Das Recht auf Verteidigerbeistand im Grundgesetz und in der Europäischen Menschenrechtskonvention [1 ed.] 9783428469512, 9783428069514

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Das Recht auf Verteidigerbeistand im Grundgesetz und in der Europäischen Menschenrechtskonvention [1 ed.]
 9783428469512, 9783428069514

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MARGRET SPANIOL

Das Recht auf Verteidigerbeistand im Grundgesetz und in der Europäischen Menschenrechtskonvention

STRAFRECHT UND KRIMINOLOGIE Untersuchungen und Forschungsberichte aus dem Max-Planck-lnstitut für ausländisches und internationales Strafrecht Freiburg im Breisgau herausgegeben von Hans-Heinrich Jescheck · Günther Kaiser Albin Eser

Band 12

Das Recht aufVerteidigerbeistand im Grundgesetz und in der Europäischen Menschenrechtskonvention

Von

Margret Spaniol

Duncker & Humhlot · Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Spaniol, Margret: Das Recht auf Verteidigerbeistand im Grundgesetz und in der Europäischen Menschenrechtskonvention I von Margret Spaniol.- Berlin: Duncker u. Humblot, 1990 (Strafrecht und Kriminologie; Bd. 12) Zugl.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1987 ISBN 3-428-06951-X NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Werksatz Marschall, Berlin 45 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0720-6860 ISBN 3-428-06951-X

Vorwort Europa befindet sich im Umbruch. Seine politische und rechtliche Landschaft wird neu gestaltet. Die osteuropäischen Staaten suchen die Anhindung an die westeuropäischen Institutionen; die DDR will den Zusammenschluß in einem vereinten Europa; der europäische Binnenmarkt rückt heran. Es dominieren wirtschaftliche Interessen: Im Vordergrund der Einigungsbestrebungen steht der Europäische Markt und die EG. Osteuropa erstrebt vor allem einen wirtschaftlichen Aufschwung; die ,.Vorkämpfer der Freiheit" sind auf dem Rückzug. Welche Bedeutung kommt in diesem Kontext der Europäischen Menschenrechtskonvention zu? Die Antwort ist einfach: Die EMRK, ein Werk des Europarates, der einen weiteren Kreis an Mitgliedsstaaten als die EG umfaßt, enthält westeuropäische Standards für Menschenrechte und Grundfreiheiten und fordert damit die Beachtung dieser Menschenrechte als Weg und Ziel der europäischen Einigung. In einem wirtschaftlich vereinten Europa darf bei der Gewährleistung des Kerns der persönlichen Rechte, den Grund- und Menschenrechten, kein Gefälle bestehen. Dafür sorgt schon jetzt die wachsende Zahl der Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, die ein Abweichen von den gesamteuropäischen Menschenrechtsstandards durch manches westeuropäische Land verhindern helfen. Für die osteuropäischen Länder, wo ein neues Verständnis der Grundrechte diskutiert wird, vermag die EMRK Maßstäbe für das zu setzen, was in der europäischen Tradition als Minimum an Menschenrechtsschutz angesehen wird. Die vorliegende Arbeit erhebt nicht den Anspruch, umfassend die Grundideen der EMRK Interessierten in West und Ost nahezubringen. Sie beschränkt sich auf den kleinen, jedoch heiklen Bereich der Grundrechte des Beschuldigten im Strafverfahren und konzentriert sich hier wiederum auf die Rechte der Strafverteidigung. Deren Garantiebereiche auf europäischer Ebene will die Arbeit vermitteln sowie deren Bedeutung für und Einfluß auf den Bestand der Beschuldigtengrundrechte in der Bundesrepublik Deutschland herausarbeiten, so daß sie Anregungen für einen Ausbau der Beschuldigtengrundrechte geben könnte, die als ,.Seismograph der Verfassung" galten und gelten- hier wie ,.drüben". Zu danken habe ich vor allem meinem hochverehrten Lehrer, Herrn ProfessorAlbin Eser, der mich förderte und auch im Rahmen dieser Arbeit viele Anregungen gab. Dankbar bin ich aber auch der Max-Planck-Gesell-

VI

Vorwort

schaft, die nicht nur materielle Quellen zur Verfügung stellte, sondern mit der Arbeitsmöglichkeit am Max-Planck-Institut für internationales und ausländisches Strafrecht und Kriminologie in Freiburg allerlei Unterstützung durch mir oft freundschaftlich verbundene Kollegen sicherte. Allen voran und stellvertretend für diese sind hier die "Alttübinger" Dr. Walter Gropp, Dr. Günter Heine, Dr. Hans-Georg Koch und Dr. Otto Lagodny zu nennen. Zum erforderlichen Durchhaltevermögen und zur Motivation verhalf mir zudem unsere Juristinnengruppe an der Freiburger Juristischen Fakultät. Dank sei auch Allred Künschner gesagt. Zu großem Dank verpflichtet bin ich Frau Babette Bonn, Frau Rosemarie Heidel und vor allem Frau Christa Wimmer für ihre sorgfältigen Schreibar-

beiten und ihre Geduld, mit der sie meinen nie nachlassenden Korrekt4rwünschen entgegenkamen. Yvonne Matz und Detlev Lutz danke ich für die sorgfältigen Korrekturarbeiten.

Zu danken habe ich auch Herrn Professor Prowein für anregende Gespräche und Unterstützung bei der Materialsuche in Straßburg sowie den Herren Professoren Jescheck und Kaiser für die großzügige Aufnahme der Arbeit in dieser Reihe. Die nicht genannten Freunde und Kollegen aus dem Max-Planck-Institut, der Freiburger Juristischen Fakultät und aus der juristischen Praxis, von denen ich in vielen Gesprächen profitierte, mögen dieses verzeihen. Ihr Beitrag ist nicht vergessen. Margret Spaniol

Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung

. . . ••. . . •••••••••••. . •••••••••••••••. . Erstes Kapitel

Das ,.Grundrecht auf Verteidigerbeistand": Bestandsaufnahme der Ansätze des Bundesverfassungsgerichts und der Literatur

7

§ 2 Das Recht auf Verteidigerbeistand in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . • . . • • • • . . • . . • . . . . . . • • • • • • • • . •

7

I.

Die Ableitung des Rechtes auf einen Verteidiger

A. Das Prinzip fairer Verfahrensführung ••

~

••••••••••

7

. . . ••••••. •••

7

B. Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege und Rechte Dritter

II.

9

C. Das. Verlangen" nach .. Waffengleichheit" und rechtliches Gehör

10

D. Ergebnis • • • • • • • • • • • • • • • • • • • . • • • • • • • • • • • • • •

11

Der Inhalt des Rechtes auf Verteidigerbeistand

•••••••••••

12

A. Das Recht auf Beizug eines Verteidigers .••••••••. • •••

12

1. Vertrauensprinzip und freie Wahl des Verteidigers ••.••

12

2. Beschränkung der Verteidigerzahl

12

3. Verbot der Mehrfachverteidigung

14

4. Verteidigerausschluß ••••••• • ••••••••••••••••

14

5. Pflichtverteidiger neben dem Wahlverteidiger .•..••••

18

B. Das Recht des mittellosen Beschuldigten auf Beiordnung eines Verteidigers • • . • . • • • • • • . . . • • • • • . • • . . . • • • • • • • 1. Voraussetzungen der Beiordnung ••••••....••••••

20 20

2. Auswahl des Pflichtverteidigers •••••••••••••••••

22

3. .,Entpflichtung" •••••••••••••••••..••.••••••

24

C. Die Rechte des Verteidigers ••••••••••••••••••••••

24 25

1. Anwesenheitsrecht •••••••••.• • •••••••••••••

VIII

Inhaltsverzeichnis 2. Freier Verkehr mit dem inhaftierten Beschuldigten

26

3. Akteneinsichtsrecht • • • • • • • • • • • • • . • • • • • • • • • • •

29

D. Ergebnis • • • • . • . . . • • • • • • • • • . • . • . . • • . • • • • • • •

31

§ 3 Das ,.Grundrecht auf Verteldlgerbelstand" in Literatur und höchstrichterlicher Rechtsprechung . • • • • . . • • . . . • • • . . . • •. • • . • • • • . •

33

I.

Il.

III.

Die Ableitung des Rechtes auf Verteidigerbeistand • • • • • • • • •

33

A. Recht auf ein faires Verfahren

34

B. Recht auf Verteidigerbeistand

36

Der Inhalt des Rechtes auf Verteidigerbeistand

37

A. Recht auf Beizug eines Verteidigers •.••••.••••••••••

37

B. Beschränkungen des Rechtes auf Verteidigerbeizug • • • • • • .

38

1. Beschränkung der Zahl der Wahlverteidiger • • • . • • • • •

38

2. Verbot der Mehrfachverteidigung • . • • . . • • . • • • • • . .

39

3. Verteidigerausschluß • • • • . • • • • • • • • • . . • • . • . • • •

40

C. Recht des mittellosen Beschuldigten auf Beiordnung eines Verteidigers • • • • • • • • • • • • • • • . • . • . • • • • • • • • . • • • • •

41

D. Verteidigerrechte

42

1. Recht auf freien Verteidigerverkehr • . . • • • . . . • • • . • .

42

2. Akteneinsichtsrecht . . . . . . • . • . • • • . • • • . . • • • • • .

43

Ergebnis

••••••• ••••••••••••• •• ••••••••••••• •

44

Zweites Kapitel

Die Garantien des Verteidigerbeistandes und der Verteidigerrechte durch die Europäische Menschenrechtskonvention

45

§ 4 Die Auslegung der Konvention • . . • • . . • • • • • • • • . • • • • • • . . .

45

I.

Auslegung durch Kommission und Gerichtshof ••••••••••••

46

Il.

Bewertung der Auslegung durch die Organe der EMRK ••••••

49

A. Autonome Auslegung

49

Inhaltsverzeichnis

III.

B. Konventionsgarantien und nationaler Gestaltungsspielraum

51

C. Einzelne Interpretationsmethoden • • • • • . . • • • . . • • • • • •

52

Ergebnis

55

••••••••••••••••••••••••••••••••••••

§ 5 Das Recht auf Verteidigerbeistand und die Verteidigungsrechte (Art. 6

Abs. 1 und 3 EMRK)

I.

IX

•••••••••••••••••••••••••••••••

56

Das Recht auf formelle Verteidigung aus Art. 6 Abs. 3c EMRK • •

56

A. Recht auf Beizug eines Verteidigers •..••••••..••••.•

56

1. Auslegung durch Kommission und Gerichtshof:

Recht auf wirksame Verteidigung ••••••......•...

a)

b)

Die Kommission Der Gerichtshof

57 57

60

2. Kritik und Stellungnahme: Effektive Verteidigung und absoluter Anspruch aufVerteidigerbeistand . • . . . • • • • • . • • • • • • . • . • • . • • • • • • •

62

B. Beschränkung der Verteidigerzahl ••••••••••••••••••

66

C. Verteidigerausschluß ••••.....•..•••••••.••••••

66

D. Recht des mittellosen Beschuldigten auf Beiordnung eines Verteidigers ••••••••••••.....•..••••••••••••••

69

1. Voraussetzungen der Beiordnung ...•••••••••••••

70

a) b)

Auslegung durch EKMR und EGMR: Entscheidung im Einzelfall • • • • • • . . • • • • • • • • • Kritik und Stellungnahme: Unfähigkeit zur Eigenverteidigung als Voraussetzung der Beiordnung . . . . . • • • • • . . . • • • • • • • • • • •

70

73

2. Staatliche Gewährleistung und Auswahl des Pflichtverteidigers . • • • • • • • • • • • • . • • • • . . • • • • • . . • • . • . • •

77

3. Sonstige Nachteile der Pflichtverteidigung • • • • • • • • • •

81

4. Kostenlose Verteidigerbeiordnung

83

a)

b) c)

Meinung von Kommission und Gerichtshof: Unterschiedliche Auslegung von Art. 6 Abs. 3c und e EMRK • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • Meinung von Rechtsprechung und Literatur: Vorübergehende Kostenfreiheit (h. M.) • • • • • • • • • • Stellungnahme: Endgültige Kostenbefreiung

83 85

86

Inhaltsverzeichnis

X II.

Die Rechte der Verteidigung aus Art. 6 Abs. 3 EMRK • • • • • • • •

91

A Vorbereitung der Verteidigung (Art. 6 Abs. 3b EMRK) • • • • •

91

1. Ausreichende Vorbereitungszeit • . • • • • • • • • • • • • • • •

91

a)

Auslegung durch EKMR und EGMR: Konkrete Entscheidung des Einzelfalls • . . . • • • • • . Stellungnahme und Entwicklung von Grundsätzen zur Berechnung der .ausreichenden Vorbereitungszeit" ,

94

2, Ausreichende Gelegenheit zur Vorbereitung • • • • • • • • •

96

3, Akteneinsichtsrecht • • • . . • • • • • • • • • • . . . . • . • . . .

98

b)

a) b)

Meinung der Kommission: Vorbereitung der Verteidigung durch Akteneinsicht Kritik und Bestimmung der Reichweite des Akteneinsichtsrechts • • • • • • • • • • • • • . . . • . . . • • • . • • •

R Rechtzeitige Information über die Anklage (Art. 6 Abs. 3a EMRK) • • • • • • • • • . . . . . • • . • • • • • • • . • • • • • • • . . • C.

lii.

91

98

99 101

Recht auf freien Verkehr mit dem inhaftierten Beschuldigten

1. Ableitung durch die EKMR: Freier Verkehr zur Vorbereitung der Verteidigung und als Ausdruck des Rechtes auf Verteidigerbeistand • • • • . • .

107

2. Stellungnahme: Konsequenzen des Verständnisses der freien Kommunikation als Ausdruck des Rechtes auf Verteidigerbeistand

111

D. Entlastungszeugen und Zeugenbefragung (Art. 6 Abs. 3d EMRK) • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

112

Die Rechte der Verteidigung aus dem Anspruch auf ein faires Verfahren und dem Grundsatz der Waffengleichheit • • • • • • • •

116

A Verhältnis von Art. 6 Abs. 1 EMRK zu den speziellen Garantien des Art. 6 Abs. 3 EMRK • • • • • • • • • • • • • . • • • • • • • • . •

116

B. Rechte der Verteidigung aus Art. 6 Abs. 1 EMRK in der Auslegung durch EKMR und EGMR • • . • • . • • • • • • • • . . . . • •

118

1. Anwesenheits- und Äußerungsrecht • • • . • • • • • • • • . •

120

2. Andere Verteidigerrechte aus dem Prinzip der Waffengleichheit • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

124

C. Kritik und Ansätze zur Bestimmung eines Rechtes der Verteidigung auf ein faires Verfahren und Waffengleichheit • • • . .

126

1. .Formelle" und .materielle" Waffengleichheit

. •••••••

127

XI

Inhaltsverzeichnis 2. Bedeutung von fairem Verfahren und Waffengleichheit für die Verteidigung • • • • • . • . . . . . • • • • . • • • • • • • . • •

128

"Waffengleiche" Zuordnung einzelner Rechte • . • . • "Unfaire Behandlung" durch das Gericht • • . . . • • •

129 129

3. Subsidiarität der Rechte aus Art. 6 Abs. 1 EMRK . . . . • •

129

Ergebnis • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

131

§ 6 Der Geltungsbereich des Rechtes auf Verteidigerbeistand und der Verteidigerrechte • . . . . . . . . . . . • . . • • • • • . . • • • • • • • . • • •

134

I.

Der sachliche Geltungsbereich • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

134

II.

Der zeitliche Geltungsbereich • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

138

A. Entscheidungen von EKMR und EGMR zur Geltung der EMRK in den verschiedenen Verfahrensabschnitten . . • . . . . • . • •

138

B. Kritik und Stellungnahme, insbesondere zu den Verteidigungsrechten im Vorverfahren zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes • • . • • • • • • • • . . • . • • • • • • • • • • • • • • • . . . •

143

C. Gewährleistungszeitpunkt der einzelnen Rechte . • • • • • . • •

148

Ergebnis • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

151

§ 1 Die Relativität und Einschränkbarkeil des Rechts auf Verteidigerbeistand und der Verteidigerrechte . . . • • . . • • • . . . . . • • • • • • .

152

Die .Gesamtlage der Verteidigung• und die .Gesamtbetrachtung des Verfahrens• • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

154

A. Gemeinsame Ausübung der Verteidigungsrechte durch Beschuldigten und Verteidiger . • . . . • • • • • • • • • • • • • • . • •

157

B. Verletzung der Verteidigungsrechte bei konkretem Nachteil für den Beschuldigten •••. , • • • . • • • • • • . • • • • • • • . . • • •

159

a) b)

IV.

III.

I.

C. Geltung der Beschuldigtenrechte im Rahmen der .allgemeinen

II.

Gesetze" • . • • • • • • • • • . . • • • • • • • • . • • • • . . . . . • • •

163

Die Einschränkbarkeit des Rechtes auf Verteidigung • • • • • • • •

164

••••••

164

B. Einschränkung der Verteidigerrechte • • • • • • • • • • • • • • • •

167

A. Einschränkung des Rechtes auf Verteidigerbeistand

XII

Inhaltsverzeichnis III.

IV.

• Verwirkung von Verteidigungsrechten· • • • • • • • • • • • • • • • •

168

A. Verantwortung der Verteidigung für die Wahrnehmung ihrer Rechte • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

170

B. Zurechnung von Verteidigerverhalten • • • • • • • • • • • • • • •

171

Ergebnis

173

••• ••• •• ••••••••• •••••• ••••••••• ••• •

Drilles Kapitel

Die Bedeutung der EMRK für die Beschuldigten(grund)rechte

174

§ 8 Überblick über den Gang des Verfahrens vor den Organen der EMRK

175

§ 9 Innerstaatliche Geltung und Rang der EMRK

178

I.

Die Bedeutung der EMRK in den einzelnen Konventionsstaaten

178

II.

Rang und Geltung der EMRK im bundesdeutschen Recht • • • • •

181

III.

Ergebnis

•••••••• •••••• •••••• •••••••••••• ••••

183

§ 10 Die Bedeutung der EMRK . . . . . . . • • • • • . . . • • • • • • • . . • • • •

184 184

I.

Bindung von Gesetzgeber und Gerichten

II.

"Mittelbarer Verfassungsrang" der EMRK

186

A. Die EMRK als Bestandteil der ,.verfassungsmäßigen Ordnung"

186

B. Die EMRK als Auslegungshilfe • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

189

III.

1. Grundzüge der Verfassungsinterpretation • • • • • • • • • • •

190

2. Die EMRK als Hilfe zur Auslegung des Rechtsstaatsprinzips

192

Ergebnis

••••••• • •••••••••••••• ••••• •••••• •••

197

Viertes Kapitel

Die Ableitung und der Umfang eines verfassungsmässigen Anspruchs auf Verteidigerbeistand § 11 Die Ableitung des Rechtes auf Verteidigerbeistand • • • • • • • • • • • •

198 198

XIII

Inhaltsverzeichnis I.

II.

Anspruch auf faires Verfahren

••••• ••• •• ••• •••••• •••

199

A. Das Prinzip fairer Verfahrensführung: Nur Prozeßgrundsatz oder Individualrecht?

199

B. Faire Verfahrensführung als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips • • • • • • • • • • • • • . . . • • • • • • • • • • • • • . . • . . .

202

C. Besonderheiten der Prozeßgrundrechte • • • . . . . . • . . • . • •

209

D. Ableitung des Rechtes auf Verteidigerbeistand aus dem Grundsatz fairer Verfahrensführung • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

211

Weitere grundrechtliche Ableitungsmöglichkeiten

212

A. Rechtliches Gehör • • . . • • • • . • • • • • . . . . • • • • • • • . . .

212

1. Geschichtliche Entwicklung • . . • • • • • • • • • • • • • • • • •

213

2. Grundlegung des rechtlichen Gehörs in anderen Verfassungsprinzipien

215

3. Garantie der Verteidigung . • • • • • • • • • • • • • • • • • • • .

218

4. Recht auf Verteidigerbeistand • • • . • • • • • • • • . • • • • •

219

B. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (Recht auf persönliche Freiheit) • • . •

225

C. Waffengleichheit , ••••••• , , , ••••••••• , • • • • • • • •

229

D. Sozialstaatsprinzip • • • • • • • • • • . • • . • • • • • • • . • • • • . .

233

Ergebnis

••••• ••• •••••••••••• •• ••••••• •••• •••

234

§ 12 Die inhaltliche Ausgestaltung des Rechtes auf Verteidigerbeistand . •

235

III.

I.

II.

Das Recht auf Verteidigerbeistand und die "Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege" • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

236

A. ,.Negativbestimmung" des Bundesverfassungsgerichts •• , , .

236

B. Bedeutung der .. Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege" • . • •

236

Die Funktionen des Verteidigers • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

241

A. Unterstützung der Subjektstellung des Beschuldigten

••••.

242

.•.•. . . . •••.•.

243

C. Kontrolle der staatlichen Verfahrensbeteiligten • • • • • • • • •

247

Konkretisierung des Rechtes auf Verteidigerbeistand • • • • • • • •

247

A. Recht auf Beratung, Anwesenheit und Äußerung als Ausdruck effizienten Verteidigerbeistandes • • • • • • • • • • • . • . • • • •

248

B. Einwirkung auf das Verfahrensergebnis

III.

XIV

Inhaltsverzeichnis B. Absolute Garantie des Verteidigerbeistandes

248

1. ,.Beruhen" des Urteils auf der Verletzung von Beschuldigtenrechten • • • • • . . • • • • • • . • • • • . • • • • . . • . • • • • • •

249

2. Absolute Geltung eines Kernbestandes von Verteidigerrechten • • • • • . . • . • • • • • • • • • • • • . • • • • • • • • • • • • • •

251

3. Absolute Geltung auch bei Fähigkeit zur Eigenverteidigung?

252

4. Verletzung des Rechtes auf Verteidigerbeistand als absoluter Revisionsgrund • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

253

C. Verteidiger des Vertrauens • • • • • • • • • • • • • • . . . • • . . •

255

D. Zeitpunkt der Gewährleistung des Rechtes auf Verteidigerbeistand • • • • • • . . • • • • • . . . . • • • • • . • . . . . . • • . • •

256

Ergebnis

••••••••••••••••••••••••••••••••••••

259

§ 13 Die Einschränkungen des Rechtes auf Verteidigerbeistand • • • • • • .

260

IV.

I.

Einschränkbarkeil von Beschuldigtengrundrechten • • • • • • • • •

261

li.

Grundsätze der Einschränkung • • • • • • • • • • • • • . • • • • • • • •

262

III.

Beschränkung des Rechtes auf Verteidigerbeistand zum Schutze anderer Grundrechte • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

264

IV.

Beschränkung des Rechtes aufVerteidigerbeistand wegen anderer Interessen • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

265

A. .Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege" • • • . . • • • • • • • • •

265

B. Durchsetzung des materiellen Strafrechts und Sonderstellung des Verteidigers • • • . . . . . . • • • • • • • • • • • . . • • • • • • •

265

1. Verfahrensziel Wahrheitsermittlung . . . . . . . . . . . . . .

267

2. Effektivität der Verteidigung . . • • . . . . . . . . . . • . . • •

272

a) b)

Allgemeine Glaubwürdigkeitsanforderungen . • • . • • Sonderrechte des Verteidigers • • • • . . . . . • • • . • •

272 275

3. Ungehinderter Ablauf der Hauptverhandlung . . • • . . . •

276

V.

Einschränkungsmöglichkeit wegen "Mißbrauchs" von Rechten?, •

277

VI.

Sonstige •Verwirkung• von Verteidigungsrechten • • • • • • • • • •

279

VII. Ergebnis

••••••••••••••••••••••••••••••••••••

282

XV

Inhaltsverzeichnis

§ 14 Das Recht auf Beizug eines Verteidigers im einzelnen

I.

Die Rechte des Verteidigers • • • . • • . . • • • . . • • • • • . . • . . •

283

A. Anwesenheitsrecht • • • . . • • . • • . • . • • • • • • . . • • • . . •

283

1. Zeitpunkt der Gewährleistung . . • • . . • • . . . • . . • . . .

283

2. Einschränkungen

••.•.••••••••••••••. ••••••

286

B. Beratungsrecht • • • • • • • • • • • . • • • • • • • • • . . • . . • • • •

287

C. Recht auf freien Verkehr • . . . • • • • • • • . . • • • • . . • • • . •

287

1. Recht auf freien Verkehr als Ausdruck des Rechtes auf

Verteidigerbeistand • • • . . • • • . • • • . . • • • . • • • • • . .

287

2. Zeitpunkt der Gewährleistung • . • • • • • • . . • • • . • . . •

288

3. Einschränkungsmöglichkeiten • • • • • • . • • • . • • . • . . .

288

D. Äußerungsrecht

Il.

••••••••. ••••••••••••••••••. •

292

1. Zeitpunkt der Gewährleistung

292

2. Einschränkungsmöglichkeiten

293

Die Beschränkungen des Rechtes auf Verteidigerbeizug • . • • • .

294

A. Beschränkung der Verteidigerzahl

294

B. Verbot der Mehrfachverteidigung

298

C. Verteidigerausschluß • • • . . . . • • • • • • • • • • . . . • . • . . •

301

1. Geschichte des Verteidigerausschlusses . • . . • • • • • • . •

301

2. Verteidigerausschluß als Eingriff in das Recht auf Verteidigerbeistand • • . . . . . • . • . • • • • • • . . • • • • • • • • . . •

303

3. Einzelne Ausschlußgründe

. . •••. ••.•. . . . •••••.

305

Ausschluß wegen (Verdachts der) Tatbeteiligung ••• Ausschluß wegen Mißbrauchs des Verkehrsrechts ••

305

a)

b)

III.

282

Ergebnis

311

314

§ 15 Das Recht des mittellosen Beschuldigten auf Beiordnung eines Verteidigers • . • • . . . • • • • . • • . . • . . • • • • • • • • • • . • • • . . • • • • . •

315

Voraussetzungen der Beiordnung • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

315

I.

A. Art. 2 Abs. 1 GG i. V. mit dem Rechtsstaatsprinzip • • • • • • •

315

B. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG • • . • • • • • • • • • • • • • • • • • • • . . •

321

C. Gleichheitssatz und Sozialstaatsprinzip

321

. •••. •••. •••••

XVI

Inhaltsverzeichnis II.

•••• •••••••••••• ••••

322

A. Bestellung des Pflichtverteidigers • • • • • • • • • • • • • • • • • •

324

1. Auswahlverfahren . . • . • • • . • • . . • • • • • • • • • • • • • •

325

••.•••.•. . •. . . .. . . . .•••. . . .

326

B. .Entpflichtung" des Pflichtverteidigers . • • • . • • . . • • • • • .

329

Nachteile der Pflichtverteidigung

2. Auswahlgründe

1. Rücknahme der Bestellung gegen den Willen des Beschul-

digten • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •

330

2. Nichtrücknahme der Bestellungtrotz mangelnden Vertrauens des Beschuldigten . . • • • • • • • • . • • • • • • • • . • • •

331

C. Andere Nachteile der Pflichtverteidigung • • • • • . . • • • • • •

332

Ill.

Endgültigkeit der Kostenübernahme

•• •••••••••••• ••••

332

IV.

Zeitpunkt der P[/ichtverteidigerbestellung • • • • • • • • • • • • • • •

333

V.

Ergebnis

333

•• ••••• ••••••• ••• ••• ••••••••••• • ••••

§ 16 Mitwirkungsrechte des Verteidigers

•••••. •. •••••••••••••

335

I.

Die Relativität der Verteidigerrechte ••••••••••••••• , , •

335

II.

Das Akteneinsichtsrecht

••••••• ••••• •••••••••• ••••

336

A. Herleitung ••••••.•••.•••••.•••••••••••••• , .

336

III.

B. Umfang . . . • • . • • • • . . . . . . . • • • • . . . . . . . . . • • • • •

337

C. Zeitpunkt der Gewährleistung • . . • . • • . . . . . . . • . • • • •

339

D. Einschränkungsmöglichkeiten

340

Ergebnis

340

•••••••••••••••••.•••• , , , •••••• , , • • •

Zusammenfassung und Ausblick

342

Anhang

349

Anhang A: Die Europäische Menschenrechtskonvention Anhang B: Übersicht über die ausgewerteten Zulässigkeilsentscheidungen

der Europäischen Kommission für Menschenrechte • • . . • • • •

350 379

Literaturverzeichnis

389

Sachverzeichnis

411

Abkürzungsverzeichnis

A a.A. abgedr. Abs. abw. AcP ähnl. Anm. Ann.

Anw.Bl. AöR AR Art. ASJ Aufl. ausf. B Bd. BG BGBI. BGE BGH BK BRAO BRAGO BRD bspw. BVerfGE bzgl. bzw. BZRG CH ders. Diss. DK DÖV I1 Spaniol

= =

=

= =

= =

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= = = =

Österreich anderer Ansicht abgedruckt Absatz abweichend Archiv für die civilistische Praxis ähnlich Anmerkung Yearbook of the European Convention on Human Rights/ Annuaire de Ia convention Europeenne des droits de l'homme Anwaltsblatt Archiv des öffentlichen Rechts Appenzell-Außerrhoden Artikel Arbeitskreis Sozialdemokratischer Juristen Auflage ausführlich Belgien Band schweizerisches Bundesgericht Bundesgesetzblatt Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts Bundesgerichtshof Bonner Kommentar Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung Bundesrepublik Deutschland beispielsweise Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bezüglich beziehungsweise Bundeszentralregistergesetz Schweiz derselbe Dissertation Dänemark Die Öffentliche Verwaltung

XVIII

Abkürzungsverzeichnis

DR DRiZ DStrZ DuR E EGMR Einf. Ein!. EKMR EMRK EuGRZ Fn GA GB gern. GG GH hinsieht!.

=

=

=

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I

insbes. Internat. Komm. i.S.d. JA JöR JR Jur. Büro JuS JZ KG KJ KK KMR krit. L LG lit. LR MDH MDR m.w.N. N Nachw. Nds.Rpfl.

NJW

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=

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European Commission on Human RightsiCommission europeenne des droits de l'homme, Decisions and Reportsl Decisions et rapports Deutsche Richterzeitung Deutsche Strafrechts-Zeitung Demokratie und Recht Spanien Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Einführung Einleitung Europäische Kommission für Menschenrechte Europäische Menschenrechtskonvention Europäische Grundrechte-Zeitschrift · Fußnote Goltdammer's Archiv für Strafrecht Großbritannien gemäß Grundgesetz (= von Münch, Grundgesetz-Kommentar) Urteil des Gerichtshofs (gemeint ist der EGMR) hinsichtlich Italien insbesondere Internationaler Kommentar im Sinne des Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Juristische Rundschau Das Juristische Büro Juristische Schulung Juristenzeitung Kammergericht Kritische Justiz Karlsruher Kommentar Kleinknecht I Müller I Reitenberger, Kommentar zur Strafprozeßordnung kritisch Luxembourg Landgericht Iitera Löwe I Rosenberg Maunz I Dürig I Herzog Monatsschrift für Deutsches Recht mit weiteren Nachweisen Norwegen Nachweis Niedersächsische Rechtspflege Neue Juristische Wochenschrift

Abkürzungsverzeichnis NL No NStZ NVwZ o.g. öJZ OLG OLGSt öRiZ ÖVfGH p Rec.

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Rev.int.dr. pt'm. Rn Rpfleger Rspr. RStPO

s

s.

s. s.a. Serie A

SJfiR SJZ s. 0. StGB StPO st. Rspr. StV SZStR s. u. trib. d'acc. trib. cantonal u.a. u.ö. u.U. v.a. VfGH VfSlg vgl.

II'

=

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XIX

Niederlande numero Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht oben genannt Österreichische Juristenzeitung Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Strafsachen Österreichische Richterzeitung Österreichischer Verfassungsgerichtshof Portugal Collection of Decisions of the European Commission of Human RightsiRecueil de Decisions de Ia Commission Europeenne des Droits de I'Homme Revue international de droit penal Randnummer Rechtspfleger Rechtsprechung Reichsstrafprozeßordnung Schweden Seite; Siehe siehe siehe auch Publications de Ia Cour Europeenne des Droits de I'Homme I Publications of the European Court of Human Rights, Serie A: Arn~~ts et Decisions I Series A: Judgements and Decisions Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht Schweizerische Juristen-Zeitung siehe oben Strafgesetzbuch Strafprozeßordnung ständige Rechtsprechung Strafverteidiger Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht siehe unten tribunal d' accusation tribunal cantonal unter anderem unveröffentlicht unter Umständen vor allem Verfassungsgerichtshof Sammlung der Erkenntnisse und wichtigsten Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes vergleiche

XX

Abkürzungsverzeichnis

VVDStRL ZaöRV ZE ZfRV Ziff. zit. ZRP ZSchwR ZStW z.T. zust. ZZP

=

=

=

Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zulässigkeitsentscheidung (der EKMR) Zeitschrift für Rechtsvergleichung Ziffer zitiert Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Schweizerisches Recht Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft zum Teil zustimmend Zeitschrift für Zivilprozeß

§ 1 Einleitung

Wer vor Gericht einer Straftat beschuldigt wird, muß sich verteidigen können. Das bedeutet heute in vielen Rechtsordnungen, daß der Beschuldigte sich sowohl selbst als auch mit Hilfe eines Verteidigers verteidigen kann. Damit steht der Beistand durch einen Verteidiger, die sogenannte formelle Verteidigung', neben der materiellen Defension, welche die Selbstverteidigung des Beschuldigten, aber auch alle Handlungen von Gericht und Staatsanwaltschaft urnfaßt, die sich zugunsten des Beschuldigten auswirken können. 2 Die Garantie formeller Verteidigung, wie sie heute in der Bundesrepublik Deutschland und verwandten Rechtsordnungen als selbstverständlich erscheint, geht auf einen von den Ideen der Aufklärung geprägten Strafprozeß zurück, für den die Anerkennung der Menschenrechte auch im Strafverfahren ein wichtiges Anliegen war. 3 Zwar finden sich Vorläufer des Strafverteidigers bereits im germanischen Parteiprozeß. Selbst das Inquisitionsverfahren kannte .Beistände" und .Defensoren".4 Auch enthielten die spätmittelalterlichen Ständeverträge bereits gewisse prozessuale Absieherungen, die u. a. den Schutz vor willkürlichen Verhaftungen betrafen. 5 Doch war es erst der den Ideen der amerikanischen6 und der französischen Menschenrechtserklärung7 verpflichtete Strafprozeß, der in Deutschland unter dem Begriff des .reformierten Strafprozesses"8 Einzug hielt, der den Beschuldigten aus seiner Rolle als Untersuchungsobjekt, dem gewisse Vorteile nur im Rahmen gerichtlicher Fürsorge zustanden, in die Stellung eines mit Vgl. hierzu auch Schroeder, NJW 1987, 301 ff. Ausführlich zur Selbstverteidigung des Beschuldigten als Ausdruck des rechtlichen Gehörs und der Menschenwürde s. Eser, Rechtsstellung, S. 206 f. 3 Zur Bedeutung der amerikanischen und französischen Menschenrechtserklärungen in diesem Zusammenhang vgl. Oestreich, S. 57 ff.; es muß allerdings berücksichtigt werden, daß die .due process" -Klausel bereits auf die englische petition of rights zurückgeht: Oestreich, S. 42. 4 Armbruster, S. 53 ff. 5 Beispiele bei Oestreich, S. 25 ff. 6 Oestreich, S. 62 bzgl. Prozeßgarantien. 7 Die .Declarations des droits de l'homme et du citoyen" enthielten allerdings im Vergleich zu den amerikanischen Verfassungen nur wenige prozessuale Garantien - vgl. Oestreich, S. 70. 8 Ausf. Heinbuch, S. 82 ff., insbes. 123 f.; Armbruster, S. 103 ff. 1

2

1 Spanio l

2

§ 1 Einleitung

Rechten ausgestatteten selbständigen Verfahrensbeteiligten erhob und damit der formellen Strafverteidigung ihr spezifisches Gepräge gab. 9 Wie sehr dabei das Recht auf Verteidigerbeistand für Freiheits- und Menschenrechtsschutz steht, wird schon an seiner wechselvollen Geschichte deutlich, die durch Versuche aller obrigkeitlichen Systeme gekennzeichnet ist, Rechte und Unabhängigkeit des Verteidigers zu beschneiden. 10 Doch spiegelt sich gerade diese Bedeutung auch darin, daß heute der Beistand durch einen Verteidiger als Menschenrecht in vielen internationalen Menschenrechtspakten garantiert ist: Neben dem internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte der UN vom 19.12.1966 (in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten am 23.3.197611 ) und der Amerikanischen Menschenrechtskonvention, 12 enthält auch Art. 6 Abs. 3c der Europäischen Menschenrechtskonvention vom 4.11.1950, die von der Bundesrepublik Deutschland am 15.12.1952 ratifiziert wurde, 13 den Anspruch des Beschuldigten auf Verteidigerbeistand. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht, wenn auch die Garantie des Verteidigerbeistandes keine Berücksichtigung unter den Grundrechten und grundrechtsähnlichen Rechten des Bonner Grundgesetzes gefunden hat, u diese dem Rechtsstaatsprinzip entnommen und damit verfassungsrechtlich abgesichert. Hat nun diese Absicherung des Anspruchs auf Verteidigerbeistand als Menschenrecht und grundgesetzliche Garantie den Schutz des Beschuldigten verstärkt? Ein erster Einblick in die Materie dämpft allerdings die Euphorie, dieangesichtsder grund-und menschenrechtliehen Absicherung dieses Beschuldigtenrechts aufkommen mag. Der internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte ist ohne große praktische Bedeutung und der EMRK, die immerhin eine Individualbeschwerde des Betroffenen an ihre Organe (Europäische Kommission für Menschenrechte, Ministerrat und Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) kennt, soll in der Bundesrepublik Deutschland nur der Rang eines einfachen Gesetzes zukommen, das zudem von den bundesdeutschen Gerichten nur zögernd zunehmend angeHeinbuch, S. 123 ff. Vgl. etwa Armbruster, S.138f. 11 Art. 14 Abs. 3d; vgl. zu dessen Entwicklung Bartsch, NJW 1977, 474; 1978, 449; 1979, 449; 1981,488; 1982,478; 1983,473. 12 Art. 8 Abs. 2d der Amerikanischen Menschenrechtskonvention vom 18. 7. 1978; in deutscher Übersetzung abgedruckt in EuGRZ 1980, 435 ff. Vgl. dazu ausf. Frowein, EuGRZ 1980, 442ff. 13 Zu ihrer Geschichte Partsch, Die Grundrechte, S. 245 ff. 14 Unter Menschenrechten werden meist die in internationalen Pakten garantierten Rechte, unter Grundrechten die im Grundgesetz verbürgten Rechte verstanden: Guradze, Loewenstein-Festschrift, S. 151; bzgl. der EMRK etwas anders: Partsch, Die Grundrechte, S. 244. 9

10

§ 1 Einleitung

3

wendet wird. 15 Dem vom Bundesverfassungsgericht dem Rechtsstaatsprinzip entnommenen Anspruch auf Verteidigerbeistand fehlt es mangels expliziter Aufnahme ins Grundgesetz an einem hinreichend bestimmten Schutzbereich, so daß er in Gefahr gerät, hinter den Erfordernissen einer .funktionstüchtigen Rechtspflege" zurückzustehen. Nun sollte dies andererseits nicht zu vorzeitiger Resignation verleiten. Nur läßt sich angesichts dieser Ambivalenz die Frage, ob der Schutz des Beschuldigten durch eine grundgesetzliche und konventionsrechtliche Absicherung gestärkt wurde, nicht ungeprüft bejahen. Diese Prüfung soll deshalb Gegenstand der vorliegenden Arbeit sein. Dabei geht es nicht nur darum, festzustellen, ob eine solche Stärkung der Position des Beschuldigten in der bisherigen Praxis zu Grundgesetz und EMRK tatsächlich eingetreten ist. Vielmehr soll auch untersucht werden, welche nicht entdeckten oder nicht anerkannten Möglichkeiten bestehen, durch Grundgesetz und EMRK die Rechtsstellung des Beschuldigten zu verbessern. Damit stellt sich allerdings die Vorfrage, woran sich eine Stärkung des Beschuldigtenschutzes messen lassen könnte. Dem Beschuldigten sind im bundesdeutschen Strafprozeßrecht ein Anspruch auf Verteidigerbeistand und bestimmte Verteidigerrechte garantiert. Er kann sich vor dem urteilenden Gericht und u. U. bereits gegenüber den Ermittlungsorganen auf sie berufen und ihre Verletzung im Rechtsmittelverfahren rügen. Eine Stärkung des Beschuldigtenschutzes durch die genannten Rechte könnte nun materiell aus einem gegenüber der geltenden Gesetzeslage erweiterten Schutzbereich, aber auch auf einer formellen Ebene aus Gewinn von erweitertem Rechtsschutz und Bestandsgarantie für bestehende Rechte folgen. Entsprechend läßt sich eine Verstärkung der Garantien für den Beschuldigten daran messen, -ob Grundgesetz und/oder EMRK überweiterreichende Garantien verfügen als die bestehende bundesdeutsche Rechtslage, - ob die Absicherung durch Grundgesetz und EMRK bei der Entscheidung der ordentlichen Gerichte und der Ermittlungsorgane neben der Strafprozeßordnung zu berücksichtigen ist, -ob dem Beschuldigten bei Verletzung des Rechtes auf Verteidigerbeistand weitere Rechtsschutzinstanzen durch diese Kodifikationen eröffnet sind und - ob diese Garantien auch den Gesetzgeber binden, es diesem also untersagen, bei der Gestaltung des Strafverfahrensrechtes das Recht auf Verteidigerbeistand abzuschaffen oder übermäßig zu beschneiden. Diese Fragestellungen bestimmen auch den Gang der Untersuchung. Um die Reichweite der grund- und menschenrechtliehen Garantien zu bestim15

I'

Vgl. Hilf, Rechtsstaat, S. 21 ff.; Kühl, ZStW 100 (1988), 427.

4

§ 1 Einleitung

men, bedarf es dabei einer Bestimmung des Schutzbereiches eines Grundbzw. Menschenrechtes auf Verteidigerbeistand.16 Dies ist zum einen wichtig, um die bundesdeutschen einfachrechtlichen Regelungen daran zu messen. § 137 Abs. 1 StPO gibt dem Beschuldigten das Recht, sich in jeder Lage des Verfahrens eines Verteidigers zu bedienen. Allerdings gilt diese weite Befugnis nur für den, der diesen Verteidiger auch bezahlen kann. Dem mittellosen Beschuldigten wird nur in den Fällen notwendiger Verteidigung (§ 140 Abs. 1 und 2 StPO) ein Verteidiger bestellt (§ 141 Abs. 1 StPO), zu dessen Auswahl er zwar neuerdings Vorschläge machen darf, dessen Bestimmung aber letztendlich beim Vorsitzenden des Gerichts liegt, der den vom Beschuldigten bezeichneten Verteidiger ablehnen darf, wenn wichtige Gründe entgegenstehen(§ 142 Abs. 1 StPO). Auch in zeitlicher Hinsicht unterliegt der, der sich keinen Verteidiger wählt oder wählen kann, gewissen Beschränkungen: Im Vorverfahren erfolgt eine Bestellung nur, wenn die Staatsanwaltschaft dies beantragt, weil die Notwendigkeit der Verteidigung im gerichtlichen Verfahren zu erwarten ist. Dem Verteidiger steht das Recht zu, den Beschuldigten umfassend zu beraten und eventuell eigene Ermittlungen zu führen. 11 Während in Fällen notwendiger Verteidigung die Anwesenheit des Verteidigers im gerichtlichen Verfahren zwingend vorgeschrieben ist(§ 145 Abs. 1 StPO), steht dem Verteidiger in anderen Fällen ein Anwesenheitsrecht zu, das im Vorverfahren allerdings nur sehr beschränkt gewährleistet ist. Nur bei der richterlichen Beschuldigten- (§ 168c Abs. 1 StPO) und Zeugenvernehmung (§ 168c Abs. 2 StPO) sowie richterlicher Augenscheinsnahme (§ 168d Abs. 1 StPO) ist dem Verteidiger, der von diesen Handlungen zudem nicht immer benachrichtigt werden braucht(§§ 168c Abs. 5, 168d Abs. 1 StPO), die Anwesenheit gestattet. Bei der Beschuldigtenvernehmung durch die Staatsanwaltschaft hat der Verteidiger ebenfalls ein Anwesenheitsrecht (§ 163a Abs. 3 S. 2 i. V. m. § 168c Abs. 1 StPO), doch sind deren andere Untersuchungshandlungen geheim. Vollends kein Anwesenheitsrecht hat der Verteidiger dagegen nach h. M. 18 bei Vernehmungen und Untersuchungshandlungen der Polizei. Immerhin steht dem Verteidiger gern.§ 147 Abs. 1 StPO ein Akteneinsichtsrecht zu, das ihm allerdings untersagt werden kann, wenn vor Abschluß der Ermittlungen der Untersuchungszweck gefährdet erscheint(§ 147 Abs. 2 StPO) oder wenn ein Ausschließungsverfahren gegen den Verteidiger läuft(§ 138c Abs. 3 StPO). Im übrigen ist dem Verteidiger gern. § 148 Abs. 1 StPO gestattet, mit dem inhaftierten Beschuldigtenunüberwacht schriftlich und mündlich zu verkehren. In Verfahren, die eine Straftat gern. § 129a StGB betreffen, bestehen für den schriftlichen Verteidigerverkehr allerdings Beschränkungen. Einschränkungen erfährt der Verteidigerverkehr auch bei Kontaktsperre nach § 31 EGGVG. Das Recht des Beschuldigten aus § 137 Abs. 1 StPO unterliegt zudem gewissen Einschränkungen. So beschränkt§ 137 Abs.1 S. 2 StPO die Zahl der Wahlvertei16 Dabei soll es allerdings nicht um die Frage gehen, ob es ein überpositives Menschenrecht auf Verteidigerbeistand gibt. Gegenstand der Arbeit ist allein die Ausformung dieses Rechtes durch EMRK und Grundgesetz. 17 Roxin, § 19 EI, II, S.111. 18 Roxin, § 19 E III, S. 112.

§ 1 Einleitung

5

diger auf drei. § 146 StPO verbietet dem Verteidiger die gemeinschaftliche Verteidigung mehrerer derselben Tat Beschuldigter. Und§ 138a Abs. 1 StPO nennt eine Reihe von Gründen, aus denen ein Verteidiger ausgeschlossen werden kann.

Die Schutzbereichsfestlegung hat aber auf der anderen Seite auch eingrenzende Funktion. Denn Grundgesetz und Europäische Menschenrechtskonvention enthalten von ihrer Anlage her nur gewisse Ansprüche des Beschuldigten, nicht strafprozessuale Detailvorschriften. Sie schreiben nicht vor, daß das Strafverfahren in einer bestimmten Weise ausgestaltet sein muß, sondern nur, daß die genannten Rechte des Beschuldigten beachtet werden müssen. Entsprechend sind das Bundesverfassungsgericht und die Organe der EMRK als die beiden Rechtsschutzinstanzen, die der Beschuldigte durch die grund- und menschenrechtliehen Garantien hinzugewonnen hat, keine Superrevisionsinstanzen. Sie prüfen nur die mögliche Verletzung des grund- bzw. menschenrechtliehen Gehaltes der Garantie auf Verteidigerbeistand.19 Deshalb muß untersucht werden, inwieweit Bundesverfassungsgericht und Lehre dem Anspruch des Beschuldigten grundgesetzliche (Kapitel 1) und die EMRK ihm menschenrechtliche Absicherung (Kapitel 2) zukommen läßt. Während dabei die EMRK das Recht auf Verteidigerbeistand und bestimmte Verteidigerrechte explizit enthält und dazu eine Reihe von Entscheidungen vor allem der Europäischen Kommission für Menschenrechte, aber auch des Gerichtshofes ergangen sind, die zusammen mit der Literatur im Ergebnis eine eigene Stellungnahme zur Reichweite der formellen Verteidigung im Rahmen menschenrechtlicher Garantien zulassen (2. Kapitel), ist das Bundesverfassungsgericht erst dabei, das .Grundrecht auf Verteidigerbeistand" zu entwickeln, wobei die Literatur nur zögernd die Auseinandersetzung hiermit aufzunehmen scheint. Deshalb soll sich die Darstellung im 1. Kapitel auf die Auswertung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und anderer Ansätze in Literatur und Rechtsprechung beschränken und die eigene Bestimmung des Rechtes auf Verteidigerbeistand in seiner grundrechtliehen Absicherung dem Schlußkapitel (4. Kapitel) vorbehalten bleiben. Die Bestimmung des Schutzbereiches des Rechtes auf Verteidigerbeistand sagt jedoch noch wenig über die Verstärkung des Beschuldigtenschutzes durch grund- und menschenrechtliche Absicherung aus. Vielmehr muß diese Garantie umgesetzt, das heißt von den staatlichen Instanzen, die Einflußnahme auf die Stellung des Beschuldigten nehmen, beachtet werden. Dies betrifft die ordentlichen Gerichte und die Strafverfolgungsbehörden, aber auch das Bundesverfassungsgericht und den Gesetzgeber. Gerade bei den beiden letztgenannten Organen ist eine Bindung an Grund- und Menschenrechte auch dann wichtig, wenn diese inhaltlich nicht über die gelten19 Dennoch kann es bei einer Verletzung von Prozeßgrundrechten zu einer Durchbrechung der Rechtskraft kommen: MDH-Dürig, Art. 13 Rn. 25.

6

§ 1 Einleitung

den einfachrechtlichen Garantien hinausgehen. Denn diese sind, soweit die Bindung besteht, nicht nur aufgerufen, den verfahrensrechtlichen Beschuldigtenschutz einem gehobenen grund- und menschenrechtliehen Standard anzupassen bzw. das geltende Recht, das diesem nicht entspricht, für verfassungswidrig zu erklären. Vielmehr ist ihre Aufgabe auch der Bestandsschutz, das heißt, daß der Gesetzgeber - bei drohender Aufhebung seiner gesetzgeberischen Maßnahmen durch das Bundesverfassungsgericht - den bestehenden Beschuldigtenschutz nicht dergestalt herabsetzen darf, daß den Grund- und Menschenrechten nicht mehr Genüge getan wäre. Soweit das Recht auf Verteidigerbeistand durch das Grundgesetz abgesichert ist, ergeben sich insoweit keine Besonderheiten für die Bindung aller staatlichen Organe einschließlich des Gesetzgebers an die Verfassung, die vor dem Bundesverfassungsgericht eingeklagt werden kann, so daß diese nicht gesondert behandelt werden muß. Dagegen ist die Verbindlichkeit der EMRK, obgleich diese gegenüber dem Grundgesetz einen sehr viel detaillierteren Schutz bietet, nicht selbstverständlich. Deshalb wird im 3. Kapitel die Bedeutung dieser Kodifikation für den deutschen Strafprozeß sowie die Eröffnung eines weiteren Rechtswegs vor den Organen der EMRK untersucht. Aufgabe des 4. Kapitels wird es dann sein, Schutzbereich und Einschränkungsmöglichkeiten eines Rechtes auf Verteidigerbeistand zu umschreiben, wie es die Gerichte, Strafverfolgungsbehörden und den Gesetzgeber bindet.

Erstes Kapitel

Das "Grundrecht auf Verteidigerbeistand.. : Bestandsaufnahme der Ansätze des Bundesverfassungsgerichts und der Literatur § 2 Das Recht auf Verteidigerbeistand ln der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Das Grundgesetz kennt von seinem Wortlaut her keine Garantie des Verteidigerbeistandes. Dennoch ist ein solches Recht inzwischen in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung weitgehend anerkannt. Im folgenden soll es darum gehen, Herkunft (I) und Inhalt (II) eines .Grundrechtes auf einen Verteidiger" aufzuzeigen. I. Die Ableitung des Rechtes auf einen Verteidiger A. Das Prinzip fairer Verfahrensführung

Das Bundesverfassungsgericht leitet in ständiger Rechtsprechung einen Anspruch des Beschuldigten auf Beistand eines Verteidigers seines Vertrauens aus dem allgemeinen Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ab. 1 Dabei soll die Garantie des Verteidigerbeistands im Grundsatz fairer Verfahrensführung als besonderer Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips angelegt sein,2 während der Rückgriff auf Art. 2 Abs. 1 GG die Funktion hat, diesem rechtsstaatliehen Erfordernis das Gewicht eines individuellen Anspruchs des Beschuldigten zu verleihen und ihm im Falle eines möglichen Verstoßes gegen dieses Recht die Verfassungsbeschwerde, die gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG nur bei Verletzung be1 BVerfGE 38, 105, 111; 39,238, 243; 46,202, 210; 63,380,391; 64, 135, 149; 65, 171, 174f.; 66,313, 3181.; 68,237, 255; 70,297, 322f.; BVerfG NStZ 1984, 176. 2 In anderen Fällen- BVerfGE 34,293, 302; 56, 185, 186- sah das Bundesverfas-

sungsgericht die Verteidigung ohne Erwähnung von Art. 2 Abs. 1 GG .aus rechtsstaatliehen Gründen geboten" bzw. als von einem .rechtsstaatlich geordneten Strafprozeß verlangt" an.

8

§ 2 Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

stirnroter Grundrechte zulässig ist, zu ermöglichen: Ein Verfahren, das rechtsstaatliehen Grundsätzen widerspricht, stellt einen unzulässigen Eingriff in das Recht des Beschuldigten auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Damit gelangt das Bundesverfassungsgericht in der Mehrzahl seiner Entscheidungen3 zum Recht auf Beistand durch einen Verteidiger über den Weg einer doppelten Konkretisierung: Wie der Grundsatz des fairen Verfahrens eine Ausprägung des Rechtsstaatsgedankens darstellen soll, so ist das Recht auf einen Verteidiger wiederum Teil eines solchen fairen Verfahrens. 4 Der Gedanke eines .fair trial", der einen Grundbestand von Beschuldigtenrechten verfassungsrechtlich garantieren soll, gibt dem Beschuldigten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum einen bestimmte Abwehrrechte gegenüber den Übergriffen der Strafverfolgungsorgane mit Einschluß der Gerichte. Zum anderen soll er aber auch dem Beschuldigten ermöglichen, seine prozessualen Rechte aktiv und sachkundig wahrzunehmen. Denn der Beschuldigte ist nicht nur Objekt des Verfahrens, dem Rechte insoweit zugestanden werden, als es gilt, staatliche Eingriffe in seinen, ihm auch in der Verfahrenssituation grundrechtlich gewährleisteten, Persönlichkeitsbereich abzuwehren, sondern auch und vor allem Subjekt des Verfahrens. 5 Das heißt, daß ihn prozessuale Rechte in die Lage versetzen müssen, aktiv auf den Ablauf und damit das Ergebnis des Verfahrens Einfluß zu nehmen. Diese Komponente des Grundsatzes fairer Verfahrensführung, in der das Würdeprinzip des Art. 1 GG anklingt, ist Grundlage des Rechtes auf einen Verteidiger. Seine Funktion ist es, den Beschuldigten als Subjekt des Verfahrens zu unterstützen, ihm Zugang zu allen verfahrensrelevanten Informationen zu verschaffen6 und ihn von anderen Verfahrensbeteiligten unabhängig zu machen. 7 Der Verteidiger verhilft dem Beschuldigten zur Wahrnehmung seiner Rolle als selbständiger Verfahrensbeteiligter neben den anderen Beteiligten, der, um Übergriffe anderer Verfahrensbeteiligter abzuwehren und selbst aktiv auf Gang und Ergebnis des Verfahrens Einfluß zu nehmen, 8 letztendlich weder der Fürsorge des Gerichts noch der Unterstützung durch die Staatsanwaltschaft(§ 160 Abs. 2 StPO) bedarf. Er ist somit Ausdruck der Autonomie des Beschuldigten. 3 Nur wenige Urteile, die das Recht aus Art. 2 i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip herleiten, verzichten auf die Erwähnung des Prinzips eines fairen Verfahrens: BVerfGE 34,293, 302; 39, 156, 163; 56, 185f.; BVerfG NStZ 1984, 176. 4 BVerfGE 38, 105, 111; 39,238, 243; 46,202, 210; 63,380,391; 65, 171, 174 f.; 66,313, 318. 5 BVerfGE 38, 105, 111. 6 BVerfGE 64, 135, 149. 7 BVerfGE 38, 105, 111. 8 BVerfGE 70, 297, 323.

I. Die Ableitung des Rechtes auf einen Verteidiger

9

Die eindeutige Stellung des Verteidigers an der Seite des Beschuldigten ist wohl auch Hintergrund für die verfassungsgerichtliche Aussage, daß nicht nur Beistand als solcher, sondern gerade durch den Verteidiger des Vertrauens gewährleistet sei. Andererseits wird der Verteidiger aber als mit eigenen Rechten und Pflichten ausgestattetes .Organ der Rechtspflege" 9 angesehen, das gleichberechtigt mit der Staatsanwaltschaft im Verfahren tätig werde und dem, da es zur Rolle des Beschuldigten in Distanz stehe, auch Beschränkungen abverlangt werden könnten, denen der Beschuldigte nicht unterliegt.'o B. Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege und Rechte Dritter

Die Grundlegung der Garantie eines fairen Verfahrens im Rechtsstaatsprinzip markiert gleichzeitig die Grenzen dieses Rechtes und damit des Rechtes auf Verteidigerbeistand. Denn der Grundsatz fairer Verfahrensführung stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur eine Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips unter anderen dar. Das Bundesverfassungsgericht hat bisher auf eine Gesamtdefinition des Rechtsstaatsbegriffesverzichtet und dessen Inhalt über einzelne Postulate zu konkretisieren versucht. 11 So werden neben dem Prinzip fairer Verfahrensführung auch die Forderung nach einem Verfahren, das ein auf materieller Wahrheit beruhendes 12 und gerechtes 13 Urteil verbürgt, sowie die Garantie einer funktionstüchtigen effektiven Rechtspflege 14 aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet. Diese den Strafprozeß bestimmenden rechtsstaatliehen Grundsätze, die gleichzeitig unterschiedliche Verfahrensziele beschreiben und ihrer gegensätzlichen Zielsetzung wegen weitgehend in Konflikt geraten,15 gehen in der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts in eine umfassende Abwägung im Rahmen des Verhältnismäßigkeilsgrundsatzes ein. 16 Das Prinzip fairer Verfahrensführung wird damit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dort eingeschränkt, wo andere rechtsstaatliche Forderungen höher eingestuft werden. 17 Dies gilt auch für das Recht auf Vgl. § 1 BRAO. BVerfGE 53, 207, 214. 11 Hesse, Grundzüge, Rn. 184 f. 12 BVerfGE29,183,194;32,373,381;36,174,186;38,105,116;39,205,209; 44,347, 353; 45, 272, 294 ff.; 47, 239, 248. 13 BVerfGE7,89,92;7,194,196;20,223,231;21,378,388;36,174,186;44,358,374. 14 Nachw. zur umfangreichen Rechtsprechung bei Niemöller I Schuppert, AöR 107 (1982), 394; Hassemer, StV 1982, 275f. 15 Niemöller I Schuppert, AöR 107 (1982), 398. 16 Z. B. BVerfGE 38, 105, 118. 17 Niemöller I Schuppert, AöR 107 (1982), 397ff., 442 m. Nachw. der Rspr. 9

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§ 2 Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

einen Verteidiger, das seine Grenzen in der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege,18 in der Sicherung eines ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs 19 oder im rechtsstaatliehen Interesse an Beschleunigung20 finden soll. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht das Grundrecht auf ein faires Verfahren auch als durch kollidierende Grundrechte eingeschränkt angesehen. Das Grundgesetz untersage nicht, in Grundrechte mit Blick auf andere Grundrechte einzugreifen, wenn dies die einzige Möglichkeit zum Schutz dieser Grundrechte sei und eine Abwägung ihre Höherwertigkeit ergebe. So hat das Bundesverfassungsgericht die - zeitlich begrenzte Untersagung des Kontaktes des Verteidigers mit dem inhaftierten Beschuldigten zum Schutz von Leib und Leben Dritter als verfassungsgemäß angesehen.21 C. Das,. Verlangen" nach,. WaHenglelchhelt" und rechtbches Gehör

Während der Grundsatz fairer Verfahrensführung in ständiger Rechtsprechung zur Begründung des Rechtes auf Verteidigerbeistand herangezogen wird, findet das damit oft in Verbindung gebrachte Prinzip der Waffengleichheit jedenfalls hinsichtlich des Strafverfahrens wenig Erwähnung in der verfassungsgerichtlichen Judikatur. Zwar wird in einer Entscheidung22 das Recht auf Verteidigerbeistand aus dem Anspruch auf ein faires Verfahren, das .durch das Verlangen nach verfahrensrechtlicher ,Waffengleichheit' von Ankläger und Beschuldigtem gekennzeichnet" sei und damit dem besonderen Schutz des Beschuldigten diene, abgeleitet. Das heißt, daß der Verteidiger die Stellung des Beschuldigten stärken soll, um ihm gegenüber dem Ankläger größeres Gewicht zu verleihen. Doch deutet die Formulierung "Verlangen nach verfahrensrechtlicher ,Waffengleichheit'" darauf hin, daß diese weniger ein allgemeines, verfassungsrechtlich verbürgtes Verfahrensprinzip darstellt, aus dem bestimmte Rechte abzuleiten wären, als vielmehr ein Postulat, dem durch Schaffung bestimmter Rechte nähergekommen werden soll. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht an anderer Stelle23 mutiger von einem .Prinzip der prozessualen W af18 BVerfGE 38, 105, 115; 65, 171, 178. Bemerkenswert ist, daß in BVerfGE 65, 171, 178, wo keine Hinweise auf eine evtl. Beeinträchtigung der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege vorlagen, das BVerfG dennoch in einem angehängten Satz bemerkte, diese sei durch seine Entscheidung nicht tangiert. Das deutet darauf hin, daß das BVerfG bei der Prüfung, ob das Recht auf Beistand verletzt ist, mögliche Beeinträchtigungen der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege immer mitbedenken möchte. 19 BVerfGE 39, 156, 163; 66, 313, 321. 20 BVerfG NStZ 1984, 176. 21 BVerfGE 49, 24 ff. 22 BVerfGE 38, 105, 111. 23 BVerfGE 63, 380, 392 f.

I. Die Ableitung des Rechtes auf einen Verteidiger

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fengleichheit" spricht, so handelt es sich auch dort nicht um einen eigenständigen Grundsatz, sondern um ein Element fairer Verfahrensführung. W affengleichheit, soweit überhaupt erwähnt, wird nicht verstanden als eine formelle Waffengleichheit zwischen Beschuldigtem und Ankläger bzw. gar dem Gericht, die beiden Seiten schematisch gleich starke Positionen zusicherte. Aus ihr soll nicht einmal folgen, daß in einem Privatklageverfahren, in dem der Privatkläger, der die Rolle des Anklägers übernimmt, ohne wie die Staatsanwaltschaft gemäߧ 160 Abs. 2 StPO zur Objektivität verpflichtet zu sein, von einem Anwalt vertreten ist, auch dem Beschuldigten ein Verteidiger beigeordnet werden muß. 24 Sie fordere vielmehr in einem materiellen Sinne den Beistand eines Verteidigers nur dort, wo der Beschuldigte bei Berücksichtigung aller ihn begünstigender Faktoren einschließlich der Fürsorgepflichtdes Gerichts dem Ankläger, sei es Staatsanwalt, sei es Privatkläger, unterlegen ist. Damit kommt dem Prinzip der Waffengleichheit keine eigenständige Funktion für die Ableitung des Rechtes auf Verteidigerbeistand aus dem Grundgesetz zu. Sie kann aber einen Maßstab setzen, wonach Verteidigerbeistand jedenfalls soweit verbürgt ist, als der Beschuldigte ohne diesen gegenüber den anderen Verfahrensbeteiligten benachteiligt wäre. Eine Ableitung des Rechtes auf Verteidigerbeistand aus der Garantie des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG lehnt das Bundesverfassungsgericht dagegen ab. In ständiger Rechtsprechung hat es ohne weitere Begründung wiederholt, Art. 103 Abs. 1 GG gewährleiste nur das rechtliche Gehör als solches, nicht aber gerade durch Vermittlung eines Anwalts.25 D. Ergebnis

Das Bundesverfassungsgericht leitet den Anspruch des Beschuldigten auf Beistand eines Verteidigers in ständiger Rechtsprechung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. mit dem Rechtsstaatsprinzip in dessen Ausprägung als Grundsatz fairer Verfahrensführung ab. Der Verteidiger steht in einem fairen Verfahren, das den Beschuldigten mit Abwehrrechten, aber auch der Stellung eines unabhängigen Verfahrenssubjektes ausstattet, das auf das Verfahrensergebnis Einfluß nehmen kann, vor allem für dessen Autonomie. Dies verlangt einen Verteidiger des Vertrauens, der sich aber gleichzeitig auch in gewisser Distanz zum Beschuldigten und zum Tatgeschehen befindet. Er ist im Sinne einer materiell verstandenen Waffengleichheit jedenfalls immer dort verbürgt, wo eine Gesamtbetrachtung die Unterlegenheit des Beschuldigten gegenüber dem Vertreter der Anklage ergibt. Grenzen findet der Anspruch des Beschuldigten nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts in den 24 25

BVerfGE 63, 380, 392f.; a.A. Hirsch in abw. Meinung zu BVerfGE 56, 185, 189. S. u. a. BVerfGE 9, 124, 132; 31,297, 301; 31,306, 308; 38, 105, 118; 39, 156, 168.

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ebenfalls rechtsstaatlich geschützten Erfordernissen einer funktionstüchtigen Rechtspflege und den Grundrechten Dritter, die im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung mit den Interessen des Beschuldigten abgewogen werden. II. Der Inhalt des Rechtes auf Verteidigerbelstand Ist die Herleitung der Garantie noch eindeutig, so lassen sich für den Schutzbereich des ungeschriebenen .Grundrechtes auf Verteidigerbeistand" der Verfassungsgerichtsrechtsprechung schon sehr viel weniger Konturen entnehmen. Immerhin kann man zwischen dem Recht auf Verteidigerbeizug (A) und dem Anspruch des mittellosen Beschuldigten auf Verteidigerbeiordnung (B), sowie der Garantie einzelner Rechte der Verteidigung (C) unterscheiden. A. Das Recht auf Beizug eines Verteidigers

Im Folgenden soll nun die verfassupgsgerichtliche Rechtsprechung zum Verteidigerbeizug dargestellt werden. Die Auswahl der angesprochenen Einzelprobleme ergibt sich da bei allein daraus, daß diese dem Bundesverfassungsgericht bereits zur Prüfung vorlagen. 1. Vertrauensprinzip und freie Wahl des Verteidigers Das Bundesverfassungsgericht gibt dem Beschuldigten in ständiger Rechtsprechung das verfassungsrechtlich verbürgte Recht, sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers seiner Wahl und seines Vertrauens zu bedienen. 26 In diesem Satz verbergen sich genau genommen drei Garantien, nämlich das Recht, sich jederzeit eines Verteidigers zu bedienen, die Garantie freier Verteidigerwahl und das Vertrauensprinzip. Während aber das Recht auf einen Verteidiger des Vertrauens aus dem Anspruch auf ein faires Verfahren abgeleitet wird, so daߧ 137 StPO als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips anzusehen sei, 27 sieht das Gericht in der freien Wahl des Verteidigers lediglich einen Ausdruck der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG, ohne daß auf das Rechtsstaatsprinzip zurückgegriffen würde. 28 Zwar ist mitunter29 davon die Rede, daß der 26 BVerfGE 16, 214, 217; 34, 293, 302; 39, 156, 163; 39, 238, 243; 45, 272, 293f. implizit; 63,380, 391; 64, 135, 149; 66, 313, 318f.; BVerfG NStZ 1984, 176. 27 BVerfGE 66, 313, 318. 28 BVerfGE 39, 156, 166; 45, 272, 293f. implizit.

II. Der Inhalt des Rechtes auf Verteidigerbeistand

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Grundsatz fairer Verfahrensführung das Recht des Beschuldigten umfasse, sich durch einen gewählten Verteidiger seines Vertrauens vertreten zu lassen. Doch mißt das Bundesverfassungsgericht die Vorschriften, die die freie Wahl des Verteidigers beschränken könnten, regelmäßig nur an Art. 2 Abs. 1 GG. 30 Das bedeutet, daß nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts zwar die Beiziehung eines Verteidigers als Voraussetzung eines rechtsstaatliehen Verfahrens garantiert ist. Wird die freie Verteidigerwahl beschränkt, so liegt zwar ein Eingriff in die in Art. 2 Abs. 1 GG garantierte Freiheit des Beschuldigten vor, der nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung zulässig ist. Auf keinen Fall kann eine solche Einschränkung aber deshalb unerlaubt sein, weil sie rechtsstaatliehen Grundsätzen widerspräche. Dagegen kann ein Eingriff in die Beiziehung eines Verteidigers des Vertrauens verfassungswidrig sein, weil ein rechtsstaatliches Verfahren nicht gewährleistet war. 2. Beschränkung der Verteidigerzahl Die Begrenzung der Zahl der Wahlverteidiger eines Beschuldigten in§ 137 Abs. 1 S. 2 StPO ist mit dem Ergänzungsgesetz zum 1. StVRG, 31 das unter dem Eindruck der Terroristenprozesse verabschiedet wurde, in die StPO aufgenommen worden. Sie soll verhindern, daß durch dieWahleiner großen Zahl von Verteidigern Prozesse verschleppt und störanfällig werden. Den Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes, das den Beschuldigten in seiner Möglichkeit der Beiziehung weiterer Verteidiger beschränkt, ist das Bundesverfassungsgericht32 entgegengetreten. Zwar gebe Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip dem Beschuldigten das Recht auf Beistand eines Verteidigers, doch umfasse dies nicht den Anspruch, sich von einer beliebigen Zahl von Verteidigern vertreten zu lassen. Vielmehr müsse der Gesetzgeber auch die Bedürfnisse der Verfahrenssicherung - "Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege als Gebot des Rechtsstaatsprinzips"- beachten. In§ 137 Abs. 1 S. 2 StPO habe er das Interesse des Beschuldigten an umfassender Verteidigung, die mit drei Wahlverteidigern gewährleistet sei, und die Bedürfnisse der Sicherung des Verfahrensablaufs in Einklang gebracht. 33 BVerfGE 39, 238, 243. BVerfGE 39, 156, 166; 45, 272, 295. 31 Gesetz zur Ergänzung des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafverfahrensrechts vom 20. 12. 1974. Die Vorschrift wurde zwar wegen besonderer Schwierigkeiten im sog. Baader-Meinhoff-Prozeß erlassen- Schmidt-Leichner, NJW 1975, 419 -,hat aber inzwischen auch für andere Verfahren Bedeutung erlangt- H. W. Schmidt, MDR 1977, 529. 32 BVerfGE 39, 156 ff. 33 Bedenken hinsichtlich der .unechten Rückwirkung" der Vorschrift (sie betraf 29

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3. Verbot der Mehrfachverteidigung Der mit demselben Gesetz eingefügte§ 146 StPO, wonach ein Verteidiger grundsätzlich nur einen Beschuldigten vertreten darf (Verbot der Mehrfachverteidigung), war wiederholt Gegenstand verfassungsgerichtlicher Überprüfung. Während die Mehrzahl der Entscheidungen wegen des Eingriffscharakters dieser Norm in die Berufsfreiheit des Rechtsanwalts zu Art. 12 GG ergingen, 34 finden sich auch Entscheidungen, die§ 146 StPO am Recht des Beschuldigten auf Verteidigerbeistand35 und freie Wahl des Verteidigers36 messen. Hinsichtlich des Beschuldigten stelle § 146 StPO in erster Linie einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit dar, da er ihn in seiner Verteidigerwahl einschränkeY Während also die Vorschriften der §§ 137 Abs. 1 S. 2 und 146 StPO in der Literatur immer wieder zusammengenommen als mögliche Einschränkungen des Rechtes auf Beizug eines Verteidigers diskutiert werden, macht das Bundesverfassungsgericht hier einen Unterschied. Das Recht auf Beiziehung überhaupt wird aus dem Anspruch auf ein faires Verfahren abgeleitet: § 137 Abs. 1 S. 2 StPO hindert den Beschuldigten, einen weiteren Verteidiger zuzuziehen. Dagegen soll das Recht auf Wahl eines bestimmten Verteidigers, wie sie die Regelung des§ 146 StPO verbietet, nur Ausdruck der allgemeinen Handlungsfreiheit sein. Die allgemeine Handlungsfreiheit des Beschuldigten sei jedoch durch das Verbot der Mehrfachverteidigung nicht verletzt, da dieses Recht dem Beschuldigten nicht die Befugnis gewähre, einen Verteidiger zu wählen, der gesetzlich an der Mandatswahrnehmung gehindert sei, soweit dieses Gesetz zur verfassungsmäßigen Ordnung gehöre, also nicht die Grundrechte des Anwalts beeinträchtige bzw. sonst gegen die Verfassung verstoße. Ein Verstoß gegen Art. 12 GG könne aber nicht festgestellt werden.38 auch die Verteidigung in laufenden Strafverfahren) hat das Gericht mit Hinweis auf seine Ausführungen beim Verbot der Mehrfachverteidigung {BVerfGE 39, 156, 166) zurückgewiesen - BVerfGE 45, 272, 296, vgl. Anm. 38 34 U. a. BVerfGE 39, 205 ff.; 43, 79 ff.; 45, 272 ff.; 45, 354 ff.; BVerfG NJW 1976, 231 ; AnwBl. 1976, 96 f. 35 Angedeutet in BVerfGE 45, 272, 293f. 36 BVerfGE 39, 156, 166; 45, 272, 295. 37 BVerfGE 39, 156, 166; 45, 272. 295. 38 BVerfGE 39, 156, 164 ff. Auch daß die Vorschrift die Verteidigung in bereits laufenden Strafverfahren betroffen hat, führt nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu ihrer Verfassungswidrigkeit: Zwar greife das Gesetz in bestehende Verteidigermandate ein, doch handele es sich dabei, da es um laufende Strafverfahren gehe, nur um einen Fall unechter Rückwirkung. Solche Gesetze seien grundsätzlich zulässig, auch wenn der Vertrauensschutz dem Gesetzgeber Grenzen ziehe. Etwaiges Vertrauen des Beschuldigten und seines Verteidigers in den Fortbestand der Regelung müßte hier aber hinter dem öffentlichen Interesse an funktionstüchtiger Strafjustiz zurückstehen. Die Stellung desVerteidigersberuhe auf strafprozessua-

II. Der Inhalt des Rechtes auf Verteidigerbeistand

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Doch sind Fallkonstellationen denkbar, in denen§ 146 StPO dem Beschuldigten nicht nur den Beizug eines bestimmten Verteidigers, sondern Verteidigerbeistand überhaupt verwehrt. Anläßlich der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Anwendbarkeit von§ 146 StPO im Ordnungswidrigkeitsverfahren39 hatten die Beschwerdeführer - allesamt Rechtsanwälte - zwei Argumente vorgebracht, die mögliche Auswirkungen von § 146 StPO auf den Verteidigerbeistand als solchen zeigen: Bei den in Frage stehenden Kartellverfahren gebe es nur wenige Spezialisten, so daß in den im Kartellrecht häufigen Großverfahren oft nicht jeder Angeklagte einen kompetenten Verteidiger erhalte. Auch sei bisher, wenn ein Verteidiger mehrere betroffene Angestellte eines Unternehmens verteidigt habe, mit dem Unternehmen eine Pauschalvergütung vereinbart worden. Es sei zweifelhaft, ob die Unternehmen nun bereit seien, weitere Verteidigerkostenkosten für jeden einzelnen Angestellten zu übernehmen. Ein Teil der Betroffenen müsse deshalb unter Umständen aus Kostengründen darauf verzichten, sich verteidigen zu lassen. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Argumentation überprüft - allerdings ohne das Recht auf Verteidigerbeistand explizit zu erwähnen, da nur die Anwälte Verfassungsbeschwerde eingelegt hatten - und abgelehnt: Auch im Bußgeldverfahren seien genügend Anwälte vorhanden. Es gebe zahlreiche wirtschaftlich orientierte Anwaltssozietäten. 40 Grundsätzlich sei davon auszugehen, daß sich jeder Verteidiger, soweit der Betroffene ihn genügend informiere und er sich zusätzliche Kenntnisse durch Akteneinsicht verschaffe, auch in kompliziertere Sachverhalte, 4ie keine Spezialität des Kartellverfahrens seien, einarbeiten könne. Das genannte Kostenrisiko stelle sich in allen Verfahren. Die Chance der Kostenersparnis genieße keinen verfassungsrechtlichen Rang. Vielmehr sei auch hier wie in anderen Verfahren in Fällen, in denen die Verteidigung rechtsstaatlich gefordert sei, bei Mitteliosigkeit des Betroffenen die Verteidigung über§ 140 StPO sichergestellt.

Zum Abschluß sei noch ein Blick auf die Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur Vereinbarkeil von§ 146 StPO mit der Berufsfreiheit des Verteidigers geworfenY Die Beschwerdeführerwaren zwar jeweils Rechtsanwälte, so daß den Urteilen direkte Aussagen zum Recht auf Verteidigerbeistand Jen Normen. Auf eine Unverände.olichkeit des Prozeßrechts könne der Beschuldigte nicht vertrauen (S.166f.). 39 BVerfGE 45, 272 ff. 40 Allerdings weist das BVerfG in diesem Zusammenhang darauf hin, daß eine Auslegung des§ 146, wonach dieser auch für Anwaltssozietäten gelte, ~erfassungs­ widrig sei. - S. a. BVerfGE 43, 79, 92; 72, 34, 37 f.; vgl. nun auch die Anderung in StVÄG 1987. 41 BVerfGE 39, 205 ff. und 45, 272 ff. zur Anwendbarkeit von § 146 StPO im Bußgeldverfahren; BVerfGE 43, 79 und 72, 34, 37 f. zur Frage der Geltung von§ 146 StPO für Anwaltssozietäten; BVerfGE 45, 354 ff. zur Frage, ob§ 146 StPO die Verteidigung mehrerer Beschuldigter auch dann verbietet, wenn diesen nicht dieselbe Tat zur Last gelegt wird; BVerfG NJW 1976, 231 und Anw. BI. 1976, 96f. (jeweils Beschlüsse des Vorprüfungsausschusses) zum Problem der Anwendung des§ 146 StPO auf die sog. sukzessive Verteidigung. Näheres zu diesen Entscheidungen s. Martin, Dreher-Festschrift, S. 658 ff.

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nicht zu entnehmen sind. Doch lassen sich unter Umständen anhand der Kriterien, die das Bundesverfassungsgericht bei der Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen anlegte, auch Anhaltspunkte für den Eingriff in das Grundrecht auf einen Verteidiger entwickeln. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesen Urteilen dem Gesetzgeber allgemein bescheinigt, einen legitimen Eingriffsgrund zu haben: Interessenkonflikte des Verteidigers, der bei der Verteidigung mehrerer Angeklagter leicht in die Verlegenheit gerät, zugunsten des einen Beschuldigten den Mitbeschuldigten zu belasten, sollten vermieden werden. 42 Daran bestehe nicht nur ein individuelles Interesse des einzelnen Beschuldigten, sondern ein Allgemeininteresse an funktionstüchtiger Beistandschaft Denn an effektiver Verteidigung habe nicht nur der Beschuldigte, sondern auch die Allgemeinheit ein Interesse. Zudem beeinträchtige eine Pflichtenkollision das rechtsstaatliche Interesse an der Wahrheitstindung im Strafprozeß. 43 Der Verteidiger habe neben den Interessen des Beschuldigten auch denen der Allgemeinheit zu dienen. Die jetzige Regelung des§ 146 StPO sei besser als die alte Fassung, die die Verteidigung mehrerer Beschuldigter nur bei konkretem Interessengegensatz untersagt hatte, geeignet, dieses Ziel zu erreichen, da sie generell einen Interessenkonflikt ausschließe. 44 Daß die alte Regelung ein milderes Mittel gewesen sei, stehe der Verfassungsmäßigkeit nicht entgegen, da der Gesetzgeber zur Wahl des milderen Mittels nur gezwungen sei, wenn dieses ebensogut wie das einschneidendere den erstrebten Zweck erfülle. Auch sei die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne gewahrt. 45 Das Interesse des Anwalts an freier Berufsausübung müsse hinter dem Allgemeininteresse an effektivem Verteidigerbeistand, aber auch an einer funktionstüchtigen Rechtspflege zurückstehen. 46 4. Verteidigerausschluß Der Ausschluß des Verteidigers als .. schärfste Maßnahme ... gegenüber dem Anwalt des Beschuldigten überhaupt" 47 war mehrfach Gegenstand verfassungsgerichtlicher Entscheidungen. 48 Sie ergingen - mit wenigen Ausnahmen 49 - zur alten Rechtslage, wonach der Ausschluß gesetzlich 42

96f. 43 44

45 46 47

48 49

BVerfGE 39, 156, 164; 39,205, 209; 43, 79,91; 45,354, 358; BVerfG Anw. BI. 1976, BVerfGE 39, 205, 209. BVerfGE 39, 156, 169. BVerfGE 39, 156, 165; BVerfG NJW 1976, 231. BVerfGE 45, 354, 359. BVerfGE 34, 293, 302. BVerfGE 16, 214ft.; 22, 114ft.; 34, 293ft. BVerfGE 38, 105ft.; BVerfG NJW 1975, 2341; EuGRZ 1975,462.

II. Der Inhalt des Rechtes auf Verteidigerbeistand

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nicht geregelt war, und zu Art. 12 GG. Denn jeweils hatten nur die Verteidiger, die zurückgewiesen worden waren, weil sie von der Staatsanwaltschaft als Zeugen benannt wurden, 5° Mitglied der SED waren 51 bzw. im Verdacht der Tatbeteiligung standen52, Verfassungsbeschwerden eingelegt, die auch wegen Verstoßes gegen die Berufsfreiheit weitgehend positiv beschieden wurden, da es an einer gesetzlichen Grundlage für den Ausschluß fehle. 53 Für die Frage, inwieweit der Ausschluß eines Verteidigers in Grundrechte des Beschuldigten eingreift, sind diese Entscheidungen wenig ergiebig, da in ihnen auf den Anspruch des Beschuldigten nur implizit bei der Verhältnismäßigkeitsahwägung eingegangen wird. So heißt es etwa im Schily-Urteil,54 daß der Verteidigerausschluß Grundsätze von hohem Rang berühre, da er dem Beschuldigten den Verteidiger seiner Wahl nehme, und deshalb über die Anforderungen, die Art. 12 GG an seine Einschränkung stellt, hinaus besonderer gesetzlicher Legitimation bedürfe. Zu den nunmehr mit dem 1. StVRG von 1975 eingeführten Ausschlußregelungen der§§ 138a ff. StPO hat bisher nur der Dreier-Ausschuß wiederum auf Verfassungsbeschwerde eines Verteidigers hin entschieden. 55 Dort wurde eine gegen§ 138a StPO gerichtete Verfassungsbeschwerde als offensichtlich unbegründet abgewiesen. Der Ausschluß des Verteidigers wegen dringenden Verdachts des Mißbrauchs des Verkehrsrechts zur Begehung von Straftaten56 verstoße nicht gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Es sei Sache des Gesetzgebers, den Kreis der zum Ausschluß führenden Straftaten festzulegen. Auch sei die - zwingende - Ausschlußregelung nicht deshalb verfassungswidrig, weil mildere Mittel, wie die Aberkennung einzelner Verteidigungsbefugnisse, hätten angeordnet werden können. Ob dabei die "zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste" Regelung gefunden worden sei, könne vom Bundesverfassungsgericht nicht überprüft werden. Auch verstoße es nicht gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip, wenn zwischen der zur Aburteilung stehenden und der dem Mißbrauch des Verkehrsrechts entwachsenen Tat kein Zusammenhang bestehe. Mit Hinweis auf diese Entscheidung hat der Dreier-Ausschuß in seinem Beschluß vom 18.9.197557 weitere Verfassungsbeschwerden von Anwälten und Beschuldigten für offensichtlich unbegründet erklärt. BVerfGE 16, 214ft. BVerfGE 22, 114 ff. 52 BVerfGE 34, 293 ff. 53 BVerfGE 22, 114; 34, 293, 299ff. 54 BVerfGE 34, 293ff. 55 BVerfG NJW 1975, 2341. 56 Die Entscheidung erging noch zu der Regelung von 1975, wonach bei Verdacht einer Ausnutzung des Verkehrsrechts zur Begehung von Straftaten, die mit einer Höchststrafe von über einem Jahr sanktioniert sind, der Ausschluß erfolgen sollte. 57 BVerfG EuGRZ 1975, 462. 50

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2 Spaniol

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Nicht unmittelbar mit dem Verteidigerausschluß befaßt sich eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Ausschluß des Rechtsanwaltes von Zeugen, die als potentielle Tatverdächtige in Betracht kommen. 58 Hier wurde der Verfassungsbeschwerde stattgegeben: Der Beschuldigte habe das Recht, sich in jeder Lage des Verfahrens eines Verteidigers zu bedienen. Dieses Recht gewähre der Grundsatz fairer Verfahrensführung auch dem Zeugen. Doch finde dieses Recht seine Grenzen in der Idee der Gerechtigkeit und dem Verlangen nach funktionstüchtiger Rechtspflege. Da der Zeuge der W ahrheitsfindung diene, dürfe die Anwesenheit eines Verteidigers nicht dazu führen, daß die Wahrheitsermittlung unmöglich werde. Die folgende Abwägung gibt allerdings dem Interesse des potentiell mitverdächtigen Zeugen Vorrang vor einer völlig ungestörten Wahrheitsermittlung. Daraus läßt sich schließen, daß ein Ausschluß des Verteidigers des Beschuldigten zur Verbesserung der Chancen der Wahrheitstindung nicht zulässig wäre.

Zusammenfassend lassen sich den zitierten Urteilen folgende Aussagen entnehmen: Der Verteidigerausschluß stellt sich als ein erheblicher Eingriff in das Recht des Beschuldigten auf Beiziehung eines Verteidigers dar, da er dem Beschuldigten den Verteidiger seines Vertrauens nimmt. Ein Ausschluß kann aber dann verfassungsrechtlich zulässig sein, wenn das Interesse an einer funktionstüchtigen Rechtspflege und die Idee der Gerechtigkeit höher zu bewerten sind, wobei ein Interesse an einer besseren W ahrheitsfindung regelmäßig nicht als ausreichend angesehen werden kann.

5. Pflichtverteidiger neben dem Wahlverteidiger Die Bestellung eines Pflichtverteidigers neben dem Wahlverteidiger ist von Gesetzes wegen nicht vorgesehen.§ 143 StPO bestimmt vielmehr, daß bei Zuziehung eines Wahlverteidigers die bereits erfolgte Bestellung eines Pflichtverteidigers zurückzunehmen ist, wobei dem Vorrang des vom Beschuldigten frei gewählten Verteidigers vor dem Pflichtverteidiger Rechnung getragen wird. Dennoch begann die Praxis mit den Terroristenprozessen, was vorher nur in Einzelfällen vorgekommen war, zur Verfahrenssicherung - man befürchtete, der Wahlverteidiger könne die Verteidigung niederlegen und damit den Prozeß zum .Platzen" bringen - neben dem Wahlverteidiger einen Pflichtverteidiger zu bestellen.59 Diese Praxis, die seither über die Terroristenprozesse hinaus Bedeutung erlangt hat, ist vom BGH60 und vom Bundesverfassungsgericht 61 für verfas58 59 60

BVerfGE 39, 105 ff. Nachw. etwa bei Rieß, StV 1981, 460ff. BGHSt 15,306, 3071.; BGH NJW 1973, 1985.

II. Der Inhalt des Rechtes auf Verteidigerbeistand

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sungsgemäß erklärt worden. Bedenken, daß damit in das Recht auf Verteidigerbeistand eingegriffen werde, da das Verteidigungskonzept von einem unerwünschten "Zwangsverteidiger" durchkreuzt werden könne und dem Wahlverteidiger bestimmte Möglichkeiten des Agierens genommen würden,62 hat das Bundesverfassungsgericht- allerdings in einem obiter dieturn - zurückgewiesen: Es entspreche rechtsstaatliehen Grundsätzen, durch die Bestellung eines Pflichtverteidigers einen ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu sichern. Das Recht auf Beiziehung eines Verteidigers des Vertrauens ist nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts63 allerdings dann verletzt, wenn bei der Kostenerstattung nach einem Freispruch dem Wahlverteidiger des Angeklagten die Kosten abgezogen werden, die mit der zusätzlichen Pflichtverteidigerbestellung entstanden sind. Denn damit erwachse dem Beschuldigten, dem ein Pflichtverteidiger neben dem Wahlverteidiger beigeordnet werde, ohne daß er dies zu vertreten hat, im Vergleich zu anderen ein erheblicher finanzieller Nachteil. Diesem könne er nur entgehen, indem er bei Bestellung des Pflichtverteidigers seinem Wahlverteidiger das Mandat entziehe. Damit werde aber die Wahlverteidigung nicht .unwesentlich erschwert". Diese Bestätigung der Vorrangstellung des Verteidigers des Vertrauens erfährt allerdings eine Einschränkung: Der Fall sei, so das Bundesverfassungsgericht, unter Umständen anders zu entscheiden, wenn dem Angeklagten durch sein Verhalten bzw. das Verhalten seines Wahlverteidigers - beispielsweise im Hinblick auf eine mögliche .Prozeßsabotage" die Bestellung des Pflichtverteidigers zuzurechnen sei. Auch hat das Bundesverfassungsgericht in einem neueren Urteil64 entschieden, daß das Recht auf Verteidigerbeistand für den freigesprochenen Beschuldigten keinen Anspruch auf unbeschränkten Ersatz seiner W abiverteidigerkosten mit sich bringe. Vielmehr müsse dem Beschuldigten, der durch die Schwierigkeit des Falles entstandene Mehrkosten nicht aufzubringen vermag, in Fällen, in denen es rechtsstaatlich erforderlich sei, ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden. Damit sei den Anforderungen an ein rechtsstaatliches Strafverfahren Genüge getan. BVerfGE 39, 238, 246; 66, 313, 320f. Z. B. steht dem Verteidiger die Möglichkeit nicht mehr offen, im Fall eklatanter Prozeßrechtsverstöße den Gerichtssaal zu verlassen, da dies wegen der Anwesenheit des Pflichtverteidigers ohne prozessuale Folgen bleibt. 63 BVerfGE 66,313,320 f.; vgl. a. OLG München JZ 1981, 202; instruktivBringewat in der Anmerkung zu diesem Urteil- JZ 1981, 452; zustimmend bzgl. der Kostenbelastung, wenn der Beschuldigte die Beiordnung zu vertreten hat: Senge, NStZ 1984, 562. 64 BVerfGE 68, 237, 256; vgl. insofern noch weitergehender das (schweizerische) BG bei Malinverni I Wildhaber, SJfiR 1983, 295ff. 61

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8. Das Recht des mittellosen Beschuldigten auf Beiordnung eines Verteidigers

Der Anspruch des Mittellosen auf unentgeltliche Verteidigerbeiordnung stellt sich auf den ersten Blick als rein sozialstaatliches Problem dar. Das Bundesverfassungsgericht sieht jedoch, wie im folgenden zu zeigen sein wird, auch hier vor allem die Grundsätze fairer Verfahrensführung berührt.

1. Voraussetzungen der Beiordnung Die ältere Rechtsprechung65 hat allerdings die Frage der Beiordnung eines Verteidigers für den mittellosen Beschuldigten allein an Art. 3 Abs. 1 GG - Gleichstellung von mittellosem und bemitteltem Beschuldigten gemessen, und dabei die Regelung der Pflichtverteidigerbestellung- §§ 140, 350 Abs. 2 StPO - für ausreichend angesehen, den Anforderungen von Art. 3 Abs. 1 GG Genüge zu tun: Der Gleichheitssatz gebiete keine volle formelle Gleichstellung von Bemitteltem und Unbemitteltem, sondern lediglich eine Angleichung. Der Rechtsschutz des Mittellosen dürfe im Vergleich zu dem des bemittelten Beschuldigten nicht unverhältnismäßig erschwert werden. Das sei nicht der Fall, wenn die Verteidigung des Beschuldigten in anderer Weise sachgerecht gewährleistet sei. Im übrigen gewährleiste die Möglichkeit der Pflichtverteidigerbestellung die nötige Angleichung von bemitteltem und nicht bemitteltem Angeklagten. 56 Dagegen leitet das Bundesverfassungsgericht in jüngerer Zeit in ständiger Rechtsprechung den Anspruch des mittellosen Beschuldigten auf kostenlose Beiordnung eines Verteidigers aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ab. 67 Der mittellose Beschuldigte habe Anspruch auf kostenlosen Verteidigerbeistand. Wird dieser nicht gewährleistet, so sieht das Bundesverfassungsgericht ein rechtsstaatliches Verfahren nicht gewährleistet und den Beschuldigten damit in seinem Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit verletzt. Da ihm die Regelungen der notwendigen Verteidigung und damit der Pflichtverteidigung aber in den Fällen, in denen die Anwesenheit eines Verteidigers rechtsstaatlich erforderlich sei, einen Beistand zur Verfügung stellten, sei mit diesen strafprozessualen Gewährleistungen, die eine Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips darstellten, den Anforderungen eines fairen Verfahrens entsprochen.68 65 66

67 68

BVerfG NJW 1965, 147. BVerfGE 9, 36, 38. BVerfGE 39, 238, 243; 46, 202, 210; 56, 185, 186; 63, 380, 391. BVerfGE 39, 238, 243; 56, 185, 186; 63, 380, 391; 64, 135, 150.

II. Der Inhalt des Rechtes auf Verteidigerbeistand

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Neuerdings69 ist das Bundesverfassungsgericht allerdings dazu übergegangen, den Zusammenhang von Anspruch auf Beiordnung und Pflichtverteidigerbestellung gemäß den§§ 140 ff. StPO, die zwischen bemitteltem und nichtbemitteltem Beschuldigten nicht unterscheiden, vorsichtig zu entkoppeln und den Anspruch des mittellosen Beschuldigten auf Beiordnung gegenüber diesen Normen zu verselbständigen: In verfassungsmäßiger Ergänzung der §§ 140, 350 Abs. 2 StPO hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß allgemein ein Pflichtverteidiger dann erforderlich sei, wenn ohne Beistand eines Verteidigers ein faires Verfahren nicht gewährleistet werde. Der Beschuldigte habe über§ 140 Abs. 2 StPO hinaus immer dann einen Anspruch auf einen Verteidiger, wenn die Würdigung aller Umstände, insbesondere die Gesichtspunkte des § 140 Abs. 2 StPO, der mögliche Ausgang des Verfahrens und dessen Auswirkungen auf das Schicksal des Angeklagten sowie rechtliche Schwierigkeiten das Vorliegen eines .schwerwiegenden Falles· ergeben und er mittellos ist. Das gleiche müsse gelten, wenn der Beschuldigte evidentermaßen zur Eigenverteidigung unfähig, also ersichtlich nicht in der Lage ist, die Besonderheiten des Sachverhalts zu erfassen, Folgerungen aus der Beweislage zu ziehen und durch geeignetes Vorbringen auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluß zu nehmen. 70 Dies könne etwa bei Sprachschwierigkeiten eines Ausländers der Fall sein. 71 Das Bundesverfassungsgericht hat also in diesen Fällen dahinstehen lassen, ob ein schwerwiegender Fall im Sinne des§ 140 Abs. 2 StPO vorlag und neben der "rechtsstaatlichen Unverzichtbarkeit"72 des Verteidigers die Mittellosigkeit des Beschuldigten als Anspruchsvoraussetzung genannt. Damit ist der verfassungsrechtliche Anspruch des Mittellosen auf Verteidigerbeiordnung nicht mit dem Anspruch im Rahmen notwendiger Verteidigung nach einfachem Recht identisch. Ob "rechtsstaatliche Unverzichtbarkeit" des Verteidigers vorliegt, überprüft das Bundesverfassungsgericht jedoch anband einer materiellen Gesamtbetrachtung der Verteidigungslage: Auf einen Verteidiger könne ohne Verstoß gegen rechtsstaatliche Prinzipien u. a. deshalb verzichtet werden, weil unter Beachtung weiterer Faktoren wie der Fürsorgepflicht des Gerichts und der Ermittlungspflicht der Staatsanwaltschaft gemäߧ 160 Abs. 2 StPO sowie .anderer rechtsstaatlicher Garantien" 73 eine sachgerechte Verteidigung ohne Beistand eines Verteidigers möglich sei. Erst wenn danach die Eigenverteidigung nicht mehr ausreiche, werde eine unentgeltliche Verteidigerbeiordnung erforderlich. Dies soll beispielsweise dann der Fall sein, 69

70 71 72

73

Seit BVerfGE 46, 202, 210f.; 70, 297,323. BVerfGE 70, 297, 323 bei Einweisung in eine psychiatrische Klinik. BVerfGE 64, 135, 150. BVerfGE 63, 380, 391. BVerfGE 56, 185, 186; 63, 380, 391.

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§ 2 Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

wenn ausnahmsweise eine sachgemäße Verteidigung vorheriger Akteneinsicht bedürfe oder eine schwierige Beweisaufnahme erwartet werde. 74 In einem neuerenUrteil prüft das Verfassungsgericht wieder über Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip hinaus auch einen Anspruch des mittellosen Beschuldigten aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip/ 5 kommt aber auf diesem Weg zu keinem anderen Ergebnis. Laut Bundesverfassungsgericht gebietet Art. 3 Abs. 1 GG, wie bereits früher angeführt/6 keine gänzliche Gleichstellung des unbemittelten mit dem bemittelten Beschuldigten, sondern verlangt nur, daß die Rechtsverfolgung des Mittellosen im Vergleich zum Bemittelten nicht unverhältnismäßig erschwert wird. 77 Davon könne aber so lange nicht gesprochen werden, als eine sachgemäße Verteidigung auch ohne Verteidiger gewährleistet ist. 78 Dabei sind wieder andere Unterstützungsmöglichkeiten, etwa durch das Gericht im Rahmen seiner Fürsorgepflicht, zu beachten. Es werden also nicht bemittelter und unbemittelter Beschuldigter in vergleichbarer Situation gegenübergestellt, 79 sondern die jeweilige Gesamtlage der Selbst- und Fremdverteidigung betrachtet. Nur wenn sich bei dieser Betrachtung herausstellte, daß unter Beachtung von gerichtlicher Fürsorgepflicht usw. eine sachgemäße Verteidigung ohne Beistand eines Verteidigers nicht möglich ist, werde eine unentgeltliche Verteidigerbeiordnung erforderlich. Insofern genügt auch im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG die Regelung der Pflichtverteidigung weitgehend verfassungsrechtlichen Anforderungen. Man kann also davon ausgehen, daß ein Anspruch aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip keinesfalls weiter geht als ein Anspruch aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Da das Bundesverfassungsgericht meist vorrangig diesen Anspruch prüft, kommt es bei dessen Verneinung regelmäßig bei Art. 3 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zu keinem anderen Ergebnis. 2. Auswahl des Pflichtverteidigers Die Auswahl des Pflichtverteidigers obliegt gemäߧ 142 StPO dem Vorsitzenden. Dies hat das Bundesverfassungsgericht als verfassungsgemäß angesehen.80 Zwar solle dem mittellosen Beschuldigten regelmäßig gleicher BVerfGE 63, 380, 392. BVerfGE 63, 380, 394 f. 76 BVerfG NJW 1965, 147. 11 BVerfGE 63, 380, 394 f. 78 Vgl. schon Anm. 41. 79 Und zwar auch dann nicht, wenn, wie im Privatklageverfahren, Privatkläger und Angeklagter sich quasi wie Parteien gegenüberstehen- BVerfGE 63,380, 392f. 80 BVerfGE 9, 36, 38 f. 74

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II. Der Inhalt des Rechtes auf Verteidigerbeistand

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Rechtsschutz zugute kommen wie dem bemittelten. Das bedeute, daß ihm grundsätzlich der Verteidiger seines Vertrauens beigeordnet werden müsse. 81 Doch könne aus wichtigem Grund auch ein anderer als der von ihm gewünschte Verteidiger ausgewählt werden. 82 So hat das Bundesverfassungsgericht beispielsweise die Entscheidung des Kammervorsitzenden, der den vom Angeklagten vorgeschlagenen Verteidiger deshalb nicht verpflichtet hatte, weil dieser der FDJ angehörte und die Befürchtung bestand, er werde mehr die Interessen der FDJ als die des Angeklagten vertreten, bestätigt. 83 Denn bei der Bestellung des Pflichtverteidigers soll es sich um einen Akt staatlicher Fürsorge handeln. 84 Während das Bundesverfassungsgericht die Beiordnung als solche also weitgehend als rechtsstaatliche, nicht als Fürsorgemaßnahme ansieht, wird die Auswahl des beizuordnenden Verteidigers als Fürsorgemaßnahme gesehen. Einen Ansatzpunkt, diesen vermeintlichen Widerspruch aufzulösen, enthält ein Urteil des Gerichts zur Rücknahme der Bestellung des Pflichtverteidigers wegen Verdachts der Tatbeteiligung.85 Das Bundesverfassungsgericht hat die .Entpflichtung" dort sowohl an Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip als auch- ohne Rückgriff auf die Grundsätze eines rechtsstaatliehen Verfahrens - an der allgemeinen Handlungsfreiheit von Art. 2 Abs. 1 GG gemessen. Dies entspricht der bereits erwähnten Unterscheidung des Bundesverfassungsgerichts, den Anspruch auf Verteidigung überhaupt Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip zu entnehmen, während die Auswahl der Person des Verteidigers durch den Beschuldigten nicht rechtsstaatlich garantiert, sondern nur Ausdruck seiner allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG ist. 86 Kann der Beschuldigte sich keinen Verteidiger leisten und somit seine Handlungsfreiheit nicht ausüben, tritt an deren Stelle die staatliche Fürsorge. Während das Recht, verteidigt zu werden, damit dem bemittelten wie dem mittellosen Beschuldigten gleichermaßen aus rechtsstaatliehen Grundsätzen zusteht, hat das Recht, sich einen Verteidiger zu wählen und diesen Verteidiger, soweit ihm dieser nicht aufgrund eines Gesetzes entzogen wird, auch zu behalten, nur der, der den Verteidiger auch bezahlen kann. Wer dies nicht kann, ist auf staatliche Fürsorge angewiesen. Das diesem begünstigenden Verwaltungsakt87 zugrundeliegende Ermessen ist solange verfassungsgemäß, als es sich an sachBVerfGE 9, 36, 38; 68, 237, 256; BVerfG NJW 1959, 572. BVerfGE 1, 109,114; 9, 36, 38; vgl. auchdieneue Fassungvon § 142 Abs. 1 StPO. 83 BVerfGE 9, 36 ff. 84 BVerfGE 9, 36, 38; wohl auch BVerfGE 39, 238, 245, wo von einem .prozessualen Fürsorgezweck" der Beiordnung die Rede ist; BVerfG NJW 1959, 572. 85 BVerfGE 39, 238 ff. 86 So wohl auch BVerfGE 9, 36, 39. 87 BVerfGE 39, 238, 244 stellt diese Parallele allerdings hinsichtlich der Rücknahme der Bestellung an. 81

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liehen Kriterien (Art. 3 Abs. 1 GG) orientiert. Solche sachlichen Kriterien können das Interesse des Beschuldigten (Vertrauen) und/oder das der Rechtspflege sein. 88 3 .• Entpflichtung" Wie die Auswahl des Verteidigers wird auch dessen .Entpflichtung" als Fürsorgemaßnahme im Ermessen des Vorsitzenden gesehen. 89 Deshalb soll es verfassungsgemäß sein, wenn für die Rücknahme der Bestellung des Pflichtverteidigers die Regeln über den Ausschluß des Wahlverteidigers nicht gelten.• Entpflichtung" sei vielmehr im Vorfeld dieser Vorschrift schon möglich, wenn sie zur Sicherung des öffentlichen Interesses an einem ordnungsgemäßen Verfahrensablauf erforderlich ist. Es sind also für die Entpflichtung die gleichen Kriterien zu beachten wie für die Auswahl des Verteidigers. Ist gar zur Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs ein Pflichtverteidiger neben dem Wahlverteidiger des Beschuldigten bestellt, so dürfe diese Bestellung schon dann aufgehoben werden, wenn gegen diesen ein vager und keineswegs die Voraussetzungen des § 138a StPO erfüllender Tatverdacht besteht. Der Zweck seiner Bestellung, den Verfahrensfortgang auch bei .Ausfall" des Wahlverteidigers zu garantieren, sei damit ernsthaft gefährdet. Damit wurde auch die Verfahrenssicherung als sachlicher Grund anerkannt. 90 Immerhin verlangt das Bundesverfassungsgericht für diesen Fall, daß die Verteidigung anderweitig gesichert, das heißt dem rechtsstaatliehen Anspruch auf Verteidigung überhaupt Genüge getan ist. C. Die Rechte des Verteidigers

Wenn das Bundesverfassungsgericht ein Recht des Beschuldigten auf Beistand eines Verteidigers gewährleistet, so stellt sich die Frage, welche Rechte das Bundesverfassungsgericht über das bloße .Haben" eines Verteidigers hinaus dem Verteidiger gewährleistet, damit das Recht auf Beistand nicht leerläuft, sondern effektiv ausgeübt werden kann. Dabei ist von den Funktionen auszugehen, die das Bundesverfassungsgericht dem Verteidiger in seiner Rolle als Beistand des Beschuldigten - welche Aufgabe ihm als .Organ der Rechtspflege" zukommen soll, soll hier außer Betracht bleiben - zuweist. Er soll den Beschuldigten in seiner 88 89 90

BVerfGE 9, 36, 39. BVerfGE 39, 238, 244. BVerfGE 66, 313, 321.

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Rolle als aktiver Verfahrensbeteiligter unterstützen, ihm, der im Verfahren unter vielfältigen Zwängen steht, diese Rolle zum Teil erst ermöglichen und seine Rechte wirksam geltend machen. Damit eng verknüpft ist die Aufgabe des Verteidigers, die Autonomie des Beschuldigten zu garantieren, ihn von den anderen Verfahrensbeteiligten unabhängig zu machen. Alsdann soll er dem Beschuldigten verfahrensrelevante Informationen beschaffen91 und schließlich zur Wahrheitsfindung beitragen, indem er einseitig zugunsten des Beschuldigten sprechende Gesichtspunkte vorbringt. 92 Nur dann kann Verteidigung effektiv sein, wenn dem Verteidiger Rechte gewährt sind, diese Funktionen zu erfüllen. Dabei geht man üblicherweise von folgenden Befugnissen aus: 1. Anwesenheitsrecht In vielen Fällen kann der Verteidiger seine Funktionen nur dann voll und ganz erfüllen, wenn er bei Handlungen der Justizorgane, die seinen Mandanten betreffen, auch anwesend ist. Das Bundesverfassungsgericht hat für die gerichtliche Haupt- bzw. Revisionshauptverhandlung einen Anspruch auf Anwesenheit des Verteidigers aus dem Grundrecht auf ein faires Verfahren abgeleitet. Dies müsse jedenfalls für die Fälle notwendiger Verteidigung gelten: Ist ein Pflichtverteidiger für die Revisionshauptverhandlung bestellt worden und wird in dessen Abwesenheit verhandelt, so ist laut Bundesverfassungsgericht93 der Anspruch auf Beiordnung eines Verteidigers verletzt. Denn die Pflichtverteidigerbestellung zeige, daß die Anwesenheit des Verteidigers im Verfahren verfassungsrechtlich geboten erscheine. In den Tatsacheninstanzen habe das nach der Strafprozeßordnung zur Folge, daß nicht ohne Verteidiger verhandelt werden dürfe. Für die Revision könne keine andere Wertung gelten. Sei - was im entschiedenen Fall nicht ganz klar war - die Pflichtverteidigerbestellung nach § 350 Abs. 2 StPO erfolgt, müsse zudem die Anwesenheit des Verteidigers die verfassungsrechtlich bedenkliche Abwesenheit des Angeschuldigten ausgleichen. Die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege erleide durch die Anwesenheit des Verteidigers keine Einbußen. Dagegen wird das Recht auf Anwesenheit des Verteidigers bei freiwilliger Verteidigung nicht so strikt bejaht. In einer Entscheidung des Vorprüfungsausschusses94 scheint das Bundesverfassungsgericht zwar auch in einem 91 92 93 94

BVerfGE 38, 105, 111; 46, 202, 210; 63, 380, 390; 64, 135, 149; 70, 297, 323. BVerfGE 16, 214, 216. BVerfGE 65, 171, 174f. BVerfG NStZ 1984, 176.

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solchen Fall von dem grundsätzlichen Anwesenheitsrecht des Verteidigers als Ausdruck des Rechts auf Verteidigerbeistand auszugehen. Doch bestehe dieses Recht nicht unter allen Umständen. Im vorliegenden Fall - das Gericht war in Abwesenheit des Verteidigers erneut in die Beweisaufnahme eingetreten -habe das Interesse an einer ungehinderten Durchführung der Verhandlung und an einer Verfahrensbeschleunigung die Interessen des Beschuldigten an Anwesenheit seines Verteidigers überwogen. Das Recht auf Anwesenheit des Verteidigers steht also bei der freiwilligen Verteidigung im Rahmen der Abwägung mit anderen Verfahrenszielen eher zur Disposition. Eine Einschränkung kann das Recht auf Anwesenheit des Verteidigers auch durch faktische Zugangserschwernisse zur Hauptverhandlung erfahren. Dem Vorprüfungsausschuß95 lag die Frage vor, ob die sitzungspolizeiliche Anordnung, den Verteidiger vor Eintritt in den Gerichtssaal zu durchsuchen, das Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren verletze. Das Bundesverfassungsgericht hat hier allerdings vorrangig das Recht des Verteidigers auf freie Berufsausübung geprüft und dessen Verletzung verneint. Die der Anordnung zugrundeliegende Annahme, in dem Strafverfahren könnten Gefahren für die Aufrechterhaltung der Ordnung der Sitzung entstehen, könne vom Bundesverfassungsgericht nur auf einen Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 GG) überprüft werden. Ein solcher liege aber nicht vor, da in anderen Fällen der konkrete Verdacht entstanden sei, inhaftierten terroristischen Gewalttätern seien mit Hilfe ihrer VerteidigerWaffen und Sprengstoff übergeben worden. Daß von einer solchen Maßnahme auch Anwälte betroffen seien, für die ein solcher Verdacht nicht besteht, müsse im Interesse der Sicherheit in Kauf genommen werden. Die Maßnahme sei auch verhältnismäßig: Sie belaste den Verteidiger jeweils nur in dem Maße, wie es unumgänglich erscheine. Nach dieser Prüfung von Art. 12 GG hat das Bundesverfassungsgericht dann nur noch allgemein angeführt, auch unter anderen Gesichtspunkten sei die angegriffene Verfügung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere verletze sie nicht den Anspruch des Beschuldigten auf ein faires Verfahren.

2. Freier Verkehr mit dem inhaftierten Beschuldigten In der Literatur wird als notwendige Grundlage einer effektiven Verteidigung der freie Verkehr zwischen dem Verteidiger und seinem - inhaftierten- Mandanten bezeichnet.96 Dieser wird von§ 148 StPO auch garantiert. Die erst relativ spät mit der sogenannten kleinen Strafprozeßreform 196497 in die StPO aufgenommene Vorschrift wurde allerdings - hinsichtlich des Schriftverkehrs - durch das sogenannte 2. Anti-Terror-Gesetz vom 18.8. 95 96 97

BVerfGE 48, 118ft. Dazu etwa Dahs, ZRP 1968, 17 ff. Strafprozeßänderungsgesetz vom 19.12. 1964.

li. Der Inhalt des Rechtes auf Verteidigerbeistand

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197698 wieder eingeschränkt: Bei Verfahren, die eine Straftat nach§ 129a StGB zum Gegenstand haben, unterliegt gemäߧ 148 Abs. 2 S. 2 StPO der schriftliche Verteidigerverkehr der Überwachung. Inwieweit diese Vorschriften mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen Verteidiger des Vertrauens in Einklang stehen, brauchte das Bundesverfassungsgericht bisher nicht zu entscheiden. Entschieden hat das Bundesverfassungsgericht dagegen die Verfassungsmäßigkeit des sogenannten Kontaktsperregesetzes, 99 das den Bundesminister oder die Landesregierung ermächtigt, bei bestimmten, von einer terroristischen Vereinigung ausgehenden Gefahren, den Kontakt zwischen Gefangenem und Außenwelt, also auch seinem Anwalt, zu unterbinden. Dem Bundesverfassungsgericht lag zunächst ein Antrag der betroffenen Beschuldigten und Verteidiger auf einstweilige Anordnung vor, der abgewiesen wurde: 100 Die Gefahren, die bei einem Kontakt der inhaftierten Terrorismusverdächtigten mit Terroristen außerhalb der Gefängnisse für den entführten Hans-Martin Schleyer entstehen könnten, ließen das Interesse der Häftlinge an unbehinderter Verteidigung und der Verteidiger an ihrer Berufsausübung zurücktreten. Zwar könne die Verteidigung durch die Kontaktsperre erschwert werden, doch erscheine dies schon deshalb weniger schwerwiegend, weil die Beschränkung von vornherein zeitlich begrenzt und Verteidigerbesuche bei inhaftierten Mandanten ohnehin nur zu Zwecken der Verteidigung zulässig seien. Das Bundesverfassungsgericht hat es aber nicht bei dieser abstrakten Betrachtung der§§ 31 ff. EGGVG belassen, sondern darüber hinaus auf eine konkrete Gefahr für das Leben von Hans-Martin Schleyer durch anwaltliehen Verkehr hingewiesen: Der Informationsfluß zwischen den wegen Terrorismusverdacht Inhaftierten und den noch in Freiheit befindlichen Angehörigen terroristischer Gruppen weise einen hohen Entwicklungsstand auf. Es sprächen überzeugende Gründe für die Annahme, daß solche Kommunikation in der Vergangenheit auch über Verteidiger stattgefunden habe.

Auch in seiner endgültigen Entscheidung, die nicht mehr unter dem Druck der politischen Ereignisse stand, hat das Bundesverfassungsgericht nicht anders entschieden. 101 Dabei geht das Gericht ohne nähere Konkretisierung von einem Eingriff in die Grundrechte der Beschuldigten, insbesondere auch in ihr Recht auf ein faires Verfahren, aus. Denn sie würden in der Wahrnehmung ihrer Rechte in einem anhängigen Strafverfahren möglicherweise behindert. Doch verwehre das Grundgesetz dem Gesetzgeber nicht schlechthin, zum Schutze anderer Rechtsgüter in die geschützten Rechtsgü98 Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung usw. vom 18. 8. 1976. 99 Gesetz zur Änderung des EGGVG vom 30. 9. 1977, geändert mit Gesetz vom 4. 12. 1985. 100 BVerfGE 46, 1 ff. 101 BVerfGE 49, 24ff.

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ter einzugreifen. Vorliegend intendiere das Gesetz den Schutz von Leib und Leben Dritter. Es obliege dem Gesetzgeber, diese grundrechtlich geschützten Interessen mit den Grundrechten der Beschuldigten abzuwägen. § 31 EGGVG sei das Ergebnis einer derartigen Abwägung. 102 Die angegriffene gesetzliche Regelung sei geeignet und erforderlich. Da in mehreren Fällen der konkrete Verdacht entstanden sei, die Verteidiger der Inhaftierten hätten zwischen ihren Mandanten und anderen, terroristischen Gruppierungen zuzuordnenden Personen ein illegales Informationssystem unterhalten, habe der Gesetzgeber es für unerläßlich halten dürfen, unter den genannten Voraussetzungen auch die zeitweilige Unterbrechung des Verteidigerkontaktes vorzusehen. Allerdings müsse den Grundrechten der Beschuldigten damit Rechnung getragen werden, daß die Voraussetzungen für die Anwendung des§ 31 EGGVG präzisiert werden: So müsse jeweils festgestellt werden, daß tatsächlich eine Gefahr der Einflußnahme von Gefangenen auf die Geschehnisse außerhalb der Haftanstalt ausgehe. Auch sei die Feststellung der Kontaktsperre nur zulässig, wenn sie allein als absolute Kontaktsperre geeignet sei, eine gefahrerhöhende Einflußnahme der betroffenen Gefangenen auf die Geschehnisse außerhalb der Haftanstalt auszuschließen. Würden diese Voraussetzungen beachtet, so seien die nach dem Gesetz zulässigen Maßnahmen nicht unverhältnismäßig im engeren Sinne: Die Kontaktsperre sei zum einen zeitlich begrenzt. Zum anderen gewährleiste § 34 EGGVG, daß die Gefangenen durch Unterbrechung des Kontakts zur Außenwelt weder in laufenden Verfahren noch sonst im Rechtsverkehr bleibende Nachteile erleiden. 103 Damit habe der Gesetzgeber in angemessenem Umfang Sorge dafür getragen, daß die Kontaktsperre nicht zur Aushöhlung von Grundrechten der Gefangenen führt und die mit ihr verbundenen Grundrechtsbeschränkungen die Betroffenen so wenig wie möglich belasten. In beiden Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht eine allgemeine Verletzung der Grundrechte der Gefangenen auf ein faires Verfahren durch die Untersagung des Verteidigerkontaktes unterstellt. Daraus kann zwar geschlossen werden, daß der freie Verkehr zwischen Verteidiger und inhaftiertem Beschuldigten verfassungsrechtlich geschützt ist. Kriterien für den Umfang dieses Schutzes lassen sich aber mangels Konkretisierung durch das Bundesverfassungsgericht den Entscheidungen nicht entnehmen. 102 Daß auch das BVerfG von der Stimmung der damaligen Zeit nicht unbeeinflußt war, scheint mir der folgende Satz, der die Legitimität der Abwägung der genannten Grundrechte belegen soll, zu zeigen: .Es wäre eine Sinnverkehrung des Grundgesetzes, wollte man dem Staat verbieten, terroristische Bestrebungen, die erklärtermaßen die Zerstörung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zum Ziel haben und die planmäßige Vernichtung von Menschenleben als Mittel zur Verwirklichung dieses Vorhabens einsetzen, mit den erforderlichen rechtsstaatliehen Mitteln wirksam entgegenzutreten." 103 Die neue Fassung des EGGVG sieht nunmehr in § 34a die Möglichkeit der

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3. Akteneinsichtsrecht Strafverteidigung kann nur erfolgreich sein, wenn sie vorbereitet ist. Damit Gericht und Staatsanwalt nicht mit einem zu großen .Vorsprung" in die Hauptverhandlung gehen, gewährleistet § 147 StPO dem Verteidiger die Einsicht in die dem Gericht vorliegenden Ermittlungsakten. Das Bundesverfassungsgericht sieht grundsätzlich das Recht auf Akteneinsicht als verfassungsrechtlich garantiert an. 104 Obgleich dieses Recht aber nach der geltenden Gesetzesfassung nicht dem Beschuldigten selbst, sondern nur seinem Verteidiger zusteht, entnimmt das Bundesverfassungsgericht diese Garantie nicht dem Anspruch auf Beistand eines Verteidigers, sondern vorrangig dem rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG. Dieser verlange, daß eine gerichtliche Entscheidung nur auf solche Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen Stellung zu nehmen dem Beschuldigten die Möglichkeit gegeben worden ist. Deshalb sei Aktenkenntnis erforderlich. 105 Der Verteidiger nehme dieses Recht für den Beschuldigten wahr, in dessen Verteidigungsinteresse es gewährleistet sei. Die gesetzwidrige Vorenthaltung der Akten verstoße entsprechend gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Die gesetzliche Ausgestaltung des Rechts auf Akteneinsicht stehe jedoch im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Deshalb seien die - zum Zeitpunkt des Urteils noch größeren - Einschränkungen des Akteneinsichtsrechts nach § 147 Abs. 2 StPO nicht zu beanstanden. Das Gericht behält sich allerdings vor, die Auslegung des§ 147 StPO durch die Gerichte auf Verstöße gegen das Willkürverbot (Art. 3 GG) zu überprüfen. Eine- auf§ 42 BZRG- gestützte Versagung der Einsicht in die bei den Strafakten befindlichen Strafregisterauszüge beruhe auf einer willkürlichen und damit verfassungswidrigen Auslegung von§ 147 StPO, der im Interesse der Verteidigung eine Einsicht in die dem Gericht vorliegenden Verfahrensvorgänge gewährleiste. 106 Daß in Fällen nicht notwendiger Verteidigung dem mittellosen Beschuldigten, da er über keinen Verteidiger verfügt, die Einsicht in die Ermittlungsakten nicht möglich ist, wurde bisher nicht beanstandet: Ein Pflichtverteidiger sei beizuordnen, wenn ausnahmsweise auch in Fällen nicht notwendiger Verteidigung ein Akteneinsichtsrecht erforderlich sei. 107 Das Bundesverfassungsgericht hatte auch die Frage zu prüfen, ob die polizeilichen Spurenakten von einem verfassungsrechtlich garantierten Bestellung eines anderen Anwalts als .Kontaktperson" vor. 104 BVerfGE 18, 399 ff.; 63, 45 ff. 105 BVerfGE 18,399, 404f.; nicht mehr ganz so eindeutig BVerfGE 63, 45, 59ft. 106 BVerfGE 62, 339, 343 f. 107 BVerfGE 63, 380, 391.

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Akteneinsichtsrecht umfaßt sind. 108 Dabei prüfte das Gericht über Art. 103 Abs. 1 GG hinaus einen Anspruch aus der Garantie fairer Verfahrensführung. Aus keinem der beiden Rechte ergibt sich allerdings nach seiner Ansicht ein Anspruch auf Einsicht in die Spurenakten. Das Recht auf Akteneinsicht aus Art. 103 Abs. 1 GG umfasse nur das Recht auf Einblick in die dem Gericht vorliegenden Akten. Wenn Art. 103 Abs. 1 GG garantiere, daß einer gerichtlichen Entscheidung nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden dürfen, zu denen der Beschuldigte Stellung nehmen konnte, so sei der Schutzbereich nicht tangiert, wenn es nicht um die Einsicht in dem Gericht bekannte, dem Beschuldigten aber unbekannte Akten gehe, sondern um die-. wesensverschieden andere"- Frage, ob das Gericht verpflichtet ist, sich Kenntnis über Sachve~halte, die ihm bisher nicht unterbreitet wurden, erst zu verschaffen. Aber auch das Recht auf ein faires Verfahren, das eine gewisse verfahrensrechtliche •W affengleichheit" zwischen Angeklagtem und Staatsanwaltschaft erfordere, beinhalte nicht das Recht auf Einsicht in die Spurenakten. Zwar konkretisiere § 147 StPO aktive verfahrensrechtliche Befugnisse des Beschuldigten in einem rechtsstaatlichen Verfahren. Die Akten und Beweisstücke müßten deshalb dem Verteidiger des Beschuldigten so rechtzeitig unterbreitet werden, daß dieser die Verteidigung vorbereiten könne. Doch betreffe dies nur die Akten, die in Ermittlungen gegen den Beschuldigten entstanden sind. Außerhalb der Ermittlungen gegen den Beschuldigten entstandene Vorgänge müßten dem Gericht und damit dem Verteidiger nur unterbreitet werden, wenn sie objektiv für das Verfahren gegen den Beschuldigten von Bedeutung sind. Diese Entscheidung treffe die Staatsanwaltschaft. Daß damit letztendlich die Auswahl der Akten der Staatsanwaltschaft obliege, sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da die Staatsanwaltschaft zur Wahrheitsermittlung wie das Gericht verpflichtet sei und damit im Strafverfahren nicht als Partei angesehen werden könne. Eine gewisse Mißbrauchsgefahr mache die Vorschrift noch nicht verfassungswidrig. Auch das Prinzip der Waffengleichheil fordere nicht, daß verfahrensspezifische Unterschiede in der Rollenverteilung von Staatsanwaltschaft und Verteidiger ausgeglichen werden müßten. Allerdings verweist das Gericht den Beschuldigten immerhin auf die Möglieen prescribed.

Keine Bestimmung d-ieser Konvention darf dahin ausgelegt werden, daß sie für einen Staat, eine Gruppe oder eine Person das Recht begründet, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung zu begehen, die auf die Abschaffung der in der vorliegenden Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten oder auf weitergehende Beschränkungen dieser Rechte und Freiheiten, als in der Konvention vorgesehen, hinzielt.

Artikel 17

Article 17 Aueune des dispositions de Ia presente Convention ne peut etre interpnHee comme impliquant pour un Etat, un groupement ou un individu, un droit quelconque de se livrer a une activite ou d 'accomplir un acte visant a Ia destruction des droits ou libertes reconnus dans Ia p1esente Convention ou A des limitations plus amples de ces droits et liberh~s que celles prevue a ladite Convention.

Arlicle 17

sie den Hohen Vertragschließenden Parteien verbietet, die politische Tätigkeit von Ausländern Beschränkungen zu unterwerfen.

comme interdisant aux Hautes Parlies Contractantes d'imposer des restrictions a l'activite politique des etrangers.

Nothing in this Convention may l>e interpreted as implying for any State, group or person any righl to engage in any activity or perform any act aimed at the destruction of any rJf the rights and freedoms set forth herein or at their Iimitation to a greater extent than is provided for in the Convention.

lracting Parties. from imposing restrictions on the political activity of aliens.

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(2) Tbe members whose terms are ' to expire at the end of the initial period of three years shall be chosen by Iot by the

2. Les membres dont les fonctions prendront fin au terme de la periode Initiale de trois ans, sont designes par ·urage au

Article 22 1. Les Membres de Ia Commission sont elus pour une duree de six ans. Ils sont reeligibles. Toutefois, en ce qui concerne les membres designes a la premiere election, !es foncticns de sept membres prendront fin au ballt de trois ans •

Atticle 22 (1) The members of the Commlssion shall be elected for a period of six years. Tbey may be te-elected. However, of the members elected at the first election, the ·terms of seven members shall expire at . the end of three years.

Artikel 22 der Kommission Mitglieder (I) Die w~rden für dte Dauer von sechs Jahren gewählt. Sie können wiedergewä hlt wer· den. Jedoch läuft das Amt von sieben der bei der ersten Wahl gewählten Mit· glieder nach Ablauf von drei Jahren ab. (2) Die Mitglieder, deren Amt nadl Ablauf der ersten Amtsperlod e von drei Jahren endet. werden vom General·

Ar ti k e 1 21 (1) Die Mitglieder d~r Kommission wer· ·den vom Ministerauss chuß mit absoluter Stimmenme hrbett nach einem vom Büro der Beratenden Versammlun g aufgestell· ten Namensverz eichnis gewählt; jede Gruppe von Vertretern der Hohen Ver• tragschließe nden Teile in der Beraten· den Versammlun g schlägt drei Kandi· daten vor, von denen mindestens zwei die Staatsangeh örigkeit des betreffenden Landes besitzen müssen. (2) Dasselbe Verfahren ist, soweit an· wendbar, einzuschlage n, um die Kom· mission im Falle späteren Beitritts anderer Staaten zu ergänzen und um sonst frei• gewordene Sitze neu zu besetzen.

Ar l i c 1 e 21 1. Les membres de la Commission sont elus par le Comite des Ministres a Ia majorite absolue des voix, sur une Iiste de noms dressee par le Bureau de l'Assemblee Consultative ; chaque Graupe de representan ts des.Hautes Parlies Contractantes a !'Assemblee Consultative presente trots candidats dont deux au moins seront de sa nationalite. 2. Dans Ia mesure oit elle est appli· cable, Ia meme procedure est suivie pour completer Ia Commission au cas ou d 'autres Etats deviendraie nt ulterieurement Parlies a Ia presente Convention, et pourvoiT aux sil~ges devenus vacants.

Abschnitt 111 Artikel 20 Die Zahl der Mitglieder der Kommission entspricht derjenigen der Hohen Vertrag· schließenden Teile. Der Kommission darf jeweils nur ein Angehörige r jedes ein· zeinen Staates angehören.

Tltre III Article 20 se compose d'un nombre Commission La de membres egal a celui des Hautes Parlies Conlractant es. La Commission ne peut comprendre plus d'un ressortissan t du meme Etat.

(2) As far as applicable, the same procedure shall be followed to complete the Commission in tbe event of other States subsequentl y becoming Parlies to this Convention, and in filling casual vacancies.

Art I cl e 21 0) The members of the C:ommission shall be elected by the Cotnmittee of Ministers by an absolute majority of votes, from a Iist of names drawn up by the Bureau of the Consultative Assembly; each group of the Representatives of the High Contracting Parlies in the Consultative Assembly shall put for· ward three candidates, of whom two at leas\ shall be its nationals.

Artfeie 20 The Commission shall consist of a number of members equal to that of the High Contracting Parties. No two mem· bers of the Commission may be nation· als of the same State.

SecUon 111 O'l

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Artikel 24 Jeder Vertragschließende Teil kann durdl Vermittlung des Generalsekretärs des Europarals die Kommission mit jeder angeblidlen Verletzu.ng der Bestimmungen der vorliegenden Konvention durch einen anderen Hohen Vertrag· schließenden Teil befassen. Artikel 25

Article 23 Les membres de Ia Commission siegent a Ia Commission ä titre individuel. Article 24 Toute Partie Contractante peut saisir Ia Commission, par l'intermediaire du Secretaire General du Conseil de l'Europe, de tout manquement aux dispositions de Ia presente Convention qu'elle croira pouvoir etre impute a une autre Partie Contractante. Article 25

Article 23 The ·members of the Commission shall sit on tbe Commission in tbeir individual capacity.

Art i c l e 24 Any High Contractinq Party may refer to the Commission, through the Secretary-General of the Council of Europe, anv alleqed breadl of the provisions of the Convention by another .High Con· tractinq Party.

Article 25 (I) The Commission may receive petitions addressed to the Secretary-General of the Conc1! of Europe from any person, non-governmental organisation or group of indivJduals claiminq to be the victim of a violation by one of the High Contractinq Parlies of the riqhts set forth in tilis Convention, provided that

requete adressee au Secretaire General du Conseil de l'Europe par toute personne physique, toute organisation non qouvernementale ou tout groupe de particulieiS, qui se pretend victime d'une violation pa1 l'une des Hautes Parlies Contraetanies des doits reconnus dans

1. La Commission peut etre saisie d'une

Artikel 23 Die Mitglieder der Kommission qehören der Kommission nur als Einzelpersonen an.

4. Les membres de Ia Commission restent en fonctions jusqu·a leur remplacement. Apres ce replacement, ils continuent de connaitre des affaires dont 1ls sont deja saisis.

den Generalsekretär des Europarals gerichtetes Gesuch jeder natürlichen Person, nichtstaatlichen Organisation oder Personenvereinigung angegangen werden, die sidl durch eine Verletzung der in d:eser Konvent;on anerkannten Rechte durch einen der Hohen Verttagsdlließenden

(1) Die Kommission kann durch ein an

(3) Das Amt eines Mitglieds der Kommission, das an Stelle eines anderen Mitglieds. dessen Amt nodl nicht abgelaufen war, gewählt worden ist, dauert bis zum Ende der Amtszeit seines Vor· qängers. (4) Die Mitglie.der der Kommission bleiben bis zum Amtsantritt ihrer Nach· folger im Amt. Danach bleiben sie in den Fällen tätig, mit denen sie bereits befaßt waren.

(4) The members of the Commission shall hold office until replaced. After havinq be~n replaced. they shall continue to deal with such cases as they already have under consideration.

(3) A mE:mber of the Commission elected to replace a member whose term of office has not expi r'ed shall hold office for the remainder of bis predecessor's term.

sekretär des Europarals unmittelbar nach der ersten Wahl durch das Los bestimmt.

sort effectue par le Secretaire General du Conseil de l'Europe immediatemenl apres qu'il aura ete procede a Ia premiere election. 3. Le membre de la Commission elu en remplacement d'un membre dont le mandat n'est pas expire, acheve le terme du mandat de son predecesseur.

Secretary-General of the Council of Europe immediately after the first elet::· tion has been completed.

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2. Ces declarations peuvent etre faites pour une duree dtHerminee. 3. Elles sont remises au Secretaire General du Conseil de l'Europe, qui en transmet copies aux Hautes Parties Contractantes et en assure la publication. 4. La Commission n'exercera la competence qui lui est attribuee par le present article que lorsque six Hautes Parties Contractantes au moins se trouveront liees par la declaration prevue aux paragraphes precedents.

Article 26 La Commission ne peut etre saisie qu'apres l'epuisement des voies de recours internes, tel qu'il est entendu selon les Principes de droit international generalement reconnus et dalis le delai de six mois,. a partir de la date de la dtkision interne definitive. Art i c 1 e 27

(2) Such declarations may be made for a specific period.

(3) The declarations shall be deposited wHh the Secretary-General of the Council of Europe who shall transmit copies thereof to the High Contracting Parties and publish them. (4) The Commission shall only exercise the powers provided for in this Article when at least six High Contracting Parties are bound by declarations made in accordance with the preceding paragraphs.

Article 26 The Commission may only deal with the matter after all domestic remedies have been exhausted, according to the generally recognised rules of international law, and within a period of six months from the date on which the final decision was taken.

Art i c 1 e 27 (l) The Commission shall not deal with any petition submitted under Artide 25 which

requete introduite par application de l'article 25, !orsque:

1. La Commission ne retient aucune

la presente Convention, dans le cas ou Ia Haute Partie Contractante mise en cause a declare reconnaitre la competence de la Commission dans cette matiere. Les Hautes Parties Contraetanies ayant souscrit une teile declaration s'engagent a n'entraver par aucune mesure l'exercice efficace de ce droit.

the High Contracting Party against whilh the complaint has been lodged has declared that it recognises the competence of the Commission to receive such petitions. Those of the High Contracting Parties who have made such a declaration undertake not to hinder in any way the effective exercise of this right.

Artikel 27 (l) Die K..'lmmission befaßt sidl nicht mit einem gemäß Artikel 25 eingereichten Gesuch, wenn es

Artikel 26 Die Kommission kann sidl mit einer Angelegenheit erst nach Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsmittelverfahren in Obereinstimmung mit den allgemein anerkannten Grundsätzen des Völkerrechts und innerhalb einer Frist von sedls Mo· naten nach dem. Ergehen der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung befassen.

Teile besd1wert fühlt, vorausgesetzt, daß der betreffende Hohe Vertragschließende Teil eine Erklärung abgegeben hat, wonach er die Zuständigkeit der Kommission auf diesem Gebiete anerkannt hat. Die Hohen Vertragschließenden Teile, die eine soldle Brklärung abgegeben haben, verpflidlten sidl, die wirksame Ausübung dieses Redlts in keiner Weise zu behindern. (2) Diese .Erklärungen können audl für einen bestimmten Zeitabschnitt abgegeben werden. (3) Sie sind dem Generalsekretär des Europarats zu übermitteln, der den Hohen Vertragsdlließenden Teilen Abschriften davon zuleitet und für die Veröffentlidlung der Erklärungen sorgt. (4) Die Kommission wird die ihr durch diesen Artikel übertragenen Befugnisse nur ausüben, wenn mindestens sechs Hohe Vertragsdlließende Teile durdl die in den vorstehenden Absätzen vorgesehenen Erklärungen gebunden sind.

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(b) it shall place itself at the disposal of the parties concerned with a view to securinq a friendly settlement of the matter on the basis of respect for

disposition des inteparvenir a un reglel'affaire qui s'inspire Droits de l'homme,

Art i c 1 e 28 Dans le cas ou la Commission retient Ia requete: a) afin d'etablir les faits, elle procecte a un examen contradictoire de la requete avec les representants des parties et, s'il y a lieu, a une enquete pour la conduite efficace de laquelle les Etats interesses fourniront toutes facilites necessaires, apres echange de vues avec Ia Commission;

Art i c 1 e 28 In the event of the Commission accepting a petition referred to it:

b) elle se met a la resses en vue de ment amiable de du respect des

3. La Commission rejette toute requete qu'elle considere comme irrecevable par application de l'alticle 26.

(3) The Commission shall reject any petition referred to it which it considers inadmissible under Article 26.

{a) it shall, with a view to ascertaining the facts, undertake together with the representatives of the parties an examination of the petition and, if need be, an investigation, for the effective conduct of which the States concerned shall furnish all necessary facilities, after an exchange of views with the Commission;

2. La Commission declare irrecevable toute requete introduite par application de l'article 25, lorsqu'elle estime la requete incompatible avec les dispositions de la presenle Convention, manifestement mal fondee ou abusive.

a) eile est anonyme; b) elle est essentiellement la meme qu'une requete precedemment examinee par la Commission ou deja SOU· mise a une autre instance internationale d'enquete ou de reglement et si elle ne contient pas de faits nouveaux.

(a) is anonymous, or (b) is substantially the same as a matter which has already been examined by the Commission or has already been submitted to another procedure of international investigation or settlement and if it contains no relevant new information. (2) The Commission shall r;onsider inadmis&Jble any petition submitted under Article 25 which it considers incompatible with the provisions of the present Convention, manifestly ill-founded, or an abuse of the right of petition.

Artikel 28 Falls die Kommission das Gesuch annimmt, a) hat Sie zum Zwecke der Tatsachenfeststellung mit den Vertretern der Parteien eine kontradiktorische Prüfung und, falls erforderlich, eine Untersuchung der Angelegenheit vorzunehmen; die betreffenden Staaten haben. .tachdem ein Meinungsaustausch mit der Kommission stattgefunden hat, alle Erleichterungen, die zur wirksamen Durchführung der Untersuchung erforderlich sind, zu gewähren; b) hat sie sich zur Ver-fügung der beteiligten Parteien zu halten, damit ein freundsdlaftlicher Ausgleich der Angelegenheit auf der Grundlage der Achtung

mission geprüften Gesuch übereinstimmt oder einer anderen internationalen Untersuchungs- oder Ausgleichsinstanz unterbreitet worden ist, und wenn es keine neuen Tatsachen enthält. (2) Die Kommission behandelt jedes gemäß Artikel 25 unterbreitete Gesudl als unzulässig, wenn sie es für unvereinbar mit den Bestimmungen dieser Konvention, für offensichtlich unbegründet oder für einen Mißbrauch des Beschwerderechts hält. (3) Die Kommission weist jedes Gesuch zurück, das sie gemäß Artikel 26 für unzulässig hält.

a) anonym ist;

b) mit einem schon vorher von der Kom-

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Artikel 30 Gelingt es der Unterkommission gemäß Artikel 28 ein Obereinkommen ZU erzielen, so hat sie einen Berimt anzufertigen, der den beteiligten Staaten, dem Ministeraussmuß und dem Generalsekretär des Europarals zur Veröffentlimung zu übersenden ist. Der Berimt hat sim auf eine kurze Angabe des Samverhalts und der erzielten Lösung zu besmränken. Art i k e 1 31 (1) Wird eine solme Lösung nimt herbeigeführt, so hat die Kommission einen Berimt über den Samverhalt anzufertigen und zu der Frage Stellung zu nehmen, ob sim aus den festgestellten Tatsamen ergibt, daß der betreffende Staat seine Verpflimtungen aus der Konvention verletzt hat. In diesem Berimt können die Ansimten sämtlimer Mitglieder der Kommission über diesen Punkt aufgenommen werden.

Article 30 Si eile parvient a obtenir un reglement amiable, conformement a l'article 28, la sous-commission dresse un rapport qui est transmis aux Etats Interesses, au Comite des Ministres et au Secretaire General du Conseil de l'Europe, aux fins de publication. Ce rapport se Iimite a un bref expose des faits et de Ia solution adoptee. Art i c le 31 1. Si une solution n'a pu intervenir, Ia Commission redige un rapport dans lequel eile constate les faits et formule un avis sur le point de savoir si les faits constates revelent, de Ia part de !'Etat Interesse, une violation des obligations qui lui incombent aux termes ·de Ia Conventian. Les opinions de tous les membres de Ia Commission sur ce point rapport .. peuvent etre exprimees dans

Article 30 Sub-Commission succeeds in effecting a friendly settlement in accordance with Article 28, it shall draw up a Report whim shall be sent to the States concerned, to the Committee of Ministers and to the Secretary-General of the Council of Europe for publication. This Report shall be confined to a brief statement of the facts and of the solution reamed.

Art i c 1 e 31 (1) lf a solution is not reamed, the Commission shall draw up a Report on the facts and state its opinion as to whether the facts found disclose a bream by the State concerned of its obligations under the Convention. The opinions of all the members of the Commission on this point may be stated in the · Report.

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Artikel 29 (1) Die Kommission führt die in Artikel · 28 bezeimneten Aufgaben durm eine Unterkommission aus, die aus sieben Mitgliedern der Kommission besteht. (2) Jede der beteiligten Parteien hat das Remt, eine Person ihrer Wahl in diese Unterkommission zu entsenden. (3) Die übrigen Mitglieder werden nam dem in der Gesmäftsordnung der Kommission festgelegten Verfahren durm das Los bestimmt.

Article 29 1. La Commission remplit les fonctions p~evues a I' article 28 au moyen d'une sous-commission composee de sept membres de la Commission. 2. Chaque Interesse peut designer un membre de son moix pour faire partie de la sous-commission. 3. Les autres membres sont designes par tirage au sort, conformement aux dispositions prevues par le reglement Interieur de la Commission.

Article 29 (1) The Commission shail perform the functions set out in Article 28 by means of a Sub-Commission consisting of seven Members of the Commission. (2) Eam of the parties concerned may appoint as members of this Sub-Commission a person of its moice. (3) The remaining members shall be mosen by Iot in accordance with arrangements prescribed in the Rules of Procedure of the Commission.

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der Mensmenremte, wie sie in dieser Konvention niedergelegt sind, erreimt werden kann.

tels que les reconnait Ia presente Convention.

Human Rights as defined in this Convention.

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(3) lf the High Contracting Party contaken satisfactory cerned has not measures within the prescribed period, the Committee of Ministers shall decide by the majority provided for in paragraph (1) above what effect shall be qiven to its oriqinal decision and shall publish the Report.

(2) In the affirmative case the Commlttee of Ministers shall pr'escribe a period during which the High Contracting Party concerned must take the measures required by the decisil;m of the Committee of Ministers. 3. Si Ia Haute Partie Contractante interessee n'a pas adopte des mesures satisfaisantes dans le delai imparti, le Comite des Ministres donne a sa decision Initiale, par Ia majorite prevue au paragraphe 1 ci-dessus, les suites qu'elle comporte et publie le rapport.

dater de Ia transmission au Comite des Ministres du rapport de Ia Commission, I'affaire n'est pas·deferee a Ia Cour par application de l'article 48 de Ia presente Convention, Ie Comite des Ministres prend, par un vote a Ia majorite des deux tiers des repref.entants ayant le droit de sieger au Comite, une decision sur Ia question de savoir s'il y a eu ou non une Violation de Ia Convention. 2. Dans !'affirmative, Ie Comite des Ministres fixe un delai dans lequel Ia Haute Partie Contractante interessee doit prendre les mesures qu'entraine Ia decision du Comite des Ministres.

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Art i c 1 e 32

Art i c 1 e 32 (1) lf the question is not referred to the Court in accordance with Article 48 of this Convention within a period of three months from the date of the transmissk>n of the Report to the Committee of Ministers, the Committee of Ministers shall decide by a majority of two-thirds of the members entitled to sit on the Committee whether there has been a violation of the Convention. 1. Si, dans un delai de trois mois

2. Le rapport est transmis au Comite des. Minis~res; il est egalement communique- aux Etats Interesses, qui n'ont pas Ia faculte de le publier. 3. En transmettant le rapport au Comite des Ministres, Ia Commission peut formuler les propositions qu'elle juge appropriees.

(2) The Report shall be transmitted to the Committee of Ministers. It shall also be transmitted to the States concerned, who shall not be at liberty to publish it. (3) In transmitting the Report to the Committee of Ministers the Commission may make such proposals as it thinks fit.

(3) Trüft der betreffende Hohe Vertrag· schließende Teil innerhalb des vorge· schriebenen Zeitraumes keine befriedi· genden Maßnahmen, so beschließt der Ministerausf.chuß mit der in vorstehendem Absatz 1 vorgesdlriebenen Mehrheit, auf welche Weise seine ursprüng· liehe Entscheidung vollstreckt werden soll, und veröffentlicht den Beridlt.

(2) Wird eine Verletzung der Konvention bejaht, so hat der Ministeraussd1Uß einen Zeitraum festzusetzen, innerhalb dessen der betreffende Hohe Ver· tragschließende Teil die in der Entschei· des Ministerausschusses vordung gesehenen Maßnahmen durdlzuführen hat.

Artikel 32 (1) Wird die Frage nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten, vom Datum der Vorlage des Berichts an den Ministerausschuß an gerechnet, gemäß Artikel 48 dieser Konvention, dem Gerichtshof vorgelegt, so entscheidet der Ministerausschuß mit Zweidrittelmehrheit der zur Teilnahme an den Sitzungen des Ausschusses berechtigten Mitglieder, ob die Konvention verletzt worden ist.

(2) Der Bericht ist dem Ministerausschuß vorzulegen; er ist auch den beteiligten Staaten vorzulegen, die nicht das Recht haben, ihn zu veröffentlichen. (3) Bei der Vorlage des Berichts an den Ministerausschuß hat die Kommission das Recht, von sich aus die ihr geeignet erscheinenden Vorschläge zu unterbreiten.

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Artikel 35 Die Kommission tritt zusammen, so oft die Umstände es erfordern. Die Sitzungen werden vom Generalsekretär des Euro· parats einberufen. Artikel 36 Die Kommission setzt ihre Geschäfts· ordnung selbst fest. Art i k e 1 37 Die Sekretariatsgeschäfte der Korn· mission werden vom Generalsekretär des Europarats wahrgenommen. Abschnitt IV Artikel 38 Der .Europäisdl.e ·Geridl.tshof für Men· schenrechte besteht aus ebensoviel Ridl·

Art.icle 35 La Commission se reunit lorsque les circonstances l'exigent. Elle est convo· quee par le Secretaire General du Con· seil de l'Europe. Article 36 La Commission etablit son reglement interieur. Article 37 Le secretariat de la Commission est assure par le Secretaire General du Con• seil de l'Europe. Titre IV Article 38 La Cour europeenne des Droits de l'homme se compose d'un nombre de

Article 35 The Commission shall meet as the cir· cumstances require. The meetings shall be convened by the Secretary-General of the Council of Europe.

Article 36 The Commission shall draw up its own rules of procedure.

Article 37 The secretariat of the Commission shall be provided by the Secretary· General of the Council of Europe.

Section IV

Article 38 The European Court of Human Rights shall consist of a nurober of judges

Art i k e 1 34 Die Kommission trifft ihre Entschei· dungen mit Stimmenmehrheit der an· wesenden und an der Abstimmung teil· nehmenden Mitglieder; die Unterkom· mission trifft ihre Entscheidungen mit Stimmenmehrheit ihrer Mitglieder.

Artikel 33 Die Sitzungen der Kommission finden unter Ausschluß der Offentlichkeit statt.

(4) Die Hohen Vertragschließenden Teile verpflichten sich, jede Entscheidung des Ministerausschusses, die in Anwen· dung der vorstehenden Absätze ergeht für sich als bindend anzuerkennen.

Article 34 Les decisions de la Commission sont prises a la majorite des membres pre· sents et votants; les decisions de Ja sous-commission sont prises a la majorite de ses membres.

Art i c 1 e 33 La commission siege a huis clos.

4. Les Hautes Parties Contractantes s'engagent a considerer comme obligatoire pour elles toute decision que le Comite des Ministres peut prendre en application des paragraphes precedents.

Article 34 The Commission shall take its deci· sions by a majority of the Members pre· sent and voting; the Sub-Commission shall take its decisions by a majority of its members.

Art i c 1 e 33 The Commission shall meet in camera.

(4) The High Contracting Parties un· dertake to regard as binding on them any decision which the Committee of Ministers may take in application of the preceding paragraphs.

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elected for a period of nine years. They may be re-elected. However, of the rncrnbers elccted nt the first election the tcrrns of four membres shall expire at the end of three years, and the terms of four rnore mernbers shall expire at the end of six years.

(1)

Art i k e I 40 Die Mitglieder des Gerichtshofs werden für einen Zeitraum von neun Jahren gewählt. Ihre Wiederwahl ist zulässig. Jedoch läuft die Amtszeit von vier bei df'T ersten Wahl gewählten Mitgliedern nad1 drei Jahren, die Amtszeit von weiteren vier Mitgliedern nach sechs Jahren ab. Art i c I e 40

1. Les mernbres de la Cour sont elus pour une duree de neuf ans. lls sont reeligibles. Toutefois, en ce qui concerne les rnernbres designes a la premiere election, les fonctions de quatre des mernbres prendront fin au bout de trois ans, celles de quatre autres mernbres prendront fin au bout de six ans.

(I) The rnernbers of the Court shall be

Art i c 1 e 40

(3) Die Kandidaten müssen das höchste sittliche Ansehen genießen und müssen entweder die Befähigung für die Ausübung hoher richterlicher Ämter besitzen oder Rechtsgelehrte von anerkanntem Ruf sein.

3. Les candidats devront jouir de Ia plus haute consideration morale et reunir les conditions requises pour l'exercice de hautes fonctions judiciaires ou etre des jurisconsultes possedant une compcHence notoire.

(3) The candidates shall be of high rnoral c.haracter and rnust eilher possess the qualifications required for appointment to hi-gh judicial office or be jurisconsults of recognised cornpetence.

Artikel 39 Die Mitglieder des Gerichtshofs werden von der Beratenden Versammlung mit Stimmenmehrheit aus einer Liste von Personen gewählt, die von den Mitgliedern des Europarals vorgeschlagen werden; jedes Mitglied hat drei Kandidaten vorzuschlagen, von denen mindestens zwei eigene Staatsangehörige sein müssen. (2) Dasselbe Verfahren ist, soweit an· wendbar, einzuschlagen, um dert Gerichtshof im Falle späteren Beitritts an· derer Staaten zu ergänzen und um frei· gewordene Sitze zu besetzen, (1)

tern, wie der Europarat Mitglieder zählt. Dem Gerichtshof darf jeweils nur ein Angehöriger jedes einzelnen Staates angehören.

2. Dans la mesure ou eile est applicable, la meme procedure est suivie pour completer- Ia Cour en cas d'admission de nouveaux Membres au Conseil de l'Europe, et pour pourvoir aux sieges devenus vacants.

Article 39 1. Les membres de la Cour sont elus par 1' Assemblee Consultative a la majorite des voix exprimees sur une Iiste de personnes presentee par les Membres du Conseil de l'Europe, dlacun de ceux-ci devant presenter trois candidats, dont deux au moins de sa nationalite,

juges egal a celul des Membres du Conseil de l'Europe. Elle ne peut comprendre plus d'un ressortissant d'un meme Etat.

(2) As far as applicable, the same pro· cedure shall be followed to complete the Court in the event of the admission of new Mernbers of the Council of Europe and in filling casual vacancies,

elected by the Consultative Assembly by a majority of the votes cast from a Iist of persons nominated by the Members of the Council of Europe; each Member shall nominale three candidates, of whom two at least shall be its nationals.

(1) The members of the Court shall be

Article 39

equal to that of the Members of the Council of Europe. No two judges may be nationals of the same State.

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(3) Ein Mitglied des Geridltshofs, das zum Ersatz eines anderen Mitglieds gewählt wird, dessen Amtszeit nodl nidlt abgelaufen war, bleibt bis zum Ablauf des Amts seines Vorgängers im Amt. (4) Die Mitglieder des Gerichtshofs bleiben im Amt bis zum Amtsantritt ihrer Nadlfolger. Nadl ihrer Ablösung bleiben sie in den Fällen tätig, mit denen sie be· reits befaßt waren. Art i k e I 41 Der Geridltshof wählt seinen Präsidenten und seinen Vizepräsidenten für einen Zeitraum von drei Jahren. Wie· derwahl ist zulässig. Art i k e I 42 Die Mitglieder des Geridltshofs erh 31ten für jeden Arbeitstag eine Entsdlärliqung, deren Höhe vom Ministeraussrnuß festgesetzt wird.

3. Le membre de la Cour elu en remplacement d'un membre dont Je mandat n'est pas expire, adleve Je terme du mandat de son predecesseur. 4. Les membres de Ia Cour restent en fonctions jusqu'a leur r:emplacement. Apres ce remplacement, ils continuent de connaitre des affaires dont ils sont deja saisis. Art i c 1 e 41 La Cour elit son President et son VicePresident pour une duree de trois ans. Ceux-ci son reeligibles. Article 42 Les membres de Ia Cour rec;oivent une indemnite par jour de fonctions, a fixer par Je Comite des Ministres. Art i c le 43 Pour l'examen de chaque affaire portee devant elle, Ia Cour est constituee en une Chambre composee de sept juges. En feront partie d'office Je juge ressor· tissant de tout Etat interesse ou, a defaut, une personne de son dloix pour sieger en qualite de juge; !es noms des

(3) A member of the Comt elected to replace a member whose term ol ollice bas not expired shall hold ollice for the remainder of his predecessor's term.

The members ol the Co'urt shall office until replaced. After having replaced, they shall continue to with sudl cases as they already under consideration.

(4) hold been deal have

Art i c I e 41 The Court shall elect its President and Vice-President for a period of three years. They may be re-elected.

Art i c I e 42 The members of the Courtshall receive for eadl day of duty a compensation to be determined by the Committee of Ministers.

Art i c I e 43 For the consideration of eadl case brought before it the Court shall consist of a Chamber composed of seven judges, There shall sit as an ex-officio member of the Chamber the judge who is a national of any State party concerned, or, if there is none, a person of

Artikel 43 Die Prüfung jedes dem Geridlt vorgelegten Falles erfolgt dur