Kriterien und Grenzen der Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs nach dem Grundgesetz [1 ed.] 9783428524686, 9783428124688

Für den Bundesstaat ist die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern eine grundlegende Weichens

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Kriterien und Grenzen der Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs nach dem Grundgesetz [1 ed.]
 9783428524686, 9783428124688

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Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Band 180

Kriterien und Grenzen der Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs nach dem Grundgesetz Von

Ulrich Jan Schröder

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

ULRICH JAN SCHRÖDER

Kriterien und Grenzen der Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs nach dem Grundgesetz

Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Heinrich Dörner Dr. Dirk Ehlers Dr. Ursula Nelles

Band 180

Kriterien und Grenzen der Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs nach dem Grundgesetz

Von

Ulrich Jan Schröder

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D6 Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5383 ISBN 978-3-428-12468-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern soll einerseits der vertikalen Gewaltenteilung dienen und darf andererseits zweckmäßige sowie sachangemessen umfassende Regelungen eines einzelnen Gesetzgebers nicht behindern. Die Zweckmäßigkeit eines Gesetzes ist sogar verfassungsrechtlich gefordert. Mit der Hilfe von Sachzusammenhang und Annex, der hier als ein Unterfall von jenem verstanden wird, bietet die Auslegung der Kompetenztitel einen Weg aus diesem Zielkonflikt. Damit haben Auslegung und ihre Methode wesentlichen Einfluß auf den Charakter des Bundesstaates. Die Figur des Sachzusammenhangs lädt zu Überdehnungen der geschriebenen Kompetenztitel – also regelmäßig derjenigen des Bundes – ein. Im Verein mit den Kompetenzausübungsschranken des Gebotes der Bundestreue und des Gebotes der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung droht die grundgesetzliche Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen an Klarheit zu verlieren. Um die notwendige Deutlichkeit der kompetentiellen Grenzziehung zwischen Bund und Ländern zu gewährleisten, werden im folgenden erlaubte Kriterien für die Anwendung des Argumentes vom Sachzusammenhang vorgeschlagen und unzulässige verworfen. Eine Untersuchung der Reichweite der Kompetenzausübungsschranken, die sich funktional mit dem Topos des Sachzusammenhangs überschneiden, schließt die Arbeit ab. Die Grundgesetzartikel werden in der Fassung in Bezug genommen, die sie unmittelbar vor der am 1. September 2006 in Kraft getretenen Föderalismusreform (BGBl. 2006 I, S. 2034 ff.) hatten. Die Änderung des Grundgesetzes hat einige Bereiche der Gesetzgebungskompetenzen neu zugeschnitten, einiges dem Bund genommen, die Kategorie der Rahmengesetzgebung abgeschafft, deren Materien weitgehend in die konkurrierende oder ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes verschoben und die neuartige Möglichkeit der Abweichungsgesetzgebung zugunsten der Länder eingeführt. Das Anliegen dieser Arbeit hat auch angesichts der Novellierung nichts von seiner Dringlichkeit verloren. Eine methodisch strenge Engführung der Auslegung der dem Gesetzgeber zugewiesenen Kompetenzmaterien bleibt ein Desiderat in der verfassungsrechtlichen Praxis von Gesetzgebung, Gesetzesanwendung und Rechtsprechung. Die vorliegende Arbeit wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Sommersemester 2004 als Dissertation angenommen. Vielfältige Unterstützung habe ich Herrn Prof. Dr. Dirk Ehlers zu verdanken, der die Arbeit betreute und das erste Gutachten erstattete. Dank gebührt auch dem

6

Vorwort

Zweitgutachter, Herrn Prof. Dr. Bodo Pieroth, für seine inhaltlichen Anregungen und der Westfälischen Wilhelms-Universität für ihre großzügige Förderung meines Promotionsvorhabens. Den Herausgebern der Münsterischen Beiträge zur Rechtswissenschaft bin ich für die Aufnahme in die Reihe dankbar, ebenso dem Freundeskreis Rechtswissenschaft für den gewährten Druckkostenzuschuß. Besonders und von Herzen möchte ich meinen Eltern danken, die mich beraten, unterstützt und angetrieben haben, wie man es sich nur wünschen kann. Münster, im Juni 2007

Ulrich Jan Schröder

Inhaltsübersicht A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

I. Gesetzgebung im Sinne der verfassungsrechtlichen Kompetenznormen . . . . . .

21

II. Der Begriff der Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

III. Funktion einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

IV. Der Sachzusammenhang als Mittel der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

V. Anwendungsfelder des Sachzusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

VI. Grenzen der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

VII. Kriterien für eine Auslegung vermittels des Sachzusammenhangs . . . . . . . . . . . .

43

VIII. Die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs als bundesstaatliches Phänomen . . .

44

B. Die Vorgeschichte der Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs seit 1871 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

I. Die Verfassung des Deutschen Reichs von 1871 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

II. Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

III. Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

IV. Die Entstehung des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

I. Die Auslegung der Gesetzgebungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

II. Kompetentielle Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 I. Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 II. Typen des Sachzusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 III. Spezialitätsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 IV. Strukturelle Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs . . . . . . . . . . . 157

8

Inhaltsübersicht V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs . . . . . . . . . . . . 176 VI. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Annexes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 I. Aufeinander aufbauende Rechtsgebiete und -vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 II. Ineinandergreifende Prüfungsprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 F. Rechtfolgen der Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs . . . . . . . . . 339 I. Prärogativen bei der Kompetenzermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 II. Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 III. Symmetrie von Bundes- und Landesgesetzgebungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . 346 IV. Analogie kraft Sachzusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 V. „Konkurrierende“ Kompetenz kraft Sachzusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 VI. Bedürfnis einer Zustimmung des Bundesrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 VII. Zitiergebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 VIII. Kooperationspflichten im Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 G. Die Kompetenzausübungsschranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 I. Die Bundestreue in der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen . . . . . . . . . . 360 II. Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 III. Verhältnis der Kompetenzausübungsschranken zur Kompetenzermittlung . . . . 407 H. Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

I. Gesetzgebung im Sinne der verfassungsrechtlichen Kompetenznormen . . . . . .

21

1. Der Begriff des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

2. Verfassungsänderung kraft Gesetzgebungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

3. Verwaltungshandeln kraft Gesetzgebungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

II. Der Begriff der Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

III. Funktion einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

IV. Der Sachzusammenhang als Mittel der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

V. Anwendungsfelder des Sachzusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

1. Verwaltungskompetenzen des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

2. Einfachgesetzliche Verwaltungszuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

3. Wirtschaftliche Betätigung im Annex zur Verfolgung eines öffentlichen Zwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

4. Einfachgesetzliche Rechtswegzuweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

5. Einfachgesetzliche Verwaltungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

VI. Grenzen der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

VII. Kriterien für eine Auslegung vermittels des Sachzusammenhangs . . . . . . . . . . . .

43

VIII. Die Kompetenz kraft Sachzusammenhang als bundesstaatliches Phänomen . . .

44

B. Die Vorgeschichte der Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs seit 1871 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

I. Die Verfassung des Deutschen Reichs von 1871 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

1. Albert Haenel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

2. Heinrich Triepel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

10

Inhaltsverzeichnis II. Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

III. Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

IV. Die Entstehung des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

1. Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

2. Der Parlamentarische Rat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

I. Die Auslegung der Gesetzgebungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

1. Doppelzuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

a) Mehrere Kompetenzen für dasselbe Gesetzeswerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

b) Mischgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

c) Doppelzuständigkeiten für denselben Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . .

68

2. Dynamische, effektive und effektuierende Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

3. Strikte Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

4. Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

5. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

a) Wortidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

b) Gruppenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

II. Kompetentielle Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

1. Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

a) Haupt- und Nebenzweck sowie unmittelbare Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

b) Formenmißbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

c) Kern und Randbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

2. Gegenstand der Kompetenzauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

3. Die Auslegung des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

4. Kompetenzerweiterung durch den Sachzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

5. Teilregelungen: Ein neues Kriterium? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Kurzberichterstattungsrecht (BVerfGE 97, 228) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

Inhaltsverzeichnis

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b) Kindergartengebühren (BVerfGE 97, 332) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 c) Inkompatibilität von Landtagsmandat und Mitgliedschaft im Vorstand eines vom Land beherrschten Unternehmens (BVerfGE 98, 145) . . . . . . 112 d) Strafrecht und Bayerisches Schwangerenhilfeergänzungsgesetz (BVerfGE 98, 265) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 6. Kompetenzauslegung als Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 a) Das Überwiegen eines Sachzusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 b) Kompetenzabgrenzung nach Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 c) Abwägung unter den Elementen der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 d) Abwägung bei den Kompetenzausübungsschranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 I. Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 1. Ableitung der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 2. Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 II. Typen des Sachzusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 1. Erich Küchenhoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 2. Martin Bullinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 3. Christian Pestalozza . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 a) Kompetenzergänzender und kompetenzbegründender Sachzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 b) Die Bedeutung des Art. 31 GG für Doppelkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . 137 aa) Realkonkurrierendes Sonderrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 bb) Idealkonkurrierendes Sonderrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 III. Spezialitätsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 1. Kompetenzart als Argument für Spezialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2. Explizite Spezialitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 3. Die Spezialität der „Mittel-Kompetenz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Modale und Sachkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

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Inhaltsverzeichnis b) Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht und Sachkompetenz . . . . . . . . . 153 c) Sachkompetenz gegen Sachkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 IV. Strukturelle Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs . . . . . . . . . . . 157 1. Die Maßstäbe des Art. 72 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 2. Die Maßstäbe des Art. 75 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3. Primat des Bundesgesetzgebers? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 a) Kompetentielle Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 b) Doppelzuständigkeiten und Art. 31 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 c) Kompetenzausübungsschranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 aa) Die Bundestreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 bb) Die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 4. Der Einfluß der Kompetenzarten auf die Anforderungen für einen Sachzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs . . . . . . . . . . . . 176 1. Materielle Aufladung der Kompetenznormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 a) Grundrechtsschutz durch Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 b) Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 aa) Beschränkungen des Grundrechts auf Asyl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 bb) Atomrechtliches Genehmigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 cc) Strafrecht und Verfahrensrecht beim Schwangerschaftsabbruch . . . 194 dd) Enteignungsentschädigung und Enteignungsverfahren . . . . . . . . . . . . 196 c) Die Bedeutung des Gleichheitssatzes für die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 aa) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . 202 bb) Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 2. Sachzusammenhang kraft Verfassungsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 a) Das kommunale Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 b) Parteiengesetz und Rundfunkrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 c) Die Bedeutung des Sozialstaatsprinzips für den Sachzusammenhang . . 215 3. Sachzusammenhang kraft Landesverfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218

Inhaltsverzeichnis

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a) Landesverfassungsrecht außerhalb der Gesetzgebungskompetenzen . . . 221 b) Materielle Bindungen der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 c) Landesverfassungsrechtliche Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 d) Reichweite landesgrundrechtskonformer Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 e) Privatrechtsgestaltende Landesgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 4. Die Umsetzung von europäischem Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 VI. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Annexes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 1. Abgrenzung zum Sachzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 2. Voraussetzungen einer Annexkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 a) Unselbständigkeit der Annexmaterie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 b) Punktualität der Annexregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 c) Notwendigkeit der Annexregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 3. Annex zum Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 a) Experimentiergesetze und Modellversuche des Gesetzgebers . . . . . . . . . . 238 b) Ressortzugehörige Forschung und andere ressortzugehörige Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 c) Kompetenzen der Gesetzgebungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 4. Ausdrückliche Annexkompetenzen im Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 a) Organisations- und Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 b) Statistikgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 c) Das Recht der Enteignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 d) Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 e) Umkehrschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 5. Beispiele mitgeschriebener Annexkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 a) Die Ordnungsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 b) Nicht-steuerliche Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 aa) Regelung des Versteigerungsverfahrens für UMTS-Lizenzen . . . . . 251 bb) Die Verrechnung von Maut-Abgaben und Mineralölsteuer . . . . . . . . 252

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Inhaltsverzeichnis c) Regelung der Verwaltungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 d) Bodenbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 e) Volksbefragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 f) Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 g) Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 aa) Presserecht und Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 bb) Das Nebeneinander besonderen Gefahrenabwehrrechts . . . . . . . . . . . 256 cc) Die Bundestreue als Ersatz für eine annexweise Zuordnung besonderen Gefahrenabwehrrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 6. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 7. Die Annexkompetenz für das Verfahrens- und Organisationsrecht . . . . . . . . . 259 a) Das Verhältnis von Sach- und Verfahrensgesetzgebungskompetenz . . . . 259 aa) Annextheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 bb) Das Verhältnis von Akzessorietätslehre und Annextheorie . . . . . . . . 267 b) Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Annexkompetenzen . . . . 269 aa) Erfordernis des spezifischen Grundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 bb) Verfassungskonforme Auslegung der Bundeskompetenzen . . . . . . . 271 c) Annexkompetenz und Sachzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 aa) Tradition der Formel des Baurechtsgutachtens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 (1) Verbot einer umfassenden Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 (2) Insbesondere die Entscheidung zum Altenpflegegesetz . . . . . . 274 bb) Der Sachzusammenhang als Annexargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 (1) Jugendpflege als Teil der öffentlichen Fürsorge . . . . . . . . . . . . . . 279 (2) Abfallbeseitigung als Abfallvermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 (3) Bundesgesetzliche Befreiung von landesgesetzlichen Gebührenpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281

E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 I. Aufeinander aufbauende Rechtsgebiete und -vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 1. Straßenverkehrsrecht und Straßenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 2. Bodenrecht und Bauordnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 3. Strafrecht sowie Polizei- und Ordnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 4. Strafprozeßrecht sowie Polizei- und Ordnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292

Inhaltsverzeichnis

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5. Das Verhältnis des § 134 BGB zu landesgesetzlichen Verboten . . . . . . . . . . . 299 6. Die Blankettnormen des Strafrechts und des Bürgerlichen Rechts . . . . . . . . . 301 7. Prozeßrecht und materielles Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 II. Ineinandergreifende Prüfungsprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 1. Kartellrecht bzw. UWG versus bereichsspezifische Regelung . . . . . . . . . . . . . 308 a) Presserecht und Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 b) Rundfunkrecht und Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 c) Das Recht der freien Berufe und das Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 313 d) Kommunalrecht und UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 2. Planungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 a) Bauplanungsrecht versus Fachplanungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 aa) Der Fachplanungsvorbehalt im BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 bb) Festsetzungen nach dem BauGB versus Landes-Fachgesetze . . . . . . 318 b) Überschneidung von Planungen und Genehmigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 aa) Die Eisenbahnkreuzungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 bb) Die Kompetenz für Vorschriften mit Konzentrationswirkung . . . . . 322 (1) Formelle Konzentrationswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Historische Auslegung des Kompetenztitels . . . . . . . . . . . . . (b) Ergänzungsbedürftigkeit der Konzentrationswirkung anordnenden Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Konzentrationswirkung im Bereich einer Rahmenkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Kettenkonzentrationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

322 325 326 328 328

(2) Anwendungsraum für die Bundestreue? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 (3) Materielle Konzentrationswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 (a) Das Beispiel der Schlußpunkttheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 (b) Einheit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 cc) Das Zusammentreffen von Planfeststellungsverfahren (§ 78 VwVfG des Bundes) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 F. Rechtsfolgen der Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs . . . . . . . . 339 I. Prärogativen bei der Kompetenzermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 1. Abwägungsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339

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Inhaltsverzeichnis 2. Die Formel des Baurechtsgutachtens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 II. Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 III. Symmetrie von Bundes- und Landesgesetzgebungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . 346 IV. Analogie kraft Sachzusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 V. „Konkurrierende“ Kompetenz kraft Sachzusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 VI. Bedürfnis einer Zustimmung des Bundesrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 VII. Zitiergebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 VIII. Kooperationspflichten im Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355

G. Die Kompetenzausübungsschranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 I. Die Bundestreue in der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen . . . . . . . . . . 360 1. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 2. Die Bundestreue als Kompetenzausübungsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 II. Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 1. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 a) Unzulässigkeit kommunaler Verpackungssteuern (BVerfGE 98, 106) . . 378 b) Unzulässigkeit landesgesetzlicher Abfallabgaben (BVerfGE 98, 83) . . . 383 c) Das Bayerische Schwangerenhilfeergänzungsgesetz (BVerfGE 98, 265) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 2. Der Widerspruchstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 a) Die Abwägung zur Ermittlung der Kompetenzrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . 391 b) Der Konflikt von Zielvorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 aa) Der Konflikt zwischen Sach- und Steuergesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 bb) Der Konflikt zweier Sachgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 c) Wertungswidersprüche im Verhältnis von Rechtmäßigkeitsvorschriften

396

3. Vorrangregeln infolge des Widerspruchstatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398

Inhaltsverzeichnis

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4. Kritik an der neuen Kompetenzausübungsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 a) Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 b) Die Grundrechte als verfassungsrechtlicher Maßstab von Regelungswidersprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 aa) Unverhältnismäßigkeit widersprüchlicher Regelungen . . . . . . . . . . . . 402 bb) Vertrauensschutz gegen widersprüchliche Regelungen . . . . . . . . . . . . 403 cc) Vorrangregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 III. Verhältnis der Kompetenzausübungsschranken zur Kompetenzermittlung . . . . 407 H. Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441

A. Einleitung Der Bundesstaat ist ein kompliziertes Gebilde. An Einfachheit, Effektivität und Entscheidungsökonomie ist ihm der Zentralstaat scheinbar überlegen. Aber die föderale Aufteilung der Macht des Staats sichert die Freiheit seiner Bürger und die Beachtung des Rechts.1 Die die Staatsgewalt moderierende Teilung der Kompetenzen wird diesen Zielen nur gerecht, wenn im voraus berechenbar ist, welche Ebene im Staat die Kompetenz für ein bestimmtes Gesetz besitzt. Die Frage nach der richtigen und eindeutigen Abgrenzung der Kompetenzen von Gesamtstaat und Gliedstaaten begleitet die Geschichte des Bundesstaats von jeher. Paul Laband hat der Verfassung des Kaiserreichs die Diagnose gestellt, die verschiedenen Lebensfunktionen hingen innerlich so fest zusammen, „durchdringen und bestimmen sich gegenseitig so vielfach, sind so in einander geschlungen und verwickelt, dass es unmöglich ist, sie durch einen tiefen Schnitt voneinander zu trennen oder zwischen ihnen eine Kompetenzgrenze wie eine chinesische Mauer aufzurichten“.2 Im Bundesstaat des Grundgesetzes werden die Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern verteilt. Art. 70 Abs. 1 GG bestimmt, daß die Länder das Recht der Gesetzgebung haben, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Ein Gesetz muß unter einen Kompetenztitel des Bundes subsumiert werden können, damit der Bund kompetent ist. Die Subsumtion bereitet Schwierigkeiten, wenn das Gesetz eine Materie regelt, die „quer“ zu den Kompetenztiteln von Bund und Ländern liegt. Das Gesetz kann auch mit seinem Tatbestand und seiner Rechtsfolge in einem bestimmten Kompetenzgebiet anzusiedeln sein, aber über durch seine Rechtsfolgen vermittelte Wirkungen weitreichende Konsequenzen für einen anderen Bereich haben, der jenseits der Kompetenzgrenzen liegt. So ist das Zeugnisverweigerungsrecht von Presseangehörigen vom Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber des Strafprozeßrechts zugewiesen worden,3 obwohl die Pressearbeit dadurch wohl in summa stärker beeinflußt wird als die Erfolgsquote strafprozessualer Aufklärungsleistungen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner letzten Entscheidung zum Recht des Schwangerschaftsabbruchs dem Bundesstrafgesetzgeber die Kompetenz eingeräumt, kraft Sachzusammenhangs die berufsrechtlichen Pflichten von Ärzten zu regeln, die Schwangerschafts1 Zu Legitimation und Funktion der Bundesstaatlichkeit vgl. Oeter, Integration und Subsidiarität, S. 393 ff. 2 Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reichs, Bd. I, S. 99. 3 BVerfGE 36, 193.

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abbrüche vornehmen.4 Das Berufsrecht der Ärzte fällt „eigentlich“ in die Kompetenz des Landesgesetzgebers. Damit gelangt man an die terminologische Eigentümlichkeit der Problematik, die darin besteht, daß die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs keine Parallelkompetenz begründet, sondern die einzige Kompetenz für die zu subsumierende gesetzliche Regelung darstellt. Existiert also eine Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs, unter die sich ein Gesetz subsumieren läßt, wird dadurch nicht in die Gesetzgebungskompetenzen des anderen Hoheitsträgers „eingegriffen“, „übergegriffen“ oder werden diese gar „verletzt“. Oft ist von „Überschneidungsbereichen“ oder „Überlagerungen“ die Rede. Kompetenzen werden aber eindeutig zugeordnet. Überlagerungen kann es daher nur insofern geben, als an denselben Lebenssachverhalt verschiedene je für sich genommen kompetenzgemäße Gesetze anknüpfen. Im Überschneidungsbereich versucht das Bundesverfassungsgericht, mit dem „stärkeren“ Sachzusammenhang erst noch die Kompetenz eindeutig zuzuordnen.5 Die Grenze der Kompetenzen wird auch nicht für den Einzelfall eines Gesetzes ausnahmsweise entgegen der grundgesetzlichen Verteilung verschoben, sondern die grundgesetzliche Kompetenzverteilung ist vollständig und abschließend. Dem liegt die Annahme zugrunde, daß es für jede gesetzliche Regelung eine kompetentielle Zuordnung gibt, die nur durch Auslegung der Gesetzgebungskompetenzen festzustellen ist. Auch alle denkbaren Gesetzgebungskompetenzen kraft Sachzusammenhangs liegen dem Grundgesetz schon zugrunde und müssen durch Auslegung ermittelt werden. Sie warten gleichsam auf die einfachen Gesetze, die die Problematik des Sachzusammenhangs herausfordern. Wenn daher von Übergriffen, Eingriffen und Kompetenzverschiebungen gesprochen wird, so handelt es sich um metaphorischen Sprachgebrauch. Die Literatur und die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sind nicht frei davon. Symptomatisch ist die paradoxe Beschreibung Bullingers, der Sachzusammenhang entscheide über die „Randgebiete“ einer Kompetenz, die in einer „Gemengelage“ mit Materien fremder Gesetzgebungskompetenz stünden.6 Das durch Art. 70 Abs. 1 GG erzwungene Entweder-Oder der Kompetenzverteilung an Bund und Länder bedeutet nämlich, daß das „Randgebiet“ einer Kompetenz keine Gemengelage in dem Sinne sein darf, daß sowohl Bundes- als auch Landesgesetzgeber darauf zugreifen dürften. Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Auslegung der Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes. Wenn „Grenzbereiche“ der Kompetenzmaterien betroffen sind, muß die jeweilige Kompetenzvorschrift trennscharf gegenüber der des anderen Gesetzgebers ausgelegt werden. Dies muß wiederum im Hinblick auf die Besonderheiten des zu subsumierenden Gesetzes geschehen. Die dabei aufkommenden Fragen – ist das Berufsrecht der Ärzte „Strafrecht“,7 warum soll die Verjäh4 5 6 7

BVerfGE 98, 265. Siehe BVerfGE 97, 228 (252). Bullinger, Die Mineralölfernleitungen, S. 66. Vgl. BVerfGE 98, 265.

I. Gesetzgebung im Sinne der verfassungsrechtlichen Kompetenznormen

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rung von strafrechtlichen Pressedelikten Presserecht,8 das Zeugnisverweigerungsrecht aber Strafprozeßrecht sein,9 darf der Landesgesetzgeber das Recht der Kurzberichterstattung auch insoweit regeln, als die Rechtsverwertung „an sich“ in den Bereich des Urheberrechts fällt,10 gehört die nachträgliche Sicherungsverwahrung, die nicht in einem Strafurteil vorbehalten wurde, zum Landespolizei- und Landesordnungsrecht?11 – zielen auf Kriterien und Grenzen einer Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs nach dem Grundgesetz.

I. Gesetzgebung im Sinne der verfassungsrechtlichen Kompetenznormen 1. Der Begriff des Gesetzes Die Kompetenzen, die die Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern verteilen, setzen einen Gesetzesbegriff voraus, den das Grundgesetz selbst nicht definiert. Im Vorfeld des Gesetzesbegriffs bereitet schon die Unterscheidung von Rechtsetzung und Rechtsanwendung Schwierigkeiten, wie die Phänomene von Analogie und richterlicher Rechtsfortbildung belegen. Die Art. 76 bis 78 GG normieren das Gesetzgebungsverfahren. Nach Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG werden die Bundesgesetze vom Bundestag beschlossen. Das Parlamentsgesetz, das formelle Gesetz, fällt unter die von den Gesetzgebungskompetenzen verteilte Gesetzgebung. Verhält es sich mit den nur „materiellen“ Gesetzen wie etwa den Rechtsverordnungen ebenso? Die Verwendung des Gesetzesbegriffs in den Art. 76 ff. GG spricht dagegen. Die Frage mag akademisch erscheinen, wenn man befürwortet, daß jede Rechtsverordnung gemäß Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG einer formell-gesetzlichen Ermächtigung bedarf.12 Denn das Erfordernis, das „Ausmaß“ der Ermächtigung im Gesetz zu bestimmen, muß bedeuten, daß eine Rechtsverordnung, die Landesmaterien kraft Sachzusammenhangs mit der Bundesgesetzgebungskompetenz mitregelt, gerade auch bezüglich dieses Ausgreifens ermächtigt ist. Das heißt, schon das ermächtigende Gesetz muß diese Kompetenz kraft Sachzusammenhangs in Anspruch nehmen. Die Art. 70 ff. GG beziehen sich allerdings nur auf die Befugnis zum Erlaß von förmlichen Gesetzen und nicht auch von Rechtsverordnungen.13 Vgl. BVerfGE 7, 29 ff., mit Anm. Haas, DVBl. 1957, S. 614. Vgl. BVerfGE 36, 193. 10 Vgl. BVerfGE 97, 228. 11 Siehe dazu Pieroth, JZ 2002, S. 922 (923 f.). 12 Lücke, in: Sachs, GG, Art. 80 Rn. 5; Bryde, in: von Münch / Kunig, GG III, Art. 80 Rn. 3; Maunz, in: ders. / Dürig, GG, Art. 80 Rn. 3, 14; Studenroth, DÖV 1995, S. 525 (526); a. A. Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 62 Rn. 50, § 64 Rn. 16, § 65 Rn. 12 f. 13 BVerfGE 55, 7 (21); vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 120. 8 9

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Art. 80 GG trifft keine Aussage über Rechtsverordnungen innerhalb der Landesgesetzgebungskompetenzen. Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG verlangt, daß die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern unter anderem den Grundsätzen des demokratischen Rechtsstaates im Sinne des Grundgesetzes entsprechen muß. Damit ist das Prinzip der Gewaltenteilung für die Länder verbindlich. Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG muß nicht mit dem dargelegten Inhalt von den Landesverfassungen vorgesehen werden.14 Wenn es daher Rechtsverordnungen der Länder geben sollte, die sich in Einklang mit Bundesverfassungsrecht nicht auf ein Parlamentsgesetz stützen lassen müssen, sind für die Abgrenzung zur Bundesgesetzgebung nicht die Art. 70 ff. GG einschlägig, sondern zunächst die lex generalis des Art. 30 GG und Art. 31 GG. Wenn aber die Landes-Rechtsverordnung die Funktion einer formell-gesetzlichen Regelung hat, müssen die Voraussetzungen einer Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs bei einem Übergriff auf Materien der Bundesgesetzgebung vorliegen.

2. Verfassungsänderung kraft Gesetzgebungskompetenz Umstritten ist, ob auch Verfassunggebung und Verfassungsänderung der Länder unter „Gesetzgebung“ im Sinne der Art. 70 ff. GG fallen.15 Verfassunggebung ist zwar Gesetzgebung und die Landesverfassung ein förmliches Gesetz,16 dennoch wird die Unterordnung des Landesverfassungsrechts unter die Regel des Art. 70 Abs. 1 GG kritisiert. Im Vordergrund steht die Überlegung, die Bundesverfassung könne den Ländern nicht ein wesentliches Element von deren Eigenstaatlichkeit einräumen und durch einfache Bundesgesetze beschneiden. Schließlich gingen die Verfassungen der Länder dem Grundgesetz auch zeitlich voraus. Indes ist auch das Landesverfassungsrecht an den Art. 70 ff. GG zu messen.17 Das Staatsorganisationsrecht sowie die Grundrechte gehören ohnehin zu Landesgesetzgebungskompetenzen kraft Natur der Sache, so daß die Landesverfassungen noch über auf die Eigenstaatlichkeit gerichtete Gesetzgebungskompetenzen verfügen, die nicht von der Bundesgesetzgebung abhängen.18 Jedoch kann der landesverfassungsändernde Gesetzgeber nicht ein Landesgrundrecht mit einem Ausgestaltungsvorbehalt versehen, der wiederum als eine Gesetzgebungskompetenz kraft Natur der Sache unabhängig von den Bundesgesetzgebungskompetenzen wahrgenommen werden kann. Die Materie des Landesverfassungsrechts, sei sie dem Art. 70 GG entnommen oder Gegenstand einer Kompetenz kraft Natur der Sache, kann Ausgangspunkt ei14 Das Prinzip der Gewaltenteilung muß homogen, nicht uniform in den Ländern umgesetzt werden; vgl. BVerfGE 9, 268 (279). 15 Siehe Sachs, in: Festschrift Stern, S. 475 (494 f. zur formellen Verfassunggebung; 497 f. zu nur materiellem Verfassungsrecht). 16 Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 50. 17 Siehe unten E. V. 3. 18 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 50.

I. Gesetzgebung im Sinne der verfassungsrechtlichen Kompetenznormen

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ner Kompetenz kraft Sachzusammenhangs oder auch Zielmaterie eines solchen Übergriffs seitens des Bundesgesetzgebers sein. Die Änderung des Grundgesetzes mißt sich nicht an den Art. 70 ff. GG. Sie unterfällt nicht den Gesetzgebungskompetenzen, die zwischen Bund und Ländern verteilt werden, sondern ist Gegenstand der Kompetenz-Kompetenz, die gemäß Art. 79 GG vom Bund im Wege eines Gesetzgebungsverfahrens ausgeübt werden kann. Die ursprüngliche Verfassunggebung des Bundes konnte dem Bund auch nicht durch das Grundgesetz, das erst deren Produkt war, verliehen werden.19 Fraglich ist, ob dies hindert, daß der Landesgesetzgeber oder Landesverfassunggeber „im Sachzusammenhang“ Bundesverfassungsrecht „mitregelt“. In Betracht kommt etwa die Ausfüllung bzw. Konkretisierung unbestimmter Begriffe des Grundgesetzes durch Landesverfassungsrecht.20 So wurde im Falle der Bundesratsabstimmung über das Zuwanderungsgesetz21 argumentiert, die Vertretung der Mitglieder der Landesregierung im Bundesrat richte sich nach den Regeln der Landesverfassung über die Vertretung des Landes nach außen oder zumindest müßten die Bundesorgane aufgrund des Gebots der Bundestreue die Perpetuierung eines Landesverfassungsbruchs verhindern, indem sie die landesverfassungsrechtliche Vertretungsregel auch im Bundesrat akzeptierten.22 Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Gedanken nicht aufgegriffen.23 Der einfachste Fall einer solchen konkretisierungsbedürftigen Grundgesetznorm ist ein Gestaltungsauftrag, der sich mit einer ausdrücklichen Gesetzgebungskompetenz verbindet.24 So verhält es sich zum Beispiel bei Art. 38 Abs. 3 GG, der die Ausgestaltung der Bundestagswahlen zwar verfassungsunmittelbar an Grundsätze bindet, die Regelung des Näheren aber dem Bundesgesetzgeber aufgibt. Doch kann die Verfassung auch auf einen Begriff Bezug nehmen, der ausgestaltungsbedürftig ist, ohne daß in dem systematischen Zusammenhang der Verfassungsnorm die Konkretisierungskompetenz Bund oder Ländern zugeordnet wird. So liegt der Fall bei Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG mit dem Regelungsauftrag, gegen Akte der öffentlichen Gewalt effektiven Rechtsschutz zu bieten. Dann ist die Notwendigkeit oder Zulässigkeit der Organkompetenz des Gesetzgebers anhand der grundrechtlichen, demokratischen oder rechtsstaatlichen Funktion des Gesetzesvorbehalts zu ermitteln. Sollte der Gesetzgeber für die KonPestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 122. Nicht gemeint ist der Fall der Bezugnahme des Grundgesetzes auf Landesrecht. 21 BGBl. 2002 I, S. 1946. Die Zustimmungsbedürftigkeit folgte aus Art. 84 Abs. 1 GG, vgl. Kramer, JuS 2003, S. 645 (646). 22 Das Gebot der Bundestreue hält Odendahl, JuS 2002, S. 1049 (1050 f.) für ausschlaggebend. Zuvor hätte sie klären müssen, ob die landesverfassungsrechtliche Vorschrift überhaupt die Vertretung im Bundesrat zu regeln intendiert und, sollte dies der Fall sein, ob der Landesverfassunggeber damit nicht seine Kompetenz überschreitet. 23 BVerfG, NJW 2003, S. 339 (341), mit dem Hinweis auf die Trennung der Verfassungsräume von Bund und Ländern; vgl. auch Kramer, JuS 2003, S. 645 (648). 24 Dazu, daß die Gesetzgebungskompetenzen als solche nicht zur Gesetzgebung verpflichten, vgl. etwa Schulze-Fielitz, Staatsaufgabenentwicklung und Verfassung, S. 11 ff., 21. 19 20

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kretisierung zuständig sein, bemißt sich die Verbandskompetenz nach der Regel des Art. 70 Abs. 1 GG. In diesen Konstellationen wird auf Bundesverfassungsrecht nicht mittels einer Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs übergegriffen.

3. Verwaltungshandeln kraft Gesetzgebungskompetenz Wenn für die Gesetzgebung statistische Datenerhebungen, Untersuchungen, Forschungsmaßnahmen oder -einrichtungen oder sogar Modellversuche erforderlich sind, könnten diese von einer Annexkompetenz zur Gesetzgebungskompetenz gedeckt sein.25 Der Titel der Statistik für Bundeszwecke26 sollte auf die der ausschließlichen Bundesgesetzgebungskompetenz unterliegenden Gegenstände sowie, im Bereich der Art. 74, 74 a, 75 GG, auf Fälle, in denen das Gesetzesvorhaben unmittelbar bevorsteht, beschränkt werden, da bei einer ausschließlichen Bundeskompetenz auch für die Statistik in bezug auf nicht wahrgenommene konkurrierende Kompetenzen die Länder selbst dann an einer eigenen Statistikgesetzgebung gehindert wären, wenn der Bund im Bereich der Art. 74, 74 a, 75 GG Gesetze nicht einmal plant.27 Die Regelung der Statistik bezüglich „Erkenntnisfolgen“, also einer Statistik, die Gesetzgebung vorbereiten und begleiten soll, ressortiert zur jeweiligen Sachkompetenz.28 Ein spätestens zeitgleich mit Erlaß des Statistikgesetzes erlassenes Sachgesetz ist im Gegensatz zur Gesetzgebungskompetenz nach Art. 73 Nr. 11 GG nicht erforderlich, wohl aber die Unerläßlichkeit der Statistik für das Gesetzesvorhaben, das zeitnah erlassen werden soll und daher wenigstens in einem Rohentwurf vorliegen muß.29 Diese Kompetenz hat nicht zwingend ein formelles Gesetz zum Gegenstand, sondern kann auch mit Handlungsformen der Verwaltung, zu denen auch Realakte und informelles Verwaltungshandeln zählen, realisiert werden. Die Bundesstatistik jedenfalls im Bereich des Art. 73 Nr. 11 GG wird vielfach einer Bundesverwaltungskompetenz kraft Natur der Sache zugeordnet, so daß der Bund auch ohne Gesetz zuständig wäre.

II. Der Begriff der Kompetenz Wenn von Gesetzgebungskompetenz die Rede ist, stellt sich die Frage, was überhaupt eine Kompetenz ist. Die mit diesem Begriff notwendig verbundenen 25 26 27 28 29

Zum Begriff siehe unten D. VI. 1. Art. 73 Nr. 11 GG. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 73 Rn. 717 ff. Siehe Pestalozza, Grundgesetz, Art. 73 Rn. 719, 723 f. So zu Recht Pestalozza, Grundgesetz, Art. 73 Rn. 722.

II. Der Begriff der Kompetenz

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Eigenschaften müssen ihren Niederschlag auch bei der Auslegung mittels Sachzusammenhangs finden. Enthält die „Kompetenz“ etwa auch eine materielle Aufgabe, so würde der Sachzusammenhang nicht nur an den Lebensbereich anknüpfen, sondern zugleich an eine Aufgabe, die dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen gestellt wäre. Das Grundgesetz verwendet den Begriff „Kompetenz“ weder in bezug auf die Gesetzgebung noch an anderer Stelle. Art. 70 Abs. 1 GG spricht in ein und demselben Satz vom „Recht der Gesetzgebung“ und von „Gesetzgebungsbefugnissen“, die die Vorschrift offenbar synonym verstanden wissen will.30 Art. 105 Abs. 2 a GG verteilt die „Befugnis zur Gesetzgebung“. In Art. 71 GG ist vom Bereich der „ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes“ zu lesen. Dabei ist aber die ausschließliche „Kompetenz zur Gesetzgebung“ gemeint.31 Dasselbe gilt für Art. 105 Abs. 1 GG, demzufolge der Bund die „ausschließliche Gesetzgebung“ für Zölle und Finanzmonopole „hat“, und für Abs. 2, nach dem der Bund die „konkurrierende Gesetzgebung“ über die übrigen Steuern „hat“. Art. 72 Abs. 1 GG nennt den Begriff der „Gesetzgebungszuständigkeit“, während Abs. 2 denjenigen des „Gesetzgebungsrechts“ bevorzugt. Daran anknüpfend, weist Art. 75 Abs. 1 S. 1 GG dem Bund das „Recht“ zu, Rahmenvorschriften zu erlassen. Die jenseits der Kompetenzkataloge verstreuten und vereinzelten Gesetzgebungskompetenzen begnügen sich in der Regel mit Formulierungen wie „durch Bundesgesetz wird . . .“ oder „. . . regelt / bestimmt ein Bundesgesetz“. Die von der Literatur angebotenen Definitionen sind nicht immer stringent. So definieren Wolff / Bachof „Zuständigkeit“ als die in der Regel ausschließliche Bezogenheit eines Gegenstands auf ein Subjekt.32 „Kompetenz“ hingegen sei der Gegenstand der wahrzunehmenden Verpflichtung oder Berechtigung.33 Obwohl beide Begriffe oft gleichbedeutend gebraucht werden und eng zusammengehören, könne daher terminologisch die Zuständigkeit als die Befugnis eines Subjekts zur Wahrnehmung von Geschäften von der Kompetenz als dem Inhalt oder Gegenstand dieser Berechtigung unterschieden werden.34 Die Kompetenz wird bisweilen als der Gegenstand der Zuständigkeit, dann wieder als Art und Weise der Aufgabenerfüllung verstanden.35 Saladin schlägt für die Schweizer Bundesverfassung vor, statt von Kompetenzverteilung von einer VerteiSo auch Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 124. Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 72 Rn. 202. 32 Wolff / Bachof, Verwaltungsrecht, Bd. II, S. 14. 33 Wolff / Bachof, Verwaltungsrecht, Bd. II, S. 15. Die Beschränkung der „Kompetenz“ auf Gegenstände von Wahrnehmungsverpflichtungen, also Aufgaben, wird von Wolff / Bachof nicht definitiv behauptet; vgl. aber Pieroth, AöR 114 (1989), S. 422 (433 f.). 34 Wolff / Bachof, Verwaltungsrecht, Bd. II, 15; vgl. Schlink, Die Amtshilfe, S. 142 ff. 35 Vgl. Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 19; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn. 44; Erbguth, DVBl. 1988, S. 317; kritisch Pieroth, AöR 114 (1989), S. 422 (433 f.). 30 31

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lung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen zu sprechen.36 Dabei versteht er „Aufgabe“ weiter, als es in der bekannten Unterscheidung von Aufgabenzuweisungs- und Befugnisnorm zum Ausdruck kommt. Im Verwaltungsrecht ist die Diskussion über den Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis früher begonnen und gründlicher geführt worden als für das Verfassungsrecht.37 Auch hier ist es fraglich, ob den Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes Regelungspflichten und Verfassungswerte entnommen werden können, durch die die Grundrechte – etwa unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Verfassung – begrenzt werden, und ob umgekehrt die Grundrechte Kompetenzzuweisungen enthalten.38 Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Entscheidungen über die Informationstätigkeit der Bundesregierung die Handlungsbefugnis aus der verfassungsunmittelbaren „Aufgabe“ der Staatsleitung gefolgert.39 Die Verbandskompetenz des Bundes ergibt sich nach der Logik des Bundesverfassungsgerichts aus der Funktion der Regierung im Bundesstaat. Aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG wurde von Teilen des Schrifttums der Verfassungsrang des Tierschutzes auch schon vor Einführung40 des Staatsziels Tierschutz in Art. 20 a GG abgeleitet. Der Verfassungsrang von Kompetenzthemen darf jedoch nicht in die Kompetenznormen hineingelesen werden.41 Deswegen folgt aus einer Kompetenzvorschrift als solcher auch keine Gesetzgebungspflicht.42 Eine Gesetzgebungskompetenz kann allerdings mit einem Regelungsauftrag eng verbunden sein.43 Begriffsimmanent ist der Kompetenz die Regelungspflicht nicht. Auch wenn von Kompetenzen als Aufgaben die Rede ist, muß der Begriff Aufgabe anders als im Verwaltungsrecht in diesem Zusammenhang 36 Saladin, Zeitschrift für Schweizerisches Recht NF 103 (1984), S. 431 (448 f.). Zum Verhältnis von Staatsaufgabe und Kompetenz s. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 159 ff., sowie zum Verhältnis von Aufgabe und Befugnis Goerlich, „Formenmißbrauch“ und Kompetenzverständnis, S. 27 ff. 37 Zur Geschichte dieser Schlußfolgerung im deutschen Verwaltungsrecht s. Schlink, Die Amtshilfe, S. 91 ff. 38 Schlink, Die Amtshilfe, S. 89. 39 BVerfGE 105, 252 und E 105, 279; kritisch Gusy, NJW 2000, S. 977 ff.; Lege, DVBl. 1999, S. 569 ff. Das bleibt nicht ohne Auswirkung auf die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen; denn die Länder wären ohne die Annahme einer Funktion der Staatsleitung, die gerade auch dieses Informationshandeln der Bundesregierung deckt, kraft ihrer Kompetenz für das Polizei- und Ordnungsrecht zuständig bzw. aus ihrer eigenen Funktion der Staatsleitung. Das Bundesverfassungsgericht hält insofern ausdrücklich parallele Kompetenzen von Bund und Ländern für zulässig. 40 Durch Gesetz vom 26. 7. 2002, BGBl. I, S. 2862. 41 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1464; Sondervotum Mahrenholz / Böckenförde, BVerfGE 69, 57 (58 – 65), zu BVerfGE 69, 1 ff. 42 Zum Tierschutz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1465. Allg. Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 70 Rn. 13; März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 30 Rn. 10 in Fn. 24; Rengeling, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 100 Rn. 7. 43 So stets, wenn das Grundgesetz die nähere Regelung oder Bestimmung eines Gegenstands durch Gesetz vorsieht, vgl. Stettner, Grundfragen, S. 332; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 70 Rn. 13.

IV. Der Sachzusammenhang als Mittel der Auslegung

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nicht als Hinweis auf eine Pflicht zur Aufgabenerfüllung verstanden werden.44 Pieroth macht den Vorschlag, „Kompetenz“ als Oberbegriff für Aufgaben und Befugnisse zu verstehen, „Ermächtigung“ hingegen als Kompetenzzuweisung.45 Er räumt ein, daß das Grundgesetz in den sogenannten Kompetenznormen die für die Zuständigkeit kennzeichnende Bezogenheit auf den Inhaber der Kompetenz schon voraussetzt, so daß Zuständigkeit und Kompetenz synonym gebraucht werden.46 In der vorliegenden Arbeit werden beide Begriffe unterschiedslos verwandt.

III. Funktion einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs Durch eine Auslegung mittels des Sachzusammenhangs wird die Gesetzgebungskompetenz nicht „von außen“ durch eine normative Direktive erweitert. Der Sachzusammenhang ist der Name für eine typisierte Form der Normauslegung. Er ist keine Zutat, die die Kompetenz um einen von der Auslegung der Kompetenz nicht erreichten oder gar nicht erreichbaren Bereich ergänzt. Deswegen erscheint es sinnvoller, von einer Auslegung der Kompetenznorm mittels des Sachzusammenhangs zu sprechen als von einer durch die Auslegung gewonnenen Kompetenz kraft Sachzusammenhangs. Schließlich ist auch nicht von einer Kompetenz kraft Wortlauts die Rede. Der „kompetenzergänzende Sachzusammenhang“47 verläßt dagegen die Grenzen der Wortlautauslegung. Es handelt sich nicht mehr um eine Auslegung des Kompetenztitels. Die Grenzen einer noch zulässigen Verfassungsauslegung sind bei der Hinzuziehung der Argumentationsfigur des Sachzusammenhangs zu berücksichtigen. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, daß eine Kompetenz kraft Natur der Sache mittels eines Sachzusammenhangs „ausgelegt“ wird.48

IV. Der Sachzusammenhang als Mittel der Auslegung Kompetenzen kraft Sachzusammenhangs sind keine Kompetenzen kraft Natur der Sache. Solche natürlichen Zuständigkeiten sind nicht wie jene Ergebnis der Auslegung eines einzelnen geschriebenen Kompetenztitels. 49 Das Bundesverfassungsgericht hat sich auf die von Anschütz geprägte Formel50 bezogen und verPieroth, AöR 114 (1989), S. 422 (434). Pieroth, AöR 114 (1989), S. 422 (434). 46 Pieroth, AöR 114 (1989), S. 422 (434). 47 Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 110 – 112. Siehe unten D. II. 3. a). 48 Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 21 in Fn. 63. 49 Die amerikanische Terminologie bringt den Unterschied noch deutlicher zum Ausdruck: „Resulting powers“ (Kompetenzen aus der Natur der Sache) unterscheiden sich von „implied powers“ (Sachzusammenhangs- und Annexkompetenzen) durch die methodische Art und Weise der Ableitung aus dem Verfassungstext. 44 45

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A. Einleitung

wies als Geltungsgrundlage auf einen „ungeschriebenen, im Wesen der Dinge begründeten, mithin einer ausdrücklichen Anerkennung durch die Reichsverfassung nicht bedürftigen Rechtssatz, wonach gewisse Sachgebiete, weil sie ihrer Natur nach eigenste, der partikularen Gesetzgebungszuständigkeit a priori entrückte Angelegenheiten des Reiches darstellen, vom Reich und nur von ihm geregelt werden können“.51 Im Bundesstaat ist die Sache, aus deren Natur die Kompetenzen abzuleiten sind, der Bundesstaat selbst.52 Der Sachzusammenhang hingegen ist ein Aspekt der teleologischen Auslegung, ein Auslegungsbehelf,53 ein Topos, eine Argumentationsfigur bei der Auslegung der geschriebenen Kompetenzvorschriften. Eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs ist keine ungeschriebene Kompetenz. Sie ist eine geschriebene Kompetenz. So wird auch von einem „inneren Zusammenhang“ zwischen der ausdrücklich verteilten und der fremden Materie gesprochen.54 Die von der herrschenden Meinung verwandte sprachliche Kompromißformel der „mitgeschriebenen“ Kompetenz ist zwar eine anschauliche Beschreibung für die zulässigen Fälle des Sachzusammenhangs, nimmt aber zu der Frage der Zulässigkeit nur halbherzig Stellung. Soweit auch Nebenwirkungen auf „fremde“ Kompetenzbereiche unter die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs gefaßt werden, ist eher der Begriff der Kompetenz als seine Geschriebenheit kritikwürdig. Die Kompetenz ermächtigt nämlich nur zu Regelungen. Die (faktischen) Nebenwirkungen auf andere Materien sind nicht Gegenstand der Ermächtigung für Regelungen, sondern werden gleichsam hingenommen. Die Figur des Sachzusammenhangs hat innerhalb der teleologischen Auslegung eine ähnliche Funktion wie das argumentum a maiore ad minus oder der Schluß vom Zweck auf die Mittel. Oft wird sich das Argument des Sachzusammenhangs mit diesen Argumentationsfiguren sogar decken. Offenkundig ist das im Falle der Annexkompetenz. Diese wird als ein Unterfall der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs im weiteren Sinne verstanden.55 Sonderabgaben-, Gebühren-, Beitrags-, polizei- oder ordnungsrechtliche Regelungen, sofern man sie als Annex eines Sachbereichs auffaßt, verhelfen den Sachregelungen zur Durchsetzung. Die Annexregelungen sind Mittel für die Zwecke der Sachregelungen. Der Annexbereich erschließt sich insofern durch den Schluß vom Zweck auf die Mittel. Anschütz, in: ders. / Thoma (Hrsg.), Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. I, S. 367. BVerfGE 11, 89 (99). 52 Siehe Harms, Der Staat 27 (1994), S. 409. 53 Wipfelder, DVBl. 1982, S. 477 (478). 54 Wipfelder, DVBl. 1982, S. 477 (481). 55 Siehe dazu unten D. VI. Ferner Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 236; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 70 Rn. 7; Rengeling, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 100 Rn. 57; Achterberg, DÖV 1966, S. 695 (697); a. A. Stettner, Grundfragen, S. 430 – 434; Maunz, in: ders. / Dürig, GG, Art. 70 Rn. 49; Köstlin, Die Kulturhoheit des Bundes, S. 42; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Vorbem. Rn. 29 vor Art. 70, m. w. N. 50 51

IV. Der Sachzusammenhang als Mittel der Auslegung

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Der Begriff des Sachzusammenhangs kennzeichnet eine teleologisch-historische Interpretationsweise und könnte daher zugunsten des in Einzelheiten gehenden methodischen Vokabulars entbehrt werden.56 Der Streit um die Zulässigkeit von Kompetenzen kraft Sachzusammenhangs geht um die Zulässigkeit einer engen oder weiten Auslegung von Kompetenznormen.57 Der Sachzusammenhang darf nicht zur Begründung eines Analogieschlusses herangezogen werden. Analogien im Bereich der Gesetzgebungskompetenzen sind unzulässig. Auf der Grundlage von Art. 70 Abs. 1 GG ist deren Verteilung durch das Grundgesetz abschließend erfolgt. Es fehlt daher an einer Lücke, die eine Analogie schließen könnte. Hat man den Sachzusammenhang als einen Behelf der teleologischen Auslegung identifiziert, setzt dies die Möglichkeit einer teleologischen Auslegung der Gesetzgebungskompetenzen voraus. Im Rahmen der teleologischen Auslegung ist nach Sinn und Zweck der Norm zu fragen. Chief Justice John Marshall hat in dem leading case des amerikanischen Supreme Court zur implied powers-Lehre, McCulloch v. Maryland, bereits im Jahre 1819 die Zielorientierung der Kompetenzbestimmungen als Grundlage von implied powers postuliert: „Let the end be legitimate, let it be within the scope of constitution, and all means which are appropriate, which are plainly adapted to that end, which are not prohibited, but consist with the letter and spirit of the constitution, are constitutional.“58 Die Kompetenznormen zugunsten des Kongresses sind demnach auch Zielbestimmungen 59, von denen auf die Kompetenzgemäßheit bestimmter Mittel geschlossen werden darf. Dasselbe muß für die Gesetzgebungskompetenzen des Grundgesetzes gelten, will man sie überhaupt teleologisch auslegen. Die Zwecke der Kompetenznorm gehen aus ihr ohne weiteres hervor, wenn sie „final“ formuliert ist, etwa wenn der „Schutz beim Verkehr mit Lebens- und Genußmitteln“ thematisiert wird.60 Einem Kompetenztitel, der lediglich nach einem Sachbereich benannt ist wie zum Beispiel das Recht der Wirtschaft,61 stehen die möglichen Regelungsziele nicht auf die Stirn geschrieben. Dennoch ist eine teleologische Auslegung des Kompetenztitels zulässig und geboten. Denn eine Gesetzgebung ohne Regelungsziele ist nicht zulässig. Sie verstößt gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns. Die Regelungsziele eines Gesetzes müssen grundsätzlich von der Gesetzgebungskompetenz gedeckt sein.62 Dies drückt sich unter anderem bei der AnwenSo schon Buchsbaum, BayVBl. 1959, S. 136 (139 u. 140). Bullinger, Die Mineralölfernleitungen, S. 66. 58 McCulloch v. Maryland, 4 Wheat. (17 U. S.) 316, 421 (1819). 59 Vgl. Joswig, Die implied powers-Lehre im amerikanischen Verfassungsrecht, S. 1, der end mit Zielbestimmung übersetzt. 60 Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG. 61 Bzw. dessen in der Klammer aufgezählten Teilgebieten, Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG. 62 Das gilt nicht ausnahmslos: Gesetze über Lenkungssteuern können etwa in das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit eingreifen, und der Lenkungszweck kann diesen Eingriff rechtfertigen, obwohl eine „Regelung“ der Berufsausübung außerhalb der Kompetenz des 56 57

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dung des einfachen Rechts darin aus, daß im Rahmen von Ermessensvorschriften nicht auf gesetzesfremde Zwecke zurückgegriffen werden darf.63 Damit wird zum einen die einfachgesetzliche Zuständigkeitsordnung der verschiedenen Behörden geschützt, zum anderen ebenso die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern. Wenn also Gesetze Zwecke verfolgen müssen, diese Zwecke ihrerseits von der Gesetzgebungskompetenz erfaßt sein müssen, stehen solche Zwecke auch hinter der Kompetenzmaterie.

V. Anwendungsfelder des Sachzusammenhangs Die Untersuchung konzentriert sich auf die Bedeutung des Sachzusammenhangs bei der Auslegung der Gesetzgebungskompetenzen. Die Argumentationsfigur hat darüber hinaus ein größeres Anwendungsfeld.64 Auf der Ebene des Verfassungsrechts kommt sie noch zur Anwendung, wenn die Verwaltungskompetenzen gemäß den Art. 83 ff. GG zwischen Bund und Ländern verteilt werden. Im Bereich des einfachen Gesetzesrechts werden mit dem Argument des Sachzusammenhangs nur selten Zuständigkeiten von Verwaltungsbehörden ausgelegt. Des öfteren bedient sich die Rechtsprechung dieser Figur zur Auslegung gesetzlicher Rechtswegbestimmungen. Zur Abgrenzung von Kompetenzen verschiedenartiger Organe, etwa zwischen Gesetzgeber und Verwaltung, wird der Sachzusammenhang nicht instrumentalisiert. Dort wird in vergleichbarer Weise auf den Grundsatz der funktionsgerechten Organstruktur als Auslegungshilfe bei der Funktionszuordnung zurückgegriffen.65 Doch während die Verbandskompetenz nur unter Bezug auf die Sachmaterien ermittelt wird, vermengen sich bei der Ermittlung der Organkompetenz Erwägungen zur Regelungsmaterie und solche zur richtigen Regelungsweise.66

1. Verwaltungskompetenzen des Grundgesetzes Die zwischen Bund und Ländern zuzuordnenden Verwaltungskompetenzen sollen nach überwiegender Ansicht auch kraft Sachzusammenhangs bzw. Annexes gewonnen werden können.67 Während noch Triepel es für einen gangbaren Weg hielt, Steuergesetzgebers läge; vgl. zu einer Landessteuer mit Lenkungswirkung auf die Berufsausübung als Nebenzweck BVerfGE 14, 76 ff. 63 Vgl. auch § 40 VwVfG. 64 Vgl. die Darstellung bei Ehlers, Jura 2000, S. 323 (326 ff.). 65 Siehe z. B. Ossenbühl, Festschrift Maurer, S. 183 (187), sowie BVerfGE 95, 1, zur Legalplanung. 66 Dies führt zu der zirkulären Frage, ob von der Funktion auf das Organ oder vom Organ auf die Funktion zu schließen ist, vgl. Zimmer, Funktion – Kompetenz – Legitimation, S. 45 ff. 67 Vgl. schon Kölbe, DÖV 1963, S. 660 (667); Köttgen, JöR N.F. 3 (1954), S. 80; ders., JöR N.F. 11 (1962), S. 255; Schäfer, DÖV 1958, S. 243; Lerche, in: Maunz / Dürig, GG,

V. Anwendungsfelder des Sachzusammenhangs

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Verwaltungskompetenzen des Reichs aus einem Annex zu dessen Gesetzgebungskompetenzen abzuleiten,68 verbietet sich diese Ableitung wegen des durch Art. 83 GG statuierten Trennungsprinzips: Bundesgesetze werden von den Ländern ausgeführt, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zuläßt. Eine Bundesverwaltungskompetenz erfordert daher eine ausdrückliche eigene Ermächtigung, während eine „mitgeschrieben“ an eine Gesetzgebungskompetenz angeseilte Verwaltungskompetenz nicht ausreicht. Das im Verhältnis zum Prädikat „verleiht“ in Art. 70 Abs. 1 GG schwächere „zuläßt“ in Art. 83 GG muß wie in Art. 30 GG verstanden werden und bedeutet keine Lockerung des Erfordernisses gerade einer ausdrücklichen Verleihung der Kompetenz durch das Grundgesetz.69 Ähnlich wie bei Art. 70 Abs. 1 GG, der ein „Zulassen“ nicht erwähnt, werden mitgeschriebene Kompetenzen schon durch die erste Variante der „anderen Bestimmung“ erfaßt. Dem „Zulassen“ kommt keine darüber hinausgehende eigene Bedeutung zu. Wird daher mit dem durch Art. 83 GG als Regel normierten Prinzip der Trennung in Bundesgesetzgebungs- und Landesausführungskompetenz die Ableitung einer Bundesverwaltungskompetenz aus einem Annex zu einer Gesetzgebungskompetenz abgeschnitten, bleibt nur der Weg über eine Bundesverwaltungskompetenz kraft Natur der Sache mit deren besonders strengen Anforderungen.70 Aus dem zutreffenden Grundsatz, daß die Verwaltungskompetenz nicht weiter gehen kann als die Gesetzgebungskompetenz,71 folgt, daß der Bund für die Bereiche seiner mitgeschriebenen Verwaltungskompetenz auch die Gesetzgebungskompetenz besitzen muß.72 Handelt es sich um nicht-gesetzesakzessorische, also gesetzesfreie Verwaltung, ist Art. 83 GG für die Ermittlung der Verbandskompetenz nicht einschlägig. Hier gilt Art. 30 GG. Das Trennungsprinzip des Art. 83 GG bezieht sich zwar nur auf gesetzesakzessorische Verwaltung, dennoch sind die Möglichkeiten einer BundesArt. 83 Rn. 34 ff.; Fischer-Menshausen, in: von Münch / Kunig, GG III, 3. Aufl., Art. 104 a Rn. 5 a; Oebbecke, in: Festschrift für Stree und Wessels, S. 1119 (1131); ablehnend Broß, in: von Münch / Kunig, GG III, Art. 83 Rn. 11 f. Zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts H. H. Klein, Festgabe 25 Jahre BVerfG, Bd. 2, S. 277 (282 ff.). 68 Triepel, in: Festgabe für Laband, Bd. II, S. 247 (302 – 304). 69 Vgl. Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 30 Rn. 38 f. 70 BVerfGE 22, 180 (217) fordert für die Bundeskompetenz (kraft Natur der Sache) zur Förderung von Bestrebungen auf dem Gebiet der Jugendhilfe, daß diese Bestrebungen einen eindeutig überregionalen Charakter haben und sie ihrer Art nach nicht allein durch ein Land wirksam gefördert werden können. Zur Zeit des Urteils (1967) gab es noch nicht die Vorschrift des Art. 104 a Abs. 4 GG, die eine finanzielle Unterstützung der Länder für deren eigene Kompetenzausübung zuläßt. Die Annahme einer Bundeskompetenz kraft Natur der Sache ist subsidiär zu einer solchen Unterstützung. Zwar legitimierte Art. 104 a Abs. 4 GG teilweise die bisherige Fondsverwaltung des Bundes, begrenzte diese Kompetenz aber durch die strikte Beachtung der Verwaltungskompetenz der Länder (vgl. BVerfGE 39, 96 [111 f.]). 71 BVerfGE 12, 205 (229); 15, 1 (16); Maunz, in: ders. / Dürig, GG, Art. 70 Rn. 27; kritisch Klein, AöR 88 (1963), S. 377 ff. 72 So zu Recht Rengeling, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 101 Rn. 116.

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verwaltungskompetenz kraft Annexes bzw. Sachzusammenhangs im Bereich der gesetzesfreien Verwaltung nicht größer. Denn der Schluß von der Gesetzgebungskompetenz auf die im Annex stehende Verwaltungskompetenz sollte – Triepel zufolge – der Durchsetzung eines Gesetzes zum Erfolg verhelfen. Diese Schlußfolgerung nahm also genau genommen ihren Weg über die tatsächlich erfolgte Gesetzgebung. Fehlt diese wie bei der gesetzesfreien Verwaltung, wird auch der Triepelschen Verwaltungskompetenz kraft Annexes zu einer Gesetzgebung(skompetenz) der Boden entzogen. Auch eine Verwaltungskompetenz im Bereich der gesetzesfreien Verwaltung kann kraft Annexes bzw. Sachzusammenhangs zu einer ausdrücklichen Verwaltungskompetenz des Bundes73 oder des Landes bzw. zu einer Bundesverwaltungskompetenz kraft Natur der Sache bestehen.74 Triepel hat es ebenfalls für möglich gehalten, daß aus Verwaltungskompetenzen auf Kompetenzen zur Gesetzgebung geschlossen werden kann.75 Doch handelt es sich überwiegend um Fälle, in denen die Reichsverfassung von 1871 nur ein Handeln des Reichs erlaubte oder vorschrieb – wie zum Beispiel bei der Erledigung von Streitigkeiten zwischen den Bundesstaaten durch das Reichsorgan des Bundesrats, im Fall der Reichsaufsicht oder der Reichsexekution76 –, ohne zwar eine Gesetzgebungskompetenz für ebendiese Reichstätigkeit zu normieren, diese aber aus der Natur der Sache folgen mußte. Eine Bundesverwaltungskompetenz des Grundgesetzes könnte daher auch ein Anhaltspunkt für eine Bundesgesetzgebungskompetenz kraft Natur der Sache sein. Soweit angenommen wird, ausnahmsweise könnten stillschweigend mitgeschriebene Bundesgesetzgebungskompetenzen aus der Reichweite einer Bundesverwaltungskompetenz gerechtfertigt werden,77 wird die Regel des Bundesverfassungsgerichts, daß die Verwaltungskompetenzen den Gesetzgebungskompetenzen folgen, nicht durchbrochen. Insbesondere die Annahme Lerches, die Gesetzgebungskompetenz des Bundes müsse Schritt halten mit der Verwaltungskompetenz, bezieht sich (unausgesprochen) auf Kompetenzen kraft Natur der Sache. Die „Natur der Sache“ zieht die Verbandskompetenz zum Bund, die Organkompetenz wird erst in zweiter Linie festgestellt. Die Regel, daß die Materie der Verwaltungskompetenz von der Gesetzgebungsmaterie umfaßt wird, gilt auch für die Kompetenzen kraft Natur der Sache. Keineswegs ergänzen die Verwaltungskompetenzen die Gesetzgebungskompetenzen um Randbereiche, Sachzusammenhängendes, Abrundungen. Die ausdrücklich im Grundgesetz benannten Verwaltungskompetenzen haben bisweilen, wenn auch selten, eine inhaltliche Deutlichkeit, die den korrespondierenden Gesetzgebungskompetenzen fehlt. Doch fügen sie der Gesetzgebungskom73 74 75 76 77

Vgl. Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 46. Vgl. Rengeling, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 101 Rn. 116. Triepel, Festgabe Laband, S. 247 (304). Vgl. Triepel, Festgabe Laband, S. 247 (304 f.). Vgl. Ehlers, Jura 2000, S. 323 (326); Lerche, in: Maunz / Dürig, GG Art. 83 Rn. 40.

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petenz nicht annexweise einen Bereich hinzu, sondern sind unter Umständen lediglich inhaltlich genauer als diese und können zu deren Auslegung als systematischer Hinweis herangezogen werden.78 Deswegen dürfen etwa die nach Art. 89 Abs. 1 S. 2 GG auf die Bundesverwaltung übertragbaren Aufgaben auch nicht in den Bereich der Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Wasserrecht eingreifen.79 Gesetze können erforderlich werden, um eine Verwaltungskompetenz wahrzunehmen. Die Gesetzgebungskompetenz für das Verwaltungsverfahren und die Verwaltungsorganisation ist im Bereich der gesetzesakzessorischen Verwaltung nach hier vertretener Ansicht Annex zu den Sachgesetzgebungskompetenzen. Dies hindert nicht, sie zugleich als Annex der Organisationshoheit der Länder anzusehen, soweit diese eigene Verwaltungskompetenzen besitzen. Erfordert ein grundrechtlicher Gesetzesvorbehalt die Gesetzesform für eine verwaltungsmäßige Umsetzung gesetzlicher Ziele, bleibt es bei der Materie „Verfahrensrecht“. Der Sachgesetzgeber wird nicht aufgrund des Gesetzesvorbehalts für Verfahrensfragen zuständig. Geht es um eine Legalenteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG durch ein Einzelfallgesetz, soll die Gesetzgebungskompetenz der Sachkompetenz folgen80 und nicht auf die Verwaltungskompetenz oder aber die Gesetzgebungskompetenz für das Verwaltungsverfahren gestützt werden können. Dasselbe muß für die sogenannten Maßnahmegesetze angenommen werden. Institutionelle Gesetzesvorbehalte zum Beispiel für die Einrichtung von Behörden sind entweder unmittelbar im System der verfassungsrechtlichen Verwaltungskompetenzen normiert und beziehen sich auf die Verwaltungsbehörden des Bundes oder folgen aus dem Rechtsstaatsprinzip. Im letzteren Fall, etwa bei einer Beleihung durch Gesetz, handelt es sich um eine Frage des Verfahrens- und Organisationsrechts, so daß bei einer originären Landesverwaltungskompetenz der Landesgesetzgeber bzw. gemäß Art. 84 Abs. 1 und Art. 85 Abs. 1 GG der Bundesgesetzgeber zuständig ist. Wenn der Bund die Verwaltungstätigkeit der Länder finanziert – etwa durch die Förderung von Kinderbetreuungseinrichtungen oder berufsbildenden Schulen –, stellt sich die Frage, ob er eine eigene Verwaltungskompetenz wahrnimmt. Eine Finanzierungskompetenz läßt sich grundsätzlich nicht von der Verwaltungskompetenz isolieren.81 Gemäß dem Grundsatz des Art. 104 a Abs. 1 GG müssen Bund 78 Klein, AöR 88 (1963), S. 377 (410), spricht davon, daß man die „Gedanken“ aus Verwaltungs- und Gesetzgebungskompetenz füreinander fruchtbar machen solle. 79 Sachs, in: ders., GG, Art. 89 Rn. 41; vgl. BVerwGE 87, 181 ff.; Friesecke, VerwArch. 82 (1991), S. 565 (569 ff.); der Hinweis auf die Übertragung durch Gesetz in Art. 89 Abs. 1 S. 2 GG meint keine originäre Gesetzgebungskompetenz für die übertragbaren Aufgaben, sondern ausschließlich einen Gesetzesvorbehalt für die Übertragung der Verwaltungskompetenz auf den Bund. 80 Siehe Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 948 f.; Legalenteignungen fallen nicht unter Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG, sondern unter die jeweilige Sachkompetenz, wobei unklar ist, ob an das Gebiet des Eingriffs oder das Gebiet des Enteignungszwecks anzuknüpfen ist (vgl. Rn. 949).

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und Länder die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, gesondert tragen. Unter „Aufgaben“ wird zu Recht die Verwaltungstätigkeit aufgrund eigener Verwaltungskompetenz verstanden.82 Wenn die Förderung durch Finanzhilfen die eigentliche Aufgabe ist, muß der Bund über eine derartige Verwaltungskompetenz verfügen, um die nicht-staatlichen Einrichtungen unmittelbar fördern zu dürfen. Hat er eine solche Kompetenz nicht, bleibt ihm nur der Weg über die Ausnahmeregelung des Art. 104 a Abs. 4 GG.83 Wenn der Bund den Ländern die Mittel zur Weitergabe zuwendet, diese Verwendung aber an inhaltliche Vorgaben knüpft, nimmt er der Sache nach eine eigene Verwaltungskompetenz wahr, die ihm Art. 104 a Abs. 4 GG nicht gibt.84 Beispiele für eine Annexkompetenz sind nicht zahlreich, betreffen aber alltägliche oder als selbstverständlich der Stammkompetenz85 inkorporierte Vorgänge. So soll die bloße Beschaffungstätigkeit, die richtigerweise einer Verbandskompetenz nach dem Grundgesetz bedarf, zumindest Annex der jeweiligen Verwaltungszuständigkeit sein.86 Die Beschaffungstätigkeit der obersten Bundesbehörden, die Ressortforschung oder die Öffentlichkeitsarbeit87 der Bundesregierung werden so von einer Annexkompetenz zu den in den Art. 65, 86 bis 90 GG jeweils dem Bund zugewiesenen Kompetenzen gedeckt.88 Erst wenn beschaffungsfremde Verwaltungsziele ein „Übergewicht“ gewinnen, bedarf die Beschaffungstätigkeit einer eigenen Verwaltungskompetenz, da sie den Boden der zulässigen Zweck-Mittel-Relation verlassen hat.89 Eine gesetzlich geregelte Auftragsvergabe nach Maßgabe beschaffungsfremder Zwecke könnte in dieser Hinsicht kompetenzwidrig sein.90 Das Bundesverfassungsgericht hat in einem obiter dictum die Schaffung von Institutionen zur Veranstaltung von Rundfunksendungen geprüft, die ausschließlich 81 Vgl. Klein, in: ders. (Hrsg.), Öffentliches Finanzrecht, S. 27; Heintzen, in: von Münch / Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 104 a Rn. 6. 82 Hellermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 104 a Rn. 39 – 41, mit Darstellung gegenläufiger Tendenzen. 83 Siehe Siekmann, DÖV 2002, S. 629 (636). 84 Vgl. BVerfGE 39, 96 (111 f.). 85 Der Begriff ist ebenso metaphorisch wie derjenige des „Übergriffs“ in eine „an sich“ fremde Materie. Stammkompetenz bezeichnet den Bereich, der der Kompetenz ohne Sachzusammenhang und Annex zugerechnet werden kann. 86 Vgl. Pietzcker, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 99 Rn. 15. 87 Indem das Bundesverfassungsgericht das Informationshandeln der „Staatsleitungsfunktion“ der Bundesregierung zuordnet, trennt es diese Regierungstätigkeit von einer Verwaltungstätigkeit, BVerfGE 105, 252 (270 ff.); 105, 279 (306 ff.). 88 Beispiele bei Köttgen, JöR N.F. 11 (1962), S. 173 (255, 288). Zur Differenzierung von Öffentlichkeitsarbeit und Informationshandeln Oebbecke, Festschrift für Stree und Wessels, S. 1119 (1132). 89 Siehe Pietzcker, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 99 Rn. 15. 90 Vgl. Burgi, NZBau 2001, S. 64 (68 f.).

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oder doch ganz überwiegend für das Ausland oder die Deutschen bestimmt sind, die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland in deutschsprachigen Gebieten wohnen.91 Da das Gericht diese Kompetenz an die Bundesverwaltungskompetenz für auswärtige Angelegenheiten in Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG anknüpfen möchte, folgt der Übergriff auf die Mittel der den Ländern obliegenden Rundfunkverwaltung „im Sachzusammenhang“. Da auch die Rundfunkgesetzgebung Länderkompetenz ist, ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts die Bundesgesetzgebungskompetenz für die vom Übergriff der Bundesverwaltungskompetenz betroffene Materie keine Zulässigkeitsvoraussetzung. Nicht gebilligt hat das Gericht die Einrichtung und Veranstaltung der Deutschland-Fernsehen-GmbH, wenn diese nicht ausschließlich oder überwiegend den Zweck der auswärtigen Angelegenheiten verfolgt. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Brandschutz für ein Depot der Bundeswehr auf dem Gebiet einer Gemeinde als Aufgabe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und damit als Landesmaterie qualifiziert.92 Nur in bezug auf militärspezifische Gefahren, die zur Erfüllung des Verteidigungsauftrags konkret geboten sind, ließe sich eine Annexkompetenz des Bundes aus Art. 87 a Abs. 1 oder Art. 87 b Abs. 1 S. 2 GG ableiten.

2. Einfachgesetzliche Verwaltungszuständigkeiten Bei der Auslegung einfachgesetzlicher Verwaltungszuständigkeiten findet sich ein Verweis auf den Annex oder Sachzusammenhang kaum. In einem Fall wurde eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs vom Bundesgerichtshof ausdrücklich abgelehnt: Die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen dem Bundeskartellamt und den Landeskartellbehörden nach § 48 Abs. 2 GWB lasse eine Erstreckung der Zuständigkeit des Bundeskartellamts aufgrund Sachzusammenhangs nicht zu.93 Aus dem Umstand, daß das Bundeskartellamt für eine Norm ausschließlich zuständig ist, folge nicht die Zuständigkeit des Bundeskartellamts für die Anwendung aller für denselben Sachverhalt relevanten Normen.94 Die Entscheidung wird mit der Unzulässigkeit einer Zuständigkeit nur aufgrund von Zweckmäßigkeitserwägungen95 auf dieselbe Stufe gestellt.96 Die bei den Ländern liegende RegelzustänBVerfGE 12, 205 (250). BVerwG, DVBl. 1997, S. 954 ff. 93 BGH, WuW / E BGH S. 1810 (1814) – „Transportbeton Sauerland“. 94 BGH, WuW / E BGH S. 1810 (1814); die Zuständigkeit für die fusionsrechtliche Kontrolle begründe nicht die Zuständigkeit dafür, aus § 1 GWB rechtliche Folgerungen zu ziehen. 95 So KG Berlin, WuW / E OLG S. 2284 (2286) – „Stadtwerke Frankfurt“; vgl. auch Hitzler, WuW 1979, S. 735. 96 Von Schultz, in: Langen / Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 48 Rn. 12. 91 92

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digkeit des § 48 Abs. 2 GWB spiegele den föderativen Staatsaufbau, insbesondere die Regelungen der Art. 30, 70 und 83 GG wider.97 Wenn eine bundesbehördliche Kompetenz kraft Sachzusammenhangs allerdings zugunsten einer Zuständigkeit der Landesbehörden in Zweifelsfällen abgelehnt wird,98 beruht dies auf einem Mißverständnis der genannten verfassungsrechtlichen Bestimmungen als Vermutungsregelungen. Bei einer verfassungskonformen Auslegung der einfachgesetzlichen Verwaltungskompetenzen kann daher auch keine „Vermutungswirkung“ zugrundegelegt werden. Die Kompetenz von Bundes- oder Landeskartellbehörde muß auch hier im Einzelfall ohne jeglichen erst durch Vermutungsregelungen zu beseitigenden Zweifel ermittelt werden.99 Gemäß § 78 Abs. 2 S. 1 VwVfG des Bundes richten sich Zuständigkeiten und Verfahren des Planfeststellungsverfahrens beim Zusammentreffen mehrerer selbständiger Vorhaben, für deren Durchführung jeweils ein Planfeststellungsverfahren vorgeschrieben ist, nach dem Verfahrensrecht derjenigen Anlage, die einen größeren Kreis öffentlich-rechtlicher Beziehungen berührt. Diese Zuständigkeitsverteilung wird auch mit dem Kriterium des „Schwerpunkts“ beschrieben.100 Durch den quantifizierenden Bezug zu den betroffenen Rechtsbeziehungen weicht dieses Kriterium von demjenigen des Sachzusammenhangs ab. Eine verwandte Argumentationsfigur ist das Gebot der Konfliktbewältigung, das seine Wurzeln im Fachplanungsrecht hat.101 Sachverhalte, die aufgrund der Natur der Sache und ihrem tatsächlichen Wesen nach zusammenhängen, müssen nach diesem planungsrechtlichen Gebot auch im Zusammenhang eines einzigen Planes bewältigt werden.102 Der Plan darf sich nicht nur auf einen Wirklichkeitsausschnitt beschränken, sondern muß die durch ihn aufgeworfenen Probleme lösen. § 74 Abs. 2 VwVfG des Bundes ist als gesetzliche Ausprägung des Grundsatzes der Konfliktbewältigung zu betrachten. So müssen auch naturschutzrechtliche Konflikte, die in räumlichem oder sachlichem Zusammenhang mit einer straßenrechtlichen Planfeststellung stehen, von dieser bewältigt werden.103 Sogenannte Doppelzuständigkeiten sollen darüber hinaus – anders als bei den Gesetzgebungskompetenzen – nach Stimmen in der Literatur weithin zulässig sein, da eine überschneidungsfreie Zuständigkeitsverteilung nicht immer notwendig sei, um divergierendes Handeln zu vermeiden.104 Das würde erklären, warum der Vgl. KG Berlin, WuW / E OLG, S. 2265 (2268). KG Berlin, WuW / E OLG, S. 2265 (2268). 99 So auch Bracher, in: Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, § 48 Rn. 11. 100 Vgl. Knack, VwVfG, § 78 Rn. 19 f. 101 Siehe Weyreuther, BauR 1975, S. 1 (5); synonym auch „Gebot der Problembewältigung“, vgl. Weyreuther, DÖV 1980, S. 389 (391); ders., DÖV 1983, S. 575 (576). 102 Vgl. Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, Rn. 1440; grundlegend BVerwGE 69, 30. 103 Siehe de Witt / Burmeister, NVwZ 1994, S. 38 (38 f.). 104 Oebbecke, in: Festschrift für Stree und Wessels, S. 1119 (1129). 97 98

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Sachzusammenhang als Abgrenzungskriterium nahezu ausgeblendet wird. Als Beispiele für Doppelzuständigkeiten im Bund-Länder-Verhältnis werden genannt: Die Zuständigkeit des Bundesgrenzschutzes neben den Polizeibehörden der Länder, wenn es um den Schutz der Bundesorgane geht;105 die Zuständigkeit des Bundeskriminalamtes, die „unbeschadet“ der Zuständigkeit der Polizeibehörden der Länder eingeräumt wird;106 die Öffentlichkeitsarbeit – hier sei es möglich, daß eine Landesbehörde, die Umweltaufgaben vollzieht, über dieselben Gegenstände informiere wie das Umweltbundesamt.107 In den ersten beiden Fällen schlägt sich tatsächlich eine Art konkurrierender Gesetzgebungskompetenz scheinbar in einer einfachgesetzlich konkurrierenden Verwaltungskompetenz nieder. Sofern aber die Kompetenz für die Gesetze über die Befugnisse des Bundesgrenzschutzes oder des Bundeskriminalamtes spezieller sind als die Länderkompetenzen für das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht, muß auch im Einzelfall, in dem die jeweilige gesetzliche Eingriffsbefugnis aktualisiert wird, die Bundesverwaltungskompetenz als spezieller angesehen werden. Solange es zu keinen Divergenzen kommt, können beide Behörden nebeneinander tätig sein, auch wenn sie demselben Schutzgut auf dieselbe Weise dienen. Hier kann von einer Doppelzuständigkeit unter dem Vorbehalt der Spezialität der Bundeskompetenz gesprochen werden. Anders ist der Fall behördlicher Öffentlichkeitsarbeit zu beurteilen. Eine Öffentlichkeitsarbeit in Annex zu einer Handlungskompetenz ist ein aliud im Verhältnis zu einer Kompetenz zum Verwaltungshandeln durch Information der Öffentlichkeit wie z. B. bei Warnungen. Deswegen verläuft die Grenze für die im Annex erfolgende Öffentlichkeitsarbeit dort, wo nicht mehr über das Verwalten informiert, sondern durch Information verwaltet wird.108 Wenn allerdings die Bundesregierung in Ausübung ihrer Regierungskompetenz zur Staatsleitung warnt, soll laut Bundesverfassungsgericht diese Kompetenz – da sie nicht als Verwaltungshandeln im Sinne der Art. 83 ff. GG angesehen werden kann – inhaltsgleiche Kompetenzen der Landesbehörden überlagern dürfen.109 Die Organkompetenz der Bundesregierung könnte demnach die Verbandskompetenz der Länderverwaltungen ausschließen.110 Eine überschneidungsfreie Zuständigkeitsverteilung ist nicht notwendig, wenn divergierendes Verwaltungshandeln nicht vermieden werden muß, weil es schon gar nicht droht.111 Das ist insbesondere der Fall, wenn die Behörde nicht entschei§ 5 BGSG, vgl. Oebbecke, in: Festschrift für Stree und Wessels, S. 1119 (1131). § 9 BKAG; siehe Oebbecke, in: Festschrift für Stree und Wessels, S. 1119 (1119); Blümel, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 101 Rn. 118. 107 Oebbecke, in: Festschrift für Stree und Wessels, S. 1119 (1131 f.). 108 So plastisch Oebbecke, in: Festschrift für Stree und Wessels, S. 1119 (1132); Philipp, Staatliche Verbraucherinformationen im Umwelt- und Gesundheitsrecht, S. 2 ff., 69. 109 Siehe BVerfGE 105, 252 (270 ff.); 105, 279 (306 ff.) – jeweils mit Andeutung der Zulässigkeit „paralleler Kompetenzen“ von Bund und Ländern. 110 So Bethge, Jura 2003, S. 327 (331); Murswiek, NVwZ 2003, S. 1 (7). 111 Vgl. zum Folgenden Oebbecke, in: Festschrift für Stree und Wessels, S. 1119 (1129). 105 106

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det, sondern nur für die Entgegennahme bestimmter Erklärungen zuständig ist. So muß ein Schadensfeuer oder Unglücksfall gemäß § 29 Abs. 1 FSHG NRW entweder bei der nächsten Feuermelde- oder Polizeidienststelle gemeldet werden. Auf den Fund eines Bodendenkmals soll entsprechend § 15 Abs. 1 S. 1 DSchG NRW bei der Gemeinde oder dem Landschaftsverband hingewiesen werden. Daneben gibt es parallele Zuständigkeiten dergestalt, daß eine Eilkompetenz neben eine Regelzuständigkeit tritt. So kann gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 PolG NRW die Polizei in eigener Zuständigkeit tätig werden, auch wenn neben der Polizei andere Behörden für die Gefahrenabwehr zuständig sind, deren Handeln aber nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint. Der Zeitfaktor sorgt für eine Abschichtung der Kompetenzen. Im Verhältnis von Bund und Ländern muß dagegen Art. 35 GG als eine abschließende Regelung begriffen werden, so daß der Bund nicht etwa kraft einer Eilkompetenz Verwaltungsaufgaben der Länder nach eigenem Gutdünken wahrnehmen dürfte.

3. Wirtschaftliche Betätigung im Annex zur Verfolgung eines öffentlichen Zwecks Im Kommunalrecht ist anerkannt, daß die Gemeinden sich – über die ausdrücklich gesetzlich gestattete Ermächtigung für eine wirtschaftliche Betätigung hinaus – im „Annex“ zur Verfolgung öffentlich-rechtlicher Zwecke wirtschaftlich betätigen dürfen. Diese „Randnutzung“ ist von den Hilfsgeschäften der Verwaltung zur Deckung von deren Güterbedarf zu unterscheiden.112 Eine rein erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der Kommunen oder ihrer eigenen privatisierten Unternehmen steht weder im Einklang mit den landesgesetzlichen Bestimmungen des Kommunalrechts, noch läßt das Verfassungsrecht sie zu. Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben bildet für die Gemeinden auch auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Betätigung den maßgeblichen Rahmen.113 Das Kommunalrecht der Länder vollzieht diese bundesverfassungsrechtliche Vorgabe nur nach, wenn es für die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden die Verfolgung eines öffentlichen Zwecks verlangt. Ein kommunales Unternehmen, dessen ausschließlicher oder vorrangiger Zweck die Gewinnerzielung ist, läßt sich nicht mehr mit dem Gemeinwohlauftrag staatlichen Handelns vereinbaren.114 Eine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit ist verfassungsrechtlich nur annexweise zur Nutzung sonst brachliegenden Wirtschaftspotentials zulässig.115 Diese „Nebentätigkeiten“ oder „Randnutzungen“116 dürfen nicht auf112 Wolf, Anstalt des öffentlichen Rechts als Wettbewerbsunternehmen, S. 155 f.: Der Zusammenhang zwischen Hilfsgeschäft und Erfüllung des öffentlichen Zwecks sei „unmittelbar“. 113 Vgl. BVerfGE 10, 89 (103); 10, 354 (363); 11, 105 (126); 12, 319 (323); 15, 235 (241 f.); 21, 326 (375). 114 Vgl. Schmidt-Jortzig, in: Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 5 (Kommunale Wirtschaft), S. 58.

V. Anwendungsfelder des Sachzusammenhangs

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grund von Kapazitäten vorgenommen werden, die auf Dauer nicht mehr dem öffentlichen Zweck dienen oder nur zur Randnutzung geschaffen werden.117 Mit Verweis auf Art. 110 Abs. 1 GG werden sie im Grundsatz gerechtfertigt.118 Die Randnutzung kann von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sein.119 Diese Annexzuständigkeit der Kommunen läßt sich unter Umständen als Annexbefugnis auffassen. Das hängt davon ab, ob die Konkurrenz zu Privaten entgegen der herrschenden Ansicht in Rechtsprechung und Lehre bereits als solche einen Grundrechtseingriff darstellt, der von den kommunalrechtlichen Vorschriften gerechtfertigt wird.120 Das Oberlandesgericht Koblenz hält es für zulässig, daß sich Rundfunkanstalten des öffentlichen Rechts auch außerhalb des ihnen aufgegebenen Rundfunkauftrags im Rahmen der sogenannten „Randnutzung“ ergänzend wirtschaftlich betätigen dürfen.121 Die Randnutzung werde durch den Rundfunkauftrag bedingt und begrenzt. Sie sei rundfunkrechtlich nur legitimiert, wenn sie der Funktion der Programmerfüllung zugeordnet werden könne und ein direkter Sachzusammenhang mit dem Programmauftrag bestehe. Diese Grenze werde überschritten, wenn die Randnutzung zum „Selbstzweck“ wird.

4. Einfachgesetzliche Rechtswegzuweisungen Insbesondere die gesetzlichen Vorschriften zur Bestimmung gerichtlicher Zuständigkeiten werden oft mit Hilfe des Sachzusammenhangs ausgelegt.122 Die Auslegung der Rechtswegvorschriften ist wegen des grundgesetzlichen Anspruchs auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG besonders darauf verpflichtet, vorhersehbare Ergebnisse zu produzieren.123 Die Rechtsprechung hat 115

Ehlers, Recht der öffentlichen Unternehmen, S. 74, mit Hinweis auf BVerwGE 82, 29

(34). 116 Der Begriff wurde in der Diskussion um das Werbefernsehen geprägt, siehe Leisner, Werbefernsehen und Öffentliches Recht, S. 68 ff. 117 Siehe Ehlers, Recht der öffentlichen Unternehmen, 74, 139. 118 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 94. 119 Ehlers, Recht der öffentlichen Unternehmen, S. 74, verweist auf die Konzessionsabgaben, die Gemeinden für die Nutzung von Gemeinde- oder Kreisstraßen in Gestalt der Verlegung von Versorgungsleitungen von den Energieversorgungsunternehmen verlangen. 120 Zum Problemkreis der grundrechtlich geschützten Wettbewerbsfreiheit Lindner, DÖV 2003, S. 185 ff. 121 OLG Koblenz, MMR 2001, S. 812 (813) – „ZDF-Medienpark“. 122 Vgl. aus letzter Zeit BVerwG, JZ 2003, S. 208, mit Anm. Ehlers; OVG Rh.-Pf., NJW 2002, S. 3724; OLG Dresden, OLG-NL 2002, S. 143; OVG Nds., NJOZ 2001, S. 415; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2001, S. 253. 123 BVerwGE 40, 112 (114); Ehlers, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 40 Rn. 488.

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A. Einleitung

sich dennoch in verschiedenen Fällen der Figur des Sachzusammenhangs bedient.124 Öffentlich-rechtliche Hilfs- und Nebenansprüche, die für sich genommen der verwaltungsgerichtlichen Generalklausel des § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO unterfallen würden, sollen gemäß § 40 Abs. 2 S. 1 3. Alt. VwGO den ordentlichen Gerichten zugewiesen sein.125 Eine Klage auf Auskunft ist angesichts des damit angestrebten Amtshaftungsprozesses im Rahmen einer Stufenklage der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen worden.126 Ein Anspruch aus öffentlich-rechtlicher culpa in contrahendo ist nach der Rechtsprechung weder dem Verwaltungsrechtsweg noch dem ordentlichen Rechtsweg eindeutig zuzuordnen. Die „Vielfalt der im vorvertraglichen Stadium entstehenden Pflichten“ mache es erforderlich, auf die im Einzelfall daneben geltend gemachten Ansprüche abzustellen.127 Entscheidend sei das Kriterium des Sachzusammenhangs. Die Rechtsprechung wendet dieses Kriterium auch für andere Ansprüche aus verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis an. Wenn der Kläger den aus verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis abzuleitenden Anspruch neben einem Anspruch auf Erfüllung geltend macht, soll der Sachzusammenhang zugunsten des Verwaltungsrechtswegs den Ausschlag geben;128 verlangt er lediglich Schadensersatz, müsse er auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen werden. Hier sollten drei Konstellationen unterschieden werden. (1) Der Hilfsanspruch und seine gerichtliche Verfolgung gehen der prozessualen Verfolgung des „Hauptanspruchs“ zeitlich voraus: Im Falle der Stufenklage bei einem Anspruch auf Auskunft soll der Rechtsweg aus einer Auslegung der Rechtswegzuständigkeit für denjenigen Anspruch folgen, der mit der erlangten Auskunft verfolgt wird. Erforderlich ist die Erhebung der Auskunftsklage als Stufenklage. Für den Sachzusammenhang werden vor allem prozeßökonomische Erwägungen geltend gemacht.129 Dann müßte aber auch die Fortsetzungsfeststellungsklage, die nach Erledigung erhoben wird und der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses dient, auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen werden. Richtigerweise geht die Rechtsprechung nicht diesen Weg, weil die Feststellung rechtswidrigen Verwaltungshandelns eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit entscheidet. Dem Umstand, daß diese der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses dient, wird durch eine Bindungswir124 Siehe bereits H. H. Klein, Die Bedeutung des Sachzusammenhangs für die Verfassungsauslegung, S. 82 ff., insbes. die ausführliche Kritik an der Rspr. S. 99 ff.; vgl. auch Jansen, DÖV 1955, S. 436 f. 125 Vgl. Kopp / Schenke, VwGO, § 40 Rn. 49 a, 73 (dort zur Auskunftsklage bei Stufenklage mit einer Schadensersatzklage als letzter Stufe). 126 BGHZ 67, 81 (91); BGH, DVBl. 1981, S. 395. 127 BVerwG, NJW 2002, S. 2894; BGH, NJW 1986, S. 1109; OVG Rh.-Pf., NJW 2002, S. 3724. 128 BVerwGE 27, 131 (132); BVerwG, DÖV 1971, S. 388 (389); DÖV 1971, S. 707. 129 Vgl. BGHZ 66, 229 (237); BayObLG, BayVBl. 1984, S. 374; dagegen Ehlers, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 40 Rn. 490.

V. Anwendungsfelder des Sachzusammenhangs

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kung des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Amtshaftungsprozeß Rechnung getragen. (2) Wenn ein und dasselbe Begehren auf mehrere Ansprüche gestützt werden kann, die je verschiedenen Rechtswegen zugeordnet werden können, ist § 17 Abs. 2 S. 1 GVG einschlägig.130 Eines Sachzusammenhangs bedarf es insoweit nicht. Die Vorschrift ist aber nur anwendbar, wenn es sich um denselben Rechtsstreit handelt, dessen Identität von der Identität des Streitgegenstands,131 also einem einheitlichen prozessualen Anspruch, abhängt.132 Handelt es sich hingegen um verschiedene prozessuale Ansprüche bzw. Streitgegenstände, die je unterschiedlichen Rechtswegen zugewiesen sind, führt auch § 17 Abs. 2 S. 1 GVG die Ansprüche nicht mehr auf einem Rechtsweg zusammen. Selbst wenn man in der Vorschrift eine Legalisierung der Rechtsprechung zur Rechtswegzuständigkeit kraft Sachzusammenhangs sehen wollte,133 bleibt es beim tatbestandlichen Erfordernis der Identität des Streitgegenstands. (3) Die Eigenart des eingeklagten Anspruchs kann anscheinend nicht eindeutig einer Rechtswegzuweisung subsumiert werden. So ist bei Ansprüchen aus culpa in contrahendo bei der Anbahnung eines später nicht zustande gekommenen öffentlich-rechtlichen Vertrags fraglich, ob es sich um Schadensersatzansprüche aus öffentlich-rechtlichen Pflichten handelt, die nicht auf Vertrag beruhen, für die § 40 Abs. 2 S. 1 3. Alt. VwGO den ordentlichen Rechtsweg vorsieht. Da unter culpa in contrahendo die Verletzung zahlreicher ganz verschiedenartiger Pflichten fallen kann, soll der Sachzusammenhang bzw. die Sachnähe zu einem daneben geltend gemachten Anspruch über den Rechtsweg entscheiden.134 Dieses Kriterium ist abzulehnen. Der Einzelfall muß außer Beachtung bleiben, weil die Rechtswegzuweisung abstrakt nach der Gattung des geltend gemachten Anspruchs erfolgen muß.135 Deswegen ist der Sachzusammenhang zu im Einzelfall daneben bestehenden oder geltend gemachten Ansprüchen unmaßgeblich. Vielmehr ist die Anspruchsgrundlage culpa in contrahendo abstrakt, also für alle denkbaren Fälle ihrer Anwendung, daraufhin zu untersuchen, ob sie ein vertragliches oder ein gesetzliches Schuldverhältnis darstellt. Die Gerichtskompetenz kraft Sachzusammenhangs begegnet daher in der von der Rechtsprechung praktizierten Weise durchgreifenden Bedenken.136 Erst recht 130 Der Bundesgerichtshof hat dem § 17 Abs. 2 S. 1 GVG einen Rechtsgedanken entnommen, der auch für die Auslegung von Gerichtsstandsnormen desselben Rechtswegs maßgeblich ist. So soll das nach § 32 ZPO zuständige Gericht nicht nur deliktische, sondern auch konkurrierende Ansprüche prüfen dürfen, BGH NJW 2003, S. 828. Es muß sich allerdings um einen einheitlichen prozessualen Anspruch handeln, vgl. auch Kiethe, NJW 2003, S. 1294 (1296). 131 Vgl. Ehlers, JZ 2003, S. 209 (211), gegen BVerwG, JZ 2003, S. 208 (209). 132 Vgl. Gummer, in: Zöller (Hrsg.), ZPO, 19. Aufl. 1995, § 17 GVG Rn. 6. 133 Vgl. Kissel, NJW 1991, S. 945 (950); Rosenberg / Schwab / Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 9 IV; kritisch Ehlers, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 40 Rn. 493. 134 Vgl. BVerwG, JZ 2003, S. 208; OVG Koblenz, NJW 2002, S. 3724. 135 Ehlers, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 40 Rn. 492; Schoch, Festschrift Menger, S. 305 (323). 136 Siehe Ehlers, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 40 Rn. 492.

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A. Einleitung

bedenklich ist der Sachzusammenhang als Argument zugunsten einer durch Analogieschluß gebildeten Rechtswegzuweisung. Der Bundesgerichtshof hat eine „entsprechende Anwendung“ des § 62 BNotO (ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte) aus Gründen von „Sachzusammenhang und Praktikabilität“ für geboten erachtet.137 Der Sachzusammenhang dient hier lediglich als ein Element der Analogiebildung. Als solches entspricht er dem methodischen Erfordernis, daß der gesetzlich ausdrücklich geregelte und der zu regelnde Sachverhalt unter dem Blickwinkel der gesetzlichen Bewertung gleich behandelt werden müssen.138

5. Einfachgesetzliche Verwaltungsbefugnisse Im Bereich der Verwaltungsbefugnisse findet sich der Hinweis auf eine Auslegung kraft Sachzusammenhangs oder Annexes so gut wie gar nicht. Ein Beispiel ist die Befugnis zur Ausübung des Hausrechts in einer Verwaltungseinrichtung. Diese Befugnis soll notwendiger Annex zur Sachaufgabe sein, insofern sie die Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung der Verwaltung bilde.139 Eine Befugnisnorm, aufgrund deren die Verwaltung in die Rechte der Bürger eingreift, kann nicht als Annex zu einer Aufgabenzuweisungsnorm gewonnen werden, die nur die Aufgaben innerhalb des Staates verteilt. Ein solcher Schluß von der Aufgaben- auf die Befugnisnorm verstößt gegen das Rechtsstaatsprinzip.140 Eine Annexkompetenz in der genannten Art wäre nichts anderes als ein solches Schlußverfahren. Zulässig ist also nur die im Wege des Annexes oder Sachzusammenhangs erfolgende erweiternde Auslegung, die an einer Befugnisnorm anknüpft. Dabei dürfen, insbesondere im Polizei- und Ordnungsrecht, nicht die Grenzen zur Analogie überschritten werden, da die durch polizei- und ordnungsrechtliche Eingriffe beeinträchtigten Grundrechte Eingriffe nur unter dem Vorbehalt des Gesetzes ermöglichen. Eine Analogiebildung genügt dem grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt im Polizeirecht nicht.141 Die aus den landesgesetzlichen Generalklauseln des Polizei- und Ordnungsrechts zur Gefahrenabwehr abgeleitete Eingriffsbefugnis zur Gefahrerforschung bewegt sich auf der Grenze zwischen weiter Auslegung und Analogiebildung. Zwar ist die Materie „Gefahrerforschung“ wenigstens Annex der Materie „Gefahrenabwehr“. Der grundrechtliche Gesetzesvorbehalt verlangt aber eine klare EinBGH, NJW 2000, S. 2428. Vgl. Larenz / Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 202. 139 BayVGH, BayVBl. 1981, S. 657; VG Frankfurt, NJW 1998, S. 1424. 140 Ehlers, Jura 2000, S. 323 (327); Schoch, DVBl. 1991, S. 667 (672 f.). 141 Das ist nicht einhellige Meinung. Vgl. auch BVerfG, NStZ 1996, S. 101 f.: Bei einer Freiheitsentziehung durch Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus werde der Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG durch Art. 104 Abs. 1 GG „verschärft“ (vgl. ferner BVerfGE 29, 183 [195 f.]). 137 138

VII. Kriterien für eine Auslegung vermittels des Sachzusammenhangs

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griffsgrundlage. Wenn ein Gesetz der Verwaltung Befugnisse ausdrücklich zur Abwehr von Gefahren einräumt, also das Tatbestandsmerkmal final formuliert, ist die Gefahrerforschung noch erfaßt.142

VI. Grenzen der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs Die Grenzen der Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs entsprechen den Voraussetzungen einer noch zulässigen Auslegung der Kompetenzvorschriften. Eine Analogie zu den ausdrücklich erwähnten Gesetzgebungskompetenzen zugunsten des Bundes ist unzulässig. Die Grenzen des Sachzusammenhangs lassen sich am besten aufzeigen, indem die unter den Begriff zu fassenden Typen bzw. Erscheinungsformen eines Übergriffs auf eine fremde Materie dargestellt werden (siehe D. II.). Der Sachzusammenhang dient der sachgerechten und Doppelregelungen vermeidenden Auslegung des Kompetenztitels, wenn es Berührungen mit anderen Kompetenzmaterien gibt. Mit ähnlicher Zielrichtung werden die als Kompetenzausübungsschranken bezeichneten Rechtsfiguren Gebot der Bundestreue sowie Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als Maßstab der Kompetenzgemäßheit an die Gesetze angelegt. Sie schränken den Gesetzgeber um eines Gesetzes des anderen Hoheitsträgers willen so ein, als habe jener keine Kompetenz. Beim Vergleich zwischen den mit den Kompetenzausübungsschranken verfolgten Zielen einerseits und der mit Hilfe des Sachzusammenhangs vorgenommenen Auslegung andererseits soll untersucht werden, ob die Abweichungen in den Voraussetzungen tatsächlich gerechtfertigt sind. Damit stellt sich die Frage nach der Existenzberechtigung der genannten Kompetenzausübungsschranken neben der Kompetenzauslegung kraft Sachzusammenhangs (unter G.).

VII. Kriterien für eine Auslegung vermittels des Sachzusammenhangs Die Kriterien einer zulässigen Anwendung der Behelfe von Sachzusammenhang und Annex im Rahmen der Kompetenzauslegung müssen sich an der Art des Übergriffs auf die fremde Kompetenzmaterie orientieren. Die Typologie der Erscheinungsformen des Kompetenzübergriffs (unter D. II.) wird daher der Kriterienbildung vorangestellt. Die möglichen Kriterien können eingeteilt werden in „strukturelle“ (siehe dazu D. IV.) und „inhaltliche“ (D. V.). Strukturelle Kriterien eines Sachzusammenhangs oder Annexes könnten sich aus einer Übertragung der Maßstäbe des Art. 72 Abs. 2 GG oder des Art. 75 Abs. 2 GG ergeben. Die Kompetenzart der betroffenen Mate142

Ähnlich Belz / Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, § 1 Rn. 44.

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A. Einleitung

rien könnte Einfluß auf eine Auflösung des durch den Sachzusammenhang zu lösenden Kompetenzkonflikts haben. Schließlich ist ein Primat des Bundesgesetzgebers zu erwägen. Unter den inhaltlichen Kriterien wird die Bedeutung der Grundrechte für die Auslegung der Kompetenzvorschriften beleuchtet. Die richtige Zuordnung eines in eine fremde Kompetenzmaterie übergreifenden Gesetzes beruht auf dessen kompetentieller Qualifikation (C. II.). Dies ist gleichbedeutend mit der Subsumtion des einfachen Gesetzes unter die verfassungsrechtliche Kompetenzvorschrift. Zwar gilt die Regel lex specialis derogat legi generali nicht zur Kollisionslösung zwischen (einfachen) Bundes- und Landesgesetzen, sondern nur bei Kollisionen zwischen Gesetzen desselben Gesetzgebers. Die Regel ist hingegen zur Auslegung der Vorschriften des Grundgesetzes uneingeschränkt anwendbar. Da die Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern, auch soweit letztere gleichsam unbenannt in der Generalklausel des Art. 70 Abs. 1 GG ruhen, gleichermaßen Recht des Grundgesetzes sind, kann zwischen den Kompetenzvorschriften ein Spezialitätsverhältnis ermittelt werden (vgl. D. III.).143 Maßgeblich ist der Vergleich der Kompetenzmaterien. Bei mehreren Anknüpfungspunkten für die kompetentielle Qualifikation eines Gesetzes, die zu einer je anderen Zuordnung führen würden, stellt sich die Frage, ob Elemente der Abwägung in die Ermittlung der Spezialität von Gesetzgebungskompetenzen einfließen dürfen und müssen.

VIII. Die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs als bundesstaatliches Phänomen Gegenstand dieser Arbeit sind die Gesetzgebungskompetenzen des Grundgesetzes de constitutione lata. Jeder Bundesstaat ist nach einem Wort von Isensee „auf seine eigene, nationale Weise Bundesstaat“.144 Der nationale Charakter der Bundesstaatlichkeit läßt sich ohne die historische Prägung nicht verstehen. Darüber hinaus führen die Allgemeinheit des methodischen Problems der Abgrenzung von Kompetenzen sowie die vom Bundesverfassungsgericht für die Kompetenzauslegung hervorgehobene Bedeutung der historischen Auslegung, die den Blick auf die früheren deutschen Verfassungen lenkt, zu einer Betrachtung der staatsrechtlichen Literatur zu den deutschen Verfassungen von 1871 und 1919 (B. I. und II.). Auch die Erosion der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung im Dritten Reich läßt sich an der Nahtstelle des Sachzusammenhangs belegen (B. III.). Die erste umfassende Behandlung des Themas bietet Triepel im Jahre 1908. Bezeichnend ist, daß er die ungeschriebenen Kompetenzen unter der US-amerikanischen Verfassung in den Vordergrund stellt. Zwar ist das Strukturprinzip des Bundesstaats im Gegensatz zu anderen Verfassungsprinzipien wie der Demokratie 143 Vgl. BVerfGE 7, 29 (39, 44); Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 30 Rn. 22: Zur Lösung von Überschneidungen. 144 Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 98 Rn. 1.

VIII. Die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs als bundesstaatliches Phänomen

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oder der Achtung der Menschenrechte nicht universal, sondern stärker national geprägt;145 doch verdichtet die Frage nach der Methode der Kompetenzauslegung die materiell-rechtliche Ausgestaltung verschiedenster Bundesstaatsmodelle auf den unausgesprochenen „Geist der Verfassung“. Die amerikanische Verfassung erwähnt die implied powers zum einen ausdrücklich146 und erkennt sie als methodisches Mittel der Auslegung der Bundesgesetzgebungskompetenzen an. Zudem ist die ältere amerikanische Verfassung eines Bundesstaats der deutschen staatsrechtlichen Literatur Vorbild und Kontrastfolie gewesen. Die großzügige Auslegung der Bundeskompetenzen durch den Supreme Court liefert ein Beispiel dafür, wie eine von ihrem historischen Beginn an demokratische Gesellschaft weniger am Buchstaben der Verfassungsurkunde haftet als eine in der Nachfolge eines monarchischen Konstitutionalismus entwickelte Verfassung und Verfassungslehre.147 So wie diese aus der Defensive des Parlamentarismus am Wort als Waffe gegen den Willen des Fürsten festhält, verkörpert jene die bürgerliche Freiheit auch insofern, als die Interpretation sich bisweilen nicht an den Wortlaut bindet.148 Auch im Recht der Europäischen Gemeinschaften hat die Lehre von den implied powers Konjunktur. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, daß das Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 Abs. 2 EGV entgegen dem ländläufigen Sprachgebrauch keine Kompetenzen begründet, sondern eine Regel über die Ausübung der andernorts der Gemeinschaft zugewiesenen Kompetenzen darstellt.149 Die Lückenschließungskompetenz150 des Art. 308 EGV151 geht hingegen über den durch eine nach Maßgabe der implied powers-Lehre zu ermittelnden Umfang einer Kompetenz hinaus.152 Aus ihrer Existenz darf schon deswegen nicht auf ein Verbot der Ermittlung mitgeschriebener Kompetenzen oder Befugnisse aus den ausdrücklich der Gemeinschaft zugeordneten Kompetenzen oder Befugnissen geschlossen werden.153 145 Vgl. Papier, in: Bundesrat (Hrsg.), 50 Jahre Herrenchiemseer Verfassungskonvent – Zur Struktur des deutschen Föderalismus, S. 341 ff. 146 Art. I, § 8, Cl. 18 bestimmt: „The Congress shall have Power . . . [t]o Make all Laws which shall be necessary and proper for carrying into Execution the foregoing Powers, and all other Powers vested by this Constitution in the Government of the United States, or in any Department or Officer thereof.“ 147 Siehe den pointierten Hinweis bei Roellecke, F.A.Z. vom 1. 8. 2003, Nr. 176, S. 38. 148 Zum Methodenstreit in der amerikanischen Verfassungslehre (und der Gegenposition der Originalisten) Brugger, JöR N.F. 42 (1994), S. 571 (583 ff.). 149 Vgl. z. B. Hetmeier / Richter, ZG 2001, S. 295 (302). 150 Siehe Hetmeier / Richter, ZG 2001, S. 295 (301). 151 „Erscheint ein Tätigwerden der Gemeinschaft erforderlich, um im Rahmen des Gemeinsamen Marktes eines ihrer Ziele zu verwirklichen, und sind in diesem Vertrag die hierfür erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen, so erläßt der Rat einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments die geeigneten Vorschriften.“ 152 Str.; wie hier Böhm, Kompetenzauslegung und Kompetenzlücken im Gemeinschaftsrecht, S. 182.

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A. Einleitung

Die Orientierung der Europäischen Gemeinschaft an der Schaffung eines Gemeinsamen Marktes (vgl. Art. 2 EGV) bewirkt eine in hohem Maße von teleologischen Argumenten geprägte Auslegung der Kompetenzen zugunsten der Gemeinschaftsorgane. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung wirft die Gemeinschaft dabei auf die vertraglich begründeten Kompetenzen zurück.154 Das Spannungsverhältnis zwischen einer dynamischen, da zielgerichteten Auslegung einerseits und der Beschränkung auf den Wortlaut als dem vertraglich Vereinbarten andererseits erfordert eine gründliche Methodik der Auslegung, um nicht der Kompetenzbegründung im Wege richterlicher Rechtsfortbildung Tür und Tor zu öffnen. Hier zeigt sich, daß die Problematik stillschweigender Kompetenzen keineswegs auf den Bundesstaat beschränkt ist. Sie stellt sich im Rahmen einer teleologischen Auslegung des geschriebenen Rechts. Der Versuch, Kriterien für die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs zu finden oder auszuschließen, strebt eine logische Disziplinierung der nahezu unbegrenzte Möglichkeiten eröffnenden teleologischen Auslegung an.

153 So aber Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, S. 157 f. 154 Art. 5 Abs. 1 EGV: Die Gemeinschaft wird innerhalb der Grenzen der ihr in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse und gesetzten Ziele tätig.

B. Die Vorgeschichte der Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs seit 1871 I. Die Verfassung des Deutschen Reichs von 1871 In der zeitgenössischen Literatur zur Verfassung des Kaiserreichs ist nicht viel von den Gesetzgebungskompetenzen die Rede. Aus zwei unmittelbar im Verfassungsrecht zu suchenden Gründen ist die genaue Grenzbestimmung der Reichsgesetzgebungskompetenzen von untergeordneter Bedeutung. Zum einen konnte der Reichsgesetzgeber nach überwiegender Auffassung mit der qualifizierten Mehrheit des Verfassungsänderungen regelnden Art. 78 der Verfassung von 1871 (RV) die Verfassung auch ohne Änderung ihres Textes durchbrechen.1 Eine Kompetenzwidrigkeit konnte demnach überhaupt erst beanstandet werden, wenn es an der erforderlichen Mehrheit fehlte. Die Gesetzgebung über die Sozialversicherung für Arbeiter in den 1880er Jahren ist ein prominentes Beispiel für eine Kompetenzerweiterung im Wege der Verfassungsdurchbrechung.2 Zum anderen fehlte es im Reich an einer Verfassungsgerichtsbarkeit,3 und die Verfassungsmäßigkeit von Reichsgesetzen wurde auch nicht incidenter von den Fachgerichten geprüft. Die Verfassung der Kaiserreichs stützte sich in weiten Teilen nahezu wörtlich auf die Verfassung des Norddeutschen Bundes von 1867. Als bewußte Fortsetzung des begonnenen Werks der Reichseinigung kann dies nicht ohne Auswirkung auf die Gestaltung und Auslegung der Gesetzgebungskompetenzen im Spannungsfeld von Reich und Einzelstaaten geblieben sein.4 Art. 2 RV, der unverändert aus der norddeutschen Bundesverfassung übernommen wurde, bestimmt: „Innerhalb dieses Bundesgebietes übt das Reich das Recht der Gesetzgebung nach Maßgabe des Inhalts dieser Verfassung und mit der Wirkung aus, daß die Reichsgesetze den Landesgesetzen vorgehen.“5 Art. 4 RV führt die Gesetzgebungskomptenzen des Reichs in einem Katalog auf, der nach einhelliger Auffassung der kaiserzeitlichen Staatsrechtslehre abschließend ist. Doch wur1 Zorn, Deutsches Staatsrecht I, S. 432 f.; Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. II, S. 38 ff.; Meyer, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, S. 689 f. 2 Vgl. Holste, Der deutsche Bundesstaat im Wandel (1867 – 1933), S. 167 f., mit weiteren Beispielen. 3 Siehe Stern, Staatsrecht V, S. 381, 640, 646. 4 Eine Aufstellung reichsgesetzlich geregelter Materien findet sich bei Meißner, Das Staatsrecht des Reichs und seiner Länder, S. 29 f. 5 Zur Bedeutung der Kollisionsregel im Norddeutschen Bund und im Deutschen Reich vgl. März, Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 58 ff.

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B. Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs seit 1871

den schon früh Überlegungen zu Kompetenzen angestellt, die heute aus der „Natur der Sache“ gerechtfertigt würden und dem Reich zugeordnet wurden. Bereits dem Norddeutschen Reichstag war die Problematik einer über die Kompetenzmaterie hinausgreifenden Gesetzgebungskompetenz bewußt, wie in den Verhandlungen über einen allgemeinen Großjährigkeitstermin deutlich wurde.6 Das Reichsgesetz vom 6. Februar 1875 über die Beurkundung des Personenstandes stützt sich zwar auf mehrere ausdrückliche Reichskompetenzen – Bürgerliches Recht, Freizügigkeit, Militärwesen –, streift aber Verwaltungszweige (Unterrichts- und Steuerwesen), die nicht dem Reich zufallen.7 Die Zuordnung der Straf- und Ordnungsgewalt zur jeweiligen Sachmaterie wurde in vielen Reichsgesetzen verwirklicht,8 so etwa in § 31 des Branntweinsteuergesetzes vom 24. Juni 1887. Man war sich einig, daß das verfassungsrechtliche System der Gesetzgebungskompetenzen keine Lücken aufwies. Laband stellte fest, die gesamte Rechtsordnung zerfalle „in drei Gebiete, in das der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Reiches, in das der fakultativen Gesetzgebungskompetenz des Reiches, welches zugleich bedingt das Gesetzgebungsgebiet der Einzelstaaten ist, und in das der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Einzelstaaten“. 9 Letzteres ist Laband zufolge keineswegs ein Bündel deduktiv zu ermittelnder Domänen, Reservate oder gesetzgeberischer Souveränitätsrechte, sondern schlicht der Rest an Gesetzgebungskompetenzen, der den Einzelstaaten nach Abzug der Reichskompetenzen verbleibt. Der Charakter der konkurrierenden Kompetenzen ergibt sich im Umkehrschluß zu den von der Verfassung mit dem Zusatz „ausschließlich“ versehenen Reichskompetenzen.10 Doch wurde die Ausschließlichkeit von Reichskompetenzen auch dort, wo der Zusatz fehlte, aus der Natur der Sache gefolgert. Haenel stellt fest, es bedürfe für „jede materielle und formelle Kompetenz, die dem Reiche zugesprochen werden soll, des Nachweises, dass dieselbe in den Bestimmungen der Reichsverfassung oder der sie ergänzenden Verfassungstexte gewollt und zum erkennbaren Ausdruck gebracht sei“11. Er relativiert diese Aussage, indem er fortfährt: „auch hier vorbehaltlich der Möglichkeit eines Gewohnheitsrechtes und des Nachweises, dass dieselbe rechtsgültig erfolgt sei“12. Ganz ähnlich äußert sich Triepel.13 Hinzu kämen Reichskompetenzen kraft Analogie wie die Regelungsbefugnis für das Telephonwesen. Art. 4 Ziff. 10 RV, der das Post- und Telegraphenwesen nennt, biete dafür eine ausreichende Grundlage.14 Da6 Vgl. Haenel, Staatsrecht, S. 222 f. in Fn. 6: Sten. Ber. 1869, S. 28 ff., Verhandlungen über den Antrag von Hagke auf Herbeiführung eines allgemeinen Großjährigkeitstermins. 7 Haenel, Staatsrecht, S. 222 f. 8 Haenel, Staatsrecht, S. 428 f. 9 Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. II, 1911, S. 120 f. 10 Vgl. z. B. Art. 35 RV. 11 Haenel, Staatsrecht, S. 221 f. 12 Haenel, Staatsrecht, S. 222. 13 Festgabe Laband, Bd. II, S. 247 (286).

I. Die Verfassung des Deutschen Reichs von 1871

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bei verhilft die Technik des Analogieschlusses dazu, nicht aus dem „Wesen des Reichs“ oder dem Begriff des Bundesstaates Reichskompetenzen deduzieren zu müssen.15

1. Albert Haenel Die Figur der Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs erscheint der Sache nach bereits bei Haenel. Er stellt eine Verbindung zwischen der formalen Natur der Kompetenznormen und der Methode zur Feststellung ihrer Reichweite her.16 Die (genuine) Bestimmung einer Reichskompetenz könne keinesfalls aus dem Staatszweck und der Notwendigkeit der Inanspruchnahme dazu dienender Mittel abgeleitet werden. Reich und Einzelstaaten seien jeweils auf ihrem Kompetenzgebiet verfassungsmäßig gleichberechtigt. 17 Eine dem Reich verfassungsrechtlich zugeschriebene Kompetenz unterliege aber keiner „irgendwie beschränkten juristischen Hermeneutik“. Haenel trennt methodisch die Herleitung der Existenz einer Reichskompetenz von der Ermittlung des Umfangs einer bereits als bestehend erkannten und anerkannten Reichskompetenz. Aus dem Postulat der Gleichberechtigung läßt sich demnach nicht darauf schließen, daß eine Präsumtion gegen die Kompetenz des Reichs stehe. Ebenso irrtümlich sei „die Annahme, dass die Auslegung der Kompetenzbestimmungen der Reichsverfassung eine enge sein müsse und eine erweiternde nicht sein dürfe“18. In diesem Zusammenhang kommt Haenel auf die stillschweigenden Kompetenzen zu sprechen: Die Annahme, eine enge Auslegung sei geboten, sei auch in der Wendung irrtümlich, „dass eine Kompetenz nur dann begründet sei, wenn sie in der Verfassung ausdrücklich festgestellt sei, nicht aber, wenn sie erst aus dem Zusammenhang und dem Zwecke der Verfassungsbestimmungen oder aus sonstigen schlüssigen Umständen oder mittels der Analogie gefolgert werden könne und müsse“19. Insbesondere dürften Kompetenzen aus logischen Schlußfolgerungen gewonnen werden: „Ist eine bestimmte Angelegenheit verfassungsmäßig der Regelung des Reiches unterworfen, so ist dasselbe auch kompetent, solche andere Regelungen vorzunehmen, die eine unerlässliche Voraussetzung für die erstere bilden, und zwar auch dann, wenn diese anderen Regelungen eine solche Angelegenheit im sachlichen Zusammenhang ergreifen, die an sich der Kompetenz der Einzelstaaten verblieben ist.“20 Beispielhaft führt er das Reichsgesetz über die Beurkundung des Personenstandes an. Dies lasse sich auf einige ausdrückliche Kompetenzen des Reiches stützen und sei „in sachlicher 14 15 16 17 18 19 20

Triepel, Festgabe Laband, Bd. II, S. 247 (324). Vgl. Triepel, Festgabe Laband, Bd. II, S. 247 (324 ff.). Haenel, Staatsrecht, S. 221. Haenel, Staatsrecht, S. 240. Haenel, Staatsrecht, S. 222. Haenel, Staatsrecht, S. 222. Haenel, Staatsrecht, S. 222.

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B. Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs seit 1871

Untrennbarkeit zugleich auch für solche Verwaltungszweige (Unterrichts-, Steuerwesen) von eingreifender Bedeutung“ gewesen, die der Kompetenz der Einzelstaaten unterlägen.21 Diese Konstellation des Sachzusammenhangs (avant la lettre) ist von dem Fall abzugrenzen, daß die von Reichs- und einzelstaatlichem Gesetzgeber erlassenen Regelungen zu „Inkonsequenzen, zu Hemmungen und Schmälerungen der gesetzgeberisch beabsichtigten Wirkungen führen“22. Die Aufteilung der Kompetenzen begünstigt derartige Spannungsfelder. So ermächtige die Reichsgesetzgebungskompetenz für das Heimatrecht lediglich zur Regelung der „äußeren Seite“ der Armenpflege, nämlich des Anspruchs auf öffentliche Unterstützung, der Festlegung der Verpflichteten und des Ausgleichs der Armenlasten, während die „innere Armenpflege“, besonders das Verfahren der öffentlichen Unterstützung, Sache der Einzelstaaten bleibe. Die Gesetzgebung des Reiches ist auf diejenige der Einzelstaaten angewiesen, um ihre Wirkungen entfalten zu können. Kommt es infolge der auf je unterschiedliche Kompetenzen gestützten Gesetze zu Reibungsverlusten und Gegenläufigkeiten, können diese nicht mehr mit dem Verteilungsplan der Kompetenzordnung aufgefangen werden. Das Reich könne in solchen Fällen seine Kompetenzen nur durch eine Änderung der Verfassung erweitern. Eine Reichskompetenz über den Sachzusammenhang vermag solche Friktionen Haenel zufolge nicht zu beseitigen.

2. Heinrich Triepel Heinrich Triepel hat 1908 in der Festgabe für Laband in einem Beitrag mit dem Titel „Die Kompetenzen des Bundesstaats und die geschriebene Verfassung“ eine Gegenüberstellung der deutschen und der amerikanischen implied powers vorgenommen. Die Verfassungen beider Staaten seien zurückhaltend bei der Festlegung zentralstaatlicher Kompetenzen.23 Dies beruhe zum Teil auf politischen Überlegungen, da es doch sowohl in Deutschland als auch Nordamerika gegolten habe, bisher souveräne Staaten „zur Veräusserung wertvoller Hoheitsrechte an eine Zentralgewalt zu überreden“24. Die amerikanische Verfassung sei starrer als die deutsche, so daß sich die Frage nach Existenz und Umfang ungesetzter Zuständigkeitsnormen dringender als unter der deutschen Verfassung stelle. Der Umstand, daß die Kompetenzen des Reichs ausdrücklich genannt werden, jene der Länder aber nicht, hat auch in der Lesart Triepels nicht die Folge, daß Reichskompetenzen strikt und einengend ausgelegt werden müßten.25 21 22 23 24

Haenel, Staatsrecht, S. 222 f. Zu dieser Konstellation Haenel, Staatsrecht, S. 240. Triepel, Festgabe Laband, Bd. II, S. 247 (250). Triepel, Festgabe Laband, Bd. II, S. 247 (251).

I. Die Verfassung des Deutschen Reichs von 1871

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Das Reich kann nach Triepels Auffassung nicht auf die ihm ausdrücklich zugewiesenen Kompetenzen beschränkt werden. Vielmehr müssen die gewöhnlichen, für die Auslegung jedes einfachen Gesetzes zu beobachtenden Regeln bei der Ermittlung der Reichskompetenzen angewandt werden. Eine Beschränkung auf die ausdrücklich aufgeführten Kompetenzen war in der Beratung des Entwurfs im verfassungsvereinbarenden Norddeutschen Reichstag durch den Abgeordneten Zachariae vorgeschlagen, aber abgelehnt worden. Auch die Bestimmung der Verfassung des Deutschen Reiches vom 28. März 1849, daß die Einzelstaaten „alle staatlichen Hoheiten und Rechte behalten, soweit diese nicht der Reichsgewalt ausdrücklich übertragen sind“, wurde nicht wiederbelebt. Die historische Auslegung spricht somit gegen eine Beschränkung. Zu weit ginge es allerdings, aus der Befugnis des Reichs zur Verfassungsänderung (Art. 78 RV) eine Vermutung zugunsten einer Reichskompetenz zu folgern. Denn Änderung und Änderungskompetenz dürfen nicht gleichgesetzt werden.26 Triepel konzediert, es gebe auch „implied limitations“, also Beschränkungen gegenüber dem Wortlaut, geht aber dann sogleich zur Möglichkeit erweiternder Auslegung über. Triepel systematisiert die stillschweigenden Kompetenzen nach der Art ihrer Entstehung bzw. Ermittlung: Sie können durch Gewohnheitsrecht entstehen oder durch berichtigende, also ausdehnende Auslegung, im Wege der „Konsequenz“ oder per Analogie entwickelt werden.27 Unter der Konsequenz verstehe man in der Rechtswissenschaft „die Methode, mit deren Hilfe ungesetzte Rechtssätze als Folgerungen ausdrücklich genannter Rechtssätze dargetan werden. Die Konsequenz ist für die Gesetzesanwendung in Wissenschaft und Rechtsprechung schlechtweg unentbehrlich, wird von beiden auch fortwährend gebraucht und ist in ihrer Zulässigkeit unangefochten“. Anscheinend als Unterfälle der Konsequenz behandelt Triepel die Schlüsse a maiore ad minus und vom Zweck auf die Mittel.28 „[W]enn die Verfassung dem Reiche eine Zuständigkeit gewährt, so wird sie ihm annehmbarer Weise auch alle Mittel zur Verfügung stellen wollen, die es bei pflichtgemäßer Erwägung des Notwendigen und Nützlichen für geeignet hält, um jene Zuständigkeit auszuüben.“ Dies lasse sich durch den Grundsatz beschreiben, daß das Reich „im Zweifel“ außer den ihm ausdrücklich verliehenen Kompetenzen auch alle diejenigen inne hat, „welche es braucht, um eine ausdrücklich eingeräumte Kompetenz vollständig und wirksam anzuwenden“. So erfasse die Gesetzgebungskompetenz des Reichs für die einheitliche Regelung des gerichtlichen Verfahrens auch die Gesetze über die Gerichtsverfassung.29 Der Grundsatz gelte nur „im Zweifel“. Er wird durchbrochen, wenn Wortlaut oder Sinn der Verfassung entge25 26 27 28 29

Triepel, Festgabe Laband, Bd. II, S. 247 (281). Vgl. Triepel, Festgabe Laband, Bd. II, S. 247 (284 f. in Fn. 2). Triepel, Festgabe Laband, Bd. II, S. 247 (286 f.). Triepel, Festgabe Laband, Bd. II, S. 247 (288). Triepel, Festgabe Laband, Bd. II, S. 247 (289).

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B. Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs seit 1871

genstehen. Da zum Beispiel Art. 4 RV dem Reich nur die Befugnis der Gesetzgebung und Aufsicht zugestehe, nicht aber diejenige zur eigenen Vollziehung, könne aus der Gewährung sachlich-materieller Kompetenzen nicht darauf geschlossen werden, daß das Reich auch einen Verwaltungsapparat sowie eine entsprechende Gerichtsbarkeit gesetzlich regeln kann.30 Stillschweigende Gesetzgebungskompetenzen können aus ausdrücklichen Gesetzgebungs- oder Verwaltungskompetenzen abgeleitet werden. Entscheidendes Kriterium für die Ableitung ist die Konnexität zwischen dem Gegenstand der Reichskompetenz und den anderen Materien.31 So beinhalte die Reichskompetenz für die Gesetzgebung im Militärwesen auch die Regelung der persönlichen Rechtsstellung der Militärpersonen.32 Dies umfasse wiederum die Rechtsstellung in den Einzelstaaten, so daß die Teilnahme an den Landtagswahlen und die Anstellung und Pensionierung der Militäranwärter im Einzelstaats- und Kommunaldienst in die Reichskompetenz falle. Für diesen Übergriff gebe es keine Grenze in Gestalt der Souveränität der Einzelstaaten. Da das Reich gemäß Art. 4 Ziff. 8 RV zur Gesetzgebung über das Eisenbahnwesen berechtigt sei, soll es auch ein EisenbahnEnteignungsgesetz auf dieser Kompetenzgrundlage schaffen dürfen.33 Das Reichsgesetz über die Einheitszeit lasse sich ausdrücklich nur auf diejenigen Gegenstände beziehen, die Art. 4 RV aufzählt, also etwa Post-, Telegraphen-, Eisenbahn-, Gewerbewesen und Privatrecht.34 Die Reichskompetenz, Gesetze zur „Fremdenpolizei“ zu erlassen (Art. 4 Ziff. 1 RV), soll die Regelung der Rechtsstellung des Fremden schlechthin, mithin auch gegenüber den Einzelstaaten, decken. So dürfe ein Reichsgesetz festlegen, ob und wie der Fremde zu staatlichen und Gemeindediensten sowie zu Landessteuern heranzuziehen ist.35 Darüber hinaus müsse das Reich auf gesetzlichem Weg auch diejenigen Hemmnisse beseitigen dürfen, die den Zweck der auf die ausdrücklichen Kompetenzen gestützten Gesetze behindern könnten. „Auch dies wird nach Lage der Sache vielfach nicht anders als durch Eingriffe in das Vorbehaltsgebiet der Einzelstaaten zu bewirken sein.“36 Die Nähe zu der von Haenel geschilderten Konstellation sich hemmender Gesetze ist unübersehbar. Das wird noch deutlicher, wenn Tripel darauf zurückkommt, daß der Vorrang der Reichsgesetze vor den einzelstaatlichen Gesetzen gemäß Art. 2 RV hier nicht greife. Jedoch gelangt er zu einer anderen Bewertung als Haenel. Der Reichsgesetzgeber habe die aktuelle Kompetenz, alle Hemmnisse, die die Wirkung seiner Gesetze schmälern, aus dem Weg zu räumen. Die von Haenel erwähnte Gleichberechtigung von Zentralgewalt und Einzelstaaten 30 31 32 33 34 35 36

Triepel, Festgabe Laband, Bd. II, S. 247 (290). Triepel, Festgabe Laband, Bd. II, S. 247 (297). Triepel, Festgabe Laband, Bd. II, S. 247 (295). Triepel, Festgabe Laband, Bd. II, S. 247 (295). Triepel, Festgabe Laband, Bd. II, S. 247 (295, Fn. 5). Triepel, Festgabe Laband, Bd. II, S. 247 (295 f.). Triepel, Festgabe Laband, Bd. II, S. 247 (300).

II. Die Weimarer Reichsverfassung von 1919

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wird so untergraben. Der Weg führt zum unitarischen Bundesstaat. Vor allem trifft diese Entwicklung die Finanzhoheit der Gliedstaaten, dabei insbesondere ihre Steuergewalt. So durfte das Reich den Einzelstaaten zum Schutz der reichsgesetzlich gewährleisteten Gewerbefreiheit die Erhebung von Bürgerrechtsgeldern verbieten, zum Schutz der Pressefreiheit die Besteuerung der Presse, zur Stärkung der Freizügigkeit Zuzugsgelder und Doppelbesteuerung untersagen.37 Die Kompetenzen übernehmen eine Funktion, die heute dem materiellen Verfassungsrecht, namentlich den Grundrechten, obliegt. Die Verfassung des Kaiserreichs hatte mit Ausnahme des Indigenats auf die Aufnahme von Grundrechten verzichtet. Ein Motiv für diesen Verzicht war das Bestreben gewesen, die unitarisierende Wirkung reichsweit geltender Grundrechte um der einzelstaatlichen Autonomie willen zu verhindern.38 Die Auslegung der Reichskompetenzen in Richtung auf einen Schutz von Gewerbe, Presse oder Freizügigkeit trug zur Unitarisierung durch die Hintertür bei.39

II. Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 Die Kommentar- und Lehrbuchliteratur zur Weimarer Verfassung (WRV) verweist für das System der Gesetzgebungskompetenzen in der Regel auf das Schrifttum zur alten Reichsverfassung. Anschütz stellt fest: Für „das Verständnis der Zuständigkeitsverteilung zwischen Reich und Ländern (mindestens für die grundsätzliche Gestaltung dieser Verteilung) sind immer noch wichtig die einschlägigen wissenschaftlichen Arbeiten aus der Zeit des Kaiserreichs“, und nennt Haenels Staatsrecht und Triepels Aufsatz in der Festgabe für Laband.40 Die Unterschiede der Kompetenzverteilung zwischen Kaiserreich und Weimar waren nicht groß.41 Art. 12 Abs. 1 WRV stellte nunmehr klar, daß die Länder das Recht der Gesetzgebung behalten, „solange und soweit das Reich von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch macht“. Dies galt nicht für die ausschließliche Gesetzgebung des Reichs. Reichskompetenzen fanden sich auch im neu eingefügten Grundrechteteil.42 Weiterhin wurden Reichsgesetzgebungskompetenzen aus der Natur der Sache und kraft Konnexität anerkannt.43 Neuartig waren die Bedürfnis- bzw. Bedarfsgesetzgebung des Art. 9 WRV sowie die Grundsatzgesetzgebung der Art. 10 und 11 WRV.44 Beide Gesetzgebungsarten gehören zu den konkurrieTriepel, Festgabe Laband, Bd. II, S. 247 (300 f.). Zur Grundrechtsdebatte im Reichstag vgl. Stern, Staatsrecht V, S. 361 f. 39 Stern, Staatsrecht V, S. 362; E. R. Huber, Festschrift Scheuner, S. 163 ff. 40 Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, S. 72. 41 Vgl. Stern, Staatsrecht V, S. 581. 42 Z. B. in Art. 123 Abs. 2; Art. 151 Abs. 3; Art. 153 Abs. 2 S. 2; Art. 156 Abs. 1; Art. 163 Abs. 2 S. 3; Art. 165 Abs. 3 bis 6 WRV. 43 Siehe Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, Art. 6 Anm. 1; Lassar, in: Anschütz / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. I, S. 301 (304). 37 38

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B. Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs seit 1871

renden Kompetenzen.45 Unter „Grundsätzen“ seien „allgemeine Rechtssätze, Richtlinien zu verstehen, die der näheren Ausgestaltung im einzelnen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt ihrer Anpassung an die besonderen Verhältnisse der einzelnen Länder, ebenso fähig wie bedürftig sind“46. Ein Bedürfnis im Sinne von Art. 9 WRV bestand, „wenn das Nebeneinanderbestehen nicht übereinstimmender Landesgesetze über eine und dieselbe Materie das Reichsinteresse oder sonstige erhebliche Reichsinteressen schädigt“47. Lassar läßt es für die Erfüllung der Bedürfnisklausel ausreichen, wenn eine einheitliche Regelung zweckmäßig ist bzw. das Reichsinteresse fördert.48 Im Verhältnis zur Verfassung von 1871 zeigen sich die Kompetenzarten stärker ausdifferenziert.49 Der den alten Art. 4 RV von 1871 fortführende Katalog des Art. 7 WRV ist von 16 Ziffern auf deren 20 angewachsen. Die Bedarfsgesetzgebung des Art. 9 WRV bietet einen geradezu enormen Kompetenzbereich, so daß Klein im Rückblick mutmaßt, kraft dieser Generalklauseln sei eine Auslegung der anderen Reichskompetenzen nach Maßgabe der Konsequenz entbehrlich geworden.50 Preuß ist zwar der Ansicht, eine Generalklausel nach dem Muster der necessary and proper clause in der amerikanischen Verfassung sei untunlich, doch seien die bestehenden Reichskompetenzen zur Gesetzgebung „nicht in starrer Buchstäblichkeit, sondern im Sinne dieser „implied powers“ auszulegen“.51 Die Reichskompetenzen seien indessen so beschaffen, daß sie einer solchen Ergänzung kaum mehr bedürften. Poetzsch mißt der Kompetenz kraft Konnexität für die Gesetzgebungspraxis noch immer große Bedeutung bei.52 Er prognostiziert, daß dieser Weg noch intensiver beschritten würde, wenn es zu einer „föderalistischen Rückrevision“ der Reichskompetenzen käme.53 Solange die Art. 9 bis 11 WRV Bestand hatten, besaß die Kompetenz kraft Konnexität eine Reserverolle.54 Vgl. Stern, Staatsrecht V, S. 581 mit Fn. 294. Lassar, in: Anschütz / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. I, S. 301 (306 f.). 46 Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, Art. 10 / 11 Anm. 1; gutachtliche Erklärung der Reichsregierung vom 9. April 1924, zitiert bei Poetzsch, JöR 13 (1925), S. 1 (101). 47 Lassar, in: Anschütz / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. I, S. 301 (308) mit Hinweis auf die Zweite Bayerische Denkschrift (BerUnterl. 1928, S. 396 ff.). 48 Lassar, ebenda. 49 Siehe den Vergleich bei Nawiasky, Die Grundgedanken der Reichsverfassung, S. 38 – 48. 50 H. H. Klein, Die Bedeutung des Sachzusammenhangs für die Verfassungsauslegung, S. 14 f. 51 Preuß, Reich und Länder, S. 116 f. 52 Poetzsch, JöR 13 (1925), S. 1 (36 in Fn. 1). 53 Zu Beginn der 20er Jahre gab es innerhalb des Reichs zahlreiche Bestrebungen, die Länderkompetenzen zu stärken. Vgl. Poetzsch, JöR 13 (1925), S. 1 (99 – 101): Ausgehend von Konflikten zwischen dem Reich und Bayern; siehe das Bamberger Programm der Bayerischen Volkspartei vom 19. 9. 1920. 44 45

II. Die Weimarer Reichsverfassung von 1919

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Die Bedarfs- und Grundsatzgesetzgebungskompetenz des Reichs sind nach zeitgenössischer Auffassung ihrerseits weit auszulegen, das heißt sie erstrecken sich auf diejenigen Hilfszuständigkeiten, „die erforderlich sind, um die aufgezählten Zuständigkeiten sachgemäß und zweckentsprechend zu handhaben“55. Anschütz faßt darunter die Kompetenz über „diejenigen Sachgebiete, die mit ihnen [d. i. den ausdrücklich dem Reich zugewiesenen Kompetenzen] in einem vernünftigerweise nicht zu trennenden Zusammenhang stehen“ und nennt dies „Reichszuständigkeit des Sachzusammenhangs“ und in Klammern „Kompetenz kraft ,Konnexität‘“.56 Mit Bezug auf die stillschweigenden Reichskompetenzen stellte Grau im Jahr 1926 fest, er gehe darauf nicht weiter ein, da der Problemkreis durch den Aufsatz Triepels eine im Wesentlichen erschöpfende Behandlung erfahren habe.57 Als „Neuerung“ werden die Begriffe „Natur der Sache“ sowie „Sachzusammenhang“ eingeführt, die noch keine eindeutig festgelegte Bedeutung besitzen.58 So konzediert Lassar dem Reich zwar das Recht einer „allseitigen Bearbeitung des Kompetenzthemas“, die auch nicht ausdrücklich zugewiesene Materien erfassen dürfe, überläßt die Entfaltung des im Kompetenztitel enthaltenen Sinns dann aber sowohl einer Auslegung im Wege der Konsequenz als auch der Analogie und geht daneben noch davon aus, daß die zur Ausübung der ausdrücklich verliehenen Zuständigkeiten notwendigen Hilfszuständigkeiten in der Kompetenznorm selbst enthalten sind. Dadurch entsteht der Eindruck, die Auslegung im Wege der Konsequenz sei etwas anderes als die Anwendung der Figur des Sachzusammenhangs.59 Doch läßt sich diese Begriffsverwirrung auflösen, wenn man den Sachzusammenhang als Unterfall der Konseqenz begreift oder unter den Hilfszuständigkeiten nur die heute so bezeichneten Annexkompetenzen versteht. Von der Frage ungeschriebener Kompetenzen wird vielfach eine Verbindung zur Staatsform hergestellt. Doch die dabei gewonnenen Erkenntnisse und Schlußfolgerungen sind selbst bei ähnlichem Ausgangsbefund nicht immer einheitlich. Anschütz argumentiert, aus der geschichtlichen Priorität der Einzelstaaten folge deren Zuständigkeitsprimat.60 Dieses müsse sich in dem Gebot strikter Auslegung der Reichskompetenzen, die Ausnahmerechtssätze seien, fortsetzen. Dem hält Lassar entgegen, die Ländergewalt setzte sich nun, anders als noch unter der Bismarckschen Reichsverfassung, aus regional dezentralisierten Zuständigkeiten zusam54 Hatschek, Das Reichsstaatsrecht, S. 31, qualifiziert Art. 9 WRV sogar als KompetenzKompetenz zur einfachgesetzlichen Erweiterung von Reichskompetenzen. Zur Genese der Vorschrift Wittmayer, Die Weimarer Reichsverfassung, S. 204. 55 Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, S. 95. 56 Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, S. 95 f. 57 Grau, Festschrift Heinitz, S. 358 (364, Fn. 11). 58 H. H. Klein, Die Bedeutung des Sachzusammenhangs für die Verfassungsauslegung, S. 10, m. w. N. in Fn. 29. 59 Vgl. H. H. Klein, Die Bedeutung des Sachzusammenhangs, S. 11. 60 Anschütz, in: ders. / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. I, S. 63 ff.; strikt dagegen Lasssar, ebenda, S. 310.

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B. Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs seit 1871

men.61 Auch kann man die ausdrückliche Nennung der Zentralkompetenzen als Ausdruck des Vorrangs und nicht des Ausnahmecharakters der Bundeskompetenzen deuten.62 Doch findet sich auch eine von der Staatsform abgehobene Rechtfertigung einer weiten Auslegung der Reichskompetenzen: Entscheidend für die Auslegung des genauen Zuschnitts der Kompetenzen sollen nach dieser Auffassung die Grundsätze einer zweckmäßigen Gesetzgebung sein. Besonders Grau verficht diese Methode. Kompetenzkollisionen müßten derart aufgelöst werden, „daß die Entfaltung einer vernünftigen Reichsgesetzgebung, die alles berücksichtigt, was ein vernünftiger Gesetzgeber zu berücksichtigen hat, gewährleistet ist“.63 Andere erkennen hierin eine Hinwendung zum unitarischen Bundesstaat.64 Grau erläutert, daß durch einen solchen Maßstab die Rechtsunterworfenen nicht unter einer aus bundesstaatlichen Gründen zerstückelten Gesetzgebung leiden müßten.65 Mit der Kategorie des vernünftigen Gesetzgebers wird der Boden für die Annahme legislativen Ermessens bereitet. Denn, was vernünftig ist, läßt sich erst mit Blick auf Gesetzeswerk und Absichten des Gesetzgebers entscheiden. Grau geht so weit, die Motivation des Gesetzgebers vom einzelnen Kompetenztitel zu entgrenzen. Der Reichsgesetzgeber dürfe seine Gesetze auch aufgrund von Motiven erlassen, die in Kompetenzen der Einzelstaaten wurzeln.66 So sei es dem Reichsgesetzgeber mit dem Gesetz betreffend die Ermöglichung der Kapitalkreditbeschaffung für landwirtschaftliche Pächter vom 9. Juli 192667 um eine Erleichterung der für die Betriebsführung erforderlichen Kreditaufnahme gegangen. Das Gesetz sei aber auf die Kompetenz für das bürgerliche Recht zu stützen. Die Landwirtschaft und die darin inbegriffene Förderung landwirtschaftlicher Pächter gehörten zur Kompetenz der Einzelstaaten, die aber Grau zufolge nicht in Anspruch genommen werden mußte. Das Reich war gezwungen, kompetenzfremde Erwägungen anzustellen, da die Kompetenz für Bürgerliches Recht nur auf Gesichtspunkte juristischer Systematik bezogen sei, so daß sich ein ordnungspolitisches Motiv daraus nicht entwickeln ließe.68 Grau differenziert die Kompetenzen der Reichspflege danach, ob sie nach dem Mittel der Staatshoheit oder nach einem Selbstbehauptungszweck bestimmt sind.69 Wenn das „Mittel der Staatshoheit“ der Kompetenz ihre Kontur verleiht, trete das „Recht zur Motivation aus kompetenzfreien Gebieten“ besonders hervor.70 Die 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70

Lassar, in: Anschütz / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. I, S. 301 (310). So etwa Grau, Festschrift Heinitz, S. 358 (363 f.). Grau, Festschrift Heinitz, S. 358 (364). Lassar, in: Anschütz / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. I, S. 301 (310). Grau, Festschrift Heinitz, S. 358 (364). Grau, Festschrift Heinitz, S. 358 (365). RGBl. I, S. 399. Grau, Festschrift Heinitz, S. 358 (407). Grau, Festschrift Heinitz, S. 358 (362). Grau, Festschrift Heinitz, S. 358 (366).

II. Die Weimarer Reichsverfassung von 1919

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Strafgesetzgebung stelle ein Mittel dar, weil Strafe kein Selbstzweck sei, und dürfe an „beliebige Interessensphären des sozialen Lebens“ anknüpfen.71 Die Steuergesetzgebung behandelt Grau zurückhaltender, da ihr das fiskalische Motiv der Einnahmeerzielung zugrundeliegt. Beschränkt sich die Verfassung also bei der Ausgestaltung einer Kompetenz auf die Nennung eines Mittels (der Staatshoheit), dann überläßt sie – wenigstens weitgehend – die Wahl der Ziele bzw. Motive dem einfachen Gesetzgeber. Wenn sich der Reichsgesetzgeber dabei kompetenzfremde, das heißt in die Kompetenzen der Länder fallende Motive zueigen macht, müssen ihm Schranken gesetzt werden. Für die nähere Bestimmung dieser Schranken muß beachtet werden, daß der Reichsgesetzgeber bei Wahl und Verwirklichung der Motive „Ermessen“ hat.72 Jenseits des Ermessens beginnt der Kompetenzmißbrauch. Diese Grenze zieht Grau weit und damit reichsfreundlich. Sie werde erst überschritten, wenn kompetenzfremde Gesichtspunkte „allein bestimmend“ sind. Das Kriterium versagt, wo die Kompetenz „an ein rechtlich formales Moment, wie etwa die Androhung einer Strafe, den Enteignungszwang oder dergleichen geknüpft ist“73. Dann genüge es, daß der Gesetzgeber die Sache wichtig genug findet, um sie mit Strafdrohung oder Enteignungszwang durchzusetzen. Die dem Reich bei seiner Gesetzgebung auferlegten Beschränkungen nutzten den Ländern nur, wenn ihre Verletzung rechtlich sanktioniert werden konnte. Doch gehörte das Recht des Richters, Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen, zu einer der umstrittensten Fragen der Weimarer Verfassungslehre.74 Der „Parlamentsabsolutismus“ galt als starkes Argument für ein richterliches Prüfungsrecht.75 Eine abstrakte Normenkontrolle sah Art. 13 Abs. 2 WRV nur für die Vereinbarkeit von Landesrecht mit Reichsrecht vor.76 Nicht vollkommen geklärt war die Frage, ob eine Kontrolle von Reichsgesetzen über einen Reich-Länder-Streit im Wege des Art. 19 WRV vorgenommen werden konnte. Überwiegend abgelehnt wurde ein allgemeines richterliches Prüfungsrecht in bezug auf Reichsgesetze, das eine inzidente Verwerfung gestattet hätte.77 Im Jahr vor der Veröffentlichung von Grau, ebenda. Grau, ebenda. 73 Grau, Festschrift Heinitz, S. 358 (409). 74 Ebenso das behördliche Prüfungsrecht gegenüber Parlamentsgesetzen. Vgl. zu beidem Schelcher, Fischers Zeitschrift für Verwaltungsrecht 59 (1926), S. 17, mit dem Fazit – S. 100 f. –, es gebe ein auf formelle Fragen des Gesetzgebungsverfahrens beschränktes Prüfungsrecht von Gerichten und Behörden, wobei die Kompetenzgrundlage als Prüfungsmaßstab nicht ausdrücklich einbezogen wird. Bei Landesgesetzen erachtet Schelcher eine Verwerfungskompetenz wohl wegen des Vorrangs von Reichsrecht als zulässig und geboten. 75 Vgl. Wendenburg, Die Debatte um die Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 220. 76 Zum Begriff Friesenhahn, in: Anschütz / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. II, S. 526. 77 Vgl. von Hippel, in: Anschütz / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. II, S. 546 ff.; siehe Gusy, Die Weimarer Reichsverfassung, S. 216 ff.; ders., Richterliches Prüfungsrecht, S. 74 ff., 90 ff. 71 72

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Graus Aufsatz, 1925, hatte das Reichsgericht für sich das Recht reklamiert, Reichsgesetze incidenter auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.78 Diese Entscheidung führte zu einem Meinungswandel in der Staatsrechtswissenschaft.79 Nunmehr wurde eine Auslegung des Art. 19 WRV zugunsten einer Überprüfung von Reichsgesetzen überwiegend befürwortet. Doch auch bei richterlicher Prüfungsbefugnis war nicht eindeutig, inwieweit Begriffe wie das Bedürfnis in Art. 9 WRV oder die Erforderlichkeit in Art. 11 WRV nicht doch gesetzgeberischer Definitionshoheit zuzurechnen waren.80 Die mit der Konnexität verbundenen Fragen gehörten in einen vergleichbaren Grenzbereich. Als weiteres Beispiel für die Inanspruchnahme stillschweigender Kompetenzen erwähnt Grau – offenbar im Anschluß an Triepel – das Recht der Reichsgewalt, „sachliche Hemmungen, die ihrer eigenen Kompetenzentfaltung drohen, durch besondere Regelung fernzuhalten“81. So verbot das Reichsgesetz vom 21. März 1925 über die Aufnahme von Auslandskrediten durch Gemeinden und Gemeindeverbände diesen Körperschaften die schrankenlose Kreditaufnahme im Ausland. Eine Überschreitung zumindest der ausdrücklich dem Reichsgesetzgeber zugewiesenen Kompetenz liegt in dem Eingriff in das Aufsichtsrecht der Länder gegenüber ihren Gemeinden. Das Reich hätte das Gesetz auch an die Länder adressieren können. Doch der Schutz der Anleihe- sowie Währungspolitik des Reichs soll dessen Kompetenz zum gesetzgeberischen Durchgriff auf die Gemeinden eröffnen. Der ergänzende Hinweis Graus, die Währungspolitik stehe wegen der Reparationsverpflichtungen im Mittelpunkt der wirtschaftlichen Interessen des Reichs, mutet wie ein Belang innerhalb einer Abwägung an. Ähnliches gilt für die Erwägung, das Gesetz diene der Aufrechterhaltung des vom Reich bestimmten Finanzausgleichs.82 Die Vielzahl der schon in den ersten Jahren der Weimarer Republik ergangenen Reichsgesetze ist noch kein zwingender Beweis für eine in der Gesetzgebungspraxis weite Auslegung der Reichskompetenzen. In der gesetzgeberischen Tätigkeit spiegelt sich zunächst das Bedürfnis, verfassungsrechtliche Spielräume auszuloten und die noch junge Republik auf einfachgesetzlichen Boden zu stellen.83 Poetzsch nennt in seiner Bestandsaufnahme der Reichsgesetzgebung die Kompetenz kraft Konnexität eine „besondere Kategorie der Kompetenzstreitigkeiten“ zwischen RGZ 111, 320 (322 f.). Zusammenfassend Holste, Der deutsche Bundesstaat im Wandel (1867 – 1933), S. 501 f.; vgl. auch Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, S. 287 ff.; Wendenburg, Die Debatte um die Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 215 ff. 80 Vgl. Triepel, Festschrift für Kahl, Bd. II, S. 94 ff., 100: Der Gesetzgeber habe angesichts dieser Tatbestandsmerkmale nicht nur wie üblich die Freiheit in der Wahl der Mittel, sondern auch die Freiheit in der Beurteilung der Umstände, die die Setzung einer Norm geboten erscheinen lassen. Siehe auch Anschütz, Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919, S. 85. 81 Grau, Festschrift Heinitz, S. 358 (364). 82 Grau, Festschrift Heinitz, S. 358 (364 f.). 83 Poetzsch, JöR 13 (1925), S. 1 (34). 78 79

II. Die Weimarer Reichsverfassung von 1919

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Reich und Ländern.84 Das Reich regele hier einen im Zusammenhang mit dem Hauptgegenstand stehenden Punkt, der sonst der Länderkompetenz unterfiele. Als Beispiele dafür werden genannt Reichsmietengesetz, 85 Arbeitsnachweisgesetz,86 das Gesetz über Mieterschutz und Mieteinigungsämter, die Verordnung über das Schlichtungswesen, das Gesetz über Maßnahmen gegen Wohnungsmangel,87 das Reichsheimstättengesetz, die Pachtschutzordnung und das Gesetz über weibliche Angestellte in Gast- und Schankwirtschaften.88 In den Jahren von 1925 bis 1928 läßt sich ein weiteres Vordringen der Reichsgesetzgebung verzeichnen.89 Die Kompetenz kraft Konnexität soll nun auch „Einbrüche in das öffentliche Recht der Länder (Organisationsrecht, Verhältnis der Landesregierungen zu den Gemeinden)“ rechtfertigen.90 Der Entwurf eines Arbeitsschutzgesetzes sah Regelungen für Organisation und Verfahren der Arbeitsschutzbehörden der Länder vor.91 Die Zuständigkeit für das verwaltungsgerichtliche Verfahren in den Ländern wurde wegen des Zusammenhangs mit der Kompetenz für das Reichsverwaltungsgericht und dessen Zuständigkeit auf der Grundlage von Art. 7 Ziff. 3 WRV geregelt. In den Jahren von 1929 bis 1933 tritt das auf Art. 48 Abs. 2 WRV basierende präsidiale Notverordnungsrecht gegenüber der „ordentlichen Reichsgesetzgebung“ in den Vordergrund. Es ermächtigt zu außerordentlicher Reichsgesetzgebung in Gestalt präsidialer Normsetzung.92 Bereits 1931 wurde zur Begründung der sogenannten Dietramszeller Notverordnung zur Sicherung der Haushalte von Ländern und Gemeinden93 vom Reichsministerium des Inneren eine radikale Auslegung des Art. 48 WRV veröffentlicht. Mit rücksichtsloser Deutlichkeit wurde festgestellt, daß der Reichspräsident an die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Reich und Ländern nicht gebunden sei und somit die Zuständigkeit von Reichs- und Landesgesetzgeber in sich vereinige.94 Der Staatsgerichtshof sah dies ebenso.95 Wenn Dreier für den nationalsozialistischen Führerstaat eine „Formindifferenz“ der Normsetzungsakte diagnostiziert,96 die schließlich in einen Formverlust überPoetzsch, JöR 13 (1925), S. 1 (35). Gesetz vom 24. 3. 1922, RGBl. I, S. 273. 86 Gesetz vom 22. 7. 1922, RGBl. I, S. 657. 87 Gesetz vom 11. 5. 1920, RGBl. S. 949. 88 Siehe Poetzsch, JöR 13 (1925), S. 1 (36). 89 Poetzsch-Heffter, JöR 17 (1929), S. 1 (13 ff.). 90 Poetzsch-Heffter, JöR 17 (1929), S. 1 (13, 15). 91 Poetzsch-Heffter, JöR 21 (1933 / 34), S. 1 (18). Wegen der Auflösung des Reichstags am 18. 7. 1930 ist der Gesetzesentwurf unerledigt geblieben. 92 Vgl. Poetzsch-Heffter, JöR 21 (1933 / 34), S. 1 (14). 93 Vom 24. 8. 1931, RGBl. I, S. 453. 94 Abgedruckt bei Poetzsch-Heffter, JöR 21 (1933 / 34), S. 1 (14). 95 Siehe Lammers / Simons, Die Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs für das Deutsche Reich und des Reichsgerichts auf Grund des Artikels 13 Abs. 2 der Reichsverfassung, Bd. V, S. 152, 169 f. 84 85

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B. Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs seit 1871

gehe,97 so gehört die bereits in der Weimarer Republik staatlich propagierte und praktizierte Auslegung des Art. 48 WRV unbedingt zur Vorgeschichte. Die „Diktaturbefugnis“ aus Art. 48 WRV hatte sowohl eine anti-parlamentarische als auch eine anti-föderalistische Wirkung. Der Reichstag verlor als Gesetzgeber zunehmend an Bedeutung, und die Länder besaßen keine dem Reich unzugängliche Gesetzgebungskompetenz mehr.

III. Nationalsozialismus Der unveränderte textliche Fortbestand der Weimarer Reichsverfassung legt eine rechtliche Kontinuität nahe.98 Die Nationalsozialisten haben zumindest in der ersten Zeit ihrer Herrschaft versucht, den Anschein der Legalität aufrechtzuerhalten. Der totalitäre Staat in Gestalt einer Führerdiktatur vertrug nicht die vertikale Verteilung der Macht zwischen Reich und Ländern.99 Während der Anti-Parlamentarismus der NSDAP mit dem Parlament den Inbegriff Weimarer Schwäche ins Visier nahm und ihm die Herrschaft des Volkes entgegensetzen konnte, war der AntiFöderalismus keine ohne weiteres aus den Weimarer Erfahrungen zu ziehende Lehre.100 Doch ließ sich auch insofern mit der „unlöslichen, inneren Einheit“ des deutschen Volkes argumentieren.101 Die Gleichschaltung der Länder stand mit oben auf der Liste staatsorganisatorischer Großakte zur Umstrukturierung des alten Staates.102 Am 30. Januar 1934 wurden die Länderparlamente durch das „Gesetz über den Neuaufbau des Reiches“ aufgelöst.103 Die Hoheitsrechte gingen auf das Reich über. Die Landesregierungen unterstanden der Reichsregierung. Artikel 4 des Gesetzes lautete: „Die Reichsregierung kann neues Verfassungsrecht setzen.“ Doch waren die Landesparlamente schon am 14. Oktober 1933 aufgelöst worden.104 Dies ergibt sich mittelbar daraus, daß gemäß § 11 des Gleichschaltungsgesetzes vom 31. März 1933 die Auflösung des Reichstags ipso iure die Auflösung der Länderparlamente zur Folge haben sollte. Am 14. Oktober 1933 hatte der Reichspräsident den Reichstag durch Verordnung aufgrund von Art. 25 Abs. 1 WRV aufgelöst. Die Länder waren zu Verwaltungsinstanzen des Reichs degradiert worden.105 Dreier, in: VVDStRL 60 (2001), S. 9 (60). Dreier, in: VVDStRL 60 (2001), S. 9 (56). 98 Zur Frage der Fortgeltung statt vieler Stern, Staatsrecht V, S. 809 – 811. 99 Vgl. Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 348. 100 Vgl. Dreier, VVDStRL 60 (2001), S. 9 (27 f.). 101 So das Gesetz über den Neuaufbau des Reichs vom 30. 1. 1934, RGBl. I, S. 75. 102 „Hauptziel“, Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 348. Vgl. Talmon, ZNR 2002, S. 112 (113 – 115). 103 RGBl. 1934 I, S. 75. 104 Darauf macht Talmon, ZNR 2002, S. 112 (145 mit Fn. 189) aufmerksam. 105 Vgl. Dreier, VVDStRL 60 (2001), S. 9 (28 in Fn. 95 m. w. N.). 96 97

IV. Die Entstehung des Grundgesetzes

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IV. Die Entstehung des Grundgesetzes 1. Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, der vom 10. bis zum 23. August 1948 tagte, befaßte sich unter anderem mit der Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern.106 Man ging wie schon 1871 und 1919 davon aus, daß die Gesetzgebungskompetenzen den Ländern zustehen sollten, wenn sie in der Verfassung nicht dem Zentralstaat zugeordnet werden. Der Verfassungskonvent diskutierte die Einteilung der Bundeskompetenzen anhand der aus der Weimarer Verfassung bekannten Kategorien der ausschließlichen, konkurrierenden, Bedarfs- und Grundsatzgesetzgebung. Der Katalog ausschließlicher Bundeskompetenzen schloß ausschließliche Bundeskompetenzen, die kraft Natur der Sache bestehen, nach Auffassung des Konvents nicht aus. Zu diesen Angelegenheiten wurden die Verfassung und die Symbole des Bundes sowie die Befugnis gerechnet, die eigene Behördenorganisation und das Bundesdienstrecht zu regeln. Trotzdem sollte der Grundsatz gelten, daß die Zuweisung einer Zuständigkeit ausdrücklich erfolgen muß. „Es genügt nicht der bloße Sachzusammenhang mit einem aufgeführten Stoff; sonst würde die Aufzählung ihren Sinn verlieren. Man würde dann ebensogut weitgefaßte Generalklauseln aufstellen können, dadurch aber den Zuständigkeitskatalog seines Zweckes berauben. Gerade das aber suchte der Konvent zu vermeiden, wie es überhaupt sein Ziel war, möglichst klare Verhältnisse für die Zuständigkeitsabgrenzung zu schaffen.“107 Offenbar wurde in aus dem Sachzusammenhang abgeleiteten Kompetenzen ein größeres Gefahrenpotential für eine im Sinne des Föderalismus scharfe Grenzziehung gesehen als in den Kompetenzen aus der Natur der Sache. Schon 1949 erhoben sich Stimmen, die eine Bundeskompetenz des sachlichen Zusammenhangs forderten. Grewe sah eine solche nicht nur, aber immer dann als gegeben an, wenn „die Gleichheit des Gesetzes eine einheitliche Regelung von Tatbeständen verlangt, die teils unter eine ausdrücklich normierte Bundeskompetenz, teils nicht unter eine solche fallen“. Dies bezeichnete er als „Sachzusammenhang der Gesetzesgleichheit“. Es entsponn sich eine Diskussion um die Zulässigkeit von Bundeskompetenzen kraft Sachzusammenhangs.108 Vom Konvent wurde darüber hinaus die Frage erörtert, ob sich aus dem Kompetenzkatalog materiell-rechtliche Folgerungen ziehen lassen. Man kam zu dem Ergebnis, daß der Katalog nur der Zuständigkeitsverteilung diene, neutral sei, weder eine Wertordnung noch 106 Verfassungsausschuß der Ministerpräsidentenkonferenz der westlichen Besatzungszonen, Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10. bis 23. August 1948, in: Bucher (Bearb.), Der Parlamentarische Rat 1948 – 1949. Akten und Protokolle. Bd. 2: Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, S. 504. 107 Verfassungsausschuß der Ministerpräsidentenkonferenz der westlichen Besatzungszonen, in: Bucher (Bearb.), Der Parlamentarische Rat, Bd. 2, S. 525 – 528. 108 Vgl. H. H. Klein, Die Bedeutung des Sachzusammenhangs für die Verfassungsauslegung, S. 15 – 25.

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B. Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs seit 1871

eine Pflicht zur Gesetzgebung noch politische Programme enthalte. Es gebe allerdings einige Kompetenztitel, die eine inhaltliche Tendenz aufwiesen, wie etwa „Maßnahmen gegen Pflanzenkrankheiten“. Da dies „unpolitisch“ sei, bestünden gegen solche Tendenzen keine Bedenken. Eine Ausnahme, die der Konvent anerkannte, bildet die Kompetenz zur „Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung“. 2. Der Parlamentarische Rat Der Parlamentarische Rat, der erstmals am 1. September 1948 zusammentrat, befaßte sich mit den Vorschlägen des Verfassungskonvents. Dazu bildete der Parlamentarische Rat aus seiner Mitte verschiedene Ausschüsse. Die Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern oblag dem Ausschuß für Zuständigkeitsabgrenzungen.109 Er erarbeitete zwischen dem 15. September und dem 7. Dezember zuerst die Artikel 70 bis 75 und danach die Artikel 83 bis 91 des Grundgesetzes. Für die Gesetzgebungskompetenzen herrschte Konsens über das Verteilungsprinzip. Der Bund solle nur regeln, was einheitlicher Regelung bedarf.110 Die Vorranggesetzgebung111 des Bundes sollte durch eine Beteiligung der Länder an der Willensbildung des Bundesgesetzgebers ausgeglichen werden. Die Alliierten verfaßten als Reaktion auf die bundesfreundliche Kompetenzverteilung am 2. März 1949 ein Memorandum, das einen Perspektivwechsel einforderte. Die vom Hauptausschuß des Parlamentarischen Rates bereits angenommene Entwurfsfassung wurde beanstandet. Die Länder sollten nach Auffassung der Alliierten das Recht zur Gesetzgebung haben, „außer wenn es offenbar für ein einziges Land unmöglich ist, wirksame Gesetze zu erlassen, oder wenn solche Gesetze, falls erlassen, den Rechten oder Interessen anderer Länder schädlich wären.“ „In solchen Fällen und vorausgesetzt, daß die Interessen der verschiedenen Länder offenbar, unmittelbar und im ganzen berührt sind, hat der Bund das Recht, die nötigen und angemessenen Gesetze“ auf den im Katalog aufgeführten Gebieten zu erlassen.112 In Umsetzung dieser Vorgaben wurde der spätere Artikel 72 GG formuliert.

109 Vgl. Feldkamp (Bearb.), Der Parlamentarische Rat 1948 – 1949. Akten und Protokolle, Bd. 8, S. 76 ff. 110 Vgl. Feldkamp (Bearb.), Der Parlamentarische Rat 1948 – 1949. Akten und Protokolle, Bd. 8, S. 78. 111 Später auf Betreiben der Alliierten in konkurrierende Gesetzgebung umbenannt. 112 Feldkamp (Bearb.), Der Parlamentarische Rat 1948 – 1949. Akten und Protokolle, Bd. 8, S. 131 f.

C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz I. Die Auslegung der Gesetzgebungskompetenzen Die Kompetenzvorschriften werden meist als technischer Teil der Verfassung, als organisationsrechtlicher Abschnitt, als Inbegriff des Organisationsstatuts charakterisiert. Damit verbindet sich die Erwartung, gerade diese Vorschriften zeichneten sich durch ein hohes Maß an Genauigkeit und Trennschärfe aus. Technik und Methode der Auslegung stünden vor keinen großen Schwierigkeiten. Auch die Anhänger der über bloße Auslegung hinausgehenden Konkretisierung der Verfassung erkennen an, daß es im Verfassungsrecht eher zu „öffnende“ und eher zu „schließende“ Normen gibt1 und die Kompetenzvorschriften zu den letzteren zählen. In einem eigentümlichen Gegensatz zu diesem Befund steht der Umstand, daß die verfassungsgerichtliche Judikatur gerade im Bereich der Gesetzgebungskompetenzen als kasuistisch und unberechenbar empfunden wird. Die Kompetenzverteilung ist allseitig und umfassend. Jede mögliche gesetzgeberische Regelung wird erfaßt. Jeder denkbare Regelungsstoff wird lückenlos zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Sofern nicht dem Bund die Kompetenz zugewiesen ist, fällt die Kompetenz zur Gesetzgebung den Ländern zu (Art. 70 Abs. 1 GG). Diese Lückenlosigkeit sollte zu der Annahme führen, es gebe in diesem Bereich keinen Raum für Analogien. Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der überwiegenden Auffassung. Trotzdem wurde beispielsweise eine Analogiebildung zum „Luftverkehr“(Art. 73 Nr. 6 GG) erwogen, um dem Bund die Kompetenz für die Raumfahrt zuzuschlagen. Ebenso wurde im Kaiserreich versucht, die Regelung des Telefonwesens unter das Post- und Telegraphenwesen zu fassen.2 Solche Versuche sind für das Grundgesetz abzulehnen. Sie scheitern an den Voraussetzungen einer Analogie. Auch die besondere Qualität des Verfassungsrechts mag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Offenheit und Dynamik auch einer Rahmenordnung enden, wo diese Ordnung detailliert und so vollständig normiert ist, daß sie Spielräume ausschließt. Auch die ihrem Namen nach extensive „dynamische“ Auslegung erschöpft sich zu Recht in einer Spielart der objektiv teleologischen Auslegung und im Phänomen des Verfassungswandels. Der Wortlaut bleibt unübersteigbare Grenze bei der Anwendung der Kompetenzvorschriften.3 Die Bundeskompetenzen aus der Natur der Sache modifizieren das 1 2 3

sim.

So Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 277. Art. 4 Ziff. 10 RV. Kritisch zur Wortlautauslegung Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze, S. 38 ff. und pas-

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C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz

Analogieerfordernis der „Interessengleichheit“ zwischen dem geregelten und dem ungeregelten Fall. Wenn man die Kompetenz aus der Natur der Sache als Variante einer Gesamtanalogie einordnet, heißt das, daß nur unter deren Voraussetzungen überhaupt eine Analogie im Bereich der den Bundesstaat konkretisierenden verfassungsrechtlichen (Gesetzgebungs-)Kompetenzen zulässig wäre. Auch materiell verfassungswidrige Gesetze werden von der Kompetenzverteilung erfaßt. Ein Gesetz, das die Todesstrafe einführen würde, fiele in die konkurrierende Kompetenz für das Strafrecht, wäre aber wegen Art. 102 GG verfassungswidrig. Wegen dieses Zusammenspiels formellen und materiellen Verfassungsrechts werden die Grundrechte und andere materielle Verfassungsnormen auch als negative Kompetenzen oder Kompetenzschranken bezeichnet. Diese Redeweise hat aber keinen Bezug zu der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern. Die Verfassungswidrigkeit wegen Verstoßes gegen nicht-kompetentielle Vorschriften hat bei der Kompetenzverteilung als Argument ganz außer acht zu bleiben. Diese klare Trennung ist mit der Annahme einer auf einen Konzeptbegriff gestützten Kompetenz des Strafgesetzgebers kraft Sachzusammenhangs in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum bayerischen Schwangerenhilfeergänzungsgesetz in Frage gestellt worden.4 Dort wurde argumentiert, das Strafrecht erscheine geeigneter als das Berufsrecht, um den Lebensschutz gesetzgeberisch zu realisieren, und verdränge daher im Sachzusammenhang die Berufsrechtskompetenz des Landesgesetzgebers. Damit wird die grundrechtliche Eignung zur Grundlage einer Kompetenzausdehnung gemacht. Dies widerspricht der systematischen Entkoppelung beider Bereiche. Es darf auch nichts anderes gelten, wenn der Gesetzgeber grundrechtlich nicht geschützte Positionen stärken und bewahren will. Die Eignung ist jedenfalls ein unzulässiges Kriterium, da sie in den Einschätzungsspielraum erst des kompetenten Gesetzgebers fällt und nicht schon dessen Kompetenz legitimiert. Die Allseitigkeit der Verteilung bedeutet zudem, daß es keinen Bagatellvorbehalt gibt. Die Kompetenzverteilung ist nicht der Ort, Kompetenzen des Staates und Freiräume gesellschaftlicher Selbstregulierung abzuschichten. 1. Doppelzuständigkeiten Ein Gesetz kann nur entweder in die Kompetenz des Bundes oder in diejenige des Landes fallen. Doppelzuständigkeiten sind unzulässig. Es handelt sich um eine aut-aut-Entscheidung.5 Aus ihr ergeben sich der Zwang zur eindeutigen Zuordnung eines Gesetzes zu einer Kompetenzmaterie und die Notwendigkeit, die einfachgesetzliche Vorschrift so zu atomisieren, daß sie nicht noch in weitere ihrerseits subsumierbare gesetzliche Regelungen zerlegt werden kann. 4 5

BVerfGE 98, 265 ff. Zur Kritik siehe unten C. II. 5. d). So der Begriff von Stettner.

I. Die Auslegung der Gesetzgebungskompetenzen

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a) Mehrere Kompetenzen für dasselbe Gesetzeswerk Die Normen eines Gesetzeswerks können verschiedenen Kompetenzmaterien zugeordnet werden. So mag innerhalb eines Bundesgesetzes(werks) eine Vorschrift auf das Recht der Wirtschaft gestützt werden, eine andere aber das Zulassungsrecht der Ärzte regeln. Daher kommt es zur mehrfachen Zuordnung von Gesetzen,6 zu Mosaikkompetenz7 und Kompetenzmix.8 Der Bund kann die ihm zugewiesenen Titel nach Belieben verknüpfen, verbinden oder sogar so verschmelzen, daß eine neuartige Materie entsteht.9 Diese Meta-Titel sind nicht schon wegen Art. 70 Abs. 1 GG Ländersache. Den Ländern muß dasselbe Recht zugestanden werden. Der Zwang zur eindeutigen Zuordnung bezieht sich nicht auf das Gesetz als einen Komplex von Normen, sondern auf jeweils einzelne Normen. Sie dürfen nicht weiter zerlegt werden können. Dies ist aber noch der Fall, wenn sich verschiedene Fallgruppen unter ein und denselben Wortlaut subsumieren lassen. Daß zum Zwecke der kompetentiellen Qualifikation einer Norm auch noch innerhalb des „unteilbaren“ Wortlauts einer Norm nach Anwendungsfällen differenziert werden muß, ergibt sich aus dem Gebot der verfassungskonformen Auslegung einer Norm. Das Bundesverfassungsgericht kann die Normauslegung dadurch erzwingen, daß es die kompetenzwidrig produzierten Anwendungsfälle als verfassungswidrig benennt. Das stellt eine Verfassungswidrigerklärung ohne Normtextreduzierung dar.10 Die einzelnen Vorschriften müssen andererseits im Zusammenhang des Gesetzeswerks ausgelegt und dürfen nicht isoliert betrachtet werden. Auch für die Subsumtion einer Vorschrift unter einen Kompetenztitel kommt es auf den Regelungszusammenhang an. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts kann daher eine Teilregelung, die bei isolierter Betrachtung einer Materie zuzuordnen wäre, für die der Bundesgesetzgeber nicht zuständig ist, in dessen Kompetenz fallen, wenn sie mit dem die Kompetenz begründenden Schwerpunkt der Regelung derart eng verzahnt ist, daß sie als Teil dieser Gesamtregelung erscheint.11 Dabei muß in Rechnung gestellt werden, daß der Gesetzgeber selbst unsystematisch vorgehen kann – unabsichtlich oder zur bewußten Verschleierung.12 Auch der interpretatorische Rückgriff auf andere, bereits bestehende Gesetze kann bei der SubPestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 71. Hirsch / Schmidt-Didczuhn, BayVBl. 1990, S. 289. 8 Peine, NuR 1992, S. 353 (360). 9 Eine Rechtsfolge ist, daß es für die Sachfremdheit einer Ermessenserwägung (vgl. § 40 VwVfG) nicht auf den Zuschnitt der einzelnen Kompetenzvorschrift ankommt. 10 Vgl. Schlaich / Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 386. Gegen die Einordnung als verfassungskonforme Auslegung in Rn. 387. 11 BVerfGE 98, 265 (299). 12 Vgl. P. Kirchhof, in: F. A. Z. Nr. 205 vom 4. 9. 2002, S. 8, der von der „Gesetzgebungstechnik der zufälligen Bündelung oder auch des Versteckens“ spricht. Als Beispiel nennt er das Seemannsgesetz vom März 2002, das allgemeine zivilrechtliche Regeln des Betriebsübergangs ändere. Der Verfasser erhebt daher die Forderung: „Gesetzgebung braucht Form und Stil“. 6 7

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C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz

sumtion geboten sein, etwa wenn diese in Bezug genommen werden oder sich in ihrer Wirkung ergänzen. Für bestimmte Gesetze soll eine „Doppelkompetenz“ verfassungsrechtlich geboten sein, weil eine einzige Kompetenz die Norm nicht abdecken könne. Dies wurde für Steuergesetze mit Lenkungswirkung gefordert.13 Demnach soll nur derjenige Gesetzgeber Lenkungssteuern normieren dürfen, der anstelle der nicht-regelnden Lenkungswirkung auch eine Sachregelung hätte erlassen können. Steuer- und Sachgesetzgebungskompetenz müßten daher zusammenfallen, damit der Gesetzgeber für das Steuergesetz mit Lenkungswirkung zuständig ist. Teilweise wurde das Erfordernis der Doppelkompetenz auf den Fall eingeschränkt, daß der Hauptzweck und nicht nur ein Nebenzweck des Steuergesetzes außerfiskalisch ist.14 Vermittels dieser Konstruktion sollen Normkonflikte schon auf der Ebene der Kompetenzverteilung vermieden werden. Das Bundesverfassungsgericht hat die Konstruktion verworfen und Normkonflikte mit Hilfe des Gebots der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung aufgelöst.15 b) Mischgesetzgebung Doppelzuständigkeiten könnten aber auch in dem Sinne bestehen, daß Bund und Länder gemeinsam für die Gesetzgebung zuständig sind. Das wäre das legislative Äquivalent zur Mischverwaltung. Eine gemeinsame Verantwortlichkeit von Bund und Ländern im Bereich der Gesetzgebung kann nicht geleugnet werden. Der Bundesrat nimmt über seine Funktion als Gesetzgebungsorgan des Bundes und vermittels seiner Zusammensetzung als Vertretung der Länder die Stellung eines Bindeglieds zwischen Bund und Ländern ein. Die Landesgesetzgeber haben allerdings nicht die Stellung eines Bundesorgans und sind auch nicht am Verfahren der Bundesgesetzgebung beteiligt. Für die zwischen Bundes- und Landesgesetzen existierenden Wechselwirkungen könnte man auf das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme rekurrieren.16 Die bisherigen Anwendungsfälle summieren sich zu einer gesamtstaatlichen Verantwortung für die Folgen der eigenen Gesetzgebung: Die Länder müssen die Rahmengesetzgebung des Bundes durch eigene Gesetzgebung ausfüllen (Art. 75 Abs. 3 GG) und sind damit verpflichtet, sich an bundesgesetzlich aufgestellten Prinzipien zu orientieren. Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur eigenen Gesetzgebung nur, „soweit“ der Bund von seiner Zuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat (Art. 72 13 Friauf, GewArch. 1996, S. 265 (270); P. Kirchhof, in: Isensee / Kirchhof, HStR IV, § 88 Rn. 56; Konrad, BayVBl. 1997, S. 353 (355); Stern, Staatsrecht II, S. 1105. 14 Fischer-Menshausen, in: von Münch / Kunig, GG III, 3. Aufl., Art. 105 Rn. 9; Pestalozza, StuW 1972, S. 81 (87). 15 BVerfGE 98, 106 (118 f.). Doch auch mit Hilfe der Grundrechte ließe sich diese Problematik angemessen bewältigen. Siehe unten G. II. 5. 16 In BVerfGE 98, 106 (118) ist von „wechselseitiger bundesstaatlicher Rücksichtnahme“ die Rede. Zur Bundestreue ausführlich unten G. I.

I. Die Auslegung der Gesetzgebungskompetenzen

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Abs. 1 GG). Der Landesgesetzgeber muß also zum Interpreten des Bundesgesetzes werden, um die Reichweite seiner eigenen Kompetenz zu ermitteln. In deren Rahmen ist ihm auch die Wirkungsverstärkung bundesgesetzlicher Regelungen und Regelungsziele gestattet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung hat der Gesetzgeber sogar bei eindeutig kompetenzgemäßen Gesetzen auf die Wechselwirkungen mit der Gesetzgebung des anderen Hoheitsträgers zu achten. Das kommt einem Zwang zur inhaltlichen Abstimmung der Gesetzgebung gleich. Auch dem Gebot bundesfreundlichen Verhaltens werden Anforderungen entnommen, die Ausdruck der gesamtstaatlichen Verantwortung beider Gesetzgebungskörperschaften sind.17 Auch über das verfassungsrechtlich gebotene Maß hinaus sind Bundes- und Landesgesetzgebung miteinander vernetzt durch gegenseitige Verweisungen.18 Die Orientierung der Länder an einheitlichen Musterentwürfen führt auch dann nicht zur Verfassungswidrigkeit, wenn die Bundesbürokratie an deren Ausarbeitung beteiligt oder aber ihr alleiniger Urheber war.19 Eine vollständige Trennung, gar Durchtrennung der Gesetzgebung läßt sich vor diesem Hintergrund nicht durchführen. Doch trägt „von Haus aus“ nur der Bund eine Gesamtverantwortung.20 Gerade bei der Anwendung ungeschriebener Verfassungsrechtssätze wie der Bundestreue oder der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung ist eher Zurückhaltung geboten.21 Da sich das Prinzip der Trennung von Kompetenzen unmittelbar aus der geschriebenen Verfassung ergibt, folgt die gebotene Zurückhaltung aus dem Vorrang der geschriebenen Verfassung vor ungeschriebenen Verfassungsrechtssätzen. Diese können nur ergänzend eingreifen, dürfen aber nicht das Prinzip einer nur beim Bund angesiedelten Gesamtverantwortung in Frage stellen. Geteilte Verantwortung ist minderwertige Verantwortung. Der Gesetzgeber, der sich mit Hinweis auf Verpflichtungen gegenüber dem anderen Hoheitsverband für inkonsequente und ineffektive Gesetze entschuldigt, ist seiner Verantwortung nicht gerecht geworden. Die Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht zur Annexkompetenz und zur Kompetenz kraft Sachzusammenhangs an die Adresse des Gesetzgebers gerichtet formuliert hat, zeigen, daß die Ausschöpfung der ihm zugewiesenen Kompetenz eine sinnvolle Gesetzgebung ermöglichen soll. Das Steuerungsmittel des Gesetzes mag als solches defizitär sein, insofern die größere Feinsteuerung, die intensivere Einzelfallbearbeitung und Flexibilität der Verwaltung vorbehalten bleiben. Die föderative Limitierung von Bundes- und Landesgesetzgeber kann aber nicht als Vorwand für eine nur begrenzt sinnvolle Gesetzgebung herhalten. Siehe unten G. I. Kunig, in: von Münch / Kunig, GG III, Art. 70 Rn. 10. Vgl. BVerfGE 73, 261 (272); Karpen, Die Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik. Zum Problem der versteckten Verlagerung von Gesetzgebungsbefugnissen siehe BVerfGE 47, 285 (312). 19 Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 41. 20 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 40. 21 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 40. Dazu unter G. 17 18

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C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz

Die Beteiligung des Bundesrats an der Bundesgesetzgebung bildet gleichsam das Maximum kompetenzüberschreitender Ingerenz. Eine Gemeinschaftsgesetzgebung im Sinne einer verfahrensmäßig koordinierten gemeinsamen Gesetzgebungskompetenz existiert nicht. Sie kann auch nicht als „Minus“ zur Delegation von Gesetzgebungskompetenzen durch Bund oder Länder an die jeweils andere Seite gerechtfertigt werden. Eine Delegation der Gesetzgebungskompetenzen durch die Länder ist ohnehin unzulässig. Wenn man die Unzulässigkeit von Doppelzuständigkeiten nicht schon aus Begriff und Abgrenzungsfunktion der Kompetenz herleiten will, hilft die Auslegung des Grundgesetzes: Art. 70 Abs. 1 GG schichtet die Gesetzgebungsbefugnisse des Bundes von dem Recht der Länder zur Gesetzgebung ab. Die Konjunktion „soweit“ geht dabei von einer eindeutigen Zuordnung aus. Art. 70 Abs. 2 GG stellt dies mit dem Begriff der „Abgrenzung“ der Zuständigkeiten von Bund und Ländern klar. c) Doppelzuständigkeiten für denselben Regelungsgegenstand Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, daß sich die Kompetenzen von Bund und Ländern nicht in der Art überschneiden, daß auf ihrer Grundlage beide ein und denselben Gegenstand in unterschiedlicher Weise regeln könnten.22 Solche parallelen Zuständigkeiten existieren nicht. Nach einer von Pestalozza vertretenen Auffassung sollen hingegen mehrdeutige Zuordnungen von Gesetzen möglich sein. Auf solche Fälle müsse Art. 31 GG – Bundesrecht bricht Landesrecht – Anwendung finden. Dagegen wurden zu Recht Einwände erhoben. Art. 31 GG setzt kompetenzgemäßes Bundesrecht voraus. Er dient nicht der Nachkorrektur von kompetentiellen Zweifelsfällen. Des weiteren kann die Auslegung der Kompetenztitel bzw. die kompetentielle Qualifikation des Gesetzes nicht einfach ohne (eindeutiges) Ergebnis abgebrochen werden. An welchem Punkt vorher sollte denn das Ende der erforderlichen Auslegungsbemühungen erreicht sein? Der Zwang zur eindeutigen Zuordnung ist Ziel und Vorgabe der Auslegung. Interpretatorische Schwierigkeiten können keine Entschuldigung für den Verzicht auf eine Fortsetzung der Auslegung sein. Zwar ist es richtig, daß Auslegung ein unendlicher Prozeß ist und daher jedes Auslegungsergebnis eine Entscheidung mit dem Makel eines gewissen Dezisionismus darstellt. Aber das Verfahren der Subsumtion verlangt solche Entscheidungen, die nur offengelassen werden können, wenn man die Subsumtionstechnik selbst preiszugeben gewillt ist. Die Sogwirkung der einfachen Kollisionslösung vermittels Art. 31 GG würde der Unitarisierung des Bundesstaats Vorschub leisten. Die mehrfache Zuordnung ist kein Sonderfall der Kompetenzauslegung, dem mit einer spezifisch kompetenzrechtlichen Konstruktion beizukommen wäre. Gerade im sehr konkretisierungsbedürftigen Verfassungsrecht läßt eine Norm oft einander ausschließende Ausle22

BVerfGE 36, 193 (202 f.); 61, 149 (204); 67, 299 (321).

I. Die Auslegung der Gesetzgebungskompetenzen

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gungen zu, so daß sich erst mit der „Konkretisierung“, das heißt der Auslegung und Anwendung der Norm in eine bestimmte Sinnrichtung, die eine anwendbare Bedeutung ergibt. Über Art. 31 GG käme es in Zweifelsfällen immer zum Vorrang des Bundesgesetzes, obwohl eine definitive, erschöpfende Auslegung möglicherweise zur Annahme einer Länderkompetenz geführt hätte. Nach einer anderen Ansicht, die nicht den Weg über Art. 31 GG einschlägt, ist die Bundeskompetenz bereits dann gegeben, wenn die Zuordnung zu einem Bundes- und einem Landestitel mit jeweils (gleich) starken Anknüpfungspunkten erfolgt, das Gesetz also – bildlich gesprochen – genau in der Mitte zwischen beiden Kompetenzen steht. Dann sei dem Bund die Gesetzgebungskompetenz „verliehen“ im Sinne von Art. 70 Abs. 1 GG. Doch folgt eine solche Präferenz des Bundes nicht aus dem Wortlaut der Norm. Der unterstellten Pattsituation liegt ein Defizit an verfeinerten Auslegungskriterien zugrunde.23 Dem Art. 70 Abs. 1 GG ist in derartigen Fällen auch nicht eine (materiell-rechtliche oder verfassungsprozeßrechtliche) Vermutung zugunsten einer Landeskompetenz zu entnehmen.

2. Dynamische, effektive und effektuierende Auslegung In der Literatur wird zuweilen eine dynamische Auslegung der Kompetenzen oder des gesamten Verfassungsrechts gefordert.24 Das Bundesverfassungsgericht hat sich diese Ausdrucksweise nicht zueigen gemacht,25 auch wenn viele Judikate der Sache nach in diese Richtung weisen. Dem Sachzusammenhang wird implizit die Rolle zugewiesen, die Auslegung zu dynamisieren. Die mitgeschriebenen Kompetenzen werden als Instrument einer lebendigen Verfassung eingeschätzt.26 Zunächst stellt sich die Frage, was an einer Auslegung dynamisch ist. Eine mögliche Bedeutung ist, daß auf diese Weise die spezifische Offenheit und Elastizität des Verfassungsrechts abgeschöpft werden sollen. Die Kompetenzordnung der Art. 70 ff. GG ist in sich geschlossen. Es gibt nichts Neues, das nicht unter sein Regelungsregime fiele. Die Dynamik lebensweltlicher Entwicklungen ohne korrespondierende gesetzgeberische Erfahrungen wird durch die Länderkompetenz nach Art. 70 Abs. 1 GG aufgefangen. Dies kommt in dessen Kennzeichnung als Reservekompetenz zum Ausdruck. Das sachlich Neuartige wird damit den Ländern zugewiesen. 23 Vgl. Müller / Pieroth / Rottmann, Strafverfolgung und Rundfunkfreiheit, S. 51 f., am Beispiel des Zeugnisverweigerungsrechts von Rundfunkangehörigen auf S. 53 – 55. 24 Zur Verfassungsauslegung Häberle, Zeit und Verfassung, in: Verfassung als öffentlicher Prozeß, S. 59 ff.; ders., Verfassungsinterpretation und Verfassunggebung, ebenda, S. 182 ff. 25 „Dynamik“ hat das Gericht bisher nur im Bereich der Organkompetenzen bemüht, s. BVerfGE 49, 89 (137) – Kalkar I. 26 Vgl. Maibach, Ungeschriebene Gesetzgebungskompetenzen und das Bonner Grundgesetz, S. 61.

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C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz

Gemäß Art. 72 Abs. 2 GG hat der Bund bei den Katalogkompetenzen des Art. 74 GG das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Die konditionale Konjunktion „wenn“ ist durchaus auch temporal zu verstehen. Auch wenn zur Zeit noch kein solches Bedürfnis existiert, kann es die Zukunft doch bringen. Auf diese Weise wird die Dynamik in der Entwicklung der Sachbereiche zwischen Bund und Ländern verteilt. Die entsprechenden Materien gehören nicht zufällig oft in den Bereich von Umwelt und Technik, in denen die Entwicklung besonders rasant ist. Dynamische Auslegung kann als Auslegung nicht über den Wortlaut hinausgehen.27 Umgekehrt muß ihre Ablehnung nicht zu einer Versteinerung der Kompetenzauslegung führen, wie sie dem Österreichischen Verfassungsgerichtshof oder in den USA den Originalisten nachgesagt wird, die durch den Wandel der Zeiten am Willen des Verfassunggebers festhalten.28 Der Topos der dynamischen Auslegung wurde daher vom Bundesverfassungsgericht zu Recht nicht aufgegriffen. Wohl aber bekennt sich das Gericht nach der Lesart von Scholz zum Interpretationsaspekt der „effektuierenden Kompetenzauslegung“.29 Dies ähnelt einer extensiven Auslegung und betrifft de facto ausschließlich Bundeskompetenzen. Soweit mit „effektuierend“ dieselbe Art und Weise der Auslegung gemeint sein sollte, die mit dem Postulat effektuierender Grundrechtsauslegung bezeichnet wurde,30 kann auf die hiergegen erhobenen Einwände verwiesen werden: So können Normen verschieden große Anwendungsbereiche haben; das Argument, sie liefen bei Annahme eines geringen Anwendungsbereichs leer, wird diesem Umstand nicht gerecht. Gerade die Bundestitel variieren zwischen punktuellen Wirklichkeitsausschnitten und solchen, die eine große Bandbreite des Lebens erfassen. Die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 a GG) und das Recht der Wirtschaft (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) mögen diesen Gegensatz belegen. Punktuelle Kompetenzen dürfen nicht vermittels effektuierender Auslegung entgrenzt werden. Der Unterschied zu breit konzipierten Kompetenzmaterien muß gewahrt bleiben. Eine nur effektuierende Auslegung ist für solche Proportionen blind und würde alle Titel über einen Leisten schlagen. Die Einordnung der Figuren von Sachzusammenhang und Annex als Ausprägungen effizienter Auslegung von Kompetenznormen31 begegnet denselben Bedenken. von Arnauld, Rechtstheorie 32 (2001), S. 465 f. Für Österreich vgl. Walter / Mayer, Grundriß des österreichischen Verfassungsrechts, Rn. 133 und 296. 29 Scholz, in: Festgabe 25 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. 2, S. 252 (269), mit Hinweis auf BVerfGE 8, 174 (177); 11, 192 (199); 22, 180 (203). 30 In ihr sieht Stettner, Grundfragen, S. 407, den Ursprung der effektuierenden Auslegung. 31 Bei Stettner, Grundfragen, S. 407 f. 27 28

I. Die Auslegung der Gesetzgebungskompetenzen

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Mit „effektuierend“ könnte auch eine Auslegung etikettiert werden, die die realen oder wahrscheinlichen Folgen der Gesetzgebung in die kompetentielle Qualifikation einbezieht. Scholz nennt dies „funktionale Qualifikation“.32 Eine solche Auslegung ist jedoch unzulässig. Die kompetentielle Qualifikation eines Gesetzes hat den regelnden Bezug dieses Gesetzes zu den Kompetenzmaterien aufzudecken. Faktische Auswirkungen sind dabei irrelevant. Gesetzgebungskompetenzen ermächtigen zur Regelung über Kompetenzmaterien. Daher ist die Regelung und nicht deren Auswirkung auf eine Materie Kriterium der kompetentiellen Qualifikation. Zu beachten ist, daß das Spektrum von Regelungsmodi – von Geboten, Verboten, Ermächtigungen bis zu Empfehlungen – weit reicht. Diese Regelungswirkungen müssen beachtet werden. Nicht kompetenzrelevant ist dagegen, ob faktische Auswirkungen derartigen Regelungen gleichwertig sind, etwa weil die faktische staatliche Einflußnahme einen Grundrechtseingriff darstellt. Die Dogmatik des modernen Eingriffsbegriffs hat keine Bedeutung für die kompetentielle Qualifikation.

3. Strikte Auslegung Leitlinie für die Auslegung der Gesetzgebungskompetenzen ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts eine sogenannte strikte Auslegung. Deren Notwendigkeit leitet das Gericht aus Art. 70 GG ab. Weite bzw. extensive Auslegung dient dazu, Lücken zu schließen, die aufgrund von Art. 70 GG gar nicht existieren. Striktheit steht im Gegensatz zu Dynamik, Effizienz und Flexibilität. Doch hat das Bundesverfassungsgericht daraus nicht die generelle Unzulässigkeit einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs abgeleitet. Die Striktheit bleibt eine Leerformel, wenn sie nur den vorzeitigen Abbruch der Auslegung ohne Erschöpfung des möglichen Sinns rechtfertigen soll.33 Am wahrscheinlichsten nimmt das Kriterium die „enge Auslegung“ in Bezug, wie sie der alte Rechtssatz „singularia non sunt extendenda“ umschreibt. Allerdings setzt er voraus, daß Landes- und Bundeskompetenzen im Regel-AusnahmeVerhältnis zueinander stehen. Weiter ist fraglich, ob das Gebot einen über ein Analogieverbot hinausgehenden Gehalt besitzt. Schließlich bedarf der singularia-Satz selbst der Auslegung und Anwendung. Er ist, sei er nun kodifiziert oder ungeschriebene Auslegungsregel, keineswegs immun gegen eine teleologische Reduktion.34 Das Bundesverfassungsgericht mißachtet die Regel selbst, wenn es der Sache nach eine weite Auslegung der Kompetenztitel praktiziert.35 Es hat in Reak32 Scholz, in: Festgabe 25 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. 2, S. 252 (261 ff.); vgl. auch Stettner, Grundfragen, S. 420. 33 Kritisch zur Ergiebigkeit dieses Auslegungskriteriums auch Lerche, in: Festschrift Maurer, S. 205 (211 f.). 34 Muscheler, in: Festschrift Kruse, S. 135 (154 ff.). 35 Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 78, bes. in Fn. 118.

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C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz

tion auf die Kritik Rincks eine Abkehr von dem Begriffspaar enger und weiter Auslegung vollzogen und sich zu dem „Gebot sachgemäßer und funktionsgerechter Auslegung“36 bekannt. Eine Auslegungsregel mit dem Inhalt, Bundeskompetenzen seien stets eng auszulegen, kann dem Art. 70 GG nicht entnommen werden. Maßgeblich ist alleine der jeweilige Sachbereich.37 Da die Sachbereiche von ganz unterschiedlichem Umfang sind, dürfte es schwierig werden, zwischen der engen Auslegung einer weit gefaßten Kompetenzmaterie und der engen Auslegung einer von vornherein eng zugeschnittenen Materie methodische Gemeinsamkeiten zu finden, die es rechtfertigen könnten, von einer insgesamt „engen Auslegung“ im Sinne einer Auslegungsmethode zu sprechen. Dies entspricht auch nicht immer dem Willen des Verfassunggebers. So sind etwa die sogenannten Komplexbegriffe (zum Beispiel „Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen“)38 Ausdruck des Bestrebens, dem Gesetzgeber einen weiten Bereich zur Regelung zugänglich zu machen.39

4. Historische Auslegung Das Bundesverfassungsgericht sieht zwischen den vier klassischen Interpretationselementen (grammatische, systematische, teleologische, historisch-genetische Auslegung) keine Rang- oder Reihenfolge. Sie sind nebeneinander anzuwenden und ergänzen einander. Keines von ihnen darf verabsolutiert werden.40 Versuche, eine solche Rangfolge zu konstruieren, leiden an willkürlichen Setzungen und unschlüssigen Voraussetzungen. Der Wortlaut der Norm soll allerdings die unübersteigbare Grenze der Auslegung bilden.41 Dies gilt erst recht im Bereich der Gesetzgebungskompetenzen, für den eine Analogie nur im Falle der Umsetzung von europäischen Gemeinschaftsrecht diskutiert wird. Damit wird der grammatischen Auslegung aber weder eine Vorrangstellung eingeräumt noch das „letzte Wort“ in der Auslegung zugebilligt. Die Feststellung trägt lediglich dem Umstand Rechnung, daß die Auslegung ihrem Gegenstand verpflichtet ist. Und das Material, das den Gegenstand ausmacht, ist der Wortlaut.42

BVerfGE 36, 193 (209). Kunig, in: von Münch / Kunig, GG III, Art. 70 Rn. 20. 38 Art. 74 Abs. 1 Nr. 6 GG. 39 Vgl. Lahm, Die ungeschriebenen Bundeszuständigkeiten nach der Staatsgrundordnung der Bundesrepublik Deutschland, S. 150. 40 BVerfGE 11, 126 (130); 35, 263 (278 f.); 50, 177 (194). Siehe auch Stern, Staatsrecht I, S. 126. Differenzierend zu der Frage, ob eine solche Rangfolge geboten ist, Müller / Christensen, Juristische Methodik, Bd. 1, Rn. 433 ff. 41 Kritisch Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze, S. 38 ff. 42 Zur hermeneutischen Verwandlung des Wortlauts vom Gegenstand zur Grenze der Auslegung siehe Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze, S. 17 ff. 36 37

I. Die Auslegung der Gesetzgebungskompetenzen

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Die Entstehungsgeschichte einer Norm, auf welche die genetische Auslegung zielt, wird vom Bundesverfassungsgericht in ihrer Bedeutung für die Auslegung der Verfassung relativiert. Die Ergebnisse genetischer Auslegung dürften nicht ausschlaggebend für das endgültige Auslegungsergebnis sein. Genetischen Argumenten kommt nur die Aufgabe zu, die bereits mittels der anderen Auslegungselemente gefundenen Ergebnisse zu bestätigen. Daraus spricht verfassungsgerichtliches Mißtrauen gegenüber dem sich selbst kommentierenden Verfassunggeber. Wenn die Norm den Gegenstand der Auslegung bildet, darf nicht der Blick in die Gesetzesmaterialien und Motivsammlungen aufschlußreicher sein als die Analyse des Normtextes. Diese Idee wird zum Ausgangspunkt für die Entscheidung, den im Gesetz objektivierten „Willen“ des Gesetzgebers und nicht den Willen des Gesetzgebers als solchen zu erforschen.43 Das Bundesverfassungsgericht bevorzugt die objektiv-telelogische Auslegung sowohl des einfachen Gesetzes als auch der Verfassung.44 Eine nahezu entgegengesetzte Bedeutung mißt das Bundesverfassungsgericht der historisch-genetischen Argumentation im Rahmen der Auslegung der Kompetenzen, insbesondere der Gesetzgebungskompetenzen, bei.45 Diese vermag das Auslegungsergebnis selbständig zu tragen und bedarf nicht noch der Ergänzung um weitere Erwägungen. Die Materien der Kompetenztitel und die Kompetenznormen seien stark von der Tradition geprägt, „. . . [D]em Merkmal des ,Traditionellen‘ oder ,Herkömmlichen‘ kommt dabei eine wesentliche Bedeutung zu [ . . . ]. Entstehungsgeschichte und Staatspraxis gewinnen deshalb für die Auslegung besonderes Gewicht.“46 Die Kontinuität der Auslegung wird zum Interpretationsprinzip.47 Einer solchen Kontinuität bedarf das Staatsorganisationsrecht in besonderer Weise.48 Dabei bleiben genetische Argumente noch immer von untergeordneter Bedeutung. Nur die historische Auslegung spielt eine herausragende Rolle. Genetische und historische Auslegung fließen ineinander, wenn eine Kompetenznorm der Weimarer Verfassung wortgleich vom Grundgesetz adaptiert wurde. Bei einem derartigen Vorgehen droht aus zwei Richtungen Gefahr. Zum einen wird für die Auslegung der vorgrundgesetzlichen Kompetenzvorschrift das diese Kompetenz ausfüllende vorkonstitutionelle Gesetz herangezogen und dieses damit mittelbar zur Richtschnur für die Auslegung einer aktuellen Verfassungsnorm gemacht. Die „Gesetzmäßigkeit der Verfassung“ kehrt die auf der Verfassungsmäßig43 Vgl. Esser, Vorverständnis und Methodenwahl, S. 131 ff.; ablehnend zur Metapher vom „Willen des Gesetzes“ z. B. Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 718. 44 Siehe Müller / Christensen, Juristische Methodik, Bd. 1, Rn. 25 m. w. N. der Rspr. in Fn. 2. Vgl. die Kritik bei Schuppert, Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsinterpretation, S. 6. 45 Vgl. Blankenagel, Tradition und Verfassung, S. 126, Fn. 270. 46 BVerfGE 33, 125 (152 f.). 47 Vgl. Stettner, Grundfragen, S. 384. 48 Siehe allgemein A. Leisner, Kontinuität als Verfassungsprinzip.

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C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz

keit der Gesetze aufbauende Normenpyramide um.49 Zum anderen bleibt bei der Heranziehung des vorkonstitutionellen Gesetzes dessen verfassungsrechtliches und damit das rechtsgeschichtlich zu betrachtende Umfeld oftmals außer acht. So kann das in Bezug genommene Gesetz schon nach zeitgenössischer Auffassung verfassungswidrig gewesen sein. Ferner kann die frühere Kompetenznorm von der grundgesetzlichen geringfügig, aber doch bedeutsam abweichen, wie etwa bei Art. 7 Nr. 15 WRV, demzufolge das Reich die Gesetzgebung über „den Verkehr mit Nahrungs- und Genußmitteln sowie mit Gegenständen des täglichen Bedarfs“ hat, während Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG dem Bund die konkurrierende Gesetzgebung für „den Schutz beim Verkehr mit Lebens- und Genußmitteln, Bedarfsgegenständen . . .“ eröffnet. Darüber hinaus gebietet das Fehlen einer Verfassungsgerichtsbarkeit im Kaiserreich höchste Vorsicht, wenn man Reichsgesetze dieser Zeit zum Beleg eines kompetentiellen Traditionszusammenhangs heranzieht. Möglicherweise hätte ein Verfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit des entsprechenden Gesetzes festgestellt. Zieht man ein Gesetz aus der Zeit des Nationalsozialismus als historisches Argument heran, wäre eine vom Bundesverfassungsgericht vorzunehmende, eigenständige Subsumtion des Gesetzes unter den Kompetenztitel wünschenswert. Bei der Auslegung des Begriffs „Siedlungswesen“50 hat das Gericht einen unreflektierten Rückgriff auf das Reichsgesetz über einstweilige Maßnahmen zur Ordnung des deutschen Siedlungswesens vom 3. Juli 1934 in der Deutung durch die Verordnungspraxis des Reichsarbeitsministers vermieden und ist auf die Weimarer Reichsverfassung rekurriert.51 In der Entscheidung zum Staatshaftungsgesetz wird deutlich ausgesprochen, daß die Zeit des Nationalsozialismus keine Traditionsbildung im Bereich der Gesetzgebungskompetenzen gestiftet habe.52 Wer vom einfachgesetzlichen Traditionszusammenhang auf die Bedeutung eines Kompetenztitels schließen möchte, muß berücksichtigen, daß in der Weimarer Republik nach herrschender Auffassung stillschweigende Verfassungsänderungen zulässig waren.53 Eine Kennzeichnung der Verfassungsänderung durch den Gesetzgeber war nicht erforderlich.54 Sofern das Gesetz nur entsprechend Art. 76 WRV beschlossen wurde, erlangte es Verfassungsrang. 49 Vgl. W. Leisner, Von der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der Verfassung, passim; ders., JZ 1964, S. 201 ff.; Rengeling, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 100 Rn. 31 ff. 50 Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG. 51 Vgl. BVerfGE 3, 407 (417). 52 BVerfGE 61, 149 (197). 53 Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, Art. 76 Anm. 2; W. Jellinek, in: Anschütz / Thoma (Hrsg.), Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. 2, S. 188 (sogar „unbewußte“ Verfassungsdurchbrechungen seien zulässig); Gusy, Die Weimarer Reichsverfassung, S. 145 ff.; Holste, Der deutsche Bundesstaat im Wandel (1867 – 1933), S. 347 – 349. 54 Siehe RG, JW 1927, S. 2198.

I. Die Auslegung der Gesetzgebungskompetenzen

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Die Staatspraxis, die als authentische Auslegung durch den Rechtsanwender beschrieben werden kann, wird ebenfalls als ein Konkretisierungselement für die Auslegung der Kompetenznormen qualifiziert. Mit ihm werden die „Übungen und Gebräuche, Vorstellungen und Praktiken, die sich auf dem betreffenden Kompetenzsektor seit Erlaß des Grundgesetzes entwickelt haben“, in die Auslegung einbezogen.55 Zunächst ist festzuhalten, daß die Berücksichtigung der Staatspraxis ein verfassungswidriges Gesetz nicht verfassungsgemäß machen kann. Eine Staatspraxis contra constitutionem ist ihrerseits verfassungswidrig und kein zulässiges Auslegungskriterium. Was aber ist Staatspraxis überhaupt?56 Es handelt sich in erster Linie um die Auslegung und Anwendung der Kompetenzvorschriften durch dasjenige Staatsorgan, an das die Kompetenznorm adressiert ist, in derjenigen Handlungsform, zu der die Kompetenz ermächtigt. Damit wird die Parlamentsgesetzgebung (und im Bereich der Landesgesetzgebung auch die Volksgesetzgebung) zum Inhalt der Staatspraxis. Die Gesetzgebung ist als Verfahren wiederum umfangreicher als das an ihrem Ende stehende Produkt. Regierungsentwürfe, Bundestagsdebatten, Vermittlungsausschüsse liefern Material für das Selbstverständnis der an der Gesetzgebung beteiligten Organe. Allerdings steht die genetische bzw. subjektiv-teleologische Auslegung hinter der objektiv-teleologischen zurück. Das Bundesverfassungsgericht sieht im Gesetz den zu subsumierenden Kompetenzgegenstand. Dieser Vorrang objektiver Kriterien über subjektive würde umgangen werden, wenn über das Vehikel der Staatspraxis doch wieder diejenigen Erwägungen Eingang fänden, die zuvor der subjektiv-teleologischen Methode zugerechnet wurden. Soweit Organe des Staates die Gesetze anwenden, kann der Auslegung durch den Anwender sicherlich eine sinnfixierende Bedeutung für die „richtige“ Auslegung zukommen. Diese vollzieht sich über eine Selbstbindung der gesetzesanwendenden Behörde und ist über Art. 3 Abs. 1 GG und das Prinzip des Vertrauensschutzes verrechtlicht, so daß es unnötig ist, für dasselbe Ergebnis ein Auslegungsprinzip „Staatspraxis“ zu kreieren. Die genannten sinnstabilisierenden Funktionen materiellen Verfassungsrechts beschränken aber nur die Tätigkeit des Gesetzgebers – sie wirken nicht einengend auf den Kompetenztitel ein, sondern wirken als zusätzliche, negative Schranken für die Ausübung einer Kompetenz. Da sie nicht unbefristet wirken, ist der Gesetzgeber – mit Hilfe z. B. von Übergangsvorschriften – frei, den Kompetenztitel auch wieder in eine andere „Richtung“ auszulegen.

5. Systematische Auslegung Die Auslegung der Gesetzgebungskompetenzen wird stärker von systematischen Erwägungen beeinflußt als diejenige anderer Bereiche der Verfassung. Die KomStettner, Grundfragen, S. 394 f. Vgl. ausführlich Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 111 ff., im Zusammenhang mit Konkretisierungskompetenz. 55 56

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C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz

petenzordnung verlangt Formbindung und Formklarheit und damit formale und präzise Kriterien, die durch „Systematisierung“ gewonnen werden können. Anknüpfungspunkte für einen Systemzusammenhang, in den der einzelne Kompetenztitel gestellt ist, finden sich sowohl innerhalb des Komplexes der anderen Kompetenznormen als auch in der übrigen Verfassung. Zwei Umstände machen es allerdings schwer, überhaupt von einer Systematik der Regelung der Gesetzgebungskompetenzen im Grundgesetz zu sprechen. Erstens sind die Vorschriften über die gesamte Verfassung verteilt. Die Mehrzahl der Titel befindet sich in den Kompetenzkatalogen der Art. 73 ff. GG und Art. 105 ff. GG. Schon die Trennung dieser beiden Kataloge bereitet Schwierigkeiten. So war unklar, ob die Vorschrift des Art. 70 GG auch auf den Katalog der Art. 105 ff. GG anzuwenden ist. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Frage schließlich bejaht.57 Das zweite Hindernis für die Entwicklung einer Systematik ist die Inhomogenität der Katalogkompetenzen der Art. 73 ff. GG. Ihre Materien haben einen jeweils ganz unterschiedlichen Umfang und knüpfen an grundlegend verschiedene Gegebenheiten an. Einmal werden Rechtsgebiete in Bezug genommen, wie zum Beispiel das Bürgerliche Recht, das Strafrecht, das Vereins-, Versammlungs-, Waffen-, Wirtschafts-, Arbeits- oder Bodenrecht, dann wieder wird auf Lebensbereiche als solche rekurriert, wie bei der Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Ein- und Auswanderung. Viele Kompetenztitel werden durch einen rechtliche Organisation andeutenden Begriff gekennzeichnet, ohne daß ausdrücklich vom „Recht“ die Rede ist: Die Einheit des Zoll- und Handelsgebiets, die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen, die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Stellung. Wieder andere Materien wurzeln begriffsnotwendig im Recht bzw. im Staat, so daß ihre rechtliche Prägung keiner weiteren Erwähnung bedarf: Beispielsweise das Personenstandswesen, die öffentliche Fürsorge oder die Staatsangehörigkeit im Bunde. Das Spektrum reicht von Materien, die lediglich punktuell sind und mit einem schmalen Gesetzeswerk ausgeschöpft werden können (zum Beispiel der Statistik für Bundeszwecke), bis zu derart weitläufigen Kompetenzgegenständen (wie dem Recht der Wirtschaft), daß diese nach Ansicht einiger Autoren „subkonstitutionelle Verfassungen“ (wie die Wirtschaftsverfassung) beheimaten sollen. Traditionelle Zentralkompetenzen stehen neben solchen, deren Entdeckung und Zuordnung an den Bundesgesetzgeber dem technischen Fortschritt (Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG) oder einem veränderten Zeitgeist und sich entwickelndem Problembewußtsein in Gesellschaft und Politik (Abfallbeseitigung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG durch Gesetz vom 12. April 1972 eingeführt) geschuldet sind. Mancher Titel ist anlaßbezogen entstanden und sollte ein Gesetz abdecken, das in seinen Umrissen schon feststand (wiederum die Abfallbeseitigung, das Abfallgesetz stammt vom 7. Juni 1972). Der Titel der Staatshaftung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 25 GG) wurde als Lehre aus dem vor dem Bundesverfassungsgericht gescheiterten58 Staatshaftungsgesetz59 ge57 58

BVerfGE 16, 64 (78 f.). BVerfGE 61, 149 (151).

I. Die Auslegung der Gesetzgebungskompetenzen

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schaffen, ohne daß seither von ihm Gebrauch gemacht worden ist. Die Schaffung eines Titels zur nachträglichen Rechtfertigung eines bereits in Kraft getretenen Gesetzes, das noch nicht vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt wurde, ist bislang noch nicht vorgekommen. Für eine Systembildung im Bereich der Gesetzgebungskompetenzen ist bedeutsam, daß sie in der Regel in Katalogen aufgeführt werden. Die außerkatalogmäßigen punktuellen Gesetzgebungskompetenzen sind über das gesamte Grundgesetz verstreut.60 Ihre Herausnahme aus den Katalogen der Art. 73 ff. GG und Art. 105 ff. GG kann unterschiedliche Gründe haben. So kann der Verfassunggeber bzw. der verfassungsändernde Gesetzgeber die Kompetenz als besonders wichtig angesehen und sie daher genauer als nur substantivisch beschrieben haben; oder die Nähe zu dem in der Verfassung geregelten Sachbereich gab den Ausschlag; oder die Kompetenz betrifft – wie etwa beim Verteidigungsfall – eine Sondersituation. Bis auf wenige Ausnahmen normiert das Grundgesetz punktuelle Gesetzgebungskompetenzen zugunsten des Bundes. Sie haben oft große Nähe zu Gesetzgebungsaufträgen oder ähneln einem Regelungsvorbehalt zur legislativen Konkretisierung. Die Kompetenzvorschriften der Art. 73 ff. GG enthalten dagegen keine Aufträge an den Gesetzgeber. Eine Gesetzgebungspflicht ergibt sich höchstens im Einzelfall aus anderen Verfassungsbestimmungen wie den Grundrechten. Die Gesetzgebungskompetenzen werden in mehrere Kategorien aufgeschlüsselt, je nach der Art des Zugriffsrechts von Bund und Ländern. Der Bund verfügt über ausschließliche Kompetenzen (zum Beispiel Art. 73 GG), auf die die Länder unter keinen Umständen Zugriff haben. Umgekehrt sind all diejenigen Kompetenzen des Landesgesetzgebers ausschließlich, die das Grundgesetz dem Bund unter keinem Gesichtspunkt, also auch nicht aus der Natur der Sache oder kraft Sachzusammenhangs, zuweist. Das ergibt sich aus Art. 70 Abs. 1 GG. Diese Ausschließlichkeit schützt die Länder nicht vor einem Übergriff des Bundesgesetzgebers kraft einer Kompetenz, die vermittels Sachzusammenhangs oder Annexes ermittelt wird. Auch der Landesgesetzgeber kann unter Ausnutzung der ihm zustehenden Kompetenz in eine der Materien des Art. 73 GG übergreifen, sofern die Voraussetzungen einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs oder Annexes vorliegen. Dasselbe gilt für die Kompetenzen des Bundes aus der Natur der Sache, die ebenfalls ausschließlich sind, aber auch Gegenstand eines derartigen Übergriffs sein können. Die konkurrierende Gesetzgebung unterscheidet sich von der ausschließlichen dadurch, daß der Bund oder die Länder zuständig sind. Gemäß Art. 72 Abs. 1 GG Vom 26. Juni 1981 (BGBl. I, S. 553). Z. B. Art. 21 Abs. 3, Art 23 Abs. 7, Art. 26 Abs. 2 S. 2, Art. 29 Abs. 2 S. 1, Art. 38 Abs. 2, Art. 41 Abs. 3, Art. 45 b S. 2, Art. 48 Abs. 3 S. 3, Art. 54 Abs. 7, Art. 95 Abs. 3 S. 2, Art. 96 Abs. 2 S. 3, Art. 98 Abs. 1, Art. 99, Art. 109 Abs. 3, Art. 110 Abs. 2 S. 1, Art. 112 S. 3, Art. 114 Abs. 2 S. 3, Art. 115 Abs. 1 S. 3 und Abs. 2, Art. 115 Abs. 3, Art 115 c Abs. 2, Art. 117 Abs. 2, Art. 118 S. 2, Art. 131 S. 1 und S. 2, Art. 134 Abs. 4, Art. 135 Abs. 6 S. 2, Art. 135 a, Art. 143 a Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 S. 3, Art. 143 b Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 S. 3 GG. 59 60

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C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz

haben im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Diese Zuständigkeit hat der Bund nach Art. 72 Abs. 2 GG nur, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Die Kompetenz wird damit von materiellen Erfordernissen abhängig gemacht. Als weitere Kategorie existieren die Rahmen- oder Grundsatzgesetzgebungskompetenzen der Art. 75, Art. 91 a Abs. 2, Art. 98 Abs. 3 S. 2, Art. 109 Abs. 3 GG. Sie stehen als solche nur dem Bund zu. Wenn ein Land eine Rahmenoder Grundsatzkompetenz hat, verfügt es auch über die Kompetenz zur Ausfüllung dieses Rahmens, so daß eine begriffliche Unterscheidung in diesem Fall unergiebig bleibt. Die systematische Auslegung setzt selten an der Kategorie der Gesetzgebung an, um aus ihr Folgerungen für die Auslegung einer bestimmten Kompetenznorm zu ziehen. Ein Beispiel ist die Vorschrift des Art. 98 Abs. 3 S. 2 GG, derzufolge der Bund Rahmenvorschriften über die Rechtsstellung der Richter in den Ländern erlassen kann. Aus dem Begriff „Rahmenvorschriften“ wird geschlossen, daß Art. 72 Abs. 2 GG auch für diese Kompetenz gilt, obwohl ein expliziter Verweis wie derjenige in Art. 75 Abs. 1 S. 1 GG fehlt.61 Die systematische Auslegung, indem sie auf die Kompetenzart Bezug nimmt, hilft hier, die Voraussetzungen festzulegen, unter denen eine Kompetenz in Anspruch genommen werden kann. Über die Reichweite der Kompetenzmaterie ist damit noch nichts ausgesagt. Bisweilen wird unter Rückgriff auf die Kompetenzarten versucht, zwischen Kompetenznormen Vorrangregeln, Spezialitätsverhältnisse oder Subsidiaritäten zu konstruieren. Spezialität wirkt sich darin aus, daß die speziellere Norm die generelle verdrängt (lex specialis derogat legi generali). Eine Norm ist spezieller als eine andere, wenn sie, ohne daß eine von beiden ranghöher ist, in ihrem Tatbestand „alle Merkmale der allgemeineren Norm und darüber hinaus noch mindestens ein zusätzliches Merkmal enthält“.62 Selbst wenn das zutrifft, führt dies nicht jedenfalls zur Verdrängung der allgemeineren Norm, wenn nur die Rechtsfolgen beider Normen miteinander zu vereinbaren sind. Es kommt dann darauf an, ob die Rechtsfolgen der spezielleren Norm diejenigen der allgemeineren Norm ergänzen oder verdrängen sollen.63 Dies wiederum ist durch Auslegung zu ermitteln. So ergibt sich die Spezialität aus dem Tatbestand, die Derogationswirkung aber aus dem Verhältnis der Rechtsfolgen beider Normen. So kann aus dem Charakter einer Rahmenkompetenz des Bundes weder deren Überlegenheit noch eine Subsidiarität im Verhältnis zu den Vollregelungskompetenzen des Bundes angenommen werden. Der Verweis auf eine Vermutung zugun61 62 63

Siehe Pestalozza, Grundgesetz, Art. 75 Rn. 112 und 126. Larenz / Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 88. Larenz / Canaris, ebenda.

I. Die Auslegung der Gesetzgebungskompetenzen

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sten der Länderkompetenz kann den Vorrang der Rahmenkompetenzen nicht rechtfertigen, da der für diese Vermutung angeführte Art. 70 Abs. 1 1. Hs. GG erst greift, wenn die Kompetenztitel des Bundes ausgelegt worden sind. Die Spezialität folgt aus einer – von der Kompetenzart unabhängigen – Einzelbetrachtung. Zum Beispiel ist Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GG in bezug auf das Privat- und Arbeitsrecht der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst nur deswegen spezieller als Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 12 GG,64 weil das Kriterium des öffentlichen Dienstes und nicht das Arbeitsrecht den Ausschlag bei der kompetentiellen Zuordnung gibt. Aus der Inhomogenität der Kompetenzmaterien hat das Bundesverfassungsgericht nicht den Schluß gezogen, daß jede systematische Argumentation wertlos ist. Vielmehr haben Rechtsprechung und Schrifttum verschiedenartige systematische Anknüpfungspunkte gefunden. Folgende systematische Erwägungen können bedeutsam sein: Die Wortgleichheit mit anderen Verfassungsnormen außerhalb der Kompetenznormen [a] und die Aufzählung von Materien innerhalb eines Bundestitels sowie die Gruppenbildung mehrerer in verschiedenen Titeln beheimateter Materien [b]. a) Wortidentität Der Wortlaut der Kompetenztitel stimmt bisweilen mit demjenigen anderer Verfassungsvorschriften überein. Art. 74 Abs. 1 Nr. 3 GG nennt das Versammlungsrecht und lehnt sich begrifflich an Art. 8 GG an, der von „sich versammeln“ und „Versammlungen“ spricht. Das Substantiv der Freizügigkeit erscheint sowohl in Art. 73 Nr. 3 GG als auch in Art. 11 Abs. 1 GG. Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG führt die Förderung der wissenschaftlichen Forschung an, während Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG die Garantie gibt, daß die Wissenschaft frei ist. Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG ordnet das „Recht der Enteignung“ zu, indes Art. 14 Abs. 3 GG die Voraussetzungen einer Enteignung regelt. Art. 74 Abs. 1 Nr. 15 GG legt die Kompetenz für die „Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft“ fest und knüpft damit an Art. 15 GG an. Art. 74 a Abs. 1 GG bezieht sich auf die Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen und bedient sich damit desselben Wortlauts wie Art. 33 Abs. 4 GG. Die Auslegung der kompetentiellen Begriffe kann sich grundsätzlich an derjenigen des materiellen Rechts orientieren. Da in den grundrechtlichen Begriffen noch weit mehr Wertungen mitschwingen und die Kompetenzen einem eher formalistischen Verteilungszweck unterworfen sind, wird eine Auslegung der Kompetenzbegriffe mit Hilfe der Grundrechtsbegriffe ergiebiger sein als der umgekehrte Fall. Verfehlt ist es hingegen, aus einer normativ verstandenen Einheit der Verfassung 64

Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 75 Rn. 189.

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C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz

heraus das Gebot identischer Auslegung abzuleiten.65 Grundrechtlicher Schutzbereich und Kompetenzmaterie sind nicht notwendig deckungsgleich. In der Regel hat der Schutzbereich eine größere Ausdehnung.

b) Gruppenbildung Daneben existieren auch Versuche einer Binnengliederung der Kompetenzen. Die einfachste Einteilung ist diejenige nach dem Gesetzgebungstyp. Doch wird nicht jedes „System der Gesetzgebungskompetenzen“ im Blick auf deren Auslegung entworfen. Vielfach stehen didaktische Vereinfachung und Übersichtlichkeit im Vordergrund. So bündelt Stern den Katalog der konkurrierenden, der Rahmenund der Grundsatzgesetzgebungszuständigkeiten des Bundes in die „Komplexe“ oder „Kompetenzgruppierungen“ von „Rechtswesen“, „Die Wirtschaft und ihre Ordnung“, „Das Arbeitsrecht und das Recht der sozialen Sicherheit“, „Das Seuchen- und Gesundheitswesen und der Schutz der Umwelt“, „Das Verkehrswesen“, „Die Kriegsfolgenbeseitigung“ und die „Kultus- und Wissenschaftspflege“.66 Es wäre irreführend, aus derartigen Einteilungen Anhaltspunkte für die Auslegung ziehen zu wollen. Die Systeme zur (didaktischen) Vermittlung der Gesetzgebungskompetenzen sind nicht das System der Gesetzgebungskompetenzen selbst. Die Gruppenbildung folgt in der Regel Oberbegriffen, die als solche nicht von einer Kompetenznorm genannt werden. Beispielsweise faßt Kunig Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 und Nr. 19 a GG unter dem Stichwort Gesundheitswesen zusammen und beteuert zugleich, daß damit nicht das gesamte Gesundheitswesen, sondern nur die aufgeführten Teilbereiche der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis unterworfen würden.67 Die Gruppenbildung kann zwar helfen, die ausgesparten Bereiche zu erkennen. Meist jedoch verleitet der gewählte Oberbegriff zu einer ausdehnenden Auslegung, die die explizit genannten Teilbereiche gerade um die ausgesparten Gebiete arrondieren würde. Auch der Sachzusammenhang kann nicht die Rückkopplung an einen ungeschriebenen Oberbegriff leisten. Dies hatte noch die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme für das Baurechtsgutachten des Bundesverfassungsgerichts vertreten: Das Baurecht als Gesamtmaterie folge, wenn es sich nicht schon aus den einzelnen Materien des Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG ergebe, aus der Gesamtheit mehrerer solcher Materien unter Heranziehung des „korrigierenden Gesichtspunkts des Sachzusammenhangs“.68 Korrekturbedürftig erschien der Bundesregierung die Vereinzelung der Materien. Indes sind Formulierungsweise und Regelungstechnik des Grundgesetzes und nicht etwa von einem Verfassungsinter65 Kritisch F. Müller, Die Einheit der Verfassung, S. 92 ff. Gegen die Rechtseinheit als Element der Konkretisierung von Kompetenzbestimmungen Rottmann, DVBl. 1974, S. 407 (410). 66 Stern, Staatsrecht II, S. 604 ff. 67 von Münch / Kunig, GG III, Art. 74 Rn. 89. Z. B. fehle das Arztrecht. 68 BVerfGE 3, 407 (412 f.).

I. Die Auslegung der Gesetzgebungskompetenzen

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preten gebildete Oberbegriffe Ausgangspunkt für die Auslegung. Dem steht insbesondere das Enumerationsprinzip des Art. 70 Abs. 1 GG entgegen. Fraglich ist alleine, wann das Grundgesetz dem Bund eine Gesetzgebungsbefugnis verleiht. Bei Aufzählungen ergeben sich mehrere Möglichkeiten: 1. Die einzelnen unter einer Ziffer aufgezählten Bereiche können als Regelbeispiele aufgefaßt werden. Dann bedarf es in der Tat eines Oberbegriffs, denn es muß feststehen, für welche „Regel“ die Bereiche Beispiele sein sollen. 2. Die Zusammenfassung mehrerer Bereiche unter einer Ziffer verfolgt keinen anderen Zweck, als die Auffindung des einschlägigen Kompetenzbereichs zu erleichtern. Aus ihr können sich Aspekte für eine die Grenzen des einzelnen Teilbereichs präzisierende Auslegung ebenso ergeben wie für eine inhaltliche Auslegung einzelner Begriffe. Das Nebeneinander der einzelnen Sachgebiete ist so auszulegen, daß diese sich nicht überschneiden.69 3. Die Bereiche innerhalb einer Ziffer sind zu unterscheiden. Aus einem Oberbegriff dürfen keine neuen, gleichberechtigt neben den genannten stehenden Teilbereiche deduziert werden. Allerdings kann der den einzelnen Teilgebieten gemeinsame Nenner zur teleologischen Auslegung herangezogen werden und damit auch eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs rechtfertigen. Mit seinem Baurechtsgutachten hat das Bundesverfassungsgericht die erste Möglichkeit verworfen. Aus dem Nebeneinander der Sachgebiete Grundstücksverkehr, Bodenrecht, Pacht-, Wohnungs-, Siedlungs- und Heimstättenwesen folge nicht die Kompetenz für die Materie des gesamten Baurechts: „Das Grundgesetz hat in Art. 74 Nr. 18 neben der Materie Bodenrecht eine Reihe von anderen Materien gesetzt. Wären diese anderen Materien als Ausdeutung des Bodenrechts oder als Beispiele gedacht, so müßte dies in der Wortfassung der Bestimmung zum Ausdruck kommen, so wie etwa Art. 74 Nr. 11 GG das Recht der Wirtschaft oder Nr. 12 das Arbeitsrecht durch Hinweis auf einzelne Bestandteile dieser Materie erläutert.“70 Zum Bodenrecht gehöre demnach von vornherein nicht das Recht der anderen Teilgebiete der Nr. 18.71 Die Aneinanderreihung schärft die Konturen jedes einzelnen Teilgebiets. Der Begriff Teilgebiet ist überhaupt nur so zu verstehen, daß es sich um ein Sachgebiet von mehreren in einer Ziffer aufgeführten handelt, zwischen denen ein mehr oder weniger starker gemeinsamer Sachbezug besteht. Diese Aussage läßt sich auf andere Titel übertragen: Aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 und / oder Nr. 24 GG folgt keine Kompetenz für den allgemeinen Umweltschutz; aus Nr. 19 und Nr. 19 a ergibt sich keine Kompetenz für den gesamten Gesundheitsschutz. Hingegen deutet die Formulierung anderer Kompetenztitel explizit auf die Verwendung von Regelbeispielen hin: Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG nennt „das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der ArbeitslosenSo etwa Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1344 zu Abs. 1 Nr. 19. BVerfGE 3, 407 (413). Zu den in demselben Gutachten formulierten Voraussetzungen einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs siehe unten D. I. 2. 71 Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1226. 69 70

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C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz

versicherung“. Die eingeschlossenen Teilgebiete sind nur beispielhaft und werden wegen ihrer besonderen Bedeutung hervorgehoben.72 Anders ist Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG angelegt. Er erstreckt die Gesetzgebungskompetenz auf „das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen)“. Durch die Stellung vor der Klammer erhält das Recht der Wirtschaft, genauer: „Wirtschaft“73 die Funktion eines Oberbegriffs. Ob die in den Klammern enthaltenen Teilgebiete Regelbeispiele für diesen Oberbegriff darstellen oder abschließend zu verstehen sind, hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach offengelassen.74 Wegen der Abweichung zu Nr. 12, der sich der das Beispielhafte verdeutlichenden Adverbiale „einschließlich“ bedient, ist von einer abschließenden Aufzählung auszugehen.75 Das Nebeneinander der Sachgebiete innerhalb einer Ziffer drückt eine gewisse Nähe aus, die diese Gebiete gegenüber den separat aufgeführten Materien gemeinsam haben. Das schließt es nicht aus, daß diese durch Zusammenfassung verbundenen Teilgebiete vermittels Auslegung voneinander abgegrenzt werden müssen. Ihre Gemeinsamkeit kann allerdings ebenso hilfreich für die Auslegung eines Teilgebietes sein, wenn dessen Verhältnis zu einer ganz anderen Materie zu ermitteln ist. Es muß gefragt werden, ob dem Nebeneinander der Teilgebiete im Wege der systematisch-teleologischen Auslegung etwas für die Konturierung der einzelnen Teilgebiete entnommen werden kann. Deren Verbundenheit ist unterschiedlich intensiv. Sie kann besonders stark ausgeprägt sein, wenn ein Begriff seine thematische Einschränkung erst durch die Stellung innerhalb der Aufzählung erhält: So beziehen sich die „Gerichtsverfassung“ und das „gerichtliche Verfahren“ in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG lediglich auf die vorgenannten materiellen Rechtsgebiete des Bürgerlichen Rechts und des Strafrechts;76 oder der Sinn von Wiedergutmachung ergibt sich für den unhistorischen Leser77 erst durch die Nachbarschaft zu den „Kriegsschäden“, nämlich als Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts. Die Verbindung kann auch schwächer sein wie bei Art. 73 Nr. 4 GG: Währungs-, Geld- und Münzwesen lassen sich ebenso wie Maße, Gewichte und Zeitbestimmung jeweils in eine Untergruppe zusammenfassen,78 ohne daß besondere Berührungspunkte zwischen beiden Gruppen bestehen. Allerdings wird mit dem gemeinsamen Nenner, der in der Regel den unter einer Ziffer versammelten Teilgebieten zu eigen ist, keine teleologische BezugsSiehe Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 813. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 523, weist darauf hin, daß der Klammerzusatz nicht das „Recht“, sondern die „Wirtschaft“ definieren soll. 74 Vgl. auch Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 74 Rn. 87; für eine Öffnung über die Klammerbegriffe hinaus z. B. Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 74 Rn. 37 m. w. N. in Fn. 194. 75 Str., wie hier Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 520 ff.; BVerwGE 75, 292 (297). 76 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 158. 77 Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 414 f. 78 Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 73 Rn. 221 ff. 72 73

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größe geschaffen, die nicht schon jedem einzelnen Teilsachgebiet eingeschrieben ist oder ihm wenigstens durch teleologisch-systematische Auslegung entnommen werden könnte. Insbesondere hat die Gemeinsamkeit verschiedener Teilsachgebiete keine Auswirkungen auf die Annahme einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs. Diese könnte ja als Hilfsmittel verstanden werden, um die Lücken zwischen den einzelnen Teilgebieten zu schließen oder den „gemeinsamen Nenner“ auf andere Gebiete zu erstrecken. Indessen stehen diese völlig gleichberechtigt nebeneinander, sofern sie parataktisch aufgezählt werden. Das gilt auch, wenn ein lebensweltlich sehr weit gefaßter Bereich wie die „Abfallbeseitigung“ neben einem verhältnismäßig kleineren und inhaltlich verwandten Gebiet wie der „Luftreinhaltung“ steht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG). Dadurch wird dem zuständigen Gesetzgeber nicht etwa der Übergriff auf die „Wasserreinhaltung“ oder ähnliches erleichtert. Wenn mehrere Teilgebiete wie in Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG eng verwandt sind, kann der Sachzusammenhang die Lücken nicht schließen. Das Gebot überschneidungsfreier Auslegung der Teilgebiete einer Ziffer soll nicht zu möglichst breiten gemeinsame Grenzlinien führen. Umgekehrt erfordert eine scharfe Abgrenzung auch nicht, die gemeinsamen Grenzen auf einen tangentialen Berührungspunkt zu minimieren. Die Gruppenbildung, die das Bundesverfassungsgericht angeblich bisweilen betreibt, wird von der Literatur der systematischen Auslegung zugeschlagen.79 Symptomatisch für diese zentripetale Auslegungsmethode sind Stettners Ausführungen zu „Querverbindungen, Zusammenfassungen und Gegenüberstellungen“. 80 Bei den von ihm aus der Rechtsprechung angeführten Beispielen bedient sich das Bundesverfassungsgericht der Gruppenbildung eher zur Gegensatzbildung, als daß es zu einer „Gruppenbildung mittels Gegensatzbildung“81 kommt. Die vergleichende Betrachtung mehrerer Titel mündet auch bei den von Scholz zitierten Entscheidungen zum „engen Zusammenhang“ von Sozialversicherung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) und Recht der Wirtschaft (Nr. 11) nicht in einer Gruppenbildung, sondern in der Feststellung, daß eine definitive Zuordnung des Gesetzes zu einem der beiden Kompetenztitel offenbleiben dürfe, da das Gesetz in beiden Fällen kompetenzgemäß ist.82 In der Sache hatte das Gericht in beiden Fällen über Regelungen des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes zu entscheiden. In BVerfGE 23, 12 erklärte das Gericht, daß Elemente des Risikoausgleichs zwischen den jeweils für die eigenen Mitglieder solidarisch für die Folgen von Berufsunfällen aufkommenden Berufsgenossenschaften noch nicht das Gebiet der traditionellen Unfallversicherung verlasSiehe Stettner, Grundfragen, S. 387. Stettner, Grundfragen, S. 387 – 389. 81 So aber Stettner, Grundfragen, S. 387, zum Eisenbahnkreuzungsurteil (BVerfGE 26, 338 [369 f. und 382 f.], wo das Gericht Art. 73 Nr. 6 GG und Art. 74 Abs. 1 Nr. 23 GG zusammenfasse). 82 BVerfGE 23, 12 (22); 36, 383 (392). 79 80

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sen. Die äußersten Grenzen würden durch die „wesentlichen Strukturelemente“ gezogen.83 Dabei sei es eine „unvermeidliche und immanente Auswirkung dieses Systems“, daß Unterstützungsaktionen für eine Berufsgenossenschaft dem ihr zugeordneten Wirtschaftszweig zugute kommen.84 Im Umkehrschluß kann den Ausführungen entnommen werden, daß Maßnahmen, die eine öffentliche Angelegenheit sind, „deren Lasten nur die Allgemeinheit treffen und die deshalb nur mit öffentlichen Mitteln durchgeführt werden“ dürfen, nicht mehr einem Titel für Versicherungsrecht unterfallen können. Das Beitragssystem ist wesentliches Strukturelement des Sozialversicherungsrechts. Da es sich weiterhin um ein Beitragssystem handelt und die Auswirkungen auf den jeweiligen Wirtschaftszweig unvermeidbar und systemimmanent seien, tendiert das Bundesverfassungsgericht jedenfalls unausgesprochen zu einer Zuordnung der Regelungen über den Risikoausgleich in der Unfallversicherung zum Titel „Sozialversicherungsrecht“. Die Nennung des Kompetenztitels „Recht der Wirtschaft“ erfolgt nur hilfsweise. Die Auswirkungen auf das Recht der Wirtschaft sind nicht stärker als bei einer auf einen anderen Titel ausgreifenden Kompetenz kraft Sachzusammenhangs. Ebenso wenig wie in einem solchen Fall kann daher hier von einer „Gruppenbildung“ die Rede sein. Wenn ein Gesetz wirklich beide Gebiete betrifft, so kann es eine regelnde Wirkung auf dem einen Gebiet haben, ohne daß es für die faktischen Aus- und Nebenwirkungen auf das andere Gebiet der Einschränkungen oder Vorgaben nach Art des Sachzusammenhangs bedürfte. Ein Gesetz könnte sich aber auch auf beide Materien gleichermaßen – ohne Schwerpunkt in einer von beiden – stützen. Nur wenn dieser Fall zwischen zwei Titeln verhältnismäßig häufig auftritt, kann eine Gruppenbildung im Blick auf die Kompetenzauslegung sinnvoll sein. Sie bezeichnet dann eine Nähe der Regelungsmaterien bzw. der Regelungen beider Materien, die beide Titel – im konkreten Fall der Subsumtion des einzelnen Gesetzes – zu einer „einheitlichen“ Kompetenzgrundlage werden läßt. Dieser Fall wird nur selten auftreten. Denn der aut-aut-Zwang der kompetentiellen Zuordnung im Bund-Länder-Verhältnis hat das Abgrenzungsinstrumentarium so verfeinert, daß dieses auch beim Verhältnis zweier Bundestitel nicht ausgeblendet werden kann, obwohl keine Bedenken gegen die Zulässigkeit eines solchen Vorgehens bestünden. In BVerfGE 1, 283 hat sich das Bundesverfassungsgericht mit der kompetentiellen Zuordnung der Ladenschlußregelung befaßt und dabei festgestellt: „Die Regelung des Ladenschlusses gehört nach Art. 74 Ziff. 11 und 12 GG zur konkurrierenden Gesetzgebung, da sie sowohl Recht des Handels als auch Recht des Arbeitsschutzes betrifft.“85 Das Gesetz habe nämlich nicht nur den Arbeitsschutz der Angestellten zum Ziel, sondern diene auch der Schaffung gesunder Wettbewerbsverhältnisse zwischen den Ladeninhabern, da einer übermäßigen Konkurrenz 83 84 85

BVerfGE 23, 12 (23), unter Hinweis auf BVerfGE 11, 105 (112). BVerfGE 23, 12 (23). BVerfGE 1, 283 (292).

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durch willkürliche Ladenöffnungszeiten gesteuert werden solle.86 Wenn auch das zweite Regelungsziel grundrechtlich zumindest fragwürdig ist, spielt dies doch keine Rolle für die kompetentielle Qualifikation. Nur wenn ein Regelungsziel einem Gesetz nicht eindeutig anzusehen ist, werden die Ziele und Interessen, die dem Gesetz unterstellt werden, grundrechts- bzw. verfassungskonform zu konstruieren sein.87 Um einen solchen Fall handelt es sich hier nicht. Vielmehr hat die Regelung zwei Seiten: Sie schützt einerseits die Angestellten durch die Festlegung von Ladenschlußzeiten und nimmt damit andererseits Einfluß auf den Handel und dessen Absatzmöglichkeiten. Dabei ist es für den Arbeitnehmerschutz irrelevant, ob das Gesetz so formuliert ist, daß es eine Arbeit der Angestellten zu bestimmten Zeiten verbietet, oder aber einen Stillstand der gesamten Ladentätigkeit gebietet. Der Arbeitnehmerschutz erfolgt jedesmal durch Einschränkung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Arbeitgebers. Der Gruppenbildung kann gleichsam durch die Hintertür wieder eine interpretatorische Funktion für die Konstruktion einer Bundeskompetenz kraft Sachzusammenhangs zukommen. So könnte man argumentieren, daß bei Inanspruchnahme einer „Doppelkompetenz“, das heißt zweier Bundestitel ohne einseitigen Schwerpunkt, also einer „Globalsteuerung“, der Übergriff in eine Ländermaterie leichter möglich sein müsse. Die kumulierte Kompetenz des Bundes könnte die Effekte auf Ländermaterien leichter „überwiegen“, als wenn von nur einer Bundesmaterie auf den Gesetzgebungsgegenstand der Länder ausgegriffen wird. Indes täuscht diese Sichtweise. Erstens wird die Ziehung einer Kompetenzgrenze nicht durch den Umfang des hinter der Grenze liegenden „Hinterlandes“ bestimmt. Zweitens kann die nicht eindeutige Zuordnung zwischen zwei Bundestiteln nicht schon eine Erleichterung des Übergriffs auf eine Ländermaterie rechtfertigen.

II. Kompetentielle Qualifikation Für die Fälle des Sachzusammenhangs bzw. Annexes hat das Bundesverfassungsgericht zahlreiche Formulierungen gefunden, die die Nähe der gesetzlichen Regelung zu einer Kompetenzmaterie ausdrücken. In Anlehnung an Bullinger wird der Sachzusammenhang in der vorliegenden Untersuchung weit verstanden, ohne daß damit eine (positive) Vorentscheidung über die Zulässigkeit jeder Form einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs verbunden sein soll. Vielfach gerät aus dem Blick, daß die Feststellung einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs untrennbar mit der Subsumtion unter die Kompetenznorm verbunden ist.88 Die Subsumtion BVerfGE 1, 283 (297). Das ist Ausfluß des Gebots verfassungskonformer Auslegung und nicht eines zweifelhaften Prinzips, daß ein Gesetz die Vermutung seiner Verfassungsmäßigkeit in sich trage. 88 Vgl. Stettner, Grundfragen, S. 412 ff. und 423 ff., der beides künstlich trennt. Deutlich Pestalozza, DÖV 1972, S. 181. Die Kommentarliteratur trennt in der Regel beide Komplexe, vgl. z. B. Rozek, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 70 Rn. 44 ff. und Rn. 52; er 86 87

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C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz

des Gesetzes unter den verfassungsrechtlichen Kompetenztitel wird auch als kompetentielle oder kompetenzrechtliche Qualifikation oder Zuordnung bezeichnet.89 Für diese ist das „Hin- und Herwenden des Blicks“ charakteristisch. Diese ist Merkmal jeder Subsumtion. Subsumtion setzt die Interpretation der Norm, unter die subsumiert werden soll, voraus, ohne daß diese Interpretation je ganz abgeschlossen sein könnte, bevor die Subsumtion einsetzt.90 Das Gesetz ist der zu subsumierende Sachverhalt, und die Kompetenznorm liefert den Obersatz. Beide, Auslegung und Subsumtion, treffen sich bei der Feststellung von „Untersätzen“, das heißt Typisierungen, Fallgruppenbildungen, Kriterienkatalogen, die die Zuordnung vermitteln und erleichtern. Das bedeutet noch keine „Normprägung“ der Kompetenzen durch das einfache Gesetzesrecht,91 kommt dem aber sehr nahe.92 Die Normenhierarchie verbietet, daß eine niederrangige Norm eine höherrangige verbindlich interpretiert bzw. konkretisiert, wenn dies nicht die höherrangige Norm selbst anordnet oder zuläßt.93 Dieses Spannungsverhältnis ist unter leicht veränderten Vorzeichen aus der historisch-genetischen Auslegung der Gesetzgebungskompetenzen bekannt: Die Kompetenztitel sind zum Teil mit Blick auf die in dem jeweiligen Bereich bestehende Gesetzgebung formuliert oder sogar aus früheren Verfassungen übernommen worden. Es ist davon auszugehen, daß dieser Bestand an Gesetzen nach dem Willen des Verfassunggebers kompetenzgemäß sein sollte. Gleichwohl determiniert das Gesetz nicht die Verfassung,94 trotzdem können vorkonstitutionelle Gesetze wegen Kompetenzwidrigkeit verworfen werden95 und könnte ein Reichsgesetz, das bei seinem Erlaß etwa auf die Kompetenz für das Bürgerliche Recht gestützt worden ist, wegen einer anderen Auffassung des Bundesverfassungsgerichts96 als Landesrecht fortgelten. Dasselbe gilt für eine behauptete ausschließlistellt die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs / Annexes vor die Kriterien der kompetenzrechtlichen Zuordnung, obwohl die Voraussetzungen jener Kompetenzen sich nur aus diesen Kriterien ergeben können. 89 Siehe Rozek, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 70 Rn. 49. 90 Siehe aber auch Rozek, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 70 Rn. 49. 91 Dazu W. Leisner, Von der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der Verfassung. 92 Davor warnt Rozek, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 70 Rn. 49. 93 Die Frage des Anordnens oder Zulassens geht darauf aus, ob der Vorrang oder der Vorbehalt der Verfassung bzw. des Gesetzes gilt. 94 So auch für diesen Fall Rozek, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 70 Rn. 52, der nach entwicklungsoffeneren, jüngeren und älteren, vorkonstitutionellen und umfassend kodifizierten Materien differenziert. Das sind indes nur Anhaltspunkte für die Gewichtung der überkommenen Gesetzgebung als Indizien und Behelfe der Kompetenzinterpretation. 95 Das über die Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG bestehende Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts greift nicht. Die Verwaltung ist zur Anwendung vorkonstitutioneller Gesetze verpflichtet, selbst wenn sie diese für kompetenzwidrig hält, sofern man unter „Gesetz und Recht“ im Sinne von Art. 20 Abs. 3 GG auch vorkonstitutionelles Recht versteht (a. A. offenbar Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 27). Insofern ist ein Richtermonopol anzunehmen.

II. Kompetentielle Qualifikation

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che Kompetenz des Bundes für die von vorkonstitutionellem Recht geregelte Materie,97 wobei in Betracht zu ziehen ist, daß die Auslegung der Katalogkompetenzen des Art. 73 GG wegen ihrer großen Konstanz in besonderer Weise von Tradition geprägt ist.98 Die verfassungsübergreifende Identität des Kompetenztitels ist nicht gleichbedeutend mit einer Überleitungsbestimmung, die anordnet, daß das Reichsrecht insgesamt oder auch nur das Reichsrecht eines bestimmten Sachgebiets oder Gesetzgebungswerks als Bundesrecht fortgelten soll. Die Art. 124 und 125 GG leiten daher auch vorkonstitutionelles Recht über, das sich ante constitutionem auf mit den grundgesetzlichen Kompetenznormen gleichlautende Verfassungsbestimmungen stützt. Wie ist aber die „Sklerotisierung“ der Kompetenznorm wegen der Beachtlichkeit des einfachen Gesetzesrechts bei der Kompetenzermittlung zu verhindern? Eine Rezeption des einfachen Rechts in das Verfassungsrecht kann es nicht geben, wenn Rezeption bedeutet, daß das einfache Recht Verfassungsrang haben soll. Das zeigt sich schon daran, daß theoretisch ein Verfassungswandel zum Kompetenzwidrig-Werden einer Norm führen kann. Behauptet wird, zwar sei ein Hin- und Herwenden des Blicks erforderlich, gleichwohl müßten Subsumtion unter die Kompetenz und Interpretation der Kompetenz getrennt werden.99 Einer Norm wird zugeschrieben, daß alle ihre Anwendungsfälle von vornherein in ihr enthalten sind. Die Anhänger der Konkretisierungstheorien kritisieren daran, daß der bloße Nachvollzug eines präexistenten Normsinns eine unrealistische Prämisse darstelle.100 Dennoch muß daran festgehalten werden, daß die Geltung der Norm zumindest die Hypothese voraussetzt, die Norm erfasse a priori alle ihre Anwendungsfälle und diese seien durch Auslegung der Norm zu ermitteln. Die Eindeutigkeit des Auslegungsergebnisses kann hingegen nicht einmal als Arbeitshypothese vorausgesetzt werden. Wenn dennoch alle Gesetze a priori und idealerweise zuordnenbar sind – weil es keine Doppelkompetenzen gibt –, müssen die einschlägigen Kriterien für die kompetentielle Qualifikation der Kompetenznorm und nicht dem einfachen Gesetz entnommen werden. Durch das Hin- und Herwenden des Blicks ist die Gefahr eines Zirkelschlusses groß, doch unterscheidet sich die kompetentielle Qualifikation darin nicht von anderen Subsumtionsvorgängen. Die Bildung des Obersatzes und dessen Definition führen innerhalb einer gründlichen Überlegung nicht unmittelbar zur Subsumtion. Die Konkretisierung erfolgt vielmehr stufenweise. Der Obersatz wird konkretisiert, so daß die Subsumtion leichter fällt. Dem Moment, wo diese Bildung von Zwischen-Obersätzen abgebrochen und mit der Subsumtion begonnen wird, wohnt 96 Dessen Zuständigkeit für den Streit um die Fortgeltung von Recht als Bundesrecht folgt aus Art. 126 GG. 97 Vgl. Art. 124 GG. 98 Heintzen, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 73 Rn. 3. 99 Rozek, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 70 Rn. 49. 100 Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 53 ff.

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C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz

stets ein Stück Dezisionismus inne. Da die Kompetenzordnung davon ausgeht, daß jedes nicht mehr zerlegbare101 Gesetz eindeutig einer Kompetenz zugeordnet werden kann, sind auch Gesetze mit mehrfachen Regelungseffekten zuzuordnen. Dieser Subsumtionszwang kann bisweilen nur mit Hilfe von Annex und Sachzusammenhang erfüllt werden. 1. Kriterien Das Bundesverfassungsgericht hat die Kriterien Hauptzweck, unmittelbarer Zweck, unmittelbare Wirkung, Kern, eine über bloße Regelungswirkung hinausgehende Bearbeitung eines Gesetzgebungsthemas, das Spezifische oder das Spezielle einer Regelung für die kompetentielle Qualifikation herangezogen. Im Schrifttum finden sich der „primäre Normzweck“102 sowie die „primäre Subsumierbarkeit“.103 Daß es sich zumindest bei der nicht selbstverständlichen kompetentiellen Qualifikation um eine Spielart der Anwendung des Sachzusammenhangs handelt, macht Maunz deutlich, indem er vom „überwiegenden Sachzusammenhang“ spricht.104 a) Haupt- und Nebenzweck sowie unmittelbare Wirkung Bei der kompetentiellen Qualifikation eines einfachen Gesetzes stellt das Bundesverfassungsgericht unter anderem auf den Hauptzweck des Gesetzes ab.105 Der Nebenzweck ist für die Zuordnung zum Kompetenztitel irrelevant. Die Unterscheidung von Haupt- und Nebenzweck ist in der Literatur für die Steuerkompetenzen formuliert worden. Steuergesetze dürfen einen nicht-fiskalischen Nebenzweck verfolgen.106 Das Bundesverfassungsgericht hat die Unterscheidung ursprünglich auf diesen Bereich angewandt: Die Kompetenz des Landesgesetzgebers für die Schankerlaubnissteuer falle nicht weg, insofern sozialpolitische und gewerbepolizeiliche Nebenzwecke verfolgt werden.107 Denn umgekehrt sei ein Gesetz nur dann dem Sachtitel Gewerbe zuzuordnen, wenn es die Zulassung oder Ausübung eines Gewerbes unmittelbar regele. Das Kriterium des „unmittelbaren Zwecks“ unterscheidet sich nicht von demjenigen des Hauptzwecks.108 Das Bundesverfassungsgericht hat die Zuordnung eines Dazu unten C. II. 3. Rozek, in: von Mangoldt / Klein / Starck, Art. 70 Rn. 53. 103 Scholz, in: Festgabe Bundesverfassungsgericht, Bd. 2, S. 252 (266). 104 Maunz, in: ders. / Dürig, GG, Art. 74 Rn. 12. 105 BVerfGE 8, 104 (116 f.); 8, 143 (149 ff.); 13, 181 (196 f.); 13, 367 (371 f.); 26, 281 (298); 29, 402 (409); 34, 139 (144); 36, 193 (205). 106 Vgl. Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (183); ders., StuW 1972, S. 81 (86 f.); Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 86 ff.; 138 ff.; 160 ff. 107 BVerfGE 13, 181 (196 f.). 101 102

II. Kompetentielle Qualifikation

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Volksbefragungsgesetzes zur Materie der Statistik abgelehnt, weil das Gesetz unmittelbar auf einen politischen Zweck zielte.109 Statistik besitze dienenden Charakter. In der Entscheidung zum Konjunkturzuschlag hat das Gericht eine wirtschaftspolitische Zielsetzung – die Drosselung des privaten Verbrauchs – eines (zurückzuerstattenden) Zuschlags zur Einkommen- und Körperschaftssteuer für die kompetentielle Zuordnung zum „Recht der Wirtschaft“ ausreichen lassen. Dem „Recht der Wirtschaft“ ließen sich alle diejenigen Normen subsumieren, die das wirtschaftliche Leben und die wirtschaftliche Betätigung „als solche“ regeln. Es beschränke sich nicht auf Vorschriften, die die Erzeugung, Herstellung und Verteilung von Gütern des wirtschaftlichen Bedarfs betreffen.110 Das Kriterium des „unmittelbaren Zwecks“ kann durch dasjenige der „unmittelbaren Wirkung“111 ohne weiteres ersetzt werden. Die wechselnde Bezeichnung von „Zweck“ und „Wirkung“ ist Resultat der Unsicherheit, ob für die kompetentielle Qualifikation die gesetzliche Regelung oder ihr Gegenstandsbereich maßgeblich sind. Andererseits kommt im „Zweck“ eher eine subjektiv-teleologische Gesetzesauslegung, in der „Wirkung“ eine stärker objektiv-teleologische Akzentuierung zum Ausdruck. Die Regelung des strafprozessualen Zeugnisverweigerungsrechts von Presseangehörigen ist nicht dem Landespresserecht, sondern dem Strafprozeßrecht zuzuordnen. Das Bundesverfassungsgericht stellt zwar auf die „wesensmäßige und historische Zugehörigkeit“ des Regelungsgegenstands ab, wenn dieser Sachbezüge zu verschiedenen Kompetenzmaterien aufweist, konkretisiert dies aber dadurch, daß Vorschriften über die Befugnis zur Zeugnisverweigerung unmittelbare Wirkungen nur innerhalb des strafprozessualen Verfahrens äußern.112 Hier hätte das Gericht einfacher auf die Rechtsfolgenseite der zu subsumierenden Norm abstellen können. Tatbestandlich wird an die Pressezugehörigkeit angeknüpft, die Rechtsfolge betrifft das Strafprozeßrecht. Die Rechtsfolge betrifft zwar nicht nur den Strafprozeß, da sie eine Privilegierung der Pressearbeit bedeutet. Diese Wirkung ist aber durch die strafprozessuale Rechtsfolge vermittelt und insofern gegenüber der strafprozessualen Wirkung der Vorschrift nur mittelbar. Die Regelung einer Fehlbelegungsabgabe für öffentlich geförderte Sozialwohnungen fällt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts unter die Sachkompetenz für das Wohnungswesen.113 Die Abgabenregelung gestalte selbst den Bereich des Wohnungswesens und wirke unmittelbar auf den Abbau der Fehlbelegung So auch Rozek, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 70 Rn. 53. BVerfGE 8, 104 (116 f.); 8, 143 (150); 24, 300 (353); 26, 281 (298). 110 BVerfGE 29, 402 (409). 111 Vgl. BVerfGE 36, 314 (319); 78, 249 (266). 112 BVerfGE 36, 193 (205), im Anschluß an die Entscheidung zur Verjährung von Pressedelikten, BVerfGE 7, 29 (40). 113 BVerfGE 78, 249 (266), d. h. unter Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG. 108 109

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C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz

öffentlich geförderter Sozialwohnungen hin. So wie die Subventionierung des Wohnungswesens zugunsten sozial Bedürftiger zur Materie des Wohnungswesens gehöre, rechne die Abschöpfung zum Zwecke von deren Rückabwicklung ebenfalls zum Wohnungswesen. Beide stünden in einem unlösbaren sachlichen Zusammenhang. Der Begriff des Zwecks unterscheidet sich anscheinend von demjenigen der Wirkung durch größere Subjektivität. Der Nebenzweck erscheint als eine planvoll gewollte Steuerung oder vorsätzlich in Kauf genommene Wirkung. Diese Unterscheidung hat keine Grundlage in der Sache: Ob ein Gesetz einen Nebenzweck verfolgt, wird nicht an einem wie auch immer zu ermittelnden Willen oder Motiven des Gesetzgebers festgemacht, sondern ergibt sich aus den Aussagen und Wirkungen des Gesetzes. Aus ihnen folgt der objektivierte „Wille“ des Gesetzgebers. Darin ist uneingeschränkt der objektiv teleologischen Auslegung zu folgen. Für die Auslegung der Kompetenzen sowie der zu subsumierenden Gesetze wurde ein eigener Terminus vorgeschlagen: Funktionale Auslegung.114 Dieser soll die Gesetzeswirkung und die funktionalen Rechtsfolgen des Gesetzes einbeziehen. Das Bundesverfassungsgericht, so bemerkte Scholz im Jahr 1976, stellt in der Regel auf den Gesetzeszweck und selten auf die Gesetzeswirkung ab.115 Wenn in der Literatur bisweilen auf die Wirkungen oder Auswirkungen eines Gesetzes abgestellt wird, geschieht dies, um von den kompetenzirrelevanten (historischen) Motiven hinter der Gesetzgebung abzuschichten.116 Der Begriff des Zwecks wurde mit Bedacht zunächst nur auf die Steuerkompetenzen angewandt. Zunächst sind Zweck- und Lenkungssteuer zu unterscheiden. Das Aufkommen einer Zwecksteuer ist haushaltsrechtlich an die Verwendung für die Finanzierung einer bestimmten öffentlichen Aufgabe gebunden.117 Damit bewegt sich die Zwecksteuer an der Grenze des Steuerbegriffs. Doch die Zweckbindung des Aufkommens hindert nicht die verfassungsrechtlich begriffsnotwendige Zweckneutralität der Steuererhebung.118 Die Lenkungssteuer soll bereits mittels ihrer Erhebung eine Lenkungswirkung erzielen.119 Sie ist ein Instrument staatlicher Intervention. Dadurch erhält sie einen Sachbezug.120 Die Lenkungssteuer berührt zumindest den Bereich einer Sachkompetenz. Diese Einwirkung soll jedenScholz, in: Festgabe Bundesverfassungsgericht, Bd. 2, S. 252 (268). Zum Beispiel aber in BVerfGE 8, 260 (270). 116 So etwa Lerche, Fernsehabgabe und Bundeskompetenz, S. 33. 117 Jachmann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 105 Rn. 4 m. w. N. in Fn. 27. 118 BVerfGE 93, 319 (348); das dürfte auch dann zu bejahen sein, wenn das Steuergesetz nur für die Verwendung der Mittel zu einem bestimmten Zweck erlassen wird. Die Zweckneutralität der Steuererhebung ist Begriffsmerkmal der Steuer; sie ist daher durch Abgrenzung zur Zweckbindung bei der Erhebung der nicht-steuerlichen Abgabenarten definitorisch zu schärfen. 119 Zweck- und Lenkungssteuer können auch kumuliert auftreten. 120 Begriff bei Jachmann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 105 Rn. 4. 114 115

II. Kompetentielle Qualifikation

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falls so lange kompetenzirrelevant bleiben, wie sie bei objektiver Betrachtungsweise den Nebenzweck der Erzielung dauerhafter Einnahmen des Staates verfolgt.121 Der Nebenzweck ist so ein Mindesterfordernis, während die Nebenwirkung ein Maximum an hinnehmbarer Grenzüberschreitung beschreibt. Der Nebenzweck dauerhafter Einnahmeerzielung ist für die Einordnung als Steuer unentbehrlich. Darin besteht das kompetenzrechtliche Problem von Lenkungssteuern wie der Ökosteuer. Sie sind gleichsam auf die Vernichtung ihrer Bemessungsgrundlage angelegt. Damit wird die staatliche Intervention als solche noch nicht paradox und somit zur Erreichung ihres Ziels ungeeignet. Die Dauerhaftigkeit staatlicher Einnahmeerzielung ist erforderlich, um zu verhindern, daß die Steuererhebung zu einem kurzfristigen Interventionsinstrument umfunktioniert wird. Dann ist die Steuererhebung nicht einmal mehr Nebenzweck der Lenkungssteuer. Jedoch geht von nahezu jeder Steuer auf die Betroffenen die verhaltenssteuernde Wirkung aus, den Steuertatbestand zu vermeiden. Daher sollten graduelle Unterschiede, auch wenn sie bis zur erdrosselnden Steuer122 reichen, nicht die kompetentielle Qualifikation ändern, sondern höchstens die grundrechtliche Beurteilung.123 b) Formenmißbrauch Der Maßstab eines Formenmißbrauchs überschneidet sich häufig mit dem Kriterium des Nebenzwecks.124 Mit „Form“ ist die Handlungsform des Steuergesetzes gemeint, die mißbraucht wird, wenn sie ein Sachgesetz ersetzt. Das Bundesverwaltungsgericht forderte für eine Steuer, die ein Sachgesetz ersetzt, indem sie sich wie ein sachgesetzliches Verbot oder Gebot auswirkt, neben der Abgabenkompetenz die für ein entsprechendes Sachgesetz notwendige Kompetenz.125 Man könnte sagen, daß die Finanzierungsfunktion dann noch nicht einmal Nebenzweck des Steuergesetzes ist. Fraglich ist, ob die Grenze des Formenmißbrauchs zusätzliche Anforderungen stellt oder aber sich in derselben Aussage erschöpft. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer frühen Entscheidung im Mißbrauch der Steuerkompetenz keine eigene Kompetenzgrenze gesehen: „Hierbei muß der Hauptzweck freilich die Erzielung von Einnahmen für die öffentliche Hand sein. Das Land würde seine Befugnis zur Steuergesetzgebung mißbrauchen, wollte es von diesem Hauptzweck eines Steuergesetzes absehen und eine Regelung, die ihm nach den 121 So Jachmann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 105 Rn. 4; BVerwGE 96, 272 (277) – Kommunale Verpackungssteuer. 122 Vgl. BVerfGE 98, 106 (118); 38, 61 (81); 16, 147 (161). 123 Vgl. aber auch Trzaskalik, Verfolgung öffentlicher Zwecke durch Instrumente des Abgabenrechts, S. 34 f. 124 Zum Formenmißbrauch siehe z. B. BVerwGE 96, 272 (277 f.). 125 BVerwGE 96, 272 (288) – obwohl ein solches Gesetz mit erdrosselnder Wirkung laut BVerwG keine Steuer im Rechtssinn normieren würde (278). Dann läge aber statt Annahme eines Formenmißbrauchs die Ablehnung des Kompetenztatbestands näher.

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C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz

allgemeinen Kompetenzvorschriften versagt ist, in das Gewand eines Steuergesetzes kleiden. Daher darf es durch ein Steuergesetz das nach den allgemeinen Kompetenzvorschriften den Ländern entzogene Rechtsgebiet nur für einen Nebenzweck betreten.“126 Über diese Grundsätze hinausgehend werden nach überwiegender Ansicht Lenkungssteuern sogar für kompetenzgemäß erachtet, wenn die Erzielung dauerhafter Einnahmen lediglich Nebenzweck ist.127 c) Kern und Randbereich Wenn das Bundesverfassungsgericht auf den Kern abstellt,128 kommt es zu einer ähnlichen Gewichtung. So rechne das Spielbankenrecht zum Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Die wirtschaftlichen Aspekte des Spielbankenbetriebes bzw. seiner gesetzlich geregelten Zulassung würden nur Rand- und Folgeerscheinungen, nicht seinen Kern erfassen.129 Das Bundesverfassungsgericht lehnt eine Subsumtion unter das Recht der Wirtschaft ab.130 Die Zulassung von Spielbanken solle nur dem Schutz vor strafbarer Ausbeutung der natürlichen Spielleidenschaft dienen.131 Dieser Zweck stehe bei der Konzessionierung von Spielbanken so sehr im Vordergrund, daß es sich verbiete, den Spielbankbetrieb als wirtschaftlichen Vorgang zu verstehen. Das Gericht greift zum Beleg seiner These auf die Unterscheidung zwischen einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt und einem repressiven Verbot mit Dispensierungsvorbehalt zurück. Der Umstand, daß der Betrieb einer Spielbank als an sich unerwünschte Tätigkeit generell verboten bleibe und nur aus besonderen Gründen im Einzelfall zugelassen werde, soll unter Beweis stellen, daß der Zweck des Verbots und nicht die Folgen einer ausnahmsweise erteilten Erlaubnis die kompetentielle Zuordnung bestimmen. „Durch die Konzessionierung einer Spielbank wird also nicht eine Gelegenheit zu wirtschaftlicher Betätigung eröffnet. Sie wird vielmehr wesentlich und entscheidend bestimmt durch die öffentliche Aufgabe, das illegale Glücksspiel um Geld einzudämmen und dem nicht zu unterdrückenden Spieltrieb des Menschen staatlich überwachte Betätigungsmöglichkeiten zu verschaffen.“132 Nach der Logik dieser Entscheidung wäre die gesetzgeberische Verwandlung der Spielbankenkonzession in eine reine Kontrollerlaubnis ohne generelles Verbot wohl nicht mehr von der ordnungsrechtlichen Kompetenz des Spielbankenrechts gedeckt, sondern müßte dem Recht der Wirtschaft unterfallen. BVerfGE 14, 76 (99). BVerwGE 96, 272 (277). 128 BVerfGE 28, 119 (147). 129 BVerfGE 28, 119 (147). 130 Gegen eine Subsumtion unter diesen Oberbegriff, aber für eine unter die Klammerbegriffe Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 520 ff. 131 BVerfGE 28, 119 (147), mit Verweis auf die §§ 284 ff. StGB, wobei nicht deutlich wird, ob dies nur die Strafbarkeit belegen soll oder aber für den kompetentiellen Hauptzweck steht. 132 BVerfGE 28, 119 (147). 126 127

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Eher auf eine Abwägung ist das Abgrenzungskriterium des „Kerns“ in denjenigen Fällen gerichtet, in denen die Bundestreue bzw. Art. 79 Abs. 3 GG den Bundesgesetzgeber hindert, in das „Hausgut der Länder“133 überzugreifen. Da die Kompetenzausübungsschranke der Bundestreue in engem Zusammenhang zur Kompetenz kraft Sachzusammenhangs bzw. Annexes steht, kann hier eine Parallele zur kompetentiellen Qualifikation gezogen werden. Was die unmittelbare Anwendung des Art. 79 Abs. 3 GG als Maßstab einer Verfassungsänderung betrifft, gibt es einen Kernbereich unentziehbarer Aufgaben, eben das Hausgut der Länder. Jenseits dieses Kernbereichs existiert ein Bereich, der den Ländern nur entzogen werden darf, wenn ihnen an anderer Stelle Kompensation gewährt wird. Im Verhältnis von Bund und Ländern ist eine Balance der vertikalen Gewaltenteilung herzustellen.134 Dabei könnte der Entzug bestimmter Gesetzgebungskompetenzen auch durch Kompensation außerhalb der Zuweisung von Gesetzgebungskompetenzen erfolgen, beispielsweise durch die Erweiterung der von der Zustimmung des Bundesrates abhängigen Bundesgesetzgebung. Zur Abschichtung des mit dem Gesetz verfolgten Zwecks von den kompetentiell irrelevanten Auswirkungen hat das Bundesverfassungsgericht in einem Fall den Begriff des Reflexes benutzt. Das für Mitarbeiter einer Spielbank bestehende Verbot der Annahme von Trinkgeldern wirke sich auf die Arbeitsverhältnisse nur als Reflex aus.135 Für eine Zuordnung zum Arbeitsrecht ist das nicht ausreichend. Mithin bleibt es bei der Qualifikation als Spielbankenrecht. Inhaltsgleich136 mit Hauptzweck, unmittelbarem Zweck und Kern der Regelung ist das Kriterium des Spezifischen137 oder Speziellen138 des zuzuordnenden Gesetzes. So beinhaltet nach dem Baurechtsgutachten die Kompetenz für das Wohnungswesen139 einzelne spezifisch das Wohnungswesen berührende baupolizeiliche Vorschriften.140 Dies folgt daraus, daß die Ordnungsgewalt ein Annex des jeweiligen Sachgebiets ist und die Ordnungsgewalt die das Lebensgebiet betreffenden spezial-polizeilichen Vorschriften erfaßt.141 Da das Bauwesen nicht in Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG erwähnt wird, ergebe sich keine Kompetenz für jegliches Baupolizeirecht aus diesem Titel. In einer weiteren Entscheidung wird der spezielle Zusammenhang mit einer Kompetenzmaterie betont. So ermächtigt § 47 KWG die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung Kreditinstituten bei schwerwiegenden Gefahren für die Gesamt133 134 135 136 137 138 139 140 141

BVerfGE 34, 9 (20). Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 79 Rn. 130. BVerfGE 28, 119 (146 f.). Vgl. wiederum Rozek, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 70 Rn. 55. BVerfGE 3, 407 (433). BVerfGE 14, 197 (220). Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG. BVerfGE 3, 407 (433). BVerfGE 3, 407 (433).

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wirtschaft einen Aufschub für die Erfüllung von Steuerverbindlichkeiten zu gewähren.142 Gleichwohl sei § 47 KWG kein Bundesgesetz über Steuern im Sinne von Art. 105 Abs. 3 GG, da die Gründe für den im Einzelfall zu gewährenden Aufschub „nicht speziell die Steuererhebung“ beträfen. Das Gericht deutet nur an, daß es sich bei dieser Auslegung des Kompetenztatbestands von dem Zweck der Zustimmungsbedürftigkeit des Bundesgesetzes leiten läßt. Dieser liege darin, die Interessen der Länder im Blick auf die nach Art. 106 GG vorgesehene Aufteilung des Steueraufkommens zu sichern. Die Rechtsfolge – Zustimmungsbedürftigkeit nach Art. 105 Abs. 3 GG oder Zustimmungsfreiheit der Kompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG – wirkt auf die Tatbestandsauslegung ein. Obwohl es hier um einen Konflikt zwischen Steuer- und Sachkompetenz geht, trennt das Bundesverfassungsgericht beide mit dem Begriffsinstrumentarium des formelfreien Sachzusammenhangs. Der Begriff des „Gesetzes über Steuern“ dürfe nicht so weit ausgelegt werden, daß darunter auch die Ermächtigung der Bundesregierung falle, einem Kreditinstitut aus Gründen, die nicht speziell die Steuererhebung betreffen, ad hoc einen Aufschub fällig gewordener Steuerverbindlichkeiten zu gewähren.143 Großen Wert legt das Gericht neben der unspezifischen Beeinträchtigung der Steuererhebung auf die Merkmale „ad hoc“ und „Aufschub“. Die Ermächtigung für die Gewährung eines Erlasses wäre wohl nicht mehr von der Sachkompetenz gedeckt gewesen. Die Gesetzgebungskompetenz für eine ipso iure und in abstracto bestehende, nicht mehr durch Verwaltungs- oder Regierungsermessensentscheidung herbeizuführende Steuerbefreiung aus außerfiskalischen Motiven unterfällt ohnehin der Steuerkompetenz.

2. Gegenstand der Kompetenzauslegung Die Auslegung der Kompetenzvorschriften schafft die Grundlage, um das Gesetz zuordnen zu können. Gegenstand der Normauslegung ist die Norm. Das ist hier die Kompetenznorm. Diese gliedert sich in den Kompetenzbereich und die Rechtsfolge der Gesetzgebungsbefugnis. Der Kompetenzbereich bzw. die Kompetenzmaterie ist das Sachgebiet, das der Gesetzgeber bearbeiten kann, wobei das Sachgebiet auch ein Rechtsgebiet sein kann (z. B. Strafrecht, Arbeitsrecht, Recht der Enteignung). Das Sachgebiet bzw. der Sachbereich ist der Tatbestand der Kompetenznorm. Die Kompetenzmaterie ist Gegenstand der Auslegung. So ist für Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG zu fragen, was öffentliche Fürsorge ist. Die Frage richtet sich nicht etwa darauf, was ein Gesetz über öffentliche Fürsorge ist. Denn die Gesetzgebung gehört erst zur Rechtsfolge, nachdem der Tatbestand der Kompetenzmaterie ermittelt 142 Da die Vorschrift Steuerverbindlichkeiten nicht eigens erwähnt, wäre im Falle fehlender Kompetenz die Auslegung verfassungskonform zu beschränken. 143 BVerfGE 14, 197 (220).

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wurde. Allerdings kann bei der Suche nach der Definition der „öffentlichen Fürsorge“ nicht jedes staatliche Handeln unberücksichtigt bleiben. Das ergibt sich aus dem Umstand, daß bestimmte Fürsorgeleistungen nicht von Privaten erbracht werden oder erbracht werden können. Schon um sich das Sachgebiet vorstellen zu können, darf bei seiner Definition an verwaltungsmäßiges Handeln gedacht werden. Das Attribut „öffentlich“ gibt einen Hinweis. Zugleich grenzt es gegen die private Fürsorge ab. Bereiche, die aufgrund anderer Kompetenzen gestaltet werden, begrenzen die Gebiete. So ergibt sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG keine Kompetenz für die Gestaltung des Bauordnungsrechts. Es wäre aber zu kurz gegriffen, das Verhältnis etwa des Bodenrechts zum Bauordnungsrecht nur als Grenzbeziehung zu beschreiben. Beide Gebiete sind aufeinander angewiesen, um für die Normadressaten sinnvolle Regelungen zu schaffen. Teilweise wird aus dem Gebot der Bundestreue gefolgert, dem anderen Kompetenzinhaber dürfe die Ausübung seiner Kompetenzen nicht unmöglich gemacht werden. Da die Bundestreue eine Kompetenzausübungsschranke ist, setzt sie eine bestehende Kompetenz voraus. Indes ist schon bei der Kompetenzauslegung insbesondere darauf zu achten, daß nicht ganze Kompetenzmaterien der Länder dem Bund zugeschlagen werden. Das Polizei- und Ordnungsrecht ist eine Länderkompetenz, die den Ländern nicht vollständig entzogen werden darf, auch nicht in der Weise, daß sie gestückelt jeder Sachmaterie als Annex anhaftet und in der Summe den Ländern keine ordnungsrechtlichen Regelungsmöglichkeiten mehr verbleiben. Da die Materie, wie aus der Auslegung der Verfassung folgt, eine eigenständig Bedeutung hat, müssen die Länder eine Kompetenz für das Polizei- und Ordnungsrecht haben, die über das hinausgeht, was sich nach den bundesverfassungsgerichtlichen Regeln als Annex ihrer sonstigen Sachkompetenzen ergäbe. Die Frage, ob einzelne Regelungen, welche die ausgestaltende Regelung eines anderen Kompetenzgebiets unmöglich machen, schon kompetenzwidrig sind und nicht erst als Verstoß gegen das Gebot bundes- bzw. länderfreundlichen Verhaltens eingestuft werden sollten, ist differenziert zu beantworten. Wenn zum Beispiel das Bauordnungsrecht keinen Spielraum für das Bauplanungsrecht mehr ließe, weil die ordnungsrechtlichen Anforderungen unrealistisch überspannt wären, so daß das Instrumentarium des Bauplanungsrechts leer liefe, würden entsprechende bauordnungsrechtliche Vorschriften bereits an den Grundrechten scheitern. Der Anspruch zu bauen ist, sofern er in schonender Weise gegenüber den anderen Grundrechtsträgern wie den Nachbarn verwirklicht werden kann, grundrechtlich im Eigentumsrecht fundiert. Regelungen, die das eigene Kompetenzgebiet durch überzogene Verbote oder Gebote nahezu sperren und damit benachbarte fremde Kompetenzen ebenso lahmlegen, werden in der Regel ungerechtfertigte Grundrechtseingriffe darstellen. Sie sind dann ebenso nichtig wie bei einer Überschreitung der Gesetzgebungskompetenz. Die Bundestreue würde lediglich einen materiellrechtlichen Transmissionsriemen hergeben, so daß auch das Land die Beachtung der Grundrechte vom Bund und umgekehrt einfordern kann. Dieses Kunstgriffs bedarf

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C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz

es indes nicht, da Bundesregierung, Landesregierung und Bundestag beim Bundesverfassungsgericht eine abstrakte Normenkontrolle nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG beantragen können, ohne in eigenen Rechten betroffen zu sein. Anders verhält es sich mit Regelungen oder Gesetzen, die in den staatsorganisatorischen Bereich des anderen Hoheitsträgers eingreifen. Das Musterbeispiel ist die Polizeipflichtigkeit von Hoheitsträgern. Unterliegt eine Bundesbehörde dem Ordnungsrecht der Länder in derselben Weise wie ein Bürger? Die Ansicht herrscht vor, daß das Ordnungsrecht keinen Einfluß auf die Aufgabenerfüllung der Bundesbehörde haben soll. Begründet wird dieses Ergebnis wiederum mit dem Gebot der Bundestreue. Der Landesgesetzgeber und die das Landesgesetz anwendenden Behörden müßten die Eingriffsermächtigungen so auslegen, daß Rücksicht auf die Kompetenzen des anderen Hoheitsträgers genommen wird. Gleichwohl ergibt sich der von einem Gesetz betroffene Lebensbereich, der in einer Kompetenzmaterie wiederentdeckt werden muß, aus dem jeweiligen Gesetz. So stellt sich die Frage, mit Hilfe welcher methodischen Schritte der vom Gesetz bearbeitete Gegenstand ermittelt werden soll. Maßgeblich ist der Gegenstand, auf den das Gesetz regelnd einwirkt, nicht aber derjenige, auf den es sich lediglich nicht-regelnd auswirkt.144 Der Gegenstand, auf den sich das Gesetz erstreckt, muß durch Auslegung des Gesetzes gefunden werden. Durch das Zusammenwirken verschiedener Gesetze, Spezialitätsverhältnisse und ergänzende Vorschriften sowie durch die Gesetzesanwendung könnten sich Wirkungen einstellen, die dem Gesetz zugerechnet werden müssen, aber nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. Ferner ist nach der hier vertretenen Auffassung das Motiv einer Regelung unbeachtlich, wenn die Kompetenz modal (so das Steuer- und Strafrecht) formuliert ist oder wenn zwei (nicht-modale) Sachkompetenzen aufeinander treffen. So ist der Steuergesetzgeber auch dann zur Normierung von Steuerbefreiungen kompetent, wenn das Motiv der Befreiung nicht zu seiner Kompetenzmaterie rechnet.145 Für die Zuordnung müssen abstrakte Kriterien gefunden werden. Ein Gesetz, das die Umgebung vor Gefahren von Seiten des Luftverkehrs dadurch schützt, daß es Sicherheitsanforderungen an den Luftverkehr stellt, ist dem Luftverkehr im Sinne von Art. 73 Nr. 6 GG zuzuordnen. Der Ort des Eingriffs entscheidet über die Zuordnung. Das Bundesverfassungsgericht hat die „Anknüpfung“ für maßgeblich erklärt. Inhaltlich geht dieses Kriterium in dieselbe Richtung. Nicht entscheidend ist dagegen die Motivation des Gesetzgebers. Damit darf nicht auf das Schutzgut abgestellt werden, wenn nicht die Materie unter Nennung von Schutzgütern kontu144 Vgl. Badura, NJW 1981, S. 1337 (1338 f.): „Die vom Grundgesetz vorgenommene Abgrenzung der Kompetenzen ist nach Materien, nach dem Gegenstand des Gesetzes, nicht nach dem Sinn und Zweck oder dem Anknüpfungspunkt einer Regelung allein erfolgt. Dieses etwas formellere Kriterium ist den Bedürfnissen einer Kompetenzordnung, die in besonderem Maße auf Berechenbarkeit und faßbare Merkmale angewiesen ist, eher angemessen als das materielle, aber diffuse Kriterium der ,Funktion‘ eines Gesetzes. Das Grundgesetz selbst spricht von ,Gebieten‘, auf die sich die Gesetzgebung erstrecke (Art. 74 GG).“ 145 A.A. Bayer, StuW 1972, S. 149 (152).

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riert wird. Diese Abgrenzung findet sich wieder im Verhältnis des besonderen Gefahrenabwehrrechts zum allgemeinen. Die Anknüpfung an den Ort des Eingriffs entspricht der Spezialität des besonderen Gefahrenabwehrrechts. In der Regel wird für diese Zuordnung bzw. das Zuordnungskriterium kein Grund genannt. Doch sollte es wegen seiner Eignung zu vorhersehbaren Ergebnissen herangezogen werden: Denn der Regelungsgehalt der Norm – Ort, Art und Adressat eines Eingriffs – lassen sich der Norm anhand ihres Tatbestands und der Rechtsfolge einfach ablesen. Dies gilt nicht im selben Maß für das intendierte Schutzgut. Wenn demgegenüber darauf hingewiesen wird, daß die Wahl des Mittels alleine nicht entscheidend sei,146 ist dies für das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht und dessen Abgrenzung zu besonderen Sachmaterien richtig. Wenn die Medien Adressat von Ge- oder Verboten sind, soll es sich um Regelungen des Jugendschutzes handeln können und nicht stets um Presse- oder Medienrecht.147 Das darf nicht mit einem unter Umständen stärkeren verfassungsrechtlichen Gewicht des Jugendschutzes gegenüber der Presse- und Rundfunkfreiheit begründet werden. Zum einen ist ein solcher Vorrang nicht pauschal gegeben. Zum anderen muß materielles Verfassungsrecht bei der Abgrenzung weitgehend ausgeblendet werden.

3. Die Auslegung des Gesetzes Gegenstand der kompetentiellen Zuordnung ist das Gesetz. Gesetzeswerke bestehen in der Regel aus mehreren Normen. Die moderne Gesetzgebungstechnik bedient sich oft der sogenannten Artikelgesetze. Ein Artikelgesetz ändert und ergänzt mehrere bestehende Gesetze. Streng genommen ist sowohl bei einem Artikelgesetz als auch bei einem einheitlichen Gesetzgebungswerk jede einzelne Norm isoliert kompetentiell zuzuordnen. Diese Betrachtungsweise ist notwendig, weil eine einheitliche Zuordnung eines gesamten Gesetzeswerks ungenauer ausfällt. Zudem ist Gesetzgebung schon die Erzeugung einer einzelnen Norm. Damit stellt sich die Frage, was überhaupt das unter die Kompetenznorm zu subsumierende Gesetz ist. Unter Umständen kann eine Norm selbst bei Texteinheit so ausgelegt werden, daß sie aus mindestens zwei Normen besteht. Zum Beispiel kann ein geschriebener unbestimmter Rechtsbegriff in mehrere ungeschriebene Fallgruppen aufgeschlüsselt werden. Die verfassungskonforme Auslegung gebietet dann eine kompetenzkonforme Auslegung. Diese erfordert eine Teilung in die verschiedenen separierbaren Normen. Eine einzelne Norm mag gesetzgebungstechnisch auch auf mehrere Oeter, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 74 Rn. 68. Oeter, ebenda; Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 341. Näher und mit anderen Ergebnissen unter D. III. 3. c). 146 147

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C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz

Vorschriften verteilt sein.148 So ergibt sich die auf einen Lebenssachverhalt anwendbare Regelung vielfach erst durch das Zusammenziehen einer Vorschrift eines Allgemeinen Teils mit einer besonderen Vorschrift. Wenn diese Synopse logisch notwendig ist, um überhaupt zu einer anwendbaren Regelung zu kommen, müssen diese Vorschriften bei der kompetentiellen Zuordnung als gebündelte Einheit zugrunde gelegt und zusammen am jeweiligen Kompetenztitel gemessen werden.

4. Kompetenzerweiterung durch den Sachzusammenhang Sehr fraglich ist, ob die Kompetenz für die gesetzliche Regelung eines bestimmten Gebietes kraft Sachzusammenhangs den Übergriff auf eine Materie gestattet, die einer fremden Kompetenz unterfällt, ohne daß die übergreifende Regelung nur eine Spezialregelung im Sinne der Stamm-Materie wäre. Bullinger hat diese Konstellation als „übergreifende Zuständigkeit“ bezeichnet.149 Pestalozza spricht von „Kompetenzergänzung“ und „kompetenzergänzendem Sachzusammenhang“ im Unterschied zu der weniger bedenklichen „Kompetenzbegründung“ bzw. dem „kompetenzbegründenden Sachzusammenhang“.150 Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Fall gemeint, als es die Formel des Baurechtsgutachtens prägte: „Ein sogenannter Sachzusammenhang vermöchte vielmehr eine Zuständigkeit nur dann zu stützen, wenn eine dem Bund ausdrücklich zugewiesene andere Materie mitgeregelt wird, wenn also ein Übergreifen in nicht ausdrücklich zugewiesene Materien unerläßliche Voraussetzung ist für die Regelung einer der Bundesgesetzgebung zugewiesenen Materie“.151 Die reine Zweckmäßigkeit, mit einer dem Bund zugewiesenen Materie gleichzeitig auch eine andere zu regeln, reiche für die Kompetenzbegründung nicht aus. In Anwendung der zitierten Formel lehnt das Bundesverfassungsgericht es ab, aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG durch Auslegung eine Zuständigkeit für das gesamte Baurecht zu gewinnen. Die Teilmaterien ließen sich nicht zu einer Gesamtmaterie arrondieren.152 Es ging mithin nicht um die Frage, ob eine Spezialregelung von der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs erfaßt wird, sondern um die Erschließung einer eigenen Materie. Nicht nur sollte eine gesetzliche Vorschrift kraft Sachzusammenhangs auf eine nicht ausdrücklich zugewiesene Materie übergreifen, sondern zwischen den Kompetenzmaterien selbst sollte kraft Vgl. Ehlers, in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rn. 8. Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (267), mit der Erwägung, ob auch eine enge Verknüpfung der verwaltungsmäßigen Durchführung der gesetzlich geregelten Materien einen Sachzusammenhang konstituiere. Ausgelöst wird diese Überlegung durch BVerfGE 22, 180 (212 f.), wonach die „Verzahnung“ der Jugendfürsorge mit der Jugendpflege „in der praktischen Jugendarbeit“ dazu führe, daß die öffentliche Fürsorge im Sachzusammenhang auch die Jugendpflege erfaßt. 150 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 109 ff. 151 BVerfGE 3, 407 (421); wiederholt in: BVerfGE 15, 1 (20); 26, 246 (256); 26, 281 (300). Siehe unter D. I. 2. 152 BVerfGE 3, 407 (419, 421). 148 149

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Sachzusammenhangs eine „lückenfüllende“ Materie erschlossen werden. Es handelt sich also in erster Linie nicht um ein Problem der kompetentiellen Qualifikation einer einfachgesetzlichen Regelung. Da die Teilbereiche in Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG nicht Regelbeispiele einer nicht erschöpfenden Aufzählung eines ungenannten Oberbegriffs sind, prüfte das Bundesverfassungsgericht den Sachzusammenhang. Dieser kann allerdings nur durch die Anknüpfung an eine einfachgesetzliche Vorschrift bestehen. Würde der Sachzusammenhang die Kompetenzmaterie in abstracto erweitern, so wären einzelne, nicht mehr zerlegbare Vorschriften, die für sich genommen ganz und gar jenseits der Stamm-Materie liegen, noch kompetenzgemäß. Der Sachzusammenhang erlaubt nicht die isolierte Normierung innerhalb der fremden Kompetenzmaterie. 153 Zu Recht hat Pestalozza auf die Verfassungswidrigkeit eines solchen Gebrauchs des Sachzusammenhangs zur Kompetenzermittlung hingewiesen.154 Denn ob die Zuordnung einer Kompetenzmaterie zu einer anderen angesichts ihrer (abstrakten) Verzahnung, Interdependenz oder sonstigen Zusammengehörigkeit unerläßlich ist und beide Materien verständigerweise die Regelung durch einen einzigen Gesetzgeber erfordern, hat die Verfassung selbst zu entscheiden. Bei der Verfassunggebung und Verfassungsänderung ist die sachliche oder regelungstechnische Abhängigkeit zweier Materien zu berücksichtigen. Auch wenn es vor der Einführung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 25 GG155 ratsam erschien, daß der Bundesgesetzgeber die Staatshaftung regeln dürfe, weil sie einen engen Bezug zur Amtshaftung des Bürgerlichen Gesetzbuchs aufweist, war das Staatshaftungsgesetz156 des Bundes vor der Verfassungsänderung doch kompetenzwidrig.157 Man könnte das historische Argument, der Verfassunggeber habe selbst über die Zusammengehörigkeit der Kompetenzmaterien entschieden, für den Fall der Entstehung neuer Regelungsmaterien als unbeachtlich ablehnen. Jedoch gilt hier, daß der verfassungsändernde Gesetzgeber tätig werden muß. Wenn ein neues Gebiet durch den technischen Fortschritt gleichsam „entsteht“, kann es nicht durch Arrondierung der umliegenden, nahe verwandten Kompetenzmaterien diesen im Wege des Sachzusammenhangs einverleibt werden. So hat die Bundesregierung die Bundeskompetenz für das Gentechnikgesetz158 vor der Einführung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG159 aus einer „Gesamtschau verschiedener Kompetenznormen des Grundgesetzes“ abgeleitet, nämlich dem Bürgerlichen und dem Strafrecht, dem Recht der Wirtschaft, dem Arbeitsrecht einschließlich des Arbeitsschutzes, der Förderung der wissenschaftlichen Forschung, den Maßnahmen gegen gemeingefährliche und übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, dem Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie dem Tier153 154 155 156 157 158 159

So Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 113. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 111. Gesetz vom 27. 10. 1994 (BGBl. I, S. 3146). Vom 26. 6. 1981 (BGBl. I, S. 553). BVerfGE 61, 149 (151). Vom 20. Juni 1990 (BGBl. I, S. 1080). Gesetz vom 27. 10. 1994 (BGBl. I, S. 3146).

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schutz, der Abfallbeseitigung und Luftreinhaltung, schließlich aus der gegebenenfalls punktuelle Vollregelungen gestattenden Rahmenkompetenz für den Naturschutz.160 Der Bundesgesetzgeber hat so ein spezielles Gefahrenabwehrrecht im Bereich der Gentechnik auf einen Kompetenzmix gestützt. Angesichts des Umstands, daß das andere dem Bundesgesetzgeber (zumindest konkurrierend) zugewiesene besondere Gefahrenabwehrrecht entweder ausdrücklich Inhalt einer Kompetenznorm ist, wie zum Beispiel beim Lebensmittel- oder Pflanzenschutz161, der Lärmbekämpfung162 oder dem Straßenverkehr163, oder aber aus einem Annex zu jeweils einem einzigen Kompetenztitel folgt, wie die Kompetenz für baupolizeiliche Vorschriften zum Wohnungswesen,164 ist die Herleitung einer Materie besonderen Gefahrenabwehrrechts aus einem Kompetenzmix äußerst fragwürdig. Die von Pestalozza als Kompetenzergänzung bezeichnete Funktion des Sachzusammenhangs hatte der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee im Jahre 1948 vor Augen, als er sich für die Erforderlichkeit einer ausdrücklichen Zuweisung der Bundeskompetenz in der Verfassung aussprach.165 Die Formel des Baurechtsgutachtens stellt die Voraussetzungen für eine, wenn es sie gäbe, verfassungswidrige Kompetenzerweiterung auf. Deswegen nimmt es nicht wunder, daß das Bundesverfassungsgericht selbst anhand dieser Formel bis zu seiner Entscheidung über das Bayerische Schwangerenhilfeergänzungsgesetz im Jahre 1998 weder eine Bundes- noch eine Landeskompetenz angenommen, sie im Gegenteil immer seltener erwähnt hat. Der formelfreie Sachzusammenhang ist an die Stelle der Formel getreten. Pestalozzas Kritik166 an dieser Entwicklung in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist zu streng, wenn die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs bzw. Annexes die von ihm selbst aufgeführten Voraussetzungen einhält.167 Das Bundesverfassungsgericht hat es abgelehnt, dem Bund aufgrund eines Sachzusammenhangs mit der Kompetenz für die Seewasserstraßen und die dem allgeBT-Drs. 11 / 5622, S. 21 f. Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG. 162 Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG. 163 Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG. 164 So BVerfGE 3, 407 (421). 165 Verfassungsausschuß der Ministerpräsidentenkonferenz der westlichen Besatzungszonen, Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10. bis 23. August 1948, in: Bucher (Bearb.), Der Parlamentarische Rat 1948 – 1949. Akten und Protokolle. Bd. 2, S. 526 f.; vgl. zu dieser Auslegung Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 111. Siehe das Zitat unter B. IV. 1. 166 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 112 in Verbindung mit Rn. 113. 167 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 113: Erstens fehle die Unerläßlichkeit eines Übergriffs, wenn der eigentlich kompetente Gesetzgeber die Materie geregelt habe; zweitens sei ein Übergriff in eine „natürliche“ Zuständigkeit des anderen Gesetzgebers unzulässig, da diese nicht Annexmaterie sein könne; drittens muß gleichzeitig die Stamm-Materie, nicht nur isoliert die fremde Materie geregelt werden. 160 161

II. Kompetentielle Qualifikation

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meinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen eine allgemeine wasserwirtschaftliche Gesetzgebungsbefugnis zuzugestehen.168 Jedenfalls müßten solche Regelungen räumlich auf den Wasserlauf begrenzt sein, der dem allgemeinen Verkehr im Sinne der Kompetenznorm dient.169 Auch der Sachzusammenhang kann demnach diese räumliche Beschränkung nicht überwinden. Aus dem Sachzusammenhang könnte lediglich eine Ausdehnung der auf die Verkehrsfunktion abhebenden Kompetenz auf allgemeine wasserwirtschaftliche Regelungen folgen. Das Gericht hält die Voraussetzungen der Formel des Baurechtsgutachtens für nicht erreichbar.170 Keine allgemeine wasserwirtschaftliche Regelung kann die für einen Sachzusammenhang erforderliche „sinnvolle Ordnung“171 erreichen. Ein auf die allgemeine wasserwirtschaftliche Kompetenz zu stützendes Reinhaltungsgesetz müßte Verunreinigungen auch im nicht schiffbaren Oberlauf einer in ihrem Unterlauf schiffbaren Binnenwasserstraße regelnd beinflussen können.172 Die räumliche Beschränkung auf die schiffbaren Gewässerabschnitte ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts jedoch zwingend, so daß eine Ausdehnung der Vollregelungskompetenz auf Fragen der Wasserreinhaltung im Wege des Sachzusammenhangs ausscheiden soll. Das Bundesverfassungsgericht stellt danach fest, daß die den Ländern zustehende Kompetenz für die Wasserwirtschaft ihrer Gewässer kraft Sachzusammenhangs auch den wasserwirtschaftlichen Bereich der dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen erfasse, sofern diese Kompetenz nicht ohnehin den Ländern zufalle.173 Die Konstruktion einer Landeskompetenz kraft Sachzusammenhangs ist überflüssig, wenn die entsprechende Materie schon dem Bund nicht und nicht einmal kraft Sachzusammenhangs zukommt. Das folgt aus der Reservekompetenz der Länder gemäß Art. 70 Abs. 1 GG. Der Sachzusammenhang ist hier anderer Art: Er beschreibt, daß wasserwirtschaftliche Regelungen über die Gewässerreinhaltung sich auch auf Wasserstraßen beziehen dürfen, die hinsichtlich ihrer Verkehrsfunktion von einem anderen Gesetzgeber geregelt werden. Die isolierte Regelung der Befugnis zur Führung der Berufsbezeichnung „Ingenieur“ habe keinen Bezug zum Recht der Wirtschaft174.175 Das Bundesverfassungsgericht ergänzt, dieser Bezug werde auch nicht „dadurch hergestellt, daß die Kompetenz zu einer berufsordnenden Gesamtregelung – wenn eine solche erfolgt wäre – auch die Kompetenz zur Regelung der Führung der Berufsbezeichnung einschließen würde“.176 168 169 170 171 172 173 174 175 176

BVerfGE 15, 1 (20). BVerfGE 15, 1 (21). BVerfGE 15, 1 (20). BVerfGE 15, 1 (20). BVerfGE 15, 1 (21). BVerfGE 15, 1 (22). Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG. BVerfGE 26, 246 (256). BVerfGE 26, 246 (256).

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C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz

Die isolierte Regelung liegt nicht im Begriffskern des Rechts der Wirtschaft. Die zitierte Überlegung betrifft den „formelfreien“ Sachzusammenhang. Dieser setzt eine Regelung innerhalb des Begriffskerns des Kompetenztitels, das heißt innerhalb der Stamm-Materie, voraus, an der es hier fehlt. Dann erst nennt das Gericht die Formel aus dem Baurechtsgutachten, subsumiert die isolierte Regelung der Berufsbezeichnung und scheitert an der Subsumtion, weil auch eine solche Kompetenz nur unter der Voraussetzung gegeben sei, daß der Bund von der ihm ausdrücklich zugewiesenen Kompetenz Gebrauch gemacht habe.177 Unentschieden blieb damit die Frage, ob nicht schon der formelfreie Sachzusammenhang mit einer Berufsordnung des Ingenieurswesens die Regelung gedeckt hätte. Die Anwendung der Formel scheitert aus demselben Grund wie die Subsumtion unter den formelfreien Sachzusammenhang mit dem „Recht der Wirtschaft“. Hätte der Bund ein Gesetz erlassen, das sich mit dem Ingenieurwesen innerhalb der Stamm-Materie beschäftigt, so würde das Bundesverfassungsgericht den formelfreien Sachzusammenhang bejaht haben. Aufgrund von Art. 73 Nr. 7 GG („Fernmeldewesen“ vor der Grundgesetzreform von 1994) ist der Bund ausschließlich für die sendetechnischen Angelegenheiten des Rundfunks zuständig. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, daß der „Rundfunk“ kein Ganzes sei, das sinnvoll nur einheitlich vom Bund geregelt werden kann.178 Die Regelung der Studiotechnik oder von Fragen der Veranstaltung von Rundfunksendungen sei nicht unerläßliche Voraussetzung für die Regelung der sendetechnischen Angelegenheiten des Rundfunks. An dieser Stelle verweist das Gericht auf die Fundstelle der Formel des Baurechtsgutachtens.179 Doch wird die Formel nicht mehr im Wortlaut ausgeführt.180 Sendetechnik und Veranstaltung von Rundfunksendungen seien Sachbereiche, die sich trennen und gesondert regeln ließen. Damit subsumiert das Gericht unter die (verkürzte) Formel. Pestalozza meint, einige Entscheidungen gefunden zu haben, die zwar den „kompetenzergänzenden Sachzusammenhang“ beträfen, aber ganz auf die Nennung der Formel verzichtet haben.181 Eine auf Art. 84 Abs. 1 GG gestützte bundesgesetzliche Zuständigkeitsregelung zu Lasten und zugunsten der Kommunen zum Vollzug eines materiellen Bundesgesetzes wird vom Bundesverfassungsgericht nur als „punktuelle Annexregelung“ einer in die Bundeskompetenz fallenden materiellen Regelung für zulässig erachtet. Die Annexregelung müsse für den wirksamen Vollzug der materiellen BestimBVerfGE 26, 246 (256). BVerfGE 12, 205 (237). 179 BVerfGE 12, 205 (237). 180 Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 111 in Fn. 150: Die Formel sei „verkürzt“. 181 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 117; es handele sich um BVerfGE 22, 180 (210), in bezug auf die punktuelle Kompetenz für die Regelung der kommunalen Zuständigkeit; ebenso BVerfGE 77, 288 (299); zur unzulässigen Beauftragung der zuständigen obersten Landesbehörde mit der Erfüllung einer Staatsaufgabe (ohne administrativ vollziehbare Einzelregelungen) vgl. BVerfGE 88, 203 (331). 177 178

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mungen notwendig sein, andernfalls stelle sie einen unzulässigen Eingriff in die Verwaltungskompetenz der Länder dar. Zuvor hat das Gericht die ausschließliche Landesgesetzgebungskompetenz für das Kommunalrecht als Grenze der Bundeskompetenz aus Art. 84 Abs. 1 GG angeführt. Damit ist unklar, ob der Annex durch eine andere Gesetzgebungsmaterie oder die Verwaltungskompetenzen einschließlich der Organisationsgewalt der Länder beschränkt wird. Betrachtet man die Regelung des Verfahrens als Annex zur Sachregelung, so kann auch die Zuständigkeitsregelung als Annex des Verfahrens und mithin als (mittelbarer) Annex der Sachregelung in Betracht kommen. Die „Materialisierung“ des Kommunalrechts macht den Fall allerdings wenigstens mit demjenigen des Sachzusammenhangs vergleichbar. Die Zuständigkeitsvorschrift kann aber nicht als isolierte Regelung im Bereich des Kommunalrechts gesehen werden. Die Zuständigkeit ist mit den Aufgaben verbunden, für die die Kommunen zuständig sein sollen. In bezug auf das Kommunalrecht liegt kein kompetenzergänzender Sachzusammenhang vor. In bezug auf die dem Bund nur offenstehende Regelung der „Einrichtung der Behörden“ stößt der Bundesgesetzgeber aber auf Grenzen, wenn er die Verwaltungsebene bestimmen will.182 Im Anschluß an diese Entscheidung, in der die Zuständigkeitsregelung für nicht notwendig und daher kompetenzwidrig gehalten wurde, hat das Bundesverfassungsgericht diejenigen Vorschriften des früheren Bundesbaugesetzes für zulässig gehalten, die die Bauleitplanung den Gemeinden als eigene Angelegenheit zuwiesen. Die dem Bodenrecht183 zuzuordnenden planungsrechtlichen Vorschriften184 hätten ein materielles Konzept der Bauleitplanung entwickelt. Es sei durch eine grundsätzlich dezentrale, räumlich auf den örtlichen Bereich bezogene und beschränkte Planung gekennzeichnet.185 Dieses materielle Konzept sei durch den Bundesgesetzgeber „organisatorisch folgerichtig“ umgesetzt worden, indem die Gemeinden Kompetenzen für die Bauleitplanung erhielten. Es handele sich um „ein ausgewogenes organisatorisches Folgekonzept zu den materiellen Bauleitplanungsregeln, das der Bundesgesetzgeber mit guten Gründen zur Ausführung und Verwirklichung der materiellen Regelungen für notwendig erachten durfte“.186 Indem das Gericht die Dezentralität der Planung zu einem Element des materiellen Gesetzeskonzepts erklärt, ist die Zuweisung der Zuständigkeit an die Ortsstufe nicht mehr nur Vollzug des Bundesgesetzes, sondern Umsetzung des materiellen Konzepts und mithin notwendig.187 Der Bundesgesetzgeber zeichnet materielle verfassungsrechtliche Positionen der Gemeinden aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nach. Doch rechtfertigt ein daraus abzuleitender rein deklaratorischer Charakter der bunSo Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 84 Rn. 10 m. w. N. Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG. 184 BVerfGE 77, 288 (298), mit Verweis auf BVerfGE 3, 407 (424 f.). 185 BVerfGE 77, 288 (299). 186 BVerfGE 77, 288 (299). 187 Ablehnend auch Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 117 in Fn. 167: An die Stelle objektiver Notwendigkeit sei die Einschätzung des Gesetzgebers getreten. 182 183

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C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz

desgesetzlichen Zuständigkeitszuweisungen an die Gemeinden noch nicht deren kompetentielle Zuordnung zur Bundeskompetenz. In der zweiten Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch188 stellt das Bundesverfassungsgericht fest, daß der Bundesgesetzgeber zur öffentlichen Fürsorge im Sinn des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG die Schaffung von über das Land verteilten Einrichtungen zum Schwangerschaftsabbruch anordnen dürfe. Eine weitergehende Sicherstellung könne er jedoch nicht vorschreiben, ohne die Kompetenzgrenzen des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG zu überschreiten. Da es sich bei der Beratungslösung um die Rückgängigmachung eines umfassenderen strafrechtlichen Lebensschutzes handelt, untersucht das Gericht einen möglichen Bezug der bundesgesetzlichen Verpflichtung der zuständigen obersten Landesbehörde zur Sicherstellung eines funktionsfähigen und flächendeckenden Netzes von Einrichtungen für Schwangerschaftsabbrüche zur Materie des Strafrechts. Eine „Annexkompetenz unter dem Gesichtspunkt der Verwirklichung eines von ihm für erforderlich erachteten organisatorischen Folgekonzepts“ liege hier nicht vor.189 Zwar decke die Strafrechtskompetenz ein auf den Schutz des Ungeborenen und der Frau zugeschnittenes, im Strafrecht wurzelndes Schutzkonzept;190 doch sei die Sicherstellung eines über den bereits dargestellten Rahmen hinausgehenden Angebots an Einrichtungen, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden, kein notwendiges Folgekonzept. „Beauftragt der Bundesgesetzgeber die zuständige oberste Landesbehörde mit der Ausführung einer von ihm begründeten Staatsaufgabe, so greift er in die Organisationsgewalt der Länder und damit in deren verfassungsmäßige Ordnung ein. Er schließt damit die nach Landesverfassungsrecht zuständigen Organe aus und hindert die Länder damit, die Ausführung der Staatsaufgabe – etwa im kommunalen Bereich – nach eigenem, auf sinnvolle Gestaltung der Vollzugsorganisation ausgerichtetem Ermessen zu regeln.“191 Ein solcher Eingriff in die Organisationsgewalt der Länder bedürfe einer verfassungsrechtlichen Kompetenz, an der es hier fehle. „Der Grundsatz der Organisationsgewalt der Länder gilt uneingeschränkt, wenn eine bundesgesetzliche Regelung lediglich eine von den Ländern zu erfüllende Staatsaufgabe vorsieht, nicht jedoch Einzelregelungen trifft, die behördlich-administrativ vollzogen werden könnten.“192 Damit lehnt das Gericht auch Art. 84 Abs. 1 GG als geeignete Kompetenzgrundlage ab.

BVerfGE 88, 203 ff., im Jahre 1993. BVerfGE 88, 203 (331), mit Verweis auf BVerfGE 77, 288 (301) und BVerfGE 22, 180 (209 ff.), obwohl letztere Entscheidung den Begriff des „organisatorischen Folgekonzepts“ noch nicht kennt. 190 Ergänzt um den Hinweis, daß die Kompetenz dem Bundesgesetzgeber so die Realisierung seiner verfassungsrechtlichen Schutzpflicht für das Leben ermögliche. 191 BVerfGE 88, 203 (332). 192 BVerfGE 88, 203 (332). 188 189

II. Kompetentielle Qualifikation

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5. Teilregelungen: Ein neues Kriterium? In jüngerer Zeit hat das Bundesverfassungsgericht des öfteren auf den Schwerpunkt des Regelzusammenhangs, in den eine Einzelregelung gehört, abgestellt, um die betroffenen Materien voneinander abzuschichten. Es handelt sich um „Teilregelungen“, die für sich genommen einen anderen Kompetenzbereich berühren, aber dennoch den übrigen Regelungen zuzuordnen sind, die die eigene Stamm-Materie bearbeiten. Dabei entsteht der Eindruck, über die Brücke der Zugehörigkeit zum schwerpunktmäßigen Regelungszusammenhang würden die Voraussetzungen eines überwiegenden Sachzusammenhangs ausgehöhlt. Denn dieser erfordert, daß innerhalb einer einzigen, nicht mehr zerlegbaren Norm der überwiegende Sachzusammenhang zu der eigenen Kompetenzmaterie besteht. Ist dies der Fall, bedürfte es einer weiteren Zuordnung zum Regelungszusammenhang der übrigen Normen nicht mehr. Eine Modifikation der Voraussetzungen vom überwiegenden Sachzusammenhang wäre nur dann neuartig, wenn die Teilregelung für sich genommen der fremden Materie zugeordnet werden müßte, da sie als solche ihren Hauptzweck, ihre unmittelbare Wirkung, ihr spezifisches Thema nicht in der Hauptmaterie hat.193 a) Kurzberichterstattungsrecht (BVerfGE 97, 228) Auf die Zugehörigkeit einer Teilregelung zum Regelungszusammenhang ging das Bundesverfassungsgericht erstmals im Jahre 1998 ein. In seiner Entscheidung zum Kurzberichterstattungsrecht 194 hatte es die Kompetenzgemäßheit zweier landesgesetzlicher Regelungen zu prüfen, die für diejenigen Fernsehveranstalter, die das Kurzberichterstattungsrecht in Anspruch nehmen, Pflichten vorsehen. So wird diesen zum einen auferlegt, Signal und Aufzeichnung an solche Veranstalter weiterzugeben, die keine Gelegenheit hatten, am Ereignisort Fernsehaufnahmen zu machen.195 Daneben werden die Veranstalter verpflichtet, das nicht für die Kurzberichterstattung verwendete Material zu vernichten.196 Das Bundesverfassungsgericht problematisiert nur die diesen beiden Pflichten zugrunde liegenden Vorschriften, die es mit Blick auf die anderen das Kurzberichterstattungsrecht und seine Folgen gestaltenden Vorschriften als „Teilregelungen“ bezeichnet.197 Das Kurzberichterstattungsrecht als solches sei Rundfunkrecht und nicht etwa Urheber193 Vgl. Rozek, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 70 Rn. 56, der aber nur davon spricht, die Teilregelung „berühre“ einen anderen Kompetenzbereich. 194 BVerfGE 97, 228 ff. Insbesondere zur grundrechtlichen Thematik der Entscheidung Lenz, NJW 1999, S. 757 f.; Holznagel, MMR 1998, S. 211 f.; Schwabe, JZ 1998, S. 514 f. 195 Sogen. Weitergabepflicht des § 3 a Abs. 5 S. 4 WDR-Gesetz und des inhaltsgleichen § 3 a Abs. 5 S. 4 Rundfunkgesetz NRW. 196 Sogen. Vernichtungspflicht des § 3 a Abs. 6 S. 1 WDR-Gesetz bzw. Rundfunkgesetz NRW. 197 BVerfGE 97, 228 (251 f.).

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C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz

recht,198 für welches dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zufällt.199 Die Teilregelungen, die den urheberrechtlichen Leistungsschutz zu Lasten der das Kurzberichterstattungsrecht in Anspruch nehmenden Fernsehveranstalter einschränkten, sieht das Gericht in der kritischen Schnittmenge beider Materien. § 87 UrhG gewährt dem Sendeunternehmen das ausschließliche Recht u. a. der Weitersendung seiner Funksendung. Ein Unterschied zum urheberrechtlichen Leistungsschutz bestehe aber darin, daß die rundfunkrechtlichen Vorschriften „das Signal und die Aufzeichnung“ sowie die nicht verwendeten „Teile“, also das für die Sendung auswertbare Material, zum Gegenstand haben, während die urheberrechtliche Bestimmung die Funksendung und damit die aus dem Material aufbereitete und ausgestrahlte Funkform in Bezug nehme.200 Diese Abgrenzung der Teilregelungen zum Urheberrecht kann aber nicht der Abgrenzung von der Gesetzgebungskompetenz für das Urheberrecht dienen. Deswegen ist auch die daraus gezogene Folgerung nicht richtig, daß eine Überschneidung beider Normbereiche nur auftreten könne, wenn sich Material und Sendung deckten.201 Denn der urheberrechtliche Gesetzgeber könnte ja auch eine Kompetenz zum Schutz des nicht gesendeten Materials haben, ohne sie ausgeübt zu haben. Hier hätte das Gericht zur Kompetenzabgrenzung ansetzen müssen. Statt dessen wird darauf hingewiesen, daß die Möglichkeit der Überschneidung die „Teilregelungen“ noch nicht zu Regelungen des Urheberrechts mache. Genauso hätte man feststellen können, daß die urheberrechtliche Bestimmung des § 87 UrhG durch diese Überschneidung nicht zu einer rundfunkrechtlichen Regelung wird. Die Abschichtung der Kompetenzen, die sich auf denselben Lebenssachverhalt beziehen, hätte einer genaueren Beschreibung der „Überschneidung“ bedurft: Eine Sendung löst nach dem UrhG die Leistungsschutzrechte des Fernsehveranstalters aus. Die Sendung durch einen das Kurzberichterstattungsrecht wahrnehmenden Veranstalter steht unter der gesetzlichen Weitergabe- und Vernichtungspflicht des Landesrundfunkgesetzes. Von einem urheberrechtlichen Leistungsschutzrecht bleibt nicht viel übrig. Die rundfunkrechtlichen Beschränkungen stellen jedoch nicht einfach eine negative Regelung des Urheberrechts dar; denn sie setzen einen Sendeveranstalter voraus, der auf das Kurzberichterstattungsrecht zurückgreift. Das ist der Unterschied zu dem von § 87 UrhG angesprochenen Sendeveranstalter. § 87 UrhG trifft keine Differenzierung danach, ob das Sendeunternehmen exklusivvertraglich berechtigt oder aufgrund einer gesetzlichen Berechtigung ausnahmsweise senden darf. Insofern ist das UrhG „allgemeines“ Gesetz; die die urheberrechtlichen Leistungsschutzrechte minimierenden Pflichten der „Teilregelungen“ des Rundfunkrechts sind hingegen leges speciales. Die Spezialität sagt allerdings nichts über die normative Verdrängungswirkung aus, da der lex specialis-Satz zwischen einfachem Bundes- und Landesgesetz nicht gilt. Allerdings gibt es – wegen der Spezialität zwischen Bundes- und 198 199 200 201

BVerfGE 97, 228 (251). Art. 73 Nr. 9 GG. BVerfGE 97, 228 (251). BVerfGE 97, 228 (251).

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Landeskompetenzen – mittelbar auch Spezialitätsverhältnisse zwischen Bundesund Landesgesetzen. Es handelt sich in casu um eine rundfunkrechtliche Sonderregelung kraft Sachzusammenhangs. Das UrhG will die Ansprüche der verschiedenen an Produktion, Verbreitung und Vertrieb beteiligten Akteure eines schutzwürdigen Werks voneinander abgrenzen. Die Materialsammlung, auf die das Bundesverfassungsgericht abhebt, zielt gerade auf die Sendung. Die zur „Überschneidung“ beider Rechtsgebiete führende Sendung des Materials ist nicht nur zufällige Ausnahme, sondern der vom Rundfunkgesetzgeber bewußt angestrebte Normalfall. Das Bundesverfassungsgericht geht von der Möglichkeit der Überschneidung der Teilregelungen mit dem Urheberrecht aus und befürwortet dennoch die Kompetenz des Landesrundfunkgesetzgebers: „Bei der Zuordnung einzelner Teilregelungen eines umfassenden Regelungskomplexes zu einem Kompetenzbereich dürfen die Teilregelungen nicht aus ihrem Regelungszusammenhang gelöst und für sich betrachtet werden. Kommt ihre Zugehörigkeit zu verschiedenen Kompetenzbereichen in Betracht, so ist aus dem Regelungszusammenhang zu erschließen, wo sie ihren Schwerpunkt haben. Dabei fällt insbesondere ins Gewicht, wie eng die fragliche Teilregelung mit dem Gegenstand der Gesamtregelung verbunden ist. Eine enge Verzahnung und ein dementsprechend geringer eigenständiger Regelungsgehalt der Teilregelung spricht regelmäßig für ihre Zugehörigkeit zum Kompetenzbereich der Gesamtregelung.“202 Der Begriff der „Teilregelung“ ist problematisch. Bei der kompetentiellen Qualifikation von Gesetzen müssen jeweils die einzelnen Normen eines Gesetzeswerks und nicht etwa das gesamte Gesetzeswerk oder das mit diesem verfolgte gesetzgeberische Konzept unter die Kompetenznorm subsumiert werden können. Diese Normen dürfen nicht mehr zerlegbar sein. Eine Grenze für die Zerlegung einer Norm in mehrere je zu subsumierende Normen markiert die (materielle) Verfassungswidrigkeit des Zerlegungsprodukts. Diese Verfassungswidrigkeit kann sich in erster Linie daraus ergeben, daß der Gesetzgeber eine um einen Bestandteil reduzierte Norm nicht erlassen hätte. Maßstab ist der Gesetzeszweck.203 Trotzdem ist die nicht kompetenzgemäße Norm, die Bestandteil einer derart zusammengesetzten Norm ist, verfassungswidrig. Der Gesetzeszweck, der sie so mit der gesamten Norm verbindet, daß diese – obwohl kompetenzgemäß – nicht als Restnorm aufrechterhalten werden kann, vermag aber in diesem Fall nicht die Kompetenzgemäßheit des für sich genommen kompetenzwidrigen Teils herzustellen. Anders soll es in bestimmten Fällen des Sachzusammenhangs bzw. Annexes sein: Erst durch die Koppelung einer Regelung, die auf eine fremde Materie übergreift, mit anderen Normen, die die ausdrücklich zugewiesene Stamm-Materie regeln, ist die Erstmals in BVerfGE 97, 228 (251 f.). Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang bisweilen auf den § 139 BGB zugrunde liegenden Rechtsgedanken verwiesen. Doch geschah dies für mehrere Gesetze, von denen nur eines verfassungswidrig war. 202 203

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C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz

isoliert kompetenzwidrige Regelung doch kompetenzgemäß.204 Wie bereits dargestellt wurde, ist diese Konstellation deckungsleich mit dem kompetenzergänzenden Sachzusammenhang205 bzw. der von der Formel des Baurechtsgutachtens gemeinten206 Kompetenzerweiterung. Die davon zu unterscheidenden Fälle der Sonderregelung (kraft Sachzusammenhangs) oder der Regelung mit kompetenzfremden Nebenwirkungen liegen schon als (nicht mehr zerlegbare) Einzelregelungen innerhalb der Gesetzgebungskompetenz. Sie bedürfen nach der Definition ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen zu ihrer kompetentiellen Zuordnung zur Stamm-Materie gerade nicht des „Anschlusses“ an andere Normen, die mitten in der Stamm-Materie liegen. So stellt sich zunächst die Frage, ob die vom Bundesverfassungsgericht geprüften „Teilregelungen“ des Landesrundfunkrechts207 überhaupt subsumierbare Normen sind oder ob mit dem Hinweis auf den Regelungszusammenhang und den Charakter als Teilregelung umschrieben wird, daß nicht die isolierte Teilregelung Gegenstand der Subsumtion ist, sondern die Teilregelung zusammen mit der Gesamtregelung, hier also vor allem das Kurzberichterstattungsrecht insgesamt. Die Begründung von Weitergabe- und Vernichtungspflichten für die Fernsehveranstalter, die das Kurzberichterstattungsrecht in Anspruch nehmen, knüpft an die gesetzliche Einräumung dieses Kurzberichterstattungsrechts an. Diese Anknüpfung hindert nicht, von einer eigenständigen und damit subsumierbaren Norm zu sprechen: Man mag zwar das Kurzberichterstattungsrecht als die Summe von Rechten und Pflichten, wie sie in den Teilregelungen zum Ausdruck kommen, verkürzt als ein einziges Recht ansprechen. Dennoch setzt es sich aus einer Mehrzahl von Regelungen zusammen, die jede für sich unter einen Kompetenztitel subsumiert werden müssen. „Teilregelung“ darf daher nicht bedeuten, daß die Norm als für die Subsumtion unvollständig angesehen wird. Wie aber wirkt sich der „Regelungszusammenhang“ mit der Gesamtregelung des Kurzberichterstattungsrechts auf die kompetentielle Qualifikation der Teilregelungen aus? Das Bundesverfassungsgericht lehnt deren isolierte Betrachtung ab, wenn die Teilregelungen Bezüge zu mehreren Kompetenzbereichen aufweisen. Aus dem Regelungszusammenhang müsse erschlossen werden, wo die Teilregelungen ihren Schwerpunkt haben. Indes mußte das Gericht nur feststellen, daß Weitergabe- und Vernichtungspflicht sich auf das Material beschränken, das der Fernsehveranstalter für die Kurzberichterstattung in Anspruch nehmen durfte. Nur weil diese Verknüpfung nicht umfassend in der „Teilregelung“ selbst ausgebreitet wird, könnte man die Norm weiter auslegen und auch auf andere Ausstrahlungen beziehen. Durch systematisch-teleologische Interpretation ist sicherzustellen, daß nur der Kurzberichterstattungsberechtigte in Bezug auf das zur KurzberichterstatBVerfGE 26, 246 (257); besonders deutlich Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 113. Zum Begriff vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 109 ff. 206 Dieser Zusatz ist notwendig, da Teile der Formel von der Rechtsprechung auch für andere Fälle des Sachzusammenhangs „wiederverwertet“ werden. 207 § 3 a Abs. 5 S. 4 und Abs. 6 S. 1 WDR-Gesetz bzw. Rundfunkgesetz NRW. 204 205

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tung erlangte Material weitergabe- und vernichtungsverpflichtet ist.208 Diese Beschränkung ist aber Inhalt der Teilregelungen selbst. Man muß zwar für den Inhalt des Kurzberichterstattungsrechts andere Normen heranziehen. Die Teilregelungen „inkorporieren“ aber das Kurzberichterstattungsrecht über den Begriff des „Berichterstattungsrechts“ oder „Kurzberichterstattungsrechts“. Fehlt die unmittelbare begriffliche Bezugnahme in der Norm, so ist sie ihr vermittels systematischer Interpretation oder teleologischer Reduktion des ansonsten zu weit verstandenen Regelungsgehalts einzulesen. Gäbe es im übrigen Gesetzeswerk keine Definition von Gegenstand, Umfang und Inhaber des Kurzberichterstattungsrechts, so müßte der Interpret der „Teilregelungen“ durch Auslegung oder Rechtsfortbildung einen rundfunkrechtlichen Begriff des Kurzberichterstattungsrechts konstruieren. Wäre etwa eine Rechtsfortbildung aufgrund eines Gesetzesvorbehalts unzulässig, ändert dies nichts an der Beschränkung der Teilregelungen auf einen solchen Begriff. Durch sein Fehlen würden die Teilregelungen nicht kompetenzwidrig. Da sie das Kurzberichterstattungsrecht voraussetzen, dieses aber – so unsere fiktive Annahme – einer gesetzlichen Ausformung bedürfte, wären die Teilregelungen gegenstandslos, nicht aber kompetenzwidrig. Sie wären ein nicht anwendbarer Gesetzestorso und kämen bei einer Vervollständigung des Gesetzes zur Anwendung. Diese Erwägungen sollen demonstrieren, daß erst die nicht kompetenzkonform auslegbare Norm kompetenzwidrig ist. Die Redeweise vom Schwerpunkt des Regelungszusammenhangs läßt sich daher deutlicher auflösen in eine systematisch-teleologische Auslegung der zu subsumierenden (Teil-)Regelungen. Dabei muß man sich vor einem Zirkelschluß hüten: Die teleologische Interpretation muß den Gesetzeszweck zugrunde legen. Der dabei zugrunde zu legende telos ist kompetenzkonform auszulegen, aber nur, soweit die Auslegung des einfachgesetzlichen Wortlauts dies zuläßt. Die Überzeugungskraft der Entscheidung leidet darunter, daß sie die mögliche Überschneidung zwischen Urheberrecht und Rundfunkrecht als unschädlich bezeichnet und suggeriert, es sei nur der Umstand, daß die Überschneidung möglich, nicht aber denknotwendig ist, der den kompetenzwidrigen Übergriff des Landesgesetzgebers in die Materie des Urheberrechts ausschließt. Diese Erklärung des konfliktfreien Nebeneinander von Urheberrecht und rundfunkrechtlichen Teilregelungen geht fehl. Der Normanwender könnte ja gezwungen sein, das Rundfunkrecht in den Fällen tatsächlicher Kongruenz mit dem Urheberrecht – wenn also die Kurzberichterstattung in einer „Funksendung“ stattfindet – nicht anzuwenden. Mit anderen Worten: Die Entscheidung läßt offen, wieso gerade auch die Fälle der tat208 In der Entscheidung (BVerfGE 97, 228 [252]) liest sich das so: „Die Weitergabepflicht [ . . . ] sorgt dafür, daß das Kurzberichterstattungsrecht bei begrenzten Kapazitäten am Verwaltungsort von allen interessierten Fernsehveranstaltern zumindest in abgeleiteter Form wahrgenommen werden kann. Die Vernichtungspflicht [ . . . ] verhindert, daß der Kurzberichterstattungsberechtigte das Material zu anderen Zwecken als der gesetzlich zugelassenen Kurzberichterstattung verwendet. Ein darüber hinausgehender, von dem zum Rundfunkrecht gehörenden Kurzberichterstattungsrecht unabhängiger Regelungsgehalt kommt diesen Pflichten nicht zu.“

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C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz

sächlichen Überschneidung nicht zum Kompetenzkonflikt führen. Die Prämisse des Gerichts, das Kurzberichterstattungsrecht falle jedenfalls unter die Materie des Rundfunkrechts, hätte einer Bestimmung des Verhältnisses zum Urheberrecht bedurft. b) Kindergartengebühren (BVerfGE 97, 332) Kaum einen Monat später entschied das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit der Staffelung von Kindergartengebühren nach dem Familieneinkommen.209 Die eine Staffelung vorsehende kommunale Kindergartensatzung stützte sich u. a.210 auf das Kindergartengesetz des Landes, welches seinerseits von einer in § 90 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII enthaltenen Ermächtigung Gebrauch gemacht hatte. Das Bundesgesetz ermächtigt die Länder, für die Inanspruchnahme von Angeboten der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen nach den §§ 22, 24 SGB VIII Teilnahmebeiträge und Gebühren festzusetzen, wobei Landesrecht deren Staffelung nach Einkommensgruppen und Kinderzahl oder Zahl der Familienangehörigen vorschreiben oder festsetzen kann. In § 22 SGB VIII wird als Zielvorgabe der Arbeit in den Tageseinrichtungen festgelegt, die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit solle gefördert werden. Diese Aufgabe umfasse Betreuung, Bildung und Erziehung des Kindes.211 Die Kostenregelung wird üblicherweise der Sachmaterie zugeordnet.212 So begegnet nur die Sache selbst, die Regelung des Kindergartenwesens, kompetenzrechtlichen Bedenken. Das Bundesverfassungsgericht bezieht sich auf den „Schwerpunkt des Kindergartenwesens“, da die Gesetzgebungskompetenz vom Schwerpunkt abhänge,213 wenn eine Regelung zwischen zwei Kompetenzmaterien steht. Das Gesetz sei dem Sachgebiet der öffentlichen Fürsorge214 zuzuordnen. Diese sei weit auszulegen und erfasse nicht nur die Jugendfürsorge im engeren Sinne, sondern auch die Jugendpflege, die das körperliche, geistige und sittliche Wohl aller Jugendlichen fördern wolle, ohne daß eine Gefährdung im Einzelfall notwendig wäre.215 Das Bundesverfassungsgericht legt von vornherein die Stamm209 BVerfGE 97, 332 ff. Zu dem in diesem Kontext problematischen Art. 3 Abs. 1 GG sowie abgabenrechtlichen Erfordernissen vgl. Sachs / Windthorst, JuS 1999, S. 857 ff.; vgl. auch Wiesner, ZfJ 2000, 24. 210 Neben dem Kommunalabgabengesetz des Landes für den Erlaß einer Gebührensatzung. 211 § 22 Abs. 2 S. 1 SGB VIII. 212 BVerfGE 97, 332 (342) mit dem Hinweis, ohne die Kostenregelungen sei eine effektive Gewährleistung von Fürsorgeleistungen nicht möglich. So schon vorher in derselben Frage das OVG NRW, NVwZ 1995, S. 191 (192). 213 BVerfGE 97, 332 (342) mit Verweis auf BVerfGE 97, 228 (251 f.). 214 Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG. 215 BVerfGE 97, 332 (342); es greift damit die Formulierung des OVG Berlin, NJW 1982, S. 954 (955) zum Kindergartenwesen auf, deren Herkunft schon in der Weimarer Republik liegt, vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 315.

II. Kompetentielle Qualifikation

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Materie der öffentlichen Fürsorge weit aus. Andererseits hat es die Jugendpflege „schon allein unter dem Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs“ als Bestandteil des Begriffs der öffentlichen Fürsorge eingeordnet.216 Gemeint ist offensichtlich weder ein Sachzusammenhang im Sinne des Baurechtsgutachtens noch ein formelfreier Sachzusammenhang, der für jede einzelne Norm festgestellt werden muß, sondern die Begriffsauslegung in abstracto. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat dagegen das Bayerische Kindergartengesetz dem Bildungswesen und somit einer Landesgesetzgebungskompetenz zugeordnet.217 Der Kindergarten habe sich von einer fürsorgerischen Wohlfahrtseinrichtung in eine Bildungseinrichtung verwandelt. Dieser Wandel führe dazu, daß der Kindergarten einer schulischen Einrichtung näher stehe als einer fürsorgerischen Betreuung zur Konfliktprävention.218 Das Bundesverfassungsgericht widerspricht dieser Einordnung implizit: Zwar berühre § 90 SGB VIII die Gesetzgebungskompetenz der Länder. Der Bildungsbezug entziehe die Regelung aber nicht der Bundeskompetenz, da fürsorgerische und bildungsbezogene Aufgaben untrennbar miteinander verbunden seien. Eine Aufspaltung der Bundesgesetzgebungskompetenz anhand dieser Aspekte komme aus sachlichen Gründen nicht in Betracht. Der „Schwerpunkt des Kindergartenwesens [ . . . ] ist nach wie vor eine fürsorgende Betreuung mit dem Ziel einer Förderung sozialer Verhaltensweisen und damit präventiver Konfliktvermeidung. Der vorschulische Bildungsauftrag steht hinter dieser dem Bereich der öffentlichen Fürsorge zuzuordnenden Aufgabe zurück.“219 Das Bundesverfassungsgericht untersucht hier nicht den Schwerpunkt einer einzelnen Regelung, indem es sie in einen Regelungszusammenhang stellt. Vielmehr nimmt es eine Materie, das Kindergartenwesen, und betrachtet es unter seiner vorrechtlichen Zuordnung, um das Gebiet dann entweder einer umfangreicheren Bundeskompetenz (öffentliche Fürsorge) oder Landeskompetenz (Bildungswesen) zuzuordnen, weil der Schwerpunkt des Lebensbereichs in einer dieser Kompetenzmaterien liege. Der Hinweis des Gerichts auf die kompetentielle Qualifikation im Kurzberichterstattungs-Urteil verwechselt die Ebene der Subsumtion mit derjenigen der Definition des Obersatzes.220 Da die Materie „Kindergartenwesen“ nicht als eigenständiges Gebiet anerkannt wird, handelt es sich auch nicht um einen kompetenzergänzenden Sachzusammenhang im Sinne des Baurechtsgutachtens. Damit wird das Kindergartenwesen ganz der „öffentlichen Fürsorge“ zugeschlagen. Der Landesgesetzgeber ist damit nur jenseits der Sperrwirkung des Art. 72 BVerfGE 22, 180 (213). BayVGHE 29, 191 (202 – 208). 218 Allerdings kann man entgegenhalten, daß erst der Landesgesetzgeber diesen Wandel schafft. Zu welchen Zwecken ein Kindergarten betrieben wird, entscheidet nicht nur der gesellschaftliche Wandel, sondern auch der Gesetzgeber. 219 BVerfGE 97, 332 (342). 220 Ebenso Rozek, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 70 Rn. 56 in Fn. 321, wenn er beide Entscheidungen nebeneinander stellt. Unklar auch Sachs / Windthorst, JuS 1999, S. 857 (858). 216 217

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C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz

Abs. 1 GG als konkurrierender Gesetzgeber für das Kindergartenwesen zuständig oder wenn ein formelfreier Sachzusammenhang zwischen Bildungswesen und Kindergarten besteht, der eine bildungsrechtliche Spezialregelung ermöglicht. Ein solcher Zusammenhang kommt wegen der engeren Verbundenheit beider Gebiete eher in Frage als zwischen Hochschulrecht und Schulrecht. Nach anderer Ansicht ist die öffentliche Fürsorge für die Jugend auf den Jugendschutz „im engeren Sinne“ unter Ausschluß der Jugendpflege zu beschränken. Der Kompetenztitel erlaube die Abwehr von Gefahren, die die Umwelt für die Jugend bereithalte, indem er Gebote und Verbote an die Jugend und an die Gefahrenquellen in der Umwelt decke.221 Eine Regelung zur Förderung sozialer Verhaltensweisen der Kinder im Vorschulalter wäre unter dieser Prämisse nicht einmal in Gestalt einer Spezialvorschrift kompetenzgemäß. c) Inkompatibilität von Landtagsmandat und Mitgliedschaft im Vorstand eines vom Land beherrschten Unternehmens (BVerfGE 98, 145) Ebenfalls im Jahre 1998 befaßte sich das Bundesverfassungsgericht mit einer Vorschrift des Berliner Wahlgesetzes.222 § 26 Abs. 1 Nr. 6 BerlWahlG normiert die Inkompatibilität von Landtagsmandat und einer Tätigkeit in einem vom Land beherrschten Unternehmen: Mit dem Erwerb der Mitgliedschaft im Abgeordnetenhaus scheiden Mitglieder des zur Geschäftsführung berufenen Organs einer der Aufsicht des Landes Berlin unterstehenden Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts oder eines privatrechtlichen Unternehmens, an dem das Land Berlin oder eine seiner Aufsicht unterstehende Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts mit mehr als 50% beteiligt sind, und ihre ständigen Stellvertreter aus ihrer beruflichen Funktion aus. Das Bundesverfassungsgericht legt die Vorschrift so aus, daß im Falle eines privatrechtsförmig organisierten Unternehmens sowohl das arbeitsrechtliche Beschäftigungsverhältnis als auch die gesellschaftsrechtliche Organstellung lediglich ruhen und nicht ipso iure beendigt sind.223 Diese Unterscheidung macht für die kompetentielle Qualifikation keinen wesentlichen Unterschied. Die Norm habe, so das Bundesverfassungsgericht, unmittelbare Auswirkungen auf die Organstellung eines Vorstandsmitglieds224 und auf dessen privatrechtliches Dienstverhältnis.225 Sie ist somit zwischen dem Landeswahl- und Landtagsabge221 So Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 341; Denecke, Mutterschutz und Jugendschutz, in: Bettermann / Nipperdey / Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. III / 1, S. 475 (489 f.). 222 BVerfGE 98, 145 ff.; vgl. JuS 2000, S. 84 ff. (Anm. von Sachs). 223 Davon war das LG ausgegangen. Die abweichende Auslegung war im Grunde verfassungsrechtlich geboten, da nach den §§ 28, 29 BerlAbgO für Beamten das Ruhen von deren Beamtenverhältnis angeordnet wird. 224 Kläger des Ausgangsverfahrens war das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft. 225 BVerfGE 98, 145 (157).

II. Kompetentielle Qualifikation

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ordnetenrecht einerseits und dem Gesellschafts- und Arbeitsrecht andererseits zuzuordnen. Wieder greift das Gericht auf die Kategorie der Teilregelungen zurück: „Die umfassende Regelung eines Zuständigkeitsbereichs kann Teilregelungen enthalten, die zwar einen anderen Kompetenzbereich berühren, die aber gleichwohl Teil der im übrigen geregelten Materie bleiben. Bei der Frage der Zuordnung solcher Teilregelungen zu einem Kompetenzbereich dürfen sie nicht aus ihrem Regelungszusammenhang gelöst und isoliert für sich betrachtet werden.“226 Weiter wird ausgeführt, daß von besonderem Gewicht die enge Verbindung mit dem Gegenstand der Gesamtregelung sei, es auf die enge Verzahnung mit der Gesamtregelung und dem „dementsprechend“ geringen eigenständigen Regelungsgehalt der Teilregelung ankomme.227 Das Gericht belegt seine Erfordernisse zur kompetentiellen Qualifikation von Teilregelungen mit der Entscheidung zum Kurzberichterstattungsrecht und dem Zusatz, es handele sich um eine ständige Rechtsprechung.228 Die schon zur Kurzberichterstattungs-Entscheidung angemeldete Kritik erscheint im vorliegenden Fall ebenso angebracht. Nicht die Summe der Normen aus Teilregelung und Gesamtregelung führt zu einer einheitlichen Zuordnung unter einen Kompetenztitel, sondern die einzelne „Teilregelung“, die ein vollständiges Gesetz ist, muß unter den Tatbestand der Kompetenzvorschrift subsumiert werden. Dabei kommt eine teleologische Auslegung mit Bezug auf die übrigen Regelungen in Betracht. Damit ist aber keineswegs gesagt, die kompetentielle Qualifikation der „Teilregelung“ folge der Gesamtregelung oder sei von diesen Regelungen abhängig. Da der Bundesgesetzgeber von den Materien des Gesellschafts- und des Arbeitsrechts229 erschöpfend Gebrauch gemacht hat, habe der Landesgesetzgeber auch nicht auf die in diesem Bereich bestehende konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zugreifen können. Die Ermächtigung des Art. 137 GG behandelt das Bundesverfassungsgericht nicht als Kompetenzgrundlage. Vielmehr gehöre das passive Wahlrecht zur Normierung des Landeswahl- und Landesabgeordnetenrechts und erfasse auch Vorschriften, die regeln, ob und wie das Land von dieser Ermächtigung Gebrauch macht. Das Gericht geht davon aus, daß im föderativen Bundesstaat die Verfassungsräume von Bund und Ländern nebeneinander liegen. Die Länder müßten ihren Verfassungsraum und damit das Verfassungs- und Staatsorganisationsrecht selbst ordnen und normieren.230 Dies gelte insbesondere für das Landeswahl- und Landesparlamentsrecht sowie das Statusrecht der Landtagsabgeordneten.231 Gemäß Bundesverfassungsgericht gibt es demnach aufgrund der „Verfassungsautonomie“ eigene Gesetzgebungskompetenzen. Dabei ist zu beachten, daß diese Herleitung der Gesetzgebungskompetenzen eben nicht nur Landesrecht 226 227 228 229 230 231

BVerfGE 98, 145 (158). Vgl. BVerfGE 98, 145 (158 f.). Unter Hinweis auf BVerfGE 97, 332 (341 f.), E 28, 119 (145) und E 42, 20 (35). Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 11 GG. BVerfGE 98, 145 (157); mit Verweis auf BVerfGE 96, 345 (368 f.). Mit Verweis auf BVerfGE 24, 300 (353); 38, 326 (377).

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C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz

im Rang von Verfassungsrecht betrifft. Dem entspricht es, wenn das Staatsorganisationsrecht auf der Ebene des einfachen Gesetzesrechts bisweilen als „materielles Verfassungsrecht“ bezeichnet wird.232 Die Norm, die zwar Bundeskompetenzen berühre und sogar bei Annahme des Mandats gesellschaftsrechtliche und privatrechtliche Rechtsfolgen unmittelbar eintreten lasse, enthalte nur eine Ausgestaltung des passiven Wahlrechts und habe keinen darüber hinausgehenden Regelungsgehalt. Sie sei eine „unselbständige Teilregelung“ des Landeswahl- und Landtagsabgeordnetenrechts. Das Bundesverfassungsgericht schließt aus, daß es sich um einen Übergriff in die gesellschafts- oder arbeitsrechtliche Kompetenzmaterie handelt, die nur unter den engen Voraussetzungen einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs zulässig sein könnte.233 Damit ist offenbar wiederum der formelgebundene bzw. kompetenzergänzende Sachzusammenhang gemeint. Es handelt sich allerdings – etwa in Bullingers Terminologie – um eine Spezialregelung kraft Sachzusammenhangs. Das bringt zum Ausdruck, daß der Bundesgesetzgeber nicht auch diese Inkompatibilitätsvorschrift hätte erlassen können, daß aber, wenn das Landesrecht sie nicht normiert hätte, auf die Situation zunächst das Bundesrecht Anwendung gefunden hätte. Dabei geht die Spezialität so weit, unmittelbar durch Gesetz Rechtswirkungen in dem anderen Kompetenzgebiet zu entfalten. Das unterscheidet die Konstellation von lediglich faktischen und mittelbaren Auswirkungen auf die fremde Kompetenzmaterie. d) Strafrecht und Bayerisches Schwangerenhilfeergänzungsgesetz (BVerfGE 98, 265) Einen Umbruch vollzog das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung zum Bayerischen Schwangerenhilfeergänzungsgesetz.234 Der Bundesgesetzgeber hatte innerhalb des Strafrechts die Strafandrohung für den Schwangerschaftsabbruch insofern zurückgenommen, als er eine Fristenlösung mit Beratungspflicht eingeführt hatte.235 Nach der Konzeption des Strafgesetzbuchs handelt die Schwangere in diesem Fall rechtswidrig, ohne strafbar zu sein. Das Bayerische Schwangerenhilfeergänzungsgesetz hat durch Regelungen im Bereich des Berufsrechts der Ärzte den Schutz des ungeborenen Lebens zu stärken versucht, indem es die Voraussetzungen für eine Abtreibung erschwerte. Es bezog sich nicht auf die Strafbarkeitsvoraussetzungen der abtreibungswilligen schwangeren Frau, sondern drohte dem eine Abtreibung vornehmenden Arzt berufsdisziplinarrechtliche FolVgl. Stern, Staatsrecht I, S. 72 f. BVerfGE 98, 145 (157). 234 BVerfGE 98, 265. Zur Frage, ob Grundrechtsschutz die Strafrechtskompetenz auslöst, s. u. D. V. 1. a). Zur Frage des Grundrechtsschutzes durch Verfahren s. u. D. V. 1. b) dd). 235 Vgl. § 218 a Abs. 4 S. 1 StGB. Die Abbtreibung ist für Schwangere und Arzt nach § 218 a Abs. 1 StGB sogar tatbestandslos, wenn sie nach Beratung innerhalb von zwölf Wochen seit Empfängnis vorgenommen wird. 232 233

II. Kompetentielle Qualifikation

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gen an. Diese kamen in Betracht, wenn er sich von der Frau nicht die Gründe ihrer Abtreibungsentscheidung offenlegen ließ oder wenn er die landesgesetzlich vorgesehene Einnahmequotierung überschritt. Das Bundesrecht selbst schreibt weder die Offenlegung des Abtreibungsmotivs vor dem behandelnden Arzt noch eine Einnahmequotierung vor. Das bundesgesetzliche Strafrecht sieht nur dann eine Strafbarkeit des Arztes vor, wenn er eine Schwangerschaft abbricht, ohne der Frau Gelegenheit gegeben zu haben, ihm die Gründe für ihr Verlangen nach Abbruch der Schwangerschaft darzulegen.236 Gibt er der Frau Gelegenheit und sie verweigert die Offenlegung von Gründen, macht sich der Arzt, wenn auch die übrigen Voraussetzungen vorliegen, nicht strafbar. Das bayerische Berufsrecht verschärfte also die Pflichten des Arztes. Ohne sich auf eine einzelne Norm des StGB zu beziehen, stellt das Bundesverfassungsgericht fest, die einzelnen Vorschriften eines Gesetzes dürften nicht isoliert betrachtet werden, ausschlaggebend sei vielmehr der Regelungszusammenhang. „Eine Teilregelung, die bei isolierter Betrachtung einer Materie zuzurechnen wäre, für die der Bundesgesetzgeber nicht zuständig ist, kann gleichwohl in seine Kompetenz fallen, wenn sie mit dem kompetenzbegründenden Schwerpunkt der Gesamtregelung derart eng verzahnt ist, daß sie als Teil dieser Gesamtregelung erscheint“.237 Dies stellt gegenüber den in Verweis genommenen Entscheidungen eine leichte Akzentverschiebung dar. Denn diese hatten entweder von einem unselbständigen Regelungsgehalt der „Teilregelung“ gesprochen oder eine „Betrachtung“ der Teilregelung in ihrem „Regelungszusammenhang“ eingefordert; neu ist nunmehr die Sichtweise, die „Teilregelung“ sei Teil der Gesamtregelung. Diese der kompetentiellen Qualifikation vorausgehende Zuordnung auf der einfachgesetzlichen Ebene, die dann im Verlauf der Begründung noch durch den Begriff des „Konzepts“ und des „Schutzkonzepts“ sprachlich zugespitzt wird, verleitet dazu, die Teilregelung nicht als einzelne Norm unter den Kompetenztitel zu subsumieren, sondern sie erst – aufgrund nicht streng kompetentieller Qualifikation – einer einfachgesetzlichen Gesamtregelung oder einem Konzept zuzuschlagen und dieses dann en bloc unter die Kompetenznorm zu subsumieren. Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Grundsätze über die kompetentielle Qualifikation von Teilregelungen ohne Bezug auf einzelne Gesetze vorangestellt hat, geht es auf „Annexkompetenz und Kompetenz kraft Sachzusammenhangs“ über, die in Betracht kämen, „wenn der Bund von einer ihm ausdrücklich eingeräumten Kompetenz nicht ohne Zugriff auf eine den Ländern zustehenden Materie sinnvoll Gebrauch machen kann“.238 Dabei bezieht sich das Gericht auf die Formel des Baurechtsgutachtens. Es schränkt die Inanspruchnahme dieser Kompetenz kraft Sachzusammenhangs ein: Der Bundesgesetzgeber dürfe nicht die gesamte § 218 c Abs. 1 Nr. 1 StGB. BVerfGE 98, 265 (299 ff.), mit Hinweis auf BVerfGE 97, 228 (251 f.) und E 97, 332 (341 f.). 238 BVerfGE 98, 265 (299). 236 237

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C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz

den Ländern vorbehaltene Materie an sich ziehen, sondern nur punktuell bzw. durch Einzelregelungen, „ohne die er seine ausdrücklich zugewiesene Kompetenz nicht sinnvoll nutzen könnte“.239 Das Bedürfnis nach bundeseinheitlicher Regelung genüge nicht, sondern zwischen der Wahrnehmung der ausdrücklich zugewiesenen Kompetenz und der punktuellen Inanspruchnahme der Landeskompetenz müsse ein „zwingender Konnex“ bestehen. Bei den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts drängt sich die Frage auf, ob die angesprochene Kompetenz kraft Sachzusammenhangs wirklich im Sinne des kompetenzergänzenden Sachzusammenhangs, der einen „echten“ Übergriff auf fremde Kompetenzmaterien bedeutet,240 gemeint ist. Da das Gericht den formelfreien Sachzusammenhang, der nur eine breite Auslegung eines Titel bezeichnet, nie unter diesen Begriff gefaßt hat, drängt sich diese Deutung auf. Dann wäre damit eine Regelung des Bundesgesetzgebers kompetentiell legitimiert, die für sich genommen – „isoliert betrachtet“ – einer Landeskompetenz zuzuordnen ist. Diesen Zweck verfolgt die Aneinanderreihung der Grundsätze zur kompetentiellen Qualifikation einer „Teilregelung“ zum einen und der gerade für eine punktuelle Regelung, sprich: Teilregelung, bestehenden Kompetenz kraft Sachzusammenhangs zum anderen.241 Nach Analyse der drei vorangehenden Entscheidungen läßt sich sagen, daß der Begriff der „Teilregelung“ bisher nicht im Sinne des formelhaften bzw. kompetenzergänzenden Sachzusammenhangs gebraucht wurde. Darin liegt der mit dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bewirkte methodische Umbruch. Der „zwingende Konnex“ ergibt sich aus der Schlüssigkeit des bundesgesetzgeberischen Konzepts, das dem Ausgleich zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der Frau und dem Schutz des ungeborenen Lebens dient. Allerdings wird ein Übergriff auf das Berufsrecht der Ärzte erst insoweit notwendig, als der strafrechtliche Schutz zugunsten einer mit Beratungspflicht kombinierten Fristenlösung zurückgenommen wird. Da der Gesetzgeber seiner grundrechtlichen Schutzpflicht („Untermaßverbot“)242 für das ungeborene Leben nachkommen muß, ist er für die Reduktion des strafrechtlichen Schutzes gleichsam auf ein Alternativkonzept verpflichtet: „Das Absehen von Strafe und die anderweitige Sicherstellung des gebotenen Lebensschutzes wurzeln in derselben Kompetenz und bedingen einander.“243 „Die Verzahnung unterschiedlicher Rechtsgebiete im Schutzkonzept verleiht dem Bund auch die Kompetenz, die nach diesem Konzept unerläßlichen Regelungen im ärztlichen Berufsrecht zu treffen, solange er damit die Länderkompetenz nicht ausBVerfGE 98, 265 (299). Siehe hierzu unten D. II. 3. a). 241 Dazu Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 128; Rozek, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 70 Rn. 53 in Fn. 295: Unklare Abschichtung zwischen kompetentieller Qualifikation und der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs. 242 Zu Recht ablehnend zur Unterscheidung von Untermaßverbot und Übermaßverbot zuletzt Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht, S. 323 ff. 243 BVerfGE 98, 265 (304). 239 240

II. Kompetentielle Qualifikation

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höhlt.“244 Diese Befugnis komme dem Bund kraft Sachzusammenhangs zu, weil er sie für die Erfüllung der ihm obliegenden Aufgabe benötige. Zwingend wird der Konnex erst durch die grundrechtliche Verpflichtung, für ein Minus an strafrechtlichem Grundrechtsschutz eine Kompensation vermittels Kontrolle und Pflichten an anderer Stelle zu schaffen. Das dem Bundesgesetzgeber unterstellte Konzept selbst wurzelt nicht in der Stamm-Materie des Strafrechts. Das Bundesverfassungsgericht stellt fest, das Konzept gehe davon aus, daß der Schutz des ungeborenen Lebens nur zusammen mit der Frau und mit anderen Berufsgruppen, nämlich den Ärzten und den Beratungsstellen, erreicht werden könne.245 Der Schutz durch strafrechtliche Repression hat das Verhalten der Frau nicht im Sinne des Lebensschutzes beeinflußt. Daher entfernt sich das Konzept vom Strafrecht. Es macht sich mit der Tendenz der Liberalisierung und der Stärkung der Eigenverantwortung nicht-strafrechtliche Motive zueigen. Man kann von diesem Konzept nicht auf eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs schließen, denn diese knüpft an Regelungen an, die innerhalb der Stamm-Materie liegen. Auch insofern bricht die Entscheidung des Gerichts mit der konventionellen Handhabung der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs. Sie ist wegen der mit ihren Maßstäben verbundenen Unvorhersehbarkeit der Kompetenzzuordnung abzulehnen. 6. Kompetenzauslegung als Abwägung Kompetenzen sollen Grenzen ziehen. Da Doppelkompetenzen dem Sinn und Zweck der Gesetzgebungskompetenzen widersprechen, ist ferner eine eindeutige Zuordnung zum Kompetenztitel geboten.246 Die Abgrenzungsfunktion der Kompetenzen scheint sich mit Abwägungsentscheidungen nicht zu vertragen. Der apodiktische Satz „Abwägung ist keine Abgrenzung“247 sollte auch für die Gesetzgebungskompetenzen Gehör finden. a) Das Überwiegen eines Sachzusammenhangs Die Feststellung einer dienenden Funktion, einer Hilfszuständigkeit und eines Annexes bedarf der Gewichtung im Verhältnis zu einer Hauptmaterie, einer Hauptzuständigkeit bzw. der Unterscheidung zwischen Sachtitel und Ordnungsgewalt. Daß diese Gewichtung nicht schon von der Verfassung definitiv determiniert wird, ergibt sich aus der Annahme, hier könne im Wege des Bedeutungswandels aus einer ehemals unselbständigen Materie eine selbständige werden.248 244 245 246 247 248

BVerfGE 98, 265 (303). BVerfGE 98, 265 (304). Vgl. etwa Rozek, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 70 Rn. 53. Vgl. Isensee, JZ 1999, S. 1113 (1114). Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (261 f. mit Fn. 90).

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C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz

Anscheinend wird eine Abwägung vorgenommen, wenn die kompetentielle Zuordnung vom „überwiegenden Sachzusammenhang“ abhängig gemacht wird. Denn, was überwiegt, läßt sich erst durch Abwägen feststellen. Anläßlich der Einordnung des Zeugnisverweigerungsrechts hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt: „Die Kriterien, nach denen sich die Zuordnung richtet, wenn eine sachliche Verknüpfung des Regelungsgegenstands mit den Materien verschiedener Gesetzgebungszuständigkeiten besteht, sind vom Bundesverfassungsgericht bereits früher bestimmt worden. Bei der Verjährung von Pressedelikten hat es auf die „wesensmäßige und historische Zugehörigkeit“ abgestellt (BVerfGE 7, 29 (40)). Diese Kriterien geben den Ausschlag auch hier. Danach gehört das strafprozessuale Aussageverweigerungsrecht von Angehörigen der Presse kompetenzrechtlich zum Bereich des gerichtlichen Verfahrens.“249 Die „wesensmäßige und historische Zugehörigkeit“ eines Reglungsgegenstands wird als Kriterium der Zuordnung bei mehrseitigen sachlichen Bezügen bezeichnet. Eine Abwägungsentscheidung erwähnt das Gericht trotz der Ambivalenz der zu subsumierenden Regelung nicht. Dies hat seinen Grund darin, daß ein nicht mehr zerlegbares Gesetz regelnd nur in die Materie einer einzigen Kompetenz eingreifen kann, sich mit dem Begriff der „Abwägung“ aber die Vorstellung verbindet, daß es ein Spektrum mehrerer zulässiger Abwägungsergebnisse gibt. Auch die vom Bundesverfassungsgericht vorgenommenen Unterscheidungen zwischen Haupt- und Nebenzweck, mittelbarer und unmittelbarer Wirkung, Kern und Randbereich, unmittelbarer Regelung und Regelungsreflex werden der Sache nach nicht anhand einer Abwägung, sondern durch den Gegensatz von Regelung und faktischer Wirkung vorgenommen. Die sachlichen Bezüge der strafprozessualen Regelung zum Presserecht sind nicht-regelnder Natur. Von den mehreren sachlichen Bezügen eines einzigen Gesetzes kann nur einer in Form einer Regelung bestehen. Die Kompetenzmaterien sind so auszulegen, daß diese Eindeutigkeit hergestellt werden kann. Wenn ein Gesetz regelnd in zwei verschiedene Kompetenzmaterien eingreift, handelt es sich um eine zerlegbare Norm. Erst wenn sie auf ihre nicht mehr zerlegbaren Bestandteile reduziert wurde, dürfen die einzelnen gesetzlichen Regelungen unter die Kompetenzvorschriften subsumiert werden. Durch dieses Gebot der der Subsumtion vorrangigen Zerlegung wird eine doppelte Zuordnung ausgeschlossen. b) Kompetenzabgrenzung nach Verhältnismäßigkeit Das Verhältnismäßigkeitsprinzip gehört zum Instrumentarium der Auslegungsmethodik, um Regel-Ausnahme-Verhältnisse im einzelnen zu justieren. Daher muß die Verhältnismäßigkeit grundsätzlich nicht als Rechtsprinzip in der Verfassung normiert sein, um auch im staatsinternen Bereich Anwendung zu finden. Aus der Normierung des der Verhältnismäßigkeit zugehörigen Teilelements der Erforder249

BVerfGE 36, 193 (203).

II. Kompetentielle Qualifikation

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lichkeit in Art. 72 Abs. 2 GG kann nicht darauf geschlossen werden, daß die Verhältnismäßigkeit an anderer Stelle bei der Kompetenzermittlung keine Rolle spielen darf.250 Jedoch könnte die Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 Abs. 2 GG als abschließende Ausgestaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gedeutet werden, die dessen Anwendung in anderen Konstellationen und mit anderen als den genannten Zwekken (Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet, Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse) verbietet. Auf der anderen Seite mag die Regel der Länderkompetenz in Art. 70 Abs. 1 GG der Ansatzpunkt sein, Bundeskompetenzen als Ausnahme zu werten und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz anzuwenden, so daß Bundesgesetze nur dann kraft Sachzusammenhangs auf die Ländermaterien übergreifen dürfen, wenn dieser Übergriff verhältnismäßig ist. Diese Technik setzt, in Stettners Worten, die äußere Systematik des Grundgesetzes, nämlich Art. 72 Abs. 2 GG, in der inneren Systematik fort.251 Damit wehrt er das Gegenargument ab, Art. 72 Abs. 2 GG sei in bezug auf die der Kompetenzabgrenzung dienende Verhältnismäßigkeit abschließend. Die Abgrenzung der Gesamtheit von Bundes- und Landeskompetenzen erfolgt demnach in eine Staffelung, die das Interesse der Länder an Autonomie berücksichtigt; die Verteilung der konkurrierenden Kompetenzen integriert die Erforderlichkeitsprüfung innerhalb ein und desselben Sachbereichs. Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips zur Auslegung der Kompetenztitel und insbesondere zur Beschränkung der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs ist jedoch abzulehnen. Zum einen läßt sich das Prinzip des Art. 72 Abs. 2 GG nicht auf die Auslegung des Wortlauts von Kompetenzmaterien übertragen. Art. 72 Abs. 2 GG stellt materiell-rechtliche Hürden für die Inanspruchnahme der Kompetenz durch den Bundesgesetzgeber auf, die dem Schutz der Länderautonomie dienen. Die Kompetenzmaterien stellen solche Hürden nicht auf. Auch die Ausschließlichkeit einer Landeskompetenz kann nicht mit Hinweis auf die Schutzbedürftigkeit der Länderautonomie gegen bundesgesetzliche Übergriffe im Sachzusammenhang immunisiert werden. Die Bindung des Sachzusammenhangs an die Grenzen der Auslegung der Bundeskompetenz ist Schutz genug. Schließlich setzt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit, etwa im Bereich der Grundrechte, an einer Konstellation an, in der innerhalb eines Schutzbereichs die grundrechtliche Freiheit die Regel und die Grundrechtsbeschränkung die Ausnahme sein soll. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis des Art. 70 Abs. 1 GG betrifft aber nicht einzelne Kompetenzmaterien, sondern den Gesamtbestand an Kompetenzmaterien. Innerhalb einer einzelnen Kompetenzmaterie gibt es kein Regel-Ausnahme-Verhältnis, so daß zu deren Auslegung auch nicht das Verhältnismäßigkeitsprinzip herangezogen werden kann.

250 251

Zu dieser Frage und zum Folgenden Stettner, Grundfragen, S. 397 f. Stettner, Grundfragen, S. 398.

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C. Die Auslegung von Kompetenz und Gesetz

c) Abwägung unter den Elementen der Auslegung Bei der Auslegung werden die Argumente auf die einzelnen Auslegungselemente verteilt: Grammatische, systematische, teleologische, historische und genetische Methode. Auch wenn dies immer wieder versucht wurde, läßt sich in abstracto keine Rangfolge unter den Methoden in der Weise herstellen, daß bei widersprüchlichen Auslegungsergebnissen das vorrangige Element den Ausschlag gibt.252 Es existiert nicht einmal eine quantifizierende Methode, durch die das Auslegungsergebnis den Vorzug erhält, das durch die Mehrzahl der Auslegungselemente erreicht wird. Eine Abwägung mag zwar zwischen den einzelnen Methoden und ihren Ergebnissen im Einzelfall stattfinden. Doch läßt sie sich nicht zu einem bei jeder Kompetenzauslegung zu beachtenden Prinzip verallgemeinern. d) Abwägung bei den Kompetenzausübungsschranken Am ehesten sind die Kompetenzausübungsschranken einer Kollisionslösung im Wege der Abwägung zugänglich. Das Gebot der Bundestreue und jenes der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung sind auf Vorrangregeln aus dem materiellen Verfassungsrecht angewiesen. Deswegen werden sie der Sache nach als Güterabwägung vorgenommen. Da es sich hierbei nicht mehr um die Auslegung der Gesetzgebungskompetenz handelt, soll erst im Zusammenhang mit den Kompetenzausübungsschranken auf diese Abwägung eingegangen werden.253

252 Vgl. Müller / Christensen, Juristische Methodik I, Rn. 440. Nicht die Methoden sind abstrakt gegeneinander zu gewichten, sondern auf die jeweiligen Auslegungsergebnisse kommt es an. 253 Siehe G. I. und G. II. 3. a), 4.

D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs I. Einordnung 1. Ableitung der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs Nur mit Hilfe der methodisch richtigen Ableitung läßt sich die Frage der rechtlichen Zulässigkeit von Gesetzgebungskompetenzen kraft Sachzusammenhangs klären.1 An der Zulässigkeit zumindest von faktischen Ausstrahlungswirkungen bestehen heute keine Zweifel mehr. Klärungsbedürftig geblieben sind der Umfang einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs und die richtige Auswahl derjenigen Kriterien, die die Grenzen einer solchen Kompetenz abstecken. Aus der methodischen Ableitung der Figur des Sachzusammenhangs könnten sich Folgerungen für die Beschaffenheit und Zulässigkeit derartiger Kriterien gewinnen lassen. Die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs wurde als stillschweigende und als ungeschriebene Kompetenz bezeichnet. Die Kennzeichnung als „ungeschrieben“ ging teils mit einer Verurteilung der betreffenden Bundeskompetenzen als unzulässig einher. Vor dem Hintergrund des Art. 70 Abs. 1 GG kann es nach dieser Auffassung keine ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes geben. Ungeschriebene Kompetenzen müssen Ländersache sein. Sachzusammenhang und Natur der Sache wurden in dieser Hinsicht unter demselben Etikett zusammengefaßt. Die Kompetenzen, die mit ihrer Hilfe gewonnen werden, galten in der früheren Ausdrucksweise als ungeschrieben. Die Strenge dieses die Unzulässigkeit aussprechenden Verdikts beruht auf einer zu stark vereinfachenden Dichotomie von ausdrücklich zugewiesenen und ungeschriebenen Kompetenzen.2 Die nicht „ausdrücklich“ zugewiesene Kompetenz ist nicht immer auch ungeschrieben. Sie kann – mit Hilfe des Sachzusammenhangs – dazwischen liegen und wegen ihrer größeren Nähe zur ausdrücklich zugewiesenen Kompetenz dieser zuzuordnen sein. Die daraus resultierende Kompetenz kraft Sachzusammenhangs wird mittels einer Interpretation aus dem geschriebenen Verfassungsrecht abgeleitet, so daß sie implicite geschriebenes Recht darstellt.3 Sie ist insofern mittelbar dem Bundesgesetzgeber zugewiesen, als die ausdrücklich aufgeführten Kompetenzen unmittelbare Zuweisungen sind. Sie ist eine „mitgeschriebene“ Kompetenz. Mit derselben Benennung wird auch die Kompetenz aus der 1 2 3

Vgl. Küchenhoff, Ausdrückliches, stillschweigendes und ungeschriebenes Recht, S. 17 ff. So zutreffend Klein, Die Bedeutung des Sachzusammenhangs, S. 70. Klein, Die Bedeutung des Sachzusammenhangs, S. 70 f.

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Natur der Sache versehen. Doch ist sie in einem ganz anderen Sinn mitgeschrieben. Derselbe Begriff wird damit für zwei gänzlich verschiedene Ableitungsmethoden verwandt. Welcher Weg führt von der ausdrücklich zugewiesenen Kompetenz zu einer ergänzenden, nicht ausdrücklich zugewiesenen Kompetenz, ohne daß die Grenze überschritten wird, die zwischen „mitgeschrieben“ und „ungeschrieben“ liegt? Die Rechtsgewinnung ist laut Küchenhoff in Auslegung und Rechtssatzergänzung zu unterscheiden.4 Zur letzteren gehören Ergänzung und Abänderung, sogenannte Gebotsberichtigung, positiver Rechtsvorschriften.5 Mittel zur Rechtssatzergänzung seien „die auf vorhandenen Rechtssätzen aufbauenden formallogischen Schlüsse der Analogie, der Induktion, e contrario, a maiore ad minus und vom Zweck auf die Mittel sowie die freie Rechtsfindung und in gewissem Sinne auch die ,Natur der Sache‘“.6 Hier zeigen sich Überschneidungen mit den Auslegungsmitteln, also grammatischer, logischer, systematischer, teleologischer, historischer, genetischer und komparativer Interpretation. Denn der Umkehrschluß, das argumentum a maiore ad minus und der Schluß vom Zweck auf die Mittel können sehr wohl Behelfe der Auslegung sein, ohne zu einem den Wortlaut überschreitenden Ergebnis zu führen. Diese Schlüsse können „unter den Auslegungsmitteln im Gewande der systematischen und teleologischen [Interpretation]“ erscheinen.7 Die Art des Schlußverfahrens ist aufgrund dessen kein ausreichendes Kriterium für die Zuordnung entweder zur Auslegung oder zur Rechtssatzergänzung. Daraus ergibt sich, daß – wenn der Wortlaut die Grenze zwischen beiden ist – die Mittel nicht daraufhin definiert sind, ob sie innerhalb des Wortlauts bleiben oder diesen verlassen. Der Schluß vom Zweck auf die Mittel ist nicht eo ipso Auslegungsmittel. Es verhält sich so, „daß mit Hilfe jener Schlüsse auch die der systematischen und teleologischen Interpretation gezogenen Grenzen überschritten und eine analoge Anwendung oder gar freie Rechtsfindung begründet werden können“8. Was der Inhalt des Wortlauts ist und wo dessen Grenze verläuft, geht nicht in der Anwendung formallogischer Schlüsse auf. Wenn auch die Bestimmung der Richtigkeit eines logischen Schlusses leichter fällt als die Auffindung der Grenzen des Wortlauts, darf dies nicht dazu verleiten, die Grenzen der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs ausschließlich an der Logik statt am Wortlaut zu orientieren. Ungeschriebene Bundeszuständigkeiten seien nach der Struktur des Gesetzes eng auszulegende Ausnahmen, stellt Maunz fest und zählt auch die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs dazu.9 Als Grund für die gebotene enge Auslegung führt er das Verbot einer Verfassungsdurchbrechung an (Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG), 4 5 6 7 8 9

Küchenhoff, DVBl. 1951, S. 617. Vgl. Küchenhoff, DVBl. 1951, S. 617, Fn. 77 m. w. N. Küchenhoff, DVBl. 1951, S. 617. Küchenhoff, DVBl. 1951, S. 617, Fn. 83. Küchenhoff, DVBl. 1951, S. 617 (618). Maunz, in: ders. / Dürig, GG, Art. 70 Rn. 48.

I. Einordnung

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das eine Verfassungsänderung durch ungeschriebenes Recht nicht weniger erfasse als eine solche durch geschriebenes einfaches Recht. Da alle Materien der Landesgesetzgebung auf irgendeine Weise mit denen der Bundeskompetenz zusammenhingen, könne der Sachzusammenhang dem Bund nahezu jedwede Kompetenz verschaffen.10 Die Frage ist, wieso Maunz bei der Charakterisierung als „ungeschrieben“ überhaupt noch eine wenn auch begrenzte und nur exzeptionelle Zulässigkeit duldet.11 Eine Lösung dieses Dilemmas wäre es, aus Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG Maßstäbe für die Voraussetzungen der ungeschriebenen Bundeszuständigkeiten abzuleiten, deren Einhaltung verhindert, diese Kompetenzen als Verfassungsdurchbrechung zu inkriminieren. Die Bestimmung hat folgenden klaren Gehalt: Keine Verfassungsänderung ohne Verfassungstextänderung.12 Verfassungsänderungen waren sowohl unter der Verfassung von 1871 als auch unter der Weimarer Reichsverfassung nach herrschender Meinung ohne Änderung des Verfassungstextes zulässig, wenn nur das ändernde Gesetz die für eine Verfassungsänderung erforderliche Mehrheit erhielt. Das Grundgesetz wendet sich ausdrücklich gegen diese Verfassungstradition. Die Vorschrift des Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG bringt deutlich zum Ausdruck, daß damit ein rechtliches Können beschrieben wird. Es gibt außerhalb des Verfassungstextes des Grundgesetzes kein wirksames Verfassungsrecht des Bundes, das im Rang dem im Grundgesetz geschriebenen Verfassungsrecht gleichsteht.13 Ein verändertes Verständnis einer Verfassungsbestimmung unterlegt der Verfassung einen neuen Sinn, ohne deren Text zu ändern. Dieser „Verfassungswandel“ verändert nicht die Verfassung, sondern konkretisiert die Offenheit ihrer Normen. Dabei kann eine Konkretisierung durchaus durch eine andere Konkretisierung abgelöst werden, ohne daß es sich schon um eine Verfassungsdurchbrechung im Sinne des Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG handelt.14 Wenn die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs Ergebnis einer Auslegung der grundgesetzlichen Kompetenznormen ist, liegt in ihrer Anwendung keine Änderung des Verfassungstextes. Die Auslegung mit Hilfe des Sachzusammenhangs Maunz, DÖV 1950, S. 643 (644). Gegen ungeschriebene Zuständigkeiten des Bundes Maunz, Deutsches Staatsrecht, 6. Aufl. 1957, S. 172 f., mit Hinweis auf Art. 79 Abs. 1 GG; ders., DÖV 1950, S. 643 (645 f.): Wenn damit neue Zuständigkeiten verliehen würden, handele es sich um unzulässige Verfassungsdurchbrechungen. 12 Maunz, in: ders. / Dürig, GG, Art. 79 Rn. 4. 13 Vgl. auch Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn. 14 mit Fn. 85, gegen das sogenannte Verfassungsgewohnheitsrecht. Siehe schon Lahm, Die ungeschriebenen Bundeszuständigkeiten, S. 97 u. 142. 14 Ebenso Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 79 Rn 13, in Fn. 82 Nachweise für die Ansicht, die bei einem gravierenden Verfassungswandel eine Pflicht zur Klarstellung durch den verfassungsändernden Gesetzgeber annimmt. Hain spricht nicht von der Wortlautgrenze, sondern nur von Konkretisierungen. 10 11

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

zieht dem Text die Grenzen, indem sie den Text ausschöpft. Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG wird nicht berührt. Die Problematik ist ein Spiegelbild der amerikanischen Diskussion, ob die „sweeping clause“15 deklaratorische oder konstitutive Bedeutung hat. Der Sachzusammenhang bildet keine eigene Kompetenzzuweisung neben den Art. 73, 74 und 75 GG, denn er ist keine „selbständige Rechtsquelle“.16 Er bildet ein Rechtserkenntnismittel, das so zu handhaben ist, daß der Verfassungstext nicht geändert wird. Für die Frage, welche Voraussetzungen dies im einzelnen gewährleisten können, gibt Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG nichts her. Zulässig ist eine Auslegung mit Hilfe des Sachzusammenhangs nur innerhalb der Grenzen der Auslegung. Dem entspricht es, wenn Figuren wie Sachzusammenhang, Annex und Natur der Sache als Umwege zu einem Auslegungsergebnis betrachtet werden, das schon durch eine „effizienzorientierte“ Kompetenzauslegung erreicht würde.17

2. Zulässigkeit Mit dem Baurechtsgutachten des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1954 waren die Grenzen der Zulässigkeit erstmals genauer, wenn auch – wie noch zu sehen sein wird – unzulässig weit beschrieben worden. Schon 1951 hatte Erich Küchenhoff sich ausführlich mit der Ableitungsfrage befaßt. Die Arbeit Hans-Hugo Kleins von 1960 erörterte die Zulässigkeit der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs umfassend. Damit wurde eine Lücke geschlossen, die sich nach der Studie Triepels aus dem Jahre 1908 aufgetan hatte. Die umfangreichen Kontrollmöglichkeiten des Bundesverfassungsgerichts ließen die Frage praktisch werden. Bundesgesetze können für verfassungswidrig und nichtig erklärt werden, weil sie die Grenzen des Sachzusammenhangs verlassen haben. Das Bundesverfassungsgericht hat im Baurechtsgutachten die für die weitere Rechtsprechung zentrale Formel für eine Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs geprägt: „Ein „sogenannter Sachzusammenhang“ könne eine Bundeskompetenz dann „stützen, wenn eine dem Bund ausdrücklich zugewiesene Materie verständigerweise nicht geregelt werden kann, ohne daß zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene Materie mitgeregelt wird, wenn also ein Übergreifen in nicht ausdrücklich zugewiesene Materien unerläßliche Voraussetzung ist für die Regelung einer der Bundesgesetzgebung zugewiesenen Materie“.18 Bloße 15 Das ist der polemisch gefärbte „Spitzname“ der necessary and proper clause in Art. I, § 8, Cl. 18 der US-Verfassung. 16 Klein, Die Bedeutung des Sachzusammenhangs, S. 65, Fn. 262. 17 So Stettner, Grundfragen, S. 408, mit Verweis auf BVerfGE 22, 180 (216). Die „Reibungslosigkeit“ wird allerdings stärker bei der Figur der Natur der Sache und im Zusammenhang mit den Verwaltungskompetenzen betont als bei einer Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs. 18 BVerfGE 3, 407 (421). Siehe oben C. II. 4.

I. Einordnung

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Zweckmäßigkeitserwägungen vermögen weder den Sachzusammenhang funktionell zu ersetzen, noch können sie einen Sachzusammenhang inhaltlich begründen. Zunächst fällt die Schwierigkeit auf, die Problematik in die richtigen Worte zu fassen. Auch die vom Sachzusammenhang erfaßte Regelung und der von dieser Regelung erfaßte Lebensbereich (Materie) sollen von der Bundeskompetenz gedeckt sein, an die der Sachzusammenhang anknüpft. Daher greift der Bundesgesetzgeber nach der Formel des Gerichts nicht in eine fremde Kompetenz über, sondern in eine ihm nicht ausdrücklich zugewiesene Materie. Erst vermittels der Figur des Sachzusammenhangs kann der Umfang der Bundeskompetenz festgestellt werden. Das „Übergreifen“ findet nicht zwischen Kompetenzen, sondern zwischen Materien statt, weil die Kompetenz weiter reicht als die in ihr ausdrücklich genannte Materie. Die Anwendbarkeit von Auslegungsmethoden muß nicht ausdrücklich durch das Recht, hier das Verfassungsrecht, geboten sein. Die Unzulänglichkeit des sprachlichen Ausdrucks legitimiert die Auslegung und deren Mittel. Ein Vergleich mit der US-amerikanischen Verfassung führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Existenz der necessary and proper clause19 als Bestandteil der US-amerikanischen Verfassung bedeutet nicht schon, daß die von ihr zugelassene Auslegungsmethode dieser Zulassung notwendig bedürfte. Dies zeigt der lange Streit um deren konstitutive oder deklaratorische20 Bedeutung mit dem Obsiegen der letzten Ansicht. Die Verfassung darf umgekehrt die Anwendung bestimmter Auslegungsmethoden auf ihren eigenen Text verbieten21. Das kann ausdrücklich geschehen oder sich aus der Auslegung anderer Verfassungsnormen ergeben. Schließlich können Verfassungsprinzipien für die Bevorzugung eines bestimmten Auslegungsmittels gegenüber anderen aus dem Kanon sprechen. Diese Bevorzugung kann geboten oder fakultativ sein. Hingegen geht es nicht an, aus Verfassungsprinzipien oder -normen, die zur Methodenfrage nur mittelbar Stellung nehmen, das Gebot herzuleiten, es gelte nur, was „ausdrücklich“ in der Verfassung steht. Denn eine solche (mittelbare) Ableitung wäre selbstwidersprüchlich. Deswegen kann aus Verfassungsprinzipien kein Verbot der einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs zugrunde liegenden Auslegungsmethode gefolgert werden. Aus den Art. 30 und 70 Abs. 1 GG zieht eine Ansicht den Schluß, die Bundeskompetenzen seien stets auf die ausdrücklich zugewiesenen Materien beschränkt.22 19 Art. I, § 8, Cl. 18 der US-Verfassung: „The Congress shall have Power . . . [t]o Make all Laws which shall be necessary and proper for carrying into Execution the foregoing Powers, and all other Powers vested by this Constitution in the Government of the Unitd States, or in any Department or Officer thereof.“ 20 So etwa Hamilton und Madison, in: Adams (Hrsg.), Die Federalist-Artikel, S. 183 ff., 270 – 278. 21 Vgl. Klein, Die Bedeutung des Sachzusammenhangs, S. 64. Doch gibt es Grenzen. 22 Maunz, Deutsches Staatsrecht, 7. Aufl. 1958, S. 178; Ringelmann, in: Bundesrecht und Bundesgesetzgebung (sogen. Weinheimer Bericht), S. 13 (25); Lahm, Die ungeschriebenen Bundeszuständigkeiten, S. 72, 91.

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Oder es wird ein Vergleich zwischen dem Wortlaut des Art. 30 GG und dem des Art. 70 Abs. 1 GG angestellt, aus dem folgen soll, Art. 70 Abs. 1 GG beschränke den Bund auf die Gesetzgebungskompetenzen der ihm ausdrücklich zugewiesenen Materien.23 Während Art. 30 GG die Länder für die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben für zuständig erklärt, „soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt“, haben nach Maßgabe des spezielleren Art. 70 Abs. 1 GG die Länder das Recht zur Gesetzgebung, „soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht“. Das Verb „verleihen“ klingt in diesem Vergleich wie „ausdrücklich verleihen“24 bzw. – um das Argument zu entkräften, daß, wer „ausdrücklich verleihen“ gemeint hätte, nicht nur „verleihen“ gesagt haben würde – wie „ausdrücklich zulassen“. Art. 83 GG wiederum formuliert: „Die Länder führen die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zuläßt.“ Der Gesetzesvollzug würde nach der oben genannten Deutung „stillschweigende Bundeszuständigkeiten“ erlauben, während diese im Bereich der Gesetzgebung ausgeschlossen wären. Ein derartiges Ergebnis mutet befremdlich an. Es steht mit der Systematik des grundgesetzlichen Föderalismus nicht in Einklang. Es ist nicht einzusehen, wieso Art. 83 GG, der dem Art. 30 GG nachgebildet ist, dem Bund mehr Kompetenzen gewähren sollte als Art. 70 Abs. 1 GG. Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 28. März 1849 enthielt in ihrem § 5 die Bestimmung, daß alle nicht ausdrücklich der Reichsgewalt übertragenen Rechte den Ländern verbleiben sollten. § 5 der nicht in Kraft getretenen Erfurter Unionsverfassung von 1850 bestimmte dasselbe. Bei der Beratung zur Verfassung des Norddeutschen Bundes wurde ein Antrag abgelehnt, der die Aufnahme dieser Klausel verlangt hatte.25 Allerdings geht daraus nicht unbedingt hervor, daß der Parlamentarische Rat eine bewußte Entscheidung gegen die Aufnahme des Wortes „ausdrücklich“ in den Art. 70 Abs. 1 GG getroffen hat.26 Die Verfassungen von 1871 und 1919 enthielten keine Vorschrift, die als Vorgänger der Grundgesetznorm bezeichnet werden kann.27 Die Wiederaufnahme einer solchen Vorschrift bedeutete daher eine weit entscheidendere Wegweisung als die Nichtnennung der adverbialen Einschränkung „ausdrücklich“. Denn obwohl Art. 70 Abs. 1 GG als eine überflüssige und ordnungstiftende Präambel zur erst folgenden Kompetenzverteilung gelesen werden kann, ist doch der mit ihm zum Ausdruck gebrachte Wille zur Disziplinierung und Limitierung der Bundeskompetenzen nicht zu übersehen. Die 23 Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 131 nit Fn. 174 f., der diese Auffassung aber ablehnt. 24 So Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 131. 25 Siehe Klein, Die Bedeutung des Sachzusammenhangs, S. 69; Triepel, Festgabe Laband, Bd. II, S. 247 (282 f.). 26 So aber Klein, Die Bedeutung des Sachzusammenhangs, S. 69 f., der noch auf die intensive Auseinandersetzung um Art. 3 BV in der Schweizer Verfassungsrechtslehre hinweist. 27 Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 1 ff.

I. Einordnung

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Vorschrift zieht dem Bund seine Grenzen. Möglicherweise stand den Abgeordneten im Parlamentarischen Rat nicht so sehr der Akzent auf der Ausdrücklichkeit vor Augen, weil sie die maßgebliche „Einschränkung“ schon durch die Vorschrift an sich sichergestellt wähnten. Unterstellt man dem Parlamentarischen Rat Kenntnisse um die beiden anderen großen bundesstaatlichen Verfassungen, die schweizerische sowie die US-amerikanische, und deren Wirkungen, so muß der Verzicht auf das besagte Wort doch mit einer Absicht verbunden gewesen sein. Dem Art. 70 Abs. 1 GG die Funktion einer Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Länder zuzuschreiben, hängt eng mit diesem Problem zusammen.28 Jedoch kann dies in keinem Fall bedeuten, daß die „Verfassungsinterpretation durch sie auf eine bloss philologisch-logische Auslegung beschränkt“ wird.29 Die restriktive Auslegung wurde als geboten angesehen, weil aus Art. 70 Abs. 1 GG folgen soll, daß die Bundeskompetenz die Ausnahme, die Kompetenz der Länder die Regel sei und Ausnahmevorschriften eng, also restriktiv ausgelegt werden müßten. Man kann mit gutem Grund bestreiten, daß die Regelungstechnik der Enumeration der Bundeskompetenzen wirklich ausreicht, von einer Ausnahme zu sprechen. Denn „soziologisch“30 betrachtet und am Umfang der jeweils durch die Kompetenzen von Bund und Ländern gedeckten Gesetzgebung gemessen ist die Bundeskompetenz die Regel. Selbst wenn nach der Regelungstechnik des Grundgesetzes die Bundeskompetenzen die Ausnahme sein sollen, gilt dies doch für die Summe der Bundeskompetenzen und nicht für jede einzelne Kompetenzmaterie, an die aber der Sachzusammenhang anknüpft. Ferner ist die Regel, Ausnahmevorschriften seien eng auszulegen, nicht absolut zu setzen und vielleicht nicht einmal im Kern richtig.31 Es ist unklar, was überhaupt eine restriktive Auslegung sein soll. Wenn restriktiv / eng einerseits und extensiv / weit andererseits Auslegungsmethoden kennzeichnen sollen, so ist dies nur denkbar, wenn man die Auslegung an ihrem Ergebnis mißt. Über die Art und Weise des Vorgehens bei der Auslegung ist damit noch nichts gesagt. Die Weite eines Auslegungsergebnisses mag auch aus einer streng methodischen Auslegung resultieren. Das teleologische Auslegungsmittel ist vielfach dafür verantwortlich, daß unter mehreren Auslegungsvarianten die weitere gewählt wird. Doch kann auf die Teleologie nicht vollständig verzichtet werden. Das folgt zum einen aus dem Umstand, daß jedes Auslegungsmittel, auch das grammatische oder logische, teleologische Elemente berücksichtigt: Keine Auslegung ohne Vorverständnis – und jedes Vorverständnis ist teleologisch. Zum anderen sind die vermeintlich „harten“ Auslegungsmittel wie das grammatische nur erste Stufen einer verfeinernden, konkretisierenden, zwischen Alternativen wäh28 So sieht es Klein, Die Bedeutung des Sachzusammenhangs, S. 72 ff., wenn er beide Probleme innerhalb eines Abschnitts behandelt. 29 Klein, Die Bedeutung des Sachzusammenhangs, S. 73. 30 So Klein, Die Bedeutung des Sachzusammenhangs, S. 75, m. w. N. 31 Vgl. Klein, Die Bedeutung des Sachzusammenhangs, S. 75, mit Nachweisen in Fn. 302, daß auch eine extensive Auslegung oder analoge Ausdehnung von Ausnahmerechtssätzen zulässig sein kann.

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

lenden Auslegung. Diese kann „kontinuierende Auslegung“ genannt werden.32 Des weiteren ist der Wortlaut nicht nur weit, sondern es ist sehr unwahrscheinlich, daß ihm überhaupt eine Grenzfunktion zukommt.33 Das Gebot restriktiver Auslegung könnte den Inhalt haben, eine primitive Ergebnisorientierung zu fordern: Ergibt sich aus der Auslegung eine weite und alternativ eine weniger weite Bundeskompetenz, so wäre nach diesem Verständnis von restriktiver Auslegung die letztere zu wählen. Dann handelt es sich jedoch nicht mehr um eine Auslegungsmethode, sondern um eine vorgeschriebene Auswahlentscheidung. Diese ist dem Art. 70 Abs. 1 GG nicht zu entnehmen.

II. Typen des Sachzusammenhangs Kriterienkataloge treten in den Hintergrund, wenn die Fallgruppenbildung dominiert. Wegen ihrer größeren Anschaulichkeit haben Fallgruppen für die Rechtsanwendung Vorteile. Die Heranziehung von Fallgruppen verrät eine Unsicherheit in der Ableitungsfrage. Gleichwohl kann nicht zwischen jede rechtliche Voraussetzung und die zu subsumierende Tatsache noch eine weitere abstrahierende Zwischenebene eingezogen werden. Sonst würde der Unterschied zwischen allgemeinem Gesetz und Einzelfall eingeebnet werden. Zuerst hat Triepel versucht, die stillschweigenden Reichszuständigkeiten in ein System zu bringen.34 Die Literatur zur Weimarer Reichsverfassung hat die Auslegung der Konsequenz als Methode akzeptiert.35 Eine systematisierende Aufschlüsselung einzelner Konstellationen, die unter diese Methode fallen, hat im Ansatz lediglich Grau unternommen. Mit dem Grundgesetz nimmt die Zahl dieser Typenbildungen zu. Küchenhoff hat damit im Jahr 1951, in dem auch das Bundesverfassungsgericht seine Arbeit aufnahm, begonnen. Hans-Hugo Klein hat Ableitung und Zulässigkeit der Kompetenzen kraft Sachzusammenhangs untersucht, ohne deren Erscheinungsformen innerhalb der Gesetzgebung näher zu differenzieren. Bullinger hat 1971 eine Analyse der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorgelegt, in der er eine Vierteilung vornahm. Der entscheidende Schritt war für ihn, die Figur des Sachzusammenhangs von der Formel des Bundesverfassungsgerichts zu trennen. Pestalozza hat 1972 Thesen zur kompetenzrechtlichen Qualifikation von Gesetzen im Bundesstaat entworfen und „Doppelkompetenzen“ von Bund und Ländern für möglich gehalten, weil sich manche Gesetze wegen ihrer vielfältigen Berührungspunkte und Zielrichtungen nicht immer nur einer einzigen Kompetenzmaterie zuordnen ließen.36 32 So Küchenhoff, Ausdrückliches, stillschweigendes und ungeschriebenes Recht, S. 48, der die kontinuierende bzw. fortsetzende Auslegung einerseits zur Analogie und andererseits aber auch zur philologisch-logischen Auslegung (S. 35) abgrenzt. 33 Dazu allg. Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze. 34 Siehe oben B. I. 2. 35 Vgl. B. II.

II. Typen des Sachzusammenhangs

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1. Erich Küchenhoff Küchenhoff hat sich ausführlich mit der Frage der Ableitung der ungeschriebenen Kompetenzen befaßt. Dabei betont er zu Recht den notwendigen Zusammenhang zwischen der Art der Ableitung von Kompetenzen und deren Zulässigkeit. Die Feingliederung der Kompetenzen kraft Sachzusammenhangs ergibt sich vor dem Hintergrund der noch legitimen Ableitung. Nach seiner Definition sind implied powers bzw. stillschweigende Bundeszuständigkeiten kraft Sachzusammenhangs solche „Bundeszuständigkeiten, die sich mit den Mitteln der (die rein philologisch-logische Auslegung aus Wortsinn und Begriffssinn) fortsetzenden oder kontinuierenden Auslegung aus den Bundeszuständigkeitsnormen des geschriebenen Rechts ableiten lassen. Sie sind damit abgegrenzt von den ausdrücklichen Bundeszuständigkeiten (express powers) als denjenigen Bundeszuständigkeiten, die sich bereits mit den Mitteln der rein philologisch-logischen Auslegung aus Wortsinn und Begriffssinn aus den Bundeszuständigkeitsnormen des geschriebenen Verfassungsrechts ergeben.“37 Küchenhoff orientiert sich an Grau, bei dem sich erste Ansätze fänden,38 und unterscheidet die Beispiele für Bundeszuständigkeiten kraft Sachzusammenhangs in drei Kategorien: (1) Zuständigkeit der Allseitigkeit der Zuständigkeitsausübung; (2) Zuständigkeit der Zuständigkeits-Überschneidung; (3) Zuständigkeit der Bundespflege. (1) Der Bundesgesetzgeber muß das ihm zugewiesene Kompetenzthema so allseitig bearbeiten können, wie es den Grundsätzen einer zweckmäßigen Gesetzgebung entspricht39. Küchenhoff übernimmt Graus Charakterisierung der allseitigen Behandlung in Darstellung und Begründung nahezu Wort für Wort. Der Bundesgesetzgeber müsse demnach, damit seine Gesetzgebung nicht unzweckmäßig und fragmentarisch ist, nicht jede einer besseren Ausgestaltung seines Gesetzgebungswerks dienende Regelung vermeiden, nur weil sie ein von den Ländern in Anspruch genommenes Zuständigkeitsgebiet berührt.40 Küchenhoff übt keine Kritik an der von ihm referierten Beschreibung Graus. Er ersetzt „Reichsgesetzgeber“ durch „Bundesgesetzgeber“ und „Reichszuständigkeit“ durch „Bundeszuständigkeit“. Den Ländern kommt die Allseitigkeits-Zuständigkeit wiederum nicht zugute. Zumindest finden sie nicht eigens Erwähnung. Die Allseitigkeits-Zuständigkeiten, sofern sie nicht zugleich Bundespflege- oder Überschneidungs-Zuständigkeiten sind, ließen sich im einzelnen danach differenPestalozza, DÖV 1972, S. 181 ff. Küchenhoff, Ausdrückliches, stillschweigendes und ungeschriebenes Recht, S. 48. 38 Küchenhoff, DVBl. 1951. S. 585 (587). 39 Küchenhoff, DVBl. 1951, S. 585 (587) mit Verweis auf Grau, Festschrift für Heinitz, S. 364, den er wörtlich wiederholt. 40 Küchenhoff, DVBl. 1951, S. 585 (588), der hier Grau zitiert, Festschrift für Heinitz, S. 363. 36 37

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

zieren, ob sie durch einen Schluß vom Zweck auf die Mittel oder mittels eines Schlusses a maiore ad minus abgeleitet werden41. Damit greift Küchenhoff eine Unterscheidung Triepels auf, mit der dieser verschiedene Verfahren einer Auslegung im Wege der Konsequenz exemplifiziert.42 (2) Die „Überschneidungszuständigkeit“ entsteht dadurch, daß die jeweiligen Gegenstände der ausdrücklich zugewiesenen Kompetenzen auf verschiedenen Ebenen liegen.43 Wenn sich infolge dessen die ausdrücklichen Bundeszuständigkeiten untereinander kreuzen, kann der Bund gesetzgeberisch auch auf Teilgebiete zugreifen, die ihm nach einer anderen Kompetenz verschlossen sind. Der Sache nach bringt Küchenhoff nichts Neues vor. Doch gelingt ihm eine Zuspitzung, die die Besonderheit dieser Fallgruppe akzentuiert: Eine Überschneidungskompetenz sei eine Bundeskompetenz, die im Verhältnis zu einer an dem einen Einteilungsgesichtspunkt ausgerichteten Kompetenz-Gruppe als ausdrücklich zugewiesene Kompetenz, im Verhältnis zu einer an dem anderen Einteilungsgesichtspunkt orientierten Kompetenz-Gruppe dagegen als ungeschriebene Bundeskompetenz erscheine.44 (3) Küchenhoff verselbständigt die Bundespflege-Kompetenzen zu einer eigenen Gruppe. Bei Grau dienten sie noch als Beispiel für einander kreuzende Kompetenzgesichtspunkte. Wie dieser teilt Küchenhoff die Bundespflegekompetenzen danach ein, ob sie ein Mittel der Bundespflege oder deren Zwecke bestimmen. Über ein Mittel definiert werden die Steuer-, die Straf-, Enteignungs- und Staatsvertragsgewalt. An dem Zweck orientieren sich die Kriegs- und die Diktaturgewalt sowie die sogenannte allgemeine Behauptungsgewalt. Diese letztere soll „der Beseitigung aller Hemmungen [dienen], die der Entfaltung der Ausübung“ von ausdrücklich zugewiesenen Bundeskompetenzen drohen. Nicht unter die Kompetenzen kraft Sachzusammenhangs rechnet Küchenhoff die ungeschriebenen Bundeszuständigkeiten kraft stillschweigender Voraussetzung.45 Beide seien lediglich eng verwandt. Unter Berufung auf Triepel erkennt er die Eigenart dieser Bestimmung des Kompetenzumfangs in der Tatsache, daß von der verfassungstextlich ausdrücklichen Kompetenz eines Bundesorgans auf eine nicht ausdrücklich zugewiesene Verbandskompetenz des Bundes geschlossen werden muß, weil diese notwendige Voraussetzung für jene ist.

Küchenhoff, DVBl. 1951, S. 585 (588). Triepel, Festgabe Laband, Bd. II, S. 247 (287 ff.). 43 Küchenhoff, DVBl. 1951, S. 585 (587), folgt auch hierin Grau, doch verdeutlicht er dessen Bemerkung, Festschrift Heinitz, S. 358 (360): „die Kompetenzgesichtspunkte, nach denen die einzelnen Zuständigkeiten des Reiches bestimmt sind, [sind] untereinander einteilungsmäßig völlig verschieden“. 44 Küchenhoff, DVBl. 1951, S. 585 (587). 45 Küchenhoff, DVBl. 1951, S. 585 (588). 41 42

II. Typen des Sachzusammenhangs

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2. Martin Bullinger Bullinger hat 1971 die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur „Zuständigkeit von Bund und Ländern kraft Sachzusammenhangs“46 untersucht.47 Er unterscheidet zunächst anhand der verfassungsrechtlichen Judikatur den formelhaften, den formelfreien und den unbenannten Sachzusammenhang. Der formelhafte Sachzusammenhang hat seinen Ursprung in der erstmals im Baurechtsgutachten aufgestellten Formel. Sie sei bisher ausnahmslos dazu verwandt worden, Bundesgesetzgebungskompetenzen abzulehnen.48 Unter der Bezeichnung des formelfreien Sachzusammenhangs faßt Bullinger diejenigen Fälle zusammen, in denen das Bundesverfassungsgericht eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs annahm, die Formel aber nicht erwähnt und im Verhältnis zu deren Voraussetzungen deutlich geringere Anforderungen stellt.49 Dazu gehörten auch die Annexkompetenzen,50 die das Gericht zwar bisweilen terminologisch vom Sachzusammenhang absetzt, aber dadurch keine Unterscheidung in der Sache herbeiführt. Der unbenannte Sachzusammenhang schließlich bezeichnet Fälle, die den Entscheidungen der Figur des Sachzusammenhangs bzw. Annexes gleichgelagert sind, bei denen diese Begriffe aber keine Erwähnung finden.51 In einer Feingliederung versucht Bullinger, die Erscheinungsformen der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs aus dem Material der verfassungsgerichtlichen Entscheidungen zu gruppieren.52 Dabei geht er von dem Befund aus, daß das Bundesverfassungsgericht unterschiedliche Anforderungen an das Vorliegen einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs stellt. Diese reichen von der Unerläßlichkeit des Sachzusammenhangs über dessen „bloße Notwendigkeit“ zum Überwiegen des Sachzusammenhangs und zum „einfachen sachlichen Zusammenhang“.53 Die offensichtliche Verschiedenheit der Voraussetzungen verlangt danach, sie verschiedenen Fallgruppen zuzuordnen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beweist, daß Defizite in der Beschreibung der Kompetenzkonstellationen mit Unsicherheiten in der Wahl der richtigerweise zu fordernden Voraussetzungen erkauft werden. Bullinger schwebt eine „Stufentheorie“ vor, deren einzelne Stufen sich aber nicht mit definitiver Strenge voneinander trennen ließen.54 Unterschieden werden:55 (1) Hilfszuständigkeiten für eine ihrer Art nach unselbständige Materie, 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55

Der Untertitel bezieht die Länder ausdrücklich ein. Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (241 ff.). So Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (242). Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (242). Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (243). Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (244). Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (260 ff.). Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (261). Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (261). Vgl. Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (261 ff.).

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

(2) die Kompetenz für untergeordnete Nebenzwecke, (3) die Kompetenz zur Spezialregelung und (4) die übergreifende Kompetenz für eine mit der Kompetenzmaterie eng verknüpfte andere Materie. (1) Zu der Kompetenz sind Hilfsfunktionen zu ziehen, die für sich genommen unselbständig sind. Ein Gesetz, das ausschließlich eine solche Hilfsfunktion ohne sachliche Anknüpfung regeln würde, wäre wenig sinnvoll. Diese Hilfsfunktionen sind „ihrer Art nach im allgemeinen unselbständig“.56 Manchmal bezeichnet das Bundesverfassungsgericht sie als Annexkompetenz.57 Sie haben eine dienende und untergeordnete Aufgabe. Als Beispiele nennt Bullinger aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts: Die „vorbereitende im Verhältnis zur rechtsverbindlichen Planung“;58 vorbereitende politische Willensbildung wie eine Volksbefragung;59 die Festsetzung von Gebühren für bestimmte Amtshandlungen.60 Allerdings sei es denkbar, daß eine bislang dienende Funktion infolge eines Wandels der Rechtsauffassung einen Bedeutungswandel erfahre, so daß sie ihrer nur untergeordneten Funktion gleichsam entwächst. (2) Die Kompetenz für untergeordnete Nebenzwecke deckt eine gesetzliche Regelung, die Aspekte anderer Kompetenzbereiche als desjenigen des jeweiligen Gesetzgebers berührt. Diese Aspekte müßten „als von nur untergeordneter Bedeutung und daher kompetenzmäßig irrelevant bewertet werden“.61 „Bloße Randerscheinungen rechtfertigen eine kompetenzrechtliche Aufspaltung des Rechtsgebiets nicht“.62 Fraglich ist, ob diese Nebenwirkungen zwangsläufig sein müssen und, gegebenenfalls, ob die Zwangsläufigkeit im Blick auf jede mögliche Kompetenzausübung oder gerade hinsichtlich des konkreten Gesetzes festzustellen ist. Das Bundesverfassungsgericht hat verlangt, die Randerscheinungen müßten zwangsläufig sein,63 ohne letztere Frage zu beantworten. Auch die landesgesetzliche Steuerpflicht von Bundesbehörden falle – als Nebenwirkung einer für alle geltenden Steuerpflicht – unter diese Kategorie.64 Wenn Landessteuergesetze „beliebige, außerhalb der Landeskompetenzen liegende, wie z. B. wirtschaftspolitische Zwecke als ,Nebenzwecke‘“ verfolgen, sieht Bullinger die „Grenze der kompetenzirrelevanten Nebenwirkungen [ . . . ] wohl erreicht oder sogar überschritten“.65 Derartige Übergriffe will er durch die Pflicht zur Bundes56 57 58 59 60 61 62 63 64 65

So sehr vorsichtig Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (261 f.). Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (262). BVerfGE 3, 407 (424 f.). BVerfGE 8, 104 (118 f.). BVerfGE 11, 192 (199). Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (263 f.). BVerfGE 28, 119 (145 f.). BVerfGE 15, 1 (22). BVerfGE 26, 281 (298 f.); Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (264). Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (264).

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treue vermieden wissen. Diese verlange ein „Mindestmaß an Rücksichtnahme auf die Kompetenzen des anderen politischen Gemeinwesens im Bundesstaat“.66 (3) Die Kompetenz zur Spezialregelung kann ebenfalls aus dem Sachzusammenhang abgeleitet werden. Sie gestattet es, „eine bestimmte Frage nach den besonderen Gegebenheiten und Erfordernissen der Kompetenzmaterie speziell zu ordnen, obwohl sie allgemein einer anderen Kompetenz unterfällt“.67 Die Spezialität ist mit dieser Definition nicht per se eine Formel für den Sachzusammenhang. Bullinger macht das deutlich, indem er diese Spezialitätsfrage als eine gewisse Konkretisierung des Sachzusammenhangs unter anderen Erscheinungsformen darstellt. Die Annahme, die Auslegungsregel lex specialis derogat legi generali sei im Verhältnis von Bundes- und Landesgesetz nicht anwendbar,68 steht einer Spezialität im Verhältnis von Bundes- und Landesgesetzgebungskompetenzen nicht entgegen. Denn es kann deswegen keine Spezialität eines Bundesgesetzes gegenüber einem Landesgesetz geben, weil die Auslegung der Gesetzgebungskompetenzen darauf angelegt ist, die Spezialitätsfrage auf der Kompetenzebene abschließend vorzuentscheiden. Die „Maßstäbe für das Überwiegen des Sachzusammenhangs, insbesondere die größere Sachnähe und der Gesichtspunkt des Schutzes der Landekompetenzen, [müssen] intensiver geprüft und in höherem Maße bedacht werden [ . . . ] als bei den beiden vorerörterten Typen der Hilfszuständigkeit und der untergeordneten Nebenzwecke“. Bullinger schlägt vor, das Erfordernis der Notwendigkeit des Sachzusammenhangs „besonders zu akzentuieren“.69 Die Notwendigkeit wird auf die „zweckentsprechende Durchführung der Kompetenz“ bezogen und nicht auf ein einzelnes gesetzgeberisches Konzept. Dieser besondere Schutz der Länderkompetenzen soll dadurch verwirklicht werden, daß die auf den Sachzusammenhang zu stützenden Spezialregelungen lediglich konkurrierende Kompetenzen des Bundes sein dürften.70 Dies soll selbst dann gelten, wenn die ausdrückliche Bundeskompetenz, an die angeknüpft wird, eine ausschließliche ist. Die Länder könnten unter diesen Voraussetzungen ihre „allgemeinen“ Gesetze auf die betreffenden Bereiche anwenden, solange bundesgesetzliche Spezialregelungen fehlen. Bullinger rechtfertigt seine Konstruktion mit einer Übertragung der Maßstäbe des Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG auf die Spezialregelung aufgrund einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs. Nach Maßgabe dieser Vorschrift hat der Bund die konkurrierende Gesetzgebung für das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 GG in Betracht kommt. Verzichtet der Bund auf eine Enteignungsregelung, kann das allgemeine Enteignungsrecht der Länder auch auf den Sachgebieten der Bundesgesetzgebung Anwendung finden. Das folgt nicht 66 67 68 69 70

Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (264). Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (264 f.). So Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 67 in Fn. 256. Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (266). Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (266).

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

nur aus der fehlenden Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG. Wenn die Materie Enteignungsrecht nämlich selbständig und nicht nur ein Annex ist, könnten allgemeine Enteignungsvorschriften von den Ländern auch auf ein in ausschließlicher Kompetenz des Bundes stehendes Sachgebiet angewandt werden. Bullingers Forderung wird schon über die Anwendung der allgemeinen methodischen Regeln erfüllt, ohne daß es eines Rückgriffs auf die Konstruktion des Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG bedürfte. Wenn ein Sachverhalt unter einem allgemeinen Gesichtspunkt geregelt ist und diese Regelung in die Kompetenz des Landesgesetzgebers fällt, findet die landesrechtliche Vorschrift selbstverständlich Anwendung. Die Tatsache, daß es noch eine speziellere – bereichsspezifische, sachangemessenere, problemnähere – Regelung geben könnte, die sich zudem aus einer Bundeskompetenz ergeben soll, steht der Geltung des Landesrechts nicht entgegen, solange es diese speziellere Norm noch nicht gibt. Die größere Zweckmäßigkeit der sachnäheren, aber bloß hypothetischen Regelung beeinflußt nicht die Kompetenz des „allgemeinen“ Gesetzgebers. Solange er nicht durch eine speziellere Regelung verdrängt wird, fällt die Regelung in seine Kompetenz. Die speziellere Regelung setzt sich gegenüber der allgemeinen erst durch ihr Wirksamwerden durch. (4) Die „übergreifende Kompetenz“ geht am weitesten. Sie liegt vor, wenn die Kompetenz für eine Materie auf eine andere Materie, die mit jener Materie „in der gesetzlichen Regelung oder der verwaltungsmäßigen Durchführung eng verknüpft ist, kraft Sachzusammenhangs [ . . . ] ganz oder teilweise übergreift“.71 Bullinger attestiert dem Bundesverfassungsgericht eine widersprüchliche Rechtsprechung im Blick auf die für diese Kompetenz zu fordernden Voraussetzungen. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Rundfunksendekompetenz aus der Fernmeldekompetenz abgeleitet werden kann, hat das Gericht die Formel der Unerläßlichkeit angewandt und dem Bund die Kompetenz abgesprochen;72 die Rundfunksendekompetenz könne hingegen aus der Bundeskompetenz für auswärtige Angelegenheiten folgen, ohne daß das Gericht für diese Ausweichmöglichkeit die Unerläßlichkeit thematisiert. Bullinger weist darauf hin, daß alternativ eine „Spezialregelung für Auslandssendungen der Landesrundfunkanstalten“ hätte erwogen werden müssen.73 Unklar bleibt, welche Änderung dieser Vorschlag bringen soll. Der Unterschied zwischen Spezialregelung und übergreifender Regelung ist kaum auszumachen. Das gilt sowohl für die zu erfüllenden Voraussetzungen als auch für die Reichweite der jeweils zulässigen Regelung. Bullinger selbst fordert für die Kompetenz zur Spezialregelung die Unerläßlichkeit der Regelung – nicht weniger scheint er für die übergreifende Kompetenz für erforderlich zu erachten.

71 72 73

Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (267). BVerfGE 12, 205 (241). Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (267).

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3. Christian Pestalozza Eine dezidiert eigene Auffassung vertritt Pestalozza, insofern er zum einen Doppelkompetenzen für zulässig hält und zum anderen die Formel des Baurechtsgutachtens als verfassungswidrig einstuft.74 a) Kompetenzergänzender und kompetenzbegründender Sachzusammenhang Zunächst unterscheidet er zwei Verwendungsweisen des Begriffs Sachzusammenhang, die als Kompetenzergänzung und Kompetenzbegründung bezeichnet werden.75 Der kompetenzergänzende Sachzusammenhang besteht darin, „daß eine vorhandene Kompetenz (Stamm-Kompetenz oder Stamm-Materie) durch einen Übergriff auf eine an sich verschlossene Kompetenz (Annex-Kompetenz oder Annex-Materie) ergänzt oder erweitert wird“.76 Die Bezeichnung als Annex soll nur die Unzugehörigkeit zur Stamm-Materie verdeutlichen und lehnt sich nicht an den bisherigen Gebrauch dieses Begriffs an.77 Die Zulässigkeit des Übergriffs werde mit der Formel aus dem Baurechtsgutachten78 umschrieben. Doch sieht Pestalozza in der Formel ein Phantom. Sie mache den Übergriff davon abhängig, daß er „verständigerweise“ Zusammengehörendes zusammenführt und „unerläßlich“ für eine sinnvolle Kompetenzwahrnehmung ist. Hier setzt seine Kritik an: Was unerläßlich für die Ausübung der Kompetenz ist, habe die Verfassung durch die Formulierung der Kompetenzbereiche vorgegeben. Was verständigerweise zusammengehört, wurde bei der Verfassunggebung bedacht. Sollte die Inanspruchnahme der ausdrücklich zugewiesenen Kompetenzen dennoch nicht sinnvoll ohne einen Übergriff möglich sein, sei eine Verfassungsänderung zu erwägen. Der kompetenzergänzende Sachzusammenhang sei verfassungswidrig.79 Ebenfalls zum kompetenzergänzenden Sachzusammenhang gehörten die vom Bundesverfassungsgericht so bezeichneten „Annexregelungen“ und „Annexkompetenzen“.80 Deren Vorliegen würde das Gericht einerseits nicht an den Voraussetzungen der Formel des Baurechtsgutachtens messen, andererseits würde es die betreffenden Bereiche als integrierende Bestandteile des jeweiligen Sachbereichs definieren, so daß nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts keine Kompetenzerweiterung vorliege.81 Siehe seine Ausführungen in: Grundgesetz, Art. 70 Rn. 109 bis 117. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 109. 76 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 110. 77 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 110 in Fn. 149. 78 BVerfGE 3, 407 (421). 79 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 22 und 111; so auch der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, siehe Bucher (Bearb.), Der Parlamentarische Rat 1948 – 1949. Akten und Protokolle, Bd. 2, S. 526 f. 80 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 112 und 117. 81 BVerfGE 3, 407 (433 f.); 8, 143 (149 f.); 28, 119 (146 – 149). 74 75

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Doch weist Pestalozza dem Gericht eine uneinheitliche Terminologie nach: Während in früheren Entscheidungen von der „Ordnungsgewalt“ als „Annex des Sachgebietes“ die Rede war, wird, zumal in zwei neueren Entscheidungen, von „Annexregelung“ und „Annexkompetenz“82 gesprochen oder man läßt den Begriff Annex einfach weg.83 Pestalozza lehnt diese Annexkompetenzen als Fälle des kompetenzergänzenden Sachzusammenhangs schon dem Grunde nach ab.84 Jedenfalls sind seiner Ansicht nach die unter den Annexkompetenzen zusammengefaßten Phänomene kein Grund, Voraussetzungen für ihre Verfassungsmäßigkeit zu konstruieren oder gar die Zulässigkeit eines kompetenzergänzenden Sachzusammenhangs auch für die üblicherweise mit Annex bezeichneten Übergriffe anzunehmen. Anders liegt es bei dem kompetenzbegründenden Sachzusammenhang. Dieser helfe, „eine Materie dem einen oder anderen Kompetenztitel zuzuordnen“.85 Es gehe um die Auslegung der ausdrücklich zugewiesenen Kompetenzen. Der kompetenzbegründende Sachzusammenhang ist laut Pestalozza nicht auf den Bund beschränkt, sondern kommt auch den Ländern zugute.86 Der Sachzusammenhang ist in dieser Variante ein „kompetenzintern“ wirkender Begründungstatbestand, der ein „Interpretationsmittel zur zweckgerechten und effektiven Entfaltung von Kompetenzmaterien“ an die Hand gibt.87 Da er die Kompetenz zu ermitteln hilft und sich der Mittel der Auslegung bedient bzw. selbst ein solches Auslegungsmittel ist, handele es sich um den „Normalfall der „Verleihung“ von Gesetzgebungskompetenzen durch ,dieses Grundgesetz‘“, wie es Art. 70 Abs. 1 GG für die Bundeskompetenzen verlangt. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts führt Pestalozza folgende Beispiele an: Die Kompetenz für das Presserecht umfasse „herkömmlich und kraft Sachzusammenhanges“ die Regelung der Verjährung von Pressedelikten.88 Die Verzahnung der Jugendfürsorge mit der Jugendpflege „in der praktischen Jugendarbeit“ ist der Grund dafür, unter öffentlicher Fürsorge auch JugendBVerfGE 22, 180 (210); 77, 288 (299); 88, 203 (331). BVerfGE 78, 374 (386 f.). 84 Irreführend ist seine Bemerkung, es handele sich auch bei den Annexkompetenzen der Sache nach um die Frage des kompetenzergänzenden Sachzusammenhangs, „dessen Voraussetzungen freilich über Gebühr reduziert werden“ (Grundgesetz, Art. 70 Rn. 117): Pestalozza hatte die Voraussetzungen des kompetenzergänzenden Sachzusammenhangs, jedenfalls für die nicht unter „Annexkompetenz“ abgehandelten Fälle, zwar anerkannt, aber doch so definiert, daß sie unerfüllbar waren, da sie dies nach seiner Ansicht sein müßten. 85 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 114 86 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 130. Das gilt auch für den kompetenzergänzenden Sachzusammenhang, sofern man diesen als zulässig erachtet. Vgl. zu den Voraussetzungen, die Pestalozza (hilfsweise, da gegen seine eigene Ansicht) an eine solche Zulässigkeit knüpft, ders., Grundgesetz, Art. 70 Rn. 113. 87 So Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 114 in Fn. 156: Darin stimmt er mit Stern, Staatsrecht II, S. 611, überein. 88 BVerfGE 7, 29 (43). 82 83

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pflege zu verstehen.89 Krankenversorgung und Seuchenbekämpfung weisen einen Sachzusammenhang mit dem Gesundheitswesen auf, der denjenigen mit der öffentlichen Fürsorge überwiegt.90 Das Bürgerliche Recht beinhalte die Regelung der Gebühren für Beurkundungen durch die Gerichte der Freiwilligen Gerichtsbarkeit.91 Pestalozza lehnt, wie gesehen, den kompetenzergänzenden Sachzusammenhang als verfassungswidrig ab. Angesichts der entgegenstehenden Gesetzgebungspraxis und verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung läßt er sich hilfsweise auf eine Kompromißformel ein. Die Zulässigkeit eines Übergriffs in eine andere, dem tätigen Gesetzgeber an sich verschlossene Materie sei jedenfalls nur dann zu befürworten, wenn drei Begrenzungen eingehalten würden:92 Der Übergriff sei dann nicht „unerläßlich“, wenn die Materie, in die übergegriffen werde, bereits von dem „eigentlich“ zuständigen Gesetzgeber geregelt worden sei. Dabei sei die inhaltliche Richtung der Regelung kompetenzirrelevant; der andere Gesetzgeber müsse sie hinnehmen. Zweitens sei ein Übergriff in die „natürliche“ Zuständigkeit des anderen Gesetzgebers ausnahmslos unzulässig. Natürliche Zuständigkeiten sind „solche, die von Natur aus, d. h. auch ohne positiv-rechtliche Grundlage, jemandem zukommen, weil sie schlechterdings von jemand anderem nicht wahrgenommen werden könnten.“93 Als dritte Voraussetzung verlangt Pestalozza, daß zugleich mit dem Übergriff auf die Annex-Materie die Stamm-Materie geregelt wird.94 Eine reine „Negativ-Gesetzgebung“ in dem Sinne, daß eine eigene Gesetzgebung des anderen Hoheitsverbandes in dem betreffenden Bereich gesperrt werden soll, ist demnach unzulässig. b) Die Bedeutung des Art. 31 GG für Doppelkompetenzen Pestalozzas Ablehnung des kompetenzergänzenden Sachzusammenhangs schlägt sich aufgrund der eher zum Übergriff tendierenden Bundesgesetzgebung im Ergebnis zugunsten der Länder nieder. Der von ihm vorgeschlagene Kompromiß baut auf Voraussetzungen, die weder den Bund noch die Länder benachteiligen. Sie sind strukturell nicht auf einen von beiden zugeschnitten. Der Gesamteindruck dieser Differenzierung des Sachzusammenhangs und der Konkretisierung des kompetenzergänzenden Sachzusammenhangs ist nicht zentralistisch, sondern länderfreundlich. Allerdings relativiert sich dieser Eindruck, wenn man Pestalozzas – im übrigen nicht in einem Verhältnis logisch zwingender Verbundenheit mit BVerfGE 22, 180 (212 f.). BVerfGE 88, 203 (330). 91 BVerfGE 11, 192 (199); vgl. dazu Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 167, der den Sachzusammenhang in diesem Fall für überflüssig hält. 92 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 113. 93 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 90. 94 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 113. 89 90

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den vorherigen Ausführungen stehende – Position zu Doppelkompetenzen von Bund und Ländern einbezieht. Er befürwortet die Zulässigkeit von Doppelkompetenzen im Bereich der Gesetzgebung.95 Da die Doppelkompetenzen solche Gesetze decken, die auf der Grenze zwischen Bundes- und Landeskompetenz liegen, stellt sich die Frage, warum nicht der Sachzusammenhang zur Vermeidung von Doppelkompetenzen beitragen können soll. Wenn es zu verschiedenen oder konfligierenden Regelungen von Bund und Ländern kommt, seien die jeweiligen auf einer Doppelkompetenz beruhenden Gesetze deswegen zwar nicht kompetenzwidrig, der Konflikt müsse aber über eine Anwendung des Art. 31 GG entschieden werden. Das Bundesgesetz setzt sich in diesen Fällen über den Geltungsvorrang des Art. 31 GG stets durch. Dieser Weg führt zur Benachteiligung der Länder, wenn die Doppelkompetenzen Fälle erfassen, in denen die Länder bei einer Anwendung der Grundsätze des kompetenzbegründenden Sachzusammenhangs selbst die Kompetenz in Anspruch nehmen dürften oder wenn der Bundesgesetzgeber bei einer exakten Kompetenzauslegung an der Hürde des Sachzusammenhangs scheitern würde. Theoretisch ließen sich Doppelkompetenzen und anschließend die Anwendung des Art. 31 GG auf zwei Konstellationen erstrecken: (1) Wenn sich die Kompetenz zur allgemeinen Regelung eines Gebiets mit derjenigen einer speziellen Regelung überlagert, sind die Gesetze aufgrund beider Kompetenzen auch nebeneinander kompetenzgemäß. (2) Bei ambivalenten Regelungen, deren kompetentielle Qualifikation sehr schwierig ist, wird auf eine eindeutige Zuordnung verzichtet. Im ersten Fall (1) stehen sich allgemeine und Spezialregelung verschiedener Gesetzgeber gegenüber. Das spezielle Bundesgesetz verdrängt nach der geschilderten Ansicht das allgemeine Landesgesetz aufgrund Art. 31 GG, wenn letzteres der Bundesregelung widerspricht. Gibt es keinen Widerspruch, bleibt die Landesregelung neben dem speziellen Bundesgesetz bestehen, da beide kompetenzgemäß sind. Die einem Bundesgesetz zur Seite stehende Vorrangwirkung des Art. 31 GG täuscht über den Umstand, daß es sich in Wirklichkeit bereits um eine Kompetenzfrage handelt. Dies ergibt sich gleichsam aus dem Gebot föderalistischer Symmetrie: Das spezielle Landesgesetz geht auch dem ihm widersprechenden allgemeinen Bundesgesetz vor. Dem Land steht keine Art. 31 GG entsprechende Kollisionsauflösungsregel zur Seite, sondern die „Spezialität“ seines Kompetenztitels gegenüber dem Kompetenztitel des Bundes. Die Kompetenz zur Spezialregelung ergibt sich aus der Spezialität der Kompetenz. Daher ist es richtig, daß der Rechtssatz lex specialis derogat legi generali zwischen Bundes- und Landesgesetzen nicht zur Anwendung kommt. Alle möglichen Kollisionsfälle, deren Auflösung durch diesen Satz bewerkstelligt würde, werden bereits bei der Subsumtion der Gesetze unter die verfassungsrechtlichen Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Land herausgefiltert. Bei der Ermittlung des richtigen Kompetenztitels findet der Satz lex specialis derogat legi generali sehr wohl Anwendung. Kraft der Spe95

Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 80.

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zialität des Kompetenztitels setzt sich mithin die speziellere Landesregelung durch. Die Spezialität greift nicht unbedingt erst bei Regelungswidersprüchen ein, sondern schon dann, wenn der spezielle Gesetzgeber eine abschließende Regelung getroffen hat. Es kann für die Beurteilung keinen Unterschied machen, ob die speziellere Regelung ein Bundes- oder ein Landesgesetz ist; in beiden Konstellationen geht es um die Spezialität eines Kompetenztitels gegenüber dem anderen. Die Besonderheit, daß die Kompetenztitel der Länder nicht einzeln im Grundgesetz aufgeführt werden, sondern sich gemäß Art. 70 Abs. 1 GG nach Abzug der Bundeskompetenzen ergeben, hindert weder daran, von Kompetenztiteln der Länder zu sprechen, noch, diesen gegenüber den geschriebenen Bundestiteln eine Spezialität einzuräumen. Pestalozza selbst erkennt in dem Zusammentreffen einer allgemeinen Regelung des einen Gesetzgebers mit einer kompetenzgemäßen spezielleren Regelung des anderen Gesetzgebers ebenfalls eine Frage, die durch die Kompetenzauslegung beantwortet werden muß.96 Da ein Gesetz nicht schon dann eine Materie regelt, wenn es diese nur irgendwie berührt, müßten derartige in bezug auf die nur berührten Materien lediglich „allgemeine“ Regelungen derjenigen Materie zugeordnet werden, mit Blick auf welche sie „Sonderrecht“ setzen.97 Ob es sich um Sonderrecht handelt, sei vermittels objektiver Kriterien zu bestimmen, die die Funktion der Regelung, in erster Linie ihren Zweck und ihre Wirkungen, herausstellen sollen.98 Ein Gesetz sei allgemein und damit kein Sonderrecht in bezug auf diejenigen Materien, die es nur so allgemein berührt wie ein Gesetz, das nach Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV allgemein ist. Pestalozza zieht hier eine Parallele zu einer Ausprägung des Gesetzvorbehalts. Damit bietet er eine Hilfskonstruktion an, die von ihm selbst als „Qualifikationstest“ bezeichnet wird.99 Da es sich bei der kompetentiellen Qualifikation eines Gesetzes um die Auslegung der Kompetenztitel bzw. die Subsumtion des Gesetzes unter einen Kompetenztitel handelt, kommt Art. 31 GG überhaupt nicht zur Anwendung. Bei Friktionen im Einzelfall könnten ja immer noch Kompetenzausübungsschranken wie die Bundestreue eingreifen.100 Deswegen gebe es auch grundsätzlich die (Landes-)Polizeipflicht von bundesrechtlichen Hoheitsträgern, die nur im Einzelfall und dann nicht aus Kompetenzgründen entfalle.101 Die Bundestreue korrigiert die Kompetenzzuordnung nur im Einzelfall, sie schafft keine Kompetenzgrenze auf derselben Abstraktionshöhe, auf der die Kriterien zur kompetentiellen Qualifikation angesie96 Vgl. Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (184 – 187), zur Auflösung der Kollision von allgemeinem und Sonderrecht. 97 Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (182 f.). 98 Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (183). 99 Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (184 und 186). 100 Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (187). 101 Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (187 mit Fn. 75, 183 f. mit Fn. 37).

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delt sind. Insofern könnte man sagen, die Kriterien für die Anwendung der Bundestreue als Kompetenzausübungsschranke müssen konkreter sein als die Kriterien der funktionalen Auslegung der Kompetenztitel. In anderen Fallgestaltungen (2) erkennt Pestalozza jedoch „wirkliche“ Kompetenzkollisionen, die sich nicht bis ins Letzte kompetenzrechtlich entscheiden ließen, weil Bundes- und Landesgesetz nicht in allgemeines und Sondergesetz eingeteilt werden könnten. Das sei der Fall, wenn es sich bei beiden Gesetzen um Sonderrecht handele.102 Dasselbe Gesetz regelt mehrere Materien sonderrechtlich, von denen die eine Materie dem Bund und die andere den Ländern kompetentiell zugewiesen ist.103 Die Folge sei eine Mehrfachqualifikation des Gesetzes bzw. als deren Ergebnis die Doppelkompetenz. Diese wiederum bilde die Voraussetzung einer Normkonkurrenz.104 Normkonkurrenz ist der Geltungsanspruch einer Bundes- und einer Landesnorm für denselben Lebenssachverhalt, ohne daß beide Geltungsansprüche miteinander vereinbart werden können. Es handelt sich um den dem Art. 31 GG zugrunde gelegten Tatbestand des Normwiderspruchs. Nach der hier und entgegen Pestalozza vertretenen Auffassung können solche Normwidersprüche nach einer exakten Auslegung der Kompetenzen nicht entstehen. Die Kompetenzen müssen so ausgelegt werden, daß die Gesetze ihnen eindeutig zugeordnet werden können. aa) Realkonkurrierendes Sonderrecht Pestalozza hingegen unterscheidet realkonkurrierendes von idealkonkurrierendem Sonderrecht. Im ersten Fall enthält ein Gesetzeswerk mehrere Normen, von denen eine die dem Gesetzgeber ausdrücklich zugewiesene Materie regelt, eine andere Norm auf ein dem Gesetzgeber an sich verschlossenes Gebiet übergreift. Die Regelungen sind dann entlang der unterschiedlichen Kompetenzen aufzuspalten und dem jeweiligen Kompetenzträger ausschließlich zuzuordnen.105 Das setzt eine Trennbarkeit der verschiedenen Regelungen voneinander voraus. Wenn eine Trennbarkeit besteht, ist nach Pestalozza trotzdem eine einheitliche kompetentielle Zuweisung geboten, wenn die eigene Regelung mit der fremden Materie harmonisiert oder angepaßt wird, sowie für Dispensationen.106 So seien „materielle Anpassungen“ beispielsweise für die gegenseitige Abstimmung von Aktien- und Gemeinderecht erlaubt,107 „soweit sie nicht ihrerseits die fremde Materie umstruktuPestalozza, DÖV 1972, S. 181 (187); vgl. insbesondere auch S. 190 in Fn. 109. Pestalozza, ebenda. 104 Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (190). 105 Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (187). 106 Pestalozza, ebenda. 107 Dazu Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (187 in Fn. 80); vgl. Rüfner, Formen der öffentlichen Verwaltung in der Wirtschaft, S. 192 f., 219; Püttner, Das Recht der kommunalen Energieversorgung, S. 26 f., 46, 80 ff.; ders., Die öffentlichen Unternehmen, S. 228 f., 321; Duden, ZRP 1972, S. 29 (30); BGHZ 36, 296 (304 ff.). 102 103

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rieren“ und damit modifizierend in eine dem jeweiligen Gesetzgeber an sich verschlossene Materie eingreifen.108 Der eigentlich zuständige Gesetzgeber bleibt demnach „Herr der Materie“. Er könne den anderen Gesetzgeber von ansonsten normierten Erfordernissen freistellen.109 Die Trennbarkeit bestimme sich nicht nach der Logik, denn diese setzt nach Pestalozza voraus, daß überhaupt nur eine Norm möglich ist – bei der „Realkonkurrenz“ existieren mindestens zwei Normen. Die Trennbarkeit müsse nach dem Gesichtspunkt der Praktikabilität beurteilt werden. Diese fußt auf der Verfassungswirklichkeit, daß Bund und Länder ihre Gesetzgebung nicht in jedem Punkt und widerspruchsfrei perfekt abstimmen und synchronisieren können und nicht einmal dazu verpflichtet sind.110 Pestalozza legt ausdrücklich Wert darauf, die „fragwürdige Kategorie“ des Sachzusammenhangs nicht mit der Trennbarkeit gleichzusetzen. Wendet man einen weiten Begriff des Sachzusammenhangs und seiner Erscheinungsformen an, wie es Bullinger vormacht, stellt sich die „Trennbarkeit“ der Teilregelungen als Kehrseite des Sachzusammenhangs dar: Wo eine Norm, die einen fremden Kompetenzbereich regelt, untrennbar mit einer Norm der StammMaterie verbunden ist, besteht eben auch ein Sachzusammenhang. Wenn die Trennbarkeit nicht der Logik unterworfen ist, sondern rechtlichen Wertungen und der Praktikabilität, so würde dies im selben Maße auch auf den Sachzusammenhang zutreffen. Pestalozzas Ansatz zugrunde gelegt, besteht eine Harmonisierungskompetenz, weil es weitgehend keine Abstimmungs- bzw. Anpassungspflicht geben soll. Übermäßigen Anmaßungen des Gesetzgebers würden durch das Kriterium der Trennbarkeit und die Kompetenzausübungsschranken Grenzen gezogen. Ansonsten drohe ein Wettlauf der Sonderrechts-Gesetzgeber, da der schnellere Gesetzgeber sich den regelnden Zugriff auf eine fremde Materie sichere und so die sonderrechtliche Regelung desselben Gegenstands durch den anderen Gesetzgeber ausschließe.111 Wenn zum Beispiel die Landesgesetzgebung im Gemeinderecht keine aktienrechtlichen Sonderregelungen für kommunale Unternehmen bereithielte, bliebe der Bund als Aktienrechtsgesetzgeber kompetent, allgemeine, auch für kommunale Unternehmen geltende Regeln zu schaffen. Für von den allgemeinen Regeln abweichende Sonderregelungen des Aktienrechtsgesetzgebers in bezug auf kommunale Unternehmen muß wiederum eine Untrennbarkeit der aktienrechtlichen Bestimmungen mit dem Kommunalrecht nachgewiesen werden. Pestalozza hält dies für ebenso möglich wie den umgekehrten Fall, daß der Kommunalrechtsgesetzgeber den Nachweis der Untrennbarkeit seiner Materie mit aktienrechtlichen Bestimmungen führen kann. Dies würde in der Tat zu einem Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (187). Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (187 f.); a. A. Stern / Bethge, Öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Rundfunk, S. 19 ff., 23 f.; vgl. auch BVerfGE 24, 367 (386 f.). 110 So Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (187 f.). 111 Vgl. Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (188). 108 109

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Wettlauf der Gesetzgeber führen, so daß das frühere Gesetz den nicht tätig gewordenen Gesetzgeber seiner Kompetenz berauben würde. Die Kompetenz wäre nicht im vorhinein festgelegt, sondern hinge von der Geschwindigkeit des einfachen Gesetzgebers ab. Diese Konstellation erinnert an die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis des Bundes gemäß Art. 72 Abs. 1 GG. Das Land kann eine Kompetenz nur dann wirksam ausüben, wenn es dem Bund zuvorkommt. Art. 72 Abs. 1 GG bezieht sich allerdings nur auf das Gebrauchmachen von einem einzigen Kompetenztitel. bb) Idealkonkurrierendes Sonderrecht Bei dem von Pestalozza so genannten idealkonkurrierenden Sonderrecht handelt es sich um eine einzige Norm, die sonderrechtlich sowohl in eine Bundesals auch in eine Ländermaterie eingreift. Diese Regelung ist gleichsam „ambivalent“.112 Man könnte auch – anders als Pestalozza – von einem gleich starken Sachzusammenhang je zur Bundes- und zur Landesmaterie sprechen. Derartige Regelungen beruhten auf Doppelkompetenzen und produzierten eine Normkonkurrenz, die über Art. 31 GG aufgelöst werden müßte.113 Der von Pestalozza genannte Fall der aktienrechtlichen Sonderregelung für kommunale Gesellschafter oder der kommunalrechtlichen Sonderregelung für das Aktienrecht ist entgegen seiner Auffassung ebenso hier einzuordnen wie die gesetzlichen Dispensationen im übrigen. Oft träten diese ambivalenten Regelungen zwischen Kompetenzmaterien auf, von denen die eine nach dem Objekt und die andere nach dem Modus der gesetzlichen Regelung bestimmt sei:114 Die Filmförderung läßt sich aufspalten in Förderung und Film. Die Förderung, der Modus der Regelung, unterfalle dem Titel für „Recht der Wirtschaft“,115 während der Film, als Objekt der Regelung, ein Kulturgut sei und damit der Kulturkompetenz der Länder zugerechnet werden müsse.116 Pestalozza widerspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, daß der Modus die kompetentielle Zuordnung des Objekts „regiert“117 – Förderung ist Pestalozza zufolge wirtschaftlich, die inhaltlichen Aspekte verbleiben der Regelung des dafür zuständigen Gesetzgebers. 112 Vgl. Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (188 und die dort in Fn. 85 aufgeführten Stimmen aus der Literatur). 113 Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (189 f.). 114 Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (189). 115 Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG. 116 Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (189). 117 Vgl. BVerfGE 12, 205 (225 ff.) für die Aufteilung des Rundfunks in sendetechnische und publizistische Aspekte; BVerfGE 22, 180 (215 ff.) zur Förderung auf dem Gebiet der Jugendhilfe durch die Bundesregierung – betrifft nur die Frage, ob der Bund eine Verwaltungskompetenz hat. Aus dem Kontext ergibt sich, daß das BVerfG nicht an einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Förderung der Jugendhilfe zweifelt.

II. Typen des Sachzusammenhangs

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Auch zwischen Kompetenzen, die nicht schon strukturell voneinander verschieden sind, gebe es ambivalente Regelungen: Ein Gesetz über Einzelheiten des Werbefernsehens der Rundfunkanstalten stehe zwischen Wirtschafts- und Rundfunkrecht; das Waffenrecht bewege sich zwischen Polizei- und Gewerberecht; ein Gesetz über Parteianzeigen in Zeitungen betreffe Presse- und Parteienrecht; die bundesgesetzliche Regelung von Teilaspekten des Rundfunkprogramms dürfe Bezug zu Parteienrecht, Urheberrecht, internationaler Verbrechensbekämpfung, Verteidigung und Schutz der Zivilbevölkerung, Straßenverkehr, Schiffahrt und Wetterdienst haben118 und treffe gleichermaßen mit dem Rundfunkrecht der Länder zusammen.119 Die Lösung soll die Anwendung des Art. 31 GG sein. Aus mehreren Gründen ist dieser Vorschlag Pestalozzas abzulehnen. Die Vorschrift geht von „Bundesrecht“ und „Landesrecht“ aus. Darunter sind jeweils kompetenzgemäße Normen zu verstehen.120 Aus der angeordneten Rechtsfolge „bricht“ wird ferner eine Kollisionslage zwischen Bundes- und Landesnorm als Erfordernis abgeleitet. Die beiden Gesetze müssen denselben Tatbestand regeln und an diesen einander widersprechende Rechtsfolgen knüpfen.121 Bei Unterschiedlichkeit in den Rechtsfolgenanordnungen ohne eine Unvereinbarkeit – sei diese letztere nun nach dem „Befolgungstest“ oder dem „Verletzungstest“ zu ermitteln122 – besteht keine Kollisionslage im Sinne des Art. 31 GG.123 Die Innehabung einer Kompetenz schließt den anderen Hoheitsträger grundsätzlich schon mit Regelungen aus, bevor es zu einer Unvereinbarkeit der Rechtsfolgen dieser Regelungen kommen kann. Denn der Gegenstand der Gesetzgebung ist ein bestimmtes Sach- oder Rechtsgebiet, das dem zuständigen Gesetzgeber zur alleinigen Bearbeitung anvertraut wird. Art. 31 GG findet auf ein Zusammentreffen von Bundes- und Landesrecht keine Anwendung, wenn die Normen jeweils unterschiedliche Regelungsgegenstände haben oder verschiedene Normadressaten ansprechen.124 So BVerfGE 12, 205 (240 f.). Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (189). 120 März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 31 Rn. 30 bzw. 38. 121 März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 31 Rn. 40 sowie zu den Einzelheiten Rn. 41 f. 122 März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 31 Rn. 41. Der Befolgungstest fragt danach, ob es dem Normadressaten möglich ist, zugleich mit Befolgung der einen Norm auch noch die andere Norm zu befolgen. Der sogenannte Verletzungstest ändert die Blickrichtung: „Impliziert die Befolgung einer der beiden Normen [ . . . ] die Verletzung der jeweils anderen Norm?“ In der unterschiedlichen Konkretisierung der Kollisionslage wiederholt sich der Dualismus der Kriterien, die bei Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung und sogar zum Teil beim Sachzusammenhang angewandt werden: Bei jener wird auf den Regelungsadressaten oder die Divergenz der Konzepte abgestellt; beim Sachzusammenhang werden der Grundrechtsschutz und die Geschlossenheit des diesem dienenden gesetzgeberischen Konzepts zum Kriterium für den Umfang der Kompetenz (vgl. BVerfGE 98, 265). 123 März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 31 Rn. 42. 124 März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 31 Rn. 42 mit Fn. 57 bezüglich verschiedener Regelungsgegenstände: BVerfG, NJW 1996, 2497 (2498); BVerfGE 98, 145 118 119

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Art. 31 GG normiert, daß Bundesrecht das Landesrecht bricht. Darin wird die Wirkung eines Geltungsvorrangs gesehen. Das Landesgesetz ist insoweit nichtig und nicht nur nicht anwendbar. Es lebt bei Fortfall des vorgehenden Bundesrechts nicht wieder auf. Anders sieht Pestalozza die Folgen bei der Anwendung des Art. 31 GG auf Doppelkompetenzen. Das Sonderrecht der Länder werde durch das Bundessonderrecht suspendiert und lebe bei Wegfall der bundesrechtlichen Sperre wieder auf.125 Art. 31 GG wird insofern nicht mehr „angewandt“. Sowohl im Tatbestand als auch in der Rechtsfolge muß Pestalozza von Art. 31 GG abweichen, so daß es sich auch nicht mehr um eine analoge Anwendung der Vorschrift oder eine Zugrundelegung ihres Rechtsgedankens handeln kann. Die Annahme von Doppelkompetenzen ist meines Erachtens verfehlt.126 Sie beruht darauf, daß bei ambivalenten Regelungen die Auslegung des Kompetenztitels frühzeitig abgebrochen wird, ohne zu einer eindeutigen Zuordnung zu kommen. Pestalozza nimmt dies für Fälle an, in denen es nahezu unmöglich ist, den Schwerpunkt einer Regelung zu ermitteln. Dann wird keine Bundeskompetenz kraft Sachzusammenhangs festgestellt, das Bundesgesetz würde aber entgegenstehende Landesgesetze über Art. 31 GG verdrängen. Es ist nicht einzusehen, wieso es einfacher sein soll, festzustellen, wann es unmöglich ist, den einen Sachzusammenhang begründenden Schwerpunkt zu ermitteln, als diesen mit einem filigraneren Auslegungsinstrumentarium zu fixieren. Denn eine Grenzziehung ist ohnehin notwendig, da ansonsten der Art. 31 GG in den Bereich der Kompetenzermittlung eindringt, die er doch voraussetzt. Ferner ist die Auslegung nicht schon rechtlich unmöglich, wenn sie sachlich schwierig ist. Die Kompliziertheit der Verfassungsauslegung ist gerade der Grund für die Beliebtheit des Begriffs „Konkretisierung“, um die schöpferischen Anteile der Auslegung in Worte zu fassen. Ein Verzicht auf die Mittel der Auslegung wird auch in der methodischen Literatur nicht verlangt. Schließlich verstößt die Vorgehensweise Pestalozzas gegen die Vermutungswirkung des Art. 70 Abs. 1 GG in ihrer engsten und zulässigen Bedeutung, die sich in einer Darlegungslast des Bundes für die seine Gesetzgebungskompetenz begründenden Umstände auswirkt. Diese Darlegungslast wird nach der hier vertretenen Ansicht entwertet, wenn man Art. 31 GG der Sache nach zu einer Zweifelsregelung zugunsten der Bundeskompetenz umfunktioniert.

(159 f.) – Zusammentreffen von Aktiengesetz und Landeswahlrecht; BVerwG, NJW 1994, 1888 – Zusammentreffen von Sozialversicherungsrecht und berufsständischem Landesrecht; OVG MV, NJW 1998, S. 175 (177) – Zusammentreffen von Insolvenzrecht und Gefahrenabwehrrecht der Länder; mit Fn. 60 für unterschiedliche Adressaten z. B. bei der Rahmengesetzgebung. 125 Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (190). 126 Ablehnend zum idealkonkurrierenden Sonderrecht auch März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 31 Rn. 61 f.

III. Spezialitätsverhältnisse

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4. Zusammenfassung Überblickt man die vorhandenen Systematisierungsversuche, ergibt sich folgendes Bild: Faktische Auswirkungen einer gesetzlichen Regelung werden nach allgemeiner Auffassung als kompetenzirrelevant beiseite gelassen. „Sonderrecht“ im Gebiete einer fremden Kompetenzmaterie muß hingegen durch eine Auslegung der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs gerechtfertigt werden. Hierbei verdrängt die spezielle Kompetenznorm die generelle. Die Formel des Baurechtsgutachtens wird von einigen Autoren (u. a. Pestalozza) zu Recht abgelehnt. Der von ihr vorgesehene Fall wäre eine verfassungswidrige Kompetenzerweiterung.

III. Spezialitätsverhältnisse Die hauptsächliche Erscheinungsform der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs stützt sich auf die Spezialität von Kompetenztiteln. Ambivalente Regelungen wie die Verjährung von Pressedelikten oder Sondervorschriften für Kommunen als Gesellschafter einer Aktiengesellschaft lassen sich erst durch eine verfeinerte Abgrenzung zwischen den Kompetenzmaterien Straf- bzw. Strafverfahrensrecht und Presserecht oder zwischen Kommunalrecht und Gesellschaftsrecht eindeutig zuordnen. Diese Spezialität läßt sich nicht an einem einzelnen Tatbestandsmerkmal des Kompetenztitels als solchem festmachen. Kriterien für eine Spezialität können grundsätzlich auch aus systematischen Überlegungen folgen. Fraglich ist, ob die Gesetzgebungskompetenzen dafür einen Ansatz bieten.

1. Kompetenzart als Argument für Spezialität Spezialität kann nach dem Auslegungsprinzip lex specialis derogat legi generali die Verdrängung der generellen durch die spezielle Norm bewirken. Eine Norm ist spezieller als eine andere, wenn sie, ohne daß eine von beiden ranghöher als die andere ist, in ihrem Tatbestand „alle Merkmale der allgemeineren Norm und darüber hinaus noch mindestens ein zusätzliches Merkmal enthält“.127 Selbst wenn das zutrifft, führt dies nicht jedenfalls zur Verdrängung der allgemeineren Norm, wenn nur die Rechtsfolgen beider Normen miteinander zu vereinbaren sind. Es kommt dann darauf an, ob die Rechtsfolgen der spezielleren Norm diejenigen der allgemeineren Norm ergänzen oder verdrängen sollen.128 Dies ist wiederum durch Auslegung zu ermitteln; ein logischer Widerspruch zwischen beiden Normen ist nicht der einzig mögliche Fall, in dem eine Verdrängung angenommen werden kann. Folglich ergibt sich die Spezialität aus dem Tatbestand, die Derogations-Wirkung aber aus dem Verhältnis der Rechtsfolgen beider Normen. 127 128

Larenz / Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 88. Larenz / Canaris, ebenda.

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Die Entscheidung zwischen Bundes- und Landeskompetenz ist notwendig, da die Annahme einer Doppelkompetenz von Bund und Ländern nicht mit Art. 70 Abs. 1 GG vereinbar ist. Die Rechtsfolgen schließen sich daher gegenseitig aus, so daß die Feststellung einer Spezialität auch zur Derogations-Wirkung führt. Bei zwei oder mehreren in Frage stehenden Bundeskompetenzen ist die Lage nicht so einfach zu entscheiden. Wenn sowohl eine Kompetenz zur konkurrierenden Gesetzgebung als auch eine solche zur ausschließlichen Kompetenz des Bundes in Betracht kommt, ist zu überlegen, ob der Bund nicht auf eine von beiden zu verweisen ist. Die für die bundesrechtliche Inanspruchnahme einer konkurrierenden Kompetenz im Verhältnis zur ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz erhöhten Anforderungen des Art. 72 Abs. 2 GG könnten ihrerseits als zusätzliches Merkmal zu begreifen sein, das eine konkurrierende Kompetenz immer spezieller macht als eine ausschließliche. Indes setzt Art. 72 Abs. 2 GG bereits die Zuordnung zu einer Kompetenzmaterie voraus, was sich daran zeigt, daß die Vorschrift auf das Gesetzgebungsrecht „in diesem Bereich“ verweist. Sie kann daher nicht noch als kompetenzverteilende Vorschrift oder auch nur als Argument für die Entscheidung über die Konkurrenz zu Titeln anderer Gesetzgebungsarten verstanden werden. Was von der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz gesagt wurde, gilt auch für die Kompetenz zur Rahmengesetzgebung, sofern man beide kategorisch trennen will. Sollte eine Regelung sich gleichermaßen auf einen Kompetenztitel aus Art. 74 GG bzw. Art. 74 a GG einerseits und Art. 75 GG andererseits stützen lassen, ließe sich aus der Gesetzgebungsart kein Argument für die Spezialität eines Titels herleiten. Insbesondere kann nicht die Rahmenkompetenz deswegen spezieller sein, weil ihre Inanspruchnahme den milderen Eingriff in die Landeskompetenzen verursacht. Denn die Grenze der Landeskompetenzen, die gegen Bundeseingriffe verfassungsrechtlich abgeschirmt sind, ergibt sich erst aus der Verteilung der Kompetenzen. Zwar ist es richtig, daß die Kompetenzart der Gesetzgebung für Rahmenvorschriften eine vom Parlamentarischen Rat vorgesehene Mitte zwischen bundesrechtlicher Einheitlichkeit und landesgesetzgeberischer Vielfalt ermöglichen sollte. Sie wird damit in besonderer Weise den Ländern gerecht. Doch für die konkurrierenden Vollregelungskompetenzen steht mit Art. 72 Abs. 2 GG, der über Art. 75 Abs. 1 S. 1 GG auch auf die Gesetzgebungskompetenz für Rahmenvorschriften Anwendung findet, ein Korrektiv zur Verfügung, das gerade an die Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung anknüpft. Dabei zeigt die Formulierung „Der Bund hat in diesem Bereich das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit . . . eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich ist“, daß nicht nur das Ob der Zuweisung einer Regelungsmaterie an den Bund einer Prüfung der Erforderlichkeit unterliegt, sondern auch die Regelungsintensität nach Maßgabe der Erforderlichkeit abgestuft sein kann („soweit“). Die Vollregelungskompetenz enthält als Minus die Kompetenz zum Erlaß von Rahmenvorschriften. Erst recht muß diese Abstufung der dem Bundesgesetzgeber gestatteten Regelungsintensität nach Maßgabe der Erforderlichkeit gelten, wenn er die geplante Regelung sowohl auf einen Titel aus Art. 74 oder 74 a GG als auch

III. Spezialitätsverhältnisse

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aus Art. 75 GG stützen könnte. Das „Wahlrecht“ zwischen Vollregelung und Rahmenregelung wird nur durch die Erforderlichkeitsprüfung nach Art. 72 Abs. 2 GG beschränkt. Wenn die Vollregelung auf der Grundlage von Art. 74 GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG zulässig ist, ändert daran auch das Bestehen einer gleichermaßen einschlägigen Kompetenz aus Art. 75 GG nichts. Im übrigen ergibt sich eine überschneidungsfreie Abgrenzung bereits aus der Auslegung der Kompetenzmaterien, so daß keine Überschneidungsbereiche bestehen können, für die beide Kompetenztitel in Betracht kommen. Hielte man Doppelkompetenzen für zulässig, wäre die Spezialität qua Kompetenzart ein Ansatzpunkt, um der Anwendung des Art. 31 GG auszuweichen. Eine Auslegung der Kompetenztitel wird aber de facto die Rechtsfolge nicht völlig außer acht lassen. So hat das Bundesverfassungsgericht die Bundesratsbeteiligung im Falle des Art. 105 Abs. 3 GG zumindest mittelbar für die Annahme einer Steuerkompetenz angeführt.129 Gleichwohl ist bei einer methodisch angemessenen Auslegung der Kompetenzmaterie ein Absehen von der Kompetenzart erforderlich.

2. Explizite Spezialitäten Art. 74 a Abs. 1 GG bestimmt, daß sich die konkurrierende Gesetzgebung auf die Besoldung und Versorgung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes erstreckt, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen, soweit dem Bund nicht nach Art. 73 Nr. 8 GG die ausschließliche Gesetzgebung zusteht. Diese bezieht sich auf die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen.130 Diese angeordnete Spezialität richtet sich nach dem von der Regelung betroffenen Personenkreis; denn nach dem sachlichen Regelungsgegenstand ist Art. 73 Nr. 8 GG („Rechtsverhältnisse“) genereller als Art. 74 a Abs. 1 GG („Besoldung und Versorgung“).131 Vertreten wird, daß Besoldungs- und Versorgungsregelungen, die für beide Personenkreise Geltung beanspruchen, „doppelt zuzuordnen“ seien.132 Diese Ansicht ist abzulehnen. Sie führt dazu, daß die gesetzliche Regelung, auch soweit sie sich auf die im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen bezieht, entgegen Art. 73 GG an den Erfordernissen des Art. 72 Abs. 2 GG gemessen werden müßte. Es hängt von der Technik des Gesetzgebers ab, ob er eine Regelung für Vgl. BVerfGE 14, 197 (220). Der Begriff des Rechtsverhältnisses schließt auch diejenigen arbeitsrechtlichen Aspekte ein, die sonst unter Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG oder Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG fielen; so Pestalozza, Grundgesetz, Art. 73 Rn. 485. 131 Vgl. Pestalozza (Grundgesetz, Art. 74 a Rn. 89), der, dies voraussetzend, schließt, Besoldung und Versorgung seien Bestandteile des Rechtsverhältnisses im Sinn von Art. 73 Nr. 8 GG. 132 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 a Rn. 90. 129 130

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

beide Personenkreise statuiert oder ob er sie für jeden Personenkreis wiederholt. Auch die textlich einheitlich für beide Personenkreise geltende Regelung ist sachlich teilbar. Deutlich wird diese Teilbarkeit, wenn man die Rechtsfolgen einer Normenkontrolle durch das Bundesverfassungsgericht in den Blick nimmt. Würde eine bundesgesetzliche Regelung, soweit sie den über Art. 73 Nr. 8 GG hinausgehenden Personenkreis betrifft, den Art. 74 a Abs. 1 GG einschließt, an den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG scheitern, müßte nicht die gesamte Regelung aufgehoben werden. Bei sprachlicher Teilbarkeit könnte der von Art. 73 Nr. 8 GG nicht erfaßte Personenkreis aus der Norm gestrichen werden. Gibt es keine sprachliche Teilbarkeit, kann das Bundesverfassungsgericht die Norm in ihrer sprachlichen Gestalt aufrechterhalten, den kompetenzwidrig umfaßten Personenkreis aber mit der Gesetzeswirkung des § 31 BVerfGG ausschließen. Es handelt sich um eine Teilverfassungswidrigerklärung ohne Textreduzierung. Das Bundesverfassungsgericht macht seine verfassungskonforme Gesetzesauslegung durch eine mit Gesetzeskraft ausgestattete Entscheidung für die Rechtsanwendung verbindlich. Wenn es sich aber nur um eine verfassungskonforme Auslegung handelt, kann der Rechtsanwender die Norm auch ohne Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts so behandeln, als sei sie nur auf Art. 73 Nr. 8 GG zu stützen.133 Die verfassungskonforme Auslegung verlangt über Art. 20 Abs. 3 GG von jedem Rechtsanwender, die Norm nicht verfassungswidrig – hier kompetenzwidrig – auszulegen. Eine doppelte Zuordnung einer Norm sowohl zu Art. 73 Nr. 8 GG als auch unter Art. 74 a Abs. 1 GG ist aufgrund dessen nicht schon dann notwendig, wenn sie sich sprachlich nicht entlang den Kompetenzmaterien aufteilen läßt. Die verfassungskonforme Auslegung verpflichtet den Rechtsanwender, die Norm mit dem kompetenzgemäßen Gehalt aufrechtzuerhalten. Verfassungskonforme Auslegung ist somit mehr als nur eine Option im Kanon der Interpretationselemente. Die Kehrseite dieser Verpflichtung für den Rechtsanwender ist das Verbot, eine solche Norm zwei Kompetenztiteln auf einmal zuzuordnen und somit die Anforderungen (wegen Art. 72 Abs. 2 GG) zu kumulieren. Nur wenn der Wortlaut damit sinnwidrig entstellt würde, das Gesetz also auch logisch nicht teilbar ist, ist es überhaupt nicht teilbar und entzieht sich einer verfassungskonformen Auslegung. Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GG gibt dem Bund das Recht, Rahmenvorschriften für die Gesetzgebung der Länder zu erlassen über die Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienste der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen, soweit Art. 74 a GG nichts anderes bestimmt. Die Einschränkung durch den mit „soweit“ eingeführten Nebensatz zeigt, daß sich der Bund im „Überschneidungsbereich der beiden Bestimmungen“ (Pestalozza) nicht auf Rahmenvorschriften beschränken muß, sondern auch für eine Vollregelung nach Art. 74 a GG zuständig ist.134 Eine Beschränkung auf die Kompetenz 133 Eine Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG ist nicht notwendig, wohl nicht einmal zulässig.

III. Spezialitätsverhältnisse

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für Rahmenvorschriften kann sich nach der hier vertretenen Auffassung daher nur aus Art. 72 Abs. 2 GG ergeben. Wenn indes angenommen wird, der Bund dürfe sich auch mit Rahmenregelungen nach Art. 75 Abs. 1 S. Nr. 1 GG begnügen, obwohl die Materie des Art. 74 a Abs. 1 GG eröffnet ist,135 so kann dies nicht überzeugen. Als Begründung wird angeführt, Art. 74 a Abs. 1 GG sei insofern keine Spezialvorschrift im Verhältnis zu Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GG. Der Wortlaut spricht deutlich dagegen: „soweit Art. 74 a nichts anderes bestimmt“ heißt nicht „soweit von Art. 74 a, soweit dieser gilt, nicht Gebrauch gemacht wird“. Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GG ist damit nicht subsidär anwendbar, sondern weicht im „Überschneidungsbereich“ jedenfalls dem Art. 74 a GG im Wege der Spezialität. Spezialität und Subsidiarität sind zu unterscheiden. Dasselbe muß für den im Halbsatz sinngleichen Art. 98 Abs. 3 S. 2 GG136 gelten. Die „Rahmenvorschrift“ als das vom Gesetzgeber gewählte Steuerungsmittel vermag demgegenüber keine Spezialität des Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GG zu rechtfertigen, da sich auch der sich auf Art. 74 a Abs. 1 GG stützende Bundesgesetzgeber auf Rahmenvorschriften beschränken kann. Damit ist Art. 75 Abs. 3 GG zwar nicht unmittelbar anwendbar. Die Verpflichtung der Bundesländer zur Umsetzung der Rahmenvorschriften ergibt sich allerdings aus dem Bundesgesetz selbst, wenn dieses die Länder als Verpflichtungsadressaten bestimmt. Dies entspricht auch der vor Einführung des Art. 75 Abs. 3 GG angenommenen Rechtslage für die Wirkung von Rahmenvorschriften nach Art. 75 Abs. 1 GG.137

3. Die Spezialität der „Mittel-Kompetenz“ Die Unterschiedlichkeit des Zuschnitts der Kompetenzmaterien besteht in mehrfacher Hinsicht. Einerseits sind die Sachgebiete verschiedenartig definiert, indem sie etwa einmal an einen Gegenstand und in einem anderen Fall an einen Vorgang anknüpfen; oder die Lebensbereiche variieren in ihrer Ausdehnung. Zum anderen ist der abstrakte Gesichtspunkt, unter dem sie begrenzt werden, verschieden. Die sogenannten modalen Kompetenzen (im Gegensatz zu auf Lebensbereiche bezogenen Titeln) wie etwa Strafrecht oder Steuergesetzgebung beziehen sich auf die Schaffung von Mitteln, ohne einen im Wortlaut ausdrücklichen Bezug zu einer bestimmten Sachmaterie oder auch zu mit Hilfe der Mittel angestrebten Zielen zu haben. Sie heben auf einen rechtserzeugten Bereich ab. 134 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 a Rn. 64; Kunig, in: von Münch / Kunig, GG III, Art. 74 a Rn. 4; Degenhart, in: BK, Art. 74 a Rn. 29 f.; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 74 a Rn. 1. 135 So Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 a Rn. 65. 136 Anders konsequent Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 a Rn. 65; zum Verhältnis von Art. 74 a Abs. 4 S. 1 GG zu Art. 98 Abs. 3 GG (Spezialität) vgl. ders., Grundgesetz, Art. 74 a Rn. 120. 137 Art. 75 Abs. 3 GG ist nach dieser Sichtweise nur deklaratorisch, nicht konstitutiv.

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

a) Modale und Sachkompetenzen Das Strafrecht ist als „modale“ Kompetenz nicht auf bestimmte Sachgebiete beschränkt. Einschränkungen ergeben sich in diesem Fall durch die gebotene separate kompetentielle Qualifikation von Tatbestand und Rechtsfolge. Die Kompetenz zur Steuererhebung ist ebenfalls nicht auf bestimmte Sachgebiete beschränkt, aus denen der Gesetzgeber die Bemessungsgrundlage wählen müßte.138 Steuerrechtsfolge und Lenkungswirkung führen nach der hier vertretenen Ansicht zu keiner unterschiedlichen kompetentiellen Zuordnung.139 Am Beispiel des Jugendschutzes, der der öffentlichen Fürsorge unterfällt,140 zeigt Pestalozza die unterschiedlichen Steuerungsmöglichkeiten eines Gesetzes auf. Der Jugendschutz könne den Gefahren, die der Jugend aus der Umwelt drohen, durch Ge- und Verbote an die Jugend oder aber an die Umwelt selbst begegnen.141 Ist die Jugend Adressat der Regelung, komme als Kriterium der kompetentiellen Zuordnung z. B. im Falle von Straf- oder Arbeitsrecht die „Eingriffstechnik“ in Betracht; andererseits sei auch, etwa zur Abgrenzung von Fürsorge und Arbeitsschutz, das Eingriffsziel ein taugliches Kriterium.142 Sind Dritte, die der Gefahrenquelle nahe stehen, Adressat der Regelung, biete sich eine Differenzierung nach Standort,143 Eingriffsmittel144 oder Eingriffsziel an. Pestalozza sieht eine allgemeine Regel der kompetentiellen Qualifikation darin, auf das Regelungsziel und nicht das Regelungsmittel abzustellen. Ausnahmen sind demnach erklärungsbedürftig. So setze sich das Strafrecht durch.145 Eine strafrechtliche Norm wird aufgrund ihres strafrechtlichen Charakters und nicht hinsichtlich der mit ihr verfolgten Lenkung kompetentiell qualifiziert. Das bedeutet, daß Strafrecht niemals Annex ist, sondern stets eine eigenständige Materie bildet, die ausschließlich in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG angesiedelt ist. Besonders im eingriffsintensiven Bereich des Strafrechts erscheint eine Bundeskompetenz plausibel. 138 Wenn man dem Art. 106 GG mit der herrschenden Meinung (vgl. Lang, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 4 m. w. N. auch der Gegenansicht) einen Numerus Clausus der Steuerarten unterstellt, ergibt sich daraus eine Begrenzung. 139 Die (Steuerrechtsfolge und Lenkungswirkung kompetentiell separat qualifizierende) Doppelkompetenz-Theorie ist eine Parallele zur kompetentiellen Qualifikation von Strafnormen. Ein Unterschied wäre, daß der Strafgesetzgeber an Ge- oder Verbote des Landessachgesetzgebers anschließen darf, während der Steuergesetzgeber nicht einmal eine „akzessorische“ Lenkungssteuernorm zu einem Sachgesetz des anderen Gesetzgebers schaffen dürfte. Höchstens die Rechtsprechung, die das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung entscheiden läßt, käme zu mit der separaten kompetentiellen Qualifikation von Lenkungswirkung und Steuernorm vergleichbaren Ergebnissen. 140 Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG. 141 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 341, spricht von eingreifendem Jugendschutz. 142 Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 341. 143 Wie z. B. Wirtschaft, Presse, Rundfunk, Theater, Film. 144 Pestalozza nennt Strafrecht und Wirtschaftslenkung. 145 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 341.

III. Spezialitätsverhältnisse

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Allerdings ist diese nur konkurrierend, so daß das Argument, die Annex-Resistenz des Strafrechts beruhe auf seiner Eingriffsintensität, nicht vollends überzeugt.146 Das unter Umständen ähnlich grundrechtsrelevante Polizei- und Ordnungsrecht ist zudem Ländersache. Ein eher formeller Anknüpfungspunkt verhilft zu einer besseren Erklärung: Wo die Gesetzgebungskompetenzen an ein gesetzlich zu regelndes „Mittel des Eingriffs“ anknüpfen, ohne die inhaltlichen Ziele als Bedingung anzufügen, soll zugleich ausgeschlossen sein, daß ein anderer Gesetzgeber im Sachzusammenhang oder Annex sich ebendieses Mittels zur Verfolgung seiner Ziele bedient. Für das Steuerrecht ist dies evident. Es soll keine Steuergesetzgebungskompetenz kraft Annexes geben. Die Evidenz folgt aus dem Finanzierungszweck der Steuergesetzgebung. Deren Lenkungswirkungen sind dabei nicht mitbedacht. Trotzdem oder deswegen sind sie kompetentiell irrelevant.147 Die Kompetenz für das „Mittel“ Steuergesetz ist schon daher spezieller gegenüber den Kompetenzen für die berührten Sachgebiete, weil der Zweck der allgemeinen Steuerfinanzierung nur durch die Steuerkompetenzen verfolgt werden darf. Da die Regelung von Sonderabgaben unter die Sachregelungskompetenz fällt, hat das Bundesverfassungsgericht viel Mühe darauf verwandt, die Sonderabgabe von der Steuer abzugrenzen.148 Was Strafrecht ist, wird aufgrund der Rechtsfolge einer Norm bestimmt. Wird für eine rechtswidrige und schuldhafte Tat die Rechtsfolge einer Strafe oder eine Maßregel der Sicherung und Besserung angeordnet, soll es sich um Strafrecht handeln.149 Das gilt auch für den Bereich des Steuerstrafrechts, wo beide Mittel zusammentreffen: Es ist, da das Mittel des Strafrechts angewandt wird, nicht aber das Mittel der Steuer, der Strafrechtsmaterie zuzurechnen.150 Das Mittel des Eingriffs, also zum Beispiel Strafe oder Steuer, läßt sich der Rechtsfolge des zu subsumierenden Gesetzes ablesen. Beim Steuerrecht ist dies die Auferlegung einer Steuer. Gerade vor dem Hintergrund dieser streng formalistischen Orientierung an der Rechtsfolge kann es fraglich erscheinen, ob z. B. eine ausdrückliche Steuerbefreiungsvorschrift der jeweiligen Steuergesetzgebungskompetenz oder etwa eine bloße Maßregel der Besserung und Sicherung der Strafrechtskompetenz unterfällt.151 Aber der gebotene Formalismus kompetentieller Qualifikation bei den modalen Kompetenzen wird nicht unterlaufen, wenn Steuerprivilegierungen in Gestalt 146 Auch folgt aus einem Parlamentsvorbehalt nicht der Vorbehalt, die Kompetenz für dieses Parlamentsgesetz dürfe nicht nur kraft Annexes oder Sachzusammenhangs bestehen. 147 Diese Nebenwirkungen sind nicht regelnd und daher kein Gegenstand der kompetentiellen Qualifikation. 148 Bestimmte materiell-verfassungsrechtliche Erfordernisse, die das Bundesverfassungsgericht an Gesetze über Sonderabgaben stellt, schießen über das Ziel einer Kompetenzabgrenzung hinaus. 149 Vgl. Kunig, in: von Münch / Kunig, GG III, Art. 74 Rn. 12. 150 Vgl. Maunz, in: ders. / Dürig, GG, Art. 74 Rn. 67; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 74 Rn. 11; noch offen in BVerfGE 7, 330 (336). 151 So meint Bayer, StuW 1972, S. 149 (152), eine Befreiung sei als Lenkungssteuerregelung der Sachkompetenz zuzuordnen; dagegen Selmer, FinArch n. F. 52 (1995), S. 234 (238 f.).

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

von Steuerbefreiungen derselben Kompetenz wie die Steuererhebung zugeordnet werden. Der Verzicht auf eine Steuererhebung ist eine gesetzgeberische Entscheidung, die sogar eine Sperrwirkung gemäß Art. 105 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 1 GG auszulösen vermag. Der Verzicht auf die Steuererhebung nur für bestimmte Steuerpflichtige oder die Einrichtung von Steuerfreibeträgen ist zwar durch sachliche Zwecke motiviert, die etwa im Bereich der Familienförderung, der Wirtschaftsförderung oder der Anerkennung sozialer oder kultureller Aktivitäten liegen und deren regelnde Gestaltung sich dem Steuergesetzgeber entzieht. Die faktisch lenkende Einflußnahme liegt aber nicht jenseits seiner Kompetenz. Die Beschränkung der Steuer ist die Kehrseite der Steuererhebung; sie ist ohne Rücksicht auf die kompetentielle Heimat der zugrunde liegenden Motive der Steuererhebungskompetenz zuzuordnen. Die Lenkungswirkung einer Ausnahmeregelung macht für diese ebensowenig eine Sachkompetenz erforderlich wie die Lenkungswirkung einer Steuer, wenn sie ausnahmslos erhoben wird. Dies hat außerdem die wünschenswerte Folge152, daß der allgemeine Gleichheitssatz mit seinen steuerrechtsspezifischen Ausprägungen auf das Verhältnis von Ausnahme und Regel sowie von Privilegierten und allgemein Belasteten Anwendung findet.153 Beim Beispiel des Jugendschutzes ist eine strafrechtliche Regelung stets Strafrecht und nicht Jugendschutz bzw. öffentliche Fürsorge.154 Damit fällt das vor allem Ordnungswidrigkeiten normierende Jugendschutzgesetz insoweit unter die Kompetenz für das Strafrecht.155 Die Annex-Resistenz des Strafrechts ist auch auf anderen Gebieten als dem Jugendschutz relevant. Hat der Landesgesetzgeber seine materiellen Ge- und Verbote strafbewehrt, so macht er von der konkurrierenden Materie des Strafrechts Gebrauch und kann unter den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vom Bundesgesetzgeber gesperrt werden. Die Strafbestimmung in § 17 KAG NRW für den Tatbestand der Abgabenhinterziehung, die Aufstellung von straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Normen im PresseG NRW156 oder im ImSchG NRW157, die landesgesetzliche Strafbarkeit für den Mißbrauch melderechtlicher Daten sowie die Normen über Ordnungswidrigkeiten bei Verstoß gegen melderechtliche Pflichten158 sind demnach nicht im Annex zu den jeweiligen Die keinesfalls für die kompetentielle Qualifikation relevant ist. Dies wäre jedenfalls nicht der Fall, wenn ein anderer Gesetzgeber die Steuerbefreiung anordnen würde. Wenn es zwar derselbe Gesetzgeber wäre, der sich jedoch auf eine Sachkompetenz stützt, ist die Lage nicht so eindeutig. 154 So auch Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 341. 155 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 342. Zur Zugehörigkeit des Ordnungswidrigkeitenrechts zur Materie des Strafrechts vgl. BVerfGE 31, 141 (144); Tiedemann, AöR 89 (1964), S. 56 ff. 156 §§ 21 – 23 PresseG NRW; nicht aber die Regelung der Verjährung von Pressedelikten (wie etwa § 25 PresseG NRW) – vgl. BVerfGE 7, 29 (39); 36, 193 (203), Zuordnung zu Art. 75 Abs. 1 Nr. 2 GG; die Verjährung in bezug auf Straftaten ist im übrigen Sache des Strafrechts, vgl. Schoene, NJW 1975, S. 1544 ff.; Kunig, in: von Münch / Kunig, GG III, Art. 74 Rn. 13. 157 §§ 17, 18 ImschG NRW. 152 153

III. Spezialitätsverhältnisse

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Sachmaterien ergangen, sondern fallen sämtlich unter Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Dem Bundesstrafgesetzgeber wird es allerdings in praxi schwerfallen, Strafregelungen zu sachlichen Regelungen zu erlassen oder zu sperren, für die der Landesgesetzgeber eine ausschließliche Kompetenz besitzt. Die Erforderlichkeit im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG wird kaum einmal gegeben sein. b) Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht und Sachkompetenz Eine andere Kompetenzmaterie, die sich weitaus mehr nach den Mitteln ihres Eingreifens als nach den Schutzzwecken definieren läßt, ist das Polizei- und Ordnungsrecht. Gleichwohl soll der Jugendschutz mit polizei- und ordnungsrechtlichen Mitteln nicht zum Polizei- und Ordnungsrecht ressortieren.159 Es gilt nicht die „Spezialität“ des Mittels wie im Falle des Strafrechts. Das erscheint sinnvoll, weil das Polizei- und Ordnungsrecht nicht auf die wenigen und genauer bestimmbaren Mittel des Straf- oder Steuerrechts eingeschränkt ist. Die spezifische Schutzrichtung der Materie des Jugendschutzes geht der allgemeinen Schutzrichtung des Polizei- und Ordnungsrechts vor. Das schließt nicht aus Kompetenzgründen aus, daß etwa eine Jugendschutznorm als Schutzgut der öffentlichen Sicherheit zu sehen ist und gegebenenfalls nach den Gesetzen des Polizei- und Ordnungsrechts verteidigt werden darf. Das (allgemeine) Polizei- und Ordnungsrecht kann spezialgesetzliche Verhaltensregeln durchzusetzen helfen, wenn Befugnisnormen aufgrund der Spezialmaterie nicht erlassen wurden.160 c) Sachkompetenz gegen Sachkompetenz Grundsätzlich ist der geregelte Sachbereich (nicht der Zweck des Gesetzes) Anknüpfungspunkt für dessen kompetentielle Zuordnung. Wenn eine Kompetenz (wie das Steuerrecht) auf ein bestimmtes gesetzgeberisches Mittel (die Steuer) abstellt, gibt dies den Ausschlag. Wenn zwei Sachmaterien voneinander abzugrenzen sind, von denen nicht die eine einen „modalen“ Anknüpfungspunkt bietet, müssen griffigere Abgrenzungskriterien als der Gesetzeszweck gefunden werden. Denn eine Vorschrift kann (dem Wortlaut nach) verschiedene und verschiedenen Kompetenzen zuzuordnende Zwecke verfolgen.161 So können Regelungen des Arbeits§ 36 bzw. § 37 Meldegesetz NRW. So Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 341 mit Fn. 650: Ohne daß es der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs bedürfte! Pestalozza hat jedoch einen engeren Begriff vom Sachzusammenhang. 160 Vgl. statt vieler Schoch, Jura 2003, S. 177 (178 f.); VG Berlin, NJW 1999, S. 2988: Durchsetzung von Ladenschlußzeiten. Zur Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen im Polizei- und Ordnungsrecht näher Schoch, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Kapitel Rn. 36 ff. 161 Hat man sie erst einmal zugeordnet, können ihr nur Zwecke eines identischen Gesetzgebers (dort auch aus unterschiedlichen Kompetenzen) unterstellt werden. Dies ist un158 159

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

schutzes162 dem Jugendschutz dienen.163 Pestalozza ist der Ansicht, der Arbeitsschutz bilde einen Kompetenztitel „instrumentalen Charakters“ und gehe der Materie des Jugendschutzes vor.164 Der Arbeitsschutz deckt Regelungen zum Schutz des Arbeitnehmers vor den Gefahren der Arbeit.165 Der Jugendschutz deckt Regelungen zum Schutz vor Gefahren für Jugendliche. Wenn eine Vorschrift gerade Jugendliche vor Gefahren der Arbeit schützt, weil fehlende Erfahrung in Sonderheit jugendliche Arbeitnehmer bedroht, so bestehen bei einer Regelung Bezüge zu zwei Kompetenzmaterien. Für diese bestimmte Regelung könnte man die Zwecke, so wie sie aus den jeweiligen Kompetenzen abgeleitet werden, in eine Hierarchie zu setzen versuchen: Der Arbeitsschutz dient dem Jugendschutz. Die umgekehrte Rangfolge erscheint unzutreffend: Wieso soll der Jugendschutz dem Arbeitsschutz dienen? Jedoch würde bei einer solchen Hierarchisierung der kompetentiellen Zwecke übersehen, daß der Arbeitsschutz ein Teil der Materie Arbeitsrecht ist.166 Der Arbeitnehmer soll vor den Gefahren der Arbeit auch in Abwägung der Rechte und Pflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschützt werden. Der Jugendschutz ist nicht an ein derart eindeutig zu identifizierendes Mittel geknüpft wie die Steuerkompetenzen. Das Mittel „Jugendschutz“ ist zu unterscheidungsschwach, um eine Spezialität gegenüber dem Arbeitsschutz zu begründen. Der Kompetenz für den Jugendschutz gebührt auch nicht wegen grundrechtlicher Wertigkeiten der Vorrang der Spezialität. Denn der Grundrechtsschutz der Jugendlichen ist von jedem Gesetzgeber zu achten und zu verwirklichen. Zudem sind beide Materien nach Maßgabe eines Zwecks formuliert. Das Kriterium der Spezialität der nach einem Mittel definierten Materie taugt daher nicht für eine Abgrenzung. Es wird neutralisiert. Da ferner eine Hierarchisierung der Zwecke – wie beschrieben – als Spezialitätskriterium ausscheidet, sollten in solchen Fällen Eingriffsort und -adressat als Abgrenzungskriterien herangezogen werden. Normen, die Ge- und Verbote an den Arbeitgeber richten, sind solche des Arbeitsrechts, auch wenn sie dem Jugendschutz dienen. Normen, die sich an den Jugendlichen bei der Arbeit wenden, sind auch dem Arbeitsrecht zuzurechnen. Die Ge- und Verbote könnten genauso gut an den Arbeitgeber (als Kontrollinstanz) adressiert sein. Es kommt darauf an, in welcher „konkreten“ Situation sie zu beachten sind. Das Kriterium des Normadressaten ist nicht zwingend. Es hilft, die geregelte Situation als eine solche der Arbeit zu erkennen. Denn der Lebensbereich, der geregelt wird, gibt den Ausschlag für die kompetentielle Zuordnung der Regelung. Die Zuordnung ergibt sich aus den konkreten Umständen, an die die ter anderem bei der Sachfremdheit der Ermessenserwägungen (§ 40 VwVfG) zu berücksichtigen. 162 Vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG. 163 Vgl. das Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz vom 12. April 1976, BGBl. I, S. 965). 164 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 341. 165 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 816. 166 Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG.

III. Spezialitätsverhältnisse

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Regelung anknüpft. Die „konkreter“ formulierte (da an einen bestimmten Lebensbereich anknüpfende) Kompetenz ist in dieser Hinsicht spezieller. Wenn für den Jugendschutz Gebote und Verbote an Dritte gerichtet werden, die der Gefahrenquelle nahe stehen, so wird der Kompetenzbereich betroffen, dem diese Dritten angehören. Dabei darf es kompetentiell keinen Unterschied machen, ob die betroffenen Bereiche in den grundgesetzlichen Kompetenzvorschriften genannt werden (etwa die Presse) oder unerwähnt bleiben (wie der Rundfunk).167 Dementsprechend sollte das Regelungsmittel und nicht das Regelungsziel für die kompetentielle Qualifikation maßgeblich sein.168 Der Umstand, daß das Regelungsziel je nach der Eigenart des betroffenen Mediums andere Schutzvorschriften erfordert, die insofern je nach Kompetenzmaterie Rundfunk, Fernsehen, Presse, Theater „speziell“ sind, bedeutet nicht schon, daß diese jeweiligen Materien für eine Jugendschutzvorschrift gegenüber der Materie des Jugendschutzes spezieller sind.169 Umgekehrt könnte man eine Rundfunkkompetenz mit dem Argument bestreiten, der Schutz der Jugend und anderer schutzbedürftiger Gruppen erfordere ebenso je verschiedene Vorschriften. Das Argument ist als Kriterium kompetentieller Qualifikation untauglich, weil es sowohl für als auch gegen die Subsumtion spricht. Aus der Verschiedenheit der Eingriffsmittel folgt nicht eine Spezialität gegenüber der Kompetenzmaterie des mit den verschiedenen Eingriffsmitteln verfolgten Regelungsziels. Bei zwei Sachkompetenzen ist die Anknüpfung an die Situation maßgeblich. Die Situation wird durch Regelungsort, -adressat und -mittel bestimmt. Daher ist der Jugendschutz im und vor Rundfunk und Fernsehen Sache des Rundfunkrechts und nicht der öffentlichen Fürsorge.170 Werberegelungen könnten nach der Art der Werbung, dem Produkt der Werbung oder aber dem Kommunikationsmittel, auf das sie sich beziehen, zugeordnet werden.171 Die Anknüpfung an das Produkt ist irrelevant, wenn sich die Regelung nicht ausschließlich an den Produzenten richtet. Werbeverbote für Ärzte oder Apotheker in bezug auf Medikamente sind wegen ihrer Normadressaten als Berufsrecht einzustufen. Aus der Irrelevanz der Produktanknüpfung ergibt sich, daß der Wirtschaftsgesetzgeber die Werbung für Presseprodukte verbieten könnte, ohne Presserecht zu setzen. Daß die Grundrechte einer solchen Regelung entgegenstehen, ist eine Frage des materiellen Verfassungsrechts. Wenn ein Verbot für Zigarettenwerbung erlassen wird, stützt sich der Gesetzgeber daher zu Recht nur auf das Recht der Wirtschaft. Weder ist das Regelungsziel, der GesundheitsSo Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 341 in Fn. 647. Entgegen Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 342. 169 So im Ergebnis auch Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 342, der nicht auf die Spezialität der Kompetenztitel abstellt. 170 Vgl. VG Köln, NJW 1987, S. 274 (275 – 278); a. A. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 342. 171 So die Differenzierung bei Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 595. 167 168

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

schutz, kompetentiell relevant, noch führt das Produkt zu einer abweichenden Zuordnung. Schwieriger stellt sich die kompetentielle Qualifikation einer Norm dar, wenn sie zudem an ein bestimmtes Kommunikationsmedium anknüpft. Ist etwa ein Verbot der Werbung für Zigaretten im Fernsehen172 dem Rundfunkrecht oder dem Recht der Wirtschaft zuzuordnen? Die Regelungsziele ressortieren offensichtlich zum Gesundheitsschutz. Andererseits wird ein Bereich der Wirtschaft reglementiert, so daß sich das Recht der Wirtschaft anbietet. Statt dessen könnte der Eingriffsort den Ausschlag geben. Dafür spricht die Überlegung, daß der unmittelbare Regelungsgegenstand durch den Normadressaten bestimmt wird. Die größte Nähe zu einer Regelung hat derjenige Sachbereich, in den die Norm regelnd eingreift. Knüpft das Verbot also unmittelbar an das Fernsehen oder den Rundfunk an, ist die Rundfunkkompetenz gegeben. Dem könnte entgegengehalten werden, daß ein allgemeines Werbeverbot ja für alle Bereiche, mithin für Werbung in allen Medien gilt, so daß dessen Zuordnung zum Recht der Wirtschaft gerade auch eine Regelung für den Rundfunk beinhaltet. Besteht ein Verbot der Werbung für Zigaretten im allgemeinen, so unterliegt der Rundfunk diesem Verbot nicht weniger, als wenn es sich um ein rundfunkrechtliches Verbot handelte. Das allgemeine Werbeverbot ließe sich gleichsam aufspalten in eine Vielzahl von Einzelregelungen – Verbot der Zigarettenwerbung im Fernsehen, Verbot der Zigarettenwerbung in der Presse, auf öffentlichen Plätzen usw. Hat der Bundesgesetzgeber die Kompetenz für diese summarische Regelung, so müßte er auch für jede dieser einzelnen Regelungen kompetent sein. Das allgemeine Werbeverbot richtet sich auch an die Rundfunkveranstalter. Für spezifische Werbeverbote oder -erlaubnisse, die an Eigenarten des Mediums anknüpfen, bleibt nach der hier vertretenen Auffassung der jeweilige Mediengesetzgeber zuständig. Dieser kann daher im Wege der kompetentiellen Spezialität das allgemeine Werbeverbot verdrängen. Allgemeine und besondere Vorschriften können sich überlagern und ergänzen. Das Verhältnis ist ähnlich wie z. B. dasjenige zwischen Bundesbahnpolizeirecht und dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht der Länder. Die Maßstäbe für die Kompetenzgemäßheit des aufgrund der allgemeinen Kompetenz bestehenden Rechts ähneln denen des Art. 72 Abs. 2 GG. Die vorstehenden Überlegungen zum Werbeverbot sollten den Fall einer Rivalität zwischen zwei nicht in Ansehung eines Regelungszwecks formulierten Kompetenzmaterien veranschaulichen. Die Spezialität sollte sich in dieser Konstellation nicht nach dem Regelungsziel richten. Doch ist die genaue Begründung der Spezialitätswirkung von Kriterien wie Eingriffsort und Eingriffsmittel schwierig. Allerdings müssen die Kriterien einheitlich angewandt und unter Beachtung des Umstands entwickelt werden, daß Spezialität zwischen zwei Materien ein Ergebnis von Auslegung ist. Das materielle Verfassungsrecht hat bei derartigen Erwägungen außen vor zu bleiben. 172

Beispiel wiederum bei Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 595 mit Fn. 1124.

IV. Strukturelle Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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IV. Strukturelle Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs Möglicherweise lassen sich aus den allgemeinen kompetenzordnenden Vorschriften wie Art. 72 Abs. 2 GG oder Art. 75 Abs. 2 GG Maßstäbe und Anforderungen für den Sachzusammenhang gewinnen. Dies soll im Folgenden untersucht werden.

1. Die Maßstäbe des Art. 72 Abs. 2 GG Die strenge Formel des Baurechtsgutachtens des Bundesverfassungsgerichts stellt für die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs auf die Unerläßlichkeit der ergänzenden Regelung ab.173 Art. 72 Abs. 2 GG gibt dem Bund im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Einer Anwendung dieser Voraussetzungen auf die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs174 steht schon entgegen, daß mit Hilfe des Art. 72 Abs. 2 GG die Kompetenz für eine einzige geschlossene Kompetenzmaterie verteilt wird – die Erfüllung der Voraussetzungen ermöglicht maximal einen Zugriff auf einen gesamten Sachbereich eines Kompetenztitels oder eben nur auf Teilbereiche innerhalb dieses einen Sachbereichs. Die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs soll dagegen den Übergriff von einem Sachbereich auf den Teilbereich eines anderen Sachbereichs begründen. Wenn beide Sachbereiche der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegen, bedarf es für eine im Sachzusammenhang erfolgende gesetzliche Regelung des Bundesgesetzgebers nicht noch der Erfüllung der Voraussetzungen einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs, sofern der Bundesgesetzgeber nur jeweils die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG erfüllt. Dasselbe gilt selbstverständlich für den Landesgesetzgeber, sofern der Bund entweder in beiden Fällen die Anforderungen des Art. 72 Abs. 2 GG nicht erfüllt oder sie zwar in einem oder in beiden Fällen erfüllt, seine Kompetenz allerdings nicht wahrnimmt. Die Situation ähnelt dann dem so bezeichneten Kompetenzmix,175 der kompetentiell unbedenklich ist. Ein Unterschied besteht insofern, als der Begriff Kompetenzmix die Verteilung eines Gesetzeswerks, also mehrerer einzelner Normen, auf die Grundlage mehr als nur einer Gesetzgebungskompetenz meint, während der (einfache) Sachzusammenhang eine gleichsam doppelgesichtige einzelne Norm anspricht. 173 174

BVerfGE 3, 407 (421). So Achterberg, AöR 86 (1961), S. 63 (90, 92), der für eine analoge Anwendung plä-

diert. 175

Vgl. Rozek, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 70 Rn. 57.

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Wenn dem Bundesgesetzgeber schon – mangels der Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG – die Kompetenz für das Gesetz fehlt, das der Ergänzung kraft Sachzusammenhangs bedarf, wird die Bundeskompetenz auch nicht dadurch hergestellt, daß sowohl die Voraussetzungen einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs an sich als auch die konkurrierende Bundeskompetenz für den Bereich, auf den übergegriffen werden soll, vorliegen. Es gibt noch einen weiteren Grund, die Maßstäbe des Art. 72 Abs. 2 GG nicht für eine Konkretisierung der Voraussetzungen des Sachzusammenhangs fruchtbar zu machen. Der dem Bund durch Art. 72 Abs. 2 GG eröffnete Kompetenzbereich wird von der Verfassung expressis verbis in den Art. 74, 74 a, 75 GG umschrieben. Bei der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs geht es aber um ein Vordringen in von der Verfassung nicht explizit dem Bund als mögliche Kompetenzen zugewiesene Bereiche.176 Die Kriterien des Art. 72 Abs. 2 GG für die Wahrnehmung einer Bundeskompetenz setzen die ausdrückliche Zuweisung der Materie in der Verfassung voraus. Die Kriterien für ein Übergreifen kraft Sachzusammenhangs müssen dagegen erst noch die partielle Kompetenzerweiterung auf eine nicht ausdrücklich dem Bund zugewiesene Materie rechtfertigen. Auf der anderen Seite haben die Kriterien für die Wahrnehmung einer konkurrierenden Kompetenz die Funktion einer Kompetenzbegründung. Im Unterschied zu vereinzelten Kompetenzen, die nur unter einer Bedingung bestehen (wie zum Beispiel Art. 109 Abs. 4 S. 1 GG177), sind die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG nicht auf einen besonderen Kompetenztitel bezogen. Ihnen eignet daher grundsätzlich eine Verallgemeinerungsfähigkeit zur Begründung jedweder Bundesgesetzgebungskompetenz. Doch würde dies Art. 70 Abs. 1 GG zuwiderlaufen. Nur wenn das Wesen des Bundesstaats eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht, besteht eine Bundesgesetzgebungskompetenz kraft Natur der Sache. Gleichwohl könnte man überlegen, ob nicht nur von solchen Bundeskompetenzen aus ein Übergriff kraft Sachzusammenhangs zulässig ist, die ihrerseits der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder der Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse dienen. Da dies bei den konkurrierenden Bundeskompetenzen – auch den Rahmengesetzgebungskompetenzen, sofern man sie nicht schon zu den konkurrierenden rechnet – ohnehin der Fall ist, bleiben nur die ausschließlichen Bundeskompetenzen für eine derartige Differenzierung zur „Anschlußfähigkeit“ für den Sachzusammenhang. Doch hat der Verfassunggeber bei ihnen das Bedürfnis nach einer bundeseinheitlichen Rege176 Auch kann der Bund vom Boden einer ihm zustehenden konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs auf eine Materie übergreifen, die der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegt, ohne daß der Bund für letztere die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG erfüllt. 177 „Zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts können durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, Vorschriften über [ . . . ] erlassen werden.“

IV. Strukturelle Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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lung im Sinne von Art. 72 Abs. 2 GG typisiert zugrunde gelegt. Nun mag man genauer fragen, ob nicht dort, wo ein „atypisches“ Gesetz in dem Sinne vorliegt, daß es zwar auf einer ausschließlichen Bundeskompetenz beruht, aber nicht die Bedingungen des Art. 72 Abs. 2 GG erfüllen würde, ein tragfähiger Anknüpfungspunkt für einen überwiegenden Sachzusammenhang dieses Gesetzes abzulehnen ist. Indes soll der Sachzusammenhang helfen, einen sachlichen Zusammenhang auf der einfachgesetzlichen Ebene auch kompetentiell zu arrondieren. Er setzt dabei nur die Kompetenzgemäßheit des den überwiegenden Sachzusammenhang herstellenden Gesetzes voraus und nicht auch dessen bundesweite Erforderlichkeit. Typisierung und Kompetenz sind untrennbar miteinander verbunden. Besteht die Bundeskompetenz, können nicht etwa wieder als Rückausnahme atypische Fälle der Kompetenzwahrnehmung aus der Bundeskompetenz mit der Begründung aussortiert werden, es bestehe für sie kein Sachzusammenhang mit der ausdrücklich aufgeführten Bundesmaterie.

2. Die Maßstäbe des Art. 75 Abs. 2 GG Gemäß Art. 75 Abs. 2 GG dürfen Rahmenvorschriften nur in Ausnahmefällen in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen enthalten. In Rechtsprechung und Literatur wird hinsichtlich der Kompetenzen kraft Sachzusammenhangs bzw. Annexes immer wieder betont, daß diese ebenfalls Ausnahmecharakter besäßen. Die im Annex bzw. im Sachzusammenhang mitgeregelte Materie dürfe nicht zur Hauptmaterie werden.178 Zudem dürfe der im Sachzusammenhang erfolgende Übergriff keine substantielle Erweiterung der Hauptmaterie bedeuten.179 Im einzelnen bleibt für die Anforderungen an die Zulässigkeit eines Ausnahmefalls im Sinne von Art. 75 Abs. 2 GG vieles unklar. Das bedeutet ein Hindernis für die Übertragung von Kriterien auf die Ermittlung einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs. Die Voraussetzungen für einen Ausnahmefall nach Art. 75 Abs. 2 GG wurden ihrerseits weder abschließend geklärt noch überhaupt vom Bundesverfassungsgericht bereits erörtert. Der Absatz wurde 1994 in Art. 75 GG eingefügt, um dem Verlust der Gesetzgebungskompetenzen der Länder entgegenzuwirken.180 Man war sich bei der Verfassungsreform und ist sich in der Literatur darüber einig, daß aufgrund von Art. 75 Abs. 2 GG die vom Bundesverfassungsgericht entwikkelten Grundsätze für die Zulässigkeit von Detail- und Durchgriffsregelungen weiter verschärft werden müssen.181 Um so dringender ist das Bedürfnis, die intendierte Begrenzung der Bundeskompetenz auch durch Kriterien zu konkretisieren. Statt vieler Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 70 Rn. 31 mit Fn. 145. Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 70 Rn. 38, offenbar in Anlehnung an die Rechtsprechung des Supreme Court. 180 Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 75 Rn. 1. 181 Rozek, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 75 Rn. 70; M. D. Müller, Auswirkungen der Grundgesetzrevision von 1994, S. 116 f.; Axer, AgrarR 1996, S. 1 (4). 178 179

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

In der Gesetzesbegründung heißt es, daß nunmehr erschöpfende Teilregelungen oder punktuelle Vollregelungen regelmäßig nicht mehr zulässig seien.182 In der Literatur widerspricht man mit Hinweis auf den Wortlaut. Ausnahmsweise sei eine punktuelle bzw. partielle Vollregelung eben doch zulässig.183 Es sollen auch beide Varianten – die in Einzelheiten gehende und die unmittelbar geltende Regelung – kumulativ zulässig sein.184 Bemerkenswert ist, daß zwar stets auf die Vollregelung abgehoben wird, diese aber kaum je definiert wird.185 Richtigerweise wird darunter eine Regelung zu verstehen sein, für deren Erlaß es keiner Rahmenkompetenz bedürfte. Doch sind die Abgrenzungsschwierigkeiten damit noch nicht beendet, da auch aufgrund einer Sachkompetenz etwa aus dem Katalog des Art. 74 Abs. 1 GG eine Rahmenregelung erlassen werden dürfte.186 Vereinzelt wird – umgekehrt – eine Übertragung der Kriterien des Sachzusammenhangs auf die Bestimmung des Ausnahmefalls i. S. v. Art. 75 Abs. 2 GG erwogen. Namentlich Pestalozza schlägt die Anwendung der „Kriterien des kompetentiellen Sachzusammenhangs“ vor.187 Dabei hat er ausschließlich die Formel des Baurechtsgutachtens188 im Blick. Für die Anwendung auf Art. 75 Abs. 2 GG modifiziert er sie mit folgendem Ergebnis: Ein Ausnahmefall sei gegeben, „wenn die Rahmenvorschriften ohne die in Einzelheiten gehende(n) und / oder unmittelbar geltende(n) Regelung(en) verständigerweise nicht erlassen werden könnten, diese also unerläßliche Voraussetzung jener sind“.189 Befürwortet man diesen KriterienTransfer, kann die Bestimmung des Ausnahmefalls nach Art. 75 Abs. 2 GG keine Vorbildfunktion für die Konkretisierung des Sachzusammenhangs haben. Lehnt man ihn ab, sind auch die übrigen für Art. 75 Abs. 2 GG entwickelten Kriterien für eine Übertragung auf die nähere Bestimmung eines Sachzusammenhangs ungeeignet.

182 BT-Drs. 12 / 6000, S. 36; vgl. auch Sannwald, DÖV 1994, S. 629 (635); Axer, AgrarR 1996, S. 1 (4). 183 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 75 Rn. 737 mit Fn. 846; Kunig, in: von Münch / Kunig, GG III, Art. 75 Rn. 11, 42; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 75 Rn. 3; Gramm, DÖV 1999, S. 540 (543). 184 Rozek, in: Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 75 Rn. 70 f. 185 Jarass, NVwZ 1996, S. 1041 (1047), versteht darunter Regelungen, durch die der Bund einen Gegenstand vollständig regelt, so daß keine weitere Regelung erforderlich ist. 186 Unter Umständen ist das sogar wegen des Erforderlichkeits-Erfordernisses des Art. 72 Abs. 2 GG für den Bund verfassungsrechtlich geboten. 187 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 75 Rn. 734. Rybak / Hofmann, NVwZ 1995, S. 230 (234), sprechen von einer „Durchbrechung der Grundstruktur der neuen Richtliniengesetzgebung“. Gegen diese Übertragung die h. M., vgl. Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 75 Rn. 13, mit dem Argument, Art. 75 Abs. 2 GG sei gerade keine Durchbrechung der positiven Kompetenzordnung des Grundgesetzes. 188 BVerfGE 3, 407 (421). 189 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 75 Rn. 735.

IV. Strukturelle Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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3. Primat des Bundesgesetzgebers? Grau hat im Jahre 1926 den Vorrang der Bundeskompetenzen im Bundesstaat diagnostiziert. Mit diesem Befund hob er auf den Umstand ab, daß die Zentralgewalt im Bundesstaat über Kompetenzen verfügt, die nach solchen Gesichtspunkten geordnet sind, daß sie dieser Zentralgewalt eine Dominanz ermöglichen.190 Der Mißbrauch dieser Kompetenzen durch Behauptung eines nur scheinbaren Zusammenhangs des konkreten Regelungsgegenstands mit der Bundeskompetenz sei sehr wohl denkbar.191 Vom Vorrang der Bundes- bzw. Reichskompetenzen konnte außerdem noch gesprochen werden, insofern die Gerichtsbarkeit sich als unzuständig ansah, Reichsgesetze mit der Begründung ihrer Kompetenzwidrigkeit aufzuheben, bei Landesgesetzen aber sehr wohl so verfuhr. Diese Haltung der Gerichte und ihre Verteidigung im Schrifttum zur Weimarer Reichsverfassung wird erklärlich, wenn man bedenkt, daß die Wurzeln der Staatsgerichtsbarkeit nicht im Vorrang der Verfassung vor dem einfachen Gesetz, sondern in der Hierarchie zwischen Reich und Ländern liegen.192 Eine solche Asymmetrie mußte dazu führen, Art. 13 Abs. 1 WRV – „Reichsrecht bricht Landesrecht“ – so zu verstehen, daß Reichsrecht auch im Falle seiner Kompetenzwidrigkeit Gültigkeit haben soll.193 Vor diesem Hintergrund konnte man in Art. 13 Abs. 1 WRV die Suprematie des Reichs über die Länder erkennen.194 Für das Grundgesetz wird demgegenüber immer wieder die verfassungsrechtliche Gleichordnung von Bund und Ländern betont bzw. im Blick auf ihre jeweilige Staatlichkeit von „gleichartigen Größen“ gesprochen.195 Auf das Verhältnis zwischen Bund und Ländern soll sogar der rechtsstaatlich vermittelte, objektive Gehalt des allgemeinen Gleichheitssatzes Anwendung finden. Dies hat auch Methodengleichheit bei der Kompetenzauslegung zur Folge. Die „Eigenstaatlichkeit“ der Bundesländer stellt sie dem Bund gleichberechtigt zur Seite. Der Bund hat keine Gesetzgebungskompetenz zur Auflösung vermeintlicher Kompetenzkonflikte mit der Landesgesetzgebung.196 Grau, Festschrift Heinitz, S. 358 (408). Grau, ebenda. 192 Schlaich / Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 498; Robbers, JuS 1990, S. 257. 193 Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 221; Merkl, ZöR 2 (1921), S. 353; vgl. Wiederin, Bundesrecht und Landesrecht, S. 282; a. A. Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 151; Fleiner, VVDStRL 6 (1929), S. 8, 23, 65; dagegen zutr. Wiederin, a. a. O., S. 283: Wie kann es eine Kollisionsregel ohne Kollisionen geben? 194 Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, Art. 13 Anm. 1; Flad, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 34; Giese, Die Verfassung des Deutschen Reiches, Art. 13 Anm. 1; Lukas, VVDStRL 6 (1929), S. 28; Maschke, Die Rangordnung der Rechtsquellen, S. 77 f.; Walz, Staatsrecht, S. 295. 195 So etwa Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 98 Rn. 69. 196 Siehe Brohm, DÖV 1983, S. 525 (527); ders., Landeshoheit und Bundesverwaltung, S. 21 ff. 190 191

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Gleichwohl ist die Eigenstaatlichkeit der Länder im Bundesstaat gegenüber der Staatlichkeit des Gesamtstaats nur durch Zurichtung des Staatsbegriffs zu haben. Mit anderen Worten: Eine Gleichberechtigung läßt sich erst feststellen, wenn die Bund und Ländern gemeinsame Staatlichkeit begrifflich derart abstrahiert wird, daß die Differenzen wegfallen. So ist die „Souveränität“ entweder nur sehr mittelbar eine immanente Eigenschaft der Eigenstaatlichkeit der Länder oder auf dieses Attribut wird völlig verzichtet.197 Neben diesen Konstruktionsversuchen am Staatsbegriff wird – gleichsam aus der entgegengesetzten Richtung – dem Bund eine „Gesamtverantwortung“ zugeordnet, eine „Gesamtstaatlichkeit“, die den Bund nicht alleine als Gegenüber der Länder erscheinen läßt, wie dies für die Kompetenzabgrenzung notwendig ist, sondern auch als Sachwalter von deren Interessen, der den kompetenzrechtlichen Dualismus transzendiert. So lassen sich zentripetale Kräfte in der Kompetenzverteilung und der Kompetenzauslegung erklären. Das Argument der „Natur der Sache“ wurde ebenfalls für die Stärkung des Bundes nutzbar gemacht. Da das Bundesverfassungsgericht kompetenzwidrige Bundesgesetze ebenso aufhebt wie kompetenzwidrige Landesgesetze und weil Art. 31 GG die Kompetenzgemäßheit des Bundesrechts voraussetzt, finden sich Ansätze für eine die Zentralgewalt begünstigende Asymmetrie höchstens auf einer subtileren Ebene: In der Methodik der Verfassungsauslegung sowie in der Art und Weise, wie Kompetenzausübungsschranken konstruiert und angewandt werden. Der „Vorrang der Bundeskompetenzen“ könnte in verschiedener Hinsicht bestehen: a) Bei der Auslegung der in Betracht kommenden Kompetenztitel bzw. der kompetentiellen Qualifikation des zu subsumierenden einfachen Gesetzes. b) Bei der Annahme von Doppelzuständigkeiten zwischen Bund und Ländern, die dann einseitig zugunsten des Bundes aufgelöst werden. c) In Gestalt von Kompetenzausübungsschranken, die einseitig zu Lasten des Landesgesetzgebers wirken. a) Kompetentielle Qualifikation Bei der Zuordnung eines Gesetzes zu einem Kompetenztitel, also der kompetentiellen Qualifikation dieses Gesetzes, wird der Bundesgesetzgeber nicht gegenüber dem Landesgesetzgeber bevorzugt. Im Gegenteil folgt aus Art. 70 Abs. 1 GG, daß eine Vermutung zugunsten einer Bundeskompetenz niemals bestehen kann.198 Die Begriffe der engen bzw. restriktiven Auslegung einerseits und der weiten bzw. extensiven Auslegung andererseits werden dem Vorgang der Subsumtion unter Kompetenzvorschriften nicht gerecht. Vielmehr sollten die Kompetenztitel sachangemessen ausgelegt werden. Deduktionen aus verfassungsrechtlichen Prinzipien, die nicht ausdrücklich von den Kompetenztiteln in Bezug genommen werden, ver197

Vgl. Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 98 Rn. 65 f.: „Relative Bedeu-

tung“. 198

Kunig, in: von Münch / Kunig, GG III, Art. 70 Rn. 20.

IV. Strukturelle Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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bieten sich bei der Auslegung der Kompetenznormen. Ein Sonderfall ist die Kompetenz kraft Natur der Sache. Gleichwohl kann man eine Tendenz verzeichnen, aus der sachangemessenen eine funktionale, effektive, effektuierende oder dynamische Auslegung zu konstruieren, die die Bundeskompetenzen begünstigt. Zwar wird immer wieder die starke historische Komponente der Kompetenzauslegung hervorgehoben. Viele Entscheidungen zeigen jedoch, daß die historische Auslegung kein notwendiges Kriterium für die Ermittlung des Umfangs der Kompetenzen ist. So hat das Bundesverfassungsgericht etwa im Jahre 1960 die „Sozialversicherung“ in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG als einen „Gattungsbegriff“ bezeichnet, der gerade keine Beschränkung auf die historischen Erscheinungsformen darstelle.199 Daß die Kriterien einer notwendigen Begrenzung damit rar werden, bezeugt die Definition, erfaßt werde alles, was „der Sache nach“ Sozialversicherung sei. Indem das Bundesverfassungsgericht auf den funktionalen Ersatz strafrechtlichen Schutzes des ungeborenen Lebens durch ein Beratungskonzept abstellte,200 erlaubte es Übergriffe in die an sich ausschließliche Länderkompetenz für das Berufsrecht der Ärzte.201 Die Abwendung von den Traditionen erweitert den Umfang der Bundeskompetenz. Diese Rechtsprechung erscheint sehr fragwürdig. Zum einen befördert die gesellschaftlich-wirtschaftlich-soziale Bedeutung, die einer Bundesmaterie beigemessen wird, die „dynamische“ Auslegung des entsprechenden Kompetenztitels. Zum anderen kommt die zulässige Gesetzgebungskompetenz der Länder, kraft Sachzusammenhangs auf Bundesmaterien überzugreifen, im Schrifttum so gut wie nie zur Sprache. Die Länder haben allerdings angesichts des ihnen nur verbliebenen schmalen Kompetenzbestands im Bereich der Gesetzgebung kaum Gelegenheit, Verflechtungen zwischen Regelungsmaterien herzustellen. Für das Überwiegen eines Sachzusammenhangs spielt es keine Rolle, daß die eine Materie bundesrechtlich, die andere landesrechtlich geregelt ist. Zwar mögen die in Bundeshand befindlichen Materien von vornherein von besonderer Bedeutung sein. Sonst wären sie nicht dem Bund zugeordnet worden. Da die Kompetenzmaterien aber nicht an die Bedeutung der Zuweisung gerade an den Bund, sondern an die jeweiligen Sachbereiche anknüpfen, sind diese maßgeblich. Auch vermittels der teleologischen Auslegung darf dem Bund kein „Bonus“ bei der Feststellung eines überwiegenden Sachzusammenhangs gegeben werden. Die Bundesgesetzgebungskompetenz aus der Natur der Sache ist die einzige Gattung nicht ausdrücklich geschriebener Kompetenzen. Sie besteht aufgrund eines Bezugs der Materie zum „Wesen des Bundesstaats“. Sie hat methodische Exklusivität. Der Umfang der geschriebenen Bundeskompetenzen darf nicht im Wege der Deduktion aus dem Begriff des Bundesstaats gewonnen werden. BVerfGE 11, 105 (111 – 113). BVerfGE 98, 265. 201 Ausschließlich bis auf die Regelung der Zulassung von ärztlichen Berufen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG). 199 200

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Eine dynamische Auslegung ist zu begrenzen, weil der Bundesgesetzgeber als verfassungsändernder Gesetzgeber die Kompetenz-Kompetenz zur Neuverteilung der Gesetzgebungskompetenzen besitzt. Die Kompetenz-Kompetenz muß nach Maßgabe des Art. 79 GG ausgeübt werden und darf nicht durch extensive Auslegung der Gesetzgebungskompetenzen umgangen werden. b) Doppelzuständigkeiten und Art. 31 GG Eine strukturelle Bevorzugung des Bundes könnte auch aus der Annahme von Doppelzuständigkeiten folgen. Pestalozza hält sie für möglich und zulässig.202 Sowohl könne derselbe Gesetzgeber aus zwei oder mehreren Titeln ermächtigt sein, die auch von unterschiedlicher Art, also konkurrierend und ausschließlich, sein dürften, als auch zwei Gesetzgeber könnten in bezug auf denselben Gegenstand je einfach legitimiert sein.203 Pestalozza schlägt zur Auflösung eines durch diese Doppelzuständigkeit ermöglichten Widerspruch zwischen jeweils kompetenzgemäß erlassenen Gesetzen die Anwendung des Art. 31 GG vor. Wenn der Bundesgesetzgeber seine Kompetenz wahrnehme, breche das Bundesgesetz das entgegenstehende Landesgesetz, obwohl es kompetenzgemäß erlassen worden ist. Diese Doppelzuständigkeiten wirken damit wie konkurrierende Kompetenzen, die der Bund ohne dem Art. 72 Abs. 2 GG entsprechende Voraussetzungen in Anspruch nehmen kann. Art. 31 GG füllt die Lücke, die die nicht eindeutige Zuordnung der Kompetenzen hervorruft. Die nicht eindeutige kompetentielle Qualifikation – eines nicht mehr zerlegbaren Gesetzes – ist der Grund für Doppelzuständigkeiten. Art. 70 Abs. 1 GG hingegen geht von einer alternativen, das heißt eindeutigen Zuordnung aus. Die Anwendung des Art. 31 GG zur Auflösung einer nicht zuende geführten kompetentiellen Qualifikation und des daraus resultierenden Normkonflikts ist abzulehnen. Es gilt das Verbot der „Doppelqualifikation“.204 Eine kompetenztitelgenaue Subsumtion jedes nicht mehr zerlegbaren Gesetzes ist geboten. c) Kompetenzausübungsschranken Schließlich könnten die sogenannten Kompetenzausübungsschranken einseitig zugunsten des Bundes wirken. Soweit man das Institut der Kompetenzausübungsschranke anerkennt (vgl. dazu unten G.),205 kommen die Bundestreue und das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung in Betracht.

Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 74 f. Siehe dazu oben D. II. 3. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 75. 204 Siehe oben D. I. 1. Vgl. Haack, Widersprüchliche Regelungskonzeptionen im Bundesstaat, S. 97. 205 Vgl. Haack, Regelungskonzeptionen, S. 104 – 106. 202 203

IV. Strukturelle Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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aa) Die Bundestreue Die Bundestreue verpflichtet entgegen ihrer mißverständlichen Bezeichnung nicht nur den Landesgesetzgeber zur Rücksichtnahme auf die Bundesgesetzgebung, sondern ebenso den Bundesgesetzgeber zur Rücksichtnahme206 auf die Landesgesetzgebung. Diese wechselseitige Rücksichtnahmeverpflichtung besteht zwar im Interesse des Gesamtstaats; gleichwohl ist grundsätzlich die Verpflichtung der Länder nicht intensiver als diejenige des Bundes gegenüber den Ländern.207 In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist das gegenüber dem Bundesgesetzgeber geltende Gebot der Bundestreue im Sinne einer „Verstärkung“ einer verfassungskonformen Auslegung der Bundesgesetzgebungskompetenzen angewandt worden. So markiert die Grenze des „Hausguts der Länder“208 den nach Art. 79 Abs. 3 GG den Ländern selbst im Wege der Verfassungsänderung nicht entziehbaren Kernbereich der eigenen Organisationsgewalt einschließlich der dafür erforderlichen Gesetzgebung. Das Bundesverfassungsgericht hat unter Verweis auf das Gebot der Bundestreue dem Bundesgesetzgeber dieselbe Grenze gezogen. In dieser Hinsicht verkörpert die Bundestreue keine Einschränkung des Bundesgesetzgebers, die es nicht auch ohne die Bundestreue gäbe. Doch wird das Gebot der Bundestreue dem Landesgesetzgeber in ähnlicher Eigenschaft entgegengesetzt, wenn sie als Schranke zugunsten der Funktionsfähigkeit von Bundesbehörden wirkt. Diese Grenze wird in der Literatur nicht auch alternativ aus Art. 79 Abs. 3 GG abgeleitet. Ein solcher Begründungszusammenhang kann allerdings sehr wohl bestehen, da Art. 79 Abs. 3 GG mit dem Bundesstaat auch die Staatlichkeit des Bundes und nicht nur diejenige der Länder schützt.209 Zur Staatlichkeit des Bundes gehört die autonome Wahrnehmung der eigenen Verwaltungskompetenzen.210 Insofern kommt der Bundestreue auch, soweit sie als funktionelles Äquivalent einer verfassungskonformen Auslegung der Kompetenztitel am Maßstab des Art. 79 Abs. 3 GG nutzbar gemacht wird, eine symmetrische Wirkweise zu. Weder der Bund noch die Länder werden durch diese Kompetenzausübungsschranke bevorzugt.

206 Wobei Rücksichtnahme etwas anderes meint als Beachtung im Sinne der von Art. 20 Abs. 3 GG verlangten Bindung. 207 Vgl. schon von Mangoldt / Klein, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 1964, S. 1362. 208 BVerfGE 34, 9 (20); 87, 181 (196); vgl. Kisker, Kooperation im Bundesstaat, S. 300; Vogel, HbVerfR, § 22 Rn. 28; Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 98 Rn. 276 f.; Maunz, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 94 Rn. 12; Stern, Staatsrecht I, § 19 III 2 a; Lücke, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 27. 209 Vgl. Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 79 Rn. 130. 210 Schwieriger ist es, die Immunität (Exemtionen) gegenüber dem Landesrecht unmittelbar aus den Bundesverwaltungskompetenzen abzuleiten.

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

bb) Die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung Die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung ist eine schillernde Rechtsfigur. Sie wird in unterschiedlichen Zusammenhängen mit stark divergierenden Bedeutungen verwandt. Das Bundesverfassungsgericht hat ihr in seiner Entscheidung zum BaySchwHEG die Funktion zugeschrieben, die ohnehin bestehenden Schranken der Kompetenzausübung zu konturieren. Andererseits wird in Auslegung der Entscheidung zum Verhältnis der kommunalen Verpackungssteuer zum Bundessachgesetz festgestellt, das Prinzip widerspruchsfreier Normgebung sei auch Ausfluß des Grundsatzes der Bundestreue.211 Wie ungenau diese Ableitungen sind, zeigt sich daran, daß ebenfalls die Auffassung vertreten wird, das Gebot der Bundestreue lasse sich auf das Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung zurückführen.212 Wenn das Bundesverfassungsgericht die Grundlagen der Widerspruchsfreiheit sowohl im Rechtsstaatsprinzip als auch in der bundesstaatlichen Kompetenzordnung sieht,213 wird der ohnehin fragwürdige Unterschied zwischen Kompetenzgrenze und Kompetenzausübungsschranke eingeebnet. Jedoch müßten dann auch die Maßstäbe für die Kompetenzabgrenzung, also die Kriterien für die Auslegung der Kompetenztitel, ungebrochen zur Anwendung kommen. Grundsätzlich gilt, daß Gesetzgebungskompetenzen im Verhältnis zueinander gleichwertig sind.214 Aus der Eigenart der Kompetenz – Bundes- oder Landeskompetenz, Steuer-, Straf- oder Sachkompetenz – läßt sich noch kein Vorrang in den Bereichen gesetzgeberischer Überschneidungen ableiten. Gleichwohl ist es weitaus häufiger notwendig, gerade die modal definierten Gesetzgebungskompetenzen, also etwa diejenigen für Steuern, Strafrecht, Polizei- und Ordnungsrecht, einzuschränken, soweit diese auf Sachgebiete einen zu starken Einfluß nehmen, als umgekehrt die Gesetzgebung aufgrund modaler Kompetenzen vor Sachgesetzen abzuschirmen.215 Denn diese in erster Linie nach dem Mittel umschriebenen Kompetenzen sind in bezug auf das Mittel lex specialis zu den Sachregelungskompetenzen, so daß insofern kein Übergriff auf die modalen Kompetenzen droht. Die auf die Sachkompetenz gestützten Sonderabgaben sind hier ebenso zu nennen wie das Recht der Verwaltungssanktionen, sofern sich diese dem Strafrecht annähern. Was aber eine Steuer oder eine Strafvorschrift ist, kann noch mit relativ hoher Genauigkeit bestimmt werden, so daß eine steuergleiche Sonderabgabe oder eine strafgleich wirkende Verwaltungssanktion schnell als kompetenzwidrig feststeht. Wann die Auswirkung einer Steuernorm auf ein Sachgebiet einer Sachregelung gleichFrenz, DÖV 1999, S. 41 (43). Widmer, Normkonkurrenz und Kompetenzkonkurrenz im schweizerischen Bundesstaatsrecht, S. 32 f. 213 BVerfG, NJW 1998, S. 2346 (2347). 214 Haack, Regelungskonzeptionen, S. 96; Brohm, DÖV 1983, S. 525 (528). 215 Vgl. für das Verhältnis von Straf- und Sachgesetzen Haack, Regelungskonzeptionen, S. 62; Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 81 in Fn. 166. 211 212

IV. Strukturelle Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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kommt, ist indes ungleich schwerer zu bestimmen. Doch ist auch das Verhältnis der Sachkompetenzen zu den Steuerkompetenzen in bezug auf die Regelung des Sachbereichs vom Verhältnis der Spezialität bestimmt. Die Spezialität der Steuerkompetenz gegenüber der Sachkompetenz in bezug auf das Mittel der Steuer ist auf dieses Mittel beschränkt. Der Steuertitel ist nicht in jeder Hinsicht spezieller als die Sachtitel. Die Sachgebiete, auf die die Steuergesetzgebung lenkenden Einfluß nehmen oder sich auch nur auswirken kann, befinden sich – wenigstens durch Wahrnehmung einer konkurrierenden Kompetenz – in der Regel in der Hand des Bundes.216 Der Einfluß von Landessteuergesetzen bzw. kommunalen Steuern, die auf landesgesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen beruhen, auf die von Bundessachgesetzen geregelte Materie ist ebenso einschränkbar wie der Einfluß von Bundessteuergesetzen auf die von Landessachgesetzen geregelte Materie. Die Kompetenzen von Bund und Ländern sind prinzipiell gleichwertig, so daß die Voraussetzungen für einen zulässigen Übergriff der Steuergesetze auf eine Sachmaterie in abstracto unabhängig davon zu bestimmen sind, ob der Bund der Sachgesetzgeber und das Land der Steuergesetzgeber ist oder ob es sich umgekehrt verhält.217 Allerdings kann nur der Landessteuergesetzgeber noch nachträglich verdrängt werden. Dies ist nämlich der Fall, wenn der Bund sich erst nach Erlaß des betreffenden Landessteuergesetzes zum Gebrauch eines konkurrierenden Sachtitels entschließt und einen Widerspruch im Sinne der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung produziert. Vergleichbar mit dem Verhältnis von Steuer- und Sachgesetzgebung ist die Beziehung zwischen Strafrecht und Sachregelungen. Die Materie des Strafrechts bildet ebenfalls eine modale Kompetenz, die nach dem Mittel der staatlichen Regelung definiert ist. Doch bestehen Unterschiede. Das Strafrecht wird zwar ausdrücklich als konkurrierender Titel in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG aufgeführt. Dennoch wäre denkbar, es als eine dem Annex vergleichbare Ergänzung zu den Sachgebieten, auf die es sich bezieht, zu betrachten. Dies hätte allerdings zur Folge, daß die Länder Strafgesetze nicht nur erlassen können, soweit sie nicht vom Bundesstrafgesetzgeber durch die Sperrwirkung gemäß Art. 72 Abs. 1 GG ausgeschlossen sind, sondern auch im Annex zu ihrer ausschließlichen und konkurrierenden Sachgesetzgebung, ohne daß der Bundesstrafgesetzgeber sie daraus wieder verdrängen könnte.218 Nur wenn der Bund von einer konkurrierenden Sachkompetenz mit Sperrwirkung Gebrauch machen würde, würde sich diese Sperrwirkung auch auf die zum Landessachgesetz in Annex stehende Strafvorschrift erstrecken. Annex216 Vgl. Rodi, StuW 1999, S. 105 (106), der offenbar auch die bundesverfassungsgerichtliche Anerkennung der Zulässigkeit einer überwiegenden Lenkungssteuer, die einen wirtschaftspolitischen Hauptzweck verfolgt, auf die Kongruenz von Steuer- und Sachkompetenz in der Hand desselben Gesetzgebers zurückführt (vgl. BVerfGE 16, 147 [161]). 217 Friauf, Recht und Staat 325 / 326, S. 26 f., zu einem Widerspruch zwischen BVerfGE 13, 181 (196 f.); 14, 76 (99) einerseits und BVerfGE 16, 147 (162) andererseits. 218 Verdrängen im Sinne der Sperrwirkung konkurrierender Gesetzgebung.

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Strafrecht des Landes zu kraft ausschließlicher Sachkompetenz ergangenen Landesgesetzen bliebe gegen jeden bundesgesetzlichen Einfluß ebenso immun wie das Landessachgesetz selbst. Doch wird diese Konsequenz nicht gezogen. Die Materie Strafrecht soll keine Annex-Materie sein. Die kompetentiellen Gemengelagen zwischen Straf- und Sachgesetz sind auch nicht identisch mit dem Konflikt von Steuer- und Sachgesetz.219 Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings den Unterschied noch vergrößert, indem es einen Übergriff des Strafgesetzgebers kraft Sachzusammenhangs auf das landesgesetzlich geregelte Berufsrecht der Ärzte guthieß.220 Damit kehrt sich die Richtung der Abwehr vermittels der Kompetenzausübungsschranke um.221 Die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung schützt den (modalen) Strafgesetzgeber vor dem Sachgesetzgeber, während sie den (modalen) Steuergesetzgeber zugunsten des Sachgesetzgebers einschränkt. Die steuergesetzliche Lenkungswirkung soll unzulässig, die strafrechtliche Sachregelung soll zulässig sein. Trotz der Benachteiligung des Landesgesetzgebers in den konkret entschiedenen Fällen des Bundesverfassungsgerichts222 enthält das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung kein Begründungsmuster, das geeignet wäre, einseitig den Bundes- oder den Landesgesetzgeber zu bevorzugen.

4. Der Einfluß der Kompetenzarten auf die Anforderungen für einen Sachzusammenhang Die Anforderungen, die an eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs definitorisch zu stellen sind, könnten danach zu unterscheiden sein, von einem Kompetenztitel welcher Art auf einen Titel welcher Art übergegriffen wird. Muß etwa der aufgrund seiner ausschließlichen Kompetenz tätig werdende Bundesgesetzgeber, der kraft Sachzusammenhangs in einen Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung übergreifen möchte, den der Bund für sich unmittelbar noch nicht in Anspruch genommen hat, dieselben Voraussetzungen erfüllen wie im Falle eines Übergriffs auf eine ausschließliche Landeskompetenz? Neben der Differenzierung in ausschließliche und konkurrierende Kompetenzen rückt auch innerhalb der ausschließlichen Kompetenzen die Unterscheidung nach Natur der Sache oder geschriebenem Titel in den Blick. Schließlich könnte die Unterscheidung zwischen Vollregelungs-, Rahmen- und Grundsatzkompetenzen eine Anpassung der Voraussetzungen an eine zulässige Kompetenz kraft Sachzusammenhangs erfordern. In all diesen UnVgl. aber Haack, Regelungskonzeptionen, S. 61. BVerfGE 98, 265 ff. 221 Dieser Befund auch bei Haack, Regelungskonzeptionen, S. 63, allerdings mit einer Einschränkung in Fn. 228: Standesrechtliche Sanktionsvorschriften seien Strafrecht im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 71. 222 BVerfGE 98, 83; 98, 106; 98, 265. 219 220

IV. Strukturelle Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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terscheidungen mag zudem von Bedeutung sein, ob nur je die Stamm-Materie oder die Zielmaterie oder aber beide in der betreffenden Kategorie liegen. In der ersten Konstellation – ein aufgrund ausschließlicher Kompetenz ergehendes Bundesgesetz streift eine nicht bundesgesetzlich geregelte Materie konkurrierender Kompetenz – handelt es sich nicht um die Wahrnehmung dieser konkurrierenden Kompetenz. Liegen die Voraussetzungen für einen zulässigen Übergriff kraft Sachzusammenhangs vor, macht der Bundesgesetzgeber von der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis nicht Gebrauch im Sinne von Art. 72 Abs. 1 GG. Infolge dessen entfaltet ein solches Bundesgesetz auch keine Sperrwirkung nach Art. 72 Abs. 1 GG.223 Andererseits muß der Bund für den Übergriff auch nicht die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG erfüllen. Er stützt sich nur auf die ausschließliche Kompetenz, die kraft Sachzusammenhangs ausgelegt wird und auch insofern am Charakter der ausschließlichen Kompetenz teilhat. Hat der Landesgesetzgeber die konkurrierende Materie in dem sachzusammenhängend vom Bundesgesetzgeber mitgeregelten Bereich noch überhaupt nicht normiert, gibt es keinen Normkonflikt. Ist der Bereich hingegen landesgesetzlich geregelt, so sind Auswirkungen des Bundesgesetzes zulässig, müssen aber nicht tatenlos hingenommen werden. Der Landesgesetzgeber kann den faktischen Auswirkungen auf seine Materie entgegenwirken, solange er dadurch nicht unzulässig in die Stamm-Materie des Bundesgesetzgebers übergreift. Deckt dessen Kompetenz kraft überwiegenden Sachzusammenhangs (als erlaubte „Nebenwirkungen“) die faktischen Auswirkungen auf die fremde Materie, so kann der Landesgesetzgeber nur die Symptome dieses Übergriffs, nämlich die Auswirkungen, nicht aber die Ursachen, nämlich die Regelungen des Bundesgesetzgebers, „bekämpfen“. Entsprechendes gilt für das Verhältnis des Bundesgesetzgebers zum kraft Sachzusammenhangs übergreifenden Landesgesetzgeber. Deckt die Bundeskompetenz kraft Sachzusammenhangs eine Spezialregelung im Bereich eines landesgesetzlich geregelten konkurrierenden Titels, muß das Land den Übergriff ohne die Möglichkeit zu gesetzgeberischen Gegenmaßnahmen hinnehmen. Die Ausschließlichkeit einer Kompetenz indiziert deren besondere Immunität gegenüber dem anderen Kompetenzinhaber. Aber erschöpft sich dieser Grenzwiderstand in der Unzulässigkeit jedes unmittelbaren Zugriffs des anderen Gesetzgebers auf die Materie, oder schützt die Ausschließlichkeit darüber hinaus vor Übergriffen eines kraft Sachzusammenhangs tätig werdenden Gesetzgebers? Für die letzte Deutung spricht, daß es keine Annexmaterien mit dem Rang einer ausschließlichen Kompetenz gibt. Die fehlende Ausschließlichkeit könnte die Zulässigkeit eines Übergriffs belegen. Doch ist der Schluß auf die „Unangreifbarkeit“ der bestehenden ausschließlichen Kompetenzen nicht zwingend. Es gehört zum Charakter der Annexmaterien, daß sie dienend sind. Eine ausschließliche Kompetenz für eine Annexmaterie kann schon per definitionem nur da bestehen, wo die 223 Für zukünftige Landesgesetze. Nach Pestalozza bricht ein solches Gesetz das bisherige entgegenstehende Landesrecht aufgrund von Art. 31 GG.

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

zugehörige Stamm-Materie einer ausschließlichen Kompetenz unterfällt. Der Sachzusammenhang ermöglicht gerade einen Übergriff auf an sich selbständige Materien. Im Falle eines überwiegenden Sachzusammenhangs wird auf die überwiegende Wirkung der unter die Kompetenznormen zu subsumierenden Norm auf einen Sachbereich abgestellt. Für die Frage, ob die Norm den Schwerpunkt ihrer Wirkung in diesem oder jenem Sachbereich hat, ist die Ausschließlichkeit einer der Kompetenzvorschriften irrelevant. Die kompetentielle Qualifikation eines Gesetzes ist dessen Subsumtion unter die Kompetenzvorschriften; dabei wird unter den Tatbestand der Kompetenznorm subsumiert, nicht aber unter dessen Rechtsfolge. Die Ausschließlichkeit oder das Konkurrieren eines Kompetenztitels ist eine Rechtsfolge einer zuvor festgestellten Kompetenz. Fraglich ist, ob diese Aufspaltung in Subsumtion unter den Tatbestand und davon unabhängige Rechtsfolge apodiktisch behauptet werden kann. Die Auslegung eines Tatbestands wird nicht selten von der Rechtsfolge abhängig gemacht, die sich an eine erfolgreiche oder fehlgeschlagene Subsumtion jeweils knüpfen würde. So kann es durchaus sein, daß die Rechtslage bei gelingender Subsumtion mit der Rechtslage bei fehlgeschlagener Subsumtion unter dem Gesichtspunkt des Regelungszwecks der Norm verglichen wird, die aufgrund dessen eine zugespitzte, verfeinerte Auslegung erfährt. Man kann dies als Rückkopplung zwischen Rechtsfolge und Tatbestand einer Norm bezeichnen. Die „effektuierende“ Auslegung stellt eine Sonderform dieses „Rückkopplungseffekts“ dar. Hier wird nicht (nur) der geschilderte Vergleich zwischen geglückter und fehlgeschlagener Subsumtion vorgenommen, sondern in einer Art von Gesamtbilanz eine gewisse Zahl erfolgreicher Subsumtionen gefordert. Typisch ist der Hinweis, die Norm laufe sonst leer. Es handelt sich um eine Spielart subjektiv-teleologischer Auslegung, da unterstellt wird, der Gesetzgeber wolle keine Norm schaffen, die nicht zur Anwendung komme.224 Für die Auslegung insbesondere der Gesetzgebungskompetenzen wird die Methode der effektuierenden Auslegung als geeignet erachtet.225 Indes kann die Rückkoppelung zwischen Rechtsfolge und Tatbestandsauslegung auf die grundgesetzliche Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern nur sehr eingeschränkt wirken: Denn die durch Art. 70 Abs. 1 GG angeordnete Vollständigkeit bzw. Lückenlosigkeit der Kompetenzverteilung garantiert, daß die Rechtsfolge, daß es für eine einzelne, nicht mehr zerlegbare Norm einen kompetenten Gesetzgeber gibt, jedenfalls eintritt. Wenn sich die Rechtsfolge in bezug auf die Kompetenz als solche damit bei Subsumtion oder Nicht-Subsumierbarkeit unter den jeweiligen Titel gleicht, kann insofern keine interpretatorische Rückkopplung stattfinden. Der Umstand, ob der Bund oder aber die Länder zur Gesetzgebung befugt wären, darf wegen deren Gleichordnung keine Rolle spielen. 224 Daß diese Unterstellung simplifizierend, wenn nicht falsch ist, läßt sich mit dem Beispiel von Strafgesetzen zeigen: Der Gesetzgeber wünscht gerade keine Anwendung dieser Normen, sondern setzt auf deren abschreckende Wirkung. Die bezweckte Wirkung einer Norm erschöpft sich nicht in ihrer durch Subsumtion vorgenommenen Anwendung. 225 Scholz, Festgabe 25 Jahre Bundesverfassungsgericht, S. 252 (269).

IV. Strukturelle Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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Nicht anders kann die Frage entschieden werden, ob es umgekehrt leichter möglich sein soll, von einer ausschließlichen Kompetenz ausgehend vermittels des Sachzusammenhangs auf eine andere Materie überzugreifen. Sollte also ein Bundesgesetz über den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes (Art. 73 Nr. 6 a GG) mit Sachzusammenhang zum Thema des Polizeirechts, des Denkmal- oder Naturschutzes leichter gerechtfertigt werden können als ein Bundesgesetz mit polizeirechtlichen, denkmalschutz- oder naturschutzrechtlichen Inhalten, das kraft Sachzusammenhangs zur Kompetenz für den Bergbau (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) erlassen wird? Bei diesem Vergleich ist darauf zu achten, daß die verglichenen Stammkompetenzen dieselbe Sachnähe zu der Zielmaterie aufweisen. Wenn man auch das Bauordnungsrecht im Rahmen des Art. 73 Nr. 6 a GG denselben Anforderungen für den Sachzusammenhang unterstellt wie etwaige Regelungen zu Polizei- oder Denkmalschutzrecht, 226 so wird die Bedeutung der ausdrücklichen Nennung gerade des „Baus“ von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes verkannt. Zu klären ist die Frage eines möglichen Sachzusammenhangs zwischen einer Rahmen- bzw. Grundsatzgesetzgebungskompetenz einerseits und einer Vollregelungskompetenz andererseits. Für die Rahmenkompetenz gilt, daß nicht kraft Sachzusammenhangs eine Vollregelungskompetenz als zweckmäßige oder notwendige Ergänzung für eine Rahmenregelung in Anspruch genommen werden kann. Art. 75 Abs. 2 GG bildet die Grundlage für die Kriterien, unter denen ausnahmsweise eine Vollregelung zulässig ist. Eine Kompetenz des Rahmengesetzgebers kraft Sachzusammenhangs kann nur einen Bereich zur rechtlichen Rahmenregelung eröffnen. Soweit es um faktische Neben- und Auswirkungen geht, die vom Sachzusammenhang gedeckt werden, ist dieses Erfordernis irrelevant. Wenn der Sachzusammenhang jedoch eine Spezialregelung ermöglicht, ist dem Gesetzgeber eine Vollregelung versperrt. Dasselbe ist für einen Sachzusammenhang zu einer Grundsatzkompetenz227 anzunehmen. Gemäß Art. 109 Abs. 3 GG kann der Bundesgesetzgeber durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, für Bund und Länder gemeinsam geltende Grundsätze für das Haushaltsrecht, für eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft und für eine mehrjährige Finanzplanung aufstellen.228 Punktuelle Vollregelungen soll die Vorschrift nicht decken, weil dies dem Begriff der Grundsätze nicht entspreche.229 Doch soll eine unmittelbar geltende Regelung des Bundesgesetzgebers zulässig sein, wenn ein besonders starkes und legitimes Interesse an einer solchen Regelung besteht.230 Die zu Art. 75 GG in der alten Fassung vom 226 227 228 229 230

So Pestalozza, Grundgesetz, Art. 73 Rn. 418. Vgl. Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 a, Art. 91 a Abs. 2 S. 2, Art. 109 Abs. 3 GG. Zu den Grenzen vgl. das Beispiel bei Battis / Kersten, NVwZ 2000, S. 1337 (1342). Vgl. Hillgruber, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 109 Rn. 82. Hillgruber, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 109 Rn. 82.

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Bundesverfassungsgericht entwickelten Anforderungen231 werden damit auf die Grundsätzegesetzgebung übertragen. Das Haushaltsrecht darf nur formale Ordnungsprinzipien und nicht auch materielle Normen über die inhaltlichen Ziele der Haushaltsführung beinhalten.232 Das Bundesverfassungsgericht läßt eine bundesgesetzliche Regelung von durch finanzwirtschaftliche Kennziffern bezeichneten Grenzen bei der Kreditfinanzierung und beim Schuldensockel zur Vermeidung einer Haushaltsnotlage zu.233 Dem ist entgegenzuhalten, daß die Grundsätze nicht in die materielle Budgetautonomie der Länder eingreifen dürfen. Da die Kreditaufnahme für die Länder in der Tat die einzige Option für eine selbstbestimmte Einnahmeerzielung darstellt,234 darf die Bundeskompetenz nicht derart weit ausgelegt werden. Hillgruber sieht die Grenze des durch Art. 79 Abs. 3 GG gewährleisteten Kernbereichs materieller Haushaltsautonomie als Teil der Eigenstaatlichkeit der Länder überschritten.235 Das entspricht der Funktion, mit der das Gebot der Bundestreue als Schranke der Gesetzgebungskompetenz des Bundes vom Bundesverfassungsgericht nutzbar gemacht worden ist. Auch über den Sachzusammenhang dürfen keine dem Bundestreuegebot zuwiderlaufenden Kompetenzen des Bundes gewonnen werden. Fraglich ist, ob insbesondere der Rahmengesetzgeber im Wege des Sachzusammenhangs auf Materien übergreifen kann, die einer Vollregelungskompetenz unterliegen. Diese Frage stellt sich nur für den Übergriff im Wege einer Rahmenregelung bzw. durch eine ausnahmsweise nach Art. 75 Abs. 2 GG zulässige Regelung. Der Sachzusammenhang vermag, wie bereits festgestellt, dem Rahmengesetzgeber keine Vollregelungskompetenz zu verschaffen.236 Eine Vollregelung ist nur ausnahmsweise nach Art. 75 Abs. 2 GG zulässig. Da Annex und Sachzusammenhang nur der Auslegung der jeweiligen Kompetenz dienen, sind die auf sie gestützten Vorschriften auch Teil der Kompetenz, so daß für die im Annex oder Sachzusammenhang erschlossene Rahmenkompetenz auch Art. 75 Abs. 2 GG anwendbar ist. Ein Bedürfnis nach Rechtfertigung faktischer Auswirkungen auf eine fremde Materie durch den Sachzusammenhang wird wegen des Rahmencharakters der ReBVerfGE 43, 291 (343); 66, 270 (285). Hillgruber, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 109 Rn. 89; Fischer-Menshausen, in: von Münch / Kunig, GG, 3. Aufl., Art. 109 Rn. 18. 233 BVerfGE 86, 148 (266 f.). 234 Hillgruber, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, 4. Aufl., Art. 109 Rn. 127. 235 Hillgruber, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 109 Rn. 92 f. 236 Anders Pestalozza, Grundgesetz, Art. 75 Rn. 123: Der Bund dürfe eine Rahmenregelung oder eine zulässigerweise erlassene Vollregelung durch eine annexweise Rahmenregelung oder Vollregelung ergänzen. Wie hier ders., Grundgesetz, Art. 75 Rn. 193: Die Materien, auf die übergegriffen werde, könnten nur rahmenrechtlich erschlossen werden. Vgl. ferner ders., Grundgesetz, Art. 75 Rn. 627 f. – die Annexbereiche sollen „kompetenzergänzend“ sein; die von Pestalozza aufgeführten Beispiele lassen sich meist auch (in seinem Sinne) kompetenzbegründend auslegen; vgl. ders., Grundgesetz, Art. 70 Rn. 109 ff. und Fn. 162. 231 232

IV. Strukturelle Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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gelungen kaum bestehen. Die Sonderregelung kraft Sachzusammenhangs ist ein Problem der Spezialität des Kompetenztitels. Das Bundesverfassungsgericht hat gefordert, der Bund dürfe etwa von seiner Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 a GG erst Gebrauch machen, wenn die Wahrnehmung der Rahmenkompetenz nicht ausreiche, „um das notwendige Maß der Vereinheitlichung des Besoldungsrechts für Bundes- und Landesbeamte herbeizuführen“.237 Dies setzt voraus, daß sich beide Kompetenzen im Sinne einer Doppelkompetenz überschneiden.238 Die Spezialität zwischen den Kompetenztiteln in bezug auf die jeweiligen gesetzlichen Regelungen schließt dies aber aus.239 Da es Doppelkompetenzen nicht gibt, können sie auch im Verhältnis von Rahmenkompetenz zu Vollregelungskompetenz nicht auftreten. Die Kompetenzverteilung muß auch hier eindeutig erfolgen. Die für eine Abgrenzung der Kompetenztitel notwendige Spezialität jeweils für ein bestimmtes Gesetz ergibt sich nicht erst aus der ausdrücklich angeordneten Subsidiarität des Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GG gegenüber Art. 74 a GG. Ein Gebot für den Bundesgesetzgeber, sich statt einer Vollregelungskompetenz einer Rahmenkompetenz als des milderen Eingriffs in die Länderkompetenzen zu bedienen, kann es nicht geben, weil die beschriebene Ausgangssitutation nicht existiert.240 Die Rahmenkompetenzen gehen als solche den Vollregelungskompetenzen nicht im Wege der Spezialität vor.241 Für einen von einer Rahmenkompetenz ausgreifenden Sachzusammenhang gibt es keine erleichterten Voraussetzungen. Bei der Verhältnisbestimmung der Kompetenzmaterien ist die Eigenschaft der Rahmenkompetenz als tatbestandsirrelevante Rechtsfolge auszublenden. Die Voraussetzungen für einen Annex werden deswegen seltener vorliegen, weil das Bundesrahmenrecht ohnehin auf Ausfüllung und Durchsetzung durch den Landesgesetzgeber angewiesen ist.242 Art. 75 Abs. 3 GG nimmt die Länder insofern in die Pflicht. Sollten diese ihrer Verfassungspflicht nicht nachkommen, kann der Bund ebensowenig kraft Sachzusammenhangs oder Annexes tätig werden, wie alleine dadurch eine Ausnahme unmittelbarer Geltung nach Art. 75 Abs. 2 GG gerechtfertigt wäre. Die Rahmenkompetenz gestattet es dem Bund nicht, im Wege des Annexes bzw. Sachzusammenhangs die als Rahmenmaterie ihm zugewiesenen Regelungszwecke zugunsten eigener anderer Vollregelungskompetenzen abzuwerten oder einfach dem Landesgesetzgeber eine eigene Vollregelung zu verbieten.243 So kann der BVerfGE 34, 9 (21). Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 75 Rn. 114 f. 239 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 75 Rn. 188. 240 Dagegen ist im Rahmen von Art. 72 Abs. 2 GG im Falle einer Vollregelungskompetenz sehr wohl die Erforderlichkeit zu prüfen, so daß unter Umständen nur eine Rahmenregelung des Bundes verfassungsgemäß ist; anders wohl Pestalozza, Grundgesetz, Art. 75 Rn. 116. 241 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 75 Rn. 113. 242 Ebenso Pestalozza, Grundgesetz, Art. 75 Rn. 123. 243 Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 75 Rn. 456. 237 238

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Bund als Rahmengesetzgeber für den Naturschutz nicht die Nachrangigkeit des Naturschutzes etwa gegenüber Fachplanungsvorhaben normieren, für die dem Bund eine eigene Vollregelungskompetenz zukommt. Nur aus einem Sachzusammenhang zugunsten der das jeweilige Fachplanungsrecht deckenden Kompetenz kann der Naturschutz zurücktreten. Eine solche Verdrängung der in einer Gesetzgebungsmaterie beheimateten Regelungsziele zugunsten kompetenzfremder Zwecke läßt sich nicht aus jener Kompetenz kraft Sachzusammenhangs mit dieser, sondern nur in umgekehrter Richtung konstruieren. So kann der Fachgesetzgeber regeln, auf welche Weise etwa Naturschutz und Landschaftspflege bei der Umsetzung des Fachgesetzes zu berücksichtigen sind.244 Er kann aber nicht von der gegebenenfalls zwingenden Regelung eines dem Naturschutz oder der Landschaftspflege unterfallenden Themas dispensieren.245 Ist also der Bund als Rahmengesetzgeber überhaupt nicht tätig geworden, so ist das Land aufgrund von Art. 72 Abs. 1 GG weiterhin zur Regelung der gesamten Rahmenmaterie berechtigt, ohne bundesgesetzliche Vorgaben beachten zu müssen. Hat der Bund als Rahmengesetzgeber hingegen den Landesgesetzgeber auf den Vorrang kompetenzfremder Ziele oder der gesetzlichen Anordnungen aufgrund anderer Gesetzgebungskompetenzen verpflichtet, so ist diese rahmenrechtliche Verpflichtung, wenn sie nicht nur deklaratorisch den sachzusammenhängenden Übergriff des jeweiligen Gesetzeswerks auf die Rahmenmaterie nachzeichnet, verfassungswidrig. Denn sie käme einer Sperre der Länder durch ein negatives Bundesrahmengesetz gleich, das als solches kompetenzwidrig ist.246 Ein auf die übrigen konkurrierenden Kompetenzen gestütztes „Negativgesetz“ seitens des Bundes löst ebenfalls nicht die den Ländern gegenüber wirkende Sperre des Art. 72 Abs. 1 GG aus. Auch dort kann ein Sachzusammenhang zu einer anderen Materie nicht die Kompetenz des Bundesgesetzgeber für eine solches Negativgesetz begründen. Im Fall der Rahmenkompetenz für die Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienst der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen247 besteht kein Sachzusammenhang zum Recht des öffentlichen Dienstes. Der Umstand, daß eine Ausformung der Rechtsverhältnisse auf das Recht des öffentlichen Dienstes Rücksicht zu nehmen hat und es sogar voraussetzt, führt nicht zu einer Verquickung beider Kompetenztitel. 248 Das Verhältnis ist ähnlich wie dasjenige zwischen Bauplanungs- und Bauordnungsrecht oder zwischen Steuerrecht und Sachgesetz. Wird etwa eine bestimmte Steuer aufgrund der 244 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 75 Rn. 457, hält einen Annex der Fachgesetzgebungskompetenz zu Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GG in diesem Fall für entbehrlich. 245 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 75 Rn. 457. 246 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 75 Rn. 456. 247 Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GG. 248 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 75 Rn. 194; schon aus diesem Grund sei die Regelung der Dienstherrneigenschaft in § 121 BRRG verfassungswidrig.

IV. Strukturelle Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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Steuergesetzgebungskompetenz des Art. 105 GG erhoben, ist der Sachgesetzgeber nicht verpflichtet, die Voraussetzungen für die Steuererhebung zu erhalten.249 Der Sachgesetzgeber dürfte ein Rauchverbot erlassen, auch wenn bereits eine Tabaksteuer besteht.250 Kraft Sachzusammenhangs soll die Regelung des Datenschutzes der im öffentlichen Dienst Beschäftigten von Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GG erfaßt sein.251 Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Löschung einer strafrechtlichen Verurteilung aus der Personalakte ergebe sich ebenso aus einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs zum Dienstrecht des Bundes oder der Länder und nicht aus dem Bundeszentralregistergesetz.252 Die Rahmenkompetenz für die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens253 trägt auch im Sachzusammenhang keine Annexkompetenz für das Schulwesen.254 Die Rahmenkompetenz für das Jagdwesen, den Naturschutz und die Landschaftspflege255 ist einer Weiterung vermittels Annexes zugänglich: Das Recht der Enteignung ist Annex zu allen drei aufgeführten Gebieten.256 Aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG folgt nicht im Umkehrschluß, daß das Recht der Enteignung nicht auch zu anderen Sachgebieten als denen der Art. 73 und Art. 74 GG in Form einer Annexkompetenz zu rechnen sein kann.257 Die Wildhege ist Annex zum Jagdwesen, soweit sie als Naturpflege nicht schon dem Titel Naturschutz unterfällt.258 Die Rahmenkompetenz für das Melde- und Ausweiswesen259 umfaßt als Annex rahmenrechtliche Regelungen des Datenschutzes.260 Die umfassenden Regelungen des MRRG gehen über das durch Art. 75 Abs. 2 GG erlaubte Maß hinaus.261 Umgekehrt sind die Länder nicht gehindert, kraft Sachzusammenhangs auf die Materien der Rahmenkompetenz des Bundes überzugreifen. Die Lage ist nicht anders, als wenn das Land vom Boden seiner Kompetenz aus auf eine Vollregelungskompetenz des Bundes übergreift. 249 Trzaskalik, Die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer öffentlicher Zwecke, S. 38 f. 250 Trzaskalik, ebenda, S. 39. 251 Wochner, DVBl. 1982, S. 233 (236). 252 BVerwGE 56, 102 (108); Pestalozza, Grundgesetz, Art. 75 Rn. 195 mit Fn. 290. 253 Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 a GG. 254 Bothe, in: AltK-GG, Art. 75 Rn. 9. 255 Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GG. 256 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 75 Rn. 455; zu den im Annex erfaßten Legalenteignungen vgl. ders., Grundgesetz, Art. 74 Rn. 948 ff. 257 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 962 f. 258 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 75 Rn. 455. 259 Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 GG. 260 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 75 Rn. 626 f. 261 Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 75 Rn. 627 in Fn. 717; Rückriegel, Jura 1981, S. 346.

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs Denkbar ist, daß der die (Stamm-)Materie bildende Kompetenzbereich oder die mit dessen Regelung betroffenen materiellen Rechte und Prinzipien, besonders diejenigen von Verfassungsrang, Kriterien für die Schärfung und Disziplinierung des Sachzusammenhangs ergeben. Dem wird im Folgenden nachgegangen.

1. Materielle Aufladung der Kompetenznormen Kompetenzen weisen Tätigkeitsbereiche zu. Sie sind keine Gesetzgebungspflichten und keine Gesetzgebungsaufträge.262 Wenn das Grundgesetz allerdings eine „nähere Regelung oder Bestimmung eines Gegenstandes vorsieht, ist das durchweg als Regelungsauftrag anzusehen“.263 Dies trifft auf einige der vereinzelt stehenden Kompetenzvorschriften zu. Aus den Katalogkompetenzen folgen keine Regelungsaufträge. Die Pflicht der Landesgesetzgeber, Rahmengesetze des Bundes auszufüllen, ist nunmehr in Art. 75 Abs. 3 GG ausdrücklich normiert. Eine materielle Aufladung der Gesetzgebungskompetenzen bedeutet, daß ihnen Aussagen über die Werthaltigkeit von Gütern und Regelungszielen zu entnehmen sind. Ihre Ausfüllung soll der Konkretisierung von Rechtsprinzipien dienen. Wenn Kompetenzvorschriften teleologisch ausgelegt werden können, ist es zwingend, sie als normative Heimstatt von teloi, also Regelungszielen und -zwecken zu betrachten. Denn eine zweckorientierte Auslegung von Normen, die keinen Zweck beinhalten, ist ein Widerspruch in sich. Wenn dem Verfassungsrecht ein umfassender Auftrag entnommen wird, der sich nicht mittels der Ausübung einer einzigen Kompetenz oder mittels Kompetenzen nur eines Gesetzgebers verwirklichen läßt, besteht die Tendenz, einem Gesetzgeber die Kompetenz für den gesamten Verfassungsauftrag zuzuordnen. Paradigmatisch ist das vermeintliche Mißverhältnis zwischen dem umfangreichen sozialstaatlichen Handlungsauftrag des Bundes aus Art. 20 Abs. 3 GG und seiner „tatsächlichen“ Kompetenzausstattung.264 In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist dieses Argument im Jahr 1998 nach längerer Zeit wieder zur Geltung gekommen, als die grundrechtliche Schutzpflicht des Gesetzgebers für das ungeborene 262 Weder Gesetzgebungspflicht noch auch ein subjektives Recht auf Gesetzgebung: BFHE 134, 445 (449); Bothe, in: AltK-GG, Art. 70 Rn. 25; Maunz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 70 Rn. 14; Stern, Staatsrecht II, S. 609; a. A. Bleckmann, DÖV 1983, S. 129 (131). Nach der Rspr. des BVerfG soll aus den Grundrechten ein Anspruch des Bürgers auf Einhaltung der zwischen Bund und Ländern gezogenen Kompetenzgrenzen folgen; siehe BVerfGE 6, 32; 55, 274 (302); 58, 137 (145). 263 Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 70 Rn. 13; vgl. auch Stettner, Grundfragen, S. 332. 264 Vgl. Münch, Sozialpolitik und Föderalismus, S. 99 mit Fn. 95; W. Weber, Deutsche Rentenversicherung 1969, S. 121 (123).

V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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Leben auch insoweit dem Strafgesetzgeber zugewiesen wurde, als dieser kein Strafrecht setzt.265 Die materielle Aufladung von Kompetenzvorschriften ist Gegenstand einer Diskussion in der Literatur266 und vereinzelter Judikate des Bundesverfassungsgerichts267. Es geht um materielle Rechtsfolgen grundgesetzlicher Kompetenzund Organisationsnormen,268 also deren materiell-rechtliche Wirkung269 bzw. – synonym – den materiellrechtlichen Gehalt der Kompetenzbestimmungen des Grundgesetzes.270 Die Rechtsprechung hat keine deutliche Entscheidung für oder gegen eine Anreicherung der Kompetenzen mit materiellen Gehalten getroffen.271 In der Literatur überwiegt die Ablehnung. Kompetenzen seien Aufgabenzuweisungs- und keine Befugnisnormen. Während die Befugnisnorm einem Schutzgut dient, dienten die einzelnen Kompetenzvorschriften nur dem der Auslegung des einzelnen Titels übergeordneten und diese Auslegung inhaltlich nicht beeinflussenden Zweck, eine klare Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern herzustellen.272 Sie bezögen sich auf Sachbereiche und verkörperten keine Staatszielbestimmungen. Soweit dies anders gesehen wird, geht es nicht um die Auslegung der Gesetzgebungskompetenzen in der Absicht, Bundes- von Landesgewalt zu scheiden. Vielmehr werden aus den Kompetenzvorschriften Argumente für grundrechtliche Prüfungen gezogen. Kompetenznormen sollen zum einen Rechtsinstitute festlegen können.273 So ist etwa aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 a GG gefolgert worden, daß die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken grundsätzlich nicht gegen das Grundgesetz verstößt274 und ihr Verbot der Verfassungsänderung bedürfte. Der Umweltschutz und, vor der Änderung des Grundgesetzes im Jahre 2002, der Tierschutz wurden teilweise als Güter von Verfassungsrang lediglich aufgrund ihrer Umschreibung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG275 oder ihrer ausdrücklichen Nennung in Nr. 20 angesehen. Aus den Kompetenznormen der Art. 105 ff. GG soll folgen, daß Steuern – wenn sie nicht schon jenseits des Schutzbereichs des BVerfGE 98, 265. Pieroth, AöR 114 (1989), S. 422 ff.; Bleckmann, DÖV 1983, S. 129 ff., 808 f.; Menzel, DÖV 1983, S. 805 ff. 267 Siehe BVerfGE 7, 377 (401); 12, 45 (52); 28, 243 (261); 32, 40 (46); 48, 127 (159); 69, 1 (21). 268 So der Titel von Pieroth, AöR 114 (1989), S. 422 ff. 269 So Pieroth, AöR 114 (1989), S. 422, passim. 270 So die Wendung bei Bleckmann, DÖV 1983, S. 129 ff. 271 Vgl. die Zusammenfassung bei Becker, DÖV 2002, S. 397 (399 – 404). 272 Sowie mittelbar den dadurch verfolgten Zielen: Vertikale Gewaltenteilung; Schutz der Stellung des Grundrechtsträgers; wechselseitige Kontrolle und Ordnung durch Aufgabenteilung. 273 Bleckmann, DÖV 1983, S, 129 f. 274 Vgl. BVerfGE 53, 30 (56 f.); Bleckmann, DÖV 1983, S. 129 (130). 275 So Bleckmann, DÖV 1983, S. 129 (130). 265 266

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Art. 14 GG liegen276 – eine grundsätzlich zulässige Bindung des Eigentums an das Gemeinwohl im Sinne von Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG konkretisieren. Vor der Regelung der Wehrpflicht in Art. 12 a GG hat das Bundesverfassungsgericht aus Art. 73 Nr. 1 GG, der in seiner früheren Fassung die Kompetenz zur Regelung der Wehrpflicht erwähnte, gefolgert, sie könne als solche nicht gegen Grundrechte verstoßen.277 Damit ist die zweite Stoßrichtung einer materiellen Wirkung kompetentieller Gehalte angesprochen: Sie werden zur Beschränkung von Grundrechten herangezogen.278 Erster Anlaß für die Heranziehung der Kompetenzvorschriften für die Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen waren die expressis verbis ohne Gesetzesvorbehalt gewährleisteten Grundrechte.279 Während das Bundesverwaltungsgericht eine Einschränkung dieser Grundrechte nur zum Schutze der für den Bestand des Staatswesens notwendigen Interessen zulassen wollte, legte das Bundesverfassungsgericht die Latte noch ein Stück höher: Aufgrund der Einheit der Verfassung sei es unausweichlich, daß solche Grundrechte nur zugunsten von in der Verfassung selbst verankerten Werten wie dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht280 oder der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr281 zurücktreten müßten. Damit entstand gleichsam ein Druck, Verfassungsgüter zu identifizieren, um die notwendige Einschränkung explizit vorbehaltlos gewährter Grundrechte zu ermöglichen.282 Solche Verfassungsgüter wurden unter anderem im Kompetenzkatalog verortet.283 Insoweit stellt sich die Frage, ob die These der materiellen Rechtsfolgen von Kompetenzen für die Einschränkbarkeit der Grundrechte steht und fällt mit der Festlegung der normativen Höhe des Schutzguts – Verfassungsrang oder „nur“ ein Gut von öffentlichem Interesse –, zugunsten dessen in explizit vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte eingegriffen werden können darf. Materielle Rechtsfolgen der Kompetenzen werden überwiegend in bezug auf Grundrechtseingriffe und deren Rechtfertigung erwogen. Nur wenn diese Rechtsfolgen aus einer Auslegung der Kompetenznormen gewonnen werden, kann man von einer „materiellen Aufladung“ der Kompetenzen sprechen. Allerdings wird zu Recht danach differenziert, ob die Kompetenznormen eine Hilfe für die Auslegung der Grundrechte und Grundrechtsschranken bieten oder ob sie selbst Grund276 St. Rspr. des BVerfG, vgl. BVerfGE 4, 7 (17); 6, 290 (298); 30, 250 (271); dagegen etwa P. Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), S. 213 ff. 277 BVerfGE 12, 45 (50); 48, 127 (159). 278 Vgl. Bleckmann, DÖV 1983, S. 129 (130 ff.); Becker, DÖV 2002, S. 397 (404 – 406), ablehnend zum Versuch, aus der Sozialversicherung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG das Prinzip des sozialen Ausgleichs (Solidarprinzip) auch insoweit zu rechtfertigen, als von der Individualäquivalenz zwischen Sozialversicherungsbeitrag und Versicherungsschutz abgewichen wird. 279 Bleckmann, DÖV 1983, S. 129 (130). 280 BVerfGE 30, 173 (177). 281 BVerfGE 28, 243 (260 f.). 282 Vgl. Heyde, Festschrift Zeidler, Bd. 2, S. 1429 (1441 f.). 283 Bleckmann, DÖV 1983, S. 129 (130 f.).

V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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rechtsschranken darstellen.284 Richtigerweise können sie nur als Auslegungshilfe herangezogen werden. Für die Auslegung der Gesetzgebungskompetenzen bedeutet dies, daß die grundrechtlichen Schutzpflichten als solche keinen Sachzusammenhang begründen können. Gemäß Art. 1 Abs. 3 GG binden die Grundrechte die Gesetzgebung. Die föderale Gewaltenteilung zwischen Bundes- und Landesgesetzgebung wird dadurch nicht aufgehoben. Die Grundrechte binden daher den Gesetzgeber innerhalb seiner jeweiligen Verbandskompetenz.285 Anerkannt ist der Grundsatz, daß von der Kompetenzzuweisung nicht auf die Aufgabenzuweisung geschlossen werden darf. Der umgekehrte Schluß ist im Grunde unproblematisch. Ist eine Aufgabenzuweisung erfolgt, kann von daher auf die Kompetenz der mit der Aufgabe betrauten Stelle geschlossen werden. Doch handelt es sich bei dem Schluß von der grundrechtlichen Pflicht des Gesetzgebers auf seine Verbandskompetenz nicht um eine derartige Schlußfolgerung. Denn mit der grundrechtlichen Schutzpflicht des Gesetzgebers ist in erster Linie die Organkompetenz angesprochen. Nicht Verwaltung oder Rechtsprechung, sondern gerade der Gesetzgeber ist dann zuständig. Über die Verbandskompetenz wird durch die Feststellung einer grundrechtlichen Schutzpflicht gerade des Gesetzgebers noch keine Vorentscheidung gefällt. In dieser Frage ist zu beachten, daß weder das Grundrecht selbst, aus dem die Schutzpflicht abgeleitet wird, noch Art. 1 Abs. 3 GG erfordern, daß die zu einem Grundrecht oder in bezug auf einen Grundrechtsträger oder grundrechtlich relevanten Sachverhalt notwendigen grundrechtssichernden gesetzgeberischen Maßnahmen von einem einzigen Gesetzgeber umgesetzt werden. Die föderale Kompetenzverteilung darf für den Zweck eines einfacher zu realisierenden Grundrechtsschutzes nicht überspielt werden. Das ergibt sich schon aus dem Umstand, daß die vertikale Gewaltenteilung im Bundesstaat über ihre gewaltenmäßigende Wirkung gerade dem Grundrechtsschutz dienen soll. Mit dem Hinweis auf die Einfachheit des Grundrechtsschutzes kann nicht die grundrechtsschützende Struktur der Kompetenzverteilung ausgehebelt werden. Die Grundrechte können die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen daher nicht im Wege teleologischer Reduktion konterkarieren oder im Wege des Sachzusammenhangs die Kompetenzauslegung determinieren. In der Regel liegen die Schutzbereiche der grundrechtlichen Gewährleistungen quer zu den Kompetenzmaterien. Da die Kompetenz zunächst über die Auslegung ihres Wortlauts zu bestimmen ist, können Affinitäten zwischen Formulierungen aus dem Grundrechtsteil und kompetentiellen Begriffen dazu führen, daß jene eine Auslegungshilfe für diese sind. Der Wortlaut der Kompetenztitel stimmt bisweilen in einzelnen Begriffen mit demjenigen anderer Verfassungsvorschriften überein. Soweit der für ein Grundrecht zentrale Begriff (z. B. Versammlung für Art. 8 GG) auch im Mittelpunkt der 284 285

Vgl. die Differenzierung bei Becker, DÖV 2002, S. 397 (399 f., 400 ff.). So z. B. auch Starck, Festschrift Maurer, S. 281 (296).

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Kompetenzvorschrift steht, liegt es nahe anzunehmen, die Gesetzgebungskompetenz solle den gesamten Gesetzesvorbehalt ausfüllen, der das Grundrecht einschränkbar macht. Die Grundrechte selbst weisen zwar Gesetzesvorbehalte auf, ordnen die Kompetenz für solche Gesetze in der Regel aber nicht Bund oder Ländern zu. Eine Ausnahme macht zum Beispiel Art. 4 Abs. 3 S. 2 GG, der die Kompetenz zur Regelung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung dem Bund zuweist, der aber wegen Art. 73 Nr. 1 GG als deklaratorisch zu bewerten ist.286 Die Regelung des Gesetzesvorbehalts legt für sich genommen lediglich die Reichweite der Einschränkbarkeit und teilweise auch – im Falle eines qualifizierten Gesetzesvorbehalts – den für die Einschränkung erforderlichen Zweck fest. Dieser Zweck kann bei den sogenannten Regelungsvorbehalten in einer Ausgestaltung des grundrechtlichen Schutzbereichs bestehen. Dann ist es verfehlt, von einem Schrankenvorbehalt zu sprechen. Die Ausgestaltung oder Regelung des Lebensbereichs schafft entweder erst die Möglichkeiten der Grundrechtswahrnehmung oder macht sie erst sinnvoll. Dementsprechend ist ein Gesetz, das das Grundrecht der „Freizügigkeit“ konkretisiert und konkretisierend begrenzt, vom Kompetenztitel der Freizügigkeit in Art. 73 Nr. 3 GG gedeckt.287 Die Ausgestaltung eines grundrechtlichen Schutzbereichs kann unter einen Titel fallen, sich aber auch auf mehrere verteilen. Wenn der Titel wie bei der „Freizügigkeit“ mit dem auf einen Begriff gebrachten grundrechtlichen Schutzbereich identisch ist, spricht viel dafür, daß die Ausgestaltung des Schutzbereichs nur unter diesen Titel fällt. Dieser erste Eindruck täuscht jedoch. Spezialitäten zwischen den Gesetzgebungskompetenzen setzen sich auch dann durch, wenn ein Grundrecht durch die Regelung betroffen ist – durch Rechtfertigung eines Eingriffs oder Ausgestaltung des Schutzbereichs – und der als genereller anzusehende weichende Kompetenztitel eine wörtliche Affinität zum grundrechtlichen Schutzbereich hat: So ist eine Regelung des Zeugnisverweigerungsrechts für Presseangehörige im Strafverfahren von Relevanz für die Ausgestaltung des Grundrechts der Pressefreiheit und kann doch nicht auf die Grundlage der Kompetenz für das Presserecht gestützt werden.288 Die Gesetzgebungskompetenz für das gerichtliche Verfahren aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG ist spezieller. Die Ausgestaltung des Schutzbereichs der Vereinigungsfreiheit kann sich nicht in jeder grundrechtlich relevanten Regelung auf die Kompetenz für das Vereinsrecht in Art. 74 Abs. 1 Nr. 3 GG stützen. So kann sich die Ausstattung einer Vereinigung mit Rechtsfähigkeit aus zivilrechtlichen Vorschriften, die Berechtigung, an Verwaltungs- und Gerichtsverfahren teilzunehmen, aus Verfahrensgesetzen, die steuerrechtliche Berücksichtigung gemeinnütziger Tätigkeit einer Vereinigung aus dem Steuerrecht ergeben. Auch wenn alle diese Regelungen als Ausgestaltungen 286 So auch Kunig, in: von Münch / Kunig, GG III, Art. 70 Rn. 19. Doch ist der Kompetenztitel weiter zu verstehen als nur als Ermächtigung für das grundrechtlich Gebotene. 287 Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 73 Rn. 121. 288 Vgl. BVerfGE 36, 193.

V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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der Vereinigungsfreiheit angesehen werden müßten, folgt aus diesem Umstand dennoch keine Spezialität der Kompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 3 GG. Erst recht zu weit geht es, den Umfang der Kompetenz an dem Spektrum möglicher Eingriffe in das aufgrund der Kompetenz auszugestaltende Grundrecht zu orientieren. Ein gesetzgeberischer Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts auf Freizügigkeit oder ein Gesetz, das einen solchen Eingriff in das subjektive Recht deckt, kann nicht zugleich immer eine unter den Kompetenztitel der Freizügigkeit zu subsumierende Regelung sein.289 Die vom klassischen Eingriffsbegriff abweichende Definition läßt faktische, also nicht regelnde oder auch mittelbare Beeinträchtigungen des grundrechtlichen Schutzbereichs ausreichen, um einen Grundrechtseingriff anzunehmen. Es kann sich also, etwa bei den faktischen Auswirkungen eines Gesetzes, um einen Grundrechtseingriff handeln, obwohl für die Gesetzgebungskompetenz faktische Auswirkungen gerade irrelevant sind. So hat das Bundesverfassungsgericht Lenkungssteuern wegen deren Lenkungswirkung am Grundrecht der Berufsfreiheit gemessen und den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt durch das Steuergesetz als gewahrt angesehen, ohne daß damit anerkannt wird, daß der Steuergesetzgeber die Lenkungswirkung durch eine Regelung ersetzen dürfte. Was kompetentiell irrelevant ist, kann grundrechtlich relevant sein. Die kompetentielle Irrelevanz von faktischen oder mittelbaren Wirkungen eines Gesetzes hat nicht zur Folge, daß dadurch verursachte Grundrechtseingriffe nicht durch das betreffende Gesetz gerechtfertigt wären. Allerdings reicht auch in bezug auf solche faktischen und mittelbaren Wirkungen die Kompetenzgemäßheit nicht aus, um den Grundrechtseingriff zu rechtfertigen. Da mithin der grundrechtliche Eingriff weiter reicht als die für eine kompetentielle Qualifikation relevanten Umstände, ist die grundrechtliche Eingriffsdogmatik für die Auslegung eines Kompetenztitels ungeeignet. Im übrigen gehen ohnehin speziellere Kompetenztitel vor. Diese Thesen zur grundsätzlichen Trennung von Kompetenzauslegung und grundrechtlichen Gehalten sollen an drei Konstellationen überprüft werden. Zunächst wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Bayerischen Schwangerenhilfeergänzungsgesetz (BaySchwHEG)290 behandelt. Dies steht unter dem Titel „Grundrechtsschutz durch Strafrecht“ und betrifft den Extremfall eines mit grundrechtlichen Schutzpflichten begründeten Sachzusammenhangs zur Materie des Strafrechts [a]. Im Anschluß steht eine Betrachtung des Verhältnisses von Sachgesetzgebungs- und Verfahrensrechtskompetenz unter dem Blickwinkel des Grundrechtsschutzes [b]. Den Abschluß bildet die Frage nach der Bedeutung des Gleichheitssatzes für die Auslegung der Gesetzgebungskompetenzen [c].

289 290

Diese Erwägung stellt Pestalozza an, Grundgesetz, Art. 73 Fn. 206 zu Rn. 147. BVerfGE 98, 265.

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

a) Grundrechtsschutz durch Strafrecht Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 1998 liegt folgender Sachverhalt zugrunde291: Der bayerische Landesgesetzgeber hat Regelungen über Einrichtungen erlassen, in denen Schwangerschaftsabbrüche von einem Arzt mit Einwilligung der Schwangeren vorgenommen werden. Einrichtungen im Sinne des BaySchwHEG sind Krankenhäuser, Krankenanstalten im Sinne des § 30 GewO und ärztliche Praxen. Art. 2 BaySchwHEG sah vor, daß Schwangerschaftsabbrüche nur in Einrichtungen vorgenommen werden durften, denen eine Regierungserlaubnis erteilt worden war; bei bestimmten Krankenhäusern genügte gemäß Art. 3 des Gesetzes eine Anzeige. Art. 5 Abs. 1 BaySchwHEG bestimmte, daß Schwangerschaftsabbrüche nur von Ärzten mit fachärztlicher Anerkennung auf dem Gebiet der Frauenheilkunde und Gynäkologie oder unter deren Aufsicht von Ärzten vorgenommen werden dürfen, die sich in Weiterbildung auf diesem Fachgebiet befinden. Art. 5 Abs. 2 BaySchwHEG statuierte eine einnahmenbezogene Quotenregelung. Die Einnahmen der Einrichtung aus solchen Schwangerschaftsabbrüchen, für die eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung besteht, durfte ein Viertel der aus der gesamten Tätigkeit der Einrichtung erzielten Einnahmen nicht übersteigen. Dazu zählten die Schwangerschaftsabbrüche nach § 218 a Abs. 1 StGB sowie alle Abbrüche, die die Schwangere selbst zahlte oder die bei deren Mittellosigkeit von öffentlichen Trägern übernommen wurden. Art. 5 Abs. 3 BaySchwHEG verpflichtete die Einrichtungen, der Regierung bis zum 31. März eines jeden Jahres die Anzahl und Art der im vorangegangenen Jahr vorgenommenen Schwangerschaftsabbrüche sowie die vereinnahmten Vergütungen zu melden. Art. 9 Abs. 1 BaySchwHEG sah eine Freiheits- oder Geldstrafe vor, wenn ohne eine gemäß Art. 2 S. 1 BaySchwHEG erforderliche Erlaubnis ein Abbruch vorgenommen wurde, wenn die Tat nicht schon in § 218 StGB mit Strafe bedroht war. Nach Art. 9 Abs. 2 BaySchwHEG wurde bestraft, wer eine Abtreibung entgegen Art. 5 Abs. 1 BaySchwHEG zuließ, wenn die Tat nicht schon in § 218 StGB mit Strafe bedroht war. Nach Art. 9 Abs. 3 BaySchwHEG war die Schwangere selbst nicht nach den ersten beiden Absätzen strafbar. Das BaySchwHEG änderte zudem das Bayerische Heilberufe-Kammergesetz. Bei einem Verstoß gegen ärztliche Berufspflichten sieht das Heilberufe-Kammergesetz unter anderem als Sanktionen Rüge, Verweis und Geldbußen vor. Die Änderung bestimmte, daß Ärzte, die den Abbruch einer Schwangerschaft im Einzelfall für nicht verantwortbar halten, ihre Mitwirkung daran ablehnen müssen. Nicht verantwortbar sei ihre Mitwirkung insbesondere dann, wenn die Frau die Beweggründe für ihr Verlangen nach Abbruch der Schwangerschaft nicht dargelegt hat. Die Vorschriften galten grundsätzlich nicht für Schwangerschaftsabbrüche, die notwendig waren, um von der Frau eine anders nicht abwendbare Gefahr des Todes 291 Zu der sich angesichts dieser Entscheidung stellenden Problematik des gesetzgeberischen Konzepts als Gegenstand kompetentieller Qualifikation siehe oben C. II. 5. d). Zur Frage des Grundrechtsschutzes durch Verfahrensrecht siehe unten D. V. b) dd).

V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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oder einer schweren Gesundheitsschädigung abzuwenden und deren Vornahme deshalb von Ärzten gemäß § 12 Abs. 2 Schwangerenkonfliktgesetz nicht verweigert werden durfte (Art. 1 Abs. 1 BaySchwHEG). Das Bundesverfassungsgericht stützt seine Ausführungen im wesentlichen auf eine Bundeskompetenz kraft Sachzusammenhangs. Diese ergänze eine zugewiesene Zuständigkeit nur dann, „wenn die entsprechende Materie verständigerweise nicht geregelt werden kann, ohne daß zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene andere Materie mitgeregelt wird, wenn also das Übergreifen unerläßliche Voraussetzung für die Regelung der zugewiesenen Materie ist (vgl. BVerfGE 3, 407 [421]).“292 Eine Einschränkung, die dem zitierten Baurechtsgutachten noch fremd war, folgt sogleich: „Eine ungeschriebene Gesetzgebungszuständigkeit gibt dem Bund aber nicht das Recht, die gesamte den Ländern vorbehaltene Materie an sich zu ziehen. Er darf vielmehr nur diejenigen Einzelregelungen treffen, ohne die er seine ausdrücklich zugewiesene Kompetenz nicht sinnvoll nutzen könnte. Die umfassende Regelung eines den Ländern vorbehaltenen Bereichs ist ihm daher in keinem Fall eröffnet [ . . . ]. Wann ein solch zwingender Konnex zwischen der Wahrnehmung einer ausdrücklich zugewiesenen Kompetenz und der punktuellen Inanspruchnahme einer Landeskompetenz besteht, läßt sich nicht generell und abstrakt bestimmen. Die Frage kann vielmehr nur unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Regelungsgegenstandes beantwortet werden.“293 Daneben bezieht sich das Gericht auf das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung: „Überdies verpflichtet die bundesstaatliche Kompetenzordnung alle rechtsetzenden Organe, ihre Regelungen so aufeinander abzustimmen, daß die Rechtsordnung nicht aufgrund unterschiedlicher Anordnungen widersprüchlich wird. Die Verpflichtungen einerseits zur Beachtung der bundesstaatlichen Kompetenzgrenzen und andererseits zur Ausübung der Kompetenz in wechselseitiger bundesstaatlicher Rücksichtnahme werden durch das Rechtsstaatsprinzip in ihrem Inhalt verdeutlicht und in ihrem Anwendungsbereich erweitert. Beide setzen damit zugleich der Kompetenzausübung Schranken. Konzeptionelle Entscheidungen eines zuständigen Bundesgesetzgebers dürfen auch durch auf Spezialzuständigkeiten gründende Einzelentscheidungen eines Landesgesetzgebers nicht verfälscht werden. Insbesondere dürfen den Normadressaten nicht gegenläufige Regelungen erreichen, die die Rechtsordnung widersprüchlich machen“294. Das Verbot widersprüchlicher Regelungen erscheint im vorliegenden Kontext nicht derart verselbständigt wie bei dem Konflikt zwischen kommunaler Verpakkungssteuer und dem Kooperationsprinzip des Kreislaufwirtschaftsgesetzes.295 Zwar wird es als Kompetenzausübungsschranke nicht nur aus der Kompetenz292 293 294 295

BVerfGE 98, 265 (299). BVerfGE 98, 265 (300). BVerfGE 98, 265 (301) mit Verweis auf BVerfGE 98, 83 (97) und E 98, 106 (118 f.). Vgl. dazu BVerfGE 98, 106.

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

ordnung, sondern zusätzlich aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet. In der Sache geht es dem Gericht aber nur darum, die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG auch auf den Fall auszudehnen, daß nicht eine Norm des Bundesgesetzes selbst das erschöpfende Gebrauchmachen von der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz indiziert, sondern erst der hinter dem Gesetz stehende Regelungszweck. Dieser Zusammenhang wird deutlich, wenn das Bundesverfassungsgericht die Sperrwirkung des Art. 72 GG damit beschreibt, daß sich ein Landesgesetzgeber zu einem erkennbar gewordenen Willen des Bundesgesetzgebers, zusätzliche Regelungen auszuschließen, nicht in Widerspruch setzen darf.296 Die Ausführungen des Gerichts suggerieren, es ginge um die Auslegung einer einzelnen Norm, die nach Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte ausgelegt werden müßte.297 Die Besonderheit der vom Gericht untersuchten Konstellation besteht nun darin, daß erstens die erschöpfende Regelung einer konkurrierenden Gesetzgebungsmaterie – das „Gebrauch-Machen“ im Sinne von Art. 72 Abs. 1 GG mit der Rechtsfolge der Sperrwirkung gegenüber den Ländern – durch „absichtsvollen Regelungsverzicht“ erfolgen können und zweitens die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz auch kraft Sachzusammenhangs auf ausschließliche Länderkompetenzen übergreifen können soll. Beide Problemkreise überschneiden sich – kritisch wurde dem Bundesverfassungsgericht vorgehalten, es vermenge sie.298 Denn der Übergriff, der vom Sachzusammenhang gedeckt wird, kann sich nach der Logik der Senatsmehrheit ebenso durch „absichtsvollen Regelungsverzicht“ vollziehen wie die erschöpfende Regelung der Stamm-Materie einer konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz299 – und zwar auch dann, wenn die kraft Sachzusammenhangs betroffene Ländermaterie ihrerseits an sich einer ausschließlichen und nicht nur einer konkurrierenden Länderkompetenz unterfällt. Schon daher müssen die Voraussetzungen für den Sachzusammenhang über diejenigen des Art. 72 Abs. 2 GG (Erfordernis der Bundeseinheitlichkeit) hinausgehen. Der Gebrauch der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs durch den Bund müsse hinreichend erkennbar sein, um BVerfGE 98, 265 (300). BVerfGE 98, 265 (300 f.): „Die Frage, ob und inwieweit der Bund von einer Zuständigkeit Gebrauch gemacht hat, kann im einzelnen schwer zu entscheiden sein. Die Antwort ergibt sich in erster Linie aus dem Bundesgesetz selbst, in zweiter Linie aus dem hinter dem Gesetz stehenden Regelungszweck, ferner aus der Gesetzgebungsgeschichte und den Gesetzesmaterialien. Das gilt auch bei einem absichtsvollen Regelungsverzicht, der in dem Gesetzestext selbst keinen unmittelbaren Ausdruck finden kann. Ob der Gebrauch, den der Bund von einer Kompetenz gemacht hat, abschließend ist, muß aufgrund einer Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes festgestellt werden (vgl. BVerfGE 67, 299 [324] m. w. N.).“ 298 Vgl. Sachs, JuS 1999, S. 908 (909): „Ausdehnung der Rechtsprechungsgrundsätze“, die nicht klar gekennzeichnet werde. 299 So deutlich der zweite Leitsatz der Entscheidung: „Der Bund kann von einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs auch durch erkennbaren, absichtsvollen Regelungsverzicht mit Sperrwirkung gegenüber den Ländern Gebrauch machen.“ 296 297

V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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die Sperrwirkung gegenüber den Ländern auszulösen.300 Das Bundesverfassungsgericht hätte genauer formulieren können, daß der Bund von einer Kompetenz – sei es ohne oder mit Sachzusammenhang – durch absichtsvollen Regelungsverzicht gar nicht erst Gebrauch gemacht hat, wenn es nicht hinreichend erkennbar ist, denn die Sperrwirkung hängt vom Gebrauchmachen der Kompetenz durch den Bund ab und nicht noch von einer zusätzlich zu fordernden hinreichenden Erkennbarkeit. Ob der Bund durch einen absichtsvollen Regelungsverzicht legisferiert in einem Bereich, der sich ihm kraft Sachzusammenhangs erschließt, ist schwieriger erkennbar als eine abschließende Regelung – und sei es durch absichtsvollen Regelungsverzicht – lediglich innerhalb der Stamm-Materie. 301 Der absichtvolle Regelungsverzicht kann erschöpfend sein.302 Die Sperrwirkung erfaßt dann solche Normen, auf die der Bundesgesetzgeber absichtsvoll verzichtet hat. Eine Sperrwirkung kraft erschöpfender Regelung tritt auch nach früherer Rechtsprechung nicht erst gegenüber das „logische Gegenteil“ festlegenden Normen ein. Der logische Widerspruch einer Landesnorm gegenüber einer Norm des Bundesgesetzes ist jedenfalls von der Sperrwirkung erfaßt und bildet deren Minimum. Die Sperrwirkung soll dagegen nicht eintreten, wenn der Bundesgesetzgeber sich in seiner Regelung auf bloße Wert- und Zielvorstellungen beschränkt.303 Die erschöpfende Regelung kann auch durch mehrere Gesetze in ihrem Zusammenspiel erreicht werden.304 Dabei kann die Regelung „entsprechend einer von der Sache her BVerfG 98, 265 (301). Diese Schwierigkeit wird durch den Umstand dokumentiert, daß die Senatsmehrheit zwar die Einnahmequotierung sowie die Ablehnungspflicht des Arztes bei Weigerung der Frau, die Gründe für den Abtreibungswunsch anzugeben, als durch die erschöpfende Regelung des Bundes ausgeschlossen ansieht, den Facharztvorbehalt und die Erlaubnispflichtigkeit der Einrichtung hingegen nicht. Die abweichenden Voten werfen der Mehrheit insofern Inkonsequenz vor, vgl. das Sondervotum Papier / Graßhof / Haas, BVerfGE 98, 265 (331), sowie das abweichende Votum Kühling / Jäger, BVerfGE 98, 265 (360 ff.). Die objektiv teleologische Auslegung gewinnt hier an Boden und stellt die Landeskompetenz unter Richtervorbehalt; vgl. zur „objektivierten Auslegung“ in diesem Zusammenhang, die „den im Normtext positivierten „Willen“ des Gesetzes zu konstruieren und zu konkretisieren“ versucht, Oeter, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 72 Rn. 65. Besonders deutlich BVerfGE 56, 110 (119), wonach dem Wunsch des Bundesgesetzgebers, kodifikatorisch eine bestimmte Sachmaterie vollständig zu regeln, lediglich indizielle Bedeutung zukommt. 302 Auch das verdient Betonung, da das Bundesverfassungsgericht dies übergeht: Der absichtsvolle Regelungsverzicht kann den Ländern einen Spielraum eröffnen wollen. Er ersetzt dann einen ausdrücklichen Ländervorbehalt. Daher reicht es vorliegend nicht, einen absichtsvollen Regelungsverzicht des Bundesgesetzgebers festzustellen, sondern dieser muß darüber hinaus die Absicht einer abschließenden Bundesregelung verfolgen. 303 BVerfGE 49, 343 (359); siehe auch E 78, 249 (273): Art und möglicher Umfang, nicht aber das „Ob“ einer Leistungspflicht hat der Bundesgesetzgeber geregelt; Oeter, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 72 Rn. 66; Jarass, NVwZ 1996, S. 1041 (1044); Stettner, in: Dreier, GG II, Art. 72 Rn. 26. 304 BVerfGE 34, 9 (28); Kunig, in: von Münch / Kunig, GG III, Art. 72 Rn. 16. 300 301

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

geforderten und erklärten Gesamtplanung nicht in einem Gesetz, sondern in mehreren sich zeitlich und inhaltlich aneinander anschließenden Gesetzen“ untergebracht werden.305 Die Sperrwirkung gilt gegenüber den Ländern dann schon, wenn das erste Teilgesetz in Kraft tritt. Diese Annahme ist unabhängig von der Streitfrage, ob die Sperrwirkung nicht schon eintritt, wenn der Bund die Materie zum Gegenstand eines Gesetzgebungsverfahrens zu machen beginnt.306 Das Gericht leitet die Subsumtion unter die Voraussetzungen des Sachzusammenhangs zutreffend mit der Bemerkung ein, daß für das Vorliegen einer solchen Kompetenz die Besonderheiten des Regelungsgegenstandes ausschlaggebend sind.307 Die Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs konnte der Bund auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG sowie ergänzend auf Nr. 7, 11, 12 und 19 stützen. Dazu trete „punktuell die Befugnis zur bundesgesetzlichen Regelung kraft Sachzusammenhangs“.308 An anderer Stelle läßt das Gericht es zu, daß die „Verzahnung unterschiedlicher Rechtsgebiete im Schutzkonzept“ (des Bundesgesetzes) dem Bund die Kompetenz verleiht, „die nach diesem Konzept unerläßlichen Regelungen im ärztlichen Berufsrecht zu treffen, solange er damit die Länderkompetenz nicht aushöhlt“309. Die gebotene Beschränkung auf die „Punktualität“ des im Sachzusammenhang erfolgenden Übergriffs und die verbotene „Aushöhlung“ der vom Übergriff betroffenen Länderkompetenz variieren die Einschränkung nur sprachlich, erweitern die Voraussetzungen einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs jedoch nicht inhaltlich. Dasselbe sagt die Wendung aus, eine „umfassende Regelung“ des den Ländern vorbehaltenen Bereichs sei dem Bund verwehrt.310 Der Bundesgesetzgeber hatte die Strafandrohung für Schwangerschaftsabbrüche zurückgenommen. Das Bundesverfassungsgericht ist der Umsetzung dieser Liberalisierung entgegengetreten, indem es deren Verfassungsmäßigkeit an zwei Bedingungen geknüpft hat: Das strafrechtliche Unwerturteil müsse erhalten bleiben, und an die Stelle des ursprünglich strafrechtlichen Lebensschutzes müsse ein anderes wirksames Konzept des Lebensschutzes treten.311 Der partielle Ersatz des Strafrechts könne nur verwirklicht werden, wenn der Bundesgesetzgeber punktuell auf Länderkompetenzen übergreift – „die Zweckbestimmung dieser Regelungen, den strafrechtlichen Lebensschutz teilweise zu ersetzen, macht sie nicht selber zu Normen des Strafrechts“.312 Mit dieser Feststellung räumt das BundesverfassungsBVerfGE 34, 9 (28). So das BVerfGE 34, 9 (29) – das gebiete jedenfalls im vorliegenden Fall die Pflicht der Länder zu bundesfreundlichem Verhalten; andernfalls ergäbe sich ein schwer erträglicher Zustand. Anders Oeter, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 72 Rn. 61. 307 BVerfGE 98, 265 (301). 308 BVerfGE 98, 265 (301). 309 BVerfGE 98, 265 (303). 310 Vgl. BVerfGE 98, 265 (300). 311 BVerfGE 98, 265 (301). 312 BVerfGE 98, 265 (301). 305 306

V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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gericht ein, daß über die strafrechtsersetzende Wirkung der Normen hinaus zusätzliche Voraussetzungen für eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs zum Strafrecht erforderlich sind. Jedoch begründe das „aus der Verfassung abgeleitete Junktim zwischen der Zulässigkeit der Aufhebung strafrechtlicher Vorschriften und der gleichzeitigen Normierung eines alternativen Schutzkonzepts für das ungeborene Leben [ . . . ] eine Bundeskompetenz kraft Sachzusammenhangs für solche Einzelregelungen, die zur Verwirklichung seines Konzepts unerläßlich sind und bei denen auf eine gemeinsame Regelung der Länder nicht gewartet werden kann (vgl. BVerfGE 88, 203 [304 f.])“.313 Die angeführte Entscheidung konkretisiert aber nicht, wann auf ein Tätigwerden der Länder nicht mehr gewartet werden kann. Das Bundesverfassungsgericht bemängelt dort die Lückenhaftigkeit der vom Bundesgesetzgeber normierten Organisation der Konfliktberatung:314 „Die Organisation der im Rahmen der Beratungsregelung erforderlichen Beratung ist jedoch wesentlicher Teil des vom Bundesgesetzgeber auf dem Boden seiner Zuständigkeit für das Strafrecht (Art. 74 Nr. 1 GG) zu entwickelnden, insoweit gegebenenfalls unter Zuhilfenahme der Kompetenz aus Art. 84 Abs. 1 GG normativ zu gestaltenden und insgesamt am Untermaßverbot zu messenden Schutzkonzepts. Würde es der Bundesgesetzgeber den Ländern überlassen, die organisationsrechtlichen Bestimmungen des Schutzkonzepts zu treffen, so müßte er das Inkrafttreten der Gesamtregelung davon abhängig machen, daß in allen Ländern die erforderlichen gesetzlichen Vorschriften ergangen sind. Diesen letztgenannten Weg hat der Gesetzgeber ersichtlich nicht beschritten.“ Die Bedeutung des Lebensschutzes durch Beratung dulde keine unterschiedliche Gesetzeslage in einzelnen Gebieten Deutschlands.315 Damit umschreibt das Gericht die Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung im Sinne von Art. 72 Abs. 2 GG sowohl für die Kernmaterie des Strafrechts als auch für die im Übergriff sachlich zusammenhängenden Regelungen. Denn auch diese sind Bestandteil der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Strafrechts und müssen sich daher an den allgemeinen Voraussetzungen messen lassen. Flankierende Maßnahmen oder Teile des Berufs- und Organisationsrechts könnten dennoch in der Landeskompetenz verbleiben.316 Der Bundesgesetzgeber mußte – so das Bundesverfassungsgericht – konzeptionell „eine umfassende Lösung verwirklichen, da anderenfalls die bundeseinheitliche Rücknahme strafrechtlichen Schutzes nicht zu rechtfertigen gewesen wäre“.317 Das vom Bundesgesetzgeber eingeführte Konzept ist eine Fristenregelung mit Beratungspflicht.318 Dieses Schutzkonzept substituiert strafrechtliche Elemente 313 314 315 316 317

BVerfGE 98, 265 (302). Siehe BVerfGE 88, 203 (302 ff.). BVerfGE 98, 265 (302). BVerfGE 98, 265 (302 f.). BVerfGE 98, 265 (303).

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

durch die Pflicht der Frau, sich beraten zu lassen. Die Freiheit der Frau, eine Abtreibung vorzunehmen, wird vom Strafrecht erweitert, indem die Strafsanktion zurückgenommen wird. Der Schutz des ungeborenen Lebens wird in demselben Maße preisgegeben. Die Beratung soll diese Preisgabe nicht zu einer totalen machen – die Beratungsstellen wirken darauf hin, daß die Frau von einer Abtreibung absieht.319 Die Strafandrohung gegenüber der Frau hängt von der erfolgten Beratung ab.320 Das Bundesverfassungsgericht sieht ein solches Element des Lebensschutzes als verfassungsgeboten an. Jedoch kann ihm nicht gefolgt werden, wenn es aus der notwendigen Bundeseinheitlichkeit des ursprünglichen strafrechtlichen Schutzes auf die Notwendigkeit einer Bundeseinheitlichkeit der dieses Konzept ersetzenden Vorschriften schließt.321 Schon die Regelung der Beratung durch Schwangerenkonfliktberatungsstellen erfolgte als Annexregelung bzw. auf der Basis des Art. 84 Abs. 1 GG. Das Erfordernis einer Beratung als negatives Tatbestandsmerkmal für die Straflosigkeit von Frau und Arzt hingegen liegt im Kernbereich der Strafrechtskompetenz und bedurfte weder der Begründung durch Annex noch der durch einen Sachzusammenhang. Das Schwangerschaftskonfliktberatungsgesetz ging aber über die Formulierung eines Tatbestandsmerkmals im Rahmen eines Straftatbestands hinaus. Es lassen sich auch Konzepte denken, die den Schwangerschaftsabbruch liberalisieren und zugleich den Schutz des ungeborenen Lebens an anderer Stelle ausgleichend fördern. Zunächst ist aber anzumerken, daß der Bundesgesetzgeber mit Zustimmung des Bundesverfassungsgerichts durch die Beratungslösung den Lebensschutz reduziert hat. Nun soll gerade deshalb der verbleibende Schutzstandard das verfassungsrechtlich gebotene Minimum sein, in anderen Worten: Das Untermaßverbot verlangt eine solche Schutzstärke. Über die Art des dem Untermaßverbot genügenden Schutzkonzepts kann das Untermaßverbot so wenig aussagen wie die Grundrechte. Es mögen sich Fallgestaltungen denken lassen, in denen eine grundrechtliche Schutzpflicht nur durch einen einzigen Gesetzgeber sinnvoll erfüllt werden kann: So ist etwa das strafgesetzliche Tötungsverbot eine Folge der dem Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG zu entnehmenden staatlichen Pflicht, das Leben zu schützen. Eine andere als eine strafrechtliche Einbettung des Tötungsverbots wäre wenig effektiv und damit eine Unterschreitung des Untermaßverbots. Viel seltener dürften hingegen Fälle sein, in denen eine grundrechtliche Schutzpflicht einzig und allein durch ein Gesetz erfüllt werden kann, das sich nur mit Hilfe einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs rechtfertigen läßt. 318 Vgl. etwa Tröndle / Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, vor § 218 Rn. 10: Fristenmodell mit Beratungsangebotspflicht. 319 § 218 Abs. 1 S. 1 und 2 StGB. 320 Vgl. § 218 Abs. 4 StGB, der ein persönlicher Strafausschließungsgrund zugunsten der schwangeren Frau ist, Tröndle / Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, § 218 a Rn. 34. 321 So auch Rüfner, ZG 1999, S. 366 (369 f.): Das ähnele einem Schluß von der Notwendigkeit der Bundeskompetenz auf deren Bestehen – ein solcher Schluß habe zu keiner Zeit die Anerkennung des Bundesverfassungsgerichts gefunden.

V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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Das Gericht sieht es als verfassungsrechtlich geboten an, daß der aufgehobene Strafrechtsschutz anderweitig zumindest teilweise, das heißt auf geringerem Schutzniveau, ersetzt wird. Würde der Bundesgesetzgeber den Strafrechtsschutz einfach aufheben und den Ersatz den Landesgesetzgebern überlassen, würde – wenigstens in einer Übergangszeit – wirklich eine Schutzlücke entstehen können. Entweder könnte die Strafnorm nicht greifen, weil die Länder die zur Straflosigkeit notwendige Beratungslösung noch nicht im einzelnen geregelt hätten, oder – wenn es sich um ein anderes Konzept handeln würde – könnte jeder Schutz von vornherein fehlen. Die Aufhebung des strafrechtlichen Schutzes ohne nahtlosen Ersatz würde einen materiell verfassungswidrigen Zustand hervorrufen. Allerdings könnte der Bund die Länder von seinem Vorhaben der Konzeptänderung im vorhinein unterrichten. Das Gesetzgebungsverfahren ist den Ländern ohnehin über den Bundesrat transparent. Der Bund ist aufgrund des Gebots länderfreundlichen Verhaltens verpflichtet, den Ländern rechtzeitig auch eingehendere Mitteilungen zu machen. Einen solchen Weg hat das Bundesverfassungsgericht nicht einmal erwogen. Es sieht lediglich die Alternative der Fortsetzung eines umfassenden strafrechtlichen Schutzes oder der bundesgesetzlichen Ersetzung des Strafrechtsschutzes. Das Gericht argumentiert mit der besonderen Bedeutung des Lebensschutzes durch Beratung in zwei Richtungen. Zum einen rechtfertigt es damit die Unerläßlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung im Sinne von Art. 72 Abs. 2 GG.322 Andererseits ist es die besondere materiellrechtliche Bedeutung des Lebensschutzes, die den für die Begründung eines Sachzusammenhangs in der vorliegenden Entscheidung so wichtigen „Konzeptbegriff“ trägt. Die Verwirklichung des „Konzepts im Sinne größtmöglichen Lebensschutzes“ hänge wegen der staatlich nicht beeinflußbaren Faktoren (Gewissensfreiheit der Ärzte, Bereitschaft kirchlicher Stellen zur Mitwirkung an der Beratung, Entscheidungen von Krankenhausträgern) „wesentlich davon ab, daß wenigstens die rechtlich festlegbaren Bedingungen im ganzen Bundesgebiet nicht geändert werden“.323 Das Schutzkonzept erreicht den größtmöglichen Lebensschutz nur durch eine Ausgewogenheit, die wie ein labiles Gleichgewicht leicht störanfällig ist. Der größtmögliche Lebensschutz wird dabei als nicht hinterfragte Prämisse in die Hände des Bundesgesetzgebers gelegt. Nimmt man ihn zum Maßstab für die Kompetenzweiterungen, so liegt die Annahme einer Kompetenz aus der Natur der Sache näher als die derjenigen kraft Sachzusammenhangs.324 Eine auf Grundrechte gestützte Kompetenz kraft Sachzusammenhangs ist allerdings systemwidrig.

322 323 324

BVerfGE 98, 265 (302). BVerfGE 98, 265 (304). Siehe Rüfner, ZG 1999, S. 365 (371).

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

b) Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren325 Die Ausgestaltung von Grundrechten bedarf verfahrensrechtlicher Regelungen ebenso wie der Schutz vor grundrechtlichen Eingriffen oder der verhältnismäßige Ausgleich zwischen Interessen und Rechten, zumal wenn Grundrechte beteiligt sind.326 Die Bedeutung des Verfahrens für die Verwirklichung des Grundrechtsschutzes folgt schon aus dem Umstand, daß die Sachgesetze auf eine verwaltungsmäßige Umsetzung angewiesen sind. Diese richtet sich nach den Regeln des Verfahrensrechts. Die wenigsten Sachgesetze sind self-executing, und es entspricht auch keinem verfassungsrechtlichen Postulat, den gesetzgeberischen Willen möglichst ohne Zwischenentscheidung einer über Ermessen und Beurteilungsspielraum verfügenden Verwaltung unmittelbar gegenüber dem Bürger „geschehen zu lassen“. Im Gegenteil erfordert das Prinzip der Gewaltenteilung eine Kontrolle durch Anwendung des Gesetzes. Die Nuancen des Einzelfalls bedürfen einer durch Ermessen gedeckten flexiblen Bandbreite behördlicher Reaktionsmöglichkeiten. Dem Verfahren kommt eine grundrechtsausgestaltende, -schützende und -effektuierende bzw. -ermöglichende Funktion zu. Unter den Grundrechtsfunktionen wird im Schrifttum eigens der Grundrechtsschutz durch Verfahren als Ausfluß der von den Grundrechten in Bezug genommenen objektiven Werteordnung erwähnt. Der verfahrensrechtliche Schutz der Grundrechte ist Gehalt der grundrechtlichen Gewährleistung selbst.327 Der grundrechtlich geforderte Schutz läßt sich durch den Ausbau von Verfahrenspositionen erreichen.328 Die grundrechtliche Schutzpflicht, die den Gesetzgeber trifft, zielt deswegen unter Umständen gerade (auch) auf einen Grundrechtsschutz durch Verfahren. Doch folgt nicht jeder Grundrechtsschutz durch Verfahren aus einer grundrechtlichen Schutzpflicht des Gesetzgebers – das schließt nicht aus, daß der Rechtsanwender verpflichtet ist, die Verfahrensvor325 Siehe P. M. Huber, Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren als Kompetenzproblem in der Gewaltenteilung und im Bundesstaat. Vgl. auch Blümel, in: ders. (Hrsg.), Frühzeitige Bürgerbeteiligung bei Planungen, S. 23 ff.; Goerlich, Grundrechte als Verfahrensgarantien; Ferdinand O. Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht; Laubinger, VerwArch. 73 (1982), S. 60 ff.; Lerche / Schmitt Glaeser / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verfahren als staats- und verwaltungsrechtliche Kategorie; D. Lorenz, NJW 1977, S. 865 ff.; ders., AöR 105 (1980), S. 623 ff.; Ossenbühl, DÖV 1981, S. 1 ff.; ders., Festschrift Eichenberger, S. 183 ff.; Raeschke-Kessler / Eilers, NVwZ 1988, S. 37 ff.; Redeker, NJW 1980, S. 1593 ff.; Starck, Festgabe 25 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. II, S. 480 ff.; vgl. die Nachweise bei Stern, Staatsrecht III / 1, S. 955. 326 St. Rspr. des BVerfG; vgl. BVerfGE 37, 132 (141, 148); 46, 325 (334); 49, 220 (225) zu Art. 14 Abs. 1 GG; BVerfGE 39, 276 (294); 44, 105 (119 ff.); 45, 422 (430 ff.) zu Art. 12 Abs. 1 GG; BVerfGE 51, 324 (346 ff.); 52, 214 (220 f.); 53, 30 (65). 327 Die sogenannte objektive Werteordnung, die von den Grundrechten „errichtet“ wird, transzendiert die Summe der einzelnen Grundrechte. Insofern sind Schutzpflichten, die ausschließlich aus der objektiven Werteordnung abgeleitet werden können, nicht auch ein Gehalt des jeweiligen einzelnen Grundrechts. Doch wird diese Differenzierung kaum je vorgenommen. 328 Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 99.

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schrift grundrechtskonform auszulegen. Zutreffend weist allerdings Denninger darauf hin, daß die verfahrensorientierte Grundrechtsauslegung weder in der Sache noch im Ergebnis dasselbe ist wie eine grundrechtsorientierte Verfahrensregelauslegung.329 Vom Verfahren läßt sich begrifflich die Organisation unterscheiden.330 Die Bereitstellung etwa der geeigneten Rechtsformen zur Selbstorganisation der Grundrechtsträger entspricht einer grundrechtlichen Strukturschaffungspflicht des Staates. Die Einrichtung einer übersichtlichen Behördenorganisation vereinfacht die Grundrechtsausübung und ist daher in einem gewissen Maß von den Grundrechten geboten. Wenn ein besonderes Verfahren oder eine besondere Ausgestaltung eines Verfahrens selbst der zentrale Gegenstand einer grundrechtlichen Gewährleistung ist – wie bei den sogenannten Verfahrensgrundrechten – stellt sich die einfachgesetzliche Umsetzung als Konkretisierung dar. Der unmittelbare Rückgriff auf die Verfassungsvorschrift ist bei einer ungenügenden Umsetzung zulässig.331 Zu beachten ist allerdings, ob die Länder durch den Verfassungsrechtssatz unmittelbar und mit voller Intensität gebunden werden. Der Umsetzungsauftrag geht nur so weit, wie die Bindungsintensität reicht. Fehlt es hingegen an einem Regelungsauftrag an den Gesetzgeber, bemißt sich die Gesetzgebungskompetenz zur Konkretisierung an den sonstigen Kompetenzvorschriften. Die subsidiäre332 Möglichkeit des unmittelbaren Rückgriffs auf das bundesrechtliche Grundgesetz ändert daran nichts. Kann dieses Spezialitätsverhältnis mit Hilfe von Annex und Sachzusammenhang derart überwunden werden, daß die grundrechtliche Notwendigkeit einer verfahrensrechtlichen Regelung als solcher oder aber einer verfahrensrechtlichen Ergänzung einer grundrechtlich gebotenen Regelung in der Sache das Erfordernis der Zustimmung des Bundesrats zu bundesgesetzlichen Verfahrensregelungen entfallen läßt? aa) Beschränkungen des Grundrechts auf Asyl Grundrechte wie das Recht der Kriegsdienstverweigerung oder das Asylrecht lassen sich erst im Verwaltungsverfahren realisieren, ohne daß sie zu den Verfahrensgrundrechten im engeren Sinne zu rechnen sind.333 Das Grundrecht erfordert hier primär verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen. Für das Grundrecht auf Denninger, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR V, § 113 Rn. 3. Zur Unterscheidung von Organisation und Verfahren vgl. etwa Denninger, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR V, § 113 Überschrift von Rn. 5 und passim. 331 Es sei denn, ein Gesetzesvorbehalt erfordert das Tätigwerden des einfachen Gesetzgebers, vgl. z. B. BVerfG-Plenum, NJW 2003, S. 1924 (1928). 332 Es gilt der Anwendungsvorrang des einfachen Rechts vor der Verfassung. Damit entstehen Spielräume zur Konkretisierung. 333 Ehlers, in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 5 Rn. 21. 329 330

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Asyl sieht Art. 16 a GG in Ausnahme zu der üblichen Technik des Gesetzesvorbehalts zugleich eine Kompetenzzuweisung an den Bund vor, so daß der Gesetzgeber jedenfalls nicht den Anforderungen des Art. 72 Abs. 2 GG unterliegt:334 Das gilt für die Ermächtigung zur gesetzlichen Drittstaatenregelung in Art. 16 a Abs. 2 S. 2 GG wie auch für die Kompetenz zur Herkunftsstaatenregelung in Art. 16 a Abs. 3 S. 1 GG. Art. 16 a Abs. 4 S. 2 GG, der expressis verbis lediglich einen Gesetzesvorbehalt zur Ausgestaltung des vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes vorsieht, ist hingegen nicht auch als Kompetenznorm zugunsten des Bundes zu verstehen. Hier sind die Kompetenztitel aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 4 oder Nr. 6 GG einschlägig, wenn es sich um materiell-rechtliche Gesetze handelt, oder Art. 84 Abs. 1 GG mit der Folge, daß der Bundesrat zustimmen muß, sofern es um Verfahrensvorschriften geht. Jedoch ist die genaue Zuordnung der in Art. 16 a Abs. 4 S. 2 GG angesprochenen Regelungen umstritten. Die Verfassung selbst errichtet in Gestalt von Abs. 4 „eine Begrenzung des verfahrensrechtlichen Schutzbereichs der Asylgewährleistung, die der einfache Gesetzgeber konkretisieren darf“.335 Die Ermächtigung in Abs. 4 S. 2 gestattet es dem Gesetzgeber, die Voraussetzungen einer eindeutigen Aussichtslosigkeit des Asylantrags abstrakt und typisierend zu umschreiben. Dem Bundesverfassungsgericht zufolge muß der Gesetzgeber dabei eine materiell-rechtliche Regelung treffen, die der Bedeutung des Asylrechts und des aus ihm abgeleiteten vorläufigen Bleiberechts gerecht wird.336 Eine derartige Regelung, welche Fallgruppen offensichtlich unbegründet sind, ist als materiell-rechtlich und nicht als verfahrensrechtlich zu qualifizieren.337 Die Auswirkungen auf das Verwaltungsprozeßrecht, insofern die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Verhältnis zu anderen Asylverfahren an besondere Bedingungen gebunden wird,338 machen die Regelungen, zu denen Art. 16 a Abs. 4 S. 2 GG ermächtigt, nicht schon zu solchen des Verwaltungsprozeßrechts. Verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen werden durch Art. 16 a GG nicht dem Bundesgesetzgeber zugewiesen. Trotzdem sind diese wegen des zurückgenommenen gerichtlichen Rechtsschutzes überaus wichtig für die Grundrechtsverwirklichung. Sie könnten dem Bund als konkurrierender Titel zustehen: Art. 74 Abs. 1 Nr. 4 GG normiert die Kompetenz für das Aufenthalts- und NiederlassungsVgl. etwa Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 295. BT-Drucksache 12 / 4152, S. 4; vgl. BVerfGE 94, 166 (190). 336 BVerfGE 94, 166 (191). A. A. Gusy, Jura 1993, S. 505 (512 f.); Huber, NVwZ 1993, S. 736 (741); vgl. auch Lübbe-Wolff, in: Dreier, GG I, Art. 16 a Rn. 97. Anträge sollen demnach in den von Art. 16 a Abs. 4 GG erfaßten Fällen nicht stets und unwiderleglich als offensichtlich unbegründet gelten, sondern im Falle ihrer Unbegründetheit dem für offensichtlich unbegründete Anträge geltenden Verfahrensregime unterstellt werden. 337 Randelzhofer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 16 a Rn. 148. A. A. Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 16 a Rn. 32: „verfahrensrechtliche, insb. den Rechtsschutz betreffende Beschränkungen der Asylgewährleistung“. 338 So Randelzhofer, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 16 a Rn. 147. 334 335

V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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recht der Ausländer. Die Asylgesetzgebung wird von diesem Titel nicht gedeckt, wenn man darunter nur diejenigen Ausländer faßt, die nicht auch Flüchtlinge sind. Denn insofern ist Art. 74 Abs. 1 Nr. 6 GG spezieller, der sich auf die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen bezieht.339 Doch erfassen beide Titel jedenfalls nicht das Asylverfahren als Verwaltungsverfahren. Insofern geht Art. 84 Abs. 1 GG vor und erfordert ein zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz, andernfalls bleiben die Länder zuständig.340 Die enge Verflechtung von sachlicher und verfahrensrechtlicher Regelung führt höchstens dazu, daß der Gesetzgeber beides gesetzgebungstechnisch zu einem Gesetzeswerk verbinden muß, um keinen sinnlosen oder grundrechtswidrigen Gesetzestorso zu produzieren. Die Zustimmungsbedürftigkeit für das Verfahrensrecht erfaßt dann die damit zusammenhängende Sachregelung. Aus dem grundrechtlich gebotenen Zusammenhang von Verfahrensund Sachregelung kann aber nicht gefolgert werden, die Kompetenz für die Sachregelung würde per Annex bzw. Sachzusammenhang um die Verfahrenskompetenz erweitert. Das ist selbst dann anzunehmen, wenn der Zusammenhang sich darin ausdrückt, daß die Regelung nur eines Teils materiell verfassungswidrig wäre, oder wenn das betreffende Grundrecht im Schwerpunkt durch das Verwaltungsverfahren realisiert wird. Gegenwärtig ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für den Vollzug des Asylverfahrens zuständig. Es handelt sich um eine auf der Grundlage von Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG errichtete selbständige Bundesoberbehörde. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aufgrund dieser Norm, die nicht durch einen Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Bundesrats eingeschränkt ist, schließt neben der Errichtung der Behörde die Regelung des behördlichen Verfahrens ein.341 Die Inanspruchnahme dieser Kompetenz setzt nicht voraus, daß der Bund schon eine Verwaltungskompetenz hat.342

bb) Atomrechtliches Genehmigungsverfahren Der grundrechtlich gebotenen Schutzpflicht des Staats für Leben und Gesundheit kann im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren dadurch Rechnung getragen werden, daß die Genehmigungsvoraussetzungen von Amts wegen zu prüfen und alle Behörden von Bund, Ländern und Gemeinden zu beteiligen sind, deren Zuständigkeitsbereich berührt wird, sowie auch gefährdete Bürger, denen ein vorverlagerter Rechtsschutz durch Einwendungen während des behördlichen Verfahrens ermöglicht wird.343

339 340 341 342 343

So auch Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 291 ff. Vorbehaltlich einer Anwendung des Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG; siehe weiter im Text. Vgl. BVerfGE 31, 113 (117). BVerfGE 14, 197 (210). BVerfGE 53, 30, 59 f., allgemein S. 65.

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Die Kalkar I-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hatte es mit der Besonderheit zu tun, daß die Genehmigungsvoraussetzung der „nach dem Stand von Wissenschaft und Technik“ erforderlichen Vorsorge nicht näher durch den Gesetzgeber geregelt worden war.344 Dieser hat sich mit einem unbestimmten Rechtsbegriff begnügt, den die Verwaltung durch normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften füllen konnte. In Anbetracht der Rechtsprechung zur Wesentlichkeit der Grundrechtsberührung als Kriterium des Gesetzesvorbehalts, waren Bemerkungen zum Einfluß des Grundrechtsschutzes auf die Organkompetenz von Gesetzgeber und Verwaltung angezeigt. Das Gericht hält die bestmögliche Gefahrenabwehr für grundrechtlich geboten. Diese erfordere eine laufende Anpassung der für eine Risikobeurteilung maßgeblichen Umstände an den jeweils neuesten Erkenntnisstand. Hierfür wiederum ist vermittels ihrer Handlungsformen die Exekutive besser geeignet als die Legislative.345 Eine solche gesetzgeberische Einräumung von grundrechtlich relevantem Beurteilungsspielraum ist angesichts des im Bereich einer Schutzpflicht für Leben und Gesundheit geltenden Gesetzesvorbehalts nur in einer gesetzgeberisch engmaschigen Einbettung in das Verfahrensrecht zulässig. Wenn andererseits der Gesetzgeber trotz seines über den Gesetzesvorbehalt weit hinausreichenden Zugriffsrechts346 von Grundrechts wegen dazu gezwungen war, der Beurteilungskompetenz der Verwaltung den Vortritt zu lassen,347 ist nicht nur das Verfahrensrecht als solches notwendiges Äquivalent einer grundrechtlich gebotenen Organkompetenzverteilung, sondern gerade seine enge Verzahnung mit dem materiellen Recht. Doch folgt daraus, daß die Verfahrensrechtskompetenz dem in der Sache tätig gewordenen Bundesgesetzgeber ohne das Zustimmungsbedürfnis aus Art. 85 Abs. 1 GG zusteht?348 Die Verwaltung ist aufgrund von Art. 1 Abs. 3 GG nicht weniger als der Gesetzgeber an die Grundrechte gebunden. Insofern besteht kein Bedarf, den Sachgesetzgeber durch Kompetenzzuwachs nur deswegen zu stärken, um die Verwaltung zu diszplinieren. Im übrigen ist der Landesgesetzgeber dazu ebenfalls imstande. Eine größere grundrechtliche Verantwortung der Verwaltung erzwingt noch nicht die Verfassungsnotwendigkeit einer bundesweit einheitlichen Gesetzgebung. cc) Strafrecht und Verfahrensrecht beim Schwangerschaftsabbruch Der Strafgesetzgeber muß nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts seiner Schutzpflicht für das ungeborene Leben unter anderem dadurch nachkommen, BVerfGE 49, 89 (136 ff.). BVerfGE 49, 89 (139 f.) – „Dynamisierung des Rechtsgüterschutzes“. 346 Vgl. Janssen, Über die Grenzen des legislativen Zugriffsrechts, S. 66 ff. 347 So daß gerade auch den Grundrechten eine der „Wesentlichkeitstheorie“ entgegengesetzte Tendenz in Richtung gesetzgeberischer Zurückhaltung entnommen werden kann. 348 Verwaltung durch die Länder im Auftrag des Bundes gemäß Art. 87 c GG i.V.m. § 24 Abs. 1 S. 1 AtG. Zur Frage, ob Art. 85 Abs. 1 GG dem Bund überhaupt eine Kompetenz zur Regelung des Verwaltungsverfahrens gibt, siehe unten D. VI. 7. a) aa). 344 345

V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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daß er verfahrensrechtliche Regelungen in sein materielles Schutzkonzept einbindet.349 Soweit damit strafrechtliche Regelungen verbunden sind, unterfallen diese dem Titel in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Soweit andere, rein verfahrensrechtliche Vorschriften normiert werden sollen, hat das Bundesverfassungsgericht nur sehr vage festgestellt, der Bund müsse die Organisation der im Rahmen der Beratungsregelung gebotenen Beratung „gegebenenfalls“ unter Zuhilfenahme von Art. 84 Abs. 1 GG bestimmen.350 Die Organisation sei wesentlicher Bestandteil des vom Bundesgesetzgeber auf dem Boden seiner Zuständigkeit für das Strafrecht zu entwickelnden und insgesamt am Untermaßverbot zu messenden Schutzkonzepts. Gleichwohl hält das Bundesverfassungsgericht es anscheinend für zulässig, daß die Länder die organisationsrechtlichen Bestimmungen des Schutzkonzepts treffen. Nur müsse dann der Bund das Inkrafttreten der Gesamtregelung vom Erlaß der erforderlichen organisationsrechtlichen Vorschriften in allen Ländern abhängig machen.351 Möglicherweise verdichtet sich die gesetzgeberische Schutzpflicht352 zum Gebot einer zeitnahen Regelung; bei Ausbleiben einer in allen Ländern ergehenden Gesetzgebung ist der Bundesgesetzgeber aufgrund der grundrechtlichen Schutzpflicht aufgerufen, von seiner Kompetenz aus Art. 84 Abs. 1 GG Gebrauch zu machen. Die Zustimmungsbedürftigkeit des Bundesgesetzes entfällt jedoch nicht. Art. 1 Abs. 3 GG bindet die „Gesetzgebung“ an die Grundrechte. Damit wird auch der Bundesrat als ein an der Gesetzgebung beteiligtes Bundesorgan verpflichtet.353 Der Bundesrat steht damit in der grundrechtlichen Schutzpflicht auch insoweit, als diese den Erlaß organisationsrechtlicher Bestimmungen erfordert. Die Lage ist derjenigen ähnlich, in der das Grundgesetz dem Bund eine ausschließliche Kompetenz für ein zustimmungsbedürftiges Gesetz verleiht, die Kompetenz aber mit einem Gesetzgebungsauftrag verbindet (vgl. etwa Art. 87 f. Abs. 1 GG). Der Bundestag müßte bei verweigerter Zustimmung die Verfassungswidrigkeit der Verweigerung in einem Bundesorganstreit nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG durch das Bundesverfassungsgericht feststellen lassen können. Zwar kann der Bundestag in diesem Verfahren nicht die Verletzung von Grundrechten rügen.354 Der Bundestag kann aber die Verletzung der durch Art. 1 Abs. 3 GG vermittelten Grundrechtsbindung des Bundesrats rügen, da dieser im Gesetzgebungsverfahren aufgrund des Gebots der Bundesorgantreue355 gerade gegenüber dem Bundestag zu einer grundrechtlich gebotenen Zustimmung verpflichtet ist. Die rechtliche Gebotenheit der BVerfGE 88, 203 (296 ff.). BVerfGE 88, 203 (304 f.). 351 BVerfGE 88, 203 (305). 352 Vgl. Dreier, in: ders., GG I, Art. 1 III Rn. 35. 353 Ausdrücklich zum Bundesrat Dreier, in: ders., GG I, Art. 1 III Rn. 57; Stern, Staatsrecht II, S. 211 f., 233; Kunig, Jura 1994, S. 217 (219). 354 Ihm fehlt die Antragsberechtigung, vgl. Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 93 Rn. 10; Benda / Klein, Lehrbuch des Verfassungsprozeßrechts, S. 941. 355 Vgl. zur Verfassungsorgantreue im Verhältnis von Bundestag und Bundesrat Schenke, Die Verfassungsorgantreue, S. 70 ff. 349 350

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Zustimmung macht diese nicht entbehrlich. Allerdings wird in den seltensten Fällen das Schutzkonzept in der vom Bundesgesetzgeber beabsichtigten Form die einzige mögliche Erfüllung der grundrechtlichen Schutzpflicht sein. dd) Enteignungsentschädigung und Enteignungsverfahren Wenn der Gesetzgeber eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums vorsieht, kann diese unverhältnismäßig sein, falls sie im Einzelfall keine Entschädigung in Geld vorsieht. Der Gesetzgeber muß mit Inhalt und Schranken des Eigentums daher auch die Voraussetzungen, die Art und den Umfang der Belastung regeln. Die Verwaltung muß bei der Aktualisierung der Eigentumsbeschränkung zugleich über den gegebenenfalls erforderlichen Ausgleich zumindest dem Grunde nach entscheiden.356 Wegen des Vorrangs des Primärrechtsschutzes kann der Eigentümer eine Entschädigung für eine unverhältnismäßige Belastung nur verlangen, wenn er den die Beschränkung seines Eigentums aktualisierenden Verwaltungsakt anficht. Die Entscheidung über Anfechtung oder Hinnahme des Verwaltungsakts kann er in zumutbarer Weise nur treffen, wenn ihm bekannt ist, ob er einen finanziellen Ausgleich erhält. Daher muß – so das Bundesverfassungsgericht – der Gesetzgeber die verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften dahingehend ergänzen, daß die Verwaltung beide Entscheidungen – die über die Eigentumsbeschränkung und jene über den Ausgleich – zeitgleich trifft.357 Die Inhalts- und Schrankenbestimmung in bezug auf das Eigentum beruht in der Regel auf einer Sachkompetenz,358 während die Festlegung einer zeitlichen Reihenfolge von Enteignungs- und Entschädigungsentscheidung zur Materie des Verfahrensrechts ressortiert. Im zugrunde liegenden Fall stand das rheinland-pfälzische Denkmalschutz- und -pflegegesetz zur Prüfung. Das Land kann hier ohne weiteres Sachund Verfahrensregeln verbinden. Für Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums existiert kein eigener Kompetenztitel. Dieser ergibt sich bei der Inhaltsbestimmung aus der Zuordnung BVerfGE 100, 226 (246). BVerfGE 100, 226 (246). 358 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 940: Eine Inhaltsbestimmung gehöre kompetentiell zu dem Sachgebiet, dem der eigentumsfähige Gegenstand angehört; eine Schrankenbestimmung sei dem Sachgebiet zuzuordnen, aus dem die Schranke stammt, wenn sie dieses sonderrechtlich regele und das Eigentum nur allgemein betreffe. Anders sei „Eigentums-Sonderrecht“ zu behandeln, das nach beiden Kriterien und damit eventuell „doppelt“ qualifiziert werden müsse. Pestalozza nimmt wohl auch hier Art. 31 GG als kollisionsauflösende Norm an. Nach der hier vertretenen Ansicht ist immer eine eindeutige Zuordnung möglich und geboten. – Für Enteignungsgesetze vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 948 mit Fn. 1668 f.; a. A. wohl BVerfGE 24, 367 (385 f.): Der Kompetenztitel thematisiere nicht die Legalenteignung, sondern lediglich die Administrativenteignung. Es geht nicht um Enteignungsgesetze, die selbst schon die Enteignung verursachen, sondern um Gesetze, die die Verwaltung zur Enteignung ermächtigen, das Verfahren der Enteignung und die Entschädigungsfrage regeln. 356 357

V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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des Eigentumsgegenstands zu einem Sachgebiet und bei der Schrankenbestimmung aus der Zuordnung der Schranke zu einer bestimmten Kompetenzmaterie. 359 Die Regelung einer Entschädigung für eine ohne Entschädigung unverhältnismäßig in das Eigentum eingreifende Inhalts- oder Schrankenbestimmung360 unterfällt nicht der Kompetenz für das Recht der Enteignung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG.361 Derartige Ausgleichsvorschriften zählen auch nicht zur Staatshaftung gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 25 GG.362 Selbst wenn man enteignungsgleiche und enteignende Eingriffe als Thema des Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG einstuft,363 sind darin weder die ohne Ausgleichsregelung unverhältnismäßigen Inhalts- und Schrankenbestimmungen noch die eine Verhältnismäßigkeit herstellenden Ausgleichsvorschriften (etwa als deren Annex) inbegriffen. Die ausgleichspflichtige Inhalts- oder Schrankenbestimmung stellt einerseits keinen enteignenden Eingriff dar, weil dieser auf die Eigentumsbeeinträchtigung als atypische Nebenfolge beschränkt ist;364 andererseits ist sie kein enteignungsgleicher Eingriff, insofern dieser – in seiner Ausprägung als Tatbestandsvoraussetzung des gleichnamigen Haftungsinstituts – gerade nicht die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes umfaßt.365 Eine Inhalts- oder Schrankenbestimmung ist regelmäßig nicht in jedem Fall ihrer Anwendung unverhältnismäßig und dadurch ausgleichspflichtig, sondern erst in vorher vom Gesetzgeber nicht bis ins letzte Detail konkretisierbaren Einzelfällen. Die Unverhältnismäßigkeit ergibt sich erst aus der Prüfung der die Inhaltsund Schrankenbestimmung für das jeweilige Eigentumsobjekt aktualisierenden Behörde. Es handelt sich um Fälle bzw. Fallgruppen, die sich einer gesetzgeberischen Typisierung gerade aufgrund der Komplexität der von der Behörde vorzunehmenden Abwägungsentscheidung entziehen. Ihre Eigenart gibt kein Kriterium an die Hand, mit dessen Hilfe die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen bemessen werden könnte, geht es doch dabei um die Verteilung von Materien zur Regelung durch den Gesetzgeber und nicht um die Verteilung des gesetzlich nicht Regelbaren. 359 Genauer Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 940 – siehe die vorstehende Fußnote. Keinesfalls ist Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG einschlägig. 360 Beispiele (vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1853): § 8 Abs. 4 AbfallG; §§ 39 – 44 BauGB; § 42 BImSchG; §§ 8 a Abs. 4 und 5, 11 Abs. 5 FStrG; §§ 66 – 72 b TierseuchenG; §§ 74 Abs. 2 S. 2 und 3, 75 Abs. 2 S. 2 und 4 VwVfG des Bundes. 361 Eine solche (mangels Entschädigungsregelung unverhältnismäßige) Inhalts- und Schrankenbestimmung ist auch in der Regel wegen des vom Bundesverfassungsgericht entwickelten formalen Enteignungsbegriffs keine Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG, es sei denn, die Inhalts- und Schrankenbestimmung würde das Eigentum zum ius nudum degradieren. Dann läge eine Enteignung im grundrechtlichen Sinn vor, und Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG wäre der richtige Kompetenztitel. 362 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1841. 363 Z. B. BayVerfGHE 26, 28 (36); BGH, NJW 1975, S. 1783 f. Kritisch Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 939 mit Fn. 939. 364 Statt vieler Depenheuer, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG I, Art. 14 Rn. 493; mit Zweifeln zum Verhältnis beider in Rn. 494. 365 Vgl. Depenheuer, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG I, Art. 14 Rn. 495 f.

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Allerdings könnte man vor diesem Hintergrund der Ansicht sein, daß eine Entschädigung für eine ausgleichspflichtige Inhalts- oder Schrankenbestimmung dem Recht des Verwaltungsverfahrens zuzuschlagen ist, weil sich die Rechtsfolge erst aufgrund einer Abwägung durch die Verwaltung ergibt. Indes dringt diese Argumentation nicht völlig durch, da Normen mit Beurteilungsspielraum oder Ermessen nicht schon wegen der mit ihnen einhergehenden größeren Entscheidungsmacht der Verwaltung dem Verwaltungsverfahren zugerechnet werden. Die Regelung der Entschädigung als solcher ist keine Frage des Verfahrensrechts, gehört aber als Annex zur Kompetenz für die jeweilige Inhalts- oder Schrankenbestimmung, für die sich wiederum die Gesetzgebungskompetenz aus den Sachtiteln und nicht aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 oder Nr. 25 GG ergibt. Die verfahrensrechtliche Frage der Zeitgleichheit von Aktualisierung der Inhalts- oder Schrankenbestimmung einerseits und Entscheidung über den Ausgleichsanspruch in Geld andererseits, für die der Gesetzgeber nach Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Voraussetzungen schaffen muß,366 ist ein Annex der jeweiligen Sachmaterie, bleibt aber, soweit diese vom Bund gesetzgeberisch bearbeitet wird, der Zustimmungsbedürftigkeit nach Art. 84 Abs. 1 GG unterworfen. Auch wenn der Bundesgesetzgeber für die Verfassungsmäßigkeit einer Inhaltsund Schrankenbestimmung auf das zustimmungspflichtige Gesetz angewiesen sein sollte, entfällt die Zustimmungspflichtigkeit nicht. Es ist auch nicht nur dasjenige als „Verfahrensrecht“ anzusehen, was sich ohne die Folge der Verfassungswidrigkeit für materielle Regelungen von diesen abtrennen läßt. Die Regelung der zeitlichen Abfolge von Verwaltungsakten oder anderen Handlungsschritten im Verwaltungsverfahren gehört jedenfalls zur Kompetenzmaterie des Verfahrensrechts. Fraglich ist, wie eine aufgrund grundrechtlicher Erfordernisse an einen bundesgesetzlichen Enteignungstatbestand zu knüpfende Verfahrensregelung kompetentiell einzuordnen ist. Der Bund hat gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG die Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt. Der Begriff der „Enteignung“ ist maßgeblich an dem des Art. 14 Abs. 3 GG zu orientieren.367 Die gleichsinnige Auslegung gleichlautender Begriffe in Grundrechtskatalog und Kompetenznorm macht aber nicht zwingend grundrechtliche Wertungen zum Maßstab über die kompetentielle Verzahnung von Sach- und Verfahrensgesetz.368 Gleichwohl wird einerseits aus der Junktimklausel des Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG die Konsequenz gezogen, Entschädigungsregeln würden unmittelbar zum Recht der Enteignung rechnen und bedürften daher nicht des Sachzusammenhangs mit einer gleichzeitig getroffenen Enteignungsregelung im engeren Sinne,369 andererseits soll die Regelung der VorBVerfGE 100, 226 (246). Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 977 mit Fn. 1730. 368 Zu Recht ebenso vorsichtig Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 939 a. E. mit Fn. 1641. 369 So Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 979: Bemerkenswert ist dabei, daß demnach Entschädigungsfragen zwar unmittelbar, also in abstracto und nicht erst im Schlepptau eines 366 367

V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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aussetzungen einer grundrechtlich und auch von der Verfassung sonst nicht gebotenen Rückenteignung auch vom Kompetenzthema des Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG gedeckt sein.370 Das grundrechtlich Erforderliche umschreibt also nicht die äußersten Grenzen des Kompetenztitels. Das Enteignungsverfahren soll ebenfalls unmittelbar – ohne die Brücke des Sachzusammenhangs nehmen zu müssen – zur Materie des Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG gehören.371 Die Anhänger der Annex-Theorie hätten keine Einwände gegen eine Subsumtion des Verfahrensrechts unter diesen Titel; sie würden lediglich an der Unmittelbarkeit Anstoß nehmen und die Erfüllung der für die Annahme einer Annexkompetenz notwendigen Voraussetzungen verlangen. Wer das Verfahrensrecht – in Anwendung der Annex-Theorie – im „Begriffshof“ des Kompetenzthemas verwurzelt sieht, akzeptiert damit die Spezialität der Art. 84 Abs. 1 und 85 Abs. 1 GG. Jedoch steht und fällt die Annex-Theorie nicht damit, das Verfahrensund Organisationsrecht jedem beliebigen Kompetenztitel als Annex anzuhängen. Sie macht eine sorgfältige Auslegung jeder einzelnen Kompetenzvorschrift nicht entbehrlich. So ermächtigt etwa Art. 108 Abs. 5 S. 2 GG den Bundesgesetzgeber, das von den Landesfinanzbehörden und – sofern und soweit die Länder die ihnen zustehende Finanzverwaltung für die alleine den Gemeinden bzw. Gemeindeverbänden zufließenden Steuern an diese übertragen haben – den Gemeinden bzw. Gemeindeverbänden anzuwendende Verfahren durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates zu regeln. Die Vorschrift ist gegenüber den Art. 84 Abs. 1 und 85 Abs. 1 GG lex specialis, ohne daß man für die Annahme des Spezialitätsverhältnisses den Boden der Annex-Theorie verlassen müßte. Sie geht weiter als die genannten Vorschriften, indem sie einerseits den Durchgriff auf die kommunale Finanzverwaltung ermöglicht und andererseits sogar eine bundesgesetzliche Regelung des Landesvollzugs von Steuergesetzen des Landes ermöglicht.372 In der Regel erweitern diese leges speciales den Spielraum des im Landesvollzug verfahrens- und organisationsrechtlich tätig werdenden Bundesgesetzgebers. Es stellt sich mithin die Frage, ob das Enteignungsverfahren begriffsunmittelbar zum „Recht der Enteignung“ im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG gehört oder lediglich dessen Annexmaterie darstellt. Nur im letzteren Falle bedürften Regelungen über das Enteignungsverfahren der Zustimmung des Bundesrates gemäß den Art. 84 Abs. 1 und 85 Abs. 1 GG. Das „Recht der Enteignung“ umfaßt nach alleinzelnen Gesetzes, mit der Enteignung zusammenhängen sollen, sich aber anscheinend begrifflich immer noch eine Enteignung „im engeren Sinne“ davon abschichten läßt. Das spricht gerade gegen eine begriffsunmittelbare Zuordnung zum Kompetenztitel und für die Erforderlichkeit der Annex-Voraussetzungen. 370 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 981, auch mit Fn. 1733: Gesetze über verfassungsgebotene Rückabwicklungen fehlgeschlagener Enteignungnen fallen natürlich auch unter den Titel, wobei nach Pestalozza eine unmittelbare Subsumtion oder die Erschließung als Annexbereich in Betracht kommt – er läßt diese Frage offen. 371 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 980. 372 Vgl. Schlette, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 108 Rn. 101.

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

gemeiner Ansicht die Ermächtigung zur Enteignung, für Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen sowie zur Entschädigung von Enteignungen.373 Das Verfahrensrecht ist ein Kernthema der Kompetenz und nicht erst über den Annex vom Bundesgesetzgeber zu erschließen.374 Der Parlamentarische Rat vertrat überwiegend die Auffassung, dem Bund stünden Enteignungsregelungen im Zusammenhang mit den Sachregelungen zu.375 Nur zur vorsorglichen Klarstellung einigte man sich auf eine Verselbständigung des Enteignungsrechts im Kompetenzkatalog.376 Gleichwohl wird die Kompetenz nicht als lediglich deklaratorische, da nur positivierte Annexkompetenz aufgefaßt, denn sie soll auch dann zu Gesetzen ermächtigen, wenn noch keine Regelung der Sachgebiete der Art. 73 und 74 GG existiert.377 In der Tat wird mit dem Wortlaut nur an die Sachgebiete dieser Normen angeknüpft und nicht auch eine Akzessorietät zu Sachgesetzen auf diesen Gebieten verlangt. Deswegen dürfe der Bund auch ein allgemeines Enteignungsgesetz erlassen, bevor er überhaupt das Sachgebiet regelt.378 Eine Akzessorietät (zumindest für den engeren Bereich der grundrechtlich relevanten Enteignung) kommt allerdings über Umwege und notwendig dadurch zustande, daß eine Enteignung aufgrund von Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG und wegen des Verhältnismäßigkeitsprinzips nicht ohne einen legitimen Zweck erfolgen darf, dieser Zweck seinerseits aber durch ein Gesetz bestimmt werden muß, für das der Bund eine Sachkompetenz in den Art. 73, 74 GG hat.379 Die Regelung des Enteignungsverfahrens läuft ohne eine solche Zwecksetzung leer. Doch während die Gesetzesakzessorietät, die nach zumindest zu Art. 84 Abs. 1 GG herrschender Auffassung erforderlich ist, bedeutet, daß ein ohne Sachgesetz bestehendes Verfahrens- oder Organisationsgesetz nichtig ist, kann – wegen der Formulierung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG – ein allgemeines Enteignungsgesetz durchaus auf spätere Sachgesetze bezogen werden.380 Dieses entfaltet bereits eine Sperrwirkung gemäß Art. 72 Abs. 1 GG gegenüber dem Landesgesetzgeber, auch wenn dieser im Bereich des konkurrierenden Sachtitels noch nicht durch eine Bundesgesetzgebung ausgeschlossen ist.

Statt vieler und zusammenfassend Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 942. Siehe Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 979 f. 375 Werner (Bearb.), Der Parlamentarische Rat 1948 – 1949. Akten und Protokolle. Bd. 3, 55 f., 59 – 61; Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 936. 376 Werner, Der Parlamentarische Rat, S. 65 – 68. 377 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 946 f., 951, 962: Die Kompetenz stehe im Annex nicht zu einer gesetzlichen Regelung einer Sachkompetenz, sondern zu diesen Sachkompetenzen der Art. 73 und 74 GG selbst. 378 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 946. 379 So deutlich Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 955: Es reiche nicht aus, daß entweder nur der Eingriffsort oder nur der Eingriffszweck in den Sachgebieten der Art. 73, 74 GG angesiedelt ist; vielmehr müßten beide dort ihre Wurzeln haben. 380 Nur insoweit geht die Kompetenzvorschrift über eine Klarstellung einer ohnehin gegebenen Annexkompetenz hinaus. 373 374

V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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c) Die Bedeutung des Gleichheitssatzes für die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen Die Rede vom Gleichheitssatz kann im Bundesstaat zwei völlig unterschiedliche Bedeutungen haben. Zum einen geht es um den Bürger, der aufgrund der föderativen Regelungs- und Vollzugsvielfalt ungleich behandelt oder trotz wesentlicher Abweichungen im Tatsächlichen dennoch gleich behandelt wird. Hier stellt sich die Frage, inwieweit dem Grundgesetz ein subjektiv-rechtlicher Anspruch auf Gleichbehandlung oder sachangemessen differenzierte Behandlung zu entnehmen ist, auch wenn das Vergleichspaar nicht dem Bereich ein und desselben Hoheitsträgers zuzuordnen ist. Die andere Bedeutung des Gleichheitssatzes hat keinen unmittelbaren Bezug zum Bürger. Es geht um den Anspruch der Bundesländer auf Gleichbehandlung durch den Bund. Während sich für viele Handlungsformen das Gebot länderfreundlichen Verhaltens auf den Bund anwenden läßt, ist dessen Anwendung auf die inhaltliche Gestaltung der Bundesgesetzgebung zumindest nicht dogmatisch fundiert übertragen worden. Nachdem das Bundesverfassungsgericht in einer frühen Entscheidung Art. 3 Abs. 1 GG als Anspruchsgrundlage der Länder gegen den Bund eingesetzt hatte,381 stützte es sich später auf den in Art. 3 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgrundsatz, der aus „dem Wesen des Rechtsstaates“ folge – „insofern beansprucht der Gleichheitssatz auch Geltung für die Beziehungen innerhalb des hoheitlichen Aufbaus“.382 An dieser Stelle soll es nur um die erste Bedeutung des Gleichheitssatzes gehen. Zunächst ist erklärungsbedürftig, inwiefern aus ihr Anhaltspunkte für Grenzen und Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs gewonnen werden können. Denn soweit ein Bürger eine Ungleichbehandlung durch ein Landesgesetz rügt, weil die Gesetze anderer Länder andere Regelungen treffen, stehen sich ja in bezug auf ihre Materie und deren Umfang dieselben Gesetzgebungskompetenzen gegenüber. Im Streit ist nur die jeweilige inhaltliche Ausgestaltung der Kompetenz. Soweit der Bürger eine Ungleichbehandlung beanstandet, die sich erst aus dem Vergleich eines Bundesgesetzes mit einem Landesgesetz ergibt, erscheint schon der Tatbestand der Ungleichbehandlung selbst fragwürdig; denn Bundes- und Landesgesetz beruhen auf sachlich unterschiedlichen Kompetenzmaterien. Soweit die Ungleichbehandlung durch ein Bundes- und ein Landesgesetz hervorgerufen wird, die sich grundsätzlich auf denselben Kompetenztitel konkurrierender Gesetzgebung stützen, ist der Landesgesetzgeber gemäß Art. 72 Abs. 1 GG von der Kompetenz ausgeschlossen. 381 BVerfGE 1, 14 (52); zu Recht ablehnend Dürig, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 3 I Rn. 233 in Fn. 1. 382 BVerfGE 23, 12 (24); vgl. zur Problematik Maunz, Gedächtnisschrift Fr. Klein, 1977, S. 311 ff.; Fr. Klein, Festschrift für Scupin, S. 165 ff. Ihre Bedeutung hat die Frage insbesondere bei partiellem Bundesrecht.

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Doch in drei Punkten berührt sich die Problematik um den Gleichheitssatz als Mittel gegen föderalistische Vielfalt mit unserem Thema: (1) Zunächst liegt ein verfassungspolitischer Zusammenhang darin, daß landesgesetzliche Disparitäten, die jedenfalls vom betroffenen Bürger hingenommen werden müssen, den Ruf nach einer durch Verfassungsänderung zu bewirkenden Bundeskompetenz auslösen werden. Eine unklare Kompetenzverteilung kann auch unerwartete Ungleichbehandlungen verursachen. Deswegen ist insbesondere eine klare Kompetenzabgrenzung geeignet, die stabilisierende Wirkung des allgemeinen Gleichheitssatzes zu bewahren.383 Verfassungsrechtlich wäre eine Koordinierungspflicht der Länder auch für Art. 72 Abs. 2 GG von aktuellem Interesse, da eine bundesgesetzliche Regelung dort nicht erforderlich ist, wo die Länder ohnehin zu einer einheitlichen oder abgestimmten Regelung verpflichtet wären. (2) Der Gleichheitssatz könnte eine Gleichbehandlung auch „systemübergreifend“ bzw. „transsystematisch“384 verlangen und hätte so unter Umständen „kompetenztitelübergreifende“385 Wirkungen. (3) Gleichheitssatz und Widerspruchsverbot betreffen zumindest ähnliche Fallgestaltungen.386 So liegt die Annahme nahe, das Gebot der Widerspruchsfreiheit soll auf kompetentieller Ebene Regelungskonflikte ausschließen, die gleichheitsrechtlich problematisch, aber gerade noch zulässig sind. Wie auch immer das Verhältnis der Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs und des Gebots der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung zu bestimmen sein wird, muß doch auch die Bedeutung des Gleichheitssatzes für die Tätigkeit der verschiedenen Gesetzgeber festgestellt werden, da sich hier Gründe für das Bedürfnis nach einer kompetentiellen Kollisionslösung finden lassen.

aa) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bindet der Gleichheitssatz lediglich denselben Träger von Staatsgewalt. Für die Gesetzgebung bedeutet das, daß nur der jeweilige Gesetzgeber die Gleichheit als Grenze seiner Kompetenz beachten muß.387 Der Gesetzgeber ist nur insoweit an Art. 3 Abs. 1 GG gebunden, als die Vergleichspaare aus seiner Gebietskörperschaft stammen.388 383 Vgl. Hörstel, NVwZ 1995, S. 552 (553), der allerdings eine „verfassungswidrige Verletzung“ des Gleichheitssatzes befürchtet. 384 Rupp, Festgabe 25 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. II, S. 364 (383); Rupp / von Zezschwitz / von Olshausen, Zur Ungleichbehandlung in der Einkommensbesteuerung der Versorgungsbezüge und Sozialrenten, S. 13. 385 Haack, Regelungskonzeptionen, S. 92 ff. 386 Siehe Haack, Regelungskonzeptionen, S. 131 f. Doch soll der Gleichheitssatz bei widersprüchlichen Regelungen, die denselben Adressaten treffen, gerade nicht zur Anwendung kommen, vgl. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 266 ff., insbes. S. 289 f. 387 BVerfGE 10, 354 (371); 12, 139 (143); 12, 324; 16, 6 (24); 17, 319 (331); 27, 175; 30, 90 (103); 32, 346 (360). 388 BVerfGE 16, 6 (24).

V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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Wenig später hat das Gericht dieselbe Einschränkung auch anders ausgedrückt: „Der Landesgesetzgeber ist mit Rücksicht auf die föderalistische Struktur der Bundesrepublik Deutschland nur gehalten, den Gleichheitssatz innerhalb des Geltungsbereichs der Landesverfassung zu wahren“.389 Der abweichende Gesetzgeber ist nicht zur Anpassung verpflichtet. Der Gleichheitssatz findet nicht nur in seiner strengen Maßstäblichkeit, die mit „Neuer Formel“ beschrieben wird und einer Verhältnismäßigkeitsprüfung gleicht,390 keine Anwendung, sondern ebensowenig in seiner Eigenschaft als Willkürverbot. Sofern also eine äußerste Schranke für die föderative Pluralität des Rechts gefordert wird, eine Schranke für die Freiheit von der Gleichheit,391 liegt deren Anwendungsfeld noch jenseits willkürlicher Gleichbzw. Ungleichbehandlung durch die verschiedenen Gesetzgeber. So muß sich ein Landesgesetzgeber nicht entgegenhalten lassen, er weiche ohne sachlichen Grund von der Gesetzgebung anderer Länder ab.392 Die Abweichung eines Landesgesetzes von einer bundesgesetzlichen Regelung kann ebensowenig eine Gleichheitsverletzung begründen.393 Umgekehrt kann ein Bundesgesetz nicht aufgrund eines durch Art. 3 Abs. 1 GG gebotenen Vergleichs mit der Landesgesetzgebung verfassungswidrig sein. So hat das Bundesverfassungsgericht die für Bayern gesetzlich geregelte Pflichtmitgliedschaft der in Bayern tätigen Ärzte in der Bayerischen Ärzteversorgung394 nicht für gleichheitswidrig gehalten, weil es in anderen Bundesländern eine solche Mitgliedschaft nicht gab.395 Ebensowenig war die Nichteinführung der Briefwahl im niedersächsischen Kommunalwahlrecht deshalb eine Gleichheitsverletzung, weil es in anderen Ländern die Möglichkeit der Briefwahl gab.396 Das Gebot der Trennung von Anwaltstätigkeit und Notariat durch die Notarordnung von Rheinland-Pfalz397 ist mit dem Gleichheitssatz vereinbar, obwohl in anderen Bundesländern das Anwaltsnotariat bereits zugelassen war.398 Die personalvertretungsrechtliche Schlechterstellung von nichtkasernierten Verwaltungsbeamten, Angestellten und Arbeitern der Bereitschaftspolizei des Landes Bayern im Verhältnis zu den anderen Beamten, Angestellten und Arbeitern desselben Landes399 stellt auch insoBVerfGE 17, 319 (331); so auch BVerfGE 32, 346 (360). So Brüning, JZ 2001, S. 669 (670 ff.); BVerfG-K, NVwZ 2000, S. 1036 (1037): Die Bandbreite der Prüfung reiche vom Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an die Maßstäbe der Verhältnismäßigkeit. 391 Dürig, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 3 I Rn. 242. 392 BVerfGE 10, 354 (371); 16, 6 (24); 17, 319 (331); 21, 54 (68) – zu in verschiedenen Gemeinden unterschiedlich hohen Hebesätzen der Gewerbesteuer; E 30, 90 (102 f.). 393 BVerfGE 32, 346 (360). 394 Art. 47 Abs. 1 des bayerischen Gesetzes über das öffentliche Versicherungswesen vom 7. Dezember 1933 (BayBS I, S. 242). 395 BVerfGE 10, 354 (371). 396 BVerfGE 12, 139 (143). 397 § 8 S. 2 der Notarordnung für Rheinland-Pfalz vom 3. September 1949 (GVBl. S. 391). 398 BVerfGE 16, 6 (24). 389 390

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

fern keinen Gleichheitsverstoß dar, als die anderen Länder eine solche Schlechterstellung nicht vorgenommen haben und als der Bundesgesetzgeber die Angehörigen des Bundesgrenzschutzes ebenfalls dem allgemeinen Personalvertretungsrecht unterstellt.400 Wenn der Landesgesetzgeber keine Erstattung der Kosten, die durch das Engagement eines Rechtsanwalts im Widerspruchsverfahren der §§ 68 ff. VwGO entstehen, vorsieht, verstößt er auch dann nicht gegen den Gleichheitssatz, wenn andere Länder Kostenerstattung gewähren.401 Der hamburgische Besoldungsgesetzgeber war durch den Gleichheitssatz nicht gehindert, bei der Überleitung der Lehrer an Sonderschulen in die Besoldungsgruppe A 13 die Unterschiede in Besoldung und Laufbahn zu berücksichtigen und den besoldungsrechtlichen Verhältnissen in Hamburg anzupassen.402 Eine Regelung des bayerischen Gemeindeabgabengesetzes 403 ermächtigte Gemeinden, Kreise und Bezirke, zur Sicherung örtlicher Abgaben, der örtlichen Verbrauchsteuern sowie der Beiträge und sonstigen Leistungen Satzungen zu erlassen und darin die Hinterziehung der Abgabe mit Geldstrafen nach § 396 AO a. F., andere Zuwiderhandlungen gegen die Satzung mit Geldstrafen oder Ordnungsstrafen zu bedrohen. Nach einer Satzung der Stadt Augsburg waren leichtfertige Verkürzungen der Getränkesteuer mit Geldstrafe bedroht. Das Bundesverfassungsgericht sah keinen Gleichheitsverstoß darin, daß das Landesgesetz schon bei nur leichtfertiger Beeinträchtigung des Gemeindesteueraufkommens eine Strafbewehrung ermöglichte, während mit § 404 AO a. F.404 der Bundesgesetzgeber solche Verstöße zum Nachteil des Aufkommens an Bundesund Landessteuern lediglich als Ordnungswidrigkeiten ahndete.405 Die Fälle von Ungleichbehandlung lassen sich differenzieren: (1) Wenn lediglich eine andersartige gesetzliche Lösung als in einem anderen Bundesland vorliegt, würde auch mit Hilfe des Gleichheitssatzes nicht jedenfalls eine gesetzgeberische Gleichschaltung erstritten werden können. Denn solange etwa ein Eingriff in ein Freiheitsrecht zur Erreichung des mit dem zum Eingriff ermächtigenden Gesetz verfolgten Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen ist, kann alleine der Hinweis auf eine ebenfalls geeignete, erforderliche und angemessene Regelung nicht gegen das Gesetz sprechen. Ländertypische Besonderheiten wie kulturelle Tradition, geographische, soziale, demographische, wirtschaftliche und finanzielle Verhältnisse müßten auch bei Anwendung des Gleichheitssatzes als sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung Berücksichtigung finden, so daß kaum an399 Durch Art. 1 S. 1 des Gesetzes über die Personalvertretungen für die bayerische Bereitschaftspolizei vom 26. Januar 1961 (GVBl. S. 37). 400 BVerfGE 17, 319 (331) 401 BVerfGE 27, 175 (179). 402 BVerfGE 30, 90 (102 f.). 403 Art. 16 Abs. 1 des bayerischen Gemeindeabgabengesetzes vom 20. Juli 1938 (BayBS, S. 553) in der Fassung des Art. 69 Nr. 1 des Gesetzes vom 17. November 1956 (GVBl. S. 261). 404 In der Fassung v. 12. 8. 1968 (BGBl. I, S. 953). 405 BVerfGE 32, 346 (360).

V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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dere Ergebnisse als diejenigen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu erwarten wären. (2) Wenn es um eine landesinterne Ungleichbehandlung geht (wie bei der personalvertretungsrechtlichen Schlechterstellung der bayerischen Bereitschaftspolizei), die in anderen Ländern oder auf Bundesebene nicht vorliegt, würde ein kompetenzübergreifend wirkender Gleichheitssatz auch den Vergleich der kompetenzinternen Anwendung des Gleichheitssatzes ermöglichen. Da hier schon ein sachlicher Grund für die Rechtfertigung der Diskriminierung erforderlich ist, würde ein kompetenzübergreifendes Gleichheitsgebot ohne zusätzlichen Gewinn für den Grundrechtsschutz unzulässig in die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit eingreifen. (3) Anders verhält es sich mit länderübergreifenden Sachverhalten. Hier ist die Beschreibung des Problems schwieriger: Ein Bürger erfüllt in einem Bundesland die gesetzlichen Voraussetzungen etwa für eine Leistungsgewährung, in einem anderen Bundesland, das die Leistung auch gewährt, aber an andere Voraussetzungen knüpft, dagegen nicht. So weit entspricht die Fallkonstellation der Gruppe unter (1). Hinzukommt nun, daß die Voraussetzungen gerade auf Besonderheiten des Landes abheben, etwa wenn das Land Bayern ein Bremer Abitur nicht als Zugangsberechtigung für sämtliche Studiengänge an bayerischen Hochschulen genügen ließe, sondern für die Aufnahme zu einigen Studiengängen eine Zusatzprüfung verlangte, die es von bayerischen Abiturienten nicht verlangt. Die Diskriminierung kann aber auch unmittelbar an die Eigenschaft als bayerischer Bürger oder nichtbayerischer Bürger anknüpfen, indem z. B. bei der Studienplatzvergabe in Bayern wohnende oder in Bayern geborene Bewerber bevorzugt werden (sogenannte Landeskinderklauseln). Schließlich kann die Diskriminierung versteckt sein, insofern die für die Leistungsgewährung erforderliche Eigenschaft typischerweise von Einwohnern des eigenen Landes, aber nur selten von anderen erfüllt wird. In seinem ersten Numerus Clausus-Urteil aus dem Jahr 1972 hat das Bundesverfassungsgericht die Auffassung vertreten, daß aus dem in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Gebot der Chancengleichheit folge, daß die Zulassung zum Studium der absoluten Numerus Clausus-Fächer nach einheitlichen Auswahlkriterien erfolgen muß.406 Nach Art. 3 Abs. 2 S. 2 des Gesetzes über die Zulassung zu den bayerischen Hochschulen vom 8. Juli 1970407 sollte Studienbewerbern, die einen im Freistaat Bayern erworbenen Vorbildungsnachweis besitzen und ihren Wohnsitz im Freistaat Bayern haben, das Studium in der von ihnen gewählten Fachrichtung an einer der ihrem Wohnsitz nächstgelegenen bayerischen Hochschulen ermöglicht werden. Satz 3 des Gesetzes bestimmt, daß ihnen zu diesem Zweck nach Maßgabe näherer Vorschriften Vergünstigungen hinsichtlich des durch den Eignungsgrad bestimmten Zulassungsranges zu gewähren sind. So rückt das Gesetz zugunsten einer Bevorzugung der Landeskinder vom strengen Leistungsprinzip ab. Das Bundesverfassungsgericht hält dies für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar: 406 407

BVerfGE 33, 303 (356 f.). BayGVBl. S. 273.

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

„Geht es aber bei einer in die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers fallenden Materie um einen Lebenssachverhalt, der seiner Natur nach über die Ländergrenzen hinausgreift und eine für alle Staatsbürger der Bundesrepublik in allen Bundesländern gleichermaßen gewährleistete Rechtsposition berührt, dann können einseitige Begünstigungen der Einwohner eines Landes eine Ungleichbehandlung anderer Staatsbürger bewirken. Gerade das Hochschulwesen der Bundesrepublik stellt ein zusammenhängendes System dar, in dem einerseits nicht alle Studiengänge überall angeboten werden können und das andererseits eine Nutzung der Ausbildungskapazitäten über die Ländergrenzen hinweg erfordert. Dementsprechend sind Ausbau und Neubau von Hochschulen ausdrücklich in den Kreis der für die Gesamtheit bedeutsamen „Gemeinschaftsaufgaben“ im Sinne des Art 91 a GG einbezogen worden, deren Finanzierung zur Hälfte dem Bund obliegt. Bei derartigen übergreifenden Lebenssachverhalten hat der Landesgesetzgeber sorgsam zu prüfen, ob sich eine Bevorzugung der Einwohner seines Landes im Rahmen der Wertentscheidungen des Grundgesetzes hält und ob sie nicht zur Entwertung von Grundrechten führen würde, wenn andere Länder ebenso verfahren.“408 bb) Ansichten in der Literatur Der Rechtsprechung zu Art. 3 Abs. 1 GG in bezug auf verschiedene Gesetzgeber folgt die Literatur weitgehend apologetisch. Dürig weist darauf hin, daß die Freiheit von der Gleichheit nicht grenzenlos sei. Kirchhof interpretiert das erste Numerus Clausus-Urteil so, daß durch die Nichtanwendung des Gleichheitssatzes bewirkte, „in der bundesstaatlichen Ordnung gerechtfertigte Regionalisierungen“ eine Grenze bei länderübergreifenden Rechtsgewährleistungen fänden.409 Die Heranziehung des allgemeinen Gleichheitssatzes stieß auf Kritik. So wurde auf Art. 33 Abs. 1 GG als die im Verhältnis zu Art. 3 Abs. 1 GG speziellere Vorschrift abgehoben,410 oder es wurde erwogen, aus Art. 11 Abs. 1 GG das Recht zur Mitnahme von in anderen Bundesländern erworbenen Rechten abzuleiten, sofern diese denen des Ziellandes gleichwertig seien.411

BVerfGE 33, 303 (352 f.). Kirchhof, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR V, § 124 Rn. 180 mit dem Beispiel der Studienplatzverteilung. 410 Dürig, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 3 I Rn. 242; Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 9; Jachmann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 33 Rn. 3; anders Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 1, und Pieroth, in: ders. / Schlink, Grundrechte, Rn. 471: Art. 33 Abs. 1 GG verdränge die anderen speziellen Gleichheitssätze nicht, sondern ergänze sie. Zur Einschlägigkeit von Art. 33 Abs. 1 GG vgl. auch Jachmann, a. a. O., Art. 33 Rn. 10; Jach, DÖV 1995, S. 925 (929 f.); Ridder, AltK-GG, Art. 33 Abs. 1 – 3 Rn. 13; Bethge, AöR 110 (1985), S. 169 (217). 411 Kisker, Festschrift Bachof, S. 47 (53): „bei entsprechend großzügiger Deutung des Begriffs ,Freizügigkeit‘“. 408 409

V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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cc) Stellungnahme Die Position von Rechtsprechung und Literatur verdient Zustimmung. Der Föderalismus findet einen bestimmenden Ausdruck in der geographischen Regelungsvielfalt. Die Bemühungen um Rechtsvereinheitlichung führen nicht nur zu einem unitarischen Bundesstaat, sondern können wegen ihrer Alternativlosigkeit schwer korrigierbare Fehlentwicklungen heraufbeschwören. Insofern wirkt die föderalistische Vielfalt als Risikodiversifikation. Bundesstaatlicher Pluralismus dient der vertikalen Gewaltenteilung zwischen Bund und Ländern. Die Gewaltentrennung sichert die Grundrechte vor den Gefahren eines Mißbrauchs zentraler Macht. Das ist die grundrechtliche Wurzel des Bundesstaatsgedankens. Andererseits steht die Regelungsvielfalt im Föderalismus der Entfaltung von Grundrechten im Wege. Die konkrete Freiheitsausübung wird zugunsten einer langfristigen Freiheitssicherung eingeschränkt. Die Eigenstaatlichkeit der Länder basiert in erster Linie auf deren Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen. Die Nichtanwendung des Gleichheitssatzes bildet einen Schutzpanzer der landesstaatlichen Souveränität. 2. Sachzusammenhang kraft Verfassungsprinzips Nachdem die Bedeutung der Grundrechte dargestellt wurde, bleibt die Bedeutung der objektiven Verfassungsprinzipien für die Begründung eines Sachzusammenhangs zu untersuchen. Hier soll das kompetentielle Verhältnis des Kommunalrechts zum Gesellschaftsrecht und zum Bürgerlichen Recht betrachtet werden [a], das der Landesgesetzgeber zugunsten des Kommunalrechts weit ausgedehnt hat. Die Bundeskompetenz für den besonderen parteienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 5 PartG) in ihrem Verhältnis zum Rundfunkrecht hat Kritik erfahren, weil sie die parteienrechtliche Perspektive bevorzugt [b]. Schließlich wird auf die Bedeutung des Sozialstaatsprinzips für kompetentielle Qualifikation und Kompetenzauslegung eingegangen [c]. a) Das kommunale Gesellschaftsrecht Die gesetzlichen Bindungen kommunalwirtschaftlicher Betriebe in gesellschaftsrechtlicher Organisationsform finden sich im Kommunal-, Gesellschaftsund Verfassungsrecht. In neuerer Zeit gab es vereinzelte Versuche, ein „Verwaltungsgesellschaftsrecht“ zu bilden. Die Verwaltung in gesellschaftsrechtlicher Organisationsform soll zwar grundsätzlich dem Gesellschaftsrecht unterworfen bleiben, aber aufgrund verfassungsrechtlicher Gebote soll das Gesellschaftsrecht im einzelnen modifiziert angewandt werden.412 Die Frage der Gesetzgebungskompe412 Grundlegend Kraft, Das Verwaltungsgesellschaftsrecht, S. 251 ff.; von Danwitz, AöR 120 (1995), S. 595 ff.

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

tenz wird meist nicht angesprochen, obwohl hier die Weichen für das anwendbare Recht gestellt werden. Im Zentrum steht die erwerbswirtschaftliche Betätigung der Kommunen, so daß das Kommunalrecht betroffen ist. Das Gesellschaftsrecht ist hingegen abschließend vom Bundesgesetzgeber geregelt worden.413 Wenn die Kommunen öffentlichrechtlichen Bindungen unterliegen, ihre gesellschaftsrechtlich organisierten Betriebe hingegen bei reiner Anwendung des Gesellschaftsrechts nicht, so kann darin ein „Konflikt“ gesehen werden. Die Literatur stellt fast ausnahmslos auf verfassungsrechtliche Prinzipien ab, um zu belegen, daß das Gesellschaftsrecht modifiziert werden müsse. Das Verhältnis von Kommunal- und Gesellschaftsrecht werde im Konfliktfall durch den „Vorrang des Gesellschaftsrechts“ aufgelöst.414 Dieser Vorrang folge aus Art. 31 GG. Jedoch ist der Rückgriff auch in dieser Konstellation unzulässig, weil die vorherige kompetentielle Zuordnung eindeutige Ergebnisse erbracht haben muß. Es muß durch kompetentielle Qualifikation der jeweiligen Gesetze festgestellt werden, ob diese dem Kommunal- oder dem Gesellschaftsrecht zuzuordnen sind.415 Dabei kann dasselbe erwerbswirtschaftliche Verhalten der Kommune unter Umständen am Maßstab von Gesetzen beider Materien zu messen sein, wenn jedes einen anderen Aspekt betrifft. Auch befreit die Anwendung des Gesellschaftsrechts die öffentliche Hand nicht von ihrer Bindung an die Verfassung, also insbesondere an die Grundrechte und die Verfassungsprinzipien. Es stellt sich allerdings die Frage, ob die öffentliche Hand, wenn sie von Verfassungs wegen denselben verfassungsrechtlichen Bindungen in Privatrechtsform wie in staatlicher Organisationsform unterliegen muß, überhaupt an Gesetzeswerke gebunden sein kann, die ganz offensichtlich für Private und zur Gestaltung der Privatautonomie ergangen sind. Auch die Materien der Gesetzgebungskompetenz – Bürgerliches Recht oder Handel – zielen auf die Herstellung einer Privatrechtsordnung. Sie formen die Privatautonomie aus, auf deren Realisierung mit den Mitteln des Bürgerlichen sowie des Handels- und Gesellschaftsrechts der Bürger einen grundrechtlich fundierten Anspruch hat. Aber liegt dieser Gedanke auch den jeweiligen Kompetenzmaterien als für jedes Gesetz notwendige Motivation zugrunde, so daß der Gesetzgeber des Gesellschafts-, Handels- und Bürgerlichen Rechts keine Gesetze für das nicht-hoheitliche Handeln des Staates machen dürfte? Ossenbühl weist zu Recht darauf hin, daß der Konflikt zwischen Zivilrecht und öffentlichem Recht nicht im Rang von Normen in der Hierarchie der Rechtsquellen bestehe, sondern dadurch heraufbeschworen wird, daß „Normen und Institute des Zivilrechts auf einem Feld in Dienst genommen werden, für das sie nicht geschaf413 Aufgrund des Teilsachgebiets „Handel“ in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG; dieser Titel ist allerdings nicht umfassend für das herkömmliche Handels- und Gesellschaftsrecht, siehe Wochner, GmbH-Rundschau 1982, S. 245. 414 Vgl. BGHZ 69, 334 (341); Ossenbühl, ZGR 1996, S. 504 (512); R. Schmidt, ZGR 1996, S. 345 (350); Püttner, DVBl. 1986, S. 748 (751); Schuppert, ZGR 1992, S. 454 (465); Schwintowski, NJW 1990, S. 1009 (1013). 415 In diese Richtung Schmidt, ZGR 1996, S. 345 (350).

V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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fen sind“.416 Auch er geht nicht so weit, die Anwendung des Privat- oder Gesellschaftsrechts auf die erwerbswirtschaftlich tätige öffentliche Hand für eine kompetenzwidrige Erstreckung der betreffenden Gesetze zu halten. Man wird – auch aufgrund einer historischen Auslegung der Materie Bürgerliches Recht – nicht umhin können, die Kompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG auch auf die privatrechtliche Tätigkeit der öffentlichen Hand auszudehnen. Gleiches ist für die Kompetenzen für gesellschaftsrechtliche und handelsrechtliche Regelungen anzunehmen. Wenn die Organisationsform privatisiert ist, kommt das Gesellschaftsrecht grundsätzlich so zur Anwendung, wie es für Private gilt. Die Verwaltung kann sich des Privatrechts und seiner Organisationsformen nur in der Gestalt bedienen, wie sie die privat- und gesellschaftsrechtlichen Gesetze anbieten.417 Verfassungsrechtliche Bindungen müssen sich gegenüber dem Gesellschaftsrecht durchsetzen. Solange das Verfassungsrecht das Gesellschaftsrecht nur „überlagert“, ohne es zu verdrängen, handelt es sich noch um Gesellschaftsrecht. Das Verfassungsrecht beeinflußt die Auslegung und Anwendung des Gesellschaftsrechts in der Weise wie diejenige des Privatrechts beim Verwaltungsprivatrecht. Gesellschaftsrechtliche Gesetze müssen verfassungskonform ausgelegt werden.418 Wenn der Wortlaut des Gesetzes nicht verlassen wird und das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird419, ist die verfassungskonforme Auslegung eines Gesetzes zulässig. Das derart ausgelegte Gesellschaftsrecht bleibt kompetentiell Gesellschaftsrecht. Dem steht nicht entgegen, daß damit einzelne gesellschaftsrechtliche Vorschriften einen anderen Inhalt haben je nachdem, ob sie auf die öffentliche Hand oder auf Private Anwendung finden. Denn die je nach Verpflichtungsadressat der Vorschrift verschiedene Auslegung beruht auf einer Unterschiedlichkeit in der Bindungswirkung des Verfassungsrechts, nicht aber auf einer Unterschiedlichkeit zwischen der einmal auf Private und einmal auf die öffentliche Hand angewandten gesellschaftsrechtlichen Vorschrift. Die verfassungskonforme Auslegung kompensiert den Mangel einer lex specialis für die privatrechtsförmige Gesellschaft der öffentlichen Hand. Innerhalb des Gesellschaftsrechts sind solche leges speciales selten.420 Im Aktienrecht enthalten die §§ 394 f. AktG Sonderregelungen im Falle der Beteiligung von Gebietskörperschaften. Gemäß § 394 S. 1 AktG unterliegen Aufsichtsratsmitglieder, die auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft in den Ossenbühl, ZGR 1996, S. 504 (512 f.). Ehlers, JZ 1987, S. 218 (225); Püttner, DVBl. 1984, S. 165 (166); kritisch Ossenbühl, ZGR 1996, S. 504 (514), der Modifikationen des Gesellschaftsrechts (wohl bei dessen Anwendung) für zulässig hält bis zur Grenze der Deformation oder des zwingenden Rechts – übertragbar seien insofern die Grundsätze des Verwaltungsprivatrechts. 418 Strenger wohl Schmidt, ZGR 1996, S. 345 (351): Wegen der Rückzugsmöglichkeit auf das öffentliche Recht bestehe kein Bedürfnis nach verfassungskonformer Interpretation. Siehe auch Spannowsky, ZGR 1996, S. 400 (422). 419 Zu dieser Einschränkung vgl. BVerfGE 8, 28 (33). 420 Wenn auch einige Gesetze, wie z. B. § 12 AktG, in der Praxis vor allem auf öffentliche Unternehmen angewandt werden; siehe Püttner, in: ders. (Hrsg.), Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. V, 2. Aufl., S. 119, 126. 416 417

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Aufsichtsrat gewählt werden, hinsichtlich der für die Gebietskörperschaft zu erstattenden Berichte keiner Verschwiegenheitspflicht. Dies setzt eine Berichtspflicht nach den für die Gebietskörperschaft geltenden Vorschriften voraus.421 Der Aktienrechtsgesetzgeber besitzt die Kompetenz zu einer solchen Spezialregelung kraft Sachzusammenhangs. Umgekehrt hätte etwa der Landesgesetzgeber für das Kommunalrecht nicht die in seine Kompetenz fallende Berichtspflicht mit Hilfe der Regelung einer Entbindung von der gesellschaftsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht durchzusetzen vermocht. So wurde früher422 vertreten, das vom allgemeinen Aktienrecht abweichende, in einigen Gemeindeordnungen423 normierte Weisungsrecht der Gebietskörperschaft gegenüber den von ihr entsandten Aufsichtsratsmitgliedern könne die aktienrechtliche Weisungsfreiheit verdrängen. Jedoch fehlt es an einer Kompetenz für eine Spezialregelung in dieser Richtung. Wenn es sich bei den Vorstandsmitgliedern um Landesbeamte handelt, konkurrieren vordergründig die landesbeamtenrechtliche Weisungsgebundenheit und die bundesaktienrechtliche Weisungsfreiheit.424 Ähnlich ist des Verhältnis des Bürgerlichen Rechts zum Kommunalrecht. Legt ein kommunalrechtliches Gesetz fest, Erklärungen, durch welche die Gemeinde verpflichtet werden soll, bedürften der Schriftform und seien vom Bürgermeister und einem vertretungsberechtigten Beamten oder Angestellten zu unterzeichnen,425 so könnte dies als eine Modifikation des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelesen werden. Denn gemäß § 126 BGB bedeutet Schriftform, daß die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet wird. Wie Art. 55 EGBGB belegt, hat der Bundesgesetzgeber das Schriftformerfordernis abschließend normiert und dem im Bürgerlichen Recht konkurrierenden Landesgesetzgeber nicht noch nach Art. 72 Abs. 1 GG Raum für ein besonderes kommunalrechtliches Schriftformerfordernis gelassen. Es bliebe die Möglichkeit, die Vorschrift als besondere Schriftform kraft Sachzusammenhangs zum Kommunalrecht, mithin als eine kommunalrechtliche Spezialvorschrift, kompetentiell zu rechtfertigen.426 Das mit der Normierung der 421 Schmidt, ZGR 1996, S. 345 (352). Dort auch zum Problem, wenn die Berichtspflicht nicht ausdrücklich normiert ist. 422 Vor der Novelle des Aktienrechts im Jahre 1965; siehe Schmidt, ZGR 1996, S. 345 (353). 423 Vorläufer ist § 70 Abs. 2 der Deutschen Gemeindeordnung von 1935. 424 Zu der mit der kommunalrechtlichen Anstalt verbundenen und ähnlich gelagerten Kollision von beamtenrechtlicher Weisungsgebundenheit und der kommunalgesetzlich geforderten Eigenverantwortlichkeit des Anstaltsvorstands vgl. Gaß, Die Umwandlung kommunaler Unternehmen, S. 354 f.: Letztere füge sich in die gesetzliche Ausnahme des § 37 S. 3 BRRG oder des Art. 64 Abs. 2 S. 2 2. Hs. BayBG ein. Der Konflikt ist damit nicht kompetentieller Natur. 425 § 64 Abs. 1 GO NRW. 426 In diesem Sinne und damit gegen die vorherrschende Ansicht Ludwig / Lange, NVwZ 1999, S. 136 (139 f.). Vgl. den Spagat des BGH (Z 147, 381), der zwischen echten Vertretungsregelungen wie der Gesamtvertretung und reinen Förmlichkeiten wie Schriftform, An-

V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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Formerfordernisse im Privatrecht verfolgte Regelungsziel liegt in Rechtssicherheit durch Formklarheit. Das kommunalrechtliche Interesse, die Gemeinde schädigende Geschäfte zu verhindern, ist nicht spezieller. Nicht die Motivation einer Regelung, sondern deren normativer Ausdruck ist hier für die kompetentielle Einordnung maßgeblich. Bedient sich die Gemeinde der Vorschriften des Bürgerlichen Rechts, hat es diese in der vorliegenden Gestalt zu verwenden. Zudem gibt es spezielle kommunalrechtliche Mittel der Kontrolle des die Gemeinde nach außen vertretenden Bürgermeisters durch den Rat, die die Interessen der Gemeinde zu schützen bestimmt sind. Entsprechende kommunalrechtliche „Formerfordernisse“ müssen daher als Vertretungsregeln verstanden werden. Andererseits bietet die Kompetenz für das Kommunalrecht Spielräume, einige Abstimmungen auf die gewählte Gesellschaftsform vorzunehmen, wo das Gesellschaftsrecht keine zwingenden Vorgaben macht. So bestimmt § 108 Abs. 4 Nr. 1 GO NRW, daß die Gemeinde Unternehmen und Einrichtungen in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nur gründen oder sich daran beteiligen darf, wenn der Gesellschaftsvertrag so ausgestaltet wird, daß bestimmte Entscheidungen von der Gesellschafterversammlung beschlossen werden müssen. § 108 Abs. 4 Nr. 2 GO NRW verlangt überdies, daß der Gesellschaftsvertrag vorsieht, daß der Gemeinderat den von der Gemeinde bestellten oder auf ihren Vorschlag gewählten Mitgliedern eines fakultativen Aufsichtsrats Weisungen erteilen kann. Während den Mitgliedern des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft gemäß § 76 Abs. 1 AktG keine Weisungen erteilt werden können, so daß sich der Konflikt mit kommunal- und verfassungsrechtlichen Kontrollbedürfnissen hier zuspitzt, ist die Weisungsfreiheit von gesetzlich nicht geforderten Aufsichtsräten einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nicht von Gesetzes wegen vorgeschrieben.427 Diese Vorschriften sind von der Gesetzgebungskompetenz für das Kommunalrecht gedeckt, wenn man nicht einen unzulässigen Übergriff in die Kompetenz für das Gesellschaftsrecht darin sehen will, daß Kommunalrecht erzwingt, was Gesellschaftsrecht freistellt. Doch füllt das Kommunalrecht nicht eine Lücke aus, die durch Untätigkeit des Gesellschaftsrechtsgesetzgebers entstanden ist und sich noch innerhalb von dessen Kompetenz bewegt. Sondern die Freiräume, um die es geht, werden für die Privatautonomie der Gesellschafter eröffnet. Der Umfang der Beschlußkompetenz der Gesellschafterversammlung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung hängt ebenso wie die Weisungsfreiheit eines fakultativen Aufsichtsrats von der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags ab. Unter welchen Bindungen vertraglicher oder gesetzlicher Natur ein Gesellschafter auf eine bestimmte Ausgestaltung dieses Vertrags hinwirkt, gehört nicht mehr zur Materie des Gesellschaftsrechts. Dabei ist übrigens nicht erforderlich, daß die vom Gesetzgeber im GmbHG geschaffenen Freiräume von Verfassungs wegen gerade diesen Umfang gabe der Dienstbezeichnung und Beifügung des Amtssiegels unterscheidet und beim Fehlen letzterer nicht die Haftung des Handelnden nach § 179 Abs. 1 BGB eingreifen läßt. 427 Vgl. § 52 Abs. 1 GmbHG.

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

haben müssen. So kann der Gesellschaftsrechtsgesetzgeber die Materie auch so umgestalten, daß Aufsichtsräte einer GmbH stets weisungsfrei sind, oder die Gegenstände, die der Beschlußkompetenz der Gesellschafterversammlung unterliegen dürfen, so reduzieren, daß gar nicht mehr alle Voraussetzungen des § 108 Abs. 4 Nr. 1 GO NRW im Einklang mit dem Gesellschaftsrecht erfüllt werden können. Dann läuft das kommunalrechtliche Erfordernis leer. Das kommunalrechtliche Gesetz ist dadurch nicht etwa kompetenzwidrig geworden. Auch hätte das GmbHG keine Kompetenzausübungsschranke wie die Bundestreue oder das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung verletzt. Das Landesgesetz wäre insoweit gegenstandslos geworden.428 Solange keine landesgesetzgeberische Anpassung erfolgte, könnte die Gemeinde (bei Zugrundelegung eines solchen hypothetischen GmbH-Gesetzes) kein Unternehmen und keine Einrichtung in der Rechtsform einer GmbH gründen oder sich daran beteiligen. Anders stellt sich die Lage dar, wenn das Verfassungsrecht die Anwendung einer für Private zwingenden gesellschaftsrechtlichen Vorschrift verbietet, das heißt eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift unter Erhalt eines möglichen Wortsinns nicht mehr möglich ist. Bei unbefangener Betrachtung ergeben sich zwei Möglichkeiten: Die so entstehende „Lücke“ kann durch den unmittelbaren Rückgriff auf Verfassungsrecht geschlossen werden, oder es kommt – für die Füllung der Lücke – öffentliches Recht wie Kommunal-, Landeshaushalts-,429 Verwaltungsverfahrensrecht zur Anwendung. So gebietet etwa § 76 Abs. 1 AktG, daß die Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft keinen Weisungen der Gesellschafter unterliegen dürfen. Das Verfassungsrecht gebietet aber für kommunale Eigengesellschaften eine Einflußnahme durch die Gemeinde.430 Der zwingende § 76 Abs. 1 AktG soll für die kommunale Eigen-Aktiengesellschaft nicht gelten. Eine Grenze sei die völlige Denaturierung privatrechtlicher Organisationen. Nur „Modifikationen“ seien zulässig.431 Sofern das Erfordernis demokratischer Legitimation auch für die privatrechtlich organisierten Einrichtungen und Unternehmen der Verwaltung Geltung beansprucht,432 könnte eine direktive Mitbestimmung433 nach dem MitbestG und BetrVG in dem dort vorgesehenen Umfang verfassungswidrig sein.434 Dann sollen diese zwingen428 In der Regel kommt auch eine teleologische Reduktion der kommunalrechtlichen Vorschrift dergestalt, daß nur die nach Gesellschaftsrecht erfüllbaren Vorrausetzungen von Kommunalrechts wegen erfüllt werden müssen, nicht in Betracht. 429 Der „Vorrang des Gesellschaftsrechts“ soll nicht nur gegenüber dem Kommunalrecht, sondern auch im Verhältnis zu den Landeshaushaltsordnungen gelten; vgl. Zeichner, AG 1985, S. 61 (69). 430 So Kraft, Das Verwaltungsgesellschaftsrecht, S. 254. 431 So Kraft, Das Verwaltungsgesellschaftsrecht, S. 255. 432 Str., vgl. Ehlers, in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 Rn. 23. 433 Zum Begriff vgl. Ehlers, in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 Rn. 23. 434 Vgl. VerfGH NRW, JZ 1987, S. 242 ff.; VerfGH Rh-Pf, NVwZ-RR 1994, S. 665 (669).

V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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den Vorschriften unter Beibehaltung der privatrechtlichen Organisationsform im übrigen nicht angewandt werden. Diese Mißachtung zwingenden Gesetzesrechts verstößt gegen das Gesetzmäßigkeitsprinzip der Verwaltung.435 Das nicht angewandte zwingende einfache Gesetzesrecht kann nicht durch den Rückgriff auf Verfassungsrecht ersetzt werden. Eine solche Verwerfungskompetenz steht der Verwaltung nicht zu. Für einen Rückgriff auf Verfassungsrecht besteht kein Bedürfnis, weil die öffentliche Hand auf die Privatrechtsform ja ohnehin nur aufgrund ihrer sogenannten Wahlfreiheit ausweichen kann. Ergeben sich aus dem Regime des Privatrechts Widersprüche zu Verfassungsrecht oder auch zwingendem Kommunalrecht, bleibt die öffentliche Hand auf die Organisationsformen des öffentlichen Rechts beschränkt.436 Stehen der Verwaltung zwei Rechtsregime des einfachen Gesetzesrechts zur Verfügung, von denen nur eines ohne Verletzung verfassungsrechtlich verbindlicher Anforderungen angewandt werden kann, so gebietet zum einen das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, daß dasjenige Rechtsregime gewählt wird, bei dessen Anwendung keine zwingenden Rechtssätze verletzt werden, und zum anderen das Prinzip des Anwendungsvorrangs des einfachen Rechts, daß überhaupt eines der beiden einfachgesetzlichen Rechtsregime und nicht unmittelbar Verfassungsrecht angewandt wird. Diese Überlegungen setzen zwingende Vorschriften aus beiden Rechtsgebieten voraus, die miteinander unvereinbar sind. Fraglich ist, inwieweit der jeweilige Gesetzgeber verfassungsrechtliche Anforderungen durch Sonderregelungen zugunsten der privatrechtsförmigen Verwaltung zu erfüllen helfen kann, so daß eine solche Unvereinbarkeit vermieden wird. Hat etwa der Gesetzgeber über das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, aufgrund dessen Kompetenz das MitbestG sowie BetrVG erlassen wurden, die Kompetenz, in Gestalt einer Spezialregelung kommunale Betriebe in Privatrechtsform von den zwingenden Erfordernissen dieser Gesetze freizustellen? Man wird hier ebenso entscheiden müssen wie beim Verhältnis des Gesellschaftsrechtsgesetzgebers zum Landesgesetzgeber und die Frage bejahen. Umgekehrt kann der Landesgesetzgeber für das Kommunalrecht nicht von den Erfordernissen des MitbestG und des BetrVG entbinden. Eine teleologische Reduktion des Privatrechts zugunsten des dessen Anwendung auf die öffentliche Hand entgegenstehenden Verfassungsrechts geht nur an, wenn das Privatrecht nicht zwingend ist. Wenn zwingendes öffentliches Recht, das auf der Ebene des einfachen Gesetzesrechts steht, die Anwendung bestimmter privatrechtlicher Vorschriften auf die öffentliche Hand verbietet, können diese Vorschriften nicht teleologisch reduziert werden. Kompetenzgemäßes Gesetzesrecht eines Hoheitsträgers kann nicht durch gleichrangiges Gesetzesrecht des anderen Hoheitsträgers beschränkt werden. Das gilt auch dann, wenn das öffentliche Recht eine KonEhlers, in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 78. So zu Recht Schmidt, ZGR 1996, S. 345 (351); Ehlers, in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 78; Spannowsky, ZGR 1996, S. 400 (422 ff.). 435 436

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

kretisierung solcher Verfassungsnormen darstellt, zugunsten derer eine solche teleologische Reduktion zulässig wäre. b) Parteiengesetz und Rundfunkrecht Das Grundgesetz gibt dem Bundesgesetzgeber im Blick auf die Parteien in Art. 21 Abs. 3 GG die ausschließliche Kompetenz zur Regelung der „inneren Ordnung“ im Sinne des Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG, zur Ausgestaltung der Rechenschaftspflicht in bezug auf Herkunft und Verwendung der Mittel der Partei sowie bezüglich des Parteivermögens,437 zum Verbot einer Partei unter den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 GG438 und zur Mitwirkung der Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes.439 § 5 Abs. 1 S. 1 PartG fordert eine Gleichbehandlung aller Parteien, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt den Parteien Einrichtungen zur Verfügung stellt oder andere öffentliche Leistungen gewährt. Dieses Gleichbehandlungsgebot betrifft auch im übrigen landesgesetzlich geregelte Materien. Da der Anspruch auf Chancengleichheit der Parteien im Verhältnis zueinander schon aus Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und somit verfassungsunmittelbar mit Bindung auch für den Landesgesetzgeber abgeleitet wird, ist § 5 Abs. 1 S. 1 PartG als Übergriff in Kompetenzen des Landesgesetzgebers ohne eigenständige Bedeutung. Die abgestufte Chancengleichheit nach § 5 Abs. 1 S. 2 und 3 PartG ist im Verhältnis zum Landesrecht ebenfalls kaum spürbar, da das Kriterium in Form einer Kann-Vorschrift vorgeschlagen wird. Hingegen ist § 5 Abs. 1 S. 4 PartG zwingend: „Für eine Partei, die im Bundestag in Fraktionsstärke vertreten ist, muß der Umfang der Gewährung mindestens halb so groß wie für jede andere Partei sein.“ Das WDR-Gesetz NRW bestimmt in § 8 Abs. 2 S. 2, daß alle Parteien gleichzubehandeln sind. Durch Verweisung werden die Maßstäbe des § 5 Abs. 1 S. 2 bis 4 PartG übernommen. Doch beschränkt sich das WDR-Gesetz NRW auf die Werbung der Parteien vor Wahlen zum Europäischen Parlament, zum Bundestag oder zum Landtag. § 5 PartG regelt hingegen nicht nur die Wahlkampfphase.440 Ist damit für Sendezeiten im WDR außerhalb der Wahlkampfzeit § 5 PartG die maßgebliche Vorschrift? Wenn sich die Kompetenz des Art. 21 Abs. 3 GG mit Materien der Landeskompetenz überschneidet, soll auch hier der Schwerpunkt des zu regelnden Gegenstands den Ausschlag geben.441 Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG enthält eine AufgabenzuArt. 21 Abs. 1 S. 4 GG. Vgl. die Ausführungsgesetze in den §§ 13 Nr. 2, 43 ff. BVerfGG. 439 Vgl. Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG. 440 Das ergibt ein Umkehrschluß aus § 5 Abs. 2 PartG. 441 Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 21 Rn. 2 (stärkerer Sachzusammenhang); Morlok, in: Dreier, GG II, Art. 21 Rn. 162; Streinz, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 21 Rn. 256; a. A. Henke, in: BK, Art. 21 Rn. 378; Preuß, AltK-GG, Art. 21 Abs. 1, 3 Rn. 80: 437 438

V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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weisung an die Parteien, und Art. 21 Abs. 3 GG ist ein über eine Gesetzgebungskompetenz hinausgehender Gestaltungs- bzw. Regelungsauftrag an den Bundesgesetzgeber, den Parteien die Wahrnehmung dieser Aufgabe zu ermöglichen. Gleichwohl werden dadurch die Kriterien der Kompetenzabgrenzung nicht modifiziert. Auch der Gesetzgebungsauftrag bezieht sich auf einen – wenn auch durch rechtliche Determinanten wie Demokratieprinzip und Transparenzgebot bestimmten – Sachbereich. Die Mitwirkung der Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes ist Gegenstand der Bundeskompetenz. Deren Gegenstand ist nicht der Anspruch der Parteien auf Gleichbehandlung, der sich erst aus Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG ergibt und der auch den jeweils zuständigen Landesgesetzgeber bindet. Denn der Anspruch auf Gleichbehandlung bei der Mitwirkung der politischen Willensbildung des Volkes kann sich auch auf Gebiete erstrecken, in denen der Bundesgesetzgeber keine Zuständigkeit hat. Auch die Maßstäbe, die die Gleichbehandlung herstellen, könnten dann vom Landesgesetzgeber geregelt werden. Doch mag eine Spezialität der Bundeskompetenz aus dem Umstand folgen, daß es gerade Parteien sind, die den Anspruch geltend machen. Die Frage ist dann, ob der Lebensbereich, in dem der Gleichbehandlungsgrundsatz wirksam werden soll, oder aber die Parteien als Begünstigte den kompetentiell spezielleren Anknüpfungspunkt bilden. Die Reichweite der Bundeskompetenz folgt jedenfalls nicht aus der objektivrechtlichen Garantie der Parteien in Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG oder aus dem Gesetzgebungsauftrag des Art. 21 Abs. 3 GG, sondern aus der nicht besonders konturscharfen Umschreibung des Gegenstandsbereichs „Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes“. Auf die Frage der Spezialität im Verhältnis zu anderen Kompetenztiteln haben die materiellen Gehalte dieser Vorschriften keinen Einfluß. c) Die Bedeutung des Sozialstaatsprinzips für den Sachzusammenhang Das Sozialstaatsprinzip wird insbesondere im Bereich von Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (öffentliche Fürsorge) und Nr. 12 (Sozialversicherung) verwirklicht. Die öffentliche Fürsorge ist laut Bundesverfassungsgericht ein „verfassungsrechtlicher Gattungsbegriff“.442 Der Kompetenzbereich ist damit für neue Lebenssachverhalte und deren gesetzgeberische Erfassung offen, sofern diese von den wesentlichen Strukturelementen der klassischen Fürsorge geprägt sind.443 Die Fürsorge zielt auf die Bereitstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums, geht allerdings auch darüber hinaus und kann der sozialen Entfaltung dienen.444 Da sich die VorKonkurrierende Kompetenz des Bundes. Vgl. auch Harms, Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes, S. 132 ff. 442 BVerfGE 81, 156 (186), mit Hinweis auf BVerfGE 75, 108 (146), wo es um „Sozialversicherung“ ging. 443 So BVerfGE 75, 108 (146). 444 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 330.

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

stellungen über den Inhalt des erforderlichen Existenzminimums mit der Zeit ändern, wird das sozialstaatlich Erforderliche und darüber auch die Reichweite der Fürsorge beeinflußt. Allerdings ist dem Sozialstaatsprinzip, gegebenenfalls mit einer subjektiv-rechtlichen Anbindung,445 auch nur zu entnehmen, daß das Existenzminimum sicherzustellen ist. Mit diesem Inhalt bleibt auch die darauf gerichtete Kompetenz für öffentliche Fürsorge unverändert. Lediglich die darunter zu subsumierenden Sozialleistungen verändern sich. Bei der durch öffentliche Fürsorge zu steuernden Hilfsbedürftigkeit oberhalb des Existenzminimums könnte das Sozialstaatsprinzip einen größeren Einfluß auf die Auslegung des Kompetenztitels gewinnen. So gehört nach verbreiteter Auffassung zum Sozialstaatsprinzip neben dem Ziel, soziale Sicherheit herzustellen, auch das Hinwirken auf sozialen Ausgleich.446 Das Bundesverfassungsgericht hatte vor der Einfügung der „Regelung der Ausbildungsbeihilfen“ in Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG447 auch die Ausbildungsförderung der öffentlichen Fürsorge zugeschlagen.448 Der Gedanke des Lastenausgleichs, der dem aus dem Sozialstaatsprinzip abgeleiteten Solidaritätsgedanken449 entstammt, legt eine Zuordnung des Kindergelds zur öffentlichen Fürsorge nahe, wenn zu dessen Finanzierung ausschließlich Steuergelder aufgewandt werden.450 Muß hingegen der Arbeitgeber für einen Kinderzuschlag zum Arbeitslohn aufkommen, handelt es sich um Arbeitsrecht;451 bei einem öffentlichen Dienstherrn ist diese Finanzierungsweise dem Recht des öffentlichen Dienstes zuzuordnen;452 wird das Kindergeld auch durch Beiträge von Arbeitgebern und Selbständigen finanziert, kommt der Titel „Sozialversicherung“ in Betracht.453 So berührt die aktuelle Reformdiskussion um den Leistungsumfang und die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung auch Kompetenzfragen. Die Finanzierung über Lohnnebenkosten würde eher dem Arbeitsrecht zuzuordnen sein, während eine „Bürgerversicherung“, die sich auch auf Selbständige erstreckt oder ganz vom Status der Erwerbstätigkeit abgekoppelt wäre, dem Recht der Sozialversicherung zugeschlagen werden müßte. Auch die „Sozialversicherung“ ist in der Terminologie des Bundesverfassungsgerichts ein „Gattungsbegriff“.454 Als solcher umfasse sie alles, was sich der Sache nach als Sozialversicherung darstellt, und sei nicht auf traditionelle Erscheinungs445 Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 20 Rn. 124; BVerwGE 1, 159 (161 f.); 5, 27 (31). 446 Sommermann, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 20 Rn. 98. 447 Durch Gesetz vom 12. Mai 1969, BGBl. I S. 363. 448 BVerfGE 27, 58 (59 – 64). 449 Volkmann, Solidarität – Programm und Prinzip der Verfassung, S. 299 ff. 450 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 336: „Familienlastenausgleich“. 451 BVerfGE 11, 105 (115 f.). 452 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 336. 453 BVerfGE 11, 105 (110 – 114); vgl. zum Ganzen Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 336. 454 BVerfGE 11, 105 (111 – 113).

V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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formen beschränkt. Genauso könnte man mit Pestalozza von einem historisch geprägten, aber nicht ausgeschöpften Begriffsmaximum sprechen.455 Der Gesetzgeber ist frei, auch bisher unversicherte oder privatrechtlich versicherte Risiken einer auf dem Solidaritätsprinzip beruhenden sozialen Versicherung zu unterwerfen. Die Kompetenz ist neuen Entwicklungen nicht von vorneherein verschlossen.456 Dabei besteht wiederum eine Beziehung zum Sozialstaatsprinzip. Weil diesem aber keine Angaben über die Art der Risiken zu entnehmen sind, muß der Inhalt der Sozialversicherung eigenständig entwickelt werden. Daher kann sich auch eine Spezialregelung nicht auf einen Sachzusammenhang stützen, der angeblich durch das Sozialstaatsprinzip hergestellt würde. Der jeweils kompetente Gesetzgeber ist zur Verwirklichung des Sozialstaats verpflichtet. Das Sozialstaatsprinzip entscheidet nicht über die Verbandskompetenz. In seiner Entscheidung zum Staatshaftungsgesetz hat das Bundesverfassungsgericht dies für das Rechtsstaatsprinzip ausdrücklich festgestellt: „Das Grundgesetz enthält eine Reihe allgemeiner Verfassungsgrundsätze, etwa das Rechtsstaatsprinzip, ohne daß der Bundesgesetzgeber deshalb als befugt anzusehen wäre, diese Grundsätze auch überall dort zu verwirklichen, wo ihm keine Gesetzgebungsbefugnis verliehen ist.“457 So geht von dem Sozialstaatsprinzip auch keine kompetenzrechtliche Sogwirkung aus, die Elemente des sozialen Ausgleichs innerhalb einer privaten Pflegeversicherung zum Titel der Sozialversicherung zieht. Weil auch der Titel „privatrechtliches Versicherungswesen“ für neue Entwicklungen offen ist, darf sich der Gesetzgeber „auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG auch dann berufen, wenn er für einen von ihm neu geschaffenen Typ von privatrechtlicher Versicherung Regelungen des sozialen Ausgleichs vorsieht und insbesondere während einer Übergangszeit die das privatwirtschaftliche Versicherungswesen prägenden Merkmale nur begrenzt wirken lässt“.458 So würden die Versicherungspflicht des Versicherungsnehmers, der Kontrahierungszwang für das Versicherungsunternehmen, Prämienfreiheit für Kinder, Prämienvergünstigungen für die Angehörigen der pflegenahen Jahrgänge und für die nicht oder nur geringfügig verdienenden Ehegatten sowie auch die Umlage unter den privatrechtlich Versicherten und unter den Versicherungsunternehmen nicht der Einordnung zum Titel „privatrechtliches Versicherungswesen“ entgegenstehen. Das Bundesverfassungsgericht grenzt diese von der solidarisch finanzierten sozialen Pflegeversicherung ab, die die Prämienbemessung in erster Linie an der Leistungsfähigkeit und nicht am Versicherungsrisiko orientiert: „Das auf statistischer Grundlage zu ermittelnde individuelle und vom Lebensalter abhängige Risiko, pflegebedürftig zu werden, und die sich daran orientierende versicherungsmathematische Berechnung der Prämien bestimmen die gesamte Tarifgestaltung so maß455 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 832, mit exakter Sprachkritik zum „Gattungsbegriff“ in Fn. 1440. 456 BVerfGE 75, 108 (146). 457 BVerfGE 61, 149 (203). 458 BVerfGE 103, 197 (217) – zur gesetzlichen Verpflichtung privat Krankenversicherter zum Abschluß eines privaten Pflegeversicherungsvertrags.

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

geblich, dass die private Pflege-Pflichtversicherung trotz der Umlageanteile ihren Charakter als Individualversicherung nicht verliert.“459 Das Bundesverfassungsgericht macht deutlich, daß private und soziale Pflegeversicherung auch in einem vom Gesetzgeber kombinierten „Gesamtkonzept“ voneinander abgegrenzt werden können. Sozialer Ausgleich, der dem Sozialstaatsprinzip obliegt, kann und muß auch innerhalb der Ausgestaltung der privaten Pflegeversicherung möglich sein. Der Hinweis „insbesondere für eine Übergangszeit“ zeigt, daß ein Übergriff auf Elemente, die herkömmlich dem Titel „Sozialversicherung“ zugeordnet werden, mit dem Aufbau eines neuen Versicherungstyps innerhalb der privaten Pflegeversicherung gerechtfertigt wird. Der Gesetzgeber ist daher grundsätzlich aufgrund der Kompetenzordnung verpflichtet, das Konzept unter Kontrolle zu halten und von Zeit zu Zeit daraufhin zu überprüfen, ob das Regelungsziel einer privaten Pflegeversicherung sich auch ohne sozialversicherungsrechtliche Elemente erreichen läßt. Diese Unterscheidung verliert ihre Relevanz, weil der Bundesgesetzgeber auf beiden Gebieten tätig geworden ist. Es kann ihm auch nicht verboten werden, den Grenzbereich beider Kompetenztitel zu regeln und ein Konzept auf beide ihm zustehende Titel zu stützen.460

3. Sachzusammenhang kraft Landesverfassungsrechts Das Bundesverfassungsgericht hat das Verhältnis der Eigenstaatlichkeit der Länder461 zu derjenigen des Bundesstaats bildhaft als das Nebeneinander von Verfassungsräumen beschrieben.462 Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG spricht von der verfassungsmäßigen Ordnung in den Ländern, Art. 98 Abs. 5 S. 2 GG von Landesverfassungsrecht, Art. 100 Abs. 3 GG vom Verfassungsgericht eines Landes und Art. 142 GG von Landesverfassungen. Aus der Staatsqualität der Länder folgen die Eigenverantwortlichkeit des Landes für seinen Verfassungsraum463 sowie die für einen Staat charakteristischen Kompetenzen und Befugnisse.464 Die Länder sind im Rahmen der grundgesetzlichen Vorgaben befugt, ihr Verfassungs- und Staatsorganisationsrecht selbst zu ordnen.465 Das Bundesverfassungsgericht hat das angesichts Art. 79 BVerfGE 103, 197 (220). So BVerfGE 103, 197 (216 f.). 461 Dazu bereits BVerfGE 1, 14 (34); dem folgend BVerfGE 36, 342 (360 f.); BVerfG, DÖV 1982, S. 591 (594). 462 Vgl. BVerfGE 98, 145 (197): Die Verfassungsbereiche von Bund und Ländern liegen grundsätzlich nebeneinander. 463 BVerfGE 4, 178 (189); 36, 342 (361); BVerfG, DÖV 1982, S. 591 (594). 464 Stern, Staatsrecht I, S. 667. 465 BVerfGE 96, 345 (368 f.); BVerfGE 98, 145 (157); vgl. Sachs, Festschrift Stern, S. 488 ff.; Maurer, Staatsrecht, § 5 Rn. 48: „Verfassungsautonomie“. 459 460

V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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Abs. 3 GG den Ländern unentziehbare Hausgut so umrissen: „Was immer im einzelnen dazu gehören mag, jedenfalls muß dem Land die freie Bestimmung über seine Organisation einschließlich der in der Landesverfassung enthaltenen organisatorischen Grundentscheidungen [ . . . ] verbleiben.“466 Die Länder müssen das Landeswahl-, das Landesparlaments- sowie das Statusrecht der Landtagsabgeordneten, 467 eine eigene Verfassungsgerichtsbarkeit einschließlich des Verfassungsprozeßrechts,468 im Rahmen des Art. 142 GG eigene verfassungsrechtliche Grundrechte,469 die Organisation des Landes470 einschließlich der Personalgewalt471 über die Landesbeamten regeln dürfen und die Vertragsschlußkompetenz des Art. 32 Abs. 3 GG,472 die Haushaltsautonomie des Art. 109 Abs. 1 GG sowie die Kompetenz zur Landesplanung473 und die Kulturhoheit474 haben. Nach der Streichung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 8 GG475 steht den Ländern nunmehr die ausschließliche Kompetenz zur Regelung der Staatsgehörigkeit in den Ländern zu.476 Neben den auf Verfassungsautonomie und Organisationsgewalt im engeren Sinne gestützten Kompetenzen müssen die Länder um ihrer Staatlichkeit willen solche Kompetenzen haben, die ihnen die Gestaltung von für die staatliche Gemeinschaft als richtungsweisend empfundenen Aufgaben erlauben.477 Vor diesem Hintergrund gibt es einige Kompetenzen, die in ihrem Inhalt konkret aus Art. 79 Abs. 3 GG abgeleitet werden können müssen, und andere, die den nach Art. 79 Abs. 3 GG erforderlichen Bestand an Kompetenzen „auffüllen“, nicht aber mit ihrem konkreten Inhalt verfassungsänderungsfest sind. Schließlich ergeben sich aus dem „Rest“, der nach Abzug der Bundeskompetenzen gemäß Art. 70 Abs. 1 GG den Ländern als ausschließliche Gesetzgebungskompetenzen verbleibt, auch KomBVerfGE 34, 9 (20). So BVerfGE 98, 145 (157 f.); 24, 300 (353 f.); 38, 326 (327). 468 BVerfGE 96, 345 (368 f.); März, Bundesrecht bricht Landesrecht, S. 185; Rozek, Das Grundgesetz als Prüfungs- und Entscheidungsmaßstab der Landesverfassungsgerichte, S. 132 f.; Sachs, ThürVBl. 1993, S. 121 (122); Graf Vitzthum, VVDStRL 46 (1988), S. 7 (31). 469 Das Wort „bleiben“ bezieht sich auf die Wirksamkeit; damit können auch nach der Entstehung des Grundgesetzes noch Grundrechte in Landesverfassungen eingefügt werden, vgl. von Campenhausen, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 142 Rn. 4. 470 Vgl. BVerfGE 34, 9 (21, 44 f.); 36, 341 (360 ff.); 38, 281 (309). 471 Vgl. BVerfGE 4, 115 (136). 472 BVerfGE 2, 347 (379). 473 Siehe Stern / Burmeister, Die Verfassungsmäßigkeit eines landesrechtlichen Planungsgebots für Gemeinden. 474 BVerfGE 6, 309 (346 f.). 475 Durch Gesetz vom 27. 10. 1994 (BGBl. I, S. 3146). 476 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 400. 477 Bullinger, DÖV 1970, S. 761; Hesse, AöR 98 (1973), S. 1 (15); Lerche, Festschrift Goppel, S. 77 (86); Frowein, VVDStRL 31 (1973), S. 13 (40). 466 467

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

petenzen, die über den für die Eigenstaatlichkeit erforderlichen Fundus hinausgehen.478 Das zeigt sich etwa an der Staatshaftung. Stern hat die Kompetenz für das Staatshaftungsrecht noch als eine Essentialie der Länderstaatlichkeit eingeordnet.479 Die Einführung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 25 GG wurde indessen nicht als eine Verletzung der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG gewertet. So lassen sich in der Summe der Gesetzgebungskompetenzen die gemäß Art. 70 Abs. 1 GG e negativo aus den vorgefundenen Bundeskompetenzen abgeleiteten von konkreten verfassungsänderungsfesten Kompetenzen unterscheiden. Die letzteren liegen im Bereich der Verfassungsautonomie und Organisationsgewalt. Sie können auch als Kompetenzen der Länder kraft Natur der Sache definiert werden. Im Gegensatz zu den Bundeskompetenzen kraft Natur der Sache ist die „Sache“ nicht der Gesamtstaat im Bundesstaat, sondern der Gliedstaat im Bundesstaat. Zwar sind – mit Ausnahme der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenzen – alle Länderkompetenzen ausschließlich. Nicht jedoch fallen alle kraft Natur der Sache den Ländern zu. Auch bedarf nicht jede den Ländern kraft Natur der Sache zufallende Kompetenz in jedem Fall der gesetzgeberischen Regelung.480 Doch müssen sie, anders als die übrigen ausschließlichen Landesgesetzgebungskompetenzen, nicht e negativo aus dem Bestand der Bundeskompetenzen abgeleitet werden. Da die Natur der Sache in der Eigenstaatlichkeit der Länder wurzelt, ist anzunehmen, daß die Gesetzgebungskompetenzen der Länder kraft Natur der Sache auch den nach Art. 79 Abs. 3 GG unentziehbaren Kernbestand bilden.481 Jedoch bedeutet die Andersartigkeit der Herleitung noch keineswegs, daß der Bundesgesetzgeber nicht kraft Sachzusammenhangs auf eine Materie natürlicher Gesetzgebungskompetenz der Länder übergreifen dürfte, wie dies auch umgekehrt möglich ist. So liegt mit § 36 S. 1 StGB hinsichtlich der Immunität von Landtagsabgeordneten eine kompetenzgemäße Bundesstrafrechtsnorm mit Landesverfassungsbezug vor.482 Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG zieht dem Bundesgesetzgeber eine materiellrechtliche Grenze, insofern das vor allem an die Länder adressierte Homogenitätsgebot zugleich ein an den Bundesgesetzgeber gerichtetes Verbot darstellt, Uniformität herzustellen.483 Die Abgrenzung der natürlichen Kompetenzen des Landesgesetzgesetzgebers von den Bundesgesetzgebungskompetenzen mittels Sachzusammenhangs und Annexes wird dadurch erschwert, daß das den Kompetenzzuschnitt ordnende Krite478 Vgl. E. Klein, DVBl. 1981, S. 661 (664), der durch Art. 79 Abs. 3 GG auch mehr Gesetzgebungskompetenzen als garantiert ansieht, als zur Sicherung der Staatsqualität notwendig sind. 479 Stern, Staatsrecht I, S. 669. 480 Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 91. 481 Zuzüglich der „austauschbaren“ Gesetzgebungskompetenzen sowie der Kompetenzen anderer Organe. 482 A. A. Wolfrum, DÖV 1982, S. 674 (679 f.). 483 Wolfrum, DÖV 1982, S. 674 (679 f.), sieht darin eine „Ergänzung des Kompetenzverteilungssystems“ der Art. 70 ff. GG.

V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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rium ein völlig anderes ist. Nur der Kompetenz-Kompetenz des verfassungsändernden Gesetzgebers liegt dasselbe Kriterium zugrunde wie der natürlichen Kompetenz des Landesgesetzgebers für die Verfassunggebung. Das ordnende Kriterium ist dasjenige des „Verfassungsrechts“. Über die Definition des Verfassungsrechts gehen allerdings die Ansichten auseinander.484 a) Landesverfassungsrecht außerhalb der Gesetzgebungskompetenzen Die Bestimmung der Schnittbereiche von Bundesgesetzgebungs- und Landesverfassungskompetenz wird zusätzlich dadurch erschwert, daß sie nicht den üblichen Regeln gehorchen soll. Die Verbandskompetenz der Länder zur Verfassunggebung soll nicht den Art. 70 ff. GG folgen, da sie mehr erfasse als die demnach den Ländern verbleibenden Gesetzgebungskompetenzen.485 Das Landesverfassungsrecht dürfte sich demzufolge auch mit den Gegenständen ausschließlicher Bundesgesetzgebungskompetenz oder konkurrierender Kompetenz beschäftigen, selbst wenn der Bundesgesetzgeber von ihr erschöpfend Gebrauch gemacht hat. Gleichwohl soll das Landesverfassungsrecht im Konfliktfall weichen. Doch ein Konfliktfall liegt nach dieser Ansicht erst unter den Voraussetzungen des Art. 31 GG vor. Demnach soll mit Bundesgesetzen inhaltsgleiches Landesverfassungsrecht zulässig sein. Ebenso müßte auch Landesverfassungsrecht im Bereich ausschließlicher Bundesgesetzgebungskompetenzen zulässig sein. Diese Konsequenz wird jedoch von den Vertretern der dargestellten Ansicht nicht gezogen. Sie haben vor allem unverbindliche Programmsätze und Staatsziele vor Augen. Für landesverfassungsrechtliche Grundrechte ist bei Übereinstimmung mit grundgesetzlich gewährleisteten Grundrechten Art. 142 GG (inhaltsgleiche) lex specialis zu Art. 31 GG. Bei fehlender Übereinstimmung im Sinne von Art. 142 GG findet Art. 31 GG auf das Verhältnis von Bundes- und Landesgrundrecht Anwendung.486 Für das Verhältnis einfachen Bundesrechts zu Landesgrundrechten soll ohnehin Art. 31 GG gelten.487 Als kompetentiellen „Mehrwert“ für die Länder Vgl. nur Stern, Staatsrecht I, S. 103 ff. Vgl. Sachs, in: Grupp / Weth (Hrsg.), Arbeitnehmerinteressen und Verfassung, S. 33, 36 ff.; Pietzcker, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 99 Rn. 35; von Olshausen, Landesverfassungsbeschwerde und Bundesrecht, S. 157 ff.; Niedobitek, Neuere Entwicklungen im Verfassungsrecht der deutschen Länder, S. 47; Jutzi, ThürVBl. 1995, S. 25 (27 f.); ders., KritV 1996, S. 138 (139 f.); Jachmann, JuS 1994, L 81 f.; Bernhardt / Sacksofsky, BK, Art. 31 Rn. 17 ff.; Dreier, in: Dreier, GG II, Art. 31 Rn. 29; Schilling, Rang und Geltung von Rechtsnormen, S. 255, 429; Boehl, Verfassunggebung im Bundesstaat, S. 193 ff.; Dietlein, Die Grundrechte in den Verfassungen der neuen Bundesländer, S. 44 f., 48; Storr, Verfassunggebung in den Ländern, S. 209 ff.; Jutzi, Landesverfassungsrecht und Bundesverfassungsrecht, S. 21; März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 31 Rn. 87; mit einem eigenen, aber unklaren Vorschlag Rozek, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 70 Rn. 25 – 27. 486 von Campenhausen, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 142 Rn. 2 f. 487 Maunz, in: ders. / Dürig, GG, Art. 142 Rn. 3; von Campenhausen, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 142 Rn. 2; das führt zu dem Problem, daß Landesorgane bei der 484 485

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

kann man bilanzieren, daß unverbindliches Verfassungsrecht in jedem Bereich gilt, verbindliches Verfassungsrecht aber auch dann, wenn es bei der Anwendung der Art. 70 ff. GG kompetenzwidrig wäre, allerdings mit dem betreffenden Bundesrecht inhaltsgleich ist.488 Das scheint eine länderfreundliche Lösung zu sein. Sie ist es indes nicht. Nach der geschilderten Ansicht wird zwar mehr Landesverfassungsrecht zugelassen als bei einer Anwendung der Art. 70 ff. GG. Gleichzeitig fällt aber auch Landesverfassungsrecht dem Art. 31 GG zum Opfer, das bei einer Anwendung der Art. 70 ff. GG Bestand gehabt hätte. Nur „unverbindliches“ Landesverfassungsrecht soll Bestand haben. Einerseits sollen Programmsätze, wenn sie eine ausschließliche Bundeskompetenz oder eine vom Bund abschließend bearbeitete konkurrierende Materie betreffen, zwar im Falle fehlenden Normkonflikts bestehen bleiben, aber doch keine Wirkung entfalten.489 Andererseits sind verfassungsrechtliche Programmsätze gerade auf die Konkretisierung durch den Gesetzgeber490 oder aber auf die unmittelbare Berücksichtigung bei Ermessensentscheidungen der Verwaltung angewiesen. Die Ausführungsgesetzgebung bleibt hingegen an die Art. 70 ff. GG gebunden,491 und die Verwaltung darf wohl einer landesverfassungsrechtlichen Bestimmung, für deren einfachgesetzliche Konkretisierung dem Landesgesetzgeber die Kompetenz fehlt, nicht durch Berücksichtigung bei ihren Entscheidungen doch zur Wirksamkeit verhelfen.492 Damit wird das Landesverfassungsrecht zwar von den Bindungen an die Art. 70 ff. GG freigestellt, aber nur, solange es im Bereich der rechtlichen Wirkungslosigkeit verharrt. Da die Landesverfassungsinhalte oft zu den Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes querlägen und um den „legitimen Anspruch der Landesverfassung . . . [auf eine] „flächendeckende“ Vollkonstituierung gliedstaatlichen Handelns“ zu befriedigen, sollen die Landesverfassungen derartige Programmsätze und Staatszielbestimmungen normieren dürfen.493 Doch dient es der Verschleierung der tatsächlich vom Recht gedeckten Macht- und Kompetenzverhältnisse, wenn rechtlich wirkungslose Vorschriften die Verfassungen zieren. Staatliche Verfassungen sind der Ort für politische Absichtserklärungen nur, wenn rechtliche Gestaltungsmacht dahintersteht. Die rechtlich verbindlichen Inhalte werden sonst entwertet. Der Rechtsanwender weiß nicht, ob er etwa ein Staatsziel zu berücksichtigen hat. Dieses Wissen ist für rechtmäßige Verwaltungsentscheidungen unentbehrlich, wenn Anwendung von Bundesrecht an Landesgrundrechte gebunden sind, gleichwohl das Bundesrecht grundsätzlich den Landesgrundrechten vorgeht; vgl. Huber, in: Sachs, GG, Art. 142 Rn. 12. 488 Zum letzteren BVerfGE 36, 342 (363, 367); 40, 296 (327); 96, 345 (364). 489 Vgl. Rozek, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 70 Rn. 27. 490 Rozek, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 70 Rn. 27. 491 Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 70 Rn. 17. 492 Oder aber nur, wenn der Bundesgesetzgeber nicht widersprechend tätig geworden ist. 493 März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 31 Rn. 87 f.

V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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etwa Staatszielbestimmungen innerhalb des Ermessens zu gewichten sind. Wenn das Rechtsstaatsprinzip die Berechenbarkeit und Klarheit des Rechts und seiner Geltung verlangt, muß der falsche Anschein von Rechtsverbindlichkeit vermieden werden. Der richtige Weg, die Verfassungsautonomie der Länder zu stärken, ist die grundgesetzliche Einräumung zusätzlicher Sachkompetenzen, die Sicherstellung einer aufgabenorientierten Finanzierung und zu diesem Zweck unter anderem die Stärkung der Finanzautonomie durch die Reformierung des strukturell unbefriedigenden Finanzverfassungsrechts, in erster Linie die Schaffung ausschließlicher Landessteuergesetzgebungskompetenzen.494 Landesverfassungsrecht muß sich nicht in Programmsätzen erschöpfen. Gleich vielen Vorschriften des Grundgesetzes kann es unmittelbar geltende, nicht mehr umsetzungsbedürftige und sehr konkrete Bestimmungen enthalten. Dann müßte wieder die Bindung an die Art. 70 ff. GG gefordert werden. Andererseits werden einige staatsorganisatorische Regelungen, wie das Wahlrecht, das traditionell im einfachen Gesetzesrecht normiert ist, nach verbreiteter Meinung zum Verfassungsrecht im materiellen Sinne gezählt.495 Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Inkompatibilität von Landtagsmandat und geschäftsführender Tätigkeit in einem vom Land beherrschten Unternehmen496 belegt die Widersprüchlichkeit, eine Prüfung nach Maßgabe des Art. 31 GG noch auf die kompetentielle Qualifikation folgen zu lassen. Das Gericht leitet die Landeskompetenz nicht alleine aus der Verfassungsautonomie des Landes ab, sondern präzisiert den kompetentiellen Zuschnitt dieser Materie auf das Landeswahl-, das Landesparlaments- und das Statusrecht der Landtagsabgeordneten. 497 Dabei schlug der formelfreie Sachzusammenhang zugunsten der Länder aus, weil dem Art. 137 GG zu entnehmen ist, daß es Sache der Länder sein soll, abstrakte Interessenkollisionen durch Inkompatibilitätsregeln innerhalb des passiven Wahlrechts auszuschließen. Gleichwohl ist Art. 137 GG keine Kompetenzvorschrift, sondern setzt diese voraus. Nachdem das Bundesverfassungsgericht den Einfluß auf das Gesellschafts- oder Arbeitsrecht wegen des überwiegenden Sachzusammenhangs498 zu der staatsorganisatorischen 494 Die auf das Verfassungspolitische ausgehenden Vorschläge sind Legion. Interessant ist die Überlegung, ob nicht de constitutione lata, wegen Art. 79 Abs. 3 GG (Demokratieprinzip), die Finanzverfassung verfassungswidrig ist: Kruis, DÖV 2003, S. 10 (15), der dies wohl zutreffend ablehnt. Aber würde eine Prüfung am Maßstab der ebenfalls in Art. 79 Abs. 3 GG verwurzelten Eigenstaatlichkeit der Länder dasselbe Ergebnis zeitigen? 495 Vgl. Stern, Staatsrecht I, S. 107: Umstritten ist, was zum Verfassungsrecht im materiellen Sinn gehört. Vgl. auch Tosch, Die Bindung des verfassungsändernden Gesetzgebers, S. 74 ff. Der materielle Verfassungsbegriff ist gegenüber einem nur formellen herrschend; vgl. Stern, Staatsrecht I, S. 73 m. w. N. in Fn. 63; Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 309; Schneider, VVDStRL 20 (1963), S. 1 ff.; Ehmke, ebenda, S. 53 ff.; Wipfelder, BayVBl. 1982, S. 162. Immer noch lesenswert zum Verfassungsbegriff Carl Schmitt, Verfassungslehre, S. 3 ff. 496 BVerfGE 98, 145 ff. 497 BVerfGE 98, 145 (157 f.). 498 Das Gericht bedient sich hier der Begriffe Teilregelung, Gesamtregelung und Regelungszusammenhang.

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Materie als kompetentiell unschädlich qualifiziert hat, geht es zu einer Prüfung des Art. 31 GG über. Das vom Bundesgesetzgeber nach Auffassung des Gerichts abschließend geregelte Aktien-, Gesellschafts- und Bürgerliche Recht wird daraufhin untersucht, ob es denselben Sachverhalt wie die Berliner Inkompatibilitätsvorschrift regelt. Das Gericht verneint zuerst die Existenz positiver Normen des Bundesgesetzgebers. Zweitens untersucht es die Frage, ob die vorhandenen Bundesgesetze, die das Ruhen einer Organstellung oder eines Beschäftigungsverhältnisses betreffen, gegenüber der Materie des Landeswahlrechts abschließende Bedeutung haben sollen.499 Dagegen spräche schon die in Art. 28 Abs. 1 S. 2 und Art. 137 GG zum Ausdruck kommende grundgesetzliche Erwartung, Mandatsträger müßten durch Sonderregelungen der Länder vor faktischer Inkompatibilität geschützt werden. Da es insofern an besonderen bundesgesetzlichen Vorschriften fehle, werde das Berliner Gesetz nicht durch Bundesrecht gebrochen. Die Argumentation irritiert. Ist eine Kompetenzmaterie festgestellt, die betreffende Regelung in bezug auf die fremde, „mitgeregelte“ Materie als „Sonderregelung“ charakterisiert, kommt ein Widerspruch, wie in Art. 31 GG zum Vorrang des Bundesrechts erforderlich, gar nicht mehr in Betracht. Die Kompetenz kraft überwiegenden Sachzusammenhangs, die eine Spezial- bzw. Sonderregelung deckt, verdrängt die Kompetenz des anderen Hoheitsträgers, eine widersprechende Regelung zu erlassen. Man sollte daher auch Landesverfassungsrecht, sei es einfachgesetzlich geregelt und insofern nur Verfassungsrecht im materiellen Sinne, sei es Bestandteil einer Verfassungsurkunde als Ergebnis eines verfassunggebenden oder verfassungsändernden Verfahrens, vollständig den Art. 70 ff. GG unterwerfen.500 b) Materielle Bindungen der Länder Das Grundgesetz setzt der verfassungsmäßigen Ordnung in den Ländern einen verbindlichen Rahmen, wenn es sie an die Grundsätze des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates bindet.501 Das Staatsorganisationsrecht der Länder hat die damit verbundenen Aufträge umzusetzen und die Bindungen zu beachten. Doch kann der Landesgesetz- bzw. Landesverfassunggeber sich auf einen auf dem Rechtsstaatsprinzip beruhenden Sachzusammenhang berufen? Hier muß gelten, daß die Sachmaterie über den Sachzusammenhang entscheidet. Das Landeswahlrecht als Materie muß rechtsstaatlich gestaltet werden können. Eine Regelung der Inkompatibilität in der vom Berliner Gesetzgeber gefaßten Form502 wäre daher auch ohne die „Ermächtigung“ des Art. 137 GG der Landeskompetenz zuzurechnen gewesen. Sie wäre allerdings ohne die grundgesetzliche Ermächtigung BVerfGE 98, 145 (159 f.). So auch Sachs, Festschrift Stern, S. 475 (497 f.). 501 Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG. Vgl. auch Dreier, in: Karsten Schmidt (Hrsg.), Vielfalt des Rechts – Einheit der Rechtsordnung?, S. 113 (121 ff.). 502 Vgl. BVerfGE 98, 145. 499 500

V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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materiell verfassungswidrig.503 Damit kann nicht ausgeschlossen werden, daß das Rechtsstaatsprinzip mitentscheidet, inwiefern ein landeswahlrechtlich zulässiges Gesetzgebungsmotiv vorliegt. Nur ein solches gestattet auch die Spezialregelung mit Berührung einer fremden Kompetenzmaterie. Ernster zu nehmen ist der Einwand, durch die Grundrechtsbindungen und deren „rechtsstaatliche Gehalte“ bleibe kaum noch Raum, sich auf ein kompetenzsteuerndes Rechtsstaatsprinzip (Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG) zu berufen, da für die Grundrechte richtigerweise gilt, daß sie nicht kompetenzsteuernd wirken. Dennoch verbleibt ein gewisser Bereich für die Kompetenzsteuerung durch Prinzipien wie dasjenige des Rechtsstaats, zum Beispiel für die Frage eines nicht grundrechtsrelevanten institutionellen Gesetzesvorbehalts. Diese Inhalte der Staatsprinzipien wirken nicht erweiternd auf die Kompetenzmaterie ein, sondern determinieren die Richtung einer Regelung innerhalb dieser Materie. Wie das Beispiel der Inkompatibilitätsvorschrift zeigt, kann aber auch ein „Übergriff“ in eine fremde Materie gerade wegen einer rechtsstaatlich erwünschten landeswahlrechtlichen Regelung zulässig sein. Legt man den Charakter des Art. 137 GG als Ermächtigung ohne verpflichtenden Charakter zugrunde, bedeutet dies, daß nicht nur rechtsstaatlich gebotene Regelungen mit kompetentiellen Übergriffen (in Gestalt von Spezialvorschriften) verbunden sein dürfen, sondern auch rechtsstaatlich lediglich erwünschte Gesetze. c) Landesverfassungsrechtliche Grundrechte Fraglich ist, ob auch für landesverfassungsrechtliche Grundrechte die hier vorgeschlagene Lösung gilt, sie an den Art. 70 ff. GG zu messen, so daß eine Prüfung anhand von Art. 31 GG entbehrlich wird. Dem steht entgegen, daß Art. 142 GG anordnet, die Bestimmungen der Landesverfassungen bleiben ungeachtet der Vorschrift des Art. 31 GG auch insoweit in Kraft, als sie in Übereinstimmung mit den Artikeln 1 bis 18 des Grundgesetzes Grundrechte gewährleisten. Die Vorschrift sollte nach Ansicht des Parlamentarischen Rates mit Bundesgrundrechten identische Landesgrundrechte vor der Rechtsfolge des Art. 31 GG bewahren.504 Da das Bundesverfassungsgericht die Rechtsansicht des Parlamentarischen Rates zu Art. 31 GG nicht teilte und entschieden hat, kraft Art. 31 GG werde nur das inhaltlich nicht übereinstimmende Landesverfassungsrecht gebrochen,505 ist Art. 142 GG als Ausnahme zu Art. 31 GG nahezu bedeutungslos geworden.506 Übereinstimmung im Sinne des Art. 142 GG bedeutet nicht wortwörtliche Identität. Vielmehr muß der Rechtsgehalt der gleiche sein507 oder auch nur jeder WiVgl. BVerfGE 12, 73 (77); 38, 326 (336); 48, 64 (81). JöR 1 (1951), S. 910 ff.; diese Wirkung maß der Parlamentarische Rat Art. 31 GG bei: vgl. JöR 1 (1951), S. 299, 912. 505 BVerfGE 36, 342 (366). 506 Vgl. von Campenhausen, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 142 Rn. 17, m. w. N. in Fn. 13. 503 504

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

derspruch fehlen.508 Damit bleibt nach Art. 142 GG auch ein Landesgrundrecht als mit dem Bundesgrundrecht übereinstimmend in Kraft, das über dessen Schutzniveau hinausgeht.509 Doch ist Art. 142 GG gegenüber Art. 31 GG nur lex specialis in bezug auf übereinstimmende Grundrechte.510 Fehlt es an einer Übereinstimmung, kommt unmittelbar Art. 31 GG zu Anwendung. Auch einfaches Bundesrecht kann über Art. 31 GG das mit einem Bundesgrundrecht übereinstimmende Landesgrundrecht brechen.511 Da nach herrschender Ansicht die Landesgrundrechte nicht an den Art. 70 ff. GG gemessen werden müssen, würden die Grundrechte auch im Bereich ausschließlicher Bundesgesetzgebungskompetenzen gelten können. Die Ausgangslage ist hier jedoch eine andere als bei den weitgehend konkretisierungsbedürftigen verfassungsrechtlichen Programmsätzen. Die Grundrechte sollen unmittelbar subjektive Rechtspositionen vermitteln. Zwar liegen sie wegen dieser von der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen abweichenden Zielrichtung zu diesen ganz und gar quer. Dies sollte aber nicht hindern, sie nur innerhalb derjenigen Materien wirksam sein zu lassen, in der entweder der Landesgesetzgeber eine Gesetzgebungskompetenz besitzt oder aber kraft Art. 142 bzw. 31 GG das Landesgrundrecht Bestand hat. Diese zuletzt genannte Ausnahme von der hier vertretenen Auffassung, auch Landesverfassungsrecht müsse sich an den Art. 70 ff. GG messen lassen, ist wegen Art. 142 GG unvermeidbar. Übereinstimmung gemäß Art. 142 GG und die zur Ablehnung des Art. 31 GG erforderliche Widerspruchsfreiheit sind gleich auszulegen. Allerdings kann der Landesverfassunggeber nicht ohne weiteres eine Erhöhung des grundrechtlichen Schutzniveaus etablieren. Wenn die Bundesgrundrechte bewußt eine personelle oder sachliche Beschränkung vorsehen, steht ein darüber hinausgehendes Landesgrundrecht unter Umständen in einem auflösungsbedürftigen Normkonflikt mit dem Bundesgrundrecht. Wenn das Grundgesetz ein grundrechtliches Teilhaberecht auf eine knappe Ressource vermittelt und das Grundrecht etwa auf Deutsche beschränkt wie z. B. Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG im Falle der Verteilung von Studienplätzen in absolut zulassungsbeschränkten Fächern, soll die Landesverfassung ein Landesgrundrecht nicht auch auf Ausländer erstrecken können.512 Denn was den einen gegeben wird, wird den anderen genommen. Vergleichbar sei die Konstellation, in der Bundesgrundrechte verschiedene gegeneinander stehende Grundrechts507

von Münch, in: von Münch / Kunig, GG III, Art. 142 Rn. 6; Sachs, DÖV 1985, S. 469

(471). 508 von Campenhausen, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 142 Rn. 6 ff.: Wenn daher für das Landesgrundrecht im Grundgesetz jede Entsprechung fehlt, ist Art. 142 GG auch anwendbar. Beispiel: Das Grundrecht auf Naturgenuß und Erholung aus Art. 141 Abs. 3 BayVerf. 509 BVerfGE 1, 264 (281); 96, 345 (364 f.); HessStGH, JZ 1982, S. 463 (464); Richter, JuS 1982, S. 900 ff.; Sachs, DÖV 1985, S. 469 (472). 510 von Campenhausen, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 142 Rn. 3. 511 BVerfGE 1, 264 (281). 512 März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 31 Rn. 102.

V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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positionen abschließend zum Ausgleich bringen wie etwa in Art. 6 Abs. 2 GG.513 Dabei ist es umstritten, ob der verfassungsändernde Landesgesetzgeber unmittelbar gegen das Bundesgrundrecht verstößt514 oder ob der Konflikt über Art. 31 GG aufzulösen ist.515 Art. 142 GG erweitert nicht nur, sondern beschränkt auch die Kompetenzen des landesverfassungsändernden Gesetzgebers im Vergleich zu einer ausschließlich an den Art. 70 ff. GG orientierten Kompetenzverteilung. Sollte ein Landesgrundrecht alleine auf solche Gesetzgebungsmaterien bezogen sein, die in der Hand des Landesgesetzgebers liegen, ist dieses nach Art. 142 GG nur dann wirksam, wenn es mit dem Bundesgrundrecht übereinstimmt. Daß die Grundrechte des Grundgesetzes auch auf Sachverhalte Anwendung finden, die der (ausschließlichen) Gesetzgebungskompetenz der Länder unterfallen, steht außer Frage. Diese Überlegung zeigt, daß die Erwägungen, die im übrigen eine Anwendung der Art. 70 ff. GG auf die Materien des Landesverfassungs- und Landesstaatsorganisationsrechts nahelegen, auf die Grundrechte nicht passen. d) Reichweite landesgrundrechtskonformer Auslegung Landesgesetze müssen landesgrundrechtskonform ausgelegt werden. Das ergibt sich aus der Normenhierarchie. Die Anwendbarkeit des einfachen Gesetz kann aber nicht vermittels grundrechtskonformer Auslegung über die Kompetenz seines Gesetzgebers hinaus erstreckt werden. Das gilt für Bundes- und Landesgesetze, die je bundes- oder landesgrundrechtskonform ausgelegt werden. Bundesgesetze können, soweit sie auf einer Bundesgesetzgebungskompetenz beruhen, die nicht an die Länder delegiert wurde, auch nicht landesgrundrechtskonform ausgelegt werden.516 Eine Bundesnorm, die bei Widerspruch zum Landesverfassungsrecht dieses gemäß Art. 31 GG brechen können soll, kann nicht im Lichte dieses Landesverfassungsrechts ausgelegt werden. Eine Norm kann nur „konform“ zu Normen ausgelegt werden, die entweder ihren Geltungsgrund bzw. Maßstab bilden – BundesgeMärz, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 31 Rn. 102. So März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 31 Rn. 102. 515 So Dreier, in: Karsten Schmidt (Hrsg.), Vielfalt des Rechts – Einheit der Rechtsordnung?, S. 113 (143 f.); Schulz, ZAR 1987, S. 72 (74); Rozek, Das Grundgesetz als Prüfungsund Entscheidungsmaßstab der Landesverfassungsgerichte, S. 208 ff. 516 Offenbar a. A. BVerfGE 96, 345 ff.; BerlVerfGH, NJW 1993, S. 513 (514 ff.), betreffend die Anwendung der ZPO durch Gerichte eines Landes; dem folgend von Campenhausen, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 142 Rn. 14; Kunig, NJW 1994, S. 687 (689); Sobota, DVBl. 1994, S. 793 (796); Kunig, in: von Münch / Kunig, GG III, Art. 142 Rn. 14. Vgl. auch Bartlsperger, DVBl. 1993, S. 333; Berkemann, NVwZ 1993, S. 409 ff.; Dietlein, NVwZ 1994, S. 6 ff.; Starck, JZ 1993, S. 231 ff.; Rozek, AöR 119 (1994), S. 450 (469): „Im Fall der Normanwendung von Bundesrecht durch Landesgerichte geht es [ . . . ] um die – auch wertende – Konkretisierung von bestehendem Bundesrecht, die sich – außer an der bundesrechtlichen Norm selbst – nur an dem für dieses Bundesrecht maßgeblichen höherrangigen Recht orientieren kann. Dazu zählt die Landesverfassung nicht.“ 513 514

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

setze werden im Lichte des Bundesverfassungsrechts ausgelegt – oder die der auszulegenden Norm im Rang gleichgeordnet sind, dann handelt es sich um eine systematisch-teleologische Auslegung. Da das Landesgrundrecht so ausgelegt werden muß, daß es nicht durch das Bundesgesetz gebrochen wird, kann es nicht seinerseits etwas für die Auslegung des Bundesgesetzes beitragen. Nur wenn das anzuwendende Bundesrecht Lücken läßt, die im Falle der StPO und der ZPO wegen Art. 72 Abs. 1 GG ermittelt werden müssen, oder die Bundeskompetenz an die Länder delegiert oder aber die Länder kraft Sachzusammenhangs auf das Gerichtsverfahrensrecht übergreifen können, kommt eine Berücksichtigung des Landesverfassungsrechts in Betracht. Sollte das bundesgesetzliche Verfahrensrecht Lücken aufweisen, sind die Gerichte, auch diejenigen des Landes, zunächst gehalten, durch Analogiebildung oder andere am Bundesgesetz selbst ansetzende Methoden vom Bundesgesetz auszugehen. Ist das nicht möglich, kann eine solche „Lücke“ durch Landesverfassungsrecht geschlossen werden. Besteht keine Lücke, ist eine Überwirkung der Landesgrundrechte auf das Bundesverfahrensrecht kraft Sachzusammenhangs abzulehnen. e) Privatrechtsgestaltende Landesgrundrechte Das Grundgesetz kennt im Bereich der Grundrechte eine einzige „unmittelbare Drittwirkungsklausel“517, nämlich den Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG, der solche Abreden, die das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, einschränken oder zu behindern suchen, für nichtig und auf dasselbe Ziel gerichtete Maßnahmen für rechtswidrig erklärt. Gäbe es die Vorschrift auf Verfassungsebene nicht, wäre ihr einfachgesetzliches Pendant der Materie des Arbeitsrechts518 zuzuordnen. Diese arbeitsrechtliche Grundgesetzvorschrift sperrt die Landesgesetzgebung nicht über Art. 72 Abs. 1 GG, sondern unmittelbar.519 Darf nun der Landesverfassunggeber ebensolche „unmittelbaren Drittwirkungsklauseln“ normieren? Solange er sich dabei an die Art. 70 ff. GG hält, ist ihm dies nach der hier vertretenen Ansicht gestattet. Die Gegenansicht, die Landesverfassungsrecht von dieser Bindung freistellt, muß entweder den Begriff des „Verfassungsrechts“ enger definieren oder aber Art. 31 GG anwenden. Würde man ausschließlich Art. 31 GG anwenden, könnte der Landesgesetzgeber durch „Verfassungsverrechtlichung“ etwa in Materien ausschließlicher Gesetzgebungskompetenz des Bundes eindringen. Nicht nur die landesverfassungsrechtliche Anordnung unmittelbarer Drittwirkung ist unmittelbar an den Art. 70 ff. GG zu messen, sondern auch die landesver517 So die Einordnung des Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG durch Höfling, in: Sachs, GG, Art. 9 Rn. 124; a. A. Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 667 f. 518 Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG. 519 So wohl auch März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 31 Rn. 103, hier für den Fall entgegenstehenden Landesverfassungsrechts.

V. Inhaltliche Kriterien einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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fassungsrechtliche Statuierung von Verboten.520 Da Art. 142 GG sich nur auf Grundrechte und nicht auf Grundpflichten oder andere Freiheitseinschränkungen des Bürgers bezieht, ist dieser Vorschrift in solchen Fällen keine Freistellung von den Art. 70 ff. GG zu entnehmen. 4. Die Umsetzung von europäischem Gemeinschaftsrecht Bei der Umsetzung von europäischem Gemeinschaftsrecht, insbesondere von Richtlinien, gilt die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen nach den Art. 70 ff. GG unverändert.521 Teilweise wird vertreten, die Vorschriften kämen nur analog zu Anwendung, weil es sich nicht um die souveräne Ausübung von Staatsgewalt handele.522 Der Umstand fehlender oder eingeschränkter Souveränität kann aber die Reichweite der Bundeskompetenz nicht – auch nicht in Gestalt eines durch einen Sachzusammenhang begründeten Übergriffs – erweitern. Durch eine analoge Anwendung würde nicht der Tatbestand der Sachbereiche (z. B. Energiewirtschaft, Luftreinhaltung, Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung) erweitert werden, sondern sie beträfe den Passus „das Recht der Gesetzgebung“ oder die verwandten Formulierungen, die den Bundeskompetenzen und der Residualkompetenz der Länder in Art. 70 Abs. 1 GG voranstehen. Rengeling hat für die Transformation des Gemeinschaftsrechts eine europafreundliche Interpretation der Art. 70 ff. GG angeregt.523 Die Gesetzgebungskompetenzen müßten im Blick auf Art. 10 EGV ausgelegt werden. Das in dieser Vorschrift verankerte Gebot der Gemeinschaftstreue zielt auf die Effektivität des Gemeinschaftrechts. Der Effektivität wiederum dienten eine einheitliche Wirksamkeit und Durchführung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten. So käme der Bund in den Genuß umfangreicherer Kompetenztitel als ohne durchzusetzendes Gemeinschaftsrecht. Dem ist entgegenzuhalten, daß Bund und Länder jeweils zur Umsetzung des Gemeinschaftsrechts verpflichtet sind.524 Erkennt man den Verpflichtungsgrund der 520 Daher müßte das in Art. 29 Abs. 5 HessVerf. normierte Aussperrungsverbot an der erschöpfenden Normierung des Arbeitsrechts durch den Bundesgesetzgeber scheitern, wenn nicht schon Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG entgegensteht; vgl. März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 31 Rn. 103. 521 Streinz, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR VII, § 182 Rn. 53; Rengeling, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 100 Rn. 3; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 70 Rn. 1 a; Stettner, in: Dreier, GG II, Art. 70 Rn. 51; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 70 Rn. 18; Rozek, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 70 Rn. 10, 28; Kössinger, Die Durchführung des europäischen Gemeinschaftsrechts im Bundesstaat, S. 40 ff. 522 Vgl. Ehlers, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4 Rn. 29, m. w. N. 523 Rengeling, DVBl. 1998, S. 997 (1001); ders., Vorstudie zu: Die Umsetzung inter- und supranationalen Umweltrechts, S. 76 ff. 524 Der Bund unmittelbar aufgrund des Primärrechts, unter Umständen in Verbindung mit dem umsetzungsbedürftigen Sekundärrecht. Die Verpflichtung der Länder ergibt sich (wenn

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Länder im Gebot der Bundestreue, während der Bund aufgrund des Gemeinschaftsrechts verpflichtet wird, so ergibt sich aus den unterschiedlichen Verpflichtungsgründen nicht die Zulässigkeit divergierender, die effektive Durchsetzung des umsetzungsbedürftigen Gemeinschaftsrechts behindernder Gesetze. Der Bund kann die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts durch den Landesgesetzgeber im Wege einer Bund-Länder-Streitigkeit gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG dadurch erzwingen, daß er vom Bundesverfassungsgericht die Verletzung des Bundestreuegebots durch eine ungenügende oder fehlende Umsetzung feststellen läßt.525 Zur Vermeidung von Reibungsverlusten und Widersprüchen müssen die aus der nationalen Kompetenzverteilung bekannten Instrumente der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs bzw. Annexes, der Bundestreue und, sofern man ihr einen eigenständigen Bedeutungsgehalt konzedieren möchte, der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung angewandt werden. Hingegen können die Gedanken der Bundestreue und der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung nicht eine europarechtskonforme Auslegung zugunsten der Bundesgesetzgebungskompetenzen rechtfertigen, die zu deren Erweiterung führten.526 Denn es ist nicht ersichtlich, wieso aufgrund der Umsetzungspflicht im Vergleich zu einer auf eigene Initiative gestützten Gesetzgebung von Bund und Ländern andersartige Widersprüche und Sachzusammenhänge auftreten sollten. Das Gebot der Effektivität des Gemeinschaftsrechts verlangt nicht die Beseitigung von kompetenzirrelevanten Wertungswidersprüchen. Die Transformationspflicht bzw. das Gebot gemeinschaftstreuen Verhaltens können den Bundesstaat nicht umgestalten. Insbesondere kann die Bundestreue nur bestehende Kompetenzen eines Gesetzgebers beschränken, nicht aber diejenigen des anderen erweitern.527 Das Gebot einer „extensiven“ Auslegung der Bundeskompetenzen kann auch nicht dem Staatsziel der „Verwirklichung eines vereinten Europas“ entnommen werden, das in Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG niedergelegt ist. Dieses Staatsziel wie auch andere Verfassungsaufträge528 sind kompetenzrechtlich neutral, das heißt jeder Gesetzgeber ist innerhalb seiner Kompetenz auf das Staatsziel verpflichtet. Gerade die Abs. 2 bis 7 des Art. 23 GG knüpfen an die bundesstaatliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern an.529 Der an den Anfang gestellte Programmsatz kann daher keine Generalkompetenz des Bundes zur Transformation von Genicht schon aus Gemeinschaftsrecht, so jedenfalls) aus der gebotenen Bundestreue (vgl. in diesem Sinne Stern, Staatsrecht I, S. 702 f.). 525 Kritisch dazu Fisahn, DÖV 2002, S. 239 (240 f.). 526 So aber Rengeling, DVBl. 1998, S. 997 (1003 f.), mit Erwähnung von BVerfGE 98, 106 (118). 527 Vgl. Rozek, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 70 Rn. 10: Die Bundestreue wirke „kompetenzmodifizierend und kompetenzmoderierend“. 528 Vgl. Art. 20 Abs. 1 und Art. 20 a GG. 529 So Gramm, DÖV 1999, S. 540 (546); ihm folgend Rozek in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 70 Rn. 10.

VI. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Annexes

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meinschaftsrecht begründen und nicht einmal die Grundsätze des Sachzusammenhangs ergänzen. Zielt die Richtlinie auf eine Materie, die in einer Landeskompetenz beheimatet ist, bleiben die Länder für die gesetzgeberische Umsetzung zuständig. Ist die Kompetenz konkurrierend, so kann auch der Bundesgesetzgeber unter den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG tätig werden. Bei eigener ausschließlicher Kompetenz ist der Bund zur Umsetzung verpflichtet. Nun kann eine Richtlinie Querschnittsmaterien regeln, die sowohl Kompetenzen des Bundes- als auch solche des Landesgesetzgebers berühren. Auch hier muß der gemäß den Art. 70 ff. GG jeweils zuständige Gesetzgeber tätig werden.530 Das bedeutet, daß unter Umständen die Richtlinie so in einzelne Vorschriften aufzuspalten ist, daß diese paßgenau in die Gesetzgebungskompetenz von Bund oder Ländern fallen. Dies gilt insbesondere für das Zusammenspiel von Verfahrens- und materiellem Recht. Zu berücksichtigen ist, daß auch die Rechtsnormen der Gemeinschaft auf einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs bzw. Annexes beruhen können, so daß ein Übergriff auf Bereiche erlaubt ist, für die die Gemeinschaft „an sich“ keine Kompetenz hat. Was nach den nationalen Regeln als Sachzusammenhang bzw. Annex in eine Hand gehört, kann auch bei der Transformation in nationales Recht eine einheitliche Zuordnung zur Kompetenz nur je des Bundes- oder des Landesgesetzgebers rechtfertigen. Dabei führt der Umstand, daß Gemeinschaftsrecht transformiert werden muß, nicht zu einer Modifikation der Maßstäbe: Weder kann dieser Umstand für sich genommen kompetentiell die Ausnahme einer in Einzelheiten gehenden oder unmittelbar geltenden Rahmenvorschrift gemäß Art. 75 Abs. 2 GG rechtfertigen, noch füllt er das Erfordernis des „sachlichen Grundes“531 für eine Inanspruchnahme der fakultativen Bundeskompetenz nach Art. 84 Abs. 1 oder Art. 85 Abs. 1 GG aus.

VI. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Annexes Die Gesetzgebungskompetenzen kraft Annexes, auch Annexkompetenzen bzw. Annexzuständigkeiten, „implizite“ Kompetenzen532, Hilfszuständigkeiten533 bzw. Hilfszuständigkeiten kraft Sachzusammenhangs534 oder Annexkompetenzen kraft Sachzusammenhangs535 genannt,536 finden oft Erwähnung neben den KompetenVgl. Grabitz, AöR 111 (1986), S. 1 (2 ff.); Gramm, DÖV 1999, S. 540 (545). Sofern man dessen Erforderlichkeit akzeptiert. 532 So der Vorschlag von Stettner, Grundfragen, S. 431 f. 533 Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (261 – 263). 534 Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (261 f.). 535 BVerfG, NJW 1996, S. 2497 (2498). 536 Der Kompetenztitel wird insofern oft als Annex-Materie bezeichnet, das Gesetz als Annex-Regelung; vgl. nur Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 110 u. 112. 530 531

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

zen kraft Sachzusammenhangs und denjenigen aus der Natur der Sache. Diese drei Erscheinungsformen werden unter den Begriff der „ungeschriebenen“, „stillschweigenden“ oder „mitgeschriebenen“ Kompetenzen gebündelt. Gegenüber dem Auslegungskriterium der Natur der Sache besitzen Annex und Sachzusammenhang den gemeinsamen Nenner, an einen einzelnen geschriebenen Kompetenztitel anzuknüpfen.537 Im Schrifttum zum amerikanischen Verfassungsrecht wird dies durch die begriffliche Unterscheidung von resulting powers für die Ableitung von Kompetenzen mit Hilfe der Natur der Sache und implied powers für die weite Auslegung538 einer einzelnen Kompetenz deutlich gemacht.539 Das amerikanische Verfassungsrecht kennt die Unterscheidung von Annex und Sachzusammenhang nicht.540

1. Abgrenzung zum Sachzusammenhang Das Verhältnis von Sachzusammenhang und Annex ist unklar. Dabei geht es über eine terminologische Verständigung541 hinaus um die Frage, ob sich die beiden Auslegungskriterien in ihren Voraussetzungen unterscheiden. Die Ansichten über das Verhältnis beider Auslegungsbehelfe und der mittels ihrer Hilfe ermittelten Kompetenzen gehen auseinander. Zum einen wird ein wesentlicher Unterschied darin gesehen, daß die Ausdehnung einer Kompetenz im Wege des Annexes „in die Tiefe“ geht, während sie beim Sachzusammenhang „in die Breite“ führt.542 Die nicht vollständig geglückte Abgrenzung des Annexes zum Sachzusammenhang bedeute noch nicht deren Unmöglichkeit.543 Die Annexkompetenz beruht auf dem Schluß, daß jede nach einem sachlichen Gegenstand definierte Kompetenz die Befugnis zu ihrer allseitigen Bearbeitung einschließt.544 Die sachliche Gesetzgebungskompetenz wird um die Regelung der Stadien von Vorbereitung und Durchführung erweitert.545 Es handele sich um unselbständige Hilfsmaterien, insofern Aus- und Durchführungsmodalitäten, Mittel und Wege für die Vgl. Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 70 Rn. 23; Stern, Staatsrecht II, S. 612. Sogenannte broad interpretation. 539 Vgl. die Ausführungen von Küchenhoff, AöR 82 (1957), S. 413 (425 ff., 451 ff.). 540 Siehe Stettner, Grundfragen, S. 426; vgl. auch Achterberg, DÖV 1966, S. 695 (697); anders Rechtsprechung und Lehre zum kanadischen Verfassungsrecht, in der die sogen. ancillary powers zu Kompetenzüberschneidungen führen können, die nach dem Grundsatz des federal paramountcy aufgelöst werden, vgl. Bothe, AltK-GG, Art. 70 Rn. 22; ders., Die Kompetenzstruktur des modernen Bundesstaates in rechtsvergleichender Sicht, S. 179. 541 Vgl. Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 70 Rn. 36; Ehlers, Jura 2000, S. 323 (325). 542 Maunz, in: ders. / Dürig, GG, Art. 70 Rn. 49. 543 Stettner, Grundfragen, S. 431. 544 Stettner, Grundfragen, S. 431. 545 Stern, Staatsrecht I, S. 676; Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 135. 537 538

VI. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Annexes

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Umsetzung der Sachgesetze unter die Annexmaterie fallen.546 Die entsprechenden Bereiche sind gleichsam kompetentielles Niemandsland oder Querschnittsmaterien, die erst durch die annexweise Verbindung mit einer Sachkompetenz kompetentiell qualifiziert werden können.547 Auf der Gegenseite betrachtet man den Annex als Unterfall des Sachzusammenhangs.548 Dabei wird auf den Umstand verwiesen, daß schon der Sachzusammenhang kein eigenständiger Typus einer Gesetzgebungskompetenz ist.549 Allerdings ergibt sich aus dieser Gemeinsamkeit auf höherer Ebene noch nicht, daß die Anwendungsvoraussetzungen im einzelnen dieselben sein müssen. Der Sache nach wird in der Literatur oft von Kompetenzen kraft Sachzusammenhangs in einem weiteren Sinn gesprochen, so daß die Annexkompetenzen eingeschlossen sind.

2. Voraussetzungen einer Annexkompetenz Zwischen dem ausdrücklichen Kompetenztitel und der Annexmaterie muß eine funktionale Beziehung550 bzw. ein „unerläßlicher“ Funktionszusammenhang551 bestehen. Dieser liegt darin, daß die Annexkompetenz der Vorbereitung und Durchführung der Sachgesetzgebung dient.552 Die Annexmaterie muß auf diese dienende Funktion beschränkt bleiben und darf nicht zur Hauptmaterie werden.553 Diese Voraussetzung wird oft als eigenständiges Erfordernis hervorgehoben, könnte aber bereits aus einer Anwendung des Spezialitätsgrundsatzes folgen. Unter deren Blickwinkel kommt es auf die prägende gesetzgeberische Funktion554 der zu subsumierenden gesetzlichen Regelung an. Wenn eine ordnungsrechtliche Vorschrift von der Durchsetzung eines auf die Sachkompetenz gestützten Gesetzes „geprägt“ wird und diesem damit „dient“, soll sie im Annex zu der Sachkompetenz gehören. Die dienende Funktion, also die Zweck-Mittel-Relation, muß unmittelbar sein und darf nicht nur im Reflex der Regelung erfolgen. Die einzelne Annexregelung darf nicht so ausgelegt und angewandt werden können, daß sie jenseits dieser unmittelbaren Hilfsfunktion zur Anwendung kommt. Die einschränkende Voraussetzung, Stettner, Grundfragen, S. 431. Stettner, Grundfragen, S. 431. 548 Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (243 f.); Rengeling, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 100 Rn. 57; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 70 Rn. 7; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 236; Stein / Frank, Staatsrecht, S. 113. 549 Siehe Bothe, AltK-GG, Art. 70 Rn. 18 f. 550 So Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 70 Rn. 31. 551 So Bothe, AltK-GG, Art. 70 Rn. 19. 552 Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 70 Rn. 31. 553 So ausdrücklich Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 70 Rn. 31. Ebenso von Mutius, Jura 1986, S. 498 (500): Der Eingriff in die andere Materie müsse primär ergänzenden Charakter haben und dürfe keine substantielle Erweiterung bedeuten. 554 Vgl. zu dieser Wendung Lerche, JZ 1972, S. 468 (471). 546 547

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

die Anteile der Annexkompetenz dürften nicht zur Hauptmaterie werden, ist also noch enger zu fassen: Die kompetentielle Qualifikation der einzelnen Norm erfordert den unmittelbaren Zusammenhang. Ist dieser gegeben, können mehrere zum Beispiel ordnungsrechtliche Normen aufgrund dieser Annexkompetenz erlassen werden, ohne daß eine sachkompetenzfremde Hauptmaterie entstehen könnte. Der dienende oder helfende Charakter der Annexregelungen hat zur Folge, daß bei einer Anwendung auf ein Spezialgebiet dieses und nicht das in der Annexmaterie liegende Mittel für die kompetentielle Qualifikation dieser Regelung maßgeblich ist. Die Charakterisierung eines Gebiets als „Annexmaterie“ besagt somit nichts anderes, als daß nicht das normierte Mittel, sondern der Eingriffsort oder das Regelungsziel den kompetentiellen Ausschlag geben. Eine zeitliche Variante einer Annexkompetenz wird im Zusammenhang mit der Föderalismusreform angenommen. So wird vertreten, daß der Bundesgesetzgeber das Hochschulrahmengesetz auch aufheben darf, soweit er infolge des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes555 keine Kompetenz zu einer Regelung des Hochschulrechts mehr hat.556 Bestimmte Bereiche des Hochschulrahmengesetzes erschließen sich dem Bundesgesetzgeber auch nach der Föderalismusrefom über konkurrierende Gesetzgebungskompetenzen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 33 GG für die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse, Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG für das Arbeitsrecht); für andere Bereiche, die im Hochschulrahmengesetz geregelt sind und die wegen Art. 125 a Abs. 1 GG bzw. Art. 125 b Abs. 1 GG als Bundesrecht fortgelten, ist die Gesetzgebungskompetenz auf die Länder übergegangen. Doch soll der Bund eine Aufhebungskompetenz kraft zeitlichen Annexes haben.557 Diese Erscheinungsform einer Annexkompetenz bezieht sich nicht auf das Verhältnis zweier Sachbereiche zueinander und wird im Folgenden nicht weiter untersucht. a) Unselbständigkeit der Annexmaterie Für die Beantwortung der Frage, ob eine Kompetenzmaterie einen Annex zu einer anderen Kompetenz darstellt, kommt es auf die Eigenart jener Kompetenzmaterie an.558 Es gilt folgende Regel: Eine ihrerseits sachgesetzliche Materie kann nicht im Annex erschlossen werden. Der Materie selbst muß in abstracto eine gewisse Formalität, das heißt Empfänglichkeit für die Prägung durch Sachgesetze, also ein für sich genommen dienender Charakter zueigen sein. Die Annexmaterie erhält ihre Funktion erst im Zusammenhang mit dem Sachgebiet, weil die von ihr erfaßten Regelungen ihrer Art nach unselbständig sind.559 Gesetz v. 28. 8. 2006, BGBl. I, S. 2034. Lindner, NVwZ 2007, S. 180 ff. 557 Lindner, NVwZ 2007, S. 180 (180, 182), der dies als zeitlich überschießende Nachwirkung der Rahmenkompetenz beschreibt. 558 Vgl. BVerfGE 28, 119 (146 – 149). 555 556

VI. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Annexes

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So wurde die Materie der Ordnungsgewalt in einem kompetentiell ausdrücklich zugewiesenen Sachgebiet diesem im Annex zugeschlagen.560 Trotzdem existiert eine eigene Materie „Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht“, die Ländersache ist. Die dienende Funktion schließt es anscheinend nicht aus, daß sich dieselben Regelungen ohne sonderrrechtlichen Bezug561 zu einer eigenen Materie zusammenfassen lassen, für die eine gesonderte Gesetzgebungskompetenz besteht. Eine These Bullingers geht dahin, daß sich Regelungen auch von einer unselbständigen Materie zu einem eigenen Gebiet und mithin einer eigenen Kompetenzmaterie entwickeln können.562 Die Unselbständigkeit einer Materie ist demzufolge nicht festgeschrieben, sondern einem Wandel unterworfen. Deshalb soll auch die auf eine „herkömmlich“ selbständige oder unselbständige Natur einer Materie abstellende Rechtsprechung abzulehnen sein.563 Wenn zur Zeit eine Materie selbständig ist, wie das Polizei- und Ordnungsrecht der Länder, könne diese nicht zum Gegenstand eine Annexkompetenz gemacht werden.564 Das Bundesverfassungsgericht hat die Selbständigkeit des Polizei- und Ordnungsrechts von dessen Annexcharakter abgeschichtet, als es das Spielbankenrecht den Ländern zuwies: „Das Ziel, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einzudämmen, ist hier Selbstzweck und nicht lediglich Annex eines Sachbereichs, der herkömmlicherweise als besonderes Teilgebiet des Verwaltungsrechts verstanden wird, wie z. B. das Gewerberecht, das Baurecht, das Bergrecht, das Forstrecht, das Landwirtschaftsrecht, das Fürsorgerecht u. a.“565 Der „Selbstzweck“ der Gefahrenabwehr markiert demnach die Zuordnung zum allgemeinen Gefahrenabwehrrecht der Länder, obwohl im zu entscheidenden Fall auch die eigenständige Materie Spielbankenrecht den Ländern zugeordnet werden könnte. Wenn die Gefahrenabwehr sich zu einer Spezialmaterie verdichtet hat, ist sie nicht mehr unselbständig, sondern fällt unter diese spezielle Kompetenz. Das schließt es nach der Logik des Bundesverfassungsgerichts nicht aus, daß Regeln des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts auf solche Sachverhalte Anwendung finden, die der Inhaber des spezielleren Kompetenztitels regeln dürfte, ohne es indes geregelt zu haben.566 Hätte der Bundesgesetzgeber nicht die Bahnpolizei gereBullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (261 f.). BVerfGE 3, 407 (433); 8, 143 (149); BVerwGE 84, 247 (250); BGH, DVBl. 1979, S. 116. 561 Vgl. zu diesem Kriterium Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (183). 562 Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (262). 563 Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (262 mit Fn. 90), gegen BVerfGE 8, 143 (153). 564 A. A. Stettner, Grundfragen, S. 433 f.: Identität von Sachkompetenz und Annex „durch Verselbständigung einer akzessorischen Vollzugsmodalität“. 565 BVerfGE 8, 143 (153). 566 Siehe Bothe, AltK-GG, Art. 70 Rn. 22: „Wenn der Bund bestimmte ordnungsrechtliche Regelungen kraft Annexkompetenz zu Kompetenzen nach Art. 73 und 74 treffen kann, so könnten die Länder die gleichen Fragen bei Fehlen einer Bundesregelung auch regeln, auch im Bereich ausschließlicher Bundeszuständigkeit.“ 559 560

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

gelt, dürften die Länder dementsprechend die Gefahrenabwehr auf Bahngelände regeln.567 Hält man solche Schnittmengen von allgemeiner und besonderer Regelungskompetenz für zulässig und – um der Gefahr eines rechtlichen Vakuums vorzubeugen – geboten, kann man der Auffassung Bullingers trotzdem noch folgen. Eine Materie kann dann nämlich zwar so selbständig sein, daß sie eine eigene Gesetzgebungskompetenz bildet, und dennoch dürfte der Sachgesetzgeber auf diesen Bereich zugreifen. Doch muß es sich in dieser Konstellation um einen Übergriff kraft Sachzusammenhangs zur Spezialregelung und nicht etwa um eine Annexkompetenz handeln.568 Dieselbe Regelung dürften Landes- und Bundesgesetzgeber nicht erlassen. Der Landesgesetzgeber kann also nicht an die besonderen Verhältnisse der Bahn anknüpfen, um einen speziell ausgerichteten Gefahrenschutz zu normieren. Das bleibt Sache der spezielleren Bundeskompetenz. b) Punktualität der Annexregelung Wenn das Bundesverfassungsgericht dem Bundesgesetzgeber die Zuweisung der Ausführung von materiellem Bundesrecht gerade an die Kommunen aufgrund von Art. 84 Abs. 1 GG nur als „punktuelle“ Annexregelung zu einer zur Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers gehörenden materiellen Regelung gestattet hat,569 werden dadurch nicht zusätzliche Anforderungen an eine Annexregelung im allgemeinen gestellt. Vielmehr ist der Durchgriff auf die kommunale Verwaltungsstufe nicht nur eine Verfahrens- oder Organisationsregelung, sondern auch ein Übergriff in das Kommunalrecht und das Landesorganisationsrecht. Allerdings kann der Bundesgesetzgeber an den Begriff „Einrichtung der Behörden“ anknüpfen. Im Sachzusammenhang zu diesem Begriff mag eine spezielle Regelung der Zuständigkeit gemeindlicher Behörden stehen. Die verfassungsgerichtliche Wendung der „punktuellen Annexregelung“ vermischt diese beiden Aspekte. Das Verfahrens- und Organisationsrecht ist – entweder unmittelbar oder durch die lex specialis des Art. 84 Abs. 1 GG – Annex zur Regelung des materiellen Bundesrechts. Das zusätzlich einschränkende Erfordernis der Punktualität bezieht sich auf die Festlegung einer bestimmten, bereits bestehenden Verwaltungsstufe. Da der Begriff „Einrichtung der Behörden“ ohnehin in einiger Entfernung vom Wortlaut auch die Zuweisung Beispiel von Bothe, AltK GG, Art. 70 Rn. 22. So treffend Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (263); gegen BVerfGE 3, 407 (433 f.). 569 BVerfGE 77, 288 (1. Leitsatz); vgl. auch BVerfGE 22, 180 (209 f.). So zu der bundesgesetzlichen Inpflichtnahme der Kreise und kreisfreien Städte als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch die Vorschrift des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II auch das BSG, Urt. v. 7. 11. 2006 – B 7 b AS 6 / 06 R –, sowie das LSG NRW, Urt. v. 14. 3. 2007 – L 12 AS 2 / 06: Es handele sich um eine zulässige punktuelle Annexkompetenz, die zum wirksamen Vollzug der materiellen Bestimmungen des SGB II notwendig sei. Dagegen Ruge / Vorholz, DVBl. 2005, S. 403 (404 f.): An der Notwendigkeit fehle es schon, weil der Gesetzgeber ursprünglich die alleinige Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit beabsichtigt habe; gegen die Punktualität sprächen organisatorischer Aufwand und finanzielle Dimension, die für die Kreise und kreisfreien Städte mit der Aufgabenzuweisung verbunden seien. 567 568

VI. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Annexes

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von Aufgaben an bereits bestehende Behörden umfassen soll, der Behördenbegriff insofern funktionell, nicht institutionell verstanden wird, handelt es sich um Eingrenzungen einer zuvor ausgedehnten Interpretation. Es wäre wenig sinnvoll, in Verallgemeinerung des Erfordernisses der Punktualität über Art. 84 Abs. 1 GG hinaus auch eine ordnungsrechtliche Regelung des Sachgesetzgebers nur als punktuelle zuzulassen. Mehrere ordnungsrechtliche Vorschriften des Sachgesetzgebers, die ihrerseits einen Bezug untereinander haben, können ohne weiteres der Sachkompetenz unterfallen, wenn jede für sich eine Annexverbindung zur Sachkompetenz aufweist. Entscheidend ist die kompetentielle Qualifikation der einzelnen Norm. Eine Gesamtbilanz der verschiedenen Gesetze ist dann nicht mehr notwendig. c) Notwendigkeit der Annexregelung Das Bundesverfassungsgericht hat gefordert, die Annexregelung müsse für den wirksamen Vollzug der materiellen bundesgesetzlichen Vorschriften notwendig sein, wenn sie unter die Kompetenz des Art. 84 Abs. 1 GG fallen soll.570 Ist damit ein für alle Annexregelungen erforderliches Kriterium aufgestellt worden? So ließe sich fragen, ob der dienende Charakter einer Annexvorschrift nur vorliegt, wenn sie zur Vorbereitung oder Durchsetzung des Sachgesetzes notwendig ist. In der Literatur geht man nicht so weit. Unerläßlichkeit oder Notwendigkeit sind – bei gegebener Unselbständigkeit der Materie im allgemeinen – gerade nicht erforderlich.571 Der Verzicht auf die Unerläßlichkeit des Mittels in seiner konkreten gesetzgeberischen Gestalt wird allerdings kompensiert durch die allgemeine Unselbständigkeit der Annexmaterie, die auf der Kehrseite gerade die Ergänzungsbedürftigkeit der Stamm-Materie des Sachgesetzgebers ist. Der Sachgesetzgeber ist auf Vorbereitung und Durchführung seiner Gesetze angewiesen. Deswegen steht eine allgemeine Notwendigkeit hinter dem Verzicht auf die Notwendigkeit der Annexregelung in ihrer konkreten Gestalt. Diese Notwendigkeit wird durch die Feststellung der Unselbständigkeit der Annexmaterie implizit ermittelt. In der Einschränkung, der Bundesgesetzgeber dürfe das Verwaltungsverfahren der Länder nur insoweit regeln, als es zur sachgemäßen Durchführung eines Gesetzes notwendig ist,572 wurde eine Abweichung von der im übrigen auf die Unerläßlichkeit der Annexregelungen verzichtenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts573 erkannt.574 Die Länder sind, wie das Grundgesetz in Art. 84 Abs. 1 GG und Art. 85 Abs. 1 GG anerkennt, auch im Bereich der Ausführung von Bundesgesetzen zur Schaffung von Organisations- und Verfahrensrecht kompetent, 570 571 572 573 574

BVerfGE 77, 288 (1. Leitsatz). Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (261 f.). BVerfGE 22, 180 (209 f.). Z. B. BVerfGE 3, 407 (424 f.); 8, 104 (118); 11, 192 (199). Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (261 f.).

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

so daß es sich dabei um keine unselbständige Annexmaterie handelt. Das verfassungsrechtliche Prinzip der Trennung von Sachgesetzgebung und Gesetzesausführung findet hier für die auf der Grenze liegende Gesetzgebung zum Zwecke der Gesetzesausführung eine Kompromißlösung, die die Materie verselbständigt. Deswegen liegt der Fall anders als bei dem Verhältnis vorbereitender und rechtsverbindlicher Planung, bei dem die Kompetenz zur Regelung dieser die Regelung jener im Annex erfaßt,575 oder beim Verhältnis der Kompetenz zur Regelung einer Amtshandlung zur im Annex ergriffenen Regelungskompetenz für die Festsetzung der Gebühren dieser Amtshandlung.576 Diese Materien gehören schon sachlich zusammen. Es existiert keine eigene Kompetenzmaterie für das Gebührenrecht. Es handelt sich um eine unselbständige Materie von geringem Umfang. 3. Annex zum Gesetzgebungsverfahren Die Auslegung einer Gesetzgebungskompetenz mittels des Annexes kann nur zu einer Gesetzgebungskompetenz führen.577 Wird hingegen eine Verwaltungskompetenz gewonnen, ist entweder das Schlußverfahren methodisch unzulässig oder aber der Annex knüpfte schon nicht an einen Kompetenztitel für Gesetzgebung an. Die Ressortforschung ist in der Regel eine Annexkompetenz zur Regierungstätigkeit und insbesondere zur Vorbereitung von Gesetzgebungsvorhaben und kann daher insoweit nicht als Annex zur Gesetzgebungskompetenz konstruiert werden.578 Wenn für die Verwaltungskompetenz der Ressortforschung eine gesetzliche Regelung erlassen wird, ist der Gesetzgeber derjenigen Regierung zuständig, die über ihre Kompetenz im Wege des Annexes auf die Ressortforschung zugreift. Doch wird hier der Kernbereich der Regierungstätigkeit einer legislativen Durchnormierung entgegenstehen. Triepel ließ den Schluß von Gesetzgebungs- auf Verwaltungskompetenzen noch weitgehend zu.579 Durch das Trennungsprinzip des Grundgesetzes (vgl. Art. 83 GG) ist dieses Schlußverfahren obsolet geworden. a) Experimentiergesetze und Modellversuche des Gesetzgebers Wenn der Bund Modellversuche unternimmt, um Gesetzesvorhaben auf ihre Praxistauglichkeit zu prüfen, soll er dazu kraft Sachzusammenhangs kompetent sein.580 Der Modellversuch ist eine Erscheinungsform des GesetzgebungsexperiBVerfGE 3, 407 (424 f.). BVerfGE 11, 192 (199). 577 Vgl. Stettner, Grundfragen, S. 432; Kloepfer, Vorwirkung von Gesetzen, S. 34. 578 Entgegen Stettner, Grundfragen, S. 433. 579 Siehe oben B. I. 2. 580 Fischer-Menshausen, in: von Münch / Klein, GG, 3. Aufl., Art. 104 a.Rn. 10; Maunz, in: ders. / Dürig, Art. 109 Rn. 17 f.; Lücke, DÖV 1977, S. 495 (497). 575 576

VI. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Annexes

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ments. Ihm zur Seite stehen der Praxistest und das Planspiel.581 Die Gesetzgebungswissenschaft unterscheidet das Gesetzgebungsexperiment von der experimentellen Gesetzgebung. Letztere erprobt die Wirkungsweise eines Gesetzes mittels dessen vollwirksamen Inkrafttretens.582 Durch eine zeitliche und eventuell örtliche Begrenzung seiner Geltung zeichnet sich ein Gesetz als Erprobungs- bzw. Experimentiergesetz aus. Allerdings muß der Bund den Modellversuch zur Vorbereitung oder Erprobung der geplanten Gesetzgebung für notwendig halten.583 Wenn der Modellversuch in Gesetzesform ausgeführt wird und sich darin erschöpft, also self-executing ist, richtet sich die Kompetenz ohnehin nur nach den Gesetzgebungskompetenzen. Die Anforderungen an die formelle Verfassungsmäßigkeit weisen in einem solchen Fall keine Besonderheiten auf.584 Es handelt sich in der hier in Bezug genommenen Terminologie um ein Gesetzgebungsexperiment in Gestalt eines Experimentiergesetzes. Wenn der Modellversuch durch ein „Modellgesetz“ und eine sich anschließende verwaltungsmäßige Gesetzesausführung umgesetzt wird, ist die Verwaltungskompetenz problematisch. Nimmt man hier eine Verwaltungskompetenz des Modellgesetzgebers kraft Sachzusammenhangs an, so müßten die Voraussetzungen dafür eng eingegrenzt werden. Der Modellversuch darf nicht zur Umgehung der üblichen Kompetenzverteilung führen. Gerade das Phänomen des Zeitgesetzes, das die Verwaltungskompetenz der Länder unberührt läßt, zeigt, daß eine dem Gesetz selbst eingeschriebene kurze Geltungsdauer noch kein Grund für die Annahme einer Bundesverwaltungskompetenz im Annex zu seiner Gesetzgebungskompetenz sein kann. Mit Hilfe einer Experimentierklausel585 könnte den Ländern anheimgestellt werden, ob sie bei der alten Regelung bleiben oder die neue Regelung „versuchsweise“ durchführen. Sie wären dann in ihrer Entscheidung über das Ob des Modellversuchs frei. Besteht der Modellversuch in der Ausführung eines fiktiven Gesetzes, das nicht auch probeweise erlassen wurde, so stellt sich zunächst die Frage des Gesetzesvorbehalts. Der Modellcharakter kann nicht den Verzicht auf die Geltung eines Gesetzesvorbehalts rechtfertigen. Staatstätigkeit auf Probe gibt es nicht. Die Vorläufigkeit einer Regelung dispensiert nicht von allgemeinen rechtsstaatlichen und besonderen verfassungsrechtlichen Bindungen. Greift kein Gesetzesvorbehalt ein, könnte die Gesetzgebungskompetenz im Annex den verwaltungsmäßigen Modellversuch decken. Dem steht der oben dargestellte Einwand entgegen, daß auch über 581 Vgl. zur Nomenklatur Horn, Experimentelle Gesetzgebung unter dem Grundgesetz, S. 24; Böhret / Hugger, Test und Prüfung von Gesetzentwürfen, S. 54 ff.; Fricke / Hugger, Test von Gesetzentwürfen, Teil 2, Bd. 1, S. 165 ff.; Hugger, Gesetze – Ihre Vorbereitung, Abfassung und Prüfung, S. 328 ff. 582 Vgl. Horn, Experimentelle Gesetzgebung, S. 25. 583 So wohl Fischer-Menshausen, in: von Münch / Klein, GG, 3. Aufl., Art. 104 a. Rn. 10; die Formulierung deutet auch an, daß er dem Bund einen Beurteilungsspielraum in der Frage der Notwendigkeit konzedieren will. 584 Horn, Experimentelle Gesetzgebung, S. 240. 585 Zur Experimentierklausel Häberle, Verfassung als öffentlicher Prozeß, S. 59 (85 ff.).

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

die Brücke des Annexes aus der Gesetzgebungskompetenz keine Verwaltungskompetenzen hergeleitet werden können. b) Ressortzugehörige Forschung und andere ressortzugehörige Funktionen Als weiteres Beispiel des annexhaften Sachzusammenhangs sind die bisweilen so bezeichneten „ressortzugehörigen Funktionen“ zu nennen.586 Ressortforschung bzw. ressortzugehörige Funktionen stehen in engem Zusammenhang zur Problematik des Modellversuchs. Im Gegensatz zu diesem ist die Ressortforschung nicht auf ein einzelnes bestimmtes Gesetzesvorhaben bezogen, sondern eine gleichsam institutionalisierte Form der Gesetzesvorbereitung oder Vorbereitung eigener Verwaltungstätigkeit. Ressortforschung meint Forschung, die nicht um ihrer selbst willen betrieben oder gefördert wird, „sondern gezielt in den Dienst anderweitiger staatlicher Sachaufgaben gestellt“ wird.587 Dabei kann der Bund selbst Träger der Forschungseinrichtung sein oder aber andere Stellen finanziell fördern, damit sie ihm zuarbeiten. In Betracht kommt die Förderung unabhängiger Institute oder die Nutzung des Wissens- und Forschungsstandes von Verwaltungseinrichtungen der Länder.588 Es stellt sich die Frage, ob sich die Förderung unabhängiger Forschungseinrichtungen wie etwa der Deutschen Forschungsgemeinschaft an denselben Maßstäben messen lassen muß wie die in Bundesforschungsanstalten erfolgende Ressortforschung. Aus dem Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG („die Förderung der wissenschaftlichen Forschung“) ergibt sich die Selbständigkeit dieser Materie. Gleichwohl ginge es wohl zu weit, aus der Ressortforschungskompetenz der Bundesregierung jede Beauftragung Privater herauszunehmen. Die Ressortforschungskompetenz basiert nicht auf einer Zuständigkeit zur Förderung der Forschung. Daraus folgt, daß die Ressortforschung auch nicht der Gemeinschaftsaufgabe nach Art. 91 b GG unterfallen kann.589 Der Gedanke einer Ressortforschungskompetenz der Zentralgewalt ist so alt wie die Geschichte des Bundesstaats selbst.590 „Nach den Grundsätzen über die Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs gelten alle zur wirksamen Ausübung einer Kompetenz erforderlichen und geeigneten Mittel im Zweifel als Bestandteil dieser Kompetenz. [ . . . ] Der Bund [bleibt] hiernach im Rahmen seiner Zuständigkeit, wenn er Forschungseinrichtungen fördert, auf deren Arbeitsergebnisse er zur Erfüllung seiner zentralen Führungsaufgaben angewiesen ist.“591 Zu diesen Aufgaben zählt die Gesetzgebung. Die Gesetzgebungskompetenzen sollen jedenfalls dem Grunde nach die Kompetenz zu den Vorbereitungshandlungen enthalten, nämlich 586 587 588 589 590 591

Fischer-Menshausen, in: von Münch / Kunig, GG, 3. Aufl., Rn. 10 zu Art. 104 a. Jakob, Der Staat 24 (1985), S. 527. Jakob, Der Staat 24 (1985), S. 527. Jakob, Der Staat 24 (1985), S. 527 (559). Jakob, Der Staat 24 (1985), S. 527 (556). Fischer-Menshausen, DÖV 1952, S. 673 (677).

VI. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Annexes

241

die Ermittlung, Feststellung und Auswertung der Tatsachenbasis, die zu einer richtigen gesetzlichen Behandlung des Kompetenzgegenstands erforderlich ist.592 Diese Hilfszuständigkeiten kraft Sachzusammenhangs erstrecken sich auch auf Planungs- und Forschungskompetenzen mit Bezug zum Gesetzgebungsgegenstand.593 Neben der Kompetenz für die Ressortforschung sollen auch andere sogenannte „ressortzugehörige Funktionen“ (z. B. Modellversuche) im Sachzusammenhang zur jeweiligen Gesetzgebungsmaterie stehen können. Im Bereich der Städtebauförderung hat der Bund schon früh die Förderung von Versuchs-, Vergleichs- und Demonstrationsvorhaben übernommen.594 Die Förderung von Versuchs- und Vergleichsbauten wird von der Ressortforschungskompetenz des Bundes erfaßt. Schwieriger ist die Einordnung der Förderung von Demonstrationsvorhaben in diesem Sachbereich. Sie sollen „der wirksamen Verbreitung der Anwendungsmöglichkeiten der jeweils gewonnenen Erkenntnisse durch praktische Demonstrierung an Beispielbauten“ dienen. Mit ihnen sollen „Akzente gesetzt, Erfahrungen gewonnen und Entwicklungen auf dem Gebiete des Wohnungs- und Städtebaus angestoßen werden“595. Die Demonstration von Vorhaben, die der Erprobung für ein noch zu erlassendes Gesetz dienen, ist zwischen Modellversuch und Information der Öffentlichkeit anzusiedeln. Die Impulsfunktion der Demonstrationsvorhaben ermöglicht eine öffentliche Diskussion des Vorhabens. Die informierte Öffentlichkeit kann ihrerseits Anregungen und Verbesserungsvorschläge an die Verwaltung zurückmelden. Öffentlichkeit ist Qualitätskontrolle. So wenig über die Vorteile solcher Vorgehensweise Zweifel bestehen, muß doch die Frage erlaubt sein, ob es nicht auch die Aufgabe der gesetzesausführenden Verwaltung ist, durch trial and error die Verwaltungspraxis zu verbessern oder den Gesetzgeber über die Schwachstellen seiner Vorgaben zu informieren. Auch gesetzliche Übergangsvorschriften und Ermessensspielräume der Verwaltung bei der Anwendung noch unbekannter Vorschriften ermöglichen einen sanften Übergang in die neue Rechtslage. c) Kompetenzen der Gesetzgebungsorgane Wie bereits der Begriff der Ressortzugehörigkeit veranschaulicht, werden diese Annexkompetenzen von der Bundesregierung und den ministeriellen Fachressorts her gedacht. Sie sind dann keine föderativ abgeschichteten Kompetenzen des Gesetzgebers, sondern der an der Gesetzgebung beteiligten Organe. Doch wird dem Jakob, Der Staat 24 (1985), S. 527 (558), m. w. N. in Fn. 141. Jakob, Der Staat 24 (1985), S. 527 (558). 594 Siehe die „Richtlinien über die Verwendung der Bundesmittel zur Förderung von Versuchs- und Vergleichsbauten und für den Nachweis der Verwendung der Mittel“ vom 1. 7. 1959. 595 Lücke, DÖV 1977, S. 495 (499). 592 593

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Bundestag oder dem Bundesrat nicht dieselbe Fülle an Ressortkompetenzen zugeschrieben wie der Bundesregierung, obwohl die Bundesregierung lediglich das Recht der Initiative im Gesetzgebungsverfahren besitzt. Der umfangreiche nachgeordnete Verwaltungsapparat der Bundesregierung sowie die Möglichkeit, Studien, Gutachten und Erhebungen in Auftrag zu geben, sollten eine Kompetenz für Modellversuche, Demonstrationsvorhaben und ähnliches weitgehend entbehrlich machen. Aus der Aufgabe zur Staatsleitung kann diese Kompetenz auch nicht hergeleitet werden.

4. Ausdrückliche Annexkompetenzen im Grundgesetz Die Annexkompetenzen können vom Grundgesetz durch Positivierung einer eigenen Materie verselbständigt worden sein. Fraglich ist dann, ob der jeweils andere Gesetzgeber auf sie noch nach den Kriterien des Annexes zugreifen kann. a) Organisations- und Verfahrensrecht Die Verfahrens- und Organisationsrechtskompetenzen (ausführlich unter D. VI. 7.), soweit man sie als Annexkompetenzen betrachtet, sind Landesangelegenheit, wenn die Länder ihre eigenen Gesetze vollziehen, und Sache des Bundes, wenn es einen bundeseigenen Vollzug der Bundesgesetze gibt oder eine bundeseigene nicht-gesetzesakzessorische Verwaltung. Daraus darf nicht geschlossen werden, daß sie im Annex zu der Verwaltungskompetenz stehen. Dem Grunde nach stehen sie im Annex zu den sachbezogenen Gesetzgebungskompetenzen. Die Art. 84 ff. GG modifizieren diesen Annex zur Kompetenz des Gesetzgebers zugunsten der die Bundesgesetze ausführenden Länder, um das Trennungsprinzip des Art. 83 Abs. 1 GG auszugestalten. b) Statistikgesetze Art. 73 Abs. 11 GG weist dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Statistik für Bundeszwecke zu. Die Statistik ist ein wichtiges Instrument der Vorbereitung von Gesetzesvorhaben und kann mithin als Annexmaterie qualifiziert werden. Sie kann allerdings auch Erkenntnisse vermitteln, ohne Gesetzgebung vorzubereiten.596 Die „Bundeszwecke“ sind jedenfalls die Gegenstände der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes. Im Bereich ausschließlicher Landesgesetzgebungskompetenz darf der Bundesgesetzgeber hingegen nie die Statistik regeln.597 Für die zwi596 597

Zu dieser Unterscheidung vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 73 Rn. 711 f. Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 73 Rn. 721.

VI. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Annexes

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schen Bundes- und Landesgesetzgeber konkurrierenden Gesetzgebungskompetenzen ist der Bundesstatistikgesetzgeber nur zuständig, wenn ein Gesetzesvorhaben unmittelbar vorbereitet wird und die Statistik unerläßliches Mittel dieser Vorbereitung ist.598 Wenn die Statistik nicht der Vorbereitung, sondern nur der Information dient, muß der Bundesgesetzgeber bereits von der konkurrierenden Sachkompetenz Gebrauch gemacht haben, um sich auf Art. 73 Nr. 11 GG stützen zu können. Die ausdrückliche verfassungsrechtliche Verankerung der Kompetenz für Statistik verselbständigt diese nicht. Der Annexcharakter bleibt über die ausdrückliche Bindung an die „Bundeszwecke“ erhalten. c) Das Recht der Enteignung Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG verleiht die konkurrierende Kompetenz für das Recht der Enteignung unter der Einschränkung „soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt“.599 Diese Kompetenz soll keine Annexkompetenz darstellen, da ein Gesetz über das Recht der Enteignung auch unabhängig von einer Regelung des Sachgebiets erlassen werden könne, also ein spätestens mit Erlaß des Enteignungsrechts ergehendes Sachgesetz nicht erforderlich sei.600 Der Bund kann daher ebenso wie die Länder ein allgemeines Enteignungsgesetz gleichsam vor die Klammer der jeweiligen Sachgebiete ziehen.601 Allerdings ist der Unterschied zu den nur mitgeschriebenen Annexkompetenzen eher formaler Natur: Gesetze über das Recht der Enteignung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG, die auf Sachgebiete Bezug nehmen, für die es an der (erforderlichen) sachgesetzlichen Regelung der Enteignung fehlt, sind zwar kompetenzgemäß geltendes Recht, kommen aber nicht zur Anwendung, solange nicht der Sachgesetzgeber tätig geworden ist. Während der Erlaß des Sachgesetzes also bei der Annexkompetenz Zulässigkeitsvoraussetzung ist, handelt es sich in diesem Fall um eine Anwendungsvoraussetzung. Aus diesem sehr schwachen Unterschied mag der Befund erklärt werden, es handele sich bei Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG nicht um eine Annexkompetenz „im eigentlichen Sinne“.602 Eine gewisse Nähe zur Annexkompetenz kann dem Titel nicht vollständig aberkannt werden. So ist kaum ein Grund ersichtlich, warum nicht Annexkompetenzen zu Gesetzen „auf Vorrat“ ermächtigen können sollen, die erst bei Hinzutreten der sachgesetzlichen Hauptregelung zur Anwendung kommen.603 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 73 Rn. 722. Zum Zusammenspiel mit Art. 14 GG siehe oben D. V. 1. b) ee). 600 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 946 u. 974; Obermayer, Reform des Enteignungsrechts, S. 10; Zuleeg, DVBl. 1963, S. 320 (322). 601 Vgl. auch D. V. 1. b) ee). 602 So Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 974; für eine Annexkompetenz z. B. Labbé, AnwBl. 1989, S. 530 (532). 603 Bei nach Art. 84 Abs. 1 GG oder Art. 85 Abs. 1 GG zustimmungsbedürftigen Gesetzen wäre fraglich, wann der Bundesrat seine Zustimmung geben muß. Wenn die Annexregelung 598 599

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Dem Annex-Charakter steht entgegen, daß auch für das Enteignungsrecht des Bundes zu Sachgebieten ausschließlicher Bundesgesetzgebungskompetenz (Art. 73 GG) eine Erforderlichkeit im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG verlangt wird. Diese Erforderlichkeit weicht jedenfalls in abstracto von der Erforderlichkeit der Zugehörigkeit einer Annexregelung zur Hauptregelung ab.604 Andererseits hat Bullinger versucht, diesen letzteren Zusammenhang (zwischen Annex und Hauptmaterie im allgemeinen) gerade durch eine Analogie zu Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG und dessen Verbindung zu Art. 72 Abs. 2 GG in eine handhabbare Form zu gießen.605 Dem ist entgegenzuhalten, daß Art. 72 Abs. 2 GG nicht über die Zusammengehörigkeit einer Materie entscheidet, sondern nur darüber, in welchem Umfang eine Materie durch denselben Gesetzgeber geregelt werden kann. Die Maßstäbe des Art. 72 Abs. 2 GG knüpfen nicht primär an die Materie selbst an. Gerade die inhaltliche Beziehung zwischen Haupt- und Hilfsmaterie ist aber für den Annex charakteristisch. Eine Übertragung der Maßstäbe des Art. 72 Abs. 2 GG auf die Voraussetzungen einer Annexkompetenz erscheint damit nicht als sinnvoll. Die Anbindung der Kompetenz der Nr. 14 an Art. 72 Abs. 2 GG bringt eine konstitutive Erschwerung gegenüber einer Annexkompetenz. Das gilt jedoch nicht für Bundesenteignungsrecht zu Sachgebieten des Art. 74 GG. Denn auch bundesgesetzliche Annexregelungen aufgrund nicht ausdrücklicher Zuweisung, welche an eine Kompetenz des Katalogs in Art. 74 GG anknüpfen, müssen die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG erfüllen. Die Zuordnung der Annexregelung zu einem Kompetenztitel bedeutet, daß sie dessen Voraussetzungen für eine verfassungsgemäße Wahrnehmung ohne Ausnahme unterworfen ist. Befürwortet man, daß Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG keine Annexkompetenz positiviert, kann nicht im Umkehrschluß angenommen werden, außerhalb dieser Kompetenz gebe es keine Annexkompetenz für das Recht der Enteignung.606 Die vom Recht der Enteignung zu unterscheidende Legalenteignung fällt ohnehin in das jeweilige Sachgebiet.607 Jedoch auch für das Recht der Enteignung kann der Bundesgesetzgeber eine Annexkompetenz außerhalb der Sachgebiete der Art. 73 GG und Art. 74 GG haben, wenn die allgemeinen Voraussetzungen vorliegen. So kommt bereits auf eine konkrete Sachregelung Bezug nimmt, könnte die Zustimmung bei Erlaß der Annexregelung ausreichen. Dagegen spricht, daß das Sachgesetz selbst mit seinen Wirkungen erst später richtig eingeschätzt werden kann. Deshalb sollte der Bundesrat bei dessen Erlaß über das Verfahrens- und Organisationsrecht entscheiden müssen. 604 Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 962. 605 Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (266), der aber nur die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs zur Spezialregelung in den Blick nimmt; kritisch dagegen Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 976. 606 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 947; Obermayer, Reform des Enteignungsrechts, S. 9; Zuleeg, DVBl. 1963, S. 320 (321). 607 Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 962, der die Legalenteignung der Sachkompetenz „unmittelbar“ zuordnet und unter „Unmittelbarkeit“ versteht, daß es sich nur um einen Annex handele.

VI. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Annexes

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im Bereich der Rahmenkompetenzen des Art. 75 Abs. 1 GG eine Kompetenz des Bundesgesetzgebers zur rahmenrechtlichen Regelung des Enteignungsrechts im Annex zu den Sachmaterien in Betracht.608 Der Annex zur Rahmenkompetenz hat die Konsequenz, daß die Annexregelungen des Rechts der Enteignung ihrerseits auf Rahmenrecht beschränkt sind. Beispiel für eine solche bundesgesetzliche Regelung sind § 19 Abs. 3 und § 20 des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts. d) Strafrecht Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG verleiht die konkurrierende Kompetenz für das Strafrecht. Der Titel erfaßt nach allgemeiner Ansicht auch Regelungen des Nebenstrafrechts. Eine steuerstrafrechtliche Norm ist kompetentiell betrachtet Strafrecht und nicht Steuerrecht. Maßgeblich für die Anknüpfung ist die Art der Sanktion und nicht der kompetentielle Standort des tatbestandlich erfaßten Sachverhalts. Die Fachkompetenz erfaßt das Strafrecht demzufolge nicht im Annex.609 Problematisch ist, ob umgekehrt das Strafrecht auf Kompetenzmaterien der Länder einwirken darf. Strafrechtsnormen wirken nämlich wie sachgesetzliche Verbote.610 Das Strafrecht dürfe, so das Bundesverfassungsgericht, eine der Länderkompetenz unterliegende Materie nicht selbst regeln.611 Durch Strafbewehrung von Landesrecht darf der Bund die Kompetenz der Länder zur inhaltlichen Ausgestaltung des Landesrechts nicht beeinträchtigen oder aushöhlen.612 Eine bundesstrafrechtliche Blankettnorm, die verwaltungsakzessorisch613 zu landesgesetzlichen Genehmigungserfordernissen ist, stellt keinen kompetentiellen Übergriff dar.614 Diese Erfordernisse werden dadurch erfüllt, daß man Tatbestand und Rechtsfolge der Strafrechtsnorm separat kompetentiell qualifiziert.615 Der Landessachgesetzgeber muß nicht selbst den Tatbestand der Strafrechtsnorm erlassen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr, daß es auf die Landesgesetzgebungskompetenz gestützte landesrechtliche Gebote oder Verbote gibt, an die der Bundesstrafrechtsgesetzgeber lediglich anknüpft.616 Diese Einschränkung muß bedacht Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 965 – 971. So Oeter, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 74 Rn. 19; Maunz, in: ders. / Dürig, GG, Art. 74 Rn. 67; Kunig, in: von Münch / Kunig, GG III, Art. 74 Rn. 14; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 74 Rn. 11. 610 Vgl. Möstl, Jura 2005, S. 48 (54). 611 BVerfGE 26, 246 (258). 612 BVerfG-K, NVwZ 1993, S. 55 (56). 613 Vgl. zum verwaltungsakzessorischen Strafrecht Rühl, JuS 1999, S. 521 (528 f.). 614 Vgl. BVerfGE 23, 113 (124), im Zusammenhang mit der Deutung von Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 81. 615 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 85. 616 Vgl. zum Umweltstrafrecht BVerfGE 75, 330 (332). 608 609

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

werden, wenn es heißt, dem Strafgesetzgeber stünde die Kompetenz zur Regelung des Nebenstrafrechts frei. Die Kehrseite einer separaten kompetentiellen Zuordnung von Tatbestand und Rechtsfolge einer Strafrechtsnorm ist, daß der Sachgesetzgeber nicht im Annex die Regelung einer Strafrechtsfolge an sich ziehen kann. Der Landesgesetzgeber ist insofern auf die Wahrnehmung der konkurrierenden Kompetenz beschränkt, soweit der Bundesgesetzgeber diese nicht abschließend ausgeübt hat. Dieses Ergebnis ist nicht unbestritten. So kann man erwägen, das Strafrecht auch für einen annexweisen Zugriff des Landessachgesetzgebers zu öffnen. Dabei müssen zwei Ansätze auseinandergehalten werden. In beiden Fällen wird der Begriff des Strafrechts im Sinn von Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG enger gefaßt. Einmal wird die Menge tatbestandsmäßig durch Strafrecht regelbarer Sachverhalte beschränkt. Dann ist oft von einem Kernstrafrecht oder einem „Kernbereich kriminellen Unrechts“617 die Rede. Für die übrigen Verhaltensweisen könnte demnach der jeweilige Sachgesetzgeber, dem der Tatbestand zuzuordnen ist, im Wege des Annexes auch eine Strafvorschrift treffen.618 Der andere Ansatz ordnet dem Strafrecht im Sinne der Nr. 1 nur das Kriminalstrafrecht zu, das sich durch das Verfahren und die Art der Rechtsfolgen etwa vom Ordnungswidrigkeitenrecht, dem ehemaligen „Polizeistrafrecht“, unterscheidet. Dann fiele das Ordnungswidrigkeitenrecht als Annex unter die jeweilige Sachmaterie. Die Kategorie „Kernbereich echten Kriminalstrafrechts“ ist jedoch entbehrlich. Wer den Bundesstrafrechtsgesetzgeber mit ihrer Hilfe vom Erfordernis separater Zuordnung des Tatbestands befreien möchte, hat dafür keinen Grund. Die gleichsam bereichsunspezifisch strafwürdigen Taten knüpfen nicht an den Landeskompetenzen unterfallende Materien, sondern an kompetentiell neutrale Verhaltensweisen wie Totschlag, Raub und Betrug an.619 Eine bundesgesetzliche Normierung steht insoweit nicht unter dem Zwang zur Rücksichtnahme auf landesgesetzliche Ge- und Verbotsregelungen. Wer das Strafrecht im Sinne der Nr. 1 auf einen Kern von Straftaten beschränkt, um die außerhalb dieses Kerns gelegenen Straftatbestände für einen Annex zur Sachkompetenz freizugeben, hat eine in praxi unbegründete Sorge um die Strafrechtskompetenzen der Länder. Das Strafrecht als Annexkompetenz zur Gesetzgebungskompetenz der Länder würde den Landesgesetzgeber der Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG entziehen.620 Doch träfe dies nur für die ausschließlichen Landesgesetzgebungskompetenzen zu. Im Bereich der konkurrierenden Sachkompetenzen könnte der Bund eine Strafbewehrung oder den Verzicht auf eine Strafbewehrung seitens der Länder seinerseits aufheben, Bothe, in: AltK-GG, Art. 70 Rn. 20. So wohl Bothe, in: AltK-GG, Art. 70 Rn. 20. 619 Sollte für die Tatbestände von „Betrug“ oder „Bestechlichkeit“ die Sachkompetenz des „Rechts der Wirtschaft“ erforderlich sein, kann sie der Bundesgesetzgeber in Anspruch nehmen. 620 So Bothe, in: AltK-GG, Art. 70 Rn. 20. 617 618

VI. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Annexes

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ohne die Sachregelung selbst ändern zu müssen. Für die ausschließlichen Landesgesetzgebungskompetenzen dürfte es dem Bundesstrafgesetzgeber schwerfallen, Nebenstrafrecht der Länder über die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG zu verhindern oder abzuschaffen.621 Das Bundesverfassungsgericht hat seine den Maßstab des Art. 72 Abs. 2 GG schärfende Rechtsprechung in der Kampfhunde-Entscheidung auch auf Blankettstrafnormen des Bundes bezogen, die an Landesrecht anknüpfen.622 Deswegen besteht kein Bedürfnis, den Begriff des „Strafrechts“ künstlich zu verengen. Die Relevanz der Rechtsfolge für die kompetentielle Qualifikation würde durch eine derartige Orientierung am tatbestandlichen Verhalten und seiner sozialethischen Beurteilung entwertet werden. Der Kernbereich des Strafrechts ist zudem eine materiell-rechtliche Terminologie des Bundesverfassungsgerichts, um den in Art. 92 GG verwurzelten Vorbehalt zugunsten der rechtsprechenden Gewalt für das Strafrecht (im engeren Sinne) gegenüber dem Ordnungswidrigkeitenrecht abzuschichten.623 Diese Unterscheidung angesichts des Art. 92 GG zwingt nicht dazu, das Strafrecht im Sinn des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG mit dem engeren Begriff gleichzusetzen, wie das Bundesverfassungsgericht ihn für den Richtervorbehalt konturiert hat. Der zweite Ansatz zielt von vornherein auf die Ausgliederung des Ordnungswidrigkeitenrechts aus dem Strafrecht im Sinn von Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Das Bundesverfassungsgericht hat das Ordnungswidrigkeitenrecht jedoch der Strafrechtsmaterie zugeschlagen.624 Bullinger ist dem mit der Überlegung entgegengetreten, der Wandel des Verwaltungs- bzw. Polizei-Strafrechts zum Ordnungswidrigkeitenrecht unterwürfe dieses einer Hilfszuständigkeit für die jeweilige Sachmaterie.625 Der Sachzusammenhang mit der Strafrechtskompetenz sei dadurch geschwächt, der Sachzusammenhang zu den jeweiligen Sachgebieten hingegen gestärkt worden.626 Ein allgemeiner Teil des Ordnungswidrigkeitenrechts könne beim Bundesstrafrechtsgesetzgeber verbleiben.627 Ob sich diese Unterscheidung rechfertigen läßt, erscheint zweifelhaft. Wenn das Ordnungswidrigkeitenrecht Annex der Sachmaterie sein soll, da es sich im Wege des Wandels der Eingriffsschärfe weiter von einem verfassungsrechtlichen Begriff des Strafrechts entfernt hat, gilt dies auch für einen „Allgemeinen Teil“ dieses Rechtsgebiets.

621 622 623 624 625 626 627

So auch Oeter, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 74 Rn. 20. BVerfG, NVwZ 2004, S. 597. Krit. Pestalozza, NJW 2004, S. 1840 (1843 f.). Vgl. BVerfGE 27, 18 (28 f.). BVerfGE 27, 18 (32 f.); 29, 11 (16); 31, 141 (144). Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (263 u. 257 f.). Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (257 f.). Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (258 u. 263).

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

e) Umkehrschlüsse In Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG wird die „Erhebung und Verteilung von Gebühren für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen“ ausdrücklich genannt. Doch folgt daraus nicht im Umkehrschluß, die anderen Kompetenzen enthielten nicht im Annex die Kompetenz zur Gebührenregelung.628 Auch die Kompetenz für Sonderabgaben ist aus Nr. 22 nicht durch die ausdrückliche Erwähnung der Benutzungsgebühren ausgeschlossen.629 Die Kompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG betrifft mit den Beihilfen (zur Ausbildung) und der Förderung (der wissenschaftlichen Forschung) zwei Bereiche, die man leichthin als Annex der jeweiligen Sachgebiete ansehen würde. Aus Nr. 13 muß gefolgert werden, daß die Beihilfe im Ausbildungsbereich nicht schon einem Sachgebiet wie etwa dem Arbeitsrecht zuzuordnen ist.630 Ebenso scheint aus der Bestimmung zu folgen, daß sich die Kompetenz zur Ausgestaltung der wissenschaftlichen Forschung nicht schon mit der Kompetenz zu deren Förderung verbindet. Von diesen Sachgebieten sind also Beihilfe- und Förderungsregelungen von vornherein abzuziehen.631 Sie werden auch von etwa bestehenden ausschließlichen Ländergesetzgebungskompetenzen in diesem Bereich nicht per Annex erfaßt. Diese Konsequenz relativiert sich dadurch, daß einerseits die „Sachkompetenzen“ in bezug auf die wissenschaftliche Forschung Regelungen mit sich bringen, die auch als „Förderung“ im weiteren Sinne verstanden werden können. Schon die Ermöglichung von Forschung kann als deren Förderung beschrieben werden. Andererseits wird eine bundesgesetzliche Regelung der Förderung in der Gesetzgebungspraxis kaum andersartige Förderungsmaßnahmen der Länder im Sinne von Art. 72 Abs. 1 GG sperren. Umgekehrt darf durch Förderung der wissenschaftlichen Forschung nicht die wissenschaftliche Forschung inhaltlich oder strukturell geregelt werden, wie es ausschließlich dem Sachgesetzgeber zusteht. Der Bundes-Förderungsgesetzgeber muß sich inhaltlicher Gestaltung enthalten. Hier könnten hilfsweise die Maßstäbe herangezogen werden, die das Bundesverfassungsgericht für Finanzhilfen des Bundes zugunsten der Länder aufgrund von Art. 104 a Abs. 4 GG entwickelt hat.632 Hat man diese Trennungslinie gezogen, kann es für die Förderung der universitären Forschung nicht mehr auf die Spezialität des Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 a GG ankommen. Denn es wird vertreten, daß die Beschränkung des Bundes auf die Rahmenkompetenz dem auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG gestützten Bundesgesetzgeber Ein628 Zur Frage, inwieweit die Regelung eine Annexkompetenz nur deklaratorisch und inwieweit sie (für Straßen der Länder) konstitutiv ist, vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1633 u. 1637; a. A. Jachmann, NVwZ 1992, S. 932 (936 mit Fn. 63). 629 Vgl. Jachmann, NVwZ 1992, S. 932 (936 f.); mit guten Gründen dagegen Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1626. 630 Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 912. 631 So auch Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 912. 632 Vgl. BVerfGE 39, 96 (120); 41, 291 (311).

VI. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Annexes

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griffe in Hochschulstrukturen verbiete.633 Es handelt sich jedoch nicht um eine auf der Rechtsfolge basierende Spezialität, sondern schon der Sachbereich Förderung der wissenschaftlichen Forschung erlaubt keine inhaltliche Regelung des Hochschulwesens.

5. Beispiele mitgeschriebener Annexkompetenzen Das Bundesverfassungsgericht hat oft auf die Figur des Annexes zu einer Gesetzgebungskompetenz zurückgegriffen. Die Literatur hat für die Zuordnung keine geeigneteren Kriterien angeboten. Allerdings ist Bullinger recht zu geben, daß das allgemeine Recht der Gefahrenabwehr, das Polizei- und Ordnungsrecht, eine selbständige Materie darstellt, so daß die Übergriffe des Sachgesetzgebers auf die Materie „Ordnungsgewalt“ als Spezialregelungen kraft Sachzusammenhangs bzw., einfacher ausgedrückt, als Regelungen kraft spezieller Gesetzgebungskompetenz gesehen werden müssen. Die Figur des Annexes paßt insofern nicht. Eine fundamentale Kritik Pestalozzas zielt auf den Umstand, daß mittels des Annexes Kompetenzen jenseits des Wortlauts geschaffen werden.634 Ihr wird an späterer Stelle nachgegangen.635 Daneben ist die Anwendung des Annexes in der Funktion eines Behelfs zur Auslegung der ausdrücklich zugewiesenen Kompetenzen methodisch und verfassungsrechtlich weitgehend unbedenklich. Der Annex erschließt den „Allgemeinen Teil“ einer Gesetzgebungskompetenz,636 der strukturell ähnlich in den verschiedenen Sachmaterien vorkommt und benötigt wird. a) Die Ordnungsgewalt Die Ordnungsgewalt, die das Bundesverfassungsgericht früher mit Polizeigewalt gleichgesetzt hat, stehe ebenfalls im Annex zu demjenigen Sachgebiet, auf dem der Gesetzgeber tätig werde.637 Die entsprechenden Ausführungen im Baurechtsgutachten sind ständige Rechtsprechung geworden: „Soweit der Bund ein Recht zur Gesetzgebung auf bestimmten Lebensgebieten hat, muß er daher auch das Recht haben, die dieses Lebensgebiet betreffenden spezial-polizeilichen Vorschriften zu erlassen.“ Vorliegend ging es um die Bundeskompetenz für ein umfassendes Baupolizeirecht, die das Gericht ablehnte, da der umfassende Begriff des Bauwesens nicht in Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG aufgenommen worden ist. Allerdings dürfe 633 Oeter, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 74 Rn. 121; Rengeling, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 100 Rn. 194; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 74 Rn. 56; Maunz, in: ders. / Dürig, GG, Art. 74 Rn. 182; wie hier Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 913. 634 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 112. 635 Siehe unten D. VI. 7. c). 636 So treffend Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 116 in Fn. 162. 637 BVerfGE 3, 407 (433 f.).

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

der Bund spezifisch das Wohnungswesen betreffende baupolizeiliche Vorschriften erlassen, weil das Wohnungswesen vom Bund geregelt werden kann.638 Im übrigen sei das Baupolizeirecht eine Rechtsmaterie für sich, die eine Landeskompetenz bildet. Das Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist Annex zum Recht der Wirtschaft, wenn es sich auf das Recht der Wirtschaft bezieht.639 Eine Grenze ist da erreicht, wo der Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausschließlicher oder doch hauptsächlicher Zweck der betreffenden Regelung ist.640 Der Schutz der Spieler vor strafbarer Ausbeutung ihrer Spielleidenschaft sowie die Abschöpfung wesentlicher Teile der Bankgewinne für gemeinnützige Zwecke stünden so im Vordergrund, daß das Bundesverfassungsgericht den Spielbankenbetrieb nicht als wirtschaftlichen Vorgang betrachten will. Wirtschaftliche Aspekte seien Rand- und Folgeerscheinungen des Spielbankenbetriebs. Genauer müßte man auf die jeweiligen Regelungen des Spielbankenbetriebs und nicht auf den geregelten Sachbereich abstellen. Die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Fernmeldeanlagengesetz (FAG) ermächtigte die Genehmigungsbehörde für Fernmeldeanlagen, der Genehmigung besondere Verleihungsbedingungen hinzuzufügen, die das im öffentlichen Interesse bestehende Fernmeldemonopol des Bundes zu schützen helfen sollten. Daher sollten auch Auflagen auf § 2 Abs. 2 FAG gestützt werden können, die das Abhören von Polizeifunk untersagen oder die Übermittlung von Nachrichten verbieten, deren Inhalte die staatliche Sicherheit gefährden oder gegen Gesetze, die öffentliche Ordnung oder gute Sitten verstoßen.641 Die zugrunde liegende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für diese Auflagen (§ 2 Abs. 2 FAG) falle noch unter die Bundeskompetenz des Art. 73 Nr. 7 GG642. Normen, die der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in einem bestimmten Sachbereich dienten, seien „jeweils dem Sachbereich zuzurechnen, zu dem sie in einem notwendigen Zusammenhang stehen“.643

BVerfGE, 3, 407 (433 f.). BVerfGE 8, 143 (149 f.); auf dieser Linie auch BVerwGE 9, 293 (297); 96, 302 (306). 640 BVerfGE 28, 119 (146 – 149). 641 Vgl. BVerfGE 78, 374 (386 f.). 642 Zur Zeit der Entscheidung (1988) Post- und Fernmeldewesen, seit 1994 Postwesen und Telekommunikation. 643 BVerfGE 78, 374 (386 f.), mit Hinweis auf BVerfGE 8, 143 (150). Der Begriff des „Annexes“ fällt allerdings nicht; Pestalozza (Grundgesetz, Art. 70 Rn. 117 in Fn. 163) sieht sich dadurch in der Annahme bestätigt, daß es um Kompetenzbegründung, nicht um Kompetenzergänzung gehe. 638 639

VI. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Annexes

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b) Nicht-steuerliche Abgaben Die Gebührenhoheit fällt unter die Sachkompetenz für die gebührenpflichtigen Tatbestände.644 Aus der ausdrücklichen Erwähnung der Gebührenregelung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG kann nicht der Umkehrschluß gezogen werden, ansonsten beinhalte die Sachkompetenz nicht die Kompetenz zur Gebührenregelung.645 Das Bundesverwaltungsgericht hat die Luftsicherheitsgebühr unter den Annex zur Gesetzgebungskompetenz für den Luftverkehr646 eingeordnet.647 Dabei zog es zusätzlich Art. 85 Abs. 1 GG und Art. 87 d GG heran.648 Die Gebührengesetzgebungskompetenz stehe im Annex zum jeweiligen Verwaltungsverfahrens- und Ordnungsrecht. Die Gesetzgebungskompetenz für die Gebührenregelung folgt aber nicht der Ertragskompetenz, die sich ihrerseits aus der Verwaltungskompetenz ergibt. Damit trägt die Gebührengesetzgebungskompetenz auch keine abweichende Regelung der Ertragskompetenz. In der Entscheidung zum Hessischen Ortsgerichtsgesetz wird die Gebührenregelung dem Bürgerlichen Recht zugeschlagen.649 Der Titel für das Bürgerliche Recht umfasse alle herkömmlich zivilrechtlichen Normen und damit auch das zur Freiwilligen Gerichtsbarkeit gehörende gerichtliche Beurkundungswesen. Der Gesetzgeber des bürgerlichen Rechts könne regeln, welche Gerichte Beurkundungen vorzunehmen haben, und kraft Sachzusammenhangs dürfe er die für diese Tätigkeit anfallenden Gebühren festsetzen. Im zu entscheidenden Fall war der Landesgesetzgeber zuständig, weil das Bundesrecht insoweit keine Sperrwirkung besaß. aa) Regelung des Versteigerungsverfahrens für UMTS-Lizenzen Der Annex bezieht über die Gebühren hinaus die Regelung aller nicht-steuerlichen Abgaben ein: So werden auch die Beiträge von der Sachgesetzgebungskompetenz erfaßt. Dasselbe trifft auf die Sonderabgaben zu, die per definitionem einen sachregelnden Charakter haben.650 Die Regelung des Versteigerungsverfahrens gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 1. Alt., Abs. 4 TKG zur Verteilung der sogenannten UMTS-Lizenzen651 gehört zur KomBVerfGE 26, 338 (388); BVerwGE 95, 188 (192 f.). Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 116 in Fn. 162. 646 Art. 73 Nr. 6 GG. 647 BVerwGE 95, 188 (192 f.). 648 BVerwGE 95, 188 (192 f.). 649 BVerfGE 11, 192 (199); Bullinger (AöR 96 [1971], S. 237 [262 f.]) nennt diese Entscheidung daher einen vom Gericht praktizierten „unbenannten oder formelfreien“ Sachzusammenhang. 650 So die Erklärung von Stettner, Grundfragen, S. 433; ders., DVBl. 1981, S. 376 f. Vgl. im einzelnen Schiller, Sonderabgaben, S. 91 ff. 651 UMTS ist die Abkürzung für Universal Mobile Telecommunication System. 644 645

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

petenz des Sachgesetzgebers.652 Da es keinen materiell-rechtlichen und auch keinen kompetenzrechtlichen Numerus clausus der Abgabenarten gibt,653 muß lediglich vom verfassungsrechtlichen Begriff der Steuer abgeschichtet werden, weil insoweit Art. 105 GG lex specialis zu den Sachgesetzgebungskompetenzen ist. Hält man die Versteigerungserlöse für die Erträge einer verfassungswidrigen Verleihungsgebühr,654 ist dies keine Frage der kompetentiellen Zuordnung. Das gilt auch, wenn die Verfassungswidrigkeit einer Verleihungsgebühr auf die Störung der Wirtschaftskraft als steuerlicher Bemessungsgrundlage gestützt wird.655 Die kompetentielle Zuordnung einer Abgabenvorschrift kann nicht deren materiell-rechtliche Rechtfertigung vorwegnehmen.656 bb) Die Verrechnung von Maut-Abgaben und Mineralölsteuer Die alte Bundesregierung beabsichtigte, die Lkw-Maut zur Benutzung der Bundesautobahnen mit der Mineralölsteuer zu verrechnen.657 Dabei stellte sich die Frage, ob die Regelung einer zeitlichen Befristung der Mautverrechnung mit der Mineralölsteuer der Zustimmung des Bundesrates bedarf.658 Wenn Private die Aufgabe des Neu- sowie Ausbaus von Bundesfernstraßen mit Hilfe des Instruments der Gebührenerhebung wahrnehmen können dürfen, soll die Befugnis zur Gebührenerhebung durch Beleihung übertragen werden. Dies hat die Konsequenz, daß es sich um Gebühren für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG handelt.659 Gemäß Art. 105 Abs. 3 GG bedürfen lediglich solche Bundesgesetze über Steuern der Zustimmung des Bundesrates, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt. Die Mineralölsteuer ist eine Verbrauchsteuer, deren Aufkommen dem Bund nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG alleine zu652 BVerfGE 105, 185 (193) hat nur zur Frage der Ertragszuständigkeit Stellung genommen: Für Einnahmen, die nicht aus Steuern und Finanzmonopolen stammen, bei denen vielmehr ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Erfüllung einer bestimmten öffentlichen Aufgabe oder Tätigkeit besteht, folge die Ertragszuständigkeit der jeweiligen Verwaltungszuständigkeit für die Sachaufgabe, für die die Abgabe erhoben wird. 653 Vgl. K. Vogel, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 87 Rn. 46 mit Fn. 178. 654 Wie z. B. Becker, DÖV 2003, S. 177 (180). 655 In diese Richtung Becker, DÖV 2003, S. 177 (178). 656 Die vielfältigen kompetentiellen Anforderungen an den Abgabentypus der „Sonderabgabe“ gehören zum materiellen Verfassungsrecht, sofern sie nicht gerade die den verfassungsrechtlichen Steuerbegriff ausschließenden Merkmale betreffen; vgl. in diesem Sinne Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 116 in Fn. 162: „Überfrachtung des Kompetenzthemas mit Steuerkonkurrenz- und Grundrechtsaspekten“. 657 Vgl. Jochum, NJW 2005, Heft 7, S. III (Editorial). Die EG-Kommission sieht darin eine Diskriminierung ausländischer Spediteure. 658 Siehe F.A.Z. Nr. 177 vom 2. 8. 2003, S. 11. 659 So schon die Bundesregierung in BT-Drs. 12 / 6884, S. 6; kritisch Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1621.

VI. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Annexes

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steht. Wenn somit weder die Steuer- noch die Sachgesetzgebungskompetenz eine Zustimmungsbedürftigkeit statuiert, kann sie auch nicht für den Grenzbereich beider Kompetenzen angenommen werden. Wenn die Konstellation hingegen so liegt, daß das Bundessteuergesetz der Zustimmung bedarf, die Sachregelung hingegen nicht, wird eine eindeutige Zuordnung der eine Verrechnung vorsehenden Vorschrift notwendig. So steht das Aufkommen der Kraftfahrzeugsteuer gemäß Art. 106 Abs. 2 Nr. 3 GG den Ländern zu,660 so daß ein Bundesgesetz über diese Steuer nach Art. 105 Abs. 3 GG der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Teilweise wird angenommen, in einer vom Gesetzgeber so bezeichneten Kraftfahrzeugsteuer könne ein Ausgleich für die Benutzung von Straßen enthalten sein, so daß die Abgabe nicht mehr voraussetzungslos geschuldet werde und insoweit Gebühr, nicht Steuer sei.661 Dem kann nicht gefolgt werden. Der Kraftfahrzeugsteuer soll der Äquivalenzgedanke zugrunde liegen, da sie einen Ausgleich für die Beanspruchung öffentlicher Straßen schaffe.662 Insofern besteht gerade kein Unterschied zur Gebühr. Jedoch wird die Steuer nicht nach dem Umfang der Benutzung bemessen.663 Die Steuer knüpft an das Kraftfahrzeug und dessen Eigenschaften an. Wenn die Benutzung zur Grundlage der Abgabenbemessung gemacht wird, handelt es sich um eine Gebühr. Beide können anhand des gesetzlichen Tatbestands deutlich voneinander geschieden werden. Sollte der Gesetzgeber eine Regelung schaffen, durch die ein Anspruch auf Erstattung oder Vergütung von Kraftfahrzeugsteuer für den Fall der Entrichtung einer Straßenbenutzungsgebühr begründet wird, muß diese als „Steuergesetz“ qualifiziert werden. Die Vorschrift würde sich regelnd lediglich auf die Steuerschuld auswirken und ist damit ähnlich wie eine Steuerbefreiungsnorm Steuerrecht. Der Umstand, daß die Regelung der der Bemessungsgrundlage zugehörigen Aspekte einer anderen (Sach-) Gesetzgebungskompetenz unterfällt, ist wie stets für die kompetentielle Qualifikation irrelevant. Damit ist die entsprechende Vorschrift gemäß Art. 105 Abs. 3 GG zustimmungsbedürftig. Sie nimmt unmittelbar Einfluß auf das den Ländern zufließende Steueraufkommen. Wenn umgekehrt die geleistete Kraftfahrzeugsteuer auf die Straßenbenutzungsgebühren angerechnet wird, handelt es sich um eine gebührenrechtliche Regelung, die dem Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG unterfällt.

660 Wegen des Bezugs zum regionalen Verkehrsaufkommen – Schwarz, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 106 Rn. 55. 661 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1622, der die Abgabe in einen Steuer- und einen Gebührenanteil aufspalten will. Die mit Wirkung zum 1. 4. 1994 gesenkte Kraftfahrzeugsteuer enthalte wohl keinen Gebührenanteil mehr. 662 So Reiß, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 15 Rn. 48. 663 Reiß, in: Tipke / Lang, Steuerrecht, § 15 Rn. 48.

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

c) Regelung der Verwaltungskosten Der jeweilige Sachgesetzgeber ist kompetent, Gebührentatbestände zu schaffen, die auch Einrichtungen des jeweils anderen Hoheitsträgers erfassen und zur Entrichtung der Abgabe verpflichten. Einen anderen Fall betraf das Eisenbahnkreuzungs-Urteil des Bundesverfassungsgerichts.664 Der Bundesgesetzgeber hat in § 13 Abs. 1 des Gesetzes über Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen (EKreuzG) Kostenregelungen für Maßnahmen an sich mit Straßen kreuzenden Eisenbahnen, also an Bahnübergängen, getroffen. § 3 EKreuzG sieht als Maßnahmen die Beseitigung, Entlastung, Sicherung oder Überführung von Kreuzungen vor. Die genannte Kostenregelung ordnet den Beteiligten je ein Drittel der Kosten zu, das letzte Drittel trägt der Bund bei Kreuzungen mit dem Schienenweg einer Eisenbahn des Bundes, sonst das Land. Das Bundesverfassungsgericht sah die Kompetenz für eine solche Regelung der Verwaltungskosten in Art. 73 Nr. 6 GG (seit 1993 Art. 73 Nr. 6 a GG) bzw. Art. 74 Abs. 1 Nr. 23 GG.665 Diese Zuordnung entscheidet nicht über die materielle Verfassungsmäßigkeit einer solchen Kostentragungsregelung. Für deren Prüfung ist das Konnexitätsprinzip des Art. 104 a Abs. 1 GG samt der nachfolgend geregelten Ausnahmen maßgeblich. Das Bundesverfassungsgericht verwies auf diese noch nicht in Kraft getretene Vorschrift, hielt sich im übrigen an die inhaltsgleiche Regelung des Art. 106 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 GG a. F.666 Die Beseitigung, Entlastung oder Veränderung eines Bahnübergangs einer Eisenbahn des Bundes unterfällt laut Bundesverfassungsgericht der Bundesverwaltungskompetenz.667 Daher mußte der Bund die Kosten tragen und konnte sie nicht einmal teilweise auf die Länder überwälzen. d) Bodenbewertung Das Bundesverfassungsgericht hat im Baurechts-Gutachten die Bodenbewertung als unselbständige Materie qualifiziert, da sie keinen Selbstzweck darstelle.668 Sie sei vielmehr der Kompetenz zu derjenigen Materie zuzuordnen, mit der sie in einem Zusammenhang stehe. Neben der Zuordnung zum Bodenrecht erforderten auch Vermögen-, Grund- und Grunderwerbsteuer eine Bodenbewertung.

664 BVerfGE 26, 338; Stettner, Grundfragen, S. 433, ordnet die Kostenregelung fälschlich der Fallgruppe „Gebührenhoheit“ zu. 665 BVerfGE 26, 338 (387 – 389). 666 BVerfGE 26, 338 (389 – 391). Die Entscheidung erging am 12. 5. 1969; Art. 104 a GG trat am 1. 1. 1970 in Kraft. 667 BVerfGE 26, 338 (390). 668 BVerfGE 3, 407 (428 f.), allerdings ohne den Begriff „Annex“; vgl. aber zur Einordnung Stettner, Grundfragen, S. 433.

VI. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Annexes

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e) Volksbefragung Ein Gesetz über Statistik gewinnt seinen Sinn erst aus dem Zusammenhang mit dem Gegenstand der Statistik.669 Dies entnimmt das Bundesverfassungsgericht dem Art. 73 Nr. 11 GG. Es wendet diesen Zusammenhang auf den Fall von Volksbefragungsgesetzen über die Bewaffnung der Bundeswehr an.670 Diese regelten keinen Lebensbereich im Sinne der Gegenstände der Katalogkompetenzen, sondern nur einen einmaligen Vorgang, da es sich nicht um ein Gesetz über Volksbefragungen als solche handelte.671 Zu der einzelnen inhaltlich festgelegten Befragung stünden die Landesgesetze in einem notwendig inneren Zusammenhang, so daß ihre rechtliche Beurteilung aus der Volksbefragung folgt.672 Weil die Angelegenheiten der Bundeswehr zur ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes ressortieren,673 war der Landesgesetzgeber unzuständig. Die Begründung des Gerichts würde auch auf ein Volksbefragungsgesetz eines Landes zutreffen, dessen Fragegegenstand in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes, aber in der Verwaltungskompetenz der Länder steht. Denn die Volksbefragung sollte Einfluß auf die parlamentarische Willensbildung nehmen und berührte damit – als vorbereitende politische Willensbildung – die Gesetzgebungskompetenz. f) Planung Die Planung zählt zum von der Planung betroffenen Sachgebiet.674 Unproblematisch ist das Verhältnis der vorbereitenden zur verbindlichen Planung im Bodenrecht.675 Die Materie Bodenrecht erfaßt jedenfalls die Vorschriften für die Aufstellung eines für die Eigentümer der betroffenen Grundstücke verbindlichen Bebauungsplans.676 Die Aufstellung vorbereitender Pläne, die eine Flächenaufteilung im großen vornehmen, ohne schon für die Grundstückseigentümer verbindlich zu sein, sondern die nur innerhalb der Verwaltung Wirkungen entfalten, kann eine notwendige Voraussetzung für die richtige Erfüllung der nach außen verbindlichen Planung sein.677 Beide hängen insofern untrennbar zusammen und bilden nach AnBVerfGE 8, 104 (119). Die Länder Hamburg und Bremen hatten im Jahr 1958 Volksbefragungsgesetze erlassen, um die Bevölkerung nach ihrer Einstellung zur Bewaffnung der deutschen Bundeswehr mit Atomwaffen, zu deren Lagerung und zur Errichtung von Abschußbasen für Atomwaffen auf dem Bundesgebiet zu befragen. 671 BVerfGE 8, 104 (110 f. und 118). 672 BVerfGE 8, 104 (111). 673 Art. 73 Nr. 1 GG. 674 Vgl. Stettner, Grundfragen, S. 433; Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 116 in Fn. 162. 675 Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG. 676 BVerfGE 3, 407 (424 f.). 677 BVerfGE 3, 407 (424 f.). 669 670

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

sicht des Bundesverfassungsgerichts eine einheitliche Materie. Dabei folge diese Kompetenz nicht aus dem Sachzusammenhang, „sondern die Materie „Bodenrecht“ wird in der speziellen Richtung auf das Planungsrecht ausgelegt“.678 g) Sonderfälle aa) Presserecht und Strafrecht Der Gedanke des „Annexstrafrechts“ soll es rechtfertigen, daß die Verjährung von Pressedelikten dem Presserecht zugeordnet wird.679 Wenn allerdings das Strafrecht annex-resistent ist, kann dieser Erklärung nicht gefolgt werden. Auch der von Bothe gezogene Vergleich zur Zuordnung des Zeugnisverweigerungsrechts für Journalisten zum Strafverfahrensrecht, bei dem ein Annex des Gerichtsverfahrensrechts zum Presserecht abwegig sei,680 überzeugt nicht. Denn gerade die Regelung der Verfolgungsverjährung hat starke Bezüge zum Verfahrensrecht.681 bb) Das Nebeneinander besonderen Gefahrenabwehrrechts Die Kompetenz für spezielles Polizeirecht bzw. die Ordnungsgewalt auf bestimmten Sachgebieten kann wiederum an anderes spezielles Gefahrenabwehrrecht grenzen. Wenn zwei Sachbereiche derart aufeinander treffen, spielt das Argument des Annexes jedenfalls keine Rolle mehr. Es müssen Kriterien für eine Spezialität zwischen den Sachbereichen gefunden werden. So gehört die Gefahrenabwehr zum Kompetenztitel des Luftverkehrs in Art. 73 Nr. 6 GG. Diese wird entweder unmittelbar682 oder in einigen Bereichen im Annex683 dem Sachtitel zugeordnet. Unterschieden werden kann danach, ob die Gefahr dem Luftverkehr oder einem anderen Rechtsgut durch den Luftverkehr droht. Wenn die Gefahr dem Luftverkehr droht, kann die Gefahrenquelle innerhalb des Luftverkehrs oder außerhalb liegen. Die kompetentielle Qualifikation eines Gesetzes kann je nach Anknüpfung differieren. Wenn die Gefahr vom Luftverkehr ausgeht, ist eine gefahrenabwehrrechtliche Norm der Nr. 6 zu subsumieren, sofern die Gefahrenquelle maßgeblich sein soll.684 Irrelevant ist dann, ob das zu schützende Rechtsgut der Luftverkehr selbst ist oder außerhalb liegt. Diese Motivation der gefahrenabwehrrechtlichen Regelung ist dann kompetenzrechtlich ohne Bedeutung. Wenn die Gefahr dem Luftverkehr droht, ist eine Sicherheitsvorkehrung im Be678 679 680 681 682 683 684

BVerfGE 3, 407 (424 f.). So Bothe, in: AltK-GG, Art. 70 Rn. 20, zu BVerfGE 7, 29. Bothe, in: AltK-GG, Art. 70 Rn. 20. Vgl. BVerfGE 25, 269 (278 ff.). Vgl. etwa Mechlem, Rechtsgrundlagen, S. 24 – 26. Siehe Schneider, Die Abwehr äußerer Gefahren im Luftverkehr, S. 14 – 18. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 73 Rn. 346.

VI. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Annexes

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reich des Luftverkehrs der Nr. 6 zuzuordnen, auch wenn die Gefahrenquelle von außen kommt wie im Falle von Passagier- und Gepäckkontrollen.685 Wenn die Norm an einer Gefahrenquelle außerhalb des Luftverkehrsbereichs anknüpft (etwa durch Verbote und Eingriffsbefugnisse), ist sie dem Sachgebiet der Gefahrenquelle zuzuordnen.686 Wenn verschiedene spezielle Gefahrenabwehrmaterien kollidieren, ist darauf abzustellen, was die kompetentiell zu qualifizierende Norm gebietet oder verbietet. Der Gebots- oder Verbotsgegenstand entscheidet über die Zuordnung, während der Schutzzweck nicht ins Gewicht fällt. cc) Die Bundestreue als Ersatz für eine annexweise Zuordnung besonderen Gefahrenabwehrrechts687 Die Gesetzgebungskompetenz für die Eisenbahnen des Bundes in Art. 73 Nr. 6 a GG umfaßt nach allgemeiner Ansicht die Regelung der Bahnpolizei.688 Das Bauordnungsrecht der Länder oder der Denkmalschutz verfolgen ihrerseits spezialgefahrenabwehrrechtliche Ziele. Die Bundesverwaltungskompetenzen (vgl. Art. 87 e GG) im Bereich der Eisenbahn fügen der Problematik einen weiteren Aspekt hinzu. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts erfaßt die Gesetzgebungskompetenz des Bundes alle für die Aufrechterhaltung und Durchführung der herkömmlich von der Bahn betriebenen Dienste unerläßlichen Fragen.689 So soll der „Kernbereich“ des Bundeseisenbahnwesens dem Landesgesetzgeber verschlossen bleiben.690 Die Gebührenpflichtigkeit der Bundeseisenbahn für Amtshandlungen nach Landesrecht fallen nicht – auch nicht kraft Sachzusammenhangs – unter Art. 73 Nr. 6 a GG.691 Das Bundesbahngesetz soll teilweise Bauordnungsrecht der Länder verdrängen.692 Da Nr. 6 a sich auf den Bau von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes erstreckt, hat der Bund eine ausdrückliche Gesetzgebungskompetenz in diesem Bereich und ist nicht auf eine fragwürdige Annexkompetenz angewiesen. Im BePestalozza, Grundgesetz, Art. 73 Rn. 345. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 73 Rn. 345. 687 Ausführlich zur Bundestreue unten G. I. 2. 688 Maunz, in: ders. / Dürig, GG, Art. 73 Rn. 109; Bothe, in: AltK-GG, Art. 73 Rn. 17; Rengeling, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 100 Rn. 90; differenzierend Blau, Bahnpolizei, der die Betriebsaufsicht wegen deren technischer Bezüge zum Eisenbahnwesen Art. 73 Nr. 6 a GG im Annex zuschlagen will, soweit es um die Abwehr der vom Bahnverkehr ausgehenden Gefahren geht (S. 61 f.), die Abwehr der von außen kommenden Gefahren für den Bahnverkehr aber der Materie des Landespolizeirechts zuordnet (S. 63 – 67). 689 So BVerfGE 26, 281 (298). 690 BayObLG, BayVBl. 1957, S. 295 (296). 691 BVerfGE 26, 281 (299 – 301). 692 OVG NRW, DÖV 1974, S. 564, zu § 38 BundesbahnG; Küchler, DÖV 1977, S. 187. 685 686

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

reich des Denkmalschutzes693 fehlt es an einer solchen ausdrücklichen Bundeskompetenz. Der Denkmalschutz kann nicht die Durchführung oder Aufrechterhaltung der Bahndienste ermöglichen. Die Anwendung seiner Vorschriften kann sie höchstens verhindern. Der Denkmalschutz ist auch in bezug auf Bahnanlagen Ländersache. Bei der Anwendung der allgemeinen Denkmalschutzbestimmungen sind bahnrechtliche Besonderheiten zu beachten, wie das Eisenbahnrecht seinerseits für denkmalschutzrechtliche Belange offen sein muß.694

6. Rechtsfolgen Wenn eine Annexmaterie zu einer Sachmaterie existiert, kann der Sachgesetzgeber Annexregelungen treffen. So darf der Bundesgesetzgeber Bahnpolizeiliches regeln. Er verdrängt insoweit das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht der Länder. Der Vorrang ergibt sich aus der Spezialität der Gesetzgebungskompetenz und nicht aus Art. 31 GG.695 Es handelt sich nicht um „Doppelzuständigkeiten“.696 Das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht findet lediglich Anwendung auf die Eisenbahnen des Bundes. Bei seiner Anwendung müßten (etwa im Rahmen des Ermessens) bahnrechtliche Besonderheiten berücksichtigt werden. Darüber hinausgehende, auf die Besonderheiten der Bahn zugeschnittene Eingriffsbefugnisse oder Zuständigkeiten in Abweichung vom allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht wären allerdings unzulässiges Sonderrecht. Fraglich ist, ob das Landesrecht noch neben dem bundesgesetzlichen Bahnpolizeirecht Anwendung finden kann, wenn der Bundesgesetzgeber dieses nur unvollständig geregelt hat. Diese Frage ist zu bejahen. Das Verhältnis ist insofern ähnlich wie bei einer konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz und der Sperrwirkung einer abschließenden Bundesregelung. Allerdings können Bundesbehörden nicht Landesgesetze ausführen. Die Landesbehörden bleiben zuständig. Wenn das Bundesgesetz in bundeseigener Verwaltung ausgeführt wird, kommt es daher zu einem Nebeneinander von Bundes- und Landesbehörden. Doch kann dies keine Bedeutung für die Beurteilung der Frage haben, ob der Bundesgesetzgeber abschließend von seiner Annexkompetenz Gebrauch gemacht hat.

Vgl. z. B. Klein, DÖV 1977, S. 194. Wie etwa in § 36 Abs. 1 S. 2 u. 3 BBahnG a. F.; siehe dazu Pestalozza, Grundgesetz, Art. 73 Rn. 364 in Fn. 488. Die Vorschrift wurde durch das Eisenbahnneuordnungsgesetz vom 27. 12. 1993 (BGBl. I, S. 2378) mit Wirkung zum 1. 1. 1994 außer Kraft gesetzt. Vgl. zum Verhältnis der Planfeststellung nach § 36 BBahnG und dem Landesdenkmalschutzrecht auch BVerwG, NVwZ 1984, S. 723. 695 Unzutreffend Bothe, in: AltK-GG, Art. 70 Rn. 24: Im Falle bundesrechtlichen Sonderrechts sei die Wirkung des Grundsatzes der Spezialnorm identisch mit Art. 31 GG. 696 So aber Bothe, in: AltK-GG, Art. 70 Rn. 21 – 24. 693 694

VI. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Annexes

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7. Die Annexkompetenz für das Verfahrens- und Organisationsrecht a) Das Verhältnis von Sach- und Verfahrensgesetzgebungskompetenz Das Verfahren dient der Gesetzesausführung.697 Aus diesem Grund wird das Verfahrensrecht gegenüber dem auszuführenden Recht als dienend angesehen. Von daher wird geschlossen, daß auch die Kompetenz für das Verfahrensrecht gegenüber der Kompetenz für das auszuführende Recht eine dienende Stellung einnimmt. Das Bundesverfassungsgericht hat dies zum Anlaß genommen, die Kompetenz für das Verfahrensrecht als einen Annex der Sachgesetzgebungskompetenz zuzuschlagen. Was zum Verwaltungsverfahren im Sinne des Art. 84 Abs. 1 GG gehört, ist im einzelnen umstritten. So könnten ausschließlich die formellen Voraussetzungen wie etwa Vorschriften über Zuständigkeit, Rechtsbehelfe und Fristen gemeint sein.698 Weitergehend könnten auch materiell-rechtliche Regelungen wie das Recht auf Auskunft oder Akteneinsicht oder die Schweigepflicht der Bediensteten zum Recht des Verwaltungsverfahrens zu rechnen sein.699 Die Frage darf nicht mit der Auslegung des Begriffs „Bundesgesetze“ in Art. 84 Abs. 1 GG verwechselt werden, der die „gesetzgebungstechnische Einheit“ anspricht700 und daher auch einzelne Normen der Zustimmungsbedürftigkeit unterwirft, die an sich mit Verfahrensrecht nichts gemein haben, aber zusammen mit verfahrensrechtlichen Bestimmungen ein einheitliches Gesetzeswerk bilden. Die Regelung der Einrichtung von Behörden sowie das Verwaltungsverfahrensrecht für die Ausführung von Bundesgesetzen werden durch Art. 84 Abs. 1 GG ausdrücklich in die Kompetenz der Länder gestellt, soweit nicht Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen. Art. 85 Abs. 1 GG erklärt die Einrichtung von Behörden auch für die Bundesauftragsverwaltung zur Angelegenheit der Länder, soweit wiederum nicht Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen. Begreift man die beiden Vorschriften als leges speciales für die Kompetenz zur Regelung von Verfahren und Organisation durch den Bund, ist eine Gesetzgebungskompetenz auch für die von den beiden Vorschriften nicht angesprochenen Gebiete im Bereich von Verfahren und Organisation ausgeschlossen. Sieht man hingegen die Vorschriften nur insoweit als spezieller zu den GesetzgebungskompeSo etwa Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 8: „Hilfsfunktion“. Köttgen, DÖV 1952, S. 422 (425). 699 Eher weit in der Tendenz BVerfGE 37, 363 (390 f.); Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 84 Rn. 30 ff.; Katzenstein, DÖV 1958, S. 593 (599); Fellner, VerwArch. 48 (1957), S. 95 ff.; Held, AöR 80 (1955 / 56), S. 50 (72 ff.); Haas, AöR 80 (1955 / 56), S. 81 (92); Ule, DVBl. 1957, S. 597 (601); BVerwGE 8, 93 (94); zum Ganzen Broß, in: von Münch / Kunig, GG III, Art. 84 Rn. 15. 700 Broß, in: von Münch / Kunig, GG III, Art. 84 Rn. 20. 697 698

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

tenzen an, als sie die Zustimmungsbedürftigkeit bestimmter Bundesgesetze regeln, wäre der Weg frei, für die übrigen Regelungsgegenstände im Bereich von Verfahren und Organisation eine Bundeskompetenz für nicht zustimmungsbedürftige Gesetze anzunehmen. Sie würde als Annex aus den jeweiligen Sachgesetzgebungskompetenzen folgen. Diese Frage läßt sich dahingehend umformulieren, ob Art. 84 Abs. 1 und Art. 85 Abs. 1 GG kompetenzbegründende Vorschriften, das heißt konstitutive Bundeskompetenzen, sind oder nur das Zustimmungserfordernis für Bundesgesetze normieren. Man kann die Frage unabhängig davon beantworten, ob die auf diese Kompetenzen gestützte Gesetzgebung akzessorisch sein muß, also nur dann ergehen darf und anzuwenden ist, wenn der Bund auch auszuführende Sachgesetze erlassen hat (so die Akzessorietätstheorie).701 Zwar kommt man bei der Annahme einer zwingenden Akzessorietät der Gesetzgebung wohl nicht umhin, auch die Kompetenz selbst als Annex zur Sachkompetenz anzusehen. Der Annexcharakter könnte sich indes auch aus den Art. 83 ff. GG und nicht aus den Sachkompetenztiteln ergeben. Nach einer Ansicht stellt Art. 84 Abs. 1 GG eine konstitutive Kompetenzzuweisung an die Länder dar.702 Diese hätten überhaupt erst aufgrund der Vorschrift des Art. 84 Abs. 1 1. Hs. GG die Gesetzgebungskompetenz für die Einrichtung ihrer Behörden und die Regelung des Verwaltungsverfahrens. Folgt man dieser Auffassung, muß man annehmen, daß das Grundgesetz eine von der Regelzuständigkeit der Länder (Art. 70 Abs. 1 GG) abweichende Bestimmung zugunsten einer Bundeskompetenz für die von Art. 84 Abs. 1 GG erfaßten Gesetzgebungsgegenstände getroffen hat. Denn nur unter diesen Umständen könnte Art. 84 Abs. 1 GG angesichts des Art. 70 Abs. 1 GG noch eine konstitutive Länderkompetenz normieren. Diese könnte wegen Art. 70 Abs. 1 GG nur als Rückausnahme zu einer vom Grundgesetz verliehenen Bundeskompetenz konstitutiv sein. Man könnte Art. 84 Abs. 1 2. Hs. GG als eine solche Verleihung einer Bundeskompetenz in Betracht ziehen. Allerdings ist diese als eine Ausnahme zur Länderkompetenz des ersten Halbsatzes ausgestaltet. Eine Verleihung von Bundesgesetzgebungskompetenzen, die Behördeneinrichtung und Verfahren der Landesverwaltung zum Gegenstand haben, kann daneben nur in einem Annex zu den jeweiligen Sachgesetzgebungskompetenzen gesucht werden. Dann könnte Art. 84 Abs. 1 GG die Funktion haben, die Wirksamkeit derjenigen Bundesgesetze, die aufgrund eines bloßen Annexes zum Sachtitel zustimmungsfrei wären, von der Zustimmung des Bundesrats abhängig zu machen. Aber auch dann wäre Art. 84 Abs. 1 1. Hs. GG keine konstitutive Zuweisung an die Länder, da diesen wegen Art. 70 Abs. 1 GG zustünde, was nach Abzug der den Annex umfassenden und an den Bund verliehenen Sachkompetenz übrigbliebe. Da dieser Annex nur als Ergänzung eines tatsächlich erlassenen Sachgesetzes zulässig ist, blieben die Länder bei dessen Fehlen auch ohne die ausdrückliche Zuweisung des Art. 84 Abs. 1 GG zuständig. 701 702

Vgl. etwa Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 84 Rn. 5. von Hausen, DÖV 1960, S. 441 (443 f.).

VI. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Annexes

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Den Ländern sollen insoweit konstitutiv Kompetenzen eröffnet werden, als sie – bei Zugrundelegung der Annextheorie – keine Gesetzgebungskompetenz für Verfahren und Organisation beim Vollzug der Bundesgesetze hätten, die aufgrund ausschließlicher Bundeskompetenz ergangen sind (Art. 71, 73 GG).703 Würde man der Annextheorie folgen, wäre den Ländern eine gesetzliche Regelung etwa des Verwaltungsverfahrens in diesem Bereich selbst dann verwehrt, wenn der Bund das Verfahren nur lückenhaft oder gar nicht geregelt hat.704 In diesen Fällen erscheint es angemessen, Art. 84 Abs. 1 und Art. 85 Abs. 1 GG als konstitutive Verleihung von Gesetzgebungskompetenzen an die Länder anzusehen. Methodisch einleuchtender ist es allerdings, die Länderkompetenz aus Art. 70 Abs. 1 GG zu folgern. Die Länder haben eine Reservekompetenz für das „allgemeine“ Verfahrens- und Organisationsrecht zur Ausführung von Bundesgesetzen. Nimmt der Bund seine eigene Verfahrens- und Organisationsrechtskompetenz in Anspruch, verdrängt er diese Länderkompetenz kraft Spezialität der sich an einen Sachtitel anlehnenden, unter den Voraussetzungen der Art. 84 Abs. 1 und Art. 85 Abs. 1 GG wahrzunehmenden Annexkompetenz. Diese „Konkurrenz“ zwischen allgemeinem und besonderem Verfahrensrecht ist sachgerecht. Nicht alle Gegenstände seiner ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz darf oder muß der Bund in eigener Verwaltung bearbeiten. Sind die Länder zur Ausführung der Bundesgesetze zuständig, müssen sie auch die erforderlichen organisations- und verfahrensrechtlichen Bedingungen schaffen dürfen. Hält man die Bundeskompetenzen der ersten Absätze in Art. 84 und 85 GG für konstitutiv, könnten sie – losgelöst von den Bedingungen einer Annexkompetenz – dem Bund eine Kompetenz für Verfahren und Behördeneinrichtung eröffnen, wenn ein Annex zu den Art. 73 ff. GG diese nicht (mehr) trüge. Der wichtigste Fall wäre dann das Fehlen eines Sachgesetzes, also eine nicht zu einem Sachgesetz akzessorische Verfahrens- und Organisationsgesetzgebung, weil eine Annexregelung stets eine Regelung innerhalb der Stamm-Materie voraussetzt. Doch schon der Wortlaut des Art. 84 Abs. 1 GG fügt sich nicht reibungslos dieser Deutungsweise. Der Konditionalsatz zu Anfang macht die beiden folgenden Teilsätze davon abhängig, daß die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit ausführen. Dies grenzt zu der Formulierung des Art. 85 Abs 1 GG ab, der die Situation regelt, daß die Länder die Bundesgesetze im Auftrage des Bundes regeln. Jedoch knüpfen beide Vorschriften an die Ausführung von Bundesgesetzen an und nicht an die verwaltende Tätigkeit im Bereich von Bundeskompetenzen, die auch gesetzesfrei sein könnte. Die im letzten Halbsatz dem Bund zugewiesene Kompetenz geht nicht weiter als der vom Konditionalsatz vorgeschriebene Fall der Ausführung von Bundesgesetzen.705 Die SyHermes, in: Dreier, GG III, Art. 83 Rn. 21 und Art. 84 Rn. 22, 36. Hermes, in: Dreier, GG III, Art. 83 Rn. 21; Haas, AöR 80 (1955 / 56), S. 81 (87 mit Fn. 20). 705 So auch Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 84 Rn. 5; der von Trute angeführte Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 84 Rn. 19, stimmt dem Ergebnis zu, zeigt aber in Rn. 21 Zweifel an der Deutlichkeit des Wortlauts. 703 704

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stematik steht ebenfalls gegen eine nicht-gesetzesakzessorische Bundesverfahrensund Bundesorganisationsgesetzgebung, denn Art. 84 und Art. 85 GG stehen im VIII. Abschnitt des Grundgesetzes über die „Ausführung der Bundesgesetze“. Mit Sinn und Zweck einer nicht-gesetzesakzessorischen Gesetzgebung läßt sich dagegen halten: Eine allgemeine verfahrensrechtliche Bundesgesetzgebung, die unabhängig vom Vorliegen eines auszuführenden Bundesgesetzes ist, liege im Interesse von Rechtssicherheit, Rechtseinheit und Gesetzgebungsökonomie.706 Keine der Erwägungen kann allerdings das gewünschte Ergebnis begründen: Die Rechtssicherheit ist nicht gefährdet, wenn die Länder selbst die gesetzlichen Bedingungen für die gesetzesfreie Verwaltung im Bereich konkurrierender oder ausschließlicher Bundesgesetzgebungskompetenzen schaffen. Der Gesetzesvorbehalt ist es, dessen grundrechtliche und rechtsstaatliche Funktion dem Bürger die notwendige Sicherheit in der Anwendung des Rechts, das heißt in der gesetzesfreien Verwaltung insbesondere der Anwendung des Verfassungsrechts, gewährleistet. Der für Organisation und Verfahren zuständige Gesetzgeber muß die grundrechtlich erheblichen Belange – wie etwa den Vertrauensschutz – in wesentlichen Zügen regeln. Die Rechtseinheit ist ein vielschichtiger, fast schillernder Begriff. Wenn er die Bundeseinheitlichkeit gesetzlicher Regelung meint, so trifft den Bundesgesetzgeber der Vorwurf, kein bundesweit geltendes Sachgesetz erlassen zu haben. Nicht kann hingegen aus einem unspezifischen Begriff der Rechtseinheit heraus eine Bundeskompetenz für nicht-akzessorische Verfahrensgesetze gefolgert werden. Die Bundeskompetenz aus der Natur der Sache ist die einzige Rechtsfigur, mit deren Hilfe aus der Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Regelung auf die Bundeskompetenz geschlossen werden kann. Sie greift hier aber nicht durch. Der Vorteil größerer Gesetzgebungsökonomie würde sich darin bemerkbar machen, daß für jedes neue Sachgesetz die – in der Regel selben – Verfahrensregeln immer wieder erlassen werden müßten. Doch dieselbe Verfahrensökonomie läßt sich auch auf dem Boden der Akzessorietätstheorie verwirklichen:707 Gemäß § 1 Abs. 2 S. 2 VwVfG des Bundes gelten die Regelungen dieses Gesetzes auch für zukünftige Sachgesetze des Bundes, wenn sie mit Zustimmung des Bundesrates für anwendbar erklärt worden sind.708 Die Gesetzgebungsökonomie nimmt keinen Schaden. Die Zustimmungsbedürftigkeit der Verfahrensregelung gerade für das konkrete Sachgesetz hat ferner den Vorteil, daß das Zusammenspiel von materiellem und Verfahrensrecht noch einer eigenen Überprüfung unterzogen wird, so daß unsachgerechte Diskrepanzen verhindert werden können.709

706 Diese Aspekte nennt Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 84 Rn. 20, ohne sie als ausschlaggebend anzuerkennen. 707 So treffend Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 84 Rn. 20. 708 Vgl. auch Fritz, Teilung von Bundesgesetzen, S. 114 m. w. N. in Fn. 108: Die konkret erforderliche Zustimmung durch den Bundesrat hängt nicht davon ab, ob das Sachgesetz Bezug auf das Verfahrensgesetz nimmt oder das Verfahrensgesetz blanko alle bestehenden und zukünftigen Sachgesetze in Bezug nimmt. 709 Siehe Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 84 Rn. 20.

VI. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Annexes

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Die hier angeführten grammatischen und systematischen Argumente treffen auf Art. 85 Abs. 1 GG genauso zu.710 Dennoch wird eine Anwendung des Art. 85 Abs. 1 GG auf die gesetzesfreie Bundesauftragsverwaltung von der Literatur befürwortet.711 Der auf die gesetzesakzessorische Verwaltung zugeschnittene („Führen die Länder die Bundesgesetze im Auftrage des Bundes aus“) Art. 85 Abs. 1 GG kann meines Erachtens auf diese Fälle nicht erstreckt werden. Es hat daher sein Bewenden mit einer aus der jeweiligen Sachkompetenz folgenden Annexkompetenz für das Verfahrens- und Organisationsrecht. Auch in diesem Fall sollte den Ländern aus Art. 70 Abs. 1 GG eine Kompetenz für das „allgemeine“ Verfahrensund Organisationsrecht zugestanden werden. Die Vorschriften könnten aber für die Bundeskompetenz konstitutiv sein. Das würde bedeuten, daß sie nicht lediglich die Zustimmungsbedürftigkeit der Bundesgesetzgebung regelten, sondern daß die genannten Gesetzgebungsgegenstände – Verwaltungsverfahren in Art. 84 Abs. 1 GG und Einrichtung der Behörden ebenda sowie in Art. 85 Abs. 1 GG – erst durch diese Normen dem Bund zugewiesen werden und nicht schon aus einem Annex zu den Sachkompetenzen der Art. 73 ff. GG folgen. Wenn die Vorschriften (nur) leges speciales zu einer aus den Sachtiteln hergeleiteten Annexkompetenz sind, stellt sich noch die Frage, ob andere als die in Art. 84 Abs. 1 GG und Art. 85 Abs. 1 GG genannten Gesetzgebungsgegenstände für den Bundesgesetzgeber damit auch gesperrt sind, obwohl sie sich sonst als Annex ergäben. aa) Annextheorie Die Annextheorie sieht in den Art. 84 Abs. 1, 85 Abs. 1 GG keine konstitutiven Zuweisungen an den Bund. Vielmehr würden die Sachkompetenzen die sachzugehörigen Organisationsmaterien „dem Grunde nach“ oder als Annex mitumfassen.712 Diese Annextheorie geht auf Triepel zurück.713 Die Kompetenz zur Regelung in der Sache beinhaltete demnach die Kompetenz zur Regelung des Vollzugs. Dieser Ansicht wird entgegengehalten, sie sei zwar für die verfassungsrechtliche Lage des Kaiserreichs zutreffend gewesen; die heutige Verfassungslage sei hingegen ganz andersartig, so daß die Annextheorie jeder Grundlage entbehre.714 Im Ergebnis sollen indes beide Auffassungen nicht voneinander abweichen.715 Nur der Begründungsaufwand, den die Annextheorie zu leisten habe, sei bisweilen Hinsichtlich des Wortlauts ebenso Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 84 Rn. 19. Vgl. Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 85 Rn. 11. 712 Vgl. ablehnend Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 37; Finkelnburg / Lässig, VwVfG, Einleitung Rn. 31 ff. 713 Triepel, Festgabe Laband, Bd. II, S. 247 (302 ff.); vgl. zur Genese auch Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 37. 714 Neuser, Die Gesetzgebungskompetenzen für das Verwaltungsverfahren, S. 143 ff., 185 f., weitere Nachweise auf S. 114 in Fn. 23; Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 37. 710 711

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

übermäßig groß, wenn sie etwa darlegen müsse, daß der Bund für die Rahmengesetzgebungskompetenzen keine Kompetenz zur Regelung von Verwaltungsverfahren und Behördenorganisation habe.716 Die von Lerche als kompliziert beanstandete Überlegung hat viel für sich. Der Bund soll dort nicht über eine Kompetenz zur Verfahrensregelung verfügen, wo er keine abschließende Sachregelung treffen darf. Das betrifft die Rahmengesetzgebung. Denn dort hat bereits das Grundgesetz in Kauf genommen, daß die Vollzugsunterschiede der von Bund und Ländern zusammen getroffenen Sachregelungen von Land zu Land erheblich sind. Nur in Bereichen, in denen die Verfahrensregelung unmittelbar an ein vom Bund erlassenes Sachgesetz anknüpfen kann, besteht die Möglichkeit einer annexweise dem Bund zugewiesenen Kompetenz zur Regelung des Verfahrens.717 Die Annextheorie vermag besser zu erklären, wieso sich die Bundesgesetzgebungskompetenz im Bereich der Auftragsverwaltung auch auf das Verwaltungsverfahren erstrecken soll, obwohl dieser Begriff in Art. 85 Abs. 1 GG in auffälligem Unterschied zum vorhergehenden Artikel gerade nicht genannt wird. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Bund diese Kompetenz im Wege eines „Erst-rechtSchlusses“ zugeschlagen: „Es ist nicht ersichtlich, warum die Kompetenz des Bundes für die Regelung des Verwaltungsverfahrens bei der ihm näherstehenden Auftragsverwaltung weniger weit gehen sollte, als bei der Ausführung von Bundesgesetzen in landeseigener Verwaltung.“718 Dabei hat das Gericht auf eine normative Anbindung der Kompetenz völlig verzichtet.719 Nach Lerche soll ein Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes im Bereich der Auftragsverwaltung aber nicht an die Zustimmung des Bundesrates gebunden sein.720 Damit macht er deutlich, daß es sich keineswegs um eine erweiternde Auslegung eines aufgrund Redaktionsversehens721 zu kurz geratenen Wortlauts des Art. 85 Abs. 1 GG handelt oder eine – im Bereich der verfassungsrechtlichen Kompetenzen äußerst problematische – Analogie die planungswidrige Lücke im Wortlaut stopfen soll. Die Herleitung aus dem Wesen der Bundesauftragsverwaltung und die daraus entnommene grundsätzlich umfassende Direktionsmacht des Bundes722 entspricht vielmehr dem Muster einer 715 So etwa Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 37: „Die Gegenansicht [sc. Annextheorie] führt zu einer merkwürdigen Komplizierung ohne sachliche Veränderung oder zur Verwirrung.“ 716 Vgl. Lerche, ebenda, über Kuckuck, DÖV 1978, S. 354 (356 f.). 717 Vgl. Kuckuck, DÖV 1978, S. 354 (356 f.). 718 BVerfGE 26, 338 (385); offen blieb, ob die Kompetenz nicht schon aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 23 GG folgt. Eine Zusammenfassung der Konstruktionsmöglichkeiten bietet Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 85 Rn. 11. 719 BVerfGE 26, 338 (385) hat die Kompetenz nicht mit definitiver Entschiedenheit auf Art. 85 Abs. 1 GG gestützt, wie Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 85 Rn. 11, annimmt. 720 Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 85 Rn. 28. 721 So Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Art. 85 Rn. 3 GG.

VI. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Annexes

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Kompetenz aus der Natur der Sache. Die Sache ist hier die Bundesauftragsverwaltung, die Natur der Sache das Wesen der Bundesauftragsverwaltung. Verwaltungskompetenzen kraft Natur der Sache werden durchaus anerkannt. Nun hat der Verfassunggeber den VIII. Abschnitt explizit mit einigen Vorschriften über die Gesetzgebungskompetenz ausgestattet, die dem Bund eine Gesetzgebungsbefugnis im Sinne von Art. 70 Abs. 1 GG verleihen. Wenn schon die schwächere Bundeskompetenz normiert ist, deren Wahrnehmung der Zustimmung des Bundesrates unterliegt, hätte es erst recht einer zumindest ebenso deutlichen Normierung einer stärkeren, da nicht auf den Bundesrat angewiesenen Bundesgesetzgebungskompetenz bedurft. Gegen eine Bundeskompetenz aus der Natur der Sache spricht eindeutig, daß die Länder die Kompetenz zur Regelung des Verwaltungsverfahrens im Bereich der Auftragsverwaltung haben, solange und soweit der Bund keine andersartige Regelung getroffen hat.723 Da Kompetenzen aus der Natur der Sache von Natur aus ausschließliche Kompetenzen sind, kann es sich hier nicht um eine solche handeln. Für die Annextheorie liegt in dem fehlenden Hinweis auf die Regelung des Verfahrens keine Schwierigkeit. Die Kompetenzen für die von den Ländern im Auftrag des Bundes auszuführenden Bundesgesetze enthalten die Kompetenz zur Regelung der Einrichtung der Behörden durch die Länder sowie zur Regelung des Verfahrens. Art. 85 Abs. 1 GG unterstellt erstere dem Zustimmungserfordernis, während die Verfahrensregelung von diesem speziellen Erfordernis nicht ergriffen wird.724 Hierin kann auch kein Widerspruch zu Art. 85 Abs. 2 S. 1 GG gesehen werden.725 Der Umstand, daß die Bundesregierung nach dieser Vorschrift allgemeine Verwaltungsvorschriften nur mit Zustimmung des Bundesrates erlassen darf, läßt nicht den Schluß zu, auch Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes seien a fortiori zustimmungsbedürftig. Verwaltungsvorschriften sind Regelungen innerhalb der Verwaltungsorganisation, die von übergeordneten Verwaltungsinstanzen oder Vorgesetzten an nachgeordnete Behörden oder Bedienstete ergehen und dazu dienen, Organisation und Handeln der Verwaltung näher zu bestimmen.726 Sie be722 Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 85 Rn. 29 – die Ungeschriebenheit der Bundeskompetenz gebiete nicht eine Einschränkung auf die Akzessorietät. 723 Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 85 Rn. 31. Er nennt dies eine „primäre Landesregelung“ aufgrund einer „primären Kompetenz“ der Länder, die aus den Art. 30, 70 GG erwachse. Diese Länderkompetenz ist übrigens nicht akzessorisch, das heißt sie setzt keine materiellen auszuführenden Gesetze voraus. Das gilt sowohl nach Lerches Auffassung als auch nach der Annextheorie. 724 So auch Broß, in: von Münch / Kunig, GG III, Art. 85 Rn. 8; Bull, in: AltK-GG, Art. 85 Rn. 10. 725 So aber Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 85 Rn. 3. 726 Ossenbühl, in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl., § 6 Rn. 31; Wolff / Bachof, Verwaltungsrecht I, § 24 II d; Böckenförde / Grawert, AöR 95 (1970), S. 1 (20).

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

schäftigen sich zum Beispiel mit dem Gesetzesvollzug, der Ermessensausübung und dem Verwaltungsverfahren.727 Es stellt keinen Wertungswiderspruch dar, wenn der Erlaß einer Verwaltungsvorschrift, nicht aber der Erlaß der durch die Verwaltungsvorschrift konkretisierten, interpretierten oder in ihrem Ermessen gelenkten gesetzlichen Vorschrift zustimmungsbedürftig ist. Denn die Zustimmungsbedürftigkeit kompensiert insofern einen Verlust der Länder an Verwaltungskompetenz, der auf der Ebene der Sachgesetzgebung von den Art. 84 und 85 GG gar nicht hervorgerufen werden kann. Es ist auch kein Wertungswiderspruch, wenn Verwaltungsvorschriften insgesamt zustimmungsbedürftig sind, obwohl die von ihnen konkretisierten, interpretierten oder in ihrem Ermessen gelenkten gesetzlichen Vorschriften teils selbst zustimmungsbedürftig, teils zustimmungsfrei sind. Zum einen ist dies der vom Grundgesetz vorgesehene Normalfall: Sachgesetze des Bundes sind in der Regel zustimmungsfrei, die auf sie bezogenen Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung bedürfen nach Art. 84 Abs. 2 GG oder Art. 85 Abs. 2 S. 1 GG der Zustimmung des Bundesrates. Aber auch wenn man im Rahmen des Art. 85 Abs. 2 S. 1 GG nur die Organisationsgesetze, nicht auch die Verfahrensgesetze des Bundes der Zustimmungsbedürftigkeit unterwirft, kann darin, daß sowohl die auf Verfahrens- als auch die auf Organisationsgesetze bezogenen Verwaltungsvorschriften zustimmungsbedürftig sind, kein Wertungswiderpuch gesehen werden.728 Denn die über den Vereinheitlichungseffekt einer Verfahrensgesetzgebung durch den Bund hinausgehende Uniformierung der Gesetzesanwendung dringt weiter in die Länder(verwaltungs)kompetenzen ein, als es die Gesetzgebung selbst vermag. Insofern ist in der Zustimmungsbedürftigkeit der allgemeinen Verwaltungsvorschriften zudem noch eine Grenze des bundesgesetzgeberischen Zugriffsrechts zu sehen – der Gesetzgeber darf nicht zustimmungsfrei regeln, was üblicherweise als Gegenstand und in der Form einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Bundesrats stehen würde. Hingegen stellt die Nennung der Einrichtung von Behörden in Art. 85 Abs. 1 GG nicht nur die Bundesgesetzgebungskompetenz unter das Zustimmungserfordernis zugunsten des Bundesrats. Darüber hinaus wirkt sie als ein institutioneller Gesetzesvorbehalt.729 Es bleibt dem Bund daher verwehrt, auf der Grundlage von Art. 85 Abs. 2 S. 1 GG durch allgemeine Verwaltungsvorschriften Behörden einzurichten.730 Dies kann nur durch Bundesgesetz unter den Voraussetzungen des Ossenbühl, in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl., § 6 Rn. 31. Für Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 85 Rn. 40, ist es eine allein verfassungspolitisch seltsame Situation, daß eine gesetzgeberische Regelung einfacher „erscheint“, richtiger müßte man sagen: ist, als eine durch Verwaltungsvorschrift. 729 Dem Grundgesetz ist das Ineinsfallen von Gesetzgebungskompetenz und institutionellem Gesetzesvorbehalt nicht fremd, vgl. etwa Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG (dazu z. B. Burgi, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 87 Rn. 96). 730 Vgl. Broß, in: von Münch / Kunig, GG III, Art. 85 Rn. 12, der anscheinend die Bundestagsbeteiligung als ausschlaggebend für die Spezialität des Art. 85 Abs. 1 gegenüber Abs. 2 S. 1 GG ansieht. Vgl. Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 85 Rn. 40. 727 728

VI. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Annexes

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Abs. 1 geschehen. Dieser Gesetzesvorbehalt besteht im Bereich des Verfahrensrechts nicht. bb) Das Verhältnis von Akzessorietätslehre und Annextheorie Schon wegen der semantischen Verwandtschaft ihrer verkürzten Benennungen werden die mit den Begriffen Akzessorietätserfordernis und Annextheorie umrissenen Problembereiche nicht selten miteinander verwechselt.731 Wer mit Lerche in den Art. 84 Abs. 1 GG und Art. 85 Abs. 1 GG konstitutive Bundeszuweisungen sieht, muß die Akzessorietät des Verfahrens- und Organisationsrechts zum materiellen Gesetzesrecht davon unabhängig konstitutiv aus diesen Vorschriften herleiten. Es handelt sich dann um eine spezielle Voraussetzung und Bedingtheit der Inanspruchnahme dieser Kompetenzen durch den Bund, daß er spätestens zeitgleich mit der Schaffung von Organisations- und Verfahrensrecht auch das auszuführende materielle Bundesrecht setzt. Für die Kompetenzen des Art. 84 Abs. 1 GG befürworten die Gegner der Annextheorie diese zusätzliche Voraussetzung, im Bereich der Auftragsverwaltung wird sie teilweise abgelehnt.732 Die Nennung der Kompetenz zur Einrichtung der Behörden ließe bei der Identität des Wortlauts parallele Voraussetzungen für ihre Inanspruchnahme erwarten. Für die Kompetenz zur Regelung des Verwaltungsverfahrens gilt dies nicht. Lerche macht keinen rechtlichen Unterschied, sondern bewertet die Frage der Akzessorietät als „hauptsächlich für den Bereich des Verwaltungsverfahrens relevant“.733 Für die Tatbestände der Auftragsverwaltung dürfe die Akzessorietät nicht gefordert werden. Dies folge aus der grundsätzlich umfassenden Direktionsmacht des Bundes. Für die Bereiche der gesetzesfreien Verwaltung stelle sich das Problem erst gar nicht.734 Der Verfassung ist für einzelne Aufgaben eine gesetzesfreie Verwaltung durch die Länder im Auftrage des Bundes zu entnehmen. Das trifft auf Art. 90 Abs. 2 GG735 und Art. 87 d Abs. 2 GG736 zu.737 Entgegen Lerche ist aber Darauf hat Lerche hingewiesen, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 83 Rn. 38. Unklar Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 85 Rn. 8, 13. 733 Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 85 Rn. 29. 734 So Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 85 Rn. 29. Als derartige gesetzesfreie Verwaltung definiert Lerche „Verwaltungen zwar im Gesetzesrahmen, aber ohne konkrete gesetzliche Steuerung, mithin auf Grund verwaltungseigener Initiative“, vgl. auch Art. 83 Rn. 15: Schwerpunkte gesetzesfreier Verwaltung liegen auf den Gebieten von Wirtschafts- und Wissenschaftsförderung sowie Sozialpolitik. 735 Hermes, in: Dreier, GG III, Art. 85 Rn. 16; Seifert / Hömig, GG, Art. 85 Rn. 1; Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 85 Rn. 11. 736 Hermes, ebenda; zurückhaltend befürwortend Lerche, ebenda; Steinberg, AöR 110 (1985), S. 419 (419 in Fn. 2). 737 Vgl. auch Tschentscher zu Art. 108 Abs. 3 GG: Bundesaufsicht in der Bundesauftragsverwaltung, S. 62 f. 731 732

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Art. 85 Abs. 1 GG nicht auf jeden Fall gesetzesfreier Verwaltung anzuwenden. Zwar ist die Auftragsverwaltung im Bereich gesetzesfreier Verwaltung nicht schlechthin unzulässig.738 Dort, wo die Verfassung die Auftragsverwaltung über den Bereich des Vollzugs von Bundesgesetzen hinaus auf einen benannten Sachbereich insgesamt erstreckt, modifiziert die entsprechende Verfassungsvorschrift als lex specialis das (schon) dem Art. 85 Abs. 1 GG zu entnehmende Erfordernis der Akzessorietät.739 Eine Ausweitung der Bundesauftragsverwaltung auf andere Fälle gesetzesfreier Verwaltung könnte nur auf einer selbständigen Aufsicht des Bundes über die Länder fußen, die einen von Art. 85 Abs. 1 GG losgelösten Oberbegriff der Bundesauftragsverwaltung voraussetzt, den es nicht gibt.740 Wenn behauptet wird, der Bund dürfe kraft seiner Gesetzgebungskompetenz ein Verfahrensgesetz „vor die Klammer ziehen“, indem er sich von einzelnen Sachmaterien löst und das Verfahren durch ein gleichsam allgemeines Gesetz regelt, so steht das der Akzessorietäts-These nicht entgegen, solange die verschiedenen Sachgesetze des Bundes spätestens mit Inkrafttreten des Verfahrensgesetzes ihrerseits wirksam werden und das Verfahrensgesetz nicht die gesetzesfreie Verwaltung der Länder reglementiert. Auch die Schaffung eines Verfahrensgesetzes „auf Vorrat“ bereitet auf dem Boden des Akzessorietätsgebots keine Schwierigkeiten. Ein solches Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrats erst, wenn das Sachgesetz dieses Verfahrensgesetz ausdrücklich in Bezug nimmt oder sich aus dem Regelungszusammenhang ergibt, daß das Verfahrensgesetz auf das spätere Sachgesetz Anwendung finden soll. Die Zustimmung des Bundesrats kann nicht blanko für ein allgemeines Verfahrensgesetz erteilt werden, ohne daß die auszuführenden Sachgesetze schon existieren. Das Verfahrensgesetz wird erst entweder durch die Bezugnahme innerhalb des späteren Sachgesetzes für dieses anwendbar oder aber durch eine objektiv teleologische Auslegung des Verfahrensgesetzes selbst bzw. durch eine Aktualisierung einer Bezugnahme auf künftige Sachgesetze.741 So Stern, Staatsrecht II, S. 808 mit Verweis auf Art. 83 und Art. 87 b Abs. 2 S. 2 GG. Hermes, in: Dreier, GG III, Art. 85 Rn. 16; eine Untergliederung der Auftragsverwaltung in gesetzesabhängige und gesetzesfreie würde nicht von dem (hier verlangten) Erfordernis einer speziellen verfassungsrechtlichen Erstreckung der Auftragsverwaltung auf die gesetzesfreie Verwaltung dispensieren, vgl. auch Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 85 Rn. 8. 740 Hermes, in: Dreier, GG III, Art. 85 Rn. 16; ebenso Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 85 Rn. 11, der aber Art. 85 GG so weit auslegt, daß dieser Oberbegriff mit seinen rechtlichen Konsequenzen in dieser Norm enthalten ist. Zu Recht bezeichnet Lerche den Vorschlag als „Umwegkonstruktion“, Art. 85 GG nicht auf die gesetzesfreie Verwaltung anzuwenden, die dem Bund eingeräumten Mitwirkungsrechte dennoch auf die gesetzesfreie Verwaltung zu erstrecken; so aber von Mangoldt / Klein, GG III, 1. Aufl., Anm. II, 9 zu Art. 85. 741 Streng genommen reicht es m. E. nicht aus, daß § 1 Abs. 2 S. 2 VwVfG des Bundes die Anwendbarkeit dieses Gesetzes auf Sachgesetze nur unter den Vorbehalt einer Zustimmung des Bundesrates stellt. Auch der Bundestag müßte seinem Willen Ausdruck verleihen, in Kenntnis des Sachgesetzes auf dieses das VwVfG des Bundes anzuwenden. Man wird diesen Willen dem Sachgesetz des Bundes entnehmen müssen. Die analoge Anwendung eines 738 739

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b) Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Annexkompetenzen Der Charakter der in Art. 84 Abs. 1 GG und Art. 85 Abs. 1 GG beschriebenen Kompetenzen als Annex zu den Sachgesetzgebungskompetenzen wird des weiteren deutlich, wenn die Voraussetzungen für ihre Wahrnehmung diskutiert werden. Der Wortlaut der Vorschriften statuiert lediglich die Zustimmungsbedürftigkeit. Deshalb ist es geboten, Vorsicht walten zu lassen bei der Erwägung zusätzlicher Voraussetzungen.742 Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Akzessorietät der Verfahrens- bzw. Organisationsregelungen zu einem auszuführenden Bundesgesetz eine unerläßliche Voraussetzung.743 Allerdings wird nicht auch eine Beschränkung auf lediglich „punktuelle“ Regelungen im Annex einer Sachregelung angenommen.744 Nur die Verselbständigung einer ursprünglichen Annex-Materie bildet eine Grenze. So wird zum Beispiel der Annexzusammenhang zur Sachmaterie verfassungswidrig überspannt, wenn der Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung alleiniger oder hauptsächlicher Zweck einer Regelung ist.745 Die „Punktualität“ ist hingegen kein Kriterium für die Zulässigkeit. Sie wird vom Bundesverfassungsgericht nur dann zusätzlich herangezogen, wenn der Bundesgesetzgeber auf die Gemeinden durchgreift.746 aa) Erfordernis des spezifischen Grundes Für die Annexkompetenzen des Bundes aus Art. 84 Abs. 1 und Art. 85 Abs. 1 GG wird dagegen angenommen, die Bundesregelungen müßten Ausnahmen bleiben.747 Doch handelt es sich nicht um eng auszulegende Ausnahmekompetenzen.748 Aber die prinzipielle Geschlossenheit der Verfassungs- und Verwaltungskörper der Länder erfordere einen spezifischen Sachgrund für die Inanspruchnahme der Bundeskompetenzen:749 „Der Bund darf sich nicht so verhalten, als zustimmungsbedürftigen Bundesgesetzes muß man wohl als zulässig erachten, vgl. Ehlers, Jura 2003, S. 30 (34). 742 Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 84 Rn. 15; Dittmann, in: Sachs, GG, Art. 84 Rn. 6; Hermes, in: Dreier, GG, Art. 84 Rn. 40. 743 Vgl. auch Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 84 Rn. 19. 744 Vgl. Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 84 Rn. 17, der das als Folge der Unrichtigkeit der Annextheorie wertet. 745 BVerfGE 28, 119 (146 – 149); vgl. auch Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 117 in Fn. 163. 746 Vgl. BVerfGE 22, 180 (209 ff.) – zum Gesetz für Jugendwohlfahrt und zum Bundessozialhilfegesetz; BVerfGE 77, 288 (298 ff.) – kommunale Trägerschaft der Bauleitplanung nach BauGB. 747 So Bettermann, VVDStRL 17 (1959), S. 118 (163); a. A. Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 84 Rn. 18. Vgl. zum Streitstand auch schon Finkelnburg / Lässig, VwVfG, Einleitung, Rn. 45 f. 748 Dagegen Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 84 Rn. 5. 749 Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 84 Rn. 7 in Fn. 20.

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gäbe es keine grundsätzliche Organisationsgewalt der Länder in diesem Bereich. So gesehen trifft ihn die Darlegungslast, warum zur wirksamen Ausführung des jeweiligen Bundesgesetzes eine landesrechtliche Regelung nicht genügt. Mehr als nur mißbrauchsabwehrende Grenzen dürften aus dieser Vorstellung indes kaum zu gewinnen sein. Nur in besonderen Fällen – etwa bei dezentralisierenden Bundesregelungen, die zu einem territorial gerade uneinheitlichen Vollzug führen können – kann diese Frage größere Aktualität gewinnen.“ Mit Hilfe des Erfordernisses eines spezifischen Grundes kompensiert Lerche den Mangel an Bedingungen für die Inanspruchnahme der Kompetenzen, den er durch seine Ablehnung der Annextheorie provoziert hat.750 Bei näherer Betrachtung ist der „spezifische Grund“ für die Kompetenzwahrnehmung mit den Bedingungen, unter denen eine Annexkompetenz angenommen werden darf, durchaus vergleichbar. Die Problematik des „spezifischen“ Grundes verschwindet in der jüngeren Literatur zugunsten von Bemühungen um eine eher teleologische Auslegung der Bundeskompetenzen, die eine „teleologische Reduktion“ zu nennen aber zu weit ginge. Das Bundesverfassungsgericht hat als Zwecke der in Art. 84 GG normierten Steuerungs- und Kontrollinstrumente die Wirksamkeit751 und Ordnungsgemäßheit752 des Vollzugs benannt. Zudem solle eine im wesentlichen einheitliche Vollzugspraxis gewährleistet werden – denn die einheitliche Geltung von Rechtsvorschriften im Bundesgebiet dürfe nicht dadurch unterlaufen werden, daß ihre Ausführung von Land zu Land erhebliche Verschiedenheiten aufweist.753 Die Literatur lehnt es weitgehend ab, die Vereinheitlichung des Vollzugs als ausschließlichen telos des Art. 84 GG zu sehen.754 Doch besteht eine gewisse Ratlosigkeit über die anderen der Norm zu unterlegenden Zielvorstellungen.755 Denn ein bestimmtes „Maß an föderaler Vollzugspluralität“ wird vom Grundgesetz durch die Regel des Art. 83 GG und mit der Anerkennung der Organisationsgewalt der Länder ja sogar als (zumindest regelungstechnisches) Prinzip vorausgesetzt.756 Dann kann deren Gegenteil – die Vollzugsvereinheitlichung – nicht die ausschließliche ratio der Ausnahmen von diesem Prinzip sein.757 Das bloße Gegenteil eines Prinzips ver750 Lerche wendet dasselbe Erfordernis eines spezifischen Grundes auf die Zulässigkeit territorial unterschiedlicher Regelungen an, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 84 Rn. 24. Diese Ausnahmetatbestände seien etwa der Experiment- oder Übergangscharakter der Vorschriften oder die Einrichtung singulärer Behörden. 751 BVerfGE 22, 180 (210). 752 BVerfGE 11, 6 (18). 753 BVerfGE 11, 6 (18). 754 Hermes, in: Dreier, GG III, Art. 84 Rn. 18; Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 84 Rn. 9; schwächer Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 84 Rn. 3: „Die begrenzten Ingerenzrechte des Bundes sichern die Wirksamkeit des Vollzugs und seine Rückbindung an die Staatsgewalt des Normgebers.“ 755 Vgl. etwa Hermes, ebenda. 756 Ähnlich Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 84 Rn. 3. 757 So auch Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 84 Rn. 9.

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mag für sich genommen nicht die Ausnahme vom Prinzip zu erklären, ohne das Prinzip als solches in Frage zu stellen. Die Hinzunahme der Wirksamkeit des Vollzugs des Bundesgesetzes kann diesen Widerspruch nicht auflösen, da die Vorschriften des Grundgesetzes den wirksamen Vollzug jedes verfassungsgemäßen Gesetzes unterstützen.758 Vollzugsvereinheitlichung ist nicht als solche erstrebenswert, sondern nur um des jeweiligen sachgesetzlichen Regelungszwecks willen. Das geht jedoch nicht so weit, daß der Bund nur um der größeren Zweckmäßigkeit willen eine „stillschweigende“ Verwaltungskompetenz zur Ausführung seiner Gesetze in Anspruch nehmen dürfte.759 bb) Verfassungskonforme Auslegung der Bundeskompetenzen Vom Erfordernis eines spezifischen Grundes kaum zu trennen ist eine letzte Grenze der Wahrnehmung der Bundeskompetenz: Der Bund darf durch seine Verfahrens- und Organisationsgesetzgebung in bezug auf die Ausführung seiner Gesetze durch die Länder nicht die „Zentralzone des Selbstorganisationsrechts der Länder“ antasten.760 Lerche weist auf die Schwierigkeit einer Definition hin, die auch ähnlichen Begriffen wie Kernbereich, Hausgut und Wesensgehalt immanent sei. Diese Grenze ist nicht schon beim Fehlen eines „spezifischen Grundes“ zur Inanspruchnahme der Kompetenzen durch den Bund erreicht. Während dessen rechtliche Erforderlichkeit sich noch aus einer teleologischen Auslegung, genauer einer teleologischen Reduktion der Art. 84 Abs. 1 GG und Art. 85 Abs. 1 GG postulieren läßt, hat die Rücksichtnahme auf die Selbstorganisation der Länder andere Wurzeln. Sie entspringt der von der Verfassung an verschiedenen Stellen anerkannten Eigenstaatlichkeit der Länder. Selbst wenn man in den ersten Absätzen der Art. 84 und 85 GG eine konstitutive Begründung der Organisationsgewalt der Länder erblicken wollte, wäre diese nicht vollständig. Die staatlichen Befugnisse im übrigen, die sachliche Landesgesetzgebung sowie die deren Ausführung dienende Organisationsgewalt folgen aus den Art. 30 und 70 GG. Soll diese Grenze der Kompetenzausübung eine eigenständige Bedeutung haben, muß sie – in bezug auf die Intensität der Länderbetroffenheit – vor den durch Art. 79 Abs. 3 GG gezogenen Grenzen der Kompetenz-Kompetenz des verfassungsändernden Gesetzgebers angesetzt werden. Nach Art. 79 Abs. 3 GG wird zuZum letzteren Lerche, ebenda. BVerfGE 11, 6 (17 f.) – nur wenn die vollständige Ausführung eines Bundesgesetzes durch die Landesverwaltung nicht erreicht werden kann bzw. der Gesetzeszweck durch das Verwaltungshandeln eines Landes überhaupt nicht erreicht werden kann, könne man eine Bundesverwaltungskompetenz annehmen. Über deren Charakter – kraft Annexes zu der Gesetzgebungskompetenz oder aus der Natur der Sache – schweigt das Bundesverfassungsgericht. Es mußte dazu bisher nicht Stellung beziehen, da es eine solche Bundeskompetenz noch stets abgelehnt hat. 760 Lerche, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 84 Rn. 18; ders., Verfassungsfragen um Sozialhilfe und Jugendwohlfahrt, S. 62 ff. 758 759

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nächst explizit die Gliederung des Bundes in Länder und deren grundsätzliche Mitwirkung bei der Gesetzgebung gewährleistet. Letzteres meint nur die Beteiligung an der förmlichen Gesetzgebung des Bundes – und sichert damit die Rolle des Bundesrats761 und die Instrumente von zustimmungsbedürftigen und Einspruchsgesetzen bzw. äquivalenter Instrumente dem Grunde nach ab762 –, während die originären Gesetzgebungskompetenzen der Länder wie auch eigene Einnahmequellen über den in Bezug genommenen Grundsatz der Bundesstaatlichkeit (Art. 20 Abs. 1 GG) zumindest in einem die „Grundsubstanz der Eigenstaatlichkeit“ sichernden Umfang garantiert werden.763 Das Bundesverfassungsgericht hat dafür die Formel gefunden, den Ländern müsse „ein Kern eigener Aufgaben als „Hausgut“ unentziehbar“ verbleiben.764 Diese Garantie wird so verstanden, daß sie nicht bestimmte Gesetzgebungskompetenzen, sondern nur ein bestimmtes Maß an Gesetzgebungskompetenzen gegenüber einer Verfassungsänderung abschirmt.765 Insoweit kann von einer Gesamtbilanz gesprochen werden, aus der sich erst ergibt, ob der Grundsatz der Bundesstaatlichkeit durch eine Reduzierung der Ländergesetzgebungskompetenzen im Sinne des Art. 79 Abs. 3 GG berührt wird. Je mehr diese Kompetenzen organisatorischer Natur sind, desto eher neigt das Gericht dazu, sie auch ohne eine Gesamtbilanzierung zu schützen: Jedenfalls „muß dem Land die freie Bestimmung über seine Organisation einschließlich der in der Landesverfassung enthaltenen organisatorischen Grundentscheidungen sowie die Garantie der verfassungskräftigen Zuweisung eines angemessenen Anteils am Gesamtsteueraufkommen im Bundesstaat verbleiben“.766 Das Bundesverfassungsgericht hat erklärt, diese Garantie richte sich „in erster Linie gegen den Bund, und zwar sowohl gegen den verfassungsändernden als auch gegen den einfachen Gesetzgeber“.767 Die Konsequenz ist eine gleichsam „ewigkeitsgarantiekonforme“ Auslegung von Gesetzgebungskompetenzen.768 Das er761 Str., wie hier: Maunz / Dürig, in: dies., GG, Art. 79 Rn. 36 in Fn. 1; a. A. Dreier, in: ders., GG, Art. 79 III Rn. 24 mit Fn. 85, der eine Senatslösung nach amerikanischem Vorbild – also mit unmittelbar vom Volk der Gliedstaaten gewählten Vertretern – als eine zulässige Alternative erachtet. 762 Eine Änderung der einzelnen Bausteine der Mitwirkung ist zulässig, solange die „Gesamtbilanz“ der Mitwirkung durch die Länder nicht grundsätzlich berührt wird; so Dreier, in: ders., GG II, Art. 79 III Rn. 24. 763 So Dreier, in: ders., GG II, Art. 79 III Rn. 48; Maunz / Dürig, in: dies., GG, Art. 79 Rn. 37: Ein nennenswerter Bestand von Landesgesetzgebungskompetenzen werde bereits durch den Passus „grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung“ gewährleistet; Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 79 Rn. 127 f. – eine „angemessene Finanzausstattung“ gehört zur Staatlichkeit der Länder, mit weiteren Nachweisen in Fn. 434. 764 BVerfGE 34, 9 (19 f.); 87, 181 (196). 765 So deutlich Hain, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 79 Rn. 128. 766 BVerfGE 34, 9 (20). 767 BVerfGE 87, 181 (196). 768 Dreier, in: ders., GG II, Art. 79 III, Rn. 48 in Fn. 135, zu BVerfGE 34, 9 (20 f.), Auslegung des Art. 74 a GG.

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scheint zunächst nur als eine Spielart der verfassungskonformen Auslegung. Doch nicht das einfache Gesetz wird so ausgelegt, daß es noch insofern verfassungskonform ist, als es unter die verfassungsrechtliche Kompetenznorm paßt, sondern diese Kompetenznorm selbst wird so ausgelegt, daß sie nicht zu Gesetzen ermächtigt, die die Schwelle des Art. 79 Abs. 3 GG überschreiten. „Widersprüche“ innerhalb der Verfassung werden auf diese Weise vermieden.769 Der Bund ist demnach verpflichtet, von seiner Gesetzgebungskompetenz über die Besoldung und Versorgung der Landesbeamten (Art. 74 a Abs. 1 GG) nur unter Beachtung der Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten Gebrauch zu machen.770 Die Pflicht zu bundesbzw. länderfreundlichem Verhalten bzw. das identische Gebot der Bundetreue stellt eine Kompetenzausübungsschranke dar. Sie ist keine starre Grenze der Kompetenz als solcher, sondern tritt in bestimmten Fällen als eine flexible Grenze von außen heran, die eine an sich zulässige Ausschöpfung der Kompetenz bis an deren Grenzen verbietet. c) Annexkompetenz und Sachzusammenhang aa) Tradition der Formel des Baurechtsgutachtens Mit der Entscheidung zum Altenpflegegesetz hat das Bundesverfassungsgericht den formelhaften Sachzusammenhang nicht mehr nur, wie in BVerfGE 98, 265, als Grund für eine Sperrwirkung, sondern nunmehr als Grundlage eines Bundesgesetzes herausgestellt.771 Die Formel wird als ständige Rechtsprechung gekennzeichnet. Das Gericht scheint sich der kompetentiellen Sprengkraft nicht bewußt gewesen zu sein. (1) Verbot einer umfassenden Regelung Als Korrektiv führt das Gericht772 unmittelbar nach der Formel den Zusatz an, eine umfassende Regelung eines den Ländern vorbehaltenen Bereichs sei dem Bund vermittels der „ungeschriebenen“ Gesetzgebungskompetenz in keinem Fall eröffnet.773 Er dürfe nur diejenigen Einzelregelungen treffen, ohne die der Bundes769 Zu Widersprüchen auf der Ebene der Verfassung Grosskreutz, Normwidersprüche im Verfassungsrecht, der sich bei der Bildung von Kategorien von Widersprüchen von Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 43 ff., leiten läßt. 770 BVerfGE 34, 9 (20). 771 BVerfG, NJW 2003, S. 41 (44); die Entscheidung ist im Schrifttum wegen ihrer (aufgrund von Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 a GG unvermeidbaren) Befürwortung einer Justitiabilität des im Jahr 1994 neugefaßten Art. 72 Abs. 2 GG als besonders länderfreundlich begrüßt worden, vgl. Jochum, NJW 2003, S. 28 (29 f.); Pechstein / Weber, Jura 2003, S. 82 (85); Sachs, JuS 2003, S. 394 (397 f.). 772 BVerfGE 98, 265; BVerfG, NJW 2003, S. 41. 773 Es wird auf BVerfGE 61, 149 (265) hingewiesen.

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

gesetzgeber die ihm ausdrücklich zugewiesene Kompetenz nicht sinnvoll nutzen könnte.774 Jedoch ist diese Einschränkung nicht dem Baurechtsgutachten zu entnehmen. Die angeführte Entscheidung zum Staatshaftungsgesetz befaßt sich mit der besonderen Konstellation, daß die Regelung des Bürgerlichen Rechts über die Haftungsüberleitung des Art. 34 S. 1 GG dem Bundesgesetzgeber einen Einfluß auf das Staatshaftungsrecht der Länder eröffnen könnte. Es handelt sich genau genommen aber um die Reichweite des Bürgerlichen Rechts. Die Spezialität des Staatshaftungsrechts gegenüber dem Bürgerlichen Recht wurde vom Bundesverfassungsgericht so beschrieben, daß der Bundesgesetzgeber nicht über die Scharniernorm des Art. 34 GG diese Landesmaterie umfassend regeln könne. Eine Kompetenz im Sinne des formelhaften Sachzusammenhangs stand nicht zur Debatte. Das Baurechtsgutachten hatte die Formel gerade im Blick auf die sachzusammenhängende Regelung einer ganzen Materie und nicht nur punktueller Einzelregelungen aufgestellt. Es hatte die Frage zu begutachten, ob sich aus den Teilgebieten des Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG nicht eine umfassende Kompetenz des Bundesgesetzgebers für das gesamte Baurecht ergibt. Die Passage, in der die Formel Erwähnung findet, ist in sich widersprüchlich. Das Gericht möchte eigentlich offenlassen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Kompetenz auf den Sachzusammenhang gestützt werden kann. Dann schließt es aus, daß Zweckmäßigkeitserwägungen einen Sachzusammenhang begründen können. Schließlich wird mit der Formel doch noch ein positives Anforderungsprofil für die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs nachgereicht. Doch in casu könne „nicht anerkannt werden, daß etwa die Regelung der Materien Bodenrecht, Wohnungswesen, Siedlungs- und Heimstättenwesen ohne Regelung des gesamten Baurechts sinnvoll nicht möglich sei“.775 Die Formel zielt auf die Erschließung einer weiteren Materie, nicht lediglich auf einzelne Regelungen, und wird insofern von den neueren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in einen falschen Kontext gestellt. Die Einschränkung, daß die den Ländern vorbehaltene Materie von dem sich auf einen Sachzusammenhang stützenden Bundesgesetzgeber nicht umfassend geregelt werden dürfe, widerspricht der Rechtsfolge, die das Gericht im Baurechtsgutachten bei Erfüllung der formelhaften Voraussetzungen in Aussicht stellte. Im übrigen ist die Einschränkung in ihrem Wortlaut aus einer Entscheidung entnommen, die mit der Formel nichts zu tun hat.776 (2) Insbesondere die Entscheidung zum Altenpflegegesetz In seiner Entscheidung777 zum Altenpflegegesetz778 hat das Bundesverfassungsgericht eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs nach zwei Seiten geprüft. So 774 775 776 777

So nur in BVerfGE 98, 265 (300). BVerfGE 3, 407 (421). Nämlich der Entscheidung zum Staatshaftungsgesetz, vgl. BVerfGE 61, 149 (265). BVerfG, NJW 2003, S. 41 ff.

VI. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Annexes

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war einerseits fraglich, ob der Beruf des Altenpflegers ein „anderer Heilberuf“ im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG ist, zum anderen ging es um die Einordnung der vom Bundesgesetzgeber geregelten Ausbildung zum Altenpflegehelfer. Für diesen hat das Gericht einen kompetenzbegründenden Sachzusammenhang779 unter Anwendung der Formel des Baurechtsgutachtens abgelehnt. Die Zulassung zu den Altenpflegeberufen könne verständigerweise geregelt werden, ohne zugleich auch die Zulassung zu den Berufen der Altenpflegehilfe zu regeln. Ein kompetentieller Sachzusammenhang würde voraussetzen, daß die Regelung der Zulassung zu den Berufen der Altenpflegehilfe unerläßliche Voraussetzung für die Regelung der Zulassung zu den Altenpflegeberufen ist.780 Beide Berufe gehören laut Bundesverfassungsgericht aber nicht sachnotwendig zusammen. Dafür stellt das Gericht auf die einfachgesetzliche Ausformung der Ausbildung zum Altenpflegehelfer ab. Die andere Frage – die Zugehörigkeit des Altenpflegeberufs zu den Heilberufen – betrifft die Problematik der kompetentiellen Qualifikation an der Schnittstelle zwischen Heilberuf und sozial-pflegerischen Berufen. Die Zulassung zu den Heilberufen ist Angelegenheit des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG. Die Zulassung setzt eine Ausbildung in der Heilkunde voraus. Zur Heilkunde gehöre nicht nur die Heilung im engeren Sinne, sondern auch die Linderung körperlicher Defekte, also die Situationsverbesserungen Erkrankter.781 Deshalb zieht das Bundesverfassungsgericht den Schluß, auch die Behandlungspflege bzw. medizinische Pflege sei Ausübung eines Heilberufs.782 Dem entspricht es, daß auch Berufe der Krankenpflege oder, da auch die Gesundheitsvorsorge der Heilkunde zugerechnet wird,783 der gesundheitsvorsorgenden Pflege unter den Begriff des Heilberufs gefaßt werden: So der Beruf der Krankenpflegerin, der medizinisch-technischen Assistentin, des Masseurs und des Krankengymnasten.784 Deren Kennzeichnung als Heilhilfsberufe785 führt in die Irre, wenn man daraus ableitet, sie seien keine Heilberufe. Auch „pflegende Berufe, soweit sie im Schwerpunkt eine Ersetzung, Ergänzung 778 Gesetz über die Berufe der Altenpflege (AltPflG) sowie zur Änderung des Krankenpflegegesetzes vom 17. 11. 2000 (BGBl. I, S. 1513). 779 So expressis verbis BVerfG, NJW 2003, S. 41 (47). 780 BVerfG, NJW 2003, S. 41 (47), unter Hinweis auf BVerfGE 3, 407 (421); 8, 143 (149); 12, 205 (237); 15, 1 (20); 26, 246 (256); 26, 281 (300); 97, 228 (251); 98, 265 (299). 781 BVerfG, NJW 2003, S. 41 (42), wobei das Gericht auf die Auslegung des Heilpraktikergesetzes rekurriert. 782 BVerfG, NJW 2003, S. 41 (43). 783 BVerfG, NJW 2003, S. 41 (44). 784 Vgl. das Gesetz über die Berufe in der Krankenpflege (Krankenpflegegesetz), das Gesetz über technische Assistenten in der Medizin (MTA-Gesetz), das Gesetz über die Ausübung der Berufe des Masseurs, des Masseurs und medizinischen Bademeisters und des Krankengymnasten, das Gesetz über die Berufe in der Physiotherapie (Masseur- und Physiotherapeutengesetz); vgl. zur Einordnung Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1318. 785 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1318; genau wie hier BVerfG, NJW 2003, S. 41 (43).

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

oder Unterstützung der ärztlichen Tätigkeit zum Gegenstand haben (wie z. B. die Berufe in der Krankenpflege) [unterfallen] als so genannte Heilhilfsberufe den Heilberufen“.786 Die gesetzgeberische Ausgestaltung der Zulassung zum Altenpflegeberuf, die zugleich eine Beschreibung des Altenpflegeberufs und seiner Ausbildungsinhalte ist, enthält aber nicht nur Anteile medizinisch-pflegerischer Tätigkeiten, sondern ebenso Anforderungen im Bereich sozial-pflegerischer Tätigkeiten. Diese letzteren fallen, für sich genommen, nicht unter einen „Heilberuf“; mithin lassen sich die Anforderungen sozial-pflegerischer Fertigkeiten zur Zulassung zum Altenpfleger nicht unter die „Zulassung zu anderen Heilberufen“ subsumieren. Trotzdem soll die Kompetenz sich aus diesem Titel ergeben, wenn man die Altenpflege, so wie sie sich in den einfachgesetzlichen Bedingungen des Altenpflegegesetzes und vor dem Hintergrund der Praxis und ihrer Anforderungen darstellt, einer Gesamtbetrachtung unterzieht.787 Das Altenpflegegesetz verleihe dem Berufsbild des Altenpflegers einen Schwerpunkt im heilkundlichen Bereich.788 Einige der normierten Ausbildungsziele rechneten zwar zum sozial-pflegerischen Bereich.789 Der Schwerpunkt im medizinisch-pflegerischen Bereich komme aber in § 3 S. 2 Nr. 1 AltPflG zum Ausdruck, wenn die „sach- und fachkundige, den allgemein anerkannten pflegewissenschaftlichen, insbesondere den medizinischpflegerischen Erkenntnissen entsprechende, umfassende und geplante Pflege“ zum Ausbildungsziel erklärt wird. Dieser „Programmsatz“ beschreibe die hervorgehobene Bedeutung der medizinisch-pflegerischen Fertigkeiten.790 Damit enthält das Altenpflegegesetz einzelne, isolierbare Vorschriften, nämlich Ausbildungsziele für die Zulassung zum Altenpflegeberuf, die für sich genommen der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder unterfallen.791 „Dieses Zwischenergebnis befreit nicht von der Notwendigkeit, die Materie am Ende entweder dem einen oder dem anderen Kompetenzbereich zuzuweisen. Eine „Doppelzuständigkeit“, auf deren Grundlage Bund und Länder ein und denselben Gegenstand in unterschiedlicher Weise regeln könnten, ist dem System der verfassungsrechtlichen Kompetenznormen fremd und stünde mit ihrer Abgrenzungsfunktion (Art. 70 II GG) nicht im Einklang“.792 Das Gericht verweist auf die Entscheidung zum Zeugnisverweigerungsrecht der Presseangehörigen, in der es fast wortgleich argumentiert hat. Auch dort war von der Notwendigkeit, die „Materie“ des Zeugnisverweigerungsrechts eindeutig zuzuordnen, die Rede.793 Doch ging es dort um die ambivalente Bedeutung der einzelnen Norm, die das Zeugnisverweigerungs786 787 788 789 790 791 792 793

BVerfG, NJW 2003, S. 41 (43). BVerfG, NJW 2003, S. 41 (43). BVerfG, NJW 2003, S. 41 (44). BVerfG, NJW 2003, S. 41 (44). BVerfG, NJW 2003, S. 41 (44). BVerfG, NJW 2003, S. 41 (44). BVerfG, NJW 2003, S. 41 (44). BVerfGE 36, 193 (203).

VI. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Annexes

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recht im Strafprozeß errichtete. Die sozial-pflegerischen Ausbildungsziele als Zulassungsvoraussetzungen zu einem Pflegeberuf lassen sich als Normen isolieren und daher isoliert zuordnen. Nur bei einzelnen, nicht mehr zerlegbaren Gesetzen besteht der Entscheidungszwang einer eindeutigen Zuordnung zu einer Kompetenz. Handelt es sich hingegen – wie bei den Ausbildungszielen des Altenpflegegesetzes – um noch zerlegbare Normen, besteht noch nicht der Zuordnungszwang, sondern zunächst die Notwendigkeit, die Normen zu zerlegen. Das Bundesverfassungsgericht wendet die Formel des Baurechtsgutachtens auch auf diese Gemengelage an.794 Es sieht die Voraussetzungen als gegeben an, da bei dem im Altenpflegegesetz geschaffenen Berufsbild ein untrennbarer Zusammenhang zwischen heilkundlichen und sozial-pflegerischen Aufgaben bestehe.795 Dieser Zusammenhang stimme strukturell mit den Problemlagen der Entscheidungen zum Jugendwohlfahrtsgesetz796 und zur Staffelung von Kindergartengebühren überein797. Der Bundesgesetzgeber faßt die Berufsfelder der Altenkrankenpflege und der Altensozialpflege in einem Beruf zusammen. Er verfolgt damit einen „ganzheitlichen“ Ansatz.798 Das Berufsbild habe seinen Schwerpunkt im heilkundlichen Bereich. Es sei sachgerecht, die kompetentielle Zuordnung nach diesem Schwerpunkt vorzunehmen.799 Wiederum erinnert die Formulierung an die jüngsten Entscheidungen zur kompetentiellen Zuordnung (einer einzigen, nicht mehr zerlegbaren Norm) nach dem Kriterium des „Schwerpunkts der Regelung“.800 Doch geht es bei dem Berufsbild um eine Mehrzahl von Normen. Der Schwerpunkt liegt innerhalb von Normen, deren Zuordnung nicht ambivalent erscheint. Er vermag dennoch, andere Normen, in denen er keinen Sitz hat, nämlich die sozial-pflegerischen Anforderungen, aus Gründen des Sachzusammenhangs kompetentiell mit sich zu ziehen.801 Der gemeinsame Nenner beider Normgruppen – der sozial-pflegerischen und der medizinisch-pflegerischen Anforderungen –, der es ermöglicht, daß das Regelungsziel der einen eine Schwerkraftwirkung auf die andere entfaltet, ist der „Heilberuf“. Die Einheit des Berufsbilds zwingt anscheinend zu einer Qualifizierung der das Berufsbild gestaltenden Gesetze nach dem Schwerpunkt des Berufsbilds. Dieses Kriterium mutet zirkulär an. Der Gesetzgeber scheint es selbst in der Hand zu haben, durch die Schaffung und Gestaltung des Berufsbilds „Altenpfleger“ dessen Schwerpunkt im Heilberuflichen zu legen. Dann wird die Kompetenzgemäßheit des Gesetzes in die Gesetzmäßigkeit der Kompetenzen verkehrt. Der 794 795 796 797 798 799 800 801

BVerfG, NJW 2003, S. 41 (44). BVerfG, NJW 2003, S. 41 (45). BVerfGE 22, 180 (212 f.). BVerfGE 97, 332 (341 f.). BVerfG, NJW 2003, S. 41 (45). BVerfG, NJW 2003, S. 41 (45). Wie in BVerfGE 97, 228 (251 f.); 97, 332 (341 f.); 98, 145 (158); 98, 265 (299 f.). BVerfG, NJW 2003, S. 41 (43).

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Gesetzgeber entscheidet über die Grenzen der ihm gezogenen Kompetenzen.802 Das Gericht spricht hier – wie schon in BVerfGE 98, 265 – vom gesetzgeberischen ganzheitlichen „Konzept“, das ihm die Kompetenz für die zu diesem unerläßlichen Regelungen verleihe.803 Die gesetzlichen Festlegungen zum Berufsbild müßten dem Sachverhalt, den sie erfassen sollten, und den Veränderungen der Wirklichkeit, also einem erhöhten Bedarf medizinisch qualifizierter Kenntnisse und Fähigkeiten auch in Bereichen, die früher von sozial-pflegerischen Berufen dominiert waren, gerecht werden. Sie „dürfen der Wirklichkeit nicht willkürlich eine Regelung aufzwingen [ . . . ], etwa um die Gesetzgebungskompetenz der Länder auszuschließen“.804 Dem ist zu widersprechen. Die Kompetenz ist nicht so zu verstehen, daß sie den Beruf meint, insoweit er einheitlich ausgeübt wird, sondern insoweit er sich auf „Heilung“ bezieht. Die Kompetenz soll nicht alle Voraussetzungen für einen in einem Heilberuf Tätigen erfassen, sondern diejenigen Voraussetzungen, die sich auf die Qualifikation des Heilberuflichen beziehen. Die Beschränkung der Kompetenz auf die Zulassung zum Heilberuf bedeutet auch, daß das Berufsbild als solches in seiner Substanz nicht von dem sich auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG stützenden Bundesgesetzgeber geregelt werden kann. Das erkennt das Bundesverfassungsgericht in einem anderen Zusammenhang an: Der Zulassungsgesetzgeber darf Mindeststandards für die Qualitätssicherung des Berufs setzen, nicht aber die Ausbildung vollständig an sich ziehen. Einige Autoren halten eine Teilung des Berufs in Altenkrankenpflege und Altensozialpflege für geboten.805 Das Bundesverfassungsgericht widerspricht mit Hinweis darauf, dem stehe das Ziel entgegen, in gleicher Weise qualifiziertes Personal für alle Bereiche der Altenpflege zu erlangen.806 Allerdings ist nicht ersichtlich, wieso für die sozial-pflegerischen Tätigkeiten eine medizinisch-pflegerische Qualifikation notwendig sein soll. Das Gericht behilft sich mit einem weiteren Argument: „Die Übertragung des „ganzheitlichen“ Ansatzes in der Medizin auf die Ausbildung in der Altenpflege bedeutet zudem eine Flexibilisierung im Einsatz der Arbeitskräfte und trägt dadurch wiederum zu einer Aufwertung des Berufs bei“ und diene unter anderem „arbeitsmarktpolitischen Belangen“.807 Diese systematischen und teleologischen Gründe rechtfertigten die Zuordnung zum Begriff des Heilberufs. Indessen ist eine arbeitsmarktpolitische Zielsetzung zur Aufwertung des Altenpflegeberufs nicht von der Kompetenz zur Regelung der Zulassung zum Heilberuf gedeckt. Die Beschränkung auf die „Zulassung“ zeigt, daß hier die Sicherung der Ausbildungsqualität und damit auch die Gefahrenabwehr im beson802 So die Kritik im Sondervotum zu BVerfGE 98, 265 / 333 (346 – 351); zusammenfassend Starck, Festschrift Maurer, S. 281 (293 f.). 803 BVerfG, NJW 2003, S. 41 (46). 804 BVerfG, NJW 2003, S. 41 (45). 805 Gallwas, DÖV 1993, S. 17 (20 in Fn. 33); Hense, BayVBl. 2001, S. 353 (359). 806 BVerfG, NJW 2003, S. 41 (45). 807 BVerfG, NJW 2003, S. 41 (45), mit Hinweis auf Busse, NDV-RD 2001, S. 106 (107).

VI. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Annexes

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ders sensiblen Gesundheitsbereich im Vordergrund steht. Die Kompetenz zur Prägung des Berufsbilds der Heilberufe darf nicht von Erwägungen der arbeitsmarkpolitischen Attraktivität eines bestimmten Berufsprofils abhängen. Die Schwankungen arbeitsmarktpolitischer Erfordernisse würden die Kompetenz an kurzfristige Zyklen binden. Die Kompetenz würde konjunkturabhängig. Eine solche ökonomisch geleitete Interpretation der Kompetenz ist auch nicht notwendig. Niemand ist gehindert, sich Zusatzqualifikationen anzueignen. „Teilung des Berufs“ ist eine irreführende Formulierung. Enthält man dem Bundesgesetzgeber die sozial-pflegerischen Ausbildungsziele vor, fallen diese dem Landesgesetzgeber zu. Dieser müßte die Anforderungen an das Berufsbild, die Ausbildung und die Zulassung regeln. Daraus folgt nicht die Existenz zweier Berufe, sondern zunächst die Zweiteilung der Kompetenz für die Regelung der Qualifikation eines einheitlichen Berufs. Beide Qualifikationen können und sollten in einem Ausbildungsgang vermittelt, unter Umständen auch in einer einzigen Prüfung kontrolliert werden. Der Bundesgesetzgeber kann dieser Verflechtung gerecht werden, indem er von seiner Kompetenz in bezug auf die Ausbildungseinrichtung und Ausbildungsdauer nur in Form von Rahmenregelungen Gebrauch macht, die eine im übrigen landesgesetzlich geregelte Ausbildung voraussetzen. Der Landesgesetzgeber kann dann die sozial-pflegerischen Elemente in diese Ausbildung integrieren. bb) Der Sachzusammenhang als Annexargument Die sachliche Nähe von Materien wird zu einer ausdehnenden Auslegung der Kompetenztitel herangezogen. Dabei wird in der Sache auf Stadien der Vorbereitung oder Nachsorge abgestellt, obwohl es sich um keine anerkannten Annexbereiche handelt. Vielmehr werden eigenständige Sachbereiche in eine Materie „hineingelesen“. Die Kompetenz wird nicht explizit mit Hilfe der Formel des Baurechtsgutachtens über die Grenzen des Wortlauts erstreckt. Der Sachzusammenhang, soweit überhaupt von ihm gesprochen wird, ist in diesem Bereich eher ein Mittel der teleologisch inspirierten Auslegung des Wortlauts der jeweiligen Materie. Im Unterschied zu den zulässigen Erscheinungsformen einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs – Spezialregelung und faktische Auswirkungen in einem kompetenzfremden Bereich (wenn letztere nicht schon als gänzlich kompetenzirrelevant angesehen werden) – wird der Sachzusammenhang hier zur Auslegung der Kompetenzmaterie ohne Ansehung des einzelnen Gesetzes herangezogen. Vielfach wird der Wortlaut überstrapaziert. (1) Jugendpflege als Teil der öffentlichen Fürsorge Kompetenzmaterien, die durch die Gefahrenabwehr in einem bestimmten Sachgebiet gekennzeichnet sind, werden um Regelungen der Gefahrenvorsorge erweitert. Das betrifft den Jugendschutz als „Bestandteil“ der öffentlichen Fürsorge.808 808

Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG.

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D. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Auch die Jugendpflege soll, obwohl dem Bereich der Fürsorge und dem auf aktuelle Gefahren abstellenden Schutz vorgelagert, zum Begriff der öffentlichen Fürsorge gehören. Das Bundesverfassungsgericht begründet dies mit dem Umstand, daß Fürsorge und Pflege praktisch so eng miteinander verzahnt seien, daß die Pflege „schon allein unter dem Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs“ ebenfalls dem Begriff der Fürsorge unterfallen müsse.809 Der Wortlaut soll also gewahrt bleiben, ein Ausgreifen auf eine an und für sich den Ländern zustehende Materie wird durch diese Argumentation ausgeschlossen. Das Gericht faßt auch die Regelung solcher vorbeugenden Maßnahmen unter die Kompetenz, die spätere Fürsorgemaßnahmen überflüssig machen.810 Kraft Sachzusammenhangs ist „öffentliche Fürsorge“ daher begrifflich auch, was öffentliche Fürsorge überflüssig macht. (2) Abfallbeseitigung als Abfallvermeidung Dieselbe Überlegung setzt bei der Auslegung der Kompetenzmaterie „Abfallbeseitigung“811 an. Die „Abfallverwertung“ läßt sich begrifflich ohne größere Schwierigkeiten der Abfallbeseitigung subsumieren. Eine Verwertung von Abfällen beseitigt die Abfalleigenschaft und ist insofern Abfallbeseitigung. Jedoch ist das „Vorfeld der Beseitigung“812 vom Begriff der Beseitigung nicht so weit gedeckt, daß die Abfallvermeidung darunter fällt. Es existiert nämlich keine allgemeine Materie der „Abfallbekämpfung“ oder für den „Schutz der Umwelt“.813 Die Regelung einer Pflicht zum Vorsortieren der Abfälle durch den Besitzer kann dagegen als Regelung über die Beseitigung qualifiziert werden.814 Eine Gegenansicht betrachtet Abfallvermeidung als Abfallbeseitigung, wenn die Vermeidung untrennbar mit der Beseitigung, die Entsorgung oder Verwertung sein kann, verbunden ist.815 Deutlicher wird von einem unlösbaren Sachzusammenhang zwischen beiden Bereichen gesprochen.816 Die sachliche Untrennbarkeit ist keineswegs eine begriffliche. Was Abfallbeseitigung ist, ergibt sich nicht aus einem von diesem Begriff losgelösten Zweck des Umweltschutzes. Die Materie setzt die Entstehung des Abfalls voraus. Soweit Pflichten zur Abfallbeseitigung die faktische Präventionswirkung haben, daß die Abfallerzeugung vermieden wird, handelt es sich um einen Fall zulässiger faktischer Auswirkungen. Eine in Art. 74 Abs. 1 BVerfGE 22, 180 (213). BVerfGE 22, 180 (213). 811 Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG. 812 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1759. 813 Siehe Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1760: § 4 KrW- / AbfG läßt sich nicht auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG stützen. In diesem Sinne auch Bothe, NVwZ 1987, S. 938 (939); a. A. Salzwedel, NVwZ 1989, S. 820 (821 f.). 814 So zu Recht Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1759. 815 Brenner, BayVBl. 1992, S. 70 (72 f.). 816 Münch, VBlBW 1995, S. 121 (127). 809 810

VI. Die Gesetzgebungskompetenz kraft Annexes

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Nr. 24 GG enthaltene Regelungskompetenz für die Abfallvermeidung ist jedoch richtigerweise abzulehnen. (3) Bundesgesetzliche Befreiung von landesgesetzlichen Gebührenpflichten Der Bundesgesetzgeber soll ausgehend von der Kompetenz für das „Siedlungsund Heimstättenwesen“817 eine Annex-Kompetenz für die Gebührenbefreiung im Heimstättenrecht haben.818 Für Bundesbahn und Bundespost hat das Bundesverfassungsgericht eine solche Kompetenz abgelehnt, wobei es ausdrücklich auch den Sachzusammenhang als untaugliche Begründung für eine solche Exemtionsregelung ansah.819 Im Gegensatz zu den beiden vorstehenden Konstellationen geht es nicht um das zeitliche Vorfeld des im Kompetenzbegriff beschriebenen Geschehens. Vielmehr soll das Gebiet gegen andere Regelungen abgeschirmt werden, die ihrerseits kompetenzgemäß in dieses Gebiet eingreifen. Diese immunisierende Wirkung des Annexes oder Sachzusammenhangs ist vollständig abzulehnen. Eine Kompetenzmaterie kann nicht wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit der von der Materie Betroffenen stärker gegen andere Materien abgeschirmt werden.

Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG. OVG Berlin, NJW 1981, S. 776 (777 f.); zustimmend Rengeling, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 100 Rn. 211. 819 BVerfGE 26, 281 (297 – 301). 817 818

E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten Die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs wird dort häufig als Auslegungsmittel zum Einsatz kommen, wo kompetentiell zu trennende Rechtsgebiete in der Realität des Rechtslebens typischerweise miteinander zusammenhängen. Auswirkungen, Ambivalenzen und Interdependenzen der Normen und ihrer Wirkungen kennzeichnen diese Zusammengehörigkeit, müssen aber durch die kompetentielle Qualifikation gleichsam neutralisiert werden. Die sich ergebenden Abstimmungsschwierigkeiten lassen sich an einigen Schnittbereichen demonstrieren. Zur besseren Übersichtlichkeit sollen die Beispiele in aufeinander aufbauende Rechtsgebiete und -vorschriften (I.) sowie ineinander greifende Prüfungsprogramme (II.) unterschieden werden.

I. Aufeinander aufbauende Rechtsgebiete und -vorschriften In diesem Kapitel soll gezeigt werden, wie zwischen zwei Rechtsgebieten, von denen das eine vom Landes-, das andere vom Bundesgesetzgeber geregelt worden ist, kompetentielle Feinabstimmungen möglich sind, wenn beide Rechtsgebiete aufeinander angewiesen oder zumindest aufeinander bezogen sind. Dazu werden mehrere Komplexe untersucht. Einige von ihnen sind weitgehend voneinander abhängige Materien. Dies trifft zum Beispiel auf das Straßenverkehrsrecht sowie das Straßen- und Wegerecht, das Boden- und das Bauordnungsrecht oder in geringerem Maß das Recht der Gefahrenabwehr und die Straftatenvorsorge zu. Andere Rechtsgebiete treffen sich nur in wenigen Normen, die aber als „Schnittstellen“ besonders markant sind. Das betrifft etwa das Verhältnis des § 134 BGB zu dem dort als Tatbestandsmerkmal in Bezug genommenen gesetzlichen Verbot.

1. Straßenverkehrsrecht und Straßenrecht Das Straßenverkehrsrecht fällt unter die Materie „Straßenverkehr“ in Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG. Der Bund hat mit dem StVG und der StVO diese Materie geregelt. Das Straßen- und Wegerecht hingegen ist ausschließliche Kompetenz des Landesgesetzgebers.1 Das ergibt sich aus einer Auslegung der Teilgebiete des 1 Mit Ausnahme der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Bundesfernstraßen, die Pestalozza aus Art. 90 Abs. 1 GG ableiten will (Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1590 in Fn. 2931).

I. Aufeinander aufbauende Rechtsgebiete und -vorschriften

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Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG. Den Bau und die Unterhaltung nennt dieser Kompetenztitel nur im Blick auf Landstraßen für den Fernverkehr. Für Bau und Unterhaltung anderer Straßen als Landstraßen für den Fernverkehr verleiht der Titel keine Kompetenz.2 Zu Bau und Unterhaltung von Straßen gehört das Widmungsrecht. Inhalt des Widmungsrechts ist die Eingrenzung, welchen Verkehrsarten die Straße zur Verfügung stehen soll. Dies ist gleichbedeutend mit dem Umfang des abstrakt bestehenden Gemeingebrauchs.3 Das Straßenverkehrsrecht regelt das Verhältnis der Verkehrsarten zueinander. Es behandelt den Straßenverkehr unter spezifisch ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten. Das Bundesverfassungsgericht hat darauf hingewiesen, daß das Straßenverkehrsrecht aus dem allgemeinen Polizeirecht hervorgegangen ist und die spezifischen Gefahren, Behinderungen und Belästigungen zum Gegenstand habe, die mit dem modernen Verkehr verbunden sind.4 Das Straßenverkehrsrecht sei auf das Verkehrsgeschehen und auf Verkehrsvorgänge ausgerichtet. Zwischen beiden Gebieten bestehe ein „sachlicher Zusammenhang“. Das Straßenverkehrsrecht setze das Straßenrecht voraus.5 Die gerichtliche Kennzeichnung des Verhältnisses ist im Schrifttum variiert worden: Es gelte ein Vorrang straßenverkehrsrechtlicher Regelungen unter dem Vorbehalt straßenrechtlicher Bestimmungen des zulässigen Verkehrs.6 Das Verkehrsrecht setzt voraus, daß überhaupt auf der Grundlage des Straßenrechts ein öffentliches Straßennetz geschaffen und im Wege der Widmung dem Verkehr zur Verfügung gestellt worden ist.7 Dem Straßenverkehrsrecht kommt erst dann die Ausgestaltung der Modalitäten des Verkehrsablaufs im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sowie zur Abwehr der vom Verkehr ausgehenden und auf ihn einwirkenden8 Gefahren zu.9 Einerseits soll es sich angesichts der unterschiedlichen Zweckrichtungen von Straßenverkehrs- und Straßenrecht nicht um sich überschneidende Rechtsgebiete handeln.10 Überschneidungen seien ausgeschlossen, da die Materie „Straßenverkehr“ keine Eingriffe in solche Materien gestatte, für die das Straßenrecht eigene Regelungsinstrumente anbiete.11 Andererseits gebe es etwa zwischen dem straßenVgl. die präzise Auslegung von Peine, DÖV 1978, S. 835 (836). Peine, DÖV 1978, S. 835 (837). 4 BVerfGE 40, 371 (379 f.). 5 BVerfGE 40, 371 (378). 6 Siehe Steiner, JuS 1984, S. 1 (4); Bühler, BWVP 1985, S. 98 (100). 7 Meins, BayVBl. 1983, S. 641 (643). 8 Richtige Einschränkung bei Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1596 mit Fn. 2950: Der „Eingriffsort“, also die Anknüpfung an eine Gefahrenquelle außerhalb des Straßenverkehrs, führt zur Zuordnung zu der diesem „Ort“ entsprechenden Kompetenzmaterie. 9 VGH BW, DÖV 1982, S. 206; BVerwG, DÖV 1981, S. 920; BVerwGE 34, 241 (243); Körner, BayVBl. 1978, S. 487. 10 BVerwGE 34, 241 (243 f.). 11 Peine, DÖV 1978, S. 835 (837). 2 3

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E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

rechtlichen Widmungskonzept und straßenverkehrsrechtlichen Anordnungen eine „Arbeitsteilung“ oder „Überlagerungseffekte“.12 Die straßenrechtlichen Schranken des Gemeingebrauchs stünden in einer schwierigen „Gemengelage“ zum Verkehrsrecht.13 Daß es der Abgrenzung an Trennschärfe mangeln könnte, zeigen Warnungen davor, die Widmung dürfe nicht durch straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen „ausgehöhlt“ oder „umgangen“ werden.14 Es wird sogar angenommen, daß eine einzige Maßnahme sowohl zur Regelung des Rechtsverhältnisses auf dem Verkehrsweg als auch zur spezifisch verkehrsrechtlichen Gefahrenabwehr denkbar sei.15 Eine Straßensperrung, die auf § 45 Abs. 1 S. 1 StVO gestützt wird, darf nicht den abstrakten Gemeingebrauch umdefinieren, wie er sich aus der straßenrechtlichen Widmung ergibt. Eine lediglich kurzfristige Absperrung, die der Gefahrenabwehr dient, kann ohne weiteres dem Straßenverkehrsrecht subsumiert werden. Doch kann die spezifisch verkehrsgerichtete Gefahrenabwehr auch eine langfristige Straßensperrung erfordern, wenn die abzuwehrende Gefahrenlage dauerhaft ist. Dann aber ist die Kurzfristigkeit der auf § 45 Abs. 1 S. 1 StVO gestützten Maßnahme nicht notwendiges Merkmal der straßenverkehrsrechtlichen Gefahrenabwehr und umgekehrt die Dauerhaftigkeit der Verkehrsbeschränkung noch kein hinreichendes Kriterium für die Zuordnung zum Straßen- und Wegerecht.16 Erst eine Verkehrsbeschränkung, die dauerhaft sein soll und Einfluß auf die Zulässigkeit bestimmter Verkehrsarten hat, ist als Straßenrecht zu qualifizieren.17 Der dauerhafte Ausschluß widmungsrechtlich zulässiger Verkehrsarten von der Benutzung einer Straße stellt noch nicht den für die Zuordnung zum Straßenrecht ausschlaggebenden Einfluß auf diese widmungsrechtliche Zulässigkeit dar. § 45 Abs. 1 S. 1 StVO deckt Maßnahmen, die sich auf den individuellen Gemeingebrauch auswirken, nicht aber Maßnahmen, die die Zulässigkeit bestimmter Verkehrsarten als solche betreffen. Diese sind Gegenstand des Widmungsrechts. Jedoch sind die Kategorien von „Einfluß“ und „Auswirkung“ zu ungefähr, um die Kompetenzmaterien voneinander abzugrenzen. Eine langfristige Straßensperrung hat über die Einschränkung des individuellen Gemeingebrauchs jedenfalls Einfluß auf den abstrakten Gemeingebrauch und wirkt sich auch auf diesen aus. Es greift daher zu kurz, wenn behauptet wird, verkehrsrechtliche Maßnahmen dürften weder de iure noch de facto den Status der Straße festlegen.18 Die auf die StVO zu stützende Sperrung knüpft an eine Gefahr an, die nicht in den Verkehrsarten begründet liegt. Die widmungsrechtliche Zulässigkeit wird nicht in Frage gestellt. Man muß zunächst zwischen den 12 13 14 15 16 17 18

Steiner, VerwArch. 86 (1995), S. 173 (180 f.). Salzwedel, in: Ein Vierteljahrhundert Straßenrechtsgesetzgebung, S. 97 (104). Vgl. Peine, DÖV 1978, S. 835 (838). So Cosson, DÖV 1983, S. 532. Peine, DÖV 1978, S. 835 (837). Peine, DÖV 1978, S. 835 (838), der von „Einfluß“ spricht. So aber Peine, DÖV 1978, S. 835 (837).

I. Aufeinander aufbauende Rechtsgebiete und -vorschriften

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Grundlagen der widmungsrechtlichen Zulässigkeit und denen der straßenverkehrsrechtlichen Zulässigkeit unterscheiden. Jene bezieht sich auf die Unbedenklichkeit der Benutzung von Straßen unter denjenigen technischen Aspekten, die in Bau und Unterhaltung der Straßen wurzeln.19 Diese bezieht sich auf die Zulässigkeit einer Benutzung der Straße unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten, die aber nicht deckungsgleich sein dürfen mit denjenigen, die den Umfang der Widmung bestimmt haben. Das bedeutet wiederum nicht, daß die Straßenverkehrsbehörde überhaupt nicht beispielsweise den baulichen Zustand der Straße einer ihrer Maßnahmen als Motiv zugrunde legen darf. Wenn etwa an einer für den Straßenverkehr gewidmeten Straße eine bauliche Maßnahme akut erforderlich wird, so bleibt die bauliche Maßnahme eine solche des Straßenrechts, doch die Anordnung zur Sperrung der Straße erfolgt aufgrund Straßenverkehrsrechts. Die Einschränkung ist für die kompetentielle Zuordnung also jedenfalls auf ihre – objektiv verstandene – Motivation hin zu qualifizieren. Fraglich ist, ob auch die Rechtsfolge, die sich als Beschränkung des Verkehrs darstellt, für die kompetentielle Zuordnung maßgeblich ist. Die Frage läßt sich anders stellen: Kann die widmungsrechtliche Zulässigkeit überhaupt durch eine verkehrsrechtliche Anordnung, die auf Gründen der Gefahrenabwehr beruht, eingeschränkt werden? Die „Motivation“ der Maßnahmen, das bedeutet: der telos der sie deckenden gesetzlichen Grundlagen, muß anhand objektiver Umstände ermittelt werden. Wenn man die Beeinträchtigung einer wie auch immer bestimmten „widmungsrechtlichen Zulässigkeit“ als ein Kriterium für diese objektiv zu ermittelnden Ziele der Maßnahme nimmt, die mit den Zielen der sie deckenden Gesetze übereinstimmen müssen, die wiederum mit den von der Kompetenznorm erlaubten Zielen in Einklang stehen müssen, gerät man in die Gefahr eines Zirkelschlusses. Die widmungsrechtliche Zulässigkeit ist keine Kompetenzmaterie, sondern wird ihrerseits aus dem Teilgebiet „Bau und Unterhaltung von Straßen“ abgeleitet. Legt man diesen Titel teleologisch aus, so deckt er die Normierung des Widmungsrechts, sofern dieses dem Bau und der Unterhaltung von Straßen dient oder sich aus diesen begrifflich ergibt. Man kann nicht die straßenverkehrsrechtlichen Normen und die von ihnen kompetentiell noch gedeckte Anwendung an einer teleologischen Auslegung der Materie „Straßenverkehrsrecht“ messen, die ihre Grenze, trotz Einschlägigkeit des gefahrenabwehrrechtlichen Zwecks, an einer gerade nicht teleologisch begrenzten Teilmaterie „widmungsrechtliche Zulässigkeit“ findet. Diese Teilmaterie ist ebenso teleologisch auf Bau und Unterhaltung der Straße zu begrenzen. Die Feststellung, ob eine verkehrsrechtliche Beschränkung des „individuellen“ Gemeingebrauchs nach Dauer oder Intensität bereits die straßenrechtliche Regelung des „abstrakten“ Gemeingebrauchs berührt oder aushöhlt, wird der erforderlichen teleologischen Auslegung der Kompetenzmaterien nicht gerecht. Die als „Zwischentatbestand“ gebildete Materie „widmungsrechtliche Zulässigkeit“ wurde überhaupt erst durch teleologische Auslegung der Materie „Bau und Unterhaltung 19 Denn das Widmungsrecht wird aus den Teilgebieten Bau und Unterhaltung von Straßen hergeleitet, weil es eine Sachnähe zu diesen besitzt; vgl. Peine, DÖV 1978, S. 835 (836 f.).

286

E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

von Straßen“ ermittelt und kann kein von dieser völlig abgekoppeltes Eigenleben entwickeln – sie muß sich daher an der teleologischen Auslegung auch in Abgrenzung gegenüber anderen Kompetenzmaterien messen lassen. Ein mit der straßenverkehrsrechtlich begründeten Sperrung gleichgelagertes Problem im Schnittbereich beider Rechtsgebiete stellt die Einrichtung einer Fußgängerzone mit den Mitteln des Straßenverkehrsrechts dar. Da das Straßenverkehrsrecht das Straßenrecht voraussetzt20 und dieses für jenes einen verbindlichen, aber ausfüllungsbedürftigen Rahmen bildet, kann das Straßenverkehrsrecht nicht eine Nutzung zulassen, die über Art und Umfang des Widmungszwecks hinausgeht.21 Umgekehrt darf eine straßenrechtlich zulässige Nutzung nicht dauerhaft22 unter Abweichung von straßenrechtlichen Bestimmungen aufgrund Straßenverkehrsrechts ausgeschlossen werden.23 Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht zutreffend festgestellt, das Straßenverkehrsrecht lasse Maßnahmen zu, die den widmungsrechtlich zugelassenen Verkehr einschränken.24 Jedoch darf dies – wie oben für die Straßensperrung gezeigt – nicht aus Gründen geschehen, die zum Straßenrecht ressortieren. Steiner hat dies so umschrieben, daß das Straßenverkehrsrecht nicht die widmungsrechtliche Konzeption komplettieren oder verbessern dürfe.25 Kein Eingriff in das Widmungskonzept liege vor, wenn die straßenverkehrsrechtliche Anordnung aus der konkreten örtlichen Situation sowie aus einer atypischen Gefahrenlage heraus geboten sei.26 Dem ist insofern zu widersprechen, als die Gebotenheit oder Erforderlichkeit der Gefahrenabwehrmaßnahme nicht für deren Subsumtionsfähigkeit unter das Straßenverkehrsrecht geboten und erforderlich sind. Auch Maßnahmen, die aufgrund eines Entschließungsermessens getroffen werden, fallen unter das Straßenverkehrsrecht, selbst wenn sie auf der Grenze zum Nutzungsausschluß liegen. Das Vorliegen einer Gefahr, die aus dem oder für den Straßenverkehr resultiert, ist für das Straßenverkehrsrecht charakteristisch. Dieses darf straßenrechtliche Fehlplanungen nicht korrigieren. Gleichwohl müssen die sich aus einer solchen Fehlplanung ergebenden konkreten Gefahren straßenverkehrsrechtlich bekämpft werden dürfen. Für die Einrichtung von Fußgängerzonen bedeutet dies, daß es einer straßenrechtlichen Widmung bzw. Umwidmung oder Teileinziehung bedarf, wenn der Verkehr nicht nur beruhigt, sondern in seinem Bestand verändert werden soll.27 BVerfGE 40, 371 (378). BVerwGE 94, 136 (138); vgl. aber die Sonderrechte des § 35 StVO – dazu Lorenz, DÖV 1990, S. 517 ff. 22 Zur Relativität dieses Abgrenzungsmerkmals siehe oben. 23 BVerfGE 67, 299 (322); BVerwGE 62, 376 (378); VGH BW, DÖV 1983, S. 206; Steiner, JuS 1984, S. 1 (4). 24 BVerwGE 94, 136 (138) – es ging um die Beschränkung des widmungsrechtlich zugelassenen Anliegerverkehrs auf den Lieferverkehr. 25 Steiner, VerwArch. 86 (1995), S. 173 (180 f.); Schwabe, NVwZ 1994, S. 629 (630 ff.). 26 Steiner, VerwArch. 86 (1995), S. 173 (181), unter Hinweis auf den BayVGH, NZV 1994, S. 206 (207). 20 21

I. Aufeinander aufbauende Rechtsgebiete und -vorschriften

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Auch wenn sich ein Fußgängerbereich nach dem einfachgesetzlichen Straßenrecht eines Landes keiner eigenen Straßenklasse eindeutig zuordnen läßt, ist dennoch eine Modifikation der Widmung erforderlich. Wenn straßenverkehrsrechtlich eine Nutzungsart ausgeschlossen wird, die straßenrechtlich nicht erfaßt ist, weil das Raster der Nutzungsarten „gröber“ normiert wurde, ist nicht per se die Materie Straßenverkehr einschlägig. Denn die durch die Widmung zuzulassenden Nutzungsarten müssen im Wege der Auslegung des Kompetenztitels „Straßen- und Wegerecht“ normiert werden. Einfachgesetzliche Lücken eröffnen dem Bundesgesetzgeber insoweit keine neuen Spielräume. Das Verhältnis von Straßenverkehrs- und Straßenrecht gerät auch bei der Frage der gegenüber dem Verkehrsteilnehmer durchsetzbaren Widmungsbeschränkung in eine eigenartige Gemengelage. So wird vertreten, daß die nach Straßenrecht wirksamen Widmungsbeschränkungen, das heißt die Widmung in ihrem beschränkten Umfang, nur dann wirksam werden können, wenn sie straßenverkehrsrechtlich umgesetzt werden.28 Die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit von Normen, deren Verletzung sanktioniert wird, gebiete eine Verdeutlichung der Widmungsbeschränkung mit den Mitteln des Straßenverkehrsrechts. Das meint insbesondere die Kennzeichnung mit den in der StVO vorhandenen Verkehrszeichen. Diese Ansicht geht offenbar davon aus, daß dem Straßenrechtsgesetzgeber die Mittel fehlen, Ermächtigungsgrundlagen für die dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot genügende Kennzeichnung der Straßen zu schaffen. Sie setzt zudem voraus, daß der Straßenverkehrsrechtsgesetzgeber diese Mittel besitzt. Der Verkehrsgesetzgeber sei aufgrund des Gebots der Bundestreue verpflichtet, die Durchsetzung sinnvoller straßenrechtlicher Widmungsbeschränkungen durch geeignete Kennzeichen zu ermöglichen.29 Nach anderer Ansicht können Verkehrszeichen der StVO die Benutzung eines Weges nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung beschränken und nicht auch auf eine Widmungsbeschränkung hinweisen. Jedoch ginge die Widmungsbeschränkung meist mit einer straßenverkehrsrechtlichen Beschränkung einher.30 Schließlich wird noch vertreten, Zeichen der StVO könnten Widmungsbeschränkungen „verdeutlichen“. Die Straßenbaubehörde habe einen Anspruch gegenüber der Straßenverkehrsbehörde, daß diese die verdeutlichende Kennzeichnung mit ihren Mitteln vornimmt.31 Dieser Anspruch soll die angebliche Unvollkommenheit der rechtlichen Instrumente des Straßenrechts durch straßenverkehrsrechtliche Mittel auszugleichen helfen. Er ähnelt den Konstruktionen von Bundestreue und Rücksichtnahmegebot im Verhältnis von Bundes- und Landesgesetzgeber. Ein solcher Anspruch kann von vornherein nicht bestehen, wenn der 27 28 29 30 31

Meins, BayVBl. 1983, S. 641 (644). So Salzwedel, in: Ein Vierteljahrhundert Straßenrechtsgesetzgebung, S. 97 (107). Salzwedel, in: Ein Vierteljahrhundert Straßenrechtsgesetzgebung, S. 97 (114). Vgl. Kramer, in: Kodal / Krämer, Strassenrecht, S. 112 und 576. So Steiner, zitiert nach Cosson, DÖV 1983, S. 532 (533 in Fn. 14).

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E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

Straßengesetzgeber selbst die Mittel dazu hätte. Wenn der Straßenverkehrsgesetzgeber keine Kompetenz hat, ist er ebenfalls ausgeschlossen. Die Materie des Straßen- und Wegerechts umfaßt das Widmungsrecht. Dieser Rechtsakt bedarf zu seiner Wirksamkeit gegenüber den Verkehrsteilnehmern der Publizität. Denkbar sind Widmungen durch Gesetz, Rechtsverordnung, Satzung und Verwaltungsakt. Eine Widmung durch Gesetz stünde nur dem Straßengesetzgeber zu. Für die unterrangigen Rechtsquellen muß es dementsprechend eine Verwurzelung im Straßenrecht geben. Problematisch ist die Publizität. Alle genannten Rechtsakte bedürfen der Publizität, um gegenüber den Betroffenen Rechtswirkungen zu entfalten. Diese genügt in der straßen- und wegerechtlich vorhandenen Form jedoch nicht den besonderen Anforderungen, die, aus dem Rechtsstaatsgebot abgeleitet, für die Sanktionierung einer widmungswidrigen Benutzung einer Straße zu stellen sind. Doch ist nicht einzusehen, wieso der Straßen- und Wegerechtsgesetzgeber nicht auch zur Aufstellung von Zeichen zur Kundgabe der Widmung ermächtigen können soll. Wenn Ordnungswidrigkeiten nach Straßenverkehrsrecht vorliegen sollten, kann nur ein straßenverkehrsrechtlich relevantes Verhalten sanktioniert werden. Das Straßenrecht kann vom Bundesgesetzgeber im Wege des auf die Strafrechtskompetenz gestützten Ordnungswidrigkeitenrechts nur sanktioniert werden, wenn der Landesgesetzgeber Verbotsnormen aufgestellt hat. Denn der Ordnungswidrigkeitengesetzgeber muß an die materiell-rechtlichen Vorgaben anknüpfen. Zu diesen gehört die Publizität des Verbots. Überlegenswert erscheint, ob ein nach rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht ausreichend publik gemachtes Verbot durch eine ausreichend publizierte Ordnungswidrigkeitenrechtsfolge so sanktioniert werden kann, daß diese Kombination einerseits dem Rechtsstaatsprinzip und andererseits der Kompetenzverteilung Genüge tut.

2. Bodenrecht und Bauordnungsrecht Das Verhältnis von Bodenrecht und Bauordnungsrecht, das teilweise Baupolizeirecht genannt wird,32 ist ähnlich schwierig gelagert. Wiederum geht es um die Regelung einer Sachmaterie im Verhältnis zu besonderem Gefahrenabwehrrecht. Das Bodenrecht im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG umfaßt Beschaffenheit und Nutzbarkeit des Bodens. Die Nutzbarkeit meint insbesondere die bauliche Nutzbarkeit und damit die örtliche Bauleitplanung. Das Bauordnungsrecht regelt die Nutzung und nicht die Nutzbarkeit, wenn es Anforderungen an bauliche Anlagen stellt. Das Bundesverfassungsgericht hat das Bauordnungsrecht nicht, auch nicht im Wege eines Annexes, dem Bodenrecht subsumiert.33 Doch ist es verfehlt, das Bauordnungsrecht geschlossen dem Landesgesetzgeber zuzuweisen.34 Das Bun32 33 34

BVerfGE 3, 407 (430 ff.). BVerfGE 3, 407 (413 – 416). Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1239.

I. Aufeinander aufbauende Rechtsgebiete und -vorschriften

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desverfassungsgericht hat das Wohngebäude betreffende Baupolizeirecht als Annex dem „Wohnungswesen“ in Nr. 18 zugeschlagen.35 Dabei erscheint es richtig, das Baupolizeirecht im Blick auf das Wohnungswesen auf die spezifischen Erfordernisse sozialer Gerechtigkeit zu beschränken,36 weil diese sozialstaatliche Tendenz dem Titel und seiner konkurrierenden Zuweisung an den Bund zugrunde liegt. Ebenso läßt sich Bauordnungsrecht dem Gewerbe in Nr. 11 zuordnen.37 Die Annexbildung zum Wohnungswesen bei gleichzeitiger Ablehnung eines Annexes zum Bodenrecht ist berechtigt, weil das Wohnungswesen den Bau voraussetzt, das Bodenrecht aber sehr wohl auf die Bebaubarkeit beschränkt sein kann.38 Jedenfalls unterfallen Bauleitplanung und Bauordnungsrecht unterschiedlichen Kompetenzmaterien, so daß für letzteres der Landesgesetzgeber zuständig sein kann. So wie die Nutzbarkeit der Nutzung logisch vorausgesetzt ist, baut das Bauordnungsrecht auf das Bauplanungsrecht auf. Die Verschiedenheit der Kompetenzmaterien hat zur Folge, daß im Wortlaut identische Begriffe je nach Kompetenz verschieden ausgelegt werden dürfen, gegebenenfalls müssen. Der Begriff der „baulichen Anlage“ im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB ist anders auszulegen als der wortgleiche Begriff in § 2 Abs. 1 S. 1 BauO NRW. Die Legaldefinitionen der Landesbauordnungen lassen sich nicht auf das BauGB übertragen. Es kann nicht einfach gesagt werden, der eine oder andere Begriff sei weiter, sondern das BauGB legt einen spezifisch planungsrechtlichen Anlagenbegriff zugrunde, während das Bauordnungsrecht einen an der Gefahrenabwehr orientierten Anlagenbegriff in Bezug nimmt. Darüber hinaus müssen beide Begriffe auch aus ihrem einfachgesetzlichen systematischen Zusammenhang ausgelegt werden. So entscheidet nach Bauordnungsrecht das Vorliegen einer baulichen Anlage über die präventive Kontrolle, so daß der Begriff auf das Kontrollbedürfnis hin ausgelegt werden muß, während das BauGB die planungsrechtliche Relevanz mit dem Begriff der baulichen Anlage einfangen will.39 Sachliche „Überschneidungen“ zwischen beiden Rechtsgebieten kommen unter anderem im Recht der Abstandsflächen, im Verunstaltungsschutz und bei Ermächtigungen zum Abbruch in Betracht. So verlangen sowohl die §§ 6, 7 BauO NRW als auch Festsetzungen nach §§ 22, 23 BauNVO über die offene oder geschlossene Bauweise und die überbaubaren Grundstücke Abstandsflächen.40 Letzere sind aufgrund planungsrechtlicher Aspekte des Bodenrechts normiert, indes das Bauordnungsrecht mit den Abstandsflächen ordnungsrechtliche Ziele wie etwa die Feuersicherheit verfolgt.41 Wegen dieser unterschiedlichen Zielsetzungen beider Nor35 BVerfGE 3, 407 (433 f.); kritisch dazu Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1264 in Fn. 2294. 36 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1265, mit Beispielen in Rn. 1260. 37 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1239. 38 Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1264. 39 Vgl. dazu Weyreuther, BauR 1972, S. 1 (3 f.). 40 Vgl. Ortloff, NVwZ 1997, S. 333 (334).

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E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

mengruppen geht keine der anderen im Wege der Spezialität vor. Auch setzt sich Bundesrecht nicht gemäß Art. 31 GG gegenüber den Landesbauordnungen durch. Bundes- und Landesrecht gelten kumulativ.42 Die Anforderungen beider Rechtsgebiete müssen eingehalten werden. Das führt beispielsweise zu einer unter „zwei Schranken“ stehenden Zulässigkeit der Abstandsflächen von baulichen Vorhaben. Wird entweder gegen Bundes- oder Landesrecht verstoßen, ist das Vorhaben unzulässig. Dem Verunstaltungsschutz dient § 12 Abs. 1 BauO NRW. Die Bauaufsichtsbehörde kann mit den Eingriffsbefugnissen des § 61 BauO NRW Verstöße gegen das Verunstaltungsverbot nötigenfalls mit einer Abbruchverfügung abstellen. Aufgrund von § 177 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB kann die Gemeinde Beseitigung verlangen, wenn durch Abnutzung, Alterung, Witterungseinflüsse oder Einwirkungen Dritter die bauliche Anlage nach ihrer äußeren Beschaffenheit das Straßen- oder Ortsbild nicht nur unerheblich beeinträchtigt. Beide knüpfen an eine verunstaltende Wirkung an. Jedoch ist die Baugestaltung grundsätzlich keine Angelegenheit des Bodenrechts. Doch hat Weyreuther zutreffend einen „Umschlag in das Bodenrecht“ bei einer graduellen Steigerung der Auswirkungen einer baulichen Anlage für möglich gehalten, wenn andernfalls planerische Zielsetzungen unterlaufen würden.43 So kann eine großflächige und auffällige Außenwerbung den Gebietscharakter eines Wohngebiets ändern. Dann liegt eine bodenrechtlich relevante Wirkung vor. Der Verunstaltungsschutz des § 177 BauGB knüpft an eine Beeinträchtigung des Straßen- oder Ortsbilds an, die nicht schon durch die Bauausführung hervorgerufen wird. § 12 Abs. 1 BauO NRW richtet sich gegen eine durch bauliche Maßnahmen verursachte Verunstaltung. Insofern halten sich beide Normen schon mit ihrem Anknüpfungspunkt innerhalb der jeweiligen Materie. Nach dem Gesagten dürfte eine bodenrechtliche Norm des Bundes auch an das verunstaltende Produkt, so wie es sich aus der Bauausführung ergibt, anknüpfen, wenn die Auswirkung bodenrechtlich relevant ist. Diese Relevanz bedarf einer besonders weitreichenden, über das konkrete Grundstück und seine unmittelbare Nachbarschaft hinausreichenden Wirkung. § 61 Abs. 1 S. 2 i. V. m. S. 1 BauO NRW erlaubt den Bauaufsichtsbehörden unter anderem eine Abbruchverfügung oder eine Verfügung des Inhalts, einen Abbruch zu dulden, auch wenn ein Verstoß gegen Bauplanungsrecht vorliegt. § 179 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB ermächtigt die Gemeinde, den Eigentümer zu verpflichten, die Beseitigung einer baulichen Anlage, die Festsetzungen des Bebauungsplans nicht entspricht und nicht angepaßt werden kann, zu dulden. Diese Eingriffsbefugnis dient der Durchsetzung des Planungsrechts. Sie ist Bodenrecht. Das Bauordnungsrecht dient ebenso der Realisierung und Durchsetzung von Planungsrecht. Im Rahmen des dem Bauordnungsrecht zugeordneten Baugenehmigungsverfah41 42 43

Vgl. Weyreuther, BauR 1972, S. 1 (1 f.). Weyreuther, BauR 1972, S. 1 (2). Weyreuther, BauR 1972, S. 1 (4).

I. Aufeinander aufbauende Rechtsgebiete und -vorschriften

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rens prüft die Genehmigungsbehörde das Bauplanungsrecht. Ebenso ist die repressive Durchsetzung des Bauplanungsrechts eine Materie des Bauordnungsrechts. Bauplanungsrechtliche Eingriffsbefugnisse sind allerdings leges speciales. Hier liegt eine „echte“ Überschneidung vor, die dadurch bedingt ist, daß Bauplanungsrecht Schutzgut der bauordnungsrechtlichen Gefahrenabwehr ist. Die bauordnungsrechtliche Eingriffsbefugnis besteht neben der bauplanungsrechtlichen weiter, soweit es keine Widersprüche zwischen beiden gibt.

3. Strafrecht sowie Polizei- und Ordnungsrecht Zwischen dem Strafrecht auf der einen und Polizei- und Ordnungsrecht auf der anderen Seite existieren ebenfalls Berührungspunkte. Letzteres knüpft die Eingriffsbefugnisse für Ordnungs- und Polizeibehörden in der Regel an eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Zur öffentlichen Sicherheit zählen die Schutzgüter, die durch Normen des Straf-, Ordnungswidrigkeiten- oder Verwaltungsrechts geschützt werden. Der Schutz der durch Strafgesetze und Ordnungswidrigkeitentatbestände ihrerseits geschützten Rechtsgüter stellt eine „vorbeugende Verhütung von Straftaten“ dar.44 Dabei dient das Polizei- und Ordnungsrecht nicht der Durchsetzung der strafrechtlichen Normen, da diese eine begangene Straftat voraussetzen. Vielmehr zielt es auf den Schutz der hinter den strafrechtlichen Normen stehenden Rechtsgüter. Die gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahmen erfolgen nicht zur Strafverfolgung. Zwar kann es hier doppelwirksame Maßnahmen geben, wenn die weitere Begehung eines Dauerdelikts oder die Vollendung eines bereits strafbaren Versuchs verhindert werden soll.45 Ordnungsrechtliche Eingriffe dürfen aber auch erfolgen, wenn dem Täter der nach dem Strafrecht zur Strafbarkeit erforderliche Vorsatz fehlt oder andere Strafverfolgungsvoraussetzungen wie ein Strafantrag fehlen.46 Unter die Materie „Gefahrenabwehr“ soll auch die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten sowie die Vorbereitung auf eine zukünftige Gefahrenabwehr fallen.47 Die Bezugnahme auf das Strafrecht beschreibt das Verhältnis nur sehr verkürzt. Strafrecht und Polizei- und Ordnungsrecht dienen dem Schutz von Rechtsgütern. Diese Rechtsgüter sind rechtlich schutzwürdig, ohne daß es der Strafrechtsbewehrung bedurft hätte. Indem das Gefahrenabwehrrecht gerade nicht das Bevorstehen einer strafbaren Tat, sondern die Gefährdung des dahinter stehenden Schutzguts verlangt, zeigt sich die Unabhängigkeit beider Rechtsgebiete. 44 Belz / Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, § 1 Rn. 25 – die Verhütung von Straftaten dürfe nicht mit der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung verwechselt werden. 45 Zu diesen beiden Fällen vgl. Belz / Mußmann, Polizeigesetz, § 1 Rn. 27. 46 Belz / Mußmann, Polizeigesetz, § 1 Rn. 25. 47 VGH BW, NJW 1987, S. 3022; BVerwG, NJW 1990, S. 2765 (2766 f.); NJW 1990, S. 2768 (2769 f.).

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E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

Doch hebt das Strafrecht das Schutzniveau gegenüber ausschließlich privaten Rechten an.48 Wenn das Polizeirecht letztere nur subsidiär und damit gleichsam schwächer schützt als andere Schutzgüter (vgl. § 1 Abs. 2 PolG NRW), scheint die Strafbewehrung eines Schutzguts dazu zu zwingen, dieses nicht unter die schwächer geschützten „privaten Rechte“ im Sinne des § 1 Abs. 2 PolG NRW zu subsumieren. Die Strafbarkeit präjudiziert gleichsam das öffentliche Interesse an dem Schutzgut. Eine solche Angewiesenheit des Polizeirechts auf das Strafrecht besteht bei näherer Betrachtung nicht. Dann müßte konsequent noch feiner zwischen Schutzgütern unterschieden werden, die nur auf Strafantrag des Geschädigten verfolgt werden können, und solchen, die im öffentlichen Interesse verfolgt werden. Diese Unterscheidung wird aber nicht gemacht. Die Frage, ob es sich um ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit handelt,49 wird durch das Strafrecht lediglich indiziert. Eine weitere Schnittmenge wird dadurch zugunsten einer Grenzziehung aufgelöst: Kann, wenn ein Straftatbestand gerade nicht einschlägig ist, daraus geschlossen werden, zugunsten eines betroffenen Schutzguts dürfe auch nicht angenommen werden, es handele sich um eine Gefahr für die öffentliche Ordnung? Sperrt also das analogiefeindliche 50 Strafrecht bestimmte Schutzgüter aus der „öffentlichen Ordnung“ aus? Diese Frage muß verneint werden, weil die Schutzgüter des Gefahrenabwehrrechts nicht vom Strafrecht bestimmt werden. Das Gefahrenabwehrrecht ist zwar auch analogiefeindlich, kann aber die Schutzgüter aus der Auslegung anderer Vorschriften als solchen des Strafrechts gewinnen. Die Grenzen der Straftatbestände bedeuten nicht, daß Rechtsgüter jenseits nicht schutzwürdig sind, sondern entscheiden nur über deren Strafbewehrung. Das Gefahrenabwehrrecht dient nicht nur dem Schutz strafbewehrter Rechtsgüter. 4. Strafprozeßrecht sowie Polizei- und Ordnungsrecht Abgrenzungsfragen ergeben sich zwischen Strafverfolgung einerseits und Polizei- und Ordnungsrecht andererseits. So wurden zur Identifizierung sogenannter „Schläfer“ im Jahr 2001 Rasterfahndungen auf der Grundlage des § 98 a StPO durchgeführt, weil die Polizeigesetze der Länder zum Teil dieses Instrument noch nicht vorsahen.51 Die polizeigesetzliche Lücke wurde de facto mit den Mitteln der Strafprozeßrechts geschlossen. Die durch die Polizei erfolgende Strafverfolgung folgt aus der Zuordnung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungstätigkeit zur Materie des „gerichtlichen VerVgl. dazu auch z. B. § 1 Abs. 1 PolG NRW. Umstritten ist, ob § 1 Abs. 1 PolG NRW mit den privaten Rechten den Tatbestand der öffentlichen Sicherheit einschränkt oder aber diesem gegenüber neue Schutzgüter für polizeiliches Eingreifen erschließt. 50 Art. 103 Abs. 2 GG. 51 Achelpöhler / Niehaus, DÖV 2003, S. 49 (50). 48 49

I. Aufeinander aufbauende Rechtsgebiete und -vorschriften

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fahrens“ in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft gehört jedenfalls insofern zum gerichtlichen Verfahren, als sie die Entscheidung, Anklage zu erheben, betrifft. Schon die dem vorangehende Tätigkeit der Staatsanwaltschaft sowie der sie unterstützenden Polizei kann nicht aus dem Begriff des „gerichtlichen Verfahrens“, sondern nur aus der Tradition der kompetentiellen Zuordnung erklärt werden.52 Die Materie der Strafverfolgung wird dem gerichtlichen Verfahren „im Sachzusammenhang“ zugeordnet.53 Pestalozza kritisiert, daß sich daran sekundäre und tertiäre Sachzusammenhänge anschließen, so zum Beispiel die strafverhütende Tätigkeit der Polizei, wenn sich beides nicht trennen läßt oder wenn der Schwerpunkt der Tätigkeit bei der Strafverfolgung liegt.54 Insbesondere die „Vorsorge“ für die Verfolgung von Straftaten bzw. deren „Verhütung“, die eine antizipierte Strafverfolgung darstellen, stehen zwischen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung.55 Im Gegensatz zu der schon früher unter das „gerichtliche Verfahren“ subsumierten „vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“56 greifen die Maßnahmen der Vorsorge und Verhütung zum Zwecke der Abwehr von Gefahren schon in deren zeitlichem Vorfeld ein. So ermöglicht § 81 g Abs. 1 StPO die Abnahme eines genetischen Fingerdrucks zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren von einem Beschuldigten, der einer Straftat von erheblicher Bedeutung verdächtig ist. Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorschrift in Verbindung mit § 2 DNA-Identitätsfeststellungsgesetz dem „gerichtlichen Verfahren“ zugeordnet.57 Für die kompetentielle Qualifikation sieht das Gericht in Anknüpfung an frühere Rechtsprechung den Gegenstand des Gesetzes und nicht den Anknüpfungspunkt des Gesetzes als ausschlaggebend ab.58 Maßgeblich seien daher Ziel und Rechtsfolgen der Maßnahme.59 Die Feststellung, Speicherung und zukünftige Verwendung des DNA-Informationsmusters sollen die Beweisführung in einem künftigen Strafverfahren erleichtern. Diese Zweckrichtung ermittelt das Bundesverfassungsgericht durch eine systematischteleologische Auslegung des § 81 g Abs. 1 StPO.60 Der Umstand, daß die Befugnisnorm eingreift, bevor der Anfangsverdacht einer Strafverdacht vorliegt, habe nur mit der materiellen Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes, nicht aber mit seiner kompetentiellen Qualifikation zu tun.61 Die kompetentielle Irrelevanz des AnVgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 131, der die Zuordnung sogar ablehnt. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 132, zur strafverfolgenden Tätigkeit der Polizei. 54 So Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 132. Dieselbe Gemengelage tritt bei polizeilicher Tätigkeit im Ordnungswidrigkeitenverfahren auf (Rn. 133). 55 Belz / Mußmann, Grundgesetz, § 1 Rn. 28: Ein „aliud“. 56 VGH BW, NJW 1987, S. 3022; BVerwG, NJW 1990, S. 2765 (2768). 57 BVerfG, NJW 2001, S. 879 ff. 58 BVerfG, NJW 2001, S. 879, unter Hinweis auf BVerfGE 4, 60 (67 ff.); 68, 319 (327 f.). 59 BVerfG, NJW 2001, S. 879, mit Verweis auf BVerfGE 2, 213 (221). 60 §§ 81 e, f StPO würden ebenso der Erleichterung der Beweisführung dienen, so daß ein „einheitlich strafprozessuales Gesetzeswerk“ vorliege, vgl. BVerfG, NJW 2001, S. 879 (880). 52 53

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E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

knüpfungspunkts und die kompetentielle Relevanz der Rechtsfolge des Gesetzes entkoppeln die Materie der Strafverfolgung von dem „Perfekt“ der zu verfolgenden Straftat. Die Unterscheidung des Gerichts zwischen Anknüpfung und Regelungsgegenstand verdeckt, daß es für die Frage, ob der Zeitpunkt des Eingriffs vor oder nach der Straftat – also die „Anknüpfung“ – wirklich kompetentiell irrelevant ist, ganz auf die Auslegung des Kompetenztitels ankommt. Ebenso wie bei der Zuordnung des Zeugnisverweigerungsrechts für Presseangehörige ist dasjenige Sachgebiet ausschlaggebend, auf das sich die Rechtsfolge der zu subsumierenden Norm regelnd (und nicht nur faktisch) auswirkt. Dies ist hier die (in der Zukunft mögliche) Strafverfolgung. Eine Zuordnung zum Recht der Gefahrenabwehr scheidet jedenfalls aus, wenn die ermittelten Daten erst nach einer aufzuklärenden Tat abgeglichen werden und ausschließlich der Beweisführung im Strafprozeß dienen. Ob der Eingriff nur den Verdacht einer Straftat zum Anknüpfungspunkt nehmen darf, ist in der Tat eine Frage der betroffenen Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit. Auch der Anknüpfungsgrund, nämlich der Verdacht einer Straftat, hat seine Grundlage im Strafverfahrensrecht. Allerdings ermöglichen die §§ 477 ff. StPO eine nachträgliche Änderung des Zwecks der Datenverwendung. Gemäß § 481 Abs. 1 S. StPO dürfen Polizeibehörden nach Maßgabe der Polizeigesetze personenbezogene Informationen aus Strafverfahren verwenden. Gemäß dem zweiten Satz dürfen Strafverfolgungsbehörden den Polizeibehörden personenbezogene Informationen aus Strafverfahren zu den in den Polizeigesetzen genannten Zwecken übermitteln. Das Bundesverfassungsgericht hat bei der kompetentiellen Qualifikation des § 2 DNA-Identitätsfeststellungsgesetz in Verbindung mit § 81 g StPO diese Vorschriften gesehen und die Zuordnung zum Recht der Gefahrenabwehr „unbeschadet“ der Vorschriften über eine nachträgliche Verwendungsänderung abgelehnt.62 Diese Regelung der Amtshilfe kann die kompetentielle Qualifikation nicht beeinflussen. Darin ist dem Bundesverfassungsgericht zu folgen. Indes fehlt der Entscheidung eine Begründung. Die grundgesetzliche Kompetenzordnung soll nicht sinnvolle Ergänzungen unmöglich machen.63 Doch ist insbesondere am materiellen Recht, vor allem am Maßstab der Grundrechte, zu prüfen, ob die Amtshilfe zulässig ist.64 Die Zulässigkeit der Amtshilfe ist keine Frage der Gesetzgebungskompetenz. 61 BVerfG, NJW 2001, S. 879, zitiert BVerfGE 88, 203 (313); Albers, Straftatenverhütung, S. 265 ff. 62 BVerfG, NJW 2001, S. 879 (880). Kritisch Wollweber, NJW 2001, S. 2304: Der präventiv-polizeiliche Verwendungszweck des DNA-Identifizierungsmusters ergebe sich nicht erst aus §§ 477 Abs. 2 S. 4 i. V. m. 481 StPO, sondern bereits durch § 3 S. 4 DNA-Identitätsfeststellungsgesetz. 63 Vgl. von Danwitz, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 35 Rn. 1 f. 64 Vgl. von Danwitz, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 35 Rn. 27; Schlink, Die Amtshilfe, S. 58 ff.

I. Aufeinander aufbauende Rechtsgebiete und -vorschriften

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Umgekehrt ist es denkbar, daß die Polizei zur Gefahrenabwehr gegenüber einem Verdächtigen Mittel anwendet, die im Rahmen des Strafverfahrens einem Beweiserhebungs- und unter Umständen einem Verbot der Beweisverwertung unterliegen.65 Das strafverfahrensrechtliche Beweiserhebungsverbot hindert die Polizei nicht, zur Gefahrenabwehr gegenüber dem Beschuldigten diese Methoden anzuwenden. Die Rechtmäßigkeit der Mittel richtet sich vielmehr nach dem Polizeiund Ordnungsrecht der Länder. Sogenannte „doppelfunktionale“ Maßnahmen,66 die sowohl der präventiven Gefahrenabwehr als auch der repressiven Strafverfolgung dienen oder dienen können, müssen eindeutig bestimmt werden, wenn Rechtsschutz gegen eine solche Maßnahme begehrt wird. Das schließt nicht aus, daß dieselbe Maßnahme unter zwei Rechtsregimen steht, weil sie sich jeweils auch in einen anderen Kontext einfügt. So kann die Befragung eines Beschuldigten sowohl für den Gang des Strafverfahrens bedeutsam sein, indem Beweise zur Anklageerhebung gesammelt werden, und zugleich kann die Polizei die Abwehr weiterer Straftaten etwa durch die Erzwingung der Nennung von Komplizen beabsichtigt haben.67 Die herkömmlich geforderte eindeutige Zuordnung beispielsweise nach dem Schwerpunkt der Maßnahme ist nicht nur untunlich, sondern bisweilen sogar unzulässig. Denn wenn verschiedene Zwecke mit ein und derselben Handlung verfolgt werden, muß die Handlung den Anforderungen beider Rechtsregime Genüge tun. Im Gegensatz zu der gebotenen eindeutigen Zuordnung von Gesetzen zu den Gesetzgebungskompetenzen besteht eine solche Notwendigkeit bei der Zuordnung von Verwaltungshandeln zu gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen nicht. Würde man die Befragung und ihre Ergebnisse schwerpunktmäßig dem Polizeirecht zuordnen, würde das strafverfahrensrechtliche Beweisverwertungsverbot umgangen werden. Wenn etwa die Befragung eines Beschuldigten mit polizeirechtlichen Mitteln zulässig ist, nach dem Strafverfahrensrecht hingegen zu einem Beweisverwertungsverbot führt, gilt dieses für das Strafverfahren, nicht aber für die Gefahrenabwehr. Eine Amtshilfe bei unterschiedlichen Behörden würde in dieser Konstellation auch ausscheiden.68 Polizei- und ordnungsrechtliche Gesetze, die die Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen erlauben, befinden sich im Spannungsfeld von Prävention und Repression und folglich zwischen Strafverfolgung und Gefahrenabwehr. Aus dieser kompetentiellen Trennung wurde gefolgert, Vorschriften, die zur Videoüberwachung ermächtigten, seien kompetenzwidrig, weil sie Gefahrenabwehr durch strafSiehe § 136 a StPO. Vgl. Götz, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 546 – 550. 67 Das ist eines der Probleme im Fall des ermordeten Jakob von Metzler. Das seither wieder diskutierte Folterverbot darf nicht nur unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Mißhandlungsverbots (Art. 104 Abs. 1 S. 2 GG) betrachtet werden, sondern die Unterscheidung von Gefahrenabwehr- und Strafverfahrensrecht muß ebenso Berücksichtigung finden. 68 Für den umgekehrten Fall vgl. § 481 Abs. 2 StPO: Die Verwendung ist unzulässig, soweit besondere bundesgesetzliche oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen. 65 66

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E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

verfolgende Maßnahmen bewirken bzw. bewirken sollen.69 Die polizeirechtlichen Regelungen hätten mittelbar repressiven Charakter, weil die Videoüberwachung abschreckt und das Verfolgungsrisiko erhöht. Die abschreckende Wirkung sei dekkungsgleich mit dem Strafzweck der negativen Generalprävention und habe als Fernziel im Gefahrenabwehrrecht nichts verloren.70 Andererseits ist die Abschrekkung unmittelbar „repressiv“, so daß man auch von einer Prävention durch Repression sprechen kann.71 Soweit Strafgesetze eine generalpräventive Wirkung entfalten, kann man dieselbe Wirkung anderer Vorschriften nicht in ein Argument gegen eine kompetentielle Qualifikation als Gefahrenabwehrrecht ummünzen. Das Strafrecht dient gerade der Vermeidung seiner Anwendung, indem es von der Begehung von Straftaten abschreckt. Doch dieser Zweck kommt allen verwaltungsrechtlichen Verboten zu, nur daß ihnen bisweilen die Mittel der Abschreckung fehlen. Gerade deren Eigenart ist aber für die kompetentielle Qualifikation als „Strafrecht“ maßgeblich. Die Normen zur Strafverfolgung, die dem gerichtlichen Verfahren zugeordnet werden, dienen in erster Linie der Durchsetzung des Strafrechts und haben insoweit teil an der generalpräventiven Wirkung des Strafrechts. Doch ist dieses Ziel erst recht nicht charakteristisch für das gerichtliche Verfahren. „Strafrecht“ wird streng nach der „strafrechtstypischen“ Rechtsfolge qualifiziert. Die Generalprävention ist weder das für die kompetentielle Qualifikation maßgebliche Merkmal, noch hindert die von der Videoüberwachung ausgehende generalpräventive Wirkung die Zuordnung der entsprechenden Vorschriften zum Gefahrenabwehrrecht. Wenn gefahrenabwehrrechtliche Vorschriften an Straftaten oder den Strafvollzug anknüpfen, ist die kompetentielle Zuordnung zwischen „gerichtlichem Verfahren“ sowie Polizei- und Ordnungsrecht fraglich. Das Problem stellt sich bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung von Straftätern.72 Das Strafgesetzbuch kennt bereits die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung als sogenannte Maßregel der Besserung und Sicherung.73 Nach geltendem Recht kann die Sicherungsverwahrung neben einer Freiheitsstrafe angeordnet werden. Die Sicherungsverwahrung darf nachträglich, das heißt nach Vollzug der Freiheitsstrafe, vollzogen werden, wenn sie im Strafurteil angeordnet worden ist.74 Dann ist vor dem Ende des Strafvollzugs zu prüfen, ob die Sicherungsverwahrung noch erforderlich ist. Eine nachträgliche Entscheidung zugunsten einer Sicherungsverwahrung sieht das Strafrecht derzeit nicht vor.75 Mit dem Hinweis auf die historische Auslegung der So Roggan, NVwZ 2001, S. 134 (138). Roggan, NVwZ 2001, S. 134 (139). 71 So Roggan, NVwZ 2001, S. 134 (138 f.). 72 Vgl. Kinzig, NJW 2002, S. 3204; Peglau, NJW 2001, S. 2436; Ullenbruch, NStZ 2002, S. 466; Pieroth, JZ 2002, S. 922. 73 §§ 61 Nr. 3 i. V. m. 66 StGB. 74 § 67 c Abs. 1 S. 1 StGB. 75 Bis 1970 war gemäß § 42 e StGB der Zeitpunkt der Entlassung aus dem Strafvollzug für die Entscheidung über eine nachträgliche Sicherungsverwahrung maßgeblich. § 67 c 69 70

I. Aufeinander aufbauende Rechtsgebiete und -vorschriften

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Kompetenznormen wird von einem dem Strafrecht zugehörigen „Rechtsinstitut der Sicherungsverwahrung“ gesprochen, so daß auch eine nachträgliche Sicherungsverwahrung unter die Materie „Strafrecht“ fiele.76 Das Bundesverfassungsgericht hat den Ländern die Kompetenz zur Regelung der nachträglichen Sicherungsverwahrung (als Polizei- und Ordnungsrecht) abgesprochen. Die Regelung aller staatlichen Reaktionen auf Straftaten, die an die Straftat anknüpfen, ausschließlich für Straftäter gelten und ihre sachliche Rechtfertigung auch aus der Anlaßtat beziehen, gehöre zum Strafrecht im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG.77 Dabei folge diese Zuordnung unter „systematischem Aspekt . . . aus dem Gedanken des Sachzusammenhangs“. Normen, die der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in einem bestimmten Sachbereich dienten, seien demjenigen Sachbereich zuzuordnen, zu dem sie in einem notwendigen Zusammenhang stehen. Das gilt laut Bundesverfassungsgericht gerade für präventive Regelungen. Nur diejenigen „Regelungen, bei denen die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht als Teil einer bundesgesetzlich geregelten Sachmaterie gesetzlich bestimmt ist, können einem selbständigen Sachbereich“ allgemeines Polizeirecht und damit der Landesgesetzgebung zugerechnet werden.78 Die Sicherungsverwahrung nach dem Strafgesetzbuch wird bei der Verhängung des Strafmaßes berücksichtigt; ihre Rechtfertigung ergibt sich umgekehrt aus den auch für die Verhängung der Strafe maßgeblichen Umständen in bezug auf Tat und Täter. Die Anknüpfung an die Straftat ist damit stärker als bei den Unterbringungsgesetzen der Länder.79 Diese knüpfen an die Straftat und deren Aburteilung nur insofern an, als sie „Anlaßtat“ ist und den Kreis möglicher in Sicherungsverwahrung zu nehmender Personen absteckt. Nicht die Straftat und die auf sie gegründete Vermutung der über die Dauer der Freiheitsstrafe hinausreichenden Gefährlichkeit bilden nach den Unterbringungsgesetzen die Grundlage für die zu einer Sicherungsverwahrung führende Gefahrenprognose. Vielmehr werden nach der Verurteilung und während des Strafvollzugs eintretende Tatsachen zugrundegelegt. Deswegen geht es zu weit, die nachträgliche Sicherungsverwahrung als „Reaktion“ auf die Straftat zu bezeichnen80 und von daher ihren strafrechtlichen Charakter abzuleiten. Dem wird entgegengehalten, daß bei der Gefahrenprognose insbesondere auch berücksichtigt werden müsse, daß der Betroffene bestimmte Straftaten begangen StGB sieht dagegen vor, daß eine bereits im Strafurteil angeordnete Sicherungsverwahrung wegen der Beurteilung zur Zeit vor dem Ende des Strafvollzugs mangels Erforderlichkeit zur Bewährung ausgesetzt werden kann. 76 So Pieroth, JZ 2002, S. 922 (923). 77 BVerfG, NJW 2004, S. 750 ff. 78 BVerfG, NJW 2004, S. 750 (752). 79 Vgl. Peglau, NJW 2001, S. 2436 (2437). 80 Ullenbruch, NStZ 2002, S. 466 (467).

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E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

hat.81 Doch ist deren Zugrundelegung weder ausschließlich, sondern verstärkt lediglich den Eindruck der später eintretenden Tatsachen, noch erfolgt die Sicherungsverwahrung automatisch im Anschluß an bestimmte Straftaten. Die Gefahrenprognose dürfte, wenn es sich um Landespolizeirecht handelt, durch die Orientierung an der begangenen Straftat nicht nach Art einer intendiertes Ermessen anordnenden Vorschrift in der Regel zu einer Sicherungsverwahrung führen. Eine solche von Gesetzes wegen intendierte nachträgliche Sicherungsverwahrung würde kompetentiell zum Strafrecht gehören. Ein anderer Einwand gegen die Einordnung zum Polizeirecht betrifft den Umstand, daß die Anknüpfung an Straftat und Strafurteil conditio sine qua non der landesgesetzlichen Sicherungsverwahrung ist.82 Ohne sie könnte es die Sicherungsverwahrung nicht geben. Allerdings knüpfen auch andere Vorschriften an ein Strafurteil an, ohne daß sie dem Strafrecht zugeschlagen werden. So ermächtigte § 47 AuslG (vgl. nunmehr §§ 53 f. AufenthG) zu der Ausweisung eines Ausländers gerade wegen gerichtlich abgeurteilter Straftaten. Doch sei die strafrechtliche Verurteilung nicht conditio sine qua non einer Ausweisung, da es daneben noch andere Ausweisungsgründe gebe (vgl. z. B. § 46 AuslG). Eine Ausweisung gebe es also auch ohne Anknüpfung an Straftat bzw. Strafurteil, während die Sicherungsverwahrung stets auf diese Bezug nehme.83 Die ausländergesetzliche Ermächtigungsgrundlage für eine Ausweisung sei daher kein Strafrecht,84 wohl aber die Sicherungsverwahrung.85 Die kompetentielle Qualifikation eines Gesetzes hat sich jedoch an diesem selbst auszurichten. Gibt es mehrere Gesetze mit derselben Rechtsfolge (Ausweisung), so kann nicht ein anderes Gesetz maßgeblich für die Zuordnung sein. Jedes Gesetz muß für sich genommen zugeordnet werden. Außerdem ist nicht die einfachgesetzliche Situation für die kompetentielle Einordnung maßgeblich. Das Ausländergesetz sieht de lege lata noch andere Ausweisungsgründe vor. Die bisherigen Unterbringungsgesetze der Länder knüpfen nur an die Situation des Strafvollzugs und damit an einen strafgerichtlich verurteilten Inhaftierten an.86 Der Grund für die Sicherungsverwahrung ist indes nicht auf diese Personengruppe beschränkt. Denn die Anzeichen für zukünftige gefährliche Handlungen können auch außerhalb des Strafvollzugs bei Nicht-Verurteilten vorliegen. Die Beschränkung der Unterbringungsgesetze auf die Gruppe der Inhaftierten könnte gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßen. Doch muß auch hier gelten, daß die materielle Verfassungswidrigkeit keinen Einfluß auf die kompetentielle Qualifikation des Gesetzes Vgl. Pieroth, JZ 2002, S. 922 (924), mit Fn. 27. Pieroth, JZ 2002, S. 922 (924). 83 Pieroth, JZ 2002, S. 922 (924). 84 Würtenberger / Sydow, NVwZ 2001, S. 1201 (1203). 85 Pieroth, JZ 2002, S. 922 (924). 86 Vgl. Peglau, NJW 2001, S. 2436 (2437), der von einem drastisch eingeschränkten Kreis der möglicherweise Betroffenen spricht, ohne die Regelungen dem Strafrecht zuzuordnen. 81 82

I. Aufeinander aufbauende Rechtsgebiete und -vorschriften

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hat. Die Unterbringungsgesetze der Länder wären dann – läßt man die vom Bundesverfassungsgericht festgestellte Kompetenzwidrigkeit beiseite – unvollständig, nicht jedoch wegen ihrer Anknüpfung ausschließlich an den Strafvollzug Strafrecht – denn nicht die Ausschließlichkeit der einfachgesetzlichen Anknüpfung ist das Kriterium kompetentieller Qualifikation, sondern die Unterscheidung von Anknüpfung und Regelungsgegenstand des zu subsumierenden Gesetzes. Die „Anknüpfung“ ist nach früherer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht maßgeblich.87 Nach alledem spricht – entgegen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – viel für eine Zuordnung zur Landesmaterie der Gefahrenabwehr.

5. Das Verhältnis des § 134 BGB zu landesgesetzlichen Verboten Gemäß § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. In Betracht kommen auch landesrechtliche Verbotsgesetze.88 Ferner kommen die Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft im Falle eines nach § 134 BGB nichtigen Gesellschaftsvertrags nicht zur Anwendung, wenn wichtige Gemeinschaftsinteressen entgegenstehen. Die nordrhein-westfälische Berufsordnung für öffentlich bestellte Vermessungsingenieure verbietet es diesen, sich mit einem nicht öffentlich bestellten Vermessungsingenieur zu einer Gesellschaft mit dem Zweck gemeinsamer Berufsausübung zusammenzuschließen. Aus der Vorschrift wird auf die Unzulässigkeit der Anwendung der Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft geschlossen.89 Gemäß § 141 Abs. 4 wissHG NRW ist ein Vertrag über die entgeltliche Vermittlung von akademischen Graden verboten. Die Nichtigkeit des Vertrags folgt aber erst aus § 134 BGB.90 Die Vereinbarung einer als redaktioneller Beitrag getarnten Veröffentlichung von Werbeanzeigen wird durch § 10 Abs. 3 PresseG NRW verboten und ist aufgrund von § 134 BGB nichtig.91 § 134 BGB setzt ein Verbotsgesetz voraus. Dieses zielt in der Regel selbst schon auf das privatrechtliche Rechtsgeschäft ab. Die Verbindung zwischen § 134 BGB und dem gesetzlichen Verbot ist insofern enger als jene zwischen dem Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB und dem tatbestandlich geforderten den Schutz eines anderen bezweckenden Gesetzes.92 Es stellt sich die Frage, ob erst § 134 BGB oder schon das spezialgesetzliche Verbot die Nichtigkeitsfolge setzt. § 134 BGB scheint selbst vorauszusetzen, daß das Verbotsgesetz die Nichtigkeit Vgl. BVerfGE 4, 60 (67 ff.); 68, 319 (327 f.). Vgl. BGH, NJW 1986, S. 2360 (2361); NJW 1992, S. 1159 (1160); Sack, in: Staudinger, Kommentar zum BGB, § 134 Rn. 42. 89 Sack, in: Staudinger, Kommentar zum BGB, § 134 Rn. 309. 90 Sack, in: Staudinger, Kommentar zum BGB, § 134 Rn. 310. 91 Sack, in: Staudinger, Kommentar zum BGB, § 134 Rn. 310; OLG Köln, MDR 1970, S. 673; OLG Düsseldorf, NJW 1975, S. 2018. 92 So zu Recht Taupitz, JZ 1994, S. 221 (225). 87 88

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E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

nach sich zieht, wenn es als negatives Tatbestandsmerkmal verlangt, daß sich aus dem Gesetz nicht ein anderes als die Nichtigkeitsfolge ergibt. Das bedeutet im Umkehrschluß, daß sich für die Anwendung des § 134 BGB schon aus dem gesetzlichen Verbot die Nichtigkeitsfolge ergeben muß. In der Konsequenz ist dem § 134 BGB lediglich die Rolle einer Auslegungsregel zugestanden worden, die den Willen des Verbotsgesetzgebers im Zweifel auf die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts ausdeute.93 Maßgeblich ist demnach Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes. Die privatrechtliche Nichtigkeit tritt ausschließlich dann ein, wenn der Zweck des Verbotsgesetzes dies verlangt.94 Das Verbotsgesetz muß sich, um als solches im Sinne des § 134 BGB zu gelten, nicht nur gegen den Abschluß, sondern gegen die privatrechtliche Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts wenden.95 Das Gesetz muß nach Sinn und Zweck eine Veränderung der Privatrechtssphäre verhindern wollen. Demzufolge ist die Rechtsfolge der Nichtigkeit schon in dem Verbotsgesetz enthalten und wird durch § 134 BGB lediglich verdeutlicht.96 Taupitz hat dies auf die Formel zugespitzt, ein Verbotsgesetz könne nur die Norm eines Normgebers sein, der selbst ausdrücklich die Nichtigkeitsfolge in den Rechtsfolgenausspruch seiner Norm aufnehmen dürfte.97 Bedarf es für ein solches spezialgesetzliches Verbot, das die privatrechtliche Nichtigkeit einschließt, der Gesetzgebungskompetenz für das Bürgerliche Recht? Rechtsfolgen für privatrechtliche Geschäfte ergeben sich auch durch Gesetze, die auf anderen Kompetenzen fußen. So kann ein gesetzliches Verbot die rechtliche Unmöglichkeit einer schuldrechtlichen Verpflichtung begründen, ohne zugleich schon ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB zu sein.98 Solche „schwächeren“ Verbotsgesetze enthalten dann aber nicht die für das Privatrechtsgeschäft geltende Rechtsfolge. Kehrt man die Taupitzsche Formel um, so würde die Rechtsfolge der Nichtigkeit auch eintreten, wenn man § 134 BGB ersatzlos striche. Unterscheidet man mit dem Bundesverfassungsgericht nach Anknüpfung und Regelungsziel, so liegt im Falle der spezialgesetzlichen Verbote nicht nur die Anknüpfung an einen privatrechtlichen Tatbestand, nämlich das Rechtsgeschäft, vor, sondern darüber hinaus dessen Regelung. Das Verbotsgesetz zielt – objektiv teleologisch ausgelegt – auf die Regelung des Bürgerlichen Rechts. Es dient damit zugleich Regelungszielen der jeweiligen Sachmaterie. Die Berufsordnung der öffentlich bestellten BGHZ 45, 322 (326); ausführlich Taupitz, JZ 1994, S. 221 (226). BGHZ 85, 39 (43); 110, 235 (240); Sack, in: Staudinger, Kommentar zum BGB, § 134 Rn. 1, 2 und 84; Palm, in: Erman, BGB, § 134 Rn. 12; Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, S. 734. 95 BGHZ 88, 240 (242); OLG Hamm, NJW 1985, S. 679 (681). 96 Taupitz, JZ 1994, S. 221 (226). 97 Taupitz, JZ 1994, S. 221 (226), für das Verhältnis des Selbstverwaltungsrechts der Berufskammern zum Gesetzgeber. Die Formel läßt sich aber auf das Verhältnis von Bundesund Landesgesetzgeber übertragen. 98 Vgl. BGH, NJW 1983, S. 2873 – Bestehen eines Lieferverbots ohne die Möglichkeit eines Dispenses; die Nichtigkeit kann, muß sich aber nicht zugleich aus § 134 BGB ergeben, vgl. Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 275 Rn. 16. 93 94

I. Aufeinander aufbauende Rechtsgebiete und -vorschriften

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Vermessungsingenieure schützt das mit der öffentlichen Bestellung bekundete Vertrauen in die Eignung des Vermessungsingenieurs genauso, wie sie dazu dient, bestimmte Aufgaben einem öffentlich bestellten Vermessungsingenieur vorzubehalten. Durch § 141 Abs. 4 wissHG NRW wird sichergestellt, daß ein akademischer Grad auf den gesetzlichen Voraussetzungen beruht. Die Vorschrift des § 10 Abs. 3 PresseG NRW bezweckt die saubere Trennung von redaktionellen Beiträgen und Werbeanzeigen und dient insofern der Unabhängigkeit der Presse. Die Beeinträchtigung der genannten Sachziele liegt nicht schon in dem schuldrechtlichen Geschäft, das unter das jeweilige Verbot fällt. Die schuldrechtliche Verpflichtung steigert allerdings die Gefahr einer Beeinträchtigung. Die genannten Regelungen beziehen sich damit zwar regelnd auf das privatrechtliche Vorfeld ihres in der Stamm-Materie gelegenen Sachgebiets. Sie streifen dieses aber zur Gefahrenabwehr. Deswegen sind die genannten Vorschriften99 von den Gesetzgebungskompetenzen der Länder im Wege des Annexes zu der jeweiligen Sachmaterie gedeckt. Die Kompetenz kommt dem Landesgesetzgeber nicht erst aufgrund des „Bürgerlichen Rechts“ zu.

6. Die Blankettnormen des Strafrechts und des Bürgerlichen Rechts Wenn die Norm des Bürgerlichen Rechts den Verstoß gegen ein aufgrund einer anderen Sachkompetenz ergangenes Verbotsgesetz mit der Rechtsfolge des Schadensersatzes sanktioniert100 oder das Strafrecht an die Verletzung eines Ge- oder Verbots eines anderes Gesetzes eine Strafe knüpft,101 erscheint die Zuordnung der Normen zu Bürgerlichem und Strafrecht unproblematisch. Im Fall von § 823 Abs. 2 S. 1 BGB – Schadensersatz bei Verletzung eines Schutzgesetzes – ergänzt die privatrechtliche Vorschrift das Schutzgesetz um eine von diesem nicht vorgesehene und auch kompetenzrechtlich von der Materie des Schutzgesetzes nicht gedeckte Rechtsfolge.102 Ob der Schutzgesetzgeber die Rechtsfolge des Schadensersatzes wollte oder nicht, kann keine Rolle spielen, weil diese Frage nicht zu seiner Materie gehört.103 Umgekehrt kann § 823 Abs. 2 S. 1 BGB sehr wohl an Schutzgesetze des Landesgesetzgebers anknüpfen.104 In Betracht kommen unter vielen anderen nachbarschützende Vorschriften der Landesbauordnungen105 oder ehrschützende Normen der Landespressegesetze106. 99 Für die Berufsordnungen bedarf es einer landesgesetzlichen Ermächtigung, vgl. Taupitz, JZ 1994, S. 221 (226 f.). 100 Wie bei § 823 Abs. 2 S. 1 BGB. 101 Wie z. B. bei § 107 a Abs. 1 StGB für Landtagswahlen. 102 Taupitz, JZ 1994, S. 221 (225): „Ergänzungsfunktion“. 103 Vgl. Taupitz, JZ 1994, S. 221 (225). 104 Siehe die Beispiele bei Sprau, in: Palandt, BGB, § 823 Rn. 72. 105 Vgl. BGHZ 66, 354; BGH, VersR 1986, S. 916; DB 1986, S. 1814; MDR 1978, S. 564; BayObLGZ 77, 309.

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E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

§ 823 Abs. 1 BGB setzt ebenfalls diejenigen Pflichten voraus, deren Verletzung ein rechtswidriges und schuldhaftes Handeln begründet. Deswegen kann die Einschränkung der Verkehrssicherungspflicht durch Landesgesetz keinen Eingriff in das Bürgerliche Recht darstellen.107 Die bundesstrafrechtliche Bewehrung von Ge- und Verboten der Landesgesetzgeber weist kompetenzrechtliche Schwierigkeiten auf. Denn die modale Kompetenz für „Strafrecht“ scheint einen Übergriff auf jede beliebige Sachmaterie zu erlauben. Pestalozza zufolge gilt die Regel, daß Tatbestand und sanktionierende Rechtsfolge je für sich kompetentiell qualifiziert werden müssen.108 Die gesonderte Zuordnung des Tatbestands beruht darauf, daß der Deliktstatbestand ein Ge- oder Verbot darstellt, wenn an ihn eine Strafsanktion geknüpft wird. Diese kompetentielle Sperre zwischen sachgesetzlichem Ge- und Verbot einerseits und Strafbewehrung bzw. Strafbarkeit andererseits wiederholt sich bei der Frage, ob Rechtfertigungsgründe, die die Rechtswidrigkeit eines straftatbestandsmäßigen Handelns oder Unterlassens beseitigen, auch in Ge- und Verboten außerhalb des Strafrechts gesucht und gefunden werden können.109 Im Ergebnis wird außerstrafrechtlichen Gesetzen nicht die Funktion von Rechtfertigungsgründen zugebilligt. Behördliche Genehmigungen oder verwaltungsrechtliche Handlungspflichten entfalten rechtfertigende Wirkung nur, wenn der Straftatbestand verwaltungsakzessorisch konstruiert ist oder sie sich nach den Grundsätzen der rechtfertigenden Pflichtenkollision oder Einwilligung behandeln lassen oder in die §§ 32 bis 34 StGB einfügen. Die rechtfertigende Kraft beruht stets auf dem Strafrecht, nicht aber auf einer vom Sachgesetzgeber (kompetenzgemäß) intendierten Rechtsfolge. Umgekehrt kann es aufgrund derselben Überlegung der Landesgesetzgeber, etwa des Polizei- und Ordnungsrechts, nicht in der Hand haben, durch die Nichtnormierung einer Eingriffsermächtigung den Rückgriff auf die strafrechtlichen Rechtfertigungsgründe der §§ 32, 34 StGB zu sperren.110 Wenn die Kompetenzen für Rechtsfolge und Tatbestand verschiedenen Gesetzgebern zufallen, kann der den Tatbestand regelnde Sachgesetzgeber seine Regelung nicht mit Strafe bewehren. Der Strafgesetzgeber ist in einer solchen Situation gehindert, den Tatbestand festzulegen. Er darf jedoch eine Blankettnorm schaffen. 106 107 108

Vgl. BayObLGZ 58, 193. So aber Erfmeyer, NWVBl. 2003, S. 8 (9). Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 87: So z. B. das Wirtschafts-, Steuer-, Wehrstraf-

recht. 109 Diese Frage wird so in der strafrechtlichen Literatur nicht gestellt. Zwar soll es keinen Numerus Clausus der Rechtfertigungsgründe geben. Wenn aber z. B. der rechtfertigende Charakter einer behördlichen Genehmigung in den Blick gerät, wird dieser der Systematik des § 34 StGB zugeordnet, vgl. Lenckner, in: Schönke / Schröder, StGB, Vorbem §§ 32 ff. Rn. 28. 110 Jerouschek / Kölbel, JZ 2003, S. 613 (620). In dieser Situation stellt sich die Frage, ob die genannten Rechtfertigungsgründe nur zwischen Privaten gelten sollen. Zumindest die Gesetzgebungskompetenz für das Strafrecht gebietet eine solche Einschränkung nicht.

I. Aufeinander aufbauende Rechtsgebiete und -vorschriften

303

Eine Blankettnorm besteht aus Sanktion und Ausfüllungsnorm. Der Strafgesetzgeber regelt die Rechtsfolge und schafft im Tatbestand einen Platzhalter für die Ausfüllungsnorm.111 Damit setzt die Blankettnorm das Ge- oder Verbot voraus. Es handelt sich insoweit um eine Verweisung.112 Jeder Deliktstatbestand kann unter Beachtung dieser Kautelen eindeutig zugeordnet werden. Deswegen ist es überflüssig, im Wege des Annexes oder Sachzusammenhangs die Sachkompetenz zur Strafkompetenz oder die Strafkompetenz zur Sachkompetenz zu ziehen.113 Kompetentiell problematisch ist die genauere Ausgestaltung der Blankettnorm. Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit der Strafbarkeit von Wahlfälschungen befaßt (§ 107 a Abs. 1 StGB). Der Straftatbestand läßt offen, ob es sich um Wahlen nach Bundes- oder Landesrecht handelt. Die Entscheidung betraf die Anwendung der Strafvorschrift auf Kommunalwahlen nach Landesrecht.114 Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, der Bundesgesetzgeber dürfe auch Landesrecht mit einer Kriminalstrafe bewehren, doch erstrecke sich die Gesetzgebungskompetenz für das Strafrecht nicht auf das Kommunalwahlrecht. Der Bundesgesetzgeber dürfe „dadurch, daß er Landesrecht mit einer Kriminalstrafe bewehrt, die Kompetenz der Länder zur inhaltlichen Ausgestaltung des so geschützten Landesrechts nicht beeinträchtigen oder aushöhlen“.115 Die zuletzt genannte Grenze, das Beeinträchtigungs- und Aushöhlungsverbot, erinnert an das Verbot mißbräuchlicher Kompetenzausübung. Die Grenzen für den Bundesstrafrechtsgesetzgeber bleiben leider im Ungewissen. Doch geht aus der Entscheidung hervor, daß es sich um ein landesrechtliches Ge- oder Verbot handeln muß. Aufgrund des Gesetzesvorbehalts und des Bestimmtheitsgebots muß das Ge- oder Verbot auch landesgesetzlich festgelegt sein. Wenn es heißt „Wer unbefugt wählt oder sonst ein unrichtiges Ergebnis einer Wahl herbeiführt oder das Ergebnis verfälscht“,116 müssen die Maßstäbe für die Richtigkeit des Ergebnisses landesgesetzlich bestimmt sein. Die Tatbestandsmerkmale müssen durch landesrechtliche Bestimmungen ausgefüllt werden. Eine unmittelbare Subsumtion der Handlung unter den bundesgesetzlichen Tatbestand wäre aus kompetenzrechtlichen Gründen unzulässig. Fraglich ist, ob bereits das Landesgesetz eine persönliche Pflicht des möglichen Straftäters zur Beachtung des Wahlrechts begründet haben muß oder ob diese Adressierung vom Strafrecht vorgenommen werden darf. Denn in diesem letzten Fall wird kein landesgesetzliches Ge- oder Verbot mit Strafe bewehrt, sondern ein Landesgesetz in ein strafrechtliches Ge- oder Verbot transformiert. Da die Blankettnorm in Gestalt des Platzhalters für die Ausfüllungsnorm eine Verweisung beinhaltet, die dynamisch oder statisch sein kann,117 ist es möglich, 111 112 113 114 115 116

Vgl. Schönke / Schröder, StGB, vor § 1 Rn. 3. Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 90. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 86 f. BVerfG, NVwZ 1993, S. 55. BVerfG, NVwZ 1993, S. 55 (56). Siehe § 107 a Abs. 1 StGB.

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E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

daß – bei einer statischen Verweisung – das Bundesgesetz ein Landesgesetz mit Strafe bewehrt, das geändert oder aufgehoben worden ist. Dann ist das Bundesstrafgesetz gegenstandslos geworden. Es kann keine Strafe anordnen, wenn die Ausfüllungsnorm sich nicht mehr in den „offen“ gelassenen Tatbestand des Strafgesetzes einfügen läßt. In einer früheren Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, der Bundesgesetzgeber könne „Strafgesetze schaffen, ohne dabei an die ihm schon durch die Zuständigkeitskataloge gezogenen Grenzen gebunden zu sein“.118 Das Gericht präzisierte die mißverständliche Formulierung später dahin, daß der Bundesgesetzgeber zwar Landesrecht mit Strafe und Bußgeld bewehren könne, nicht aber „auf dem Umweg über die Kompetenz „Strafrecht“ eine der Länderkompetenz unterliegende Materie selbst sachlich regeln. Dies stünde im Widerspruch zu den Vorschriften der Art. 30, 70 GG.“119 Die „sachliche Regelung“ ist identisch mit der Normierung eines Deliktstatbestands.120 Der Strafgesetzgeber darf nicht mit der Regelung von Tatbeständen in die Kompetenz des anderen Gesetzgebers eindringen. Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts muß daher gefolgert werden, daß Tatbestand und Rechtsfolge einer strafrechtlichen Norm unabhängig voneinander kompetentiell qualifiziert werden müssen. Eine Ausnahme ist allerdings zu machen, wenn man die Lehre vom „Kernbereich echten Kriminalstrafrechts“ akzeptiert.121 Wenn das „sozialethische Unwerturteil“ und damit die Strafwürdigkeit bereits von der Verfassung vorausgesetzt werden, soll eine einheitliche Zuordnung zum Strafrecht erfolgen können.122 Die Argumentation erinnert an die grundrechtliche Determination des Umfangs einer Kompetenzmaterie. Demnach müßte auch eine grundrechtliche Schutzpflicht des Gesetzgebers, ein Rechtsgut mit dem besonders scharfen und unter Umständen wirksamen Mittel des Strafrechts zu schützen, den Ausschlag für die einheitliche Zuordnung von Rechtsfolge und Deliktstatbestand zur Strafrechtsmaterie geben. Dies ist abzulehnen. Das Bundesverfassungsgericht hat an anderer Stelle das Strafrecht wegen der Grundrechtsintensität der mit seiner Anwendung verbundenen Eingriffe als ultima ratio bezeichnet. Das bezieht sich lediglich auf die Wahl des Mittels. Der Schutz des Rechtsguts ist nicht unbedingt verfassungsgeboten. Trotzdem kann man davon ausgehen, daß sich zahlreiche Strafvorschriften auf eine verfassungsrechtliche Schutzpflicht zurückführen lassen. Von einem limitierten Kernstrafrecht kann daher keine Rede sein. Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 90. BVerfGE 23, 113 (124). 119 BVerfGE 26, 246 (258). 120 So deutet Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 82, diese Passage der Entscheidung: Das heißt, jede Normierung eines Tatbestands mit einer dem Strafrecht zugehörigen Rechtsfolge ist bereits eine Regelung im Bereich der jeweiligen Sachmaterie. 121 Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 88. 122 Das ist der Erklärungsversuch Pestalozzas, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 88. 117 118

I. Aufeinander aufbauende Rechtsgebiete und -vorschriften

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Das Kernstrafrecht hat zwei andere ernstzunehmende Wurzeln: Einerseits handelt es sich um schon lange dem Strafrecht zugeordnete Normen, so daß die historische Auslegung der Materie einen Traditionsbestand vorfindet, den man als festen „Kern“ des Strafrechts bezeichnen kann. Doch entbindet dies nicht von einer kompetentiellen Qualifikation im einzelnen. Das einfache Gesetz ist nicht Maßstab seiner Kompetenzgemäßheit. Andererseits beziehen sich die „klassischen“ Straftatbestände – wie zum Beispiel Diebstahl, Raub, Körperverletzung und Totschlag – auf Handlungsweisen oder Taterfolge, deren kompetentielle Zuordnung zu anderen Materien als dem Strafrecht keinen Anhaltspunkt findet. Die außerhalb dieses Kernstrafrechts erforderliche separate kompetentielle Qualifikation von Tatbestand und Rechtsfolge hat die Kehrseite, daß die Strafrechtsmaterie kein Annex zu der Kompetenzmaterie ist, die den Tatbestand regiert. Das hat zur Folge, daß der Bundesgesetzgeber Landesgesetze mit Strafe bewehren kann, sowohl wenn diese aufgrund konkurrierender Kompetenz als auch wenn sie aufgrund ausschließlicher Kompetenz des Landesgesetzgebers ergangen sind.123 Ebenso darf der Landesgesetzgeber, gestützt auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, Bundesgesetze mit Strafe bewehren, seien diese nun von einer konkurrierenden oder ausschließlichen Kompetenz des Bundes gedeckt.124 Der Bund kann durch Strafrechtsgesetzgebung mit der Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 2 GG125 den Landesgesetzgeber ausschließen. Unter Umständen muß dieses Strafgesetz den Verzicht auf Strafbewehrung ausdrücklich fixieren. Nicht kann hingegen aus dem Gebrauchmachen eines Sachtitels geschlossen werden, der Bund verzichte auf eine Strafregelung.126 Denn wenn schon die kompetentielle Qualifikation von Tatbestand und Rechtsfolge einer einzigen Norm zu verschiedenen Zuordnungen führt, kann nicht die Wahrnehmung innerhalb der Grenzen der Sachkompetenz die Strafrechtskompetenz beschränken. Die Bewertung als strafwürdig oder strafunwürdig wird durch die separate Qualifikation gerade ausschließlich in die Hände des kompetenten Strafgesetzgebers gelegt. Während also der Bundesgesetzgeber (nur) durch Gebrauchmachen von seiner Strafgesetzgebungskompetenz verhindern kann, daß der Landesgesetzgeber Bundesgesetze mit Strafe bewehrt, kann der Landesgesetzgeber sich nicht dagegen wehren, daß der Bundesgesetzgeber Landesgesetze mit Strafe bewehrt, wenn er vom Strafrecht gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG i. V. m. Art. 72 Abs. 2 GG abschließend Gebrauch macht.127 Diese „Asymmetrie“ kann durch das Tatbestandsmerk123 124 125

Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 94. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 92 f. Bzw. für bereits wirksame Landesgesetze durch Art. 31 GG, wenn man Pestalozza

folgt. 126 So aber – inkonsequent – Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 92, zurückhaltender in Fn. 176. 127 Deswegen meldet Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 93 f., Zweifel an der Zuordnung des Blankettstrafrechts zu Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG an, ohne aber eine Alternative vorzuschlagen.

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E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

mal der Erforderlichkeit in Art. 72 Abs. 2 GG zurückgedrängt werden.128 Sie ist indessen nicht völlig zu verhindern, wenn man das Strafrecht nicht als eine Annexmaterie zu den Sachtiteln betrachten will. 7. Prozeßrecht und materielles Recht Ähnlich ist das Verhältnis des Prozeßrechts zum materiellen Recht, um dessen Auslegung und Anwendung im Rahmen des Prozeßrechts gerichtlich gestritten wird. Dem Prozeßrecht kommt – dem Strafrecht vergleichbar – eine verstärkende, effektuierende Funktion und – hierin dem Verfahrensrecht ähnlich – die Funktion der Durchsetzung des materiellen Rechts zu. Trotzdem ist das gerichtliche Verfahren keine Annexmaterie zur Sachkompetenz. Das gerichtliche Verfahren im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG betrifft nur die Verfahren vor den ordentlichen Gerichten.129 Auf dieser Kompetenz fußen130 weitestgehend die Zivilprozeßordnung, die Strafprozeßordnung, das Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit, das Gerichtskostengesetz, die Insolvenzordnung, die Grundbuchordnung. Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten fällt nach zutreffender Ansicht nicht unter Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Entweder sieht man die Gesetzgebungskompetenz für Verfassung, Zuständigkeit und Verfahren der Verwaltungsgerichte in Art. 95 Abs. 1 GG verwurzelt, oder man leitet die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus der Natur der Sache ab.131 Da die Kompetenz für das gerichtliche Verfahren keine Annexmaterie zu der Kompetenz des im Rechtsstreit auszulegenden und anzuwendenden Rechts darstellt, ist der Umfang dieser Verfahrenskompetenz des Bundesgesetzgebers bei materiellem Bundesrecht nicht anders als bei materiellem Landesrecht. Die Anwendung des gerichtlichen Verfahrensrechts hat unmittelbar Einfluß auf das materielle Recht. Besonders markant ist diese Steuerungswirkung im Fall der Rechtskraft. Am weitesten ging die inzwischen im zivilprozessualen Schrifttum obsolet gewordene materielle Rechtskrafttheorie. Ihr zufolge begründete ein gerichtliches Urteil das darin festgestellte Recht neu.132 Die entgegengesetzte prozessuale Rechtskrafttheorie attestiert dem Urteil und damit dem Prozeßrecht, keine umgestaltende Wirkung auf das materielle Recht zu haben.133 Zivilprozessual vorPestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 94. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 125, str. 130 Im Falle vorkonstitutioneller Gesetze in Verbindung mit Art. 125 GG. 131 So Renck, DÖV 1996, S. 409 (412 f.); ders., Untersuchungen zur Gesetzgebungsbefugnis, S. 38 ff.; Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 114 in Fn. 190; Detterbeck, in: Sachs, GG, Art. 95 Rn. 10. 132 Vgl. Rosenberg / Schwab / Gottwald, Zivilprozeßrecht, S. 915; moderne prozessuale Variante: Das rechtskräftige Urteil begründet eine unwiderlegliche Vermutung für das Bestehen der materiellen Rechtslage. 133 Vgl. Rosenberg / Schwab / Gottwald, Zivilprozeßrecht, S. 916. 128 129

II. Ineinandergreifende Prüfungsprogramme

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zugswürdig erscheinen die Spielarten der prozessualen Rechtskrafttheorie. Die Parteien des Rechtsstreits leben dabei mit einer Art „doppelter Rechtsordnung“.134 Diese Variante kann die ausnahmsweise zulässige Durchbrechung der Rechtskraft noch am besten erklären. Die Konstellation der für Prozeßrecht und materielles Recht auseinanderfallenden Gesetzgebungskompetenzen wird in der zivilprozessualen Literatur nicht thematisiert. Zum Schutz des Rechts der Landesgesetzgebungskompetenzen könnte man die prozessuale Theorie der Rechtskraft als zwingend, da kompetenzrechtlich am schonendsten, betrachten. Das Prozeßrecht muß der Durchsetzung des materiellen Rechts dienen. Auch die Rechtssicherheit ist vom Prozeßrecht zu berücksichtigen. Jedoch kann die Rechtssicherheit auch in ihrer Ausprägung als verfassungsrechtliches Prinzip nicht die Auslegung der Kompetenzmaterie des Prozeßrechts determinieren. Vielmehr ist die Rechtssicherheit das Ergebnis der mit den kompetenzgemäßen Mitteln des Prozeßrechts zu erreichenden Durchsetzung des materiellen Rechts in gerichtlichen Streitigkeiten. Die Vorschriften über die Beweis- und Darlegungslast stellen ein weiteres Bindeglied dar. Sie werden oft dem materiellen Recht entnommen. Fehlt es daran, bleiben allgemeine prozeßrechtliche Regeln anwendbar. Deren Ausgestaltung hat jedoch immer die Wahrscheinlichkeit der im Einzelfall vorliegenden Voraussetzungen des materiellen Rechts ins Kalkül zu ziehen. Das materielle Recht kann eine Beweislastumkehr für ein gerichtliches Verfahren verbindlich andeuten, wie etwa § 280 Abs. 1 S. 2 BGB in Gestalt einer Verschuldensvermutung, während die allgemeinen Regeln dem Prozeßrecht zufallen. Dieses darf für einzelne materielle Normen keine bestimmten Beweis- und Darlegungsregeln anordnen, wie umgekehrt das materielle Recht keine allgemeinen Beweis- und Darlegungsregeln aufstellen darf. Umgekehrt können im materiellen Recht auch Vorschriften mit prozessualen Auswirkungen anzutreffen sein. Dies gilt zum Beispiel im Verwaltungsrecht für die materielle Präklusion, die nicht nur für das Verwaltungsverfahren, sondern ebenso für das gerichtliche Verfahren Einwendungen präkludiert.135 Eine solche Regelung betrifft unmittelbar das gerichtliche Verfahren und ist dessen Kompetenz zu unterwerfen. Die nur formellen Präklusionen, die Einwendungen während des Verwaltungsverfahrens ausschließen, ressortieren zur Kompetenz für das Recht des Verwaltungsverfahrens.

II. Ineinandergreifende Prüfungsprogramme Gesetzgeberische Regelungskomplexe können in verschiedener Weise aufeinander bezogen sein. Sie können zwei einander zeitlich folgende Bereiche regeln. So liegt es im Verhältnis von Schul- und Hochschulrecht. An den Schnittstellen, etwa 134 135

So Rosenberg / Schwab / Gottwald, ebenda. Zur Terminologie Stüer / Rieder, DÖV 2003, S. 473 (476).

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E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

den Anforderungen der Hochschulen an die schulischen Leistungen der Studienbewerber, tritt der Bezug besonders deutlich hervor. Andere Gesetze knüpfen an bereits geregelte Sachverhalte an, ohne daß es auf die zeitliche Folge ankommt. So knüpft das Steuerrecht an wirtschaftliche Vorgänge an, die ihrerseits sachgesetzlich geregelt sind. Doch wird die steuerrechtlich relevante Bemessungsgrundlage durch die Sachgesetzgebung nicht verbindlich determiniert.136 Eine noch viel greifbarere Überschneidung von Kompetenzmaterien zeigt sich, wenn mehrere Gesetze aufgrund verschiedener Kompetenzen an ein und denselben Sachverhalt anknüpfen. Ist das auf die Kompetenz für die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung gestützte GWB aus kompetentiellen Gründen nicht mehr maßstäblich für den Presse- und Rundfunkmarkt? Geht das Recht der freien Berufe, das weitgehend der ausschließlichen Kompetenz des Landesgesetzgebers unterfällt, dem GWB vor? Wie verhalten sich kompetentiell das UWG und die kommunalrechtlichen Vorschriften für die wirtschaftliche Betätigung einer Gemeinde zueinander? Ein weiterer Bereich, in dem bundes- und landesgesetzlich geregelte Belange zusammengeführt werden müssen, ist das Planungsrecht. Innerhalb einer Planung können diese „Schutzgesetze“ nebeneinander zur Anwendung kommen und vom Planungsprogramm „relativiert“ werden. Außerdem können verschiedene Planungen kollidieren: So müssen etwa Landesraumordnung und Bundesfachplanung zum Ausgleich gebracht werden. Wenn die Anwendung des einen Gesetzes die Ausführung des anderen Gesetzes beeinträchtigt, soll im Bund-Länder-Verhältnis zudem das Gebot der Bundestreue bzw. die Möglichkeit von gesetzlichen Exemtionen in Betracht kommen. Es soll untersucht werden, inwiefern das Gebot der Bundestreue als Kompetenzausübungsschranke überhaupt noch notwendig ist, wenn bereits über die Kompetenzverteilung – etwa im Wege einer sich auf den Sachzusammenhang stützenden Kompetenzbegründung – die bundestreuewidrigen Reibungspunkte ausgeschlossen werden können. Das Spektrum der Mittel, um das Ineinandergreifen von Prüfungsprogrammen abzustimmen, reicht vom kompetentiellen Ausschluß eines Prüfungsprogramms über die Feinabstimmung mittels der Bundestreue bis zum selbständigen Nebeneinander.

1. Kartellrecht bzw. UWG versus bereichsspezifische Regelung Der Bundesgesetzgeber hat von der Kompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 16 GG („Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung“) durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) Gebrauch gemacht. Zu Überschnei136

Vgl. BVerfG, NJW 1996, S. 2086 f. – zur Besteuerung von Bordelleinnahmen.

II. Ineinandergreifende Prüfungsprogramme

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dungen mit landesgesetzlichen Regelungen kann es beispielsweise im Bereich des Presse- und des Rundfunkrechts sowie bei der Regelung des Rechts der freien Berufe kommen.137 So kann die Ermächtigung zu einer Kooperation zwischen Rundfunkanstalten vom Landesgesetzgeber ausgehen, aber unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten bedenklich erscheinen. Im Recht der freien Berufe darf das Wettbewerbsrecht nicht zu einer Umgestaltung des Berufsbilds führen. Im einzelnen ist die Abgrenzung schwierig. Sie wird überhaupt erst nötig, wenn man diese Bereiche – Presse, Rundfunk, freie Berufe – nicht von vornherein als ohne Bezug zur Gefahr wirtschaftlicher Machtstellung ansieht. Kein Bezug bestünde, wenn der Begriff des „Wirtschaftlichen“ in Art. 74 Abs. 1 Nr. 16 GG inhaltsgleich mit demjenigen in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG wäre, der die genannten Bereiche gerade nicht umfaßt.138 Allerdings muß die Aufzählung der Teilgebiete der Wirtschaft in Nr. 11 nicht abschließend gemeint sein,139 so daß das Attribut „wirtschaftlich“ in Nr. 16 nicht auf die in Nr. 11 aufgezählten Gebiete beschränkt werden muß. Zum anderen kann erst der Wettbewerb auf Märkten zur Kennzeichnung als wirtschaftlich führen, während man bestimmte Gebiete auch bei „statischer Betrachtung“ als „Wirtschaft“ bezeichnet. Dabei muß es sich nicht um Gebiete handeln, die vom Wettbewerb beherrscht werden, wie die Bezugnahme auf die Energiewirtschaft bereits zu einer Zeit vor deren Liberalisierung bezeugt. Hier soll daher die Ansicht zugrunde gelegt werden, daß Presse, Rundfunk und freie Berufe einen Mißbrauch wirtschaftlicher Stellung im Sinne der Nr. 16 betreiben können, obwohl diese Bereiche nicht unter Nr. 11 fallen. a) Presserecht und Kartellrecht Grundsätzlich können Presseunternehmen unter die Gesetze zur Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung fallen. Ob das GWB sie erfaßt, ist eine Frage der Auslegung des einfachen Gesetzes. Kompetentiell unbedenklich ist es, wenn für die Presseunternehmen keine sonderrechtlichen Bestimmungen im GWB existieren, sondern sie wie andere Unternehmen auch unter dessen Vorschriften fallen.140 Der Gesetzgeber kann diese allgemeine Betroffenheit der Presseunternehmen auch klarstellen, ohne dadurch die Grenzen seiner Kompetenz zu überschreiten.141 Diese Beispiele bei Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1063 – 1085. So mit guten Gründen Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1043 – 1045, 1070 f., 1077 f. 139 Unabhängig von der Frage, ob die Kompetenz in Nr. 11 auch die nicht in der Klammer genannten Teilgebiete erfaßt – für eine solche „globale Zuständigkeit“ etwa Bullinger, Die Mineralölfernleitungen, S. 61. 140 Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1068, mit Hinweis auf BVerfG, NJW 1986, S. 1743. 141 So BGH, NJW 1987, S. 266 (267), zu der Vorschrift des § 38 Abs. 5 GWB vom 26. 4. 1980 (BGBl. I, S. 458): „Die Verjährung der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nach Ab137 138

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E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

Doch wurden in das GWB sonderrechtliche Vorschriften aufgenommen, die gerade auf Presseunternehmen zugeschnitten sind und von den für andere Unternehmen geltenden Bestimmungen des GWB abweichende Regelungen treffen. So sind gemäß § 14 GWB Preisvereinbarungen zwischen Unternehmen verboten, soweit sie die Freiheit eines Beteiligten bei der Gestaltung seiner Preise in Vereinbarungen mit Dritten beschränken. § 15 Abs. 1 S. 1 GWB gestattet Unternehmen, die Verlagserzeugnisse verkaufen, daß sie Vereinbarungen über eine Preisbindung der zweiten Hand treffen. Die Norm schafft Sonderrecht für Presseunternehmen. Dem könnte eine gesetzgeberische Abwägung zwischen der durch das GWB zu schützenden Wettbewerbsfreiheit und der presserechtlich wünschenswerten Verhinderung eines Preiswettbewerbs auf Kosten der Vielfalt von Verlagserzeugnissen vorausgegangen sein. Solche (ambivalenten, da abwägungsgeleiteten) weitergehenden Motive dürfen allerdings bei der kompetentiellen Qualifikation einer Norm keine Rolle spielen.142 Der Bundesgerichtshof hat im Blick auf die pressespezifische Regelung der Fusionskontrolle im GWB ausgeführt, daß die unmittelbar durch das Gesetz zu beurteilende Materie den Ausschlag für die kompetentielle Zuordnung gibt, es dürfe nicht „an weitergreifende Zwecke oder Hoffnungen angeknüpft werden“.143 Die Adressierung der Preisbindung bzw. der Ausnahmemöglichkeit an Presseunternehmen macht diese Vorschriften nach hier vertretener Auffassung zu Presserecht. Maßgeblich ist die durch Eingriffsort und -adressat hergestellte größere Nähe des Pressrechts. Denn der geregelte Bereich selbst ist ambivalent: Er betrifft Presseunternehmen und deren Wettbewerbsverhalten. Das Eingriffsmittel ist mit ähnlichen Unschärfen behaftet, da es auch presserechtlich motivierte Einschränkungen der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit von Presseunternehmen geben kann. Ort und Adressat der Regelung sind daher die geeigneten Kriterien der kompetentiellen Zuordnung.144 Die Kompetenz für die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung erlaubt keine Regelungen für Presseunternehmen und Pressemärkte, die sich den dort vorhandenen Besonderheiten des Markts anpassen.145

satz 1 richtet sich nach den Vorschriften des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten auch dann, wenn die Tat durch Verbreiten von Druckschriften begangen wird.“ A. A. offenbar BGHSt 28, 53 (56), der die Verjährung des § 22 Abs. 1 Nr. 1 BerlPresseG analog auf eine kartellrechtliche Ordnungswidrigkeit anwandte. 142 A. A. Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 74 Rn. 35: Nr. 16 sei nur einschlägig, wenn unmittelbarer Anknüpfungspunkt das Unternehmen sei und kein pressespezifisches Ziel verfolgt werde. 143 BGHZ 76, 55 (64 f.) – zur auf die Marktstrukturen der Pressewirtschaft angepaßten Zusammenschlußkontrolle, bestätigt von BVerfG, NJW 1986, S. 1743. 144 Siehe dazu D. III. 3. c). 145 Vgl. dagegen Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1066.

II. Ineinandergreifende Prüfungsprogramme

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b) Rundfunkrecht und Kartellrecht Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen enthält keine besonderen Regelungen für das Rundfunkrecht.146 Der Bundesgerichtshof hat die Kompetenz des Kartellrechtsgesetzgebers in Art. 74 Abs. 1 Nr. 16 GG als gegeben erachtet, insofern es um die Anwendung der allgemeinen Vorschriften des GWB auch auf die Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten geht.147 Dagegen sollten Sonderregeln, die entweder an den Rundfunkmarkt angepaßte kartellrechtliche Erfordernisse aufstellen oder aber mit abweichenden kartellrechtlichen Erfordernissen einen von anderen Wirtschaftszweigen abweichenden kartellrechtlichen Maßstab verfolgen, dem Rundfunkrecht zugeordnet werden. Im Rundfunkbereich wird noch auf andere Weise versucht, die Anwendung des GWB einzuschränken, indem zwischen wirtschaftlichen und anderen Tätigkeiten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unterschieden wird.148 Die vom öffentlich-rechtlichen Programmauftrag gedeckten Tätigkeiten wie Programmgestaltung und Sendetätigkeit sind diesem Ansatz zufolge vom Anwendungsbereich des GWB ausgenommen. Nicht immer wird deutlich, ob dies auf einer Ablehnung des Kompetenztitels aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 16 GG oder auf materiell-rechtlichen Erwägungen beruht.149 Die kompetentielle Konzentration der Nr. 16 auf für den Rundfunk als solchen weniger wichtige Bereiche, etwa der im Annex zur Verwaltungskompetenz öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten stehenden Kompetenz zu wirtschaftlicher Tätigkeit, ist nicht zulässig.150 Die Nähe der jeweiligen Tätigkeit zum öffentlichen Auftrag beeinflußt nicht die Wirtschaftlichkeit der Machtstellung im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 16 GG.151 Denn der Wettbewerb auf den Gebieten, in denen eine öffentliche Aufgabe erfüllt wird, ist ebenso „wirtschaftlich“ zu nennen. Die Rücksichtnahme auf die öffentliche Aufgabe kann und muß entweder bei der Anwendung des GWB erfolgen oder aber bei einer Prüfung des von seiner Kompetenz her auf den Rundfunk anwendbaren GWB am Maßstab des materiellen Verfassungsrechts, insbesondere anhand der Grundrechte. Nur Sonderregelungen für den Rundfunk sind von der Materie der Nr. 16 auszunehmen. 146 Vgl. (den inzwischen gegenstandslos gewordenen) § 31 GWB i. d. F. vom 26. 8. 1998 zur vom Kartellverbot des § 1 GWB ausgenommenen zentralen Vermarktung von Fernsehrechten an sportlichen Wettbewerben durch Sportverbände. 147 BGHZ 110, 371 (375 f.); vgl. auch KG Berlin, AfP 1990 / 91, S. 745. 148 Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1075; vgl. auch BGHZ 110, 371 (375 f.) mit Differenzierung von Programmbeschaffung, -gestaltung und Sendetätigkeit. Wenn die Beschränkung auf öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten erfolgt, wird damit die Anwendung von Gesetzen auf Einrichtungen des anderen Hoheitsträgers zum Thema. 149 Kritisch daher Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1075; zur Kompetenzfrage Bullinger, AöR 108 (1983), S. 161 (202 – 208). 150 Sofern man nicht überhaupt den Bereich des Rundfunks aus der Wirtschaft und damit von Nr. 16 ausnehmen möchte. 151 So Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1076, der aber beim Merkmal des „Mißbrauchs“ eine Flexibilität für derartige Differenzierungen für möglich hält.

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E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

Vorgeschlagen wird, Konflikte (zwischen Bundeskartell- und Landesrundfunkrecht) mit Hilfe der Kompetenzausübungsschranke der Bundestreue aufzulösen.152 Voraussetzung einer durch die Bundestreue aufzulösenden Kompetenzkollision ist nach allgemeiner Ansicht, daß es sich um jeweils kompetenzgemäßes Bundes- und Landesrecht handelt. Diese Voraussetzung teilt die Kompetenzausübungsschranke mit Art. 31 GG. Doch setzt sie früher an, nämlich wenn sich die Gesetze der verschiedenen Gesetzgeber mit unterschiedlichen Regelungszielen bei der Verwirklichung ihrer Rechtsfolgen behindern.153 Eine auflösungsbedürftige Kollision liege erst vor, wenn eine Norm nur noch in Ausnahmefällen oder überhaupt nicht mehr Anwendung findet, weil die Anwendung des anderen Gesetzes eine regelmäßige oder überhaupt eine Anwendung verbietet.154 Jarass betrachtet unter diesem Blickwinkel das Verhältnis des GWB zu § 33 Abs. 2 S. 4 WDR-G a. F., der im Falle der Beteiligung des Westdeutschen Rundfunks (WDR) an einem Unternehmen zur Veranstaltung und Verbreitung von Rahmenprogrammen bestimmte Möglichkeiten zur Stärkung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des lokalen Hörfunks eröffnete. Die Vorschrift, die er als kompetenzgemäßes Landesrundfunkrecht einstuft, sei nur sinnvoll, wenn eine solche Beteiligung zulässig sei.155 Das Bundeskartellamt hat jedoch die Beteiligung des Westdeutschen Rundfunks Köln an einem solchen Unternehmen gemäß § 24 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 S. 1 GWB untersagt, weil dies die marktbeherrschende Stellung des WDR verstärke.156 Wie sich aus § 3 Abs. 9 WDR-G und § 45 WDR-G ergibt, darf sich der WDR an anderen Unternehmen zum Zweck der Erfüllung seiner Aufgaben beteiligen. Eine Pflicht zur Beteiligung besteht aufgrund des WDR-G und auch sonst einfachgesetzlich nicht. Sollte sie aus grundrechtlichen Vorgaben abzuleiten sein,157 gilt wie im allgemeinen, daß die Grundrechte nicht die Kompetenzverteilung bestimmen, sondern die je zuständigen Gesetzgeber die grundrechtlichen Vorgaben zu beachten haben. Zuvor muß das Bundeskartellamt bei der Anwendung des GWB die grundrechtlichen Vorgaben ebenfalls berücksichtigen. Dies erfordert aber nicht das Gebot der Bundestreue, das die Anwendung des Kartellrechts einschränken würde, sondern eine grundrechtskonforme Auslegung des Kartellrechts. Durchaus zulässig für den Einzelfall erscheint eine teleologische Reduktion des Kartellrechts aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben, wenn das Landesrundfunkrecht keine anderen Möglichkeiten bietet, dem Verfassungsauftrag nachzukommen. 152 Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S. 38 – 54; ablehnend Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1075 in Fn. 1903. 153 So Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S. 40; Huthmacher, Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts bei indirekten Kollisionen, S. 140. 154 Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S. 42. 155 Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S. 12. 156 BKartA, ZUM 1989, S. 477. 157 Vgl. Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S. 52 f., der von einem bindenden Verfassungsauftrag spricht, der durch das Konzept des Landesgesetzgebers eingelöst werde – warum das Konzept jedenfalls auch die Beteiligung erfassen soll, ist nicht klar. Das WDR-G knüpft an eine Beteiligung an, ohne diese zu erfordern.

II. Ineinandergreifende Prüfungsprogramme

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Gegebenenfalls müssen die Gesetzgeber ihre Regelungen wegen der grundrechtlichen Anforderungen enger aufeinander abstimmen, als es der kompetentielle Spielraum erfordern würde. Doch besteht in der vorliegenden Konstellation dafür keine Notwendigkeit. Der Landesgesetzgeber hat gerade nicht die Organisation der Zusammenarbeit geregelt, sondern ermöglicht diese für den WDR – ähnlich wie die kommunalrechtlichen Marktzutrittsregelungen eine solche Möglichkeit eröffnen – und knüpft in anderen Vorschriften an diese Zusammenarbeit an. Die Ausnutzung der im Rundfunkrecht nur ermöglichten, aber nicht geforderten Zusammenarbeit zwischen einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt und privatrechtsförmigen Unternehmen folgt den Regeln des Privat- und Wettbewerbsrechts. Sollte das rundfunkrechtliche Konzept auf die Zusammenarbeit angewiesen sein, kann nicht die Anwendung des Wettbewerbsrechts die Korrektur leisten, sondern der Rundfunkgesetzgeber muß die Strukturen umgestalten oder aber Bereichsausnahmen vorsehen. Weder liegt in einem solchen Fall eine Doppelzuständigkeit vor, wie Pestalozza annimmt, denn es handelt sich nicht um identische Regelungsgegenstände,158 noch ist die Kompetenzausübungsschranke der Bundestreue erforderlich, wofür Jarass plädiert, denn Kompetenzfragen stellen sich nach einer Zuordnung zu den Kompetenztiteln nicht mehr. c) Das Recht der freien Berufe und das Wettbewerbsrecht Das komplizierte Verhältnis des bundesgesetzlichen Wettbewerbsrechts zum in landesrechtlichen Berufsordnungen geregelten Standesrecht der freien Berufe hat seinen Grund ebenfalls in der nur ungenauen kompetentiellen Verortung der jeweiligen Vorschriften.159 Beispielsweise kann der Mißbrauch wirtschaftlicher Machtstellung durch die Werbung eines Freiberuflers standeswidrig sein.160 Doch ist der berufsrechtliche Gesetzgeber frei, einen solchen Sachverhalt als Verletzung einer Berufspflicht zu normieren. Das Berufsrecht ist nicht gezwungen, wettbewerbswidriges Verhalten mit seinen eigenen Mitteln zu sanktionieren. Dafür unterliegt die Tätigkeit der Freiberufler den (allgemeinen) Regeln des Wettbewerbsrechts. Das Bundesverfassungsgericht hat dem standesrechtlichen Verbot für Apotheker, unangemessen und marktschreierisch zu werben, den Zweck unterstellt, im Interesse einer funktionstüchtigen Gesundheitsfürsorge ein übersteigertes kaufmännisches Geschäftsgebaren zu verhindern.161 Die Zielrichtung des Standesrechts geht auf die Wahrung des Vorrangs der Arzneimittelversorgung. Die Apotheke soll nicht zum Drugstore werden.162 Insofern verhindert das Standesrecht die Vermi158 Zur Überlagerung von Regelungen allgemeiner und spezieller Art (am Beispiel Werbeverbot) siehe D. III. 3. c). 159 Vgl. Taupitz, ZHR 153 (1989), S. 681 ff.; Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S. 1. 160 Beispiel von Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1079 f. 161 So BVerfGE 53, 96 (97). 162 So der Begriff in BVerfGE 53, 96 (98).

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E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

schung gesundheitsbezogener Aufgaben und anderer, nur auf Gewinnerzielung gerichteter Tätigkeitsfelder, die etwa auch die gesetzlich vorgeschriebenen Beratungspflichten des Apothekers gefährden könnte. Deswegen knüpft das Standesrecht nicht erst an eine Gefährdung des Wettbewerbs an. Um diese geht es nicht, sondern vielmehr um das Verhältnis des Apothekers zu seinen Kunden. Das Wettbewerbsrecht zielt dagegen in erster Linie auf das Verhältnis zwischen den Konkurrenten und nur reflexhaft auf den Schutz der Kunden. Aus diesen beiden unterschiedlichen Regelungszwecken von Berufsrecht einerseits und Wettbewerbsrecht andererseits folgt der unterschiedliche gesetzliche Anknüpfungspunkt, der erst den Ausschlag für die kompetentielle Qualifikation gibt. Die Frage, ob Werbebeschränkungen für Apotheker im nicht apothekenpflichtigen Randsortiment auf ein kartellrechtliches oder ein standesrechtliches Gesetz gestützt werden können,163 läßt sich nur im Blick auf den Maßstab der Beschränkung beantworten. Wenn die Norm an standesrechtliche Kriterien anknüpft oder sich unbestimmte Rechtsbegriffe (wie „unangemessene Werbung“ in den Berufsordnungen) auf diese Kriterien hin auslegen lassen, unterfällt das Verbot dem Berufsrecht. Wenn an unzulässige Konkurrenz angeknüpft wird, kann die Verbotsmaßnahme auf Kartellrecht gestützt werden. Sollte es sich hingegen um ein Gesetz handeln, das den Apothekern ausdrücklich die Werbung für nicht apothekenpflichtige Produkte verbietet, fehlt es an einem solchen Maßstab, der einen kompetentiell qualifizierbaren Anknüpfungspunkt böte. Das Verbot von Werbung unterfiele dem Recht der Wirtschaft. Doch erfaßt Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG nicht die freien Berufe. Es könnte allerdings „Gewerbe“ betroffen sein, insofern der mit nicht apothekenpflichtigen Produkten handelnde Apotheker gewerblich agiert. Folgt man dem nicht, kommt Nr. 16 in Betracht: Ein Werbeverbot könnte auch zur „Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung“ ergehen. Jedoch will diese (zielgerichtete) Materie nicht den Wettbewerb insgesamt unterbinden, sondern wettbewerbsschädliche Auswüchse des Wettbewerbs verhindern. Ein Werbeverbot setzt vorher an und hat nicht speziell die Abwehr der Gefahr eines Kartells zum Gegenstand. Somit bleibt das Standesrecht der Apotheker. Maßgeblich für die Zuordnung zum Titel „Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung“ oder zum Standesrecht der freien Berufe ist wie stets der sonderrechtliche Charakter der zu qualifizierenden Regelungen.164 In dieser Hinsicht wird vertreten, der Landesberufsrechtsgesetzgeber dürfe aufgrund seiner eigenen Kompetenz Regelungen auf dem Gebiet des Art. 74 Abs. 1 Nr. 16 GG erlassen, wenn zwischen Standesrecht und Wettbewerbsrecht ein untrennbarer Sachzusammenhang bestehe, insofern das Standesrecht sachgerecht nur dann geregelt werden könne, wenn zugleich die marktbezogene Tätigkeit des Freiberuflers mitgeregelt wird.165 Sofern damit die Formel des Baurechtsgutachtens reaktiviert werGestellt von Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1085. A. A. BGH, GRUR 1977, S. 739 (741) – Vorrang des Standesrechts; Maunz, Arztrecht 1982, S. 233 ff. – Vorrang des Wettbewerbsrechts. 165 Hitzler, GRUR 1981, S. 110 (115). 163 164

II. Ineinandergreifende Prüfungsprogramme

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den soll, um einzelne rein wettbewerbsrechtliche Vorschriften einem standesrechtlichen „Gesamtkonzept“ zuzuschlagen, ist diesem Versuch eine Absage zu erteilen. Soweit damit lediglich der reflexhafte Sachzusammenhang einer Standesregelung mit den wirtschaftlichen Verhältnissen des Freiberuflers gemeint sein soll, hat die Redeweise der Mitregelung keine von den allgemeinen Regeln kompetentieller Qualifikation abweichende Bedeutung. d) Kommunalrecht und UWG Kommunalrecht ist Landessache. Das UWG stützt sich auf den Kompetenztitel des Bundes für „gewerblichen Rechtsschutz“.166 § 1 UWG a. F. (vgl. §§ 3, 4 UWG) bestimmte, daß, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen, auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann. Die Verletzung der kommunalrechtlichen Regelungen über die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde (zum Beispiel die §§ 107 ff. GO NRW) könnte ipso iure einen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG a. F. darstellen. Der Bundesgerichtshof hat sich zu Recht gegen diesen Automatismus gewandt.167 Die Unabhängigkeit beider Maßstäbe ergibt sich schon aus den unterschiedlichen kompetenzrechtlich zulässigen Regelungszielen beider Gesetze. Das Kommunalrecht diszipliniert die Staatsgewalt nicht alleine um der Wettbewerbsfreiheit und -gleichheit der Privaten willen, sondern insbesondere, um die Beschränkung der Kommunen auf ihre öffentlichen Aufgaben sicherzustellen, ohne indes verhindern zu wollen, daß diese auch durch wirtschaftliche Betätigung erfüllt werden. Das UWG zielt hingegen ausschließlich auf den Wettbewerbsschutz. Der Bundesgerichtshof bezieht sich nicht auf die Gesetzgebungskompetenzen, sondern unmittelbar auf die Regelungszwecke der Gesetze. Den § 1 UWG a. F. sieht er auf das Verhalten auf dem Markt bezogen, während die kommunalrechtlichen Vorschriften den Marktzutritt regelten. Allerdings gibt es sehr wohl Fälle, in denen über die Regelung des Marktzutritts die Art und Weise des Verhaltens auf dem Markt gesteuert werden soll.168 Aus der Verschiedenheit der einfachgesetzlichen Regelungsziele von UWG und Kommunalrecht ergibt sich dennoch, daß ein Verstoß gegen die Regelungen für die wirtschaftliche Betätigung einer Gemeinde nicht über § 1 UWG a. F. sanktioniert wird. Gleichwohl kann eine Norm wie § 1 UWG a. F. oder § 823 Abs. 2 BGB als „Umschaltnorm“169 dienen, die die rechtliche Wertung eines anderen Gesetzes, 166 Art. 73 Nr. 9 GG; str., wie hier Bothe, in: AltK-GG, Art. 73 Rn. 23; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 73 Rn. 119; Pestalozza, Grundgesetz, Art. 73 Rn. 551 – 553; a. A. (nur der Wettbewerb in bezug auf die Inhaber gewerblicher Eigentumsrechte fällt unter Nr. 9) Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 73 Rn. 41. 167 Vgl. BGH, JZ 2003, S. 315, mit Anm. Ehlers, S. 318. 168 Vgl. Ehlers, JZ 2003, S. 318 (319 f.), mit Hinweis auf BGHZ 82, 375 (395 ff.). 169 Begriff bei Taupitz, JZ 1994, 221 ff.

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E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

selbst desjenigen eines anderen Gesetzgebers, aufgreift, um eine diesem Gesetzgeber verschlossene Rechtsfolge an die Gesetzwidrigkeit zu knüpfen. Während § 823 Abs. 2 BGB unmittelbar auf ein „den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz“ Bezug nimmt,170 fehlt dem § 1 UWG a. F. mit dem Tatbestandsmerkmal des Sittenverstoßes eine Anknüpfung an konkrete gesetzliche Regelverstöße. Die einfachgesetzliche Ausgestaltung der Tatbestandsmerkmale steht einer automatischen Verknüpfung von Kommunalrechtswidrigkeit und Wettbewerbswidrigkeit entgegen. Doch wäre der Kommunalrechtsgesetzgeber von Kompetenz wegen frei, eine Marktzutrittsregel mit einem wettbewerbsrechtlichen Motiv zu gestalten. Die Adressierung der Regelung an die Gemeinden würde die kompetentielle Qualifikation als Kommunalrecht begründen. Die gesetzgeberische Motivation könnte aber dazu führen, daß bei einem Verstoß gegen diese Regelung stets auch ein Verstoß gegen § 1 UWG a. F. anzunehmen wäre.

2. Planungsrecht Der Begriff der Planung bezeichnet eine umfassende Prüfung, die eine unter vielfältigen Gesichtspunkten zu treffende Entscheidung ermöglichen soll. Die Komplexität planerischer Prüfungsprogramme wirft die Frage auf, ob und wieweit dem Planungsrechtsgesetzgeber ein Übergriff in fremde Kompetenzmaterien gestattet ist. Diese Kompetenzkonflikte können sowohl zwischen zwei Planungsmaterien als auch im Verhältnis einer auf eine „einfache“ Sachmaterie übergreifenden Planung entstehen. Im letzteren Fall geht es um die sogenannte Konzentrationswirkung, die zwischen unterschiedlichen Gesetzgebern auch vermittels einer ausgreifenden Gesetzgebungskompetenz gerechtfertigt werden muß. a) Bauplanungsrecht versus Fachplanungsrecht Das Baugesetzbuch des Bundes schafft die Rahmenbedingungen für die örtliche Bauleitplanung. Die auf bestimmte Vorhaben gerichtete raumgestaltende Fachplanung greift auf den bauleitplanerisch geregelten oder regelbaren Raum zu. Folgende Konflikte sind denkbar: Ein fachplanerisches Vorhaben ist bauplanungsrechtlich unzulässig, oder eine bauplanerische Festsetzung widerspricht Fachplanungsrecht. Darüber hinaus sind Vorhaben aus jedem Bereich unter Umständen auf Umsetzungen oder Berücksichtigung im je anderen Bereich angewiesen.

170 Vgl. BGH, JZ 2003, S. 315 (318), ablehnend zu § 87 BayGO als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB mit der unter dem Gesichtspunkt der kompetentiellen Verknüpfung und Abhängigkeit beider Normen unhaltbaren Begründung, die Norm der BayGO müsse den Schadensersatz bezwecken, um als Schutzgesetz gelten zu können.

II. Ineinandergreifende Prüfungsprogramme

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aa) Der Fachplanungsvorbehalt im BauGB Das Baugesetzbuch, mithin ein Gesetzeswerk des Bundes, bestimmt in § 38 S. 1, daß die §§ 29 bis 37 BauGB – und damit auch die Bindung an Festsetzungen eines gegebenenfalls bestehenden Bebauungsplans – auf Planfeststellungsverfahren und sonstige Verfahren mit den Rechtswirkungen der Planfeststellung für Vorhaben von überörtlicher Bedeutung nicht anzuwenden sind, wenn die Gemeinde in diesem Verfahren beteiligt wird.171 Dabei müssen städtebauliche Belange berücksichtigt werden. Die Vorschrift greift auch zugunsten von Fachplanungsverfahren auf landesgesetzlicher Grundlage, etwa wasserrechtliche und abgrabungsrechtliche Vorhaben, ein.172 Soweit die Fachplanung bundesgesetzlich geregelt ist, ergeben sich mit Blick auf die Gesetzgebungskompetenz keine Probleme. Bei landesgesetzlichen Fachplanungen drängt sich die Frage auf, ob die Vorschrift hinter dem nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG Möglichen zurückbleibt und Raum für konkurrierendes Landesrecht im Bodenrecht läßt oder ob dieser Vorbehalt einschließlich der Verdrängung von Bauplanungsrecht nur deklaratorisch die kompetentielle Spezialität des (Landes-)Fachplanungsrechts womöglich ungenügend nachzeichnet, so wie etwa § 29 Abs. 2 BauGB einen deklaratorischen Geltungsvorbehalt für das Bauordnungsrecht der Länder aufstellt. Die Kompetenz für das Fachplanungsrecht betrifft regelmäßig die Errichtung oder Änderung baulicher Anlagen, für die § 29 BauGB gerade die Geltung der §§ 30 bis 37 BauGB anordnet. Das Fachplanungsrecht ist nur insofern spezieller zu der das Baugesetzbuch deckenden Materie „Bodenrecht“, als die baulichen Vorhaben spezifiziert sind und das jeweilige Fachplanungsrecht als eigene Materie prägen, weil besondere Anforderungen hinzutreten müssen. Eine Spezialität des Titels für das Fachplanungsrecht gegenüber dem Titel Bodenrecht liegt nicht vor. Die Regelung des § 38 S. 1 BauGB ist somit von Kompetenz wegen nicht geboten. Der Bundesgesetzgeber hat seine bodenrechtliche Kompetenz zugunsten des Fachplanungsrechts nicht voll ausgeschöpft. Die Vorschrift dispensiert aus Gründen der Zweckmäßigkeit das fachplanungsrechtliche Vorhaben mit überörtlicher Bedeutung. Zwischen Bauleitplanung und Planfeststellungsverfahren nach den Fachgesetzen kann eine Interdependenz bestehen.173 Der Bebauungsplan kann zur Planfeststellung erforderlich sein, weil die Planfeststellung nicht sämtliche Nutzungen der betroffenen Anlage oder Fläche regelt, obwohl solche Nutzungen zur Ergänzung der planfestgestellten Anlage oder Fläche sinnvoll sind. Wenn die Planfeststellung nur eine bestimmte Ebene, etwa eine unterirdische betrifft, kann der Bebauungsplan Zur Neufassung des § 38 BauGB siehe Schmidt-Eichstaedt, NVwZ 2003, S. 129 (131). Vgl. Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, Rn. 182. 173 Die folgenden drei Ergänzungsfunktionen des Bebauungsplans unterscheidet SchmidtEichstaedt, NVwZ 2003, S. 129 (132). 171 172

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E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

die andere Schicht regeln. Wenn erkennbar wird, daß die Wirkungen des Planfeststellungsbeschlusses auslaufen, kann durch Bebauungsplan der Übergang geregelt werden. In allen diesen Konstellationen ergänzt der Bebauungsplan das Planfeststellungsrecht. Ein kompetentieller Übergriff findet nicht statt. Sind Beschränkungen der Wirkungen des Planfeststellungsbeschlusses in bezug auf Nutzungszulässigkeit, Ebenen in Raum oder Zeit vorhanden, kann der Bebauungsplan jenseits dieser Beschränkung ansetzen. Eine kompetentielle Verschränkung, wie sie bei Regelungen mit Konzentrationswirkungen zum Ausdruck kommt, übt weder das Planfeststellungsrecht auf das Bodenrecht noch dieses auf jenes aus.

bb) Festsetzungen nach dem BauGB versus Landes-Fachgesetze Das Baugesetzbuch ermächtigt die Gemeinden, in Bebauungsplänen Festsetzungen unter anderem von Fußgängerbereichen,174 von Flächen für Abgrabungen175 oder von Flächen und Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft176 zu treffen. Die jeweiligen Maßnahmen selbst müßten sich in den genannten Fällen allerdings auf Ermächtigungsgrundlagen des Landesgesetzgebers stützen. Fußgängerbereiche werden nach dem Straßen- und Wegerecht der Länder eingerichtet. Abgrabungen unterliegen den Abgrabungsgesetzen der Länder. Für den Naturschutz hat der Bundesgesetzgeber ebenso nur eine Rahmengesetzgebungskompetenz wie für die Landschaftspflege.177 Es erscheint fraglich, ob der Bundesbaugesetzgeber die Gemeinden zur Festsetzung auch dieser dem Landesrecht unterfallenden Bereiche ermächtigen darf.178 Das Problem entschärft sich, wenn man in Betracht zieht, daß die bauplanerischen Festsetzungen keine Vorentscheidung über die jeweilige fachgesetzliche Zulässigkeit treffen. Diese muß weiterhin nach den jeweiligen Fachgesetzen beurteilt werden. Die Festsetzungen im Bebauungsplan schaffen keine rechtliche Pflicht zur Realisierung der festgesetzten Maßnahme. Das Bundesverfassungsgericht hatte sich mit der Frage zu befassen, ob eine Kommune eine Gondelbahn im Bebauungsplan festsetzen und anschließend die Enteignungsmöglichkeiten des Baugesetzbuchs für deren Bau nutzen durfte, nachdem ihr Antrag auf Planfeststellung durch die Landesregierung abgelehnt worden war.179 Das Gericht stellt fest, daß die Vorschriften des Baugesetzbuchs zwar die Freihaltung einer Fläche für eine Bergbahn rechtfertigen, nicht aber die Durchsetzung einer solchen Festsetzung mittels der Anwendung baugesetzlicher Enteignungsvorschriften.180

174 175 176 177 178 179

§ 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB. § 9 Abs. 1 Nr. 17 BauGB. § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB. Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GG. Vgl. Brohm, DÖV 1983, S. 525 (526). BVerfGE 56, 249.

II. Ineinandergreifende Prüfungsprogramme

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Das Enteignungsrecht ist Annex zur Sachmaterie.181 Wenn aber die Sachmaterie keine Realisierung eines Vorhabens trägt, weil eine andere Sachmaterie einschlägig ist, kann die Annexregelung nicht die Realisierung ermöglichen. Die bauleitplanerische Festsetzung einer Maßnahme, die nach Landesfachgesetzen durchgeführt werden muß, bereitet das fachplanerische Verfahren vor, indem der Bebauungsplan das Umfeld so einrichten kann, daß der Umsetzung keine ausschlaggebenden Belange entgegenstehen. Das Bauplanungsrecht ist somit angesicht der Maßgeblichkeit des Fachplanungsrechts nicht bedeutungslos.182 Stellt die Gemeinde einen Antrag zur Planfeststellung eines im Bebauungsplan festgesetzten Vorhabens, hat die Planfeststellungsbehörde das Bodenrecht einschließlich der gemeindlichen Planung in ihre Abwägung über die Rechtmäßigkeit des Vorhabens einzustellen. Das Prüfungsprogramm der Landesrecht ausführenden Planfeststellungsbehörde umfaßt in jedem Fachplanungsgebiet auch bundesgesetzlich geregelte Belange oder aufgrund von Bundesrecht erlassenes Landesrecht. Deswegen bedarf es keiner Verstärkung der Wirkung der Festsetzung nach dem Baugesetzbuch über den Umweg des Gebots der Bundestreue oder der Rücksichtnahme.183 Dieses kann nicht mehr erzwingen, als der Gemeinde zustünde, wenn sie statt des Baugesetzbuchs Landesgesetze anwenden würde. b) Überschneidung von Planungen und Genehmigungen Planungen können sich insofern überschneiden, als zwei verschiedene Planungsverfahren oder Prüfungsprogramme aufeinanderstoßen oder als die Durchführung einer Planung Maßnahmen auch im Bereich des anderen Fachplanungsrechts erforderlich macht. Wenn – im Falle zweier Planungen – nur eine einheitliche Entscheidung möglich ist, sind verschiedene Wege denkbar. So könnten die Verfahren aufgrund gesetzlicher Vorschrift aufeinander abzustimmen sein und dabei nebeneinander bestehen bleiben. Einen anderen Weg weist § 78 VwVfG des Bundes. Der Konflikt beim Zusammentreffen zwischen einem bundesgesetzlich geregelten und einem landesgesetzlich geregelten Planfeststellungsverfahren wird demnach durch Verfahrens- und Zuständigkeitskonzentration gelöst. Auch dann, wenn nicht zwei Planfeststellungsverfahren, sondern nur eines beteiligt ist oder überhaupt nur „einfache“ Genehmigungsverfahren parallel laufen, könnte eine verfahrensrechtliche Konzentrationswirkung eines der Verfahren angeordnet sein, wobei das materielle 180 BVerfGE 56, 249 (265); a. A. Brohm, DÖV 1983, S. 525 (526), der die Rechtsverbindlichkeit der Festsetzung betont, um deren Reichweite es gerade geht. Auch ohne einen Übergriff auf das Fachrecht hätte die Festsetzung Bindungswirkung für bauplanerische Verhältnisse, etwa den Gebietscharakter. 181 Vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG. 182 Vgl. aber Brohm, DÖV 1983, S. 525 (529 ff.). 183 So aber Brohm, DÖV 1983, S. 525 (531), der auch die „Gemeindetreue“ nennt und damit die verfassungsrechtlich geschütze Planungshoheit ins Spiel bringt. Diese Rechtsposition ist bei der Abwägung durch die Fachplanungsbehörde von Gewicht.

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E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

Recht des anderen Verfahrens seine Geltung ohne Abstriche behält. Die durch die Konzentrationswirkung unzuständig gewordene Behörde kann aber noch am Verfahren durch Anhörung, Zustimmungsvorbehalte oder auf andere Weise beteiligt sein. Unter Umständen gebietet die kommunale Selbstverwaltung die Beteiligung der durch Konzentrationswirkung unzuständig gewordenen Gemeinde. Schließlich könnte neben der Verfahrens- und Zuständigkeitskonzentration auch eine materielle Konzentrationswirkung bestehen. aa) Die Eisenbahnkreuzungsentscheidung Den Fall, daß ein Planungsverfahren Maßnahmen in einem anderen Sachbereich erforderlich macht, betrifft die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Eisenbahnkreuzungsgesetz. 184 Nach dem früheren § 9 Abs. 1 sollte ein eisenbahnrechtliches Planfeststellungsverfahren auch durchgeführt werden, wenn eine Kreuzung von Schienenwegen einer Eisenbahn und einer Straße vorliegt. Die Planfeststellung dieses kreuzungsrechtlichen Planungsverfahrens konnte unter Umständen die Änderung oder Beseitigung der betroffenen Kreuzung durch Veränderungen des Straßenstücks festlegen. Das Bundesverfassungsgericht hält diese Vorschrift für kompetenzgemäß, soweit es sich bei dem Schienenweg um eine Eisenbahn des Bundes (vgl. Art. 73 Nr. 6 a GG) handelt.185 Dann ist es nach Auffassung des Gerichts kompetenzrechtlich irrelevant, ob die Gesetzgebungskompetenz für die gekreuzte Straße beim Land oder beim Bund (wie im Fall der Landstraßen für den Fernverkehr)186 liegt.187 Das Bundesverfassungsgericht stützt die bundesrechtliche Regelung der materiellen Konzentrationswirkung des eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses auf die Vorläufernorm von Art. 73 Nr. 6 a GG, während es die Kompetenz für das Verfahrensrecht – das eine Konzentrationswirkung der Zuständigkeit und des Verfahrens beinhaltete 188 – „entweder schon aus Art. 73 Nr. 6 GG oder jedenfalls aus Art. 86, 87 Abs. 1 GG“189 entnimmt. Wenn dem Bundesgesetzgeber die Kompetenz für die Regelung von Bau und Unterhalt fehlt, es sich also nicht um eine Landstraße für den Fernverkehr im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG handelt, erfaßt die Planfeststellungswirkung eine Materie der Landesgesetzgebung. Gäbe es die Kreuzung mit einem Schienenweg einer Eisenbahn des Bundes nicht, wäre alleine der Landesgesetzgeber für das Planungsrecht zuständig. Das Gericht erklärt den kompetentiellen Übergriff auf die fremde MateBVerfGE 26, 338; Gesetz vom 14. 8. 1963, BGBl. I, S. 681. BVerfGE 26, 338 (375). 186 Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG. 187 BVerfGE 26, 338 (375 – 379). 188 Zur Differenzierung nach Entscheidungs-, Verfahrens- und Zuständigkeitskonzentration unter dem Dach der formellen Konzentration vgl. Fluck, NVwZ 1992, S. 114 (115). 189 Art. 73 Nr. 6 GG hatte im Jahr 1969 den Gegenstand „Bundeseisenbahnen“, der nun unter Art. 73 Nr. 6 a GG fällt. Art. 87 Abs. 1 GG zählte zur bundeseigenen Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau die Bundeseisenbahnen und war insofern Vorläufer von Art. 87 e GG. 184 185

II. Ineinandergreifende Prüfungsprogramme

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rie nicht mit der Figur des Sachzusammenhangs oder des Annexes, wie zu erwarten gewesen wäre.190 Vielmehr holt es zu einer gründlichen historischen Auslegung des Kompetenztitels in Art. 73 Nr. 6 a GG aus. Die Kompetenz entspreche derjenigen der Weimarer Reichsverfassung. Das Bundesverfassungsgericht schließt nun von der einfachgesetzlichen Rechtslage unter der Weimarer Verfassung auf die Bundesgesetzgebungskompetenz.191 Wenn hingegen nicht eine Eisenbahn des Bundes im Sinne von Art. 73 Nr. 6 a GG an der Kreuzung mit einem Straßenstück beteiligt ist, sondern ein Schienenweg einer nicht-bundeseigenen Eisenbahn, soll dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für die Planfeststellungsregelung mit Konzentrationswirkung für die Veränderung des beteiligten Straßenstücks fehlen, sofern diese der Landesgesetzgebung unterliegt.192 Der Bundesgesetzgeber ist allerdings auch für nicht-bundeseigene Eisenbahnen zuständig. Die Kompetenz folgt dann nicht aus Art. 73 Nr. 6 a GG, sondern aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 23 GG. Sofern Landstraßen für den Fernverkehr (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG) die Schienenwege nicht-bundeseigener Eisenbahnen kreuzen, kann der Bundesgesetzgeber auch die Veränderung an der Straße regeln.193 Nur wenn das Straßenstück unter die Materie des Landesgesetzgebers fällt, soll dem sich auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 23 GG stützenden Bundes-Eisenbahngesetzgeber die Kompetenz, die Planfeststellung für die kreuzungsbeteiligte Straße zu regeln, nicht zukommen. Das Bundesverfassungsgericht rechtfertigt die Unterscheidung zu der Konstellation mit einer bundeseigenen Eisenbahn damit, daß die betreffende Kompetenz dem Reich nach der Weimarer Reichsverfassung nicht zukam.194 Mittelbar gibt die bundeseigene Verwaltungskompetenz des Art. 87 GG in der Fassung von 1969, also einschließlich der Bundeseisenbahnen, den Ausschlag für diese Unterscheidung. Denn das Gericht stützt sich auf die Entstehungsgeschichte der Verwaltungskompetenz des Bundes, um zu rechtfertigen, daß eine Veränderung zur Weimarer Rechtslage nicht gewollt war.195 Trotzdem handelt es sich um eine historisch-genetische Auslegung der Gesetzgebungskompetenz, aufgrund derer das Bundesverfassungsgericht zu seiner Differenzierung kommt. Der Umstand, daß die Bundeseisenbahnen in bundeseigener Verwaltung geführt werden, während die Verwaltungskompetenz für die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, den Ländern zufällt, ist als solcher kein Kriterium für die unterschiedliche Behandlung beider Kompetenzen hinsichtlich einer Überschneidung mit der Landesstraßengesetzgebung.

190 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 73 Rn. 363 in Fn. 483, hält die Konstellation für ein geradezu physisch anschauliches Beispiel einer kompetentiellen Doppelqualifizierung. 191 BVerfGE 26, 338 (370 – 375). 192 BVerfGE 26, 338 (379 – 386). 193 BVerfGE 26, 338 (385). 194 BVerfGE 26, 338 (384). 195 BVerfGE 26, 338 (374 f.).

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E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

bb) Die Kompetenz für Vorschriften mit Konzentrationswirkung Bei Vorschriften mit Konzentrationswirkung wird zwischen formeller und materieller Konzentration unterschieden. Während diese sich auf das materielle Recht und dessen Beachtung bezieht, betrifft die formelle Konzentration das Verfahren und die Zuständigkeit.196 Materielle Konzentration meint, daß das Recht eines anderen Verfahrens oder eines anderen Gesetzes keine Bindung mehr im Sinne des Art. 20 Abs. 3 GG auslöst.197 Im Gegensatz dazu erstreckt sich die formelle Konzentration nicht auf das materielle Prüfungsrecht. Mit dem durch die formelle Konzentrationswirkung gegebenen Übergang der Zuständigkeit geht lediglich die Prüfungs- und Entscheidungskompetenz über. Die nunmehr alleinig zuständige Behörde wendet weiterhin das gesetzliche Prüfungs- und Entscheidungsprogramm an, das die durch Konzentrationswirkung ausgeschaltete Behörde anwenden würde. Die Bindungen bleiben dieselben. Das gilt für eine formelle Konzentration nach Landesgesetz, die ein bundesgesetzliches Verfahren ersetzt, ebenso wie für eine formelle Konzentration aufgrund Bundesgesetzes, die ein landesgesetzliches Verfahren ersetzt. Bei dieser Betrachtung spielt es keine Rolle, ob die Konzentrationsregelung eine solche des Planfeststellungsrechts ist oder ob es sich um eine Bindungswirkung einer nicht in der Form eines Planfeststellungsbeschlusses ergehenden Genehmigung für die Genehmigungen nach anderen Gesetzen erteilenden Behörden handelt. Bei der Frage nach der Konkurrenz von nicht als Planfeststellungsbeschluss ergehenden Genehmigungen aufgrund verschiedener Gesetze ist die Konzentrationswirkung genauso erheblich.198 (1) Formelle Konzentrationswirkung Ein Gesetz, das eine formelle Konzentration anordnet, muß sich zunächst auf eine Gesetzgebungskompetenz für Verfahrens- und Organisationsrecht stützen. Die Zusammenlegung der verschiedenen verfahrensrechtlichen Anforderungen betrifft das Verfahrensrecht. Die Zuständigkeitskonzentration ist darüber hinaus eine auch organisationsrechtliche Frage. Ein solches Gesetz des Bundes bedürfte also einer Kompetenz aufgrund von Art. 84 Abs. 1 GG und Art. 85 Abs. 1 GG im Fall der Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder oder aber der (jeweils in den die bundeseigene Verwaltungskompetenz verleihenden Vorschriften zu suchenden) Organisationsgewalt des Bundes.199 Problematisch ist der Fall eines bundesgesetzEine genauere Differenzierung bei Fluck, NVwZ 1992, S. 114 (115). Unterhalb der Bindung kann es noch eine Pflicht zur „Berücksichtigung“ der einfachgesetzlich geschützten Belange geben, vgl. die Darstellung bei Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 53. Die Unterscheidung macht expressis verbis das Raumordnungsgesetz des Bundes. 198 So zu Recht Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 29 f.: Die Planfeststellung ist eine spezifisch ausgestaltete Genehmigung; für die Eigenständigkeit der Planfeststellung z. B. Wahl, DVBl. 1982, S. 53 ff. 196 197

II. Ineinandergreifende Prüfungsprogramme

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lich geregelten Verfahrens, das eine Konzentrationswirkung für ein landesgesetzliches Verfahren anordnet. Sofern der Bundesgesetzgeber aufgrund von Art. 84 Abs. 1 GG oder Art. 85 Abs. 1 GG das landesgesetzliche Verfahren ebenfalls regeln dürfte, weil die Länder materielle Bundesgesetze ausführen, bestehen wiederum keine kompetentiellen Bedenken. Nur wenn der Bundesgesetzgeber keinen derartigen Zugriff auf das Landesverfahrensrecht hat, spitzt sich die Kompetenzfrage zu. Als Beispiel sei § 13 BImSchG angeführt. Die Kompetenz des Bundesgesetzgebers für § 13 BImSchG soll auch die Konzentrationswirkung hinsichtlich landesgesetzlicher Genehmigungsvorbehalte und Zuständigkeiten erfassen.200 Dies betrifft nur die formelle Konzentration. Die Bundeskompetenz soll aus der vorkonstitutionellen historischen Entwicklung folgen:201 Die gewerberechtliche Anlagegenehmigung des alten § 18 GewO, der eine solche Konzentrationswirkung zugekommen sei, gleiche dem § 6 Nr. 2 BImSchG. Das in dieser Norm verankerte obligatorische Prüfungsprogramm ist ein Hauptgrund, der Genehmigung des § 13 BImSchG weitreichende Konzentrationswirkung zuzusprechen. Die Sachgesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG (Luftreinhaltung) und Nr. 11 (Recht der Wirtschaft), die das materielle Recht des BImSchG trägt, soll hingegen – selbst bei Auslegung mit Hilfe des Sachzusammenhangs – die formelle Konzentrationswirkung kompetenzrechtlich nicht legitimieren können.202 Vor dem Hintergrund, daß es sich um eine verfahrensrechtliche Vorschrift handelt, ist dem zunächst uneingeschränkt zuzustimmen. Der Bundesgesetzgeber müßte sich für Verfahrensrecht – auch ohne Konzentrationswirkung auf das Verfahrensrecht anderer Kompetenzmaterien – ohnehin auf Art. 84 Abs. 1 GG stützen. Allerdings folgt diese Kompetenz der Sachkompetenz für das (materielle) Immissionsschutzrecht. Wenn nun eine verfahrensrechtliche Regelung auf das materielle Prüfungsprogramm einer Kompetenzmaterie des anderen Sachgesetzgebers übergreift, muß daher nicht nur ein (historischer, annexhafter oder wesensmäßiger) Zusammenhang zu der Verfahrensrechtskompetenz, sondern ebenfalls ein Zusammenhang zwischen den Sachkompetenzmaterien bestehen. Einfacher ausgedrückt: Eine verfahrensrechtliche Konzentrationsregelung, die sich nicht aus dem Zusammenhang der in einem Prüfungsprogramm zusammengeführten Sachmaterien ergibt, läßt sich nicht denken. Das bedeutet, daß eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs vorliegen muß. Wenn sich die verschiedenen Verfahren auf bereits nach Auslegung der jeweiligen Gesetzgebungskompetenz unterschiedliche Regelungsgegenstände beziehen, 199 Das kann aus Art. 86 S. 2 GG geschlossen werden. Art. 86 GG selbst beschränkt sich auf die Zuweisung der Organkompetenz innerhalb der Bundesverwaltungskompetenz. Jedenfalls ist der Landesverfahrens- und Landesorganisationsgesetzgeber im Bereich einer Bundesverwaltungskompetenz ausgeschlossen, vgl. BVerfGE 63, 1 (40). 200 So Fluck, NVwZ 1992, S. 114 (115). 201 Fluck, NVwZ 1992, S. 114 (115). 202 Ausdrücklich gegen den Sachzusammenhang Fluck, NVwZ 1992, S. 114 (115).

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E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

bestehen keine Überschneidungen. Wenn Konzentrationswirkungen der Gefahr einander widersprechender behördlicher Entscheidungen vorbeugen sollen,203 bedürfte es in diesem Fall keiner verfahrensrechtlichen Konzentration. Die Prüfungsprogramme beziehen sich auf verschiedene Gegenstände, die – ohne materielle Konzentrationswirkung – ohnehin nach Maßgabe verschiedener materiellrechtlicher Rechtsregime beurteilt werden müssen.204 Wenn hingegen ein Sachbereich so definiert wird, daß er die Regelungsgegenstände beider Kompetenzmaterien erfaßt – etwa der umfassende „Betrieb des zu genehmigenden Vorhabens“ –, können daraus keine kompetentiellen Folgerungen abgeleitet werden. Ein Annex oder Sachzusammenhang muß an einer bestehenden Kompetenzmaterie anknüpfen. Die Zweckmäßigkeit einer einheitlichen Entscheidung reicht für die Zusammenführung zweier Kompetenzen gerade nicht. Insofern kann sogar auf das Baurechtsgutachten verwiesen werden.205 Wenn das Rechtsstaatsprinzip und insbesondere die gebotene Einheit der Rechtsordnung ins Feld geführt werden, um eine Kompetenz für Konzentrationsvorschriften im Bund-Länder-Verhältnis zu begründen, ist dem entgegenzuhalten, daß echte Widersprüche bereits durch die Kompetenzverteilung vermieden werden. Außerdem wird das Rechtsstaatsprinzip durch die Kompetenzverteilung konkretisiert und kann nicht nachträgliches Korrektiv seiner eigenen Konkretisierung sein. Schließlich ist es kein Widerspruch, wenn ein Vorhaben, das nach Maßgabe einiger Vorschriften gesetzmäßig ist, an der Meßlatte anderer Gesetze scheitert, die ihrerseits kompetenzgemäß erlassen wurden, nicht gegen materielles Verfassungsrecht verstoßen und auch nicht verfassungswidrig gehandhabt wurden. Macht etwa ein landesgesetzliches Planfeststellungsverfahren in Ausführung eines materiellen Landesgesetzes eine Befreiung nach dem BauGB erforderlich, ohne daß § 38 BauGB einschlägig wäre und ohne daß die Konzentrationswirkung das Bauplanungsrecht erfaßt, so bedarf es noch der Befreiung. Handelt es sich um einen Grundrechtsträger, dessen Vorhaben planfestgestellt wird und der die Befreiung beantragt, hat die Baugenehmigungsbehörde innerhalb ihres durch das BauGB eingeräumten Ermessens nicht das Landesrecht zu beachten, sondern die betroffenen Belange lediglich zu berücksichtigen. Insbesondere könnten Grundrechte des Antragstellers die Entscheidung zugunsten der Befreiung beeinflussen. Über das Scharnier der kompetenzübergreifend wirkenden Grundrechte wirkt das Planfeststellungsrecht mittelbar auf die Anwendung des Bauplanungsrechts ein. Einer Umverteilung der Gesetzgebungskompetenzen im Wege erweiternder Auslegung bedarf es daher nicht. 203 So etwa Stettner, Grundfragen, S. 293, der deswegen eine Herleitung aus dem Rechtsstaatsprinzip vornimmt. 204 Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 61 f.: Der Genehmigungsgegenstand differiert. So kann sich eine Genehmigung (bzw. Planfeststellung) auf die „Anlage“ beziehen, während eine andere eine bestimmte Nutzung zum Gegenstand hat. Fraglich ist allerdings, inwieweit diese unterschiedlichen Anknüpfungen auch kompetentiell erforderlich sind. 205 BVerfGE 3, 407 (421 f.).

II. Ineinandergreifende Prüfungsprogramme

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Wenn allerdings eine juristische Person des öffentliche Rechts – wie oft bei Planfeststellungsverfahren206 – den Antrag stellt, fehlt es in aller Regel an der Grundrechtsberechtigung. Über das Rechtsstaatsprinzip mag auch Trägern öffentlicher Gewalt noch ein Anspruch auf gleiche Behandlung im Verhältnis zu Privaten zugesprochen werden, wenn dieselben Vorschriften auf beide Anwendung finden und kein staatliches Sonderrecht Geltung beansprucht. Hier könnte die Bundestreue als Gesichtspunkt in der Ermessensentscheidung der Genehmigungsbehörde fruchtbar gemacht werden. In der Sache kommt es aber nicht auf die Gewährung bundestreuer Loyalität um ihrer selbst willen an, sondern auf die durch die antragstellende Behörde zu verwirklichenden öffentlichen Aufgaben. Diese sind sowohl in ihrer einfachgesetzlichen Ausgestaltung als auch mit ihrem verfassungsrechtlichen Hintergrund zu berücksichtigen. Verfassungsrechtliche Notwendigkeit verleiht nicht dem Planfeststellungsrecht eine Bindungswirkung gegenüber der Bauplanungsrecht anwendenden Behörde. Das Ermessen kann aber unter Umständen auf Null reduziert sein. Das Gebot der Bundestreue wird häufig nur ein Sammelbegriff für die gebotene Berücksichtigung der ganz unterschiedlichen öffentlichen Aufgaben sein, die mit dem Planfeststellungsrecht und von der antragstellenden Person des öffentlichen Rechts verfolgt werden. Es muß betont werden, daß weiterhin das Ermessen der jeweiligen sachgesetzlichen Vorschrift – im Beispiel die Befreiungsvorschriften des BauGB – maßgeblich ist, so daß die Bundestreue eine durch andere in das Ermessen einfließende Belange oder zwingendes Bauplanungsrecht überwindbare Position darstellt. Sie wirkt nicht als generelle Kompetenzausübungsschranke für jeden öffentlich-rechtlichen Antragsteller des im Verhältnis zum Bauplanungsgesetzgebers anderen Hoheitsträgers, sondern nur im Einzelfall als im Ermessen zu berücksichtigender Belang. (a) Historische Auslegung des Kompetenztitels Wie bereits geschildert wurde, wird die formelle Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG (etwa auf Genehmigungsverfahren nach den Wassergesetzen der Länder) auch nicht mit Hilfe der Auslegungsbehelfe des Annexes oder Sachzusammenhangs erklärt. Diese werden gerade als wirkungslos angesehen. Vielmehr dient eine historische Auslegung der Kompetenztitel als Grundlage für den kompetentiellen Übergriff. Dabei wird regelmäßig auf die vorkonstitutionelle Gesetzeslage abgestellt: Im Fall von § 13 BImSchG auf die historische Prägung des ehemaligen § 18 GewO; in der Eisenbahnkreuzungsentscheidung bemühte das Bundesverfassungsgericht das Eisenbahnrecht der Weimarer Republik. Wenn der Sache nach ein Übergriff auf eine fremde Kompetenzmaterie vorliegt, sollte die historische Auslegung nicht die Auslegung kraft Annexes oder Sachzusammenhangs verdrängen. 206

S. 30.

Vgl. Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen,

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E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

Der historisch-genetischen Methode wird bei der Verfassungsauslegung eine nur unterstützende oder subsidiäre Rolle zugewiesen. Im Bereich der Kompetenzauslegung wird sie jedoch stärker betont. Diese Handhabung historischer Argumente mag man akzeptieren, wenn nicht die Auslegung kraft Sachzusammenhangs einen kompetentiellen Übergriff verbietet. Der teleologische Auslegungsbehelf treibt den Wortlaut bis an seine Grenze. Das historische Argument kann nicht darüber hinausgehen. (b) Ergänzungsbedürftigkeit der Konzentrationswirkung anordnenden Regelung Hält man dennoch eine Regelung des Bundes- oder Landesrechts für zulässig, die eine formelle Konzentrationswirkung gegenüber dem Recht des jeweils anderen Gesetzgebers anordnet, ergeben sich Folgeprobleme, die dadurch zu lösen sind, daß die Gesetze zunächst nach der Eigenart der dahinter stehenden Kompetenz eingeordnet werden. Nach herrschender Ansicht macht eine Genehmigung aufgrund von § 13 BImSchG eine Baugenehmigung entbehrlich (vgl. auch § 63 Abs. 2 BauO NRW), ohne daß dagegen kompetenzrechtliche Bedenken bestünden. Wenn eine verfahrensrechtliche Konzentrationswirkung des Bundesgesetzes gegenüber dem landesgesetzlichen Bauordnungsverfahren gewollt ist, stellt sich die Frage, wie die Behörde, die das materielle Recht im selben Umfang und unter Bindung an dieselben Vorschriften prüfen muß, wie die Baugenehmigungsbehörde dies müßte, diesem Prüfungsauftrag gerecht werden kann. § 13 BImSchG beschränkt sich auf die Aussage, daß die Entscheidung einer Baugenehmigungsbehörde entbehrlich ist. Zahlreiche einzeln normierte Schritte des Baugenehmigungsverfahrens, die der Entscheidung über die Erteilung einer Baugenehmigung vorausgehen, sind gerade auf die erforderliche Entscheidungsgrundlage zugeschnitten, deren Daten sich – da materiell-rechtlich ebenso gebunden – auch die Immissionsschutzbehörde verschaffen muß. Soll deswegen das Verfahrensrecht der durch Konzentration erfaßten Genehmigung anwendbar bleiben?207 Ohne Blick auf die Problematik des Bund-Länder-Verhältnisses wendet sich Jarass gegen eine „Übernahme der Verfahrensvorschriften“.208 Soweit die Konzentrationswirkung Verfahrensrecht desselben Gesetzgebers erfaßt, handelt es sich um eine Auslegungsproblematik in bezug auf das einfache Gesetz, die mit Hilfe der Regel lex specialis derogat legi generali angegangen werden kann. Aus dem Verfassungsrecht kann sich überdies ergeben, daß ein Beteiligungsrecht für Bürger

207 Teilweise wird vom „sekundären Verfahrensrecht“ gesprochen; vgl. dazu Wagner, Die Genehmigung umweltrelevanter Vorhaben in parallelen und konzentrierten Verfahren, S. 175 ff.; VGH Hessen, NVwZ 1987, S. 987 (991 f.). 208 Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 56 f.

II. Ineinandergreifende Prüfungsprogramme

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oder ein Zustimmungserfordernis betroffener Gemeinden erhalten bleiben muß.209 Wenn man die Kompetenz des Gesetzgebers für eine umfassende Konzentrationswirkung auf „fremde“ Verfahren unterstellt, reduziert sich das Problem im Verhältnis von Bundes- und Landesgesetzgeber auf den Umfang, in dem der Verfahrensgesetzgeber von seiner Kompetenz zur Konzentrationswirkung Gebrauch gemacht hat. Da es sich um eine Kompetenz kraft Annexes bzw., da der Zusammenhang zwischen den Sachmaterien den Ausschlag gibt, kraft Sachzusammenhangs handelt, ähnelt die Lage derjenigen, in der eine spezielle Gesetzgebungskompetenz besteht, die aber nicht vollständig und damit abschließend wahrgenommen wurde. Hier können die Maßstäbe für die Ermittlung einer Sperrwirkung im Sinne von Art. 72 Abs. 2 GG herangezogen werden. Ergäbe sich, ließe man das durch die Konzentrationswirkung betroffene ursprüngliche Verfahrensrecht weg, eine verfassungswidrige Unvollständigkeit, bleibt dieses bestehen. Der andere Gesetzgeber hat dann insoweit keinen Gebrauch von seiner Kompetenz gemacht, so daß das betreffende Verfahrensrecht aufgrund eigener Gesetzgebungskompetenz bestehen bleibt. Vorgeschlagen wurde dagegen eine Analogie zu den verdrängten Verfahrensvorschriften. So sollen im Falle der von § 13 BImSchG eingeschlossenen Baugenehmigung die Bauunterlagen-Prüfungsvorschriften allenfalls im Wege der Analogie anwendbar sein.210 Diese Sichtweise verkehrt die Regelungswirkungen. Nicht das Landesrecht hat die Baugenehmigung entfallen lassen (es sei denn, man sieht in Regelungen nach Art des § 63 Abs. 2 BauO NRW keine deklaratorischen, sondern kraft Landeskompetenz konstitutive Konzentrationsanordnungen), sondern die bundesgesetzliche Vorschrift. Die Regelungslücke liegt nicht im Landesrecht. Das Landesrecht – das auch in analoger Anwendung Landesrecht bleibt – kann eine durch eine ausschließliche Bundesgesetzgebungskompetenz geschaffene Regelungslücke gar nicht schließen. Vielmehr ist anzunehmen, daß die Vorschriften, auch sofern sie tatbestandlich eine Baugenehmigung voraussetzen, als solche bestehen bleiben. Kommt es zu Widersprüchen, ist die Konzentrationsregelung als abschließend anzusehen. Sie geht dann kraft der Spezialität der sie deckenden Gesetzgebungskompetenz anderen Regelungen vor. Annex und Sachzusammenhang wirken, wie üblich, als Argument für ein Spezialitätsverhältnis. Durchaus kann es vorkommen, daß das Produkt eine verfassungswidrig unvollständige Regelung ist. Das ist gleichsam der Preis, der für eine derart ausgreifende Gesetzgebungskompetenz zu zahlen ist. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß verfahrensrechtliche Vorschriften mitunter eng, unter Umständen untrennbar mit sachgesetzlichen Regelungen oder Regelungsgehalten verbunden sind.211 Unterstellt man, daß der die Konzentrationsrege209 Die „Übernahme“ solcher Vorschriften beruht dann auf der Annahme, der die Konzentrationswirkung anordnende Gesetzgeber habe kein verfassungswidrig unvollständiges Verfahrensrecht erlassen wollen. 210 So Fluck, NVwZ 1992, S. 114 (116). 211 Vgl. im Zusammenhang mit § 13 BImSchG Schmidt-Preuß, NVwZ 2000, S. 252 (255): Das „materielle Sekundärrecht“ der eingeschlossenen Entscheidung behält ausnahmslos seine Geltung.

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E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

lung anordnende Gesetzgeber eine Kompetenz nur für die Verfahrenskonzentration besitzt, wird die Lage kompliziert. Die materiell-rechtlich aufgeladenen Verfahrensvorschriften des durch die Konzentrationswirkung beeinträchtigten Gesetzgebers können dann nur in ihrem verfahrensrechtlichen Teil verdrängt werden. Dieser steht aber im Annex zu der unverändert nicht vereinnahmten Sachkompetenz. Durch die materiell-rechtliche Aufladung des Verfahrensrechts affiziert der Sachgesetzgeber die Verfahrensvorschriften mit der kompetentiellen Spezialität seiner Sachkompetenz. Allerdings kann dieses Problem durch eine entsprechende Definition des Verwaltungsverfahrens entschärft werden. Bei der Auslegung des Art. 84 Abs. 1 GG verändert die materiell-verfassungsrechtliche Aufladung des Verfahrensrechts212 auch nicht den verfahrensrechtlichen Charakter von Normen.213 Sofern man eine materiell-einfachgesetzliche Prägung des Verfahrensrechts annehmen kann, ist eine Definition für die Beschreibung der Kompetenzmaterie „Verfahrensrecht“ erforderlich, die diese Einflüsse in Betracht zieht. (c) Konzentrationswirkung im Bereich einer Rahmenkompetenz Die formelle Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG sorgt nach verbreiteter Auffassung auch dafür, daß die wasserrechtliche Eignungsfeststellung nach § 19 h WHG entfällt.214 Im Gegensatz zum Übergriff auf das Baugenehmigungsverfahren betrifft die Konzentrationswirkung damit ein rahmenrechtlich vom selben (Bundes-)Gesetzgeber geregeltes Verfahren. Doch kann die Kompetenz für diesen Übergriff zumindest in der Regel nicht auf eine Synthese der Titel für das Verfahrensrecht des Bundesimmissionsschutzgesetzes215 mit der verfahrensrechtlichen Kompetenz für die Sachkompetenz aus Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 GG (Wasserhaushalt)216 gestützt werden, weil Art. 75 Abs. 2 GG nur in Ausnahmefällen eine in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelung gestattet. Verfahrensrechtliche Vorschriften gehen oft in Einzelheiten und gelten meist unmittelbar.217 Sollte ein Ausnahmefall vorliegen, bedarf es für die kompetentielle Rechtfertigung einer Konzentrationsregelung nicht noch zusätzlich – wie hier vertreten – einer Annexkompetenz. Liegt kein Ausnahmefall vor, ist die Lage genauso zu beurteilen, als bestünde keine Rahmenkompetenz des Bundesgesetzgebers. (d) Kettenkonzentrationen Durch verfahrensrechtliche Konzentrationswirkung sollen auch Vorschriften erfaßt werden können, die ihrerseits eine Konzentrationswirkung entfalten. Man 212 213 214 215 216 217

Siehe dazu BVerfGE 55, 274 (320). Vgl. Trute, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG III, Art. 84 Rn. 7, 12. Jarass, BImSchG, § 13 Rn. 6; Fluck, NVwZ 1992, S. 114 (119). Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG (evtl. auch Nr. 11) und Art. 84 Abs. 1 GG. Also gegebenenfalls wiederum Art. 84 Abs. 1 GG. Vgl. auch Schmidt-Preuß, NVwZ 2000, S. 252 (255).

II. Ineinandergreifende Prüfungsprogramme

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kann insofern von einer „Kettenkonzentration“ sprechen.218 So schließt die atomrechtliche Genehmigung nach § 8 Abs. 2 S. 1 AtG die Genehmigung nach § 4 BImSchG ein, die wiederum aufgrund von § 13 BImSchG die Baugenehmigung entbehrlich macht.219 Gemäß § 13 BImSchG entfällt die Baugenehmigung bei einer immissionsschutzrechtlichen Anlagengenehmigung. § 16 Abs. 6 S. 1 StrG BW bestimmt, daß es einer wegerechtlichen Sondernutzungserlaubnis nicht bedarf, wenn die übermäßige Straßenbenutzung einer baugenehmigungspflichtigen Anlage dient.220 Hier lassen sich verschiedene Konstellationen unterscheiden. Im letzten Fall ordnet das Straßen- und Wegerecht die Konzentrationswirkung mit Wirkung für sich selbst an. Es macht sich von der Genehmigungsbedürftigkeit nach der Bauordnung des Landes abhängig. Da beides Landesgesetze sind, bestehen keine kompetenzrechtlichen Bedenken. Der Gesetzgeber einer ausschließlichen Landeskompetenz dürfte hingegen keine Konzentrationswirkung mit Wirkung gegen das eigene Recht zugunsten eines bundesgesetzlichen Genehmigungsverfahrens anordnen, wenn er damit seine Gesetzgebungskompetenz unzulässigerweise an den Bundesgesetzgeber delegieren würde. Doch könnte es sich auch um eine kompetenzrechtlich unbedenkliche Verweisung handeln. Im Fall einer Verweisung geht der Landesgesetzgeber davon aus, daß das materielle Prüfungsprogramm nach dem Bundesgesetz die entscheidenden Aspekte auch des Straßen- und Wegerechts erfaßt, obwohl das Straßen- und Wegerecht als solches nicht zum Prüfungsprogramm nach Maßgabe des Bundesgesetzes gehört. Wenn das Bundesgesetz (§ 13 BImSchG) nun die zwischen zwei Landesgesetzen bestehende Konzentrationswirkung durch seine eigene Konzentration gleichsam inkorporiert, könnte die Konzentrationswirkung weiter reichen, als es die Kompetenz des Bundesverfahrensgesetzgebers zuläßt. Liegt zwischen den landesgesetzlichen Vorschriften ein Sachzusammenhang vor, der den (hypothetischen) Anforderungen eines Übergriffs auf eine fremde Kompetenzmaterie genügt, umfaßt die Bundeskompetenz zur Konzentration auch die Konzentrationswirkungen, die das Landesrecht seinerseits im Sachzusammenhang entfaltet. Ist die Konzentrationswirkung zwischen zwei Landesgesetzen hingegen nur aus Gründen der Zweckmäßigkeit erfolgt, kann das Bundesgesetz nicht an der landesgesetzgeberischen Konzentration partizipieren.221 Wenn die Konzentrationswirkung des BImSchG hinsichtlich der Baugenehmigungsbedürftigkeit von der atomrechtlichen Konzentrationswirkung erfaßt wird, ändert sich die verfassungsrechtliche Beurteilung im Verhältnis zur einfachen Kon218 219

Siehe Fluck, NVwZ 1992, S. 114 (118). Siehe Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen,

S. 62. VGH BW, NVwZ 1989, S. 687 f. Dies käme höchstens dann in Betracht, wenn das Landesgesetz als Verweisung auf das Bundesrecht zu verstehen wäre. Eine derartige Annahme erscheint abwegig. 220 221

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E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

zentration zwischen Bundes- und Landesrecht nicht. Denn das Atomrecht macht sich vom BImSchG abhängig, so daß dessen Konzentrationswirkung zu Lasten der Landesbauordnungen durch das Atomrecht nicht erweitert wird. Diese Form der Kettenkonzentration beruht also nicht auf einer in besonderem Maße begründungsbedürftigen Kompetenz kraft Annexes zu einer Kompetenz kraft Annexes. (2) Anwendungsraum für die Bundestreue? Statt eine Kompetenz für die Anordnung einer verfahrens- oder zuständigkeitsrechtlichen Konzentrationswirkung in bezug auf die Ausführung von Gesetzen des anderen Hoheitsträgers anzunehmen, bietet sich ein kompetenzgerechter Lösungsweg an. So kann der Bundesgesetzgeber aufgrund seiner Verfahrens- und Organisationsrechtskompetenz bestimmen, daß für die Ausführung seiner Gesetze dieselbe Behörde zuständig sein soll, die bestimmte Landesgesetze ausführt, deren Prüfungsprogramme eng mit dem Bundesrecht verflochten sind. Empfiehlt sich diese Gesetzgebungstechnik nicht oder handelt es sich um bundeseigene Verwaltung, kann der Bundesgesetzgeber im Verfahrensrecht immer noch eine Beteiligung der das konfliktträchtig parallele Landesrecht ausführenden Landesbehörden (in dieser Eigenschaft) normieren. Dazu bedarf es wohl nicht eines Sachzusammenhangs der Bundes- mit der Landeskompetenz. Erfolgt die Beteiligung verwaltungsintern222 und äußert sich die Landesbehörde zustimmend, kann eventuell aus dem Verbot des venire contra factum proprium eine Selbstbindung für die spätere Ausführung des Landesgesetzes konstruiert werden, die als Fremdbindung über eine Konzentrationsregelung nicht zulässig wäre. (3) Materielle Konzentrationswirkung Eine materielle Konzentrationswirkung ohne formelle läßt sich nicht denken. Besteht für die maßstäblichen materiellen Normen kein Verfahren, sind diese entweder nicht anwendbar oder aber self-executing oder auch ohne ausdrückliche Zuständigkeitsbestimmung von der Behörde zu prüfen.223 Lehnt man daher – wie hier vertreten – schon weitgehend die Möglichkeit formeller Konzentrationswirkungen zwischen bundes- und landesgesetzlichen Verfahren ab, stellt sich die Frage materieller Konzentration gar nicht erst. Erkennt man die Zulässigkeit formeller Konzentration an, ist auch die Möglichkeit materieller Konzentration eröff222 Die Normierung einer „Beteiligung“ (in welcher Form der Mitwirkung oder Entscheidung auch immer) gegenüber dem Antragsteller der Genehmigung bzw. Planfeststellung ist wohl nur auf die Sachkompetenz für das durch die beteiligte Behörde auszuführende Gesetz zu stützen. 223 Die letzte Variante läßt sich am Bauordnungsrecht demonstrieren: Die Baugenehmigungsbehörde prüft z. B. nach § 75 BauO NRW auch sämtliche nicht baurechtlichen Vorschriften des öffentlichen Rechts, soweit für diese kein eigenes Verfahren (der Genehmigung, der Anzeige o. ä.) besteht.

II. Ineinandergreifende Prüfungsprogramme

331

net. Denn die kompetentielle Grundlage jener liegt richtigerweise in einem Zusammenhang der Sachkompetenzen. Terminologisch sollte – in Übereinstimmung mit dem Raumordnungsgesetz des Bundes – zwischen Beachtung bzw. Bindung an das materielle Recht und dessen Berücksichtigung unterschieden werden. Die Beachtung oder Bindung an materielles Recht bedeutet, daß dieses ungeschmälert und kraft seiner ursprünglichen Gesetzgebungskompetenz Geltung beansprucht. Die Berücksichtigung stellt hingegen ein Minus gegenüber der Beachtung dar. Der Geltungsanspruch der Normen kann etwa mit Hilfe materieller Konzentrationswirkung überwunden werden. Eine materielle Konzentrationswirkung, sofern sich die diese anordnende Regelung nicht auf eine Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs stützen läßt, ist abzulehnen. Aber auch ein Sachzusammenhang wird in der Regel nicht angenommen. In der Literatur wird eine materielle Konzentration gerade auch im Blick auf das Verhältnis von Bundes- und Landesgesetzen für unzulässig gehalten.224 Eine Ausnahme bilden Schweitzer und Meng, die dem Bundesfernstraßengesetzgeber die Planungshoheit auch für den Bereich des Denkmalschutzrechts zusprechen.225 Dieses könne auch vom Wortlaut „Bau . . . von Landstraßen für den Fernverkehr“ erfaßt werden.226 Der Bau einer Straße kann demnach das Denkmalschutzrecht umfassen, während es ansonsten eine Materie für sich bildet. Das historische Argument des Bundesverfassungsgerichts in der Eisenbahnkreuzungsentscheidung wenden sie so, daß die Bedeutung des Straßenverkehrs damals noch nicht derart groß gewesen sei wie diejenige der Eisenbahn. Bei der heutigen Bedeutung des Straßenverkehrs sind dem Straßengesetzgeber dieser Logik zufolge dieselben Kompetenzen zu geben wie dem Eisenbahngesetzgeber schon früher. Doch ist diese materielle Konzentrationswirkung abzulehnen. Sofern das Denkmalschutzrecht keine Annexmaterie bildet, ist es spezieller zu anderen Titeln. Das gilt auch für Kompetenztitel, die eine umfassende Planung erforderlich machen. Die verschiedenen Genehmigungen beziehen sich auf verschiedene Gegenstände eines Lebenssachverhalts, so wie die hinter den Gesetzen stehenden Kompetenzen verschiedene Gegenstände haben. Schwierigkeiten bei der Anwendung und Abstimmung der verschiedenen Gesetze dürfen nicht zu deren Nichtanwendung führen.227 Das materielle Recht landesgesetzlicher Genehmigungen, die durch eine bundesgesetzliche Konzentrationswirkung verdrängt werden, kann nicht seinerseits aufgrund von Art. 31 GG verdrängt werden, da diese Vorschrift die Identität des geregelten Gegenstands voraussetzt.228 Ein lediglich zusammen224

Vgl. Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen,

S. 55. Schweitzer / Meng, DVBl. 1975, S. 940 (941 ff., zum Sachzusammenhang S. 944). Schweitzer / Meng, DVBl. 1975, S. 940 (942). 227 Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 55. 228 So Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 55; a. A. Küchler, DÖV 1977, S. 187 (190). 225 226

332

E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

gehöriger Lebenssachverhalt, der von Bundes- und Landesgesetz betroffen wird, reicht dazu nicht aus. Eine weitere Auffassung sieht in dem Planungsermessen des durch die formelle Konzentration dominierenden Gesetzes das Mittel, die Bindung an für sich genommen zwingende Rechtsvorschriften zu relativieren.229 Jarass entgegnet zu Recht: „Das Planungsermessen besteht jedoch nur im Rahmen der Gesetze und nicht etwa die Gesetze im Rahmen des Planungsermessens“.230 Soweit es um das Verhältnis von Bundes- und Landesgesetzen geht, kann aus der Handlungsform der Planung und der rechtlich als Planungsermessen strukturierten Entscheidungsfindung nichts für die Gesetzgebungskompetenz hergeleitet werden. Allerdings besteht eine „Grauzone“ zwischen formeller und materieller Konzentration. Dieser Bereich wird von den nicht zwingenden Vorschriften eines Sachgebiets gebildet, die schon nach ihrer eigenen gesetzlichen Konzeption dispositiv sind, etwa weil sie von einem Entschließungsermessen abhängig gemacht werden. Werden solche Gesetze durch formelle Konzentration zur Abwägung einer umfassenden Planung gezogen, die in einen Planfeststellungsbeschluß mündet, stellt sich ihre Nichtanwendung prima facie nicht als kompetentieller Übergriff dar. Die ursprünglich für die Anwendung zuständige Behörde hätte ja ebensogut auf die Anwendung verzichten können. Deswegen wird für die Konzentrationswirkung des § 75 Abs. 1 S. 1 2. Hs. VwVfG des Bundes231 einerseits nach unbestrittener Auffassung vertreten, sie beziehe sich nur auf das Verfahren – wirke also nur formell –, so daß das materielle Recht weiterhin ohne Abstriche zu beachten ist.232 Andererseits soll daraus folgen, daß nur bundes- und landesrechtliche Vorschriften, die strikte Ge- oder Verbote enthalten, auch für das Planfeststellungsverfahren zwingend wirken.233 Streng genommen müßte aber gefragt werden, ob die Vorschriften, die dispositiv sind und vom Ermessen der sie anwendenden Behörde abhängen, von der ursprünglichen Behörde aus denselben Gründen unangewendet bleiben dürfen, die nunmehr nach Maßgabe der angeblich nur formellen Konzentration eine Überwindung der dispositiven Normen innerhalb des Planungsermessens rechtfertigen können. Das Ermessen ist integrativer Bestandteil der jeweiligen Norm. Das zeigt sich schon daran, daß der Gesetzgeber kompetenzrechtlich frei war, auch eine Norm ohne Ermessen zu schaffen. Gleichwohl wirken auf das Ermessen etwa die Grundrechte ein, die ihrerseits kompetenzblind sind. Das bedeutet, daß die Grundrechte eine Berücksichtigung auch solcher Belange erfordern können, die nach Maßgabe 229 Hiddemann, Planfeststellung im Flurbereinigungsgesetz, S. 59 f.; Manner, Die rechtsstaatlichen Grundlagen des Planfeststellungsverfahrens, S. 48. 230 Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 55 f. 231 „[N]eben der Planfeststellung sind andere behördliche Entscheidungen, Bewilligungen, Zustimmungen und Planfeststellungen nicht erforderlich.“ 232 So Wahl / Dreier, NVwZ 1999, S. 606 (609); Blankenagel / Bohl, DÖV 1993, S. 585 (586); BVerwG, NVwZ 1990, S. 969; BVerwGE 85, 155 (156); 85, 348; 90, 140. 233 Vgl. Wahl / Dreier, NVwZ 1999, S. 606 (609).

II. Ineinandergreifende Prüfungsprogramme

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der Kompetenzordnung von einem anderen Gesetzgeber als demjenigen der Ermessensvorschrift gestaltet, geschaffen oder geschützt werden. Das Ermessen einer Norm öffnet daher als solches nicht einen Raum für die Beachtung oder Berücksichtigung einfachen Gesetzesrechts des anderen Gesetzgebers. Hier muß das Gebot der Bundestreue oder müssen andere verfassungsrechtliche Normen gleichsam als Transmissionsriemen dienen. Davon abgesehen, ist das Ermessen (nicht anders als der Tatbestand) von der Gesetzgebungskompetenz begrenzt. Häufig wird diese Trennung als der Sache unangemessen empfunden. Wird eine Genehmigung erteilt, die nicht genutzt werden kann, weil dadurch gegen ein anderes Gesetz verstoßen würde, könnte ja gleich auf die Erteilung der Genehmigung verzichtet werden. (a) Das Beispiel der Schlußpunkttheorie Für diese und ähnliche Fälle wurde im Baurecht die „Schlußpunkttheorie“ vertreten: Wenn eine andere Behörde noch eine Genehmigung für das Bauvorhaben erteilen muß, soll die Baugenehmigungsbehörde zum einen die Kompetenz einer Vorprüfung der von jener Behörde zu prüfenden Gesetze haben234 und – bei festgestellter Legalität – mangels Entscheidungskompetenz mit der Erteilung der Baugenehmigung auf die Sachentscheidung der anderen Behörde warten müssen oder – bei festgestellter Illegalität – die Entscheidung abwarten oder die Baugenehmigung versagen235.236 Inzwischen hat die Rechtsprechung die Schlußpunkttheorie modifiziert und hebt darauf ab, wie weit die Landesbauordnungen der Sachentscheidungs- und Prüfungskompetenz der Bauaufsichtsbehörde Grenzen ziehen.237 Die maßgebliche Kompetenz für das Baugenehmigungsverfahren ist vom Landesgesetzgeber durch die Landesbauordnungen wahrgenommen worden. Fraglich ist, inwieweit die Länder die Erteilung einer Baugenehmigung vom Vorliegen anderer erforderlicher Genehmigungen, Gestattungen und Erlaubnisse abhängig machen können. In Nordrhein-Westfalen soll – nach neuer Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts238 – der Bauordnung die zwingende Anwendung der Schlußpunkttheorie zu entnehmen sein.239 Dies bedeutet, daß die Baugenehmigung erst Vgl. OVG NRW, DÖV 1986, S. 575; BauR 1992, S. 610. Zur Versagung in diesem Fall siehe Gaentzsch, NJW 1986, S. 2787. 236 So noch Ortloff, in: Finkelnburg / Ortloff, Öffentliches Baurecht, Bd. II, 3. Aufl., S. 78 Fn. 96; inzwischen hat Ortloff seine Ansicht revidiert, vgl. ders., in: Finkelnburg / Ortloff, Öffentliches Baurecht, Bd. II, 4. Aufl. 1998, S. 100 ff. 237 BVerwGE 99, 351; BVerwG, NJW 1997, S. 1085; der Rspr. folgend Ortloff, in: Finkelnburg / Ortloff, Öffentliches Baurecht, Bd. II, 4. Aufl. 1998, S. 101 ff.; entsprechend verlangen Bayern (vgl. BayVGH, NVwZ 1994, S. 304) und Baden-Württemberg (VGH BW, NVwZ-RR 1997, S. 156) nur noch die Prüfung solcher öffentlicher Vorschriften, die nicht in einem eigenen Verfahren geprüft werden. 238 OVG NRW, DÖV 2004, S. 302 ff., gegen OVG NRW, BauR 2002, S. 457 f. 234 235

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E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

erteilt werden darf, wenn die übrigen für das Vorhaben erforderlichen Genehmigungen des Fachrechts vorliegen. Diejenige Baugenehmigung, die trotz Fehlens erforderlicher Genehmigungen erteilt wird – und sei es auch unter dem als aufschiebende Bedingung gefaßten Vorbehalt deren Vorliegens – ist rechtswidrig.240 Solange diese rechtswidrige Baugenehmigung wirksam ist, kann die andere Fachbehörde nicht nach Maßgabe ihres Fachrechts gegen das von ihr noch nicht genehmigte Vorhaben einschreiten. Die Baufreigabe durch die Baugenehmigung muß zuvor aufgehoben werden.241 Damit kommt dem Bauverfahrensrecht (bei dieser landesgesetzlichen Ausgestaltung) eine Schlüsselstellung für alle für das Vorhaben erforderlichen Genehmigungsverfahren zu. Zwar soll von der Baugenehmigung gemäß § 75 Abs. 3 S. 2 BauO NRW keine Konzentrationswirkung ausgehen.242 Doch parallel und unabhängig (wie beim sogenannten Separationsmodell243) sind die Genehmigungsverfahren auch nicht. Es handelt sich vielmehr um ein Koordinationsmodell. Allerdings liegt in der (für die BauO NRW) aufgezeigten Bindung an eine voreilig, da vor dem Vorliegen aller erforderlichen anderen Genehmigungen erteilte Baufreigabe ein Übergriff des Bauverfahrensrechts in das Verfahrensrecht der betroffenen Fachbehörden. Diese können auch nicht die Baugenehmigung zurücknehmen, sondern sind auf die Rücknahme durch die Baugenehmigungsbehörde angewiesen. Wenn nun das Verfahrensrecht des sonstigen Fachrechts nicht mehr „ungebrochen“ der Ausführung dieses (materiellen) Fachrechts dienen kann, da insoweit die Bindungswirkung der Baufreigabe zu beachten ist, greift das Bauverfahrensrecht zudem in das materielle Fachrecht über. Soweit die Gesetzgebungskompetenz sowohl für das Verfahrensrecht als auch für die betroffenen fachrechtlichen Gebiete in derselben Hand liegt, kann der zuständige Gesetzgeber eine solche Schlußpunkttheorie festlegen oder ausschließen. Die beschriebene Bindungswirkung ist dann bundesstaatlich irrelevant. Fraglich ist hingegen, wie weit dies zulässig ist, wenn einmal materielles Bundesrecht (Fachrecht) und im anderen Fall materielles Landesrecht (Bauordnungsrecht) ausgeführt wird. Der Landesgesetzgeber, der für beide Genehmigungsverfahren die Rechtssetzungskompetenz besitzt, kann grundsätzlich zeitliche Abhängigkeiten zwischen den Verfahren insgesamt oder zwischen den einzelnen Verfahrensschritten oder den das Verfahren abschließenden Entscheidungen anordnen. Dagegen ist beispielsweise sehr zweifelhaft, ob der Landesgesetzgeber auch der baurechtlichen Genehmigung die Wirkung der Baufreigabe geben kann, wenn das sonstige Fachrecht – und zwar materielles Bundesrecht, das nach Maßgabe von Landesverfah239 Kritisch zu dieser neuen Rechtsprechung Ehlers, Festschrift Bartlsperger, S. 463 (477), mit Hinweis auf § 75 Abs. 3 S. 2 BauO NRW. 240 OVG NRW, DÖV 2004, S. 302 (304). 241 Anders noch OVG NRW, BauR 2002, S. 457 (458). 242 Anders § 67 Abs. 1 S. 2 BbgBO; dazu Ehlers, Festschrift Bartlsperger, S. 463 (477 f.). 243 Vgl. OVG NRW, DÖV 2004, S. 302 (303).

II. Ineinandergreifende Prüfungsprogramme

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rensrecht ausgeführt wird – dies mangels erteilter Genehmigung noch nicht zuläßt. Dagegen spricht, daß das materielle Bundesfachrecht dann nicht ausgeführt wird. Das Kooperationsmodell wirkt sich im Falle rechtwidriger, aber wirksamer Baugenehmigungen so aus, als gebe es eine Konzentrationswirkung. Es ist nicht ersichtlich, daß die übergangene Behörde einen Anspruch auf Aufhebung der Baugenehmigung hat. Die Wirksamkeit einer solchen rechtswidrigen Baugenehmigung müßte auf der Kompetenz des Landesverfahrensrechtsgesetzgebers fußen. Zwar kann der landesverfahrensrechtlichen Ausführung von Bundesgesetzen auch in anderen Fällen Landesverfahrensrecht oder materielles Landesrecht derart entgegenstehen, daß das materielle Bundesrecht im Einzelfall nicht ausgeführt wird. Doch ergibt sich diese Wirkung aus der Beachtungspflicht des Art. 20 Abs. 3 GG, demzufolge die ausführenden Behörden an (kompetenzgemäß erlassene) Gesetze gebunden sind. Dies würde auch für Bundesbehörden gelten, die ausschließlich Bundesrecht anwenden. Das Beachtungsgebot erstreckt den Vorrang des Gesetzes für sie auch auf Landesrecht. Wenn allerdings das Landesverfahrensrecht (der BauO) dazu führt, daß nur zum Zwecke verfahrensrechtlicher Koordination die Ausführung von Bundesrecht behindert wird, so wird das Land nicht seiner gegenüber dem Bund bestehenden Verpflichtung zu dessen Ausführung gerecht. Wenn das Landesverfahrensrecht diese Behinderung bewirkt (durch die Wirksamkeit und Bestandskraft der voreilig erteilten Baugenehmigung), stellt sich dies als ein Übergriff in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das behinderte materielle Fachrecht dar. Dieser Übergriff wurde bislang nicht auf einen irgendwie gearteten Sachzusammenhang der Kompetenzmaterien gestützt. Eine solche Rechtfertigung würde daran scheitern, daß es keine Hierarchie zugunsten des Baurechts gegenüber dem sonstigen Fachrecht gibt. Die Zweckmäßigkeit einer Koordination der Verfahren vermag die Landesverfahrensrechtskompetenz im Bereich des Baurechts nicht zu erweitern. (b) Einheit der Rechtsordnung Der Topos von der Einheit der Rechtsordnung244 kann ebenfalls nicht begründen, daß innerhalb des Ermessens einer Norm Vorschriften des anderen Gesetzgebers berücksichtigt werden und die Entscheidung beeinflussen. Die Figur der Einheit der Rechtsordnung hat nicht die normative Kraft, die Grenzen der Kompetenzordnung neu zu verlegen. Ebenso wie eine „optimale Planung“245 und das Gebot 244 Gegen die rechtliche Aussagekraft der Argumente „Einheit der Verfassung“ und „Einheit der Rechtsordnung“ F. Müller / Christensen, Juristische Methodik, Bd. I, Rn. 388; F. Müller, Die Einheit der Verfassung, S. 225 ff. 245 Vgl. Wahl / Dreier, NVwZ 1999, S. 606 (611), die nach Möglichkeiten suchen, zu verhindern, daß die Kompetenzverteilung eine optimale Planung behindert. So sei eine Planungsbehörde möglicherweise verpflichtet, den anderen Planungsträger anzustoßen, eigene Planungen zu entwickeln. Vgl. BVerwG, NVwZ 1996, S. 901 (903): Kompetenzfragen dürf-

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E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

der Konfliktbewältigung der durch die Planung aufgeworfenen Probleme Kompetenzüberschreitungen contra constitutionem nicht erlauben, bleibt es bei der Kongruenz der behördlichen Prüfungs- und Entscheidungskompetenz mit der Gesetzgebungskompetenz, aufgrund derer die Gesetze ergangen sind, die von der Behörde ausgeführt werden. Das stellt die Behörde nicht von der Beachtung des „fremden“ Rechts frei, wie es Art. 20 Abs. 3 GG einfordert. Die Beachtungspflicht im Sinne des Art. 20 Abs. 3 GG ist aber nicht mit einer Kompetenz zur Ausführung ebendieser Gesetze gleichzusetzen. Zwischen Beachtung und Pflicht zur Ausführung muß unterschieden werden, wenn die Verteilung der Verwaltungskompetenzen zur Ausführung von Gesetzen sinnvoll bleiben soll. cc) Das Zusammentreffen von Planfeststellungsverfahren (§ 78 VwVfG des Bundes) § 78 Abs. 1 VwVfG des Bundes ordnet für das Zusammentreffen mehrerer selbständiger Vorhaben, für die jeweils ein Planfeststellungsverfahren vorgeschrieben ist, ein einheitliches Planfeststellungsverfahren an, wenn für die Vorhaben oder Vorhabenteile nur eine einheitliche Entscheidung möglich ist und mindestens eines der Planfeststellungsverfahren bundesrechtlich geregelt ist. Nach Abs. 2 S. 1 richten sich Zuständigkeiten und Verfahren für dieses einheitliche Planfeststellungsverfahren nach den Vorschriften über dasjenige Verfahren, das für diejenige Anlage vorgeschrieben ist, die einen größeren Kreis öffentlich-rechtlicher Beziehungen berührt. Wie sich bereits aus § 72 Abs. 1 VwVfG des Bundes ergibt, gilt diese Vorschrift nur, sofern nicht in spezielleren Gesetzen abweichende Regelungen getroffen werden. Spezieller sind etwa § 12 Abs. 4 bis 6 FStrG und § 12 a Abs. 4 FStrG sowie § 41 Abs. 5 WaStrG.246 § 78 VwVfG des Bundes ist eine Regelung formeller Konzentrationswirkung, insofern statt zweier oder mehrerer Verfahren ein einheitliches Verfahren angeordnet wird, das aus einem der kollidierenden Verfahren nach den Kriterien des Abs. 2 auszuwählen ist. Da es sich jeweils um Planfeststellungsverfahren handelt, enthalten die jeweiligen Vorschriften ihrerseits die Anordnung von Konzentrationswirkungen, so daß es infolge der Vereinheitlichung nach § 78 VwVfG des Bundes zu Kettenkonzentrationen kommt. Die Vorschrift ist einschlägig, wenn zwei bundesrechtliche Planfeststellungsverfahren kollidieren. Sie ist nicht auf die Konkurrenz zweier landesgesetzlich geregelter Planfeststellungsverfahren anzuwenden. Für eine derartige Koordinationsregelung fehlt dem Bundesgesetzgeber die Kompetenz.247 Die Bundeskompetenz soll hingegen vorliegen, wenn zumindest ein bundesgesetzlich geregeltes Verfahten sich nicht als Schranke für eine in jeder Hinsicht optimale Planung auswirken. Beide haben nicht das Verhältnis von Bundes- und Landesgesetzgeber zum Gegenstand. 246 Vgl. Dürr, in: Knack, VwVfG, § 78 Rn. 6. 247 So auch Dürr, in: Knack, VwVfG, § 78 Rn. 7.

II. Ineinandergreifende Prüfungsprogramme

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ren beteiligt ist, auch wenn im übrigen ein oder mehrere landesgesetzliche Planfeststellungsverfahren konkurrieren. Der Bundesgesetzgeber sei zu Koordinationsregelungen für Konflikte zwischen Bundes- und Landesrecht berufen.248 Der Anwendungsbereich des § 78 VwVfG des Bundes folge den „Grundsätzen“, die das Bundesverfassungsgericht zum früheren § 9 Abs. 1 EKrG aufgestellt hat. Indes kann eine solche Aussage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gerade nicht entnommen werden. Das Gericht lehnt es ausdrücklich ab, dem Bundesgesetzgeber die Kompetenz für die Konfliktlösung durch Verfahrenskonzentration zwischen Planungen aufgrund Bundesgesetzes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 23 GG und aufgrund Landesgesetzes für Landesstraßen zuzuerkennen.249 Nur die historische Auslegung der Kompetenztitel für bundeseigene Eisenbahnen sorgte für eine Bundeskompetenz im Konfliktfall mit landesgesetzlichen Verfahren. Es ist widersinnig, „Grundsätze“ des Bundesverfassungsgerichts auf eine neuartige Vorschrift ohne historische Tradition anwenden zu wollen, wenn die Grundsätze gerade eine solche Tradition voraussetzen. Hier zeigt sich die Schwäche einer ausschließlich auf das historische Argument setzenden Kompetenzauslegung. Eine einheitliche Entscheidung im Sinne des § 78 Abs. 1 VwVfG des Bundes ist nach Ronellenfitsch erst gegeben, wenn ein „einheitlicher Sachzusammenhang“ vorliegt und eine bloße Abstimmung der unterschiedlichen Vorhabenträger nicht ausreicht.250 Der Planungszusammenhang müsse dergestalt sein, daß eine sachgerechte Abwägung der einzelnen Belange nur einheitlich erfolgen kann. Der Maßstab, an dem sich ausrichtet, ob eine Abwägung nur einheitlich erfolgen kann, bleibt allerdings ungenannt. Große Projekte erfordern stets eine umfassende Abwägung. Eine materielle Konzentrationswirkung hat auch § 78 VwVfG des Bundes nicht. Das ergibt sich schon aus der Auslegung der Vorschrift,251 so daß sich die Kompetenzfrage insofern nicht stellt. Deswegen kann eine einheitliche Abwägungsentscheidung das dispositive Recht aufeinander abstimmen.252 Das Zuständigkeitskriterium des § 78 Abs. 2 S. 1 VwVfG des Bundes erscheint für das Verhältnis von Bundes- und Landesgesetzgeber fragwürdig. Die Ersetzung eines landesgesetzlich geregelten Verfahrens, für das der Bundesgesetzgeber auch keine konkurrierende Kompetenz nach Art. 84 Abs. 1 GG oder Art. 85 Abs. 1 GG hat, durch Bundesverfahrensrecht kann nur vermittels der Grundsätze von Annex und Sachzusammenhang erfolgen. Ob das Verfahrensrecht für die Planfeststellung 248 Bonk / Neumann, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 78 Rn. 3 f.; Dürr, in: Knack, VwVfG, § 78 Rn. 7; Allesch / Häußler, in: Obermayer, VwVfG, § 78 Rn. 4. 249 BVerfGE 26, 338 (379 – 386). 250 Zitiert nach dem Bericht von Ammelburger, NVwZ 1995, S. 873 (874). 251 § 78 Abs. 2 S. 1 VwVfG des Bundes bezieht sich nur auf Zuständigkeit und Verfahren. S. 2 und 3 sprechen von „Rechtsvorschriften“ und greifen damit den Begriff des S. 1 auf, der wiederum nur die zuständigkeits- und verfahrensregelnden Rechtsvorschriften meint, nicht aber materielles Recht. 252 Wenn man nicht die hier vorgebrachte Kritik teilt, daß es sich der Sache nach um eine materielle Konzentrationswirkung handelt.

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E. Die Abstimmung zwischen verschiedenen Rechtsgebieten

einer Anlage einen größeren oder kleineren Kreis öffentlich-rechtlicher Beziehungen berührt, ist kein den Annex bzw. Sachzusammenhang begründendes Kriterium.253 Sofern der Bundesgesetzgeber die Verfahrensrechtskompetenz aufgrund Art. 84 Abs. 1 GG in Anspruch nehmen kann, soll er einen „sachlichen Grund“ dafür vorweisen. Diese Anforderung mag durch das Kriterium des Umfangs der von einer Anlagenplanung betroffenen Rechtsbeziehungen erfüllt sein.

253 Daher ist es geboten, die Vorschrift nicht für den Fall eines Landesrecht verdrängenden bundesrechtlichen Verfahrens anzuwenden.

F. Rechtsfolgen der Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs I. Prärogativen bei der Kompetenzermittlung 1. Abwägungsentscheidungen Die Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen kann einer Abwägungsentscheidung ähneln, wenn die Spezialität eines Titels nicht einfach aus der Spezialität des hinter dem Zuschnitt der Kompetenz stehenden Kriteriums oder Zwecks gegenüber dem Kriterium oder Zweck der anderen in Betracht kommenden Kompetenzmaterie folgt. Trotzdem ist ein Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers problematisch, insofern dieser nicht gegenüber anderen Staatsfunktionen wie der Verwaltung oder Rechtsprechung wirkt, sondern – vermittels einer verfassungsgerichtlichen Injustitiabilität – gegenüber dem anderen Gesetzgeber im Bundesstaat. Der Gesetzgeber soll zwar auch gegenüber dem grundrechtlich geschützten Bürger einen Gestaltungsspielraum haben. Dieser betrifft allerdings den Ausgleich kollidierender Grundrechtsinteressen. Nur weil der Gesetzgeber in ein mehrpoliges Geschehen mit vielen Grundrechtsträgern eingreift, darf ihm der Gestaltungsspielraum eingeräumt werden. Wenn nämlich der Grund für den gestalterischen Primat gegenüber Rechtsprechung und Verwaltung die unmittelbare demokratische Legitimation des Parlaments ist, kann der Primat gegenüber dem Souverän selbst nicht als Selbstzweck zum Tragen kommen. Abwägungsentscheidungen enthalten jedoch eine Grenzungewißheit. Solche Abwägungsentscheidungen gibt es im Rahmen der Modell- und Experimentiergesetzgebung, die zum Annex des Gesetzgebungsverfahrens ressortieren. Die Erforderlichkeit dieser Gesetze, von der die Annexkompetenz abhängt, beruht auf Prognoseunsicherheit. Wenn die Wirkungen einer avisierten Gesetzgebung evident sind, fehlt es an der Erforderlichkeit. Die Erforderlichkeit ist ferner am Gesetzesvorhaben zu messen. Deswegen muß dieses einen nachprüfbaren Stand, zumindest das Stadium eines Referentenentwurfs, erreicht haben. Sofern dieses Vorhaben ernsthaft war und von dem Modellversuch abhängen sollte, ist der Entwurf zugrunde zulegen. Dieser muß sich vollständig unter die Gesetzgebungskompetenz des Modellgesetzgebers subsumieren lassen. Ein Beurteilungsspielraum gegenüber dem jeweils anderen Gesetzgeber besteht nicht. Wenn etwa der Bundesgesetzgeber Exemtionen von landesgesetzlichen Anforderungen zugunsten eigener Einrichtungen oder zugunsten der Regelungsziele eigener Gesetze normieren will oder wenn zu entscheiden ist, ob ein Gesetz aufgrund der Bundestreue, die die das Gesetz deckende Kompetenz beschränkt, ver-

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F. Rechtsfolgen der Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

fassungskonform enger auszulegen ist als der Wortlaut den Anschein gibt, wird auf die „Erforderlichkeit“ abgestellt. Dies legt wiederum eine Abwägungsstruktur der Entscheidung nahe und mithin einen Beurteilungsspielraum des eximierenden Gesetzgebers. So wird etwa bei der Polizeipflichtigkeit von Hoheitsträgern gefragt, ob die kompetenzgemäße bzw. vom Gesetzgeber (kompetenzgemäß) normierte Aufgabe eine Befreiung von polizei- und ordnungsrechtlichen Bestimmungen erfordert. Im Zusammenhang mit den in § 35 StVO eingeräumten Sonderrechten für die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben stellt sich die Frage, ob nicht auch von straßenrechtlich zwingenden Gesetzen oder von den von straßenrechtlichen Gesetzen gedeckten zwingenden widmungsrechtlichen Bestimmungen aus straßenverkehrsrechtlichen Gründen abgewichen werden darf.1 Die Erforderlichkeit der Aufgabenerfüllung ist auch hier der von Rechtsprechung und Literatur angediente Maßstab. Statt der eximierenden Gesetzgebung erscheint auch eine vom Gebot der Bundestreue erzwungene verfassungskonforme Auslegung der Gesetze gangbar. Allerdings würde dieser Weg die Feststellung der Erforderlichkeit nur von der Gesetzgebungskompetenz (des eximierenden Gesetzgebers) auf die Handhabung der Bundestreue im Rahmen der Auslegung und Anwendung von Gesetzen verlagern. Am Kriterium der Erforderlichkeit und seiner Notwendigkeit, aber auch seinem Hinreichen für eine Abweichung von gesetzlichen Ge- oder Verboten ändert dies nichts. Nach der hier vertretenen Ansicht handelt es sich nicht um die Wirkung einer Kompetenzausübungsschranke, sondern um die Spezialität einer eigenen Gesetzgebungskompetenz des die Exemtion normierenden Hoheitsträgers. Da die Spezialität zwischen Gesetzgebungskompetenzen nicht durch die Abwägung materieller Verfassungswerte und auch nicht durch eine politische oder einfachgesetzlich aufgeladene Bedeutung der Kompetenztitel ermittelt werden darf, ist kein Beurteilungsspielraum erforderlich. Im Falle ineinander greifender Prüfungsprogramme stellt sich das Problem ähnlich dar. Die Regelung einer formellen Konzentration, die ein bundes- und ein landesrechtliches Prüfungsprogramm einschließt, läßt sich auf eine Gesetzgebungskompetenz zurückführen, die durch einen überwiegenden Sachzusammenhang zu dem Verfahrensrecht des umfangreicheren Prüfungsprogramms getragen wird. Das Überwiegen des Sachzusammenhangs wird trotz des suggestiven Wortlauts (zu Recht) nicht durch eine Abwägung ermittelt. Die Metaphorik vom „Überwiegen“ ist irreführend. Ermittelt wird durch den Sachzusammenhang, ob überhaupt eine kompetenzrelevante „Regelung“ der Sachmaterie vorliegt. Diese Regelung überwiegt gleichsam die kompetenzirrelevanten faktischen Auswirkungen des kompetentiell zu qualifizierenden Gesetzes. Mangels Abwägung gibt es auch keinen Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers, der die Grenzfrage seiner Kompetenz injustitiabel machen könnte. Auf die 1 Die Vorschrift des § 35 StVO darf allerdings nicht dahin ausgelegt werden. Es geht hier um die Reichweite der Gesetzgebungskompetenz.

I. Prärogativen bei der Kompetenzermittlung

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beispielhaft genannte Konzentrationsregelung kann der Gesetzgeber verzichten, doch bedeutet das nicht, daß die zugrunde liegende Kompetenz konkurrierend ist. Nur bei konkurrierenden Kompetenzen erscheint ein Beurteilungsspielraum eines der beiden konkurrierenden Gesetzgeber überhaupt angebracht.2 Denn dann muß eine Kollisionsnorm anhand „materieller Kriterien“ den Zuständigkeitsprimat regeln. Das gilt erst recht, wenn es keine materiellen Voraussetzungen wie diejenigen des Art. 72 Abs. 2 GG zur Abschichtung der Konkurrenz gibt. Die „Konkurrenz“, sofern man sie im Bereich des Sachzusammenhangs überhaupt so bezeichnen möchte, besteht darin, daß der Landesgesetzgeber grundsätzlich das Verfahren für sein eigenes materielles Recht bei der Planung von Vorhaben selbst regelt, während bei einer formellen Konzentrationsregelung des Bundes dieses Landesverfahrensrecht „ersetzt“ wird. Insofern „konkurrieren“ Bundes- und Landesgesetzgeber um die Kompetenz für das Verfahrensrecht, das zur Ausführung des Landes- bzw. Bundesrechts zur Anwendung kommt. Es gibt Unterschiede zur konkurrierenden Gesetzgebung in bezug auf Art. 72 Abs. 2 GG: Die materiellen Voraussetzungen für die Bundeskompetenz liegen in der Spezialität seiner Gesetzgebungskompetenz, während der Tatbestand des Art. 72 Abs. 2 GG zusätzliche materielle Voraussetzungen aufstellt. Die Konkurrenz läßt sich als kompetentielle Spezialität beschreiben. Dann aber sollte kein Beurteilungsspielraum eines Gesetzgebers zum Zuge kommen können. Die Bewertungsfragen und die Prognoseannahmen, die gemäß Art. 72 Abs. 2 GG erforderlich sind, konnten nach früherer Ansicht nur deswegen unter einer gerichtsfesten Einschätzungsprärogative des Bundesgesetzgebers stehen, weil die Verfassung expressis verbis die Vorentscheidung getroffen hatte, daß der Bundesgesetzgeber die konkurrierenden Kompetenzen – wenn auch unter bestimmten Voraussetzungen – grundsätzlich in Anspruch nehmen darf. Eine solche verfassungskräftig eindeutige Zuordnung der kraft Sachzusammenhangs speziellen Kompetenzen zu Bund oder Land fehlt. Die Ermittlung der Kompetenz duldet keinen gerichtsfesten Beurteilungsspielraum des einen Gesetzgebers, der sich gegen den anderen auswirkt. Dies hätte zur Folge, daß der schnellere Gesetzgeber den Beurteilungsspielraum auf seiner Seite hätte. Eine solche Annahme ist im Bundesstaat unhaltbar. Wenn die Kompetenz auch eine materielle Konzentrationsregelung einschließt, die das materielle Recht des anderen Gesetzgebers betrifft, kann nichts anderes gelten. Die das Verfahrensrecht anwendende Behörde kann zwar durch Bewertung der Belange dazu gelangen, daß sich das Recht „einer“3 Materie durchsetzt. Bei der Ermittlung der Kompetenz, die gerade auch eine solche Norm(anwendung) ermöglichen sollte, darf indes die Bewertung der einfachgesetzlich geschützten oder auch der in die Gesetzgebungskompetenz fallenden Belange nicht in eine Ab2 Dies ist eine theoretische Erwägung; vgl. dagegen zur vollen bundesverfassungsgerichtlichen Überprüfbarkeit des Vorliegens der Voraussetzungen von Art. 72 Abs. 2 GG n. F. BVerfG, NJW 2003, S. 41 ff. 3 Auch hier ist die Formulierung notgedrungen ungenau: Der Sachzusammenhang bzw. Annex begründet gerade eine einheitliche Materie.

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F. Rechtsfolgen der Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

wägung eingestellt werden, an deren Ende sich die gewichtigeren Belange durchsetzen.4 Das liegt schon daran, daß sich schlecht sagen läßt, ein Schutzgut liege nur in dem Bereich einer Kompetenzmaterie. Wenn der Kompetenztitel dies selbst formuliert (zum Beispiel der Tierschutz5), mag man zwar das Schutzgut diesem Kompetenztitel zuordnen. Dennoch können Vorschriften dem Schutzgut dienen und zugleich – wegen ihrer kompetentiellen Qualifikation nach dem Eingriffsmittel – einem anderen Titel zuzuordnen sein.

2. Die Formel des Baurechtsgutachtens Die für den kompetenzergänzenden Sachzusammenhang6 verwandte Formel des Bundesverfassungsgerichts kann nach der hier vertretenen Ansicht niemals einschlägig sein. Die von ihr bezweckte Kompetenzausdehnung ist verfassungswidrig. Läßt man die Formel jedoch gelten, scheint sie einen Ansatzpunkt für einen Beurteilungsspielraum zu liefern: Der Bund (aber auch gegebenenfalls das Land) soll demnach zuständig sein, „wenn eine dem Bund ausdrücklich zugewiesene Materie verständigerweise nicht geregelt werden kann, ohne daß zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene andere Materie mitgeregelt wird, wenn also ein Übergreifen in nicht ausdrücklich zugewiesene Materien unerläßliche Voraussetzung ist für die Regelung einer der Bundesgesetzgebung zugewiesenen Materie.“7 Der Begriff „verständigerweise“ scheint einem gesetzgeberischen Beurteilungsspielraum Tür und Tor zu öffnen. Im Baurechtsgutachten, in dem das Bundesverfassungsgericht erstmals die Formel benutzte, grenzt es sie davon ab, daß die bloße Erwägung, es sei zweckmäßig, auch eine andere Materie mitzuregeln, nicht ausreiche.8 In der Auseinandersetzung mit dieser Passage wird für gewöhnlich der semantische Gegensatz von „unerläßlicher Voraussetzung“ und „zweckmäßig“ herausgearbeitet. Zu fragen ist aber auch, ob das Gericht nicht zudem die „Erwägung“ und die „verständigerweise“ erfolgende Regelung gegenübergestellt wissen wollte. Während die Erwägung der Zweckmäßigkeit als Grundlage für eine Gesetzgebungskompetenz einen Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers zumindest andeutet, kann die Bezugnahme auf die verständigerweise notwendig9 übergreifende Regelung eine Verobjektivierung beinhalten, die einen Beurteilungsspielraum gerade ausschließt. In seiner Entscheidung zum Altenpflegegesetz bezeichnet das Bundesverfassungsgericht den formelhaften Sachzusammenhang als „zwingenden Konnex“.10 Wann Anders als dies § 78 Abs. 2 S. 1 VwVfG des Bundes vorsieht. Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG. 6 Begriff bei Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 109 f. 7 BVerfGE 3, 407 (421); 15, 1 (20); 26, 246 (256); 26, 281 (300). 8 BVerfGE 3, 407 (421). 9 Der angebliche Unterschied zwischen „unerläßlich“ und „notwendig“ soll an dieser Stelle unberücksichtigt bleiben. 10 BVerfG, NJW 2003, S. 41 (44). 4 5

I. Prärogativen bei der Kompetenzermittlung

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dieser gegeben sei, lasse sich nicht generell und abstrakt bestimmen, sondern könne nur im Blick auf die Besonderheiten des jeweiligen Regelungsgegenstands ermittelt werden.11 Als Besonderheit dieser Entscheidung muß das Verständnis des kompetentiellen Begriffs „Heilberuf“12 in Rechnung gestellt werden. Das Gericht erkennt ihn als vom Lebensbereich geprägt an, so daß Erfordernisse der Krankenpflege das Berufsbild profilieren können. Der Hinweis, der Gesetzgeber sei daher gehalten, der Wirklichkeit nicht willkürlich eine Regelung aufzuzwingen,13 wird unausgesprochen dahin umgekehrt, daß das von der Lebenswirklichkeit geforderte Berufsbild insgesamt dem Begriff „Heilberuf“ unterfällt, auch soweit es nicht heilende Tätigkeiten betrifft. Das Bemühen, den Schwerpunkt der gesetzlichen Vorschriften im medizinisch-heilenden Bereich zu finden, spiegelt den Versuch, den verfassungsrechtlichen Begriff des Heilberufs so zu definieren, daß er eine nur im Schwerpunkt medizinisch-heilende Tätigkeit umfassen muß. Diese Auslegungsfrage läßt sich ohne die Formel des Baurechtsgutachtens bewältigen. Die Kompetenz für die Regelung der Zulassung zu den anderen als ärztlichen Heilberufen ist auf das Heilberufliche beschränkt. Der Bedeutungswandel im Medizinisch-Pflegerischen wird daher stets von der Kompetenz abgeschöpft, nicht aber der Wandel des Berufsbilds, der dazu führt, daß eine ausschließlich heilberufliche Ausbildung nicht mehr genügt, weil die Anforderungen im pflegerischen Alltag breiter und vielfältiger sind. Bei der Unterscheidung von Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit ist darauf zu verweisen, daß ihr Unterschied nur in bestimmter Hinsicht ein qualitativer, aber daneben auch ein lediglich gradueller ist. Die Notwendigkeit orientiert sich genauso an einem Zweck wie die Zweckmäßigkeit. Sie scheint alternativlos zu sein – ist es indessen aber nur im Blick auf den jeweiligen Zweck; etwas anderes bedeutet der Begriff der „unerläßlichen Voraussetzung“ auch nicht. Die Notwendigkeit als einen Unterfall der Zweckmäßigkeit zu betrachten, erhellt die Paradoxie der im Baurechtsgutachten verfolgten Argumentation eines kompetenzergänzenden Sachzusammenhangs. Die Frage des gesetzgeberischen Beurteilungsspielraums bei der Wahrnehmung der Kompetenz beurteilt sich im Falle der „Notwendigkeit“ nicht anders als bei der auch vom Bundesverfassungsgericht abgelehnten „Zweckmäßigkeit“. Auch für die Annahme einer Notwendigkeit kann es einen gerichtsfesten „Beurteilungsspielraum“ geben – das zeigt im Verwaltungsrecht die Figur des „auf Null“ reduzierten Entschließungsermessens:14 Die Verwaltung hält ihr Einschreiten für notwendig; ob aber das Ermessen tatsächlich reduziert war, kann von Annahmen abhängen, die ihrerseits einem nur beschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum unterliegen.15 BVerfG, NJW 2003, S. 41 (44). Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG. 13 BVerfG, NJW 2003, S. 41 (45). 14 Hiermit ist keine Stellungnahme zum Verhältnis von Ermessen und Beurteilungsspielraum verbunden. Da beide injustititable Entscheidungen aufgrund normativer Ermächtigung betreffen, sollen sie an dieser Stelle nicht differenziert werden. 11 12

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F. Rechtsfolgen der Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Das einschränkende Kriterium, der Übergriff müsse „verständigerweise“ notwendig sein, eröffnet weder einen Beurteilungsspielraum, noch verschließt es einen solchen. Es kann als ein Hinweis auf die objektive bzw. objektiv-teleologische Auslegung der Kompetenzmaterien interpretiert werden. Dann kann es so viel bedeuten wie: Die Motive des Gesetzgebers, warum er eine Mitregelung einer ihm nicht ausdrücklich zugewiesenen Materie für unerläßlich erachtet, müssen nachvollziehbar sein. Schon bei Grau findet sich der Hinweis auf die „Freiheit eines vernünftigen Gesetzgebers“.16 Als deren Gegenteil betrachtet er eine Gesetzgebung, die unzweckmäßig und fragmentarisch bleibt, weil sie auf die Mitregelung fremder Kompetenzgebiete verzichtet.17 Auch „nicht unbedingt notwendige“ Regelungen schließt er ausdrücklich ein. Für die grundgesetzliche Kompetenzverteilung muß die „Vernunft“ eines Übergriffs als Maßstab ausscheiden, weil sie kein an den Sachmaterien orientiertes Kriterium darstellt.

3. Ergebnis Einen Beurteilungsspielraum des tätig gewordenen Gesetzgebers bei der Frage, ob eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs bzw. Annexes vorliegt und wie weit sie im Einzelfall reicht, darf es nicht geben. Der schon geläufig gewordene bundesverfassungsgerichtliche Hinweis auf die Besonderheiten des Regelungsgegenstands, die einer Verallgemeinerung der Maßstäbe entgegenstehen, ist nicht mit der Anerkennung eines Beurteilungsspielraums gleichzusetzen. Die Kriterien müssen verfeinert werden, um trotz unvorhergesehener Querschnittmaterien eine eindeutige kompetentielle Qualifikation eines Gesetzes zu ermöglichen. Die methodische Reaktion auf die Vielfalt der Wirkungen und Regelungsgegenstände von Gesetzen ist eben nicht der Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers, sondern die Arbeit an den Kriterien kompetentieller Qualifikation. Der Umstand, daß der Gesetzgeber Präzedenzfälle schafft, an die der Verfassungsinterpret oder der Verfassunggeber noch nicht dachte, kann nicht darauf hinauslaufen, daß dem Gesetzgeber gegenüber dem Bundesverfassungsgericht eine überprüfungsresistente Vorhand eingeräumt wird. Wenn eine Spezialität schwieriger zu ermitteln ist, weil mehrere Kriterien konfligieren, so daß die Kriterien gleichsam abzuwägen sind, fällt die Abwägungsentscheidung nicht in die Hand des Gesetzgebers. Wenn schon die Kriterien für eine Spezialität nicht vom Gesetzgeber injustitiabel festgestellt werden können, dann erst recht nicht „Meta-Kriterien“, die den Konflikt zwischen zwei nach je verschiedenen Kriterien zugeschnittenen Kompetenzen zu lösen helfen.

15 Sogenannte Koppelungsvorschrift, vgl. Ossenbühl, in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl. 2002, § 10 Rn. 47. 16 Grau, Festschrift Heinitz, S. 358 (363). 17 Grau, Festschrift Heinitz, S. 358 (363).

II. Maßgeblicher Zeitpunkt

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Die Annahme eines Beurteilungsspielraums käme einer unwiderleglichen Vermutungswirkung bei ambivalenten Gesetzen gleich. Unter Hinweis auf Art. 70 Abs. 1 GG wurde versucht, eine Präsumtion zugunsten der Länder abzuleiten.18 Zu Recht wird dem entgegengehalten, daß die Auslegung von Gesetzen nicht im Wege der Vermutungsregel abgeschnitten werden darf. Ungewißheiten sind durch Auslegung und Sachverhaltsaufklärung aufzuhellen. Zweifel an der richtigen Auslegung können nicht durch eine wiederum auslegungsbedürftige Regel umgangen werden.19 Ein Beurteilungsspielraum würde diese Vermutungswirkung lediglich ersetzen. Diejenigen Verfassungsnormen, die dem Bundes- und Landesgesetzgeber Grenzen ziehen sollen, können nicht mit Hilfe eines Beurteilungsspielraums zur Disposition des von ihnen einzugrenzenden Gesetzgebers gestellt werden.

II. Maßgeblicher Zeitpunkt Die Voraussetzung der Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung gemäß Art. 72 Abs. 2 GG für die Inanspruchnahme einer konkurrierenden Kompetenz des Bundes müssen lediglich bei Erlaß des Bundesgesetzes vorliegen. Ihr späteres Entfallen löst keine Pflicht des Bundesgesetzgebers zur Aufhebung seines Gesetzes aus.20 Bei einer Regelung, die sich auf eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs bzw. Annexes stützt, könnte eine ähnliche Überlegung angebracht sein. Jedoch sind Kompetenzen kraft Sachzusammenhangs oder kraft Annexes „normale“ Gesetzgebungskompetenzen. Sie lösen keine von den Stammkompetenzen abweichenden Rechtsfolgen aus. Daher gilt für sie wie für diese, daß ein Gesetz nur dann kompetenzgemäß ist, wenn es zu jeder Zeit von der Gesetzgebungskompetenz gedeckt wird. Die Prüfung zum Erlaßzeitpunkt reicht nicht aus. Ein Gesetz kann daher kompetenzwidrig werden. Dies wird selten vorkommen. Ein Beispiel könnte die Modellgesetzgebung sein, die es auf einen Versuch ihrer Kompetenzgemäßheit angelegt hat. Komplizierter sind die Fälle, in denen das Gebot der Bundestreue oder die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs eine gesetzgeberische Regelung nur für eine Übergangsphase deckt.21 Insofern sind die von einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs erfaßten Regelungen für ein Kompetenzwidrig-Werden besonders anfällig, weil gerade der Sachzusammenhang einen zeitlichen Übergang zu überbrücken hilft. Ähnliches kommt für Kompetenzen kraft Annexes in Frage, wenn sich die Auffassung über den dienenden Charakter der Regelungen aus der Annexmaterie wandelt. Beispiele dafür gibt es, soweit ersichtlich, nicht. 18 Vgl. BVerfGE 26, 281 (297); 42, 20 (28); Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S. 21 f. 19 Vgl. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 77 f. 20 Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 72 Rn. 10. 21 Letzteres bei der Einführung einer privaten Pflegeversicherung mit aus der sozialen Pflegeversicherung übernommenen Elementen, vgl. BVerfGE 104, 197 (217).

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F. Rechtsfolgen der Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Wenn Gesetze nach ihren faktischen Wirkungen kompetentiell qualifiziert werden, besteht erst recht die Möglichkeit, daß sie kompetenzwidrig werden. Ein Steuergesetz, das nach einer Ansicht bei überwiegender Lenkungswirkung auch der Sachkompetenz bedürfen soll, würde eine permanente Wirkungsanalyse erforderlich machen. Die gesetzesbetroffenen Bürger würden über die kompetentielle Zuordnung eines Gesetzes entscheiden. Deswegen sind faktische Folgen, Effekte, Wirkungen eines Gesetzes bei der Frage der kompetentiellen Qualifikation auch dann auszublenden, wenn sie eine gegenüber dem normativen Regelungsgegenstand übermächtige Bedeutung haben. Der für die Kompetenz den Ausschlag gebende Schwerpunkt der Regelung ist der Schwerpunkt einer Regelung gegenüber deren faktischer Wirkung.

III. Symmetrie von Bundes- und Landesgesetzgebungskompetenz Sowohl Bundes- als auch Landesgesetzgeber können sich grundsätzlich auf Kompetenzen kraft Sachzusammenhangs und kraft Annexes stützen.22 Die Ungeschriebenheit der Landeskompetenzen steht nicht der Möglichkeit entgegen, daß sie aufgrund ihrer Spezialität im Sachzusammenhang auf Bundesmaterien übergreifen. So kann der Landesgesetzgeber in Materien ausschließlicher Bundeskompetenz übergreifen.23 Möglich ist aber auch der Übergriff in konkurrierende Materien. Wenn der Landesgesetzgeber vom Boden einer eigenen ausschließlichen Kompetenz tätig wird, kann der Bund die Regelung nicht verhindern. Diese theoretische Gleichberechtigung von Bund und Ländern stößt an ihre praktischen Grenzen dadurch, daß dem Bund mehr Kompetenzen zu Gebote stehen. Da der Bundesgesetzgeber zudem noch aktiver ist als die Landesgesetzgeber, wird es von seiner Seite häufiger zur Inanspruchnahme der Argumentationsfiguren von Sachzusammenhang und Annex kommen. Das ist aber lediglich ein faktisches und kein methodisch begründetes Übergewicht des Bundesgesetzgebers.

IV. Analogie kraft Sachzusammenhangs Darf der Rechtsanwender eine Analogie zu einem Gesetz bilden, die kraft Sachzusammenhangs im Sinne der Spezialität die Materie des anderen Gesetzgebers berührt? Das wäre etwa der Fall, wenn der Strafrichter das Zeugnisverweigerungsrecht einer in § 53 Abs. 1 StPO nicht genannten und auch von § 53 a Abs. 1 StPO nicht erfaßten Berufsgruppe in analoger Anwendung dieser Vorschriften zugeste22 Zum Landesgesetzgeber ausdrücklich Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 130, der aber an dieser Stelle nur den kompetenzergänzenden Sachzusammenhang im Auge hat; Bettermann / Goessl, Schulgliederung, Lehrerbildung und Lehrerbesoldung in der bundesstaatlichen Ordnung, S. 172 f. 23 Vgl. BVerfGE 12, 205 (238).

V. „Konkurrierende“ Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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hen wollte und das Recht dieser Berufsangehörigen unter die Landesgesetzgebungskompetenz fiele. Das Zeugnisverweigerungsrecht für Presseangehörige fällt unter die Kompetenz für das Strafprozeßrecht und wird nicht zum Presserecht gerechnet.24 Die Kompetenz für das Strafprozeßrecht legt sich insofern kraft Spezialität über die Kompetenz für das Presserecht. Da es sich also sowohl bei dem gesetzlich geregelten Tatbestand als auch bei dem analog zu erfassenden Tatbestand jeweils in Zusammenschau mit der strafprozessual wirkenden Rechtsfolge um Vorschriften des Strafprozeßrechts handelt, steht die Landesgesetzgebungskompetenz für das lediglich überlagerte Berufsrecht nicht entgegen. Zu prüfen ist allerdings, ob nicht Art. 72 Abs. 1 GG verlangt, daß der Bundesgesetzgeber selbst von der konkurrierenden Materie des Strafprozeßrechts Gebrauch macht und nicht nur der eine Analogie bildende Rechtsanwender bzw. Richter. Untergesetzliche Rechtsnormen verdrängen die Landesgesetzgebungskompetenz noch nicht. Die richterrechtliche Analogiebildung könnte daher kompetenzwidrig sein. Es stellt sich die Frage, ob die Analogie zu einem Gesetz am Gesetzescharakter selbst teilhat. Bejaht man sie, müßte man die Analogie als Bundesgesetz behandeln, die Analogie mithin als ein Gebrauchmachen im Sinne von Art. 72 Abs. 1 GG ansehen. Dagegen spricht, daß die von einer Analogie zu schließenden Lücken im gesetzlichen Regelungsplan derjenige Raum sind, der dem konkurrierenden Landesgesetzgeber noch bleibt. Allerdings sind auch analogiefähige Vorschriften oft in ein anscheinend abschließendes Regelungswerk eingebettet. Der Landesgesetzgeber kann sich nicht sicher sein, eine wirkliche Lücke im bundesgesetzgeberischen Gesetzeswerk erkannt und „im Sinne“ des Bundesgesetzgebers gefüllt zu haben. Die analoge Anwendung erscheint vor diesem Hintergrund sachgerechter. Außerdem ist sie unter Umständen durch Art. 3 Abs. 1 GG geboten. Der Landesgesetzgeber ist hingegen nicht auf eine Gleichbehandlung mit bundesgesetzlichen Regelungen verpflichtet. Auch die Herstellung und nicht nur die Erfüllung eines Anspruchs auf Gleichbehandlung durch eine Analogiebildung ist vorzugswürdig. Zudem ist die Analogie wohl eher als Ausschöpfung des gesetzten Rechts denn als eine freie Rechtsschöpfung des Rechtsanwenders zu begreifen.

V. „Konkurrierende“ Kompetenz kraft Sachzusammenhangs Wenn etwa der Bundesgesetzgeber mit einem speziellen Gesetz eine Regelung trifft, für die bisher nur ein „allgemeines“ Landesgesetz Rechtsfolgen anordnete, so liegt ein Gesetz aufgrund einer Kompetenz zur Spezialregelung vor, die als eine Erscheinungsform des Sachzusammenhangs beschrieben werden kann.25 In dieser Konstellation gilt das spezielle Bundesgesetz (oder das spezielle Landesgesetz) je24 25

BVerfGE 36, 193 (203 f.); 36, 314 (319 f.). Vgl. Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (264 – 266). Oben D. II. 2.

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F. Rechtsfolgen der Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

denfalls. Doch wird das allgemeine Landesgesetz verdrängt, oder müssen beide Gesetze, sofern ihre Tatbestände jeweils vorliegen, nebeneinander angewandt werden? Wenn das allgemeine Gesetz eine Erlaubnis enthält, während das spezielle ein Verbot statuiert, geht das spezialgesetzliche Verbot aufgrund der Spezialität der zugrundeliegenden Kompetenz vor.26 Nicht etwa sind Verbote generell spezieller als Erlaubnisse. Wenn der Landesgesetzgeber Werbung für das Medium Rundfunk zeitlich begrenzt,27 wird insoweit die unter Umständen aus Bundesgesetzen wie der Gewerbeordnung abzuleitende Freiheit wirtschaftlicher und werbender Betätigung eingeschränkt. Da die Spezialität der Landeskompetenz auf der Anknüpfung an das Medium beruht, geht sie insoweit vor und verdrängt die bundesgesetzliche „Werbefreiheit“. Gäbe es kein rundfunkgesetzliches Verbot, müßten „geringere“ Einschränkungen der auf die Kompetenz für das Recht der Wirtschaft gestützten Gesetzgebung entnommen werden. Wenn umgekehrt der Bundesgesetzgeber aufgrund dieser Kompetenz ein allgemeines Verbot für Zigarettenwerbung erläßt,28 geht dieses absolute Verbot der rundfunkgesetzlichen Einschränkung vor; das erklärt sich nicht daraus, daß das striktere Verbot anzuwenden ist, sondern ist anzunehmen, weil die Anknüpfung an die Werbung gerade für Zigaretten die Spezialität der Kompetenz für das Recht der Wirtschaft gegenüber der Rundfunkkompetenz ausmacht.29 Solange der Wirtschaftsgesetzgeber kein Verbot erläßt, bleibt es bei der geringeren Einschränkung für Zigarettenwerbung durch das zeitlich beschränkte Werbeverbot des Rundfunkrechts. Insofern könnte man von einer „konkurrierenden“ Kompetenz für die Beschränkung von Zigarettenwerbung sprechen. Allerdings besteht eine Konkurrenz nur in bezug auf die Rechtsfolge des Maßes der Begrenzung von Zigarettenwerbung. Die Gesetzgebungskompetenzen für das Wirtschaftsrecht und für das Rundfunkrecht gestatten aber nicht den Erlaß desselben Gesetzes. Sie knüpfen an verschiedene Besonderheiten – das Medium der Werbung, die Werbung als solche oder das beworbene Produkt – an. Von konkurrierender Gesetzgebungskompetenz sollte nur die Rede sein, wenn Landes- und Bundesgesetzgeber grundsätzlich der Erlaß desselben Gesetzes gestattet ist. Deswegen richtet sich die Auflösung einer Kollision im Verhältnis von Gesetzen einer allgemeinen Kompetenz zu Gesetzen aufgrund einer speziellen Kompetenz auch nicht nach Art. 72 Abs. 1 GG. Da dem Bundesgesetzgeber für eine Regelung der Werbung im Rundfunk die Kompetenz fehlt, geht das spezielle Rundfunkwerberecht vor. Die „Verdrängungswirkung“ erklärt sich aus der Spezialität der Kompetenznorm. Sie wird allerdings erst durch die gesetzgeberische Wahrnehmung der spezielleren Kompetenz ausgelöst. Diese Aktualisierung der kompetentiellen Speziali26 Die Kompetenz und nicht das auf sie gestützte einfache Gesetz setzt sich dann im Wege des Satzes lex specialis derogat legi generali gegenüber der allgemeineren Kompetenz durch. 27 Zur Landeskompetzenz und gegen Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG siehe Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 595 mit Fn. 1123. 28 Zur Bundeskompetenz siehe Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 595 mit Fn. 1122. 29 Siehe oben D. III. 3. c).

V. „Konkurrierende“ Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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tät durch die Gesetzgebung erinnert wiederum an die Sperrwirkung eines aufgrund konkurrierender Kompetenz ergehenden Bundesgesetzes. Besonders anschaulich ist die bundesgesetzliche Befreiung von landesgesetzlichen Erfordernissen.30 Hier sei das Beispiel einer landesgesetzlichen Gebühr und einer darauf bezogenen bundesgesetzlichen Exemtion für Bundesbehörden genannt.31 Zunächst ist eine solche bundesgesetzliche Regelung zum Zwecke einer Exemtion nur erforderlich, wenn man der Kompetenzausübungsschranke der Bundestreue nicht die Wirkung konzediert, das entsprechende Landesgesetz im Wege verfassungskonformer Auslegung einzuschränken. Denn dann bedürfte es keiner (landes- oder bundes-)gesetzlichen Befreiungsregelung mehr. Beide Instrumente – Kompetenz des Bundes zur Exemtionsgesetzgebung oder bundestreuekonform reduzierende Auslegung der Landesgesetze – stehen im Verhältnis der Ausschließlichkeit zueinander. Entweder hält man die Kompetenz für zulässig oder aber die Bundestreue als funktionelles Äquivalent für ausreichend. Im ersteren Fall bleibt die landesgesetzliche Regelung so lange auf die Bundesbehörden oder den im übrigen bundesgesetzlich geregelten Sachverhalt anwendbar, wie es an der bundesgesetzlichen Exemtion fehlt. Man könnte von einer konkurrierenden Kompetenz sprechen, insofern Gebührenpflicht und Befreiung von der Gebührenpflicht dieselbe Rechtsfolge betreffen. Doch wenn auch der Landesgesetzgeber die Kompetenz für eine Befreiungsregelung zugunsten des Bundes hätte, bestünde insofern eine „Doppelkompetenz“. Solche darf es richtigerweise nicht geben.32 Zugunsten der Landeskompetenz könnte sprechen, daß diese sich ja bundestreuekonform auslegen läßt, so daß aus ihr eine Befreiung der Bundesbehörde resultiert. Jedoch ist meines Erachtens eine bundestreuekonforme Auslegung überall da abzulehnen, wo nicht bereits die Grenze der Gewährleistung des (Grundsatzes des) Bundesstaatsprinzips durch Art. 79 Abs. 3 GG erreicht ist33 oder eine Lösung aufgrund der Gesetzgebungskompetenzen möglich ist. Die Anwendung der Kompetenzausübungsschranke Bundestreue ist subsidiär gegenüber der Abgrenzung der Kompetenzen gegeneinander. Auch die rechtsstaatlich gebotene Transparenz gebietet eine einfachgesetzliche Ausformung der Befreiungsregelung. Ob hingegen ein „bundesstaatlich-organisationsrechtlicher“ Gesetzesvorbehalt die Gesetzesförmigkeit verlangt, erscheint zweifelhaft.34 30 Der umkehrte Fall – landesgesetzliche Exemtion von bundesrechtlichen Erfordernissen – müßte ebenso behandelt werden. 31 BVerfGE 26, 281 (297 – 301) lehnt die Bundesgesetzgebungskompetenz für eine Befreiung von landesrechtlichen Gebühren, auch angesichts eines Sachzusammenhangs, ab; dagegen OVG Berlin, NJW 1981, S. 776 (778): Unmittelbar aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG, ohne Annex und Sachzusammenhang; vgl. Selmer, JuS 1981, S. 684 f. 32 BVerfGE 36, 193 (202 f.); 61, 149 (204); 67, 299 (321); a. A. Pestalozza, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 75; ders., DÖV 1972, S. 181 (188 ff.). 33 Selbst in diesem Fall ist es unnötig, die Bundestreue als Korrektiv einer Gesetzgebungskompetenz zu instrumentalisieren. Art. 79 Abs. 3 GG schränkt die Kompetenz selbst unmittelbar ein, oder der Normkonflikt ist im Wege praktischer Konkordanz zu schlichten.

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F. Rechtsfolgen der Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Ist also der Bundes- oder der Landesgesetzgeber für die Befreiungsregelung zugunsten des Bundes zuständig? Im Steuerrecht ist nahezu unbestritten, daß die Steuergesetzgebungskompetenz die Regelung einer Steuerbefreiung beinhaltet, 35 gleich aus welchen sachpolitischen Motiven sie gerechtfertigt erscheint. Auch der Titel für das Strafrecht umfaßt die Regelung des Gegenteils von Strafvorschriften, nämlich die Voraussetzungen einer Straffreiheit.36 Diese Überlegungen betreffen allerdings das Staat-Bürger-Verhältnis. Wenn es um die Exemtion staatlicher Einrichtungen geht, dient diese der hoheitlichen Aufgabenerfüllung des zu eximierenden Hoheitsträgers. Wie weit diese Aufgaben reichen, muß dieser Hoheitsträger selbst bestimmen. Doch kann er nicht bestimmen, welche in fremder Kompetenz liegenden Vorschriften ihn binden. Da steht Art. 20 Abs. 3 GG vor. Die Kompetenz für das Gegenteil der Bindung – die Exemtion – ist entsprechend der Regel demselben Gesetzgeber zuzuweisen, der auch die Bindung normieren könnte. Eine Konkurrenz um dieselbe Norm besteht nicht. Fehlt es an einer Exemtion, ist das Landesgesetz auf die Bundesbehörden anzuwenden. Pestalozza hat für die von ihm für zulässig erachteten Doppelkompetenzen von einer im eigentlichen Sinn des Wortes konkurrierenden Zuständigkeit gesprochen.37 Wenn es sich um „idealkonkurrierendes Sonderrecht“38 handele, also Vorschriften, die ambivalent seien und nicht eindeutig einer Kompetenz zugeordnet werden könnten, seien sowohl das Landes- als auch das Bundesgesetz kompetenzgemäß. Dies sieht Pestalozza vor allem bei Kollisionen zwischen modalen und objektbezogenen Kompetenzen als möglich an, aber auch etwa zwischen Polizei- und Gewerberecht im Waffenrecht39 oder zwischen Presse- und Wirtschaftsrecht bei einem Gesetz über Parteianzeigen in Zeitungen.40 Da die Kompetenzen konkurrierten, ohne daß es eine kompetentielle Kollisionsregel gäbe, müsse die entstehende Normkonkurrenz durch Art. 31 GG gelöst werden.41 Demnach gelten so lange beide Normen nebeneinander, wie es nicht unmöglich ist, beide Normbefehle gleichzeitig zu erfüllen oder zu befolgen.42 Wenn es sich um Beschränkungen in 34 Vgl. Huber, JZ 2003, S. 290 (296) zu BVerfG, JZ 2003, S. 307 u. 310, der für das Informationshandeln der Bundesregierung eine bundesgesetzliche Ermächtigungsgrundlage fordert, weil dem Gesetz eine „bundesstaatliche Garantiefunktion“ zugunsten der Länder und ihrer Verwaltungszuständigkeiten zukomme. 35 A. A. nur Bayer, StuW 1972, S. 149 (152). 36 Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 72. 37 Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (189). 38 Im Gegensatz zu „realkonkurrierendem Sonderrecht“, vgl. Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (187 f.). 39 Gegen BVerfGE 8, 143 (147 ff.), das dem Wirtschaftsrecht einen polizeirechtlichen Annex zuschlägt. 40 Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (189). 41 Pestalozza, DÖV 1972, S. 181 (189 f.). 42 Zu dieser Definition des tatbestandlich in Art. 31 GG vorausgesetzten Normenkonflikts vgl. z. B. März, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 31 Rn. 41.

V. „Konkurrierende“ Kompetenz kraft Sachzusammenhangs

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jeder Norm handelt, müßten die Anforderungen kumulativ erfüllt werden. Wenn eine Norm ein absolutes Verbot aufstellt, während die andere lediglich eine Einschränkung vorsieht, geht jene vor. Fraglich ist, ob dies auch gelten müßte, wenn das absolute gesetzliche Verbot ein Landesgesetz ist. Schließlich gilt nach Pestalozza Art. 31 GG. Der nur limitierten Beschränkung des Bundesgesetzes ist kehrseitig eine begrenzte Freiheit zu entnehmen. Daher widersprechen sich beide Normen in der von Art. 31 GG vorausgesetzten Weise, so daß das Bundesgesetz das Landesgesetz „bricht“. Die nicht eindeutige Zuordnung von ambivalenten Regelungen ist jedoch abzulehnen. Ein Konkurrieren von Normen in dem dargestellten Sinn ist so ausgeschlossen. Eine andere „Konkurrenz“ bei gesetzgeberischen Übergriffen kraft Sachzusammenhangs kann bei (faktischen) Auswirkungen auf eine dem Gesetzgeber fremde Kompetenzmaterie verzeichnet werden. Wenn eine Sachregelung kompetenzirrelevante „Lenkungswirkungen“ bzw. „Nebenwirkungen“ oder „Randerscheinungen“43 in einem anderen Sachgebiet entfaltet, sperren diese Wirkungen nicht eine sie konterkarierende Gesetzgebung des auf dem betroffenen Sachgebiet kompetenten Gesetzgebers. So darf der Bund zwar die Schiffahrt auch dann regeln, wenn die Regelung zwangsläufige Nebenwirkungen für den Wasserhaushalt hat,44 aber der Landesgesetzgeber dürfte – innerhalb der rahmenrechtlichen Vorgaben – die Auswirkungen eindämmen. Die Regelung der Zulassung von Spielbanken, die der ausschließlichen Landeskompetenz unterfällt, hat Auswirkungen auf die Wirtschaft, wenn eine Spielbank als Publikumsmagnet zum Florieren von Hotellerie, Gastronomie, Einzelhandel und kommunaler Einnahmen beiträgt.45 Selbstverständlich kann der Bundesgesetzgeber aufgrund der Kompetenz für das Recht der Wirtschaft diese Auswirkungen durch eigene Regelungen hervorrufen oder einschränken, ohne durch das Spielbankengesetz oder die konkrete Zulassung einer Spielbank in einem Ort gehindert zu sein. Dabei kann er auch tatbestandlich an eine gegebenenfalls zugelassene Spielbank anknüpfen, etwa um die Erforderlichkeit von Fördermaßnahmen davon abhängig zu machen. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts dürfen Gebühren für Amtshandlungen nach Landesrecht auch erhoben werden, wenn die Amtshandlung an die Ausübung einer Kompetenz der bundeseigenen Verwaltung anknüpft und insofern „Nebenwirkungen“ auf diese bundesgesetzlich geregelte Materie hat .46 Umstrittener ist das Verhältnis von Sach- und Steuerkompetenz. Nach der hier vertretenen Ansicht bedarf der Steuergesetzgeber für Lenkungssteuern in keinem Fall der Gesetzgebungskompetenz für das betroffene Sachgebiet. Die Lenkungswirkungen mögen zwar grundrechtlich dem Steuergesetz als Eingriff zugerechnet Vgl. Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (264). So BVerfGE 15, 1 (22). 45 Vgl. zur Kompetenzirrelevanz dieser wirtschaftlichen Rand- und Folgeerscheinungen des Spielbankenbetriebs BVerfGE 28, 119 (145 f.). 46 So BVerfGE 26, 281 (298 f.). 43 44

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F. Rechtsfolgen der Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

werden können, kompetentiell stellen sie sich jedoch als irrelevant dar. Das bedeutet auch, daß sie nicht den „Schutz“ der Steuerkompetenz genießen, sondern zur Disposition des Sachgesetzgebers stehen. Dieser ist kompetentiell nicht gehindert, die Lenkungswirkungen zu verstärken, zu belassen, zu neutralisieren oder zu konterkarieren. Umgekehrt schränkt eine sachgesetzliche Regelung nicht die Kompetenz des Steuergesetzgebers ein. Eine Kompetenzausübungsschranke wie die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung sollte in diesen Fällen nicht anerkannt werden.47 Die kompetenzirrelevanten Nebenwirkungen haben auf die fremde Materie keinen regelnden Einfluß, sonst wären sie deren Kompetenz zuzuordnen. Sie beeinflussen sie bloß faktisch. Solange der Sachgesetzgeber auf diesem Gebiet nicht tätig wird, können diese gleichsam faktisch gelenkt werden. Eine „Konkurrenz“ um die Kompetenz zur Regelung liegt aber gerade nicht vor. Zudem schließt weder die faktische Auswirkung gegenläufige Regelungen aus, noch schließt andererseits eine Regelung die faktischen Auswirkungen aus. Die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs ist keine konkurrierende Kompetenz. Auch wenn sich Bundes- und Landesgesetz auf denselben Lebenssachverhalt beziehen, bleiben beide – die Kompetenzgemäßheit vorausgesetzt – wegen des von ihrer Kompetenz gedeckten je speziellen Zugriffs auf den Sachverhalt anwendbar. Die kraft Sachzusammenhangs übergreifende Regelung wird weder verdrängt, noch verdrängt sie die andere Regelung selbst. So schließt die Kompetenzmaterie für die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken48 bauaufsichtsrechtliche Regelungen aufgrund ausschließlicher Landesgesetzgebungskompetenz nicht aus. Denn das öffentliche Baurecht enthält Anforderungen, die unter keinem Gesichtspunkt als Atomrecht betrachtet werden können.49 Der Genehmigungsgegenstand von Bauordnungs- und Atomrecht ist nicht derselbe, auch wenn es sich um dieselbe Anlage, sogar denselben Teil einer Anlage handelt. Der Genehmigungsgegenstand ist die Anlage in ihrer jeweiligen Wirkung. Die von der Nutzung der Kernenergie ausgehenden besonderen Gefahren sind vom Atomrecht abzuwehren, die bauliche Sicherheit der Anlage ressortiert zum Bauordnungsrecht. Die vermeintliche Konkurrenz von Bundes- und Landesgesetz spitzt sich zu, wenn dieselbe staatliche Handlung durch das eine Gesetz verboten, durch das andere jedoch erlaubt wird. Dieselbe Handlung kann unter verschiedenen RechtsregiSiehe unten G. II. 5. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 a GG. 49 So BVerwG, NVwZ 1989, S. 1163 (1165), mit Verweis auf BVerwGE 72, 300 (323 ff.) – zum Erfordernis einer landesgesetzlichen Baugenehmigung für ein Brennelement-Zwischenlager. Hingegen umfaßt die atomrechtliche Genehmigung nach § 8 Abs. 2 S. 1 AtG die nach § 4 BImSchG erforderliche Genehmigung, welche ihrerseits die Baugenehmigung ersetzt. So soll für diejenige Teile eines Kernkraftwerks, die einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfen, eine Baugenehmigung entbehrlich sein, siehe Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 62. 47 48

VI. Bedürfnis einer Zustimmung des Bundesrats

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men stehen. Wenn sie unter dem Blickwinkel des einen unzulässig ist, zieht dies nicht die Unzulässigkeit angesichts des anderen Rechtsregimes nach sich. So wie derselbe Lebenssachverhalt verschiedenen Gesetzen aufgrund verschiedener Kompetenzen wegen des jeweils anderen Regelungsgegenstands bzw. -ziels unterfallen kann, kann unter Umständen auch dieselbe staatliche Handlung sowohl unter ein Bundes- als auch unter ein Landesgesetz subsumiert werden.50 Das setzt dieselbe zuständige Behörde für die Ausführung von Bundes- und Landesrecht voraus. Die Polizei ist auch Hilfsbehörde der Staatsanwaltschaft.51 Wenn sie einen Verdächtigen verhört, kann es sich um eine Vernehmung im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nach den §§ 133 ff. StPO handeln. Wenn die Polizei dabei zugleich Auskünfte zur Abwehr noch bestehender Gefahren von dem Verdächtigen erhalten will, kommt auch Polizei- und Ordnungsrecht in Betracht. Erhält die Polizei die zur Gefahrenabwehr erforderliche und angestrebte Auskunft etwa durch den Einsatz einer Täuschung, so bedient sie sich zwar einer verbotenen Vernehmungsmethode nach § 136 a Abs. 1 S. 1 StPO und die erhaltene Auskunft unterliegt einem Beweisverwertungsverbot nach § 136 a Abs. 3 S. 2 StPO. Dieses bezieht sich auf den Fortgang des Strafverfahrens. Die polizeirechtliche Zulässigkeit bleibt grundsätzlich unberührt. Doch unterliegt das Polizeirecht selbstverständlich einer etwa an Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG oder Art. 104 Abs. 1 S. 2 GG zu orientierenden verfassungskonformen Auslegung. Dies bedeutet aber nicht, daß ipso iure polizeirechtlich gesetzeswidrig ist, was gegen die Strafprozeßordnung verstößt. Insofern geht das Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) über das verfassungsrechtlich Notwendige hinaus, wenn es für die Erzwingung einer polizeirechtlichen Aussagepflicht in § 12 Abs. 4 HSOG die entsprechende Geltung des § 136 a StPO anordnet. Das Strafverfahrensrecht setzt sich nur dann kraft der ihm zugrunde liegenden Gesetzgebungskompetenz gegenüber dem Gefahrenabwehrrecht der Länder durch, wenn das Verbotsgesetz die Handlung der Polizei in einem Strafverfahren und nicht nur als strafverfahrensrechtliche Handlung verbietet.

VI. Bedürfnis einer Zustimmung des Bundesrats Fraglich ist, ob Bundesgesetze, die von einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs gedeckt werden, immer oder in bestimmten Fällen der Zustimmung des Bundesrats bedürfen. Die Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen steht unter dem Vorbehalt ausdrücklicher Anordnung der Verfassung. Der Schutz der Länderinteressen bildet nicht die Rechtsgrundlage, sondern lediglich das Motiv für die verfassungsrechtliche Normierung einer notwendigen Zustimmung des Bundesrats zur Bundesgesetzgebung.52 Eine Zustimmungsbedürftigkeit aus Analogie, 50 51 52

Vgl. die Möglichkeit der Umdeutung. § 152 GVG i. V. m. den Rechtsverordnungen der Länder. So deutlich Maurer, Staatsrecht, § 17 Rn. 70.

354

F. Rechtsfolgen der Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Natur der Sache oder Sachzusammenhang anzunehmen, ist daher unzutreffend. Eine Zustimmungsbedürftigkeit bei Gesetzen, die kraft Sachzusammenhangs in eine Ländermaterie übergreifen, folgt nicht aus der Natur der Sache. Nicht einmal bei Gesetzen, die der Bund aufgrund einer Kompetenz kraft Natur der Sache erläßt, wird eine Zustimmungsbedürftigkeit angenommen. Die Zustimmungsbedürftigkeit richtet sich nach der mit Hilfe von Sachzusammenhang und Annex ausgelegten Gesetzgebungskompetenz. So bleibt die Gesetzgebungshoheit für die Versteigerungsregelung der UMTS-Lizenzen auch insoweit aufgrund von Art. 73 Nr. 7 GG ohne Zustimmungsbedürftigkeit beim Bund, als die Gebühren wegen ihres immensen Ausmaßes und aufgrund ihrer endgültigen ungeteilten Vereinnahmung durch den Bund53 für die Länder umfangreiche Mindereinnahmen nach sich gezogen haben, da die Versteigerungsausgaben als Betriebskosten von den Ertragsteuern abgesetzt werden können.54 Dagegen müßte eine steuerrechtliche Regelung der Abschreibungsmöglichkeiten, die dieselben Wirkungen ohne Versteigerung haben soll, aufgrund von Art. 105 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 106 Abs. 3 S. 2 GG mit Zustimmung des Bundesrats ergehen. Umgekehrt bedarf eine steuerrechtliche Regelung auch dann der Zustimmung durch den Bundesrat gemäß Art. 105 Abs. 3 GG, wenn sie von vornherein einen überwiegenden Lenkungszweck auf einem Sachgebiet verfolgt, auf das der Bundesgesetzgeber ohne Zustimmung des Bundesrats zugreifen dürfte, und die Einnahmen im Verhältnis zu dem Lenkungszweck oder in absoluten Zahlen nur geringfügig sind. Wenn die Figuren von Annex und Sachzusammenhang lediglich bei der Auslegung eines Kompetenztitels helfen, kommt es nur auf dessen Anordnung einer Zustimmungsbedürftigkeit an. Dies gilt für alle verfassungsrechtlich-methodisch noch zulässigen Formen von Annex und Sachzusammenhang einer Gesetzgebungskompetenz: Die Spezialitätsregelung, die Regelung mit starken (faktischen) Auswirkungen auf eine fremde Materie, die durch kompetenzfremde Ziele motivierte Gesetzgebung und die Annexregelung.

VII. Zitiergebot Eine Disziplinierung der „weiten“ Kompetenzauslegung mittels Sachzusammenhangs und Annexes könnte erreicht werden, indem man vom Gesetzgeber eine Zitierung der fremden Kompetenzmaterien verlangt, in die er übergreift. Die Rechtsfolge einer Verletzung eines solchen Zitiergebots wäre die Kompetenzwidrigkeit des übergreifenden Gesetzes. Sehr fraglich ist, ob diese verfassungspolitisch sinnvoll anmutende Forderung geltendes Verfassungsrecht ist. 53 Die Ertragszuständigkeit für Gebühren folgt der Verwaltungszuständigkeit, die nach Art. 87 f GG beim Bund liegt. So ausdrücklich für die UMTS-Versteigerungserlöse BVerfGE 105, 185 (193). 54 Vgl. allgemein Fischer-Menshausen, in: von Münch / Kunig, GG III, 3. Aufl. 1996, Art. 105 Rn. 27.

VIII. Kooperationspflichten im Gesetzgebungsverfahren

355

In der Rechtsprechung des amerikanischen Supreme Court zu den implied powers des Bundes ist die vom gesetzgebenden Kongreß schriftlich fixierte Feststellung einer die implied power begründenden Zweck-Mittel-Relation zur unerläßlichen Voraussetzung für deren Zulässigkeit geworden.55 Die erforderlichen Feststellungen des Kongresses (congressional findings) müssen nicht im Text des auf seine Kompetenz zu überprüfenden Gesetzes selbst erscheinen.56 Die bloße Behauptung der Zweck-Mittel-Relation genügt andererseits den Anforderungen der Rechtsprechung noch nicht.57 Der Supreme Court geht bei der Suche nach den congressional findings auf die Vorgeschichte des Gesetzes zurück. Dabei sucht er Anhaltspunkte, ob der Kongreß die Zweck-Mittel-Relation gesehen und beabsichtigt hat.58 Der Rekurs auf die Entstehungsgeschichte eines Gesetzes wird auch vom Bundesverfassungsgericht für dessen kompentielle Qualifikation bisweilen vorgenommmen, ohne daß dieser genetischen Gesetzesauslegung entscheidende Bedeutung zukommt. Die Suche nach Feststellungen des Gesetzgebers erinnert auch an eine subjektiv-teleologische Auslegung des einfachen Gesetzes. Das führt dazu, ebenso die Kompetenzen für subjektiv-teleologische Motive zu öffnen oder statt der kompentiellen Qualifikation jedes einzelnen Gesetzes en bloc gesetzgeberische Regelungskonzepte59 zu subsumieren. Die gegen eine subjektiv-teleologische Auslegung von Gesetz und Gesetzgebungskompetenz vorgebrachten Einwände stehen auch der Annahme entgegen, die dem Gesetzgeber zurechenbaren Stellungnahmen zu seinem eigenen Gesetzeswerk könnten eine für die kompetentielle Zuordnung ausschlaggebende Bedeutung haben. Der Gesetzgeber ist den anderen Verfassungsorganen keine Rechenschaft über seine Motive, Erwägungen oder Abwägungen schuldig.60 Wegen der ausschließlich aus der Norm und ihrer Auslegung vorzunehmenden Zuordnung ist es verfassungsrechtlich gerade nicht geboten, dem Gesetzgeber eine Zitierpflicht oder Dokumentationspflichten aufzuerlegen.

VIII. Kooperationspflichten im Gesetzgebungsverfahren Einwirkungen auf fremde Kompetenzmaterien könnten durch einen Informationsaustausch oder sogar eine Kooperation der gesetzgebenden Organe auf der Bundesebene einerseits und in den Ländern andererseits kompensiert oder wenigstens in ihrer Wirkung abgefedert werden. Wenn etwa der Bundesgesetzgeber beim

So Joswig, Die implied powers-Lehre, S. 83. So der U. S. Supreme Court, Katzenbach v. McClung, 379 U. S. 294, 304 (1964). 57 Vgl. 379 U. S. 294, 303 (1964); 431 U. S. 563, 575 Fn. 11 (1977); Rehnquist, in seinem concurring in the judgment zu 452 U. S. 264, 311 (1981). 58 Joswig, Die implied powers-Lehre, S. 79, mit Nachweisen der Rechtsprechung in Fn. 95. 59 „Regulatory scheme“, vgl. Katzenbach v. McClung, 379 U. S. 294, 303 (1964). 60 So W. Geiger, in: Berberich, Neue Entwicklungen im öffentlichen Recht, S. 131 (141). 55 56

356

F. Rechtsfolgen der Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

Altenpflegegesetz auf die Normierung von Zulassungsvoraussetzungen der medizinischen Pflege beschränkt wäre,61 das Berufsbild des Altenpflegers aber die soziale Altenpflege beinhaltet, sollte der Landesgesetzgeber die Zulassungsvoraussetzungen dafür möglichst zeitnah normieren können. Dies liegt im Interesse beider Seiten, da die Lebenswirklichkeit eine sachgerechte Regelung nur im Zusammenspiel beider Gesetze erfährt. Jenseits der Gemeinschaftsaufgaben und der Rahmengesetzgebung des Bundes gibt es keine dem Art. 75 Abs. 3 GG vergleichbare ausdrückliche Umsetzungs- oder Abstimmungspflicht für eine sich ergänzende Gesetzgebung beider Ebenen im Bundesstaat. Das Gebot der Bundestreue kann in der Lesart des Bundesverfassungsgerichts insbesondere den Bundesgesetzgeber auch zwingen, eine Regelung zu unterlassen, die der Landesgesetzgebung die sachlichen oder verwaltungsmäßigen Grundlagen entzieht.62 Das kann aber nicht generell zur Folge haben, daß der eine Gesetzgeber auf solche Regelungen verzichten muß, auf die hin der andere Gesetzgeber seine Gesetzgebung ändern muß, etwa weil diese auf jener Gesetzgebung aufbaut oder weil diese auf sachlichen Voraussetzungen aufbaut, die von jener maßgeblich bestimmt werden. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist in diesem Punkt nicht fortgeführt oder konkretisiert worden. Es ist jedenfalls nicht anzunehmen, daß da, wo der eine Gesetzgeber nach Information durch den anderen Gesetzgeber reagieren kann, dieser durch das Gebot der Bundestreue für längere Zeit in seiner Gesetzgebung beschränkt bleiben soll. Für Art. 72 Abs. 1 GG a. F. wurde vom Bundesverfassungsgericht die Ansicht vertreten, die Vorschrift oder mindestens das sie überlagernde Gebot der Bundestreue verpflichte den Landesgesetzgeber, ein geplantes Gesetz nicht zu verwirklichen, wenn der Bundesgesetzgeber eine die Länder sperrende Gesetzgebung förmlich vorbereite.63 Ob diese Rechtsprechung nach der Änderung des Art. 72 Abs. 1 GG („der Bund [ . . . ] Gebrauch gemacht hat“) noch aufrechterhalten werden kann, erscheint zweifelhaft. In dem hier interessierenden Zusammenhang ist von Bedeutung, daß das Bundesverfassungsgericht zwar das Gebot der Bundestreue angewandt, dieses aber eng mit der Vorschrift des Art. 72 Abs. 1 GG a. F. verknüpft hat. Hier kam der „akzessorische“ Charakter des ungeschriebenen Verfassungsprinzips der Bundestreue zum Tragen. Die Bundestreue hilft bei der Konkretisierung verfassungsrechtlicher Vorschriften.64 Beim sachzusammenhängenden oder annexweisen Ausgreifen eines Gesetzes auf fremde Kompetenzmaterien gibt es keine dem Art. 72 Abs. 1 GG entsprechende „Scharniernorm“, zu deren Konkretisierung die Bundestreue fruchtbar gemacht werden könnte. Die aus dem Gebot 61

Entgegen BVerfG, NJW 2003, S. 41 ff. und seiner Auslegung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19

GG. 62 So ist wohl BVerfGE 12, 205 (239 f.) zu verstehen; offenbar, ohne daß schon der Kern der Landeseigenstaatlichkeit betroffen sein muß. 63 BVerfGE 34, 9 (29). 64 Besonders kritisch daher zur Bundestreue Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 268 – 270.

VIII. Kooperationspflichten im Gesetzgebungsverfahren

357

bundesfreundlichen Verhaltens abgeleiteten Pflichten zu gegenseitiger Information, Rücksichtnahme und Mitwirkung65 beruhen darauf, daß die bundesstaatliche Ordnung auf gegenseitige Ergänzung und das Zusammenwirken von Bund und Ländern angelegt ist.66 Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen dient dazu, den Ländern und dem Bund einen je eigenen Gestaltungsspielraum einzuräumen. Eine völlige Koordination, Konsistenz, Kohärenz oder Komplementarität zwischen Bundes- und Landesgesetzgebung wird von der Verfassung gerade nicht gefordert. Art. 72 Abs. 2 GG, Art. 31 GG, Art. 75 Abs. 3 GG, die Grundsatzgesetzgebung und die Gemeinschaftsaufgaben etablieren Koordinationspflichten zwischen Bundes- und Landesgesetzgeber. Jenseits dieser Vorschriften gibt es keine solchen Pflichten, die die inhaltliche Ausgestaltung oder das Ob eines Gesetzes betreffen. Eine auf inhaltliche Gestaltung gerichtete Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung kann schon deshalb nicht aus dem Gebot der Bundestreue abgeleitet werden, weil die dem Bundesrat eine Mitwirkung einräumenden Verfassungsbestimmungen spezieller und abschließend sind. Der ungeschriebene Verfassungsgrundsatz der Bundestreue ist gegenüber dem geschriebenen Verfassungsrecht subsidiär.67 Eine Mitbestimmung bei der Tätigkeit des jeweils anderen Gesetzgebers würde auch eine Verletzung des Demokratieprinzips bedeuten. Ein kooperativer Föderalismus zwischen den Gesetzgebern im Bundesstaat steht wegen Art. 70 Abs. 1 GG und der Undelegierbarkeit der Landesgesetzgebungskompetenzen unter Verfassungsvorbehalt. Das Gesetzgebungsverfahren beinhaltet in der Regel eine Gesetzesfolgenabschätzung.68 Doch ist diese nicht Gegenstand einer Pflicht, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Gesetzgebungsverfahren entnommen werden könnte. Deswegen kann sich die Pflicht zur Gesetzesfolgenabschätzung auch nicht intensivieren, wenn ein Gesetz gleichsam auf der Grenze zwischen Bundes- und Landeskompetenzen steht und die Gesetzesfolgen für die kompetentielle Qualifikation relevant sein sollten. Ebenfalls verdichtet sich die bis dahin unverbindliche Gesetzesfolgenabschätzung nicht angesichts eines solchen kompetentiell anscheinend ambivalenten Gesetzes zur verfassungsrechtlichen Pflicht. Der Gesetzgeber „schuldet“ das Gesetz und nicht ein, über die verfassungsrechtlichen Erfordernisse hinausgehend, methodisch „optimales“ Gesetzgebungsverfahren.69 Die Einhaltung vom Grundgesetz nicht vorgeschriebener Verfahrensstandards und die Anwendung Dazu vgl. BVerfGE 43, 291 (348 f.); 61, 149 (205). So Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 270. 67 Siehe Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 270. 68 Vgl. Köck, VerwArch. 93 (2002), S. 1 ff.; Hadamek, ZG 2001, S. 382 ff.; zur verbindlichen Normierung einer Gesetzgebungsordnung, die auch die Gesetzesfolgenabschätzung zur Pflicht machen könnte, siehe Lücke, ZG 2001, S. 1 ff. 69 So z. B. Gusy, ZRP 1985, S. 295 ff.; Merten, in: von Maydell (Hrsg.), Probleme sozialpolitischer Gesetzgebung, S. 51 (54 ff.); Schlaich / Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 529 f.; vgl. auch Wahl, Der Staat 20 (1981), S. 504; a. A. Hoffmann, ZG 1990, S. 97 (110 f.). 65 66

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F. Rechtsfolgen der Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs

rationaler Gesetzgebungstechnik heilen so wenig die Kompetenzwidrigkeit eines Gesetzes, wie ihre Mißachtung auf der anderen Seite ein an sich kompetenzgemäßes Gesetz dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit unterwirft. Das Bundesverfassungsgericht beschränkt sich dementsprechend auf eine Erfolgskontrolle, indem es das Gesetz und dessen Wirkung und nicht die zum Gesetz führenden Motive und Methoden auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüft.70

70

Vgl. BVerfGE 49, 148 (165); 67, 70 (87); 85, 238 (245).

G. Die Kompetenzausübungsschranken Die Kompetenzausübungsschranken (Gebot der Bundestreue sowie der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung) greifen streng genommen nicht in die primäre Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen ein. Erst nach der erfolgten Verteilung soll der kompetente Gesetzgeber an der Ausübung seiner Kompetenz gehindert sein, sofern eine Ausübungsschranke vorliegt. Die Gründe dafür liegen vielfach in der Gesetzgebung des anderen Hoheitsverbands. Die Situation ist damit derjenigen der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs zum Verwechseln ähnlich: Dort kann ein Gesetzgeber eine Kompetenz für sich in Anspruch nehmen, die – untechnisch gesprochen – Auswirkungen auf die Kompetenzmaterie eines anderen Gesetzgebers hat. Im Fall der Kompetenzausübungsschranken hat ein Gesetz einen solchen Einfluß auf den anderen Gesetzgeber, daß dieser den Auswirkungen dieses Gesetzes nicht entgegenwirken darf. Statt also den Begriff der Kompetenzausübungsschranke wörtlich zu nehmen, könnte man auch von einer Kompetenzausdehnung des durch Bundestreue oder Widerspruchsfreiheit geschützten Gesetzgebers sprechen. Dieser erweitert nicht seine Kompetenz um die Möglichkeit, Regelungen zu schaffen, sondern nur um die von dem anderen Gesetzgeber erzwungene Hinnahme der von seinen Gesetzen ausgehenden Wirkungen, die der andere kompetente Gesetzgeber eigentlich konterkarieren und neutralisieren dürfte. Darin liegt der Unterschied zu einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs. Zugleich gibt es funktionelle Parallelen, insofern in beiden Fällen einem Gesetzgeber die Befugnis für eine spezifische Regelung vorenthalten bleibt. Besonders anschaulich für die Parallelität sind die Konstellationen, die nunmehr unter dem Begriff der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung verhandelt werden. Der Sachgesetzgeber verzichtet auf eine zwingende imperative Regelung. Er schafft oder läßt entweder ein Regelungsvakuum oder normiert soft law, das keine zwingenden Vorgaben statuiert, aber dennoch die Präferenzen des Gesetzgebers für ein bestimmtes Verhalten der Bürger erkennen läßt bzw. die vollkommene, d. h. durch den Staat unbeeinflußte Wahlfreiheit als Prinzip vermuten läßt. Darf nun der Steuergesetzgeber eine Lenkung des Verhaltens provozieren, die dieser Präferenz zuwiderläuft?1 Der Bereich der nichtregelnden Verhaltenslenkung fällt üblicherweise unter die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs: Nur das Regelnde eines Gesetzes ist für die kompetentielle Qualifikation relevant, der „Rest“ verhält sich neutral zur Gesetzgebungskompetenz. Die Kompetenzausübungsschranke der Wi1 Der Steuergesetzgeber darf nach unbestrittener Auffassung von Kompetenz wegen auch dann ein Gesetz erlassen, wenn die Vermeidung des Steuertatbestandes ein sachgesetzlich verbotenes Verhalten wäre.

360

G. Die Kompetenzausübungsschranken

derspruchsfreiheit der Rechtsordnung würde diese Rechtsfolge relativieren, indem bei einander widersprechenden nichtregelnden Lenkungen einem Gesetzgeber zu seinen Gunsten unterstellt wird, der Regelungsverzicht sei gerade Resultat der Ausübung seiner Regelungskompetenz. Im Folgenden wird sich zeigen, daß die Kompetenzausübungsschranken weitgehend entbehrlich sind, weil ihre Funktion einerseits durch den Auslegungsbehelf des Sachzusammenhangs bereits auf der Ebene der Kompetenzermittlung erfüllt wird und weil andererseits weitere mit ihnen verbundene Anliegen über das materielle Verfassungsrecht – vor allem die Grundrechte – konkreter und normativ genauer nachgesteuert werden können, als es die bisherige Handhabung der Kompetenzausübungsschranken erlaubt.

I. Die Bundestreue in der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen Die Bundestreue bzw. das Gebot bundesfreundlichen Verhaltens, das vereinzelt auch als Bundessinn,2 Bundesstaatstreue,3 bundesfreundliches Verhalten4 oder auch gemeinschaftsfreundliches Verhalten5 bezeichnet wird, soll ebenfalls Einfluß auf die Gesetzgebungskompetenzen in ihrer Aufteilung zwischen Bund und Ländern haben. Dabei wirkt die Bundestreue – wenn auch ihr Name irreführend eine Präponderanz des Bundes suggeriert6 – nicht nur einschränkend gegenüber den gesetzgebenden Ländern, sondern ebenso begrenzend auf den Bundesgesetzgeber.

1. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Ursprünglich wurde die Bundestreue vom Bundesverfassungsgericht nicht für die Anwendung auf die Gesetzgebungskompetenzen entwickelt.7 So ging es etwa darum, daß der Bund ein Gesetz erlassen hatte, das die Verteilung von Bundesmitteln für den sozialen Wohnungsbau an die Länder vom „Einvernehmen der Länder“ abhängig machte.8 Das Bundesverfassungsgericht hob hervor, daß der Bun2 Lerche, VVDStRL 21 (1964), S. 66 (88); Bauschke, Bundesstaatsprinzip und Bundesverfassungsgericht, S. 109. 3 Katz, Staatsrecht, S. 126. 4 Stern, Staatsrecht I, S. 699. 5 Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 IV Rn. 64; Stern, Staatsrecht I, S. 700. 6 Der „Bund“ ist das Ganze, an dem die Organe des Bundes und die Länder partizipieren. In der Weimarer Staatsrechtslehre wurde der Bundestreue ein Hegemonialanspruch des Bundes unterlegt; vgl. Ossenbühl, NVwZ 2003, S. 53. 7 Zur Vorgeschichte der Bundestreue vor dem Grundgesetz Bauer, Die Bundestreue, S. 30 ff., 103 ff. 8 BVerfGE 1, 299 ff.

I. Die Bundestreue in der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen

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desgesetzgeber den Einfluß der Bundesländer auf die Willensbildung der Bundesorgane über das verfassungsrechtlich gebotene Maß ausdehnen durfte, soweit die Bundeskompetenzen ihrer Natur nach nicht unbeschränkbar sind. Im Falle der Einräumung einer solchen Mitbestimmung müsse aber der gleichberechtigten Stellung der Länder untereinander durch das Einstimmigkeitsprinzip Geltung verschafft werden.9 Ein von einem Land erhobener unsachlicher Widerspruch sei hingegen rechtlich unerheblich. Beides wurde aus dem Gebot bundesfreundlichen Verhaltens gefolgert. Damit hat das Gericht im wesentlichen einen „Gleichheitssatz“ aus dem Gebot der Bundestreue abgeleitet. In einer späteren Entscheidung hat es diese Sinnrichtung der Bundestreue betont, indem das Gericht den Bund als verpflichtet ansah, eine ein Ausführungsgesetz zu Art. 104 a Abs. 4 S. 2 GG ersetzende Verwaltungsvereinbarung „nur mit allen gleichermaßen betroffenen Ländern zugleich“ abzuschließen, „wobei die Länder dem Bund als gleichberechtigte Partner gegenüberstehen“.10 Erstmals zum Einfluß der Bundestreue auf die Ausübung von Gesetzgebungsbefugnissen äußerte sich das Gericht 1954.11 Es hatte eine auf Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 GG a. F. gestützte starre Koppelung der Landesbeamtenbesoldung an diejenige der Bundesbeamten für verfassungswidrig erklärt.12 Im Anschluß wurde das Besoldungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen auf seine Verfassungsmäßigkeit geprüft. Zur Kompetenz des Landesgesetzgebers wird erklärt: „Eine Rechtsschranke für die Ausübung von Gesetzgebungsbefugnissen im Bundesstaat – für Bund und Länder – ergibt sich aus dem ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz der Bundestreue. Bleiben die Auswirkungen einer gesetzlichen Regelung nicht auf den Raum des Landes begrenzt, so muß der Landesgesetzgeber Rücksicht auf die Interessen des Bundes und der übrigen Länder nehmen.“13 Da das Finanzwesen von Bund und Ländern im Bundesstaat trotz der verselbständigten Haushaltswirtschaft (Art. 109 GG) ein Gesamtgefüge bildet, müsse der Landesbesoldungsgesetzgeber Rücksicht darauf nehmen, daß dieses nicht erschüttert wird.14 Es handelt sich bei der Bundestreue um eine „Schranke der Gesetzgebungsbefugnis“, die der Landesgesetzgeber nur bei offenbarem Mißbrauch seiner Freiheit überschreite. Obwohl das Gericht diesen Tatbestand ablehnt, legt es Wert auf die Möglichkeit einer Kompetenzbeschränkung: „Wie aber dem Bund seine Befugnisse nur zum Wohl des Ganzen zugemessen sind, so müssen auch die Länder die Freiheit ihrer Entscheidung der Rücksicht auf das Gesamtwohl unterordnen. Ein Bundesstaat kann nur bestehen, wenn Bund und Länder im Verhältnis zuDie Entscheidung erging vor Einführung des Art. 104 a GG im Jahre 1969. BVerfGE 41, 291. 11 BVerfGE 4, 115 ff. 12 Art. 74 a GG, der zumindest nicht die Hürde einer „Rahmenvorschrift“ vorgesehen hätte, wurde erst später, im Jahre 1971, eingeführt. 13 BVerfGE 4, 115 (140). 14 Vgl. dazu auch schon BVerfGE 3, 52 (57) – Weihnachtszuwendungen im Landesbeamtenrecht. 9

10

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G. Die Kompetenzausübungsschranken

einander beachten, daß das Maß, in dem sie von formal bestehenden Kompetenzen Gebrauch machen können, durch gegenseitige Rücksichtnahme bestimmt ist.“15 In BVerfGE 12, 205 wird zwar festgestellt, die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Fernmeldewesen16 lasse auch Regelungen zu, die dem Bund das ausschließliche Recht vorbehalten, Funkanlagen für Zwecke des Rundfunks zu errichten und zu betreiben. Der Bund müsse allerdings den Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens beachten. „Dieser Grundsatz wäre verletzt, wenn der Bund heute von der Befugnis zur Regelung des Fernmeldewesens unter Berufung auf sein Funkregal in einer Weise Gebrauch machen würde, die darauf hinausliefe, den bestehenden öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten das Verfügungsrecht über die in ihrem Eigentum stehenden und von ihnen betriebenen Sendeanlagen zu entziehen. Gleiches würde gelten, wenn der Bund durch gesetzliche Regelung diesen Anstalten die von ihnen benutzten Wellenbereiche nehmen und sie bei der Verteilung der jetzt oder künftig zur Verfügung stehenden Frequenzen nicht gebührend nach Maßgabe der landesgesetzlichen Regelungen über die Veranstalter von Rundfunksendungen berücksichtigen würde.“17 Der Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens kann also auch ausschließliche Gesetzgebungskompetenzen einschränken. Er wirkt im behandelten Zusammenhang zeitlich: Das deutet das Gericht mit „heute“ an. Angesichts der gewachsenen Verhältnisse in den Ländern kann der Bundesgesetzgeber nicht von heute auf morgen die sendetechnischen Voraussetzungen des Rundfunks neu gestalten. Das schließt eine langsame Umgestaltung nicht aus. Der Bundesgesetzgeber muß nur insoweit durch das Gebot der Bundestreue eingeschränkt werden, als nicht der Landesrundfunkgesetzgeber seinerseits eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs für diese Fragen für sich beanspruchen kann: „Soweit Vorschriften organisatorischer Art für Institutionen, die Veranstaltung von Rundfunksendungen und Betrieb von Sendeanlagen in sich vereinigen, erlassen werden müssen, steht also die Kompetenz für die sendetechnischen Angelegenheiten dem Landesgesetzgeber kraft Sachzusammenhanges zu.“18 Die Entscheidung in BVerfGE 31, 314 hatte die Umsatzsteuerpflicht der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zum Gegenstand. Der Bundesgesetzgeber hat mit der Einführung des Mehrwertsteuersystems durch das Umsatzsteuergesetz im Jahr 1967 die Umsätze der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Umsatzsteuer unterworfen, auch soweit diese eine öffentlich-rechtliche Aufgabe erfüllen. BVerfGE 4, 115 (141 f.). Art. 73 Nr. 7 GG erfaßte bis 1994 „das Post- und Fernmeldewesen“, danach (BGBl. I, S. 2245) „das Postwesen und die Telekommunikation“; die Begründung sieht darin nur eine begriffliche Aktualisierung ohne Kompetenzverschiebung, BT-Drucksache 12 / 6717, S. 3. 17 BVerfGE 12, 205 (239 f.). Vgl. Fr. Klein, AöR 88 (1963), S. 377 ff.; Bettermann, DVBl. 1963, S. 41 ff. 18 BVerfGE 12, 205 (238); kritisch zur Folgerung der Landeskompetenz aus der größeren Bedeutung (Art. 5 GG) des Sendeinhalts gegenüber dem Organisatorischen Pestalozza, Grundgesetz, Art. 73 Rn. 476 in Fn. 675. 15 16

I. Die Bundestreue in der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen

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§ 2 Abs. 3 UStG 196719 lautet: „Die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 1 Abs. 1 Ziff. 6 des Körperschaftsteuergesetzes) und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig. Die Tätigkeit der Rundfunkanstalten gilt als gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Sinne dieses Gesetzes.“ Da die Rundfunkanstalten, soweit sie zur Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe, in erster Linie durch die Ausstrahlung von Sendeinhalten, tätig werden, nicht gewerblich handeln, mithin kein Unternehmer im Sinne des UStG 1967 sind, würden ihre Umsätze nicht umsatzsteuerpflichtig sein. Der zitierte § 2 Abs. 3 S. 2 UstG 1967 erreichte also die Umsatzsteuerpflicht der Rundfunkanstalten erst durch eine gesetzliche Fiktion.20 Die Senatsmehrheit sah in dieser Regelung eine Überschreitung der verfassungsrechtlichen Gesetzgebungskompetenz. Nach ihrer Ansicht hat der Bund die begrifflichen Grenzen einer Verbrauch- und Verkehrsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2 GG a. F. überschritten.21 Diese Vorschrift ermächtige „zur konkurrierenden Gesetzgebung auf dem Gebiet der Verbrauch- und Verkehrsteuern und damit auch für deren Hauptanwendungsfall, die Umsatzsteuer [ . . . ], die von jeher für diesen Bereich typisch war und ihm ihr Gepräge verlieh“.22 Nach der ersten abweichenden Meinung griff die bundesgesetzliche Regelung in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Rundfunkrecht ein.23 Die Argumentation des Sondervotums stellt weniger auf die Steuerart und die steuerrechtliche Systemwidrigkeit des § 2 Abs. 3 S. 2 UstG 1967 ab; sie richtet ihr Augenmerk auf das Verhältnis der Steuerrechtsvorschrift zum landesgesetzlich geordneten Rundfunk. Wenn der zu regelnde Sachverhalt und die Rechtssätze, denen er durch die fingierende Umwandlung unterstellt werden soll, verschiedenen Kompetenzträgern zuzurechnen sind, sei die Fiktion kompetenzwidrig. Die strikte Trennung der Gesetzgebungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern setze Grenzen, die auch auf „dem Schleichwege der Fiktion“ (Josef Esser) nicht überwunden werden könnten. Nach dieser methodischen Vorüberlegung ordnen die Dissenter den Tatbestand, der durch Fiktion „umgedacht“ wird, und den Rechtskomplex, dem dieser Sachverhalt vermittels der Fiktion unterstellt werden soll, unterschiedlichen Gesetzgebern zu. Anschaulicher kann man auch vom „Rundfunktatbestand“24 und der Steuerrechtsfolge sprechen. BGBl. I, S. 545. BVerfGE 31, 314 (330 f.). Das BVerfG schließt zunächst aus, daß die Vorschrift nur deklaratorisch zu verstehen ist. Zur Fiktion im Recht vgl. Esser, Wert und Bedeutung der Rechtsfiktionen; speziell zur Fiktion im öffentlichen Recht vgl. die gleichnamige Monographie von Jachmann. 21 BVerfGE 31, 314 (333). Die vor dem Inkrafttreten des Finanzreformgesetzes im Jahre 1969 geltende Fassung des Art. 105 Abs. 2 Nr. 1 GG lautete: „Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über 1. die Verbrauch- und Verkehrsteuern mit Ausnahme der Steuern mit örtlich bedingtem Wirkungskreis, insbesondere der Grunderwerbsteuer, der Wertzuwachssteuer und der Feuerschutzsteuer, . . .“. 22 BVerfGE 31, 314 (331). 23 Sondervotum Geller / Rupp, BVerfGE 31, 314 / 334 ff. 19 20

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G. Die Kompetenzausübungsschranken

Nach der zweiten abweichenden Meinung ist die Regelung kompetenzgemäß und verstößt nicht gegen den Grundsatz der Bundestreue. Es fehle „schon im Ansatz an einem dem bundesstaatlichen Bund-Länder-Verhältnis eigentümlichen Interessengegensatz, bei dem der Bund seine eigenen Interessen zum Nachteil und unter Vernachlässigung oder Außerachtlassung von spezifischen Landesinteressen mit seiner Regelung in § 2 Abs 3 Satz 2 UStG 1967 durchgesetzt hat“.25 Die Steuerfreiheit der Rundfunkanstalten sei nicht ein Interesse der Länder, sondern liege im Interesse der Anstalten. Die Rechtsform der öffentlich-rechtlichen Anstalt sei vom Landesgesetzgeber nicht gewählt worden, um die Rundfunkanstalten der Besteuerung zu entziehen, sondern um die Staatsfreiheit des Rundfunks sicherzustellen. § 2 Abs. 3 S. 2 UStG 1967 tangiere das Interesse an dieser Staatsfreiheit nicht. Wie die Senatsminderheit ausführt, begründen divergierende Ansichten des Bundes und der Länder über die politische Zweckmäßigkeit einer Regelung sowie die wirtschaftliche Nützlichkeit oder kulturelle Schädlichkeit ihrer zu erwartenden Auswirkungen keinen Interessenkonflikt, der durch den Grundsatz der Bundestreue auszugleichen wäre.26 In BVerfGE 43, 291 hatte sich das Gericht abermals mit der Hochschulzugangsberechtigung für Studienbewerber zu befassen. Doch anders als in BVerfGE 33, 303 war der Bundesgesetzgeber inzwischen tätig geworden und hat die Frage im Hochschulrahmengesetz länderübergreifend geregelt. Bei der notenabhängigen Bewerberauswahl für zulassungsbeschränkte Studiengänge wurde die Bonus-MalusRegelung durch eine Studienplatzverteilung nach Landesquoten ersetzt. Beide Instrumente sollen sicherstellen, daß für die Auswahl das Leistungsprinzip maßgeblich bleibt und die Chancengleichheit nicht verletzt wird, insofern die von Land zu Land im Durchschnitt unterschiedlichen schulischen Bewertungen die Vergleichbarkeit des Abiturs entwerten.27 Der von den Ländern geschlossene Staatsvertrag und das HRG verpflichteten die Länder dazu, in Zukunft vergleichbare Leistungsanforderungen und -bewertungen herzustellen. Während einer Anpassungsphase mußte den Verzerrungen hinsichtlich der Bewertungen des Abiturzeugnisses Rechnung getragen werden. Dazu bestimmte § 32 Abs. 3 Nr. 1 Sätze 5 bis 7 HRG 1976, daß für die Auswahl der Studienbewerber Landesquoten gebildet werden sollten, die sich zum Teil nach dem Bevölkerungsanteil richteten. Dessen Berücksichtigung führt dazu, daß von den Bewerbern eines Landes mit geringerer AbiturientenSo die Richter Geller und Rupp in ihrer abw. Ansicht BVerfGE 31, 314 / 334 (335). Sondervotum der Richter Geiger, Rinck und Wand, BVerfGE 31, 314 / 337 (356). 26 Sondervotum Geiger / Rinck / Wand, BVerfGE 31, 314 / 337 (357). 27 Die Länder sind im Staatsvertrag von 1972 davon ausgegangen, daß die von Land zu Land im Durchschnitt unterschiedlichen Schulleistungen Produkt unterschiedlicher Bewertungsweisen der Lehrer sind. Die Prämisse war, daß in jedem Land die Begabungen und Qualifikationen in etwa gleich verteilt sind. Indem der Länderstaatsvertrag von 1972 auch auf das Ziel einer Vergleichbarkeit der Prüfungsanforderungen verpflichtete, zielten die Länder auf eine verbesserte Vergleichbarkeit der Bewertungen ab; zugleich kommt darin aber auch Mißtrauen gegenüber der Vergleichbarkeit der Leistungen und Begabungen der Schüler zum Ausdruck. 24 25

I. Die Bundestreue in der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen

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quote, aber höherer Bevölkerungszahl ein höherer Anteil zum Studium zugelassen wird. Länder mit einer im Verhältnis zu ihrer Bevölkerungszahl (im Vergleich zu anderen Ländern) hohen Abiturientenquote müssen bei den zulassungsbeschränkten Studiengängen eine im Vergleich zu Ländern mit relativ niedriger Abiturientenquote geringere Zulassungsquote hinnehmen. Da das Land Hessen es als sein bildungspolitisches Verdienst ansah, möglichst vielen Menschen ein Hochschulstudium zu ermöglichen und ihnen die schulischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, hat es die Bestimmungen des HRG im Wege der Normenkontrolle angegriffen. Das Bundesverfassungsgericht prüfte, ob der Bundesgesetzgeber durch eine solche Ausübung seiner Regelungskompetenz den Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens verletzt habe. „Dieser ungeschriebene Verfassungsgrundsatz, der dem bundesstaatlichen Prinzip entspringt, gebietet gerade auch beim Gebrauch bestehender Kompetenzen gegenseitige Rücksichtnahme; er hält die Egoismen des Bundes und der Länder in Grenzen und greift dort ein, wo deren Interessen auseinanderfallen, und zwar so, daß der eine Teil Schaden nimmt, wenn der andere Teil seine Maßnahmen ausschließlich nach seinen Interessen treffen würde“.28 Das Bundesverfassungsgericht konzedierte, daß die Art und Weise der Bemessung der Länderquoten schul- und bildungspolitische Entscheidungen der Länder tangiere, die ihrerseits als „Hausgut der Länder“ der Reglungskompetenz des Bundes entzogen seien.29 Begünstigt würden diejenigen Länder, die ihre Abiturientenquoten aus bildungspolitischen Gründen niedriger halten wollten. Das ist eine Auswirkung der Ausrichtung der Quote am Bevölkerungsanteil. Eine ausschließliche Orientierung am Bewerberanteil käme denjenigen Ländern zugute, die eine entgegengesetzte Bildungspolitik betrieben, indem sie eine hohe Abiturientenquote anstrebten. Die Rückwirkung der Bemessungsart der Länderquoten auf die Bildungspolitik der Länder verpflichtet den Bundesgesetzgeber, seine Kompetenz für Hochschulfragen „bundesfreundlich“ auszuüben. Würde die Landesquote ausschließlich nach Maßgabe eines Bewerberanteils berechnet werden, könnten die Bundesländer bestrebt sein, vermehrt Abiturienten zu produzieren. Hätte der Gesetzgeber die Quote hingegen ausschließlich am Bevölkerungsanteil des jeweiligen Bundeslandes orientiert, werden Bewerber aus Ländern mit einer im Ländervergleich hohen Abiturientenquote benachteiligt. Die Mischung der Kriterien stellt sich daher nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts – unter den gegebenen unsicheren empirischen Bedingungen – als bildungspolitisch neutrale Ausgestaltung dar.30 Das Gericht geht nicht auf die Frage ein, ob § 32 Abs. 3 Nr. 1 S. 6 Hs. 2 HRG die Bundestreue verletzt. Schließlich könnte diese Vorschrift (Quotenverbesserung für die Stadtstaaten) von der hessischen Prämisse ausgehen, das Begabtenpotential sei in den Städten größer. 28 BVerfGE 43, 291 (348) mit Hinweis auf BVerfGE 4, 115 (140 f.); 12, 205 (254 f.); 32, 199 (218); 34, 216 (232); 31, 314 (354) – abweichende Meinung. 29 BVerfGE 43, 291 (348). 30 BVerfGE 43, 291 (350).

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G. Die Kompetenzausübungsschranken

Als weitere Erwägung gegen eine Verletzung der Bundestreue führt das Gericht an, die Schulpolitik der Länder werde nur in einem Ausschnitt berührt, weil die streitige Regelung auf den Hochschulzugang beschränkt ist.31 Damit nimmt es mittelbar Bezug auf die vorangegangene grundrechtliche Prüfung derselben Vorschrift. Die Einführung der als Übergangsregelung gedachten Länderquoten habe gegenüber der vom Länderstaatsvertrag und dem HRG angestrebten Dauerlösung, die Qualifikationszeugnisse bundesweit vergleichbar zu gestalten, den Vorteil, sich nur auf einen kleinen Kreis unmittelbar Interessierter auszuwirken. Andere Methoden – wie etwa die Einführung sogenannter Normbücher in den Schulen – würden Hunderttausende unbeteiligter Dritter und das gesamte Schulwesen treffen.32 In der Entscheidung zur Kompetenzgemäßheit des vom Bund erlassenen Staatshaftungsgesetzes33 hat das Bundesverfassungsgericht auch unter Bezugnahme auf den „Grundsatz der wechselseitigen Pflicht des Bundes und der Länder zu bundesfreundlichem Verhalten“ eine Regelung des Staatshaftungrechts mit Wirkung und Geltung für die Länder abgelehnt. Der Bund dürfe zwar unter Inanspruchnahme seiner Gesetzgebungskompetenz für das Bürgerliche Recht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) „in das ihm sonst grundsätzlich verschlossene Gebiet des Staatshaftungsrechts der Länder hineinwirken und auf diese Weise landesgesetzliche Regelungen ausschließen oder verdrängen“.34 Ein solches Hineinwirken steht dem Bund über eine Änderung des die Beamtenhaftung regelnden § 839 BGB frei, insofern Art. 34 GG die Haftung, so wie sie in Inhalt und Umfang nach § 839 BGB entstanden ist, auf den Staat überleitet. Art. 34 GG wiederum bindet die Länder in ihrer Ausgestaltung des Staatshaftungsrechts. „Diese verfassungsgesetzliche Besonderheit, die es dem Bund ausnahmsweise erlaubt, in Ausübung seiner ihm für eine bestimmte Materie verliehenen Gesetzgebungsbefugnis (mittelbar) rechtlich regelnd in einen anderen Bereich hineinzuwirken, in dem die Länder das Recht der Gesetzgebung haben, führt indessen nicht dazu, daß die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern unterlaufen oder ausgehöhlt werden darf.“35 Das Gebot bundesfreundlichen Verhaltens verlange gegenseitige Rücksichtnahme und schließe eine mißbräuchliche Interessenwahrnehmung aus. Eine umfassende Regelung der Staatshaftung über § 839 BGB (und mittels Art. 34 GG) sei dadurch ausgeschlossen. Das Gericht betont, daß sich das Problem einer dem Grundgesetz fremden Doppelzuständigkeit insofern nicht stelle. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2000 nahm das Bundesverfassungsgericht zu mehreren Vorlagebeschlüssen zur Bundesverfassungsmäßigkeit von § 12 a der Landes-Beihilfeverordnung Nordrhein-Westfalen Stellung.36 Nach dieser Bestim31 32 33 34 35 36

BVerfGE 43, 291 (350). BVerfGE 43, 291 (345). BVerfGE 61, 149. BVerfGE 61, 149 (204). BVerfGE 61, 149 (204 f.). BVerfG-K, NVwZ 2000, S. 1036.

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mung muß jeder Beihilfeberechtigte je Kalenderjahr einen bestimmten Betrag von den an sich beihilfefähigen, krankheitsbedingten Ausgaben selbst tragen. Die Höhe dieser Selbstbeteiligung ist neben anderen Kriterien nach Besoldungsgruppen gestaffelt. Die vorlegenden Gerichte hielten diese Bestimmung für verfassungswidrig, da sie mittelbar eine Regelung der Beamtenalimentation enthalte, welche wiederum der Bund nach Art. 74 a GG ausgestaltet habe. Die Regelung sei dem Landesgesetzgeber aus Kompetenzgründen verwehrt, da sie den Wertungen des Bundesgesetzes zuwiderlaufe: Die Beamten müßten den Ausgleichsbetrag zur Begleichung ihrer Krankenkosten der bundesrechtlich festgelegten Alimentation entnehmen. Die Staffelung der Pauschale nach Besoldungsgruppen ebne das vom Bundesbesoldungsgesetz vorgesehene Spannungsverhältnis zwischen den einzelnen Besoldungsgruppen mittelbar ein. Das Bundesverfassungsgericht wies die Vorlagen als unzulässig ab, da sie den Anforderungen an Begründung und Darlegung nicht genügen würden. Trotzdem läßt sich den höchstrichterlichen Ausführungen entnehmen, daß – unter den Gesichtspunkten der Rechtssicherheit und Bundestreue – mittelbare Auswirkungen einer kompetenzgerechten Landesregelung auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung unterhalb der Schwelle des gezielten Mißbrauchs verfassungsrechtlich nicht relevant sein sollen. Anscheinend hält das Gericht die Bundestreue in solchen Fällen für ein grundsätzlich geeignetes Korrektiv der Kompetenzordnung, in denen nicht das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung eingreift. Das vorlegende Gericht hat auf zwei Entscheidungen verwiesen, in denen das Landesgesetz an diesem Gebot gemessen wurde.37 Das Bundesverfassungsgericht hält dem entgegen, es habe sich um Kollisionslagen zwischen materiellem Bundesrecht und Verfahrens- bzw. Abgabenrecht der Länder gehandelt. „Für den hier vorliegenden Fall der Kollision von Sachkompetenzen eines Landes einerseits mit ebensolchen des Bundes andererseits hat das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit dagegen wiederholt entschieden, dass unter den Gesichtspunkten Rechtssicherheit und Bundestreue die Ausübung einer Sachkompetenz nur im Falle des offenbaren Missbrauchs unzulässig ist“.38 Das besoldungsrechtliche Ziel ist richtigerweise kompetenzrechtlich irrelevant, wenn es sich nicht auch in Tatbestand oder Rechtsfolge niederschlägt. Deswegen untersucht das Bundesverfassungsgericht zuerst die objektiven Wirkungen des Gesetzes.39 Es erwägt eine „mittelbare Beeinflussung zwischen einer Beihilfekürzung und der Höhe der Dienstbezüge“ und eine „besoldungsrechtliche Relevanz“ der Nämlich BVerfGE 98, 83 (97); 98, 265 (301). BVerfG-K, NVwZ 2000, S. 1036 (1037) mit Hinweis auf BVerfGE 4, 115 (140); 14, 76 (99); 61, 149 (205). 39 Die Beihilfeverordnung NRW war durch das Haushaltssicherungsgesetz vom 17. 12. 1998 (GVBl. S. 757) um den § 12 a ergänzt worden. Somit handelte es sich bei § 12 a nach Maßgabe der Entstehungsbedingungen um ein Parlamentsgesetz. 37 38

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G. Die Kompetenzausübungsschranken

beihilferechtlichen Regelung.40 Mittelbare Auswirkungen können nach Aussage des Gerichts unbeachtlich sein; eine „in tatsächlicher Hinsicht“ „mittelbare Regelung“ der Beamtenalimentation bzw. eine „besoldungsrechtsgleiche Wirkung“ der Beihilfevorschriften hätte hingegen den Vorwurf der Bundestreuewidrigkeit begründet. Eine „Auswirkung“ auf die kompetenzfremde Gesetzgebungsmaterie reicht nicht aus, erforderlich ist eine rechtliche oder rechtsgleiche Einwirkung. Gegen eine solche spricht nach Ansicht des Gerichts, daß Beihilfe und Alimentation unterschiedliche „Anknüpfungspunkte“ haben. Die Pauschale, die als Betrag für die Selbstbeteiligung an den an sich beihilfefähigen, krankheitsbedingten Ausgaben vorgesehen ist, ist im Verhältnis zum Einkommen von so geringer Höhe, daß ihre Auswirkungen „auf das Besoldungsniveau [ . . . ] so gering [wären], dass von einer relevanten Verfälschung des bundesrechtlich intendierten Spannungsverhältnisses zwischen den Besoldungsgruppen durch den Landesgesetzgeber kaum ausgegangen werden kann“.41 Der Übergang von einer rein tatsächlichen mittelbaren Auswirkung zu einer rechtsgleichen Wirkung auf die fremde Materie könnte demnach durch die Höhe der Kostendämpfungspauschale, genauer: deren Verhältnis zum Besoldungsniveau bestimmt werden. Der Begriff der „relevanten Verfälschung“ bleibt hinter dem der „Widersprüchlichkeit“ zurück und scheint eine größere Bandbreite miteinander unverträglicher Regelungen einzubeziehen. Gleichwohl orientiert sich das Bundesverfassungsgericht auch hier am Gebot der Widerspruchsfreiheit, wenn es dessen „direkte Anwendung“ nur deswegen ablehnt, weil es im vorliegenden Fall um einen möglichen Widerspruch von zwei jeweils auf Sachkompetenzen gestützten Regelungen geht. Während bei der Verfahrens- und Abgabenkompetenz vor allem deren sachregelnde Tendenz hervorgehoben wurde, die Widersprüchlichkeit hingegen nur noch eine „Formalität“ war, war der Kompetenzübergriff im Fall der Kostendämpfungspauschale schwieriger zu bestimmen. Letztlich muß die Frage nach Regelung oder nur faktischer Wirkung maßgeblich für die kompetentielle Qualifikation sein. Eine faktische Wirkung, die mittelbar regelt, existiert im kompetenzrechtlichen Sinn nicht.

2. Die Bundestreue als Kompetenzausübungsschranke Die Bundestreue bzw. das Gebot bundesfreundlichen Verhaltens versucht die systembedingten Spannungen der Bundesstaatlichkeit zu entschärfen. Um trotz der Autonomie der einzelnen Teile des Bundesstaats – der Länder jeweils untereinander und im Verhältnis zum Bund sowie des Bundes gegenüber den Ländern – die Entscheidung nicht im Konflikt, sondern im Konsens treffen zu können, werden aus der Bundestreue Anforderungen für den Umgang der Länder und des Bundes 40 41

BVerfG-K, NVwZ 2000, S. 1036 (1037). BVerfG-K, NVwZ 2000, S. 1036 (1038).

I. Die Bundestreue in der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen

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miteinander abgeleitet. Die Art der rechtlichen Herleitung wird oftmals damit beschrieben, daß das Gebot der Bundestreue „akzessorisch“ sei. Es hilft, „unentfaltete Nebenpflichten“ mit Inhalt zu füllen.42 Mit ihrer Hilfe werden anerkannte Pflichten verfeinert, konkretisiert, für den Einzelfall handhabbar gemacht. Wenn es sich lediglich um die Konkretisierung der Hauptpflichten handelt, ist die Kreation einer eigenen „Rechtsfigur“ entbehrlich.43 Methodisch problematisch wird die Anwendung der Rechtsfigur, wenn sie das geschriebene Verfassungsrecht verdrängt.44 Die „Akzessorietät“ der Bundestreue versinnbildlicht den methodischen Mehrwert gegenüber einer reinen Zwischenstufe der Konkretsierung zwischen einer (geschriebenen) Verfassungspflicht und der Subsumtion. Ob eine solche über Konkretisierung hinausgehende Funktion der Bundestreue, ein Gebot für flankierende und unterstützende oder abstimmende und harmonisierende Maßnahmen zu sein, wirklich existiert, erscheint äußerst fragwürdig. In der Regel wird einem Verfassungsrechtssatz durch Auslegung auch das Gebot zu unterstützenden Maßnahmen oder eben eine Anzahl von Nebenpflichten zur Sicherstellung der Erfüllung der „Hauptpflicht“ zu entnehmen sein. In Literatur und fachgerichtlicher Rechtsprechung nimmt die Bundestreue eine bedeutendere Rolle ein, als es bei isolierter Betrachtung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Anschein hat. Besonders in der Literatur zeigt sich ein breites Spektrum von Anwendungsmöglichkeiten. Es reicht von dem Vorschlag, in der Bundestreue ein Korrektiv der Kompetenzverteilung zu sehen,45 über eine „Pflicht zu einem Mindestmaß an Rücksichtnahme auf die Kompetenzen des anderen politischen Gemeinwesens im Bundesstaat“46 bis zu einem (funktionell äquivalenten) Ersatz für die als dogmatisch verfehlt oder im Bundesstaatsverhältnis als unzureichend angesehene Figur der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung47. Trotz dieser begrifflichen und teilweise auch in der Sache bestehenden Vielfalt herrscht die Tendenz vor, die Bundestreue nicht zu einem kompetentiellen Korrektiv zu machen; denn anerkannt ist, daß mittels des Gebots zu bundesfreundlichem Verhalten ein an sich nicht kompetenter Gesetzgeber nicht seine Kompetenz erweitern darf. Nur in Bereichen der „Überschneidung“ oder „Reibung“48 vermag die Bundestreue ein Dilemma zu vermeiden, das in einer Doppelkompetenz und der Den Begriff verwendet Stettner, Grundfragen, S. 405 f. Besonders kritisch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 268 – 270. 44 Zur Spezialität des geschriebenen vor dem ungeschriebenen Verfassungsrecht vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 270. 45 Vgl. Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (264). 46 Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (264); ähnlich Brohm, DÖV 1983, S. 525 (528 f.). 47 Siehe Haack, Regelungskonzeptionen, S. 204 ff.; vgl. schon Widmer, Normkonkurrenz und Kompetenzkonkurrenz, S. 50 ff., der das Prinzip der Widerspruchslosigkeit der Rechtsordnung im Verhältnis von Kantonen und Bund durch die Bundestreue sichern will. Verpflichtungsadressat sind nach Widmer nur die Kantone. Siehe auch Bothe, in: AltK-GG, Art. 30 Rn. 27 ff. 48 Vgl. Stettner, Grundfragen, S. 406. 42 43

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G. Die Kompetenzausübungsschranken

damit verbundenen Möglichkeit widersprüchlicher Regelungen bestünde. Die Bundestreue soll nur in Extremfällen zum Einsatz kommen,49 wenn andere Mittel – besonders diejenigen der Kompetenzverteilung – versagt haben. Sie erfülle eine Auffangfunktion.50 Die solcherart beschriebene Bedeutung des Treuegebots gleicht einem Mißbrauchsverbot. Spricht man von einer Kompetenzausübungsschranke, ist es unmöglich, bereits in abstracto diese danach zu definieren, daß nur das Wie einer gesetzlichen Regelung, nicht aber deren Ob durch das Gebot der Bundestreue eingeschränkt wird. Zum einen ist es äußerst schwierig, mehrere alternative Gesetzgebungsmöglichkeiten so zusammenzufassen, daß sie alle unter dasselbe „Ob“ fallen und sich nur im „Wie“ der Ausgestaltung unterscheiden. Es läßt sich fast stets ein Aspekt finden, der die Entscheidung gegen eine bestimmte gesetzliche Regelung als Regelungsverzicht erscheinen läßt, obwohl eine alternative Regelung gefunden wurde. Andererseits soll die Bundestreue in Einzelfällen auch das „Ob“ einer gesetzlichen Regelung, mit anderen Worten alle Regelungsalternativen eines Gesetzgebungsthemas, also dieses Thema selbst, einem an sich kompetenten Gesetzgeber versperren.51 Der einfachste Beispielsfall ist die Erweiterung der Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG gegenüber dem Landesgesetzgeber, wenn ein Bundesgesetz noch nicht in Kraft getreten ist, die Sperrwirkung aber ausnahmsweise schon durch die Gesetzesinitiative des Bundes bewirkt werden soll.52 Inhaltliche Beschneidungen des an sich zuständigen Gesetzgebers sollte man – entgegen zahlreichen Stimmen in Literatur und Rechtsprechung – möglichst nicht auf die Bundestreue stützen. Das geschriebene Verfassungsrecht kommt zu befriedigenden Lösungen möglicher Kollisionslagen: Die „retardierende“ Funktion der Bundestreue in BVerfGE 12, 205 kann ebenso aus der Rundfunkfreiheit der öffentlichrechtlichen Anstalten gewonnen werden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet einen milden Übergang bei der Neuordnung des Rundfunks und seiner Grundlagen. Wenn die Länder – nicht Grundrechtsträger – betroffen sind, kann die Bundestreue allerdings als Synonym für eine gebotene Gleichbehandlung Geltung beanspruchen. Die Verhältnismäßigkeit gilt aber (kraft Rechtsstaatsprinzips) auch hier. In BVerfGE 43, 291 (Studienplatzverteilung nach Landesquote) war die Schulpolitik der Länder von der Regelungsmaterie nicht betroffen, die Abiturienten als Grundrechtsträger hingegen schon. An ihren Grundrechten einschließlich Art. 3 Abs. 1 GG war die bundesgesetzliche Quotierung vor allem zu messen. Das Verhältnis von Landes-Beihilferecht und Bundes-Beamtenbesoldungsrecht ist kompetentiell entspannt, solange nicht das Beihilferecht die Dienstbezüge alimentationswidrig beschneidet. Dann verletzt das Landesrecht einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums. Dies alleine ist der Maßstab, nicht das Kompetenzrecht. Stettner, Grundfragen, S. 406. Stettner, ebenda. 51 Vgl. Bauer, Die Bundestreue, S. 328. 52 BVerfGE 36, 342 (363 f.). Ausführlich zur Entwicklung der Rechtsprechung Pestalozza, Grundgesetz, Art. 72 Rn. 49 ff. 49 50

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In einer weiteren Fallgruppe stellt sich die Frage, ob für alle geltende landesgesetzliche Regelungen auf die Tätigkeit der Bundesverwaltung Anwendung finden. Müssen Bundesbehörden für ihre Bauvorhaben jedenfalls ein Genehmigungsverfahren nach Vorgabe der Landesbauordnungen durchlaufen? Unterliegen Kasernen der Bundeswehr den landesgesetzlichen Straßenreinigungspflichten und -gebühren?53 Kann die Anwendung des Landesdenkmalschutzgesetzes verhindern, daß der Beschluß des Deutschen Bundestages, den alten Plenarsaal in Bonn abzureißen, in die Tat umgesetzt wird?54 Im umgekehrten Fall – der eher selten problematisiert wird55 – können ähnliche verfassungsrechtliche Bedenken56 geltend gemacht werden: Werden die Landesbehörden durch (einfache) Bundesgesetze adressiert, auch wenn sie diese nicht ausführen sollen?57 Soweit die herrschende Meinung eine Subordination des Bundes als Adressat von Landesgesetzen für möglich hält, wird doch stets eine Begrenzung dieser Möglichkeit für erforderlich gehalten. Dabei greifen die Literatur58 und, wie behauptet wird, auch die Rechtsprechung59 auf das Gebot der Bundestreue zurück. Bei der Anwendung von Bundesgesetzen auf die Landesverwaltung stellt sich das Problem auf den ersten Blick nicht mit derselben Schärfe, da die Verwaltungen der Länder ohnehin Bundesgesetze vollziehen. Sollten sie allerdings zum Vollzug von Landesrecht tätig sein, kann eine Unterwerfung der Verwaltung unter die bundesgesetzlichen Bestimmungen diesen Vollzug und damit auch die Landesgesetzgebung beeinträchtigen. Das Verhältnis der Bundesverwaltung zu Landesgesetzen oder der Landesverwaltung zu Bundesgesetzen, die sie nicht ausführt, wird vereinzelt geregelt. Denkbar ist, daß der Landesgesetzgeber, von dessen Vorschriften zugunsten der Bundesverwaltung abgewichen werden soll, die abweichende Regelung trifft oder aber der Bundesgesetzgeber, dessen Gesetze die Bundeseinrichtung ausführt. Die Regelung zugunsten des Bundes kann eine vollständige Exemtion von den materiell-rechtliBeispiel bei Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 98 Rn. 104. Vgl. Salzwedel, NWVBl. 1988, S. 97 ff.; Fluck, NJW 1987, S. 2352 ff. 55 Symptomatisch Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 98 Rn. 91 ff., der unter der Überschrift „Überordnung der Länder über den Bund“ die Beachtung von Landesgesetzen durch den Bund zur Debatte stellt, unter der Überschrift „Überordnung des Bundes über die Länder“ den spiegelbildlichen Fall hingegen gar nicht erwähnt. 56 Siehe dazu im folgenden. 57 Hier sind zwei Fälle zu differenzieren: Durch Bundesgesetz oder Landesgesetz ist eine andere Landesbehörde mit dem Vollzug beauftragt worden, aber diese gesetzliche Beschränkung auf bestimmte Vollzugsbehörden wird z. B. dem Bundesgesetz nicht gerecht; oder der Fall, daß die Landesbehörde wie ein privater Jedermann dem Bundesgesetz unterworfen sein soll. 58 Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, S. 30 ff. 59 Die von Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 98 Rn. 106 in Fn. 264, angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts sprechen lediglich von Abwägung widerstreitender Interessen. Siehe aber auch BVerwG, DVBl. 1990, S. 46 ff.; dazu Schoenenbroicher, DVBl. 1990, S. 811 ff.; Lorenz, DÖV 1990, S. 517 ff. 53 54

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G. Die Kompetenzausübungsschranken

chen Erfordernissen sein oder eine Befreiung nur von verfahrensrechtlichen Erfordernissen, wie etwa einem Genehmigungsvorbehalt und der Einhaltung des Genehmigungsverfahrens, ohne daß dadurch zugleich von den materiell-rechtlichen Anforderungen dispensiert würde. Zwischen einer Befreiung und gar keiner Sonderregelung können vielfache Abstufungen liegen. § 35 Abs. 6 StVO eröffnet Fahrzeugen, die der Daseinsvorsorge dienen, Sonderrechte, insofern sie nicht an Vorschriften der StVO gebunden sind.60 Auch nach Landesrecht tätig werdenden Behörden kommt dieses Privileg zugute. Die Landesbauordnungen nehmen Bauten der Bundeswehr vom Genehmigungsvorbehalt aus. § 5 ROG des Bundes erklärt die Ziele der Raumordnung für raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen bei Angelegenheiten des Bundes nur unter bestimmten Bedingungen für verbindlich. Der das Rahmenrecht des ROG ausfüllende Landesgesetzgeber, der die Ziele der Raumordnung festlegt, wird somit über eine nur rahmenrechtliche Bindung hinaus eingeschränkt. Die Verwaltungsvollstreckungsgesetze von Bund und Ländern enthalten Vorschriften, denen zufolge grundsätzlich nicht gegen Hoheitsträger vollstreckt werden darf, wobei die Behörden des je anderen Hoheitsträgers eingeschlossen sind. Eine Kompetenz, Bundespost oder Bundesbahn von landesgesetzlich vorgesehenen Gebühren zu befreien, sollte seinerzeit dem Bundesgesetzgeber auch kraft Sachzusammenhangs nicht zukommen.61 Die Kompetenz des Landesgesetzgebers, Einrichtungen des Bundes von materiell-rechtlichen Anforderungen auszunehmen, liegt unmittelbar in derselben Materie, die die Normierung dieser Anforderungen gegenüber jedermann deckt. Die Differenzierung nach Normadressaten liegt in der Hand desselben Gesetzgebers. Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Landesgesetzgeber den Bund nicht von landesgesetzlichen Erfordernissen befreien können soll. Die Länder können zu einer solchen Befreiung aufgrund materiellen Verfassungsrechts verpflichtet sein. Grundrechtliche Schutzpflichten und Verfassungsprinzipien können eine derartige Regelung erforderlich machen. Die Bundesverwaltung, die Bundesgesetze ausführt, welche ihrerseits Verfassungsrecht konkretisieren, darf nicht an der Erfüllung ihres verfassungsrechtlichen Auftrags gehindert werden. Wohlgemerkt ist nicht die Bundesverwaltung als solche oder ihre Tätigkeit als solche eine Konkretisierung des vom Landesgesetzgeber zu beachtenden Verfassungsrechts. Vielmehr ist auf die auszuführende Bundesgesetzgebung oder die unmittelbar durch die Bundesverwaltung zu verwirklichenden Grundrechte zu sehen, um von einer Pflicht des Landesgesetzgebers zur Exemtion auszugehen. Die Bundestreue als lediglich akzessorisches Prinzip kann nämlich nicht einfaches Bundesrecht zu Verfassungsrecht aufwerten. Kritikwürdig erscheint eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Befreiung von landesgesetzlichen Erfordernissen zu eigenen Gunsten. Wenn der Landesgesetzgeber zuständig ist, müßte es sich zudem um eine konkurrierende Kompetenz 60 Vgl. Lorenz, DÖV 1990, S. 517 (518 ff.); siehe auch BVerwG, NVwZ-RR 1992, S. 405; OVG NRW, NJW 1994, S. 1235. 61 BVerfGE 26, 281 (297 ff.).

I. Die Bundestreue in der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen

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handeln. Beispielsweise wurde die Vorschrift des § 36 Abs. 1 S. 2 BundesbahnG62 für Bauvorhaben der Bundesbahn als eine solche Sonderregelung zugunsten des Bundes verstanden.63 Der Vorschrift wurde eine materielle Konzentrationswirkung zu Lasten des Landesrechts gerade im Blick auf die Bundesverwaltungskompetenz zugeschrieben.64 Die Bundesverwaltungskompetenz für Bundeseisenbahnen kann aber nicht die Landesgesetzgebungskompetenz etwa für das Denkmalschutzrecht oder das Bauordnungsrecht beschränken. Eine Verwaltungskompetenz kann nicht weiter reichen als die entsprechende Gesetzgebungskompetenz. Eine Beschränkung der Landesgesetzgebungskompetenz, die ja eine bundesgesetzliche Exemtion der Bundesbehörden vom Landesrecht darstellt, kann nur durch eine Gesetzgebungs-, nicht durch eine Verwaltungskompetenz des Bundes erfolgen.65 In diesem Sinne wird mit einer Spezialität oder einem Übergreifen der Bundeskompetenz kraft Sachzusammenhangs argumentiert.66 So soll der Bau von Eisenbahnen des Bundes auch den Denkmalschutz erfassen. Fehlt es an bundesgesetzlichen Regelungen, komme das „allgemeine“ Denkmalschutzrecht der Länder zum Zuge. Eine derart weite Auslegung des Bundestitels scheitert in der Regel an der Spezialität des Landestitels. Das Denkmalschutzrecht ist eine selbständige Materie. Das Motiv einer denkmalschutzrechtlichen Regelung, etwa einer Exemtion von einer im allgemeinen schärferen Schutzvorschrift, ist (beim Konflikt zwischen gegenständlich bezeichneten Kompetenzmaterien 67) für die kompetentielle Qualifikation irrelevant. Die Dinge liegen nicht anders als in bezug auf eine Steuergesetzgebungskompetenz, die für Steuerbefreiungsregelungen besteht, gleich welche Motive hinter ihnen wirken. Wenn allerdings der Bundestitel selbst vom „Bau“ spricht, wie bei „Bau [ . . . ] von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes“68 oder beim „Bau [ . . . ] von Landstraßen für den Fernverkehr“69, könnte sich daraus eine kompetentielle Spezialität gegenüber der Materie des Bauordnungsrechts im allgemeinen ergeben. Die Titel weisen auf die bundeseigene Verwaltungskompetenz hin. Gleichwohl ist nicht aus dieser, sondern aus der Gesetzgebungsmaterie eine Spezialität zu ermitteln. Der Umstand, daß die Landesgesetze die Bundesverwaltung bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben „stören“ könnten, darf schon deswegen nicht beachtet werden, weil zum einen die Gesetzgebungskompetenzen im Bundesstaat gleichrangig nebeneinander stehen und zum anderen die Bundesverwaltung an die Landesgesetze gebunden ist. Jedenfalls besteht keine Spezialität zugunsten des Eisenbahnrechts gegenüber dem Denkmalschutzrecht. 70 62 63 64 65 66 67 68 69 70

Vom 13. 12. 1951 i. d. F. vom 1. 8. 1961 (BGBl. I, S. 1161). Vgl. Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, S. 9 f., m. w. N. in Fn. 12. Siehe Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, S. 14 f. So auch Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, S. 29, mit Fn. 80. Vgl. Schweitzer / Meng, DVBl. 1975, S. 940 (941 ff.). Siehe oben D. III. 3. c). Art. 73 Nr. 6 a GG. Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG. Siehe BVerwG, DÖV 1984, S. 814.

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G. Die Kompetenzausübungsschranken

Für eine Exemtion der Bundesverwaltung wurde ferner angeführt, weder die Landesgesetzgebung noch die Landesverwaltung dürfe in die Bundesverwaltung eingreifen, es sei denn, der Bundesgesetzgeber ließe Ausnahmen zu.71 Die Frage nach der Exemtionskompetenz wird zum Verschwinden gebracht durch die Begrenzung der Landesgesetzgebungskompetenz. In casu ging es darum, ob ein Bundesbahnbeamter die Bodendecke eines Bahndamms zugunsten des Bahnbetriebs abbrennen durfte, obwohl er dadurch gegen ein landesnaturschutzrechliches Verbot verstieß.72 Die Bundesverwaltungskompetenz dient der Ausführung von Bundesgesetzen oder – im Bereich der nicht-gesetzesakzessorischen Verwaltung – der Erfüllung von Bundesaufgaben. Durch diesen Bezug auf Bundesrecht werden die Behörden des Bundes jedoch nicht von der Beachtung des kompetenzgemäßen Landesrechts freigestellt. Die Verpflichtung zu dessen Beachtung folgt aus Art. 20 Abs. 3 GG. Der Landesgesetzgeber kann den Bund nicht zur Ausführung von Landesgesetzen verpflichten. Es ist sogar unzulässig, daß Behörden des Bundes Landesrecht ausführen. Die Beachtung der Landesgesetze ist aber ein aliud zur Ausführung der Landesgesetze. Wenn allgemeine, das heißt auch gegenüber Privaten geltende Gesetze eines Hoheitsverbandes die Verwaltung des anderen Hoheitsverbandes bei deren Aufgabenerfüllung beschränken oder binden, ist das Interesse an der betroffenen Aufgabe im Rahmen des beschränkenden Rechtssatzes und bei dessen Anwendung zu berücksichtigen. Die Abwägung innerhalb des Ermessens oder die planerische Berücksichtigung von Belangen bilden die Grundlage dafür. Jedoch darf die gesetzgeberisch festgelegte Aufgabe des beschränkten Hoheitsträgers nicht zum Zweck der Ausübung des von dem beschränkenden Hoheitsträger normierten Ermessens werden (vgl. § 40 VwVfG). Fehlen Ermessensvorschriften ganz und gibt es auch keine Exemtionen, ist das Gebot der Bundestreue verletzt, wenn man nicht doch durch verfassungskonforme Auslegung ein allgemeines Gebot verhältnismäßiger und ermessensfehlerfreier Entscheidung den jeweiligen Normen entnehmen kann.

II. Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung Das Bundesverfassungsgericht hat gleichsam zwischen der Abgrenzung der Kompetenzen durch Kompetenzauslegung und kompetentielle Qualifikation der einzelnen Gesetze einerseits und der bekannten Kompetenzausübungsschranke der Bundestreue andererseits eine neue Grenze für den „an sich“ kompetenten Gesetzgeber geschaffen. Es hat dafür den „Widerspruch“ zwischen einzelnen Gesetzen oder gesetzlichen Konzeptionen zum Ausgangspunkt für eine kompetentielle Beschränkung eines der beiden Gesetzgeber genommen. Diese Form der Beschränkung wird vom Gericht selbst als Kompetenzausübungsschranke bezeichnet. Dabei 71 72

BayObLG, BayVBl. 1957, S. 295. BayObLG, BayVBl. 1957, S. 295.

II. Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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bedient sich das Bundesverfassungsgericht in den wenigen bisher in der Sache ergangenen Entscheidungen nicht des Begriffs „Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung“.73 Die Umschreibung ist vorsichtiger: Die bundesstaatliche Ordnung der Gesetzgebungskompetenz in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verpflichte „alle rechtsetzenden Organe, ihre Regelungen jeweils so aufeinander abzustimmen, daß den Normadressaten nicht gegenläufige Vorschriften erreichen, die Rechtsordnung also nicht aufgrund unterschiedlicher Anordnungen widersprüchlich wird“.74 Diese Rechtsprechung wurde durch drei Entscheidungen im Jahr 1998 begründet. Zwei dieser Entscheidungen datieren vom selben Tag.75 Dabei ging es um das Verhältnis von Landesabfallabgabengesetzen zum Bundes-Immissionsschutzrecht76 und um die Verhältnisbestimmung einer kommunalen Verpackungssteuer aufgrund landesgesetzlicher Ermächtigungsgrundlage zum Kreislaufwirtschaftsund Abfallrecht des Bundes77. Später folgte die Entscheidung zum Bayerischen Schwangerenhilfeergänzungsgesetz, die das bayerische Berufsrecht und das Bundesstrafrecht zum Schutz des ungeborenen Lebens gegeneinander hielt.78 Die Rechtsprechung ist, abgesehen von zwei beiläufigen Erwägungen,79 vom Gericht im Zusammenhang mit den Gesetzgebungskompetenzen noch nicht wieder aufgegriffen worden. Die Verwaltungsgerichte haben sich seither vereinzelt auf den Gedankengang berufen,80 und zumindest in einem Fall wurde dabei ausdrücklich vom Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung gesprochen.81 Die Literatur hat die Figur vielfach behandelt. Die Ansätze reichen von kreativer Weiterentwicklung über verhaltene Zustimmung bis zu radikaler Ablehnung82. Die mit dem Gebot der Bundestreue gemeinsame Eigenschaft als Kompetenzausübungsschranke veranlaßt Haack dazu, Widerprüche mit Hilfe der Bundestreue aufzulösen und so das Gebot der Widerspruchsfreiheit entbehrlich zu machen.83

73 Oder auch nur der Wendung „Prinzip der Widerspruchfreiheit der Rechtsordnung“. Doch schon die Urteilsbesprechungen unterstellen dem Gericht die Anwendung eines solchen: Vgl. Schmidt / Diederichsen, JZ 1999, S. 37 (38). 74 BVerfGE 98, 83 (97); 98, 106 (118 f.); 98, 265 (298 ff.); BVerfG-K, NVwZ 2000, S. 1036 (1037). 75 BVerfGE 98, 83 und BVerfGE 98, 106. 76 BVerfGE 98, 83. 77 BVerfGE 98, 106. 78 BVerfGE 98, 265. 79 BVerfG-K, NVwZ 2000, S. 1036 (1037), sowie BVerfG, 2 BvF 6 / 98 vom 15. 7. 2003, insbes. Abs. 49. 80 BVerwGE 110, 248 erkennt die Grundsätze ausdrücklich an, lehnt ihre Anwendung im konkreten Fall aber ab; anders die Vorinstanz OVG Nds., DVBl. 1999, S. 406; OVG Nds., NdsVBl. 1999, S. 187; OVG NRW, DVBl. 1998, S. 1234; VGH BW, DÖV 2003, S. 162 (164). 81 Vgl. BVerwG, NVwZ 2000, S. 932 f. 82 Vgl. statt vieler Brüning, NVwZ 2002, S. 33 (37); Bumke, ZG 1999, S. 376 (384).

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G. Die Kompetenzausübungsschranken

Steuck sieht das Gebot hingegen als einen Baustein für eine noch ausstehende umfassende Bewältigung von „Normgeflechten“ an.84 Konrad erkennt in der Widerspruchsfreiheit eine Ausprägung des Gebots der Folgerichtigkeit bzw. Systemgerechtigkeit der Gesetzgebung, obwohl das Gebot der Widerspruchsfreiheit aus der bundesstaatlichen Kompetenzordnung in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitet wird, das Gebot der Folgerichtigkeit aber aus Art. 3 Abs. 1 GG folgen soll.85 Damit wäre die Kompetenzausübungsschranke eine Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes.86 Die ausführliche Beschäftigung in der Literatur hat zumindest drei tiefer liegende Ursachen. Zum einen berührt das Gebot der Widerspruchsfreiheit die bundesstaatliche Rechtsordnung in ihrem Kern. Verwerfungen und Friktionen, die es im Zentralstaat nicht gibt, gehören zum Alltag des Bundesstaats. Mit der Widerspruchsfreiheit könnte ein Instrument gefunden worden sein, die Nachteile bundesstaatlicher Regelungsvielfalt mit der logischen Stringenz gesetzgeberischen Zentralismus’ auf einen Nenner zu bringen.87 Der zweite Grund ist die rechtstheoretische und rechtswissenschaftliche Fundierung des Prinzips der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung. Nur ein in sich widerspruchsfreies Gesetz kann Geltung beanspruchen.88 Gesetze desselben Gesetzgebers, die sich logisch widersprechen, ohne daß Auslegung diesen Widerspruch auflösen könnte, können nicht beide nebeneinander bestehen. Für Gesetze verschiedener Gesetzgeber, die sich logisch widersprechen, ordnet dies Art. 31 GG an: Das Bundesgesetz, sofern es kompetenzgemäß ist, geht dem ebenfalls kompetenzgemäßen Landesgesetz vor. Nach hier vertretener Auffassung ist Art. 31 GG für den Konflikt zwischen jeweils formellem Bundes- und Landesgesetz gegenstandslos, da aufgrund einer eindeutigen kompetentiellen Qualifikation ein Widerspruch denklogisch ausgeschlossen ist. Der logische Widerspruch wird von der 83 Haack, Regelungskonzeptionen, S. 198 ff. Ähnlich für die Schweizer Bundesverfassung Widmer, Normkonkurrenz und Kompetenzkonkurrenz, S. 32 f.: Das Gebot der Bundestreue wurzele im Postulat der Widerspruchslosigkeit der Rechtsordnung. 84 Steuck, NVwZ 2002, S. 51 (53). 85 Konrad, DÖV 1999, S. 12 (17). 86 Vgl. BVerfGE 98, 83 (104) – gegen die Zulässigkeit landesrechtlicher Abfallabgaben: „Damit ist die Wahl unter den Handlungsmitteln jedem Anlagenbetreiber bundesweit in gleicher Weise eröffnet und darf um der Wettbewerbsgleichheit willen nicht landesrechtlich verengt werden.“ 87 Wobei das Gebot auch zugunsten des Landesgesetzgebers wirken kann. Das betont selbst das Bundesverfassungsgericht mit einem hypothetischen Fall: „Würde der Bundesgesetzgeber etwa durch eine Lenkungssteuer mit Lenkungsdruck in einem vom Landesgesetzgeber geregelten Bereich des Kultusrechts gestaltend einwirken, überschritte er seine Steuerkompetenz, wenn er dadurch zu einer dem Regelungskonzept oder einer Einzelaussage des Landesgesetzgebers zuwiderlaufenden Verhaltensweise veranlassen würde“ (BVerfGE 98, 106 [119 f.]). 88 In der Zivilrechtslehre ist eine in sich widersprüchliche Willenserklärung „perplex“ und nichtig. Vgl. auch BVerfGE 108, 169 (181 f.).

II. Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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Rechtsordnung mit Nichtgeltung beantwortet. Neben den logischen Widersprüchen existieren Wertungs- und Prinzipienwidersprüche, die eine Auflösung nicht (jedenfalls) gebieten. Das Bemühen um die „Einheit der Rechtsordnung“ versucht sich an der Auflösung auch solcher Widersprüche. Das auf der Rechtsfolgenseite anzutreffende terminologische Changieren zwischen dem (zwingenden) Gebot der Widerspruchsfreiheit und dem (auf Optimierung zielenden, nicht aber in jedem Einzelfall zwingenden) Postulat bzw. Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung bildet die Verschiedenheit der aufzulösenden Widersprüche auf der Tatbestandsseite ab. Dabei wird die Einheit der Rechtsordnung selbst zum Rechtsprinzip erhoben. Ein über die Auflösung logischer Widersprüche hinausgehendes Gebot der (Wertungs)Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung hat seine Wurzel in dem jeweiligen Verständnis von der Rechtsordnung, dem Stufenbau der Normen und einer „Grundnorm“, in der die Normenhierarchie gipfelt.89 Drittens ist die mit der Widerspruchsfreiheit zu assoziierende logische Genauigkeit ein Anreiz für die Rechtswissenschaft, sich als exakte Wissenschaft zu beweisen. Dies spitzt sich auf die Frage zu, ob die gebotene Exaktheit der rechtswissenschaftlichen Methoden sich in ihrem Gegenstand, dem normativen „Material“, spiegeln muß.90 Die Argumentation eines Rechtsinterpreten wird als unzulässig abgewiesen, wenn sie einen Wertungswiderspruch bei der Anwendung derselben Norm produziert bzw. zuläßt. Wenn allerdings ein Wertungswiderspruch zwischen zwei Normen existiert, ist dieser in der Regel91 nicht von Rechts wegen auflösungsbedürftig.92 Werden also Auslegungsmethode und Auslegungsgegenstand mit doppeltem Maß gemessen? Die Diskussion um die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung wird zum Anlaß, das Verhältnis von Norm und Normanwendung zu bestimmen. Im folgenden werden die einschlägigen Judikate des Bundesverfassungsgerichts im Blick auf ihren Umgang mit „widersprüchlichen“ Regelungen dargestellt. Dabei wird auf alternative Lösungsmöglichkeiten hingewiesen.

Zur Grundnorm Kelsen, Reine Rechtslehre, 1. Aufl. 1934, S. 66 ff. Dagegen wirft Haack (Regelungskonzeptionen, S. 127) Sodan (JZ 1999, S. 864 [866 ff.]) vor, die Rechtswissenschaft mit ihrem Gegenstand zu identifizieren, also zu verwechseln. 91 Sofern die Verfassung keine Auflösung des Widerspruchs verlangt, siehe Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (593). 92 Vgl. Larenz / Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 155; Jarass, VVDStRL 50 (1991), S. 238 (262). 89 90

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G. Die Kompetenzausübungsschranken

1. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts a) Unzulässigkeit kommunaler Verpackungssteuern (BVerfGE 98, 106) In BVerfGE 98, 106 beschäftigt sich das Gericht mit einer kommunalen Verpakkungssteuer auf nicht wiederverwendbare Verpackungen und nicht wiederverwendbares Geschirr, die erhoben wurde, sofern darin Speisen und Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle verkauft wurden. Als Steuerschuldner legte die kommunale Satzung die Endverkäufer der Speisen und Getränke fest. Von der Steuer wurden die Endverkäufer insoweit befreit, als sie Verpackungen und Geschirr am Ort der Ausgabe zurücknahmen und einer stofflichen Verwertung außerhalb der öffentlichen Abfallentsorgung zuführten. Die Satzung der Kommune stützte sich auf § 7 HessKAG. Das Bundesverfassungsgericht sieht das Kommunalabgabengesetz des Landes, soweit es zu der genannten kommunalen Steuer ermächtigt, grundsätzlich als kompetenzgemäß an. Die Steuergesetzgebungskompetenz aus Art. 105 Abs. 2 a GG würde das Gesetz somit decken. Das gelte auch für Steuergesetze, die Lenkungswirkungen in einem nicht steuerlichen Kompetenzbereich entfalten. Das Steuergesetz bedürfe dann ebenfalls nur der Steuergesetzgebungskompetenz und nicht auch der Sachgesetzgebungskompetenz derjenigen Materie, in die lenkend eingegriffen wird. Damit entscheidet sich das Gericht deutlich gegen die sogenannte „Doppelkompetenztheorie“. Die Steuergesetzgebungskompetenz reiche selbst dann aus, wenn die Lenkung Haupt- und nicht nur Nebenzweck ist.93 Lediglich „wenn die steuerliche Lenkung nach Gewicht und Auswirkung einer verbindlichen Verhaltensregel nahekommt, die Finanzfunktion der Steuer also durch eine Verwaltungsfunktion mit Verbotscharakter verdrängt wird, bietet die Besteuerungskompetenz keine ausreichende Grundlage“.94 Nachdem mit der Verabschiedung der Doppelkompetenztheorie einem Nebeneinander von Sachregelungen und im Hauptzweck lenkender Steuer der Weg geebnet ist, sucht das Bundeverfassungsgericht gleichsam zur Kompensation eine Einschränkung. „Die Ausübung der Steuergesetzgebungskompetenz in einem anderweitig geregelten Sachbereich ist jedoch nur zulässig, wenn dadurch die Rechtsordnung nicht widersprüchlich wird. Greift die steuerliche Lenkung auf eine Sachmaterie über, darf der Steuergesetzgeber nicht Regelungen herbeiführen, die den vom zuständigen Sachgesetzgeber getroffenen Regelungen widersprechen.“95 Damit kommt es für die Reichweite der Steuergesetzgebungskompetenz auf die einfachgesetzliche Ausformung durch den Sachgesetzgeber an. Besteht eine solche nicht, ist die Lenkungssteuer keiner Beschränkung ausgesetzt. Bestehen sachge93 BVerfGE 98, 106 (118), mit Hinweis auf BVerfGE 55, 274 (299); das hatte auch das Bundesverwaltungsgericht in derselben causa festgestellt, NVwZ 1995, S. 59. 94 BVerfGE 98, 106 (118), mit Hinweis auf BVerfGE 38, 61 (81); so wiederum auch BVerwG, NVwZ 1995, S. 59. 95 BVerfGE 98, 106 (118).

II. Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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setzliche Regelungen, ist nach einem „Widerspruch“ zwischen diesen und der Lenkungswirkung der Steuer zu forschen. Jedoch ist dem Gericht die genaue Bestimmung dessen, was den Widerspruch ausmacht, nicht gut gelungen: Der Steuergesetzgeber dürfe „die vom Sachgesetzgeber getroffenen Entscheidungen nicht durch Lenkungsregelungen verfälschen, deren verhaltensbestimmende Wirkungen dem Regelungskonzept des Sachgesetzgebers zuwiderlaufen“.96 Der Begriff der „Lenkungsregelung“ irritiert. Denn der Steuergesetzgeber ist ja nur deshalb zu Steuergesetzen mit „Lenkungswirkung“ kompetent, weil die Steuernorm auch bei einer Lenkung als Hauptzweck noch einen Finanzierungszweck besitzt und sie ihre Regelung in Gestalt der von ihr angeordneten Steuerrechtsfolge und nicht als Regelung einer Lenkung trifft. Das Bundesverfassungsgericht äußert sich nicht zu der Frage, ob nur Steuergesetze, bei denen die Lenkungswirkung Hauptzweck ist, die Kompetenzausübungsschranke97 beachten müssen oder ob auch Steuergesetze mit einer nur als Nebenzweck verfolgten Lenkung darunter fallen. Mit Bestimmtheit kann man sagen, daß nicht erst das Steuergesetz, das nach Gewicht und Auswirkung einer verbindlichen Verhaltensregel nahekommt und dem somit ein sachgesetzlicher Verbotscharakter anhaftet, eine den Sachgesetzen zuwiderlaufende Lenkung hervorrufen kann. Denn ein solches Steuergesetz ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts98 und des Bundesverwaltungsgerichts schon nicht von der Steuergesetzgebungskompetenz gedeckt.99 Einer zusätzlich eingreifenden Ausübungsschranke für diese Kompetenz bedürfte es nicht erst. Damit wird das durch die Ablehnung der Doppelkompetenztheorie für den Steuergesetzgeber gewonnene Terrain gleich wieder eingeschränkt. Ausdrücklich nennt das Gericht die Art der Einschränkung eine „Schranke der Kompetenzausübung“.100 Als Ausübungsschranke wirkt sie sich nicht in abstracto auf die Steuerkompetenz aus, sondern nur bei einer bestimmten einfachgesetzlichen Ausgestaltung durch den Sachgesetzgeber ist der Steuergesetzgeber beschränkt. Ferner kann der Sachgesetzgeber nicht selbst das seinen Regelungen widersprechende Steuergesetz normieren. Beide Komponenten können als die charakteristischen Merkmale der Kompetenzausübungsschranke gegenüber der Kompetenzgrenze angesehen werden. Die bisher bekannte Kompetenzausübungsschranke, das Gebot bundesfreundlichen Verhaltens, wird ebenfalls angeführt: „Die Verpflichtung zur Beachtung der bundesstaatlichen Kompetenzgrenzen und zur Ausübung der Kompetenz in wechselseitiger bundesstaatlicher Rücksichtnahme (vgl. BVerfGE 81, 310 [339]) wird durch das Rechtsstaatsprinzip in ihrem Inhalt verdeutlicht und in ihrem Anwendungsbereich erweitert.“101 BVerfGE 98, 106 (119). Zu dieser Einordnung sogleich. 98 Vgl. etwa BVerfGE 16, 147 (161 f.). 99 So auch Bumke, ZG 1999, S. 376 (380). 100 BVerfGE 98, 106 (119). 101 BVerfGE 98, 106 (118). 96 97

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G. Die Kompetenzausübungsschranken

Das Bundesverfassungsgericht stellt eine Vielzahl von Widersprüchen und Gegenläufigkeiten zwischen den Lenkungswirkungen einzelner Vorschriften der kommunalen Steuersatzung einerseits und dem Bundesrecht andererseits fest. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Regelung von Abfallvermeidung und -verwertung folge aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG.102 Das darauf gestützte Abfallgesetz (AbfG) verfolgte schon in seiner Fassung von 1986 ein Konzept der Kooperation zwischen öffentlicher und privater Hand. § 14 AbfG 1986 bildete die Ermächtigungsgrundlage für Verordnungen, die private Wirtschaft zu eigenverantwortlichem abfallwirtschaftlichen Handeln zu veranlassen.103 Die Verpackungsverordnung aus dem Jahr 1991104 sucht eine umfassende und kooperative Lösung. Sie nimmt auch die Hersteller von Verpackungen und nicht nur Vertreiber und Verbraucher in die Verantwortung. Das Gericht hält nicht nur die normativen Gehalte für einen Ausdruck des Kooperationsprinzips, sondern ebenfalls den Umstand, daß der Konsens über das duale System von den beteiligten Kreisen vorgeschlagen und vom Verordnungsgeber aufgenommen wurde. Das nunmehr geltende Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz verfolge dieselbe Konzeption wie die Verpackungsverordnung, so daß das Gericht von einem „gesetzlichen Kooperationsprinzip“ sprechen kann.105 Dem gesetzlichen Kooperationsprinzip laufe die Lenkung durch die Verpakkungssteuer zuwider. Das Bundesverfassungsgericht prüft vier Widersprüche. (1) Die steuerliche Lenkung sei mit der Offenheit der Handlungsmittel des dem Abfallgesetz zu entnehmenden Kooperationskonzepts unvereinbar. Sie fördere mit dem Verzicht auf Einweggeschirr und mit der stofflichen Verwertung außerhalb der öffentlich-rechtlichen Entsorgung ein bestimmtes Verhalten, während der Sachgesetzgeber die Konkretisierung der Mittel zur Vermeidung von Verpackungsabfällen den beteiligten Kreisen überlassen habe. Das Gericht bezeichnet die Steuer als sanktionsbewehrte Verhaltenslenkung. Damit findet es einen Begriff, die Steuer den „ordnungsrechtlichen Mitteln“ anzunähern, auf die der Sachgesetzgeber bewußt verzichtet hat. (2) Die steuerliche Lenkung richtet sich zudem an einen nur begrenzten Adressatenkreis, die Endverkäufer für den Verzehr an Ort und Stelle, während das Abfallrecht weiter ausgreift und von der Herstellung über den Vertrieb bis zum Endverkäufer und Konsumenten alle zu einvernehmlichen Lösungen anregen soll. Die Konzentration des steuerlichen Lenkungsdrucks auf Letztvertreiber und Konsumenten nehme den abfallgesetzlichen Kooperationsdruck von Herstellern und Zwischenvertreibern.106 Zudem könne die steuerliche Lenkung das abfallwirtschaftli102 „Abfallbeseitigung“; kritisch zur Einbeziehung der der Abfallentstehung vorgelagerten Abfallvermeidung Pestalozza, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 1760, mit weiteren Nachweisen in Fn. 3215. 103 Vgl. BVerfGE 98, 106 (127). 104 Vom 12. 6. 1991, BGBl. I, S. 1234. 105 BVerfGE 98, 106 (130).

II. Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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che Gesamtziel nicht erreichen, weil der einzelne Endverkäufer sich durch Abgabenzahlung freikaufen könne. (3) Die steuerliche Verhaltenslenkung widerspreche den verbindlichen Zielsetzungen des Abfallgesetzes – Vermeidung und Verwertung des Abfalls –, weil sie das Ob des Vermeidungserfolgs, also die Nichterfüllung des Steuertatbestands, den Verkäufern freistellt. (4) Die Verpackungsverordnung eröffnet die Alternative, zwischen der individuellen Rücknahme und der Beteiligung an einem kollektiven Rücknahmesystem zu unterscheiden. Die Satzung zur Verpackungssteuer berücksichtigt die Beteiligung an dem Rücknahmesystem bei fehlender eigener Rücknahme nur unzureichend, insofern die Steuerbefreiung nicht total ist. Auch das sei ein Widerspruch.107 Stellungnahme Möglich soll sein, daß ein Widerspruch zwischen der steuerlichen Lenkung einerseits und der Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung oder konkreten Einzelregelungen andererseits besteht.108 Das Gericht bezieht sich nur auf Widersprüche zur Gesamtkonzeption des Abfallrechts. Fraglich ist, ob die Gesamtkonzeption überhaupt Produkt der Ausübung der Gesetzgebungskompetenz ist. Die Gesamtkonzeption folgt aus der Gesamtschau der Normen und der Normgeschichte. Es besteht die Gefahr, daß der Gesetzesinterpret diejenigen Ziele, die in den einzelnen Gesetzen nur unzulänglich zum Ausdruck kommen, dem Gesetz als Konzept unterstellt und diesem so gesetzliche Wirkung verleiht. Bezeichnenderweise fehlt die Feststellung eines Widerspruchs zwischen der steuerlichen Lenkungswirkung und einer einzelnen abfallrechtlichen Norm. Ein solcher Widerspruch wird sich nicht finden lassen, wenn beide Normen kompetenzgemäß sind. Nur durch den Bezug zum Kooperations-„Prinzip“, das kompetentiell nicht eindeutig zugeordnet wird, kann ein Widerspruch konstruiert werden. Zu Recht wird die Frage gestellt, ob der Widerspruch zwischen Lenkung und Prinzip ein Regel-Prinzipen-Konflikt ist.109 Das Kooperationsprinzip könnte ein Optimierungsgebot sein. Dafür spricht, daß der Gesetzgeber eine normativ verbindliche Regelung eindeutiger regeln müßte. Jedoch darf die Kompetenz nicht durch eine praktische Konkordanz ermittelt werden, bei der die hinter der Lenkungswirkung und dem Kooperationsprinzip stehenden verfassungsrechtlichen Prinzipen gegeneinander abgewogen werden.110 Der Gesetzgeber einer Steuer mit Lenkungswirkung soll seine Kompetenz überschreiten, wenn der Sachgesetzgeber den steuerlich verfolgten Lenkungszweck 106 107 108 109 110

BVerfGE 98, 106 (132). BVerfGE 98, 106 (133). BVerfGE 98, 106 (119 f.). So Bumke, ZG 1999, S. 376 (380 in Fn. 25). Das erwägt Bumke, ZG 1999, S. 376 (380 in Fn. 25).

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G. Die Kompetenzausübungsschranken

ausgeschlossen oder aber gegenläufige Lenkungswirkungen oder Handlungsmittel vorgeschrieben habe.111 Die erste Aussage stimmt nur dann, wenn es dem Steuergesetzgeber aus Kompetenzgründen verwehrt ist, ein gesetzlich vorgeschriebenes Verhalten zu besteuern. Denn dann würde sein Gesetz eine Lenkungswirkung zugunsten eines sachgesetzlich verbotenen Verhaltens entfalten. Das Sachgesetz sagt jedoch nicht viel über die Zulässigkeit einer Besteuerung aus. So ist die Besteuerung gesetzlich vorgeschriebener Verhaltensweisen nicht kompetenzwidrig. Besteht etwa ein Kontrahierungszwang zum Abschluß eines entgeltlichen Vertrags, kann die Einkunft des Kontrahierungspflichtigen nicht deswegen bei der Bemessung der Steuergrundlage außer acht bleiben, weil er zu dem Geschäft von Gesetzes wegen verpflichtet war. Wird verbotenes Verhalten besteuert, ist dies weder Anreiz, das Verbot zu unterlaufen, noch wird das sachgesetzliche Verbot in Frage gestellt. Darüber hinaus schreibt der Sachgesetzgeber keine Lenkungswirkung vor, sondern regelt durch zwingende Vorschriften oder lenkt durch Anreize. Im letzteren Fall verzichtet er gerade auf eine zwingende Regelung. Damit stellt er sich gleichsam auf dieselbe Stufe nicht-zwingender Lenkung, die der Gesetzgeber der Lenkungssteuer anwendet. Er schafft ein zusätzliches Motiv für die Entscheidung des Bürgers. Es ist nicht einsichtig, wieso darin ein kompetentieller Widerspruch zwischen den beiden lediglich jeweils einen Anreiz schaffenden Gesetzgebern liegen soll. Der Schlüssel zur Lösung unter Umständen gegenläufiger Handlungsanreize ist vielmehr die Perspektive des Bürgers und damit eine grundrechtliche Betrachtungsweise.112 Der Sachgesetzgeber kann auch nicht die Lenkungswirkung des Steuergesetzes, sondern nur das Verhalten, auf das hin die Steuer lenkt, verbieten. Dann wäre das Verhalten der Steuervermeidung gesetzlich verboten. Eine Lenkungswirkung mag immer noch bestehen, aber sie berührt nicht die Kompetenzgemäßheit des Steuergesetzes. Wenn die Steuer eine so große Lenkungswirkung entfaltet, daß sie das gesetzwidrige Verhalten geradezu provoziert, ist dies wiederum eine Frage der materiellen Verfassungsmäßigkeit des Steuergesetzes. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Perspektive (umgemünzt auf die Kompetenzausübungsschranke) auch wahrgenommen, indem es danach fragt, ob den Normadressaten gegenläufige Regelungen erreichen. Der Lenkungswirkung des Steuergesetzes wird ein Konzept entgegengehalten, das sich aus mehreren Normen und deren Regelungszielen zusammensetzt. Die teleologische Grundlage einer kommunalen Verpackungssteuer wird vom Bundesverfassungsgericht vollständig ausgeblendet. Die Besteuerung mag nicht alleine die Lenkungswirkung entfalten, daß vermieden wird, den Steuertatbestand zu erfüllen. Die Einnahmen der Steuer können auch helfen, die Lasten für die Allgemeinheit zu tragen, die aus der Produktion von Abfall entstehen. Zwar rückt die kommunale Verpackungssteuer damit in die Nähe einer Gebühr, deren regelnde BVerfGE 98, 106 (120). Vgl. die Andeutung bei Hennecke, ZG 1998, S. 275 (293): „Blick auf den Normadressaten“. 111 112

II. Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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Ausgestaltung wiederum dem Sachgesetzgeber zusteht. Aber da solche Überlegungen eine grundrechtliche Rechtfertigung örtlicher Verbrauchsteuern tragen könnten, hätten sie berücksichtigt werden müssen. Die materiell-verfassungsrechtlichen Bindungen des Steuergesetzgebers können nicht der Grund für eine verfassungswidrige Widersprüchlichkeit zu einem Sachgesetz sein. Wenn man allerdings der Ansicht ist, daß der mit einer Lenkungswirkung angestrebte Zweck dann nicht für die Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs herangezogen werden darf, wenn der jeweilige Gesetzgeber der Lenkungswirkung nicht auch einen Regelungsgehalt hätte geben dürfen, scheitert das Gesetz erst am materiellen Verfassungsrecht. b) Unzulässigkeit landesgesetzlicher Abfallabgaben (BVerfGE 98, 83) In BVerfGE 98, 83 hielt das Bundesverfassungsgericht die Abfallabgabengesetze der Länder Baden-Württemberg, Hessen und Niedersachsen für verfassungswidrig, weil sie in Widerspruch zum Kooperationskonzept des Bundes-Immissionsschutzrechts stünden. Die Landesgesetze sahen vor, daß eine Abgabepflicht entsteht, wenn ein Erzeuger von Sonderabfällen abgabepflichtige Abfälle zur Entsorgung abgibt oder sie in eigenen Anlagen verbrennt oder ablagert bzw. wenn der Erzeuger die Abfälle an den Träger der Sonderabfallentsorgung oder zur Behandlung oder Ablagerung in betriebseigenen oder sonstigen dafür zugelassenen Anlagen übergibt. Nach dem niedersächsischen Abfallabgabengesetz wurde die Abgabe nicht erhoben, wenn die Abfälle stofflich verwertet wurden, ohne dabei das Wohl der Allgemeinheit zu beeinträchtigen. Das Bundesverfassungsgericht sieht die Landesabfallgesetze als mit der bundesstaatlichen Ordnung der Gesetzgebungskompetenzen113 in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar an. Unter Hinweis auf die Entscheidung zur kommunalen Verpackungssteuer wird wiederholt, daß Kompetenzordnung und Rechtsstaatsprinzip alle rechtssetzenden Organe verpflichten, „ihre Regelungen so aufeinander abzustimmen, daß den Normadressaten nicht gegenläufige Vorschriften erreichen, die Rechtsordnung also nicht aufgrund unterschiedlicher Anordnungen widersprüchlich wird“114. Die Abfallabgabengesetze könnten Sonderabgaben sein, so daß sie der Sachgesetzgebungskompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG bedürften.115 Dann kommt es darauf an, ob das Abfallgesetz und das BundesImmissionsschutzgesetz gemäß Art. 72 Abs. 1 GG eine Sperrwirkung gegenüber diesen Abgabengesetzen entfalten. Wenn die Abgabe eine Steuer ist,116 kommt In Klammern werden Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG und Art. 105 Abs. 1 GG angeführt. BVerfGE 98, 83 (97). 115 BVerfGE 98, 83 (100 f.), mit Hinweis auf BVerfGE 82, 159 (179); vgl. zur Notwendigkeit der Sachkompetenz auch Schiller, Sonderabgaben, S. 91 ff. 116 Die Qualifikation als Steuer ist fraglich, weil das Aufkommen aus den Abgaben zwar dem jeweiligen Landeshaushalt zufloß, aber mit einer Zweckbindung versehen war, und weil 113 114

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G. Die Kompetenzausübungsschranken

Art. 105 Abs. 2 a GG als Kompetenzgrundlage in Betracht. Diese Frage und damit die (grundsätzliche) Gesetzgebungskompetenz für die Landesabfallabgabengesetze läßt das Gericht allerdings offen, „weil die Lenkungsabgaben den Vorgaben des Bundes-Immissionsschutzrechts widersprechen und schon deshalb insgesamt verfassungswidrig sind“.117 Damit wird stillschweigend vorausgesetzt, daß die Kriterien für die Kompetenzausübungsschranke der Widerspruchsfreiheit identisch mit denjenigen der (auch einen Widerspruch ausschließenden) Sperrwirkung gemäß Art. 72 Abs. 1 GG sind. Bestünde eine Kompetenz sowohl für ein Bundes- als auch für ein Landesgesetz, sei dennoch ein Widerspruch zwischen Sachregelung und Abgabengesetz möglich. Eine solche „Kollision“ könne „vor allem auftreten, wenn mit dem Abgabengesetz Lenkungswirkungen erzielt werden sollen, die den Regelungen des zuständigen Sachgesetzgebers zuwiderlaufen. In einem solchen Fall trifft der Abgabengesetzgeber in den vom Sachgesetzgeber erlassenen Regelungen auf eine Grenze der Kompetenzausübung.“118 Wiederum betont das Gericht, daß das Abgabengesetz nur insoweit in eine Sachmaterie lenkend eingreifen dürfe, „als die Lenkung weder der Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung noch konkreten Einzelregelungen zuwiderläuft“.119 Doch auch in dieser Entscheidung konkretisiert keine Einzelregelung, sondern abermals eine gesetzgeberische Konzeption die Kompetenzausübungsschranke für den Landesabgabengesetzgeber. Das aus BImSchG und KrW- / AbfG zu folgernde Konzept einer Kooperation zwischen Verwaltung und Betreibern einer abfallerzeugenden Anlage sei der Maßstab, dem eine in den Anwendungsbereich des Bundes-Immissionsschutzrechts einwirkende Lenkungsabgabe nicht zuwiderlaufen dürfe.120 Die konkreten Umweltpflichten in bezug auf Abfallvermeidung und -verwertung in genehmigungsbedürftigen Anlagen werden in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG nach einem „individualisierenden Maßstab der Verhältnismäßigkeit“ bemessen, der Raum für die Berücksichtigung der wirtschaftlichen und technischen Möglichkeiten des einzelnen Anlagenbetreibers läßt. Es kommt bei der Bemessung der abfallrechtlichen Pflichten zu einer Abwägung zwischen betriebsnützigen und gemeinwohldienlichen Anliegen.121 Das Abgabenrecht operiere hingegen mit einer „generellen Lenkung“, die nicht auf die Besonderheiten der einzelnen Anlage abgestimmt werden könne.122 die Steuer nicht bei den Landesertragsteuern des Art. 106 Abs. 2 GG aufgezählt ist und nicht abschließend geklärt ist, ob der Landesgesetzgeber ein Steuerfindungsrecht hat (vgl. BVerfGE 98, 83 [101]). 117 BVerfGE 98, 83 (101). 118 BVerfGE 98, 83 (98). 119 BVerfGE 98, 83 (98), unter Hinweis auf BVerfGE 98, 106. 120 BVerfGE 98, 83 (99 f.). 121 BVerfGE 98, 83 (102). 122 BVerfGE 98, 83 (104).

II. Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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Die individualisierende Verhältnismäßigkeit orientiert sich, wie das Bundesverfassungsgericht angibt, an Umweltrecht und Marktfähigkeit der Anlage. Ein Steuergesetz, das die Bemessung der Steuerschuld von solchen Gesichtspunkten abhängig machte, wäre aber noch eher als ein Sachgesetz zu qualifizieren. Das Steuerrecht knüpft an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit an.123 Die Tatbestände, die es als deren Ausweis herausgreift, müssen einen Bezug zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit haben. In die Kooperationsoffenheit des Umweltrechts, die darin bestünde, daß jeder Betreiber kraft Bundesrechts Wahlfreiheiten bei der Art und Weise der Erfüllung abfallrechtlicher Pflichten habe, greife die generelle abgabenrechtliche Lenkung ein, indem die Ermittlung der im Einzelfall gegebenen Handlungsalternativen vernachlässigt werde. Die Umweltbehörden beraten lediglich und verlegen sich auf zukünftige Anordnungen. Die Abgabenlast könne den Anlagenbetreiber dagegen drängen, eine ökologisch und ökonomisch geforderte Entsorgungsform wie etwa die energetische Verwertung, die Verwertung durch Dritte, thermische Behandlung oder Deponierung zu vermeiden, indem er in seiner Anlage anfallende Stoffe in seine Erzeugnisse einarbeitet. Wenn dem Anlagenbetreiber weder Vermeidung noch Verwertung zumutbar ist, ist er gezwungen, den abgabenrechtlichen Tatbestand zu erfüllen. Die finanzielle Belastung sei dann unausweichlich. Sein Investitionsspielraum, um etwa freiwillig ein abfallärmeres Produktionsverfahren zu entwickeln, werde verengt. Wenn dem Anlagenbetreiber zwar die Vermeidung und Verwertung zumutbar sei, er aber nicht dazu verpflichtet ist und freiwillig den Abgabentatbestand erfüllt, so „verändert die Abgabe die Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Verhältnismäßigkeit“. 124 Das Gericht weist darauf hin, daß die bundesweit gleiche freie Wahl der Handlungsmittel aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit landesrechtlich nicht verengt werden dürfe.125 Stellungnahme Der „Eingriffscharakter“ der Lenkungswirkung der Abgabengesetze soll gerade darin bestehen, daß das sachgesetzliche Konzept keine Steuerung, sondern Eigeninitiative der Anlagenbetreiber voraussetzt. Indes bestehen etwa nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG durchaus abfallrechtliche Pflichten. Hier gibt es keine „Offenheit“. Bei der Wahl der Mittel zur Erreichung der abfallrechtlichen Pflichten besteht eine gewisse Wahlfreiheit des Anlagenbetreibers. Doch ändert dies nichts daran, daß sich die abfallrechtlichen Pflichten auch auf eine einzige Handlungsweise verdichten können. Das Bundes-Immissionsschutzrecht ist also nicht jedenfalls auf Kooperation angelegt. 123 124 125

Vgl. Jobs, DÖV 1998, S. 1039 (1041 f.). BVerfGE 98, 83 (105). BVerfGE 98, 83 (104).

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G. Die Kompetenzausübungsschranken

Die individuelle Zumutbarkeit abfallrechtlicher Pflichten respektiert auch die wirtschaftliche Lage des einzelnen. Das Bundesverfassungsgericht übersieht, daß die Unzumutbarkeit der Abfallvermeidung zwar auch an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu orientieren ist, dieser Maßstab aber keineswegs individualisierend, sondern typisierend zugeschnitten ist.126 Insofern besteht keine Gegenläufigkeit zu der „generellen“ Lenkung einer Abgabe, die den finanzschwächeren Betreiber stärker lenkt als den finanzstärkeren. Eine solche Differenzierung ist dem Umweltrecht nicht verboten, ist in ihm aber auch nicht konzeptionell angelegt. Vielmehr können die Grundrechte der Betroffenen in der Abwägung über die Erforderlichkeit und Angemessenheit einer immissionsschutzrechtlichen Maßnahme zugunsten der preiswerteren Auflage den Ausschlag geben. Das Steuerrecht ist nicht in derselben Weise durch die Freiheitsgrundrechte feingesteuert. Doch handelt es sich um ein Problem des materiellen Verfassungsrechts als Maßstab des Steuerrechts. Die auf individuellere Lösungen zugeschnittene Verhältnismäßigkeit des Abfallrechts beruht auch auf der größeren Eingriffsintensität. Während die Abgabenpflicht zwar an einen abfallrechtlichen Tatbestand anknüpft und somit Anreize erzeugt, aber doch nur eine „Erfolgspflicht“ schafft, nämlich die Leistung von Geld, greift eine abfallrechtliche Auflage stärker in die Freiheit ein, weil sie eine bestimmte Handlung vorschreibt. Wenn das Sachgesetz eine Kooperationslösung mit verbindlichen Zielen etabliert, wird versucht, der besonderen grundrechtlichen Relevanz von Verhaltensvorschriften bei der Ausübung der Berufsfreiheit gerecht zu werden.127 Die abgabenrechtliche Lenkungswirkung läuft keinen zwingenden abfallrechtlichen Pflichten zuwider, sondern verändert die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Anlagenbetreibers. Darin gleicht sie anderen Steuern, die nicht an ein besonderes Entsorgungs- und Verwertungsverhalten anknüpfen. Vorliegend hat sich der Sachgesetzgeber mit dem Vorbehalt wirtschaftlicher Zumutbarkeit eine Anknüpfung zueigen gemacht, die eine Nähe zu steuerrechtlichen Erwägungen aufweist. Diese Anknüpfung ist zulässig. Gäbe es keine Wahlfreiheit im Umgang mit Abfällen, sondern konkrete gesetzliche Pflichten, könnte die Lenkungswirkung nicht als Widerspruch zu diesen Pflichten gewertet werden. Je weniger der Sachgesetzgeber zwingend vorschreibt, umso eher ist die abgabenrechtliche Lenkungswirkung ein Eingriff. Die unter Umständen grundrechtlich gebotene Enthaltsamkeit des Sachgesetzgebers wird so umgedeutet in ein sachgesetzgeberisches Konzept. Allerdings ist da, wo der Sachgesetzgeber Freiräume gewährt, nicht das Konzept des Sachgesetzgebers schutzwürdig, sondern der Freiraum. Das Maß, inwieweit der Sachge126 Die Grenze der Zumutbarkeit in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG ist gewahrt, wenn die Vermeidungspflicht nur für den „durchschnittlichen Anlagenbetreiber“ zumutbar ist, Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 88. 127 Die Lenkungssteuer bedeutet auch einen Eingriff in die Berufsfreiheit, kann aber wegen ihrer geringeren Eingriffsintensität im Verhältnis zu einer unter Umständen zwingenden Verhaltensnorm eher gerechtfertigt werden.

II. Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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setzgeber einen vom Steuergesetzgeber nicht modifizierbaren Freiraum gestalten und abschirmen kann, ist nicht dem einfachen Gesetzesrecht zu entnehmen. Das wäre nicht nur Kompetenzabgrenzung nach Maßgabe des Gesetzgebers, sondern würde den Sachgesetzgeber um seiner selbst willen schützen. Das Maß des „Freihaltebedürfnisses“ von steuerlichen Lenkungswirkungen sind vielmehr die Grundrechte. Wo Kooperation, freiwillige Selbstverpflichtung und individuelle Lösungen des Sachgesetzgebers nicht grundrechtlich geboten sind, muß der Sachgesetzgeber zu zwingenden Rechtsvorschriften greifen, um unerwünschte Lenkungswirkungen des Abgabenrechts auszuschließen. Die Kompetenzausübungsschranke diente dem Bundesverfassungsgericht als Hilfsmittel, die schwierige kompetentielle Qualifikation der Abgaben – unter Umständen als Sonderabgaben – abzukürzen bzw. offenzulassen. Dieses Vorgehen war methodisch unzulässig. Außerdem wird inhaltlich dem Gleichheitssatz – als bundesweiter Wettbewerbsgleichheit – eine bundesweite Wirkung (gegenüber allen Landesgesetzgebern) verliehen.128 Das sollte aber eine Frage der Pflichtadressaten des Art. 3 Abs. 1 GG sein. Jarass erwägt, ob das allgemeine Willkürverbot und damit das Gebot der Systemgerechtigkeit mit Hilfe des Rechtsstaatsprinzips auch für das Bund-Länder-Verhältnis anwendbar gemacht werden können.129 Dagegen spricht, daß die Gesamtkonzeption, auf die das Bundesverfassungsgericht zur Feststellung von Widersprüchen abstellt,130 dazu führen könnte, daß ein Widerspruch schon darin gesehen wird, daß eine Norm nur anders ist.131 c) Das Bayerische Schwangerenhilfeergänzungsgesetz (BVerfGE 98, 265) Auch in BVerfGE 98, 265 kommt das Bundesverfassungsgericht auf die Entscheidung zur kommunalen Verpackungssteuer zurück. Neu hinzu kommt folgender Satz: „Konzeptionelle Entscheidungen eines zuständigen Bundesgesetzgebers dürfen auch durch auf Spezialzuständigkeiten gründende Einzelentscheidungen eines Landesgesetzgebers nicht verfälscht werden.“132 Dem schließt sich wieder ein Rekurs auf die früheren Entscheidungen an: „Insbesondere dürfen den Normadressaten nicht gegenläufige Regelungen erreichen, die die Rechtsordnung widersprüchlich machen.“ Es folgen Ausführungen zur Kompetenz des Bundesgesetzgebers kraft Sachzusammenhangs, die punktuell gegeben sei. Das aus der „Verfassung abgeleitete Junktim zwischen der Zulässigkeit der Aufhebung strafrechtlicher Vorschriften und der gleichzeitigen Normierung eines alternativen Schutzkonzepts für das ungeborene Leben begründet daher eine Bundeskompetenz kraft SachzuVgl. BVerfGE 98, 83 (104). Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (595). 130 BVerfGE 98, 83 (98); 98, 106 (119). 131 Sacksofsky, Umweltschutz durch nicht-steuerliche Abgaben, S. 251; vgl. Fischer, JuS 1999, S. 1096 (1099); zustimmend Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (596). 132 BVerfGE 98, 265 (301). 128 129

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G. Die Kompetenzausübungsschranken

sammenhangs für solche Einzelregelungen, die zur Verwirklichung seines Konzepts unerläßlich sind und bei denen auf eine gemeinsame Regelung der Länder nicht gewartet werden kann“.133 Das Gericht will dem Bundesgesetzgeber nicht die Kompetenz für ein völlig außerhalb des Strafrechts stehendes Schutzkonzept verleihen, sondern der Sachzusammenhang besteht gerade zum Strafrecht. Es handele sich um ein strafrechtlich abgesichertes Konzept des Schutzes durch Beratung. Hier erfolgt eine Verbindung zwischen dem Aspekt der Widerspruchsfreiheit und der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs. Ein Schlüsselbegriff für beide ist das Schutzkonzept des Strafgesetzgebers. Dieser war laut Bundesverfassungsgericht verpflichtet, die Wirksamkeit seines Schutzkonzepts zu taxieren und die von ihm als notwendig erachteten Rahmenbedingungen der Konfliktlage und die möglichen staatlichen Reaktionsmöglichkeiten daraufhin zu prüfen, ob die Rücknahme strafrechtlichen Schutzes verfassungsgemäß war. „Dabei ist allerdings nicht ausgeschlossen, daß flankierende Maßnahmen oder Teile des Berufs- und Organisationsrechts nach Maßgabe der Landeskompetenz den Ländern vorbehalten bleiben. Konzeptionell mußte der Bundesgesetzgeber jedoch eine umfassende Lösung verwirklichen, da anderenfalls die bundeseinheitliche Rücknahme strafrechtlichen Schutzes verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen gewesen wäre.“134 Damit entwickelt das Gericht eine Bundeskompetenz nach Maßgabe grundrechtlicher Schutzpflichten. Da der einfache Gesetzgeber durch den Übergang von einem weitergehend strafrechtlichen zu einem „alternativen“ Schutzkonzept die grundrechtliche Schutzpflicht selbst auslöst, ergibt sich eine Gesetzgebungskompetenz nach Maßgabe des Gesetzgebers.135 Das Konzept des Bundesgesetzgebers geht laut Bundesverfassungsgericht davon aus, daß Repression dem Lebensschutz wenig zuträglich ist, und setze daher vor allem auf Ermutigung und Überzeugungsbildung durch Beratung und materielle Unterstützung. Elemente des Zwangs gebe es weiterhin. „Die Wirksamkeit eines solchen Konzepts hängt entscheidend davon ab, daß alle einzelnen Elemente und die notwendigen Rahmenbedingungen aufeinander abgestimmt sind.“136 Auf Grundlage dieser Argumentation verneint das Bundesverfassungsgericht die Kompetenz des Landesgesetzgebers sowohl für Strafvorschriften wegen Verletzung berufsrechtlicher Pflichten als auch für eine Quotierung von Einnahmen durch die Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen und für die Ergänzung des HeilberufeKammergesetzes dahingehend, daß der Arzt Abtreibungen ablehnen soll, wenn die Frau ihm nicht ihre Beweggründe dargelegt hat. Dabei nimmt es an, der BundesBVerfGE 98, 265 (302). BVerfGE 98, 265 (302 f.). 135 So auch die Kritik im Sondervotum der Richter Papier, Graßhof und Haas, BVerfGE 98, 265 / 329 (347). Vgl. zudem Starck, Festschrift Maurer, S. 281 (293, 295 f.). Siehe oben D. V. 1. a). 136 BVerfGE 98, 265 (304). 133 134

II. Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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strafgesetzgeber habe diese Bereiche auch im Sachzusammenhang mit dem Berufsrecht abschließend geregelt und löse damit auch gegenüber dem im Sachzusammenhang erfaßten Berufsrecht eine Sperrwirkung aus. Fraglich ist, ob es sich um die Sperrwirkung nach Art. 72 Abs. 1 GG handelt.137 Der sachzusammenhängende Übergriff besteht in einem Regelungsverzicht. Stellungnahme Die Vermeidung von Widersprüchlichkeiten wird mittels einer kraft Sachzusammenhangs übergreifenden Strafrechtskompetenz bewältigt. Das ist die eine neue Aussage dieser Entscheidung. Im Unterschied zur Kompetenzausübungsschranke, auf die hier auch verwiesen wird, handelt es sich um eine Erweiterung der Gesetzgebungskompetenz des von zuwiderlaufenden Regelungen des anderen Gesetzgebers bedrohten Strafgesetzgebers. Die zweite Aussage zielt auf die Bedeutung der Grundrechte für die Ermittlung des Sachzusammenhangs. Wenn die Regelungen des Sachgesetzgebers die Erfüllung einer grundrechlichen Schutzpflicht beeinträchtigen können, durfte der Strafgesetzgeber diese Vorschriften im Wege des Sachzusammenhangs ausschließen. Während in den beiden vorangegangenen Entscheidungen die Steuergesetzgebungs- der Sachgesetzgebungskompetenz weichen mußte, setzt sich nunmehr die Strafrechts- gegenüber der Berufsrechtskompetenz durch. Eine im Titel auf den Schutz ungeborenen Lebens oder der Frau abstellende Kompetenz existiert allerdings nicht. Die Ergebnisse der Rechtsprechung muten asymmetrisch an. Steuerund Strafrechtskompetenz sind beide lediglich „modale“ Kompetenzen. 2. Der Widerspruchstatbestand Die gerichtliche Praxis läßt viele Fragen offen: Wann liegt ein Widerspruch vor? Warum wird das Verhältnis der Strafkompetenz zu einer Sachkompetenz anders behandelt als dasjenige zwischen Steuer- und Sachkompetenz? Gibt es nur den einen die Kompetenzausübungsschranke auslösenden Widerspruch zwischen Lenkungswirkung und gesetzgeberischer Konzeption bzw. einzelner Norm? Beschränkt sich die neuartige Kompetenzausübungsschranke gar auf das Verhältnis von Abgaben- und Sachgesetzgeber?138 Die Definition dessen, was einen Widerspruch im Sinne einer Kompetenzausübungsschranke ausmacht, hängt maßgeblich davon ab, was sich gegenübersteht und widersprechen könnte. Ein normlogischer Widerspruch zwischen dem normativen Gehalt zweier Gesetze besteht in der Unvereinbarkeit der von beiden Normen angeordneten Rechtsfolgen. Unvereinbarkeit bedeutet, daß nicht beide Rechtsfolgen zugleich befolgt werden können. Das ist der Fall, wenn beide Gesetze densel137 138

Vgl. BVerwGE 110, 248 (252 f.). Vgl. Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (600 in Fn. 63).

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G. Die Kompetenzausübungsschranken

ben Adressaten haben und sich auf denselben Sachverhalt beziehen, die normierten Anordnungen aber nicht zugleich erfüllt werden können. Sie schließen sich logisch aus. Genau dieser normlogische Widerspruch ist Gegenstand von Art. 31 GG. Die Entscheidungen zu den kommunalen Abfallabgabengesetzen und zum Bayerischen Schwangerenhilfeergänzungsgesetz legen es nahe, daß nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zwischen der Kompetenzausübungsschranke der Widerspruchsfreiheit und den Voraussetzungen für eine Sperrwirkung gemäß Art. 72 Abs. 1 GG eine strukturelle Verwandtschaft besteht. Darin liegt allerdings eine Gefahr, die großzügigeren Maßstäbe des Art. 72 Abs. 1 GG auf das Verhältnis verschiedener Gesetzgebungsmaterien auszudehnen. Wenn der Bundesgesetzgeber noch Raum läßt für ergänzende Regelungen, kann er dennoch eine abschließende Regelung der konkurrierenden Materie „beabsichtigt“ haben.139 An dieser Stelle nennt Oeter ausdrücklich die aus der Widerspruchsfreiheits-Rechtsprechung bekannte folgende Konstellation: Wenn der Gesetzgeber bestimmte regulierbare Fragen bewußt regelungsfrei gelassen hat, um sie der gesellschaftlichen Selbstregulierung zu überlassen, sei der Landesgesetzgeber gesperrt.140 Diese „mittelbare oder negative Regelung“ müsse aufgrund einer „Gesamtwürdigung des betreffenden Normkomplexes“ ermittelt werden.141 Die von BVerfGE 98, 265 geprägten Maßstäbe werden hier unkritisch übernommen. Die Gesamtwürdigung des Normkomplexes zielt wiederum auf nichts anderes als das gesetzgeberische Gesamtkonzept ab. Doch was bei der Abgrenzung verschiedener Kompetenzmaterien problematisch erscheint, muß es im Rahmen von Art. 72 Abs. 1 GG mit dessen Bezug auf eine einzige Kompetenzmaterie, die sich zwei Gesetzgeber teilen, nicht sein. Im Verhältnis von Bundes- und Landesgesetzgeber besteht eine rechtliche Notwendigkeit zur Auflösung von Wertungswidersprüchen nur, wenn der Widerspruch gegen Verfassungsrecht verstößt.142 Wenn aber ein Wertungswiderspruch innerhalb derselben Kompetenz etwa dadurch entstünde, daß der Landesgesetzgeber eine bundesgesetzliche Regelung konterkariert, könnte man daran denken, diese an der Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG scheitern zu lassen. Ein gewisses Paradoxon besteht insofern, als es der geläufigen Verwendung des Begriffs „Wertungswiderspruch“ geradezu begriffsimmanent zu sein scheint, daß kein Verstoß gegen 139 Vgl. Oeter, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 72 Rn. 69 f.; Jarass, NVwZ 1996, S. 1041 (1044); vgl. BVerfGE 32, 319 (327). Dieses Problem ist in erster Linie ein sprachlich-methodisches: Wenn der Gesetzgeber etwas „beabsichtigt“, so ist dies nur in der objetiv-teleologischen Auslegung der Norm relevant; ob das Gesetz noch Raum für andere Regelungen läßt, ist auch nur aufgrund der Auslegung zu ermitteln. 140 Oeter, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 72 Rn. 69; Jarass, NVwZ 1996, S. 1041 (1044). 141 Oeter, in: von Mangoldt / Klein / Starck, GG II, Art. 72 Rn. 69, in unausgesprochener Anlehnung an BVerfGE 98, 265 (300 f.). 142 Siehe nur Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (593); Bumke, ZG 1999, S. 376 (381 f.). Zur „Zulässigkeit“ eines Wertungswiderspruchs vgl. Larenz / Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 155; Jarass, VVDStRL 50 (1991), S. 238 (262).

II. Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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Rechtsnormen vorliegt. Nicht normativ fixierten Wertungen öffnet Art. 3 Abs. 1 GG teilweise eine rechtliche Wirksamkeit, wenn zwei Gruppen, die wertungsmäßig gleich zu behandeln sind, vom Recht ungleich behandelt werden. Allerdings findet Art. 3 Abs. 1 GG auf die Gesetzgebung im Verhältnis von Bund und Land keine Anwendung. Das gilt selbst innerhalb ein und derselben Materie konkurrierender Gesetzgebungskompetenz. Wollte man Art. 3 Abs. 1 GG zum Kriterium für eine Sperrwirkung nach Art. 72 Abs. 1 GG machen, würde diese Anwendungsvoraussetzung umgangen werden. Diejenigen Fälle, in denen sich verschiedene Regelungen bei demselben Normadressaten „widersprüchlich“ auswirken, würde Art. 3 Abs. 1 GG ohnehin nicht erfassen. Dementsprechend wird zu Recht abgelehnt, die Widerspruchsfreiheit im allgemeinen Gleichheitssatz normativ zu verankern.143 Die Frage, ob der Bundesgesetzgeber eine im Sinne von Art. 72 Abs. 2 GG abschließende Regelung getroffen hat, muß auch unter Bezugnahme auf bundesgesetzliche Wertungen ermittelt werden. Landesgesetzliche Wertungswidersprüche können also gesperrt sein, obwohl sie gerade keine normlogischen Widersprüche sind. Dagegen sollte nicht auch (jenseits des Art. 72 Abs. 2 GG) der Zuschnitt der Kompetenzmaterie über Wertungswidersprüche konturiert werden. Bei der Abgrenzung bzw. Abstimmung von in verschiedenen Materien beheimateten Gesetzen bleibt es bei der schon von Engisch vertretenen Ansicht, daß Wertungswidersprüche, die als solche keine (echten) Normwidersprüche sind,144 nicht notwendig aufgelöst werden müssen. a) Die Abwägung zur Ermittlung der Kompetenzrelevanz Normdivergenzen liegen schon insoweit vor, als die Wirkungen einer Regelung sich ungünstig auf die mit einer anderen Regelung verfolgten Ziele auswirken.145 Solche Störungen und Beeinträchtigungen der Normprogramme des je anderen Gesetzgebers können gar nicht vermieden werden und sind geradezu der Normalfall. Deswegen wird vorgeschlagen, daß – für die Annahme einer auflösungsbedürftigen Divergenz – Gesetze mit nachteiligen Auswirkungen „gewichtige Behinderungen“ der vom anderen Gesetzgeber verfolgten Ziele bewirken müßten und selbst dann solange hingenommen werden sollten, wie sie durch „ausreichend gewichtige Ziele, deren Realisierung in die Kompetenz des fraglichen Normgebers fällt, gerechtfertigt sind“.146 Nicht schon jeder Wertungswiderspruch ist ein unter diesen Voraussetzungen im Bund-Länder-Verhältnis nicht hinnehmbarer Widerspruch. Der Widerspruchstatbestand wird somit um Wertungselemente angereichert. Deswegen kann auch nicht mehr von einem unmittelbar wirkenden Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung die Rede sein. Jarass hat von einem konkretisie143 144 145 146

Haack, Regelungskonzeptionen, S. 131 f. Im Jahre 1935 Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 63. So Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (601). Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (601).

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G. Die Kompetenzausübungsschranken

rungsbedürftigen Oberprinzip gesprochen.147 Indes darf nicht übersehen werden, daß dieselbe Art von Widerspruch an der Kompetenzausübungsschranke scheitert, wenn es an der erforderlichen Gewichtigkeit der gesetzgeberischen Ziele fehlt, sie aber überwindet, wenn die Ziele ausreichend gewichtig sind. Nicht allein die Beschaffenheit des Widerspruchs entscheidet demnach über die vom Gebot der Widerspruchsfreiheit erfaßten Fälle, sondern eine Bewertung der vom „störenden“ Gesetzgeber verfolgten Ziele. Es kommt nicht allein auf die Divergenz, sondern zudem auf das Gewicht der Behinderung und deren Hinnehmbarkeit an. So sollen Jarass zufolge die Landesabfallabgaben die bundesgesetzlichen Vorgaben schon nicht (gewichtig) behindert haben, da die Lenkungswirkung, gerichtet auf eine Verminderung besonders überwachungsbedürftiger Abfälle, die bundesgesetzlichen Ziele eher unterstützt als behindert habe.148 Das Bayerische Schwangerenhilfeergänzungsgesetz stelle dagegen eine erhebliche Behinderung der bundesgesetzlichen Ziele dar; das vom Landesgesetzgeber verfolgte Ziel, die Einschränkung von Schwangerschaftsabbrüchen, sei außerberuflich, so daß auch eine Rechtfertigung durch gewichtige landesgesetzgeberische Ziele nicht zum Tragen komme.149 Wenn das Landesgesetz nicht zum Berufsrecht rechnet, ist es bereits kompetenzwidrig. Dann bedarf es des Rückgriffs auf das als Kompetenzausübungsschranke wirkende Gebot der Widerspruchsfreiheit nicht. Das Bundesverfassungsgericht ist den Weg über die kompetentielle Zuordnung gegangen und hat den Strafgesetzgeber kraft Sachzusammenhangs auch für das ärztliche Berufsrecht für zuständig erklärt. Trotzdem ist es möglich, daß kompetenzgemäße Gesetze außerkompetentielle Motive verfolgen. Dies gilt insbesondere für die sogenannten modalen Kompetenzen. Genannt sei das Beispiel der mit sachlichen Motiven zu begründenden Steuerbefreiungsnorm. Beim Strafrecht gilt dies allerdings nicht, wenn man richtigerweise Tatbestand und Rechtsfolge des Strafgesetzes kompetentiell separat qualifiziert. Die von Jarass vorgeschlagene Konfliktlösung läßt allerdings auch eine Überwindung von kompetenzgerechten Gesetzen zu, die von ihrer Kompetenz gedeckte Ziele verfolgen, wenn diese nicht ausreichend gewichtig sind. Anscheinend geht es um eine Abwägung des jeweiligen Gewichts der Ziele, die Bundes- und Landesgesetzgeber verfolgen. Ähnliches deutet Haack an, wenn er den aus der Selbstbindung eines einzelnen Gesetzgebers bekannten Gedanken der größeren Verfassungsnähe150 des einen Gesetzes gegenüber einem anderen Gesetz auf das Verhältnis von Bundes- und Landesgesetzgeber umlegen möchte.151 Vergleichbares schlägt Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (601 f.). Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (601). 149 Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (601). 150 Vgl. insbesondere Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S. 79 ff. 151 Haack, Regelungskonzeptionen, S. 78 f. 147 148

II. Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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Saladin für das Schweizer Verfassungsrecht vor.152 Das Modell von Jarass enthält an mindestens zwei Stellen Elemente der Abwägung. So ist festzustellen, ob die Auswirkungen gewichtig sind. Unklar bleibt, ob es sich um eine Abwägung der tatsächlichen „Erfolge“ eines Gesetzes handeln muß – ist also etwa für das Verhältnis der Landesabfallabgabengesetze zum KrW- / AbfG zu ermitteln, wie stark die Lenkungswirkung tatsächlich ist? Dies würde die hypothetische Überlegung voraussetzen, wie sich die Vermeidung abgabenpflichtiger Sonderabfälle ohne die Abgabengesetze entwickelt hätte. Doch genügt diese Überlegung für die Feststellung der tatsächlichen Beeinträchtigung des Bundesgesetzes nicht. Dafür ist nämlich auf den „Erfolg“ des bundesgesetzlichen Konzepts abzustellen. Denn wenn dieses nicht greift, kann es auch nicht beeinträchtigt werden. Die zweite Abwägung findet zwischen der Gewichtigkeit der innerhalb der Kompetenz liegenden und vom Gesetzgeber verfolgten Ziele statt. Dabei eröffnet sich eine weitere Unsicherheit, wenn es um die Zurechnung geht, welche Ziele der Gesetzgeber verfolgt. Für die ausreichende Gewichtigkeit eines gesetzgeberischen Ziels nennt Jarass das Beispiel eines Landesrundfunkgesetzes, das die Landesrundfunkanstalten zur Kooperation mit anderen Einrichtungen ermächtigt, um rundfunkrechtliche Aufgaben zu erfüllen. Dadurch kam es zu Divergenzen mit dem Wettbewerbsrecht des Bundes.153 Offenbar hält Jarass es nicht für ausgeschlossen, daß kompetenzrelevante Wertungswidersprüche auch zwischen zwei Sachgesetzen, hier Landesrundfunkgesetz und GWB, auftreten können. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Möglichkeit in einem Kammerbeschluß verneint.154 b) Der Konflikt von Zielvorstellungen Zwischen Gesetzeswerken existieren Zielkonflikte. So kann über das Stromeinspeisungsgesetz des Bundes die Windkraft als alternative Energiequelle besonders gefördert werden, während unter dem Gesichtspunkt des Landschaftsschutzes Windkrafträder grundsätzlich verboten werden könnten.155 Wenn es sich um Gesetze desselben Gesetzgebers handelt, wird man in solchen Fällen geneigt sein, die energierechtliche Erwünschtheit der Windkraft in dem einen Gesetz als Hinweis zu nehmen, die Zulässigkeit von Windkrafträdern auch unter landschaftsschutzrechtlichen Gesichtspunkten anzunehmen, und gegebenenfalls das Landschaftsschutzrecht dahin auslegen. Handelt es sich um Bundes- und Landesgesetz, so ist strenger nach der jeweiligen Gesetzgebungskompetenz zu fragen. Wenn es sich zwar (wie beim Landschaftsschutz) um ein Landesgesetz handelt, der Bund jedoch die RahSiehe Saladin, ZSR N. F. 103 (1984), S. 431 (463 f.). Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (602); vgl. ders., Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, S. 2 ff.; Peine, NWVBl. 1990, S. 73 f. 154 BVerfG-K, NVwZ 2000, S. 1036 (1037), mit Hinweis auf das Mißbrauchsverbot als Grenze. 155 Fiktives Beispiel in Abwandlung von Fischer, JuS 1998, S. 1096 (1099). 152 153

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G. Die Kompetenzausübungsschranken

menkompetenz innehat156 und ausgeübt hat, ist zunächst das bundesrechtliche Rahmengesetz heranzuziehen. Um den ausfüllenden Landesgesetzgeber des Landschaftsschutzes im Bundesrahmenrecht zugunsten energiewirtschaftlicher Aspekte einzuschränken, bedarf der Bundesgesetzgeber keiner Kompetenz kraft Sachzusammenhangs, solange er sich mit seiner Regelung insgesamt – also auch in bezug auf die energiewirtschaftliche Seite – auf die Ebene des Rahmenrechtlichen beschränkt. Handelt es sich jedoch um Bundes- und Landesgesetz, ohne daß letzteres durch Rahmenrecht oder konkurrierende Gesetzgebung des Bundes bereits eingeschränkt wäre, tritt der Zielkonflikt ungemildert hervor. Das Landesrundfunkrecht zielt auf eine möglichst effektive Erfüllung der Aufgaben des öffentlichen Rundfunks, während das Wirtschaftsrecht des Bundes ohne Rücksicht auf die Erforderlichkeit besonderer Aufgaben den Wettbewerb schützt. Diese – sehr allgemein formulierten – Ziele gehen entweder aus dem Kompetenztitel selbst hervor oder können unter ihn subsumiert werden. Wie bereits gezeigt wurde, ist eine eindeutige Subsumtion von Normen, die im Spannungsfeld solcher divergierender Zielvorstellungen stehen, geboten und möglich. Die Divergenz zwischen zwei Prinzipien mag also zwar einen „Prinzipienwiderspruch“ anzeigen. Da das Prinzip aber nur innerhalb der ihm zuzuordnenden Kompetenz durch Gesetzgebung optimiert werden darf und die Kompetenz für jedes das Prinzip optimierende Gesetz eindeutig zugeordnet werden kann, ist dieser Widerspruch für die kompetentielle Zuordnung irrelevant. Fraglich ist, ob er bei der Kompetenzausübungsschranke eine Rolle spielen soll. aa) Der Konflikt zwischen Sach- und Steuergesetz Zunächst ist der Konflikt zwischen zwei Sachgesetzen von einem Konflikt zwischen Steuergesetz und Sachgesetz zu unterscheiden. Dieser Widerspruch weist einen Prinzipienwiderspruch anderer Art auf: Der Lenkungszweck mag zwar ein eigenes Prinzip des Steuergesetzgebers verfolgen, das dem Prinzip des Sachgesetzgebers widerspricht. Jedoch erfolgt die kompetentielle Qualifikation eines Steuergesetzes als Wahrnehmung einer Steuerkompetenz nicht wegen des Lenkungszwecks, sondern trotz des Lenkungszwecks. Dieser wird im Sachzusammenhang erfaßt, der für die kompetentielle Irrelevanz sorgt. Das mit der Lenkungswirkung verfolgte Prinzip läßt sich als solches gerade nicht unter die Steuergesetzgebungskompetenz subsumieren. Denn von der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs wird in diesem Fall die faktische Nebenwirkung der Steuernorm, die in der Lenkung besteht, erfaßt. Beim Konflikt von lenkendem Steuergesetz und Sachgesetz kann es sich daher nicht um einen kompetenzrelevanten Prinzipienwiderspruch handeln. Der Steuergesetzgeber hat nicht die Kompetenz, ein sachliches Prinzip festzulegen und durch Gesetzgebung zu optimieren, sondern ihm kommt die Kompetenz zu, ein Steuergesetz zu erlassen, das sachliche Lenkungswirkungen entfaltet. 156

Vgl. Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GG: Naturschutz und Landschaftspflege.

II. Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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Der Widerspruch besteht zwischen zwei ungleichen Teilen eines Gegensatzes: Die faktische Lenkungswirkung, die vom Steuergesetz ausgelöst wird, das auch insoweit kompetenzgemäß ist, weicht von dem sachgesetzlich ausgestalteten und von der Gesetzgebungskompetenz gedeckten „Prinzip“ des Sachgesetzgebers ab. bb) Der Konflikt zweier Sachgesetze Anders liegt es beim Ziel- bzw. Prinzipienwiderspruch zwischen zwei Sachgesetzen. Überschneidungen von Prinzipien sind hier durchaus möglich.157 Wenn Bundes- und Landesgesetz auf denselben Sachverhalt zugreifen, ist zunächst durch kompetentielle Zuordnung zu verhindern, daß ein normlogischer Widerspruch besteht. Sind beide Gesetze kompetenzgemäß und regeln denselben Sachverhalt unter einem je anderen kompetentiellen Gesichtspunkt, kann es zum Wertungswiderspruch kommen. Wenn das Landesrundfunkrecht zur Kooperation von öffentlichem und privatem Rundfunk ermächtigt, ist die Norm kompetenzgemäß. Die Rundfunkkompetenz ist lex specialis gegenüber der Kompetenz für die Verhütung wirtschaftlichen Mißbrauchs.158 Das ergibt sich nicht etwa aus der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Rundfunks, sondern aus dem speziellen Anknüpfungspunkt der Ermächtigungsnorm an die Erfüllung rundfunkrechtlicher Aufgaben. Der Zusammenschluß als solcher ist ein wirtschaftsrechtlich relevanter Sachverhalt. Doch ist auch mit der rundfunkrechtlichen Qualität der Ermächtigungsnorm noch nicht über die Anwendung des GWB entschieden. Solange der Landesgesetzgeber eine Kooperation nur gestattet, aber nicht gebietet, ergibt sich aus dem Rundfunkrecht und der Spezialität der es deckenden Kompetenz noch nicht die vollständige Verdrängung des Bundesrechts. Wenn der Landesgesetzgeber die Kooperation – auch nur unter bestimmten Bedingungen – gebietet, ist auch für eine solche Regelung die Kompetenz des Rundfunkrechts gegenüber dem GWB spezieller. Der Gesetzgeber der spezielleren Kompetenz hat es in der Hand, das Recht der allgemeineren Kompetenz zu verdrängen. Wenn die Gesetzgebung der spezielleren Kompetenz etwas nicht jedenfalls gebietet, wird die Spezialität der Kompetenz nicht konkretisiert. Das Gesetzesrecht der allgemeineren Kompetenz bleibt insoweit anwendbar.159 Erst wenn ein normlogischer Widerspruch entsteht, geht das Recht der spezielleren Kompetenz vor. Aufgrund dieser Überlegung hat es auf die kompetentielle Zuordnung keinen Einfluß, wenn etwa der Landesgesetzgeber für einen Sachverhalt, der auch bundesgesetzlich geregelt ist, zusätzliche Anforderungen stellt.160 Doch soll in solVgl. die Beispiele bei Haack, Regelungskonzeptionen, S. 66 f. Haack, Regelungskonzeptionen, S. 67. 159 Zur Unterscheidung von kompetentieller Qualifikation und Anwendungsbereich einer Norm vgl. Haack, Regelungskonzeptionen, S. 67 in Fn. 253. 160 Vgl. Haack, Regelungskonzeptionen, S. 66. 157 158

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G. Die Kompetenzausübungsschranken

chen Fällen die Kompetenzausübungsschranke der Widerspruchsfreiheit eingreifen? Wenn der eine Sachgesetzgeber es in der Hand hat, durch ein kompetenzgemäßes Gesetz die Anwendbarkeit des Sachgesetzes des anderen Gesetzgebers auszuschließen, wäre die gleichsinnige Anwendung einer Kompetenzausübungsschranke nicht nur überflüssig, sondern sogar unzulässig. Diese soll nur eingreifen, wo die Konfliktvermeidung über die Gesetzgebungskompetenzen nicht ausreicht. Wenn der Gesetzgeber selbst unerwünschte Normdivergenzen durch kompetenzgemäße Gesetze beseitigen kann, bedeutet seine Untätigkeit, daß die Normdivergenz tolerabel ist.

c) Wertungswidersprüche im Verhältnis von Rechtmäßigkeitsvorschriften Ein in der Literatur immer wieder diskutierter Wertungswiderspruch ist die unterschiedliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit desselben Verhaltens am Maßstab verschiedener Gesetze.161 Die Liste der aufgedeckten Ambivalenzen ist lang. Bereits Engisch hat auf das Verhältnis von Privatrechtswidrigkeit und Strafbarkeit sowie dasjenige zwischen beamtenrechtlicher Gehorsamspflicht und Strafbarkeit hingewiesen. Das öffentliche und das private Nachbarrecht können divergieren.162 Darf das Steuerrecht Einkünfte aus strafbarem Handeln der Bemessungsgrundlage hinzurechnen, obwohl damit rechtswidrige Einkünfte wie rechtmäßige behandelt werden und obwohl auch das Strafrecht für einen aus einer Straftat erlangten Vermögensvorteil eine Verfallsanordnung vorsieht?163 Dürfen die Kosten einer rechtswidrigen, aber straffreien Abtreibung von der gesetzlichen Krankenversicherung gedeckt werden? Die Beispiele der sogenannten „gespaltenen“ Rechtmäßigkeit164 unterscheiden sich im Grunde nicht von der Konkurrenz mehrerer Sachgesetze. Eine Besonderheit ist die „Verselbständigung“ des Rechtmäßigkeitsurteils in vielen der genannten Materien. Das hat im Gegenzug dazu geführt, den Rechtswidrigkeitsbegriff kompetenzübergreifend zu verstehen.165 Die kompetentielle Qualifikation wird davon nicht berührt. Sollte man in unterschiedlichen Rechtmäßigkeitsbeurteilungen einen Wertungswiderspruch sehen, stellt sich wiederum die Frage, ob die Kompetenzausübungsschranke der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung hier ihren Dienst tun soll. 161 Vgl. allg. P. Kirchhof, Unterschiedliche Rechtswidrigkeiten in einer einheitlichen Rechtsordnung; Felix, Einheit der Rechtsordnung. 162 Vgl. Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (593); Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 94 ff. 163 Vgl. BVerfG, NJW 1996, S. 2086 f., zu § 40 AO sowie zur Verfallsanordnung in § 73 StGB; Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 122 ff. 164 Begriff bei Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 233 ff. 165 Beispielhaft für einen übergreifenden Rechtswidrigkeitsbegriff Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 58.

II. Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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Das Verhältnis der verschiedenen Vorschriften ist – nach dem Grundmuster „konkurrierender“ Sachgesetze – ein Nebeneinander. Die Anforderungen kumulieren. Im Nachbarrecht sind öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Erfordernisse zu beachten. Eine polizeiliche Maßnahme, die von einer landesrechtlichen Eingriffsbefugnis gedeckt ist, ist alleine dadurch noch nicht der Beurteilung am Maßstab des Strafrechts entzogen. Strafrechtswidrige Einkünfte werden von der steuerrechtlichen Bemessungsgrundlage grundsätzlich nicht ausgenommen. Die Rechtmäßigkeit ist bei unterschiedlichen Gesetzgebungskompetenzen notgedrungen eine „gespaltene“. Wertungswidersprüche werden in vielen Fällen bereits durch das einfache Gesetz selbst entspannt, indem etwa auf die Vorschriften der anderen Materie verwiesen wird: § 906 Abs. 1 S. 2 BGB bestimmt für das private Nachbarrecht, daß Immissionen auf ein Grundstück in der Regel nicht verboten werden können, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Zu diesen Gesetzen zählt mit den Landesimmissionsschutzgesetzen auch öffentliches Recht der Länder. Im Falle eines Konflikts zwischen beamtenrechtlicher Gehorsamspflicht und Strafbarkeit hat das Beamtenrecht an das Strafrecht angeknüpft.166 Für das Verhältnis von Hessischem Polizei- und Ordnungsrecht zum Strafprozeßrecht verweist § 12 Abs. 4 HSOG auf § 136 a StPO. Wenn eine solche „Scharniernorm“ fehlt, bleibt es bei der unterschiedlichen Rechtmäßigkeitsbeurteilung. Eine polizeirechtlich zulässige Maßnahme könnte grundsätzlich strafbar sein. Umgekehrt kann die Erfüllung des Rechtfertigungstatbestands des § 32 StGB nicht die polizeirechtliche Rechtmäßigkeit des polizeilichen Einschreitens ersetzen.167 Eine polizeirechtliche Grundlage ist notwendig.168 Hier kann ein Widerspruch nicht einmal im Blick auf die „Wertung“ festgestellt werden. Strafrecht und Polizeirecht beziehen sich auf verschiedene Regelungszwecke. Das Eingreifen des Staates kann in sachgerechter Weise von anderen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen abhängig gemacht werden als die Strafbarkeit. Die unterschiedliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Verhaltens ist in der Regel nicht einmal als Wertungswiderspruch aufzufassen. Eine kompetentielle Lösung – etwa über die Kompetenzausübungsschranke der Widerspruchsfreiheit – ist abzulehnen, da es schon an einem Widerspruchstatbestand fehlt. 166 Vgl. z. B. § 38 Abs. 2 S. 2 BRRG; § 56 Abs. 2 BBG; vgl. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 247 f. 167 Erst wenn die Maßnahme polizeirechtlich geboten ist, wird in der Regel auch ein strafrechtlicher Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund vorliegen, da das ermessensreduzierend auf die Eingriffsnorm einwirkende Schutzgut auch in den strafrechtlichen Vorschriften Anerkennung finden dürfte. Das materielle Rechtsgut sorgt für die bereichsübergreifende Harmonisierung der beiden Rechtsregime. 168 Vgl. ausführlich zur Bedeutung strafrechtlicher Rechtfertigungsgründe für die Rechtmäßigkeit hoheitlichen Handelns Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 57, mit Darstellung des Meinungsstands.

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G. Die Kompetenzausübungsschranken

3. Vorrangregeln infolge des Widerspruchstatbestands Hält man das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung für ein geeignetes und rechtlich erforderliches Instrument zur Einebnung von Divergenzen zwischen Bundes- und Landesgesetzen bzw. deren Folgen, müssen Vorrangregeln entwickelt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat auf die allgemeinen Regeln von Rang (lex superior derogat legi inferiori) und Zeitfolge der Gesetze (lex posterior derogat legi priori) sowie der Spezialität eines Gesetzes (lex specialis derogat legi generali) verwiesen.169 Diese Regeln können angewandt werden, wenn es sich um konfligierende Gesetze ein und desselben Gesetzgebers handelt.170 Auch die lex superior-Regel gilt für Normen desselben Urhebers.171 Aus Art. 31 GG kann nicht gefolgert werden, daß das Bundesgesetz bei jeder Form von Normdivergenz einen höheren Rang als das Landesgesetz einnimmt. Der Widerspruchstatbestand des Art. 31 GG beschränkt sich auf den normlogischen Widerspruch. Diese Beschränkung hindert, der Vorschrift den Rechtsgedanken zu entnehmen, auch bei Normdivergenzen unterhalb der Schwelle des logischen Widerspruchs ginge Bundesrecht als lex superior dem Landesrecht vor.172 Auch der lex specialis-Satz findet auf das Verhältnis von Bundes- und Landesgesetzen keine Anwendung. Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern erfolgt bereits unter dem Gesichtspunkt der Spezialität der Kompetenz für das jeweilige einfache Gesetz. Damit hat sich die lex specialisRegel gleichsam verbraucht. Läßt sich ein Sachverhalt sowohl unter ein Bundesals auch unter ein Landesgesetz subsumieren, kann die Anwendung eines dieser Gesetze nicht mit einem Hinweis auf die Spezialität des anderen Gesetzes verweigert werden. Keine der Regeln kommt daher für das Bund-Länder-Verhältnis in Betracht. Darüber hinaus beziehen sie sich ausnahmslos auf den normlogischen Widerspruch.173 Die vom Gebot der Widerspruchsfreiheit in der Gestalt der Kompetenzausübungsschranke betroffenen Konstellationen sind lediglich Normdivergenzen. Ein Vorrang der Sachkompetenzen gegenüber den Steuerkompetenzen läßt sich nur mit einer Spezialität jener begründen.174 Möglich erscheint es, den Vorrang der 169 BVerfGE 98, 106 (119): „Welche der einen Widerspruch begründenden Regelungen zu weichen hat, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Rang, der Zeitenfolge und der Spezialität der Regelungen.“ 170 So Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (596); Schilling, Rang und Geltung von Rechtsnormen in gestuften Rechtsordnungen, S. 448 ff.; Dreier, in: Schmidt (Hrsg.), Vielfalt des Rechts – Einheit der Rechtsordnung?, S. 113 (116); Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 156. 171 Zum Ursprung der Regel aus der Lehre vom Stufenbau der Rechtsordnung vgl. Schmidt, JuS 2003, S. 649 (650). 172 Ähnlich Bumke, ZG 1999, S. 376 (383); vgl. auch Haack, Regelungskonzeptionen, S. 79 ff.; a. A. Bleckmann, DÖV 1986, S. 125 (131). 173 Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (596).

II. Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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Sachkompetenzen aus einer teleologischen Auslegung der Steuerkompetenzen zu entwickeln. Da diese in erster Linie auf eine Finanzierung staatlicher Tätigkeit zielen, müssen sie dem Sachgesetzgeber weichen, wo die Sachregelung betroffen ist.175 Dieser „Randbereich“ 176 der Steuerkompetenz stünde dann unter dem Vorbehalt abweichender Sachregelungen. Methodisch bedenklich mutet es an, den Gesetzgebungskompetenzen durch teleologische Auslegung eine Kompetenzausübungsschranke zu entnehmen, wo sie doch bereits für die Verteilung der Kompetenzen als solcher teleologisch ausgelegt werden müssen. Zudem lassen sich sehr wohl Sachgesetze denken, die umgekehrt massiv in die Finanzierungsfunktion von Steuergesetzen eingreifen. Hier sei wiederum das Beispiel eines Rauchverbots angeführt, das die Tabaksteuer gegenstandslos werden ließe. Hier wird man dem Sachgesetzgeber kaum entgegenhalten, er bewege sich im Randbereich seiner Kompetenz, auch wenn er eine Steuerquelle vollständig verschüttet. An dieser Asymmetrie läßt sich ablesen, daß die teleologische Kompetenzauslegung anhand der Zwecke Finanzierungsfunktion und Sachregelung den Vorrang der Sachkompetenz nicht rechtfertigen kann. Ein Rangordnungsverhältnis zugunsten des sachgesetzlichen Instrumentariums besteht nicht grundsätzlich.177 Zwar darf der Abgabengesetzgeber nicht den Sachgesetzgeber lenken.178 Jedoch lenkt der Abgabengesetzgeber den Bürger in solchen Bereichen, die der Sachgesetzgeber nicht imperativ reglementiert hat. Wenn sich der Sachgesetzgeber auf die bewußte Regelungsoffenheit als Konzept beruft, hat er kein besseres Recht als der ebenfalls nicht-imperativ lenkende Steuergesetzgeber. Die Regelungsoffenheit ist zudem nicht unbedingt das Produkt einer Kompetenzausübung, sondern gerade Ausdruck des Verzichts auf ein Tätigwerden. Will man das Gebot der Widerspruchsfreiheit auch als Schranke für die Ausübung einer Sachgesetzgebungskompetenz gegenüber Sachregelungen des anderen Gesetzgebers instrumentalisieren, 179 müßte der Maßstab für die Vorrangregel modifiziert werden. Jarass stellt eine Abwägung an, bei der das die fremde gesetzliche Regelung „störende“ Gesetz dann nicht der Kompetenzausübungsschranke zum Opfer fällt, wenn es ausreichend gewichtige Ziele mit der störenden Regelung verfolgt, die ihrerseits von der Kompetenz gedeckt sind.180 Ansonsten werde die Gesetzgebungskompetenz des störenden Gesetzgebers zu stark behindert. Diese Rechtfertigung durch Abwägung läuft auf einen Vorrang der größeren Verfassungsnähe hinaus, wie er aus der Selbstbindung des Gesetzgebers bekannt ist: Dasjenige Gesetz, das eine Verfassungsnorm konkretisiert, setzt sich gegenüber einem Gesetz Siehe aber auch Kloepfer / Bröcker, DÖV 2001, S. 1 (7). Vgl. zu diesem Ansatz Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (603 f.). 176 Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (604). 177 Selmer / Brodersen, DVBl. 2000, S. 1153 (1155). 178 Weidemann, DVBl. 1999, S. 73 (74). 179 Wie Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (601 f.); a. A. wohl BVerfG-K, NVwZ 2000, S. 1036 (1037). 180 Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (601). Siehe oben G. II. 3. a). 174 175

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G. Die Kompetenzausübungsschranken

durch, das nicht unmittelbar der Verfassungskonkretisierung dient. Ein solches Kriterium beschwört mannigfache Schwierigkeiten herauf. Bei der Selbstbindung des Gesetzgebers geht es in der Regel um „Programmgesetze“ bzw. „Maßstäbegesetze“181, deren Bindungswirkung für die nachfolgende „Ausführungsgesetzgebung“ gerechtfertigt werden soll. Im Bund-Länder-Verhältnis ist die Konstellation der Rahmengesetzgebung des Bundes gegenüber der Ausfüllungsgesetzgebung der Länder vergleichbar. Doch beziehen sich alle diese Fälle auf dieselbe Kompetenzmaterie. Wenn beide Gesetze der Konkretisierung von Verfassungsrecht dienen, müßte wohl eine Auflösung im Sinne der praktischen Konkordanz erfolgen. Der Widerspruch bildet sich gleichsam auf der Ebene der Verfassung ab. Haack hält das Gebot der Widerspruchsfreiheit in allen Konstellationen widersprüchlicher Konzeptionen im Verhältnis von Bundes- und Landesgesetzgeber für entbehrlich und will es weitgehend durch das ebenfalls als Kompetenzausübungsschranke wirkende Gebot zu bundesfreundlichem Verhalten bzw. zur Bundestreue ersetzen.182 Aus dem „Kern des Bundestreuegebots“ leitet er ab, daß die später hinzutretende Norm, die die Normdivergenz erst auslöst, nichtig sein soll.183 Denn Steuer- und Sachgesetzgebungskompetenz seien grundsätztlich gleichwertig. Eine kompetentielle Unterlegenheit der Steuerkompetenz könne der Verfassung nicht entnommen werden. Das in der Bundestreue wurzelnde Rücksichtnahmegebot affiziert diejenige Norm mit der Nichtigkeitsfolge, deren Gesetzgeber die Normdivergenz hergestellt hat. Einfacher ist die hier vorgeschlagene Rückorientierung zur Perspektive des von den Normen adressierten Bürgers. Wertungswidersprüche müssen dort beurteilt werden, wo sie greifbar werden. Das ist am Ort des Normadressaten. So kann eine sachgesetzliche Pflicht ungeeignet zur Erreichung des sachgesetzlichen Ziels werden, wenn sie durch Lenkungssteuern konterkariert wird. Das spätere Gesetz muß weichen, da erst ihm die verfassungswidrige Lage (Ungeeignetheit eines Grundrechtseingriffs) zuzuschreiben ist.

4. Kritik an der neuen Kompetenzausübungsschranke Die Kompetenzausübungsschranke der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung beruht auf einem falschen Verständnis der Kompetenzordnung in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. An ihr sollte nicht länger festgehalten werden.

181 182 183

Vgl. BVerfGE 101, 158 (216 ff., insbesondere 218). Vgl. Haack, Regelungskonzeptionen, S. 198 ff. Haack, Regelungskonzeptionen, S. 215.

II. Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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a) Nachteile Die Zahl der möglichen Wertungswidersprüche ist unübersehbar. Unklar bleibt, wann ein Wertungswiderspruch kompetenzrelevant wird. Deswegen ist der Ansatz des Bundesverfassungsgerichts laut Fischer nicht „praxistauglich“. 184 So gibt es im Fall der Lenkungssteuer mindestens drei verschiedene Kategorien mit ebenso vielen Rechtsfolgen: Die verbotsgleich wirkende und erdrosselnde Steuer, die einem Sachgesetz widersprechende Steuer und die keinem Sachgesetz zuwiderlaufende Lenkungssteuer. Fraglich erscheint, ob es überhaupt Steuern ohne jeden Lenkungseffekt gibt. Bei festgestellter Lenkungswirkung kann jede Steuer in Konflikt mit einem Sachgesetz geraten. Die Gefahr, den Widerspruchstatbestand immer weiter auszudehnen, ist groß.185 Die Ausdehnung auf immer neue Konstellationen führt zu einer Fallgruppenbildung. Der Konflikt zwischen zwei Sachgesetzen kann nicht mit der für die Kompetenzordnung gebotenen Klarheit aufgelöst werden. Ähnlich wie im Fall der kompetentiellen Zuordnung von Sonderabgaben werden Kompetenzabgrenzungen mit materiellen Rechtsfragen unnötig überfrachtet.186 Die für die Kompetenzen der Finanzverfassung vom Bundesverfassungsgericht betonte Formenstrenge und Formenklarheit187 sollten auch für das Verhältnis zu den Sachgesetzgebungskompetenzen Geltung beanspruchen dürfen. Die Bildung von diffus wirkenden Kompetenzausübungsschranken untergräbt den Versuch, die kompetentielle Qualifikation möglichst trennscharf und berechenbar vorzunehmen. Insbesondere müssen Abwägungsentscheidungen so weit wie möglich vermieden werden. Die Aufspaltung einer Kompetenz in einen Kernund einen Randbereich geht von der unzutreffenden Annahme aus, es handele sich um zwei verschiedenartige Formen, die Kompetenz auszuüben. Das Steuergesetz mit Lenkungswirkung befindet sich jedoch vollständig innerhalb einer Steuergesetzgebungskompetenz. Die Lenkungswirkung wird in dem Sinne von der Gesetzgebungskompetenz (kraft Sachzusammenhangs) erfaßt, daß sie kompetentiell irrelevant ist (der Lenkungswirkung darf daher auch von dem im gelenkten Bereich zuständigen Sachgesetzgeber gegengesteuert werden). Die für die kompetentielle Qualifikation einer Norm irrelevanten faktischen Auswirkungen dürfen nicht über den Umweg einer Kompetenzausübungsschranke auf den kompetenzrelevanten Tatbestand zurückschlagen. Die Kompetenzirrelevanz faktischer Auswirkungen ist Ausdruck einer nicht an den Gesetzesfolgen orientierten Kompetenzauslegung. Fischer, JuS 1998, S. 1096 (1099). Davor warnt Jarass, AöR 126 (2001), S. 588 (597 f.); vgl. auch Fischer, JuS 1998, S. 1096 (1099). 186 Im Falle der Sonderabgaben soll es notwendig sein, bereits im Rahmen der Kompetenzermittlung materielle Merkmale zur Abgrenzung vom verfassungsrechtlichen Steuerbegriff zu identifizieren, um der Gefahr einer Aushöhlung der bundesstaatlichen Finanzverfassung entgegenzuwirken, siehe z. B. BVerfGE 75, 108 (147); 55, 274 (300 ff.). 187 Vgl. BVerfGE 105, 185 (193). 184 185

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G. Die Kompetenzausübungsschranken

Die an den (faktischen) Folgen einer Norm orientierte „funktionale“188 Auslegung führt nicht notwendig dazu, daß dasselbe Gesetz immer unter dieselbe Gesetzgebungskompetenz subsumiert werden kann. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und zu erwartenden Reaktionen müßten bei einer differenzierten Gesetzesfolgenanalyse einkalkuliert werden. Der Gesetzgeber erhielte seine Kompetenz aus der Hand der Gesetzesbetroffenen. Eine auf Verfassungswandel programmierte Methode der Verfassungsauslegung kann bei den auf Kontinuität und Abstraktion angewiesenen Gesetzgebungskompetenzen nicht akzeptiert werden. Die kompetentielle Qualifikation muß sich mit dem Normtext begnügen. b) Die Grundrechte als verfassungsrechtlicher Maßstab von Regelungswidersprüchen Widersprüchliche Regelungen verschiedener Gesetzgeber sollten nicht an einer Kompetenzausübungsschranke, sondern an den Grundrechten189 und am grundgesetzlich verankerten Anspruch des einzelnen auf Vertrauensschutz190 gemessen werden. Der Staat tritt dem einzelnen als „Einheit“ gegenüber – mit Ausnahme des Gleichheitssatzes wird bei den Grundrechten zusammengesehen, was bei der staatlichen Kompetenzverteilung getrennt gesehen werden mußte. Der Bürger muß nicht eine Normdivergenz, die seine Freiheitsrechte verletzt, nur deswegen hinnehmen, weil zwei verschiedene Gesetzgeber dazu beigetragen haben.191 aa) Unverhältnismäßigkeit widersprüchlicher Regelungen So kann im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit eines unmittelbar in Grundrechte eingreifenden oder des einen solchen Eingriff erlaubenden Gesetzes die Gegenläufigkeit gesetzgeberischer Konzepte oder einzelner Regelungen einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung entgegenstehen. Ein Gesetz darf in einen grundrechtlichen Schutzbereich nur dann eingreifen, wenn dieser Eingriff für den mit ihm verfolgten legitimen Zweck geeignet, erforderlich und angemessen ist. Wenn neben diesem Gesetz andere Regelungen bestehen, die die Eignung in Frage stellen, ist diese Voraussetzung nicht erfüllt. Zwar steht dem Gesetzgeber bei der Beurteilung der Eignung ein gewisser Gestaltungsspielraum zu. Doch hängt dieser Gestaltungsspielraum von der Gestaltungsmacht ab. Diese fehlt, wenn die Gegenläufigkeit von Regelungen eines anderen Gesetzgebers ausgeht. Sie fehlt nicht, wenn der Sachgesetzgeber LenkungswirVgl. Scholz, Festgabe 25 Jahre Bundesverfassungsgericht, S. 252 (268). Vgl. Haack, Regelungskonzeptionen, S. 187 ff. 190 Siehe Haack, Regelungskonzeptionen, S. 163 ff.; zur Unterscheidung beider Ansätze auf S. 197 f. 191 In diesem Sinn auch Frenz, BB 1999, S. 1849 (1850). 188 189

II. Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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kungen einer Steuer etwa durch Verbotsnormen oder gegenläufige Anreize wieder umlenken kann. Das dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu entnehmende Teilgebot der Geeignetheit erfordert den Einsatz solcher Mittel, die den gewünschten Erfolg fördern können.192 Dabei reicht ein Beitrag zur Zielerreichung aus.193 Das bestmögliche Mittel ist nicht geboten.194 Dabei ist auch das gesetzgeberische Umfeld der zu prüfenden Regelung in die Betrachtung einzubeziehen. Die Geeignetheit wird nicht erst im Falle eines normlogischen Widerspruchs entfallen. Sollte die Lenkungswirkung der Steuer sachgesetzgeberischen Zielen, die ihrerseits nur im Wege nicht zwingenden Rechts angestrebt wurden, so zuwiderlaufen, daß diese nicht mehr erreicht werden, ist das Sachgesetz zur Zielerreichung ungeeignet. Im Rahmen der Erforderlichkeit kann die Lenkungswirkung der Steuer einer Grundrechtsprüfung unterzogen werden. Bezüglich der Lenkungswirkung stellt sich insbesondere die Frage, ob der Lenkungszweck ein legitimes Eingriffsziel darstellt. Der grundrechtlich fundierte Anspruch, eine Grundrechtsbeeinträchtigung nur vom kompetenten Gesetzgeber erleiden zu müssen, führt nicht dazu, daß der lenkende Steuergesetzgeber für die grundrechtliche Verhältnismäßigkeit bzw. die Legitimität des verfolgten Lenkungsziels der Sachkompetenz bedarf. Denn die Lenkungswirkung ist nicht kompetenzwidrig, sondern (aufgrund Sachzusammenhangs) kompetenzrechtlich irrelevant. Wenn die Lenkungswirkung eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes bewirkt,195 ist nach dem sachlichen Grund zu fragen. Wenn der Gesetzgeber nur lenkt und nicht (imperativ) regelt, bedarf er für den sachlichen Grund nicht auch der Sachgesetzgebungskompetenz. In ähnlicher Absicht wird zwischen Regelungszielen und Differenzierungsgründen unterschieden, da die Ungleichbehandlung nicht stets unmittelbar (als Regelungsgehalt) beabsichtigt oder reiner Selbstzweck ist, sondern vielfach gleichsam nebenher eintritt.196 bb) Vertrauensschutz gegen widersprüchliche Regelungen Als ein anderes Mittel zur Abwehr „konzeptueller“ Widersprüche verschiedener Gesetzgeber kann das Gebot des Vertrauensschutzes eingreifen.197 Der Vertrauensschutz ist als Maßstab derselbe bei einem und bei zwei Gesetzgebern.198 Die GeBVerfGE 30, 292 (316); 33, 171 (187); 67, 157 (173). Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 74. 194 Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 84. 195 Wobei die Gegenläufigkeit sachgesetzlicher Regelungsgehalte einerseits und steuerrechtlicher Lenkungswirkung andererseits in bezug auf das Verhalten eines identischen Adressaten keine Gleichheitsverletzung darstellt. 196 Brüning, JZ 2001, S. 669 (670 f.). 197 Siehe Haack, Regelungskonzeptionen, S. 163 ff.; vgl. auch A. Leisner, StuW 1998, S. 254 (262). 192 193

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G. Die Kompetenzausübungsschranken

setzgeber müssen das Risiko der durch die föderale Trennung der Gesetzgebung entstehenden Brüche tragen.199 Allerdings läßt sich der Vertrauensschutz nicht von den grundrechtlichen oder grundrechtsgleichen Positionen des Bürgers abkoppeln. Der Vertrauensschutz ist zwar ein aus dem Rechtsstaatsprinzip gefolgertes Teilgebot, das den Grundsatz der Rechtssicherheit konkretisiert.200 Er dient aber der Konkretisierung verfassungsrechtlich bereits anerkannter subjektiver Rechte. Das Bundesverfassungsgericht hat die Gebote der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes als Schranken solcher Hoheitsakte bewertet, „die belastend in verfassungsmäßig verbürgte Rechtspositionen eingreifen“.201 Der Vertrauensschutz wird von einigen Autoren in den Grundrechten verankert.202 Er ergibt sich aus einer Abwägung des Interesses des Betroffenen am Fortbestand der alten Regelung gegen das Interesse der Allgemeinheit an einer geänderten Regelung. Der Vertrauensschutz im Bereich der Gesetzgebung richtet sich gegen rückwirkende Gesetzgebung. Auch durch die Umdeutung in eine „Kontinuitätsgewähr“ kann diese Schutzrichtung nicht in einen allgemeinen Anspruch auf Systemgerechtigkeit umgestaltet werden.203 Fraglich ist aber, ob nicht widersprüchliche Regelungen, die, werden sie zeitgleich erlassen, grundrechtlich nicht beanstandet werden können, in der zeitlichen Aufeinanderfolge aufgrund des Vertrauensschutzes verfassungswidrig sind. Denn Anreize etwa durch Lenkungssteuern können langfristige Investitionen zur Folge haben, die durch ein späteres sachgesetzgeberisches Konzept, das auf freiwillige Kooperation setzt, entwertet werden. Die finanzielle Einbuße wird in der Regel größer sein, wenn umgekehrt Maßnahmen aufgrund des sachgesetzgeberischen Konzepts freiwillig langfristig getroffen werden und eine steuerliche Last hinzutritt, die im nachhinein gerade an diese freiwillige Entscheidung anknüpft. Gerade bei auf Freiwilligkeit bauenden gesetzgeberischen Konzepten kommt es auf das Vertrauen des Normadressaten stärker an, als wenn umgekehrt die Freiwilligkeit des Verhaltens durch gesetzliche Pflichten eingeschränkt wird.204 Allerdings wird durch den Vertrauensschutz nicht die Widersprüchlichkeit als solche sanktioniert. Vielmehr wird das in Gestalt grundrechtsrelevanten Handelns 198 Vgl. Haack, Regelungskonzeptionen, S. 180; Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, S. 72 f., 114. 199 Haack, Regelungskonzeptionen, S. 180; Brohm, Jura 1986, S. 617 (618); Kisker, VVDStRL 32 (1974), S. 149 (166). 200 Vgl. statt aller Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 67. 201 BVerfGE 63, 343 (356 f.); 67, 1 (14). 202 Zu Art. 14 GG vgl. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 418; W. Schmidt, JuS 1973, S. 529 (532). Zu Art. 12 GG vgl. Kunig, ebenda; Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S. 43 ff. Zu Art. 2 Abs. 1 GG vgl. Grabitz, DVBl. 1973, S. 675 (678 ff.); Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S. 52 ff.; Preuß, JA 1977, S. 265 (269). 203 Vgl. aber Haack, Regelungskonzeptionen, S. 164 f. 204 Haack, Regelungskonzeptionen, S. 174; a. A. Bachof, VVDStRL 32 (1974), S. 242 f. (Diskussionsbeitrag).

II. Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung

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betätigte Vertrauen geschützt. Haack führt das Beispiel der bayerischen Ärzte an, die vor dem Schwangerenhilfeergänzungsgesetz in den Aufbau einer speziell ausgerüsteten Praxis für Schwangerschaftsabbrüche investierten und sich durch den Erlaß dieses Gesetzes plötzlich mit einer Einnahmequotierung für diese ärztliche Tätigkeit konfrontiert sahen.205 Dieses Vertrauen beruhte nicht, wie Haack annimmt, auf der vorgängigen Neuregelung des Bundesabtreibungsstrafrechts, sondern allenfalls auf dem Fehlen einer berufsrechtlichen Regelung,206 so daß es sich gegebenenfalls nicht um einen die Grenzen der Verbandskompetenz überspringenden Vertrauensschutz handeln würde. Ferner wurde angenommen, daß gerade steuerrechtliche Lenkungsnormen die Abwägung zwischen Bestands- und Änderungsinteresse zugunsten des ersteren ausschlagen lassen.207 Jedoch wird diese Ansicht auch nur im Blick auf eine Änderung eben dieses Steuergesetzes geäußert und nicht im Blick auf eine etwa hinzutretende Sachregelung. Gleichwohl erscheint eine Relevanz des Vertrauensschutzes bei hinzutretenden Regelungen des anderen Gesetzgebers nicht ausgeschlossen. Diese Möglichkeit rührt von dem Umstand, daß insbesondere eine steuerliche Lenkungsnorm grundrechtlich zurechenbare Auswirkungen in Bereichen haben kann, deren primäre Regelung dem anderen Gesetzgeber im Bundesstaat obliegt. Diese Inkongruenz geht zu Lasten des späteren Gesetzgebers, auch wenn der frühere Gesetzgeber nur in Gestalt von kompetenzirrelvanten Nebenwirkungen eine Lenkung ausgelöst hat. Deren grundrechtliche Relevanz beinhaltet auch die Möglichkeit, daß das gelenkte Verhalten schutzwürdig ist. Nur insofern kann von einer „Fremdbindung im Bundesstaatsgefüge“208 gesprochen werden. Der spätere Gesetzgeber ist nicht vollständig an einer Regelung gehindert. Er muß den Vertrauensschutz berücksichtigen. Der Steuergesetzgeber kann Steuerbefreiungen vorsehen. Der Sachgesetzgeber kann Übergangsbestimmungen, Ausnahmetatbestände und Härteklauseln schaffen. Diese Ausnahmen müssen nur auf diejenigen bezogen werden, die den verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz für sich in Anspruch nehmen können. Die Lenkungswirkung muß nicht bei jedem gewirkt haben. Im übrigen ist der spätere Gesetzgeber nicht gehindert, sein neues Konzept zu etablieren.

Haack, Regelungskonzeptionen, S. 186 f. Indes kann das Objekt des Vertrauens nur durch Wertungen oder Typisierungen festgestellt werden, wenn man eine tatsächliche Kenntnis der Gesetzlage bei dem Vertrauensschutzwürdigen für nicht erforderlich hält – vgl. in diesem Sinne Haack, Regelungskonzeptionen, S. 178; a. A. Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen, S. 90 ff. 207 BVerfGE 97, 67 (80); Isensee, Festschrift Klein, S. 611 (613 f.); Kirchhof, DStR 1989, S. 263 (268); Möller / Rührmair, NJW 1999, S. 908 (911); Rensmann, JZ 1999, S. 168 (171); Tipke, Die Steuerrechtsordnung I, S. 194; Vogel, JZ 1988, S. 833 (838); a. A. Arndt / Schumacher, NJW 1998, S. 1538 (1539); Wernsmann, JuS 2000, S. 39 (41). 208 So Haack, Regelungskonzeptionen, S. 164 f. 205 206

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cc) Vorrangregeln Wenn es an einer Geeignetheit des Sachgesetzes wegen der dessen Zwecksetzung zuwiderlaufenden Anreizwirkung des Steuergesetzes fehlen sollte, stellt sich die Frage, welches Gesetz den Vorrang haben soll. Art. 31 GG scheidet wiederum aus, weil er auf den normlogischen Widerspruch beschränkt ist, welcher wiederum durch die Kompetenzverteilung im vorhinein verhindert wird. In der Vielzahl der Fälle fehlt eine solche Vorrangregel. Ein stereotyper Vorrang des Sachgesetzes vor dem Steuergesetz kann nicht angenommen werden. Kompetenzen von Bund und Ländern sind im Bundesstaat gleichwertig.209 Für die Feststellung und Auflösung von Konflikt- und Gemengelagen ist die grundrechtliche Situation in den Blick zu nehmen. Eine Grundrechtsbeeinträchtigung kann durch verschiedene Maßnahmen wieder beseitigt werden. Das Sachgesetz oder das Steuergesetz könnten aufgehoben werden. Statt dessen läßt sich auch eine genauere Abstimmung beider Gesetze aufeinander vornehmen, für die es in der Regel mehrere grundrechtsschonende Möglichkeiten gibt. Die Lage erinnert an diejenigen Fälle eines Gleichheitsverstoßes, in denen das Bundesverfassungsgericht statt der Nichtigkeit die Unvereinbarkeit des Gleichheitsverstoßes mit dem Grundgesetz erklärt.210 Dies wird damit gerechtfertigt, daß der Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Heilung der Verfassungswidrigkeit besitzt, unter denen die Aufhebung des Gesetzes nur eine ist. Ferner wird angeführt, nicht das Gesetz sei gleichheitswidrig und damit für nichtig zu erklären, sondern die durch das Gesetz gestaltete Lage sei gleichheitswidrig.211 Wenn sich die Wirkungen zweier Gesetze zu einer Grundrechtsverletzung gleichsam „addieren“, insofern jedes von ihnen für sich genommen grundrechtsgemäß ist, hat das spätere Gesetz die Verfassungswidrigkeit verursacht und müßte aufgehoben werden. Der lex posterior-Satz kommt zwar zwischen verschiedenen Gesetzgebern nicht zur Anwendung. Doch mag das Zurücktreten des späteren Gesetzes unterstützend mit dem Gebot der Bundestreue gerechtfertigt werden, die den späteren Gesetzgeber verpflichtet, die Wirkungen seiner Gesetzgebung auch unter Rücksichtnahme des vorhandenen Gesetzesbestands anderer Gesetzgeber abzuschätzen.212 Wenn allerdings das Steuergesetz seinerseits in der Anreiz gebenden Gestalt gleichheitswidrig ist oder ein Freiheitsrecht verletzt, muß das spätere Sachgesetz vorgehen.213 Brohm, DÖV 1983, S. 525 (528). Vgl. zu diesem Entscheidungsausspruch § 31 Abs. 2 S. 2 u. 3 BVerfGG. 211 Schlaich / Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 402: Das Verhältnis beider Normen ist verfassungswidrig. 212 Vgl. Haack, Regelungskonzeptionen, S. 214 f.: „Gegen das Bundestreuegebot verstößt deshalb jene Bestimmung, die später erlassen, zur bestehenden fremden Regelung also hinzugesetzt wurde.“ 213 Fraglich ist, ob der Sachgesetzgeber in diesem Fall die verfassungsgerichtliche Feststellung der Verfassungswidrigkeit des (früheren) Steuergesetzes und – bei Unverein209 210

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Abschließend sei hervorgehoben, daß die Grundrechtsrelevanz von wertungswidersprüchlichen Regelungen tendenziell später anzunehmen ist als das durch die Grundrechtsprüfung entbehrlich gewordene Eingreifen der Kompetenzausübungsschranke der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung. Der einfache Hinweis auf widersprüchliche Regelungen vermag eine sorgfältige Prüfung am Maßstab der Grundrechte nicht zu ersetzen.

III. Verhältnis der Kompetenzausübungsschranken zur Kompetenzermittlung Die Kompetenz für ein Gesetz muß sich einfach ermitteln lassen. Die Verfassung verlangt in der Frage der Verbandskompetenz Klarheit. Die Grundlage eines solchen auf Vorhersehbarkeit angelegten Klarheitsgebots liegt zum einen im Rechtsstaats- und Bundesstaatsprinzip. Denn wenn es die Funktion des Gesetzesvorbehalts ist, mittels des Gesetzes vorhersehbare Rechtsfolgen zu schaffen, müssen erst recht die Bedingungen eines solchen Gesetzes, nämlich seines Zustandekommens und der Zuständigkeit für seinen Erlaß, im vorhinein berechenbar sein. Daneben sind die Gesetzgebungskompetenzen eine Essentialie der jeweiligen staatlichen Souveränität von Land und Gesamtstaat. Die Abgrenzung der Kompetenzen zwischen diesen Verbänden zeichnet deren Staatsgewalt nach, die sich vom Souverän, dem Landes- und Bundesvolk, ableitet. Die Klarheit der Grenzziehung dient damit auch dem Demokratieprinzip. Schließlich regelt das Grundgesetz die Kompetenzverteilung derart detailliert, daß eine genaue Abgrenzung im einzelnen schon durch Wortlaut und Systematik geboten erscheint. Eine Konsequenz ist die in dieser Arbeit dargelegte strikte Trennung von Gesetzgebungskompetenz und materiellem Verfassungsrecht. Dies ist auch ein leitender Gesichtspunkt bei der Anwendung des „Sachzusammenhang“ genannten Auslegungsbehelfs. Der Umfang der Kompetenz ist von Einflüssen materiellen Verfassungsrechts weitgehend freizuhalten. Rechtsprechung und Lehre folgern aus dieser zumeist unausgesprochenen Einfachheit und Abstraktheit der Kompetenzverteilung, daß es einer Konkretisierung, einer Feinsteuerung, eines sich anschließenden Korrektivs214 bedarf. Das ist der Zweck der sogenannten Kompetenzausübungsschranken. Doch bleibt die Frage, ob und inwieweit von Verfassungs wegen eine solche Feinsteuerung überhaupt geboten oder auch nur zulässig ist. Mit Blick auf das Gebot der Bundestreue wurde betont, daß Korrektur nicht Neuverteilung bedeuten darf. Diejenige Kompetenz, die dem einen Gesetzgeber zugesprochen wurde, soll ihm nicht über das Vehikel der Kompetenzausübungsschranke wieder genommen und außerdem dem anderen Gesetzgeber zugewiesen barerklärung – dessen Umgestaltung (Ergänzung, Veränderung oder Aufhebung) abwarten muß. 214 Vgl. Bullinger, AöR 96 (1971), S. 237 (264).

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werden können. Für die Bundestreue folgt diese beschränkte Rechtsfolge in bezug auf die Kompetenzverteilung aus deren Entwicklung auf anderen Anwendungsfeldern. Die Bundestreue begrenzt bestehende Kompetenzen und Befugnisse, erweitert diese aber nicht. Sie ermöglicht keine Kompetenzverteilung contra constitutionem, sondern verhält sich akzessorisch zum geschriebenen Verfassungsrecht. Bereits der Begriff „Kompetenzausübungschranke“ verdeutlicht, daß eine Korrektur die Kompetenzverteilung nicht umkehren darf. Vielmehr soll der eigentlich kompetente Gesetzgeber ein Gesetz nicht erlassen dürfen – doch bedeutet dessen Beschränkung keine spiegelbildliche Erweiterung der Kompetenz des anderen Gesetzgebers. Dieser wird bei eingreifender Kompetenzausübungsschranke nicht seinerseits zum Erlaß dieses oder eines Gesetzes dieser Art, das den Bundestreueverstoß vermeidet, zuständig. Es handelt sich wenigstens in der Wirkung um eine negative Kompetenz, wie sie auch im materiellen Verfassungsrecht, etwa den Grundrechten, gesehen wird. Für das „Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung“ lassen sich vergleichbare Aussagen zwar nicht belegen. Jedoch spricht das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich von einer Kompetenzausübungsschranke. Die von der Bundestreue bekannten Grundsätze müssen also auch hier gelten. Charakteristisch für die Anwendung der Kompetenzausübungsschranken ist der Umstand, daß sich die von der Kompetenzverkürzung betroffenen Regelungsgegenstände in abstracto kaum als eine Materie bestimmen lassen. Für die unter das Verdikt der Bundestreuewidrigkeit fallenden Gesetze läßt sich zwar eine eindeutige kompetentielle Zuordnung treffen, doch beeinträchtigen sie zugleich einen der Kompetenz nicht zur Regelung eröffneten Bereich in korrekturbedürftiger Weise. Dabei ergibt sich die Verfassungswidrigkeit in der Regel erst aus einem Zusammenspiel mit den Gesetzen des anderen, also des gleichsam beeinträchtigten Gesetzgebers. Deswegen ist nach der Rechtsprechung offenbar auch ein Verfassungswidrig-Werden aufgrund eines Verstoßes gegen eine Kompetenzausübungsschranke möglich. Bei der Bundestreue lassen sich vereinfacht drei Fallgruppen unterscheiden. Zum einen wirkt die Bundestreue wie ein Mißbrauchsverbot; zum zweiten schützt sie den staatsorganisatorischen Bereich des anderen Staatsverbands; drittens – und dies interessiert im vorliegenden Zusammenhang – soll sie Exemtionen, Dispensregelungen und ähnliche Modifikationen vom allgemein geltenden Recht für Behörden und Organe des anderen Staatsverbands erfordern. In dieser letzten Fallgruppe wird das Bundestreuegebot herangezogen, um die Bundes- oder Landesbehörden bei der Ausführung von Bundes- und Landesrecht von materiellen oder verfahrensrechtlichen Bindungen durch den jeweils anderen Gesetzgeber zu befreien. Doch ist die Bundestreue in dieser Hinsicht überflüssig. Sofern solche Befreiungen explizit im Gesetz geregelt werden, ist nach der hier zugrunde gelegten Auffassung in der Regel derjenige Gesetzgeber zuständig, von dessen Vorschriften befreit werden soll. Dies kann als Kompetenz kraft Sachzusammenhangs bezeichnet werden. So eximieren einige Landesbauordnungen Bauten der Bundeswehr vom Genehmi-

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gungserfordernis, oder das bundesrechtliche Aktiengesetz modifiziert die für Aufsichtsratsmitglieder im allgemeinen geltende Verschwiegenheitspflicht, wenn diese auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft in den Aufsichtsrat gewählt oder entsandt worden sind, damit diese ihren öffentlich-rechtlichen Berichtspflichten nachkommen können.215 Dies gilt auch für Länder, Gemeinden oder Gemeindeverbände, so daß die Ausnahme zugunsten landesgesetzlicher Berichtspflichten greift. Ganz überwiegend werden solche gesetzlichen Exemtionen von Vorschriften, die für alle betroffenen Bürger gelten, nicht auf Einrichtungen des anderen Hoheitsträgers beschränkt, sondern auf öffentliche Einrichtungen insgesamt erstreckt.216 Sie sind dann nach Maßgabe des einfachgesetzlichen Regelungszusammenhangs und verfassungskonform217 daraufhin auszulegen, ob auch Einrichtungen des anderen Hoheitsträgers einbezogen sind. Aus der Gesetzgebungskompetenz als solcher folgt nicht, daß sie auch umfassend ausgeschöpft wurde. Wenn eine Exemtion für öffentlich-rechtliche Einrichtungen überhaupt fehlt, können sich Privilegierungen dennoch aus einer verfassungskonformen Auslegung eines dem Wortlaut nach für alle – Bürger und öffentliche Einrichtungen – geltenden Gesetzes ergeben. Im Falle eines mit Beurteilungsspielraum der gesetzesanwendenden Verwaltung verbundenen unbestimmten Rechtsbegriffs oder bei der Einräumung von Ermessen bietet es sich an, dort die von der „gesetzesunterworfenen“ Behörde verfolgten Belange und Entscheidungen zu berücksichtigen. Eines Rückgriffs auf die Bundestreue bedarf es nicht. Vielmehr sind die das Gesetz anwendenden Behörden aufgrund der aus Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Bindung an Recht und Gesetz verpflichtet, auch die Gesetzes- und Rechtsbindungen der Behörden des anderen Hoheitsträgers zu beachten. Fehlt es an einer einfachgesetzlichen Norm, die Beurteilungsspielraum oder Ermessen eröffnet, ist noch eine teleologische Reduktion der jeweiligen Vorschrift möglich. Daher sollte nicht von der Bundestreue als einer Kompetenzausübungsschranke gesprochen werden. Für das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung gelten die vorgetragenen Einwände. Besonders ist der normlogische Widerspruch, der zum Tatbestand des Art. 31 GG gehört, die äußerste Grenze einer von Kompetenz wegen aufzulösenden Normdivergenz. Selbst der normlogische Widerspruch wird – oft mit Hilfe der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs – bereits bei der Auslegung der Kompetenzen vermieden, so daß Art. 31 GG verfassungssystematisch leerläuft. Unterhalb der Schwelle des normlogischen Widerspruchs liegende Normdivergen§ 394 AktG. Vgl. den Wortlaut von § 394 AktG; ausdrücklich etwa § 80 Abs. 1 Nr. 1 BauO NRW. Aus § 78 Abs. 1 VwVG NRW läßt sich e contrario schließen, daß ein Zwangsverfahren wegen einer Geldforderung gegen den Bund oder dessen juristische Personen nicht stattfindet; § 17 VwVG des Bundes normiert, daß gegen Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts Zwangsmittel unzulässig sind, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. 217 Unter Umständen läßt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ein Gleichbehandlungsgrundsatz für Landes- und Bundeseinrichtungen durch den Landes- oder Bundesgesetzgeber ableiten. 215 216

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G. Die Kompetenzausübungsschranken

zen, also für gewöhnlich Wertungswidersprüche, sind in der Regel nicht auflösungsbedürftig. Was für die Gesetze desselben Gesetzgebers gilt, ist auch für Gesetze verschiedener Gesetzgeber anzunehmen. Den Lenkungswirkungen eines Steuergesetzes darf vom Sachgesetzgeber entgegengewirkt werden. Kommt es wegen dieses Nebeneinander von steuergesetzlicher Lenkungswirkung und gegenläufiger Sachregelung zu Grundrechtsbeeinträchtigungen, dürfte wohl das spätere Gesetz zurücktreten müssen. Die hier vertretene strikte Ablehnung isoliert zu prüfender Kompetenzausübungsschranken führt zu einer transparenteren Zuteilung legislativer Verantwortung. Für sie spricht darüber hinaus die Abwägungsfeindlichkeit kompetentieller Abgrenzung.218 Die Ablehnung der Kompetenzausübungsschranken ist nur die Konsequenz aus ihrer Redundanz. Diese ergibt sich aus dem Verhältnis der Kompetenzvorschriften zum materiellen Recht. Dazwischen paßt kein weiteres Blatt, auf dem zusätzliche Harmoniegebote geschrieben stehen. Die Gesetzgeber im Bundesstaat haben sich an das materielle Verfassungsrecht im Rahmen ihrer Verbandskompetenzen zu halten. Jede weitere Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit wäre eine von der Verfassung nicht vorgesehene Neuordnung des Bundesstaats.

218 In diesem Sinne Isensee, JZ 1999, S. 1113 ff. Zum Gegensatz von Abwägungsentscheidung und Entweder-Oder-Entscheidung vgl. W. Leisner, Der Abwägungsstaat, S. 46 ff. Zur unberechenbaren Vielfalt von Abwägungsmustern in der Grundrechtsdogmatik Schlink, Abwägung im Verfassungsrecht, S. 127 ff.

H. Zusammenfassung in Thesen 1. Mit dem Begriff „Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs“ werden zumindest drei unterschiedliche Erscheinungsformen der Kompetenzermittlung benannt: Die kompetentielle Irrelevanz nicht regelnder Wirkungen auf Materien fremder Kompetenz, die Kompetenz kraft Spezialität sowie der Sachzusammenhang nach der Formel des Baurechtsgutachtens des Bundesverfassungsgerichts. 2. Die Formel des Baurechtsgutachtens kann nicht zur Ermittlung von Gesetzgebungskompetenzen dienen. Sie geht von verfassungswidrigen Prämissen aus, indem der Wortlaut der Kompetenznormen zur Disposition des Gesetzgebers gestellt wird. 3. Faktische Auswirkungen einer gesetzlichen Regelung sind für die kompetentielle Qualifikation eines Gesetzes stets irrelevant. Eine „funktionale“ Auslegung der Kompetenznormen, die die Gesetzesfolgenabschätzung zum Maßstab der kompetentiellen Qualifikation erhebt, ist abzulehnen. 4. Voraussetzung für die Subsumtion eines Gesetzes unter eine Kompetenznorm (kompetentielle Qualifikation) ist, daß das Gesetz nicht weiter „zerlegbar“ ist. Es muß sich um ein einzelnes Gesetz handeln. Weder Gesetzeswerke noch gesetzgeberische Konzepte können en bloc kompetentiell qualifiziert werden. Wenn ein Gesetz regelnd auf mehrere verschiedene Kompetenzmaterien einwirkt, die teils dem Bund, teils den Ländern zur Regelung zugewiesen sind, ist das betreffende Gesetz noch zerlegbar. Derart ambivalente Regelungen können noch nicht subsumiert werden. Daher ist es nicht notwendig, den Sachzusammenhang für solche Fälle zu instrumentalisieren. 5. Die vom Bundesverfassungsgericht kompetentiell qualifizierten „Teilregelungen“ sind jeweils Gesetze, die für sich genommen unter die Kompetenzvorschriften subsumiert werden können. Die (u. a. teleologisch-systematische) Auslegung dieser einzelnen Teilregelungen trägt die kompetentielle Qualifikation, nicht hingegen der Regelungszusammenhang anderer gesetzlicher Regelungen als solcher. Ist in diesem Kontext vom „überwiegenden Sachzusammenhang“ die Rede, so dient dieser nur als Behelf in der teleologischen Auslegung des zu subsumierenden Gesetzes. 6. Art. 31 GG spielt für die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen keine Rolle. „Doppelkompetenzen“ sind abzulehnen, weil die Zuordnung einzelner Gesetze zu einem Kompetenztitel eindeutig erfolgt. Schwierige Abgrenzungen sind im Wege der Subsumtion unter den Kompetenztitel zu klären und nicht mit Hilfe des Art. 31 GG.

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H. Zusammenfassung in Thesen

7. Die Bestimmung der Grenzen zwischen den Kompetenzmaterien muß von Elementen der Abwägung freigehalten werden. „Gemengelagen“ lassen sich durch die Ermittlung von Verhältnissen der Spezialität zwischen den Kompetenznormen auflösen. 8. Die Spezialität knüpft an den Wortlaut der Kompetenzmaterien an. Materielles Verfassungsrecht (Grundrechte oder Verfassungsprinzipien) kann keine Spezialität zwischen Kompetenzvorschriften begründen. Eine Kompetenz kraft besserer Möglichkeit zu Grundrechtsverwirklichung und Grundrechtsschutz gibt es nicht. Derartige Motive des Verfassunggebers, dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz zuzuweisen, müssen von der Auslegung dieses Titels getrennt werden. 9. Wenn sich für ein Gesetz mehrere je für sich Spezialität begründende Kriterien ergeben, die unterschiedliche kompetentielle Qualifikationen erlauben, ist dennoch eine Spezialitätsentscheidung zu treffen. Meta-Kriterien für die maßgeblichen Kriterien lassen sich abstrakt nur schwer bestimmen. Beim Zusammentreffen modaler mit gegenständlich beschriebenen Kompetenzmaterien ist das Mittel (Steuer, Strafe) maßgeblich. Beim Strafrecht sollten Tatbestand und Rechtsfolge separat qualifiziert werden. Treffen zwei gegenständlich beschriebene Kompetenzmaterien aufeinander, ist auf Eingriffsort, – mittel und -adressat abzustellen, um die Kompetenz mit der größeren Nähe zu der fraglichen Regelung festzustellen. Jedenfalls sollte ein Rückgriff auf Argumente aus dem materiellen Verfassungsrecht sowie auf eine Abwägung vermieden werden. 10. Die Kompetenzausübungsschranken – Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung und Gebot der Bundestreue – werden immer wieder zur verfeinerten Abstimmung zwischen Bundes- und Landesgesetzgebung herangezogen. Dabei wird auf Elemente der Abwägung zurückgegriffen, die bei der kompetentiellen Qualifikation einzelner Gesetze unzulässig ist. Eine Korrektur der Kompetenzverteilung über die Schranken der Kompetenzausübung ist in den meisten Fällen überflüssig. a) Das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung kompensiert die vermeintlich insofern zu grobe Kompetenzverteilung, als diese indifferent gegenüber bloß faktischen Gesetzeswirkungen ist. Jedoch besteht keine Notwendigkeit, derartige Wirkungen durch ein Verbot kompetenzgemäßer Gesetze einzudämmen, solange die Regelungsbetroffenen keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Auflösung oder Vermeidung der durch verschiedene Gesetzgeber verursachten Gemengelage haben. b) Für das Gebot der Bundestreue gilt dasselbe, wenn es als mit dem Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung austauschbares Gebot zur Rücksichtnahme auf den anderen Gesetzgeber im Bundesstaat verstanden wird. In einigen Konstellationen mag die Anwendung der Bundestreue hingegen sinnvoll sein. Diese lassen sich auch als ein Mißbrauchsverbot beschreiben.

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Bundestreue 23, 43, 62, 67, 93, 95 f., 120, 139 f., 164 ff., 186, 212, 230, 257, 273, 287, 308 ff., 349, 356 f., 359 ff., 379, 400, 408 f., 412 Doppelfunktionale Maßnahmen 295 Doppelkompetenzen 66, 85, 87, 117, 128, 135, 137 ff., 173, 349 f., 369, 378 f., 411 Einheit der Rechtsordnung 324, 335, 377 Einheit der Verfassung 26, 79, 178, 335 Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers 339 ff. Eisenbahnkreuzungsentscheidung des BVerfG 254, 320 ff. Europäisches Gemeinschaftsrecht 72, 229 ff. Experimentelle Gesetzgebung 239 express powers 129 Faktische Wirkungen von Gesetzen 28, 71, 84, 114, 118, 121, 145, 169, 171 f., 181, 279 f., 340, 346, 351 f., 354, 368, 395, 401 f., 411 f. Fiktion des Gesetzgebers 363 Formenmißbrauch 91, 303 Gattungsbegriff 163, 215 Gebot der Bundestreue siehe Bundestreue Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung siehe Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung Gebührenregelung 251, 354 Gesamtverantwortung des Bundes 67, 162 Gesetzgebungsexperiment 239 Gesetzmäßigkeit der Verfassung 73 f. Gestaltungsfreiheit bzw. Ermessen des Gesetzgebers 56 f., 104, 205, 339 ff., 357, 402 Haupt- und Nebenzweck des Gesetzes 30, 66, 88, 90 ff., 105, 118, 167, 378 f.

442

Sachwortregister

Hausgut der Länder 93, 165, 219, 271 f., 365 Hilfszuständigkeiten 55, 117, 131, 133, 231, 231, 241, 247 implied limitations 51 Implied powers-Doktrin 27, 29, 45, 50, 54, 129, 232, 355 Kernbereich der Kompetenz 88, 92 f., 102, 118, 200, 257, 401 Kernstrafrecht 187 f., 246 f., 304 f. Kollisionsregel 44, 47, 68, 138, 161, 341 Kommunalrechtliche Formvorschriften 210 f. Kompetentielle Qualifikation 44, 65 ff., 85 ff., 237, 245 f., 299, 302 ff., 344, 346, 355 ff., 368, 373 f., 376, 385, 392, 394 ff., 401 f., 411 f. Kompetenz – Ausübungsschranken 43 ff., 120, 139 ff., 162, 164 ff., 183, 212, 271, 273, 308, 312 f., 325, 340, 349, 352, 359 ff., 412 – Begriff 24 ff. – der Bundespflege 129 f. – der Reichspflege 56 – Ermittlung 87, 99, 119, 144, 339 ff., 360, 401, 407 ff., 411 – kraft Annexes siehe Annexkompetenz – kraft Konnexität 52 ff. – kraft Natur der Sache 22, 24, 27 f., 32, 48, 53, 55, 61, 63 f., 77, 121 ff., 158, 162 f., 168, 189, 220, 232, 262, 265, 271, 306, 354 – Meta-Kriterien 344, 412 – mitgeschriebene 28, 31 f., 45, 69, 121 f., 232, 243, 249 – modale 96, 149 ff., 166 ff., 302, 350, 389, 392, 412 – stillschweigende 32, 46, 49, 51 ff., 58, 121 ff., 232, 271 – und Gleichheitssatz 152, 161, 181, 201 ff., 361, 376, 387, 391, 402 – und grundrechtliche Schutzpflichten 176, 188, 190, 304, 372, 388 – ungeschriebene 28, 44, 55, 121 ff., 232, 273, 346

– zur Spezialregelung siehe Sonderrecht, Spezialitätsverhältnis Kompetenzbegründender Sachzusammenhang 135 ff. Kompetenzergänzender Sachzusammenhang 135 ff. Kompetenzerweiternder Sachzusammenhang 47, 98 ff., 135, 145, 158 Kompetenzirrelevante Wirkungen von Gesetzen siehe Faktische Wirkungen von Gesetzen Kompetenzkollision 56, 140, 312, 350 Kompetenz-Kompetenz 23, 55, 164, 221, 271 Kompetenzkonflikt 44, 110, 161, 316 Kompetenzmix 65, 100, 157 Komplexbegriffe 72 Konzentrationswirkung 316, 318 ff. – Anordnung einer 322 ff. – formelle 322 f., 325 f., 328, 336 – Kettenkonzentration 328 ff. – materielle 320, 322, 324, 330 ff., 337, 373 Landesgrundrechte 221 f., 225 f., 228 – privatrechtsgestaltende 228 Landesverfassungsrecht 22 f., 104, 218, 221 ff. Lenkungswirkungen von Gesetzen 30, 66, 90, 150 ff., 168, 181, 346, 351 f., 378 ff. lex specialis siehe Spezialitätsverhältnis Logische und sachliche Trennbarkeit 49 f., 140 f., 280 Lückenschließungskompetenz 45 Mischgesetzgebung 66 ff. Modellgesetzgebung 239, 339, 345 Mosaikkompetenz 65 Necessary and Proper Clause 45, 54, 124 f. Normkollision 143, 161, 210, 367, 370, 384 Normkonflikt 66, 164, 169, 222, 226, 349 Normkonkurrenz 140, 142, 350 Organisationsgewalt – der Länder 103 f., 165, 219 f., 270 f. – des Bundes 322 Organisationshoheit der Länder 33

Sachwortregister Organkompetenz kraft Sachzusammenhangs 30, 37 Planfeststellungsverfahren, das Zusammentreffen von 36, 319, 336 Planungsermessen 332 Präklusion 307 Primat des Bundesgesetzgebers 44, 161 ff. Querschnittsmaterie 231, 233, 344 Randnutzungen 38 f. Rechtskrafttheorie 306 f. Rechtswegzuweisung kraft Sachzusammenhangs 39 ff. Reservekompetenz 69, 101, 261 Residualkompetenz 229 resulting powers 232 Schwerpunkt der Regelung 36, 65, 84 f., 105, 107 ff., 144, 214, 276 f., 293 ff., 343, 346 Sicherungsverwahrung 21, 296 ff. singularia non sunt extendenda 71 Sonderabgaben 28, 151, 166, 248, 251, 383, 387, 401 Sonderrecht 139, 196, 258, 286, 309 f., 314, 325 – idealkonkurrierendes 140, 142 ff., 350 – realkonkurrierendes 140 ff. Souveränität der Gliedstaaten im Bundesstaat 50, 52, 162, 207, 407 Spezialitätsverhältnis 37, 44, 78 f., 96 ff., 106, 112, 114, 132 ff., 138, 145 ff., 166 ff., 173, 180 ff., 199, 209, 215, 221, 226, 233, 236, 248 f., 252, 256, 258, 261, 266, 268, 274, 290, 317, 326 ff., 339 ff., 348, 373, 387, 395, 398, 411 f. Staatshaftungsgesetzentscheidung des BVerfG 74, 76, 99, 217, 274, 366 Staatspraxis 73, 75 Staatszielbestimmungen 26, 177, 221 ff., 230 Stamm-Materie 98 ff., 117, 135, 137, 141, 161, 169 f., 184 f., 237, 261, 301

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Straftatenverhütung 291, 293 Straftatenvorsorge 282, 293 Strafverfolgung 291 ff. Subsidiarität 45, 78, 149, 173 sweeping clause siehe Necessary and Proper Clause Tatbestandliche Anknüpfung 89, 245, 247, 299, 351 Verfassungsautonomie 113, 218 ff., 223 Verfassungsdurchbrechung 47, 74, 122 f. Verfassungsräume, Nebeneinander der 113, 218 Verfassungswandel 63, 87, 123, 402 Vermutung – prozessrechtliche 307 – zugunsten einer Länderkompetenz 36, 69, 79, 127, 144, 162, 345 Verwaltungsakzessorisches Strafrecht 245, 302 Verwaltungsbefugnis kraft Annexes / Sachzusammenhangs 42 f. Verwaltungsermessen 30, 65, 94, 154, 190, 198, 222 f., 241, 258, 266, 286, 324 f., 332 f., 335, 343, 374, 409 Verwaltungsgesellschaftsrecht 207 Verwaltungskompetenz kraft Annexes / Sachzusammenhangs 30 ff., 35 ff., 238 ff., 271 Verwaltungskosten, Regelung der 254 Verwaltungsprivatrecht 209 Volksbefragungsentscheidung des BVerfG 89, 255 Vollzugsvereinheitlichung 270 f. Wertungswidersprüche 230, 266, 377, 390 f., 393, 395 ff., 400 f., 407, 410 Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung 43, 66 f., 120, 143, 150, 164, 166 ff., 183, 202, 212, 226, 230, 352, 359 ff., 374 ff., 412 Zustimmung des Bundesrates – Entbehrlichkeit kraft Sachzusammenhangs 191 ff., 252 f., 353 f.