,268,271. Ouen, 11 WHO Drug Information Bulletin 1997, 12, 13; Pacon, GRUR Int. 1995, 875, 878; für den Fall eines Verbots der internationalen Erschöpfung durch materielles TRIPS-Recht auch Straus, GRUR Int. 1996, 179, 194; ders., in: Beierl Schricker, From GATT to TRIPs, S. 193. 9 Kritisch auch Bronckers, 32 JWT 5, 1998, 1, 22; Heath, GRUR Int. 1996, 1169, 1180; wohl auch Straus, GRUR Int. 1996, 179, 194, ders., in: Beierl Schrlcker, From GATT to TRIPs, S. 193, der die Unzulässigkeit einseitiger Handeissanktionen allerdings nur für den Fall annimmt, daß TRIPS die Anwendung der internationalen Erschöpfung ins Belieben der Mitgliedstaaten stellt, im Fall eines materiellen Verbots der internationalen Erschöpfung von deren Zulässigkeit, aber Nichtjustiziabilität ausgeht. 7 8

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Teil 11: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

von ausgenommen, so kann das nur prozessuale, nicht aber materiell-rechtliche Folgen haben, soll nicht das gesamte System des TRIPS-Abkommens gestört werden. 3. Stellungnahme

Nach Art. 31 Abs. 1 WVRK ist ein Vertrag nach Treu und Glauben grammatisch, systematisch und teleologisch auszulegen 10. Der Wortlaut des Art. 6 TRIPS spricht klar gegen eine abschließende materiell-rechtliche Regelung. Sowohl in der deutschen als auch in der authentischen englischen Fassung" wird an der herausragenden Anfangsstellung des Satzes deutlich gemacht, daß die Regelung des Art. 6 TRIPS sich auf die Streitbeilegung bezieht. Da eine weitergehende Erschöpfungsregelung nicht enthalten ist, beschränkt sie sich also auch auf diesen Bereich. Wäre von den Vertragspartnern eine materiell-rechtliche Regelung angestrebt gewesen, hätte dies durch Weglassen der auf die Streitbeilegung verweisenden Textpassage erreicht werden können. In systematischer Hinsicht ist zu klären, ob sich aus der Fußnote zu dem in Art. 28 Abs. 1 lit. a) TRIPS erwähnten Einfuhrrecht 12 , in der auf Art. 6 TRIPS verwiesen wird, ein Argument für die eine oder andere Auslegung des Art. 6 TRIPS entnehmen läßt. Durch diese Fußnote wird das Einfuhrrecht den übrigen ausschließlichen Verwertungsrechten gleichgestellt und Art. 6 TRIPS unterworfen. Wird Art. 6 TRIPS als materiell-rechtliche Vorschrift verstanden, ist diese Fußnote allerdings überflüssig. Bereits aus Art. 6 TRIPS ergäbe sich dann, daß die Regelung der Erschöpfung von Ausschließlichkeitsrechten den Mitgliedstaaten überlassen bleibt. Eine Differenzierung zwischen verschiedenen Verwertungsrechten wäre danach nicht möglich. Allenfalls könnte der Fußnote insofern noch eine klarstellende Funktion zukommen. Aber auch bei Annahme des prozessualen Regelungscharakters des Art. 6 TRIPS kann dieser Fußnote nicht mehr als die KlarsteIlung, daß diese Ausnahme vom Streitbeilegungsmechanismus eben gerade auch für die Erschöpfung des Einfuhrrechtes gilt, entnommen 10 Durch Art. 3lff. WVRK wurden die vom Völkerrecht anerkannten allgemeinen Auslegungsregeln für völkerrechtliche Verträge kodifiziert. Die Anwendbarkeit dieser Auslegungsregeln ist daher auch für Staaten, die nicht Vertragsstaaten der WVRK sind, verbindlich. Vgl. dazu Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, S. 78 Rz. 124. 11 Dort lautet Art. 6 TRIPS: "For the purposes of dispute settlement under this Agreement, subject to the provisions of Articles 3 and 4 nothing in this Agreement shall be used to address the issue of exhaustion of intellectual property rights.". 12 Der Text der Fußnote lautet: "Dieses Recht unterliegt ebenso wie alle sonstigen nach diesem Übereinkommen gewährten Rechte in bezug auf Gebrauch, Verkauf, Einfuhr oder sonstigen Vertrieb von Waren Art. 6.".

B. Regelung im TRIPS-Abkommen

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werden. Daß sich aber in Teil TI des TRIPS-Abkommens, der die materiellrechtlichen Schutzstandards enthält, mit Rücksicht auf die Erschöpfungsfrage überhaupt eine Fußnote findet, könnte möglicherweise darauf hindeuten, daß das materielle TRIPS-Recht doch Normen enthält, die für die rechtliche Beurteilung der Erschöpfungsfrage von Bedeutung sind; dadurch würde eher die prozessuale Theorie gestützt. Viel spricht aber angesichts der offensichtlichen Unstimmigkeiten dafür, von einem Redaktionsversehen auszugehen und dieser Fußnote jeglichen Aussagewert abzusprechen. Die Tatsache, daß diese Fußnote angefügt wurde, streitet weder zugunsten der materiell-rechtlichen noch (eindeutig) zugunsten der prozessualen Auslegung des Art. 6 TRIPS. Die prozessuale Theorie führt auch nicht zu widersinnigen Ergebnissen. Sollte sich aus den materiellen Regelungen eine Entscheidung für ein bestimmtes Erschöpfungsregime herleiten lassen, könnte zwar der Verstoß eines Mitgliedstaates gegen diese Vorschrift nicht im Rahmen der WTO geahndet werden. Eine solche Interpretation macht aber dennoch Sinn, da zumindest Privatklagen vor den nationalen Gerichten Aussicht auf Erfolg haben könnten, wenn in dem betreffenden Staat die unmittelbare Anwendbarkeit internationaler Verträge anerkannt ist 13 • Angesichts des klaren Wortlauts des Art. 6 TRIPS muß von einer prozessualen Regelung ausgegangen werden, die die Erschöpfungsfrage mit Ausnahme der in Art. 3 und 4 TRIPS niedergelegten Grundsätze der Inländerbehandlung und Meistbegünstigung 14 vom Streitbeilegungssystem der WTO ausnimmt. Es bleibt daher zu untersuchen, ob die materiellen TRIPS-Regelungen eine Aussage zur Erschöpfung enthalten. Da Art. 6 TRIPS - auch bei Annahme einer prozessualen Regelung - zumindest deutlich macht, daß eine Einigung über die Erschöpfungsfrage letztlich nicht erzielt werden konnte, ist dieser Aspekt bei der Auslegung der materiellen Regelungen im Auge zu behalten. Ist die Bedeutung einer solchen Regelung nach dem Vertragstext unklar, wird man daher nicht zu dem Ergebnis kommen können, daß die materiellen TRIPS-Vorschriften doch eine Entscheidung für die eine oder andere Erschöpfungsregelung enthielten. 11. Materielle Vorschriften des TRIPS 1. Patentrecht

Teilweise wird die Ansicht vertreten, jedenfalls das materielle TRIPSPatentrecht stehe der Einführung einer internationalen Erschöpfung im Mager, Parallel Imports in Patented Goods, S. 4. Zur Bedeutung dieser Grundsätze für die Erschöpfungsfrage vgl. unten Teil 11, B. III. 2. 13

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220

Teil H: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

Patentrecht im Wege 15 • Durch Art. 27 Abs. I TRIPS sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Ausübung der Patente zuzulassen, "ohne daß hinsichtlich des Ortes der Erfindung, des Gebiets der Technik oder danach, ob die Erzeugnisse eingeführt oder im Land hergestellt werden, diskriminiert werden darf'. Nach Art. 28 Abs. I TRIPS gewährt das Patent seinem Inhaber ein Bündel ausschließlicher Rechte, zu denen auch ein Einfuhrrecht bezüglich des patentierten Gegenstands bzw. des unmittelbar durch ein patentiertes Verfahren hergestellten Erzeugnisses zählt. Das Einfuhrrecht wird im TRIPS-Abkommen ausdrücklich nur dem Patentinhaber, nicht auch den Inhabern anderer Immaterialgüterrechte eingeräumt. Daher wird geltend gemacht, daß in den nationalen Patentrechtsordnungen Einfuhrrechte vorzusehen seien, und daß der Patentrechtsinhaber berechtigt sein solle, nicht nur nachgeahmte Waren, sondern auch Parallel importe von Originalwaren zu verhindern. Aus Art. 28 Abs. 1 TRIPS ergebe sich somit ein Verbot von Parallelimporten 16• An diesem Ergebnis ändere auch die auf Art. 6 TRIPS verweisende Fußnote zu Art. 28 TRIPS nichts, wenn man von einem nur prozessualen Regelungsgehalt des Art. 6 TRIPS ausgehe. Die auf das Importrecht des Art. 28 TRIPS gestützte Behauptung, das TRIPS habe sich für die nationale Erschöpfung entschieden, unterliegt jedoch einem ähnlichen Denkfehler wie die noch zu erörternde Argumentation mit dem Territorialitätsprinzip 17. Art. 28 TRIPS definiert den Mindestschutzumfang der Patentrechte, bevor eine mögliche Erschöpfung eingetreten ist. Folgt man der Erschöpfungslehre 18 , wonach die dem Rechtsinhaber zustehenden Verwertungsrechte durch das erstmalige Inverkehrbringen Gedenfalls im Inland) erloschen sind, so muß auch angenommen werden, daß das Einfuhrrecht als Teil der dem Rechtsinhaber eingeräumten Verwertungsbefugnis ebenso der Erschöpfung unterliegt. Eine unterschiedliche Behandlung von Einfuhrrecht und sonstigen Verwertungsrechten (Gebrauchs- und Verkaufsrechte) läßt sich nicht rechtfertigen. Die Einfuhr, wie eben auch der Gebrauch oder Verkauf, stellt nämlich einen Aspekt der wirtschaftlichen Ausnutzung des IS Bronckers, CML Rev. 1994, 1245, 1267; Mager, Parallel Imports in Patented Goods, S. 3; Straus, GRUR Int. 1996, 179, 193ff.; ders., in: BeierlSchricker, From GATT to TRIPs, S. 192f. 16 Mager, Parallel Imports in Patented Goods, S. 3; ders., GRUR 1999,637,641; Straus, GRUR Int. 1996, 179, 194; ders., in: BeierlSchricker, From GATT to TRIPs, S. 192. 17 Dazu unten Teil 11, C. I. 18 Die Implied licence-Doktrin verstößt sicher nicht gegen TRIPS-Recht. Das TRIPS-Abkommen enthält nämlich keinerlei Anhaltspunkte, daß das Einfuhrrecht nicht gewissen Bedingungen unterliegen dürfte wie beispielsweise der Information der Öffentlichkeit über Einschränkungen der Verwertung der Ware. So auch Heath, HC 1997,623,629.

B. Regelung im TRIPS-Abkommen

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Schutzrechtes dar. Erkennt man aber an, daß auch das Einfuhrrecht als solches der Erschöpfung unterliegen kann, können der Vorschrift des Art. 28 TRIPS keine weitergehenden Vorgaben hinsichtlich der anzuwendenden Erschöpfungsregelung entnommen werden. Die auch während der UruguayVerhandlungen nicht in Frage gestellte gemeinschaftsweite Erschöpfung innerhalb der EG verdeutlicht, daß das Einfuhrrecht des Art. 28 TRIPS nicht unbegrenzt sein kann. Das Importrecht kann also dem Parallelimport nur dann entgegengehalten werden, wenn die inländische Rechtsordnung davon ausgeht, daß das erstmalige Inverkehrbringen im Ausland nicht zur Erschöpfung führt. Das wiederum richtet sich aber nach dem dahinterliegenden Zweck des Patentrechts und der staatlichen Entscheidung. Das Einfuhrrecht als solches spricht weder für noch gegen die Zulässigkeit von Parallelimporten 19 . Dieser Auslegung kann auch nicht entgegengehalten werden, daß dadurch das Einfuhrrecht seiner Bedeutung beraubt würde. Bei der Bekämpfung nachgeahmter, patentrechtsverletzend hergestellter Waren braucht der Schutzrechtsinhaber nämlich nicht erst abzuwarten, bis der Verletzer die Waren in Verkehr bringt, sondern kann bereits kraft seines Einfuhrrechts eine Zollbeschlagnahme veranlassen. Gerade in Ländern, in denen zivilrechtliehe Verletzungsverfahren sehr langwierig sind, kann das Importrecht so die Rechtsdurchsetzung auf administrativem Wege erheblich erleichtern2o • Das Importrecht des Art. 28 Abs. 1 TRIPS ist für das Problem der Zulässigkeit von Parallelimporten völlig irrelevant. Es kann weder für noch gegen die internationale Erschöpfung vorgebracht werden, sondern besagt nur, daß, solange keine Erschöpfung eingetreten ist, dem Patentinhaber auch ein Importrecht gewährleistet werden muß. 2. Markenrecht

In Art. 15 Abs. 1 S. 1 TRIPS findet sich zum ersten Mal in einem internationalen Übereinkommen eine verbindliche Markendefinition: ,,Alle Zeichen und alle Zeichenkombinationen, die geeignet sind, die Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden, können eine Marke darstellen."

Diese Definition stellt allein auf die Unterscheidungskraft der Marke und damit auf die Herkunftsfunktion ab. Nicht erwähnt und auch nicht erfaßt ist damit die Möglichkeit der Marktsegmentierung durch die Marke. Ein solches Recht ergibt sich auch nicht aus den Vorschriften über die Rechte aus 19 So auch Heath, GRUR Int. 1996, 1169, 1180; ders., HC 1997, 623, 629f.; ders., RIW 1997, 541, 542. 20 Vgl. dazu Heath, GRUR Int. 1996, 1169, 1180; ders., HC 1997, 623, 629.

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Teil 11: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

der Marke. Art. 16 Abs. 1 TRIPS sieht ein ausschließliches Verbotsrecht nur bei Waren- bzw. Dienstleistungsähnlichkeit vor. Nach Art. 16 Abs. 3 TRIPS findet zwar Art. 6bis PVÜ, der die Zurückweisung der Eintragung, die Ungültigerklärung und die Gebrauchsuntersagung verwechslungsfahiger Abbildungen, Nachahmungen oder Übersetzungen regelt, sinngemäß auch außerhalb des Waren- und Dienstleistungsähnlichkeitsbereichs Anwendung, wenn die konkrete Benutzung der betreffenden Marke auf eine Verbindung zum Inhaber der eingetragenen Marke hinweisen würde und wenn den Interessen dieses Markeninhabers durch eine solche Benutzung wahrscheinlich Schaden zugefügt würde. Eine gewisse Anerkennung des wirtschaftlichen Wertes der Marke hat also auch durch das TRIPS-Abkommen stattgefunden. Das TRIPS-Abkommen ist in diesem Bereich aber weniger deutlich als etwa Art. 4 Abs. 3, 5 Abs. 2 MRRL, wo die Wertschätzung der Marke ausdrücklich erwähnt ist. Wurde aber bereits auf EG-Ebene ein Funktionswandel der Marke dergestalt, daß sich daraus ein Recht zur Vertriebssteuerung im Verhältnis zu Drittstaaten ergeben würde, abgelehne l , so kommt eine solche Annahme für das TRIPS erst recht nicht in Betracht. Ein Recht zur Abwehr von Parallelimporten könnte sich allenfalls unmittelbar aus Art. 16 Abs. 1 TRIPS ergeben. Art. 16 Abs. 1 S. 1, 2 TRIPS sieht vor, daß der Inhaber einer eingetragenen Marke das ausschließliche Recht hat, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr identische oder ähnliche Zeichen für Waren oder Dienstleistungen, die den für die Marke eingetragenen Waren oder Dienstleistungen identisch oder ähnlich sind, zu benutzen, wenn diese Benutzung zu einer Verwechslungsgefahr führen würde; dabei wird die Verwechslungsgefahr in Fällen des Gebrauchs eines identischen Zeichens für identische Waren oder Dienstleistungen vermutet. Primärer Zweck der Vorschrift ist die Bekämpfung von Nachahmungen und Piraterieprodukten22 . Der Markeninhaber soll in der Lage sein, solche Produkte bereits an der Grenze beschlagnahmen zu lassen 23 . Die Vermutung der Verwechslungsgefahr erleichtert dem Rechtsinhaber den Nachweis gegenüber den Zollbehörden. Die Vorschrift könnte aber auch auf Parallelimporte anwendbar sein. Parallelimporte wären vom Verbietungsrecht Oben Teil I, D. 11. 1. d) bb) (4). Cottier, Implications of WTO Law for the Exhaustion Issue and Parallel Imports, S. 3. 23 In der EG vgl. die Verordnuns (EG) Nr. 3295/94 des Rates vom 22.12.1994 über Maßnahmen zum Verbot der Uberführung nachgeahmter Waren und unerlaubt hergestellter Vervielfaltigungsstücke oder Nachbildungen in den zollrechtlich freien Verkehr oder in ein Nichterhebungsverfahren sowie zum Verbot ihrer Ausfuhr und Wiedereinfuhr, ABI. 1994, L 341/8; geändert durch Verordnung (EG) Nr. 241/ 1999, ABI. 1999, L 27/1. 21

22

B. Regelung im TRIPS-Abkommen

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erfaßt, wenn der Import als "Benutzung" im Sinne der Vorschrift anzusehen wäre und wenn eine Verwechslungsgefahr möglich wäre. Der Begriff der Markenbenutzung ist im TRIPS-Übereinkommen zwar nicht definiert. Der gewerbsmäßige Import und anschließende Verkauf der Produkte durch den Parallelimporteur stellen aber eindeutige Grundfälle der Markenbenutzung dar, so daß kein Zweifel daran bestehen kann, daß diese vom Schutzbereich des Art. 16 Abs. 1 TRIPS erfaßt sind 24 . Da bei Parallelimporten von Originalwaren naturgemäß identische Zeichen für identische Waren benutzt werden, stellt sich die Frage, inwieweit sich aus Art. 16 Abs. 1 TRIPS ein Verbietungsrecht ergibt. Problematisch ist insbesondere die Frage, ob beim Vertrieb von Originalware überhaupt eine Verwechslungsgefahr vorliegen kann, die nach dem Wortlaut dieser Vorschrift vorausgesetzt wird. Vom Wortsinn her spricht man von Verwechslung nämlich nur, wenn unterschiedliche Gegenstände nicht klar auseinandergehalten werden können. Stammen die Produkte allerdings alle aus einer Quelle, nämlich vom Markeninhaber, wird der Verbraucher nicht über die Herkunft der Waren getäuscht, so daß nicht von Verwechslungsgefahr gesprochen werden kann. Andererseits muß natürlich die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, daß der Parallelimporteur an der Originalware Veränderungen vorgenommen hat, so daß dadurch Verwechslungen zwischen unveränderter Originalware und den veränderten Parallelimporten denkbar wären. Da eine Verwechslungsgefahr also nicht abstrakt ausgeschlossen werden kann, die Möglichkeit der Widerlegung der Vermutung in S. 2 aber zum Schutz des Parallelimporteurs ausreicht, sollten auch Parallelimportfälle unter Art. 16 Abs. 1 subsumiert werden. Würden sie nämlich insgesamt ausgeschlossen, wäre der Markeninhaber weitgehend schutzlos und müßte seinerseits entgegen der Vermutung in S. 2 die Verwechslungsgefahr beweisen. Geht man also davon aus, daß die Vorschrift auch auf Parallelimportfälle anwendbar ist25 , muß man aber zugleich bedenken, daß es dem Parallelimporteur in solchen Fällen in aller Regel gelingen wird, die Vermutung der Verwechslungsgefahr zu widerlegen, indem er den Nachweis erbringt, daß es sich um ein Original produkt des Markeninhabers handelt. Dann scheidet aber ein Verbietungsrecht des Markeninhabers nach Art. 16 Abs. 1 TRIPS schon tatbestandlich aus. Aus Art. 16 Abs. 1 S. 1 TRIPS läßt sich folglich kein umfassendes Verbot von Parallelimporten ableiten. Der Parallelimporteur hat nämlich immer die Möglichkeit, das Nichtbestehen einer Verwechslungsgefahr zu beweisen; in diesem Fall verstieße sein Handeln nicht gegen Art. 16 24 Vgl. die Aufzählung möglicher Benutzungshandlungen in Art. 5 Abs. 3 MRRL und § 14 Abs. 3 dt. PatG, dazu Fezer, Markenrecht, § 14 MarkenG Rz. 14ff. 25 So auch Cottier, SMI 1995/1, 37, 54; ders., Implications of WTO Law for the Exhaustion Issue and Parallel Imports, S. 3.

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Teil 11: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

TRIPS 26 • Es kommt hierfür letztlich nicht auf die Frage der Erschöpfung dieses Rechts durch Inverkehrbringen im Ausland an. So läßt sich auch der Umstand erklären, daß im TRIPS-Übereinkommen zu Art. 16 keine Fußnote angebracht wurde, die bezüglich der Erschöpfung der Ausschließlichkeitsrechte auf Art. 6 TRIPS verweist, wie das für das Patentrecht in der Fußnote zu Art. 28 TRIPS getan wurde. Zu prüfen ist allerdings noch, ob die in Art. 16 Abs. 1 S. 2 TRIPS ausgesprochene Vermutung der Verwechslungsgefahr als bloßer Minimalstandard verstanden werden kann oder muß, so daß die nationalen Gesetzgeber einen weitergehenden Schutz der Markeninhaber vorsehen könnten, indem sie die Verhinderung von Parallelimporten auch ohne Verwechslungsgefahr zuließen. Nach Art. 1 Abs. 1 TRIPS dürfen die Mitgliedstaaten in ihr Recht einen umfassenderen Schutz als den durch das TRIPS-Übereinkommen geforderten aufnehmen. Allerdings darf dieser weitergehende Schutz dem TRIPS-Abkommen nicht zuwiderlaufen. Gegen die Einführung eines umfassenden Parallelimportverbots kann hier zunächst Abs. 1 der Präambel des TRIPS ins Feld geführt werden. Danach geht es nicht nur um einen angemessenen Schutz für die Immaterialgüterrechtsinhaber, sondern ebenso darum zu verhindern, daß sich Immaterialgüterrechte als Schranken für den rechtmäßigen Handel auswirken. Es wird daher vertreten, daß die Bestimmung des Art. 16 Abs. 1 TRIPS dazu diene, eine solche Handelsbeschränkung zu vermeiden 27 . Sie wolle verhindern, daß bei identischer Ware und identischem Zeichen generell von einer Verwechslungsgefahr ausgegangen werde und so selbst bei effektiv fehlender Verwechslungs gefahr die Verkehrsfähigkeit der geschützten Erzeugnisse und damit auch des Handels in unverhältnismäßiger Weise beschränkt würden. Dieses Verständnis der Vorschrift stimme auch mit dem in Art. 15 Abs. I TRIPS enthaltenen Markenbegriff überein, der nicht über die Funktion der Unterscheidung zwischen Unternehmungen hinausgehe und Marktaufteilungen daher nicht umfasse. Handelte es sich um eine bloß fakultative Vorschrift, wäre auf die zwingende Formulierung ("wird die Verwechslungsgefahr vermutet") oder auf diesen Satz überhaupt verzichtet worden. Art. 16 Abs. 1 TRIPS sei daher als eine in bezug auf das Schutzniveau zwingende Maximalvorschrift zu verstehen, die einen Ausgleich zwischen legitimen Anliegen des Markenschutzes und des unbehinderten Welthandels verwirkliche 28 . 26 Schweizerisches Bundesgericht, Vrt. v. 23.10.1996, "ChaneI", GRVR Int. 1998, 520, 524; Cottier, Implications of WTO Law for the Exhaustion Issue and Parallel Imports, S. 3; ders., SMI 1995/1, 37, 53ff.; Cottier/Stucki, Parallel importe im Patent-, Urheber- und Muster- und Modellrecht aus europarechtlicher und völkerrechtlicher Sicht, S. 52. 27 Cottier, SMI 1995/1, 37, 54.

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Die Untersuchung von Art. 16 TRIPS führt dann zu folgendem Ergebnis: Das Problem der Parallelimporte von Markenware stellt kein Problem der Erschöpfung dar, sondern bereits des Umfangs der Schutzrechte. Der Schutzumfang der unter Art. 16 TRIPS gewährleisteten Ausschließlichkeitsrechte geht nicht so weit, daß der Vertrieb von intra-brand-Produkten generell verhindert werden könnte. Daher ist es unerheblich, ob eine Zustimmung des Markeninhabers zum Vertrieb der Erzeugnisse im In- oder Ausland vorliegt. Das Problem des Parallelimports von Markenware stellt unter TRIPS nicht in erster Linie ein Problem der Erschöpfung dar, das unter Art. 6 TRIPS fiele, sondern läßt sich bereits auf der tatbestandlichen Ebene des Art. 16 TRIPS lösen und erreicht daher gar nicht mehr den Bereich des Art. 6 TRIPS. Eine solche "markenrechtliche Tatbestandslösung" ist allerdings einigen Bedenken ausgesetzt. Problematisch erscheint insbesondere, daß dadurch sozusagen durch das Hintertürchen - der Grundsatz der internationalen Erschöpfung eingeführt würde. Die rechtlichen Wirkungen der Tatbestandslösung entsprechen nämlich denen der internationalen Erschöpfung. Geht man aber davon aus, daß sich die Verhandlungspartner während der TRIPSVerhandlungen gerade nicht auf ein bestimmtes Erschöpfungsmodell einigen konnten, kann kaum angenommen werden, daß sie dieses Ergebnis auf anderem Wege, d. h. hier bereits auf Tatbestandsebene, herbeiführen wollten. Die nach Art. 31 Abs. 3 lit. b) WVRK bei der Vertragsauslegung zu berücksichtigende spätere Übung der Vertragsparteien (sog. authentische Auslegung) bestätigt diese Bedenken. Denn es gibt sowohl Vertragsstaaten, die die nationale Erschöpfung im Markenrecht vorsehen, als auch solche, die von der internationalen Erschöpfung ausgehen29, ohne daß die eine oder andere Handhabung von den Vertragspartnern als ein Verstoß gegen das TRIPS-Abkommen beanstandet worden wäre. Darüber hinaus läßt sich mit der Tatbestandslösung keine einheitliche Lösung des Erschöpfungsproblems innerhalb des TRIPS-Abkommens entwickeln. Für die übrigen, vom TRIPS-Abkommen umfaßten geistigen Eigentumsrechte paßt sie nämlich nicht. Die Frage der rechtlichen Behandlung von Parallelimporten ist aber, wenn nicht der wichtigste Aspekt, so zumindest einer der wichtigsten "handelsbezogenen Aspekte des geistigen Eigentums". Eine so wesentliche Frage sollte nicht versteckt in materiellrechtlichen Schutzrechtsregelungen, sondern an herausragender Stelle umfassend geregelt werden 3o • Cottier, SMI 1995/1, 37, 54f.; Staehelin, Das TRIPs-Abkommen, S. 53. Einige Staaten haben in neueren Gesetzgebungsakten die internationale Erschöpfung eingeführt, um einen gewissen Grad an Wettbewerb in ihren nationalen Markt zu bringen, so etwa die Länder des Andenpakts, vgl. Correa, EIPR 1994, 327, 330; Rangel-Ortiz, He 1996,771,787. 28

29

IS Freytag

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Teil 11: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

Da daran, daß ein generelles Parallelimportverbot nach dem Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 TRIPS verboten ist, nicht zu zweifeln ist, kann die hier

bevorzugte einheitliche Regelung der Erschöpfungsfrage nur erreicht werden, wenn man davon ausgeht, daß die Art. 15, 16 TRIPS nicht zwingend sind, sondern nur einen Minimalstandard im Sinne des Art. I Abs. I TRIPS darstellen. Ist daher im nationalen Markenrecht der Vertragsstaaten ein weitergehender, d.h. über die nach Art. 15 Abs. 1 S. I TRIPS gewährleistete Herkunftsfunktion hinausgehender Markenschutz vorgesehen, so kann konsequenterweise auch ein Parallelimportverbot statuiert werden. Wird dagegen nur der vom TRIPS-Übereinkommen geforderte Minimalschutz implementiert, so hat das zur Folge, daß Parallelimporte nicht verhindert werden können 3 ).

Irr.

Präambel und allgemeine Grundsätze des TRIPS-Abkommens

Zu untersuchen ist schließlich, was sich den allgemeinen Grundsätzen des TRIPS-Abkommens in bezug auf Erschöpfungsfrage und Parallelimportproblem entnehmen läßt. Zu dieser Frage werden in der Literatur konträre Meinungen vertreten. Auf der einen Seite stehen die Verfechter des Freihandels 32 • Sie argumentieren, TRIPS habe durch die Schaffung einheitlicher Schutzstandards Verzerrungen des internationalen Wettbewerbs abbauen wollen. Daher dürften nationale Schutzrechte nicht zum Aufbau neuer Wettbewerbshindernisse mißbraucht werden, und auch eine Dumping-Politik durch die Abschottung nationaler Märkte liefe dem Ziel des TRIPS-Abkommens zuwider33 • Durch TRIPS sei ein Interessenausgleich zwischen Schutzrechtsinhabem und Allgemeinheit vorgenommen worden. Auf der anderen Seite wird der Sinn des TRIPS-Abkommens in der Erschließung neuer Märkte gesehen. Die WTO-Mitglieder seien eine Ver30 Kritisch gegenüber der ..Tatbestandslösung" auch Stucki, Trademarks and Free Trade, S. 46 f. 31 Diese Auslegung steht auch im Übereinstimmung mit der Entwicklung des internationalen Erschöpfungsgrundsatzes aus der Herkunftsfunktion der Marke durch RG und BGH (vgl. dazu nur Beier, GRUR Int. 1968, 8ff.) sowie der Auslegung des schweizerischen Markenschutzgesetzes durch das Schweizerische Bundesgericht in der Chanel-Entscheidung, GRUR Int. 1998, 520. Für die Annahme eines bloßen Minimalstandards auch Sack, WRP 1998, 549, 563. 32 Vgl. etwa Bronckers, CML Rev. 1994, 1245, 1268; Cottier, CML Rev. 1991, 383,401; Heath, GRUR Int. 1996, 1169, 1181; Soltysinski, GRUR Int. 1996, 316, 318; Ullrich, GRUR Int. 1995, 623, 634 f. 33 Ullrich, GRUR Int. 1995, 623, 634 f.; vgl. i. ü. oben Einführung, C.

B. Regelung im TRIPS-Abkommen

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nunftehe eingegangen, indem sie sich gegenseitig Märkte zugestanden hätten 34 • Solange auf den Weltmärkten aber unterschiedliche Bedingungen für Herstellung, Inverkehrbringen usw. von Erzeugnissen herrschten, hätte die Einführung der internationalen Erschöpfung mit der Folge von Parallelimporten in letzter Konsequenz die Unrentabilität der Herstellung geistigen Eigentumsrechten unterliegender Waren in den Industriestaaten zur Folge, so daß diese neuen Märkte praktisch verloren gingen. Sie widerspreche daher dem TRIPS-Rationale35 . Letztere Argumentation stellt allerdings zu einseitig auf die Interessen der Rechtsinhaber ab und trägt nicht ausreichend der Tatsache Rechnung, daß das TRIPS-Abkommen einen Ausgleich zwischen der Position der Rechtsinhaber und derjenigen der Verbraucher sucht. Das aber wird in der Zielbestimmung des Art. 7 TRIPS deutlich, wonach "der Schutz und die Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums ... dem beiderseitigen Vorteil der Erzeuger und Nutzer technischen Wissens dienen ... und einen Ausgleich zwischen Rechten und Pflichten herstellen" sollen. Eine einseitige Auslegung des TRIPS-Abkommens zugunsten der Rechtsinhaber verbietet sich daher36 . 1. Präambel

Ausweislich des ersten Absatzes der Präambel ist der Abschluß des TRIPS-Abkommens "von dem Wunsch geleitet, Venerrungen und Behinderungen des Handels zu verringern, und unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, einen wirksamen und angemessenen Schutz der Rechte des geistigen Eigentums zu fördern sowie sichenustellen, daß die Maßnahmen und Verfahren zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums nicht selbst zu Schranken für den rechtmäßigen Handel werden". Nun kann wohl nicht zweifelhaft sein, daß damit in erster Linie Handelsverzerrungen gemeint sind, die sich aus dem unterschiedlichen Schutzstandard der Mitgliedstaaten ergeben. Daher werden auch im zweiten Absatz der Präambel Maßnahmen zur Gewährleistung und Durchsetzung eines wirksamen Immaterialgüterrechtsschutzes aufgezählt. Auch die materiellen TRIPS-Vorschriften konzentrieren sich auf diesen Aspekt. Eine einseitige Auslegung der Präambel dahingehend, daß die Stellung der Rechtsinhaber gestärkt werden sollte, verbietet sich dennoch. Zwar nützt ein international Straus, GRUR Int. 1996, 179, 182f. m.w.N. Mager, Parallel Imports in Patented Goods, S. 4f.; Straus, GRUR Int. 1996, 179, 182f., 194f.; ders., in: BeierlSchricker, From GATT to TRIPs, S. 193ff. 36 Diesen Gedanken betonen richtigerweise Heath, GRUR Int. 1996, 1169, 1181; Soltysinski, GRUR Int. 1996,316,318. 34 35

228

Teil I1: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

verstärkter Immaterialgüterrechtsschutz unmittelbar zunächst den Schutzrechtsinhabern, jedoch ist zu berücksichtigen, daß geistige Eigentumsrechte den Rechtsinhabern letztlich nur eingeräumt werden, weil sie sich wettbewerbsfördernd und damit für die Allgemeinheit vorteilhaft auswirken 37 • Dieser Allgemeinwohlgedanke muß auch bei der Bestimmung des Umfangs der Rechte berücksichtigt werden. Der Grundsatz der nationalen Erschöpfung eröffnet Schutzrechtsinhabern die Möglichkeit zur Preisdifferenzierung und damit zur Marktsegmentierung. Da Immaterialgüterrechte aber nicht-tarifare Handelshemmnisse darstellen, führt deren Durchsetzung zu Handelsverzerrungen, die nach dem in Absatz I der Präambel zum Ausdruck kommenden Willen der Vertragsparteien abzubauen sind 38 • Dem Geist des TRIPS entspricht daher die internationale Erschöpfung weit mehr als die nationale oder regionale Erschöpfung. 2. Die Vorschriften der Art. 3 und 4 TRIPS

In Art. 3 TRIPS ist der Grundsatz der Inländerbehandlung, in Art. 4 der Grundsatz der Meistbegünstigung niedergelegt. Die Europäische Kommission geht davon aus, daß das Verbot der internationalen Erschöpfung von Schutzrechten nicht im Widerspruch zu den TRIPS-Vorschriften steht. Das ergibt sich aus den Erwägungsgründen zum Vorschlag für die Richtlinie über die Angleichung der Rechtsvorschriften betreffend den Schutz von Erfindungen durch Gebrauchsmuster, wo einerseits die internationale Erschöpfung ausdrücklich ausgeschlossen wird, andererseits aber bestimmt wird, daß die "Bestimmungen dieser Richtlinie auf keinen Fall im Widerspruch zu den Bestimmungen der beiden genannten Übereinkommen [PVÜ und TRIPS; Anm. d. Verf.] stehen" dürften 39 • Demgegenüber könnte argumentiert werden, die nationale (bzw. regionale) Erschöpfung stelle eine diskriminierende Regelung dar, die den inländischen Rechtsinhaber bevorzuge, indem Waren, die im Wege des Parallelimports eingeführt wurden, im Importland nicht frei vertrieben werden dürften, während Waren, die vom Rechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung im Inland veräußert würden, keiner solchen Beschränkung unterlägen40 . Demnach könnten Art. 3, 4 TRIPS so ausgelegt werden, daß sie Parallelimporte stützen: Jeder Mitgliedstaat soll dem Erstverkäufer eines anderen Mitgliedstaates eine Erstverkaufsbehandlung zukommen lassen, die nicht schlechter ist als diejenige, die auf den nationalen Verkäufer angewandt wird. Lehmann, GRUR Int. 1983, 356; vgl. auch oben Einführung, C. III. So auch Venna, I1C 1998, 534, 553. 39 ABI. 1998, C 36/13, Egrd. 14 und Art. 21 zum Verbot der internationalen Erschöpfung, Egrd. 16 zur Einhaltung der PVÜ- und TRIPS-Vorschriften. 40 So wohl Brandi-Dorhn, BB 1994, Beil. 16, 8. 37

38

B. Regelung im TRIPS-Abkommen

229

Problematisch an dieser Argumentation ist, daß in Art. 3 und 4 TRIPS auf die Person des Rechtsinhabers abgestellt wird, während es bei Parallelimporten um die rechtliche Behandlung von aus dem Ausland importierter Ware unabhängig von der Nationalität des Rechtsinhabers oder Importeurs geht. Nach Art. 3 TRIPS dürfen die Mitgliedstaaten hinsichtlich des Schutzes des geistigen Eigentums nicht zwischen eigenen Angehörigen und Angehörigen anderer Mitgliedstaaten unterscheiden. Die nationalen Erschöpfungsregelungen werden aber kaum jemals nach der Nationalität des Rechtsinhabers differenzieren, sondern nur auf das nationale Schutzrecht bezogen sein. Ein solches nationales Schutzrecht kann aber ohne weiteres einem ausländischen Rechtsinhaber zustehen. Unabhängig von seiner Nationalität kann dieser im Falle des Grundsatzes der nationalen bzw. regionalen Erschöpfung dann Importe seiner Erzeugnisse aus dem Ausland bzw. Drittstaat abwehren. Daher sind Kollisionen mit Art. 3 TRIPS kaum vorstellbar41 • Nach der Meistbegünstigungsklausel des Art. 4 TRIPS ist die rechtliche Gleichbehandlung der Angehörigen aller anderen Vertragsstaaten gefordert. Daß die nationale wie die internationale Erschöpfung insoweit unbedenklich ist, liegt auf der Hand. Problematisch unter diesem Gesichtspunkt erscheint auf den ersten Blick lediglich eine regionale Erschöpfungsregelung. Aber auch hier wird nicht auf die Nationalität der Rechtsinhaber, sondern auf den Ort des ersten Inverkehrbringens der Ware abgestellt. Im Fall der EWR-weiten Erschöpfung wäre beispielsweise auch ein amerikanischer Parallelimporteur befugt, Medikamente aus Spanien nach Deutschland zu importieren. Vorteile hinsichtlich des Parallelimports werden daher nicht den Angehörigen anderer Länder gewährt; bevorzugt werden nur Waren, die aus bestimmten anderen Ländern stammen. Das ist aber kein Fall des Art. 4 TRIPS, sondern fällt allenfalls unter GATT-Recht42 . Im Verbot von Parallelimporten infolge der Anwendung der nationalen (bzw. regionalen) Erschöpfung kann daher keine gegen Art. 3, 4 TRIPS verstoßende Regelung gesehen werden. Jede andere Interpretation würde auch unweigerlich dazu führen, daß Art. 6 TRIPS, der die Erschöpfungs41 Auch Cottier, Implications of WTO Law for the Exhaustion Issue and Parallel Imports, S. 2 hält die Bedeutung des Grundsatzes der Inländerbehandlung für die Erschöpfung von Immaterialgüterrechten für fraglich. 42 Für EU und EWR ist außerdem zu beachten, daß diese Abkommen, einschließlich des gesamten gegenwärtigen und zukünftigen Sekundärrechts der EU, als internationale Abkommen i. S. d. Ausnahmevorschrift des Art. 4 lit. d) TRIPS dem TRIPS-Rat am 19.12.1995 notifiziert wurden. Folgt man obiger Argumentation nicht, wäre der EWR-weite Erschöpfungsgrundsatz zumindest von dieser Ausnahme erfaßt. Vgl. dazu Dönner, GRUR Int. 1998, 919, 931. Zur Anwendbarkeit des GATT neben TRIPS s. unten Teil H, D. 1.; zur Meistbegünstigungsklausel des Art. I GATT und den Ausnahmen für Regionalunionen s. unten Teil H, D. H. 3.

230

Teil 11: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

frage nur insoweit dem Streitbeilegungsmechanismus entzieht, als es nicht um die Fragen der Art. 3 und 4 TRIPS geht, überflüssig würde. Verstieße nämlich die nationale bzw. regionale Erschöpfung bereits gegen Art. 3 oder 4 TRIPS, wären keine weiteren Streitfälle mehr denkbar. Die internationale Erschöpfung bliebe als einzig zulässige Regelung übrig. Damit würde aber der Sinn des Art. 6 TRIPS, eine verbindliche Entscheidung über das anzuwendende Erschöpfungsregime zu verhindern, verfehlt.

3. Die Ziel vorschrift des Art. 7 TRIPS

Das in Art. 7 TRIPS abstrakt formulierte Ziel des TRIPS-Abkommens lautet wie folgt: ,,Der Schutz und die Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums sollen zur Förderung der technischen Innovation sowie zur Weitergabe und Verbreitung von Technologie beitragen, dem beiderseitigen Vorteil der Erzeuger und Nutzer technischen Wissens dienen, in einer dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wohl zuträglichen Weise erfolgen und einen Ausgleich zwischen Rechten und Pflichten herstellen." Teilweise wird behauptet, der Grundsatz der internationalen Erschöpfung liefe dem zuwider. Müßten die Rechtsinhaber aus Hochpreisländern nämlich befürchten, daß die in Niedrigpreisländer transferierte Technologie via Re- bzw. Parallelimport wieder zu günstigeren Preisen auf den Märkten der Hochpreisländer auftauchten, würden sie solchen Technologietransfer unter Umständen einstellen. Dieser Frage wird im Zusammenhang mit der Beurteilung der Auswirkungen der internationalen Erschöpfung auf Entwicklungsländer näher nachgegangen43 • An dieser Stelle sei nur erwähnt, daß die Folgen der Zulassung von Parallelimporten empirisch nicht geklärt sind. Daher kann auch keine rechtlich verbindliche Aussage darüber getroffen werden, welche Erschöpfungsregelung besser mit diesem in Art. 7 TRIPS genannten Ziel in Einklang steht. Deutlich wird aus Art. 7 TRIPS jedenfalls, daß auch die Verbraucherinteressen zu berücksichtigen sind. Am Ende der Zielbestimmung wird klargestellt, daß ein "Ausgleich zwischen Rechten und Pflichten" herzustellen ist. Das entspricht aber der Abwägung zwischen dem Interesse der Rechtsinhaber an möglichst weitgehendem Schutz und dem Interesse der Allgemeinheit an durch Freihandel bedingten Preissenkungen und Wohlfahrtsgewinnen. Dieselbe Abwägung ist aber in der EG und mittlerweile im EWR zugunsten der regionalen Erschöpfung ausgefallen. Diesem Modell entspräche im Rahmen der WTO die internationale Erschöpfung. 43

Unten Teil 11, F.

C. Die Bedeutung der PVÜ für die Parallelimportfrage

231

Als Ergebnis der Untersuchung der TRIPS-Vorschriften ist festzuhalten, daß weder Art. 6 TRIPS noch die materiellen Vorschriften eine klare Aussage zur Behandlung von Parallelimporten enthalten. Den allgemeinen Grundsätzen, Präambel und Ziel be stimmung des TRIPS kann ebenfalls keine verbindliche rechtliche Entscheidung zugunsten der einen oder anderen Erschöpfungslösung entnommen werden. Letztlich scheint es aber, als sei zwar erkannt worden, daß die nationale Erschöpfung der TRIPS-Idee zuwiderläuft, als habe man jedoch davor zurückgescheut, die Konsequenz daraus zu ziehen. Die infolge der Nichtregelung der Erschöpfungsfrage im TRIPS-Abkommen verbliebene grundsätzliche Regelungsbefugnis der Staaten könnte aber durch andere völkerrechtliche Verträge oder Grundsätze eingeschränkt sein.

c.

Die Bedeutung der PVÜ für die Parallelimportfrage

I. Territorialitätsprinzip und Unabhängigkeitsgrundsatz, Art. 4bis und 6 Abs. 3 PVÜ Von Befürwortern der nationalen Erschöpfung wurde und wird das Territorialitätsprinzip als anerkannter Grundsatz des gewerblichen Rechtsschutzes zur Begründung der Unzulässigkeit von Parallelimporten herangezogen). In engem Zusammenhang damit steht der Grundsatz der Unabhängigkeit von Parallelpatenten in Art. 4 bis PVÜ bzw. von parallelen Markenrechten in Art. 6 Abs. 3 PVÜ2 . Nachdem Beie? für das Markenrecht überzeugend nachgewiesen hatte, daß das Territorialitätsprinzip für 1 Vgl. etwa Ballhaus, Import und Re-Import von Markenware, S. 64ff.; Troller, GRUR Int. 1960, 244, 245f.; KochlFroschmaier, GRUR Int. 1965, 121, 122f.; Moser v. Filseck, GRUR 1968, 198, 199; zum Patentrecht wieder Beier, GRUR Int. 1996, I, 6; Schulte, PatG, § 9 Rz. 11; Straus, GRUR Int. 1996, 179, 194. Zu neueren Urteilen vgl. die Nachweise in der Entscheidung des Handelsgerichts Zürich v. 23.11.1998, Kodak, GRUR Int. 1999,555,557. 2 Art. 4bis PVÜ lautet wie folgt: ,,( 1) Die in den verschiedenen Verbandsländern von Verbandsangehörigen angemeldeten Patente sind unabhängig von den Patenten, die für dieselbe Erfindung in anderen Ländern erlangt worden sind, mögen diese Länder dem Verband angehören oder nicht. (2) Diese Bestimmung ist ohne jede Einschänkung zu verstehen, insbesondere in dem Sinn, daß die während der Prioritätsfrist angemeldeten Patente sowohl hinsichtlich der Gründe der Nichtigkeit und des Verfalls als auch hinsichtlich der gesetzmäßigen Dauer unabhängig sind. . .. " Art. 6 Abs. 3 PVÜ lautet: "Eine in einem Verbandsind vorschriftsmäßig eingetragene Marke wird als unabhängig angesehen von den in anderen Verbandsländern einschließlich des Ursprungslandes eingetragenen Marken." Für IR-Marken enthält Art. 6 Abs. 3 MMA eine andere Regelung, nämlich die Abhängigkeit paralleler Markenrechte. J Beier, GRUR Int. 1968, 8, lOff.

232

Teil I1: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

die Beurteilung der Zulässigkeit von Parallelimporten völlig irrelevant ist, wurde allerdings vertreten, daß eine unterschiedliche Auslegung dieses Grundsatzes für die verschiedenen gewerblichen Schutzrechte in Betracht komme: Im Markenrecht sprächen Funktion, unbegrenzte Schutzdauer und Zweckbestimmung für eine internationale Beurteilung, so daß das Territorialitätsprinzip hier zurücktreten müsse, während das für Patente nicht der Fall sei4 • Wer ein patentiertes Erzeugnis im Ausfuhrstaat in Verkehr gebracht habe, übe nur das in diesem Land bestehende Parallelpatent aus; der Verbrauch der Rechte aus dem für das Einfuhrland erteilten Patent könne daher nicht damit begründet werden, daß der Patentinhaber sein Recht im Ausfuhrland bereits ausgeübt habe 5 • Art. 4 bis PVÜ könne der allgemeine Rechtsgedanke entnommen werden, daß die in verschiedenen Ländern angemeldeten und erteilten Parallelpatente territorial voneinander unabhängige Verwertungsrechte gewährten. Der Wegfall oder die Einschränkung der Schutzwirkung von Parallelpatenten, z. B. im Ausfuhrland, dürfe daher den Schutz von Parallelpatenten in anderen Ländern, z. B. dem Einfuhrland, nicht beeinträchtigen. Dieser Grundsatz gelte über die in Art. 4 bis Abs. 2 PVÜ genannten Hauptbeispiele hinaus auch für die Einschränkungen der Schutzwirkung durch den Erschöpfungsgrundsatz6 . Für die Verbandsländer der PVÜ sei die Unzulässigkeit von Parallelimporten damit nicht nur eine Frage wirtschaftspolitischer Zweckmäßigkeit, sondern ergebe sich aus den Zielen des internationalen Patentschutzes, dem Erfinder die bestmögliche Verwertung seiner Erfindung in den einzelnen Verbandsländern zu gewährleisten. Das Interesse an Auslandsanmeldungen und die Vornahme darauf beruhender Investitionen oder Lizenzerteilungen würde durch die Zulassung von Paralleleinfuhren aus Ländern, in denen andere Marktverhältnisse bestünden, beeinträchtigt7 . Eine unterschiedliche Auslegung des Territorialitätsprinzips und Unabhängigkeitsgrundsatzes im Marken- und Patentrecht ist jedoch nicht gerechtfertigt. Am meisten vermag noch das Argument der - im Gegensatz zum Markenrecht - begrenzten Schutzdauer des Patentrechts zu überzeugen. Ließen sich allerdings derart fundamentale Unterschiede in bezug auf die Marktaufteilung mit dem Wesen des Patentrechts begründen, wäre kaum verständlich, weshalb innerhalb der EU bzw. des EWR völlig unproblematisch eine für alle Schutzrechte einheitliche, marktbezogene Erschöpfungsregelung in Betracht kommt. 4

So neuerdings wieder Beier, GRUR Int. 1996, 1,6; ebenso wohl Schulte, PatG,

§ 9 Rz. 11; Straus, GRUR Int. 1996, 179, 194.

S Beier, GRUR Int. 1996, I, 6; BemhardlKraßer, Lehrbuch des Patentrechts, S.582. 6 Beier, GRUR Int. 1996, 1,6. 7 Beier, GRUR Int. 1996, 1,6.

C. Die Bedeutung der PVÜ für die Parallelimportfrage

233

Art. 4 bis Abs. 1 PVÜ für Patente und Art. 6 Abs. 3 PVÜ für Marken entsprechen einander beinahe wörtlich, was eine übereinstimmende Auslegung bereits nahelegt. Wesentlich ist aber, daß Territorialitäts- und Unabhängigkeitsgrundsatz auch materiell nicht zur Einschränkung der Regelungsbefugnis der Staaten herangezogen werden können; dabei besteht kein Unterschied zwischen Marken- und Patentrechts. Es wird dadurch nämlich nicht mehr gesagt, als daß grundsätzlich das nationale Recht desjenigen Staates, in dem das Schutzrecht erteilt wird, über Voraussetzungen, Inhalt und Umfang des Schutzes entscheidet. Außerdem ist die Wirkung des so vom Schutzland gewährten Rechts auf das Gebiet dieses Landes beschränkt, d. h. das inländische Schutzrecht kann nicht durch Auslandshandlungen, das ausländische Recht nicht durch inländische Handlungen verletzt werden9 . Die Änderung eines Patentrechts in einem anderen Land übt keinerlei Einfluß auf das inländische Patentrecht aus. Würde daher die Auffassung vertreten, daß sich das Patentrecht international erschöpfe, da sich das Patentrecht des Landes A hinsichtlich der betreffenden Erzeugnisse aufgrund des gesetzmäßigen inländischen Inverkehrbringens erschöpfe und dadurch automatisch sich auch das parallele Patentrecht des Landes B erschöpfe, wäre ein Verstoß gegen den Grundsatz der Patentunabhängigkeit und das Territorialitätsprinzip gegeben. Richtigerweise darf es aber zur Beurteilung der Frage, ob die internationale Erschöpfung anerkannt wird, nur auf die Auslegung des inländischen Patentrechts ankommen lO • Es darf nicht die ausländische rechtliche Würdigung übernommen werden. Das Territorialitätsprinzip gebietet jedoch nicht, daß für den Schutz des inländischen Patents oder der inländischen Marke auch in tatsächlicher Hinsicht nur die Verhältnisse im Inland maßgeblich sind und daher alle ausländischen Tatsachen und Handlungen außer Betracht zu bleiben hätten. Der inländische Gesetzgeber kann daher auch vorsehen, daß Sachverhaltsele8 Vgl. Urteile des Japanischen Obersten Gerichtshofs, GRUR Int. 1998, 168, 169 - Kraftfahrzeugfelgen III (BBS III) und des Obergerichts Tokyo, GRUR Int. 1995, 417 - Kraftfahrzeugfelgen 11 (auch: BBS 11); Axster, GRUR Int. 1990,609; CasteIl, L'epuisement du droit intellectuel, S. 154ff.; CottierlStucki, Parallelimporte im Patent-, Urheber- und Muster- und Modellrecht aus europarechtlicher und völkerrechtlicher Sicht, S. 49f.; Heath, RlW 1997, 541, 542 Fn. 9; ders., IIC 1997,623, 627f.; Koppensteiner, AWD 1971, 357, 359f.; Kunz-HaUstein, GRUR 1998, 268, 270f.; Reimer, GRUR Int. 1972,221,228; Verma, lIe 1998,534,556; a.A. Beier, GRUR Int. 1996, 1, 6, der eine unterschiedliche Auslegung des Territorialitätsprinzips für die verschiedenen gewerblichen Schutzrechte für möglich hält; wohl auch Straus, in BeierlSchricker, From GATT to TRIPs, S. 194. 9 Vgl. nur Koppensteiner, AWD 1971, 357, 359; eingehend zum Territorialitätsprinzip auch Joos, Die Erschöpfungslehre im Urheberrecht, S. 123ff. 10 Zutreffend Urteile des Japanischen Obersten Gerichtshofs, GRUR Int. 1998, 168, 169 - Kraftfahrzeugfelgen III (BBS III) und des Obergerichts Tokyo, GRUR Int. 1995,417,418 - Kraftfahrzeugfelgen 11 (auch: BBS 11).

234

Teil 11: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

mente, die sich im Ausland abgespielt haben, für die inländische Rechtslage beachtlich sind 11. Klassisches Beispiel dafür ist der im Patentrecht anerkannte absolute Neuheitsbegriff; ebenso wird die im Ausland vorgenommene Übertragung inländischer Schutzrechte oder der Verzicht darauf im inländischen Recht berücksichtigt. Infolgedessen kann auch das Inverkehrbringen als tatsächliche Handlung im Ausland vom Gesetzgeber für zur Beurteilung der Erschöpfung des inländischen Schutzrechts relevant erklärt werden. Diese Auslegung wird auch durch die Entstehungsgeschichte des Art. 4bis PVÜ bestätigt. Der Grundsatz der territorialen Unabhängigkeit von Parallelpatenten wurde 1901 eingefügt, um der in einigen Verbandsländern herrschenden Praxis der Abhängigkeit von Patenten, die dem Sinn der PVÜ zuwiderlief, ein Ende zu bereiten 12 • Entsprechend den damaligen Hauptanwendungsbereichen wurde klargestellt, daß die Unabhängigkeit von Parallelpatenten für "Gründe der Nichtigkeit und des Verfalls als auch hinsichtlich der gesetzmäßigen Dauer" (Abs. 2) gilt. Bei diesen Beispielen handelt es sich ausschließlich um Elemente des Schutzumfangs der nationalen Patente, die nicht an entsprechende Vorschriften in den Patentgesetzen anderer Länder gekoppelt werden dürfen. Auch wenn diese Bestimmung "ohne Einschränkung" zu verstehen ist, kommt daher eine Ausdehnung auf rein tatsächliche Handlungen wie das Inverkehrbringen nicht in Betracht, zurnal es hierbei nicht um eine Koppelung an eine ausländische Regelung geht, sondern um die rechtliche Bewertung dieser Handlung im inländischen Patentrecht. Auch die systematische Auslegung - Art. 4bis steht in unmittelbarem Zusammenhang mit Vorschriften über die Patentanmeldung (Art. 4 zum Prioritätsrecht, Art. 4 ter zum Nennungsrecht des Erfinders, Art. 4quater zur Verweigerung der Patenterteilung und Art. 5 zu Verfall, Zwangslizenz und Ausübungszwang) - bestätigt diese Interpretation. Nach Art. 5 Abs. 1 PVÜ hat die durch den Patentinhaber bewirkte Einfuhr von Gegenständen, die in einem Verbandsland hergestellt worden sind, in das Land, in dem das Patent erteilt worden ist, nicht den Verfall des Patents zur Folge. Hier wird eine Situation angesprochen, in der die internationale Erschöpfung zur Geltung kommen könnte. Bezeichnenderweise verbietet die PVÜ in einem solchen Fall aber nur den Verfall des Patentrechts, der den Verlust aller Rechte aus dem Patent zur Folge hätte. Die Frage der Erschöpfung, die nur zur Beschränkung eines Teils der Rechte führt, wird nicht angesprochen und bleibt somit dem Einfuhrstaat überlassen. Der Grundsatz der Unabhängigkeit der Patente gern. Art. 4bis Abs. 1 PVÜ bekräftigt nur die Regelungskompetenz der Staaten, besagt jedoch 11 12

Grundlegend dazu Beier, GRUR Int. 1968,8, 12f. Vgl. zur Entstehungsgeschichte Heath, IIC 1997,623,628 m.w.N.

C. Die Bedeutung der PVÜ für die Parallelimportfrage

235

nichts Inhaltliches zum Schutzumfang des Patentrechts und präjudiziert insofern keine Entscheidung bezüglich der Erschöpfung des Patentrechts 13. Das Territorialitätsprinzip spielt für das Problem der Parallelimporte mithin keine Rolle, es läßt sowohl die nationale oder regionale als auch die internationale Erschöpfung zu. 11. Art.

squater

PVÜ

Besteht in einem Verbandsland ein Verfahrensschutz zur Herstellung eines Erzeugnisses, so hat der Patentinhaber nach Art. squater hinsichtlich des eingeführten Erzeugnisses alle Rechte, die ihm die Rechtsvorschriften des Importlandes aufgrund des Verfahrenspatents hinsichtlich der im Land selbst hergestellten Erzeugnisse gewähren. Dazu gehört nach herrschender Meinung u. a. ein ausschließliches Eiilfuhrrecht l4 . Daher wird vertreten, Art. squater PVÜ könne der allgemeine Rechtsgedanke entnommen werden, daß die ausschließlichen Befugnisse des Patentinhabers ein Importrecht umfassen sollten l5 . Ob das allerdings die Unzulässigkeit von Parallelimporten zur Konsequenz hat, muß bezweifelt werden. Bei Art. squater PVÜ handelt es sich wie bei Art. 4bis PVÜ um eine bloße Kollisionsregel 16, die über den Inhalt der für die Parallelimportfrage maßgeblichen Sachnormen nichts aussagt. Bezieht man die Sachnormen aber in die Prüfung mit ein, so ist zu bedenken, daß die PVÜ als völkerrechtlicher Vertrag den anerkannten Regeln zur Auslegung völkerrechtlicher Verträge unterworfen ist. Dazu gehört nach Art. 31 Abs. 3 lit b) WVRK auch die sog. authentische Auslegung, wonach die Staatenpraxis bei der Anwendung des Vertrags zu berücksichtigen ist. Der Staatenpraxis läßt sich aber die Rechtsüberzeugung entnehmen, daß das nationale Recht nicht gegen Art. squater PVÜ verstößt, wenn es gebietet, bei der Prüfung der Beeinträchtigung des ausschließlichen Importrechts des Patentinhabers einen ausländischen Sachverhalt zu berücksichtigen, nämlich ob das Inverkehrbringen des patentierten Erzeugnisses im Ausland durch den Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung erfolgte 17. Darüberhinaus kann auf die Ausführungen zum Importrecht nach \3 Im Ergebnis ebenso Cottier/Stucki, Parallelimporte im Patent-, Urheber- und Muster- und Modellrecht aus europarechtlicher und völkerrechtlicher Sicht, S. 50; Heath, , HC 1997,623,628; Kunz-Hallstein, GRUR Int. 1976, 6472f.; ders., GRUR 1998, 268, 271; vgl. auch Japanischer Oberster Gerichtshof, Urteil vom 1.7. 1997, GRUR lnt. 1998, 168, 169 - Kraftfahrzeugfelgen III (BBS III). Urteil des Handelsgerichts Zürich vom 23.11.1998, GRUR lnt. 1999,555, 558ff. - Kodak. 14 Benkard-Ullmann, Patentgesetz, PatG IT Rz. 16; Kunz-Hallstein, GRUR lnt. 1983, 548. 15 Kunz-Hallstein, GRUR Int. 1983,548,551; ders., GRUR 1998, 268, 269, 271. 16 Koppensteiner, AWD 1971,357,364. 17 Kunz-Hallstein, GRUR 1998, 268, 271.

236

Teil 11: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

Art. 28 TRIPS verwiesen werden, aus denen sich die Irrelevanz des Importrechts für die Erschöpfungsfrage ergibt 18 .

Im Ergebnis ist daher auch Art. Erschöpfung zu entnehmen.

squater

kein Verbot der internationalen

D. Die Bedeutung des GATT 94 für die Parallelimportfrage Zum Teil wird die Ansicht vertreten, man müsse auf das GATI-Abkommen zurückgreifen, wenn man materielle Vorschriften über die Erschöpfung von Schutzrechten suche, da das TRIPS zu dieser Frage eine lediglich prozessuale Vorschrift enthalte 1• Die Art. XI und XX lit. d) GATI seien strukturell vergleichbar mit den Art. 28, 30 (30, 36) EGV und somit gleich zu interpretieren. Daher erfordere der freie Warenverkehr im Rahmen der WTO eine Beschränkung der Rechte der Schutzrechtsinhaber hinsichtlich der Kontrolle von Importen. Diese Ansicht wird von anderen Autoren vehement kritisiert. Zwar sei eine gewisse Ähnlichkeit der WTO-Prinzipien mit den EG-Prinzipien nicht zu bestreiten, jedoch bestehe ein grundlegender Unterschied, der eine Gleichbehandlung ausschließe. Die WTO begründe nämlich keinen Binnenmarkt, der einem nationalen Markt gleichzuachten sei. Da also die Ziele der beiden Verträge verschieden seien, könne nicht die Rechtsprechung zum einen Vertrag auf den anderen übertragen werden2 • Dadurch würde außerdem die Autonomie der WTO mißachtet, denn die Auslegung der Art. 28, 30 (30, 36) EGV durch den EuGH stelle nur eine von mehreren möglichen Auslegungsmöglichkeiten dar3 • I. Anwendbarkeit des GATT 94 neben TRIPS Voraussetzung dieser Diskussion ist die Anwendbarkeit der GATINormen hinsichtlich der Erschöpfungsfrage. Zu prüfen ist daher, ob das Dazu oben Teil 11, B. 11. 1. Cottier, SMI 1995/1, 37, 56; ders., Implications of WTO Law for the Exhaustion Issue and Parallel Imports, S. 4; CottierlStucki, Parallelimporte im Patent-, Urheber- und Muster- und Modellrecht aus europarechtlicher und völkerrechtlicher Sicht, S. 54; Marx, in: Baudenbacher, Aktuelle Probleme des Europäischen und Internationalen Wirtschaftsrechts, S. 279; wohl auch Abbott, First Report fiEL 1998, 607,632. 2 Bronckers, 32 JWT 5, 1998, I, 19f. unter Berufung auf die Polydor-Entscheidung des EuGH; Quick, An Industrial View on International Exhaustion of Patented Rights, S. 3. 3 Mager, Parallel Imports in Patented Goods, S. 2 f. 18

1

D. Die Bedeutung des GATT 94 für die Parallelimportfrage

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TRIPS-Abkommen eine spezielle und abschließende Regelung in bezug auf die Rechte des geistigen Eigentums enthält und somit einen Rückgriff auf die allgemeineren GATT-Vorschriften ausschließt. Einerseits wird die Ansicht vertreten, das GATT 94 sei neben dem TRIPS-Abkommen anwendbar4 . Art. 6 TRIPS beziehe sich nur auf "dieses Übereinkommen", so daß eine Untersuchung nach GATT-Recht möglich bleibe. Das Schicksal von Parallelimporten hänge mehr vom geographischen Ursprung der Waren ab als von der Nationalität der Rechtsinhaber, so daß das Problem besser in den Rahmen des GATT 94 (und des GATS) als den des TRIPS-Übereinkommens passe5 . Außerdem verweise die Präambel des TRIPS-Übereinkommens selbst auf das GATT-Abkommen6 • Andere Autoren lehnen den Rückgriff auf GATT-Recht ab 7 • Das TRIPSAbkommen sei der Rahmen, in dem die Verhandlungsführer der UruguayRunde die teilweise widerstreitenden Prinzipien von Freihandel und Schutz des geistigen Eigentums austarierten. Ein Rückgriff auf das GATT, dessen höchstes Ziel die Handelsfreiheit ist, würde dieses Gleichgewicht zerstörens. Bei der Verhandlung des TRIPS-Abkommens konnten sich die Beteiligten in der Frage der Erschöpfung nicht einigen, sie konnten die Spannungen zwischen Handelsfreiheit und Schutz des geistigen Eigentums in diesem Punkt nicht auflösen. Erlaubte man nun ein Vorgehen in dieser Frage nach GATT-Recht, würde die Intention der TRIPS-Verfasser unterminiert9 .

4 Cottier, Implications of WTO Law for the Exhaustion Issue and Parallel Imports, S. 4f.; ders., The WTO System and Exhaustion of Rights, S. 2f.; Cottierl Stucki, Parallelimporte im Patent-, Urheber- und Muster- und Modellrecht aus europarechtlicher und völkerrechtlicher Sicht, S. 54; Marx, in: Baudenbacher, Aktuelle Probleme des Europäischen und Internationalen Wirtschaftsrechts, S. 279; Stucki, Trademarks and Free Trade, S. 53; Verma, He 1998, 534, 553 ff. s Cottier, Implications of WTO Law for the Exhaustion Issue and Parallel Imports, S. 4f.; ders., The WTO System and Exhaustion of Rights, S. 2f.; Cottierl Stucki, Parallelimporte im Patent-, Urheber- und Muster- und Modellrecht aus europarechtlicher und völkerrechtlicher Sicht, S. 54. 6 Stucki, Trademarks and Free Trade, S. 53. 7 Bronckers, 32 JWT 5, 1998, 1, 7ff.; Mager, Parallel Imports in Patented Goods, S. 2; Quick, An Industrial View on International Exhaustion of Patented Rights, S. 5. 8 Bronckers, 32 JWT 5, 1998, I, 8; Mager, Parallel Imports in Patented Goods, S.2. 9 Bronckers, 32 JWT 5, 1998, 1, 7 f.; Quick, An Industrial View on International Exhaustion of Patented Rights, S. 5. Daß das TRIPS-Abkommen für Fragen des geistigen Eigentums speziell sei, erwähnt auch Generalanwalt Jacobs in den Schlußanträgen zu Silhouette, EuGHE 1998.1-4799,4816 Nr. 54.

238

Teil II: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht 1. Regelungen des TRIPS-Abkommens

Die Frage der Erschöpfung wird im TRIPS-Abkommen ausdrücklich nur in Art. 6 und der Fußnote zu Art. 28 Abs. I lit. a), die bezüglich des Einfuhrrechts auf Art. 6 verweist, behandelt. Nach dem Wortlaut des Art. 6 TRIPS ist der Ausschluß der Streitbeilegung in doppelter Hinsicht ausdrücklich auf das TRIPS-Übereinkommen beschränkt: "Für die Zwecke der Streitbeilegung im Rahmen dieses Übereinkommens darf ... dieses Übereinkommen nicht dazu verwendet werden, die Frage der Erschöpfung von Rechten des geistigen Eigentums zu behandeln [Herv. durch d. Verf.]. " Nach dem Wortlaut des Art. 6 TRIPS liegt es daher nahe anzunehmen, daß andere WTO-Abkommen, also insbesondere das GATT 94, zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer nationalen Erschöpfungsregelung herangezogen werden können und daß auch im Rahmen dieser anderen Abkommen eine Streitbeilegung über diese Frage zulässig ist. Die Annahme der Zulässigkeit eines GATT-Panels über die Frage der Erschöpfungsregelung sieht sich allerdings zwei Einwänden ausgesetzt lO . Zum einen sei dadurch die Bedeutung des Art. 64 Abs. 2 TRIPS in Frage gestellt, wonach Art. XXIII Abs. 1 lit. b), c) GATT 94 (d.h. insbesondere die sog. Nichtverletzungsklagen) während eines Zeitraums von 5 Jahren ab Inkrafttreten des WTO-Übereinkommens auf die Streitbeilegung im Rahmen des TRIPS nicht anwendbar ist, und die spätere Anwendung von dem in Art. 65 Abs. 3 TRIPS vorgesehenen Verfahren abhängt. Werde über die Erschöpfungsfrage nämlich ein GATT-Panel angerufen, laufe diese Beschränkung leer. Dem kann jedoch entgegengehalten werden, daß es sich bei Klagen gegen nationale Erschöpfungsregelungen im Rahmen des GATT nicht um Nichtverletzungsklagen, sondern um "echte" Verletzungsklagen (z. B. gestützt auf Art. lAbs. 1, III Abs. 4, XI, XX lit. d) GATT 94) handeln wird, so daß die Ausnahmeregelung des TRIPS ohnehin nicht greift. Schwerer wiegt der zweite Einwand, das Vorgehen nach GATT-Recht laufe dem Zweck des Art. 6 TRIPS zuwider. Mit dieser Vorschrift hätten die Mitgliedstaaten deutlich gemacht, daß sie die nationalen Erschöpfungsregimes nicht der Streitbeilegung unterwerfen wollten. Daher sei nicht einzusehen, weshalb eine verbindliche Entscheidung über den "Umweg" des GATT 94 möglich sein solle. In der Tat darf die Auslegung völkerrechtlicher Verträge nicht dazu führen, daß einzelne Vorschriften überflüssig werden 11. Das kann dann aber nur für die Anwendung der Vorschriften \0

Dazu Bronckers, 32 JWT 5, 1998, 1, 11 ff.

Vgl. die Entscheidungen des WTO Appellate Body vom 20.5.1996 im Fall Uni ted States - Standards of Reformulated and Conventional Gasoline, WT IDS21 AB/R, S. 23, sowie vom 1.11.1996 im Fall Japan - Taxes on Alcoholic Beverages, WT/DS8/AB/R - WT/DSIO/AB/R - WT/DSIl1AB/R, S. 18. 11

D. Die Bedeutung des GATT 94 für die Parallelimportfrage

239

über GATT -Panels gelten, und nicht etwa zu einem Ausschluß der Anwendung des GATT insgesamt führen (beschränkte Reichweite der prozessualen Vorschrift des Art. 6 TRIPS nach der hier vertretenen Auffassung 12). Die Tatsache, daß die Mitgliedstaaten sich nicht auf ein bestimmtes Erschöpfungsregime einigen konnten, ist dagegen nur im Rahmen der Auslegung der materiellen GATT-Vorschriften zu berücksichtigen (analog zur TRIPS-Auslegung). Hier kann auch gegebenenfalls das völkerrechtliche Prinzip in dubio mitius Berücksichtigung finden, wonach die Einschränkung staatlicher Souveränität nicht vermutet werden darf, sondern der Zustimmung des betroffenen Staates bedarf13 • Ein weiteres Argument dafür, daß TRIPS abschließend in bezug auf die Rechte des geistigen Eigentums ist, könnte sich daraus ergeben, daß Grundprinzipien wie Inländerbehandlung und Meistbegünstigung in TRIPS nochmals ausdrücklich aufgenommen und im Hinblick auf Probleme des geistigen Eigentums konkretisiert wurden. Jedoch ist zu bedenken, daß Art. 3, 4 TRIPS nicht mit den Diskriminierungsverboten des GATT 94 übereinstimmen, da im Rahmen des TRIPS an die Nationalität der Schutzrechtsinhaber angeknüpft wird, während im Rahmen des GATT 94 die Differenzierung nach dem Warenursprung verboten ist. Es kann daher durchaus Sinn machen, TRIPS und GATT nebeneinander anzuwenden, um ein umfassendes Diskriminierungsverbot durchzusetzen. In diesem Zusammenhang müssen auch die ersten beiden Erwägungsgründe der Präambel des TRIPS-Abkommens berücksichtigt werden, in denen Ziel und Mittel des TRIPS-Abkommens näher beschrieben werden: "von dem Wunsch geleitet, Verzerrungen und Behinderungen des internationalen Handels zu verringern, und unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, einen wirksamen und angemessenen Schutz des Rechte des geistigen Eigentums zu fördern sowie sicherzustellen, daß die Maßnahmen und Verfahren zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums nicht selbst zu Schranken für den rechtmäßigen Handel werden, in der Erkenntnis, daß es zu diesem Zweck neuer Regeln und Disziplinen bedarf im Hinblick auf a) die Anwendbarkeit der Grundprinzipien des GATT 1994 und der einschlägigen internationalen Übereinkünfte über geistiges Eigentum, ... ". Dazu oben Teil 11, B. I. 3. Zur Anwendung dieses völkerrechtlichen Auslegungsprinzips bei der Auslegung der WTO-Verträge vgl. die Entscheidung des Appellate Body vom 13.2.1998 im Fall EC - Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones), WT/ DS26/ AB/R - WT /DS48/ AB/R, Nr. 165 und dazugehörige Fußnote; allgemein StlGH, PCIJ Sero A, No. 10 (1927), 18 - Lotus; Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, S. 79f. Rz. 125; Schwarzenberger, International Law I, S. 123; kritisch Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht 1/1, S. 222 f. 12

\3

240

Teil II: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

Teilweise wird nun behauptet, das Ziel des TRIPS, nämlich eine Balance zwischen Handelsfreiheit und Schutz des geistigen Eigentums herzustellen, werde konterkariert, wenn bezüglich der Erschöpfungsfrage auf das GATT 94 zurückgegriffen werde; dann nämlich werde der Aspekt der Handelsfreiheit überbewertet l4 . Auch aus Art. 1 Abs. 1 TRIPS ergebe sich im übrigen, daß eine Verstärkung des Schutzes im nationalen Alleingang über das von TRIPS geforderte Mindestmaß hinaus erlaubt sei, sofern die Schutzverstärkung "diesem Abkommen nicht zuwider" läuft, daß also allein eine Beurteilung nach TRIPS-, nicht nach sonstigem WTO-Recht gefordert sei. Wenn also ein Mitgliedstaat seinen Schutzrechtsinhabern mehr Rechte gewähre, indern er ein System der nationalen oder regionalen anstelle der internationalen Erschöpfung errichte, sei das allein nach TRIPS-Recht zu beurteilenis. Dieses Argument ist jedoch nicht stichhaltig. Denn das TRIPS stellt bezüglich der Frage der Erschöpfung geistiger Eigentumsrechte gerade keine Mindeststandards auf, so daß Art. 1 Abs. 1 TRIPS schon aus diesem Grunde hier überhaupt nicht einschlägig ist. Was nun den zweiten Erwägungsgrund angeht, so ist dort zwar von "neuen Regeln" die Rede, so daß jedenfalls nicht angenommen werden kann, es handle sich um einen Verweis auf die Grundprinzipien des GATT 94 16 . Daraus zu schließen, daß das GATT 94 überhaupt nicht auf Fragen des geistigen Eigemtuns anwendbar ist, erscheint jedoch zu weitgehend, wird aus eben dieser Passage doch deutlich, daß die Anwendung der GATT-Grundprinzipien prinzipiell erwünscht ist. Der Umstand, daß in der speziellen Frage der Erschöpfung von Schutzrechten die Grundsätze des GATT 94 besser direkt anwendbar sind als in der Ausformung des TRIPS, konnte in der allgemein gehaltenen und weit gefaßten TRIPS-Präambel schlicht nicht berücksichtigt werden. 2. Gesamtsystematik der WTO

Für eine Anwendbarkeit der GATT-Regeln neben dem TRIPS-Abkommen spricht die Tatsache, daß das WTO-Abkommen in Art. XVI Abs. 3 zwar eine Regelung für den Fall von Normenkollisionen zwischen WTOAbkommen und den anderen Multilateralen Abkommen l7 enthält, wonach 14

S.2.

Bronckers. 32 JWT 5, 1998, 1, 8; Mager, Parallel Imports in Patented Goods,

Bronckers, 32 JWT 5, 1998, 1,8. So aber Stucki, Trademarks and Free Trade, S. 53. 17 Nach Art. II Abs. 2 WTO sind unter "Multilateralen Abkommen" die in den Anhängen 1, 2 und 3 enthaltenen Abkommen und dazugehörigen Regelungsinstrumente zu verstehen. In Anhang 1 Abis C finden sich das GATI 94-, das GA TSund das TRIPS-Abkommen. 15

16

D. Die Bedeutung des GATI 94 für die Parallelimportfrage

241

der WTO-Norm im Umfang der Kollision Vorrang zukommt, ansonsten aber keine Regelung trifft. Im übrigen ist also von der Gleichrangigkeit der Abkommen auszugehen. Bezüglich des Verhältnisses von GATI 94 und GATS hat der Appelate Body bereits entschieden, daß eine parallele Anwendung beider Abkommen zulässig ist l8 . Zum Verhältnis von TRIPS und GATI 94 liegt soweit ersichtlich zwar noch keine Entscheidung vor, nach eben Ausgeführtem dürfte diese aber ebenso ausfallen l9 . Im Ergebnis ist daher festzuhalten, daß auch das GA TI 94 zur Beurteilung der Zulässigkeit nationaler Erschöpfungsregimes - und damit zur Beurteilung der Parallelimportfrage - herangezogen werden kann. Nicht zur Anwendung kommen dürfen dagegen die Vorschriften über die Streitbeilegung nach GATI-Recht, da ansonsten die Regelung des Art. 6 TRIPS unterlaufen würde. Die Frage der Erschöpfung von geistigen Eigentumsrechten kann daher nur in dem engen Rahmen des Art. 6 TRIPS vor ein Panel gelangen.

11. Materielle Regelungen des GATT 94 1. Grundsatz des Art. XI GA TI 94

Das Verbot von Parallelimporten stellt eine Maßnahme gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen dar, so daß als Grundnorm zunächst Art. XI Abs. 1 GATI 94 einschlägig ist: "Außer Zöllen, Abgaben und sonstigen Belastungen darf eine Vertragspartei bei der Einfuhr einer Ware aus dem Gebiet einer anderen Vertragspartei oder bei der Ausfuhr einer Ware oder ihrem Verkauf zwecks Ausfuhr in das Gebiet einer anderen Vertragspartei Verbote oder Beschränkungen, sei es in Form von Kontingenten, Einfuhr- und Ausfuhrbewilligungen oder in Form von anderen Maßnahmen, weder erlassen noch beibehalten."

Dieser Grundsatz ähnelt Art. 28 (30) EGV, so daß sich analog zur regionalen Erschöpfung in der EU auf WTO-Ebene die internationale Erschöpfung als Grundsatz ergibt. Gegen diese Interpretation greift der Einwand nicht durch, die Auslegung des EGV sei nicht auf das GATI übertragbar. Das GATI geht nämlich selbst davon aus, daß geistige Eigentumsrechte Han18 Entscheidung des World Trade Organisation Appellate Body vom 21.2.1997 im Fall Brazil - Measures Affecting Desiccated Coconut, AB-1996-4, S. 12f.; Entscheidung vom 25.9. 1997 im Fall European Communities - Sale and Distribution of Bananas, WT/DS27/AB/R, Nr. 221. 19 So auch Cottier, Implications of WTO Law for the Exhaustion Issue and Parallel Imports, S. 4f.; ders., The WTO System and Exhaustion of Rights, S. 2f.; Cottier/Stucki, Parallel importe im Patent-, Urheber- und Muster- und Modellrecht aus europarechtlicher und völkerrechtlicher Sicht, S. 54; a.A. Bronckers, 32 JWT 5, 1998. I, l3f. 16 Freytag

242

Teil 11: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

deisbeschränkungen darstellen; anders wäre die Ausnahmeregelung des Art. XX lit. d) GATI 94 nicht zu erklären. Zwar enthält Art. XI Abs. 2 GA TI 94 einige spezielle Ausnahmen zu diesem Grundsatz. Diese beziehen sich allerdings in erster Linie auf Lebensmittel und Agrarprodukte und sind insoweit durch das Landwirtschaftsübereinkommen von 199420 überholt. Relevant sind die Beschränkungsmöglicheiten im wesentlichen noch für Versorgungsengpässe im Rohstoffhandel. Für den mit der hier zu untersuchenden Frage der Zulässigkeit von Parallelimporten gewerblich geschützter Waren angesprochenen Bereich der Industrieerzeugnisse ist in Art. XI Abs. 2 GA TI 94 allerdings keine Ausnahmeregelung vorgesehen. Die "escape clause" des Art. XIX GATI 94, wonach in Fällen eines durch Importe (drohenden) ernsthaften Schadens für die inländische Industrie Schutzmaßnahmen zulässig sind, mag in besonders krassen Ausnahmefällen auch ein Importverbot gegenüber parallel eingeführten Waren decken. Voraussetzung nach Abs. 1 lit. a) ist allerdings, daß "eine Ware in das Gebiet dieser Vertragspartei in derart erhöhten Mengen und unter derartigen Bedingungen eingeführt [wird], daß dadurch den inländischen Erzeugern gleichartiger oder unmittelbar konkurrierender Waren in diesem Gebiet ein ernsthafter Schaden zugefügt wird oder zugefügt zu werden droht,m. Dabei sind nach Art. 4 des Übereinkommens über Schutzmaßnahmen hohe Anforderungen an die Feststellung einer solchen Lage zu stellen. Die am Anfang dieser Arbeit dargestellten Daten über die wirtschaftlichen Auswirkungen von Parallelimporten22 lassen eine solche Gefährdungslage als sehr unrealistisch erscheinen, zumal nach Art. XIX GATI 94 auch Substitutionsmärkte in die Beurteilung einbezogen werden müssen. Im übrigen rechtfertigt die "escape clause" nur zeitlich beschränkte Schutzmaßnahmen23 • Die allgemeine gesetzliche Regelung der nationalen Erschöpfung vermag sie daher nicht zu decken. Art. XIX GATI 94 kann folglich nicht generell zur Rechtfertigung des Schutzes der Monopolrechte von Inhabern geistiger Eigentumsrechte herangezogen werden 24 •

20 Übereinkommen über die Landwirtschaft vom 15.4.1994, deutsche Fassung abgedruckt in Hummer/Weiß, Vom GATT '47 zur WTO '94, S. 853ff. 21 Das Übereinkommen über Schutzmaßnahmen vom 15.4.1994 (deutsche Fassung in Hummer/Weiß, Vom GATT '47 zur WTO '94, S.760ff.) enthält Regeln und Definitionen für die Anwendung des Art. XIX GATT 94. VgI. zur Auslegung des Schädigungserfordernisses auch Schach, Unbestimmte Rechtsbegriffe im Rahmen des GATT, S. 86f., 136ff. 22 Oben Einführung, C. 11. 23 Vgl. Art. 7 des Übereinkommens über Schutzmaßnahmen. 24 Zutreffend Verma, He 1998, 534, 554.

D. Die Bedeutung des GATI 94 für die Parallelimportfrage

243

2. Ausnahmen nach Art. XX GA TI 94

Um klären zu können, ob nationale Vorschriften, die den Grundsatz der nationalen Erschöpfung vorsehen, gerechtfertigt sind, ist daher ein Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des Art. XX GATI erforderlich 25 . Art. XX lit. d) GATI 94 bezieht sich ausdrücklich auf Fragen des geistigen Eigentums26 : "Unter dem Vorbehalt, daß die folgenden Maßnahmen nicht so angewendet werden, daß sie zu einer willkürlichen und ungerechtfertigten Diskriminierung zwischen Ländern, in denen gleiche Verhältnisse bestehen, oder zu einer verschleierten Beschränkung des internationalen Handels führen, darf keine Bestimmung dieses Abkommens so ausgelegt werden, daß sie eine Vertragspartei daran hindert, folgende Maßnahmen zu beschließen oder durchzuführen: ... d) Maßnahmen, die zur Anwendung von Gesetzen oder sonstigen Vorschriften erforderlich sind, welche nicht gegen dieses Abkommen verstoßen, einschließlich der Bestimmungen ... über den Schutz von Patenten, Warenzeichen und Urheberrechten sowie über die Verhinderung irreführender Praktiken."

Art. XX lit. d) GATI 94 enthält also mehrere Voraussetzungen für die Rechtfertigung nationaler Handelsbeschränkungen, die im folgenden bezüglich einer Regelung der nationalen Erschöpfung überprüft werden sollen.

Erstens darf keine willkürliche und ungerechtfertigte Diskriminierung zwischen Ländern erfolgen, in denen gleiche Verhältnisse bestehen. Hier stellt sich zunächst die Frage, welche Verhältnisse "gleich" sein müssen. Stellt man auf die rechtlichen Regelungen zum Schutz des geistigen Eigentums ab, so muß man zu dem Ergebnis kommen, daß, sobald das TRIPSAbkommen in allen Mitgliedstaaten umgesetzt ist, eine sehr weitgehende 27 Übereinstimmung gegeben sein wird. Der Versuch, Parallelimporte mit dem Argument des unterschiedlichen rechtlichen Schutzes von geistigen Eigentumsrechten zu verbieten, dürfte daher unzulässig sein. Stellt man auf die sonstigen, insbesondere wirtschaftlichen Verhältnisse ab, so wird absolute Gleichheit kaum jemals zu erreichen sein, allenfalls kommen vergleichbare 2S Da die EG selbständiges Mitglied der WTO ist, betrifft diese Prüfung auch die Frage der Zulässigkeit der regionalen Erschöpfung von Gemeinschaftsmarkenrechten. 26 Unter Umständen kann auch die Ausnahmeklausel des Art. XX lit. b) GATI 94 einschlägig sein, wonach Einschränkungen zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen erlaubt sind. Gerade im Gesundheitswesen könnten hierauf Parallelimportverbote von Medikamenten gestützt werden. In aller Regel wird dann aber zugleich eine Schutzrechtsverletzung vorliegen (etwa im Fall des Parallelimports nicht sachgerecht umgepackter Medikamente). 27 Völlige Gleichheit wird schon deshalb nicht zu erreichen sein, weil das TRIPS-Abkommen nach Art. 1 Abs. 1 nur Mindeststandards vorschreibt, über die die Mitgliedstaaten hinausgehen dürfen. 16'

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Teil II: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

Verhältnisse in Betracht. Damit könnte vielleicht bereits die regionale Erschöpfung in Zollunionen bzw. Freihandelszonen gerechtfertigt werden, da solche Integrationszonen in der Regel Staaten, in denen wirtschaftlich ähnliche Verhältnisse bestehen, vereinigen. Ein krasses Gegenbeispiel ist allerdings die NAFI'A, da Mexico und die USA kaum als wirtschaftlich vergleichbar angesehen werden können. Aber auch innerhalb der EU bestehen Unterschiede in den wirtschaftlichen Verhältnissen der Mitgliedstaaten, die eine Subsumtion unter Art. XX lit. d) GATI 94, wo nach dem Wortlaut sogar Gleichheit gefordert ist, nicht erlauben. Andererseits könnte aufgrund dieser Klausel das Verbot von Parallelimporten beispielswe~se zwischen Staaten wie den Mitgliedstaaten der EU einerseits und den USA oder Japan andererseits verboten werden, da hier vergleichbare wirtschaftliche Verhältnisse herrschen. Eine Rechtfertigung von regionalen Erschöpfungsregelungen innerhalb wirtschaftlicher Integrationszonen läßt sich daher nicht schon durch Art. XX lit. d) GA TI 94 rechtfertigen. Zweitens darf keine verschleierte Beschränkung des internationalen Handels stattfinden. Es könnte argumentiert werden, daß die nicht-weltweite Erschöpfung in Anbetracht des TRIPS-Übereinkommens, durch das in allen Vertragsstaaten Mindestschutzstandards gewährleistet werden, bereits per se eine verschleierte Beschränkung des internationalen Handels bedeutet 28 . Selbst wenn man davon ausgeht, daß durch Art. XX lit. d) GATI der territoriale Charakter geistiger Eigentumsrechte anerkannt und als Ausnahme von den allgemeinen GATI-Verpflichtungen behandelt wird, kann man daraus nicht die Außerkraftsetzung der GATI-Freihandelsziele folgern. Denn die Ausnahmeklausel des Art. XX lit. d) GATI 94 wird eng aus gelegt29 • Es ergibt sich damit ein ähnliches Verhältnis wie zwischen Art. 28 (30) und Art. 30 (36) EGV 3o . Da diese Formulierung mit der in Art. 30 (36) S. 2 EGV wörtlich übereinstimmt, könnte hieran auch eine Übertragung der Grundsätze des EuGH zum spezifischen Schutzgegenstand festgemacht werden 31 . Eine verschleierte Handelsbeschränkung wäre demnach zumindest in all jenen Fällen anzunehmen, in denen Parallel im porte nur verhindert werden sollen, um die unterschiedlichen Preisniveaus in den verschiedenen Vertragsstaaten ausnützen zu können, ohne daß das Verbot 28 So bereits unter GATT 47 YusuJlMoncayo von Hase, 16 World Competition 1992, 115, 127ff.; jetzt auch Venna, IIC 1998,534,555. 29 Vgl. etwa den Panel-Bericht in einem Rechtsstreit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den USA über die Verfahren nach Section 337 des US Tariff Act, GATT Doc. L/6439 vom 16.1.1989, BISO 45, 1988-89, S. 345ff.; Bail, in: Hilf/Oehler, Der Schutz des geistigen Eigentums in Europa, S. 140. 30 So auch Ullrich, in: Beier/Schricker, From GATT to TRIPs, S. 376f.; Venna, IIC 1998, 534, 555. 31 Allgemein zur Übertragbarkeit der EuGH-Rechtsprechung zu Art. 28, 30 (30, 36) EGV auf den WTO-Bereich, unten Teil 11, G.

D. Die Bedeutung des GATT 94 für die Parallelimportfrage

245

durch den spezifischen Gegenstand des Schutzrechts gerechtfertigt wäre. Dann nämlich überwiegen die protektionistischen Ziele 32 und stellen ein verschleiertes Handelshemmnis dar. Drittens muß die Erforderlichkeit zur Anwendung der nationalen Gesetze über den Schutz des geistigen Eigentums feststehen. Vor Geltung des TRIPS-Abkommens konnte diese Erforderlichkeitsprüfung nur das jeweilige nationale Recht ins Auge fassen. Mit dem TRIPS-Abkommen gibt es nun aber allgemeine Mindestschutzstandards, die in allen Vertrags staaten gelten (werden). Das ist auch bei der Prüfung der Erforderlichkeit im Rahmen des Art. XX lit d) GATT 94 zu berücksichtigen33 • Die im TRIPS-Abkommen enthaltenen Schutzstandards wurden ja gerade im Hinblick darauf, daß ausreichender Schutz gewährleistet werden sollte, international ausgehandelt. Wurden diese Mindeststandards in das nationale Recht eines Vertrags staats umgesetzt und mit den nötigen Durchsetzungsmechanismen versehen, so gewährleistet dieser Staat dem Inhaber eines Patent- oder Markenrechts nach Ansicht der WTO-Vertragsstaaten ausreichenden Schutz. Geht ein anderer Vertragsstaat nach Art. I Abs. I TRIPS erlaubterweise über diesen Mindestschutz hinaus und gewährleistet dem Schutzrechtsinhaber Rechte, die diesem ein (weitergehendes) Verbot von Parallelimporten ermöglichen, können diese Rechte nicht mehr als zum Schutz des geistigen Eigentums erforderlich angesehen werden. Dieser Argumentation kann auch nicht entgegengehalten werden, daß es nach dem Wortlaut des Art. XX lit. d) GATT 94 nicht auf die Erforderlichkeit zum Schutz des geistigen Eigentums per se, sondern nur um die Erforderlichkeit zur Anwendung der nationalen Gesetze geht. Dann würde durch Art. XX lit. d) GATT 94 nämlich die bloße Gesetzmäßigkeit des Handeins nach nationalem Recht vorausgesetzt; der eigentliche Sinn dieser Norm, Kriterien zur Einschränkung des Freihandelsgrundsatzes des Art. XI GATT 94 zu definieren, wäre nicht erreichbar. Nach der hier vertretenen Auffassung wird die Erforderlichkeit im Sinne des Art. XX lit. d) GATT 94 durch die TRIPS-Schutzstandards konkretisiert, so daß darüber hinausgehende nationale Schutzgesetze das Verbot von Parallelimporten nicht zu rechtfertigen vermögen. Dadurch ist auch gewährleistet, daß Art. XX GATT 94 als Ausnahmevorschrift eng34 ausgelegt wird. 32 Vgl. dazu die erste Entscheidung des WTO Appellate Body vom 20.4.1996, United States - Standards for Reformulated Gasoline, AB-1996-1, WT/DS2/AB/R. 33 So auch Abbott, First Report, HEL 1998, 607, 632f.; Stucki, Trademarks and Free Trade, S. 51. 34 Vgl. etwa den Panel-Bericht in dem Rechtsstreit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den USA über die Verfahren nach Section 337 des US Tariff Act, GATT Doc. L/6439 vom 16.1.1989, BISD 45, 1988-89, S. 345; Bail, in: Hilf/Oehler, Der Schutz des geistigen Eigentums in Europa, S. 140.

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Teil 11: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

Und viertens muß die GATT-Konformität dieser Gesetze an sich feststehen. Es geht hier nicht um eine WTO-Konformität, die auch das TRIPS miteinbeziehen würde, sondern nur um die Einhaltung der GATT-Vorschriften. Insbesondere sind die Grundprinzipien des GATT, d. h. Meistbegünstigung und Nichtdiskriminierung zu beachten. Yusuf/Moncayo von Hase 35 vertreten die Ansicht, die nationale (bzw. regionale) Erschöpfung stelle eine diskriminierende Regelung dar, die dem GATT zuwiderlaufe. Der Grundsatz der nationalen Erschöpfung erlaube es dem Inhaber paralleler Schutzrechte in mehreren Staaten, sich dem Import eines Erzeugnisses zu widersetzen, das er selbst in einem anderen Land in Verkehr gebracht habe, während er den weiteren Vertrieb der im Inland von ihm in Verkehr gebrachten Waren nicht weiter kontrollieren dürfe. Im Falle importierter Produkte könne der Schutzrechtsinhaber seine Rechte folglich doppelt ausüben, nämlich sowohl im Land der ersten Vermarktung als auch im Importland, während er auf dem inländischen Markt seine Rechte nur einmal ausüben dürfe. Das widerspreche Art. III Abs. 4 GATT, wonach eingeführte Waren "hinsichtlich aller Gesetze, Verordnungen und sonstigen Vorschriften über den Verkauf, das Angebot, den Einkauf, die Beförderung, Verteilung oder Verwendung im Inland keine weniger günstige Behandlung erfahren [dürfen] als gleichartige Waren inländischen Ursprungs". Dagegen wird eingewandt, die nationale Erschöpfung sei eine nichtdiskriminierende Regelung, weil sie unabhängig davon, ob das Erzeugnis eingeführt oder im Land hergestellt sei, Anwendung finde 36• Dieser Einwand ist aber nur formal richtig. Denn tatsächlich kann vom Grundsatz der nationalen Erschöpfung nur Ware betroffen sein, die importiert werden soll. Faktisch ergibt sich somit eine Ungleich behandlung inländischer und ausländischer Waren. Die Regelung der nationalen Erschöpfung und damit Verhinderung von Parallelimporten wäre also auch als diskriminierende Vorschrift nicht mit Art. XX lit. d) GATT 94 vereinbar. Die dargestellte Auslegung des Art. XX lit. d) GATT 94 hat zur Folge, daß nur die internationale Erschöpfung (gegebenenfalls unter Zulassung einiger Ausnahmen) mit dem GATT 94 in Einklang steht. Hier stellt sich also folgendes Problem: Da vor Inkrafttreten des WTO-Übereinkommens kein Streitfall bezüglich der internationalen Erschöpfung zur Sprache kam, wird teilweise angenommen, daß die Frage der Erschöpfung unter die Ausnahmeregelung des Art. XX lit. d) GATT 47 fiee 7 • Diese Vorschrift wurde 3' Yusuf/Moncayo von Hase, 16 World Competition 1992, 115, 128; ähnlich Verma, HC 1998, 534, 553 f. 36 So z. B. Bale, Exhaustion in the Field of Patents: Public Policy and the Pharmaceutical Industries, Vortrag vom 6.11. 1998 im Rahmen der ITLC-Conference on the Exhaustion of Intellectual Property Rights and Parallel Importation in World Trade, 6./7.11.1998, Geneva.

D. Die Bedeutung des GATI 94 für die Parallelimportfrage

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im Rahmen der WTO-Verhandlungen aber nicht verändert und stimmt somit wörtlich mit der des GATT 94 überein. Die eben dargestellte Auslegung wäre also als stillschweigender Bedeutungswandel des Art. XX lit. d) GATT 94 zu verstehen. Kann aber daraus, daß die WTO weitergehende Handelsfreiheit brachte, gefolgert werden, daß das Verbot von Parallelimporten zum Schutz des geistigen Eigentums nun nicht mehr unter Art. XX lit. d) GATT fällt? Von Teilen der Literatur wird eine solche Annahme abgelehnt. Im Gegensatz zum GATT 47, das lediglich eine Ausnahme zugunsten des Schutzes geistigen Eigentums vorsah, erhob die WTO den Schutz des geistigen Eigentums auf eine der Handelsfreiheit gleichzuachtende Stufe. Die bloße Existenz des TRIPS-Abkommens habe eine neue Balance zwischen den Zielen Handelsfreiheit und Schutz des geistigen Eigentums hergestellt. Eine allein freihandelsorientierte Auslegung komme daher nicht mehr in Betracht. Eine "neue" Auslegung des Art. XX lit. d) GATT widerspreche auch dem Willen der Beteiligten an den Verhandlungen der UruguayRunde, da diese sich in der Frage der Erschöpfung ja gerade nicht einigen konnten, also sicher auch Art. XX lit. d) GATT keine neue Bedeutung beimessen wollten. Jedenfalls hätte eine solche Änderung im Wortlaut der entsprechenden GATT-Vorschriften Niederschlag finden müssen 38 . Diese Ansicht verkennt, daß durch das TRIPS-Abkommen nicht einseitig die Interessen der Rechtsinhaber gestärkt werden sollten, sondern ein Ausgleich zwischen Schutz des geistigen Eigentums und Freihandel erzielt werden sollte. Angesichts der Handelshemmnisse, die sich aus der Beschränkung auf den Grundsatz der nationalen Erschöpfung ergeben, ist ein neues Verständnis der "alten" GATT-Normen durchaus denkbar39 . Hier jedoch kommt nun der völkerrechtliche Auslegungsgrundsatz in dubio mitius zum Tragen, wonach die Aufgabe staatlicher Souveränität der Zustimmung der Staaten bedarf. Werden Art. XI, XX GATT 94 so verstanden, daß sie nur noch das System der internationalen Erschöpfung zulassen, stellt dies eine Beschränkung der staatlichen Souveränität zur Bestimmung des Erschöpfungssystems dar und fällt damit unter obengenannten Grundsatz. Art. 6 TRIPS jedoch macht deutlich, daß keine Einigung in der Erschöpfungsfrage erzielt werden konnte. Auch aus dem Verhalten der WTO-Mitgliedstaaten nach Abschluß der WTO-Abkommen ergibt sich keinesfalls eine Einigung auf den Grundsatz der internationalen Erschöpfung; einige Staaten haben diesen zwar in der Folgezeit eingeführt40 , die wohl 37 So namentlich Bronckers, 32 JWT 5, 1998, 1, 19ff.; Quick, An Industrial View on International Exhaustion of Patented Rights, S. 5. 38 Bronckers, 32 JWT 5, 1998, 1, 20f. 39 So auch YusuJlMoncayo von Hase, 16 World Competition 1992, 115, 127.

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Teil 11: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

meisten Staaten haben aber ihr bisheriges Erschöpfungsregime beibehalten. Und Deutschland beispielsweise ist im Markenrecht vom Grundsatz der internationalen zur regionalen Erschöpfung übergegangen41 ; andere EUMitgliedstaaten sind aufgrund der Silhouette-Entscheidung des EuGH 42 nunmehr ebenfalls zu einer Schutzverstärkung verpflichtet. Eine aktuelle völkerrechtliche Verpflichtung zur Einführung der internationalen Erschöpfung und Zulassung von Parallelimporten kann derzeit aus den Vorschriften des GATI 94 daher nicht hergeleitet werden. Allerdings zeigt sich, daß die internationale Erschöpfung mit den Grundsätzen des GATI sehr viel besser vereinbar ist als andere Erschöpfungsregimes. 3. Sonderproblem regionale Erschöpfung - Art. XXIV GATT 94

WTO-Mitglieder sind nach Art. I GATI 94 verpflichtet, den Grundsatz der Meistbegünstigung auf Waren aus anderen WTO-Mitgliedstaaten anzuwenden, und zwar auch in bezug auf die Erschöpfungsfrage43 . Wird daher in der EU der Grundsatz der gemeinschaftweiten Erschöpfung - bzw. erstreckt auf den EWR der Grundsatz der EWR-weiten Erschöpfung angewandt, so liegt darin eine Ungleichbehandlung von Waren aus WTOMitgliedstaaten, die einer Rechtfertigung bedarf. Eine solche kommt nur nach der allgemeinen Vorschrift des Art. XXIV GATI 94 in Betracht. Auch hier stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit des Art. XXIV GATI 94. Diese könnte verneint werden, wenn man daraus, daß sich im GATI 94 und im GATS-Abkommen44 ausdrückliche Ausnahmevorschriften zugunsten regionaler wirtschaftlicher Integrationszonen finden, während eine entsprechende Regelung im TRIPS-Abkommen fehlt, darauf schließt, daß eine Diskriminierung im Rahmen des TRIPS keinesfalls zugelassen werden sollte. Allerdings ist zu bedenken, daß zwischen der Meistbegünstigungsklausel des Art. I GATI 94 und derjenigen in Art. 4 TRIPS ein wesentlicher Unterschied besteht. Während sich das GATI nämlich auf die Nichtdiskriminierung von Waren nach ihrem Ursprung bezieht, geht es im 40 Zu den lateinamerikanischen Ländern vgl. Correa, GRUR Int. 1994, 799; Hassemer, GRUR Int. 1999, 322, 325; Pac6n, GRUR Int. 1994, 888ff.; zur Anerkennung der internationalen Erschöpfung im Marken und Urheberrecht der USA und darüber hinaus für das Patentrecht in Japan und in der Schweiz vgl. oben Teil I, D. 11. 1. c) dd) (3) und unten Teil 11, G. 11 1. a). 41 BGH NJW 1996,994 - Gefärbte Jeans. 42 EuGHE 1998,1-4799 - Silhouette; dazu oben Teil I, D. n. 1. c) aa). 43 Nach Venna, IIC 1998, 534, 553 f., soll Art. III Abs. 4 GATI einschlägig sein. Diese Vorschrift ist in Art. lAbs. 1 GATI ausdrücklich erwähnt, so daß sich kein materieller Unterschied ergibt. 44 Art. V GATS sieht eine dem Art. XXIV GA TI 94 ähnelnde Regelung zugunsten wirtschaftlicher Integrationszonen vor.

D. Die Bedeutung des GATI 94 für die Parallelimportfrage

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TRIPS-Abkommen nur um die Nichtdiskriminierung aufgrund der Nationalität des Rechtsinhabers. Die Regelung der Erschöpfung von Schutzrechten knüpft aber gerade nicht an die Nationalität des Rechtsinhabers, sondern an den Warenursprung an, so daß formal überhaupt kein Konflikt mit der Meistbegünstigungsregel des TRIPS entstehen kann. Eine Ausnahmeregelung für regionale Integrationszonen war daher im TRIPS-Abkommen nicht erforderlich. Wenn das TRIPS dieses Problem aber nicht regeln muß, kann der Rückgriff auf GATT-Recht auch nicht gesperrt sein45 . In Art. XXIV Abs. 5 GATT sind die Voraussetzungen für die Bildung von Zollunionen und Freihandelszonen niedergelegt. Nach lit. a) dürfen im Fall von Zollunionen die bei der Bildung der Union eingeführten Zölle und Handelsvorschriften in ihrer Gesamtheit nicht höher oder einschränkender sein als die allgemeine Belastung durch Zölle und Handelsvorschriften, die in den teilnehmenden Gebieten vor der Bildung der Union bestand. Nach lit. b) sind diese Voraussetzungen unter Verzicht auf die Formulierung "in ihrer Gesamtheit" auch für Freihandelszonen anwendbar. Teilweise wird daher überlegt, ob der Übergang von der internationalen zur regionalen Erschöpfung im Markenrecht, wie er sich als Pflicht für diejenigen Mitgliedstaaten, die bisher die internationale Erschöpfung im Markenrecht anerkannten, nach der Silhouette-Entscheidunl des EuGH aus Art. 7 MRRL ergibt, dieser GATT-Vorschrift zuwiderläuft4 • Bei Zollunionen kommt es nur auf eine Gesamtbetrachtung der Handelsregelungen an, während im Rahmen von freihandelszonen (wie etwa dem EWR, für den sich infolge der Übernahme des acquis communautaire dasselbe Problem stellt) jede Einzelregelung für sich betrachtet werden muß. Selbst bei der für Zollunionen anzuwendenden Gesamtbetrachtung ergibt sich aufgrund dieses teilweisen Übergangs von internationaler zu regionaler Erschöpfung ohne liberalisierenden Ausgleich durch andere Mitgliedstaaten für die Gemeinschaft insgesamt eine Verstärkung der Abschottung nach außen. Die Voraussetzungen des Art. XXIV Abs. 5 lit. a) GATT 94 wären daher nicht erfüllt, eine Rechtfertigung nicht möglich. Allerdings ist fraglich, ob diese Vorschrift auf den vorliegenden Fall überhaupt anwendbar ist. Nach seinem Wortlaut erfaßt Art. XXIV Abs. 5 45 Unwidersprochen betonte die Europäische Kommission während der Verhandlungen der Uruguay-Runde nachdrücklich, daß die gemeinschafts weite Erschöpfung eine rechtmäßige Ausnahme nach Art. XX lit. d) und XXIV GATI darstelle, berichtet bei Soltysinski, GRUR Int. 1996,316,319. 46 Cottier, Implications of WTO Law for the Exhaustion Issue and Parallel Imports, S. 6; ders., The WTO System and Exhaustion of Rights, S. 4f.; ders., SMI 1995/1, 37, 57; Cottier/Stucki, Parallelimporte im Patent-, Urheber- und Musterund Modellrecht aus europarechtlicher und völkerrechtlicher Sicht, S. 55 f.; Stucki, Trademarks and Free Trade, S. 54.

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Teil 11: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

lit. a) GATT 94 nämlich nur die Situation der Gründung einer Zollunion, nicht aber später eintretende Änderungen innerhalb bestehender Zollunionen. Die gegebene Situation der nachträglichen Beschränkung auf die gemeinschaftsweite Erschöpfung müßte nach Sinn und Zweck der Vorschrift auch untersagt sein. Cottier47 vertritt unter Berufung auf die Präambel der im Rahmen der Uruguay-Runde ausgehandelten Interpretation des Art. XXIV GATT 9448 die Ansicht, daß dieser auch die nachträgliche Verschärfung des Marktzutritts in Verbindung mit internen Liberalisierungsmaßnahmen verhindere. Im 5. Erwägungsgrund der Präambel dieser Vereinbarung wird in der Tat bekräftigt, daß der Zweck solcher Abkommen darin bestehen solle, "den Handel zwischen den teilnehmenden Gebieten zu erleichtern, nicht aber dem Handel anderer Mitglieder mit diesen Gebieten Schranken zu setzen". Allerdings wird im zweiten Halbsatz dieses Erwägungsgrundes wiederum nur auf die Bildung bzw. Erweiterung solcher Zonen abgestellt: "weiters, daß bei ihrer Bildung oder Erweiterung deren Vertrags parteien im größtmöglichen Ausmaß schädliche Auswirkungen auf den Handel anderer Mitglieder vermeiden sollen". Diese Vereinbarung läßt daher keine eindeutige Schlußfolgerung zu. Vielmehr ist zu überlegen, ob für die nachträgliche Änderung nicht eine analoge Anwendung des Art. XXIV Abs. 6 GATT 94 in Betracht kommt. Dort ist ausdrücklich die nachträgliche Erhöhung von Zollsätzen geregelt. Angesichts der weitgehenden Gleichbehandlung von tarifären und nichttarifären Handelshemmnissen im GATT 94, kommt eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf die nachträgliche Erhöhung des Schutzstandards für geistige Eigentumsrechte in Betracht. Nach Abs. 6 sind lediglich Verhandlungen gern. Art. XXVIII GATT 94 über diese Änderung anzuberaumen. Solche Verhandlungen wurden zwar im Zuge der Ausarbeitung der MRRL und soweit ersichtlich auch seit der Silhouette-Entscheidung seitens der EU nicht angestrebt. Deren positiver Ausgang scheint aber bei Nachholung angesichts sehr weitgehend politischer Entscheidungen in diesen Fragen nicht ausgeschlossen. Für die EU stellt sich zudem die Frage, ob sie nicht anders zu behandeln ist als andere Regionalunionen. Die EU ist immerhin selbst Mitglied der WTO, so daß ein Sonderstatus zu bejahen ist. Sie kann damit wie jeder andere WTO-Mitgliedstaat als ein einheitliches Ganzes betrachtet werden, das den allgemeinen Regeln über WTO-Mitglieder unterliegt. Im Falle 47 Cottier, SMI 1995/1,37, 57f.; ders., Implications of WTO Law for the Exhaustion Issue and Parallel Imports, S. 7; ders., The WTO System and Exhaustion of Rights, S. 5. 48 Vereinbarung über die Auslegung des Artikels XXIV des Allgemeinen Zollund Handelsabkommens 1994, vom 15.4.1994, 33 ILM 1994, 1161; deutsche Fassung in Hummer/Weiss, Vom GATT '47 zur WTO '94, S. 792ff.

E. Völkerrechtlicher Mindeststandard für geistige Eigentumsrechte?

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einer Änderung ihres Regelungsbestandes bedürfte es daher keiner besonderen Rechtfertigung über Art. XXIV GATI. Es ist aber zu unterscheiden zwischen der Änderung des Regelungsbestands der gesamten EU und der Änderung in einzelnen Mitgliedstaaten. Die Tatsache, daß die EU neben ihren Mitgliedstaaten selbständiges Mitglied der WTO ist, rechtfertigt zwar ihren eigenen Sonderstatus, begründet aber nicht zugleich einen Sonderstatus der EU-Mitgliedstaaten. Selbst die Bejahung eines solchen Sonderstatus der EU löst also nicht das Problem, daß sich aus der Silhouette-Entscheidung des EuGH die Notwendigkeit des Übergangs nur einzelner EU-Mitgliedstaaten von der internationalen zur nationalen Erschöpfung ergibt. Wird aus GATI-Recht eine stand-still-Verpflichtung auch bezüglich der Erschöpfungsregelung gefolgert, so läge im Übergang vom liberaleren zum restriktiveren Erschöpfungsregime ein Verstoß dieser EU-Mitgliedstaaten gegenGATI-Recht. Wie soeben dargelegt, bleibt aber die Möglichkeit der Nachholung des Konsultationsverfahrens nach Art. XXIV Abs. 6 GA TI 94. Dadurch läßt sich der Übergang zur regionalen Erschöpfung rechtfertigen. Im Ergebnis ist also festzustellen, daß die sich aus Art. 7 MRRL für diejenigen EU-Mitgliedstaaten, in denen bisher die internationale Erschöpfung des Markenrechts galt, ergebende Verpflichtung zum Übergang zur regionalen Erschöpfung zwar eine dem GATI 94 zuwiderlaufende Verstärkung der Abschottung der EU gegenüber Drittstaaten darstellt. Im Falle der Nachholung des in Art. XXIV Abs. 6 GATI 94 vorgesehenen Verfahrens ist aber zu erwarten, daß dieses Vorgehen gerechtfertigt werden kann.

E. Völkerrechtlicher Mindeststandard für geistige Eigentumsrechte? Der Grundsatz der internationalen Erschöpfung und die damit verbundene Zulassung von Parallelimporten stellen eine Beschränkung der Rechte des Schutzrechtsinhabers dar. Gäbe es völkerrechtliche Mindeststandards, die einen darüber hinausgehenden Schutz des Inhabers geistiger Eigentumsrechte fordern, wäre die internationale Erschöpfung unzulässig. Da die internationalen Konventionen zum Schutz geistiger Eigentumsrechte keine materiell-rechtlichen Regelungen zum Schutzumfang enthalten und wie dargestellt derzeit weder dem TRIPS-Abkommen noch dem GATI 94 ein verbindliches Verbot der internationalen Erschöpfung zu entnehmen ist, könnte sich eine solche Beschränkung nur noch aus völkerrechtlichen Garantien des geistigen Eigentums als Menschenrecht bzw. aus Völkergewohnheitsrecht ergeben.

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Teil 11: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

Anhaltspunkte für den Schutz geistigen Eigentums im internationalen Recht ergeben sich zunächst aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte 1, deren rechtliche Bindungswirkung allerdings umstritten ist 2 . Diese enthält in Art. 17 eine allgemeine Norm zum Schutz des Eigentums, derzufolge jeder Mensch allein oder in der Gemeinschaft mit anderen Recht auf Eigentum hat (Nr. 1) und niemand willkürlich seines Eigentums beraubt werden darf (Nr. 2). Ergänzt wird sie durch eine Sondervorschrift zum Schutz geistigen Eigentums, aus der sich ergibt, daß der Schutzbereich des Art. 17 der Menschenrechtserklärung auf Sacheigentum beschränkt ise. Nach Art. 27 Nr. 2 hat jeder Mensch "das Recht auf Schutz der moralischen und materiellen Interessen, die sich aus jeder wissenschaftlichen, literarischen oder künstlerischen Produktion ergeben, deren Urheber er ist." Der Schutz geistigen Eigentums hat in für die Vertragsstaaten völkerrechtlich verbindlicher Weise im Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19. Dezember 19664 seinen Niederschlag gefunden. In Art. 15 Abs. 1 lit. c) des Paktes erkennen die Vertragsstaaten das Recht eines jeden an, "den Schutz der geistigen und materiellen Interessen zu genießen, die ihm als Urheber von Werken der Wissenschaft, Literatur oder Kunst erwachsen." In der deutschen Übersetzung weichen Art. 27 Nr. 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ("moralische" Interessen) und Art. 15 Abs. 1 lit. c) des Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ("geistige" Interessen) zwar voneinander ab. Da dieser Unterschied in der maßgeblichen englischen Fassung ("moral" interests) jedoch nicht besteht, können beide Vorschriften einheitlich interpretiert werdens. Für den im Rahmen dieser Arbeit zu untersuchenden Bereich des Marken- und Patentrechts ergibt sich insoweit das Problem, daß diese Rechte in den zitierten Vorschriften nicht ausdrücklich erwähnt sind. Daraus folgert eine Ansicht einen engen Anwendungsbereich dieser Normen; insbesondere Marken seien keine "intellektuellen Kreationen,,6. Demgegenüber sieht die Gegenansicht sämtliche Bereiche des geistigen Eigentumsschutzes als von diesen Vorschriften erfaßt an 7 . Die während der Verhandlungen zur Allge1 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte in der von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 beschlossenen Fassung, Resolution 217 (III): Universal Declaration of Human Rights in: UN, General Assembly, Official Records, 3rd Session (Part I), Resolutions (Doc. A/81O), S. 71; abgedruckt in Sartorius 11 Nr. 19. 2 Zum Meinungsstand vgl. Hailbronner, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, S. 242 Rz.205. 3 Fechner, Geistiges Eigentum und Verfassung, S. 86. 4 BGBL 197311, 1570ff. 5 Buck, Geistiges Eigentum und Völkerrecht, S. 216; Fechner, Geistiges Eigentum und Verfassung, S. 87. 6 Nachweise bei Buck, Geistiges Eigentum und Völkerrecht, S. 217.

E. Völkerrechtlicher Mindeststandard für geistige Eigentumsrechte?

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meinen Erklärung der Menschenrechte verwendeten Begriffe "intellectual worker" und "intellectual production" sprechen jedenfalls für die Einbeziehung des Patentschutzes 8 • Für das Markenrecht muß aufgrund der Betonung der Urhebereigenschaft in den zitierten Normen von einer Beschränkung des Schutzes auf denjenigen, der "Urheber" der Marke ist, ausgegangen werden 9 • Soweit der Umfang von Art. 27 Nr. 2 der Menschenrechtserklärung und Art. 15 Abs. 1 lit. c) des Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte reicht, kommt dem geistigen Eigentum damit menschenrechtlicher Schutz zu 10. Konkrete Mindestschutzstandards, die zur Beurteilung der Erschöpfungsfrage erforderlich sind, lassen sich daraus jedoch nicht ableiten. Auch Völkergewohnheitsrecht zur Frage des Erschöpfungsregimes ist nicht zu erkennen. Voraussetzung wäre, daß sich aus der Staatenpraxis und der Anerkennung dieser Übung als Recht eine allgemein anerkannte Norm ergäbe. Die Staaten nehmen in der Frage der Erschöpfung von Markenrechten jedoch so unterschiedliche Positionen ein, daß eine allgemeine Übung nicht feststellbar ist. Im Bereich des Patentrechts zeigt sich zwar ein einheitlicheres Bild; die wohl überwiegende Zahl der Staaten geht hier vom Grundsatz der nationalen Erschöpfung aus. Dennoch sind es nicht nur einige Entwicklungs- und Schwellenländer, die die internationale Erschöpfung anerkennen. Denn auch aus der insbesondere im anglo-amerikanischen Rechtsraum angewandten implied licence-Theorie ergibt sich eine Beschränkung der dem Rechtsinhaber eingeräumten Verwertungsbefugnis, die in ihren Ergebnissen der internationalen Erschöpfung in vielen Fällen nahekommtlI. Von einer allgemeinen Übung der uneingeschränkten Gewährleistung von Verwertungsrechten kann daher auch im Patentrecht nicht gesprochen werden. Außerdem muß berücksichtigt werden, daß sich die Staaten im Rahmen der Verhandlungen des TRIPS-Abkommens nicht auf ein bestimmtes Erschöpfungsregime einigen konnten. Auch das spricht 7 8

Beguin, Droit d'Auteur 1963,317,319; Fikentscher, Wirtschaftsrecht I, S. 263. Buck, Geistiges Eigentum und Völkerrecht, S. 225; ebenso Auer, Entwicklungs-

perspektiven des internationalen Technologietransfers im Rahmen des Abkommens über Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights, S. 22. 9 Zutreffend Buck, Geistiges Eigentum und Völkerrecht, S. 227. 10 Buck, Geistiges Eigentum und Völkerrecht, S. 227; Fechner, Geistiges Eigentum und Verfassung, S. 86; Oppermann, FS Hahn, S. 447ff., insb. S. 452ff. mit der Darstellung eines 1993 unterbreiteten, aber nicht mehrheitsfähigen weitergehenden Vorschlags der deutschen Sektion der ILA. Zu den regionalen Menschenrechtserklärungen, in denen sich des Schutz von Eigentum allgemein, jedoch keine ausdrückliche Gewährleistung des geistigen Eigentums findet, vgl. Buck, a. a. O. S. 232 ff. 11 Die Länder, die die implied licence-Theorie anwenden, sind oben Einführung, B. 11. erwähnt. Vgl. zur internationalen Erschöpfung im Patentrecht außerdem die Entscheidung des Handelsgerichts Zürich vom 23.11.1998, Kodak, GRUR Int. 1999,555.

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Teil 11: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

gegen die Anerkennung von Völkergewohnheitsrecht in der Erschöpfungsfrage. Zu klären bleibt noch, ob die allgemeinen völkerrechtlichen Mindeststandards für den Schutz von Eigentum auch für geistiges Eigentum Anwendung finden und ob sich daraus Konsequenzen für die Frage der Erschöpfung ergeben. Inwiefern der Mindeststandard des Eigentumsschutzes auch auf geistiges Eigentum Anwendung findet, ist bislang durch Rechtsprechung und Schrifttum nicht geklärt. Sofern man unter den Eigentumsbegriff alle vennögenswerten Rechte Privater subsumiert, fällt das geistige Eigentum auch darunter I 2. Schutz für Rechtsinhaber ergibt sich daraus jedoch lediglich insofern, als Enteignungen nur gegen angemessene, prompte und effektive Entschädigung zulässig sind I3 • Das Völkerrecht bestimmt dagegen grundsätzlich nicht über die Existenz eines Rechts. Vielmehr ist es Sache des einzelstaatlichen Rechts zu bestimmen, wann, in welcher Fonn und mit welchem Inhalt ein Recht entsteht. Damit ist im Rahmen des Völkerrechts ein Schutz gegenüber anderen Maßnahmen als jenen, die eine bereits erworbene Rechtsposition entziehen, nicht gewährleistet l4 . Für die Frage der Erschöpfungsregelung l5 bedeutet das, daß die internationale Erschöpfung, soweit sie der Enteignung der Schutzrechte gleichzuachten wäre, für bereits bestehende Schutzrechte unzulässig wäre. Daß die internationale Erschöpfung generell zur Wertlosigkeit des geschützten Rechts führe, kann nicht angenommen werden und wird soweit ersichtlich auch nicht behauptet. Teilweise wird aber argumentiert, daß die Zulassung von Parallelimporten aus Ländern, in denen kein Patentschutz gegeben sei, einer Enteignung gleichkommen könne. Um zumindest einmal einen finanziellen Ausgleich für das Inverkehrbringen seines Erzeugnisses zu erhalten, sei der Patentinhaber sonst gezwungen, in allen Staaten Patentschutz zu beantragen l6 . Auch im Falle fehlender Patentierbarkeit dürfte allerdings zu differenzieren sein. Gilt erst einmal eine allgemeine internationale Erschöpfungsrege12 Buck, Geistiges Eigentum und Völkerrecht, S. 251 f.; Dolzer, Eigentum, Enteignung und Entschädigung im geltenden Völkerrecht, S. 166f., 170f. 13 Ipsen, Völkerrecht S. 612ff.; Graf Vitzthum in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, S.498ff. 14 Buck, Geistiges Eigentum und Völkerrecht, S. 252; Christians, Immaterialgüterrechte und GATT, S.106f. 15 Zu berücksichtigen ist, daß es sich bei den dargestellten Regeln um völkerrechtlichen Schutz für Ausländer handelt. Soweit menschenrechtlicher Schutz bejaht wird, ergibt sich daraus eine Gleichstellung von Ausländern und Inländern. Da Erschöpfungsregelungen aber ohnehin nicht zwischen Ausländern und Inländern differenzieren (dazu oben Teil 11, B. III. 2.), erfolgt hier eine einheitliche Schlußfolgerung. 16 Heath, IIC 1997, 623, 630.

E. Völkerrechtlicher Mindeststandard für geistige Eigentumsrechte?

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lung, und bringt ein Patentinhaber seine Erzeugnisse dann in schutzfreien Drittstaaten l7 in Kenntnis der Parallelimportgefahr in Verkehr, nimmt er angesichts der bestehenden wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit das Risiko der Entwertung des einheimischen Patentrechts damit in Kauf. Eine Eigentumswertgarantie ist eben nicht Gegenstand des Eigentumsschutzes und auch nicht des geistigen Eigentums. Die Entwertung des Eigentums beruht in diesem Falle nicht auf staatlichem Handeln, sondern auf der eigenen unternehmerischen Entscheidung des Patentinhabers. Anders mag sich die Situation darstellen, sofern der Grundsatz der internationalen Erschöpfung eingeführt wird, während Patentinhaber ihre Erzeugnisse im Vertrauen auf die bisherige Rechtslage, d. h. die vor Parallelimporten schützende nationale Erschöpfung, bereits sowohl in schutzfreien als auch in Schutzländern vermarkten. Mit Einführung der internationalen Erschöpfung sähen sich diese Rechtsinhaber Parallelimporten ausgesetzt, die bei entsprechend großen Preisdifferenzen zwischen Schutzland und schutzfreiem Land in der Tat zu einer Entwertung des Schutzrechts führen könnten I 8. Da die Entwertung des Schutzrechts auf der Neuregelung des Erschöpfung beruht, die Rechtsinhaber aber Vertrauensschutz genießen, kann den Patentinhabern hier auch nicht zugemutet werden, ihre Erzeugnisse in den schutzfreien Staaten vom Markt zu nehmen. Für diese Fälle ist daher eine Übergangsregelung l9 einzuführen. Beispielsweise könnte eine Ausnahme vom Grundsatz der internationalen Erschöpfung für bereits in schutzfreien Staaten vermarktete Erzeugnisse vorgesehen werden. Da es sich um eine Ausnahmeregelung handelt, sollte den Patentinhabern der Beweis bezüglich des vor Neuregelung der Erschöpfung erfolgten Inverkehrbringens im patentfreien Staat obliegen; diesen fällt die Beweisführung auch in aller Regel leichter als dem Staat, da aus ihrer Buchführung die Markteinführung eines Produkts hervorgehen dürfte. Es versteht sich von selbst, daß diese Ausnahme nur eingreifen kann, wenn der Staat, in dem das Erzeugnis patentiert ist, bislang noch nicht von der internationalen Erschöpfung ausging 2o . 17 Angesichts des im TRIPS-Abkommen vorgesehenen Mindestschutzes und nur begrenzter Ausnahmen von der Patentierbarkeit nach Art. 27 Abs. 2, 3 TRIPS dürfte die Zahl der schutzfreien Staaten bald stark abnehmen. 18 Allerdings dürfte eine Entwertung in dem Sinne, daß das Schutzrecht zum bloßen nudum ius wird, nur in Ausnahmefällen vorkommen. Eine Preisabsenkung im Schutzland unter die Rentabilitätsgrenze setzt nämlich eine sehr hohe Parallelimportquote voraus. 19 Es handelt sich um eine bloße Übergangsregelung, weil sich das Problem angesichts der begrenzten Schutzdauer von Patenten (nach Art. 33 TRIPS mindestens 20 Jahre ab Anmeldung, vgl. auch § 16 dt. PatG: 20 Jahre ab Anmeldung) und der Tatsache, daß das Inverkehrbringen der Erzeugnisse in der Regel erst einige Zeit nach der Patentanmeldung erfolgt, in absehbarer Zeit von selbst erledigt.

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Teil 11: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

Für das Markenrecht ist eine solche Ausnahmeregelung dagegen nicht anzuerkennen. Ein dem Patentrecht entsprechendes Problem stellt sich hier nicht. Wenn der Markeninhaber im Ausland sein Produkt unter seiner (dort nicht registrierten) Marke vertrieben hat, ergibt sich bei Zulassung von Parallelimporten genau dieselbe Situation, wie wenn die Marke auch im Exportstaat registriert gewesen wäre; das Zeichen auf dem importierten Produkt ist dasselbe, nämlich die Marke des Markeninhabers. Die Zulassung von Parallelimporten als solche verstößt aber nicht gegen Völkerrecht.

F. Entwicklungsländerproblematik Die Sorge um die Beteiligung der Entwicklungsländer am Wachstum des internationalen Handels hat sowohl im WTO- als auch im TRIPS-Abkommen an mehreren Stellen Ausdruck gefunden!. Wesentliches Anliegen ist dabei die Sicherung von Technologietransfer. Daher soll im folgenden kurz erörtert werden, welche Folgen die Zulassung von Parallelimporten im Hinblick auf dieses Ziel haben wird. Die Auswirkungen der Einführung des internationalen Erschöpfungsgrundsatzes auf Entwicklungsländer werden sehr uneinheitlich beurteilt2 • Insbesondere Vertreter der Industrie in entwickelten Ländern behaupten, daß Unternehmen, wenn sie Parallelimporte ihrer Erzeugnisse aus Entwicklungsländern mit niedrigerem Preisniveau zu befürchten hätten, den Export bzw. die Lizensierung und Herstellung ihrer Produkte in diesen Ländern vermindern oder sogar völlig einstellen würden, so daß letztendlich mit einer Unterversorgung von Entwicklungsländern zu rechnen sei. Die Zulassung von Parallelimporten werde dem Technologietransfer schaden3 . Außerdem seien Entwicklungsländer verwaltungstechnisch und juristisch nicht in der Lage, zuverlässig zwischen Parallelimporten und Piraterieprodukten zu unterscheiden, so daß sich auch Gefahren für die dortige Bevölkerung ergeben könnten4 • Andere bezweifeln solch schwerwiegende Folgen5 . 20 Letztlich hängt die Ausgestaltung einer solchen Übergangsregelung vom jeweiligen nationalen (Verfassungs-)Recht ab. Daher können im Rahmen dieser Arbeit keine detaillierteren Vorgaben gemacht werden. I Vgl. etwa 2. Egrd. der Präambel des WTO-Abkommens, 2. Egrd. der Präambel, Art. 7, 8 Abs. 2, 65 ff. TRIPS. 2 Allgemein zu den Auswirkungen des TRIPS-Abkommens auf Entwicklungsländer Abbott, in: Abbott/Gerber, Public Policy and Global Technological Development, S. 46ff., 52ff. 3 Quick, An industrial view on international exhaustion of intellectual property rights, S. 6; vgl. aber auch Chard/Mellor, World Economy 1989, 69, 81; Malueg/ Schwartz, J. Int. Econ. 1994, 167, 190; Straus, GRUR Int. 1996, 179, 195. 4 Zur Kritik bereits während der Verhandlungen der Uruguay-Runde Pac6n, in: BeierlSchricker, From GATT to TRIPs, S. 337.

F. Entwicklungsländerproblematik

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Empirische Studien über die wirtschaftlichen Auswirkungen der internationalen Erschöpfung auf Entwicklungsländer liegen bisher soweit ersichtlich nicht vor. Bestehende. Studien beschränken sich auf die Frage des Zusammenhangs zwischen dem Niveau des geistigen Eigentumsschutzes und Technologietransfer. Die Bedeutung des Schutzes geistiger Eigentumsrechte für Entwicklungsländer ist seit einiger Zeit und insbesondere nach Abschluß des TRIPS-Abkommens in der Literatur unter den verschieden· sten Blickwinkeln eingehend behandelt worden. Die Mehrzahl der Autoren geht davon aus, daß ein wirksames System des gewerblichen Rechtsschut· zes und des Urheberrechts zumindest langfristig einen positiven Einfluß auf die wirtschaftliche Entwicklung der Entwicklungsländer ausüben könnte 6 . Abgestellt wird hauptsächlich auf die vermehrte Bereitschaft zum Technologietransfer, wenn die Chancen angemessener Verwertung des eingebrachten Know-how im Gastland rechtlich abgesichert seien. Infolge dieses Technologietransfers sei zu erwarten, daß ein eigenständiger Innovationsprozeß in den Entwicklungsländern in Gang komme. Dem stehen allerdings Arbeiten gegenüber, die sich kritisch, wenn nicht gar ablehnend zu den Auswirkungen geistigen Eigentumsschutzes auf die Industrialisierung von Entwick1ungsländern äußern7 . Hauptargumente sind die Tatsache, daß die juristisch und faktisch wirksame Durchsetzung von Technologieschutz in den Entwicklungsländern in Form von Lizenzzahlungen einen Einkommenstransfer von Süd nach Nord zur Folge hätte, und daß durch die Konzentration der geistigen Eigentumsrechte in den Händen einiger multinationaler Unternehmen die erwünschte Diffusion von Wissen und industriellen Technologien behindert werde. Auch sei mit einem Preisanstieg in den Entwicklungsländern zu rechnen, weil diese dann nur noch von den Rechtsinhabern, nicht mehr von billigeren Nachahmern versorgt würden8 • Neuerdings wird zwiS Abbatt, First Report, HEL 1998, 607, 620f.; Verma, Exhaustion of Intellectual Property Rights and Free Trade - Artic1e 6 of the TRIPS Agreement, HC 1998, 534,562ff. 6 Hingewiesen sei nur auf Auer, Entwicklungsperspektiven des internationalen Technologietransfers im Rahmen des Abkommens über Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights, 1995; Beier, GRUR Int. 1979, 227; Beier/Kunz, GRUR Int. 1972, 385, 389 ff.; Fikentscher, GRUR Int. 1983, 497; Greif, GRUR Int. 1980, 451, 454ff.; Kalker, Should importation be Considered as Working?, S. 8ff.; KunzHallstein, GRUR Int. 1979, 369; ders., GRUR Int. 1975, 261; Rahn, GRUR Int. 1982,577,597; Schanz, Export, Lizenzvergabe oder Direktinvestition?, 1995. 7 Zu nennen sind insbesondere Branckers, CML Rev. 1994, 1245, 1248f., 1279; McGrath, EIPR 1996, 398; Oddi, Duke Law Journal 1987, 831; ders., Vand. 1. Int'1 Law; Pac6n, GRUR Int. 1995, 875; Verma, HC 1996, 331, 347ff.; aus rein ökonomischer Sicht Deardarff, Econornica 1992, 35 ff.; Prima Braga/Fink, International Transactions in Intellectual Property and Developing Countries, S. 8 m. w. N. 8 Vgl. insb. Studien zum indischen Arzneimittelmarkt, Nogues, 24 JWT 6, 1990, 81, 86ff., ders., The Developing Economies 1993, XXXI-I, 24ff.; Subramanian, 17 Freylag

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Teil 11: Zulässigkeit von Paralle1importen nach WTO-Recht

sehen diesen beiden Extremansichten die These vertreten, daß ein vernünftig ausgestaltetes und auf die nationalen Interessen der Entwicklungsländer abgestimmtes Regime geistiger Eigentumsrecht~ im Interesse der Bevölkerung von Entwicklungsländern liege und durch das TRIPS-Abkommen erheblich bessere Verwirklichungschancen habe als je zuvor9 • Diese Ansicht hat für sich, daß sie der Tatsache Rechnung trägt, daß die Industrieländer durch die Einbeziehung des Schutzes geistiger Eigentumsrechte in die WTO von den Entwicklungsländern Konzessionen erhalten haben, die durch Verhandlungen über eine Änderung der Pariser und Berner Verbandsübereinkünfte so niemals hätten erzielt werden können, und daß sie von einem verbesserten Schutz ihrer geistigen Eigentumsrechte in den Entwicklungsländern profitieren werden, daß aber andererseits dieser Schutz den Entwicklungsländern bei entsprechender Ausgestaltung im Rahmen der TRIPS-Vorgaben vermehrten Technologietransfer und infolge von Spillover-Effekten vermehrtes Wachstum sowie eine Umorientierung der eigenen Industrie von Imitation zu Innovation verspricht. Eine Prognose über die Auswirkungen der internationalen Erschöpfung könnte aus den allgemeinen wirtschaftlichen Studien über den Zusammenhang von Immaterialgüterrechtsschutz und Technologietransfer möglich sein. Diese Studien sind zur Beurteilung der Frage, ob die internationale Erschöpfung Entwicklungsländern abträglich ist, insofern von Bedeutung, als die Zulassung von Parallelimporten aus Entwicklungsländern die möglicherweise positive Wirkung des gewährleisteten Schutzes wieder relativiert. Empirische ökonomische Studien 10 über das Verhältnis von geistigem Eigentumsschutz und Technologietransfer lassen jedoch keine eindeutigen Schlußfolgerungen zu. Im Bereich ausländischer Direktinvestitionen, die das wohl wichtigste Medium des Transfers moderner Technologie in Entwicklungsländer darstellen 11, ergibt sich zwar überwiegend eine positive Relation zum SchutzInt. J. of Technology Management 1994, 1 ff.; Watal, 20 Warld Competition 1996, 5ff. 9 Heath, GRUR Int. 1996, 1169; Hilpert, GRUR Int. 1998,91; Schmidt-Diemitz, GRUR Int. 198 8, 287; United Nations, The TRIPS Agreement and Developing Countries, S. 18; ebenso für die MOES: Govaere, 25 JWT 5, 1991,57, 66ff. 10 Es gibt mittlerweile unzählige Studien zu dieser Frage. Namentlich seien hier daher nur die neueren erwähnt, etwa Ferrantino, Weltwirtschaftliches Archiv 1993, 300ff.; Mansfield, Intellectual property protection, foreign direct investment, and technology transfer, IFC-Discussion Paper No. 19, 1994; Primo Braga/Fink, International Transactions in Intellectual Property and Developing Countries, jeweils m.w.N. 11 WTO, Annual Report 1996, Vol. I, S. 56ff. m.w.N.; Erklärungen, warum Unternehmen Direktinvestitionen oft der bloßen Lizenzvergabe vorziehen, in WTO, Annual Report 1996, Val. I, S. 50f.

F. Entwicklungsländerproblematik

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niveau. Die Stärke dieses Zusammenhangs wird jedoch unterschiedlich beurteilt. Auch ist unklar, ob bzw. wie sehr der Immaterialgüterrechtsschutz neben den vielen anderen Aspekten (wie Marktgröße, Wachstumspotential, makroökonomische und politische Stabilität, Möglichkeit zur Gewinnruckführung, Steueranreize, bestehende Infrastruktur u. ä.) bei der Investitionsentscheidung ins Gewicht fallt. Der Einfluß des Schutzes geistiger Eigentumsrechte ist in hohem Maße abhängig von der Art der Investition und wird daher von Branche zu Branche unterschiedlich beurteilt. Während ein hohes Schutzniveau z. B. für Investitionen im Forschungs- und Entwicklungsbereich und damit insbesondere für die chemisch-pharmazeutische Industrie von großer Bedeutung ist, ist er für Investitionen in Grundverarbeitung, Montageeinrichtungen und insbesondere in Verkaufs- und Vertriebs stellen von eher untergeordneter Bedeutung l2 . Die Auswirkungen verstärkten Immaterialgüterrechtsschutzes auf die

Lizensierung von Technologie werden eher positiv beurteilt J3 • Ein solcher

Technologietransfer wird wieder besonders von der chemisch-pharmazeutischen Industrie in Länder mit niedrigem Schutzniveau abgelehnt l4 • Auch ergeben sich Hinweise darauf, daß die Technologie, die in Niedrigschutzländer transferiert wird, in der Regel älter ist als diejenige, die in Länder mit hohem Schutzniveau geliefert wird l5 . Nachteilig für die Entwicklungsländer könnten sich dagegen mögliche Wettbewerbsbeschränkungen infolge strenger Lizenzverträge auswirken 16. Außerdem führt vennehrte Lizensierung zunächst zum Transfer von Lizenzgebühren aus den Entwicklungsländern in die Industriestaaten, wo die meisten Immaterialgüterrechtsinhaber ihren Sitz haben. Jedoch wird erwartet, daß diese Finnen in die Erforschung und Entwicklung neuer bzw. verbesserter Produkte investieren. Dieser Fortschritt könnte dann wiederum auch den Entwicklungsländern zugute kommen 17. Diese Prognose ist allerdings mit einem hohen Unsicherheitsfaktor behaftet. Denn diese "Rückkoppelungswirkung" hängt einerseits davon ab, daß die Finnen mit den Lizenzeinnahmen aus den Entwicklungsländern überhaupt Forschung betreiben, und andererseits davon, ob diese Forschung Erzeugnisse betrifft, an denen Entwicklungsländer ein Interesse haben. 12 Mansfield. Intellectual property protection, foreign direct investment, and technology transfer, S. 1 f. und Tab. 1 (S. 3). 13 Primo Braga/Fink. International Transactions in Intellectual Property and Developing Countries, S. 17. 14 Mansfield. a.a.O., S. 11 f., 19f.; teilweise wird der Technologietransfer aber sogar in Länder mit ausgeprägtem Schutz verweigert. IS Mansfield. a.a.O .• S. 18,20; WTO. Annual Report 1996, Vol. I, S. 57. 16 Primo Braga/Fink. International Transactions in Intellectual Property and Developing Countries. S. 17. 17 Primo Braga/Fink. International Transactions in Intellectual Property and Developing Countries, S. 17.

17·

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Teil 11: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

Zusammenfassend ist festzustellen, daß zwar ein gewisser Zusammenhang zwischen dem Niveau des geistigen Eigentumsschutzes und ausländischen Direktinvestitionen sowie Technologietransfer in dieses Land besteht, daß aber dieser Zusammenhang von Branche zu Branche sehr unterschiedlich ist und nur im High-Tech-Bereich eine eindeutige Abneigung gegen den Transfer in Niedrigschutzländer besteht. Aus dem Zahlenmaterial von WTO und IFC läßt sich entnehmen, daß seit Ende der 80er Jahre der Umfang von Direktinvestitionen allgemein enorm gestiegen ist 18 , was angesichts der in Entwicklungsländern noch nicht erfolgten Umsetzung des TRIPS-Abkommens - nicht an einem mittlerweile verbesserten Schutz des geistigen Eigentums liegen kann. Als Hauptgründe für diesen Anstieg gelten Strukturanpassungsprogramme in den Entwicklungsländern mit dem Ziel, ihre Wirtschaft wieder auf Privatwirtschaft, internationalen Handel und Wettbewerb auszurichten, indem Zölle und andere Handelshemmnisse beseitigt, die Währungskonvertibilität hergestellt und eine Deregulierung ausländischer Direktinvestitionen vorgenommen wurden 19. Wenn Investitionen aber in der bloßen Erwartung von Verbesserungen des Schutzes getätigt werden, ohne daß derzeit ein solcher Schutz bereits gewährleistet wäre, erscheint die Behauptung, daß bei Einführung des internationalen Erschöpfungsgrundsatzes Investitionen und Technologietransfer aus Angst vor billigen Parallelimporten ganz eingestellt würden und eine Wohlstandsminderung in den Entwicklungsländern zur Folge hätten, als nicht sehr realistisch. In weiten Bereichen kommen Parallelimporte schon deshalb nicht in Betracht, weil noch keine weltweit einheitlichen technischen Standards bestehen. Parallel importe wären im Importland unbrauchbar (wie z. B. Elektrogeräte, die nur bei bestimmter Stromspannung betrieben werden können) oder nicht vertriebsfähig (z. B. Autos, die den Sicherheitsstandards nicht entsprechen). Denkbar ist ein Marktrückzug allenfalls in forschungsintensiven Branchen wie dem chemisch-pharmazeutischen Bereich, wo allerdings aufgrund der im TRIPS-Abkommen vorgesehenen Möglichkeit zur Erteilung von Zwangslizenzen20 keine drastische Unterversorgung der Bevölkerung zu befürchten ist. Ein Interesse der Entwicklungsländer an der Zulassung von Parallelimporten besteht darin, für die von lokalen Unternehmen (insbesondere in Lizenz) produzierten Erzeugnisse einen möglichst großen Absatzmarkt zu 18 WTO. Annual Report 1996. Vol. I, S. 3ff., 13ff., 44ff.; Annual Report 1997. Vol. I, S. U., lOff.; IFC. Foreign Direct Investment, S. 10, Fig. 2.1., S. 95ff. 19 IFC. Foreign Direct Investment, S. 12f.; WTO. Annual Report 1997, Vol. I, S.24. 20 Nach Art. 31 TRIPS sind Zwangslizenzen für Patente unter besonderen Voraussetzungen (EinzelfallprUfung, Versuch der Einigung mit dem Rechtsinhaber bzw. äußerste Dringlichkeit, Binnenmarktversorgung ... ) und gegen eine angemessene Vergütung zulässig.

F. Entwicklungsländerproblematik

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haben und für immaterialgüterrechtlich geschützte Produkte den möglichst geringsten Preis auf dem Weltmarkt zu bezahlen. Hierbei ist allerdings zu bedenken, daß der Anreiz zu Parallelimporten in Entwicklungsländer mit einem in der Regel niedrigen Preisniveau nicht sehr groß sein dürfte 21 • Außerdem darf nicht übersehen werden, daß mit der Zulassung von Parallelimporten gleichzeitig die Gefahr erhöht wird, daß Ware von mangelhafter Qualität oder mit unzureichenden bzw. fremdsprachigen Bedienungsanleitungen etc. eingeführt wird, die dem Verbraucher mehr schaden als nützen, so daß dem Preisvorteil gleichwertige, wenn nicht sogar schwerwiegendere Nachteile gegenüberstehen. Verhindert werden können solche Importe nur durch ein wirksames System zur Verhinderung unlauteren Wettbewerbs, über das Entwicklungsländer bis jetzt nur selten verfügen, dessen Einführung dann aber von vitalem Interesse wäre. Aufgrund der Zulassung von Paralleleinfuhren lassen sich darüber hinaus möglicherweise Marktverzerrungen zwischen multinationalen und einheimischen Unternehmen abschwächen. Uneingeschränkte Nachteile haben Parallelimporte nämlich lediglich für multinationale Unternehmen, die im Bestreben der Gewinnmaximierung versuchen, die Vorteile eines einheitlichen Weltmarktes mit den Vorteilen der aufgrund entsprechenden Einsatzes geistiger Eigentumsrechte möglichen Marktsegmentierung zu verbinden. Daß den sich aus der globalen Präsenz ergebenden Vergünstigungen nicht auch die entsprechenden Risiken oder sogar Nachteile gegenüberstehen sollen, ist aber weder wirtschaftlich noch rechtlich (unter dem Aspekt des venire contra factum proprium bzw. cuius commoda eius et incommoda) einzusehen. Aufgrund besserer Kenntnis des nationalen Marktes dürften im wesentlichen nationale Unternehmen in den Entwicklungsländern sich im Parallelhandel betätigen, außerdem würden die einheimischen Unternehmen durch die Alternative des Erwerbs parallel importierter Fabrikationsteile, Maschinen o. ä. in zunehmendem Maße von den multinationalen Unternehmen unabhängig. Die internationale Erschöpfung könnte also zur Verminderung der MonopolsteIlung multinationaler Unternehmen in den Entwicklungsländern beitragen. Im Ergebnis ist festzuhalten, daß sich die Auswirkungen der Zulassung von Parallelimporten auf Entwicklungsländer derzeit nicht sicher feststellen lassen. Tendenziell überwiegen aber die Vorteile der internationalen Erschöpfung gegenüber den zu erwartenden Nachteilen. Viele Entwicklungs- und Schwellenländer sehen daher den Grundsatz der internationalen Erschöpfung vor oder sind im Rahmen der Umsetzung des TRIPS-Abkommens noch dabei, diesen einzuführen22 .

21

Darauf verweist zutreffend Bronckers, CML Rev. 1994, 1245, 1269.

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Teil 11: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

G. Übertragbarkeit der Grundsätze des EG-Rechts auf die WTO I. Allgemeine Betrachtung Die Erschöpfungslehre ist ein notwendiges Korrelat zur Ubiquität geistiger Eigentumsrechte. Im Interesse des Allgemeinwohls und der Rechtssicherheit müssen diese Rechte an einem gewissen Punkt ihre Grenzen finden. Das Konzept der nationalen bzw. regionalen Erschöpfung beruht auf der Vorstellung, daß geistige Eigentumsrechte auf das Territorium des rechtssetzenden Staates beschränkt und außerhalb dieses Territoriums erzeugte Fakten irrelevant seien. Das ist aber keine zwingende Interpretation des Territorialitätsprinzips, keine zwingende Einschränkung des Geltungsbereichs staatlichen HandeIns. Daß das Recht eines Staates auch außerhalb seines Territoriums eingetretene Vorfälle und Tatsachen berücksichtigen kann, verdeutlichen beispielsweise das Wettbewerbsrecht und das Strafrecht. Gerade der Fall des Wettbewerbsrechts mit seinen extraterritorialen Wirkungen ist ein gutes Beispiel dafür, daß in einer Welt mit zunehmenden internationalen Handelsverknüpfungen eine traditionelle Auffassung von strikter Territorialität den sich stellenden Problemen nicht mehr Herr wird. Im Bereich des Wirtschaftsrechts - und dazu zählen sowohl das Wettbewerbs- als auch das Immaterialgüterrecht - muß dieser Internationalisierung des Handels Rechnung getragen werden, indem modernere Auffassungen von Territorialität staatlicher Gesetze vertreten werden. Die nationale bzw. regionale Erschöpfungsdoktrin verliert hier zunehmend ihre Berechtigung l . Gerade bei Rechtsproblemen, die so eng mit dem internationalen Handel verknüpft sind wie die Frage der Behandlung von Parallelimporten sind die Konzepte der nationalen bzw. regionalen Erschöpfung überholt. Es wäre stimmiger anzunehmen, daß sich geistige Eigentumsrechte erschöpfen, sobald das Recht zum ersten Inverkehrbringen vom Rechtsinhaber bzw. mit seiner Zustimmung einmal ausgeschöpft wurde, so daß sie dann nicht länger zur Behinderung des Vertriebs dieser Originalware des Rechtsinhabers vorgeschoben werden können. Natürlich gibt es Situationen, namentlich im Falle staatlicher Preisreglementierung, in denen Parallelimporte zu schweren, nicht durch den Markt ausgelösten Weubewerbsverzerrungen führen können und daher nicht nur 22 Vgl. für die Under Lateinamerikas Correa. GRUR Int. 1994, 799; Hassemer. GRUR Int. 1999, 322, 325; Pac6n, GRUR Int. 1994, 888; Rangel-Ortiz. IIC 1996, 771, 787; Indonesien, Managing IP 1997, 53, Issue 70; Südafrika, EIPR 1997, D-129; allgemein Venna. IIC 1998,534,562 m. W.N. 1 Zutreffend Cottier, Implications of WTO Law for the Exhaustion Issue and Parallel Imports, S. 7; ders., The WTO System and Exhaustion of Rights. S. 5.

G. Übertragbarkeit der Grundsätze des EG-Rechts auf die WTO

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dem Interesse der Rechtsinhaber, sondern auch dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufen. Die strikte Beharrung auf der Erschöpfung der Rechte erschiene in solchen Fällen unverhältnismäßig. Durch die Zulassung von Ausnahmen vom Grundsatz der internationalen Erschöpfung kann aber solchen Problemen Rechnung getragen werden.

Cottie? schlägt vor, ein für jeden Markt maßgeschneidertes Konzept der Erschöpfung geistiger Eigentumsrechte auf der Grundlage des Art. XX lit. d) GATI 94 zu erarbeiten. Nach dieser Vorschrift sind Handelsbeschränkungen gerechtfertigt, soweit sie "zur Anwendung von Gesetzen oder sonstigen Vorschriften erforderlich sind, welche nicht gegen dieses Abkommen verstoßen". Soweit also nachgewiesen werden könne, daß der freie Parallelimport Marktstrukturen, die dem öffentlichen Interesse zu dienen bestimmt seien und im Einklang mit dem GATI 94 stünden, unterminiere, könnten Importbeschränkungen gerechtfertigt werden. Wie beispielsweise in dem sehr interventionistisch ausgestalteten Bereich der Agrarpolitik müßten dann auch im Bereich des geistigen Eigentums Beschränkungen möglich sein. Ein jeweils maßgeschneidertes Konzept hätte fraglos den Vorteil, daß in dem konkreten Markt ein optimaler Ausgleich zwischen den Bedürfnissen von Öffentlichkeit und Rechtsinhabern gefunden werden könnte. Andererseits ist zu bedenken, daß zu viele unterschiedliche Erschöpfungskonzepte ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit mit sich brächten, so daß der Handel mit Parallelimportwaren aufgrund dessen wiederum behindert würde. Eine reine Fall-zu-Fall-Lösung ist daher nicht wünschenswert. Wer sollte auch verbindlich über die Einzelfälle entscheiden? Der WTO-Streitbeilegungsmechanismus scheint dafür zu schwerfällig. Insbesondere wäre dessen Anwendbarkeit aufgrund Art. 6 TRIPS fraglich. Vielmehr sind - unter Berücksichtigung der Wertungen von GATI und TRIPS und dem im internationalen Handel sehr wichtigen Rechtssicherheitsaspekt - standardisierte Ausnahmefälle zu erarbeiten. Dadurch könnte sowohl dem Interesse des Handels an Rechtssicherheit als auch den Interessen von Rechtsinhabern und dem öffentlichen Interesse möglichst weitgehend Rechnung getragen werden. Im folgenden wird daher untersucht, inwieweit die in der EG geltenden Grundsätze auf den internationalen Handel Anwendung finden könnten. Im Grundsatz ergäbe sich daraus sowohl für das Patent- als auch für das Markenrecht die internationale Erschöpfung. Ganz allgemeine Einwände gegen eine solche Übertragung, die sich darauf stützen, daß erhebliche Unterschiede zwischen Zielen und Integra2 Cottier, Implications of WTO Law for the Exhaustion Issue and Parallel Imports, S. 7f.; ders., The WTO System and Exhaustion of Rights, S. 5f.; vgl. bereits Cottier/Stucki, Parallelimporte im Patent-, Urheber- und Muster- und Modellrecht aus europarechtlicher und völkerrechtlicher Sicht, S. 54 ff.

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Teil 11: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

tionsmethoden des EGV und der WTO bestünden, und daß auch die weltweiten Unterschiede im Grad des Immaterialgüterrechtsschutzes und des tatsächlichen wirtschaftlichen Entwicklungsstandes gegen die internationale Erschöpfung sprächen, können in dieser Allgemeinheit nicht durchgreifen. Natürlich besteht kein Zweifel daran, daß mit der WTO nicht das Ziel der Schaffung eines Binnenmarktes und schon gar nicht eine Wirtschafts- und Währungsunion angestrebt wird. Auch verfügt die WTO nicht über eine der EU entsprechende Rechtsangleichungskompetenz und Organe, denen die Verhinderung von Weubewerbsverzerrungen aufgrund national unterschiedlicher Regelungen obliegt. Die WTO ist eben keine supranationale Organisation wie die EU. Ziel der WTO ist aber der Abbau von Hemmnissen für den internationalen Handel mit Waren und Dienstleistungen, eine Öffnung der Märkte für internationalen Wettbewerb und damit die Förderung weltweiter Produktivität und Wohlfahrt3 • Unterschieden im Entwicklungsstand der WTO-Mitgliedstaaten wird durch ein Präferenzsystem Rechnung getragen. Darüber hinaus soll aber ein möglichst ungehinderter weltweiter Wettbewerb ermöglicht werden. Dazu dienen insbesondere Vorschriften zur Herstellung des freien Warenverkehrs wie Art. XI und XX GATT 94, die im wesentlichen dieselbe Funktion erfüllen wie die Art. 28, 30 (30, 36) EGV. Durch das TRIPS-Abkommen wird gewährleistet, daß der Schutz von Immaterialgüterrechten weltweit auf hohem Niveau angeglichen wird. Mit der Implementierung dieses Abkommens werden Handelsverzerrungen, die sich aus den Unterschieden der nationalen Rechtsordnungen ergeben, daher weitgehend abgebaut werden. Daß die allseitige Anerkennung der internationalen Erschöpfung aber nicht von der Verfassung des Weltmarktes als Binnenmarkt abhängen kann, verdeutlicht die Entwicklung des gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfungsgrundsatzes durch den EuGH4 • Diese erfolgte zwar im Zeichen der geplanten Binnenmarktbildung, allerdings lange Zeit vor der Rechtsangleichung im Bereich des Immaterialgüterrechtsschutzes. Geht die Rechtsangleichung im Hinblick auf die Sicherung fairen Welthandels im Bereich der WTO nun aber voran, so sollte das allein schon als Begründung für die Anwendbarkeit der internationalen Erschöpfung genügen, denn diese Rechtsangleichung verbürgt ja, daß, wo immer der Schutzrechtsinhaber erste Verwertungshandlungen vornimmt, er dies im Schutz eines etwa gleichwertigen Ausschließlichkeitsrechts tun kann. Außerdem ergab die Untersuchung der Grundlagen des gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfungsgrundsatzes, daß dieser auf dem Prinzip des freien Warenverkehrs (als Teilaspekt des Binnenmarktes) beruht5 , Nur 3 Vgl. die Präambel des Abkommens zur Errichtung der Welthandelsoraganisation WTO, abgedr. in Hummer/Weiß, Vom GATT '47 zur WTO '94, S. 315ff. 4 Dazu oben Teil I, A. S Siehe oben allgemein Teil I, A., B. und insbesondere Teil I, C. 11. 2.

G. Übertragbarkeit der Grundsätze des EG-Rechts auf die WTO

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wenige Entscheidungen des EuGH tragen dem darüber hinausgehenden Binnenmarktziel Rechnung. Eine Übertragung der EG-Grundsätze scheidet daher nicht von vornherein aus. Jedoch muß gewährleistet werden, daß auch im internationalen Handel die Funktionen der gewerblichen Schutzrechte bzw. in der Sprache des EuGH der "spezifische Gegenstand des Schutzrechts" gewährleistet bleiben. Unter Umständen kann daher eine andere Abwägung zwischen den Interessen der Rechtsinhaber und denen der Allgemeinheit geboten sein. 11. Patentrecht 1. Grundsätzliche Anwendbarkeit der internationalen Erschöpfung

Bei Anwendung des Grundsatzes der internationalen Erschöpfung wäre mit dem ersten Inverkehrbringen des patentierten Erzeugnisses in irgendeinem Land durch den Rechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung das Recht zur Kontrolle des weiteren Vertriebs dieses Erzeugnisses erschöpft. Der Patentinhaber könnte Parallelimporte dieser Erzeugnisse weltweit nicht mehr verhindern. a) Neuere Gerichtsentscheidungen

Diese Ansicht hat das Obergericht Tokyo unter Aufgabe des bis dahin in Japan geltenden nationalen Erschöpfilngsgrundsatzes in einer aufsehenerregenden Entscheidung vom 23.3.1995 vertreten6 . Im Ergebnis wurde diese Entscheidung durch den Japanischen Obersten Gerichtshof bestätigt7 . Den Entscheidungen lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die deusehe BBS Kraftfahrzeugtechnik AG (im folgenden: BBS) besaß sowohl in 6 Urteil des Obergerichts Tokyo v. 23.3.1995, GRUR Int. 1995,417 - KraftfahrzeugfeIgen 11 (BBS 11), durch das die gegenteilige Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts (a.a.O. S. 419) aufgehoben wurde. Ausführliche Darstellung der weltweiten Reaktionen auf die Urteile bei Hughes, IP Worldwide Nov.!Dec. 1997, http://www.ipww.com/nov97/p5japan.htm. S. 2f.; zur Entscheidung des Obergerichts Tokyo vgl. Durney, IP Worldwide Mar.! Apr. 1996, p. 18; ders., Patents & Licensing, Aug. 1995, p. 31ff.; Heath, RIW 1997,541,546 m.w.N. in Fn. 35.; Yamamoto, EIPR 1995,341. 7 Urteil des Japanischen Obersten Gerichtshofs v. 1. 7.1997, GRUR Int. 1998, 168 - Kraftfahrzeugfelgen III (BBS III). Ähnlich strikt ist das Vorgehen der Japan Fair Trade Commission FTC (Antimonopolkommission) gegen die Verhinderung von Außenseiter-Parallelimporten durch Angehörige von Vertriebssystemen, selbst wenn der Alleinvertriebsberechtigte keine beherrschende Stellung auf dem japanischen Markt innehat, siehe dazu die Darstellung zweier Entscheidungen der FTC von 1996 bei Sako, Unreasonable Restrictions on Parallel Imports Prohibited, http://www.faegre.com/areas/area_ib9.htm.

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Teil 11: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

Deutschland als auch in Japan ein Patent für Aluminium-Kraftfahrzeugfelgen. Sie produzierte und vertrieb diese Felgen in Deutschland. Hier kaufte die japanische Firma Kabishiki Kaisha Jap Auto Produkts (im folgenden: Jap) diese patentierten Felgen und verkaufte sie in Japan ohne eindeutige Zustimmung von BBS weiter. Daraufhin strengte BBS aufgrund ihres japanischen Parallelpatents eine Patentverletzungsklage gegen Jap an, um den Weiterverkauf der Felgen in Japan zu unterbinden. Das erstinstanzliche Gericht gab dieser Klage statt. Vom Obergericht Tokyo wurde das Urteil aber aufgehoben. Zur Begründung der patentrechtlichen Erschöpfung im Inland führte das Obergericht an, daß der Patentinhaber dadurch, daß er die Preise für seine Waren beim ersten Inverkehrbringen festlegen könne, für die Offenlegung der Erfindung hinreichend entschädigt werde. Insoweit genieße er rechtlichen Schutz, und hierdurch werde ein Ausgleich der Interessen des Patentinhabers mit jenen der Allgemeinheit an der wirtschaftlichen Entwicklung erreicht, der beiden Rechnung trage. Andernfalls wäre die Sicherheit des Handels beeinträchtigt, der Warenfluß der patentierten Fabrikate behindert und damit der wirtschaftlichen Entwicklung großer Schaden zugefügt. Das Gericht bejahte aber darüber hinaus die internationale Erschöpfung, weil die Möglichkeit des Patentinhabers, eine Entschädigung für die Offenlegung der Erfindung zu erhalten, auf ein Mal beschränkt sei. Soweit man diesen Punkt als einen wesentlichen Aspekt der inländischen Erschöpfungslehre in Übereinstimmung mit der wirtschaftlichen Entwicklung betrachte, mache es keinen sonderlichen Unterschied, ob das Inverkehrbringen im Inoder im Ausland stattfinde. Denn nur allein dadurch, daß Landesgrenzen überschritten würden, ließen sich keine vernünftigen Gründe dafür ausmachen, daß erneut Gelegenheit zur wirtschaftlichen Sicherung für die Offenlegung der Erfindung erteilt werden müßte 8 . Auch im Markenrecht sei die Zulässigkeit von Parallelimporten in Japan anerkannt. In dem Fall, daß die Gesamtheit oder ein Teil der Markenwaren Schutzgegenstand eines Patentes sei, führe die Ablehnung der internationalen Erschöpfung im Patentrecht dazu, daß faktisch der Parallelimport von Markenwaren verboten würde. Natürlich besäßen Patent- und Warenzeichenrecht nicht dieselbe Funktion, aber unter dem Aspekt der Harmonisierung im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes, dem Schutz des öffentlichen Interesses sowie insbesondere der wirtschaftlichen Entwicklung durch die. Sicherung des freien Warenverkehrs auf den Weltmärkten bestünden keine GrUnde dafür, den Parallelimport von Markenwaren zuzulassen, während der Parallelimport patentierter Fabrikate verboten werde 9 . 8

9

GRUR Int. 1995,417,418. GRUR Int. 1995,417,418.

G. Übertragbarkeit der Grundsätze des EG-Rechts auf die WTO

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Der Oberste Gerichtshof bestätigte die Entscheidung des Obergerichts Tokyo im Ergebnis, begründete dieses allerdings unter Rückgriff auf die implied licence-Doktrin lO • Auch wenn der wirtschaftliche Erwerbsvorgang im Ausland liege, sollte der Erwerber im Regelfalle nicht nur die Sache an sich, sondern auch die hiermit verbundenen Rechte erwerben. Um die Bedingungen für den internationalen Handel zu schaffen, werde daher vermutet, daß der Patentinhaber bei Übertragung des Eigentums an den patentierten Waren dem Erwerbenden und allen Rechtsnachfolgern auch das Recht eingeräumt habe, weitere wirtschaftlich relevante Vorgänge mit Dritten, darunter auch die Einfuhr nach Japan sowie den dortigen Gebrauch und Verkauf der Ware, vorzunehmen. Diese Folge könne nur verhindert werden, indem der Patentinhaber die Absicht der territorialen Beschränkung zum Zeitpunkt der Übertragung auf den Erwerbenden deutlich mache und im Interesse aller nachfolgenden Erwerber auch auf dem Produkt kennzeichne. Im Hinblick darauf, daß dem Erwerbenden im Zweifel ein ungehindertes Recht am weiteren Vertrieb zustehe, komme es nicht darauf an, ob im Land des ersten Inverkehrbringens ein Parallelpatent bestanden habe oder nicht. In Großbritannien, wo ebenfalls die implied licence-Theorie angewandt wird, wurden in der Entscheidung des englischen Patents Court Roussel Uela!.1. Hockley International Ltd. vom 9.10.1995 so hohe Anforderungen an die Kenntlichmachung der Vertriebsbeschränkung gestellt - verlangt wurde der Nachweis, daß die ausdrückliche Vertriebsbeschränkung jeder Person in der Vertriebskette zur Kenntnis gebracht wurde -, daß damit faktisch der Grundsatz der internationalen Erschöpfung eingeführt wurdelI. Für die Schweiz hat das Handelsgericht Zürich mit Urteil vom 23.11. 1998 entschieden, daß im Patentrecht - wie im Marken- und Urheberrecht l2 - die internationale Erschöpfung gelte l3 . Dem Wortlaut des schweizerischen Patentgesetzes sei bezüglich der Erschöpfungsfrage nichts zu entnehmen. In systematischer Hinsicht ergebe sich weder aus dem Territorialitätsprinzip noch aus Art. 4bis PVÜ eine Beschränkung auf die nationale Erschöpfung. Funktionsunterschiede im Verhältnis zum Marken- und 10 GRUR Int. 1998, 168ff.; vgl. auch Hughes, Japan's Supreme Court Affirms Lega1ity of Most Parallel Imports, IP Worldwide Nov./Dec. 1997, http:// www.ipww.com/nov97/p5japan.htm.S.3f.;Mager.GRUR1999.637.642f.Kritisch gegenüber dem Umkehrschluß, daß bei ausdrücklicher Vertriebsbeschränkung auf dem Erzeugnis die Verhinderung von Parallelimporten zulässig sei, Homma, TRIPS and After - A Realist's View, S. 4. 11 (1996) 14 R.P.c. 441, insb. 443ff.; dazu Wilkinson, EIPR 1997,319. 12 Vgl. dazu die Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts, BGE 122 III 469 = GRUR Int. 1998,520 - Chanel und BGE 124 III 321 = GRUR Int. 1999, 362 - Nintendo. 13 GRUR Int. 1999,555 - Kodak.

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Teil II: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

Urheberrecht seien nicht so schwerwiegend, daß dadurch eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt sei. Vielmehr sei eine einheitliche Behandlung der Frage der Erschöpfung im gesamten Immaterialgüterrecht von wesentlicher Bedeutung, damit nicht die für markenrechtlich und urheberrechtlich geschützte Waren gewährleistete Wirtschaftsfreiheit durch die patentrechtliche Beschränkung zunichte gemacht werde. Zu Sinn und Zweck des Patentrechts führt das Gericht aus, die erste Inverkehrsetzung gebe dem Patentinhaber die Möglichkeit, die ihm zustehende Gewinnmöglichkeit zu realisieren. Ließe man ihm darüber hinaus den weiteren Vertrieb verbieten oder dirigieren, würde dies den Wirtschaftverkehr in unerträglicher Weise behindern. Mit der Entscheidung für die nationale Erschöpfung wären nämlich nicht nur Parallelimporte verboten, sondern jeder gewerbsmäßige Gebrauch der geschützten Ware. Ausländische Geschäftsleute wären daher ab Grenzübertritt an der Benutzung all ihrer patentierten Gerätschaften gehindert. Und schließlich bestehe auch kein öffentliches Interesse an der Unterbindung von Parallelimporten, da sich die Koexistenz von Vertragshändlern und Parallelwiederverkäufern als diejenige Lösung erwiesen habe, die die bestmöglichen Resultate gewährleiste, die von einem freien Wettbewerb zum Nutzen der Mitbewerber, der Abnehmer und der Allgemeinheit erwartet werden könnten l4 .

b) Kritik in der Literatur Gegen die Ansicht, daß eine einzige Verwertungsmöglichkeit im internationalen Bereich ausreiche, und damit gegen die internationale Erschöpfung im Patentrecht wird hauptsächlich eingewandt, das Patentrecht sei "verwertungsgerichtet" und solle dem Rechtsinhaber die bestmögliche wirtschaftliche Verwertung seiner Erfindung in einem bestimmten Schutzrechtsterritorium gewährleisten 15. Der Patentinhaber erhalte aufgrund der ausländischen Anmeldung und der damit verbundenen Kosten das Recht zur Doppelverwertung l6 . Darüber hinaus wird wiederum auf die rechtlichen und tatsächlichen Unterschiede in dem durch die einzelnen Länder gewährten Patentschutz hingewiesen, um das Fehlen einer angemessenen Belohnung und die Unzulässigkeit der internationalen Erschöpfung zu begründen. Der Patentinhaber könne nicht bei einem Inverkehrbringen in einem Land durch entsprechende Preiskalkulationen die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse in allen anderen Ländern berücksichtigen, für die er Parallelpatente erworben habe 17. Und schließlich wird vorgebracht, daß sich der Par14 Vgl. dazu bereits das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts, BGE 122 III 469, E.lO.b - Chanel. IS Beier, GRUR Int. 1989,603,614. 16 Beier, GRUR Int. 1996, 1,7; Reimer, GRUR Int. 1972,221, 228f.

G. Übertragbarkeit der Grundsätze des EG-Rechts auf die WTO

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allelimporteur auf Kosten des inländischen Rechtsinhabers oder Lizenznehmers bereichere, da er keine Werbeaufwendungen zu tätigen habe und daher die Produkte zu niedrigeren Preisen verkaufen könne lS • c) Stellungnahme

Das letzte Argument kann schon deshalb nicht durchgreifen, weil dieser sog. "Free-Rider"-Effekt rechtlich nicht zu beanstanden ist. Durch die Werbeaufwendungen wird nur ein erhöhter Absatz des beworbenen Produktes bezweckt. Genau dieses Ziel wird aber auch dann erreicht, wenn die Produkte vom Parallelimporteur verkauft werden. Solange es keinen rechtlichen Schutz für Vertriebssysteme gibt, kann daher gegen den Verkauf durch Parallelimporteure, die Außenseiter sind, nicht vorgegangen werden 19. Die übrigen Argumente beruhen im Kern auf der Annahme, die dem Patentinhaber durch das Patent gewährleistete "Belohnung" könne durch das Inverkehrbringen im Ausland nicht realisiert werden. Will man nicht auf die konkrete Gewinnrealisierung im Einzelfall eingehen, müßte abstrakt durch die Anmeldung von Parallelpatenten das Recht zur Doppelverwertung garantiert sein. Ein Vergleich der Gebühren für Patentanmeldungen in europäischen Ländern mit denen in Drittländern läßt aber Zweifel an dieser These aufkommen20 • Die Kosten in den verschiedenen EG-Mitgliedstaaten sind weitaus höher als beispielsweise in den USA oder Japan, obwohl gerade im Binnenmarkt die Zulässigkeit von Parallelimporten anerkannt ist. Die Kosten der ausländischen Anmeldung rechtfertigen sich vielmehr daraus, daß Dritte so an der Verwertung der Erfindung gehindert werden 2l . Dieser Zweck wird aber durch die Zulassung von Parallelimporten nicht vereitelt. Ein Abstellen auf die konkrete Belohnung des Schutzrechtsinhabers dagegen bedeutete, daß im Einzelfall (in aller Regel durch den Richter im Verletzungsprozeß) festgestellt werden müßte, ob diese Belohnung realisiert wurde oder nicht. Zu einer solchen Beurteilung fehlen aber zuverlässige rechtliche Bewertungsmaßstäbe. Wäre zu unterscheiden zwischen for11 Beier, GRUR Int. 1996, 1, 7; Reimer, GRUR Int. 1972, 221, 229; Yamamoto, EIPR 1997,341,344. 18 Yamamoto, EIPR 1997, 341, 344. 19 Vgl. dazu bereits oben Teil I, D. I. 6. B) zum Markenrecht. Patentrechtlich ergibt sich hier kein Unterschied, zumal dem Patentrecht keine Werbefunktion zukommt. 20 EPO, Cost of Patenting in Europe, HC 1995,650. 21 Zutreffend Koppensteiner, AWD 1971, 357, 364; Heath, RIW 1997, 541, 546. Vgl. auch Handelsgericht Zürich, Urt. v. 23.11.1998, Kodak, GRUR Int. 1999, 555, 559.

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Teil II: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

schungsintensiven Bereichen und reinen "Zufallserfindungen"? Müßte unterschieden werden zwischen dem Inverkehrbringen in einem Entwicklungsland und dem in den USA oder Japan? Leicht bestünde die Möglichkeit, sich Gedanken zu machen, welche Höhe der Belohnung nach den rechts- und wirtschaftspolitischen Zielen des Gesetzgebers dem Rechtsinhaber zugestanden werden sollte. Die Entscheidung über die Verletzung des AusschlieBlichkeitsrechts des Patentinhabers würde dann davon abhängen, ob die rechts- und wirtschaftspolitischen Motive des Gesetzgebers im konkreten Einzelfall erfüllt wären oder nicht. DaB eine solche Beurteilung nicht den Anforderungen der modemen Wirtschaft an Rechtssicherheit genügt, liegt auf der Hand. Die "Verteilungsneutralität,,22 des gewerblichen Rechtsschutzes, dessen Ziel es ist, Investitionstätigkeit neutral und unparteilich, also unabhängig vom Rechtsinhaber allein aufgrund der Marktverhältnisse zu fördern, würde zur wirtschaftspolitischen Intervention verfälscht, wenn der Patentschutz nur nach Maßgabe der Kosten-Amortisationsbedürfnisse der Erfinder oder der Erfindung in Anspruch genommen werden dürfte 23 . Belohnung und Anreiz für den Patentinhaber werden durch das Ausschließlichkeitsrecht als solches bewirkt, das ihm die Möglichkeit gibt zu entscheiden, ab welchem Zeitpunkt, durch wen und zu welchen Bedingungen sein patentiertes Erzeugnis auf den Markt kommt. Auch bei Zulassung von Parallelimporten bleibt diese Entscheidungsbefugnis beim Patentinhaber. Die Chance, daraus Gewinn zu ziehen, muB er aber selbst nutzen. Weitere staatliche Hilfe in Form der Gewährung eines Vertriebsmonopols ist nicht gerechtfertigt24 . Die Prämisse des Züricher Handelsgerichts, daß von den wirtschaftlich verheerenden Folgen einer nationalen Erschöpfung des Gebrauchsrechts auf die entsprechende Handhabung des Verkaufsrechts geschlossen werden müßte, könnte hier ein zusätziiches Argument für die internationale Erschöpfung darstellen. Das setzt allerdings voraus, daß eine unterschiedliche Beurteilung der Erschöpfung je nach betroffenem Recht, z. B. in der Form, daß sich das Recht zur WeiterveräuBerung nur national erschöpft, während sich das Recht zum gewerbsmäßigen Gebrauch international erschöpft, im Patentrecht nicht zulässig wäre. Die entsprechende Handhabung im Urheberrecht, wo zwischen Verbreitungsrecht und sonstigen Rechten, insbesondere Aufführungs-/Senderecht, Vermiet- und Verleihrecht Ullrich, GRUR Int. 1984,89,92. Beier, GRUR Int. 1989, 603, 612; Demaret, Patents, Territorial Restrictions and EEC Law, S. 9ff.; Ullrich, GRUR Int. 1984, 89, 92. 24 Ähnlich bereits Koch/Froschmeier, GRUR Int. 1965, 121, 124f.; im Ergebnis ebenso Abbott, First Report, HEL 1998,607,622; Lilley, AIPPI Journal 1998, 123, 134. 22 23

G. Übertragbarkeit der Grundsätze des EG-Rechts auf die WTO

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unterschieden wird 25 , trägt den Besonderheiten der urheberrechtlich geschützten Werke und des Rundfunks Rechnung und ist daher nicht übertragbar. Die Werkverbreitung ist die einzige Verwertungsforrn, die das Vorhandensein eines Werkstücks voraussetzt, das als Sache gleichzeitig den Regeln des Sachenrechts unterliegt. Im Interesse der Verkehrsfähigkeit des Werkstücks ist die urheberrechtliche Herrschaftsmacht hier beschränkt. Eine Übertragung dieser Erschöpfungserwägung auf andere Verwertungsrechte ist hingegen nicht möglich, ohne den Urheberrechtsschutz zu zerstören. Die Anwendung der Erschöpfungslehre auf das Aufführungs-/Senderecht hätte nämlich zur Folge, daß nach der rechtmäßigen Erstsendung jede Weitersendung frei wäre 26 . Während das urheberrechtlich geschützte Werk aber erst durch die Sendung der Öffentlichkeit zugängig gemacht wird, sind patentrechtlich geschützte Erzeugnisse bzw. die Ergebnisse von Verfahrenspatenten immer körperliche Gegenstände. Eine Aufspaltung in Veräußerung und Nutzung liegt hier in der Tat ferner 7 • Im nationalen Recht wird sie auch nicht vollzogen. Dennoch erscheint diese Argumentation nicht zwingend, werden dem Patentinhaber doch ausdrücklich verschiedene einzelne Ausschließlichkeitsrechte eingeräumt. Die Frage, wo eine Beeinträchtigung des spezifischen Gegenstands des Patentrechts beginnt, kann daher durchaus für diese Rechte unterschiedlich ausfallen. Daß keine Aushöhlung des Patentschutzes durch die internationale Erschöpfung des Nutzungsrechts erfolgt, liegt dabei auf der Hand. Für die internationale Erschöpfung des Weiterveräußerungsrechts ist dieses Ergebnis hingegen nicht so klar. Dieses ergibt sich vielmehr aus der soeben dargelegten Abwägung zwischen Gewinnrealisierungsmöglichkeit des Patentinhabers und Interesse der Allgemeinheit am Freihandel. Daß die betroffene Industrie versucht, ihre Besitzstände zu wahren, indem erschreckende Szenarien für den Fall der Zulassung von Parallelimporten skizziert werden, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die wirt2S Vgl. Art. 6 Abs. 2 WIPO-Urheberrechtsvertrag (ABI. 1998, C 165/9); Art. 8 Abs. 2, 12 Abs. 2 WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (ABI. 1998, C 165/13); EuGHE 1980, 881 - Coditel; EuGHE 1988, 2605 - Warner Brothers; Art. 4 lit. c) S. 2 der RL über den Schutz von Computerprogrammen (ABI. 1991, L 122/42); Art. 5 lit. c), 7 lit. b) der Datenbankrichtlinie (ABI. 1996, L 77/20); Art. 4 Abs. 2 des Richtlinienvorschlags zur Harrnonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte (ABI. 1998, C 108/6); allgemein Joos, Die Erschöpfungslehre im Urheberrecht, S. 86ff., 255; vgl. auch Abbott, First Report, HEL 1998, 607, 626; Flechsig, CR 1998, 225, 227; kritisch für den Bereich von Online-Übertragungen Leupold, CR 1998, 234, 237; Koch, GRUR 1997, 417, 426. 26 Vgl. nur Joos, Die Erschöpfungslehre im Urheberrecht, S. 255. 27 Vgl. bereits Koppensteiner, AWD 1971, 357, 361; kritisch gegenüber der Differenzierung im Urheberrecht zwischen Venniet- und Verleihrecht einerseits und Verbreitungsrecht andererseits, Schubert, EWS 1998, 119, 121.

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Teil 11: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

schaftlichen Auswirkungen tatsächlich nicht so dramatisch sein dürften 28 • Durch eine gewisse weltweite Preisanpassung können die Unternehmen dafür sorgen, daß sich Parallelimporte unter Berücksichtigung der anfallenden Zölle, Transport-, Verpackungs-, Versicherungskosten etc. nicht mehr rentieren. In den meisten (insbesondere weniger entwickelten) Ländern dürfte der Aufbau eines geeigneten Distributionssystems genügen, um sicherzustellen, daß nicht mehr Produkte verkauft werden als vom lokalen Markt absorbiert werden und daß diese Produkte nicht an Großhändler/Parallelimporteure gelangen. Durch die grundsätzliche Anerkennung der internationalen Erschöpfung werden Schutzrechtsinhaber nämlich nicht daran gehindert, vertraglich die Weiterveräußerung zu beschränken29 • Bei einem Verstoß gegen diese Vereinbarung kommen Schadensersatzansprüche wegen Vertrags verletzung in Betracht. Zu weitreichende privatrechtliche Beschränkungen können allerdings wiederum zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Daher ist die Schaffung eines internationalen Wettbewerbsrechts, das hier weltweit einheitliche Standards und Grenzen setzt, von großer Bedeutung3o• Gerade im Verhältnis zu weniger entwickelten Ländern verhindern außerdem oft Maßnahmen des sog. Downgrading, daß die dort veräußerten Produkte auf Märkten entwickelterer Staaten Abnehmer finden 3 !. Im Falle einer zentralisierten Produktion wäre außerdem zu bedenken, daß aufgrund der Preissenkung in Industrieländern Skalenerträge zu realisieren wären und Erfahrungskurveneffekte32 einträten. Es ist daher nicht nachvollziehbar, weshalb die wirtschaftlichen Vorteile des freien Warenverkehrs und eines level playing field, die eine so fundamentale Rolle im europäischen Binnenmarkt spielen, plötzlich ihren Wert verlieren sollten, sobald die Grenzen der Europäischen Union überschritten sind. Im Ergebnis spricht also viel dafür, den Grundsatz der gemeinschaftsweiten Erschöpfung im WTO-Bereich als Grundsatz der internationalen Erschöpfung zu übernehmen 33 . Erschöpfung träte also mit dem ersten Skeptisch auch AbbaU, First Report, HEL 1998,607, 619ff. Auf diese Möglichkeit verweisen auch Gah-Low, 30 JWT 5, 1996, 165, 174f.; Hanelsgericht Zürich, Urteil vom 23.11.1998, Kodak, GRUR Int. 1999,555,561. 30 Zur Forderung nach einem internationalen Wettbewerbsrecht vgl. auch Abbau, in: Abbott/Gerber, Public Policy and Global Technological Development, S. 50ff.; Drexl, GRUR Int. 1999, I, 11. Zu Bestrebungen in dieser Richtung siehe Fikentscherllmmenga, Draft International Antitrust Code, 1995. 31 Volkswagen verkauft in Afrika beispielsweise Fahrzeuge, die mit zusätzlichen Unterbodenblechen ausgestattet sind, sonst aber weitaus weniger Komfort bieten als die in Industrieländern verkauften Versionen. Zum Downgrading u. ä. als internationaler Marketingstrategie vgl. BemdtlFantapie AltabellilSander, Internationale Marketing-Politik, S. 103 ff. 32 Vgl. dazu BealHaas, Strategisches Management, S. 117ff. 33 Ebenso Abbatt, First Report, HEL 1998, 607, 622f., 635; Heath, RIW 1997, 541, 546f.; ders., IIC 1997,623,632. 28

29

G. Übertragbarkeit der Grundsätze des EG-Rechts auf die WTO

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Inverkehrbringen des patentierten Erzeugnisses durch den Rechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung ein. Das Inverkehrbringen durch rechtlich oder wirtschaftlich verbundene Unternehmen wäre dem Rechtsinhaber wie im Gemeinschaftsrecht zuzurechnen. Eine Abweichung in diesem Punkt ist nicht gerechtfertigt. Geprüft werden muß allerdings, ob auf WTO-Ebene weitergehende Ausnahmen von diesem Erschöpfungsgrundsatz zugelassen werden müssen, um den Interessen der Rechtsinhaber hinreichend Rechnung zu tragen. 2. Ausnahmen vom Grundsatz der internationalen Erschöpfung

Die auf EG-Ebene anerkannten Ausnahmen vom Erschöpfungsgrundsatz im Falle der PatentauJspaltung, des zwangsweisen Inverkehrbringens unter einer Zwangslizenz und bei Bestehen einer rechtlichen Vermarktungspflicht34 müssen auch im Bereich der WTO eingreifen. Hier fehlt es nämlich an der erforderlichen Zustimmung des Rechtsinhabers zum Inverkehrbringen seines Erzeugnisses. Problematisch sind die Fälle von Preisregulierungen bzw. fehlendem Patentschutz im Exportstaat. a) Preisregulierte Märkte

Eine von der Rechtslage in der EG abweichende Beurteilung könnte sich im Falle preisregulierter Märkte ergeben. Der EuGH verneint das Vorliegen einer Ausnahme vom gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz bei Bestehen staatlicher Preisregelungen35 . Diese Ansicht könnte im Rahmen der WTO nur dann Anwendung finden, wenn man die unternehmerische Verantwortlichkeit in den Vordergrund rückt. Dann ließe sich vertreten, daß der Patentinhaber bei Inverkehrbringen seiner Erzeugnisse in Kenntnis der Preisregulierung in diesem Markt die Erschöpfung seiner Rechte in Kauf nimmt. Allerdings verweist der EuGH ausdrücklich darauf, daß in diesen Fällen staatlicher Preiskontrollen Verzerrungen des Wettbewerbs zwischen den Mitgliedstaaten durch Maßnahmen der Gemeinschaftsbehörden auszuschalten seien36 . Verwiesen wird damit auf Mittel der Rechtsangleichung, die auf WTO-Ebene nicht zur Verfügung stehen. Diese Entscheidung für Parallelimporte wurde im Hinblick auf die Binnenmarktverwirklichung getroffen, einen Aspekt also, der im Rahmen der WTO nicht greift. Für die 34 35

Siehe oben Teil I, C. I. 1. b), c), 3., 4. Zuletzt EuGHE 1996,1-6285, 6388f. Rz. 46 - Merck 11; dazu oben Teil I, C.

I. 6. a). 36 Zuletzt EuGHE 1996, 1-6285, 6388 f. Rz. 46 - Merck 11; dazu oben Teil I, C. I. 6. a). 18

F~ytag

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Teil 11: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

WTO ist vielmehr folgende Betrachtung von Bedeutung. Staatliche Preisfestsetzungen haben bei Zulassung von Parallelimporten ähnliche Wirkungen wie Ausfuhrbeihilfen. Nationalen Politiken, durch die "unbillige" Handeisverzerrungen hervorgerufen werden, werden aber durch die WTO mißbilligt. Durch Art. VI und XVI GATI 94 und das Übereinkommen über Subventionen und Ausgieichsmaßnahmen37 sind Dumping und Ausfuhrbeihilfen verboten. Angesichts dieser Wertung muß die Abwägung zwischen den Interessen der Patentinhaber und denen der Allgemeinheit im Bereich staatlicher Preisreglementierungen anders ausfallen als auf EG-Ebene. Im Bereich der WTO ist eine Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz anzuerkennen, so daß Parallelimporte verhindert werden können. b) Fehlender Patentschutz im Exportland

Ebenfalls diskutiert werden muß die Übertragbarkeit der Merck-Rechtsprechung des EuGH, wonach Parallelimporte auch dann nicht verhindert werden können, wenn das erste Inverkehrbringen des Erzeugnisses in einem patentfreien Mitgliedstaat, also nicht unter Monopolbedingungen erfolgte 38 . Diese bereits im Rahmen der EG kritisierte Entscheidung wird teilweise auch für den Bereich der WTO abgelehnt, vornehmlich unter Hinweis auf angeblich verheerende Folgen für die Industrie 39 . Zunächst ist aber klarzustellen, daß das Problem der fehlenden Schutzfähigkeit angesichts der weitgehenden Harmonisierung des Patentschutzes durch das TRIPS-Abkommen zunehmend an Bedeutung verlieren wird. Die nach Art. 27 Abs. 2 und 3 TRIPS zulässigen Ausnahmen von der Patentierbarkeit führen nicht zu unerträglichen Schutzlücken; es handelt sich lediglich um ethisch sensible Bereiche und ordre public-Gesichtspunkte. Von Aktualität bleibt diese Frage dauerhaft also nur in Fällen, in denen der Schutzrechtsinhaber die Patentierung seines Erzeugnisses versäumt oder unterlassen hat. Soweit es um den Hauptfall der fehlenden Patentierbarkeit geht, ist zunächst festzustellen, daß die Rechtsprechung des EuGH nur die Warenverkehrsfreiheit in der EG herstellen sollte, nicht aber wie etwa im Fall staatlicher Preisregulierungen auf weitergehende Binnenmarktbefugnisse abgestellt wurde. Der spezifische Gegenstand des Patents wurde dahingehend klargestellt, daß nur die Möglichkeit der Erzielung eines Ausgleichs 31 Übereinkommen vom 15.4.1994, in Kraft seit 1.1.1995, deutsche Fassung abgedr. bei Hummer/Weiß, Vom GATT '47 zur WTO '94, S. 682ff. 38 EuGHE 1981, 2063 - Merck I; EuGHE 1996, 1-6285 - Merck 11; dazu oben Teil I, C. I. 5. a). 39 Namentlich etwa Heath, RIW 1997, 541, 546; ders., IIC 1997,623,631.

G. Übertragbarkeit der Grundsätze des EG-Rechts auf die WTO

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für die Erfindertätigkeit gewährleistet wird. Diese Chance muß der Patentinhaber aber selbst wahrnehmen. Eine Gewinngarantie kann schon deshalb nicht gegeben werden, weil die Realisierung des Ausgleichs von einer Vielzahl von Marktfaktoren wie dem Bestehen von Substitutionsprodukten, der kommerziellen Verwertbarkeit und ähnlichen Voraussetzungen abhängt. Geht man aber davon aus, daß mit dem ersten ordnungsgemäßen Inverkehrbringen des patentierten Erzeugnisses die Chance, einen Ausgleich für die schöpferische Tätigkeit zu erlangen, als realisiert gilt, kann es nicht darauf ankommen, ob der Patentinhaber in dem betreffenden Staat die Möglichkeit einer Patentierung hatte oder nicht. Warum im internationalen Bereich davon abgewichen werden sollte, ist nicht ersichtlich4o • Die Unmöglichkeit, Patentschutz zu erlangen, ist unerheblich, wenn der Schutzrechtsinhaber in der Lage war, frei darüber zu entscheiden, in welchem WTO-Mitgliedstaat er das Erzeugnis in Verkehr bringen wollte; diese Entscheidung trifft er entsprechend seinen eigenen Interessen41 . Die Berufung auf ein Parallelimportverbot wäre dann widersprüchlich. Diese Bewertung gilt umso mehr noch für die Fälle, in denen versäumt oder unterlassen wurde, Patentschutz zu erlangen. Da hier wesentlich auf die unternehmerische Verantwortlichkeit für die selbst getroffenen Entscheidungen abgestellt wird, kann die vorgeschlagene Lösung nur Anwendung finden, wenn das Inverkehrbringen der Ware in Kenntnis der internationalen Erschöpfung erfolgt. Für noch unter Geltung der nationalen Erschöpfung in den patentfreien Markt gebrachte Ware gebietet der Vertrauensgrundsatz, daß eine Ausnahme vom allgemeinen Erschöpfungsgrundsatz eingreift42 . Was die wirtschaftlichen Folgen dieser Entscheidung anbelangt, so kann weitgehend auf die Darstellungen zur Frage der allgemeinen Anwendbarkeit des Grundsatzes der internationalen Erschöpfung verwiesen werden43 . Eingeschränkt ist die Möglichkeit der freien Preisgestaltung, wenn auf dem schutzfreien Markt auch Konkurrenzprodukte vertrieben werden. Teilweise wird der Hersteller aber selbst in dem patentfreien Staat über ein tatsächliches Monopol aufgrund fehlender Substitutionsprodukte verfügen. Allerdings muß sichergestellt werden, daß das Unternehmen die Möglichkeit hat, sich von dem schutzfreien Markt zurückzuziehen, sofern es angesichts der Parallelimportgefahr den weiteren Verbleib dort für unrentabel hält. Ein Zwang zum Verbleib käme einer rechtlichen Vermarktungspflicht gleich und zöge daher eine Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz nach sich. Im übrigen kommt das Mittel der Zwangslizenz unter den Voraussetzungen des So auch Correa, EIPR 1994, 327, 330. Vgl. auch die Argumentation des Generalanwalts Reischi in den Schlußanträgen zu Merck I, EuGHE 1981, 2084, 209 f. 42 Vgl. dazu bereits Teil 11, E. 43 Oben Teil 11, G. 11. 1. 40 41

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Teil 11: Zulässigkeit von Parallelimporten nach WTO-Recht

Art. 31 TRIPS in Betracht, wenn Länder infolge des Marktrückzugs von Unternehmen eine Unterversorgung befürchten.

Im Ergebnis ist festzustellen, daß auf WTO-Ebene die Anwendung des Grundsatzes der internationalen Erschöpfung für das Patentrecht sinnvoll wäre. Die Abwägung zwischen den Interessen des Schutzinhabers und dem freien Warenverkehr fallt hier nicht anders aus als im Rahmen der EG. Auch die vom EuGH anerkannten Ausnahmen vom Erschöpfungsgrundsatz im Falle einer rechtlichen Vermarktungspflicht, einer Zwangslizenz oder der Patentaufspaltung sind anzuwenden. Das Nichtbestehen von Patentschutz im Exportland führt entsprechend der Merck-Rechtsprechung des EuGH dagegen nicht zum Verbot von Parallelimporten. Eine abweichende Beurteilung der Situation in der WTO ist hier nicht geboten. Anders ist dagegen zu entscheiden, wenn im Exportland staatliche Preisregulierungen bestehen. Die im Rahmen der EG auf die Möglichkeit der Rechtsangleichung gestützten Enscheidungen des EuGH sind angesichts der weniger weit gehenden Ziele und Handlungsmöglichkeiten der WTO nicht übertragbar. IH. Markenrecht 1. Grundsätzliche Anwendbarkeit der internationalen Erschöpfung

Die Entscheidung für die Anwendung der internationalen Erschöpfung im Markenrecht dürfte leichter fallen als im Patentrecht, gehen doch bereits heute viele Staaten von diesem Grundsatz aus44 • Da im TRIPS-Abkommen die Herkunftsfunktion der Marke im Vordergrund steht, während keine Anhaltspunkte für die Anerkennung eines Vertriebsrechts als Ausfluß der Markenfunktionen erkennbar sind, würde sich eine entsprechende Regelung problemlos in diesen Rahmen einfügen. Der Herkunftsfunktion der Marke ist mit dem Grundsatz der internationalen Erschöpfung Genüge getan. Eine Übertragung der gemeinschaftsrechtlichen Lösung zur Verhinderung von wettbewerbsverzerrenden Handelsbeschränkungen auf den WTO-Bereich durch Einführung des Grundsatzes der internationalen Erschöpfung wäre durchaus möglich 45 • Die vom EuGH aufgrund der Abwägung zwischen den Interessen von Markeninhaber und Warenverkehrsfreiheit bereits für das Gemeinschaftsrecht anerkannten Ausnahme von diesem Grundsatz im Falle der Markenaujspaltunl 6 ist ebenfalls zu übertragen. Wie für das PatentVgt. dazu oben Teil I, D. 11. 1. c) dd) (3). SO auch Abbott, First Report, HEL 1998,607,631; ders., Second Report, S. 20, 37, 43; AlbertlHeath, GRUR 1998, 642, 645ff.; Koppensteiner, ÖBt. 1994, 195, 44

4S

203; Marx, in: Baudenbacher, Aktuelle Probleme des Europäischen und Internationalen Wirtschaftsrechts, S. 295; Stucki, Trademarks and Free Trade, S. 58. 46 Dazu oben Teil I, D. I. 2.

G. Übertragbarkeit der Grundsätze des EG-Rechts auf die WTO

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recht ist darüber hinaus aber zu prüfen, ob weitergehende Ausnahmen zugelassen werden müssen als durch den EuGH in der EG anerkannt sind. 2. Ausnahmen

Der internationale Handel ist durch viel stärkere Unterschiede in den rechtlichen und tatsächlichen Anforderungen an markierte Erzeugnisse gekennzeichnet als der weitgehend harmonisierte EG-Binnenmarkt. Daher sind insbesondere die Entscheidungen des EuGH zum Umpacken und Ummarkieren von Markenware sowie zur Behandlung von Parallelimporten bei Produktdifferenzierungen und bei Außenseitervertrieb im Hinblick auf den Welthandel zu überprüfen. a) Umpacken

Das Umpacken der Ware ist oft Voraussetzung dafür, daß diese im Importstaat überhaupt vertriebsfähig ist. Der EuGH hat es daher unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig erachtet, daß Markenware für den Parallelimport umgepackt wird47 . Diese Voraussetzungen ergeben sich aus einer Abwägung zwischen dem Interesse des Markeninhabers am Schutz seiner Marke und dem Interesse der Allgemeinheit und insbesondere der Verbraucher am freien Warenverkehr; auf Binnenmarktaspekte, die über die reine Warenverkehrsfreiheit hinausgehen, wurde dabei nicht abgestellt. Auch für den internationalen Handel ergeben sich Beschränkungen daraus, daß identische Waren, die unter derselben Marke vertrieben werden, infolge unterschiedlicher Verpackung oder Aufmachung nicht frei vertrieben werden können. Auch hier ist den Interessen der Allgemeinheit am freien Warenverkehr daher der Vorrang vor den Schutzinteressen des Markeninhabers einzuräumen, sofern die Markenfunktionen durch das Umpacken nicht beeinträchtigt werden. Zwar ist die Anerkennung der über die Herkunftsfunktion hinausgehenden Markenfunktionen im TRIPS-Abkommen weniger stark ausgeprägt als im EU-Markenrecht48 . Da das TRIPS-Abkommen aber diesbezüglich nur Mindeststandards enthält49 , ist eine Einschränkung der Rechtsprechung des EuGH, soweit dessen Kriterien insbesondere auf der Werbefunktion der Marke basieren, nicht angezeigt. Die Kriterien des EuGH können auch auf internationaler Ebene angewendet werden.

47 48

49

Dazu oben Teil I, D. 1. 3. Teil H, B. H. 2. Vgl. Teil H, B. H. 2.

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Teil 11: Zulässigkeit von Parallel importen nach WTO-Recht

b) M arkendiffe renzie rung

Die Verwendung unterschiedlicher Marken in verschiedenen Märkten stellt eine gute Möglichkeit dar, um diese Märkte voneinander abzuschotten. Gerade im internationalen Handel bietet es sich für multinational tätige Unternehmen an, die Hochpreismärkte dadurch von den Märkten der Niedrigpreisländer abzuschotten, daß sie ihre Markenprodukte unter verschiedenen Namen in den Markt einführen. Da auf den Märkten der Industrieländer nur die jeweils eingeführte Marke bekannt ist, rentieren sich Parallelimporte des unter der Entwicklungsland-Marke unbekannten Erzeugnisses dann nicht. Gerade im internationalen Bereich sind aber die sehr großen kulturellen Unterschiede zu beachten, die Markendifferenzierungen notwendig machen können. Auch dient die Markendifferenzierung hier meist der Verhinderung bzw. Eindämmung von Markenpiraterie50 . Für die EG hat der EuGH entschieden, daß das Schutzinteresse des Markeninhabers überwiegt, wenn die Markendifferenzierung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen geboten ist. Das Ummarkieren der Waren ist nur zulässig, wenn sich die Markendifferenzierung nachweislich als Maßnahme zur künstlichen Abschottung der Märkte der Mitgliedstaaten darstellt51 . Soweit die Markendifferenzierung eine Reaktion auf rechtliche oder tatsächliche Unterschiede darstellt und Parallelimporte daher verboten sind, ist diese Rechtsprechung sicher auch international anzuwenden. Fraglich könnte die Übertragung der Ausnahme für den Fall der Differenzierung zur Verhinderung von Parallelimporten sein. Auch hier ist die Ummarkierung nämlich nicht erforderlich, um die Produkte im Importstaat vertreiben zu dürfen; sie ist nur wirtschaftlich angezeigt. Die Warenverkehrsfreiheit ist also grundsätzlich nicht beeinträchtigt, so daß man das Überwiegen des Interesses des Markeninhabers an der freien Wahl seiner Marke annehmen könnte. Indes findet sich das Verbot der verschleierten Beschränkung des Handels, auf das der EuGH seine Argumentation stützt, nicht nur in Art. 30 (36) S. 2 EGV, sondern ausdrücklich auch in Art. XX GATI 94. Der übereinstimmende Wortlaut präjudiziert allerdings noch nicht die gleiche Auslegung; vielmehr sind insbesondere Sinn und Zweck der Vorschriften im Rahmen des jeweiligen Abkommens zu berücksichtigen. Die mißbräuchliche Benutzung unterschiedlicher Marken einzig zum Zweck der Marktsegmentierung ist aber selbst angesichts des nicht so weitgehenden Integrationsziels der WTO nicht schutzwürdig. Denn zumindest der weitgehende Abbau von Handelsschranken ist auch oberstes Ziel der WTO. Damit ist im Fall der so Übersicht über die Gründe für Markendifferenzierungen bei BemdtlFantapie AltobellilSander, Internationale Marketing-Politik, S. 60, 133f. und bereits oben Teil I, D. I. 4. SI ZU dieser Rechtsprechung siehe oben Teil I, D. I. 4. a).

G. Übertragbarkeit der Grundsätze des EG-Rechts auf die WTO

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Markendifferenzierung allein zum Zweck der Marktabschottung auf WTOEbene die Zulässigkeit der Ummarkierung der Ware durch den Parallelimporteur ebenfalls zu bejahen. Allerdings sei gleich angemerkt, daß angesichts der weltweit großen rechtlichen, tatsächlichen und kulturellen Unterschiede dieser Nachweis nur in Ausnahmefällen gelingen dürfte, so daß durch die Zulassung von Parallelimporten in diesen Fällen der Markenindustrie kein unerträglicher Schaden entstehen dürfte. c) Produktdifferenzierungen

Beim Parallelimport von Produkten, die in verschiedenen Staaten unter derselben Marke vertrieben werden, allerdings unterschiedliche Qualität oder Eigenschaften aufweisen, kann es zur Verwirrung der Verbraucher kommen. Im Gemeinschaftsrecht war hier vom Parallelimporteur die Anbringung eines deutlichen Hinweises auf die Abweichung zu fordern. Diese Hinweispflicht ergab sich in Fällen der autonomen und gesetzlichen Produktdifferenzierung unmittelbar aus der Abwägung zwischen Markenrecht und freiem Warenverkehr, wobei die Werbefunktion der Marke ausschlaggebend war. Im Falle der Marktabschottung durch die Produktdifferenzierung mußte mangels Schutzwürdigkeit des Markeninhabers auf das wettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot in den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten zurückgegriffen werden52 • Eine solche Hinweispflicht ist auch international im Interesse der Verbraucher zu fordern 53. Da sich im TRIPS-Abkommen aber keine klare Entscheidung für den Schutz der Werbefunktion der Marke findet, läßt sich nicht bereits hieraus eine Hinweispflicht ableiten. Diese ergibt sich allenfalls aus dem jeweiligen nationalen Markenrecht, das weitergehende Markenfunktionen anerkennt. Ein internationales Wettbewerbsrecht, das ein Irreführungsverbot enthielte, besteht auch nicht, so daß sich die Hinweispflicht nur aus dem jeweiligen nationalen Recht des Einfuhrstaates ergeben kann. d) Außenseitervertrieb

Da auf internationaler Ebene Vertriebssysteme rechtlich nicht geschützt sind, scheidet die Möglichkeit der Übertragung der wettbewerbsrechtlichen Schutzwürdigkeit auf das Markenrecht hier erst recht aus. Reiner Außenseitervertrieb kann auch im internationalen Bereich nicht zu markenrechtlichen Ansprüchen führen 54 • 52

53 54

Siehe oben Teil I, D. I. 5. So auch Heath, RIW 1997, 541, 546. Zum Gemeinschaftsrecht vgl. Teil I, D. I. 6. b).

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Teil 11: Zulässigkeit von Paralle1importen nach WTO-Recht

Fraglich ist aber, ob die Rechtsprechung es EuGH zum Entfernen von Kontrollnummern übertragbar ist. Der EuGH hatte Abwehransprüche des Markeninhabers bejaht, sofern nur das Kontrollnummernsystem zumindest auch gemeinschaftsrechtlich legitimen Interessen dient55 . Diese Einschränkung des Erschöpfungsgrundsatzes rechtfertigt sich allerdings nur unter dem Gesichtspunkt der Werbefunktionder Marke, der im TRIPS-Abkommen nicht so ausgeprägt ist wie im EG-Recht. Wie bereits im Rahmen der Überlegungen zur Übertragbarkeit der Umpack-Rechtsprechung dargelegt, sollte daraus aber keine verbindliche Einschränkung der Rechte des Markeninhabers zugunsten der Warenverkehrsfreiheit auf internationaler Ebene gefolgert werden. Immerhin sind Gründe des Gesundheitsschutzes auch im WTO-Recht als legitime Interessen anerkannt56 . Die Rechtsprechung des EuGH zum Entfernen von Kontrollnummern könnte somit auch international als Vorbild dienen. Im Ergebnis ist festzuhalten, daß sich die gemeinschaftsrechtliche Regelung zur Paralleleinfuhr markengeschützter Erzeugnisse umfassend auf den Bereich der WTO übertragen läßt. Die Abwägung zwischen den Interessen von Markeninhaber und freiem Warenverkehr fällt hier nicht anders aus als im Rahmen der EG. Damit wäre die Einführung der internationalen Erschöpfung von Markenrechten zu befürworten. Ausnahmen von diesem Grundsatz wären nur im Fall der Markenaufspaltung anzuerkennen. Die Rechtsprechung des EuGH zum Umpacken von Markenware, zu Markenund Produktdifferenzierungen ist auch international praktikabel. Da sich aus internationalem Recht derzeit keine Hinweispflichten zur Vermeidung der Verwirrung von Verbrauchern durch parallel eingeführte Erzeugnisse ergibt, sollte an die Einführung einer solchen allgemeinen Pflicht im Zusammenhang mit der Erschöpfungsregelung gedacht werden.

55 56

Siehe dazu oben Teil I, D. I. 6. a). Vgl. Art. XX lit. b) GATT 94.

Schlußbetrachtung und Ausblick Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, daß die Frage, ob Parallelimporte wünschenswert sind oder ob den Immaterialgüterrechtsinhabern Abwehrrechte zugestanden werden sollen, sehr komplex ist. Zu viele verschiedene Interessen sind auf unterschiedlichen Seiten zu berücksichtigen, als daß es eine ultimativ richtige Antwort auf diese Frage geben könnte. Es verwundert daher nicht, daß bislang international keine einheitliche Lösung gefunden wurde. Der Abschluß des TRIPS-Abkommens unter dem Dach der WTO stellt zwar einerseits einen wichtigen Schritt in Richtung auf eine internationale Harmonisierung des Immaterialgüterrechtsschutzes dar. Damit war der Tatsache Rechnung getragen worden, daß unzureichender Schutz geistigen Eigentums ein Hemmnis für den Handel mit technologisch hochentwickelten Produkten darstellt und Nachahmung ermutigt. Andererseits darf nicht verkannt werden, daß geistige Eigentumsrechte ihrerseits die schwerwiegendsten, noch bestehenden nicht-tarifaren Handelshemmnisse darstellen. Ein Vergleich der Wirkungen der nach Umsetzung des WTOAbkommens auf Industrieerzeugnisse noch bestehenden Zölle von etwa 3 % des Bruttowerts der Ware l mit denen eines 20-jährigen Patentrechts2 , eines 50-jährigen Urheberrechts 3 oder des zeitlich u. U. sogar unbeschränkten Markenrechts verdeutlicht das. Diese Ausschließlichkeitsrechte können bei Annahme der nur nationalen bzw. regionalen Erschöpfung für die Zeit ihrer Geltung - und die ist angesichts unserer schnellebigen Zeit mit enormem technischen Fortschritt sehr lang - zu unüberwindbaren Handelsschranken für die zumeist interessantesten modemen Industrie-, Wissenschafts- und Kunsterzeugnisse werden. Die Frage der Zulässigkeit von Parallelimporten stellt daher einen eminent wichtigen, wenn nicht sogar den wichtigsten handelsbezogenen Aspekt des geistigen Eigentums dar. Hier konnte jedoch im Rahmen der TRIPSVerhandlungen keine Einigung erzielt werden. Der die vielversprechende Überschrift "Erschöpfung" tragende Art. 6 TRIPS bleibt weit hinter den dadurch geweckten Erwartungen zurück. Außer in den Fällen der Art. 3 und 4 TRIPS, d. h. bei Verstoß gegen die Grundsätze der Inländerbehandlung und der Meistbegünstigung, die für die Erschöpfungsfrage ohnehin Schanz, in: Cottier, GAlT-Uruguay-Round: Neun Beiträge, S. 111. Mindestschutzdauer nach Art. 33 TRIPS. 3 Mindestschutzdauer nach Art. 12 TRIPS. § 64 deutsches UrhG sieht eine Schutzdauer von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers vor. I

2

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Schlußbetrachtung und Ausblick

von nur geringer Bedeutung sind, kann über die Frage der Erschöpfung keine Klärung durch Inanspruchnahme des WTO-Streitbeilegungsmechanismus herbeigeführt werden. Aber auch die materiellen Vorschriften des TRIPS-Abkommens enthalten keine klare Aussage in der einen oder anderen Richtung. Art. XI und XX GATT 94 lassen sich hingegen durchaus im Sinne einer internationalen Erschöpfung von geistigen Eigentumsrechten auslegen. Diese neue Auslegung der gegenüber dem GATT 47 unveränderten Vorschriften wäre angesichts der mit der WTO erzielten Einigung auf möglichst weitgehende weltweite Handelsliberalisierung gut zu vertreten. Bedenken gegenüber einem so gewagten Vorstoß ergeben sich derzeit aber noch aus der offensichtlichen Uneinigkeit der Staaten in der Frage der Erschöpfungsregelung. Da auch andere völkerrechtliche Verträge für das vorliegende Problem der Behandlung von Parallelimporten nicht fruchtbar gemacht werden können, bleibt festzustellen, daß augenblicklich keine internationale rechtliche Regelung der Parallelimportfrage besteht. Dennoch ist nicht zu verkennen, daß neuerdings in immer mehr Staaten durch Gesetzgebung oder Rechtsprechung die internationale Erschöpfung geistiger Eigentumsrechte anerkannt wird4 • Unterschiedliche Erschöpfungsregelungen in den verschiedenen Staaten(gemeinschaften) können jedoch zu Wettbewerbsverzerrungen führen und sind daher sicher nicht die beste Lösung des Problems. Eben aus diesem Grunde erscheint eine internationale Harmonisierung der Erschöpfungsfrage wünschenswert. Mit Schaffung der WTO wurde international bereits ein großer Schritt auf dem Wege zu weltweiter Handelsliberalisierung getan. Die Entscheidung für die Richtung dieses Weges beruht auf der übereinstimmenden Anerkennung des Nutzens von Freihandel für alle Beteiligten. Will man aber nicht plötzlich die Richtung des eingeschlagenen Weges ändern, legt sich die Einführung des Grundsatzes der internationalen Erschöpfung nahe. Traditionelle Auffassungen von Territorialität gewerblicher Schutzrechte sind mit zunehmender Internationalisierung des Handels überholt. Als Vorbild für eine neue weltweite Regel können prinzipiell die vom EuGH für die EU entwickelten und mittlerweile auf den EWR ausgedehnten Grundsätze dienen. 4 Siehe dazu oben Teil I, D. 11. 1. c) dd) (3), Teil 11, G. 11. 1. a). Zur Einführung der internationalen Erschöpfung im Urheberrecht in Australien und Neuseeland Abbott, Second Report, S. 5; Creswell, Recent Developments in Australia and New Zealand, Vortrag vom 6.11.1998 anläßlich der ITLC-Conference onthe Exhaustion of Intellectual Property Rights and Parallel Importation in World Trade; van Meile, EIPR 1999,63.

Schlußbetrachtung und Ausblick

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Diese Rechtsprechungsgrundsätze waren im ersten Teil der Arbeit herausgearbeitet worden 5 . Im Bereich des Patentrechts stellt der EuGH im wesentlichen auf die dem Patentinhaber zurechenbare Zustimmung zum Inverkehrbringen des geschützten Erzeugnisses ab. Erschöpfung tritt im Fall inhaberidentischer erfindungsgleicher Parallelpatente daher ein, wenn das geschützte Erzeugnis mit Zustimmung des Patentinhabers oder durch einen ihm zurechenbaren Dritten in einem Mitgliedstaat in Verkehr gebracht wurde. Dagegen ist mangels Erschöpfung eine Abwehrbefugnis gegeben, wenn das ausländische Parallelpatent einem rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Unternehmen zusteht, und zwar unabhängig davon, ob ein originärer oder derivativer Erwerb dieses Patents vorliegt. Keine Ausnahme vom gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz läßt der EuGH im umstrittenen Fall des zurechenbaren Inverkehrbringens in einem patentfreien Mitgliedstaat gelten, selbst wenn dort staatliche Preisreglementierungen bestehen. Richtigerweise stellt er auch hier unter Berücksichtigung der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsangleichungskompetenzen sowie des Grundsatzes des "venire contra factum proprium" auf die Zustimmung des Patentinhabers in seiner unternehmerischen Selbstverantwortung ab. Eine Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz anerkennt der EuGH letztlich nur im Fall rechtlich erzwungenen Inverkehrbringens, insbesondere wenn das Produkt unter einer Zwangslizenz in Verkehr gebracht wurde. Im Bereich des Markenrechts sind für die Erschöpfungsfrage die Normierungen der Markenrechtsrichtlinie von 1988 und der Gemeinschaftsmarkenverordnung von 1993 zu berücksichtigen. Der EuGH stellt hier nicht nur auf das Zustimmungskriterium, sondern weitergehend als im Patentrecht auch auf die Markenfunktionen ab. Wie im Patentrecht gilt aber auch hier der Grundsatz, daß der Markeninhaber Parallelimporte der mit seiner Marke gekennzeichneten und rechtmäßig in einem Mitgliedstaat in Verkehr gebrachten Waren in einen anderen Mitgliedstaat nicht verhindern kann, während im Fall der zwangsweisen oder freiwilligen Markenaufspaltung auf rechtlich selbständige Unternehmen mangels Zustimmung keine Erschöpfung eintritt. Für die im Rahmen von Parallelimporten bedeutsamen Fälle des Umpackens und Umzeichnens der geschützten Produkte hat der EuGH ein grundSätzliches Abwehrrecht des Markeninhabers anerkannt, das zugunsten der Warenverkehrsfreiheit nur dann zurücktritt, wenn die Erzeugnisse sonst im Importland nicht verkehrsfahig wären. Bei bloßen Produktdifferenzierungen der unter derselben Marke vertriebenen Erzeugnisse bleibt es unabhängig vom Grund dieser Differenzierung hingegen beim Grundsatz der gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfung. In sämtlichen Fällen des ParallelS Eine detaillierte Zusammenfassung dieser Ergebnisse, insbesondere auch hinsichtlich der rechtlichen Behandlung von Parallelimporten im Rahmen bestehender Freihandels- und Assoziationsabkommen der EU, findet sich in Teil I, E.

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Schlußbetrachtung und Ausblick

imports muß darauf geachtet werden, daß der Ruf des Markeninhabers nicht geschädigt wird. Der EuGH hat hier durch Auslegung der Vorschriften zur Gewährleistung der Warenverkehrsfreiheit in der EU zu einem gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Schutzrechtsinhaber einerseits und dem Interesse der Allgemeinheit am Freihandel andererseits gefunden. Dieses Modell ist mit kleineren Modifikationen auf die WTOEbene übertragbar. Im Grundsatz sollte dabei sowohl für das Patentrecht als auch für das Markenrecht6 anerkannt werden, daß sich die Rechte aus dem jeweiligen Schutzrecht erschöpfen, wenn das Erzeugnis vom Schutzrechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung bzw. durch ein rechtlich oder wirtschaftlich mit ihm verbundenes Unternehmen in den Verkehr gebracht wurde. Die im Patentrecht zuzulassenden Ausnahmen von der Erschöpfung ergeben sich im wesentlichen bereits aus der Auslegung des Zustimmungskriteriums; hier ist allenfalls an eine genaue Definition dieses Begriffs zu denken. Nur für die auf internationaler Ebene mangels Entsprechung zur EU-Rechtsangleichungskompetenz erforderliche Ausnahme im Falle des Inverkehrbringens des Produkts in einem preisregulierten Staat bedarf es insofern einer ausdrücklichen Regelung. Für das Markenrecht ist eine Klausel wie in Art. 7 Abs. 2 Markenrechtsrichtlinie denkbar, indem bestimmt wird, daß bei Vorliegen "berechtigter Gründe" unter Angabe einiger Regelbeispiele die Rechte des Markeninhabers erhalten bleiben. Es stellt sich somit nur noch die Frage nach dem richtigen Ort für eine solche Regelung. Am naheliegendsten ist eine Neufassung des Art. 6 TRIPS bzw. eine Regelung im Zusammenhang mit den TRIPS-Vorschriften zu den einzelnen Schutzrechten, wobei erstere Möglichkeit zu bevorzugen wäre. Eine für den internationalen Handelsverkehr so zentrale Frage wie die Regelung der Erschöpfung sollte an einer übersichtlichen Stelle geregelt sein. Sie fügt sich auch gut in Teil I des TRIPS-Abkommens - Allgemeine Bestimmungen und Grundprinzipien - ein. Aber auch ein eigener internationaler Vertrag zur Frage der Erschöpfung geistiger Eigentumsrechte wäre möglich. Dieser könnte dann eine Art Annex zum TRIPS-Abkommen darstellen. Da im Rahmen dieser Arbeit erkennbar wurde, daß die Erschöpfungsfrage letztlich auch eng mit wettbewerbsrechtlichen Problemen ver6 Grundsätzlich wäre eine einheitliche Lösung für sämtliche Immaterialgüterrechte zu befürworten, damit Erzeugnisse, an denen verschiedene Schutzrechte bestehen, nicht aufgrund der für eines dieser Rechte andersartigen Regelung blockiert werden können. Dieser Aspekt wurde auch in der Kodak-Entscheidung des Handelsgerichts Zürich v. 23.11.1998 betont, in der die Erschöpfung des Patentrechts an die in der Schweiz bereits anerkannte internationale Erschöpfung von Marken- und Urheberrecht angeglichen wurde (GRUR Int. 1999, 555, 559). Da das Urheberrecht jedoch nicht Gegenstand dieser Arbeit war, können diesbezüglich auch keine Schlußfolgerungen gezogen werden, geschweige denn Vorschläge für eine internationale Regelung unterbreitet werden.

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bunden ist, wäre auch eine Regelung im Zusammenhang mit der Schaffung eines internationalen Wettbewerbsrechts denkbar. Ansatzpunkt könnte eine Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 5.12.1980 sein, in der ein "Set of Multilaterally Agreed Equitable Principles and Rules for the Control of Restrictive Business Practices" angenommen wurde. In Teil D.4.(b) und (e) sind hier für den Fall der Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung dem Unternehmen bereits Restriktionen hinsichtlich Preisdiskriminierung und Einfuhrbeschränkungen auferlegt7 . Außerdem käme eine Ergänzung des Art. XX GATI 94 in Betracht. Dafür spricht, daß das Schicksal von Parallelimporten eng mit dem Warenursprung verbunden ist und sich somit gut in den Rahmen des GATI 94 einfügt. Bedenken gegenüber einer Auslagerung des Problems aus dem TRIPS-Abkommen ergeben sich jedoch insofern, als kaum einzusehen ist, weshalb der wesentlichste handelsbezogene Aspekt des geistigen Eigentums nicht auch in dem eigens für diese Fragen geschaffenen Abkommen geregelt sein soll. Und schließlich wäre zumindest theoretisch eine Rückübertragung des Problems an die WIPO möglich. Dies erscheint aber inkonsequent und die ungeschickteste Lösung, wenn man bedenkt, daß die Einbeziehung des TRIPS-Abkommens in den Rahmen der WTO im wesentlichen darauf beruht, daß angesichts der Gruppenbildung in Verhandlungen zu internationalen Verträgen unter der Ägide der WIPO in schwierigen Fragen keine befriedigenden Ergebnisse erzielt werden konnten. Als besten Ort für eine Vorschrift über die internationale Erschöpfung geistiger Eigentumsrechte stellt sich mithin das TRIPS-Abkommen dar. Hier wäre eine entsprechende Änderung des Art. 6 TRIPS anzustreben, die dem Titel dieser Vorschrift zur Ehre gereichen würde. Die für das Jahr 2000 anstehende Überprüfung des TRIPS-Abkommens durch den TRIPSRat bietet eine gute Gelegenheit, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen.

7 United Nations, Resolution 35/63 vom 5.12.1980, TD/RBP/CONFIlO/Rev.l. Section D.4 lautet: "Enterprises should refrain from the following acts or behaviour in a relevant market when, through an abuse or acquisition and abuse of a dominant position of market power, they limit access to markets or otherwise unduly restrain competition, having or being Iikely to have adverse effects on international trade ... : (b) Discriminatory (i. e. unjustifiably differentiated) pricing or terms or conditions in the supply or purchase of goods or services, ... (e) Restrictions on the importation of goods wich have been legitimately marked abroad with a trademark identical with or similar to the trademark protected as to identical or similar goods in the importing country where the trademarks in question are of the same origin ... and where the purpose of such restrictions is to maintain artificially high prices."

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20 Freytag

Sachwortverzeichnis Ansporntheorie 23,31,35,270 Aprile-Entscheidung 87, 88 f., 92 Arzneimittelsektor 72

Europaweite Erschöpfung 106, 158, 162, 198 EWR 83, 103 ff., 156, 203, 230

Belohnungsgedanke.l.-theorie 23, 64, 68f., 70, 80f., 268ff. Bestand und Ausübung von Schutzrechten 44 Bristol-Myers Squibb-Entscheidung s. Umpackentscheidungen

Freihandel 38 f., 100 ff.

Canon-Entscheidung 195 Centrafarm.I.AHPC-Entscheidung 135ff. Centrafarm.l.Sterling Drug-Entscheidung 54, 61, 67, 69, 147 Deutsche Grammophon-Entscheidung 41,98 Dior.l.Evora-Entscheidung 151, 195f. Drittstaaten mit Freihandelsabkommen 83ff. Drittstaaten ohne Freihandelsabkommen 81 ff. EFTA 83f. Eigentums- oder Naturrechtstheorie 23,32 Einfuhrrecht 220 f., 235 f. EMI.l.CBS-Entscheidung 81 f., 155 Entwicklungsländer 33, 38, 256ff. Erschöpfungsgrundsatz .1. -lehre 20 f., 41, s. auch europaweite bzw. internationale Erschöpfung Eurim-Pharrn.I.BundesgesundheitsamtEntscheidung 87 f., 91, 95 Eurim-Pharm-Entscheidung s. Umpakkentscheidungen Europaabkommen 106 ff.

Garantiefunktion s. Vertrauensfunktion GATT 101, 171 ff., 176,210, 236ff., 263f. Gebietslizenzverträge 152 ff. Gemeinschaftsmarken(-verordnung) 19, 111ff., 202ff. Gemeinschaftspatent(-übereinkommen) 43, 50, 65 ff. HAG 11, lI-Entscheidungen 114f., 185, 189 Herkunftsfunktion 24f.,46, 115, 118f., 123, 128, 133, 141, 158, 195, 221,226 Hinweis- und Inforrnationspflichten 128f., 132, 144,279 Hoffmann-La Roche-Entscheidung l17ff., 132 Ideal-Standard-Entscheidung 53 f., 63, 115, 13~ 185, 18~ 195 Implied licence-Doktrin 21 ff., 253, 267 Internationale Erschöpfung 157 f., 160 f., 215, 219ff., 228, 241, 265ff., 276f. Javico.l. YSLP-Entscheidung 148 ff., 197 Kennzeichnungsrecht 112 f. Kommunikationsfunktion 26 Kontrollnummern 145 ff. Konzern 48 f., 51 Kupferberg I, lI-Entscheidungen 93 ff.

Sachwortverzeichnis Legros-Entscheidung 89,92 Loendersloot./.Ballantine-Entscheidung 117, 122f., 145f., 151 Madrider Markenabkommen 211 Maglite-Gutachten des EFfA-Gerichtshofs 157, 160ff., 200 Markenanpassung 138 ff. Markenaufspaltung 114 ff., 276 Markendifferenzierung 134 ff., 278 f. Markenrechtsrichtlinie 18, 111 ff. Merck I-Entscheidung 54,57,60, 61 ff., 70f., 274 Merck lI-Entscheidung 60, 70f., 73 f., 274 Metalsa-Entscheidung 93 ff. Moralische Vermarktungsverpflichtung 60f. MPA Pharma-Entscheidung s. Umpakkentscheidungen NERA-Studie 34 ff. Neukennzeichnung 122f. Offenbarungs theorie 24 Pabst & Richarz-Entscheidung 93 Parallelhandel 27 ff. Parke, Davis-Entscheidung 69 Patentfreier Exportstaat 61 ff., 68 ff., 254,274ff. Pfizer-Entscheidung 117, 119 Pharmon.l.Hoechst-Entscheidung 56, 60,63, 71, 79 Polydor-Entscheidung 85 ff., 90f., 99, 107ff. Praktische Wirksamkeit 88 f., 102 Preisregulierung./. -reglementierung 37, 72 ff., 262, 273 Produktdifferenzierung 140ff., 279 Property Rights-Theorie s. Eigentumsoder Naturrechtstheorie PVÜ 211 f., 222, 23lff.

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Qualitätsfunktion s. Vertrauensfunktion Rechtliche Vermarktungsverpflichtung 60f., 81, 273, 275 Rechtsharmonisierung 78, 86, 102 Silhouette-Entscheidung 19, 157 ff., 180ff., 201 f. Spezifischer Gegenstand des Schutzrechts 45 f., 50ff., 65, 115, 130 Technologietransfer s. Entwicklungsländer Terranova./. Terrapin-Entscheidung 114 Territorialitätsprinzip 76 ff., 231 ff., 262 TRIPS 17lff., 175f., 2I1ff., 214ff., 263f. Umpackentscheidungen 119ff., 146 Umpacken von Markenware 116ff., 277 Vermarktungsverpflichtung s. moralische bzw. rechtliche Vermarktungsverpflichtung Vertrauensfunktion 25 f., 116, 119, 123, 141 Vertriebssteuerung 159, 202, 222 Vertriebssysteme 144ff., 147ff., 279f. Völkerrechtliche Mindeststandards 25lff. Warner Brothers-Entscheidung 63 f. Werbefunktion 26, 123, 130, 132, 139, 142, 147, 195,279 Wettbewerb u.ä. 31 f., 39, 41, 78, 139, 144, 148, 150, 159, 185, 279 WIPO 211 f. Zurechnung 47 ff. Zustimmungskriterium 52, 56ff., 62, 68ff., 79f., 81 f., 115f. Zwangslizenz 56ff., 63, 273