Satz und Illokution: Bd. 2 9783111353227, 9783484302792

Die Buchreihe Linguistische Arbeiten hat mit über 500 Bänden zur linguistischen Theoriebildung der letzten Jahrzehnte in

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German Pages 268 [272] Year 1993

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Satz und Illokution: Bd. 2
 9783111353227, 9783484302792

Table of contents :
Vorwort
Imperativsatz und "Wunschsatz" zu ihrer Grammatik und Pragmatik
Imperativsatz, Adressatenbezug und Sprechakt-Deixis
‘Kleine Bitte’ und Deklarativsatz ein Vergleich Schwedisch-Deutsch
Über Argumentstruktur, Fokus und Satzadverbiale
Auf dem JA-Markt
Die Modalpartikel schon
Zur Grammatik und Pragmatik von Partizipialattributen
Zur Syntax und Semantik der Satzeinbettung
Rückblick und Ausblick
Anschriften der Autoren

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Linguistische Arbeiten

279

Herausgegeben von Hans Altmann, Peter Blumenthal, Herbert E. Brekle, Gerhard Heibig, Hans Jürgen Heringer, Heinz Vater und Richard Wiese

Satz und Illokution Band 2

Herausgegeben von Inger Rosengren

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1993

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Satz und Illokution / hrsg. von Inger Rosengren. - Tübingen : Niemeyer NE: Rosengren, Inger [Hrsg.] Bd. 2 (1993) (Linguistische Arbeiten ; 279) NE:GT ISBN 3-484-30279-8

ISSN 0344-6727

© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1993 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt Einband: Hugo Nadele, Nehren

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Inger Rosengren

Imperativsatz und "Wunschsatz" zu ihrer Grammatik und Pragmatik

l

Frank Liedtke

Imperativsatz, Adressatenbezug und Sprechakt-Deixis

49

Olaf Önnerfors

'Kleine Bitte' und Deklarativsatz ein Vergleich Schwedisch-Deutsch

79

Jorunn Heiland

Über Argumentstruktur, Fokus und Satzadverbiale

109

Jörg Meibauer

Auf dem /A-Markt

127

Elisabet Ormelius

Die Modalpartikel schon

151

Margareta Brandt

Zur Grammatik und Pragmatik von Partizipialattributen

193

use Zimmermann

Zur Syntax und Semantik der Satzeinbettung

231

Inger Rosengren

Rückblick und Ausblick

253

Anschriften der Autoren

261

Vorwort

Dieser Band ist der zweite Band mit Arbeiten aus dem Projekt "Satz und Illokution", ein Teilprojekt des Forschungsprogramms "Sprache und Pragmatik". In dem ersten Band wurden die grundlegenden Satztypen Deklarativsatz und Interrogativsatz beschrieben. Darüber hinaus wurden die Echo-Frage, die Exklamation und die Interjektion behandelt In diesem Band folgen nun Beiträge zum Imperativsatz, zu der Aufforderung in der Form der 'kleinen Bitte' (wobei Schwedisch und Deutsch verglichen werden) und zum sogenannten Wunschsatz. Der Band enthält darüber hinaus Aufsätze zu nicht-selbständigen Strukturtypen wie dem Verb-letzt-Satz und dem Partizipialattribut. Schließlich gibt es auch Beiträge zu verwandten Problemen wie zu den Modalpartikeln und den Satzadverbialen. Den Band schließt ab ein Rück- und Ausblick, in dem einige Fragen aufgegriffen und diskutiert werden, die in dem Projekt entweder gar nicht oder nur am Rande behandelt wurden. Die hier abgedruckten Beiträge wurden bei Projekt- und Programmtreffen diskutiert. Ich will hiermit allen herzlich danken, die an diesen Diskussionen teilgenommen haben, vor allem den Teilnehmern an dem Forschungsprogramm. Herzlich danken möchte ich auch Elisabet Ormelius für ihre Hilfe bei der Erstellung der Druckvorlage. Mein besonderer Dank richtet sich an Olaf Önnerfors, der - wie beim ersten Band - die Hauptverantwortung für die technische Durchführung der Endfassung trug. Neben großer Kompetenz auf diesem Gebiet besitzt er die nötige Nachsicht und Geduld.

Lund, im November 1992 Inger Rosengren

Imperativsatz und "Wunschsatz" - zu ihrer Grammatik und Pragmatik1 Inger Rosengren, Lund In diesem Beitrag soll die Syntax und Semantik des Imperativsatzes auf der theoretischen Grundlage der GB, erweitert durch die Ebene der Semantischen Form (SF) beschrieben werden. Es soll weiter gezeigt werden, wie sein illokutives Potential sich aus seiner Syntax und Semantik ableiten läßt. In einem Anhang wird dafür argumentiert, daß der sogenannte Wunschsatz syntaktisch und semantisch nichts anderes als ein ganz gewöhnlicher Konditionalsatz ist. 1. 2. 2. l. 2.2. 2.3. 2.4. 2.5. 2.6. 3. 3.1. 3.2. 3.3. 4. 4. l. 4.2. 4.3. 5. 5.1. 5.2. 6. 7. 7.1. 7.2. 7.3.

Die Problemstellung Relevante Daten Das Imperativparadigma Die kanonische Subjektlosigkeit Das Vorfeld Fehlende Einbettbarkeit Modalpartikeln und Satzadverbien Welche Verben erlauben eine Imperativform? Die syntaktische Struktur Die S atztypmerkmale Der syntaktische Status des Vorfelds Hat der Imperativsatz ein Subjekt und eine Subjektposition? Die Semantik Der S atzmodus des Imperativsatzes Die Beziehung zwischen dem Satzmodusoperator N und anderen Realisierungsformen der Operatoren N und M Versuch einer Formalisierung Die Pragmatik Das Illokutionspotential des Imperativsatzes Die sogenannten konditionalen Imperative Zusammenfassung Anhang: Der "Wunschsatz" Gibt es einen Wunschsatz? Der Konditionalsatz in seiner Funktion als Wunschäußerung Zusammenfassung Literatur

Dieser Aufsatz ist eine überarbeitete Fassung des Aufsatzes "Zur Grammatik und Pragmatik des Imperativsatzes. Mit einem Anhang: Zum sogenannten Wunschsatz" in S&P 28 (Rosengren 1992d), der seinerseits auf der englischen Fassung aus dem Jahr 1988 "But what about the Imperative" aufbaut (Rosengren 1988b). Die meisten Daten finden sich schon in Rosengren (1988b). Dagegen ist die theoretische Implementierung im GB-Rahmen eine andere. Die semantische Explikation ist darüber hinaus neu. Ich möchte an dieser Stelle allen danken, die den Inhalt dieses Beitrags mit mir diskutiert haben, vor allem den Teilnehmern an den Treffen des Programms und des Projekts in Rendsburg 1991 und in Tübingen und Rendsburg 1992, sowie den Kollegen an den Instituten für Germanistik und Skandinavistik der Universität Lund. Mein besonderer Dank gilt Norbert Fries, Marga Reis und Ilse Zimmermann, mit denen ich einige Fragen ganz besonders detailliert diskutiert habe. Mit Christer Platzack (Platzack/Rosengren [i.V.]) plane ich eine vergleichende syntaktische Beschreibung des deutschen, englischen, französischen, schwedischen und isländischen Imperativsatzes auf dem Hintergrund der Rcktions- und Bindungstheorie.

1. Die Problemstellung Es ist bemerkenswert, daß es bis heute nur ganz wenige Versuche gibt, den Imperativsatz syntaktisch und semantisch zu beschreiben. Im besten Sinn des Wortes theorieneutrale Beschreibungen finden sich in Donhauser (1986) fürs Deutsche und Davies (1986) fürs Englische. Winkler (1989) vergleicht Deutsch und Finnisch. Unter den wenigen Versuchen, den Imperativsatz in einer ausbuchstabierten Theorie zu implementieren, sind zu nennen Beukema/Coopmans (1988) und Pollock (1989) (im Rahmen der Rektions- und Bindungstheorie (GB)), Beukema/Verheijen (1987) im Rahmen der GPSG und Zhang (1991) im Rahmen der GB und der Kategorialgrammatik. Zu vergleichen sind auch Hamblin (1987) und Merin (1991). Das geringe Interesse der GB-orientierten Forschung ist um so merkwürdiger, als bestimmte Eigenschaften von Imperativsätzen geradezu eine Herausforderung an eine Theorie sind, die auf der Annahme einer mehr oder weniger universellen Satzstruktur aufbaut. In den meisten Sprachen (vielleicht allen?) unterscheidet sich nämlich der Imperativsatz grundsätzlich strukturell von den beiden anderen Satztypen, dem Deklarativsatz und Interrogativsatz (vgl. hierzu Zhang 1991). Der Grund für die Unterlassungssünde der GB ist jedoch vermutlich nicht in erster Linie in der Schwierigkeit zu suchen, den Satztyp Imperativ zu beschreiben, sondern vor allem darin, daß man sich nicht primär für die Satztypen als solche interessiert. Im Zentrum stehen Fragen wie w-Bewegung, NP-Bewegung, Rektion und Bindung, die anhand der beiden anderen Satztypen (des Deklarativsatzes und des Interrogativsatzes) am besten untersucht werden können. Wenn das Hauptziel eine Beschreibung des Imperativsatztyps und dessen pragmatischer Funktion ist, stellt sich von selbst die Frage, wie er sich in ein theoretisches Konzept einordnen läßt, das die beiden anderen Satztypen umfaßt. Ich werde mich im folgenden dieser Frage auf der theoretischen Grundlage der GB, erweitert durch die Ebene der Semantischen Form (SF), zuwenden und basiere meine Ausführungen dabei auf das in Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann (1992) (fortan: BRRZ) entwickelte Satztyp- und Satzmodusmodell. Es wird sich zeigen, daß es sinnvoll ist, den Imperativsatz auf dieselbe syntaktische und semantische Grundstruktur wie die der beiden anderen Satztypen zurückzuführen, von denen er sich jedoch durch unterschiedliche Parametrisierung relevanter Parameter systematisch unterscheidet. Ich werde dabei zuweilen andere Sprachen, u.a. Englisch, Schwedisch und Isländisch, zum Vergleich heranziehen. Abschnitt 2. umfaßt eine Beschreibung der relevanten Daten. In Abschnitt 3. und 4. wird ein Versuch gemacht, den Satztyp und den Satzmodus des Imperativsatzes in das in BRRZ entwickelte Modell einzuordnen. In Abschnitt 5. soll gezeigt werden, daß die Semantik des Imperativsatzes sein illokutives Anwendungspotential determiniert. Abschnitt 6. bietet eine kurze Zusammenfassung der Punkte 2.-5. Abschnitt 7. schließlich ist dem sogenannten Wunschsatz gewidmet

2.

Relevante Daten

In Donhauser (1986) finden wir eine ganze Reihe von relevanten Beobachtungen zum Imperativsatz. Auf diese Daten beziehe ich mich im folgenden, werde sie jedoch in Übereinstimmung mit dem hier verfolgten Ziel sowohl anders systematisieren als auch durch neue Daten ergänzen. 2.1. Das Imperativparadigma Zu dem inneren Kern des Imperativischen Verbparadigmas gehört vorerst die sogenannte 2. Pers. Sing. Imperativ: nimm/spiele. Ohne weitere Diskussion kann man m.E. auch die entsprechende 2. Pers. Plur. dazuzählen. Inwiefern die Höflichkeitsformen (nehmen Sielspielen Sie) als Teil des Imperativparadigmas betrachtet werden sollen, wird immer wieder diskutiert (s. u.a. Wunderlich 1984, Donhauser 1986:247ff. und Winkler 1989:23). Für die hier durchgeführte Untersuchung spielt diese Frage jedoch keine Rolle, da es sich offensichtlich um Ersatzformen handelt, die für die Einordnung des Imperativsatzes in ein Satzmodussystem keine Aussagekraft haben. Ich bin selbst der Meinung, daß man sie (heute) zum Imperativparadigma zählen sollte, werde sie aber aus den genannten Gründen nicht weiter besprechen.2 Auch die (heute veraltete) 3. Pers. Sing. (Merk er sich das!) und den sogenannten Adhortativ betrachte ich als Imperativformen, schließe sie jedoch ebenfalls aus der Diskussion aus, da sie in diesem Zusammenhang nichts beizutragen haben. Donhauser (1986:124ff.) vertritt die Auffassung, daß der Imperativ in seiner kanonischen Form nur nach Numerus flektiert ist. Dies ist sicherlich richtig.·' Das Fehlen eines Morphems für die 2. Pers. Sing, im Imperativparadigma bedeutet aber nicht, daß die 2. Pers. durch die Imperativform nicht ausgedrückt wird. Da es sich im (kanonischen) Imperativparadigma nie um eine Opposition zwischen 1./3. und 2. Pers. Sing, handelt, ist ein solches Morphem redundant. Der Singularstamm allein reicht aus, um die 2. Pers. Sing, von der 2. Pers. Plur. zu unterscheiden. Im And. bedeutet dies, daß die starken Verben im Imp. Sing, auf Konsonant ausgehen (nim/zioh/far/rat), während die schwachen Verben auf -il-ol-e enden. Im heutigen Deutsch finden wir auch endungslose Formen bei den schwachen Verben (vgl. hierzu Donhauser 1986:60ff. und Bergmann 1990).4 Die einzige Opposition innerhalb des Imperativparadigmas 2

3

4

Diese Formen sind natürlich erst dann in das Imperativparadigma eingedrungen, als man das Pronomen sie der 3. Pers. Plur. als Höflichkeitsform mit konventionalisiertem Bezug auf die 2. Pers. einführte. Das obligatorische Pronomen ist deshalb auch nicht ohne weiteres mit dem sonst auftretenden optionalen Pronomen in Imperativsätzen zu vergleichen. Am einfachsten beschreibt man die Ersatzformen, indem man sie in ihrer Ganzheit als Ersatz für die pronomenlosen Imperaüwerbformen betrachtet. In Fällen wie: (i) Hab du mal die ganze Nacht nicht geschlafen und du wirst.. handelt es sich zwar um das Tempus Perfekt. Das Tempus wird jedoch nicht durch die Imperativform ausgedrückt. Das Beispiel zeigt immerhin, daß man unter Umständen Vergangenheitstempus in Imperativsätzen haben kann, d.h. daß der Imperativ nicht an sich mit Vergangenheit in Konflikt steht (vgl. auch unten Abschn. S.2.). Verben mit Hebung von e > i (z.B. nimm) passen sich heute zuweilen analog - jedenfalls in kolloquialer Sprache - an die anderen Verbformen an, indem sie oft eine Form mit dem Stammvokal e aufweisen, die

ist also die zwischen Singular und Plural. Diese wird morphematisch, d.h. durch -le und -t, ausgedrückt (wobei -t redundanterweise auch die 2. Pers. wiedergibt).5 Ich werde im folgenden nur dann von einem Imperativsatz sprechen, wenn der Satz eine Verbform aufweist, die dem Imperativparadigma angehört (wozu ich also auch die Höflichkeitsformen, den Adhortativ und die veraltete 3. Pers. Sing, zähle). Damit habe ich die These von der 1:1-Relation zwischen Satztyp und Imperativparadigma aufgestellt, die dann auch theoretisch untermauert werden soll. Dagegen nehme ich keinerlei l:l-Relation zwischen dem Satztyp Imperativsatz und der Dlokution der Aufforderung an. Aufforderungen können auf sehr viele unterschiedliche Arten und Weisen realisiert werden. Der Imperativsatz ist nur eine dieser Realisierungsformen (hierzu s. u.a. Hindelang 1978, Wunderlich 1984, Liedtke und Önnerfors [in diesem Band]). 2.2. Die kanonische Subjektlosigkeit Wir können zuerst feststellen, daß der Imperativsatz in seiner kanonischen Form subjektlos ist Ein Pronomen in der 2. Pers. Nom. bzw. ein Quantorenausdruck in der 3. Pers. Nom. (kein Vokativ, s. Donhauser 1986:98ff.) kann jedoch vorkommen (du/ihr bzw. alle, beide, einer, jeder, jemand, wer, keiner, niemand): 1l) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9)

Du gehst/Dir geht morgen hin. (Deklarativsatz) Gehst du/geht ihr morgen hin? (Interrogativsatz) DU geh morgen hin! Geh (du/DU)/geht (ihr/IHR) morgen (nicht) hin! Geh doch (k)einer morgen hin! Versuch es jeder noch einmal! Jeder versuch es noch einmal! Einer gib mir bitte den Aschenbecher! (Donhauser 1986:104) Hon mal alle her!

Wie die Beispiele (5)-(9) zeigen, liegt keine Personenkongruenz zwischen dem Verb und den Quantorenausdrücken in der 3. Pers. vor.6 Auch das Englische und Schwedische erlauben nominativische Ausdrücke, obwohl sie in diesen Sprachen anderen Stellungsrestriktionen unterworfen sind (s. hierzu Davies 1986:87ff., Rosengren 1988b, Pollock 1989, Beukema/Coopmans 1988): Im Englischen müssen sie vor dem Hauptverb, im Schwedischen rechts vom Verb stehen:

5

entweder endungslos ist oder auf -e ausgeht. Die Imperativische Hebungsform selbst ist ihrerseits eine analoge Bildung zu den Formen im Sing. Ind. Sie signalisiert also an sich nicht die 2. Pers. Sing. In anderen Sprachen, z.B. den festlandskandinavischen, wo Singular und Plural nicht (mehr) unterschieden werden, weist der Imperativ nur eine Form auf. Die Numerusopposition ist aber noch wirksam und wird bei der Wahl zwischen einem Prädikativum im Singular und Plural sichtbar: (i)

6

Varförsiktig/fÖrsiktiga!(Schwed.)

Sing./Plur. 'Sei/d vorsichtig' Zum Sonderstatus von alle und beide s. unten Abschn. 4.3.

Englisch: (10) (11) (12) (13) (14) (15) (16) (17)

(You) go there tomorrow! *Go you there tomorrow! *Do you go there tomorrow! Don't you go there tomorrow! Somebody go there tomorrow! Don't anybody go there tomorrow! Don't be silly!/*Be not silly! *Do you not be silly!/Don't you be silly!

Schwedisch: (18) Gä (du/ni) dit i morgon! 'Geh (du)/geht (ihr) dorthin morgen' (19) ?Gä en av er dit i morgon! 'Geh einer von euch dorthin morgen' (20) ?Lana nägon irrig sina handskar! 'Leih einer mir seine Handschuhe' (21) ??Gä du inte/inte du dit i morgon! 'Geh du nicht/nicht du dorthin morgen' (22) Lägg du dig inte i min sang! 'Leg du dich nicht in mein Bett' (23) ?Lägg inte du dig i min sang! 'Leg nicht du dich in mein Bett' Für das Schwedische ist vorerst zu verzeichnen, daß Quantorenausdrücke in der 3. Pers. nur beschränkt vorkommen und Äußerungen mit solchen Ausdrücken auch etwas weniger akzeptabel zu sein scheinen als im Deutschen und Englischen (19)-(20). Dies ist jedoch von geringerem Interesse in diesem Zusammenhang. Wichtiger ist die Interaktion zwischen nominativischem Ausdruck und Negation im Englischen und Schwedischen. Im Englischen wird auch bei Verben wie be bei Negation do-support verlangt (16)-(17). Wenn ein nominativischer Ausdruck vorkommt, muß not an do klitisieren (13), (15), (17); das Pronomen kann also nicht zwischen do und not stehen. Wie (10)-(12) zeigen, muß you (wenn es vorkommt) einen nicht-negierten Satz einleiten. Im Schwedischen ist das Pronomen weniger akzeptabel, wenn zugleich eine Negation vorliegt. Am akzeptabelsten sind solche Äußerungen, in denen zugleich ein anderes Pronomen auftritt, wobei die Stellung des Pronomens direkt nach dem Verb die beste ist. Diese Unterschiede verlangen eine besondere Erklärung (zu Erklärungsversuchen für das Englische, s. Beukema/Coopmans 1988 und Pollock 1989; vgl. auch unten unter Abschn. 3., und Platzack/Rosengren [i.V.]). In diesem Zusammenhang interessant ist vor allem, daß ein Imperativsatz mit einem Ausdruck im Nominativ in allen drei Sprachen markiert ist. Die Position vor dem Verb ist im Deutschen außerdem markierter als die nach dem Verb. Vor dem Verb wird das Pronomen du auch meist betont (vgl. hierzu auch Önnerfors [in diesem Band] und Abschn. 2.3.1.). Meist wird angenommen, daß die Ausdrücke im Nominativ Subjektstatus haben (so Beukema/Coopmans 1989, Zhang 1991:68ff., Donhauser 1986:112, 120ff., Davies 1986:6, 87ff. und Winkler 1989:41ff.). In Abschnitt 3.3. soll jedoch dafür argumentiert werden, daß dies

nicht der Fall sein kann, wobei auch auf die genaue Beziehung zwischen diesen Ausdrücken und der Adressatenmenge zurückgekommen werden soll. 2.3.

Das Vorfeld

2.3.1.

Die Markiertheit des Vorfelds

Wie schon oben angedeutet, weist der deutsche Imperativsatz unter Umständen ein Vorfeld auf. Offensichtlich ist dieses Vorfeld optional. Die folgenden Beispiele illustrieren die Besetzbarkeit des Vorfelds:7 (24) (25) (26) (27) (28) (29) (30) (31) (32) (33) (34)

Nun/jetzt geh doch endlich! Nun/jetzt schick doch den Brief an die Behörde! ?Sofort/?Jeden Tag wasch dir die Füße! ?Morgen ruf mich mal einer von euch an! ?Morgen/?Im Sommer besuch deine alte Mutter mal wieder! Über diese Brücke geh lieber nicht! ?Lieber geh nicht über diese Brücke! In Lund kauf dir nie ein Haus! Auf dem Rasen tanz nicht noch einmal! Das Buch bring (einer) dem Vater! Die Waffen laßt lieber im Haus liegen!

Zu dem Pronomen der 2. Pers. Sing, und den Quantorenausdrücken in der 3. Pers., s. oben (3), (7)-(9). (Aufgrund des Zusammenfalls der Verbformen in der 2. Pers. Plur. Indikativ und Imperativ wird man einen Satz mit ihr im Vorfeld als Deklarativsatz interpretieren, vgl. hierzu auch Winkler 1989:73). Imperativsätze mit einem Element im Vorfeld sind ganz generell - möglicherweise mit Ausnahme von unbetonten deiktischen Adverbien wie nun und jetzt (24)-(25) - markierter als die entsprechenden Deklarativsätze (vgl. auch Fries 1983:94). Am besten sind m.E. die Beispiele, die ein Objekt, Richtungsadverbial oder Lokaladverbial im Vorfeld aufweisen, wie (29) und (31)-(34), während das Adverbial der Art und Weise schlechter zu sein scheint, was vermutlich beides auf die semantische Beziehung dieser Adverbiale zum Verb zurückzuführen ist. Die Pronomina der 2. Pers. Sing. (3) kommen - wenn überhaupt - im Vorfeld wohl nur betont vor. Die Quantorenausdrücke (7)-(8)8 scheinen auch unbetont dort stehen zu können.9 Satzadverbien mit Sprecherbezug kommen im Imperativsatz nicht vor (s. auch unten 2.5. und 4.2.). Nach Winkler (1989:75) können die Quantorenausdrücke nicht im Vorfeld stehen. Dies scheint mir aber nicht richtig zu sein. Vor dem Verb kommen auch konjunktional eingeleitete Nebensätze (vor allem Konditionalsätze) von (i) Wenn du Lust hast, komm mit! (Donhauser 1986:74) Ob man dies als Vorfeldbesetzung im strengen Sinn betrachten soll, ist nicht klar. Es könnte sich auch um Linksversetzung handeln, die in der Entsprechung (ii) syntaktisch sichtbar gemacht wird: (ii) Wenn du Lust hast, dann komm mit! Ich werde diese Frage hier nicht weiter behandeln.

Die Besetzbarkeit des Vorfelds wird jedoch nicht nur von der Funktion des dorthin bewegten Ausdrucks, sondern auch von der Schwere des Mittelfelds (je schwerer das Mittelfeld, desto akzeptabler die Besetzung des Vorfelds) beeinflußt. Wir können zusammenfassend feststellen, daß das Vorfeld des Imperativsatzes einen etwas anderen Status hat als das Vorfeld des Deklarativsatzes. Es ist schwerer zu besetzen bzw. die Besetzung ist markierter. Während das Deutsche also ein - wenn auch optionales - Vorfeld aufweist, verhalten sich die beiden anderen oben verglichenen Sprachen anders. Im Englischen können im Vorfeld nur ein Pronomen bzw. ein Quantorenausdruck und markiert Adverbien wie quickly stehen. Deutsch und Englisch stehen also gewissermaßen in einem konträren Verhältnis zueinander. Im Schwedischen gibt es im Imperativsatz überhaupt kein Vorfeld10; (35) (36) (37) (38)

You/Someone give the book to father! Quickly run down and buy some beer! "The book give to father! Geboken till far! 'Gib das Buch Vater1 (39) *Kvickt ge boken till far! 'Schnell gib das Buch Vater" (40) *Boken ge till far! 'Das Buch gib Vater' Diese Unterschiede müssen erklärt werden (s. hierzu Platzack/Rosengren [i.V.]). Schon ihre Existenz gibt jedoch zu der Frage Anlaß, ob das Vorfeld im deutschen Imperativsatz nicht möglicherweise einen Sonderstatus hat. Für eine Beantwortung dieser Frage ist sicherlich auch von Relevanz, daß einige der Beispiele (26)-(34) akzeptabler wirken, wenn man die Konstituente im Vorfeld betont In (41)-(45) liegt minimale Fokussierung vor: (41) (42) (43) (44) (45)

Im SOMmer besuch deine alte Mutter mal wieder! Über Dffise Brücke geh lieber nicht! In LUND kauf dir nie ein Haus! Auf dem RAsen tanz nicht noch einmal! Die WAFfen laßt lieber im Haus liegen!

Neben der Besetzung durch minimal fokussierte Konstituenten gibt es noch einen anderen, eventuell gewöhnlicheren Typ von Hervorhebung im Vorfeld: durch eine rise-Kontur (I-Topikalisierung, s. Jacobs 1984, vgl. auch F6ry 1992:38ff.). Ein solches Element im Vorfeld wird als das Topik der Äußerung interpretiert (zu diesem Begriff, s. Molnär 1991). Der Satz (46), geäußert in einer Situation, in der die Kriminalpolizei versucht, bewaffnete Personen dazu zu überreden, ohne Waffen aus einem bestimmten Haus herauszukommen, würde sicherlich wie folgt, mit einer rise-Kontur (hier durch Kursiv gekennzeichnet) auf dem ersten Glied, gesprochen werden: (46) Die Waffen laßt lieber im HAUS liegen!

In einigen wenigen Fällen kann auch im Schwedischen ein Element vor dem Verb auftreten. Dann handelt es sich aber vermutlich um eine Position außerhalb des Satzrahmens.

8

Sollte nun der Imperativsatz vor allem dann ein Vorfeld eröffnen, wenn es informationsstrukturelle Gründe gibt, ein Satzglied dorthin zu bewegen, um es hervorzuheben, wäre zu überlegen, ob dieses Vorfeld überhaupt denselben Status wie das des Deklarativsatzes hat. Ich werde unten (Abschn. 3.2.) auf diese Frage zurückkommen. 2.3.2.

Nulltopik

Wir wissen, daß bestimmte Elemente im Vorfeld eines Deklarativsatzes optional getilgt werden können, vorausgesetzt, daß sie aus dem Kontext wiedergewinnbar sind. Eine entsprechende Tilgung ist jedoch im Imperativsatz nicht möglich (s. Fries 1988): (47) (a) Und was soll ich mit den Aufgaben tun? (48) (a) Die korrigier morgen! (b) *Korrigier morgen! (49) (a) Die korrigierst du morgen, (b) Korrigierst du morgen. Auch dies weist darauf hin, daß das Vorfeld im Imperativsatz einen anderen Status als im Deklarativsatz (s. hierzu auch Fries 1988) hat. Eine Theorie, die den Satztyp des Imperativsatzes mit umfassen will, muß diesen Unterschied explizieren. 2.3.3.

Expletives es

Ein expletives es kann im Vorfeld eines pronomenlosen Imperativsatzes nicht vorkommen. Es ist ebenfalls ausgeschlossen, wenn ein Pronomen der 2. Pers. auftritt, was jedoch aufgrund der Definitheit des Pronomens auch gar nicht zu erwarten ist: (50)

*Es sing (du) mal ein Lied!

Unklar sind dagegen die Verhältnisse, wenn ein Quantorenausdruck in der 3. Pers. Sing, vorkommt. Bei diesem Typ handelte es sich ursprünglich um einen Deklarativsatz im Konjunktiv (s. hierzu Paul 1916 IV:§375f., Windfuhr 1963, Donhauser 1986:103ff., Rosengren 1988a; vgl. auch Oppenrieder 1987, Winkler 1989:49ff.). Die Konjunktivform wurde durch die Imperativform substituiert, wodurch der Satztyp in das Imperativparadigma übertrat: (51) Wirf mal einer den Ball rüber! (52) Einer wirf mal den Ball rüber! Es ist zweifelhaft, ob Imperativsätze mit einer Quantorenphrase im Nominativ ein expletives es erlauben: (53) ?Es nimm doch mal einer den Hut vom Tisch weg! Winkler (1989:52f.) ist der Meinung, daß dies nicht der Fall ist. Ich bin geneigt, ihm zuzustimmen. Wenn man davon ausgeht, daß es im Vorfeld des Verb-zweit-Deklarativsatzes basisgeneriert ist, um das obligatorische Vorfeld zu füllen, falls kein anderes Element dorthin bewegt wird, ist ein es im Imperativsatz - sofern er eindeutig ist - auch gar nicht zu erwarten, da das

Vorfeld offensichtlich optional ist und ein es deshalb keine Funktion hätte. Da Imperativsätze mit einem Pronomen in der 3. Pers. aber historisch gesehen auf einen Deklarativsatz mit Konj. I zurückzuführen sind, ist die Lage komplizierter. Ein es im Vorfeld - falls es vorkommen sollte könnte der Rest einer Kontamination zwischen den beiden Satztypen sein. Wie dem auch sei, die etwas unklare Datenlage bzgl. des expletiven es erlaubt uns nicht, mehr zu sagen als bisher, nämlich, daß es sich um ein optionales Vorfeld handelt.

2.4. Fehlende Einbettbarkeit Imperativsätze können nicht eingebettet vorkommen (vgl. hier auch Wunderlich 1984:103f.). Die folgenden Beispiele machen das deutlich: (54) (55) (56) (57) (58) (59) (60) (61) (62) (63) (64)

Ich bitte dich, geh nach Hause. *Ich bitte dich, daß nach Hause geh. *Die Bitte an dich, geh nach Hause, ging nicht in Erfüllung. Hans, bittet dich, hilf ihm'Vj. Hansj bittet dich, ihnyj zu helfen. Wage es, dich zu wiegen! *Wage, wieg dich! ?Wage es, wieg dich! Wage es und wieg dich! ?Geh wieg dich! Geh und wieg dich!

Wenn es möglich wäre, einen Imperativsatz im Deutschen einzubetten, müßte zumindest (56) grammatisch akzeptabel sein. Dies ist aber nicht der Fall. Weiter müßte es möglich sein, in (57) Hans mit dem Pronomen zu koindizieren. Das ist auch nicht der Fall (vgl. demgegenüber (58)). Der Imperativsatz in (57) kann nur als direkte Rede (wie übrigens auch (54)) interpretiert werden. Die übrigen Beispiele (59)-(64) weisen in dieselbe Richtung. In (61) und (63) liegt am ehesten eine asyndetische Koordination vor, eine Annahme, die durch (62) und (64) gestützt wird. Entsprechend ist es nicht möglich, den englischen und schwedischen Imperativsatz einzubetten: (65) Try and not be a fool! (66) Dare weigh yourself/Dare get weighed! (67) Jag ber dig, vag honom inte. 'Ich bitte dich, wiege ihn nicht' (68) * Jag ber dig, (att) inte vag honom. 'Ich bitte dich, (daß) nicht wieg ihn' (69) Vägavägadig. 'Wage wiegen dich' (70) VAgavägdig! 'Wage wiege dich1 (71) Gä och vag dig! 'Geh und wiege dich' (72) *Gävägdig! 'Geh wiege dich'

10 Im Englischen kann nicht ohne weiteres entschieden werden, ob es sich in (65)-(66) um (koordinierte) Imperative handelt. Es könnte - zumindest der Verbform nach - auch ein Infinitiv sein. Im Schwedischen kommen sowohl Infinitive (69) als auch koordinierte Imperative vor (70)(72).U

2.5. Modalpartikeln und Satzadverbien Der Imperativsatz erlaubt u.a. folgende Modalpartikeln: bloß, doch, eben, ja, mal, nur, ruhig, schon (s. Heibig 1988): (73) (74) (75) (76)

Geh doch mal schnell ein paar Flaschen Bier kaufen! Ruf mich doch mal an! Kauf JA nie wieder so etwas ein! Versuch's eben/nur/ruhig/mal!

Die meisten Modalpartikeln können auch in Deklarativsätzen auftreten.12 Auf die unterschiedliche Funktion dieser Partikeln in Imperativsätzen soll hier nicht näher eingegangen werden. Zu ja und schon, s. Meibauer bzw. Ormelius [in diesem Band]. Bemerkenswert ist die Inkompatibilität des Imperativsatzes mit bestimmten Satzadverbien (vgl. hier auch Fries 1983:95): (77)

Geh *leider/*vermudich/*vielleichi/*tatsächlich/?sicher sofort ins Bett!

Fries (1983:102) vertritt die Meinung, daß es sich nicht um eine pragmatische, sondern um eine semantische Beschränkung handelt, die auf die Bedeutung des Imperativsatztyps zurückzuführen ist. Was das genau heißt, kann erst in der semantischen Analyse näher expliziert werden. Hier soll nur festgestellt werden, daß es sich um Adverbien handelt, die Einstellungen des Sprechers denotieren. Andere Satzadverbien sind möglich: (78) Geh mal vorsichtigerweise/lieber morgen nicht hin! Hier handelt es sich um Adverbien, die sich auf den Adressaten beziehen.

1

! Vgl. Winkler (1989:129ff.), der fürs Finnische annimmt, daß der Imperativsalz syntaktisch einbettbar ist, weil er durch että ('daß') und nun että ('so daß') eingeleitet weiden kann. Da es sich hier immer um Imperativsätze nach verba dicendi und sentiendi handelt, ist diese Schlußfolgerung nicht überzeugend. Wie Winkler selbst zeigt, behält nämlich der Imperativsatz im Finnischen, auch dann, wenn er nach diesen Konjunktionen steht, seinen selbständigen illokutiven Status. Dies spricht eher dafür, daß es sich nicht um eine syntaktische Einbettung handelt, sondern daß die Konjunktionen hier nur die (direkte) Redewiedergabe signalisieren. (Vgl. das Zitat bei Winkler 1989:130 aus Fromm 1982).

12

Einige der Modalpartikeln scheinen jedoch nur in solchen Deklarativsätzen vorzukommen, die semantisch und/oder pragmatisch dem Imperativsatz nahestehen. (i) Du kannst ruhig zu Hause bleiben. (ii) Daß du mir bloß/nur/JA nicht wieder zu spät kommst!

11

2.6.

Welche Verben erlauben eine Imperativform?

Alle Verben, die mit einem belebten Subjekt auftreten können, können prinzipiell auch eine Imperativform aufweisen (vgl. hierzu Donhauser 1986:225ff.): (79) (80) (81) (82) (83) (84) (85) (86) (87)

Sei mal so nett und hilf mir! Sei du zwei Meter groß und du wirst merken... Werde mal ein besserer Mensch! Werde du mal von allen allein gelassen, dann wirst du sehen ... Fürchte dich nicht! Schlafe gut! Schnarche doch nicht so! Schwitze tüchtig! (Haftka 1984) *Grau dir nicht!

Es kommen also nicht nur Verben im Imperativ vor, die eine Agensrolle vergeben, sondern auch nicht-agentive Verben, passivierte Verben, "ergative" Verben und sogar unter bestimmten Bedingungen Verben wie wissen. Dagegen ist (87) ungrammatisch, da grauen kein belebtes Subjekt erlaubt (s. hierzu Reis 1982). Aus prinzipiell denselben Gründen kommen Imperativformen auch nicht bei Modalverben vor, die Hebungsverben sind (zu dem Begriff Hebungsverb, s. Öhlschläger 1989:103ff. und Rosengren 1992c). Bei anderen Modalverben kann unter Umständen eine Imperativform auftreten (vgl. Donhauser 1986:231ff.).

3.

Die syntaktische Struktur

In diesem Abschnitt sollen folgende Fragen aufgegriffen werden: (a)

Welches sind die Satztypmerkmale des Imperativsatzes?

(b)

Welchen syntaktischen Status hat das Vorfeld?

(c)

Weist der Imperativsatz ein Subjekt und eine Subjektposition auf?

3.1.

Die Satztypmerkmale

Die bisherigen Vorschläge, den Imperativsatz im GB-Rahmen zu implementieren, gehen von einer gemeinsamen CP-Struktur für alle Sätze aus (so Pollock 1989 und Beukema/Coopmans 1988). In Rosengren (1988b) wurde dagegen vorgeschlagen, den Imperativsatz gegenüber dem uneingebetteten Verb-zweit-Deklarativsatz, von dem angenommen wurde, daß er eine IP-Struktur hat, nur als eine AgrP-Struktur zu sehen. In der folgenden Beschreibung wird das in BRRZ entwickelte Modell zugrundegelegt. Der Verb-erst/Verb-zweit-Satz und der Verb-letzt-Satz unterscheiden sich nach BRRZ bezüglich der funktionalen Projektionen. Der Verb-erst-/Verb-zweit-Satz ist eine reine I-Projektion, der Verbletzt-Satz weist demgegenüber eine unifizierte funktionale Projektion, CP/IP, auf. Der Verbletzt-Satz hat damit solche Merkmale, die ihn für die Einbettung in einen Matrixsatz vorbereiten.

12

Es wind weiter davon ausgegangen, daß das Verb flektiert aus dem Lexikon kommt. Außer den beiden genannten funktionalen Projektionen werden keine anderen funktionalen Projektionen vorgesehen: (88a) Verb-letzt-Deklarativsatz und Verb-letzt-w-IS

(88b)

Verb-letzt-E-IS

(88d)

Verb-erst-Deklarativsatz und Verb-erst-E-IS

CP/IP



VP

SpecV

V' "\

vo (88c) Verb-zweit-Deklarativsatz und Verb-zweit-w-IS

Specl

Es versteht sich von selbst, daß der Imperativsatz, der nicht einbettbar ist (s. oben 2.4.)), nach diesem Modell keinen CP-Knoten aufweisen kann. Zu entscheiden ist jedoch, ob er eine IPoder eine -Projektion ist. Ehe ich zu dieser Frage Stellung nehme, soll aber diskutiert werden, welche Satztypmerkmale für den Imperativsatz anzusetzen sind. Die Satztypspezifizierung des Deklarativsatzes und Interrogativsatzes ist nach BRRZ ±w. Für den -IS wurde angenommen, daß er in 1° +w, für die übrigen, daß sie in 1° -w aufweisen. Der w-IS und der Deklarativsatz unterscheiden sich

13 voneinander dadurch, daß der erstere +w, der zweite dagegen -w bzw. keine Spezifizierung in der Spec-Position hat. Die beiden Satztypen Deklarativsatz und Interrogativsatz sind damit systematisch aufeinander bezogen und stehen in einem engen Verhältnis zueinander. Die positive Spezifizierung durch +w für Interrogativität profiliert den Interrogativsatz als den markierten Typ. Nichts spricht dafür, daß der Imperativsatz über das Merkmalpaar ±w mit den beiden anderen Satztypen verwandt ist. Es bleibt dann die Möglichkeit, daß er in 1° entweder unspezifiziert ist oder daß 1° durch ein eigenes Merkmal -»-imp ausgezeichnet ist, das jedoch nicht mit den anderen Satztypmerkmalen korrespondiert. Welche Lösung die richtige ist, ist syntaktisch allein nicht zu entscheiden, da das Imperativische Verb für die Kennzeichnung des Satztyps an sich ausreicht. Offensichtlich handelt es sich nämlich nicht um einen dritten Verbmodus neben Indikativ und Konjunktiv, sondern um einen spezifischen verbalen Modus, dessen Aufgabe es ist, den Imperativsatz eindeutig als solchen zu kennzeichnen. Eine entsprechende Aufgabe kommt dem Indikativ und Konjunktiv in den beiden anderen Satztypen nicht zu. Es ist deshalb auch nicht erstaunlich, daß die traditionelle Grammatik nie eindeutig dazu Stellung nehmen konnte, ob es sich beim Imperativ um ein Verbparadigma oder um einen Satztyp handelt. Es handelt sich nämlich um beides. Auch wenn also die Verbform im Imperativsatz eine satztypspezifizierende Aufgabe hat, ist aus semantischen Gründen jedoch die zweite Lösung mit einem Merkmal +imp in 1° als die einfachere vorzuziehen, da dadurch ein direkter Bezug zwischen 1° mit dieser Kennzeichnung und dem Satzmodusoperator (s. Abschn. 4.) gewährleistet ist.13 Da das Merkmal +imp jedoch nicht nur in 1° vorkommt, sondern auch zu den morphologischen Merkmalen der verbalen Imperativform (s. unten (l 15)) gehört, wird durch die doppelte Markierung des Imperativsatzes auch ein Zusammenhang zwischen der Position 1° und dem Verb gestiftet, der bei den anderen Satztypen nicht vorliegt und eventuell eine Erklärungsgrundlage dafür abgeben kann, daß der Imperativsatz nicht einbettbar ist. Wie die Erklärung genau aussieht, ist jedoch eine offene Frage. Daß es nicht die obligatorische Verbbewegung nach 1° sein kann, zeigen andere Sprachen, z.B. das Russische, in denen das Verb nicht nach 1° geht. Wir halten fest: Der Satztyp Imperativ setzt sich durch das Merkmal +imp in 1° und die spezifische Imperativische Verbform von den anderen Satztypen ab. Das Satztypmerkmal garantiert, daß nur eine Imperativische Verbform in 1° auftreten kann. Das Verb muß im Deutschen nach 1° gehen.

3.2. Der syntaktische Status des Vorfelds Es ist nicht leicht zu entscheiden, ob der Imperativsatz über eine SpecI-Position verfügt oder ob es sich bei dem festgestellten Vorfeld nur um Adjunktion an handelt. Sollte es sich um eine Spec-Position handeln, kann sie jedenfalls nur optional sein, wie die obigen Daten (2.3.) zeigen. Andere Lösungen, in denen der Satzmodusoperator fester an die Verbform gebunden ist, sind natürlich auch denkbar. Man müßte dann aber durch besondere Maßnahmen im Lexikon gewährleisten, daß der Satzmodus in 1° zu stehen kommt und auch dort kompositional in die Satzbdeutung integriert wird.

14

Die Annahme einer Spec-Position würde bedeuten, daß der Imperativsatz grundsätzlich eine maximale Projektion wäre. Dies ist aber an sich schon wenig überzeugend, da er offensichtlich in seiner kanonischen Form ein Verb-erst-Satz ist. Ganz unklar ist auch, was man unter einer optionalen Specl verstehen könnte. Eine funktionale SpecI-Position definiert den Satztyp, auch wenn es sich um eine optionale Position handeln sollte. Sie müßte syntaktisch motivierbar sein. Das Vorfeld scheint aber vor allem eröffnet zu werden, wenn die dort vorkommenden Glieder entweder minimal fokussierte Elemente oder (hervorgehobene) Topiks sind, also aus pragmatischen Gründen. Dies entspricht m.E. eher einer Bewegung wie Scrambling, die ebenfalls als Adjunktion zu verstehen ist Auch die übrigen Daten weisen in diese Richtung.14 Das wichtigste Datum, das gegen eine (optionale) Spec-Position spricht, ist das Fehlen der Nulltopik-Möglichkeit. Warum sollte es nicht möglich sein, ein Element im Vorfeld zu tilgen, wenn dieses Vorfeld eine SpecI-Position wäre? Daß diese Tilgungsmöglichkeit fehlt, ist leichter zu erklären, wenn man davon ausgeht, daß es gar keine Spec-Position gibt, sondern im Vorfeld auftretende Elemente an adjungiert sind. Es kann sozusagen keine leeren Adjunktpositionen geben, besonders keine, die durch Bewegung entstanden sind. Daß ein Unterschied zwischen dem Deklarativsatz und dem Imperativsatz bezüglich des Status des Vorfelds bestehen muß, zeigen auch die wh-Imperative (s. hierzu Reis/Rosengren 1992). Während es möglich ist, im Imperativsatz eine w-Phrase aus einem Konstituentensatz in den Matrixsatz hineinzubewegen, ist dies beim Deklarativsatz nicht möglich: (89) Wieviel schätz mal, daß dies gekostet hat! (90) *Wieviel schätzt er mal, daß dies gekostet hat? Es gibt also keine wh-Deklarative. In Reis/Rosengren (1992) wurde dies dadurch erklärt, daß die Spec-Position im Deklarativsatz eine durch -w ausgezeichnete Position sei und dadurch die Bewegung blockiere, während sie in Imperativsätzen keine Merkmale aufweise. In BRRZ wurde nun vorgeschlagen, daß die Spec-Position im Deklarativsatz entweder eine durch -w ausgezeichnete Operatorposition oder eine merkmallose Topikalisierungsposition sei. Wenn der Imperativsatz ebenfalls über eine merkmallose Spec-Position verfügen sollte, könnte man schwerlich den Unterschied zwischen (89) und (90) bezüglich der Topikalisierungsmöglichkeit von wh-Phrasen erklären. Die Annahme, daß der Imperativsatz gar keine Spec-Position hat, bietet jedoch eine solche Explikationsmöglichkeit. Adjunktion an in (89) bedeutet ja nicht Bewegung in eine existierende Position hinein und sollte deshalb auch für +w-Phrasen offenstehen. Dagegen ist nicht zu erwarten, daß eine +w-Phrase in eine existierende merkmallose Spec-Position eines Deklarativsatzes geht (90), da diese Spec-Position keine Operatorphrasen aufnehmen kann. Auch dieses Datum spricht also eher für eine Adjunktposition als für eine Spec-Position im Imperativsatz.

14 Wie schon oben festgestellt, kann man aus dem Auftreten von expletivem es keine eindeutigen Schlüsse

ziehen.

15

Ein weiteres Argument für die Adjunkthypothese sind die Verhältnisse in anderen Sprachen: Wenn es sich um eine Spec-Position im Deutschen handeln sollte, ist nicht einzusehen, weshalb z.B. das Schwedische nicht auch eine solche Position hat. Es soll deshalb angenommen werden, daß das optionale Vorfeld im Imperativsatz eine Adjunktposition ist, die aus informationsstrukturellen Gründen eröffnet wird. Mit der Annahme, daß auch der Imperativsatz ein kanonischer Verb-erst-Satz ist, stellt sich natürlich die Frage, wieso eine Adjunktion dann nicht auch beim -IS möglich ist Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Möglicherweise muß die Antwort aber in der unterschiedlichen Satztypspezifizierung und der entsprechenden Semantik bzw. der besonderen komplementären Beziehung zwischen Deklarativsatz und Interrogativsatz gesucht werden.

3.3. Hat der Imperativsatz ein Subjekt und eine Subjektposition? Der Imperativsatz weist in seiner kanonischen Form kein overtes Subjekt auf (s. 2.2.). Es ist deshalb auch nicht selbstverständlich, daß die markiert auftretenden Pronomen und Quantorenausdrücke als Subjekte zu betrachten sind, wie allerdings meist angenommen wird. Wären sie Subjekte, müßte ein Imperativsatz ohne overtes Subjekt entweder so etwas wie ein leeres Subjekt, z.B. ein kleines pro, in der tiefenstrukturellen Subjektposition haben,15 oder aber man müßte von zwei Strukturen ausgehen, eine mit und eine ohne Subjektposition. Beide Wege scheinen mir wenig attraktiv zu sein. Das Deutsche ist keine pro-drop-Sprache. Die Annahme eines kleinen pro im pronomenlosen Imperativsatz ist deshalb eine ad hoc-Lösung; sie ist nicht einmal beschreibungsadäquat, da das Deutsche sogar bei nullwertigen Verben wie regnen eine overte Besetzung der Subjektposition verlangt (eine Ausnahme von dieser Regel sind allein bestimmte "ergative" Verben wie grauen und bestimmte Passivkonstruktionen). Für die pro-drop-Sprachen würde umgekehrt die Annahme eines kleinen pro im Imperativ den wichtigen auch in diesen Sprachen vorliegenden Unterschied zwischen dem Imperativsatz und den anderen Satztypen einebnen. Der zweite Weg ist ebenfalls nicht überzeugend. Es bleibt völlig ungeklärt, weshalb der Imperativsatz nur im markierten Fall ein Subjekt aufweisen sollte, bzw. wie es möglich ist, daß er im unmarkierten Fall ohne Subjekt auskommen kann. Die empirischen Daten stützen auch sonst nicht die Hypothese, daß das zuweilen auftretende Pronomen ein Subjekt ist: Es kann nicht wie das normale Subjekt unbehindert im Vorfeld stehen; es weist im Singular keine Personenkongruenz mit dem Verb auf (vgl. 2.2.); das Pronomen wird auch nur dann verwendet, wenn man einen overten Bezug zum Adressaten herstellen will (s. 4.3.).

15

Eine andere Lösung suchen Beukema/Coopmans (1988), indem sie davon ausgehen, daß die Subjektposition von einer Variablen besetzt wird, die von einem leeren oder pronominalen angehobenen Quantifizierer abgebunden wird, der an IP als topic adjungiert wird. Diese Analyse ist m.E. weder empirisch noch theoretisch adäquat Ich kann jedoch in diesem Zusammenhang nicht weiter auf sie eingehen.

16

Die theoretischen Überlegungen und die Daten sprechen also dafür, eine andere Erklärung anzusteuern, die sowohl die syntaktischen Fakten befriedigend abdeckt, als auch darüber hinaus den Anforderungen einer kompositionalen Semantik genügt.16 Diese Erklärung ist m.E. in erster Linie in der spezifischen Verbform zu suchen. Es könnte sich ja so verhalten, daß der Imperativsatz keine Subjektposition hat, weil die externe Thetarolle (in der Theorie von BRRZ die zweite Thetarolle von links, direkt nach der Sachverhaltsvariablen e) blockiert ist.17 Ein overtes referierendes Pronomen als Subjekt ist damit ausgeschlossen. Dies hat zur Folge, daß der Imperativsatz nur einen "Anrede"-Bezug zum Adressaten herstellt oder, wie Liedtke (in diesem Band) es formuliert und expliziert, deiktisch ist. Der "Anrede"Bezug zum Adressaten wird direkt durch die morphologische Form des Verbs, d.h. seine Bindung an die 2. Pers., und die schon in Lexikon vorliegende Bedeutung ADRESSAT gewährleistet. (Zu der technischen Lösung, s. Abschn. 4.3.). Das Fehlen eines Subjekts bzw. einer Subjektposition und die gleichzeitige Bindung der externen Thetarolle an den Adressaten durch die Verbmorphologie sind also aufeinander bezogene Eigenschaften des Imperativsatzes, die seine Eigenständigkeit gegenüber den anderen Satztypen garantieren und sein besonderes Anwendungspotential determinieren. Die vorgeschlagene Lösung setzt voraus, daß die Bindungstheorie und die Kontrolltheorie auf die blockierte Thetarolle zugreifen können, denn, wie allgemein bekannt, erlaubt ein Imperativsatz Bindung eines Reflexivums bzw. Kontrolle eines PRO. Hier bietet sich ein Vergleich mit dem Passiv an. Auf die Unterschiede zwischen den beiden Konstruktionen im Bereich Bindung und Kontrolle wurde schon öfter hingewiesen. Das Passiv erlaubt keine Bindung eines Reflexivs, und Kontrolle eines PRO ist nur bedingt akzeptabel: (91) (92) (93) (94)

Verlaß das Haus nicht, ohne PRO die Tür zu schließen! ??Das Haus wurde verlassen, ohne PRO die Tür zu schließen! Wasch dich! Das Haus wurde zusammen mit einem Bruder von ihm/*sich angestrichen.

Ich will nun annehmen, daß dieser Unterschied zwischen Imperativsatz und Passivsatz darauf zurückzuführen ist, daß im Passivsatz eine "indefinite Ellipse", im Imperativsatz ein "definite Ellipse" vorliegt, oder genauer ausgedrückt, daß die Variable (die externe Thetarolle) im Passivsatz durch den Existenzoperator abgebunden ist, während sie im Imperativsatz (wenn kein Pronomen hinzutritt, s. unten) unabgebunden bleibt.18 Bei Passivsätzen gibt es entsprechend auch nicht wie im Imperativsatz einen Bezug zwischen der blockierten Thetarolle und der morphologischen Person des passivischen Verbs, das sich nach dem overten Subjekt richtet, wenn eines vorliegt, sonst die 3. Pers. Sing, aufweist. Interessant sind in diesem Zusammenhang Passivfälle ohne overtes Subjekt wie:

16

S. hierzu auch Merin (1991:678). der darauf hinweist, daß die Frage, ob der overt subjektlose Imperativsatz ein tiefenstrukturelles Subjekt hat, überhaupt nicht diskutiert werden kann, "without commitment to BOTH a formal syntax and a compositional semantics". Die diachrone Untersuchung Simmlers (1989) scheint eine solche Annahme zu stützen.

1 fi

Auf diesen Unterschied hat mich Joachim Jacobs aufmerksam gemacht

17

(95) Jetzt wird sich gleich gewaschen. (96) Jetzt wird sich überall beworben, (auth.) bei denen ein Reflexivum eher möglich zu sein scheint. Die - wenn auch geringe -Akzeptabilität dieser Beispiele kann sicherlich auf das Fehlen eines overten Subjekts zurückgeführt werden. Da auch diese Passivsätze aber ein existenzabgebundenes externes Argument aufweisen, sind sie nur bedingt akzeptabel. Die Art und Weise, wie die blockierte Thetarolle (durch eine Präpositionalphrase bzw. durch ein nominativisches Pronomen) in den beiden Strukturtypen explizit gemacht werden kann, paßt gut in dieses Bild. Der Unterschied zwischen Passivsatz und Imperativsatz bezüglich Bindung und Kontrolle stützt m.E. die Annahme, daß die Unabgebundenheit des externen Arguments im Imperativsatz, die eine Voraussetzung für seine Bezugnahme auf den Adressaten ist, auch der Grund dafür ist, daß die Bindungstheorie und Kontrolltheorie auf dieses Argument zugreifen und die nötige Identifizierung vornehmen können. ^ Wenn der Imperativsatz keine Subjektposition hat, kann ein hinzugefügtes Pronomen in der 2. Pers. auch kein Subjekt sein. Ich will deshalb annehmen, daß es sich um ein basisgeneriertes Adjunkt zu VP handelt,20 dessen Auftreten zu einer markierten Struktur führt. (Präziseres zu seiner Aufgabe findet sich in Abschnitt 4.3.). Diese Annahme erklärt das strukturelle Sonderverhalten des Pronomens (s. oben 2.). Die Basisgenerierung außerhalb von VP steckt vermutlich auch hinter der Inkompatibilität des Pronomens mit der Negation inte im Schwedischen ((21) und (23)) und entsprechend hinter der obligatorischen Klitisierung der Negation an do im Englischen (s. (13), (15)-(17)). Im Schwedischen entstehen offensichtlich Skopusprobleme, was möglicherweise für Klitisierung des Pronomens an 1° spricht, im Englischen erhält die Negation ihren Skopus durch die Klitisierung an do (Näheres hierzu s. Platzack/Rosengren [i.V.]). Im Deutschen gibt es diese Probleme nicht, was eventuell darauf zurückzuführen ist, daß die Negation ihre Grundposition unter VP in der Nähe des Verbs hat (s. Frey/Tappe 1991) und deshalb mit dem Pronomen nicht in Konflikt geräL^1 Nicht ganz klar ist, ob man auch die hinzugefügten Quantorenausdrücke in der 3. Pers. als Adjunkte auffassen soll. Da es sich offensichtlich historisch gesehen um Deklarativsätze

*9 in Rosengren (1992c) wird ein verwandtes Problem im Bereich der kohärenten Verben auf ähnliche Weise gelöst Selbstredend gibt es auch andere Lösungsmöglichkeiten dieses Problems. In Platzack/Rosengren (i.V.) werden einige andere Alternativen diskutiert und auf ihre Haltbarkeit hin geprüft Vgl. auch Fries (erscheint). 20 Möglich ist auch, daß das Pronomen an 1° klitisiert, eventuell als Folge einer Bewegung aus der Adjunktposition. Für eine Entscheidung dieser Frage müssen jedoch andere Sprachen zum Vergleich herangezogen werden (s. Platzack/Rosengren [i.V.]). 21 Auf ein weiteres Datum, das für den Sonderstatus des Pronomens in Imperativsätzen spricht, hat mich Marga Reis (m.K.) hingewiesen. Wie in Reis (erscheint) gezeigt wird, erlauben sogenannte 'explikative' undKonstruktionen kein overtes Subjekt im zweiten Konjunkt: (i)

Sie ist so nett und *sie spült heute.

Fügt man ein Subjekt im zweiten Konjunkt hinzu, blockten man die expletive Lesart In den entsprechenden Imperativsätzen kann ein Pronomen jedoch auftreten: (ii)

Sei so nett und spül du heute.

Auch dies weist darauf hin, daß das du kein Subjekt ist.

18

handelt, in die die Imperativform eingedrungen ist, könnte man sicherlich auch die Meinung vertreten, daß eine echte Kontamination aus einem Deklarativsatz mit Konjunktiv I und einem Imperativsatz vorliegt. Dann könnte es sich bei den Ausdrücken in der 3. Pers. um Subjekte handeln. Eine solche Analyse ist aber problematisch, u.a. weil die Imperativform nicht mit ihrem Subjekt kongruieren würde. Wenn wir statt dessen annehmen, daß die Quantorenausdrücke ebenfalls Adjunkte sind, müssen wir explizieren, welche Aufgabe diese Ausdrücke in einer Äußerung haben bzw. wie sie mit der Verbform und der Bedeutung des Verbs zusammenwirken und dabei auch ein Reflexivum binden und ein PRO kontrollieren können. Ich werde diesen letzteren Weg wählen (s. unten Abschn. 4.3.). Ehe ich mich dieser Aufgabe zuwende, sollen jedoch ein paar andere Sprachen vergleichsweise herangezogen werden, um die Annahme zu stützen, daß der Imperativsatz keine Subjektposition hat und das optionale Pronomen kein Subjekt ist. Einerseits erlauben bestimmte Sprachen, die im Deklarativsatz ein Subjekt auf weisen, kein Pronomen und keinen Quantorenausdruck im Imperativsatz (z.B. die romanischen Sprachen, vgl. auch Hebräisch und Hindi; s. hierzu Zhang 1991:154ff.). Dies ist nur schwer erklärbar, wenn der Imperativsatz eine (mögliche) Subjektposition aufweisen sollte. Merkwürdig wäre es auch, wenn z.B. die romanischen Sprachen im Imperativsatz keine Subjektposition erlauben sollten, während die germanischen eine hätten. Andererseits scheint es auch keine Sprachen zu geben, die ein Pronomen obligatorisch verlangen. (Die bei Zhang 1991:157ff. angeführten wenigen Ausnahmen lassen sich vermutlich anders erklären.) Diese universelle Optionalität des Pronomens stützt zumindest nicht die Annahme, daß es eine Subjektposition und ein Subjekt geben sollte. Auf die Sonderstellung des Pronomens weist auch folgende schwedische Konstruktion mit einer Präpositionalphrase hin: (97) Gämeddig!1 'Geh mit dir Es handelt sich um eine Präpositionalphrase mit einem Reflexivpronomen, das sozusagen die blockierte Thetarolle aufgreift. Diese Konstruktion ist nicht zu verwechseln mit der ähnlich aussehenden Konstruktion im Deutschen (zu dieser, s. Fries 1983:185ff.), wo das Pronomen eine andere Aufgabe hat, wie die Variationsmöglichkeit mit einem Pronomen in der 3. Pers. zeigt: (98) Fort/Weg mit dir/ihm! Für die Adjunktlösung spricht prinzipiell auch das Isländische. Es weist klitische Pronomen beim Imperativ auf (s. OreSnik 1985): (99) Kalladu 'Rufe' (100) Kauptu 'Kaufe1 (101) Kondu 'Komme'

19

Neben diesen Formen gibt es aber auch einfache Imperative, die nur aus dem Stamm bestehen. Diese werden heute jedoch kaum noch verwendet. Es scheint unklar zu sein, ob die längere Form aus der kürzeren entstanden ist oder ob es sie immer gegeben hat. Wie dem auch sei, es handelt sich bei der längeren Form offensichtlich um ein an das Verb klitisiertes Pronomen. Wenn dieses Pronomen ein ganz normales Subjekt wäre, wäre es schwer zu erklären, weshalb es an das Verb klitisiert, was Pronomen in Subjektfunktion im Isländischen sonst nicht tun. Die Annahme drängt sich deshalb auch hier auf, daß es sich gar nicht um ein Subjekt im strikten Sinn des Wortes handelt, sondern um eine lexikalische Realisierung der 2. Pers. oder anders ausgedrückt um ein "inkorporiertes" Subjekt. Interessant ist auch, daß das Isländische eine "abgeschnittene" Imperativform besitzt, die offensichtlich dadurch entstanden ist, daß der Vokal u in dem klitisierten Pronomen getilgt wird. Diese Form kommt heute wiederum nur dann vor, wenn es im Satz ein emphatisches Pronomen du gibt, das offensichtlich dieselbe Aufgabe wie die Pronomen in den anderen germanischen Sprachen hat. (102) Lest äU bokina, ekki KANN. (OreSnik 1985) 'Lies DU das Buch, nicht ER1 Das Isländische weist also u.U. zwei pronominale Realisierungen auf, wobei das selbständige Pronomen eine besondere pragmatische Funktion zu haben scheint. Nichts spricht m.E. dafür, daß es sich dabei um ein Subjekt handeln sollte. Es stellt sich noch die generelle Frage, weshalb das Pronomen bzw. der Quantorenausdruck im Nominativ steht, wenn es kein Subjekt ist. Ich will annehmen, daß der Nominativ der Defaultkasus ist, der dann auftritt, wenn eine DP nicht regiert ist. Dies ist u.a. auch der Grund, daß die vokativisch verwendeten Pronomen im Nominativ stehen. Ähnliches finden wir bei bestimmten Appositionen. Der Imperativsatz scheint ein universeller Satztyp zu sein (s. hierzu vor allem Zhang 1991). Die genannten vergleichenden Daten stützen vorerst die Annahme, daß der Imperativsatz auch universell subjektlos und das hinzugefügte Pronomen ein Adjunkt (eventuell ein Klitikum) ist.

4.

Die Semantik

In diesem Abschnitt soll nun versucht werden, die kompositionale Semantik des Imperativsatztyps auf dem Hintergrund seiner Syntax formal zu beschreiben.22 Das Zusammenwirken zwischen dem Imperativischen Verb und den optionalen Ausdrücken im Nominativ spielt dabei eine zentrale Rolle.

Vgl. Merin (1991:693): "So far, a formal linguistic treatment of imperatives' compositional semantics is not available in the literature."

20 4.1.

Der Satzmodus des Imperativsatzes

Ich will von der Grundannahme ausgehen, daß der Imperativsatztyp eine Bedeutung, einen Satzmodus hat, der sein illokutives Anwendungspotential determiniert. Die zuerst zu stellende Frage ist, ob dieser Satzmodus eine Sprechereinstellung oder einen sprecherneutralen Satzmodusoperator involviert. Für den Deklarativsatz und Interrogativsatz wurde in BRRZ dafür argumentiert, daß es sich um einen sprecherneutralen Satzmodusoperator handelt. Es wurde auch zu zeigen versucht, daß diese Annahme mit den empirischen Fakten besser zurechtkommt als eine Hypothese, die von einer Sprechereinstellung ausgeht. Auch theoretisch gesehen ist diese Hypothese vorzuziehen, da sie eine klare Grenze zwischen Grammatik und Pragmatik zu ziehen erlaubt und zugleich den Unterschied zwischen einem nicht lexikalisch ausgedrückten Satzmodus und einer lexikalisch ausgedrückten Einstellung (z. B. sicher sein, überzeugt sein, glauben) expliziert. Wenn die beiden Satztypen Deklarativsatz und Interrogativsatz einen sprecherneutralen Satzmodusoperator aufweisen, liegt schon aus Konsistenzgründen die Annahme nahe, daß es sich im Falle des Imperativsatzes ähnlich verhält. Für einen solchen Satzmodusoperator spricht auch die Tatsache, daß sehr viele Imperativische Äußerungen keineswegs den Wunsch des Sprechers ausdrücken, sondern sich entweder an dem Wunsch des Adressaten orientieren oder gar keinen Wunsch zum Ausdruck bringen. Sollte der Satzmodus eine Sprechereinstellung involvieren, müßte man für alle diese Fälle erklären, wie man die Sprechereinstellung los wird. Attraktiver ist deshalb ein Operator, der solche ad-hoc-Lösungen nicht verlangt. Ich werde zu zeigen versuchen, daß man die Bedeutung des Imperativsatzes und seine Funktion sehr wohl auf der Grundlage einer solchen minimalistischen Bedeutungstheorie beschreiben kann. Auf der Suche nach einem Operator kann es angebracht sein, einigen vorgreifenden Überlegungen bezüglich des Zusammenhangs zwischen Satzmodus und Anwendungspotential nachzugehen. Imperativsätze werden u.a. dazu verwendet, Aufforderungen (Direktiva) und Erlaubnisse zu vollziehen.23 Die meisten Grammatiken führen die Aufforderungsfunktion als ihre Defaultfunktion an. Aufforderungen wurden in BRRZ unter die Regulierungshandlungen eingeordnet. Bei Regulierungshandlungen geht es um die Regulierung der Ausführung einer zukünftigen Handlung des Sprechers (S) oder des Adressaten (A). Die relevanten Parameter sind S-/AWunsch, S-/A-Entscheidung, S-/A-Handlung. Die Direktiva werden in Forderung: S will/S entscheidet/A handelt, und Bitte: S will/A entscheidet/A handelt, untergliedert Die Belegung der Parameter für Erlaubnisse ist die folgende: A will/S entscheidet/A handelt. Nur Direktiva haben eine volitive Sprechereinstellung als konstitutives Merkmal; bei Erlaubnissen liegt die volitive Einstellung auf seilen des Adressaten. Die Realisierung von Erlaubnissen verlangt deshalb auch oft weitere stützende Ausdrücke, was darauf hinweist, daß die Erlaubnis eine markierte Funktion ist: (103) Geh doch ins Kino, wenn du willst! Zu weiteren Anwendungsbereichen (z.B. zu den sogenannten konditionalen Imperativen) s. unten, Abschn. 5.

21 (104) Bleib gem noch eine Stunde auf. Dann mußt du aber ins Bett gehen. Was mit diesen Parametern nicht erfaßt ist, ist die Tatsache, daß die Adäquatheit eines Direktivums sich aus einem vom Sprecher unterstellten Normensystem bezüglich der Handlungen des Adressaten ergibt. Der Sprecherwunsch ist in einem solchen Normensystem verankert. Sollte der Adressat anderer Meinung sein, kann er die Aufforderung als unangemessen zurückweisen. Zu den für solche Zurückweisungen geeigneten sprachlichen Handlungen, s. Rosengren (1987). Auch Erlaubnisse fußen auf einem solchen (vom Sprecher determinierten) Normensystem. Der Gedanke drängt sich auf, daß der Imperativsatz gegenüber den beiden anderen oft epistemisch genannten Satztypen, dem Deklarativsatz und dem Interrogativsatz, eine der möglichen Realisierungsformen für deontische Modalitäten sein könnte. Diese Auffassung findet man auch öfter in der Literatur. Vgl. hierzu u.a. Palmer (1986:51ff., 96ff.), der dabei jedoch nicht deutlich zwischen Semantik und Pragmatik unterscheidet. Er betont (S. 30), daß der Imperativ der unmarkierte oder neutrale Ausdruck im deontischen System ist. Kasher (1991:134) spricht davon, daß man "an act of issuing a command as an act of invoking a norm" analysieren soll. Die Distinktion zwischen epistemisch und deontisch ist für unsere Betrachtung und Beschreibung der Welt sicherlich grundlegend. Es ist deshalb auch kein Zufall, daß es für die "deontischen" Bedeutungen unterschiedliche sprachliche Realisierungsformen gibt. Außer dem Imperativ und dem Konj. I haben u.a. bestimmte Modalverben diese Aufgabe. Die Frage stellt sich dann von selbst, ob man für den Imperativsatz und anderen "deontischen" Realisierungsformen einen gemeinsamen semantischen Nenner ausmachen kann, aus dem sich die deontischen Anwendungen ableiten lassen, ohne daß dadurch die offensichtlichen Unterschiede zwischen dem Imperativsatz und den anderen Ausdrucksmöglichkeiten eingeebnet werden. Als gemeinsamer semantischer Nenner bieten sich m.E. die beiden Modaloperatoren N und M an. Ich will annehmen, daß der Imperativsatz in seiner Semantik über 3e hinaus den Operator N aufweist. Diese Bedeutung ist sozusagen seine Defaultbedeutung. Aus ihr kann man dann mit Hilfe der Negation die Bedeutung M ableiten. Die Wahl von N [Be] als Defaultoperator korrespondiert am besten sowohl mit der präferierten Lesart der sogenannten konditionalen Imperative als auch mit der Defaultfunktion des Imperativsatzes als Aufforderung. Sie findet auch eine gewisse Stütze im modalen Infinitiv, bei dem N ebenfalls meist die präferierte Lesart zu sein scheint. Die markierte Funktion des Imperativsatzes als Erlaubnis ist dann auf das Zusammenwirken von Satzmodus, propositionalem Gehalt und Kontext zurückzuführen.24 Durch N unterscheidet sich der Imperativsatz von den anderen Satztypen. Während sich die beiden Satztypen Deklarativsatz und Interrogativsatz - wenn auch auf unterschiedliche Weise direkt auf die virtuelle Existenz eines Sachverhalts beziehen (vgl. Rehbock 1992a, b), handelt es sich beim Imperativsatz offenbar um einen Bezug auf die - vor dem je gegebenen Hintergrund Vgl. hier die frühere Fassung dieses Aufsatzes (Rosengren 1992d), in der ich den Satzmodus durch MOm/n bezeichnete und davon ausging, daß er bezüglich M und N unspezifiziert sei.

22

notwendige (bzw. mögliche) Existenz eines bestimmten Sachverhalts. Ein geäußerter Imperativsatz erlaubt deshalb auch nie den Schluß, daß der Sachverhalt, auf den referiert wird, in der aktuellen Welt existiert bzw. existieren wird. Dies korrespondiert mit der atemporalen Verbform des Imperativs. Mit dieser Verbform wird auf keine Weise Bezug auf den Sprechzeitpunkt genommen; es wird also kein Zukunftsbezug festgelegt (so auch z.B. Fries 1983:102, anders Haftka 1984:97). Der Imperativ bezieht sich m.E. auch nicht auf den Zweck der Handlung.25 Er steht eher dem lateinischen Gerundivum nahe, ohne sich jedoch mit ihm zu decken. Daß der Imperativsatz kein Tempus zum Ausdruck bringt und auch sonst nicht futurisch zu interpretieren ist, zeigen u.a. die sogenannten "konditionalen" Imperative, die in der Regel keinen Zukunftsbezug haben (s. unten Abschn. 5). Der Zukunftsbezug z.B. bei Aufforderungen und Erlaubnissen kommt auf der illokutiven Ebene ins Spiel, wo er aus der illokutiven Funktion der Äußerung gefolgert werden kann: Man kann z.B. nicht zu Handlungen auffordern, die schon ausgeführt wurden. Eine eventuell finale Interpretation dagegen ergibt sich erst in einem geeigneten Kontext und ist wohl nie zwingend. Durch die obige Beschreibung des Satzmodus des Imperativsatztyps erhalten wir also eine semantische Distinktion zwischen den Satztypen. Der "deontische" Imperativsatz ist gegenüber den beiden "epistemischen" Satztypen, dem Deklarativsatz und dem Interrogativsatz, der markierte Satztyp. 4.2.

Die Beziehung zwischen dem Satzmodusoperator N und anderen Realisierungsformen der Operatoren N und M

Wenn der Operator N der gemeinsame semantische Nenner des Imperativsatzes und anderer Realisierungsformen der "deontischen" Bedeutung sind, stellt sich natürlich die Frage nach der Beziehung zwischen ihm und diesen. Bestimmte Realisierungsformen der Modaloperatoren sind heute mehr oder weniger veraltet Auf die Verwandtschaft zwischen dem Imperativ und dem Konjunktiv I im selbständigen Satz wurde schon oft hingewiesen (vgl. hier auch Paul 1916 IV:§375f., Windfuhr 1963, Donhauser 1986, Rosengren 1988a, Winkler 1989:49ff., Scholz 1991:31ff. u.a.m.). DerKonj. I ist offensichtlich eine Realisierungsform deontischer Modalität. Es ist deshalb sicherlich kein Zufall, daß gerade der Imperativ in Strukturen eindringt, die früher nur Konj. I-Formen erlaubten (vgl. oben

Finalsätze im Deutschen, eingeleitet durch z.B. damit, sind m.E. Deklarativsätze, deren Subjunktion die syntaktische Funktion der Unterordnung mit der Subjunktion daß teilt und darüber hinaus eine spezifische finale Semantik aufweist. Sie ist zu vergleichen mit Subjunktionen wie so daß, auf daß, als daß, bei denen die Semantik durch so, auf, und als repräsentiert wird. Solche Sätze erlauben uns deshalb auch nicht, den Schluß zu ziehen, daß der Imperativsatz eine finale Bedeutung hat Etwas anders zu erklären ist vermutlich ein Fall wie das russische itoby, wo das by eher eine mit dem Konjunktiv vergleichbare Funktion hat und selbst eine Partikel ist Auch in diesem Fall wird es sich jedoch um einen Deklarativsatz handeln, der von der Konjunktion cto mit der kursierten Partikel by eingeleitet wird. Die spezifische (finale und modale) Bedeutung solcher Sätze (und Infinitivkonstruktionen) ist auf dieses "konjunktivische" by zurückzuführen, das seinerseits ebensowenig mit dem Satzmodus des Satzes zu tun hat wie das zu in modalen Infinitiven im Deutschen oder das Modalverb müssen in Deklarativsätzen. Es wäre deshalb m.E. verfehlt, in Fällen, wo ein durch Itpby eingeleiteter Satz von Matrixprädikaten wie bitten, fordern, notwendig sein selegiert wird, von einem eingebetteten Imperativsatz zu sprechen.

23 (5)-(8) und (51)-(52)). Es ist umgekehrt auch kein Zufall, daß der sogenannte Heischesatz, der Konj. I auf weist, im Prinzip dieselbe Funktion wie ein Imperativsatz haben kann (s. hierzu auch Oppenrieder 1987:173ff. und Rosengren 1988a). Neben dem Konjunktiv I gibt es aber andere Mittel, die uns in diesem Zusammenhang mehr interessieren, u.a. die modale Infinitivkonstruktion mit sein und die Modalverben können und müssen. Folgende Sätze enthalten einen sogenannten modalen Infinitiv: (105) Diese Frage ist unmittelbar zu klären. (106) Ein solcher Ausweg ist (nicht) zu verantworten. Wir wissen, daß diese Infinitive früher flektiert waren.26 Wie beim Imperativ kann man N als die präferierte Lesart betrachten. Die beiden Sätze (105) und (106) können folgendermaßen paraphrasiert werden: (107) Diese Frage muß unmittelbar geklärt werden. (108) Ein solcher Ausweg muß/kann (nicht) verantwortet weiden. Diese Paraphrasen weisen Modalverben auf, die ihrerseits als lexematische Realisatoren von N und M betrachtet werden können.27 Dabei handelt es sich bei den Modalverben um die beiden unmarkierten Modalverben im Modalverbsystem, s. Wunderlich (1981:40) und vor allem Öhlschläger (1989:134ff.). Andere Modalverben, die mit diesen Modalverben assoziiert sind, sind wie dürfen, sollen und nicht brauchen - markiert, bzw. haben - wie wollen, das explizit eine propositionale Einstellung zum Ausdruck bringt (vgl. hierzu auch Wunderlich 1981:44 und Öhlschläger 1989:165ff.) - andere Aufgaben. Schließlich kann man N und M auch folgendermaßen realisieren: (109) Es ist notwendig, diese Frage zu klären. (110) Es ist möglich, einen solchen Ausweg zu verantworten. Dagegen sind die Adverbien notwendigerweise und möglicherweise wohl nur epistemisch zu interpretieren. (111) Das führt notwendigerweise/möglicherweise zu einem Konflikt. Bei keinem der alternativen Strukturtypen (105)-(110) handelt es sich um einen Imperativsatz. Alle sind Deklarativsätze.^ Mit (105)-(110) gemeinsam hat der Imperativsatz also nur N (und M). Er unterscheidet sich von ihnen auf zweierlei Weise: Der Operator N im Imperativsatz ist erstens Satzmodusoperator, 26 Ich will in diesem Zusammenhang nicht auf die Frage eingehen, wie die Satzstruktur dieser Konstruktionen mit den beiden Modaloperatoren in Verbindung zu bringen ist. Daß die Sätze sie zum Ausdruck bringen, scheint evident zu sein. 27 Die "epistemische" Bedeutung der Modalverben hat sich aus der deontischen entwickelt und steht in einer systematischen Beziehung zu ihr (s. hierzu Wunderlich 1981, Öhlschläger 1989:188ff., Traugott 1989 und Sweetser 1990:49ff.). Sie spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. 28 Sie können mühelos auch als Interrogativsätze umkonstruiert werden, erhalten dann aber selbstredend eine entsprechende interrogative Bedeutung.

24 d.h. er steht in der entsprechenden Position, wo sonst auch Satzmodusoperatoren stehen (d.h. in 1°, s. hierzu BRRZ und unten), und nimmt damit die übrigen Operatoren des Satzes in seinen Skopus. Er steht also nicht selbst im Skopus des Existenzoperators wie die Modalverben, die entsprechenden Adjektive und (möglicherweise) der modale Infinitiv. Dieser Unterschied hat natürlich weitreichende Konsequenzen für das Anwendungspotential des Imperativsatzes und bedeutet letztendlich, daß man mit Imperativischen Äußerungen nicht wie mit geäußerten Deklarativsätzen einen Wahrheitsanspruch erheben kann (vgl. zum Deklarativsatz Rehbock 1992a). Aufgrund des modalen Charakters des Imperativs ist auch nicht zu erwarten, daß epistemische Adverbien wie vielleicht, vermutlich, tatsächlich mit ihm verträglich sind. Vermutlich sind aber alle Satzadverbien, die eindeutig eine Sprechereinstellung ausdrücken, ausgeschlossen. Der Grund könnte in der Position des modalen Operators zu suchen sein: Er nimmt den ganzen Satz und damit auch das sprecherorientierte Satzadverb in seinen Skopus, was semantisch keinen Sinn ergibt, da es nicht um die Notwendigkeit der Sprechereinstellung, sondern um die Notwendigkeit der Adressatenhandlung geht (s. auch unten). Wie zu erwarten können dagegen Adverbien wie die folgenden auftreten: (112) Geh ihn vorsichtigerweise mal morgen besuchen! (113) Geh lieber nicht hin! wo das Adverb sich auf den Adressaten bezieht oder neutral ist.29 Der Imperativsatz zeichnet sich zweitens durch seine Verbform aus, die den Adressatenbezug gewährleistet. Damit ist die Äußerung auf den/die Adressaten beschränkt. Sie kann nur solche niokutionen realisieren, in denen der Adressatenbezug gegeben ist. Wir halten also fest: Der Imperativsatz hat mit Konstruktionen des Typs (105)-(110) die modale Bedeutung gemeinsam, die bei ihm als N auftritt. Er unterscheidet sich aber von diesen durch die Position und den Skopus des Operators einerseits und der spezifischen satzmodusorientierten Verbform andererseits. Dies hat zur Folge, daß Deklarativsätze z.B. mit den oben genannten Modalverben - wenn geäußert - primär als Assertionen über die Notwendigkeit oder Möglichkeit von Sachverhalten verstanden werden, während Imperativische Äußerungen die Notwendigkeit eines Sachverhalts sozusagen direkt in die Welt setzen (s. hierzu auch unten 5.1.). Beide Strukturtypen unterscheiden sich damit von dem Deklarativsatz ohne entsprechende Modalverben, der nichts über die Notwendigkeit eines Sachverhalts aussagt.

Einige der nicht möglichen Adverbien in Imperativsätzen können dagegen in Deklarativsätzen, die als Aufforderungen zu verstehen sind, auftreten (vgl. Fries 1983:102): (i) Du gehst jetzt leider sofort zu Bett. (ii) Du ißt tatsächlich/ganz sicher deinen Teller leer. Dies ist auch zu erwarten, da der Satzmodus wie auch die direktive Anwendung des Deklarativsatzes mit der Bedeutung dieser Adverbien kompatibel ist. Das letztere ist nicht der Fall bei Adverbien wie vermutlich, vielleicht etc., die deshalb auch nicht in Deklarativsätzen (mit oder ohne Modalverben sollen, müssen und können) auftreten können, wenn diese direktiv verstanden werden sollen. Die folgenden Äußerungen können also nicht als Aufforderungen interpretiert werden: (iii) Du gehst vermutlich/vielleicht zu Bett. (iv) Du kannst/mußt vermutlich/vielleicht zu Bett gehen.

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4.3. Versuch einer Formalisierung Nach dieser allgemeinen Abgrenzung des Imperativsatzes gegenüber anderen Satztypen und anderen Ausdrucksmöglichkeiten für N und M soll seine semantische Struktur formal beschrieben werden. Dies geschieht auf dem Hintergrund der in BRRZ vorgeschlagenen Satzstruktur. Die folgende Formalisierung zeigt, worin die Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen dem Imperativsatz und den anderen Satztypen sowohl syntaktisch als auch semantisch Hegen. In BRRZ wurde davon ausgegangen, daß der Deklarativsatz und die beiden Interrogativsätze in 1° (bzw. in C°/I°) durch den Existenzoperator ausgezeichnet sind, der die von dem Verb vergebene Sachverhaltsvariable e abbindet. Die Bedeutung des Deklarativsatzes ist damit 3e [e INST p]. Diese Bedeutung garantiert nicht nur die Satzhaftigkeit der entsprechenden Struktur, sondern leistet auch die potentielle Referenz auf einen Sachverhalt. In Übereinstimmung mit den Analysen der beiden anderen Satztypen soll deshalb angenommen werden, daß die Bedeutung von 1^ mit der Kennzeichnung +imp die folgende ist: (l 14) XQ [N [Be [Qe ]]] mit N e S/S

Die Formel besagt, daß der Operator N den Existenzoperator in seinen Skopus nimmt. Mit dieser Abfolge wird eindeutig garantiert, daß kein Deklarativsatz vorliegt und auch kein Wahrheitsanspruch erhoben werden kann. Der Imperativsatz setzt sich damit auch eindeutig von seiner deklarativen Entsprechung mit einem Modalverb ab. Der Imperativsatz wird jedoch - wie schon oben (3. l.) festgestellt wurde - nicht nur durch den modalen Operator N determiniert. Die Verbform mit der morphologischen Auszeichnung 2. Pers. trägt zu seiner Determination bei. Ich will annehmen, daß für das externe Argument des Verbs im Imperativ festgelegt ist, daß es in der Adressatenmenge unecht enthalten ist, was durch die 2. Pers. des Imperativs lizensiert wird. Dies bedeutet, daß mit dem Adressaten identisch sein - was der Standardfall ist - oder in der Adressatenmenge enthalten sein kann, was dann der Fall ist, wenn Adressat(enmenge) und "Handelnder" sich nicht decken; dies ist der Fall bei den Quantorenausdrücken im Singular. Zugleich ist die Thetarolle syntaktisch blockiert, was mit der oben angesprochenen Subjektlosigkeit korrespondiert. Folgende morphologische Operation ist dann für die Imperativform im Lexikon vorzusehen: (115) a. +imp +2ps apl b. Xe [ x c i y [ADRESSATy]]: [P xe] +V Sie beinhaltet die Kategorisierung des outputs und die Blockierung der externen Thetarolle des Verbs. Im Deutschen (vgl. das Russische, s. oben 3.1.) muß das Imperativische Verb, dessen Aufgabe es also ist, mit dem Satzmodus zusammen den Imperativsatz zu determinieren, nach 1° gehen. Man kann die Verbform als die overte Realisierung des Satzmodus betrachten.

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Der folgende Baum illustriert die Syntax und Semantik eines Satzes wie (l 16):30 (116) Bleib da! 1

(117)

+imp XQ[N[5e[Qe]]

N [3e[xciy [ADRESSAT y]]: [eINST[xDABLEIB]]]

VP Xe [xc ly [ADRESSAT y]] [eINSTfxDABLEIB]]

bleib da [ c iy [ADRESSAT y]] : [e INST [x DABLEIB]] [+2ps -pl] Mit diesem Modell können wir den Imperativischen Defaultfall ohne hinzugefügtes Pronomen befriedigend beschreiben.31 Zu explizieren ist dann noch der Status eines hinzugefügten Pronomens in der zweiten Person: (118) Bleib du/bleibt ihr da! Es wurde schon oben (Abschn. 3.3.) dafür argumentiert, dieses du/ihr nicht als Subjekt, sondern als Adjunkt zu VP zu interpretieren. Es soll angenommen werden, daß die SF der Schwesterkonstituente des Adjunkts durch präfigiert wird. Die Variable x wird dann durch du = [iz [ADRESSAT z] spezifiziert. Dies bedeutet somit nicht, daß das Pronomen zum Subjekt wird. Es bleibt ein Adjunkt und geht erst später in die Bedeutung des Satzes ein, der in seiner Prädikat-Argument-Struktur dann eine spezifizierte Variable aufweist. Die Syntax und Semantik eines Satzes wie: (119) Bleib du da! kann durch den Baum (120) illustriert werden:

Die Semantik des Verbs wird nicht dekomponiert Die Modalpartikeln werden syntaktisch an VP adjungiert. Zu der kompositionalen Integrierung der Bedeutung der Modalpartikeln, s. Ormelius [in diesem Band].

27 N [3e [[ [ADRESSAT z]c iy [ADRESSAT y]]: [e INST [u [ADRESSAT z] DABLEIB]]]

(120)

IQ,

+imp XQ [N [3e [Qe]]

DP du iz [ADRESSAT z]

Xe [[u [ADRESSAT z]c iy [ADRESSAT y]] [e INST [iz [ADRESSAT z] DABLEIB]]

P Xe [x c iy [ADRESSAT y]] : [e INST [x DABLEIB]] => [Xe [x c iy [ADRESSAT y]] [eINST [x DABLEIB]]] yO bleib da Xe [x c iy [ADRESSAT y]]: [e INST [x DABLEIB]] [+ imp] [+2ps -pl]

Wie die oberste Formel zeigt, tritt für x hier die Bedeutung von du ein. Zur Funktion dieses hinzugefügten Pronomens in der 2. Pers. ist folgendes zu sagen. Es hat die Aufgabe, aus einer unspezifizierten Menge von möglichen Adressaten eine bestimmte Person (du) bzw. eine bestimmte Menge von Personen (ihr) herauszufiltern, die als Adressat identifiziert wird und die "Aktivität" ausführt. Als Lexem referiert das Pronomen direkt auf den Adressaten. Damit erhalten wir sozusagen einen doppelten Adressatenbezug in diesen Sätzen. Dieser doppelte Bezug ist für die Markiertheit einer Äußerung mit einem Pronomen verantwortlich. Das Pronomen kann nicht generisch interpretiert werden, weil es sich nur auf den Adressaten, d.h. auf die externe Thetarolle, bezieht, die ihrerseits durch die Verbmorphologie auf den Adressaten bezogen wird. Auch dies spricht gewissermaßen dafür, daß ein hinzugefügtes du kein Subjekt ist. Denn du kann als Subjekt in Deklarativsätzen sehr wohl generisch verstanden werden: (121) Du kannst so etwas heute einfach nicht mehr sagen, wenn du nicht als doktrinär gelten willst (Vgl. auch umgekehrt die entsprechenden konjunktivischen Heischesätze mit man). Ein Satz wie (121) ist unspezifiziert bezüglich der Interpretation des Pronomens. Es kann allerdings festgestellt werden, daß die generische Lesart die Bedeutung 'Adressat' mit umfaßt. Es handelt sich also um eine Erweiterung der Adressatenlesart, die in der Redewiedergabe nicht möglich ist:

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(122) Hans sagte, daß du so etwas ... In (122) kann das Pronomen nicht generisch verstanden werden. Noch nicht besprochen wunden die Konstruktionen mit einem Quantorenausdruck in der 3. Pers. Quantorenausdrücke kommen sowohl im Singular als auch im Plural vor: alle, beide, einer, jeder, wer, keiner, niemand. Zuerst zu den Ausdrücken im Singular: Ihren geschichtlichen Ursprung kennen wir (s. 2.3.3.)· Wenn man diese Sätze unter synchronem Gesichtspunkt als reine Imperativsätze betrachtet, stellt sich die Frage, welche Aufgabe dann die hinzugefügten Quantorenausdrücke haben. Die Singularformen sind zu verstehen als einer von euch, jeder von euch etc., also einer/jeder aus der Adressatenmenge x. Adressat ist somit mehr als einer, "Handelnder" einer. Gegenüber dem Standardfall, wo das Verb eine externe Thetarolle, im Normalfall Agens, vergibt, die als Adressat und "Handelnder" interpretiert wird, liegt hier der Sonderfall vor, wo Adressat und "Handelnder" sich nicht decken. In einem Fall wie: (123) Einer bleib da! wäre die (120) entsprechende Formel dann: N [3e [EINER c [ly [ADRESSAT y]]]: [e INST [EINER DABLEIB]]]. Die externe Thetarolle wird also durch einer belegt und ist in der Adressatenmenge enthalten. Nur einer "handelt" somit (vgl. unten zu alle), mehrere sind jedoch angesprochen. Die Singularform des Verbs korreliert mit der Singularform des Quantorenausdrucks. Hier noch ein kurzer Kommentar zu den Bindungs- und Kontrollverhältnissen in Sätzen mit einem overten Pronomen: Indem die Bedeutung des Pronomens per Lambdakonversion für die Variable in der Formel Xe [x cly [ADRESSAT y]] : [e INST [x DABLEIB]] eintritt, kann das Pronomen Binder und Kontrolleur sein. Der Unterschied gegenüber den pronomenlosen Sätzen zeigt sich an der Oberfläche selbstredend nur bei den Pronomen in der 3. Person. Von den Quantorenausdrücken im Singular sind Quantorenausdrücke wie alle und beide zu unterscheiden. Sie haben keinen Einfluß auf das Reflexivpronomen: (124) Nehmt euch jetzt alle zusammen! Die Annahme drängt sich auf, daß es sich um sogenannte quantorenfloatende Ausdrücke handelt. Ihre Bedeutung und Funktion ist dieselbe wie in einem Deklarativsatz (vgl. hierzu Reis/Vater 1980). Sie können auch zusammen mit ihr auftreten: (125) Bleibt ihr doch bitte alle morgen zu Hause! Dies zeigt deutlich, daß sie einen ganz anderen Status haben als die Quantorenausdrücke im Singular. Ungrammatisch ist deshalb auch: (126) *Bleibt doch alle von euch bitte morgen zu Hause! Die angeführten Beispiele zeigen, daß es sich weder um ein Subjekt noch um einen Quantorenausdruck wie einer in (123) handeln kann. Während die Quantorenausdrücke im Singular das externe Argument spezifizieren, ist dies bei z.B. alle nicht der Fall. Es tritt als "Attribut" zu

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auf (vgl. hier auch Fries 1983:201 f.). Deshalb sind die beiden folgenden Sätze auch nicht äquivalent bzw. nicht in allen Kontexten austauschbar (127) Besucht ihn alle! (128) Besuch ihn jeder! Eine Äußerung wie (127) kann so verstanden werden, daß alle auf einmal eine bestimmte Person besuchen. Dies ist kaum der Fall bei (128), wo man am ehesten an eine Reihe von Einzelbesuchen denkt. Dem entspricht, daß in (127) alle getilgt werden kann, ohne daß sich die Adressatenmenge und die Menge der Handelnden ändert. Eine entsprechende Tilgung von jeder in (128) ist natürlich nicht möglich. Eine solche Tilgung würde eine Bezugsänderung mit sich führen: Der Adressat und der "Handelnde" würden sich decken und genau eine Person sein.

5.

Die Pragmatik

5.1. Das Illokutionspotential des Imperativsatzes In BRRZ wurde angenommen, daß die ülokutionstypen unabhängig von den Satztypen und Satzmodi definiert werden und das Illokutionspotential eines Satztyps das Ergebnis der Interaktion zwischen Satzmodus und ülokutionstyp ist. In diesem Abschnitt soll untersucht werden, ob das illokutive Anwendungspotential des Imperativsatzes mit der oben vorgeschlagenen Semantik kompatibel bzw. aus ihr ableitbar ist. Wenn die semantische Beschreibung korrekt ist, ist zu erwarten, daß der Imperativsatz aufgrund seiner modalen Bedeutung ein weites Anwendungsfeld hat, das bestimmte Ähnlichkeiten mit, aber auch Unterschiede zu dem Anwendungsfeld von können und müssen in Sätzen mit Präsens und mit einem Subjekt in der 2. Pers. Sing, oder Plur. aufweist. Illokutiv gesprochen heißt dies: Der Imperativsatz wird u.a. dazu verwendet, Aufforderungen zu vollziehen und Erlaubnisse zu geben. Mit dem Imperativsatz läßt sich neben Aufforderungen und Erlaubnissen aber auch u.a. Ratschläge, Drohungen und Warnungen realisieren. Einer kontextlosen Äußerung wie (129) kann man deshalb auch nicht ansehen, ob es sich um eine Aufforderung, Erlaubnis, Drohung, Warnung oder um einen Ratschlag handelt:

(129) Geh nur hin! Wie kommen wir nun von der von mir vorgeschlagenen Bedeutung zu den Grundfunktionen des Imperativs, der Aufforderung und der Erlaubnis? Wie bei der Äußerung selbständiger Deklarativsätze die Faktizität "in der Äußerung, und das heißt durch den Sprecher projektiv gesetzt" wird (vgl. hierzu die Ausführungen Rehbocks zum Deklarativsatz und Imperativsatz 1992a:104f.), setzt der Sprecher mit einem geäußerten Imperativsatz eine Norm (vgl. auch Kasher oben 4.1.). Die Selbstbezüglichkeit beim Imperativsatz ist dabei auf den modalen Operator zurückzuführen, der den Existenzoperator in seinen Skopus nimmt. Eine solche Selbstbezüglichkeit ist bei den entsprechenden Deklarativ Sätzen mit einem Modalverb nicht

30 möglich, da dort der Existenzoperator umgekehrt den Modaloperator in seinen Skopus nimmt, mit der Konsequenz, daß die Notwendigkeit bzw. Möglichkeit assortiert wird. Indem der Sprecher eine Norm setzt, wird seine Äußerung in einem weiteren Schritt per generali siener Implikatur deontisch interpretiert, im Defaultfall als Gebot, im markierten Fall als Erlaubnis. Daß genau das Gebot und nicht die Erlaubnis der Defaultfall ist, ist wohl zu erwarten, da in der deontischen Logik Gebotensein sich zu Erlaubtsein wie N zu M verhält. Die Anwendung als Erlaubnis (d.h. die Interpretation M) ist auf das Zusammenwirken von propositionalem Gehalt und Kontext zurückzuführen. Mit dem angenommenen Ableitungsweg korreliert dann auch, daß Bitten - obwohl Aufforderungen - seltener, und dann meist durch weitere Ausdrücke - Modalpartikeln und/oder bitte - geschmückt, mithilfe eines Imperativs realisiert werden. Sie sind eben keine Gebote. Bei ihnen gilt entscheidet', nicht 'S entscheidet', was die Normsetzung des Sprechers zumindest relativiert. Die übrigen Illokutionen sind komplexere Handlungstypen, deren Status als Illokution und deren Relation zu einem Basissystem von Illokutionen noch zu klären ist. Nichts spricht jedoch gegen die Annahme, daß sich aus der oben angenommenen sprecherunabhängigen Bedeutung des Imperativsatzes auch diese Anwendungen ableiten lassen. Die Dreistufenrakete N - Normsetzung - Gebot expliziert also befriedigend den Weg, der vom Imperativsatz zur Illokution des Gebots führt. Er läßt uns weiter verstehen, weshalb bestimmte Anwendungen wie Bitten und Erlaubnisse auf unterschiedliche Weise markiert sind. Wir können jedoch vielleicht noch einen Schritt weiter gehen und uns fragen, ob das Gebot gegenüber z.B. der Erlaubnis auch sozial grundlegender/primitiver ist. Hier können wir zwar nur spekulieren. Nicht ganz abwegig scheint immerhin die Annahme, daß der Wunsch des Sprechers bezüglich einer Handlung des Adressaten in unserem sozialen System als zentraler aufgefaßt wird als z.B. die Freigabe einer Handlung, die der Adressat wünscht. Es ist einfach gesprochen (für uns) wichtiger, die Umwelt zu beeinflussen, so daß sie unseren Vorstellungen und Wünschen entspricht, als dazu beizutragen, daß die Wünsche unserer Mitmenschen verwirklicht werden.32 Marginal interessant in diesem Zusammenhang sind u.a. auch Imperative wie: (130) Schlaf gut! (131) Bleibe gesund! Nach Haftka (1984:104) unterscheidet sich die Aufforderung von dem bloßen Wunsch dadurch, daß die "Aktivität", die von der Proposition denotiert wird, unter der Kontrolle des Adressaten steht. Dies bedeutet, daß Imperative wie (130) und (131) aufgrund ihres propositionalen Gehalts nicht als Aufforderungen verstanden werden können. Sie bringen nur den für die Aufforderung konstitutiven Wunsch des Sprechers bezüglich der Existenz eines bestimmten Sachverhalts zum Ausdruck. Es ist jedoch anzunehmen, daß - sofern es sich nicht einfach um feste Wendungen handelt - dieser Wunsch mit bestimmten Normen in Beziehung steht. Als Wunschäußerungen rücken sie in die Nähe von Sätzen mit mögen im Konj. I, ohne 32

Mit dieser Annahme korrespondiert dann auch, daß das Lexikon Über besondere Modalverben wie wollen, wünschen und möchte verfügt, die es erlauben, die konsumtive Sprechereinstellung lexikalisch auszudrücken.

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mit ihnen äquivalent zu sein (vgl. auch Scholz 1991:68, Fn. 23, und 278f„ die diese Fälle nicht unter ihre Wunschsätze einordnet; vgl. auch unten Abschn. 5.): (132) Mögest du gut schlafen! (133) Mögest du gesund bleiben! Wenn Konj. I, wie oben angenommen, eine Realisierungsform der deontischen Modalität ist, ist die Übereinstimmung zwischen (130)-(131) und (132)-(133) nicht so erstaunlich. In beiden Fällen wird die Aufforderungslesart durch den propositionalen Gehalt blockiert. Es fehlt die semantische Voraussetzung der kontrollierbaren Handlung. Äußerungen wie (130)-(131) sprechen somit nicht prinzipiell gegen die obige Satzmodusanalyse. (Vgl. auch Donhauser 1986:164ff.) Daß bestimmte Imperative wie (s. Haftka 1984:104): (134) ?Werde traurig! (135) ?Werde krank! schlecht vorkommen können, ist wiederum darauf zurückzuführen, daß solche Wünsche "Verwünschungen" sind. Als solche können sie natürlich unter Umständen gebraucht werden. 5.2.

Die sogenannten konditionalen Imperative

Besonders problematisch sind vor allem die sogenannten konditionalen Imperative. Unter diesem Begriff werden unterschiedliche Strukturen zusammengefaßt (s. Saltveit 1973 und Donhauser 1986:17 Iff.). Es handelt sich um Satzgefüge, die aus einem Imperativsatz und einem koordinierten Deklarativsatz bestehen, wobei der letztere eine Folge des im Imperativsatz denotierten Sachverhalts wiedergibt: (136) Geh (du) mal rüber, dann siehst du ihn sofort. (137) Sei (du) (nur) still und niemand wird dich bemerken. (138) Versuch (du) mal Renate davon zu überzeugen, daß der Satzmodus keine Sprechereinstellung ist, und du wirst sehen, wie leicht es ist. (139) Mach (du) eine Bewegung und ich drücke los. (Donhauser 1986:174) (140) Kürze (*du) die Diäten der Abgeordneten und du wirst sehen, wie schon am folgenden Tag die Korruption floriert. (Donhauser 1986:176) (141) Mach (*du) Krieg mit den Amerikanern und du findest keinen besseren Freund auf der ganzen Erde als den Spanier. (Donhauser 1986:174) (142) Sei (*du) kerngesund, und du kannst Pilot werden. (Haftka 1984:114) (143) Sei (du) zwei Meter groß, und du wirst verstehen, was ich meine. (144) Hab (du) mal so schlecht geschlafen wie ich, und du wirst auch klagen. Diese Äußerungen werden deshalb konditional genannt, weil man sie einigermaßen gut mit einem Konditionalsatz paraphrasieren kann. Es handelt sich jedoch nicht um eine homogene Gruppe. Wir finden Fälle, wo mit dem Imperativsatz eine ganz gewöhnliche Aufforderung vollzogen wird (so in (136)). Der angeschlossene dan/i-Satz kann auch fehlen; er kann jedoch nicht durch einen koordinierten Satz, eingeleitet durch und, ersetzt werden. Diese Fälle interessieren uns hier nicht Die übrigen Fälle können nicht (oder nur unter bestimmten Bedingungen) als Aufforderungen verstanden werden, obwohl es sich bei einigen von ihnen um eine kontrol-

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lierbare Handlung des Adressaten handelt. Offensichtlich hat die Blockierung der Aufforderungslesart etwas damit zu tun, daß der Imperativsatz mit dem koordinierten Satz eine semantische Einheit bildet. Bei einigen kann ein du/ihr stehen bzw. hinzugefügt werden, bei anderen wiederum nicht Zuerst zu dem "konditionalen" Status: Auch wenn diese Äußerungen bestimmte Eigenschaften aufweisen, die sie mit Konditionalsätzen teilen, sind sie keine konditionalen Strukturen. Es gibt - wie Davies (1986:16Iff.) zeigt - eine Reihe von Unterschieden zwischen Konditionalsätzen und diesen Imperativen, die darauf hinweisen, daß man sie anders analysieren sollte. Wichtig ist vor allem, daß nicht jeder Konditionalsatz als konditionaler Imperativ paraphrasiert werden kann, auch dann nicht, wenn er die "richtige" Proposition enthält (vgl. Davies 1986:175). Wir haben es zu tun mit einem koordinativen Satzgefüge, in dem der zweite Satz zwar einen Sachverhalt denotiert, der eine Folge des im Imperativsatz denotierten Sachverhalts ist, in dem aber der Imperativsatz selbst keine Kondition explizit ausdrückt. Davies (1986:178) kommt zu dem Schluß, daß es sich um ganz gewöhnliche Imperativsätze handelt, daß der Bezug zwischen den beiden Sätzen jedoch kein semantischer ist Es handele sich um eine Folgebeziehung, die erst auf der pragmatischen Ebene zustandekommt. Dies ist m.E. keine korrekte Erklärung. Der Sonderstatus der Konstruktion ist aus der Semantik der beiden Satztypen - vor allem der des Imperativsatzes - ableitbar. Die koordinativen Imperativsatzgefüge sind im Prinzip normale grammatische Strukturen, in denen ein Imperativsatz mit einem Deklarativsatz koordiniert wird. Die Konjunktion und soll die beiden Sätze zu einer semantischen Einheit verbinden (zur Semantik der Koordination, vgl. u.a. Lang 1977), in der zwei Propositionen - eine modal ausgestattete und eine "epistemische" Proposition - in eine mögliche Folgebeziehung zueinander gebracht werden. Wenn dies richtig ist, sollte nicht der Konditionalsatz die richtige Paraphrase für die genannten Imperative sein, obwohl seine Bedeutung mit ihnen verwandt ist, sondern eine Paraphrase mit einem Modalverb. Diese Annahme bestätigt sich auch. Vgl. die folgenden Paraphrasen von (137): (145) Wenn du (nur) still bist, wird dich niemand bemerken. (146) Du mußt still sein, und niemand wird dich bemerken. Mit (145) wird nur ein konditionaler Zusammenhang zwischen zwei Propositionen ausgedrückt: daß aus dem ersten Sachverhalt der zweite folgt, falls der erste zutreffen sollte. Dagegen fehlt in (145) jeder explizite Bezug auf eine Norm, der in (137) und auch in (146) deutlich greifbar ist. In (137) fehlt andererseits - wie auch in (146) - der explizite konditionale Bezug zwischen den Sätzen, der garantiert, daß das Konsequens im Lichte des Antezedens gesehen wird. Der konditionale Bezug kann nur aus dem Satzgefüge aufgrund des propositionalen Gehalts der Sätze erschlossen werden.

Entsprechend können die übrigen konditionalen Imperativsätze paraphrasiert werden:33 Wie die Beispiele zeigen, ist es selten der Fall, daß man statt müssen können verwenden kann. Dies wurde oben (Abschn. 4.1.) als Argument dafür angeführt, N als Defaultoperator zu betrachten.

33 (147) Du mußt/kannst mal versuchen, Renate davon zu überzeugen, daß der Satzmodus keine Sprechereinstellung ist, und du wirst sehen, wie leicht es ist. (148) Du mußt nur eine Bewegung machen, und ich drücke los.34 (149) Du mußt die Diäten der Abgeordneten kürzen und du wirst sehen, wie schon am folgenden Tag die Korruption floriert. (150) Du mußt mit den Amerikanern Krieg machen und du findest keinen besseren Freund auf der ganzen Erde als den Spanier. (151) Du mußt (nur) kerngesund sein, und du kannst Pilot werden. (152) Du müßtest zwei Meter groß sein (wie ich), und du würdest verstehen, was ich meine. (153) Du mußt/müßtest mal so schlecht geschlafen haben wie ich, und du würdest auch klagen. Die letzten beiden Beispiele sind besonders interessant, weil - wie die Paraphrasen mit Konjunktiv II zeigen - es sich um einen hypothetischen Sachverhalt handelt bzw. handeln kann. In (153) liegt außerdem Vergangenheitstempus vor. Wir können abschließend feststellen: Die modale Grundbedeutung des Imperativsatzes (sein Satzmodusoperator) erklärt am besten die Eigenart der sogenannten konditionalen Imperative gegenüber den entsprechenden Konditionalgefügen. Wo eine deontische Bedeutung nicht möglich ist, kann deshalb auch kein "konditionaler" Imperativ gebildet werden. Die obigen Beispiele (137)-(144) sind jedoch auch aus einer anderen Perspektive interessant Nur unter bestimmten Bedingungen kann ein du/ihr vorkommen. Wenn die obige Analyse richtig ist, kann ein solches Pronomen nur auftreten, wenn es darum geht, den Adressaten sozusagen aus einer bestimmten Menge herauszufiltern. Die obigen Äußerungen, die kein Pronomen erlauben, lassen eine solche Interpretation nicht zu; sie sind alle generisch zu verstehen, was in diesen Fällen auf den propositionalen Gehalt der Äußerung zurückzuführen ist. Das bedeutet nicht, daß nicht auch in den generischen Fällen ein Adressatenbezug vorliegt. Durch den nackten Imperativ wird der Adressat mit einbezogen, ein hinzugefügtes du würde ihn aber herausfiltern und kann deshalb nicht vorkommen. Interessant als Vergleich sind Fälle wie: (154) Mach einer eine kritische Bemerkung, und er hat es mit ihm verdorben. In dem Imperativsatz (154) hat einer die oben in 4.3. beschriebene Funktion. Ein Satz wie (154) kann deshalb ebenfalls nicht generisch verstanden werden. Wenn man aber einer streicht und er durch du ersetzt, kann die Äußerung generisch sein. Nicht akzeptabel scheinen mir entsprechend Sätze wie (155): (155) ??Stiehl einer einmal ein Auto, und er ist für immer verloren. Dieser Satz kann aufgrund seines propositionalen Gehalts nur generisch verstanden werden. Deshalb kann einer auch nicht hinzugefügt werden, ohne daß der Satz unakzeptabel wird. Bisher haben wir nur reine konsekutive Folgerelationen untersucht. Es gibt aber auch komplexere Relationen, wie die folgenden Beispiele zeigen: (156) Kauf nur ein neues Kleid, es wird dir trotzdem nicht besser gehen. Daß (139) bzw. (148) nur als Drohung verstanden werden können, ist auf weitere determinierende Faktoren zurückzuführen, auf die ich hier nicht eingehen kann.

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In (156) liegt eher eine "konzessive" Imperativkonstruktion vor. Die Paraphrase wäre: (157) Du kannst ein neues Kleid kaufen, es macht dich trotzdem nicht glücklich. Schließlich noch ein Beispiel mit oder. (158) Geh jetzt zu Bett oder ich werde wirklich böse! (159) Du mußt jetzt zu Bett gehen oder ich werde wirklich böse. Offensichtlich handelt es sich um ähnliche Konstruktionen wie die oben behandelten Koordinationen mit und (vgl. auch Davies 1986:204ff.). Interessant ist die Beobachtung von Fries (1983:209), daß die oder-Konstruktionen nur bei solchen Imperativsätzen möglich sind, die eine Interpretation als Aufforderung erlauben. Auch hier gilt die modale Semantik als Erklärungsgrund. Der Unterschied gegenüber den Konstruktionen mit und ist damit allerdings noch nicht völlig erfaßt Ein besonderer Typ liegt vor in: (160) Renn ruhig in dein Unglück! (161) Dann ertrink halt! (- wenn ich dir nicht helfen soll) (Fries 1983:208) (162) So werd doch krank! (- wenn du unbedingt keinen Schal anziehen willst) (Fries 1983:208) In diesen Fällen liegt die Kondition nicht im Imperativsatz, wie der hinzugefügte wenn-Satz zeigt, sondern im (unterstellten) Konditionalsatz. Die folgende Paraphrase gibt deshalb auch einigermaßen korrekt die Bedeutung der Äußerungen (161)-(162) wieder: (163) Laß mich dir nicht helfen und du wirst ertrinken! (164) Zieh keinen Schal an und du wirst krank! Ohne Zweifel ist dieser Typ sehr komplex und kann sicherlich nur mit Hilfe von Griceschen Maximen voll expliziert werden. Ich sehe aber keinen Grund, daraus zu schließen, daß es sich nicht auch hier um einen Imperativsatz handelt. Eine mögliche Paraphrase, die diesen Typ mit der Erlaubnis in Verbindung bringt (vgl. hier auch Donhauser 1986:163) wäre die folgende: (165) Meinetwegen kannst du ertrinken. (Ich weiß zwar einen Ausweg. Du willst ihn aber nicht akzeptieren.)

6. Zusammenfassung Es wurde zu zeigen versucht, daß der Imperativsatz eine -Projektion ist und sich syntaktisch durch seine Subjektlosigkeit, morphologisch durch seine spezifische Verbform von anderen Satztypen unterscheidet. Die optional auftretenden Pronomen und Quantorenausdrücke sind damit keine Subjekte, sondern an VP adjungiert, was die Markierheit eines Imperativsatzes mit einem Pronomen oder einem Quantorenausdruck im Nominativ expliziert. Semamisch unterscheidet sich der Imperativsatz von anderen Satztypen teils durch seinen Satzmodus, der den Modaloperator N involviert, teils durch die Verbform, die sich dadurch auszeichnet, daß die externe Thetarolle blockiert und unecht in der Adressatenmenge enthalten ist. Die semantische

35 Struktur des Verbs gewährleistet den "deiktischen" Bezug des Imperativsatzes zum Adressaten. Aus der Bedeutung des Imperativsatzes läßt sich sein relativ breites Anwendungspotential ableiten.

7.

Anhang: Der "Wunschsatz"

7.1. Gibt es einen Wunschsatz? Die sogenannten Wunschsätze - oder wie sie zuweilen auch bezeichnet werden, die Optativsätze - stehen den Imperativsätzen insofern nahe, als mit ihnen Wünsche zum Ausdruck gebracht werden. Es handelt sich um Sätze wie: (166) (167) (168) (169) (170) (171)

Wäre ich doch nie hingegangen! Hätte ich nur nicht gestern so viel Geld ausgegeben! Käme er doch endlich mal! Wenn du mich nur wieder einmal besuchen würdest! Wenn Peter das doch bloß nicht wieder tut! Daß ich mir auch mal so etwas leisten könnte!

Die Wunschsätze (ich werde sie im folgenden aus rein praktischen Gründen so nennen, ohne damit sagen zu wollen, daß es sich um einen Satztyp oder Satzmodus handelt35) zeichnen sich dadurch aus, daß sie der Form nach mit Konditionalsätzen, d.h. mit dem Konstituentensatz in einem Konditionalgefüge,36 übereinstimmen (eine Ausnahme ist (171), s. unten): Sie treten folglich als Verb-erst- oder Verb-letzt-Sätze, eingeleitet durch wenn, auf und verlangen in der Regel Konj. II (Ind.-Formen kommen aber auch vor, vgl. (170) und unten). Von den Konditionalsätzen unterscheiden sie sich dadurch, daß sie selbständig sind, d.h. keinen Matrixsatz aufweisen, und eine Modalpartikel mehr oder weniger obligatorisch verlangen. In der Literatur (s. Scholz 1991:3ff.) bringt man sie entweder mit den Imperativsätzen in Verbindung, oder aber man beschreibt sie als elliptische Konditionalgefüge. In Rosengren (1988a) wird dafür plädiert, sie als selbständige Konditionalsätze zu betrachten und ihre besondere Funktion aus ihrer konditionalen Struktur abzuleiten (vgl. auch Kasper 1987). Scholz (1991) dagegen schreibt diesen Sätzen einen eigenen Satzmodus (= Wunsch bzw. Wunscheinstellung) zu, den sie durch ihre Struktur zum Ausdruck bringen. Ich werde im folgenden die These, daß es sich um einen selbständigen Konditionalsatz handelt, weiter zu untermauern versuchen, wobei ich mich auf die gründliche Zusammenstellung von relevanten Daten bei Scholz (1991) stütze. Die Voraussetzung dafür, Sätze wie (166)-(170) zu einem Wunschsatzmodus zusammenzuführen, ist natürlich, daß sie strukturelle Eigenschaften aufweisen, die sie von anderen 35 Geäußerte Wunschsätze nenne ich dann zuweilen Wunschäußerungen. Wenn terminologische Unklarheit bestehen könnte bezüglich der diskutierten Strukturtypen, spreche ich zuweilen von konditionalen Wunschsätzen und konditionalen Wunschäußerungen. 3

" Ich werde fortan den Begriff Konditionalsatz für den konditionalen Konstituentensatz und Konditionalgefüge für das aus einem Matrixsatz und einem Konditionalsatz bestehende Satzgefüge verwenden.

36 Satztypen mit anderen Funktionen unterscheiden (so auch Scholz: lOff.). Solche Eigenschaften sind aber schwer zu finden. Die Selbständigkeit allein reicht selbstredend nicht aus. Die Sätze weisen auch kein konstitutives prosodisches Tonmuster auf, das sie eindeutig von anderen Satztypen und Satzmodi unterscheidet (s. Scholz:122, lolff.). Auch Konj. II ist ein zweifelhaftes Kriterium. Mißtrauisch wird man besonders, wenn Scholz (S. 39ff.) einen wenn-Satz mit Indikativ wie (170) nicht als Wunschsatz klassifiziert, weil "eine Integration [dieses Typs] in den WU-Satzmodus [...] notwendigerweise eine 'Aufweichung' der für die 'kanonischen' WU-Sätze konsumtiven Beschränkung auf Konj.n (Prät./Plusq.)-Formen zur Folge [hätte] und zwar sowohl für die wenn-VL- als auch für die Vl-WU-Sätze" (S. 41f.). Die Zirkularität in der Argumentation sticht ins Auge. Vgl. hier auch Kasper (1987:109), der keinen Grund sieht, die "optative Funktion" an den Konj. II zu binden. Scholz weist übrigens selbst darauf hin, daß die Verb-erst-/Verb-letzt-Wunschsätze "nicht aufgrund des Merkmals Verbmorphologie [...] konstituierbar [sind]" (S. 73). Sie können mithilfe der Verbformen nur von Imperativsätzen abgegrenzt werden (S. 75). Dies ist aber - wenn überhaupt - nur von Interesse für die Abgrenzung des Imperativsatztyps. Auch nicht die Kombination der als relevant betrachteten Eigenschaften, z.B. Konj. II + Verb-erst + Betonung des Verbs, ist eine ausreichende Garantie für die Identifizierung als Wunschsatz. Am ehesten scheinen die Modalpartikeln eine eindeutige Abgrenzung zu erlauben. Sind sie aber tatsächlich obligatorisch, wie Scholz behauptet (S. 123)? Mir scheint diese Annahme nicht richtig zu sein. Einerseits kann man sich Wunschsatzäußerungen ohne Modalpartikeln vorstellen, obwohl solche Äußerungen sicherlich ungewöhnlicher sind: (172) WÄRE ich zu Hause geblieben! Mit einer einleitenden Interjektion sind sie ohne Zweifel voll akzeptabel: (173) Ach, WÄRE ich zu Hause geblieben! Interjektionen sind aber keine Modalpartikeln und haben auch nicht deren Funktion. Was die Modalpartikel also tut, ist nicht, wie Scholz meint, daß sie den Formtyp konstituiert (S. 122). Ihre Aufgabe ist es (u.a.), eine Äußerung wie (172) funktional zu disambiguieren. Das kann aber auch eine Interjektion tun (vgl. (173)). Andererseits kommen dieselben Modalpartikeln auch in eingebetteten und selbständigen Verb-erst-Ave/w-Sätzen ohne "Wunschbedeutung" vor:37 (174) Wenn er nur kommen könnte, würde er uns helfen. (175) Wenn die nur im Ziel wäre, gäbe es wohl keine mehr, die ihr die Medaille nehmen könnte. (Scholz:141) (176) Wenn du nur nicht immer so eigensinnig wärest, wäre dir leicht zu helfen. (177) Wärest du nur nicht so eigensinnig, wäre dir leicht zu helfen. (178) Wenn wir doch bisher unser Soll erfüllten.

ich sehe keinen Grund, wie Scholz (S. 138ff.) davon auszugehen, daß die Partikeln nur, bloß, wenigstens in eingebetteten Konditionalsätzen Gradpartikelfunktion haben sollten. Eher ist wohl anzunehmen, daß sie sowohl in Wunschsätzen als auch in eingebetteten Konditionalsätzen zuweilen Gradpartikelfunktion haben bzw. als Giadpartikeln interpretiert werden können.

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(179) Eroberte sie doch mit nur zwei Filmen die Herzen der Zuschauer! (Scholz:136) (180) Na, wenn er doch tot ist. (Scholz:134) (181) Hätte ich dir doch gerne geholfen! Daß Modalpartikeln in eingebetteten Sätzen vorkommen, spielt an sich keine Rolle. Es handelt sich jagerade nicht um selbständige Sätze. Problematischer sind Sätze wie (178)-(181). Ich will hier nicht darauf eingehen, um welchen Typ von Sätzen es sich in (178)-(180) handelt. Mir geht es vor allem um die Form, an die Scholz die Definition des Wunschsatzes bindet. Wenn Konj. II kein obligatorisches Merkmal des Wunschsatzes ist (und nichts spricht für diese Annahme), machen solche Sätze natürlich Schwierigkeiten. Und wie erklären wir (181), einen Typ, den Scholz nicht behandelt? Er weist alle konsumtiven Merkmale (inklusive Konj. ) auf, ist jedoch kein Wunschsatz. Dies kann er m.E. auch gar nicht sein, denn er ist kein Konditionalsatz. Wenn man ihn schon mit einem Strukturtyp vergleichen will, dann mit einem Matrixsatz in einem Konditionalgefüge. Genau dies macht ihn m.E. für die Funktion als Wunschsatz ungeeignet. Ich werde unten auf diesen Typ zurückkommen. Die Modalpartikeln sind also an sich interessant und haben sicherlich eine besondere Funktion in all diesen Sätzen. Sie unterscheiden aber nicht den Wunschsatz eindeutig von anderen Sätzen mit derselben Struktur. Beispiele wie (174)-(177) unterstreichen m.E. andererseits den Zusammenhang zwischen Konditionalsätzen und Wunschsätzen. Wenn man in diesen Beispielen den Matrixsatz streicht, erhält man einen Wunschsatz. Während man also einerseits mit Äußerungen von selbständigen Verb-erst-/H'enn-Konditionalsätzen nicht immer einen Wunsch zum Ausdruck bringt, kann man andererseits - was unser Abgrenzungsunternehmen nicht gerade erleichtert - mit ganz anderen Strukturtypen Wünsche äußern. Selbst Scholz zählt den daß-S&tz (171) zu den Wunschsätzen (S. l und 26), jedoch ohne diese Einordnung näher zu begründen. Dagegen gehöre ein Satz wie (182) nicht zu dieser Kategorie: (182) Wer [doch] so blaue Augen hätte! (Scholz: 108) Mit einer Äußerung eines solchen Satzes wird aber offensichtlich auch ein Wunsch zum Ausdruck gebracht.38 Eine Analyse wie die von Scholz macht deshalb auch sehr den Eindruck, als ginge es um "des Satzmodus neue Kleider". Ich will lieber die Position des Kindes in dem Märchen einnehmen und, meinen Augen trauend, akzeptieren, daß der kanonische Wunschsatz eben nicht

38 Ausgeschlossen werden auch Sätze wie (i) (s. S. 68, Fn. 23, und S. 278): (i)

Mögest du gut schlafen!

Es versteht sich von selbst, daß dieser Satz nichts mit der hier behandelten konditionalen Wunschäußerung strukturell zu tun hat. Er ist kein Konditionalsatz. Seine Verbform mögen weist außerdem Konj. I (deontischen Konjunktiv) auf. In dem Modell von BRRZ ist er ein Deklarativsatz. S. auch oben 5.1.

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das schöne Kleid der Wunscheinstellung trägt, sondern ganz einfach ein nackter Konditionalsatz ist.39 Die Frage stellt sich dann, ob es andere Möglichkeiten gibt, dem generell empfundenen Sonderstatus des selbständigen Konditionalsatzes in seiner Funktion als Wunschäußerung gerecht zu werden. Folgende Teilfragen sind zu beantworten: 1.

Welche Eigenschaften des Konditionalsatzes machen ihn dazu geeignet, illokutiv als Wunschäußerung zu fungieren?

2.

Wie kommt er zu seiner Funktion als Wunschäußerung und wo im illokutiven System ist er unterzubringen?

3.

Welche Rolle spielen dabei seine prosodische Struktur und die Modalpartikeln?

4.

Gibt es einen gemeinsamen Nenner für die konditionale Wunschäußerung und die Exklamation, der dafür verantwortlich ist, daß diese beiden Äußerungstypen in den meisten Grammatiken neben den grundlegenden Satztypen als grammatische Sondertypen aufgenommen werden?

7.2.

Der Konditionalsatz in seiner Funktion als Wunschäußerung

7.2.1.

Die für seine Funktion als Wunschäußerung relevanten Eigenschaften des Konditionalsatzes

Mit Scholz (S. 5ff., so auch schon Reis 1985) bin ich vorerst einig, daß sogenannte Wunschsätze keine (grammatischen) Ellipsen sondern grammatisch gesehen selbständige Sätze sind.40 Kein Matrixsatz ist getilgt, wie man zuweilen anzunehmen geneigt ist. Sie können deshalb auch kontextungebunden bzw. voll rhematisch auftreten. Ihre besondere Fähigkeit, gerade einen Wunsch illokutiv realisieren zu können, ist m.E. auf die strukturelle Eigenschaft zurückzuführen, daß es sich um einen nicht-elliptischen Konditionalsatz, d.h. um einen grammatisch

In diesem Zusammenhang will ich nicht zu der Frage Stellung nehmen, ob der Konditionalsatz selbst ein Deklarativsatz oder Interrogativsatz ist, da dies für die Funktion des Konditionalsatzes als Wunschsatz nur eine indirekte Rolle spielt. In Brandt/Rosengren/Zimmermann (1989) wurde für die letztere Alternative argumentiert Vor allem die Verb-erst-Variante scheint für eine solche Hypothese zu sprechen. Der lexikalische Zusammenfall zwischen den Konjunktionen ob und konditionalem wenn in anderen Sprachen (z.B. im Schwedischen om, im Englischen if) wäre auch eine Stütze für sie. Ein reiner Interrogativsatz ist der Konditionalsatz sicher nicht. Durch die Konjunktion wenn erhält er eine weitere semantische Charakterisierung, die ihn vom Interrogativsatz unterscheidet Um terminologischen Mißverständnissen vorzubeugen, werde ich im folgenden zwischen grammatisch selbständigen und grammatisch vollständigen Sätzen unterscheiden. Der Wunschsatz ist grammatisch gesehen ein selbständiger aber zugleich ein unvollständiger Satz. Die Unvollständigkeit signalisiert der wenn-Satz durch seine CP-Struktur (Einleitung durch einen Komplementierer). Demgegenüber ist der Verb-erstWunschsatz ein vollständiger Satz. Er kann deshalb m.E. auch nur dann als Wunschsatz fungieren, wenn er als Konditionalsatz (zu diesem Begriff, s. Fn. 36) aufgefaßt wird. Deshalb kann wohl auch ein Verb-erst-Satz mit Indikativ im Prinzip nicht als Wunschsatz interpretiert werden. Ihm fehlt jegliches Merkmal, das ihn als Konditionalsatz auszeichnet, und er wird damit automatisch einem der primär selbständigen und vollständigen Verb-erst-Satztypen zugewiesen. Eventuell kann ein geäußerter Verb-erst-Satz mit der Modalpartikel nur - vorausgesetzt, daß der Kontext die Interpretation stützt - eher als Wunschäußerung verstanden werden.

39 gesehen zwar selbständigen aber zugleich unvollständigen Satz handelt. Durch seine konditionale Struktur signalisiert der Wunschsatz die Abwesenheit einer Folgeproposition. Da der Konditionalsatz nur eine Bedingung für einen anderen Sachverhalt zum Ausdruck bringt, signalisiert er auch zugleich, daß der bedingende Sachverhalt zum Sprechzeitpunkt nicht existiert bzw. existieren muß. Nicht von Bedeutung rein prinzipiell ist dabei die Modusform. Konj. II ist jedoch die kanonische Modusform, was sicherlich damit zusammenhängt, daß sie eindeutig den Sachverhalt als gedacht (hypothetisch) auszeichnet Ein wenn-Satz im Indikativ kann aber auch als Wunschsatz interpretiert werden (vgl. (170)), vorausgesetzt, daß er als Konditionalsatz interpretiert werden kann, was also wiederum voraussetzt, daß der Sachverhalt, von dem die Rede ist, zum Sprechzeitpunkt nicht existiert bzw. existieren muß. 7.2.2.

Der Weg des Konditionalsatzes zur Funktion als Wunschäußerung und der Status der konditionalen Wunschäußerung im illokutiven System

Da es sich nicht um eine Ellipse handelt, kann die durch den selbständigen Konditionalsatz signalisierte Lücke erst auf pragmatischer Ebene geschlossen werden. Ich will annehmen, daß es eine systematische Beziehung zwischen dem selbständigen Konditionalsatz und dem emotiven System gibt. Diese Beziehung kann vermutlich (a) auf den Effekt der grammatischen Selbständigkeit eines im kemgrammatischen Sinn unvollständigen Satzes (vgl. hier auch Fries 1992c), (b) auf den Status der Affekte/Gefühle41 im konzeptuellen System zurückgeführt werden. Zu (a): Ich will annehmen, daß im kerngrammatischen Sinn unvollständige Sätze und Strukturen - aufgrund der Signalisierung einer Lücke, die grammatisch nicht geschlossen wird - prinzipiell geeignet sind, Affekte/Gefühle zu realisieren (vgl. Fries 1992c). Der Konditionalsatz (also sowohl der Verb-erst- als der wenn-Satz) hat darüber hinaus noch die Eigenschaft, daß er durch seine Struktur eine Bedingung zum Ausdruck bringt, deren Erfüllung eine Voraussetzung für die Existenz eines bestimmten Sachverhalts - in diesem Fall eines positiven Gefühls - ist (s. hierzu oben). Aus dieser Annahme folgt dann auch, daß der Verb-erst-Satz mit Konj. II nur dann als Wunschsatz fungieren kann, wenn man ihn grammatisch gesehen als selbständigen Konditionalsatz interpretieren kann (vgl. oben (181)). Zu (b): Warum sollte es eine Affinität zwischen grammatischer Unvollständigkeit und Affekten geben? Hierüber kann man nur spekulieren. Es scheint vorerst sinnvoll, zwischen einem effektiven und einem kognitiven konzeptuellen Subsystem zu unterscheiden (s. hierzu Fries 1992b, c). Affekte stehen in einer engen Beziehung vor allem zu bestimmten Reizen. Sie können zwar sprachlich ausgedrückt werden, es gibt aber eine Reihe von anderen Möglichkeiten, sie zum Ausdruck zu bringen (z.B. Gesten und Mienen). Schließlich kommen sie zuweilen auch unkontrolliert zum Ausdruck (z.B. durch Erröten etc). Kognitionen haben diese Eigenschaften nicht. Im Gegensatz zu Affekten sind sie wahrheitswertfähig. Möglicherweise hängt der typische Bezug zwischen der Struktur des Konditionalsatzes (einer unvollständigen 41

Ich gebrauche Affekt und Gefühl unterschiedslos als Oberbegriff für das emotive Konzept im Subsystem der Gefühle.

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Struktur, die normalerweise nicht selbständig auftritt) und dem System von Affekten gerade mit diesem Unterschied zwischen Affekten/Gefühlen und Kognitionen zusammen. Empirisch können wir immerhin feststellen, daß die grundlegenden Satztypen Deklarativsatz, Interrogativsatz und Imperativsatz nicht, bzw. nicht ohne lexikalische oder prosodische Stütze, Gefühle zum Ausdruck bringen können.42 Sie sind ihrer Natur nach kognitiv. Umgekehrt können selbständige aber unvollständige Sätze nicht ohne weiteres grundlegende Illokutionen realisieren. Bestenfalls - z.B. bei den selbständigen ob-Sätzcn - haben sie einen markierten Bezug zu einer grundlegenden Illokution. Grammatische Vollständigkeit scheint also mit Kognition zu korrelieren, grammatische Unvollständigkeit mit Affekt. Eine scheinbare Ausnahme sind die Interjektionen (s. Fries 1992a, b), die - obwohl vollständige Strukturen - fast ausschließlich Affekte ausdrücken. Sie korrespondieren aber insofern mit dem vorgeschlagenen Muster, als sie keine Sätze, sondern nur Lexeme sind. Ich will es bei diesen allgemeinen Überlegungen belassen. Das Forschungsgebiet ist noch weitgehend unaufbereitet (s. vor allem Fries 1992 a, b, c). Ich will also annehmen, daß es ein konzeptuelles Subsystem der Affekte/Gefühle gibt, auf das selbständige Konditionalsätze mit einer bestimmten propositionalen Ausstattung systematisch zugreifen können. Wie dieses System mit dem System der Illokutionen interagiert, ist äußerst unklar. Eines ist jedoch klar. Das System von Gefühlskonzepten ist von dem der propositionalen Einstellungen zu unterscheiden. Gefühle sind z.B. Wut, Freude, Furcht, Ekel etc. Der Sprecherwunsch dagegen ist eine propositionale Einstellung. Nach diesen eher einleitenden Bemerkungen soll jetzt die Beziehung zwischen Wunschsatz, konzeptuellem Subsystem der Affekte/Gefühle und der Sprechereinstellung des Wunsches näher expliziert werden. Wenn wir mit Fries (1992b, c) annehmen, daß Affekte auf zwei Dimensionen im Gefühlssystem projiziert sind, auf die Dimension der Intensität und auf die Dimension ±positiv (Fries spricht im letzteren Fall von der Dimension der Angenehmheit; dieser Begriff scheint mir aber für die hier aktuelle Dimension zu konkret bzw. zu spezifisch zu sein), könnten wir weiter annehmen, daß der selbständige Konditionalsatz aufgrund seiner Lücke auf die Dimension ±positiv Bezug nimmt (wobei nur +positiv die Lücke füllen kann) und dort ein positives Gefühl herausgreift, dessen Existenz von der Erfüllung der Bedingung abhängig ist (zum Exklamativsatz s. unten 7.2.4.). Eine einigermaßen richtige Paraphrase, die jedoch nicht mit der konditionalen Wunschäußerung äquivalent ist, wäre: (183) Es wäre gut/ich würde mich freuen, wenn p bzw. wenn nicht-p. Mit einem selbständigen Konditionalsatz bringen wir also nicht direkt einen Wunsch zum Ausdruck, sondern nehmen nur Bezug auf die grundlegende Gefühlsdimension ±positiv. Der Bezug zur Einstellung des Wunsches verlangt nun eine weitere Ableitung. Ich will diesen Weg hier nur andeuten. Auszugehen ist m.E. von einer allgemeinen Maxime ungefähr der folgenden Art: In unserem sozialen System werden Äußerungen mit negativen Bewertungen so aufgefaßt, daß wir den 42

Fries (1992c) weist auf die Vergleichbarkeit mit den Begriffen denotative und konnotative Bedeutung hin.

41

negativ bewerteten Sachverhalt nicht wünschen, Äußerungen mit positiven Bewertungen, daß wir ihn wünschen. Wenn es Sachverhalte sind, die noch nicht vorliegen, beziehen sich die Wünsche des Sprechers auf die Verwirklichung dieser Sachverhalte. Das Ergebnis dieser Ableitung ist im Falle des konditionalen Wunschsatzes also eine generalisierte Implikatur. Es kommt noch hinzu, daß es sich immer um +positiv handeln muß, da die Bewertung nicht lexikalisiert ist und man sie deshalb auch nicht negieren kann. Anders ausgedrückt: Mit einem Satz wie (166) bringt man selbstredend nicht zum Ausdruck, daß man nicht wünscht, daß p, sondern daß man wünscht, daß nicht-p. Es stellt sich noch die Frage, welchen illokutiven Status ein solcher geäußerter konditionaler Wunschsatz hat. Offensichtlich gehören Äußerungen solcher Sätze in die Nähe der Regulierungshandlungen. Der Satz kann aber aufgrund seiner konditionalen Struktur weder eine direktive Illokution noch eine Einstellungsbekundung (zu diesen Begriffen, s. BRRZ und oben 5.) direkt realisieren. Mit dem Imperativsatz, der einen Defaultbezug zur Aufforderung hat, teilt er einige Modalpartikeln. Er hat aber keinen Modaloperator in seiner Bedeutung und deshalb auch keinen Bezug zu einer vom Sprecher gesetzten Norm. Seine Sonderstellung gegenüber dem Imperativsatz kommt auch darin zum Ausdruck, daß man ihn mit dem Modalverb möchte paraphrasieren kann, während das entsprechende Verb für den Imperativsatz eher wollen ist (zu der unterschiedlichen Bedeutung dieser beiden Modalverben, s. Wunderlich 1981:44 und Öhlschläger 1989:180ff.). Von prepositional ausgedrückten Wunschbekundungen andererseits unterscheidet er sich nun dadurch, daß er den Wunsch via seinen Bezug zu dem konzeptuellen System der Affekte direkt realisieren kann, also nicht von einem lexematischen Ausdruck abhängig ist. Es besteht deshalb auch ein relevanter Unterschied zwischen den beiden folgenden Äußerungen: (184) Ich wünsche, daß Peter gekommen wäre. (185) Wäre Peter doch gekommen! Eine Äußerung wie (184) ist ihrer Natur nach kognitiv, eine wie (185) affektiv. Wenn diese Analyse in ihrem Ansatz richtig ist, wäre auch zu erwarten, daß andere ähnliche Strukturen, z.B. Sätze eingeleitet durch einen anderen Komplementierer oder durch eine wPhrase für die Aufgabe als Wunschäußerung geeignet sein könnten. Interessant sind hier der daß-Satz. (171) und der vv-Satz (182). Der daß-Satz kann nie als Assertion interpretiert werden. Welche Forderungen an ihn zu stellen sind, damit er als Wunschäußerung fungieren kann, ist nicht klar. Scholz (S. 1) schließt ihn aus ihrer Untersuchung aus. Nichts spricht jedoch prinzipiell dagegen, daß ein daß-Satz wie (171) auf die Dimension ±positiv Bezug nehmen könnte. Wichtig dabei ist sicherlich der Konj. II, der garantiert, daß der Sachverhalt zum Sprechzeitpunkt nicht existieren kann. Der Komplementierer daß scheint am ehesten auf einen impliziten Matrixsatzrahmen mit wünschen hinzuweisen. Eine - nicht äquivalente - Paraphrase mit wünschen wäre dann: (186) Ich wünsche, daß er käme.

42 Interessant in diesem Zusammenhang ist ohne Zweifel, daß daß-Sälze auch Aufforderungen realisieren können, dann jedoch im Indikativ stehen müssen und im Normalfall ein betontes JA beinhalten (s. hierzu Meibauer [in diesem Band]). Ein Satz wie (182) wiederum muß als ein freier Relativsatz betrachtet werden. Auch mit ihm kann man einen Wunsch direkt ausdrücken. Die grammatische Struktur garantiert auch hier, daß der Satz sich nur auf einen hypothetischen (gedachten) Sachverhalt beziehen kann und einer (gefühlsmäßigen) Ergänzung bedarf. Ich will jedoch nicht weiter spekulieren, wie die Zuordnung zur Wunscheinstellung verläuft. Anzunehmen ist immerhin, daß auch dieser Satz - wenn geäußert - auf das konzeptuelle System der positiven Gefühle Bezug nimmt. Scholz (S. 108) muß ihn natürlich ebenfalls aus der Klasse der Wunschsätze ausschließen, da er durch seinen w-Ausdruck nicht in das postulierte Muster paßt. Die beiden letzten Typen von Wunschsätzen sind jedoch marginal und sollen uns hier nicht weiter beschäftigen. Wenn man also davon ausgeht, daß die Beziehung zwischen selbständigem Konditionalsatz und Wunschäußerung über eine systematische Zuordnung zum konzeptuellen Gefühlssystem läuft, stört dann weder, daß nicht jeder geäußerte selbständige Konditionalsatz als Wunschäußerung interpretiert werden muß (Beispiele finden sich bei Scholz:35ff.), noch, daß es andere Strukturen gibt, mit denen man Wünsche direkt zum Ausdruck bringen kann (daß-S&tz und wSatz). Der selbständige Konditionalsatz hat eben ein illokutives Potential, zu dem gehört, einen Wunsch zum Ausdruck zu bringen. 7.2.3.

Die Funktion der prosodischen Struktur und der Modalpartikeln

Eine wichtige Rolle bei der illokutiven Disambiguierung spielen die Prosodie und vor allem die Modalpartikeln. Da der (konditionale) Wunschsatz sozusagen auf die Dimension ±positiv zugreift, ist nicht zu erwarten, daß er ein obligatorisches und konstitutives prosodisches Muster auf weist (wie z.B. der Exklamativsatz, bei dem die Prosodie für die Zuordnung zur Intensitätsskala zuständig ist; s. Rosengren 1992b). Dies bedeutet jedoch nicht, daß der Wunschsatz nicht auch prosodische Merkmale haben kann bzw. oft hat, die seine Expressivität unterstreichen, was vor allem für den Verb-erst-Satz wichtig ist, der ohne diese Merkmale leicht mit anderen Strukturtypen verwechselt werden kann. Die erstaunlich niedrigen Trefferquoten in den bei Scholz (S. 172ff.) beschriebenen Experimenten sprechen eigentlich auch nicht gegen diese These, da die Testsätze - um die Vergleichbarkeit mit anderen Strukturtypen, -IS und Exklamativsätze, zu gewährleisten - in der einen oder anderen Richtung markiert sind und dadurch an Natürlichkeit verlieren. Ich würde annehmen, daß Verb-erst-Wunschsätze mit Betonung des Verbs (hier sind die Trefferquoten auch die besten (s. Scholz: 174)) auch als solche interpretiert werden, wenn der Kontext es nicht verhindert. Diese Betonung (zu der möglichen Interpretation als Verum-Fokus, s. Höhle 1992) verleiht dem Wunschsatz einen hohen On-set, der im Kontrast zu seinem tiefen Offset steht (S. 177ff.) und auch höher ist als der On-set des -IS (Scholz: 183). Mit ihr wird sicherlich auch seine Expressivität unterstrichen. Nun muß aber in einem Verb-erst-Wunschsatz nicht das Verb betont sein. Betonungen anderer Satzglieder kommen auch vor und sind dann wohl meist

43

kontrastiv zu interpretieren. Diese Betonungen tragen nicht direkt zu seiner Identifizierung als Wunschsatz bei. Der wenn-Satz schließlich weist seinerseits überhaupt kein typisches prosodisches Muster auf (Scholz:206). Auch die Dauerwerte sind nicht direkt konstitutiv: Der Exklamativsatz hat die längsten Dauerwerte, der -IS die kürzesten (S. 190); zwischen ihnen liegt der Wunschsatz. Dauer ist auch ein diffiziles Merkmal und nicht leicht zu identifizieren. Wir können also feststellen, daß eigentlich nur die Verbbetonung im Verb-erst-Satz eine größere Relevanz für die Interpretation als Wunschäußerung hat, daß auch sie aber nicht obligatorisch ist. Die mehr oder weniger obligatorischen Modalpartikeln spielen deshalb sicherlich eine wichtigere Rolle. Auch wenn sie den Wunschsatz identifizieren helfen, bedeutet dies jedoch nicht, daß sie ihn konstituieren. Ich will eher annehmen, daß sie mit seiner illokutiven Funktion kompatibel sein müssen und im übrigen argumentative Funktion haben, d.h. dazu beitragen, daß ein geäußerter Wunschsatz vom Empfänger richtig in den (argumentativen) Kontext eingeordnet wird (s. hierzu BRRZ:71ff.). Es ist deshalb nicht erstaunlich, daß nur der Wunschsatz und der Imperativsatz bestimmte Modalpartikeln wie nur/bloß erlauben. Dies hängt sicherlich mit der gemeinsamen Wunscheinstellung und damit letztendlich mit der illokutiven Funktion zusammen. 7.2.4.

Konditionale Wunschäußerung und Exklamation

An diesem Punkt bietet sich nun ein Vergleich mit dem Exklamativsatz an. Scholz (u.a. S. 175) weist immer wieder darauf hin, daß der Wunschsatz und der Exklamativsatz von den Versuchspersonen verwechselt werden. Daß es schwer sein kann, eine Äußerung wie (187) mit Konj. funktional eindeutig festzulegen, darf vielleicht nicht verwundern, da sie oberflächenstrukturell sowohl Exklamativsatz als Wunschsatz sein könnte: (187) Wäre ICH glücklich! Die Fehlkategorisierungen sind jedoch sicherlich darauf zurückzuführen, daß Konj. II beim Exklamativsatz eher außergewöhnlich ist, während die Betonung von ICH andererseits typisch für ihn ist (s. Rosengren 1992b). Auch wenn wir also keine bedeutenden Schlüsse aus den Verwechslungen von Exklamativsätzen und Wunschsätzen mit der Form von (187) hinsichtlich ihrer funktionalen Nähe ziehen sollten, ist ein Vergleich zwischen den beiden Äußerungstypen von Interesse. Vorerst muß jedoch festgestellt werden, daß es sich bei der oberflächenstrukturellen Identität zwischen einem Exklamativsatz und einem Wunschsatz des Typs (187) nur um strukturelle Homonymie handelt. Der entsprechende Exklamativsatz ist strukturell ein selbständiger Matrixsatz mit einem "unterstellten" Konditionalsatz: (188) Wäre ich glücklich! (, wenn dies tatsächlich der Fall wäre) Der Wunschsatz ist ein selbständiger Konditionalsatz: (189) Wäre ich glücklich! (, dann wäre alles gut)

44 Wenn wir eine Äußerung wie (187) als Exklamation bzw. Wunschäußerung einstufen, kategorisieren wir sie sozusagen zuerst grammatisch als Matrix- bzw. Konditionalsatz in einem Konditionalgefuge. An diesem Beispiel wird aber auch etwas anderes klar. Ein Exklamativsatz des Typs (188) ist in weit höherem Ausmaß von einem Kontext abhängig, der die für ihn gültige Bedingung enthält, als der entsprechende Wunschsatz (189). In der Tat ist er gar nicht als Exklamativsatz interpretierbar ohne die kontextuelle Einordnung, da deutlich hervorgehen muß, daß es sich um ein hypothetisches Gefühl handelt Der Wunschsatz ist in einem ganz anderen Sinn selbständig (bedingt durch seine grammatische Struktur): Der ausgedrückte Wunsch liegt ja in dieser Welt und nicht in einer hypothetischen Welt vor. Der Wunschsatz kann deshalb auch kontextunabhängig verwendet werden. Nach diesem kleinen Exkurs soll zu der wichtigen Frage übergegangen werden, welche Eigenschaften die beiden Typen Exklamativsatz und Wunschsatz gemeinsam haben und worin sie sich unterscheiden. Beide sind expressiv, indem sie sich direkt auf das Gefühlssystem beziehen. Dort nehmen sie aber auf unterschiedliche Dimensionen Bezug. In Rosengren (1992b) wurde die Exklamation folgendermaßen definiert: Mit ihr wird eine Bewertung und zugleich eine affektiv-emotive Einstellung des Sprechers zum Ausdruck gebracht. Während der Wunschsatz - aufgrund seiner semantischen Lücke - auf die Dimension ±positiv Bezug nehmen kann, nimmt aber der Exklamativsatz mit Hilfe seines obligatorischen emphatischen Akzents auf die Dimension Intensität Bezug. Dies ist an sich ein relevanter Unterschied zwischen den beiden illokutiven Typen. Er hat u.a. zur Folge, daß der Exklamativsatz kein bestimmtes Gefühl zum Ausdruck bringt. Erst im Kontext kann entschieden werden, ob es sich um Trauer, Freude, Erstaunen etc handelt. Beim Wunschsatz ist es genau umgekehrt. Durch den Bezug auf +positiv ist er affektiv festgelegt. Dagegen muß er nicht einen hohen Wert auf der Intensitätsskala einnehmen. Das korrespondiert wiederum mit der Tatsache, daß die Exklamation sich mehrerer Satztypen, darunter auch vollständiger Deklarativsätze und Interrogativsätze bedient (s. hierzu Rosengren 1992b), dagegen ein eigenes Intonationsmuster verlangt, während der Wunschsatz genau umgekehrt durch seine Struktur den Weg zu seiner Funktion als Wunschäußerung findet, dagegen kein konsumtives Intonationsmuster aufweist. Die gemeinsame Bezugnahme auf das Gefühlssystem überlagert jedoch diesen Unterschied, insofern sie die Exklamation und die Wunschäußerung von anderen illokutiven Äußerungen sowohl den Handlungserklärungen als auch den Einstellungsbekundungen (s. BRRZ) grammatisch und funktional absetzt. Die beiden expressiven Typen erhalten ihre expressive Funktion durch die direkte Zuordnung (ohne den Umweg über ein lexikalisiertes oder propositionalisiertes Gefühl) zu dem Gefühlssystem. Dies ist das Geheimnis dieser Strukturtypen. Dies ist auch der Grund, weshalb sie in der traditionellen Grammatik als "Satztypen" aufgenommen werden. Sie sind aber gerade keine eigenständigen Satztypen, sondern gehören einem der grundlegenden Satztypen an.

45 7.3.

Zusammenfassung

Ich habe zu zeigen versucht, daß die Funktion des sogenannten Wunschsatzes sich aus seinem selbständigen konditionalen Charakter und seinem Bezug zum Subsystem der Gefühle ableiten läßt. Es gibt somit keinen Grund, ihn als einen eigenständigen Satztyp bzw. Satzmodus zu betrachten. Ich habe weiter zu erhärten versucht, daß er gerade durch diesen Bezug zum Subsystem der Gefühle eine Sonderstellung gegenüber anderen Ausdrucksformen für Wünsche erhält, indem er den Wunsch direkt zum Ausdruck bringt - d.h. ohne lexikalisch oder satzmodusmäßig für seine Aufgabe vorprogrammiert zu sein. Mit dem Imperativsatz hat er gemeinsam den Bezug zur Wunscheinstellung. Von ihm unterscheidet er sich aber dadurch, daß ihm der modale Satzmodusoperator fehlt, der eine Voraussetzung für die Aufforderungsfunktion ist. Den direkten Bezug zum Gefühlssystem hat er wiederum gemeinsam mit dem Exklamativsatz. Von ihm unterscheidet er sich aber durch seinen Bezug zur Dimension ±positiv. Der für diese beiden Typen gemeinsame direkte Bezug zum Gefühlssystem dürfte letztendlich der Grund sein, weshalb sie in Grammatiken oft als Sondertypen behandelt werden.

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47 — [erscheint], Satzfügung und kommunikative Gewichtung. Zur Grammatik und Pragmatik von Neben- vs. Unterordnung, am Beispiel 'explikativer' uw Geh ins Bett! b. *Machst du auch JA Platz? +> Mach Platz! (Hier ist allenfalls eine Lesart im Sinne eines kontrastiven JA denkbar.) Zudem ergeben sich Schwierigkeiten in puncto Funktionstypsteuerung bezüglich der eingebetteten Fälle, da hier nicht ohne weiteres von einer 'Aufforderung' die Rede sein kann.

21

Vgl. Bublitz/v.Roncador (1975:165). "Äußerungen des Typs tu ja X! scheinen außerdem die Annahme des Sprechers zu beinhalten, daß der Hörer gewöhnlich geneigt ist, X nicht zu tun."

22

Im übrigen ist natürlich keineswegs ausgeschlossen, daß ein Fokus- bzw. Kontrastakzent "emphatisch", z.B. durch besondere Lautstarke, markiert ist

138

Problematisch sind aber auch die Voraussetzungen Thurmairs, (a) daß es in /A-Sätzen immer zwei Akzente gebe, (b) daß von diesen immer nur einer fokussierend sein könne. Sind nämlich Referenten von deiktischen Ausdrücken c-konstruierbar (d.h. situativ präsent) im Sinne Rochemonts (1986), kann nur die Modalpartikel fokussiert sein: (32)

a. Laß das JA sein! b. Tu das JA nicht!

Dies gilt ebenfalls bei reaktivem Gebrauch, wenn eine mögliche Fokuskonstituente zum Hintergrund zählt und damit c-konstruierbar ist: (33)

A: Ich mache meine Hausaufgaben nicht. B: a. *Mach JA deine HAUSaufgaben! b. ?Mach JA deine Hausaufgaben! c. Mach sie JA!

Zweiakzentige Muster sind daher typisch für den initiativen Gebrauch. Über Mehrfachfokussierung ist noch nicht viel bekannt23; eine Parallele zur Mehrfachfokussierung bei Verberst-Wunschsätzen ist jedoch unübersehbar. Scholz (1991:191ff.) unterscheidet generell zwischen fokussierenden (+F) und nicht-fokussierenden (-F) Akzenten24; sie führt folgende Fokussierungstypen bei Verberst-Wunschsätzen auf (S. 195f.): (34)

a. So oder so mußte er die Sache durchstehen. (_pWÄRE) es wenigstens ein Kampf mit klaren (+pFRONten) gewesen, Leidenschaft und Mitleid sauber abgegrenzt! b. Ach! Wenn doch nicht immer nur die anderen glücklich wären! Wäre (+pICH) doch LpGLUCKlich)! c. Ich schrieb ihm einen Zettel: "Sag doch was!" (_pHÄTT) ich doch diesen (_pZETtel) nicht geschrieben!25

In dieser Aufstellung ist - aufgrund der kontextuellen Einbettung - die Kombination +F/+F nicht vorgesehen; diese würde man aber für initiative Äußerungen wie (35) benötigen: (35)

a. WÄre ich doch MülioNÄR! b. NÄHme er sich doch einen ANwalt!

Ebenso können in initiativen Äußerungen wie (30a) beide Akzente als fokussierend angesehen werden. Die Betonung des finiten Verbs hat in manchen Fällen den Effekt, mit einem Bedeutungselement verknüpft zu sein, das die Wahrheit eines Gedankens betrifft. Dieses Phänomen wird 23

Vgl. aber F£ry (1992) und Uhmann (1991:196f.,221ff.).

24

Fokussierende Akzente können nach Scholz "normale" fokussierende Akzente, Emphase- oder Kontrastakzente sein, der akzentuierte Ausdruck darf aber nicht kontextuell vorerwähnt sein; nicht fokussierende Akzente sind thematische Akzente, Exklamativakzent und "expressiver" Akzent, bei denen kontextuelle Vorerwähntheit gegeben ist - Dies ist allerdings eine sehr grobe Klassifikation, die viele Fragen, so die nach dem Verhältnis zwischen Emphase- vs. expressivem Akzent oder nach dem Status des thematischen Akzents, offenläßt

25

Neben dem Akzent auf dem finiten Verb kann entweder Zettel, oder geschrieben, oder beides akzentuiert sein, jeweils mit dem Merkmal -F.

139

von Höhle (1992) als 'Verum-Fokus' bezeichnet. Möglicherweise liegt ein solcher Fokustyp auch bei (34a) und (34c) vor, denkt man über neue Information nach, die sich mit dem Konjunktiv verknüpft, könnte sich die von Scholz (1991) vorgenommene Kennzeichnung mit -F eventuell als vorschnell erweisen. Was hier mehr interessiert, ist die Beobachtung, daß Betonung auf dem finiten Verb mit der Betonung von JA alterniert, und zwar in initiativen und reaktiven /^-Äußerungen: (36) a. b. c. (37) A: B:

Mach JA deine HAUSaufgaben! *MACH JA deine HAUSaufgaben! MACH deine HAUSaufgaben! Ich mache meine Hausaufgaben nicht. a. Mach sie JA! b. *MACH sie JA! c. MACH sie!

Daraus kann man schließen, daß beide Elemente, falls betont, einen mindestens in einer Dimension vergleichbaren Bedeutungsbeitrag liefern.26 Geht man davon aus, daß ein mit der Betonung des finiten Verbs einhergehender Verum-Effekt in V l-Wunsch- und Imperativsätzen die (gewünschte oder geforderte) Realisierbarkeit von p betrifft, dann sollte dies bei der Betonung des JA ebenfalls der Fall sein; dies können wir auch aufgrund der vorangehenden Diskussion bestätigen. Schließlich spricht einiges dafür, daß es sich im Fall (30a)/(36a) um eine sog. Hutkontur (Brückenkontur) handelt. Diese lassen sich in einer Reihe von syntaktisch sehr verschiedenen Konstruktionen bzw. Äußerungstypen nachweisen, so bei Alternativfragen, Sprichwörtern, Aufzählungen, Gapping, Out-of-the-blue'-Äußerungen, etc. In den etwa von Wunderlich (1991) betrachteten Fällen werden aber der H*H-Akzent des linken Brückenpfeilers wie auch der L*-Akzent des rechten gleichermaßen als Fokus- bzw. als Kontrastakzente analysiert; nichts spricht also von daher gesehen gegen die Annahme zweier Fokusakzente bei Äußerungen mit initiativem und intentionalem JA. 7.2. Ich möchte daher die Idee verfolgen, daß der Akzent auf JA ein Kontrastakzent ist. Zu berücksichtigen ist allerdings, daß dieser in bestimmten Kontexten obligatorisch ist. Geht man davon aus, (a) daß es nur e i n e n Lexikoneintrag für die Modalpartikel ja gibt, (b) daß der Kontrastakzent n a c h der lexikalischen Einsetzung zugewiesen wird, dann muß auf jeden Fall gewährleistet sein, (c) daß diese Zuweisung in bestimmten Kontexten automatisch abläuft. Diesen Punkt will ich hier am Verhalten von doch vs. ja in Imperativsätzen noch einmal illustrieren:28 26 Dies scheint auch für kontrastives JA. zu gelten, vgl. A: Fritz hat nicht Schnupfen. B: a Fritz HAT Schnupfen. b. Fritz hat JA Schnupfen. c. *Fritz HAT JA Schnupfen.

27 Genaueres muß eine phonetische Untersuchung ergeben. 28

Für den Modalpartikel-Status des betonten DOCH argumentiere ich in Meibauer (1992).

140

(38)

a. b. c. d.

Komm doch her! Komm DOCH her! *Kommjaher! Komm JA her!

Während doch in Imperativsätzen akzentuiert sein kann oder nicht29, m u ß ja in Imperativsätzen akzentuiert sein. Ich diskutiere folgende Fälle: (39) Mach JA deine HAUSaufgaben! (40) A; Fritz hat nicht geheiratet B: Fritz hat JA geheiratet Die Äußerung (39) ist typischerweise initiativ. Kann man die Typen der Fokusinterpretation nach Rochemont (1986) auf (39) anwenden? C-Konstruierbarkeit im Sinne von Rochemont liegt in (39) nicht vor, daher liegt zunächst die Vermutung nahe, daß es sich um präsentativen Fokus handelt Dies ist ohne Probleme für den Fokus auf Hausaufgaben; bezüglich der Modalpartikel JA möchte ich jedoch an der Auffassung festhalten, daß es sich um einen Kontrastakzent handelt. Die einschlägige Definition von Rochemont30 scheint hier zunächst schon deshalb keine Anwendung finden zu können, weil diese auf zusammenhängende Diskurse Bezug nimmt.31 Zur Diskursgeschichte von (39) scheint jedoch zu gehören, daß der Sprecher gelinde Zweifel hegt, daß der Adressat beabsichtigt, seine Hausaufgaben zu machen. Dem entspricht die mit (39) typischerweise assoziierte Illokution der Ermahnung. Daher wird durch die Äußerung (39) eine Proposition 'Adressat macht nicht die Hausaufgaben' evoziert, gleich ob diese zu einem früheren Zeitpunkt gegolten hat, gedacht wurde, oder denkbar ist. Gegen diese Proposition ist die Proposition von (39) kontrastiert und JA bewirkt diesen Kontrast Anders liegt der Fall in (40). Hier hat man den Eindruck, daß nicht die negierte Proposition kontrastiert wird, sondern tatsächlich das Negationselement nicht aus dem Vorgängersatz, so daß der Eindruck einer Korrektursequenz entsteht. Demnach müßte die Definition des kontrastiven Fokus nach Rochemont (1986) hier problemlos anwendbar sein, was aber auf SchwieWie gesagt, gilt dies ebenfalls für die Modalpartikeln nur und bloß; anders als Thurmair (1989:103) wäre ich jedoch vorsichtig mit der Annahme, daß bei bloß die Akzentuierung keinen Bedeutungsunterschied ergibt Kontrastiver Fokus (nach Rochemont 1986) An expression P is a Contrastive Focus in a discourse , = ,..., if, and only if, (i) (ii)

P is an expression in q>i, and if / is the result of extracting from 'Norbert.' In diesen Fällen gilt, daß ein Einstellungsträger (der nicht mit dem Sprecher identisch ist) will, daß p unkontrovers ist. Der Ausschluß der negativen Implikatur ist ebenfalls darauf zurück-

145

zuführen, denn wenn ein Einstellungsträger will, daß p unkontrovers ist, impliziert dies, d a ß es einen Träger der Einstellung gibt Eine Bezugnahme auf emotionale Bewertung in der Bedeutungsbeschreibung für intentionales JA wie bei Doherty (1987) ist also gänzlich überflüssig; es genügt, daß der Sprecher einen künftigen Sachverhalt gegenüber einem anderen präferiert und seine Äußerung als ein Mittel zu verstehen ist, den präferierten Zustand zu erreichen. Für das kontrastive (reaktive) JA in Fällen wie (40) erweist sich die Bedeutungsangabe in (51) ebenfalls als adäquat. Da er der Vorgängerproposition widerspricht, kann der Sprecher nicht annehmen, daß es unkontrovers ist, daß p. Vielmehr bringt er seinen Willen zum Ausdruck, daß es unkontrovers ist, daß p. Wenn sich diese Analyse als zutreffend erweisen sollte, ist gezeigt, daß die Bedeutung vonya immer noch die Grundlage von JA ist, weil das Element der Unkontroversheit von p erhalten bleibt Wünschenswert ist nun eine Analyse, die eine einheidiche Semantik für ja annimmt, so daß die unterschiedliche Bedeutung von JA zur Gänze auf die Wirkung des Kontrastakzents zurückgeführt werden könnte. Man hätte dann nicht nur den Bedeutungszusammenhang zwischen den beiden Formen ja und JA rekonstruiert, sondern man könnte auf der Ebene des Lexikoneintrags von ihrer Identität ausgehen. Damit komme ich auf die Frage zurück, unter welchen Bedingungen ja Kontrastakzent erhalten muß. Betrachten wir zunächst die Situation für unakzentuiertesya; dieses wird immer dann gebraucht, wenn es gilt, daß der Sprecher annimmt, daß es unkontrovers ist, daß p. In dieser Situation kann es nicht zugleich der Fall sein, daß der Sprecher will, daß es unkontrovers ist, daß p. Wenn also JA einen Kontrastakzent erhält, muß die Situation so sein, daß es eine kontrastierende Proposition non-p im Kontext gibt, so daß es Sinn macht, zu sagen, daß der Sprecher will, daß es unkontrovers ist, daß p.^6 Der für die Realisierung von Willenseinstellungen bzw. illokutionären Akten des Aufforderns prototypische Satztyp ist sicherlich der Imperativsatz. Daß gerade die Modalpartikel ja im Imperativsatz akzentuiert werden muß, ist daher zu erwarten. Bemerkenswert ist, daß der Kontrastakzent auf JA es erlaubt, die kontrastierte Proposition auch dann hervorzuheben, wenn sie nicht wie beim Imperativsatz schon durch den Satzmodus mitgeliefert wird. Dies muß allerdings durch zusätzliche modale Mittel abgesichert sein. 7.3. Zu erklären sind nun noch die von Thurmair (1991) erwähnten Kombinationsdaten. Ich glaube, daß sie keine Schwierigkeiten bereiten, wenn man nachweisen kann, daß die Bedeutung von ruhig, mal, eben semantisch unverträglich mit der Bedeutung von JA ist. Auf der anderen Seite ist die Kombinierbarkeit von ja und JA dann auch kein Problem mehr. Die einzig zulässige Abfolge auch JA mag mit der Notwendigkeit des Ausschlusses der eventuell entstehenden Gradpartikel-Ambiguität in Imperativsätzen zu tun haben.

36 Eine direkte Bezugnahme auf den Illokutionstyp 'Aufforderung' und mit diesem verknüpfte Glückensbedingungen würde die These Thurmairs (1989) von der Funktionstypgesteuertheit nahelegen, vgl. oben Abschnitt 7.1. Dagegen sprechen vor allem (a) die Fälle des reaktiven kontrastiven JA und (b) die eingebetteten Falle, bei denen ein Bezug zum Illokutionstyp 'Aufforderung' kaum herzustellen ist

146

8. Heraus aus dem JA -Markt Eine meiner Grundannahmen war, daß Modalpartikeln eine wörtliche Bedeutung haben. Diese scheint abstrakt zu sein in dem Sinne, daß es einen unverzichtbaren, nicht mehr weiter reduzierbaren Bedeutungskem gibt, der in Interaktion mit weiteren grammatischen und pragmatischen Faktoren jene feineren Bedeutungsnuancen ergibt, die man oft mit den konkreten "Funktionen" von Modalpartikeln identifiziert hat. Die Frage liegt nun nahe, wie die in dieser semantischen Untersuchung erzielten Ergebnisse in eine umfassende Theorie der Sprache und ihrer Verwendung eingeordnet werden können. Aus der Perspektive der Modalpartikel-Forschung seien folgende vier Aspekte genannt: (a) Mir scheint es möglich, einschlägige Überlegungen der 'Zwei-Ebenen-Semantik' Manfred Bierwischs (vgl. Bierwisch 1983, Bierwisch/Schreuder 1992) auf die Modalpartikel-Analyse zu übertragen. Die Zwei-Ebenen-Semantik basiert auf der Unterscheidung zwischen einer Ebene der Semantischen Form (SF) und einer Ebene der Konzeptuellen Struktur (CS). Die SF eines Lexems enthält all jene Information, die dieses Repräsentation der wörtlichen Bedeutung komplexer Ausdrücke beiträgt. Diese Information wird traditionell als propositionale Information aufgefaßt. Die SF ist dekomponierbar in primitive semantische Elemente, die zwar eine stabilen Bedeutungsbeitrag liefern, aber ihrerseits konzeptuell interpretiert werden. Die CS eines Lexems umfaßt dagegen jene Bedeutungsaspekte, die bei der aktuellen Bedeutung eines Lexems virulent werden. Sie stützt sich dabei auf die SF, fügt aber Informationen, die sich aus enzyklopädischem Wissen sowie Wissen über den vorangehenden Diskurs und die Situation einer Äußerung ergeben, hinzu. Betrachten wir vor diesem Hintergrund nun noch einmal die Bedeutungsangabe (18) sowie die Paraphrasen (50)/(51). Wenn wir SF (ja) mit 'Unkontroversheit von p' identifizieren, liegt es nahe, die kontext- und situationsabhängigen Paraphrasen in (50)/(51) als CS-Interpretationen aufzufassen. Da Modalpartikeln bekanntlich keinen Bedeutungsbeitrag zur (wahrheitsbewertungsfähigen) Proposition leisten, muß die SF von Modalpartikeln auf Einstellungen eines Sprechers bzw. Einstellungsträgers zu einer Proposition bezugnehmen. (Dies spräche gegen die reine Darstellung der SF vony'a z.B. als (-3 (q -* -^>)) :p.) Wenn man dagegen die alternative Behauptung vertreten würe, Modalpartikeln hätten keine SF und Bedeutungsangaben wie (18), (50) und (51) seien rein konzeptuell, verschenkt man die Möglichkeit der Dekomposition von (50)/(51) bzw. der Herleitung einzelner Bedeutungsbestandteile aus den beteiligten Faktoren. (b) Ein solcher Faktor ist zum einen der Satzmodus, zu dem es mittlerweile eine breite Forschung gibt; umstritten ist jedoch, ob dieser einstellungsbezogen aufzufassen ist oder nicht. Während etwa Altmann (1987), Pasch (1988), Jacobs (1991b) den Satzmodus als einen Einstellungstyp betrachten, der in der SF als Einstellungsoperator wiedergegeben wird, vertreten Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann (1992) und Rehbock (1991) die Auffassung, daß der Satzmodus zureichend durch die propositionale Information beschrieben werden kann, und daß

147

Satzmodusoperatoren ohne Bezug auf Einstellungstypen zu deuten sind. Was die SF angeht, scheint diese Kontroverse nicht leicht entscheidbar zu sein; vieles spricht jedoch dafür, daß der Satzmodus auf der CS-Ebene eine Rolle spielt und dort die Kompatibilität mit anderen modalen Ausdrucksmitteln geprüft wird. (c) Ein solcher Faktor ist zum anderen der Kontrastakzent, dessen Status in einer Theorie der Informationsstruktur ebenfalls umstritten ist. So ist z.B. unklar, auf welcher Strukturebene einem Lexem Fokusmerkmale zugewiesen werden (z.B. D-Struktur, S-Struktur, Kontrastmodul) und nach welchen Prinzipien die Interpretation von Fokusakzenten stattfindet37 Einiges spricht dafür, daß die CS-Ebene an letzterem zumindest beteiligt ist, denn wir haben ja am Beispiel des betonten JA eine Interaktion zwischen dem Kontrastakzent und der Partikelbedeutung feststellen können. (d) In bisherigen Untersuchungen zum Verhältnis von SF zu CS hat man meist die Perspektive der 'Interpretation' eingenommen, das heißt die Frage gestellt, wie SF auf CS abgebildet werden kann. Wie Bierwisch/Schreuder (1992) zeigen, ist jedoch auch die Frage der 'Verbalisierung', d.h. der Abbildung der CS auf SF, von Bedeutung. So wäre zu untersuchen, welches Konzept ein Sprecher im Sinn hat, wenn er die Modalpartikel ja aus seinem mentalen Lexikon auswählt, mit Kontrastakzent versieht, und passend in einen Diskurs einbettet. Diese Aspekte lassen zusammengenommen auf ein außerordentlich komplexes Bild der aktuellen Bedeutung einer Modalpartikel schließen. Denkt man nur an die Anforderungen, die sich etwa aus (a)-(d) ergeben, dann ist deutlich, daß bis zu einer expliziten Theorie der Modalpartikel noch ein weiter Weg zurückzulegen ist Dennoch sollte in dieser Studie zum Zusammenhang von ja und JA deutlich geworden sein, daß 'modaler Kontrast' eine relevante Beschreibungsgröße ist, und daß die Verfolgung eines minimalistischen Ansatzes in der Bedeutungsbeschreibung von Modalpartikeln Früchte trägt.

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Vgl. etwa Heüand (1992), Jacobs (1988), Rochemont (1986), Rosengren (1991), Uhmann (1991), Wunderlich (1991) mit unterschiedlichen Auffassungen.

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Die Modalpartikel schon1 Elisabet Ormelius, Lund

In diesem Beitrag wird dafür argumentiert, daß die Modalpartikel schon eine feste Position als Adjunkt an VP hat, die ihre Stellungsmöglichkeiten an der Oberfläche und zugleich ihre Beziehung zur Fokus-Hintergrund-Gliederung und Thema-Rhema-Gliederung expliziert. Es wird weiter zu erhärten versucht, daß schon nur e i n e lexikalische Bedeutung hat, aus der sich im Zusammenwirken mit dem Satzmodus und der damit verbundenen Hlokution ihre pragmatische(n) Grundfunktion(en) ableiten lassen. Schließlich soll gezeigt werden, daß die Betonung der Modalpartikel schon weder ihre lexikalische Bedeutung noch ihre pragmatische(n) Grundfunktion(en) ändert.

1. 2. 2. l. 2.2. 2.2.1. 2.2.2. 3. 3.1. 3.2. 3.3. 4. 5. 5.1. 5.2. 5.3. 6. 6. l. 6.2.

1.

Das Problem Das syntaktische Auftreten von schon Die für schon relevanten Satz(struktur)typen Die Stellung von schon Die Oberfläche Die D-Struktur Schon und die Fokus-Hintergrund-Gliederung Zur Fokus-Hintergrund-Gliederung Sätze mit unbetontem schon Sätze mit betontem schon Schon und die Thema-Rhema-Gliederung Zur Semantik von schon Die grundlegende Bedeutung von schon Die Integrierung der Bedeutung von schon in die Satzbedeutung Schon und Satzadverbiale Zur Pragmatik von schon Die pragmatische Funktion von schon Die Funktion der Betonung von schon Literatur

Das Problem

Die Modalpartikel (MP) schon ist aus mehreren Gesichtspunkten interessant. Sie teilt mit einigen anderen MPn die Eigenschaft, sowohl betont als auch unbetont vorkommen zu können. Hier möchte ich allen danken, die mir bei der Arbeit mit diesem Beitrag durch kritische und hilfreiche Kommentare geholfen haben: den Teilnehmern an dem Treffen des Projekts "Satz und Illokuüon" 1992 in Tübingen und dem Arbeitskreis am Germanistischen Institut in Lund. Mein besonderer Dank gilt M. Bierwisch, M. Brandt, W. Koch, I. Rosengren und I. Zimmermann. Dank für ihre Hilfe bei Erstellung und Interpretation der Graphen möchte ich G. Bruce, E. Gärding und K.G. Jönsson am Phonetischen Institut in Lund aussprechen. Schließlich möchte ich einen herzlichen Dank an O. Önnerfors richten für Tonbandaufnahmen, praktische Hilfe bei Erstellung des Manuskripts, sprachliche Verbesserungsvorschläge und nicht zuletzt für moralische Unterstützung.

152

Dagegen unterscheidet sie sich von anderen MPn bezüglich ihrer Position vor allem relativ zu bestimmten Satzadverbialen. Die Frage, ob für schon als MP eine oder mehrere Bedeutungen und/oder Funktionen anzusetzen sind, wird keineswegs einheitlich beantwortet (s. hierzu Abschnitt 5.1. bzw. 6.1.). Dies ist nicht zuletzt auf eine unscharfe Grenzziehung zwischen lexikalischer Bedeutung und pragmatischer Funktion zurückzuführen. Bei Borst (1985) z.B. wird die Bedeutung (oder m.E. eher Funktion) von schon je nach Vorkommen unterschiedlich beschrieben, und bei Heibig (1988) (der hier als gewissermaßen repräsentativ gelten kann) finden sich sieben verschiedene Funktionen. Ich werde in diesem Beitrag zu zeigen versuchen, daß eine modular orientierte Theorie, die zwischen Grammatik und Pragmatik als eigenständigen aber zugleich interdependenten Kenntnissystemen unterscheidet (s. hierzu Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann 1992 [im weiteren BRRZ], S.3), uns erlaubt, für die MP schon eine und nur eine Bedeutung anzusetzen, aus der sich im Zusammenwirken mit dem Satzmodus und der damit verbundenen ülokution ihre pragmatische(n) Grundfunktion(en) ableiten lassen, die ihrerseits auf einen gemeinsamen Nenner zurückzuführen sind. Die Ausführungen bauen auf der Rektions- und Bindungstheorie (Government and Binding [GB], s. Chomsky 1981,1986a,b) auf, erweitert durch die Ebene der semantischen Form (SF) (s. hierzu BRRZ:6). Die GB unterscheidet zwischen mehreren Repräsentationsebenen (der DStruktur (DS), der S-Struktur (SS), der Phonetischen Form (PF) und der Logischen Form (LF)), die in Form eines T-Modells organisiert sind. Es soll im folgenden zu zeigen versucht werden, daß die Unterscheidung zwischen D- und S-Struktur eine konsistente Beschreibung der Stellungsregularitäten von schon ermöglicht. In Abschnitt 2. wird die syntaktische Position von schon in der D-Struktur festgelegt. Es folgt in Abschnitt 3. eine Untersuchung und Beschreibung des Verhältnisses zwischen schon und der grammatischen Fokus-Hintergrund-Gliederung (FHG). In Abschnitt 4. wird schon zur Thema-Rhema-Gliederung (TRG) in Beziehung gesetzt. Abschnitte 5. und 6. schließlich sind der Präzisierung der lexikalischen Bedeutung bzw. der pragmatischen Funktion(en) von schon gewidmet. Die illustrierenden Beispiele sind zum Teil dem Freiburger Corpus (FC) entnommen und zum Teil konstruiert.

2.

Das syntaktische Auftreten von schon

2.1. Die für schon relevanten Satz(struktur)typen Die MP schon kann in den folgenden Satz(struktur)typen auftreten: a) im deklarativen Verb-zweit-Satz (1): (l)

Peter wird es schon schaffen.

b) im w-Interrogativsatz, jedoch nur in seiner Anwendung als rhetorischer Frage (2), (3):

153

(2) (3)

Wer wird das schon tun wollen? Wer schon wird das tun wollen?

c) im Imperativsatz (4): (4)

Na komm schon endlich!

d) im Verb-letzt-Satz (z.B. daß-Sutz (5), Konditionalsatz (6), Kausalsatz (7), Konsekutivsatz (8) und Konzessivsatz (9)): (5) (6) (7) (8) (9)

Er glaubte, daß sie es schon schaffen würde. Wenn ich schon hinfahre, dann mußt du wenigstens die Fahrkarten besorgen. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, da er schon irgendwie damit fertig wird. Es ist so spät geworden, daß es schon besser wäre, etwas anderes zu versuchen. Sie will nicht umziehen, obwohl sie in München schon eine bessere Stelle finden könnte.

e) im sogenannten Exklamativsatz2 (10): (10)

Was der schon alles weiß!

f) in "satzäquivalenten" Phrasen (l 1): (11) A; Leihst du mir denn deine Notizen? B: Schon, aber ich muß sie spätestens am Montag zurückhaben. g) in erweiterten Attributen (12): (12) Der schon intelligente aber nicht sehr fleißige Schüler wollte lieber mit der Schule aufhören. Ich werde im folgenden vor allem schon in deklarativen Verb-zweit-Sätzen behandeln, aber schon verhält sich hinsichtlich der lexikalischen Bedeutung und der pragmatischen Funktion in den anderen Typen prinzipiell ähnlich. 2.2. Die Stellung von schon 2.2.1. Die Oberfläche Es wird zuweilen (s. z.B. Hentschel 1986:208f.) daraufhingewiesen, daß MPn oft "völlig frei beweglich" sind (13), wobei mit eine mögliche Position einer MP angezeigt wird: (13) Dagobert Duck hat 11 gestern 11 seinem Kontrahenten 1 1 die Goldmine 1 1 abgeluchst, (aus Hentschel 1986:208) Bei näherem Betrachten wird jedoch deutlich, daß es Beschränkungen für diese Beweglichkeit gibt Die MP schon kann nicht im Vorfeld stehen (14) (vgl. Borst 1985:18; Gornik-Gerhardt 1981:58), was darauf hindeutet, daß sie keinen Satzgliedstatus hat (vgl. Borst 1985:6; Brandt/Rosengren/Zimmermann 1989 [im folgenden BRZ], S. 20): 2

Zu diesem Begriff s. z.B. Fries (1988), Rosengren (1992a).

154 (14) Mach dir keine Sorgen. *Schon wird er es schaffen. Eine Ausnahme von der Regel, daß schon nicht im Vorfeld vorkommen kann, sind die rhetorischen Fragen, in denen schon mit der w-Phrase zusammen im Vorfeld steht: (15) Wer schon wird das tun wollen? Hier handelt es sich jedoch um eine Klitisierung von schon an die w-Phrase, d.h. schon hat auch hier keinen Satzgliedstatus. Schon kann weiter nicht im Nachfeld stehen (16): (16) *Peter wird es schaffen schon. Ein authentisches Beispiel wie (17) weist eher darauf hin, daß gesprochenes Deutsch sich gewisse Abweichungen von der Norm leistet: (17) Das kann man verstehen schon. (FC) Das Auftreten von schon ist also, wenn nicht an eine w-Phrase klitisiert, auf das Mittelfeld beschränkt (18) (vgl. Borst 1985:18): (18) Peter wird es schon schaffen. Dort steht schon i.d.R. nach einem unbetonten Personalpronomen (19): (19) a Insofern stimmt es schon. (FC) b. *Insofern stimmt schon es. Auch andere Konstituenten (Pronomina (20), (21), Nominalphrasen (22) und Adverbialphrasen (23)) können aber im Mittelfeld vor schon stehen: (20) (21) (22) (23)

und ich würde sagen so hundert Jahre zurück is das schon ne ganze Menge (FC) aber tausend Mark müßte man denen schon geben (FC) ..., daß die Frage an sich schon falsch gestellt ist (FC) In der Stadt ist es wirklich schwer, eine Wohnung zu bekommen, aber er meint, daß er dort SCHON eine finden könnte. (Großschreibung = betont)

Im übrigen steht schon vor der Negation (24) (vgl. Borst 1985:169), vor Gradpartikeln (25) und vor Modaladverbialen (26), (27) (zu MPn im allgemeinen vgl. Jacobs 1991:155f.; BRRZ:73): (24) wenn Sie schon nicht auf die erhabene Interpretation einstimmen wollen (FC) (25) A· Er wird wohl niemandem gestehen, daß er Anna liebt. B: Doch, er würde's schon sogar seiner Oma erzählen. (26) Er wird schon langsam fahren.3 (27) aber dann mußte man sich schon ziemlich gut zurechtfinden (FC) Interessanterweise steht schon nach Satzadverbialen (28), (29) (vgl. Borst 1985:168). Dies im Gegensatz zu anderen MPn, die i.d.R. vor Satzadverbialen stehen (30) (vgl. etwa BRZ:21f.;

3 Markiert ist auch der folgende Satz möglich, jedoch nur wenn schnell thematisch ist (vgl. Abschnitt 4.): (i) Ich wiirde schnell SCHON fahren, wenn es nur erlaubt wäre.

155

BRRZ:73) (zu den Stellungsregularitäten von schon relativ zu Satzadverbialen s. Abschnitt 5.3.): (28) Peter wird es wahrscheinlich schon tun.4 (29) erstmal ist es natürlich schon hart, wenn ein Chefarzt [...] zum Oberarzt gemacht wird (FC) (30) .... da er es ja wirklich nicht hätte machen können. 2.2.2.

Die D-Struktur

Ich nehme hier mit BRRZ (S. 72) an, daß schon ein Adjunkt ist, das immer in seiner Grundposition steht. Diese Grundposition liegt oberhalb von VP jedoch unterhalb von lO (vgl. BRRZ:75). Die D-Struktur eines Deklarativsatzes (31) sieht demnach wie in (32) aus: (31) Er schafft es schon.

(32)

es

Hieraus folgt dann die weitere Annahme, daß eine im Mittelfeld links von schon stehende Konstituente gescrambelt sein muß.5 Mit dieser Annahme kann man, wie in Abschnitt 3. und 4.

Möglicherweise sollte dieser Satz mit einem Fragezeichen versehen werden, da schon und wahrscheinlich nur bedingt kompatibel zu sein scheinen, s. auch Abschnitt 5.3. Es ist nicht das Ziel dieser Arbeit, das Phänomen Scrambling an sich zu erforschen, weshalb ich also nicht dazu Stellung nehmen werde, ob Scrambling eine -Bewegung (vgl. Fanselow 1990), eine A'-Bewegung (vgl. Webelhuth 1990) oder eine Basisgenerierung (vgl. Abraham 1992) ist.

156

gezeigt werden soll, alle an der Oberfläche vorzufindenden Positionen von schon und die damit korreliercnden Fokusverhältnisse explizieren. Der umgekehrten Annahme, daß also schon selbst bewegt bzw. an verschiedenen Positionen basisgeneriert wird, mangelt es nicht nur an theoretischer Fundierung; von ihr ausgehend, kann man auch nicht alle Vorkommnisse bzw. Vorkommensbeschränkungen von schon erklären. Eine Bewegung von schon tiefer in die VP hinein ist aus bindungstheoretischen Gründen nicht anzunehmen, denn die bewegte Phrase würde ihre Spur nicht c-kommandieren. Eine Basisgenerierung von schon an einer tiefer liegenden Position, von der aus schon nach oben bewegt wird, findet weder eine theoretische noch eine empirische Stütze. Diese Position müßte die Position zwischen V° und V sein, da schon zuweilen zwischen dem Objekt und dem Verb steht. Man müßte dann aber unabhängig erklären können, weshalb z.B. ein Fall wie (33b) nicht möglich ist:6 (33) a. aber wenn Sie schon auf Lettland kommen (Herr Thoma) darf ich eine ... (FC) b. *aber wenn Sie auf Lettland schon kommen (Herr Thoma) darf ich eine ... Genau dieser Fall wird aber durch die Annahme erklärt, daß Präpositionalobjekte nicht gescrambelt werden können (s. hierzu Haftka 1989:83). Außerdem wären die Skopusverhältnisse bei tiefer Basisgenerierung - schon nimmt die ganze Proposition in seinen Skopus (s. hierzu Abschnitt 5.2.) - schwer zu erklären. Die Annahme einer Basisgenerierung von schon an allen Positionen, wo schon auftreten kann, hat schließlich reinen ad hoc-Charakter, indem schon damit nicht an den Positionsregularitäten teilnähme, die für andere Elemente des Satzes gelten. Für Satzadverbiale z.B., die genau wie schon oberflächenstrukturell gesehen an sehr vielen Positionen im Mittelfeld auftreten können, meint man üblicherweise, daß sie die gesamte Proposition in ihren Skopus nehmen und oberhalb von VP basisgeneriert werden. Alles spricht also für die Annahme, daß schon zwischen 1° und VP basisgeneriert wird. Dies muß jedoch nicht bedeuten, daß es ein Adjunkt ist, wie oben angenommen wurde. Es könnte auch ein Klitikum sein. Reis (1992:19) z.B. ist der Meinung, daß MPn in "special ('clitic') positions" vorkommen, und zwar "the right margin of the socalled 'Wackernagel position', its base position" oder aber "the position right adjacent to the wh-phrase in the intial field". Dabei seien sie, wenn sie am rechten Rande der Wackernagelposition vorkommen, "VP- or I-projection clitics" (Reis 1992:27). Gegen die Annahme, daß sie I°-Klitika sind, spricht jedoch ein Beispiel wie (34), da nicht anzunehmen ist, daß nicht-klitisierte Elemente, wie z.B. Mutter, zwischen einem Klitikum und dem Wort stehen können, an das das Klitikum anschließt: (34) Er wird es der Mutter schon irgendwann geben. Daraus folgt m.E., daß schon in (34) nicht an eine I-Projektion klitisiert

" Es ist mir gesagt worden, daß ein Satz wie (33b) bei sehr starker Akzentuierung von wenn besser würde. Es wäre dann aber natürlich kein unmarkierter Fall.

157

Was genau unter "VP-projection clitics" zu verstehen wäre, ist nicht klar. Vor allem ist dann nicht mehr zwischen einer Klitisierung einerseits und einer Adjunktion an VP andererseits zu unterscheiden. Die plausibelste Annahme ist mE. deshalb, daß es sich um ein Adjunkt an VP handelt Oben wurde behauptet, daß diese Annahme alle Positionen von schon an der Oberfläche und die damit korrelierenden Fokusverhältnisse expliziert. Diese Behauptung soll nun etwas ausführlicher geprüft werden.

3.

Schon und die Fokus-Hintergrund-Gliederung

3.1. Zur Fokus-Hintergrund-Gliederung Ich betrachte hier Fokus als ein syntaktisches, d.h. grammatisches Phänomen, zu unterscheiden von pragmatischen Phänomenen wie z.B. Thema/Rhema (vgl. Rosengren 1991; Uhmann 199l).7 Grammatisch fokussiert ist eine Konstituente entweder, wenn sie das Fokusmerkmal +F trägt, oder aber wenn sie innerhalb der Fokusdomäne eines prqjizierenden Fokusexponenten (pFE) steht.8 Das abstrakte Merkmal +F wird zwischen D- und S-Struktur einer Konstituente bzw. einer Spur frei zugewiesen, und zwar nach Bewegungen wie z.B. der Bewegung von gewissen Pronomina in die Wackernagelposition, NP-Bewegung, w-Bewegung und eventuell auch nach der Bewegung des Subjekts, jedoch vor der Verbbewegung und vor Topikalisierung und Scrambling (vgl. Rosengren 1991). Der das Merkmal +F tragenden Konstituente wird ein Prominenzmerkmal +P zugewiesen, das auf der phonetischen Ebene als ein Akzent auf der metrisch prominentesten Silbe der Konstituente, d.h. der Fokussilbe (vgl. hierzu Uhmann 1988:74,1991:242), realisiert wird. Im Falle des Satzakzents, d.h. des am weitesten rechts realisierten und deshalb prominentesten Akzents der Intonationsphrase (vgl. Uhmann 1991:229, 242; Forys Nuklearakzent 1988:42, 1992:4), handelt es sich vorwiegend um eine Tonbewegung (vgl. Fery 1988:42).9 Vereinfacht dargestellt setzt ein maximaler Fokus voraus, daß die Grundabfolge der Satzglieder eingehalten wird und daß entweder das dem Verb innerhalb der VP am nächsten stehende interne Argument bzw. seine Spur, oder - wenn es kein internes Argument und keine Spur gibt - das Verb selbst +F trägt (s. hierzu Rosengren 1991:177; vgl. auch Uhmann 1991:209ff.). Wenn +F auf einer Spur liegt, wird bei maximalem Fokus +P auf das dem Verb am nächsten stehende interne Argument oder, wenn kein solches vorhanden ist, auf das Verb selbst verschoben. 7

Es gibt aber auch eine pragmatische FHG. Ein Modell für die Beziehungen zwischen den Ebenen der Informationssiruktur, d.h. zwischen TRG, (pragmatischer) FHG und Topik-Kommentar-Gliedening, findet sich bei Molnar (1991).

8

Zum prqjizierenden Fokusexponenten, s. Rosengren (1991:177ff.). Vgl. hierzu auch Uhmann (1991:198ff.).

9 Zum Aufbau der Intonationsstruktur und zur Assoziation von Tönen und Text im Deutschen, s. Uhmann (1988).

158

Wenn durch Scrambling oder Topikalisierung die Grundabfolge der Wörter verändert wird bzw. wenn eine Konstituente, die nicht projizieren kann, +F trägt, wird der Fokus zu einem milderen eingeschränkt bzw. ist minimal (vgl. engen Fokus bei Uhmann 1991). Bei Topikalisierung kann eine Konstituente jedoch ein eventuell erhaltenes Merkmal +F mitnehmen, was bei Scrambling nicht möglich ist (vgl. Rosengren 1991:180). Nun zur Fokussierung in Sätzen mit schon, wobei zu unterscheiden ist zwischen a) Sätzen mit unbetontem und b) solchen mit betontem schon. 3.2.

Sätze mit unbetontem schon

Wir können vorerst feststellen, daß die Fokussierung in Sätzen mit schon genau so funktioniert wie in Sätzen ohne schon (vgl. Jacobs 1991:158).10 Schon blockiert also eine maximale Fokusprojektion nicht.11 Maximaler Fokus: (35) A: Karl vergißt wohl hoffentlich nicht den Geburtstag seiner Mutter? B: Nein, [er wird ihr schon ein TeleGRAMM schicken.] +F (36) [s gehört schon einige Spekulaxion und ARbeit dazu] (FC) +F Ein mittlerer Fokus entsteht nicht durch schon, sondern durch andere Faktoren, z.B. Topikalisierung oder Scidrnbling (vgl. Rosengren 1991:180; BRRZ:75). Mittlerer Fokus: durch Topikalisierung (37) Ihm [habe ich tj ein BUCH gegeben.] +F durch Scrambling (38) A: Karl vergißt wohl hoffentlich nicht den Geburtstag seiner Mutter? B: Nein. Er wird seiner Mutterj [schon tj ein TeleGRAMM schicken.] +F Ein minimaler Fokus wird schließlich auch nicht durch schon induziert. Hentschel (1986:210) meint indessen, wenn ich es richtig verstehe, daß die Beziehung zwischen FHG und Partikel enger ist Dies deswegen, weil "sich mit dem Stellungswechsel [der Partikel] auch Veränderungen des Betonungsrr.u:ters ergeben". M.E. wird aber die MP nicht bewegt, sondern die "Veränderungen des Betonungsmusters" haben u.a. mit Bewegungen anderer Konstituenten, z.B. Scrambling, und der daraus folgenden veränderten FHG zu tun. Für eine genauere Beschreibung der Regularitaten der Fokusprojektion verweise ich auf Rosengren (1991) und Uhmann (1991). Auf die Lage des Fokusmerkmals und die eventuelle Verlagerung des Prominenzmerkmals wird im Zusammenhang mit dem jeweiligen Beispiel nicht näher eingegangen. Der Satzakzent wird hier groß geschrieben und eine nebenbetonte Silbe durch '>' bezeichnet (zu den Tonakzenten des ersten Taktes einer Intonationsphrase s. F6ry 1988:53ff.; vgl. auch Uhmann (1991) zu Akzentdomänen); [ ] = der Bereich der Fokusprojektion.

159

Minimaler Fokus: (39) Du solltest schon [deiner MUTter] das Buch schenken. +F Unter bestimmten Bedingungen kann schon jedoch einen eingeschränkten Fokus ermöglichen, nämlich dann, wenn über schon hinweg gescrambelt wird (40) (vgl. Rosengren 1991:180). Wo keine solche Konstituente vorhanden ist, über die hinweg gescrambelt werden könnte, projiziert +F so weit nach oben, wie es das Hauptprinzip verlangt, in (41) also maximal. 12 Ein Satzadverbial würde natürlich in bezug auf die Fokusprojektion dasselbe wie schon leisten (42): (40)

Er wird seiner Mutterj [schon q ein TeleGRAMM schicken.] (mittl) +F (41) [Er wird seiner Mutter ein TeleGRAMM schicken.] (max) +F (42) Er wird seiner Mutterj [bestimmt tj ein TeleGRAMM schicken.] (mittl) +F Zum Schluß eine Bemerkung zu betonten Konstituenten vor schon im Mittelfeld. Es wird allgemein angenommen, daß eine fokussierte Konstituente nicht gescrambelt werden kann (s. v. Stechow/Stemefeld 1988:466; Rosengren 1991:180). Dies bedeutet jedoch nicht, daß eine Konstituente vor schon keinen Akzent tragen kann, wie das Beispiel (43) (Abb. 1) zeigt.13 (43) A:

Ich verstehe nicht, wie Hans es schaffen soll. Er ist wegen Spekulation in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Die vielen Häuser sind wohl am schlimmsten. B i: Da muß er DIEi schon irgendwie zuERST tj loswerden.

In diesem Beispiel sind zwei Akzente zu identifizieren, von denen der zweite Satzakzent ist. Der erste Akzent, der auf einem thematischen Element liegt, hat vermutlich die Aufgabe, das Topik hervorzuheben, worauf die tief+hoch-Kontur auch zu verweisen scheint (vgl. z.B. v. Stechow/Sternefeld 1988:466f.; Fe"ry 1992:38ff.; zur postfiniten I-Topikalisierung s. Jacobs 1982:401ff.).

12 Nach F6ry 1992:23 ist es, wenn der Akzent auf dem Fokusexponenten (in Rosengrens [1991] Terminologie pFE) liegt und kein Kontext vorhanden ist, schwer zu beurteilen, ob weiter (maximaler) oder aber enger (mittlerer/minimaler) Fokus vorliegt. M.E. ist jedoch in einem Satz wie (41) syntaktisch-grammatisch gesehen nur ein maximaler Fokus denkbar. Eine eventuelle Deutung als minimal ergibt sich erst durch die Prosodie (z.B. durch eine erhöhte FO-Frequenz), die ja kein syntaktischer Faktor ist, bzw. durch den Kontext, der kein grammatischer Faktor ist 13 In den Graphen ist im oberen Bereich die Amplitude, im mittleren Bereich die Intensität (gemessen in dB) und im unteren Bereich die FO-Kurve in Hz abzulesen. Die in den Graphen analysierten Beispielsätze sind vor allem dem Freiburger Corpus entnommen. (43), (44), (47) und (52) sind jedoch von einem achtundzwanzigjährigen Mann gesprochen, der Muttersprachler des Standarddeutschen ist.

160

Abb. 1:

300 250 200

s

150 100

50

100

50

0

Damu B

d ie

schon ir gendwie zu

150 s t lo s

frms werden

Diese Annahme wird auch dadurch gestützt, daß ein Satzakzent auf die in diesem Kontext nicht akzeptabel zu sein scheint (43B2): (43)

82: ??Da muß er [DIE] schon irgendwie zuerst loswerden.

3.3. Sätze mit betontem schon Von den MPn wissen wir, daß sie meist unbetont sind (s. z.B. BRZ:20; Gornik-Gerhardt 1981:28, 33; Reis 1992:19), und in Borst (1985:6, 19) wird sogar behauptet, daß die MP schon immer unbetont sei (vgl. auch Bublitz 1978:37; Thurmair 1989:23).14 Ich schließe mich aber Gornik-Gerhardt (1981:33) an, die hervorhebt, daß "das Kriterium der Nicht-Betontheit -[...] vermutlich aus Praktikabilitätsgründen - des öfteren zur Abgrenzung der MPn genannt" wird. "Da sich die betonten Einheiten jedoch hinsichtlich der anderen Eigenschaften nicht anders verhalten als die nicht-betonten, läßt sich eine zu hohe Bewertung dieses Kriteriums nicht aufrecht erhalten." M.E. kann die MP schon also betont werden, was letztlich bedeutet, daß sie im Gegensatz zu vielen anderen MPn +F tragen kann. Zu bemerken ist jedoch, daß ein betontes schon, da es kein internes Argument ist, nie pFE sein kann, weshalb es sich immer um eine minimale Fokussierung handeln muß (zu der Realisierung eines minimalen/engen Fokus auf einem nicht-pFE s. Uhmann 1991:248f.). Schon kann nun entweder alleine fokussiert sein und trägt dann auch den Satzakzent, oder es kann mit einem anderen fokussierten Element zusammen auftreten, das selbst minimal fokus14

Z.B. analysiert Thurmair (1989:146) das schon in (i) als ein Affirmationsadverb. Vgl. auch Fn. 16. (i) Angeklagten Das habe ich nie gesagt. Kläger Das haben Sie schon gesagt! Dafür gibt es Zeugen.

161 siert oder pFE ist. Dabei ist anzunehmen, daß der am weitesten rechts realisierte Akzent der Satzakzent ist Zuerst zu den Sätzen, wo schon allein fokussiert ist. Wenn schon als einzige Konstituente auftritt, muß es natürlich fokussiert sein (44). Es handelt sich hier (Abb. 2) um die für einen Tonakzent (zum Tonakzent s. F£ry 1988:42) und für die Fokussilbe, d.h. die prominenteste Silbe der Intonationsphrase, nicht ungewöhnliche FO-Kontur hoch+tief (vgl. Uhmann 1988:76):15 (44)

A: Findest du den Film nicht großartig? B: [SCHON] (, aber etwas zu lang). (aus Heibig 1988:206) [meine Großschreibung und eckigen Klammern]

Abb. 2:

300 250 200 150

s/

100

50

50

0 seh

o

n

100

150 a bere

twa

s

frms zu l

a ng

Andere Beispiele sind (45), (46):16 Eine Fokussilbe kann aber auch einen Tonakzent tief-f hoch ertialten (s. unten; vgl. Uhmann 1988:76). Das betonte schon in (i) wird von Borst (1985:6) jedoch anders eingestuft. Er bezeichnet es, genau wie doch und ja in (ii) und (iii), als satzäquivalent, weshalb es ihm zufolge keine MP sein kann. (i) (i i) (iii)

Geht's Ihnen gut? Schon, aber es könnte mir besser gehen, (aus Kriwonossow 1977, zitiert nach Borst 1985:20) Sage, daß du nicht geschwatzt hast? Doch, ich habe geschwatzt, (aus Kriwonossow 1977, zitiert nach Borst 1985:20) Hast du Hunger? Ja, viel Hunger! (aus Kriwonossow 1977, zitiert nach Borst 1985:20)

Im Falle von schon ist jedoch m.E. zweierlei wichtig: Erstens ist weder die lexikalische Bedeutung noch die pragmatische Funktion von schon davon abhängig, ob schon allein auftritt oder nicht, vgl. (iv). Zweitens ist es, da die Bedeutung von schon in (iv) 83 die gleiche ist wie in z.B. (v) (zur Bedeutung von schon s. Abschnitt 5.1.), wo schon auf jeden Fall als MP zu analysieren ist, nicht sinnvoll, die Vorkommen von schon in (i) bzw. (iv) anders zu beurteilen. Der Nominalphrase Meine Kusine in (vi) wird schließlich auch nicht der Status als Nominalphrase bzw. Subjekt abgesprochen, nur weil der Antwortsatz elliptisch ist (iv)

A:

Findest du den Film nicht großartig?

162

(45) A: Er hat ein sehr schönes Haus gekauft. B: [SCHON] (, aber es ist teuer). (aus Heibig 1988:206) [meine Großschreibung und eckigen Klammern] (46) A; Hast du dich als Kind B: [SCHON] A: dir hinter je ich habe also hinter jedem ach unter m Bett, Spießer [sie] und Schwerter B: (na ja) das is aber das muß doch nicht so sein (FC) Schon kann auch die einzige betonte Konstituente eines Satzes sein (47) (Abb. 3). Da schon aber kein pFE sein kann, bedeutet das, daß alle anderen Konstituenten zum Hintergrund gehören und damit auch thematisch sein müssen (zum Begriffspaar Thema/Rhema s. Abschnitt 4. und zum kontradiktorischen Verhältnis - in diesem Fall zwischen niemand und jemand - s. unten 6. L): (47) A: Sie wird bestimmt niemanden mitnehmen. B: Doch, sie nimmt [SCHON] jemanden mit.

Abb. 3:

300 250 200 150 100

50

50 D o

ch.

100 sie nimmt seh on je ma nd

150

frtns en

mi

Der Tonakzent auf schon sieht jedoch in (48) (Abb. 4) etwas anders aus. Hier wird wegen des hohen Grenztons ein Tonakzent tief+hoch auf der Fokussilbe verlangt (vgl. dazu Uhmann 1988:82), wobei der Sprecher durch die Steigung am Ende des Satzes zeigt, daß er, einfach aus-

(v) (vi)

B i: SCHON (, aber etwas zu lang). (aus Heibig 1988:206) [meine Großschreibung] 82: Großartig SCHON (, aber etwas zu lang). 83: Großartig finde ich den Film SCHON (, aber etwas zu lang). Sie wird es schon schaffen. A: Wer macht das denn? B: Meine Kusine.

163 gedrückt, nicht fertig ist (zur Rolle der Intonation bezüglich "turn-taking" in einem Dialog s. z.B. Katamba 1989:249): (48) A: Glauben Sie nicht, [...], daß [...]? B: (Doch,) das glaube ich [SCHON] ( wir haben uns darüber auch unterhalten [...] aber aufgrund der konkreten Seelsorgestruktur ist das recht schwierig).

Abb. 4:

300 250 200 150 100 50

50 Doch da s

glaub ich

100 seh o n wir

150 ha b en

u n s

frms d a rü ber

Es können selbstredend außer dem betonten schon auch Nebenbetonungen vorkommen, z.B. aufgibt in (49) (Abb. 5), die jedoch für die FHG nicht relevant sind: (49)

A: es gibt ganz chronische Alleingänger B: das >gibt es [SCHON] (aber die ...)17

Schon muß aber nicht die einzige betonte Konstituente sein. In satzwertigen Phrasen kann außer schon noch eine Konstituente betont werden (50), (51) und (52). In Fällen wie (50) (Abb. 6) und (51) (Abb. 7) trägt schon den Satzakzent, während der erste Akzent auf dem Topik liegt, worauf die tief-fhoch-Kontur auch hinweist (vgl. oben Beispiel (43) (Abb. 1), wo ebenfalls zwei Konstituenten im Satz betont waren):

Am Anfang des Graphen zu diesem Beispiel ist die Wiedergabe der FO-Kontur aufgrund von Hintergrundgeräuschen etwas unklar.

164 (49) A; es gibt ganz chronische Alleingänger B: das >gibt es [SCHON] (aber die ...)

Abb. 5:

300 250 200 150 100

V.

50

50

100

150

frms aber

da s gi b t es seh o n

die

(50) A: ... , daß man dann eventuell doch wesentlich besser bezahlst [sie] man s irgendwie nachholen kann B: (jaja)DAS [SCHON] (FC) A- (aber...)

Abb. 6:

300 250 200 150 100

50

50 da s

seh

100

150

frms a ber

165 (51) A: wenn du jetzt n Führerschein hättest, dann würde ich sagen,.,. B: (hm) bin eben ganz rückständig A: (ja) in DER Beziehung [SCHON] (, aber is besser so) (FC)

Abb. 7:

300 250 200 150 100

50

i

n der

150

100

50

Be

z iehung

seh

o n

frms

a her

(52) A: Niemand hat heute bei mir angerufen. B: [Die MUTter] [SCHON]. (aus Heibig 1988:205) [meine Großschreibung und eckigen Klammern]

Abb. 8:

300 250 200 150 100

50

50

100

die M u

tt er seh o

150

n

fms

166 In einem Fall wie (52) wird eine rhematische Konstituente gegen einen Teil der vorhergehenden Äußerung kontrastiert und deshalb minimal fokussiert (s. hierzu auch Abschnitt 6.2.), was dadurch deutlich wird, daß die FO-Kontur der rhematischen Konstituente (Abb. 8) im Gegensatz zu der der I-topikalisierten Konstituenten in (50) und (51) einen Tonakzent hoch+tief aufzeigt.18 Auch eine thematische Konstituente kann aber einen Kontrastakzent erhalten, z.B. die Stadt in (54). In (54) liegt außerdem eine emphatische Betonung auf schon vor (Abb. 9). Nach Uhmann (1991:260) ist Emphase folgendermaßen zu beschreiben: (53)

Emphase-Prinzip Der metrisch prominentesten Silbe einer eng fokussierten Konstituente kann ein zusätzlicher metrischer Schlag zugewiesen werden, der die Erhöhung des FO-Maximums bewirkt.

Die Emphase zeichnet sich also dadurch aus, daß das FO-Maximum erhöht wird, wodurch natürlich die gesamte Fallhöhe der emphatischen Fokussierung oft größer wird als die einer normalen minimalen Fokussierung (vgl. F6ry 1992:16):

(54) A: und ich kann doch mit n Sommerreifen nich in die Stadt fahren (nich?) B: [in die STADT] wohl [SCHON] (, aber nicht auf den Berg)

Abb. 9:

300 250 200 150 100

50

0

50

100

(ni)ch? in die St a dt w o hl seh o n

150 a her n i c h t auf den B er

frms g

Die Funktion einer emphatischen Betonung von schon unterscheidet sich aber m.E. nicht prinzipiell von der einer normalen minimalen Fokussierung von schon (zur Funktion und zu den Vorkommensbeschränkungen der minimalen Fokussierung von schon s. Abschnitt 6.2.).

Ich nehme Übrigens an, daß die Mutter hier im Vorfeld steht; es handelt sich also nicht um einen Verstoß gegen das Verbot, fokussierte Konstituenten zu scrambeln.

167 Ein Beispiel wie (55) (Abb. 10) zeigt schließlich, daß bei mehreren Foki im selben Satz schon nicht immer den Satzakzent trägt: (55)

A: ab und zu mach ich n sechsten aber ganz selten B: [is [SCHON] ELIte] (is ganz verrückt) (FC)

Abb. 10:

300 250 200 150 100 50H 0

50 i s schon

E l i

100

t

e

150

is

frms gan(z)

In (55) ist die MP schon innerhalb eines maximalen Fokus minimal fokussiert.

4. Schon und die Thema-Rhema-Gliederung Die TRG darf nicht mit der grammatischen FHG verwechselt werden, denn, obwohl gewisse systematische Beziehungen zwischen den beiden vorhanden sind, handelt es sich nicht um ein 1:1-Verhältnis (s. unten).19 Die TRG ist eine pragmatische Gliederung der Konstituenten eines Satzes in einerseits diejenigen, die aufgrund des Textes oder der Situation als thematisch (th), d.h. [+ bekannt], und in andererseits diejenigen, die als rhematisch (rh), also [- bekannt], zu bezeichnen sind. Eine Konstituente, z.B. dem Staatsanwalt in (56), muß jedoch im Text nicht vorerwähnt sein, um als thematisch zu gelten, sondern kann auch durch unser Weltwissen als thematisch interpretiert werden (vgl. Abraham 1992:12): (56) A: Hans ist trotz eines Kilos Heroin im Koffer freigesprochen worden. B: Da muß er dem Staatsanwalt schon eine schöne Geschichte erzählt haben, th rh

19

Vgl.Fn.7.

168

Wichtig zu bemerken in diesem Zusammenhang ist auch, daß die Definitheit einer Nominalphrase nicht das Entscheidende für die Zugehörigkeit zum Thema bzw. Rhema ist (vgl. Hentschel 1986:211; Haftka 1989:78). Definitheit bzw. Indefmitheit korreliert also nicht eindeutig mit Thema bzw. Rhema (vgl. hierzu Reis 1987; Rosengren 1987). Sowohl Borst (1985) als auch Hentschel (1986) greifen die Stellung von schon relativ zur TRG auf. Borst (1985:180) legt die Stellung der Partikel auf etwa die Mitte des Mittelfelds fest, und zwar "im Bereich zwischen den Pronomen und den [+ neuen] Elementen", wobei schon "eher am Ende dieses Bereichs" vorkommt (vgl. hierzu auch Kriwonossow 1963b:988). Schon sei demnach als [± mitteilungsrelevant] spezifiziert (vgl. auch Thurmair 1989:29). Hentschel nennt folgende zwei Regeln: Regell: "Die Partikel steht vor dem Rhema des Satzes" (S. 212), wobei Rhema als der Satzteil, "dem der höchste Mitteilungswert zukommt" (S. 211) definiert wird. Regel 2: "Bildet das flektierte Verb das Rhema, so kann die Partikel die letzte Stelle im Satz einnehmen." (S. 213) Es fragt sich nun, wie dies in eine Theorie einzuordnen ist, in der eine systematische Beziehung zwischen der TRG und der grammatischen FHG angenommen wird. Ehe wir hierauf eingehen, sehen wir uns aber einige Beispiele mit unbetontem schon an. Die Abfolge im Mittelfeld eines Satzes mit einem unbetonten schon ist im Standardfall [th sc/wnrh](57)-(59): (57) (Frau Doktor, da sollten Sie doch eigentlich wissen, da möchte ich mich Ihnen anschließen), daß die Frage an sich schon falsch gestellt ist. (FC) th rh (58) obwohl die Leute das heute schon als Traumreisen empfinden (FC) di th rh (59) s gehört schon einige Spekulation und Arbeit dazu (FC) rh Die Standardabfolge ist jedoch nicht die einzig mögliche (vgl. Abraham 1992). Schon kann im Mittelfeld auch vor thematischen Elementen (60) stehen, aber nie nach rhematischen Elementen (61): (60) A*

Soll man denn immer alles Zeug mit sich schleppen? Und im Hotel ist es ja dann genau so wenig sicher. B: Sagen Sie, müssen Sie denn unbedingt n Fotoapparat mitnehmen? C: Ich würd schon einen mitnehmen. (FC) th (61) A: Karl vergißt wohl hoffentlich nicht seine Mutter? B i: Nein, er wird ihr schon ein Telegramm schicken. rh 82: *Nein, er wird ihr ein Telegramm schon schicken. rh Das oben Gesagte veranlaßt uns, die folgenden zwei Fragen zu stellen: a) b)

Warum weraen die thematischen Konstituenten oft in eine Position vor schon bewegt? Warum dürfen die rhematischen Konstituenten im Mittelfeld nicht vor schon stehen?

169

Zuerst zu a): Es ist allgemein bekannt, daß Scrambling die Fokusprojektion blockiert (s. oben S.157ff.)· Dies bedeutet, daß alle Konstituenten links von einer gescrambelten Konstituente, sie selbst eingeschlossen, nicht zum Fokus gehören. Aus textpragmatischen Gründen ist eine Korrelation zwischen Hintergrund und Thema oft zu bevorzugen. Intonatorisch bedeutet dies, daß im Standardfall eine thematische Konstituente im Gegensatz zu einer rhematischen unmarkiert ist (vgl. hierzu Kriwonossow 1963b:988; Uhmann 1988:65; Katamba 1989:242). Indem über schon hinweg gescrambelt wird, wird also die Information des Satzes eindeutig in Thema und Rhema aufgeteilt.20 Zusammenfassend können wir also feststellen: Scrambling an sich wird nicht von schon erzwungen, s. z.B. (62): (62) A: Hans ist trotz eines Kilos Heroin im Koffer freigesprochen worden. B: Da muß er schon dem Staatsanwalt eine schöne Geschichte erzählt haben. th rh Die MP schon macht dagegen durch ihre Existenz Scrambling möglich, das seinerseits aus den oben genannten textpragmatischen Gründen zustandekommt (vgl. Abraham 1992:14). Nun zu b): Die Tatsache, daß rhematische Konstituenten im Mittelfeld nur nach schon stehen, ist auch nicht von schon abhängig, sondern hat damit zu tun, daß rhematische Glieder aus textpragmatischen Gründen immer grammatisch fokussiert sein müssen, d.h. entweder selbst +F tragen oder aber innerhalb der Fokusdomäne eines pFE stehen müssen. Da eine gescrambelte Konstituente diese Forderung nicht erfüllt, kann eine rhematische Konstituente nicht gescrambelt werden. Eine topikalisierte Konstituente kann dagegen das Merkmal +F mitnehmen, woraus folgt, daß im Vorfeld und also vor schon sowohl thematische als auch rhematische Konstituenten stehen können. Die Ungrammatikalität von (63B) wird also nicht durch schon an sich bewirkt, sondern dadurch, daß die rhematische Konstituente ein Telegramm nicht innerhalb der Fokusdomäne steht: (63) A: Karl vergißt wohl hoffentlich nicht seine Mutter? B: *Nein. Er wird ihr ein Telegramm [schon SCHICken]. rh Die Annahme, daß die Einschränkung der Stellungsmöglichkeiten Thematischer Konstituenten sich aus der Forderung ergibt, daß sie fokussiert sein müssen, findet eine Stütze in einem Beispiel wie (64), wo die gleichen Restriktionen bezüglich der Position Thematischer Glieder in einem Satz mit einem Satzadverbial wie in einem mit schon zu herrschen scheinen: (64)

20

A: Karl vergißt wohl hoffentlich nicht seine Mutter? B i: Nein. [Er wird ihr bestimmt ein TeleGRAMM schicken]. rh

Thurmairs (1989:35) Annahme, daß "Modalpartikeln auf die Thema-Rhema-Struktur eines Satzes reagieren", trifft also m.E. nicht zu.

170

B2: *Nein. Er wird ihr ein Telegramm [bestimmt SCHICken]. rh Mit der hier vorgeschlagenen Lösung können wir auch Fälle wie (65) und (66) erklären, die nach Thurmair (1989:30f.) problematisch sind, weil im Falle von (65) ein Thematisches Element im Vorfeld steht und im Falle von (66) das finite Verb rhematisch ist, d.h. die MP in beiden Sätzen nach der rhematischen Konstituente steht: (65)

Mutter: Fritz: (66) Tom: Hedi: Tom:

Wer hat sich ein Fahrrad gekauft? PETer hat sich doch ein Fahrrad gekauft. Da gibts doch jetzt diese BMX-Räder. Und Ruth möchte unbedingt so eins haben. Jetzt hat sie ein gebrauchtes an der Hand, das allerdings immer noch ziemlich teuer ist. Und was macht ihre Mutter? Naja, du kennst sie doch. Sie KAUFT eben dieses Fahrrad. (aus Thurmair 1989:31)

Dies dürfte nach der Thurmairschen These "Modalpartikeln müssen vor dem Rhema stehen" (S. 30) nicht akzeptabel sein. Relevant sind hier aber m.E. nur die oben beschriebenen FHGVerhältnisse, die ja von der jeweiligen Partikel völlig unabhängig sind. Da eine Konstituente sowohl bei Topikalisierung (65') als auch bei Verbbewegung (661) das Fokusmerkmal mit sich nehmen kann (vgl. Rosengren 1991:180) und dadurch auch nach der Bewegung fokussiert ist, wird in (65') und (66') die Forderung erfüllt, daß rhematische Konstituenten fokussiert sein müssen: (65') [PETerj] hat sichj doch tj tj ein Fahrrad gekauft. +F (661) Sie [KAUFTi ] eben dieses Fahrrad tj. +F Die systematischen Beziehungen zwischen FHG und TRG bestehen auch in Sätzen mit betontem schon. Da schon kein pFE sein kann, rhematische Konstituenten jedoch fokussiert sein müssen, muß also eine rhematische Konstituente in einem Satz mit betontem schon selbst fokussiert sein (67a) (zu diesem Beispiel (= (55)) s. auch Abschnitt 3.3.), d.h. selbst +F tragen oder innerhalb der Fokusdomäne eines pFE stehen. Wenn schon, wie in (68) und (69), allein betont ist, müssen demnach die restlichen Konstituenten mit Notwendigkeit thematisch sein: (67) a. Is SCHON ELIte. (FC) rh (68) Is SCHON Elite. th (69) Ich werde SCHON meiner Mutter ein Buch schenken. th th Zu bemerken ist hier, daß schon in (67a) jedoch nicht betont sein muß, vgl. (67b): (67) b. Is schon ELIte. rh Damit stellt sich die Frage, welche Funktion die Betonung der MP eigentlich hat. Hierauf komme ich im Abschnitt 6.2. zurück.

171

Hier noch eine kurze Anmerkung zu den Subjekten. Nach Borst (1985:18) kann schon "vor und wahrscheinlich auch nach dem [+neuen] Element Subjekt" stehen. Ein Beispiel, wo ein [+neues] Element Subjekt vor schon steht kommt in meinem Material nicht vor und Borsts Beispiel (70) finde ich außerdem nicht ganz akzeptabel:21 (70)

S l: Wer wird Onkel Theo bloß die durch die Sturmschäden verursachten Kosten ersetzen? S2: Die wird // dem Geizhals [...] die Versicherung ?schon // ersetzen, (aus Borst 1985:170)

Die einzige Möglichkeit, die ich sehe, wäre eine An Kontrastfokus (zum problematischen Begriff der Kontrastbetonung s. Uhmann 1991:262ff.). Ich werde jedoch auf diese Frage hier nicht weiter eingehen. Zusammenfassend ist also folgendes zu sagen. Die TRG kann z.B. durch Scrambling grammatisch festgelegt werden. Scrambling und auch Topikalisierung beeinflussen nämlich in unterschiedlicher Art und Weise die grammatische FHG, was zur Folge hat, daß im Normalfall im Mittelfeld keine rhematischen Konstituenten vor schon, im Vorfeld dagegen sowohl thematische als auch rhematische Konstituenten stehen können. Von Interesse ist schließlich in diesem Zusammenhang natürlich auch der Status der MPn selbst bezüglich der TRG. Ich gehe hier davon aus, daß schon prinzipiell rhematisch ist (71), (72):22 (71) A: Sie wird bestimmt niemanden mitnehmen. B: Doch, sie nimmt SCHON jemanden mit. rh (72) A: Leihst du mir denn deine Notizen? B: SCHON, aber ich muß sie spätestens am Montag zurückhaben, rh Problematisch ist jedoch, daß schon, obwohl rhematisch, in gewissen Fällen nicht innerhalb einer Fokusdomäne steht (73), was ja mit der oben genannten Forderung für rhematische Konstituenten nicht übereinstimmt: (73)

A: Wird er seinem VATer das Buch schenken? B: Nein, er wird schon [seiner MUTter] das Buch schenken, rh

Vielleicht ist die Erklärung in der von Hetland (in diesem Band) für Satzadverbiale vorgeschlagenen Richtung zu suchen. Hetland zeigt, daß Satzadverbiale zur Assoziation mit dem Fokus, d.h. "mit dem grammatischen Merkmal (+Fokus)", fähig sind, unter der Voraussetzung jedoch, daß "der Träger des Fokusakzents [...] im Skopus des Satzadverbials" liegt (Hetland [in diesem Band: Abschnitt 2.]). Durch diese Assoziation mit dem Fokus werde auch dem Satzadverbial das Merkmal (+Fokus) zugewiesen. Angenommen, daß dies auch auf die MPn 21 Durch // wird das Mittelfeld abgegrenzt. 22 Echo-Fragen und ähnliche Konstruktionen, wo es sich um eine Wiederholung von etwas gerade Gesagtem handelt, sind als Sonderfalle zu betrachten.

172 zuträfe, wären die Möglichkeiten zur Fokussierung von schon drei: Erstens kann schon selbst betont sein und trägt dann +F, zweitens kann es innerhalb der Fokusdomäne eines pFE stehen, und drittens kann es mit einem Fokusmerkmal innerhalb des eigenen Skopus assoziiert werden.

5.

Zur Semantik von schon

5.1. Die grundlegende Bedeutung von schon Hinsichtlich der Frage, ob MPn eine Bedeutung haben, besteht in der Literatur kein Konsens. Kriwonossow (1963b:988) meint z.B., daß die MPn "rein synsemantische Mittel [sind], die ihre lexikalische Bedeutung einbüßen und zu [...] grammatischen Ausdrucksmitteln [der subjektiven Modalität] werden". Sie hätten also demnach keine eigenständige lexikalische Bedeutung (Kriwonossow 1963a:423). Andere Autoren gehen dagegen davon aus, daß die MPn eine gewisse eigene Bedeutung tragen (vgl. Borst 1985:7, 39ff.; Hentschel 1986:120ff.; Doherty 1987:95ff.; Zybatow 1987:34; Abraham 1988:444; BRZ:20; Choi 1989:135; König 1991:313ff.). Wolski (1983:461) schließlich befürwortet einen "integriertefn] semantischpragmatischefn] Zugriff, und auch Thurmair (1989:47) hebt die Interdependenz zwischen Bedeutung und Kontext hervor und meint, daß die Frage, ob MPn eine Bedeutung haben oder nicht, eher terminologischer Art sei (S. 2). Man ist sich weiter nicht einig, ob für die MP mehrere Bedeutungen oder eine Grundbedeutung anzunehmen sind. Ehe ich näher auf die Semantik von schon eingehe, werde ich einen kurzen Überblick über die verschiedenen Bedeutungsangaben von schon geben, die man in der Literatur findet:23 Nach Weydt (1983:16) besteht die übergreifende Bedeutung der MP schon darin, daß "schon eine kleinere Einheit aus einer größeren, umfassenderen ausgliedert. Diese Einheit kann temporal sein, wie beim Adverb, oder einen Gedankenzusammenhang darstellen. Dabei wird der mit schon gekennzeichnete Teil als der bereits erreichte (d.h. zutreffende) charakterisiert."

Hier eine kurze Bemerkung zu einem weiteren Problem. Es ist nicht ganz geklärt, welcher An die Beziehung zwischen der jeweiligen MP und ihren Homonymen ist; z.B. meint Löbner (1989:167), die modalen Anwendungen von schon seien "sufficiently different from the temporal uses to be regarded not instances of the same basic meaning but rather occurrences of different words". Anderen scheint die Beziehung zwischen MP und Homonym enger (vgl. Abraham 1988:444; BRZ:20; Choi 1989:135; Brauße 1991:439; Jacobs 1991:153f.). Thurmair schließlich betrachtet die ganze Gruppe unflektierbarer Wörter als eine Wortart und die Subklassen "als Funktionen, in denen bestimmte Partikeln auftreten können." (1989:8f.). Dies erkläre leichter die Ppryfunktionalität vieler Partikeln. Ich meine, daß zwischen der lexikalischen Bedeutung von schon und der Bedeutung der Homonyme eine semantische Beziehung vorliegt. Möglicherweise handelt es sich um eine Beziehung, wie Kriwonossow (1963a:421) sie beschreibt: "Es filgte sich so, daß das Wort schon mit einer einschränkend-zeitlichen Bedeutung, d.h. da, wo es die Bedeutung der zeitlichen Abgeschlossenheit hat, immer wenn es im verbalen Prädikat im Futurum gebraucht wurde, aufhörte, die zeitliche Bedeutung zu haben und modal wurde. Die Abgeschlossenheit in der Zukunft entwickelte sich zu der Bedeutung der Überzeugung davon, daß die Handlung in der Zukunft als abgeschlossen aufzufassen sei." Auch Bublitz (1978:93) greift den temporalen Aspekt auf, vor allem aber im Zusammenhang mit Aufforderungssätzen. Diese Frage werde ich hier jedoch nicht weiter behandeln.

173

Borst (1985:7, 39ff.) beschreibt die Bedeutung von schon je nach Vorkommen als "intentional eingeschränkte Affirmation", "Affirmation bei eingeschränkter Zustimmung (des Sprechers)" oder "total eingeschränkte Affirmation des Eintretens/Nichteintretens eines Ereignisses (E) bei Affirmation des Gegenteils dieses Eintretens/Nichteintretens von E". Thurmair (1989:150) betrachtet "die Einschränkung möglicher Gegenargumente, die sowohl eigene als auch fremde sein können" als die Grundbedeutung von schon. Damit sei auch erfaßt, "daß es Gegenargumente gibt [...], und daß diese Gegenargumente in gewisser Weise ihre Berechtigung haben, aber beispielsweise nicht im vorliegenden Fall" (vgl. dazu auch Bublitz 1978:92). Nach König (1991:330) schließlich zeigt schon eine gewisse assertive Kraft an, die in gewissen problematischen Kontexten benutzt wird. In der Literatur sind zwei Bedeutungskomponenten häufig zu beobachten. Erstens ist von irgendeiner Art der Faktizität die Rede: zutreffend, Affirmation oder assertiver Kraft, zweitens von einem der Faktizität gewissermaßen entgegengesetzten Begriff, nämlich Einschränkung. Es stellt sich nun die Frage, wie diese eigentlich disparaten Komponenten unter einen Hut zu bringen sind. Dies ist m.E. nur dann möglich, wenn lexikalische Bedeutung und pragmatische Funktion klar voneinander getrennt werden, was aber in der Literatur m.E. meist nicht gemacht wird; obwohl von Bedeutung die Rede ist, sind die verwendeten Begriffe alle mehr oder weniger pragmatisch bzw. funktional. Ich werde, wie oben schon angedeutet, stattdessen rein modular vorgehen und zu zeigen versuchen, daß man mit der minimalistischen Annahme auskommt, daß schon eine Bedeutung hat, aus der sich im Zusammenwirken mit dem Satzmodus und der damit verbundenen Dlokution seine pragmatische(n) Grundfunktion(en) ableiten lassen. Mit BRRZ (S. 72) will ich annehmen, daß schon ein Operatorausdruck ist. Der Operatorausdruck hat m.E. die folgende Bedeutung: (74)

[~FAKT~p] mit p e S, ~ e S/S , FAKT e S/S

Dies ist so zu deuten, daß es nicht ein Fakt ist, daß nicht p, wobei p die instantiierte Proposition ist, nämlich e INST q.24 Das heißt, schon bezieht sich semantisch auf die Instantiierung einer Proposition q durch einen Sachverhalt e. Ich nehme hier an, daß FAKT ein Operator ist, der ein Teil einer Dualgruppe ausmacht25, die aus vier semantisch aufeinander bezogenen Operatoren besteht. Aus einem Element der Gruppe kann durch die Operationen innere Negation, äußere Negation und duale Negation ein anderes Element geformt werden (s. hierzu Löbner 1990:68ff.):

24

Es sei hier ausdrücklich angemerkt, daß solche Paraphrasen semantischer Repräsentationen die essentiellen Unterschiede zwischen Operatoren wie dem hier eingeführten Operator [~FAKT~p] und propositionalen Operatoren wie in z.B. (76) verwischen. Ich muß hier mit der Gutwilligkeit des Lesers rechnen.

25

Diese Idee geht auf eine Anregung von Manfred Bierwisch zurück.

AKT-

-FAKT

AKT-

Inwiefern alle Operatoren dieser Dualgruppe sprachlich realisierbar sind, will ich hier offenlassen, nehme aber an, daß die in BRRZ (S. 67) aufgegriffenen Faktizitätsoperatoren hier einzuordnen sind. Im folgenden wird jedoch nur die MP schon behandelt, die also den Wert [-FAKT-] zum Ausdruck bringt, wobei zu betonen ist, daß [~FAKT~p] i [FAKTp]. Auf diese Bedeutung ist unsere Intuition zurückzuführen, daß sowohl Affirmation als auch Einschränkung im Spiele sind. Im Gegensatz zu z.B. Doherty (1987:99) nehme ich also nicht an, daß durch schon eine (Sprecher-Einstellung ausgedrückt wird (vgl. auch BRRZ:72). Es ist demnach zu unterscheiden zwischen einem Satzadverb wie vermutlich, dessen semantische Form eine Variable für den Sprecher bzw. Einstellungsträger beinhaltet (vgl. BRRZ (S. 6S)):26 (76) Xp[xVERMUTp] und der MP schon (74), die keine Sprechervariable enthält, sondern als MP eine generelle pragmatische Funktion hat (s. Abschnitt 6.1.). Es soll unten zu zeigen versucht werden, daß die pragmatische(n) Grundfunktion(en) von schon sich aus dieser Bedeutung im Zusammenwirken mit dem Satzmodus und der damit verbundenen Illokution ergeben (s. hierzu Abschnitt 6.1.). 5.2. Die Integrierung der Bedeutung von schon in die Satzbedeutung Offensichtlich hat schon eine Einwirkung auf die Satzbedeutung, wie (77) zeigt: (77) a. Wenn ich hinfahre, dann mußt du wenigstens die Fahrkarten besorgen. b. Wenn ich schon hinfahre, dann mußt du wenigstens die Fahrkarten besorgen. In (77a) ist die Situation offen. Die durch ich bezeichnete Person fährt vielleicht hin, vielleicht aber auch nicht. In (77b) dagegen wird durch das Wort schon unterstellt, daß die durch ich bezeichnete Person hinfährt. Die MP schon stellt aber keinen Objektsbezug her (vgl. z.B. Wolski 1983:461; Thurmair 1989:2; zu MPn im allgemeinen s. Hentschel 1986:120) und trägt 26

Vgl. jedoch einen Faktizitätsoperator wie tatsächlich (zu den Faktizilätsoperatoren s. BRRZ:67), dessen Bedeutung genau wie die der MP schon keine Sprechervariable beinhaltet, der jedoch im Unterschied zu schon nicht die generelle pragmatische Funktion der MPn aufweist.

175

nicht zu den Wahrheitswertbedingungen bei (vgl. Bublitz 1978:38; Reis 1992:19), was daraus abzuleiten sein wird, daß sie eine pragmatische Grundfunktion hat. Die MP schon ist nicht Teil der Proposition e INST q, dagegen bildet sie mit der Proposition e INST q zusammen, die sie in ihren Skopus nimmt, eine neue Proposition, die ihrerseits im Skopus des Satzmodus liegt. Aus dieser Perspektive heraus fragt sich natürlich, wie sich die MP zum Satzmodus verhält. Es liegt m.E. ein Zusammenwirken zwischen MP und Satzmodus vor, auf das ich unten zurückkommen werde. Dies bedeutet jedoch weder, daß die MP den Satzmodus determiniert, noch daß Satzmodus eine Voraussetzung für das Vorkommen der MP ist, was u.a. in einem Beispiel wie (78) eine Stütze findet, wo schon in einer Phrase vorkommt, für die kein Satzmodus anzusetzen ist (vgl. BRRZ:34f.; Brandt [in diesem Band]): (78) Der schon intelligente aber nicht sehr fleißige Schüler wollte lieber mit der Schule aufhören. Nichts deutet darauf hin, daß schon in (78) eine andere Bedeutung bzw. Funktion hat, als wenn es einen Satz in seinen Skopus nimmt. Nach diesen einleitenden Bemerkungen stellt sich nun die Frage, wie die Bedeutung von schon in die Satzbedeutung kompositional integriert werden kann. Im folgenden wird von den Verhältnissen im Deklarativsatz ausgegangen. Diese sind vermutlich auch auf die anderen Satztypen zu übertragen, auf die ich jedoch nur am Rande eingehen werde. Es wurde in Abschnitt 2.2.2. davon ausgegangen, daß die MP schon an VP adjungiert ist. Die D-Struktur eines Deklarativsatzes (31) sieht deshalb wie in (32) aus (hier wiederholt): (31) Er schafft es schon.

(32)

I

schafft Es soll angenommen werden, daß alle Konstituenten von (31) in ihrer Grundposition kompositional verarbeitet werden. Das bedeutet, wenn von dem Lexikoneintrag (79) für schaffen und (80) für die Bedeutung von 1° (vgl. BRRZ:36) ausgegangen wird, daß der entsprechende semantische Baum für (32) (abgesehen von der Tempussemantik) wie in (81) aussieht:

176 (79) schaffen:

Xy Xx Xe [e INST [ SCHAFF y ]]

(80) XQ [3e [Qe]] mit Q e S/N Bei [-FAKT- [ei INST [ER SCHAFF ES]]] = SF (IP) = 3ei [Xe2 [-FAKT- [e2 INST [ER SCHAFF ES ]]] ei]

(81)

XQ [Bei [Qei]]

Xe2 [-FAKT- [e2 INST [ER SCHAFF ES]]]

Xp [~FAKT~p]

Xe2 [e2 INST [ER SCHAFF ES]] = SF (VP)

ER

Xx Xe2 [e2 INST [x SCHAFF ES]]

ES

Xy Xx Xe2 [e2 INST [x SCHAFF y]]

Der Operatorausdruck schon nimmt also durch funktionale Komposition mit der VPBedeutung die Proposition [e INST q] (vgl. BRRZ:35) in seinen Skopus. Im übrigen wird Lambdakonversion angewandt. Der semantische Baum ist so zu verstehen, daß durch schon zum Ausdruck gebracht wird, daß es nicht ein Fakt ist, daß die Installierung der Proposition q - hier ER SCHAFFT ES durch den Sachverhalt e nicht stattfindet. Ich will hier nochmals betonen, daß durch die MP also nicht ausgesagt wird: Es ist ein Fakt, daß die Proposition q durch den Sachverhalt e instantiiert wird. Schon weist gewisse Ähnlichkeiten mit dem VERUM-Fokus auf. Es ist jedoch völlig unklar, in welchem Verhältnis sie zueinander stehen, ja sogar ob sie miteinander kompatibel sind. Wenn die Hypothese in BRRZ (S. 45) richtig ist, daß der VERUM-Fokus eine Fokussierung des Existenzoperators ist27, ist eine gewisse Verwandtschaft zu erwarten. Mit dem VERUM-Fokus wird dann eine Bedeutungskomponente in einer Position hervorgehoben, in der Komplementierer bzw. finites Verb stehen. Man kann den VERUM-Fokus folgendermaßen paraphrasieren: Wahr, daß p oder zutreffend, daß p (s. zuletzt Höhle 1992). Wenn die obige Paraphrase richtig ist, dann würden ein VERUM-Fokus und schon zusammen ungefähr folgende Paraphrase ergeben: Es trifft zu, daß es ein e gibt, von dem gilt, daß es nicht ein Fakt ist, daß e die Proposition 27

Heiland (1992a) weist zwar auf Probleme der VERUM-Analyse von BRRZ hin, aber m.E. ist die Analyse von BRRZ doch plausibel und ist auf jeden Fall mit Heilands Worten "ein guter Ausgangspunkt für neue Fragen zum VERUM-Fokus" (S. 13). Ich werde also mit BRRZ davon ausgehen, daß "der VERUM-Fokus die Fokussierung des [...] Existenzoperators ist" (S. 45).

177

q nicht insiantiiert. Es wäre also nicht ganz abwegig, wenn VERUM-Fokus und schon kompatibel wären. Die folgenden Beispiele scheinen auch akzeptabel zu sein;28 (82)

A: B: (83) A: B:

Wird er denn nie aufhören? Doch er WIRD schon aufhören. Er wird nicht pünktlich da sein. Doch, er WIRD schon pünktlich da sein.

Ich will deshalb annehmen, daß die ähnliche, aber nicht identische Funktion vom VERUMFokus und von der MP schon ihr gleichzeitiges Auftreten erlaubt Nun zu den Interrogativsätzen: Schon kann aufgrund seiner Bedeutung weder in einem EInterrogativsatz (E-IS) (84) noch prinzipiell in einem w-Interrogativsatz (w-IS) vorkommen. In einem -IS ist nämlich wegen der Bedeutungscharakterisierung von 1° (vgl. BRRZ:38) offen, ob die Proposition durch einen Sachverhalt instantiiert wird, während schon aussagt, daß es nicht ein Fakt ist, daß nicht p, was im Widerspruch zur völligen Offenheit des -IS steht: (84)

*Wird er es schon schaffen?

In einem w-IS steht wegen der Bedeutungscharakterisierung von Specl (vgl. BRRZ:40) die Instantiierung gar nicht zur Diskussion, während schon sich ja gerade auf die Instantiierung bezieht Dagegen kann schon in einer rhetorischen Frage sowohl im Vorfeld (85) als auch im Mittelfeld (86)-(90) auftreten (vgl. Meibauer 1986:114): (85) (86) (87) (88) (89) (90) A: B:

Wer schon wird das tun wollen? Wer wird das schon tun wollen? Was ist das schon? (FC) Wer kann das schon? (FC) denn wer sagt schon einem Pfarrer die Meinung? (FC) Mit wem telefoniert sie denn schon wieder so lange? Ja, mit wem schon?

Eine rhetorische Frage kann als ein indirekter Sprechakt (als Assertion) betrachtet werden (vgl. Meibauer 1986:76). Da schon, wie oben gesagt, eigentlich nicht mit dem Satzmodus eines w-IS kompatibel ist, liegt es auf der Hand, die Kompatibilität von schon mit dem w-IS als rhetorischer Frage in der assertiven Funktion zu suchen. Vermutlich läßt sich die Kompatibilität aus einem Bezug zur Implikatur des w-IS ableiten (zur Ableitung der Implikatur s. z.B. Jacobs 1991b:206ff.; Meibauer 1991). Unklar ist auch, wie die semantische Integration der im Vorfeld klitisierten MP bzw. die der MP im Mittelfeld aussieht. Ich werde aber hier auf diese Fragen nicht weiter eingehen können. Die MP schon kann auch in einem Imperativsatz vorkommen: in den wenigen Fällen, die ich in FC gefunden habe, wo das finite Verb in einem Satz mit schon betont ist, gehl es wahrscheinlich eher um eine minimale Fokussierung des ganzen Prädikats, nämlich besser sein, schön sein bzw. zu überwinden sein. Vgl. dazu auch Feiy (1992:26), der zufolge der VERUM-Akzent immer der letzte Akzent des Satzes ist. (i) (ii) (in)

es IS schon BESser (FC) das IST schon ganz SCHÖN (FC) die Englander SIND schon zu überWINden (FC)

178

(91) Na komm schon endlich! Wenn man den Imperativsatzmodus wie Rosengren (in diesem Band) als N [5e] definiert, wobei es sich um einen Bezug auf die vor dem gegebenen Hintergrund notwendige (oder mögliche) Installierung einer Proposition durch einen Sachverhalt handelt, ist prinzipiell zu erwarten, daß die Bedeutung der MP schon [~FAKT~p] mit dem Imperativsatzmodus kompatibel ist» 5.3. Schon und Satzadverbiale Die kontextuellen Restriktionen der Partikeln sind nach Doherty (1987:96) in hohem Maße idiosynkratisch, während die der Satzadverbiale im Gegenteil generalisierbar sind. Ich nehme jedoch an, daß viele der sogenannten Idiosynkrasien eigentlich von der Semantik der jeweiligen MP abhängig sind (vgl. auch Abschnitt 5.2.). Z.B. hat die Bedeutung von schon Auswirkungen auf die Kompatibilität mit gewissen Satzadverbialen, und zwar denjenigen, die in BRRZ (S. 67) als Faktizitätsoperatoren (FO) klassifiziert werden, z.B. wirklich, tatsächlich, wahrhaftig, gewiß: (92) ?Peter wird es wirklich/tatsächlich/wahrhaftig/gewiß schon schaffen. Da schon aussagt, daß es nicht ein Fakt ist, daß die Proposition nicht instantiiert wird, und ein FO die Instantiierung der Proposition verstärkt bzw. hervorhebt (vgl. hierzu BRRZ:67), schon und ein FO sich außerdem darin ähnlich sind, daß sie beide keine Sprechereinstellung ausdrücken, erscheint die Anwendung von einem FO und schon im gleichen Satz gewissermaßen als eine Tautologie, obwohl die beiden Operatorausdriicke vor allem pragmatisch nicht äquivalent sind. Die epistemisch/doxastisehen Operatoren (EpO) (s. BRRZ:67ff.) sind eher mit schon kompatibel. Sie geben im Gegensatz zu schon auf einer epistemischen Skala den Sicherheitsgrad der Instantiierung einer Proposition durch einen Sachverhalt an und drücken außerdem eine Sprechereinstellung aus (vgl. Abschnitt 5.1.). Schon und ein EpO können also zuweilen gleichzeitig vorkommen, jedoch mit der für andere MPn nicht üblichen Abfolge Satzadverbial > MP: (93) a. Er wird es wahrscheinlich schon tun. b. ?Er wird es schon wahrscheinlich tun. Es fragt sich natürlich, warum die normale Abfolge zwischen einem Satzadverbial und der MP schon eine andere ist, als bei anderen MPn. Denkbar ist, daß die Abfolge sich aus einem Zusammenwirken zwischen Skopusverhältnissen und der Bedeutung der beteiligten Konstituenten ergibt. In (93b) liegt wahrscheinlich im Skopus von schon, weshalb die Satzbedeutung ungefähr die folgende ist: Es ist nicht ein Fakt, daß es nicht wahrscheinlich ist, daß er es tun wird, was nur adäquat sein dürfte, wenn etwas über die Faktizität der Wahrscheinlichkeit ausgesagt wird. Dies ist offensichtlich selten der Fall und scheint nur bei Betonung der MP möglich zu sein, ™ Zum Konditionalsatz, s. Abschnitt 6.1.

179

wogegen die umgekehrte Abfolge, wo etwas über die Wahrscheinlichkeit der Faktizität ausgesagt wird: Es ist wahrscheinlich, daß es nicht ein Fakt ist, daß er nicht kommt eher möglich erscheint. In einem Bespiel, wo übrigens die Kombination von Satzadverbial und MP im Gegensatz zu (93) nicht an sich diskutabel ist, sieht man auch einen Unterschied in der Satzbedeutung und Akzeptabilität: (29) a. erstmal ist es natürlich schon hart, wenn ein Chefarzt [...] zum Oberarzt gemacht wird (FC) b. ?erstmal ist es schon natürlich hart, wenn ein Chefarzt [...] zum Oberarzt gemacht wird (FC) (29a) könnte folgendermaßen paraphrasiert werden: Es ist natürlich, daß es nicht ein Fakt ist, daß es nicht hart ist, wenn [...]. In (29b) dagegen nimmt schon das Satzadverbial in seinen Skopus: Es ist nicht ein Fakt, daß es nicht natürlich ist, daß es hart ist, wenn [...]. Offensichtlich ist die Bedeutung in (29a) und (29b) nicht dieselbe. Wenn überhaupt (29b) einen Sinn ergibt, ist es der oben herausgearbeitete, wo über die Faktizität der Natürlichkeit gesprochen wird. Ich kann hier jedoch nicht näher auf die Skopusproblematik der verschiedenen Operatorausdrücke eingehen (s. Brauße 1991:450ff. für einen kurzen Überblick über verschiedene Möglichkeiten).^

6.

Zur Pragmatik von schon

6.1. Die pragmatische Funktion von schon Im folgenden soll versucht werden, die pragmatische(n) Grundfunktion(en) von schon näher zu beschreiben. Zuerst jedoch eine kurze Übersicht über das, was in der Literatur über die Funktion von MPn im allgemeinen und von der MP schon im besonderen gesagt wird:31 Gornik-Gerhardt (1981:27) sieht die Funktion der MPn darin, daß sie sich auf "die Sprechsituation, auf die Interaktionspanner, den Redezusammenhang, das 'universe of discourse'" beziehen. Bei Borst (1985:lOf.) wird die Funktion von schon als die Modifizierung des satzinternen Merkmals [- gewiß] zu [(-) —> (+) gewiß] beschrieben, was notwendig sein könne, "wenn die betreffenden Sätze als Relationsglieder in Relationsgefügen verwendet werden sollen". Hentschel (1986:231) hebt hervor, daß die Partikel "sich auf das Rhema des Satzes bezieht", und daß "Stellungsveränderungen der Partikel zur Hervorhebung unterschiedlicher Satzteile führen oder [...] führen können" (S. 210), aber auch, daß die MPn "metakommunikative Deiktika" sind, die "dem Zwecke dienen, auf dem kommunikativen Kon30 Es wäre auch interessant, die Kombinationsmöglichkeiten von schon mit anderen MPn zu untersuchen in bezug auf Skopusverhältnisse. Warum z.B. steht schon meistens nach einer anderen MP? (Vgl. Thurmair 1989:255ff.) Auch diese Frage kann ich hier aber nicht weiter verfolgen. 31 Die verschiedenen Aspekte der Funktion von MPn schließen sich nicht immer aus (s. z.B. Hentschel 1986:122,231).

180

text einer Äußerung zu verweisen" (S. 122). Thurmair (1989:2) ist der Auffassung, daß MPn "im wesentlichen [dazu] dienen [...], eine Äußerung in den Interaktionszusammenhang einzubinden" (s. auch S. 94). In BRRZ (S. 72) werden die MPn als "die modalen Operatoren, die dem Satzmodusoperator (sowohl positional als auch inhaltlich) am nächsten stehen", beschrieben; sie ordneten die Äußerung in einen Argumentationszusammenhang ein, seien jedoch keine illokutiven Indikatoren. König (1991:320), der auf Blakemore (1987) aufbaut, beschreibt "panicles [...] as metapragmatic instructions to process new information in certain types of context". Auch Reis (1992:19) schließlich erwähnt für MPn Funktionen "pertaining to sentence mood, discourse, and communication situation in general". Thurmair (1989:47) nimmt weiter an, daß die MPn "die abstrakten Funktionstypen bzw. die bereits durch lexikalische Mittel modifizierten Illokutionstypen" spezifizieren oder modifizieren, und Jacobs (1991:141) meint auch, daß MPn den Illokutionstyp modifizieren. Wie oben erwähnt, findet man zuweilen auch die Meinung, daß schon eine Sprechereinstellung ausdrückt (z.B. Kriwonossow 1963a:425; Hentschel 1986:231; Doherty 1987:99; Choi 1989:135; Thurmair 1989:47,99ff.). Gomik-Gerhardt (1981:125) schließlich weist auf zwei weitere Funktionen von schon hin, nämlich die der Bestätigung und die des Widerspruchs. Hier sind auch einige der oben genannten Bedeutungsangaben zu berücksichtigen, wie z.B. eingeschränkte Affirmation, Affirmation bei eingeschränkter Zustimmung und Einschränkung möglicher Gegenargumente. Ich werde im folgenden versuchen, zwischen der oben vorgeschlagenen Bedeutung von schon, der m.E. allgemeinen Funktion aller Modalpartikeln und der spezifischen Funktion von schon zu unterscheiden. Es wird sich zeigen, daß sich dadurch weitere Fragen einigermaßen deutlich formulieren lassen, die bisher nur undeutlich im Hintergrund figurierten. Die allgemeine pragmatische Funktion aller MPn besteht m.E. (hier gibt es auch kaum einen Dissens in der Literatur, s. oben) darin, daß die MPn eine Äußerung in einen bestimmten Ko-/ Kontext einordnen. Diese Funktion soll im Lexikon an das Kategorienmerkmal [+MP] gebunden werden. Der Lexikoneintrag für schon müßte also folgendermaßen aussehen: /schon/ [+ MP] [~FAKT~p] Wenn die obige Bedeutungsangabe richtig ist, ist m.E. nun zu erwarten, daß schon aufgrund seiner Bedeutung eine Affinität zu den Deklarativsätzen in ihrer Anwendung als Assertion (im Sinne von BRRZ) bzw. zum rhetischen Modus "konstativ" (Rehbock 1992:110) hat. "Für die Assertion ist konsumtiv, daß ein Sachverhalt als gegeben dargestellt und, damit verbunden, ein Wahrheitsanspruch erhoben wird" (BRRZ:51). In der Assertion schwächt dann schon aufgrund seiner Bedeutung die Assertion ab. Mit einem im Sinne von Rehbock (1992:140ff.) konsumtiven rhetischen Modus ist schon natürlich nicht kompatibel, weil dort keine Abschwächung zugelassen ist.

181 Es ist weiter zu erwarten, daß schon über den Deklarativsatz hinaus in solchen Satztypen vorkommen kann, bei deren Anwendung es um die Existenz eines Sachverhalts geht: z.B. in Imperativsätzen in ihrer Anwendung als Aufforderung, jedoch nicht in Interrogativsätzen in ihrer Anwendung als Fragen, mit denen gerade "auf die Spezifizierungsdürftigkeit der Proposition hinsichtlich ihrer Gültigkeit oder eines beteiligten Referenzobjektes abgehoben" wird (BRRZ:52). In z.B. Imperativischen Aufforderungen unterstreicht dann schon durch seine Bedeutung den virtuellen Faktizitätsaspekt und verstärkt damit die Aufforderung. Wenn diese Erwartungen sich als richtig erweisen sollten, sind die spezifischen Funktionen von schon Abschwächung bzw. Verstärkung. Dies soll nun an den einzelnen Satztypen geprüft werden: 1. Zu dem als Assertion bzw. konstativ verwendeten Deklarativsatz: Wir finden hier mindestens drei Kontexttypen, wobei es nicht von Bedeutung ist, ob der Kontext sich in einer expliziten Vorgängeräußerung materialisiert oder nur implizit mitgedacht bzw. unterstellt wird. Ich werde hier explizite Vorkontexte verwenden, um die Funktion deutlich zu machen: a) Die Äußerung mit schon steht in einem kontradiktorischen Verhältnis zu einer Vorgängeräußerung und enthält an sich - wenn man von dem kontradiktorischen Verhältnis absieht - kein anderes Thematisches Material als schon selbst. Es handelt sich um einen Widerspruch. Dieser Widerspruch wird durch die Abschwächung der Assertion ebenfalls abgeschwächt: (94) (95)

A: B: A: B:

Peter kommt nicht. Doch, er wird schon kommen. Maria reist morgen nach Frankreich. Ach, sie wird schon nicht reisen.

Nicht prinzipiell von Bedeutung ist dabei, ob die Negation in der Vorgängeräußerung oder in der Äußerung mit schon steht. Es versteht sich jedoch von selbst, daß die kompositionale Bedeutung einer negierten Äußerung (95B) eine andere ist als die einer nicht-negierten Äußerung (94B) dadurch, daß sich bei einer negierten Äußerung zwei der Negationen aufheben: [-FAKT- ~p] = [-FAKT p]. Aus dem kontradiktorischen Verhältnis ist also der Widerspruch abzuleiten. Der Widerspruch wiederum wird als milder empfunden, als wenn schon fehlen würde, weil der rhetische Akt, also die "Als-wahr-Setzung" (vgl. Rehbock 1992:111) dadurch abgeschwächt wird, daß schon aussagt, daß es nicht ein Fakt ist, daß nicht p. Der Widerspruch selbst entsteht somit nicht durch schon, oder anders ausgedrückt: schon drückt keinen Widerspruch aus. Zu diesem Typ sind auch einige Randfälle zu zählen, in denen es mehr an Thematischem Material gibt als schon. Auch hier handelt es sich aufgrund des kontradiktorischen Verhältnisses um einen Widerspruch. Durch das weitere rhematische Material ist die Beziehung zum Kontext aber komplexer (96) (= (52)): (96) A: Niemand hat heute bei mir angerufen. B: Die Mutter schon, (aus Heibig 1988:205)

182

Mit einer solchen Äußerung wird ungefähr folgendes gesagt: es ist nicht ein Fakt, daß nicht jemand (=niemand) angerufen hat. Die Mutter hat nämlich angerufen. Die "Als-wahrSetzung" ist also als eine abgeschwächte "Als-wahr-Setzung" von jemand hat angerufen aufzufassen, das seinerseits in einem kontradiktorischen Verhältnis zu niemand hat angerufen steht. Die Konstituente die Mutter spezifiziert diesen jemand. Im nächsten Abschnitt soll auf die prosodischen Konsequenzen dieser Spezifizierung kurz eingegangen werden. Prinzipiell handelt es sich also auch hier um einen Widerspruch, der von dem kontradiktorischen Verhältnis und nicht von schon ausgelöst wird. Ein weiterer Randfall liegt in der folgenden Äußerung vor (= (67)): (97) A: ab und zu mach ich n sechsten aber ganz selten B: Is schon Elite. (FC) rh Hier wird vom Sprecher in (97B) unterstellt, daß der Sprecher in (97A) seine eigene Leistung als nichts Besonderes einstuft oder jedenfalls nicht als Elite. Gegen diese unterstellte Bewertung der Leistung wendet sich nun der Sprecher in (97B), wobei schon genau wie in (94B) die "Alswahr-Setzung" etwas abschwächt, was den Widerspruch nicht so kategorisch wirken läßt. Wichtig ist hier jedoch, daß durch Elite ein Thematisches Element eingeführt wird. Dies wiederum hat Konsequenzen für die Fokusstruktur (s. hierzu Abschnitt 6.2.). b) Die Äußerung steht nicht in einem kontradiktorischen Verhältnis zur Vorgängeräußerung, sondern wiederholt sie mehr oder weniger explizit. Damit hat sie zustimmende und nicht widersprechende Funktion: (98) A: B]: 82: 83: 84:

Das ist aber ein schönes Haus. Schon (, aber der Keller ist leider ziemlich feucht). Schön ist es schon (, aber der Keller ist leider ziemlich feucht). Schön schon (, aber der Keller ist leider ziemlich feucht). Es ist schon schön (, aber der Keller ist leider ziemlich feucht).

Auch hier folgt jedoch aus der Bedeutung von schon, daß die "Als-wahr-Setzung" etwas abgeschwächt, also nicht so kategorisch ist, wie ohne schon. Mit Grice können wir wohl annehmen, daß eine Abschwächung der "Als-wahr-Setzung" nur dann in einem zustimmenden Zusammenhang relevant ist, wenn sie in irgendeiner Weise legitimiert wird. Der leise Rückzieher, der in der Äußerung zu spüren ist und also auf die Bedeutung von schon zurückzuführen ist, verlangt eine Explikation. Dies ist m.E. der Grund, weshalb solche Äußerungen immer einen expliziten oder impliziten aber-Anschluß erwarten lassen. In der Äußerung mit aber kommt also der durch schon angedeutete Einwand gegen die Äußerung A zum Ausdruck. Während wir also oben unter a) einen abgeschwächten Widerspruch haben, liegt hier in der Äußerung mit schon eine eingeschränkte Zustimmung vor. c) Bisher waren die Vorgängeräußerungen selbst Assertionen. Äußerungen mit schon können sich jedoch auch auf eine Entscheidungsfrage beziehen. Bei einer solchen Frage wird (s. oben) auf die Spezifizierungsbedürftigkeit der Proposition bezüglich ihrer Gültigkeit abgehoben. Eine Assertion mit schon in einem solchen Kontext hat zur Folge, daß die "Als-wahr-Setzung" der

183

in der B-Äußerung gewählten Alternative abgeschwächt wird. Es kann sich dabei sowohl um die Alternative handeln, in der die Proposition der -Äußerung durch einen Sachverhalt instantiiert wird (99), als auch um die Alternative, in der sie nicht instantiiert wird (100): (99)

A: B: (100) A: B:

Wird er es schaffen? Ja. Er wird es schon schaffen. Wird er sie umbringen? Nein. Er wird sie schon nicht umbringen.

Mit den B-Äußerungen wird also wie auch unter a) und b) die "Als-wahr-Setzung" abgeschwächt. Aufgrund der Vorgängeräußerung bedeutet dies aber selbstredend keinen Widerspruch und auch keine Zustimmung, sondern eine Antwort auf eine Frage, in der eine der eröffneten Alternativen gewählt wird, ohne daß dabei kategorisch auf die Wahrheit der Äußerung bestanden wird. Es scheint nicht möglich zu sein, entsprechend auf eine tendenzfreie w-Frage (s. Heibig 1988:206) zu reagieren: (101) A: Was macht er denn? B: *Ach, er arbeitet schon. In der B-Äußerung kann schon nur temporal interpretiert werden. Der Grund ist eventuell darin zu suchen, daß mit der w-Frage keine Alternativen eröffnet werden, es also auch nicht möglich ist, eine solche zu wählen und sie abzuschwächen. Dagegen kann u.U. auf eine rhetorische Frage eine Assertion mit schon folgen: (102) A: Wer will denn bei dieser Hitze heißen Tee trinken? B: Ich schon, (aus Heibig 1988:206) Es ist klar, daß es sich hier wiederum um einen Widerspruch handelt, der sich aus dem Gegensatz zu der indirekten Assertion (zu der rhetorischen Frage als indirekter Illokution, s. Meibauer 1986) der -Äußerung ergibt: Niemand will bei dieser Hitze heißen Tee trinken. Dieser Fall ist also prinzipiell nicht von dem Fall a) zu unterscheiden. Entsprechend zu erklären ist auch das Auftreten von schon in rhetorischen Fragen: (103) A: Mit wem telefoniert sie denn schon wieder so lange? B: Ja, mit wem schon? (Mit Anna natürlich.) Die Affinität von schon zur Assertion disambiguiert hier die Äußerung (103B) und läßt sie uns nur noch als rhetorische Frage interpretieren.32 Die MP schon ist in nicht-rhetorischen Ergänzungsfragen ausgeschlossen, was sich aus ihrer Bedeutung [~FAKT~p] ableiten läßt. Die in der Ergänzungsfrage explizit ausgedrückte Spezifizierungsbedürftigkeit der Proposition hinsichtlich eines beteiligten Referenzobjekts ist nicht mit der faktizitätssetzenden Bedeutung von schon kompatibel.

Daß die MP schon auch in w-Exklamationen auftreten kann, ist ebenfalls erwartbar, wenn es sich, wie Rosengren (1992a) vorschlägt, dabei um Deklarativsätze bzw. um "rhetorisch" uminterpretierte Interrogativsätze handelt

184

2.

Zu dem als Aufforderung verwendeten Imperativsatz:

(104) Na komm schon endlich! Hier handelt es sich - im Unterschied zum Deklarativsatz, der sich auf die virtuelle Existenz eines Sachverhalts bezieht - "um einen Bezug auf die - vor dem je gegebenen Hintergrund notwendige (bzw. mögliche) Existenz eines bestimmten Sachverhalts. Ein geäußerter Imperativsatz erlaubt deshalb auch nie den Schluß, daß der Sachverhalt, auf den referiert wird, in der aktuellen Welt existiert bzw. existieren wird." (Rosengren [in diesem Band: 21 f.]). Es versteht sich von selbst, daß ein hinzugefügtes schon in einem als Aufforderung verwendeten Imperativsatz die Aufforderung nicht gerade abschwächt, sondern durch seine Bedeutung den virtuellen Faktizitätsaspekt unterstreicht und damit die Aufforderung verstärkt. Wie bei der Abschwächung ist aber auch die Verstärkung aus der Bedeutung von schon und ihrem Zusammenwirken mit dem Satzmodus und der mit ihm verbundenen Illokution abzuleiten. Es handelt sich hier weder um einen Widerspruch noch um eine Zustimmung, sondern es geht darum, die Notwendigkeit der Handlung zu unterstreichen. 3.

Auch in einem Konditionalsatz kann schon vorkommen:

(105) Wenn ich schon hinfahre, dann mußt du wenigstens die Fahrkarten besorgen. Mit einem Konditionalsatz wird auf einen Sachverhalt referiert, dessen Existenz eine Voraussetzung für einen anderen Sachverhalt ist. Der Sachverhalt wird also nicht als existent dargestellt. Indem durch schon der virtuelle Faktizitätsaspekt unterstrichen wird, wird diese "Offenheit" bezüglich der Existenz sozusagen geschlossen. Heibig (1988:204) beschreibt dies folgendermaßen: schon "markiert den im Konditionalsatz ausgedrückten Sachverhalt als präsupponiert (vorausgesetzt), aber als nicht-selbstverständlich". Die Presupposition ist wohl eine Folge der fehlenden illokutiven Funktion des we/w-Satzes. Die konditionale Bedeutung wiederum ist m.E. dafür verantwortlich, daß die Präsupposition nicht als selbstverständlich aufgefaßt wird. Die obige Analyse ergibt im Prinzip zwei Grundfunktionen von schon: Abschwächung und Verstärkung, die sich jedoch auf einen gemeinsamen Nenner zurückführen lassen, nämlich auf eine Bezugnahme der Bedeutung von schon auf den Satzmodus und damit gegebenenfalls auf die illokutive Funktion der Äußerung. Die allgemeine Funktion der MPn sieht dann zu, daß die Abschwächung bzw. Verstärkung relativ zum Kontext interpretiert wird. Widerspruch bzw. Zustimmung sind dagegen nicht auf schon zurückzuführen, sondern sind aus dem Verhältnis der Äußerung mit schon zur Vorgängeräußerung (einer Assertion) ableitbar. Die Aufgabe der MP ist dabei "nur", den Widerspruch abzuschwächen, bzw. die Zustimmung einzuschränken. In Äußerungen mit schon, die auf eine Entscheidungsfrage folgen, oder in imperativischen Aufforderungen und in Konditionalsätzen liegt weder ein Widerspruch noch eine Zustimmung vor.

185

Es soll nur noch kurz auf die Tatsache hingewiesen werden, daß sich über die Grundfunktionen hinaus auch andere eher kontextuell bedingte Wirkungen feststellen lassen, die sowohl positiv als auch negativ sein können: Zuversicht des Sprechers: (106) Die Engländer sind schon zu überwinden. (FC) Beruhigung: (107) Es ist schon gut so. Trost: (108) Sie wird es schon schaffen. Drohung: (109) Jetzt bist du mit ihm glücklich, aber wart mal ab! Der wird dich schon noch unglücklich machen! (Herablassende) Hervorhebung der Selbstverständlichkeit der indirekten Assertion: (l 10) Wer wird das schon tun wollen? (Niemand.) (111) A: Mit wem telefoniert sie denn schon wieder so lange? B: Ja, mit wem schon? (Mit Anna natürlich.) Ungeduld: (l 12) Na komm schon endlich! Eine positive Wirkung scheint etwas gewöhnlicher als eine negative zu sein. 6.2. Die Funktion der Betonung von schon Es ist zu unterscheiden zwischen der Betonung von schon, wenn es betont sein muß, und optionaler Betonung von schon. Der erstere Fall liegt immer dann vor, wenn die MP, die ja rhematisch ist, nicht auf andere Weise fokussiert werden kann (s. Abschnitt 4.). Ich gehe hier von den obigen Kategorien 1-3 aus: l. Zu dem als Assertion bzw. konstativ verwendeten Deklarativsatz: a) Wenn die Äußerung mit schon in einem kontradiktorischen Verhältnis (also einem Widerspruchsverhältnis) zu der Vorgängeräußerung steht, kann die MP sowohl unbetont, was bei maximalem Fokus bzw. bei Assoziation mit dem Fokus (vgl. Hetland [in diesem Band: Abschnitt 2.]) möglich ist, als auch betont sein. Bei Betonung von schon wird der Widerspruch verstärkt: 33

33

Großschreibung heißt hier nur, daß die Silbe betont ist

186 (94) A: : 82: (95) A: B i: 62:

Peter kommt nicht. Doch, er wird schon KOMmen. Doch, er wird SCHON kommen. Maria reist morgen nach Frankreich. Ach, sie wird schon nicht REIsen. Ach, sie wird SCHON nicht reisen.

Die beiden oben genannten Randfälle sind hier von besonderem Interesse: (96) A: BI: 82: (97) A: BI: 62:

Niemand hat heute bei mir angerufen. Die MUTter SCHON, (aus Heibig 1988:205) [meine Großschreibung] *Die MUTter schon. ab und zu mach ich n sechsten aber ganz selten Is SCHON ELIte. (FC) Is schon ELIte.

In (96Bi) scheint notwendig zu sein, sowohl Mutter als auch schon zu betonen. Offensichtlich handelt es sich hier um zwei Akzentdomänen (vgl. hierzu Uhmann:228f.) und zwei Foki (s. Abb. 8, Abschnitt 3.3.). Dies ist vermutlich auf die komplexe Beziehung der Äußerung mit schon zum Kontext zurückzuführen: schon ist das rhematische Element in der unterstellten ./ernand-Äußerung, während Mutter die Spezifizierung von jemand ist. Mutter muß als rhematische Konstituente fokussiert sein (vgl. Abschnitt 4.). Da eine Fokussierung der MP immer minimal ist (s. hierzu Abschnitt 3.3.) und der Fokus deshalb nicht projizieren kann, wird diese Forderung nur bei Betonung der Konstituente Mutter selbst erfüllt Da es außerdem nicht so ist, daß Mutter von schon c-kommandiert wird, was eine Assoziation mit dem Fokus ermöglichen würde (vgl. Hetland [in diesem Band: Abschnitt 2.]), muß auch schon als rhematische Konstituente betont sein. Beim zweiten Randfall liegen die Verhältnisse etwas anders. Offensichtlich kann schon hier auch unbetont sein, da es in der Fokusdomäne des pFE Elite steht. Es kann aber auch betont werden, wodurch wieder der Widerspruch verstärkt wird. b) Wenn die Äußerung mit schon nicht in einem kontradiktorischen Verhältnis zur Vorgängeräußerung steht, sondern diese mehr oder weniger explizit wiederholt, muß schon meistens betont sein (Bi, 82, 63), nämlich immer dann, wenn sonst gegen die Forderung, daß rhematische Konstituenten, hier die MP, auf irgendeine Weise fokussiert sein müssen, verstoßen würde. In 84 dagegen steht die MP innerhalb der Fokusdomäne des pFE schön, weshalb es nicht betont sein muß. Außer der MP können in (82) und (83) weitere Konstituenten betont sein, wobei es sich jedoch am ehesten um I-Topikalisierung handelt (s. hierzu Abschnitt 3.2.): (98) A: B i: 82: 83: 84:

Das ist aber ein schönes Haus. SCHON (, aber der Keller ist leider ziemlich feucht). SCHÖN ist es SCHON (, aber der Keller ist leider ziemlich feucht). SCHÖN SCHON (, aber der Keller ist leider ziemlich feucht). Es ist schon SCHÖN (, aber der Keller ist leider ziemlich feucht).

Wenn schon betont ist, wird nun m.E. der Gegensatz zwischen Zustimmung (Äußerung mit schon) und Einwand (Äußerung mit aber) hervorgehoben, d.h. ein Gegensatz zwischen zwei

187

Äußerungen auf der pragmatischen Ebene. Bei Betonung von schön wiederum wird der Gegensatz zwischen dem propositionalen Gehalt der Äußerung mit schon und dem der Äußerung mit aber hervorgehoben. c) Wenn die Vorgängeräußerung ein -IS ist, verhält sich, wie zu erwarten, die Assertion mit schon ähnlich wie bei den kontradiktorischen Äußerungen: (99)

A; Wird er es schaffen? BI: Ja, er wird es schon SCHAFfen. 82: ?Ja, er wird es SCHON schaffen.

Möglicherweise ist jedoch die Äußerung BI hier besser als 82, was sich eventuell daraus erklären ließe, daß es nicht um einen Widerspruch, sondern um die Wahl einer der Alternativen geht. Unmöglich scheint mir 62 aber nicht. Vielleicht unterstellt hier aber B, daß A eine vorgefaßte Meinung hat (82), gegen die B sich wendet, oder aber es handelt sich um eine unterstellte Äußerung mit aber (B3)wie oben (98): (99)

A: Wird er es schaffen? 82: ?Ja, er wird es SCHON schaffen (, da brauchst du keine Zweifel zu haben). 83: ?Ja, er wird es SCHON schaffen (, aber nicht so schnell).

Hier muß jedoch weiteres Material herangezogen werden. Ich werde in einem anderen Zusammenhang auf dieses Problem zurückkommen. In einer rhetorischen Frage schließlich kann schon nicht betont auftreten:^4 (113) (113')

Wer wird das schon TUN wollen? *Wer wird das SCHON tun wollen?

Dies hat wahrscheinlich damit zu tun, daß die Äußerung in keiner Weise als ein Widerspruch bzw. Gegensatz aufgefaßt werden kann, was aber eine notwendige Voraussetzung für eine Betonung der MP zu sein scheint, wenn sie nicht aus den oben genannten fokustheoretischen Gründen betont sein muß. 2.

In Imperativsätzen kann schon nicht betont sein (=(104)):

(114) (l 14')

Na KOMM schon endlich! *Na komm SCHON endlich!

Dies ist m.E. jedoch auch nicht zu erwarten, da es sich hier nicht um einen Widerspruch handelt, sondern eher um eine Unterstreichung der Notwendigkeit, daß die Handlung ausgeführt wird. 3. In Konditionalsätzen schließlich ist eine Betonung der MP schon ebenfalls ausgeschlossen, was auch hier damit zu tun haben dürfte, daß die Äußerung nicht im Widerspruch zum Kontext steht. Hier liegt übrigens vermutlich ein VERUM-Fokus vor (vgl. Höhle 1992) (=(105)): Der Sau (i) aus dem Freiburger Corpus zeigt aber, daß schon offensichtlich zuweilen auch in einer rhetorischen Frage betont sein kann: (i) WER KANN das SCHON? Hier ist jedoch fast alles betont.

188

(115) (l 15')

WENN ich schon hinfahre, dann mußt du wenigstens die Fahrkarten besorgen, *Wenn ich SCHON hinfahre, dann mußt du wenigstens die Fahrkarten besorgen.

Wir können nun zusammenfassen: a) Bei Betonung der MP wird ein Widerspruch bzw. Gegensatz zwischen zwei Äußerungen hervorgehoben. Die MP ist deshalb nur beim Vorliegen eines solchen betonbar. b) Die Notwendigkeit bzw. Optionalität der Betonung ist davon abhängig, ob die MP innerhalb einer Fokusdomäne steht, oder ob Assoziation mit dem Fokus vorliegt. Wenn dies nicht der Fall ist, muß die MP betont werden, sonst ist die Betonung optional. Hervorzuheben ist hier nochmals, daß eine minimale Fokussierung von schon weder seine lexikalische Bedeutung noch seine pragmatische(n) Grundfunktion(en) verändert

7. Zusammenfassung Die Stellungsmöglichkeiten der MP schon an der Oberfläche werden in dieser Arbeit unter der Annahme einer festen Basisposition für schon als Adjunkt zu VP durch das Zusammenwirken von grammatischer FHG und pragmatischer TRG erklärt. Es wird auch zu zeigen versucht, daß eine modular angelegte Theorie, die von der Eigenständigkeit, aber auch der Interdependenz des Grammatik- bzw. Pragmatikmoduls ausgeht, erlaubt, für die MP schon minimalistisch e i n e lexikalische Bedeutung, nämlich [~FAKT~p], anzusetzen, die in SF kompositional in die Satzbedeutung integriert wird. Dabei ist FAKT ein Operator in einer Dualgruppe, deren vier Operatoren semantisch aufeinander bezogen sind. Es wird weiter angenommen, daß alle MPn eine gemeinsame Funktion haben, nämlich eine Äußerung in den kommunikativen Zusammenhang einzuordnen, die durch ein Kategorienmerkmal [+MP] im Lexikon verzeichnet ist. Aus der Bedeutung von schon im Zusammenwirken mit dem Satzmodus und der damit verbundenen Illokution werden die pragmatische(n) Grundfunktion(en) von schon abgeleitet, nämlich Abschwächung und Verstärkung. Die allgemeine Funktion der MPn sieht dann zu, daß die Abschwächung bzw. Verstärkung relativ zum Kontext interpretiert wird. Es wird schließlich zu erhärten versucht, daß die Betonung der MP schon weder ihre lexikalische Bedeutung noch ihre pragmatische(n) Grundfunktion(en) verändert, sondern nur eine Hervorhebung eines zwischen der Äußerung mit schon und dem Ko-/Kontext vorhandenen Widerspruchs bzw. Gegensatzes bewirkt Ein Problem, das wegen seiner Komplexität im Rahmen dieser Arbeit nicht gelöst werden konnte, ist, wie die Skopusverhältnisse (zwischen Satzmodus und MP, Satzadverbial und MP und zwischen verschiedenen MPn) in einem Satz mit schon zu beschreiben sind. Weiter bleibt noch zu untersuchen, ob sich die Ergebnisse dieser Arbeit auf andere MPn übertragen lassen. Dies ist ein interessanter Bereich, zu dem ich in einem anderen Zusammenhang zurückkommen werde.

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Zur Grammatik und Pragmatik von Partizipialattributen1 Margareta Brandt, Lund Wie kommt es, daß sich Partizipialattribute in gewissen Fällen durch Relativsätze ersetzen lassen, während das in anderen Fällen unmöglich ist? Von dieser Frage aus wird hier die grammatische und pragmatische Funktion des Partizipialattributs kontrastiv zu der des Relativsatzes untersucht. Im Zentrum des Interesses steht die grammatische Relation von Modifikator und Modifikand sowie die informationsstrukturelle Gliederung und die eventuelle illokutive Rolle des Partizipialattributs.

1. 2. 2. l. 2.2. 3. 3.1. 3.2. 4.

Einleitung Die grammatische Struktur Die Konstruktion Die Relation Modifikator - Modifikand Pragmatische Funktionen Der informationsstrukturelle Aspekt Der illokutive Aspekt Zusammenfassung Literatur

1. Einleitung Während sich die übrigen Beiträge dieses Bandes mit Sätzen befassen, soll hier eine kleinere syntaktische Einheit unter die Lupe genommen werden. Es geht mir dabei um dem Bezugsnomen vorangestellte, adjektivisch flektierte Partizipialattribute wie in (1)

kochende Milch

Seiner Funktion nach läßt sich das Partizipialattribut (im folgenden PA) mit dem Relativsatz (im folgenden RS) vergleichen. (2)

Milch, die kocht

Beide Konstruktionen sind Modifikatoren innerhalb der DP und sagen etwas über das durch den Modifikanden (N) bezeichnete Individuum aus. Formal weisen sie jedoch große Unterschiede auf: der RS ist ein vollständiger, dem Bezugswort nachgestellter Satz, das PA ein vorangestellter, komprimierter Ausdruck mit adjektivisch flektiertem Kopf. Angesichts dieser Unterschiede stellt sich die Frage, ob die beiden Konstruktionen wirklich dieselben grammatischen und pragmatischen Funktionen haben. Meine Hypothese ist, daß das PA nicht nur der Form, Für wertvolle kritische Gesichtspunkte und Hinweise möchte ich allen danken, die an den Treffen der Projektgruppe l teilgenommen haben. Mein besonderer Dank gilt Norbert Fries, Marga Reis, Inger Rosengren und Ilse Zimmermann, mit denen ich die Problematik eingehender diskutieren konnte. Ilse Zimmermann hat mir außerdem mit Formalisierungsvorschlägen beigestanden.

194

sondern auch der Funktion nach von dem RS abweicht und daß die Abweichungen sowohl grammatischer als auch pragmatischer Art sind. Im folgenden soll untersucht werden, ob und inwiefern diese Hypothese zutrifft, wobei ich zunächst auf die grammatische Struktur eingehe. Mit diesem Beitrag führe ich frühere Untersuchungen zur Grammatik und Pragmatik von komplexen Sätzen fort (Brandt 1989, 1990 sowie Brandt/Rosengren 1991,1992). Dabei schließe ich mich den in Motsch/Reis/Rosengren (1989) formulierten Grundsätzen des Programms Sprache und Pragmatik an und gehe davon aus, daß -

das Verhältnis von Grammatik und Pragmatik modular ist und die beiden Module autonom aber interdependent sind zur Pragmatik u.a. das Sprecher-Hörer-Wissen in bezug auf die Illokutionsstruktur und auf die Informationsstruktur von Texten gehört.

Der grammatischen Beschreibung liegt die GB-Theorie zugrunde, wobei das klassische TModell im Einklang mit Bierwisch (1982, 1987, 1988,1989) und Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann (= BBRZ) (1992:6) um die Repräsentationsebene der Semantischen Form erweitert wurde. Das Modell umfaßt somit fünf Ebenen: die D-Struktur (DS), die S-Struktur (SS), die Phonetische Form (PF), die Logische Form (LF) und die Semantische Form (SF). (3)

(i) D-Struktur (DS)

(iii) Phonetische Form (PF) —

(ii) S-Struktur (SS)



(iv) Logische Form (LF)

(v) Semantische Form (SF) Die Explikation der attributiven Modifizierung setzt auch Zimmermanns Beschreibung der syntaktischen Struktur der DP (1992) sowie Bierwischs Unterscheidung zwischen grammatischer Bedeutung und Äußerungsbedeutung (1979,1980) voraus. Die in der Untersuchung angeführten Beispiele sind zum Teil von mir konstruiert bzw. der einschlägigen Literatur entnommen, zum Teil authentische Belege aus den Lunder Corpora der Projekte Fachsprachliche Kommunikation (FAK) bzw. Weltwissen, Sprachsystem und Textstruktur in einem integrierten Modell der automatischen Sprachverarbeitung (Autokoch). S. dazu Schonebohm (1980) und Koch (1988).

2.

Die grammatische Struktur

2.1. Die Konstruktion 2.1.1. Die Beispiele (1), (4)-(9) zeigen die verschiedenen Formen, in denen das Partizip als lexikalischer Kopf eines Attributs auftreten kann.

195

(1) (4) (5) (6) (7) (8) (9)

kochende Milch der sich tief verbeugende Herr der von Ihnen festzusetzende Preis der zuletzt erschienene Roman eine von allen bewunderte Frau die in Scheiben geschnittenen Tomaten ein sehr verliebter Jüngling

Ich werde die dem Leser sicherlich bekannten Daten hier kurz zusammenfassen. Es handelt sich bei (1) und (4) um das sog. Partizip I, ableitbar aus dem Präsens. Im Prinzip lassen alle Verben die Attribuierung in dieser Form zu. Dabei ist für reflexive Verben wie in (4) zu bemerken, daß das Partizip I mit dem Reflexivpronomen zusammen auftritt, was beim Partizip II nicht möglich ist. (5) exemplifiziert das sog. Gerundiv, das sich auf das Präsens des modalen Infinitivs mit sein zu zurückführen läßt. Die Bildung des Gerundivs setzt ein passivfähiges transitives Verb voraus, und die Form hat zugleich passivische und modale Bedeutung. Die modale Bedeutung entspricht meistens der von sollen oder müssen (Notwendigkeit); als Ausdruck einer Möglichkeit (können) dürfte das Gerundiv anders als der modale Infinitiv nur in speziellen Nahkontexten (wie der leicht zu waschende Stoff) interpretierbar sein. Explizite Information über temporale Verhältnisse fehlt beim Partizip. Dagegen informiert es, indem es entweder den durch den verbalen Stamm bezeichneten Vorgang selbst oder dessen Nachzustand/Resultat wiedergibt, über die aktuelle Phase des Geschehens, also im Prinzip über den Aspekt. So geht es beim Partizip I immer um den Vorgang selbst, während beim Partizip II die Aktionsart des Verbs entscheidet: das Partizip II von durativen Verben bezeichnet den Vorgang selbst und das Partizip II von perfektiven Verben das Resultat. Bei den durativen Verben ist die Möglichkeit, ein adjektivisch flektiertes Partizip II zu bilden, stark beschränkt; nur transitive, passivierbare Verben lassen dies zu (7). Das Partizip ist dann passivisch zu verstehen. Bei perfektiver Bedeutung dagegen wird das Partizip II sowohl zu transitiven als auch zu intransitiven und reflexiven Verben gebildet (6,8,9). Da das Partizip selbst keine temporale Information vermittelt, wird das Geschehen in der Regel, d.h., wenn nichts dagegen spricht, als gleichzeitig mit dem durch das Verb des Matrixsatzes bezeichneten Geschehen aufgefaßt. Dies bedeutet für das Partizip II von perfektiven Verben, daß das ausgedrückte Resultat (z.B. geschnitten sein) gleichzeitig mit dem Geschehen des Matrixsatzes existiert, während die Handlung selbst (z.B. schneiden) schon stattgefunden hat. In Abschnitt 3.2. werde ich u.a. darauf eingehen, wie diese Relationen pragmatisch benutzt werden. Dem Partizip und besonders seiner Ableitung ist in der neueren grammatischen Literatur recht große Aufmerksamkeit zuteil geworden. Ich werde hier nicht näher auf die unterschiedlichen Theorien eingehen, sondern verweise besonders auf die Arbeiten von Haider (1984), Toman (1986) und Zimmermann (1988). Das PA besteht entweder aus einem einfachen Partizip wie in (1) oder es tritt erweitert wie in (4)-(9) auf. Als verbale Form kann das Partizip mit den gleichen Konstituenten kombiniert werden, die auch bei finiten Verben vorkommen, und zwar sowohl mit valenzabhängigen als auch mit freien. Allerdings fehlt im PA das Element, das im entsprechenden Satz als Subjekt

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auftritt. Für die Wonfolge innerhalb des PAs gelten im Prinzip die gleichen Regeln wie beim Satz, wobei das Partizip immer in der Endposition direkt vor dem Bezugsnomen steht. (Zur Valenz des Partizips und zur Wortfolge innerhalb des PAs s. Schenkel 1972). Von einem Satz unterscheidet sich das PA also oberflächenstrukturell zum einen durch die adjektivische Flexion des Partizips, zum anderen dadurch, daß die Subjektsposition nicht besetzt ist, zum dritten durch die Stellung zwischen Determinator und Bezugsnomen. Das PA weist somit große Übereinstimmung mit dem Adjektivattribut (in der Folge AA) auf, das ebenfalls erweitert auftreten kann: (10) der auf seinen Sohn sehr stolze Vater Die Bildung eines PAs unterliegt, verglichen mit der des entsprechenden RSs, gewissen Restriktionen. Diese sind einerseits abhängig von den Restriktionen bei der Bildung der Partizipformen (s.o.), andererseits von der Referenz des fehlenden Subjekts: Nur wenn das Subjekt eines entsprechenden Satzes mit dem Bezugsnomen identisch ist, kann ein PA gebildet werden. Wenn in der Folge von Austauchbarkeit der beiden Konstruktionen die Rede ist, gilt das immer nur für die Fälle, wo sowohl ein RS als auch ein PA gebildet werden kann. 2.1.2. Der grundlegende grammatische Unterschied zwischen RS und PA besteht also darin, daß der RS ein finites Verb enthält und somit als Satz i.e.S. gelten kann, während das PA eine adjektivisch flektierte Verbform als Kopf hat. Was die Semantik betrifft, gehe ich im Einklang mit BRRZ (1992:34ff.) davon aus, daß alle Sätze und somit auch RS Satzmodus haben. Der Satzmodusbegriff wird dabei einstellungsfrei definiert, und der Deklarativsatzmodus gilt als der Defaultfall. RS sind Deklarativsätze. Die Frage stellt sich nun, ob auch dem PA in diesem Sinne ein Satzmodus zugeschrieben werden kann und ob es damit als eine "satzwertige" oder "satzäquivalente" Konstruktion anzusehen ist.2 Ein mögliches Argument für die Behandlung des PAs als satzwertige Konstruktion mit Satzmodus ist natürlich, daß es sich um eine verbale Konstruktion handelt, die, abgesehen vom Subjekt, die gleichen abhängigen Glieder enthalten kann wie ein entsprechender RS. U.a. können Satzadverbien und Modalpartikeln, die dem Satzmodus nahe stehen (s. dazu BRRZ 1992:66ff.), in PA auftreten. Die Modalpartikeln unterliegen allerdings, wie ich unten zeigen werde, starken Restriktionen. (11) Er suchte vergeblich nach dem wahrscheinlich schon längst abgerissenen Haus. (12) Dieser ja (leider) nur in seiner Phantasie existierende Freund sollte ihm helfen. Das Problem, wie man der Satzähnlichkeit von Konstruktionen mit verbalem Kern aber ohne finites Verb gerecht werden soll, ist noch im großen ganzen ungelöst. Itälä (1988) stellt eine Zu diesen Begriffen s. Itälä (1988). Duden (1984:667) bezeichnet z.B. bestimmte Infinitiv- und Partizipialkonstruktionen als satzwertig. So auch Kreye (1989:116ff.). Andere Forscher, z.B. Brykowski (1970), lehnen dagegen den Begriff Satzwertigkeit für Nicht-Sätze ab. Die Frage, ob das PA Satzmodus hat, wird, wenn auch in anderer Terminologie, schon von Weber (1971:50f.) diskutiert und mit nein beantwortet. Weber sieht jedoch in dieser Hinsicht keinen Unterschied zwischen RS und PA, sondern meint, daß sie als Attribute und anders als selbständige Sätze "keinen Wirklichkeitsbezug setzen".

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Reihe von Kriterien auf und setzt je nach der Erfüllung dieser Kriterien unterschiedliche Grade der Satzwertigkeit an. BRRZ (1992:27f.) nehmen nur Stellung zu selbständigen infiniten Konstruktionen, wobei Operatorausdrücke wie Fragepronomina als Satzmoduscharakteristika und die entsprechenden Konstruktionen als I-Projektionen, d.h. als Projektionen mit einem funktionalen Kopf, bezeichnet werden. Ein Satzmodus im engeren Sinne wird aber nicht angenommen. Wenn man für das PA einen Satzmodus annehmen will, kommt, wie die Verwandtschaft mit dem deklarativen RS zeigt, nur der Deklarativsatzmodus in Frage. Bei BBRZ (1992:35ff.) wird der Satz mit deklarativem Satzmodus durch die Formel 3e (e INST p) beschrieben. Diese Formel sagt aus, daß die aus der Sachverhaltsvariablen (dem referentiellen Argument) e und der Proposition p mit Hilfe des Prädikats INST gebildete neue Proposition (e INST p) im Skopus des Existenzoperators steht. Das referentielle Argument wird durch den Existenzoperator abgebunden, d.h., der Sachverhalt wird als faktisch dargestellt (zum Deklarativsatzmodus s. auch Rehbock 1992). Die Frage ist also, ob auch für das PA ein Existenzoperator angenommen werden soll oder ob es sich um eine reine Sachverhaltsbeschreibung, zu erfassen durch die Formel (e INST p), handelt. Ich meine, daß letzteres der Fall ist. Über die Existenz des betreffenden Sachverhalts kann mit einem PA nichts ausgesagt werden, und zwar deshalb, weil durch das Fehlen eines finiten Verbs die damit verbundenen semantischen Kategorien, insbesondere Tempus und Modus, nicht zum Ausdruck kommen. Es handelt sich also um einen Sachverhalt, von dem nicht ausgesagt wird, ob, wann und wo, d.h. in welcher Welt, er stattfindet. M.a.W., das referentielle Argument wird nicht durch den Existenzoperator abgebunden, es ist vielmehr blockiert Die Ähnlichkeit des PAs mit dem Deklarativsatz läßt sich sicherlich zum Teil darauf zurückführen, daß dieser den Defaultfall darstellt: Bei den übrigen Satzmodi kommen weitere Operatoren hinzu, die den Existenzoperator und die Proposition in ihren Skopus nehmen und damit den Inhalt weiter von der bloßen Sachverhaltswiedergabe entfernen. Darüber hinaus spielt aber der Kontext eine wichtige Rolle, nicht zuletzt durch Existenzimplikaturen. Bei (13) Wir beziehen uns auf das heute Vormittag mit Ihnen geführte Telefongespräch über xxx. wird nicht nur die Existenz eines Telefongesprächs, sondern auch die durch das PA präzisierten Umstände dieses Gesprächs als gegeben vorausgesetzt. Bei (14) Ich möchte einen gut erzogenen Hund haben. wird die mögliche Existenz des betreffenden Objekts impliziert. Nur in ganz speziellen Kontexten ist, wie ich unten (3.2.) zeigen werde, eine andere Interpretation möglich und dann nur via Schlußfolgerung. Da das PA also weder einen Satzmodus hat noch Operatorphrasen wie wen enthalten kann, gibt es keinen Grund, eine satzwertige Konstruktion anzunehmen. Es handelt sich somit um eine Phrase, und zwar um eine VP in attributiver Funktion.

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Dem Auftreten von Modalpartikeln und Satzadverbien in einem PA kann dadurch Rechnung getragen werden, daß diese wie andere freie Adverbiale als Adjunkte der VP beschrieben werden.3 Demnach sieht die syntaktische Struktur des PAs, demonstriert an (15), wie folgt aus: (15) dieser ja leider nur in seiner Phantasie existierende Freund

(16)

ja'

leide

A

\

nur in seiner Phantasie



Ein wichtiger Unterschied zwischen PA und Sätzen ist, wie oben festgestellt wurde, daß das PA nie ein Subjekt enthalten kann. Wenn man davon ausgeht, daß die externe Argumentstelle, d.h. die zweite Argumentstelle von links, immer Subjekt wird, muß angenommen werden, daß diese Stelle im PA blockiert ist. Damit hängt wiederum zusammen, daß ein PA nur dann gebildet werden kann, wenn das externe Argument Referenzidentität mit dem Bezugsnomen aufweist. Das externe Argument wird also durch das Bezugsnomen mit repräsentiert. Die hier relevanten Unterschiede zwischen PA und entsprechenden Sätzen beziehen sich somit in erster Linie auf die Argumentstruktur, nämlich sowohl auf das referentielle als auch auf das externe Argument. Für die Bildung eines Partizips I mit Hilfe des Formativs (e)nd läßt sich folgende Regel aufstellen, aus der sich die Blockierung der externen Argumentstelle ergibt: (17) /-(e)noV; +V-Finit+Part ;

[P e]

Daß das flektierte Partizip durch seine morphologischen Merkmale dem Adjektiv näher steht als das finite Verb kommt in der Kategorisierung dadurch zum Ausdruck, daß der Wert N neutralisiert ist. Vgl. die Kategorisierung des Verbs +V-N bzw. die des Adjektivs +V+N. Die referentielle Argumentstelle des Verbs ist auch beim Partizip zunächst notwendig, damit Modifikatoren angeschlossen werden können. Sie wird also vererbt. Wenn alle VP-Konstituenten integriert sind, wird auch diese Argumentstelle blockiert. Das kann durch eine Interpretationsregel ermöglicht werden, die zugleich als Binder für die blockierte externe Argumentstelle einführt. Diese Regel läßt sich durch (l 8) wiedergeben: (18)

Dabei ist die Argumentstelle XQ folgendermaßen zu adressieren: Ormelius [in diesem Band] diskutiert die Frage, ob die Modalpartikeln mit unbetonten Pronomina zusammen in der Wackemagelposition direkt nach 1° stehen. Aufgrund von Wortstellungsregularitäten kommt sie jedoch zu dem Schluß, daß für die Modalpartikeln eine eigene Position im Mittelfeld anzusetzen ist (s. auch BRRZ 1992:71ff.). Dies stützt meine Annahme, daß das PA keinen Satzmodus hat. Daß die wenigen im PA auftretenden Modalpartikeln mit dem Deklarativsatzmodus kompatibel sind, ist kein Argument dagegen. Diese Tatsache läßt sich aus dem Defaultcharakter des Deklarativsatzes erklären.

199

(19) +V-Finit+max Die in (18) angegebene semantische Operation ist also auf die maximale Projektion der Partizipialgruppe anzuwenden. Die Blockierung der referentiellen Argumentstelle und die Einführung von bedeuten zugleich, daß das PA Prädikatstatus hat und nicht als Träger einer selbständigen Proposition auftreten kann. Auf die Frage, wie sich RS in dieser Hinsicht verhalten, werde ich in 2.2.4. eingehen. Der RS (als Satz mit Satzmodus) und das PA (als Phrase ohne Satzmodus) stellen somit zwei sehr unterschiedliche Konstruktionen dar. Die Frage ist nun, welche Konsequenzen dies für die Relation der beiden Modifikatortypen zum Modifikanden (und damit zum Matrixsatz) hat. Inwiefern sind die beiden Konstruktionen in bezug auf diese Relation vergleichbar, inwiefern weisen sie Unterschiede auf? Auf welche Ebene(n) der Sprachbeschreibung gehören die eventuellen Unterschiede? Inwiefern korrelieren die grammatischen Funktionen mit pragmatischen? Diese Fragen werde ich im folgenden zu beantworten versuchen, wobei ich mit den grammatischen Relationen anfange. 2.2. Die Relation Modifikator - Modifikand 2.2.1. Trotz der oben beschriebenen formalen Unterschiede können sich RS und PA oft nicht nur isoliert betrachtet, sondern auch im Satzkontext ersetzen. Beispiele: (20) (21) (22) (23)

Der zuletzt erschienene Roman spielt in Italien. Der Roman, der zuletzt erschienen ist, spielt in Italien. Er hat eine von allen bewunderte Frau. Er hat eine Frau, die von allen bewundert wird.

Der grammatische Unterschied zwischen Sätzen wie (20) und (21) bzw. (22) und (23) scheint in erster Linie syntaktisch relevant zu sein. Die Austauschbarkeit läßt auf eine grammatische Äquivalenz in bezug auf die Relation zum Matrixsatz schließen. Das gilt aber offensichtlich nicht generell. Es treten auch Unterschiede in der Verwendung der beiden Konstruktionen auf, die sich schwer erklären lassen, wenn man vollständige grammatische Äquvalenz zwischen RS und PA annimmt. Ich werde in die Diskussion dieser Unterschiede auch Adjektivattribute (AA) mit einbeziehen, weil sie, wie oben festgestellt, im Prinzip mit PA übereinstimmen und weil das AA in der neuesten Literatur ausführlicher behandelt worden ist als das PA. Dabei möchte ich besonders auf Heidolphs Arbeit über die adjektivische Modifizierung (1992) hinweisen, auf die ich im folgenden mehrmals zurückkommen werdet Fünf Punkte sollen hier aufgegriffen werden: 1. Der bestimmte Artikel bei sonst artikellosen Eigennamen, z.B. Personennamen: (24) Hans, der seit vielen Wochen verschwunden ist (25) der Goethe, der den Werther schrieb - der Goethe, der Wilhelm Meister schrieb. Ich sehe hier von den Adjektivattributen ab, die nominalen Attributen mit Argumentstatus entsprechen und deren Modifikatprstatus deshalb angezweifelt werden kann. Es handelt sich dabei in erster Linie um sog. Bezugsadjektive wie polizeiliche Bewachung, diplomatische Vertretung.

200

(26) der seit vielen Wochen verschwundene Hans (27) der junge Goethe - der alte Goethe Ein Personenname steht als Bezugsnomen eines RS in der Standardsprache normalerweise ohne Artikel, so in (24). Ausnahmen bilden nur Fälle wie (25), wo der RS restringierende Funktion hat, d.h. den Referenzbereich des Bezugsnomens einschränkt. Bei PA und AA dagegen ist der Artikel in der Regel obligatorisch. Dies gilt auch für Fälle wie (26), obwohl es sich hier um ein nichtrestringierendes (appositives) Attribut handelt, eine sog. zusätzliche Erläuterung. Heidolph (1992:76) hat hier gewisse Schwierigkeiten, den obligatorischen Artikel zu erklären. Er sieht eine eventuell mögliche Erklärung darin, daß der Artikel die schwache Flexion garantieren soll, weist aber auch auf Fälle wie (28) hin, wo der Artikel fehlt und das Adjektiv stark flektiert wird. (28)

Armer Hans! /Liebe Karin!

2. Bezug des Attributs auf ein persönliches Pronomen: (29) er, der ihr sehr ähnlich ist (30) *der ihr sehr ähnliche er (31) *der ihr sehr ähnelnde er

(Heidolph 1992:76) (Heidolph a.a.O.)

RS können sich in Sätzen wie (29) auf ein persönliches Pronomen beziehen, entsprechende PA/AA dagegen nicht. Heidolph (a.a.O.) führt diese unterschiedliche Akzeptabilität darauf zurück, daß der RS eindeutig restringierende oder nichtrestringierende Funktion hat, während das AA in dieser Beziehung mehrdeutig ist. Diese Erklärung leuchtet aber nicht recht ein. Warum sollte gerade das Personalpronomen ein eindeutiges Attribut verlangen? Außerdem: Wie erklärt man dann die Kombination von Pronomen und nachgestelltem PA/AA in Fällen wie den folgenden? (32) Wir arbeitenden (33) Dirjungen Auf solche Fälle geht Heidolph nicht ein. 3. Die Kompatibilität mit Modalpartikeln: Wie schon einleitend festgestellt wurde, gibt es starke Restriktionen für Modalpartikeln in PA. In folgenden Fällen sind die Modalpartikeln z.B. nicht mit den PA/AA kompatibel, während die entsprechenden RS sie zulassen:5 (34) (35) (36) (37) (38) 5

Sie verließ ihren Franz, den sie doch heiß liebte, und fuhr in die Stadt. *Sie verließ ihren doch heiß geliebten Franz und fuhr in die Stadt. Müller, der ja alt ist, sollte nicht so hart arbeiten. *Der ja alte Müller sollte nicht so hart arbeiten. Er setzte sich auf die Bank, die ja frisch gestrichen war.

Zur Verwendung von Modalpartikeln in Nebensätzen s. Hentschel (1986:221ff.), Thurmair (1989:80f.), Brandt (1990:95ff.)

201

(39)

*Er setzte sich auf die ja frisch gestrichene Bank.

4. Ich habe oben auf drei deutliche Unterschiede zwischen PA/AA und RS hingewiesen. In anderen Fällen besteht eher eine Präferenz für die eine Konstruktion. So scheint das PA/AA in folgenden Sätzen - ohne Modalpartikel (vgl. (34)-(37)) - "normaler" als der RS: (40) (41) (42) (43)

?Sie verließ ihren Franz, den sie liebte, und fuhr in die Stadt. Sie verließ ihren geliebten Franz und fuhr in die Stadt. ?Ich habe heute Müller, der alt ist, gesehen. Ich habe heute den alten Müller gesehen.

Auch in Fällen wie den folgenden scheint der RS fehl am Platze zu sein: (44) ?Sie legte die Kartoffeln in Wasser, das kochte. (45) Sie legte die Kartoffeln in kochendes Wasser. (46) ?Er fotografierte die Sonne, die unterging. (47) Er fotografierte die untergehende Sonne. (48) ?Wir aßen Fischfilet, das gebacken war. (49) Wir aßen gebackenes Fischfilet. Offensichtlich gibt es in Fällen wie diesen also eine Präferenz für PA. Oft bilden Partizip und Nomen eine mehr oder weniger feste Verbindung, was bei RS selten vorkommt. Sicher spielen dabei stilistische und sprachökonomische Aspekte eine gewisse Rolle; da der betreffende RS jedoch in anderen Kontexten sehr wohl auftreten kann, scheint eine grammatische Erklärung notwendig. 5. Alle diese Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen RS und PA/AA deuten daraufhin, daß die beiden Konstruktionen in gewissen Fällen, aber nicht immer in bezug auf die Relation zum Matrixsatz äquivalent sind. Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man die Prosodie mit berücksichtigt. In seiner klassischen Arbeit über den Relativsatz (1960) nimmt Seiler identische Akzentuierungsverhältnisse für RS und PA/AA an. Wenn der RS einen Haupt- bzw. einen Nebenakzent trägt, würde also auch das entsprechende PA das tun und umgekehrt. Die Akzentuierungsverhältnisse werden der Gliederung der Attribute in zwei Hauptklassen zugrundegelegt, die mit den semantisch begründeten traditionellen Kategorien restringierende und nichtrestringierende Attribute zusammenfallen. Seilers Annahmen treffen jedoch, wie die folgenden Beispiele zeigen, nur teilweise zu. (50) (51) (52) (53) (54) (55) (56) (57)

(Ich hab Hunde sehr gem. Nur) BELlende Hunde mag ich nicht. (Ich hab Hunde sehr gem. Nur) Hunde, die BELlen, mag ich nicht. Bellende HUNde kenne ich, (bellende KATzen nicht.) HUNde, die bellen, kenne ich, (KATzen, die bellen, nicht.) Ich hörte dem singenden HANS zu. Ich hörte HANS, der SANG, zu. Er fotografierte die untergehende SONne. ?Er fotografierte die SONne, die UNterging.

Bei den Satzpaaren (50)-(51) bzw. (52)-(53) weisen die beiden Konstruktionen ein identisches Akzentuierungsmuster auf. Es gibt jeweils einen Hauptakzent, der im einen Fall auf dem Attribut liegt, im anderen Fall auf dem Bezugsnomen. Bei (54)-(57) gibt es jedoch einen wesentli-

202

chen Unterschied zwischen RS und PA: Während der Satz mit einem PA nur einen Hauptakzent hat, enthält das RS-Gefüge ganz deutlich zwei Hauptakzente. Dabei handelt es sich nicht um sog. minimale Projektion mit Kontrastakzenten o.dgl. Beide Teilsätze scheinen vielmehr maximale Projektion und ganz normale Satzakzente aufzuweisen (s. dazu Höhle 1982, Rosengren 1991, Uhmann 1991). Mit der Akzentuierung korreliert nun auch der Intonationsverlauf: Beim PA in (54) und (56) weist der Satz als Ganzes e i n e Intonationskontur, d.h. einen einheitlichen Intonationsverlauf, auf. Bei den RS-Gefügen in (55) und (57) lassen sich dagegen zwei Intonationskonturen unterscheiden. Wir können also feststellen, daß die prosodischen Verhältnisse nicht so eindeutig mit der Gliederung in restringierende und nichtrestringierende Attribute korrelieren wie von Seiler und anderen Forschem angenommen, sondern offensichtlich auch die Form des Attributs eine Rolle spielt. Daß Sätze wie (44), (46) und (48) als abweichend oder nicht üblich zu bezeichnen sind, scheint also damit zu tun zu haben, daß die RS-Form mit einer durch Akzentuierung und Intonationsverlauf bewirkten Hervorhebung des RS-Inhalts verbunden ist, die beim entsprechenden PA im Normalfall nicht vorliegt. Dies bedeutet wiederum, daß informationsstrukturelle Erscheinungen wie die Fokus-Hintergrund-Gliederung für die Wahl der Attributsform relevant sein könnten. Solche Erscheinungen sind nicht zur Grammatik im engeren Sinne zu zählen; nach dem hier angewandten Modell (s.o. 1.) gehören sie zur Pragmatik. Ich nehme also vorläufig an, daß der grammatische Unterschied zwischen RS und PA/AA ganz oder teilweise mit einem pragmatischen Unterschied korreliert. Im folgenden Abschnitt soll dem grammatischen Unterschied nachgegangen werden, anschließend dem pragmatischen. 2.2.2. Die oben festgestellten grammatisch bedingten Unterschiede im Verhalten der PA/AA einerseits und der RS andererseits können nicht nur auf die unterschiedliche Form der beiden Attributstypen zurückgeführt werden, denn es gibt auch Ähnlichkeiten zwischen gewissen RS und PA sowie Unterschiede zwischen RS-Typen. Die Erklärung muß also in der syntaktischsemantischen Struktur gesucht werden. Es scheint plausibel, daß es sich dabei nicht um die (isoliert betrachtete) Struktur des Modifikators bzw. des Modifikanden handelt, sondern um die Relation dieser beiden Einheiten zueinander. Meine Hypothese ist, daß die Unterschiede mit der F o r m der V e r k n ü p f u n g des Modifikators an den Modifikanden (und damit an den Matrixsatz) zu tun haben. Es geht demnach um die Erscheinung, die man im Anschluß an Rutherford (1970) restriktive bzw. nichtrestriktive Verknüpfung und im Anschluß an Bierwisch (1988) asymmetrische bzw. symmetrische Verknüpfung nennt. Unter restriktiver oder asymmetrischer Verknüpfung ist eine grammatische Verknüpfung zu verstehen, bei der der eine Teil (z.B. ein Modifikator) als syntaktisch und semantisch untergeordnet angesehen werden kann. Bei der nichtrestriktiven oder symmetrischen Verknüpfung lassen sich die beiden Teile (z.B. Modifikator und Modifikand) als in gewisser Hinsicht nebengeordnet oder gleichwertig interpretieren. In welcher Hinsicht nun bei der Verknüpfung von Modifikator und Modifikand von Nebenordnung oder Gleichwertigkeit die Rede sein kann,

203

darüber herrschen verschiedene Meinungen und große Unklarheit. Ich halte es deshalb für notwendig, hier ziemlich ausfuhrlich auf diese Begriffe einzugehen. Dabei werde ich mich mit zwei kürzlich erschienenen Arbeiten zu diesem Thema auseinandersetzen, nämlich Zimmermann (1992) und Heidolph (1992). Da beide Arbeiten Bierwischs Konzept modifizieren und weiterentwickeln, werde ich im folgenden die Bierwischsche Terminologie verwenden.** Bierwisch greift das Thema erstmals in einem Aufsatz über lokale Präpositionen (1988:9)7 auf. Dort wird die syntaktische Struktur (a) durch die semantische Formel (b) wiedergegeben. (58) (a) [N't N-Wolke] [p über Berlin]] (58) (b) [[CLOUD ]: [ [ ABOVE BERLIN]]] Zu dem Zeichen":" sagt Bierwisch: "the logical conjunction connecting the SF-structures of head and modifier is expressed [... ] by ':', which is a kind of connector, whose effect can best be understood by rendering it as 'such that' " (dt. derart, daß). Aus den weiteren Ausführungen geht hervor, daß diese Beschreibung sowohl für attributive als auch für adverbielle Modifizierung gelten soll: Eine Wolke liegt über Berlin - die Wolke über Berlin. In späteren Arbeiten von Bierwisch und besonders von Zimmermann wird die Beschreibung der asymmetrischen Konjunktion präzisiert und daneben auch die Kategorie symmetrische Konjunktion (bezeichnet durch das Zeichen " ") eingeführt und erläuten. Zimmermann stellt in einem Aufsatz über den Skopus der Modifikatoren (1992) ihr Konzept ausführlich dar. Dabei geht sie davon aus, daß sich die Begriffe asymmetrisch und restringierend sowie die Begriffe symmetrisch und nichtrestringierend (appositiv) vollständig decken (1992:256). Asymmetrisch verknüpft ist demnach ein Modifikator, der den Referenzbereich des Modifikanden einschränkt, symmetrisch verknüpft sind alle anderen Modifikatoren. Dies bedeutet, daß die Distinktion lasymmetrisch eine rein semantische ist: Typisch für die symmetrische Modifikation sei die Gleichwertigkeit von Modifikator und Modifikand in der Charakterisierung des Referenten (1992:262). Zimmermann (1992:253f.) nimmt für DPs folgende D-Struktur an:

In anderen Arbeiten (Brandt 1989, 1990) habe ich mich der Terminologie Rutherfords bedient Ich möchte hervorheben, daß die neue Terminologie nicht mit einem neuen theoretischen Standpunkt verbunden ist, sondern in erster Linie praktische Gründe hat. Vor allem möchte ich einer Vermischung der Begriffe trestriktiv (= lasymmetrisch) und ^restringierend vorbeugen. Bei Rutherford war die terminologische Ähnlichkeit kein Problem, weil er nur Adverbialsätze untersuchte und sich dabei für andere Aspekte als ihre eventuelle restringierende Funktion interessierte. In diesem Zusammenhang sei auch auf Pasch (1983) hingewiesen, die sich mit deutschen Kausalsätzen beschäftigt und dabei Rutherfords Konzept weiter entwickelt. Der Terminus "asymmetrisch" erscheint allerdings erst später, in Bierwisch (1988) wird die Erscheinung nur durch das Zeichen ":" beschrieben.

204

... = Positionen für appositive Modifikatoren die SpecKonstituente

restriktive8 und appositive Modifikatoren Argumente und restriktive Modifikatoren Was die Modifikatoren betrifft, sind für sie in der DP-Struktur drei verschiedene Positionen vorgesehen, nämlich als DP- und N'-Adjunkte sowie Schwestern von N. Die letztere Position wird für Attribute angenommen, die adverbiellen Gradangaben entsprechen. Da PA wohl kaum in dieser Position auftreten, sehe ich hier von ihr ab und diskutiere nur die beiden Adjunktpositionen. Nach Zimmermann können RS sowohl in der oberen wie in der unteren Position vorkommen, wobei die nichtrestringierenden RS als DP- und die restringierenden als N'-Adjunkte auftreten. Die PA/AA stellen dagegen aufgrund ihrer oberflächenstrukturellen Eigenschaften immer N'-Adjunkte dar.9 Zimmermanns Gliederung dieser Attribute kann also wie folgt wiedergegeben werden: (60)

Attributive Modifikatoren

I

l

1 -restring. = symmetr.

+restring. = asymmetr.

I

I

N'-Adjunkte

N'-Adjunkte

DP-Adjunkte

(PA/AA/RS)

(PA/AA/RS)

(RS)

Bei der Beschreibung der Semantischen Form (SF), nimmt Zimmermann (1992:255ff.) für die restringierenden Attribute an, daß die externe Argumentstelle des Modifikators und die referentielle Argumentstelle des Modifikanden unifiziert werden. Was die nichtrestringierenden pränominalen N'-Adjunkte betrifft, diskutiert sie die Frage, ob diese Argumente ebenso behandelt werden sollen, oder ob für sie eine andere Beschreibung notwendig ist. Sie schlägt zwei alternative Interpretationsmöglichkeiten vor. Der erste Vorschlag läuft darauf hinaus, daß die Bedeutung der PA/AA in situ mit der Bedeutung des Modifikanden verarbeitet wird, wobei Modifikator und Modifikand nicht durch das asymmmetrische Konnektiv ":", sondern durch das symmetrische Konnektiv " " Die Termini 'restriktiv' und 'restringierend* werden von Zimmermann synonym verwendet Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Vater (1986:140).

205 verknüpft werden. Ein "minimaler Bedeutungsunterschied" besteht demnach zwischen restringierenden/asymmetrisch verknüpften und nichtrestringierenden/symmetrisch verknüpften Attributen. Der zweite Vorschlag sieht vor, daß die betreffenden nichtrestringierenden PA/AA nicht in situ verarbeitet werden, sondern spätestens in LF aus dem Skopus des Determinators herausgehoben werden. Diesen Vorschlag, der auf Heidolph (1992:76f.)10 zurückgeht, verbindet Zimmermann mit der Idee, daß sich die nichtrestringierenden Attribute eventuell als selbständige Propositionen - nicht als Prädikate wie die restringierenden Modifikatoren - betrachten lassen (Zimmermann 1992:263f.). Als selbständige Propositionen seien die betreffenden Attribute nur jenseits der Operationsdomäne von D und I interpretierbar. Dies bedeutet, daß sie zwar syntaktisch untergeordnet sind, semantisch jedoch verselbständigt werden müssen. Die Verselbständigung kommt dann dadurch zustande, daß die externe Argumentstelle des Modifikators (s.o. (16) und Zimmermann 1992:253) blockiert wird, so daß keine Unifizierung dieser Argumentstelle mit der referentiellen Argumentstelle des Modifikanden möglich ist. Es ergibt sich stattdessen eine propositionale Struktur mit einer ungebundenen Variablen, die als koreferentiell mit der Bezugsphrase indiziert wird. Diese propositionale Struktur ist semantisch nicht in situ unterzubringen, sondern muß desintegriert werden, was durch die von Heidolph vorgeschlagene Hebung geschieht. Heidolph stellt die Hebung folgendermaßen dar:

(61)

DAP

D' D°

NP

AP

N1

Heidolph zählt selbst die vielen Probleme auf, die mit der Annahme einer Hebung verbunden sind, vor allem, daß sie in keine der gewöhnlich angenommenen Arten von BewegungsprozesHeidolph (1992:63) nimmt allerdings anders als Zimmermann an, daß Modifikatoren generell asymmetrisch verknüpft werden. Das für die asymmetrische Modifizierung Typische ist nach Heidolph ein Implikationsverhältnis, feststellbar durch einen Negationstesi: Modifikatoren jeder An stehen nach ihm im Skopus der Negation. Dies trifft aber offensichtlich nicht generell zu. In gewissen Fällen, und zwar besonders bei Nebensatzpaaren, weist der Negationstest eindeutig auf einen Skopusunterschied hin:

(i)

Ich meine nicht den Mann, der mit Louise tanzt, sondern den, der mit Ingrid redet

(ii) (iii) (iv)

Ich meine nicht Wilhelm, der ja überhaupt nicht da war, sondern Karl. (Warum trinkt er? -) Er trinkt nicht, weil er unglücklich ist, sondern einfach, weil es ihm schmeckt (Warum trinkt er nicht? -) Er trinkt nicht, weil er unglücklich ist.

Vgl. Ladd (1980:146), der - für das Englische - auf einen intonatorischen Unterschied zwischen Äußerungen wie (iii) und (iv) hinweist und F6ry (1992: 51 ff.), die entsprechende adverbielle Infinitivsätze diskutiert Nach dem Negationstest müßten (i) bzw. (iii) als asymmetrisch und (ii) bzw. (iv) als symmetrisch verknüpft bezeichnet werden. Es scheint mir jedoch höchst unklar, welche Klasse von Attributen mit dem Negationstest erfaßt wird und ob er generell anwendbar ist Deshalb werde ich ihn hier außer Acht lassen.

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sen einordnen läßt. Er schlägt jedoch eine Lösung vor, indem er annimmt, daß es in der Bedeutung von N1 (eventuell bereits in der von N°) oder aber in der Bedeutung des Adjektivs selbst eine Komponente E gibt. Die Anwesenheit dieses Elements schließt die Adjektivbedeutung von der Amalgamierung aus und führt so die Hebung herbei. Die Hebungsoperation ist bei Heidolph notwendig, um restringierende und nichtrestringierende Attribute voneinander zu unterscheiden. Beide sind, wie oben erwähnt, nach ihm asymmetrisch (durch das Konnektiv ":") verknüpft. Zimmermann, die ja auf jeden Fall durch die unterschiedlichen Konnektive zwischen restringierenden und nichtrestringierenden Attributen unterscheidet, kann sich leisten, in bezug auf die Hebung vorsichtiger zu sein. Auch was die Ansetzung einer selbständigen Proposition betrifft, legt sie sich auf den obigen Vorschlag nicht fest. Ein alternativer Vorschlag läuft darauf hinaus, daß nicht alle, sondern nur ein Teil der nichtrestringierenden Attribute als Träger von selbständigen Propositionen gelten soll. Es handelt sich dabei um diejenigen Attribute, die eine selbständige Fokus-Hintergrund-Gliederung (FHG) aufweisen und damit im Sinne von Brandt (1990) selbständige Informationseinheiten darstellen (zu diesem Begriff s. unten, 3.1.). Die beiden Alternativen lassen sich an folgendem Beispiel demonstrieren: (62) Der junge Dirigent der Brandenburgischen Philharmonie, den du ja wohl auch sehr schätzt, ist ausgezeichnet worden. (Zimmermann 1992:252) Hier hat sowohl das Adjektiv junge als auch der RS nichtrestringierende Funktion; sie sind also nach Zimmermann gleichwenig mit dem Modifikanden in der Charakterisierung des Referenten. Syntaktisch ist das Adjektiv an N' und der RS an DP adjungiert. Nach Zimmermanns alternativen Vorschlägen sind nun entweder beide Attribute als Träger von selbständigen Propositionen zu betrachten oder nur der RS, der eine selbständige FHG aufweist. 2.2.3. Zimmermanns Vorschlag liegt die Annahme zugrunde, daß bei der attributiven Modifizierung die Begriffspaare lasymmetrisch und irestringierend vollständig korrelieren. Daraus ergeben sich verschiedene Konsequenzen. Vor allem läßt sich die sonst angenommene Abbildbarkeit der Syntax auf die Semantik nicht aufrechterhalten, sondern die Verknüpfung wird als ein im Prinzip semantisches Phänomen beschrieben. Dies führt wiederum zu einer gewissen Vagheit des Konzepts, so daß in bezug auf zentrale Begriffe wie Asymmetrie/Symmetrie, Skopus des Artikels und die Ansetzung einer Proposition alternative Lösungen möglich sind. Ich werde hier kurz auf diese Fragen eingehen, ehe ich einen anderen Vorschlag skizziere. Den Begriff symmetrische Verknüpfung assoziiert man wohl in erster Linie mit der Koordination, die eine Verknüpfung von syntaktisch und semantisch gleichwertigen Teilen darstellt. In dem Sinne wie die Koordination kann die Verknüpfung eines Modifikators aber nie völlig symmetrisch sein; der Modifikator ist auf jeden Fall mindestens syntaktisch untergeordnet. Nach Zimmermann handelt es sich wie gesagt bei der Dichotomic ±asymmetrisch um eine semantische (evtl. eine logisch-semantische) Erscheinung. Der für ihre verschiedenen Vorschläge gemeinsame Nenner ist die Gleichwertigkeit des Modifikators mit dem Modifikanden in der Charakterisierung des Referenten bei der symmetrischen Verknüpfung. Die Annahme

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einer solchen Gleichwertigkeit (und die Verwendung des Konnektors " ") leuchtet aber m.E. nicht recht ein. Ist es nicht gerade typisch für die Modifizierung, daß Modifikator und Modifikand n i c h t in der Charakterisierung des Referenten gleichwertig sind, sondern der Modifikator die durch den Modifikanden ausgedrückte Charakterisierung weiter präzisiert?11 (Als eine Ausnahme wären allenfalls Appositionen wie (Wien,) die Hauptstadt Österreichs anzusehen, bei denen die beiden Ausdrücke wirklich alternative Bezeichnungen eines Objekts darstellen). Der Begriff Skopus des Artikels ist ebenfalls problematisch. Dieser Begriff kann natürlich nur dann, wenn man Heidolph folgt und für die nichtrestringierenden Attribute eine Hebung in LF annimmt, an die restringierende Modifizierung geknüpft werden. Was ist aber darunter zu verstehen, wenn keine Hebung angenommen wird und die nichtrestringierenden Attribute in situ, d.h. im Skopus des Artikels bleiben? Auch die Frage, welche sprachlichen Einheiten als Träger von selbständigen Propositionen zu betrachten sind, hat, wie aus Zimmermanns Darstellung hervorgeht, keine eindeutige Antwort. Zimmermanns eigene Vorschläge überzeugen aber beide nicht recht. Der erste Vorschlag- daß alle nichtrestringierenden Attribute Träger von selbständigen Propositionen sein sollten scheint mir kontraintuitiv; es leuchtet nicht recht ein, daß ein Adjektiv me junge in (62) semantisch selbständig und vergleichbar mit einem RS wie dem im selben Beispielsatz sein sollte. Gegen den zweiten Vorschlag, daß die Informationseinheit und die damit verbundene FokusHintergrund-Gliederung für den propositionalen Status entscheidend sein sollten, spricht wiederum, daß es sich hier um primär pragmatische Begriffe handelt. Die Informationseinheit ist der Träger einer Information über einen Sachverhalt. Sie kann als die Basiseinheit der Informationsstruktur betrachtet werden, während es sich bei der Proposition um eine essentiell semantische Einheit handelt. Bei einer modularen Betrachtungsweise müssen diese Einheiten unabhängig voneinander definiert werden. (Auf diese Frage komme ich in 3. l. zurück). Die hier angeschnittenen Probleme lassen sich zum großen Teil vermeiden, wenn man den Gedanken an eine völlige Korrelation zwischen den Kategorien lasymmetrisch und ±restringierend aufgibt. Dann kann vor allem die Abbildbarkeit der Syntax auf die Semantik aufrechterhalten werden, was eine Präzisierung der Beschreibung ermöglicht. Diese Lösung setzt jedoch voraus, daß die beiden Begriffspaare wirklich unabhängig voneinander definierbar sind. Ich werde hier zu zeigen versuchen, daß dies möglich ist, und zwar im Prinzip im Rahmen der von Bierwisch und Zimmermann ausgearbeiteten Theorie. Die Annahme, daß die beiden Begriffspaare nicht vollständig korrelieren, erscheint auf jeden Fall berechtigt, denn wir haben es ganz klar mit zwei unterschiedlichen Erscheinungen zu tun. Die erste ist die Form der grammatischen Verknüpfung von Modifikator und Modifikand, die zweite die Art der Modifizierung, der Einwirkung des Modifikators auf den Modifikanden. Die Verknüpfung kann asymmetrisch oder symmetrisch sein, die Modifizierung restringierend oder

11

Insofern kann Heidolphs Standpunkt, die Modifizierung sei per se eine asymmetrische Erscheinung, berechtigt erscheinen.

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nichtrestringierend. Es wird sich zeigen, daß diese beiden Begriffspaare nicht immer empirisch zusammenfallen. Im folgenden werde ich zunächst (in 2.2.4.) die Verknüpfungsform behandeln und dann (in 2.2.5.) die Art der Modifizierung. 2.2.4. Die Differenzierung zwischen Verknüpfungsform und Art der Modifizierung ermöglicht es, die Verknüpfungsform als eine syntaktisch-semantische Erscheinung zu beschreiben. Syntaktisch kommt sie durch die Position des Attributs zum Ausdruck: Das asymmetrisch verknüpfte Attribut tritt als N'-Adjunkt auf, das symmetrisch verknüpfte als DP-Adjunkt. Dies bedeutet, daß sämtliche PA und AA, die ja generell als N'-Adjunkte zu betrachten sind (s.o.), asymmetrisch verknüpft werden, während bei RS beide Verknüpfungsformen vorkommen. Für die Logische Form bedeutet die Annahme einer Parallelität mit der S-Struktur, daß eine Hebung gewisser Attribute aus dem Skopus des Artikels ausgeschlossen ist. Sämtliche N'Adjunkte bleiben in LF in situ und stehen somit im Skopus des Artikels, während die DPAdjunkte wiederum schon durch ihre syntaktische Position außerhalb des Artikelskopus stehen. Demnach hat der Begriff Skopus des Artikels nichts mit der restringierenden Funktion zu tun. Daß das Attribut im Skopus des Artikels steht, ist vielmehr kennzeichnend für die Position als N'-Adjunkt und somit für die asymmetrische Verknüpfung. Für die Plausibilität dieser Interpretation spricht der obligatorische Gebrauch des Artikels bei attribuierten, sonst artikellosen Eigennamen (s.o. 2.2.1.). Wenn man annimmt, daß der Artikel (u.a.) dazu dient, die asymmetrische Verknüpfung des Attributs zu indizieren, erklärt dies, warum der Artikel nicht nur bei restringierenden Attributen wie in der Goethe, der..., sondern auch bei nichtrestringierenden wie in der alte Meyer notwendig ist. Der Artikel hält sozusagen die DP zusammen und markiert dadurch die für die asymmetrische Verknüpfung charakteristische engere Bindung des Modifikators an den Modifikanden.12 Daß ein Attribut nicht im Skopus des Artikels steht, heißt auch, daß es eine gewisse semantische Selbständigkeit aufweist. Dieser semantischen Selbständigkeit des symmetrisch verknüpften Attributs kann nun dadurch Rechnung getragen werden, daß hier und nur hier eine selbständige Proposition angesetzt wird. D.h., die Verselbständigung als Proposition wird durch die syntaktische Position als DP-Adjunkt ermöglicht und korreliert damit.13 Asymmetrisch verknüpfte Attribute stellen somit - wie schon oben (in 2.1.2.) für die PA angenommen - Prädikate dar. Die semantische Verarbeitung der Bedeutung des Modifikators mit der des Modifikanden in SF verläuft wie von Zimmermann beschrieben. Dabei erübrigt sich jedoch die Annahme unterschiedlicher Konnektoren, da der Unterschied zwischen asymmetrisch und symmetrisch verDaneben hat der Artikel natürlich auch die Funktion, auf die betreffende Person als kontextuell bekannt hinzuweisen. Die Artikellosigkeit vokativischer Ausdrücke wie Liebe Karin (s. 2.2.1.) hängt vermutlich damit zusammen, daß es sich hier nicht um einen solchen Hinweis handelt Interessant ist, daß im Schwedischen das entsprechende Adjektiv trotz des fehlenden Artikels schwach flektiert wird: Karin. Dies spricht gegen Heidolphs Hypothese, daß der Artikel notwendig ist, um die schwache Flexion zu garantieren. Von einem anderen theoretischen Konzept aus kommt Pasch (1987) im Prinzip zu der gleichen Lösung des Problems, wann ein unselbständiger Satz als Träger einer selbständigen Proposition anzusehen ist.

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knüpften Attributen schon aus der Position im bzw. außerhalb des Skopus des Artikels hervorgeht. Stattdessen kann für beide Verknüpfungsformen das Zeichen ":" benutzt werden, das einfach besagt, daß eine Modifizierung vorliegt. Damit löst sich auch das Problem der Verwendung von " ", das ja eigentlich die logische Konjunktion bezeichnet und deshalb auf semantisch völlig gleichwertige Elemente beschränkt werden sollte (s.o. 2.2.3.). Das hier skizzierte Modell gestattet also eine Präzisierung der Begriffe asymmetrische und symmetrische Verknüpfung: Ein asymmetrisch verknüpftes Attribut tritt syntaktisch als N'Adjunkt und semantisch als Prädikat auf, während ein symmetrisch verknüpftes Attribut syntaktisch als DP-Adjunkt und semantisch als Proposition fungiert. Charakteristisch für das symmetrisch verknüpfte Attribut ist somit, daß es eine gewisse syntaktische und damit semantische Selbständigkeit gegenüber dem Matrixsatz aufweist, die beim asymmetrisch verknüpften Attribut nicht vorliegt. Es ist aber nicht in dem Sinne dem Matrixsatz gleichwertig wie ein koordinierter Satz seinem Konjunkt gleichwertig ist. Eher nimmt es im Verhältnis zum koordinierten Satz bzw. zum asymmetrisch verknüpften Attribut eine Zwischenstellung ein. Syntaktisch ist es anders als der koordinierte Satz dem Matrixsatz untergeordnet, wobei es sich jedoch durch seine syntaktische Position vom asymmetrisch verknüpften Attribut unterscheidet. Semantisch ist es einerseits als Modifikator subordiniert, andererseits hat es als Träger einer selbständigen Proposition einen dem koordinierten Satz vergleichbaren Status. Das asymmetrisch verknüpfte Attribut ist dagegen in jeder Beziehung untergeordnet und unselbständig. Wie entscheidet man nun, ausgehend von der Oberflächenstruktur, welche Attribute symmetrisch und welche asymmetrisch verknüpft sind? Diese Frage ist bei den hier behandelten Attributstypen nur für die RS relevant, da ja alle PA/AA N'-Adjunkte und somit asymmetrisch verknüpft sind. Nur die RS lassen beide Verknüpfungsformen zu. Da die symmetrisch verknüpften RS aufgrund ihrer relativen Selbständigkeit mit selbständigen Sätzen vergleichbar sind, kann hier ein Hauptsatztest herangezogen werden. Wenn die Umwandlung des RS in einen syntaktisch selbständigen Hauptsatz möglich - und sinnvoll - ist, liegt symmetrische Verknüpfung vor, sonst asymmetrische Verknüpfung. Beispiele: (63) (64) (65) (66)

Ich verlasse mich auf Wilhelm, der sehr schnell arbeitet. Ich verlasse mich auf Wilhelm. Er arbeitet sehr schnell. Ich rede am liebsten mit Menschen, die etwas zu erzählen haben. ??Ich rede am liebsten mit Menschen. Sie haben etwas zu erzählen.

Dagegen lassen sich symmetrisch verknüpfte RS nicht immer durch k o o r d i n i e r t e Hauptsätze ersetzen. Die Koordination setzt wie gesagt vollständige Gleichwertigkeit der beiden Teile voraus (zum Koordinationstest s. Brandt 1990:56ff.). Die hier vorgeschlagene Gliederung der modifizierenden PA/AA und RS läßt sich durch folgenden Strukturbaum veranschaulichen:

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(67) CP

symmetrisch verknüpft (nur RS)

asymmetrisch verknüpft (PA/AA, RS)

2.2.5. In bezug auf das Begriffspaar ± r e s t r i n g i e r e n d schließe ich mich der traditionellen Definition an. Es handelt sich also um die Einschränkung bzw. Nicht-Einschränkung des Referenzbereichs des Modifikanden durch den Modifikator oder um die Spezifikation/Identifikation bzw. Charakterisierung des betreffenden Individuums (zur Terminologie s. z.B. Bergmann 1985). Was genau darunter zu verstehen ist bzw. wo die Grenze zwischen den beiden Kategorien verläuft, bleibt allerdings bei den Darstellungen dieser Erscheinung meistens etwas unklar. Dies ist m.E. darauf zurückzuführen, daß man nicht zwischen Verknüpfungsform und Modifizierungsart unterscheidet - was wiederum verständlich ist, da die RS, um die es bei der Beschreibung von Restriktivität und Nichtrestriktivität meistens geht, in dieser Hinsicht weitgehend zusammenfallen. Soviel ich sehen kann, gibt es nur eine Kategorie von RS-Gefügen, die asymmetrische Verknüpfung bei nichtrestringierender Modifizierung aufweist. Es handelt sich dabei um Sätze wie: (68) Es war einmal ein König, der drei Söhne hatte. (69) Herein kam ein Mann, der einen schwarzen Sack trug. (70) Im Auto saß eine Frau, die ich noch nie gesehen hatte. Typisch für diese Konstruktion ist, daß der Hauptsatz ein intransitives Existenzverb oder ein entsprechendes transitives Verb (wie finden, entdecken, sehen, kennen) und ein Nomen mit indefinitem Artikel enthält. Somit hat der Hauptsatz präsentative Funktion; er führt ein neues Individuum in die Handlung ein. Das betreffende Nomen steht am Ende des Hauptsatzes und wird durch einen darauf folgenden RS bestimmt, der für die weitere Handlung wesentliche Information enthält. Dieser RS tritt umgangssprachlich in anderer Form auf, nämlich als syntaktisch unselbständiger Verb-zweit-Satz: (71) Es war einmal ein König, der hatte drei Söhne. (72) Herein kam ein Mann, der trug einen schwarzen Sack. (73) Im Auto saß eine Frau, die hatte ich noch nie gesehen. Daß es sich hier wirklich um einen syntaktisch unselbständigen Verb-zweit-Satz handelt - und nicht um eine typographische Variante eines selbständigen Hauptsatzes - geht daraus hervor, daß die Konstruktion auch einen restringierenden RS ersetzen kann:

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(74) Es gibt Menschen, die mit nichts zufrieden sind. (75) Es gibt Menschen, die sind mit nichts zufrieden. Als ein weiteres Indiz für die asymmetrische Verknüpfung dieser Sätze kann die Tatsache angesehen werden, daß ein relatives Pronomen mit Objektsfunktion z.B. im Englischen und Schwedischen hier fakultativ ist: (76) In the car sat a woman (that) I had never seen before.

(77) I bilen satt en kvinna (som) jag aldrig hade sett förr. Bei eindeutig symmetrischer Verknüpfung kann das Pronomen nicht gestrichen werden. Nach Lehmann (1984:208) u.a. Forschern signalisiert die Weglassung des Relativs größere "Fügungsenge", was der Annahme einer asymmetrischen Verknüpfung entspricht. Abgesehen von dieser Konstruktion korrelieren wie gesagt die Kategorien ±asymmetrisch und irestringierend bei den modifizierenden RS vollständig. Dies bedeutet, daß die Kriterien für restringierende bzw. nichtrestringierende Funktion, die z.B. bei Becker (1978:11) aufgezählt werden, auf die Verknüpfungsform übertragbar sind. Hierher gehören u.a. lexikalische Merkmale: Pronomina wie derjenige, kein bzw. dieser, jener, die asymmetrische bzw. symmetrische Verknüpfung anzeigen, ferner Eigennamen, Unika und Personalpronomina der 1. und 2. Person, die im Normalfall nur symmetrische Verknüpfung eines RS zulassen. Ein eindeutiges Kriterium für restringierende Modifizierung und somit für asymmetrische Verknüpfung ist auch die kontrastierende Akzentuierung von Determinatoren und/oder gewissen anderen Elementen: (78) DER Mann, der DORT wohnt/der Mann, der DORT wohnt Die genannten Indikatoren sind jedoch nicht immer vorhanden. Besonders bei schriftlicher Wiedergabe und isoliert betrachtet sind RS-Gefüge in bezug auf Modifizierungsart und Verknüpfungsform oft ambig. So bei folgendem, von Ebert (1973:428) angeführtem Beleg: (79) Das Gespräch, das am Mittwoch zwischen führenden Vertretern der Gewerkschaft und der Arbeitgeberverbände stattfand, verlief für beide Seiten zufriedenstellend. Diese Ambiguität der RS ist als ein gelegentlicher Zusammenfall von zwei syntaktisch-semantisch differenzierten Formen zu betrachten. Mit den PA/AA verhält es sich anders. Ich habe oben angenommen, daß diese Attribute generell asymmetrisch verknüpft sind und daß die Verknüpfungsform eine syntaktisch-semantische Erscheinung ist. Aus der Beschreibung der Struktur in (67) und der Verwendung des Konnektors ":" sowohl für asymmetrische als auch für symmetrische Verknüpfung ergibt sich, daß keine weitere Differenzierung der pränominalen Attribute in SF möglich ist. Das heißt, es besteht in bezug auf die Art der Modifizierung eine systematische Mehrdeutigkeit, indem nicht nur SS unspezifiziert bleibt (wie von Heidolph angenommen), sondern auch LF und SF. Dies soll hier näher erläutert werden. Sehen wir uns einen Satz wie (80) an: (80) Bellende Hunde mag ich nicht.

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Wenn dieser Satz isoliert betrachtet wird, kann das PA bellende als restringierend oder nichtrestringierend interpretiert werden. Bei schriftlicher Wiedergabe läßt es sich erst durch den Kontext disambiguieren: (81) Bellende Hunde mag ich nicht. Andere Hunde habe ich gem. (restringierend) (82) Bellende Hunde mag ich nicht, aber Katzen habe ich gem. (nichtrestringierend) Bei mündlicher Wiedergabe spielt aber auch die Akzentuierung eine gewisse Rolle als Indikator der Modifizierungsart. So wird das PA in (81) stärker, das PA in (82) schwächer betont sein als das Bezugsnomen. Durch die Betonung des Attributs wird der Kontrast BELlende Hunde ANdere Hunde hervorgehoben, durch die Betonung des Bezugsnomens der Kontrast HUNde KATzen. Insofern trifft Heidolphs (1992:68) Annahme, das AA sei immer schwächer betont als das Bezugsnomen, nicht zu. Allerdings generalisiert auch Seiler (I960) zu sehr, wenn er davon ausgeht, daß das restringierende Attribut immer den Hauptakzent trägt (s.o. 2.2.1.). Die Verhältnisse sind in Wirklichkeit erheblicher komplizierter. Ohne im Detail auf sie eingehen zu können, möchte ich feststellen, daß das restringierende PA/AA in der Regel nur dann einen Hauptakzent hat, wenn es als einziges Element der DP kontrastiv fokussiert wird, d.h. in Fällen wie (81). Das Attribut kann jedoch sehr wohl den Referenzbereich einschränken und damit das betreffende Individuum identifizieren, ohne es kontrastiv hervorzuheben: (83) (Ich muß mich schnell umziehen.) Holst du mir bitte das blaue Hemd? (84) Wir beziehen uns auf unseren obengenannten Brief (und bitten...) (FAK) In solchen Fällen trägt das Attribut nicht oder nicht allein den Hauptakzent; bei (83) wird im Normalfall das Bezugsnomen Hemd am stärksten betont sein, während bei (84) die Betonung eher gleichmäßig auf Attribut und Bezugsnomen verteilt ist. Es kommt aber auch vor, daß ein anderes Element des Satzes (in (80) z.B. mag oder nicht) minimal fokussiert wird und die ganze DP unbetont oder schwächer betont ist. Femer kann auch ein nichtrestringierendes Attribut in bestimmten Fällen, z.B. bei metasprachlichen Korrekturen, einen starken Akzent tragen. Das heißt, die Akzentuierung wird von verschiedenen Faktoren determiniert und kann deshalb nicht als eindeutiges Kriterium der Modifizierungsart dienen. Die Interpretation der Modifizierungsart ist vielmehr direkt vom außer- und innersprachlichen Kontext abhängig, wobei u.a. der Akzent (bei mündlicher Wiedergabe) zur Disambiguierung beiträgt. Die Kontextabhängigkeit der Interpretation weist darauf hin, daß es sich bei der Dichotomic Irestringierend nicht um eine satzsemantische, sondern um eine textsemantische Erscheinung handelt. Dies bedeutet wiederum, daß der von Bierwisch (1979, 1980) etablierte Begriff der Äußerungsbedeutung hier zur Erklärung herangezogen werden kann. Die Festlegung der Äußerungsbedeutung eines Ausdrucks läßt sich als Spezifizierung der grammatisch determinierten Bedeutung unter Einwirkung des Aktualisierungskontexts beschreiben. Meistens bezieht man den Begriff Äußerungsbedeutung auf spezielle, lexikalisch begründete Erscheinungen, z.B. auf den von Bierwisch (1979) ausführlich diskutierten Unterschied zwischen wörtlicher und übertragener Äußerungsbedeutung bei idiomatischen Ausdrücken. Selbstverständlich kann er aber auch auf generelle Phänomene wie das hier aktuelle angewandt werden.

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Ich nehme also an, daß die grammatisch determinierte Bedeutung von PA/AA (wie von RS) nur in bezug auf die Verknüpfungsform spezifiziert ist. In bezug auf die Art der Modifizierung ist nicht nur die S-Struktur, sondern auch die Semantische Form unspezifiziert. Die grundlegende semantische Funktion, d.h. die grammatisch determinierte Bedeutung der betreffenden Attribute, läßt sich als C h a r a k t e r i s i e r u n g des durch das Bezugsnomen bezeichneten Individuums beschreiben. Im jeweiligen Aktualisierungskontext kann die Charakterisierung gegebenenfalls zur Einschränkung des Referenzbereichs des Nomens (d.h. zur Identifikation des betreffenden Individuums) dienen, was als der markierte Fall anzusehen ist. Die aktuelle restringierende oder nichtrestringierende Lesart wird im Normalfall durch den Kontext ausgelöst. Die betreffende Lesart kann allerdings auch durch lexikalische Mittel (in erster Linie Determinatoren wie kein, all, dieser, jener sowie Personalpronomina und unikale Bezugsnomina, s.o.) mehr oder weniger eindeutig indiziert werden.14 Dies ist aber m.E. kein Grund, die Modifizierungsart selbst in der grammatischen Beschreibung zu spezifizieren. Vielmehr ist die Fähigkeit der betreffenden lexikalischen Elemente, als Indikatoren aufzutreten, eine Folge ihrer speziellen Semantik und als solche im Lexikon zu erfassen. Durch die Erweiterung des Modells um die Ebene der Äußerungsbedeutung läßt sich zweierlei erreichen: Erstens erhält man eine plausible Erklärung der Mehrdeutigkeit der PA/AA in bezug auf die Modifizierungsart, zweitens kann die generelle Abbildbarkeit der Syntax auf die Semantik (SF) aufrechterhalten werden. Es ist somit nicht notwendig, die attributiven Modifikatoren als Ausnahmefälle zu beschreiben. 2.2.6. Nach dem oben Gesagten besteht der Hauptunterschied zwischen RS und PA darin, daß RS symmetrisch oder asymmetrisch verknüpft werden können, während die PA-Form nur asymmetrische Verknüpfung zuläßt. Folglich weisen die beiden Attributstypen nur in den Fällen dieselbe Verknüpfungsform auf, bei denen auch der RS asymmetrisch verknüpft ist. Dies führt nun dazu, daß sich die Verknüpfungsform meistens verändert, wenn die eine Konstruktion in die andere umgewandelt wird: ein asymmetrisch verknüpftes PA wird zu einem symmetrisch verknüpften RS und umgekehrt. Aus diesem syntaktisch-semantischen Unterschied zwischen RS und PA erklärt sich nicht nur der unterschiedliche Artikelgebrauch bei Eigennamen, der schon oben in 2.2.4. kommentiert wurde. Auch die übrigen in 2.2. l angeführten Daten lassen sich darauf zurückführen bzw. hängen damit zusammen. Ich werde hier nochmals kurz auf sie eingehen. Das p e r s ö n l i c h e P r o n o m e n wird in Fällen wie (85) er, der seiner Schwester sehr ähnlich ist (86) *der seiner Schwester sehr ähnliche er 14

Dagegen fehlt beim PA/AA interessanterweise der Determinate»· derjenige, der beim RS als eindeutiger Indikator der asymmetrischen Verknüpfung und der restringierenden Lesart den definiten Artikel ersetzen kann (s.o.). Ein solcher Indikator scheint also bei den PA/AA nicht notwendig zu sein, was mit ihrer generell asymmetrischen Verknüpfungsform zusammenhängen könnte: Wenn derjenige in erster Linie nicht restringierende Modifizierung, sondern asymmetrische Verknüpfung signalisiert, ist es bei den PA/AA überflüssig. In dieser Hinsicht läßt sich derjenige übrigens mit adverbiellen Korrelaten wie deshalb (weil) und dann (wenn) vergleichen, die ebenfalls nur bei der asymmetrischen Verknüpfung auftreten. S. dazu Brandt 1990:80ff.

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mit dem RS symmetrisch verknüpft. Weder ein asymmetrisch verknüpfter RS noch ein PA/AA ist hier möglich. Das heißt aber nicht, daß persönliche Pronomina nur symmetrisch verknüpft werden können: In Fällen wie (87) (87) Wir arbeitenden / Ihr jungen mit einem nachgestellten Partizip oder Adjektiv handelt es sich um asymmetrische Verknüpfung. Was die M o d a l p a r t i k e l n betrifft, können wir jetzt feststellen, daß sie in erster Linie in symmetrisch verknüpften Attributen auftreten. Deshalb kommen sie nicht selten in RS vor (s. Beispiele in 2.2.1.). Man könnte also meinen, daß für die Kompatibilität eines syntaktisch untergeordneten Ausdrucks mit Modalpartikeln dessen Status als Träger einer selbständigen Proposition entscheidend ist. Diese grammatische Erklärung reicht aber offensichtlich nicht aus, denn auch in PA sind Modalpartikeln ja nicht ganz ausgeschlossen: (88) Dieser ja leider nur in seiner Phantasie existierende Freund sollte ihm helfen. Daraus schließe ich, daß die Erklärung der unterschiedlichen Kompatibilität mit Modalpartikeln letztendlich nicht in der grammatischen, sondern in der pragmatischen Funktion von RS und PA zu suchen ist. Im nächsten Abschnitt komme ich auf diese Frage zurück. In Fällen wie (89) Er fotografierte die untergehende Sonne. (90) ?Er fotografierte die Sonne, die unterging. liegt beim PA asymmetrische Verknüpfung, aber nichtrestringierende Modifikation vor. Diese Kombination läßt sich außer in ganz speziellen Fällen (s.o.) nicht durch einen RS ausdrücken. Bei der Umwandlung des PAs in einen RS erhält man deshalb ein symmetrisch verknüpftes Attribut, das dem Modifikanden gegenüber zu selbständig ist, um angemessen zu sein. Was schließlich die Pros o die betrifft, kann konstatiert werden, daß die in 2.2.1. festgestellten prosodischen Unterschiede mit der Distinktion ±asymmetrisch korrelieren: Ein symmetrisch verknüpfter RS weist eine eigene Intonationskontur auf, während ein asymmetrisch verknüpfter RS intonatorisch in den Matrixsatz integriert ist. Letzteres gilt im Normalfall auch für alle PA/AA: die asymmetrische Verknüpfungsform kommt dadurch zum Ausdruck, daß der Satz als Ganzes eine einheitliche Intonationskontur aufweist. Es gibt allerdings eine Möglichkeit, dem PA/AA eine selbständige Intonationskontur zu geben. Dies geschieht in erster Linie durch parenthetische Intonation: indem das Tonregister gesenkt, erhöht oder anderswie verengt wird, markiert der Sprecher, daß die einheitliche Intonationskontur durch einen Einschub gebrochen wird.1^ Der eingeschobene Ausdruck erhält dabei eine eigene Intonationskontur und eigene Akzentuierung, was bei schriftlicher Wiedergabe durch die Zeichensetzung markiert werden kann: Weitere wichtige Kennzeichen der Parenthese sind nach Uhmann (1992:317ff.) ein schnelleres Sprechtempo und eine geringere Anzahl von Akzenten als im Vor- und Nachkontext. Auch Pausen können auftreten; sie sind jedoch - anders als oft angenommen wird - nicht obligatorisch und somit auch nicht als Hauptindikatoren der Parenthese zu betrachten.

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(91) diese - schon längst vergessene - Auseinandersetzung Es läßt sich somit feststellen, daß die Prosodie zwar weitgehend, aber nicht völlig mit der Verknüpfungsform korreliert und daß sich Intonationsverlauf und Akzentuierung der PA also nicht von der Grammatik aus erklären lassen. In 3.1. komme ich auf die Frage zurück, welche Funktion der Prosodie in diesem Zusammenhang eigentlich zukommt. 2.2.7. Die Ergebnisse der obigen Diskussion lassen sich wie folgt zusammenfassen. 1. In bezug auf attributive Modifikatoren ist zu unterscheiden zwischen der Art der Verknüpfung von Modifikator und Modifikand einerseits und der Art der Modifizierung andererseits. Die Verknüpfung kann asymmetrisch oder symmetrisch sein, die Art der Modifizierung restringierend oder nichtrestringierend. Die Dichotomic ±asymmetrisch ist im Verhältnis zu der Dichotomic ±restringiercnd als die übergeordnete und grundlegende anzusehen. Bei den Begriffen asymmetrische und symmetrische Verknüpfung geht es um die geringere oder größere syntaktische und semantische Selbständigkeit des Modifikators. Syntaktisch läßt sich die symmetrische Attribuierung als eine Adjunktion an DP und die asymmetrische als eine Adjunktion an N1 beschreiben; semantisch liegt ein Prädikat bzw. eine selbständige Proposition vor. 2. Bei dem Begriffspaar irestringierend handelt es sich um die Einschränkung oder Nicht-Einschränkung des Referenzbereichs des Modifikanden. Relevant ist diese Distinktion nur bei der asymmetrischen Modifikation, weil die symmetrisch verknüpften Modifikatoren nie restringierende Funktion haben. Es wurde dafür argumentiert, daß die Bedeutung des Modifikators in dieser Beziehung in LF und SF unspezifiziert bleibt und die Spezifizierung erst unter Einwirkung des Aktualisierungskontexts, d.h. auf der Ebene der Äußerungsbedeutung, erfolgt. 3. Das an verschiedenen Phänomenen demonstrierte unterschiedliche Verhalten von PA und RS erklärt sich daraus, daß die beiden Konstruktionen nur in gewissen Fällen - und zwar vor allem bei restringierender Funktion - auf die gleiche Art und Weise (nämlich asymmetrisch) mit dem Modifikanden verknüpft werden können. In allen anderen Fällen entspricht dem asymmetrisch verknüpften PA ein symmetrisch verknüpfter RS. Abschließend möchte ich den hier festgestellten prinzipiellen Unterschied zwischen Modifikatorsätzen und Modifikatoren in Form von Phrasen unterstreichen: Sätze erlauben sowohl asymmetrische als auch symmetrische Verknüpfung, Phrasen dagegen nur asymmetrische Verknüpfung. Dieser Unterschied ist zweifellos auf die unterschiedliche Form und das damit verbundene Fehlen bzw. Vorhandensein eines Satzmodus zurückführen: Symmetrische Verknüpfung eines Modifikators an den Modifikanden und damit an den Satz setzt offensichtiich normalerweise voraus, daß auch der Modifikator ein Satz (mit Satzmodus) ist. Wahrscheinlich stellen Appositionen wie (Wien), die Hauptstadt Österreichs und syntaktisch selbständige Partizipialkonstruktionen wie (Er starrte mich an,) die Augen weit aufgerissen Ausnahmen dar: es scheint sich bei ihnen um symmetrische Verknüpfung zu handeln (zu den Appositionen s.o. 2.2.3. und Zimmermann 1992:263).

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3.

Pragmatische Funktionen

3.1. Der infortnationsstrukturelle Aspekt 3.1.1. PA unterscheiden sich also grammatisch von RS, indem sie nur asymmetrisch verknüpft werden, während RS beide Verknüpfungsformen zulassen. Dies ist der Grund, weshalb sich die beiden Konstruktionen in vielen Fällen nicht ersetzen lassen, obwohl der lexikalische Inhalt identisch ist. Interessant sind nun die Fälle, bei denen trotz der unterschiedlichen Verknüpfungsform beide Konstruktionen möglich sind, z.B.: (92) Die Ausstellung, die in einem alten Schloß untergebracht ist, wird vom Bürgermeister eröffnet (93) Die in einem alten Schloß untergebrachte Ausstellung wird vom Bürgermeister eröffnet Daß (92) auch im Kontext durch (93) ersetzt werden kann und umgekehrt, ist m.E. auf die Informationsgliederung zurückzuführen. Um dies zu explizieren, werde ich den schon oben erwähnten Begriff Informationseinheit näher erläutern. Ein einfacher, syntaktisch selbständiger Satz dient in der Regel dazu, eine Information über einen Sachverhalt zu vermitteln: (94) Otto hat es gesagt. Mit diesem Satz wird der Hörer darüber informiert, wer etwas gesagt hat. Dieselbe Information kann jedoch auch durch einen komplexen Satz ausgedrückt werden, z.B. durch eine Herausstellungskonstruktion oder ein Satzgefüge mit einem restringierenden RS: (95) Otto ist es, der es gesagt hat (96) Der Mann, der neben mir saß, hat es gesagt. Dagegen handelt es sich bei folgendem Satzgefüge (mit einem symmetrisch verknüpften RS) um zwei Informationen, nämlich zum einen darüber, wer etwas gesagt hat, zum anderen darüber, wo sich diese Person befand. (97) Otto, der neben mir saß, hat es gesagt. Eine Information kann also entweder einen Einzelsatz oder mehr als einen Einzelsatz umfassen. D.h., es besteht keine Einszueinsrelation zwischen Satz und Information, sondern Einheiten mit unterschiedlichem grammatischem Status werden zur Vermittlung von Informationen verwendet (Außer Sätzen können auch einzelne Ausdrücke Informationen vermitteln; man denke etwa an Ja/Nein oder elliptische Phrasen als Antwort aufprägen). Die sprachliche Einheit, die eine Information umfaßt, nenne ich Informationseinheit. Die Informationseinheit - nicht der Satz ist meiner Meinung nach als die Basiseinheit der Informationsstruktur von Texten anzusehen. Als solche wird sie zwar in grammatischen Strukturen ausgedrückt, hat aber selbst eine primär textstrukturierende, also pragmatische Funktion. Als pragmatische Erscheinung kann die Informationsstruktur des Textes neben der Illokutionsstruktur als eine zweite pragmatische Dimension bezeichnet werden.

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In Brandt/Rosengren (1991,1992) wird unterschieden zwischen der globalen Informationsstrukturierung, die den Text als Ganzes umfaßt, und der lokalen Informationsstrukturierung. Zur globalen Informationsstrukturierung gehört außer der Verteilung des Textinhalts auf Informationseinheiten auch die Gewichtung dieser Informationseinheiten gegeneinander, d.h. die Signalisierung ihres relativen kommunikativen Gewichts. Das wichtigste Mittel der Gewichtung dürfte die syntaktische Subordination sein: Dadurch, daß eine Informationseinheit syntaktisch untergeordnet wird und als Verb-letzt-Satz oder Phrase (z.B. Partizipialattribut) auftritt, zeigt der Sprecher an, daß diese Informationseinheit ein geringeres Gewicht hat als die durch den Matrixsatz ausgedrückte.16 Bei der Strukturierung der einzelnen Informationseinheit (der lokalen Informationsstrukturierung) können drei Aspekte unterschieden werden, nämlich die Thema-Rhema-Gliederung, die Topik-Kommentar-Gliederung und die Fokus-Hintergrund-Gliederung. Die Informationseinheit weist im Normalfall genau eine Thema-Rhema-, eine Topik-Kommentar- und eine Fokus-Hintergrund-Struktur auf, während der Satz manchmal mehr als eine solche Struktur umfaßt. Als den hier zentralen Aspekt betrachte ich die Fokus-Hintergrund-Gliederung (FHG). Die FHG ist m.E. generell an die Informationseinheit gebunden und nicht an den Satz, wie sonst in der Regel angenommen wird. Sie ist als eine durch grammatische Mittel realisierte Gliederung der Informationseinheit in hervorgehobene (fokussierte) und nicht hervorgehobene Teile anzusehen. Die Fokussierung kommt vor allem in der Akzentuierung zum Ausdruck, wobei die Akzente unterschiedliche Typen von Foki realisieren können. In diesem Zusammenhang interessant ist der Fokus, der durch den sogenannten Satz- oder Nuklearakzent, d.h. den letzten Akzent der zu beschreibenden sprachlichen Einheit, ausgedrückt wird. Ich nehme an, daß jede Informationseinheit in der S-Struktur ein abstraktes Merkmal +F auf weist, das den Hauptfokus der Informationseinheit kennzeichnet und als Nuklearakzent realisiert wird (zu diesem Merkmal s. z.B. Hetland 1989 und Rosengren 1991). Der Hauptfokus hat den übrigen Fokustypen gegenüber insofern einen Sonderstatus, als er und nur er über die ganze Informationseinheit projizieren kann. Dabei können sich andere Foki - z.B. der Kontrastfokus bei restringierenden Attributen - innerhalb seiner Domäne befinden. Die Annahme e i n e s Hauptfokus und e i n e s Nuklearakzents ist für einfache Sätze, die jeweils e i n e Informationseinheit ausmachen, unkontroversiell und im Einklang mit der allgemeinen Auffassung (s. etwa F6ry 1992). Für komplexe Sätze, die bisher aus diesem Aspekt wenig untersucht worden sind (s. jedoch Pasch 1983, Brandt 1989, 1990, Fery 1992), bedeutet dieses Konzept, daß sie sich nicht einheitlich beschreiben lassen. Komplexe Sätze weisen bei e i n e r Informationseinheit e i n e n Hauptfokus auf, bei zwei Informationseinheiten zwei Hauptfoki, etc. Bei e i n e r Informationseinheit kann der Fokus also über die Satzgrenze projizieren, bei zwei nicht. Vgl. folgende Satzgefüge:

16 Die Nebensatzform indiziert also nicht generell ein geringeres kommunikatives Gewicht, wie oft angenommen wird (s. z.B. Posner 1980 und Hartmann 1984). Das ist nur bei Nebensätzen, die selbständige Informationseinheiten ausmachen, der Fall.

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(98) Sie sagte, daß sie KRANK sei. (99) Da ich KRANK bin, muß ich zu HAUse bleiben. (98) umfaßt e i n e Informationseinheit, (99) zwei. Bei (98) realisiert der Akzent auf krank den Hauptfokus, der über das Satzgefüge projiziert. Es handelt sich also hier um unkomplizierte Fälle, die eine Einszueinsrelation zwischen Fokusakzent und Informationseinheit aufweisen. Nun kann (98) jedoch alternativ mit einem Akzent im ersten Satz auftreten: (100) Sie SAGte, daß sie KRANK sei. Auch bei (100) liegt e i n e Information, ausgedrückt in einer Informationseinheit, vor. Das geht schon daraus hervor, daß Sie sagte nicht syntaktisch selbständig auftreten kann. Es gibt demnach nur einen Hauptfokus, der als Akzent auf krank realisiert wird. Wenn man annimmt, daß der Hauptfokus auch in diesem Fall über die Satzgrenze projiziert und das ganze Satzgefüge umfaßt, steht dieser Fokus innerhalb der Domäne des Hauptfokus. Motsch/Reis/Rosengren (1989:11) nehmen in einem entsprechenden Fall einen bloß phrasalen, d.h. rhythmisch bedingten und fokusunabhängigen Akzent an. Offensichtlich hat dieser Akzent aber auch informationsgliedernde Funktion: die Akzentuierung von (100) wird man in erster Linie dann wählen, wenn sagte zum Rhema (kontextuell neuen Teil) gehört, also etwa als Antwort auf die Frage Wie hat sie reagiert? Bei (98) dagegen wird sagte normalerweise zum Thema gehören; die Äußerung beantwortet z.B. die Frage Was sagte sie? Es scheint also berechtigt, bei dem intonatorisch hervorgehobenen rhematischen sagte in (100) ein +F anzunehmen. Auf das umstrittene Problem der Relation zwischen Fokus-Hintergrund- und Thema-Rhema-Gliederung kann ich hier nicht weiter eingehen. Die oben diskutierten Daten sprechen aber m.E. dafür, daß die beiden Erscheinungen nicht zusammenfallen (s. hierzu auch Molnär 1991). Der Hauptfokus äußert sich nicht unbedingt in einem stärkeren Akzent als die übrigen Foki einer Informationseinheit. Mit anderen prosodischen Mitteln - Intonationsverlauf, Pausen und Grenzsignalen - zusammen markiert der betreffende Akzent jedoch den Umfang der einzelnen Informationseinheit und somit die Grenzen zwischen den Informationseinheiten eines Textes. So wird anhand der Prosodie eindeutig zu entscheiden sein, ob die folgenden, bei schriftlicher Wiedergabe ambigen RS-Gefüge eine oder zwei Informationseinheiten enthalten: (101) Der Student, der die Prüfung bestanden hatte, freute sich. (102) Herein kam ein Mann, der einen schwarzen Sack trug. Die beiden Lesarten lassen sich durch folgende Paraphrasen verdeutlichen: (103) (104) (105) (106)

Derjenige Student, der die Prüfung bestanden hatte, freute sich. Der Student freute sich. Er hatte die Prüfung bestanden Herein kam ein Mann mit einem schwarzen Sack. Herein kam ein Mann. Er trug einen schwarzen Sack.

Bei der asymmetrischen Lesart werden diese Satzgefüge e i n e Intonationskontur aufweisen, charakterisiert durch einen einheitlichen Intonationsverlauf und entsprechende Akzentuierung und Pausierung, während bei der symmetrischen Lesart jeder Satz eine solche Intonationskontur

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aufweist.17 Damit ist auch schon gesagt, daß die informationsstrukturelle Funktion weitgehend mit der Verknüpfungsform korreliert: Im Normalfall bilden Satzgefüge und entsprechende Konstruktionen mit einem a s y m m e t r i s c h verknüpften Modifikator e i n e Informationseinheit, charakterisiert durch e i n e Intonationskontur, während Konstruktionen mit einem s y m m e t r i s c h verknüpften Modifikator immer zwei Informationseinheiten ausmachen. Die Korrelation ist jedoch nicht vollständig. Es gibt nämlich eine Möglichkeit, auch asymmetrisch verknüpfte (nichtrestringierende) Modifikatoren als Träger von selbständigen Informationseinheiten zu kennzeichnen, und zwar durch die oben (in 2.2.6.) erwähnte parenthetische Intonation. In Fällen wie (107) Dieser - viel zu früh verstorbene - Komponist hat uns eine Reihe von großartigen Werken hinterlassen. (108) Der - leider erst jetzt entdeckte - Fehler hat uns viel Zeit gekostet. wird durch den Bruch in der Intonationskontur, der als Verengung des Tonregisters zum Ausdruck kommt, markiert, daß die Satzäußerung zwei Informationseinheiten enthält. Die Verengung zeigt an, daß es sich um einen Einschub handelt, der in irgendeiner Beziehung von der übrigen Information abweicht. Diese informationsstrukturelle Funktion ist m.E. als die Hauptfunktion der Parenthese anzusehen.18 Die spezielle parenthetische Intonation ermöglicht es, Ausdrücke verschiedener Art und verschiedenen Umfangs als abweichend und damit als selbständige Informationen anzuzeigen (vgl. Belege bei Bassarak 1987). Die Parenthese indiziert also PA als Informationseinheiten mit eigener FHG. Dabei handelt es sich beim PA um eine Struktur, bei der der Hintergrund gestrichen und nur der Fokus vorhanden ist. Es liegt also maximale Projektion vor. Die selbständige FHG bedeutet natürlich, daß die betreffende Information, obwohl sie in syntaktisch subordinierter Form ausgedrückt wird und somit ein niedrigeres Gewicht als der Matrixsatz hat, trotzdem mehr hervorgehoben wird als bei der nicht-parenthetischen Lesart. Da die FHG durch die phonetische Form zum Ausdruck kommt, sind die parenthetischen PA in gesprochenen Texten im Prinzip eindeutig gekennzeichnet. Dies bedeutet aber nicht, daß es immer klar hervorgeht, ob ein bestimmtes PA als Parenthese aufzufassen ist oder nicht: Man muß vielmehr mit Übergängen zwischen der intonatorischen Integration und der intonatorischen Selbständigkeit rechnen. Bei schriftlicher Wiedergabe kann die Parenthese durch Zeichen wie Klammern, Gedankenstriche und Kommata gekennzeichnet werden. Wenn solche Zeichen nicht vorhanden sind, steht es dem Leser frei, das (nichtrestringierende) PA als eine selbständige Informationseinheit oder als Teil einer Informationseinheit zu interpretieren. Diese Ambiguität Die Informationseinheit fällt weitgehend mit der phonologischen Einheit zusammen, die Uhmann (1991) und F6ry (1992) 'Intonationseinheit' nennen. Da aber keine der beiden Autorinnen auf die Abgrenzung von Intonationseinheiten in Satzgefügen eingeht, ist mir nicht klar, ob unsere Ansätze auch hier übereinstimmen. Es kann sein, daß die Analysen von Uhmann und F6ry in dieser Hinsicht unterschiedlich ausfallen wurden. Uhmann betrachtet nämlich im Gegensatz zu Fery den sog. Grenzton als obligatorischen Bestandteil der Intonationsphrase, was wahrscheinlich bedeutet, daß für sie in erster Linie syntaktisch selbständige Einheiten Intonationsphrasen ausmachen. D.h., die Informationseinheit wird eher mit der Intonationsphrase im Sinne von Fery zusammenfallen. Also nicht, wie Bassarak (1987) meint, die Funktion als selbständige Illokution. S. dazu weiter 3.2.

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kann nun vom Sender strategisch ausgenützt werden, wie die folgenden authentischen Beispiele zeigen: (109) Die Erbsen in dem auf Stufe 3 zerlassenen Fett kurze Zeit erhitzen. (Autokoch) (110) Die Marmelade herausnehmen, den Orangenlikör und die verlesene, gewaschene und feingeschnittene Zitronenmelisse darunterziehen. (Autokoch) (111) Wir bitten Sie, die durch unsere Schuld entstandene Verzögerung zu entschuldigen und verbleiben mit freundlichen Grüßen S. M. (FAK) (112) Aufgrund von Anzeigen über Zusammenschlüsse veranlaßt der Bundesanzeiger von sich aus die gesetzlich vorgeschriebenen Bekanntmachungen im Bundesanzeiger. (FAK) (113) Wir nehmen an, daß nunmehr auch die Restzahlung erfolgen kann und bitten Sie, den nach unseren Unterlagen noch offenstehenden Betrag von DM 50.000 auf unser Konto bei der F-Bank in G-Stadt zu überweisen. (FAK) In allen diesen Fällen zeigt der definite Artikel an, daß das Objekt vorerwähnt oder gegeben und also bekannt ist. Der Inhalt des PAs kann aber trotzdem, abhängig von dem Wissensstand und der Einstellung des Lesers, als parenthetisch eingeschoben und als selbständige Information aufgefaßt werden. Dies hat u.a., wie aus den Belegen aus Kochrezepten hervorgeht, einen didaktischen Vorteil: Der unerfahrene Koch wird das PA als Träger einer neuen und selbständigen Information, d.h. als Informationseinheit interpretieren, während der erfahrene Koch, für den der Inhalt des PAs selbstverständlich ist, den ganzen Satz als eine Informationseinheit liest. Bei den angeführten Belegen aus Geschäftsbriefen ist der Gewinn eher ein diplomatischer: Hier werden für Sender oder Adressat mehr oder weniger unangenehme Tatsachen in diskreter Form - die Fokussierung geht nicht aus dem Schriftbild hervor - aber trotzdem deutlich genug ausgedrückt.19 Nachdem nun geklärt ist, daß PA selbständige Informationseinheiten ausmachen können und unter welchen Umständen sie das tun, läßt sich auch das Auftreten von Modalpartikeln in PA erklären (s.o. 2.2.6.). Modalpartikeln haben bekanntlich spezielle, i.w.S. argumentative Funktionen: sie zeigen z.B. Evidenz oder Widerspruch an. Es ist anzunehmen, daß eine sprachliche Einheit im Prinzip nur dann eine explizit argumentative Funktion übernehmen kann, wenn sie eine selbständige Informationseinheit ausmacht. Bei komplexen Sätzen und Konstruktionen, die eine Informationseinheit bilden, steht die eventuelle Modalpartikel in der Regel im Matrixsatz. 20 Ein PA muß deshalb normalerweise durch parenthetische Intonation als Informationseinheit indiziert werden, damit sie mit einer Modalpartikel kompatibel ist: (114) Dieser -ja leider viel zu früh verstorbene - Komponist hat uns eine Reihe von großartigen Werken hinterlassen.

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Auf die Frage, wie PA in Texten auftreten, kann ich hier nicht weiter eingehen. Ich hoffe, in einem anderen Zusammenhang dieses Thema aufgreifen zu können. Schon jetzt kann jedoch festgestellt werden, daß das Verhältnis von PA und Fachsprache nicht so einfach ist, wie Kvam (1986) meint. Nach ihm steigt der Anteil der PA (und der selbständigen Partizipialkonstruktionen) je nach der Fachsprachlichkeit des Textes. Dem widerspricht aber die Tatsache, daß bei Kochrezepten, die nicht im strengen Sinne als fachsprachlich bezeichnet werden können, fast keine RS, sondern nur PA auftreten.

20 Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, daß ein Nebensau den argumentativ wichtigeren Teil bildet und deshalb eine ModalpartikeFenthalten kann. Ferner treten Modalpartikeln häufig in der indirekten Rede auf: (i) Sag ihm, daß er doch einmal von sich hören lassen soll!

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Wenn bei schriftlicher Wiedergabe die Parenthese nicht Indizien wird, sondern beide Lesarten möglich sind, wirkt eine Modalpartikel disambiguierend. Sie erzwingt die Interpretation des PAs als Parenthese und somit als selbständiger Informationseinheit 3.1.2. Zusammenfassend kann nun festgestellt weiden, daß es keine vollständige Korrelation gibt zwischen der Form der grammatischen Verknüpfung eines Modifikators und seiner informationsstrukturellen Funktion. Symmetrisch verknüpfte RS vermitteln zwar immer selbständige Informationen. Sie treten also als Informationseinheiten, grammatisch gekennzeichnet durch eine einheitliche Intonationskontur, auf. Auch die (asymmetrisch verknüpften) PA können jedoch, sofern sie nichtrestringierende Funktion haben, als Informationseinheiten auftreten. Dies wird dadurch bewirkt, daß sie phonetisch als eingeschobene Informationseinheiten, also als Parenthesen, indiziert werden. Ein solches parenthetisches PA entspricht einem symmetrisch verknüpften RS (und kann ihn in Texten ersetzen).

3.2. Der illokutive Aspekt Das PA ist also eine syntaktisch und semantisch unselbständige Einheit, die durch parenthetische Intonation als Informationseinheit erscheinen und somit eine gewisse pragmatische Selbständigkeit gewinnen kann. Nun versteht man ja, wenn man von der pragmatischen Funktion von Sätzen und ähnlichen Ausdrücken spricht, unter Pragmatik oft den Handlungsaspekt. Die Frage liegt deshalb nahe, ob PA - mindestens solche, die selbständige Informationseinheiten darstellen - auch als Träger von selbständigen ülokutionen anzusehen sind. Diese Frage werde ich ausgehend von folgenden Fällen zu beantworten versuchen: (115) Bring mir doch die von dir zuvor gewaschene Decke wieder! (Fries 1988:7) (116) Zuletzt den in feine Streifen geschnittenen Schinken dazugeben. (Autokoch) Bei diesen Äußerungen geht es dem Sender darum, daß der Adressat an einem und demselben Objekt zwei verschiedene Handlungen ausführen soll, von denen die eine der anderen zeitlich vorausgeht. Die zeitlich erste Handlung oder, richtiger, deren Resultat wird durch ein Attribut mit einem Partizip II als lexikalischem Kopf ausgedrückt, während der Matrixsatz - in Form eines Imperativsatzes bzw. einer Infinitivkonstruktion mit Aufforderungsfunktion - die zweite Handlung realisiert In solchen Fällen läßt sich überlegen, ob man mit Fries (a.a.O.) jeweils zwei Aufforderungen ansetzen soll. Diese Interpretation ist zweifellos zum einen von der speziellen lexikalischen Füllung abhängig und setzt sicherlich zum anderen parenthetische Intonation voraus. Wenn dies generell gilt, bedeutet es: Das PA ist, wenn überhaupt, nur dann als eine selbständige Dlokution zu verstehen, wenn es eine selbständige Informationseinheit ausmacht Wenn man nun für Fälle wie (l 15)-(116) eine selbständige ülokution annimmt, müßte man es konsequenterweise auch für Fälle wie die folgenden tun, die ebenfalls selbständige Informationseinheiten darstellen: (117) Er hat mir die - übrigens zuvor gewaschene - Decke wiedergebracht (118) Zuletzt gebe ich den - in feine Streifen geschnittenen - Schinken dazu.

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Hier ist das PA jeweils in einen deklarativen, illokutiv als Assertion zu interpretierenden Satz eingebettet. In einem solchen Kontext läßt auch das PA, wenn es überhaupt als Träger einer selbständigen Dlokution verstanden wird, keine andere Interpretation als die assertive zu. Wahrscheinlich wird man aber hier weniger geneigt sein, zwei verschiedene Illokutionen anzunehmen als bei (l 15)-(116), wo zu zwei Handlungen aufgefordert wird. Die "assertiven" Fälle sprechen also eher gegen die Annahme einer selbständigen illokutiven Funktion der PA. Ein weiteres Argument dagegen ist die Tatsache, daß die Aufforderungsinterpretation des PAs in Fällen wie (l 15)-(116) offensichtlich völlig von der illokutiven Interpretation des Matrixsatzes abhängt: Sie ist nur dann möglich, wenn auch der Matrixsatz als Realisierung einer Aufforderung interpretiert wird.21 Dies hängt wiederum damit zusammen, daß das PA in den betreffenden Fällen keinerlei formale Indikatoren einer selbständigen Illokution aufweisL Als das Hauptkriterium einer selbständigen Illokution (eines Sprechakts) im traditionellen Sinne gilt bekanntlich die syntaktische Selbständigkeit. So setzt man normalerweise außer bei selbständigen Hauptsätzen auch bei Infinitiv- und Partizipialkonstruktionen wie (119) Einsteigen! (120) Türen schließen! (121) Aufgepaßt! wegen ihrer syntaktischen Selbständigkeit selbständige Illokutionen an. Eingebettete Sätze und Phrasen dagegen gelten meistens als Teil der durch den übergeordneten Satz ausgedrückten Illokution.22 Eine eigene illokutive Funktion nimmt man in der Regel nur dann an, wenn die betreffenden Ausdrücke explizite lexikalische Indikatoren einer illokutiven Rolle enthalten. Als solche gelten in erster Linie performative Formeln (Wir bitten Sie, zu tun) und entsprechende Nominalisierungen (mit der Bitte um) sowie Partikeln wie bitte, gefälligst. Interessant in diesem Zusammenhang ist nun, daß von allen Nebensatztypen nur der RS regelmäßig mit solchen Indikatoren aufzutreten scheint (s. dazu Rosengren 1987, Brandt et al. 1989, Brandt 1990:104f.): (122) Wir beziehen uns auf Ihr Angebot vom l. 11., das wir hiermit bestätigen. (FAK) (123) Dem Angebot waren Fundamentpläne beigefügt, die Sie sich bitte aus S. zuschicken lassen wollen. (FAK) In solchen Fällen dient das performative Verb (mit dem Adverb hiermit zusammen) bzw. die Partikel bitte dazu, den RS als Träger einer bestimmten illokutiven Rolle zu kennzeichnen, die

21

*\f\

LL

Eine interrogative Interpretation des PAs ist, soviel ich sehen kann, nur sehr selten möglich. Sie setzt wahrscheinlich intonatorische Indizierung bzw. entsprechende Interpunktion voraus: (i) Hast du ihm wirklich eine - von dir zuvor gewaschene? - Decke gebracht? In einigen Arbeiten, z.B. bei Pasch (1983), weiden jedoch neben selbständigen Sätzen auch symmetrisch verknüpfte Nebensätze generell als Träger von Illokutionen betrachtet (S. auch Jacobs 1988, der ein RS-Gefüge so interpretiert). Die größere pragmatische Selbständigkeit dieser Sätze im Verhältnis zu den in meinem Sinne asymmetrisch verknüpften Nebensätzen, die ich als ein informationsstrukturelles Phänomen ansehe, gilt bei diesen Autoren als ein illokutives. Gegen diese Auffassung wurde in Brandt (1990) und Brandt/Rosengren (1992) argumentiert In diesem Zusammenhang können wir ganz davon absehen, da die PA ja generell asymmetrisch verknüpft sind und die Verknüpfungsform also die Ansetzung einer selbständigen Illokution nicht motivieren kann.

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von der des Matrixsatzes abweicht Demnach müssen hier zwei verschiedene ülokutionen angesetzt werden. Was nun die PA betrifft, könnte man eventuell erwarten, daß sie im selben Ausmaß wie die RS lexikalische Indikatoren enthalten. Das ist aber nicht der Fall. Zwar sind performative Formeln und das mit ihnen zusammen auftretende Adverb hiermit wohl prinzipiell möglich, sie dürften jedoch in authentischen Äußerungen äußerst selten vorkommen: (124) ??Das - dir hiermit versprochene - Geschenk bekommst du an deinem Geburtstag. (125) ??Wir beziehen uns auf das - von uns hiermit bestätigte - Angebot vom 1.11. Zu erwarten ist eher die Indizierung einer (parenthetisch eingeschobenen) Aufforderung durch die Partikel bitte: (126) Bring mir doch die - bitte gewaschene - Decke wieder! Auch lexikalische Mittel wie die Agensangabe oder ein Zeitadverbial wie zuvor können mit der Parenthese zusammen die Aufforderungsinterpretation nahelegen, wie in Fries' Beispiel: (115) Bring mir doch die - von dir zuvor gewaschene - Decke wieder! Es handelt sich bei diesen Lexemen aber nicht um illokutive Indikatoren, vergleichbar mit den oben genannten. Dem PA kann deshalb auch keine eigene illokutive Rolle zugeschrieben werden. Wenn es sich nun bei PA wie denen in (l 15)-(116) nicht um selbständige Illokutionen handelt, wie sind sie dann zu beschreiben? Zweifellos wird ja in diesen Fällen der Adressat vom Sender tatsächlich zu der betreffenden Handlung aufgefordert, so daß die Konstruktion hier kommunikativ dieselbe Funktion hat wie zwei Imperativsätze. Mein Vorschlag ist, daß man bei Sätzen wie (115)-(116) e i n e Aufforderung zu zwei verschiedenen Handlungen ansetzt. Die illokutive Rolle wird durch das Prädikat des Matrixsatzes indiziert, das bei (115) zugleich den Imperativischen Satzmodus mit dem dazugehörenden Adressatenbezug realisiert und eine Handlung ausdrückt (Zum Imperativsatz s. Liedtke und Rosengren [in diesem Band]). Bei (116) handelt es sich um eine konventionalisierte Verwendung der Infinitivkonstruktion als Variante der Imperativform. In beiden Fällen bildet der Inhalt des ganzen Satzes - einschließlich des PAs - den propositionalen Gehalt der betreffenden Aufforderung. Es handelt sich dabei jeweils um zwei Handlungen, die aufgrund der übergeordneten illokutiven Rolle als 'erwünschte Adressatenhandlungen' zu interpretieren sind. Die Interpretation des PAs ist dabei von der Aufforderungsinterpretation des Matrixsatzes abhängig und ändert sich entsprechend, wenn die illokutive Rolle des Matrixsatzes geändert wird: (127) Ich werde dir die - zuvor gewaschene - Decke morgen zurückbringen. Als Träger von einer Aufforderung zu zwei Handlungen ähneln die diskutierten Beispiele (115)(116) folgendem Satz mit zwei koordinierten Infinitivkonstruktionen: (128) Wir bitten Sie, uns den Plan xy zuzusenden und die Firma ABC zu informieren.

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Auch hier scheint es plausibel, wegen der einzigen, syntaktisch übergeordneten performativen Formel eine Aufforderung anzunehmen. Dagegen haben wires bei (129) mit zwei koordinierten Aufforderungen zu tun: (129) Senden Sie uns bitte den Plan xy und informieren Sie die Firma ABC. (l 15)-(116) und (128) unterscheiden sich also in der Beziehung von (129), daß sie jeweils nur eine Illokution realisieren. Andererseits liegt zwischen (115)-(116) und (128)-(129) ein wichtiger Unterschied vor: Während bei den letzteren Sätzen die Aufforderung explizit ausgedrückt wird, kommt bei den ersteren die Interpretation 'erwünschte Adressatenhandlung' erst durch eine Schlußfolgerung zustande. Es handelt sich also um eine konversationelle Implikatur im Sinne von Grice. Der Schlußfolgerungsprozeß sieht etwa folgendermaßen aus: 1.

S erwähnt das Resultat y der Handlung > S meint also, daß das Resultat y vorliegt.

2.

Das ist aber nicht der Fall > S erwartet also, daß das Resultat y zustandekommt, d.h., daß die Handlung ausgeführt wird.

3.

S wendet sich mit seiner Äußerung an mich > S erwartet also, daß ich die Handlung ausführe.

Ähnlich (aber noch komplizierter) verhält es sich bei (130) Die kochende Milch darübergießen. 1.

S erwähnt den Vorgang y (=Resultat der Handlung x) > S meint also, daß dieses Resultat vorliegt

2.

Das ist aber nicht der Fall > S erwartet also, daß der Vorgang stattfindet, d.h. daß die Handlung ausgeführt wird.

3.

S wendet sich mit seiner Äußerung an mich > S erwartet also, daß ich die Handlung führe.

aus-

Bei Schritt 2 geht es um die Uminterpretation der temporalen Verhältnisse, bei Schritt 3 um die Herstellung des Adressatenbezugs. Für die Schlußfolgerung bis 3 muß eine bestimme Situation vorliegen, nämlich eine Situation, in der der Adressat die Handlung des Matrixsatzes (die die Handlung voraussetzt) ausführen will und das Resultat der Handlung noch nicht vorliegt. Wenn dieses Resultat schon vorliegt, sei es, weil das Resultat selbst oder die Handlung im Text vorerwähnt ist oder weil der Adressat von sich aus die Handlung schon ausgeführt hat, endet der Prozeß nach Schritt 1. In diesem Fall konstatiert der Leser bei 2: Das ist auch der Fall. Diese Lesart kann auch durch textuelle Mittel bewirkt werden, z.B. durch ein Vergangenheitsadverbial wie gestern (vgl. zuvor in (l 15)): (131) Bring mir doch die - gestern von dir gewaschene - Decke wieder! Daß die Interpretation 'erwünschte Adressatenhandlung' in Fällen wie ((l 15)-(116) möglich ist möchte ich auf den fehlenden Satzmodus zurückführen. Vgl. die entsprechenden RS: (132) Bring mir doch die Decke wieder, die von dir zuvor gewaschen worden ist! (133) Zuletzt den Schinken, der in feine Streifen geschnitten worden ist, dazugeben.

225 Offensichtlich verhindert der deklarative Satzmodus die Verwendung des RS für eine erwünschte Handlung, obwohl der Matrixsatz eine Aufforderung realisiert. Nur durch die Hinzufügung eines Modalverbs (die ...gewaschen sein soll) kann der RS als Ausdruck einer erwünschten Handlung interpretiert werden. In den oben diskutierten Fällen geht es dem Sender darum, daß das Resultat der ersten Handlung vorliegen soll, wenn die zweite Handlung beginnt. Wenn nicht das Resultat, sondern die Handlung selbst erwünscht wird, steht ebenfalls eine Partizipialform zur Verfügung, nämlich das Gerundiv: (134) Die vorstehenden Auflagen sind in die von Ihnen auszustellende Baubewilligung aufzunehmen. (FAK) zu ist ebenso wie die Modalverben müssen und sollen als Ausdruck eines deontischen Operators zu verstehen (s. hierzu Rosengren [in diesem Band]). Das Gerundiv steht somit der Imperativform semantisch näher als das Partizip . Um einen expliziten Indikator einer selbständigen direktiven Dlokution handelt es sich aber auch hier nicht. Wie beim Partizip II wird die Interpretation 'erwünschte Adressatenhandlung' auch in diesem Fall einen Matrixsatz (bzw. eine Infinitivkonstruktion o. dgl.) mit Aufforderungsfunktion voraussetzen und durch einen Schlußfolgerungsprozeß Zustandekommen. Dieser Prozeß fängt jedoch nicht wie oben bei l an, sondern erst bei 2: S erwartet, daß der Vorgang stattfindet.

4. Zusammenfassung Die Funktion des Partizipialattributs wurde hier aus drei verschiedenen Aspekten, dem grammatischen, dem informationsstrukturellen und dem illokutiven, untersucht. Ausgangspunkt waren Unterschiede und Ähnlichkeiten in der Verwendung von Partizipialattributen und entsprechenden Relativsätzen. Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen. 1. Der entscheidende g r a m m a t i s c h e Unterschied zwischen Partizipialattributen und Relativsätzen ist die Relation des Attributs zum Bezugsnomen, d.h. die Relation zwischen Modifikator und Modifikand. Dabei läßt sich die unterschiedliche Verwendung der beiden Konstruktionstypen nicht durch die traditionelle Distinktion +/-restringierend (einschränkende bzw. nichteinschränkende Modifizierung) erfassen. Es ist vielmehr notwendig, ein zweites Begriffspaar, nämlich die asymmetrische bzw. symmetrische Verknüpfungsform, heranzuziehen. Die asymmetrische Verknüpfung äußert sich in geringerer, die symmetrische Verknüpfung in größerer syntaktisch-semantischer Selbständigkeit des Modifikators dem Modifikanden gegenüber. Die Festlegung der Modifizierungsart wurde dagegen als eine Distinktion auf der Ebene der Äußerungsbedeutung bestimmt. Demnach besteht die grammatisch determinierte modifizierende Funktion der betreffenden Attribute einfach darin, daß sie das durch das Bezugsnomen bezeichnete Individuum charakterisieren. Im jeweiligen Aktualisierungskontext kommt die Spezifizierung der Modifizierungsart als restringierend oder nichtrestringierend hinzu, wobei die restringierende Funktion als der markierte Fall anzusehen ist.

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Durch die Differenzierung von Verkniipfungsform und Modifizierungsart wird klar, worin der hier relevante Unterschied zwischen Partizipialattributen und Relativsätzen besteht: Partizipialattribute können nur asymmetrisch verknüpft werden, während Relativsätze beide Verknüpfungsformen zulassen. 2. Der grammatische Unterschied zwischen Relativsätzen und Partizipialattributen korreliert weitgehend mit einem i n f o r m a t i o n s s t r u k t u r e l l e n Unterschied. Symmetrisch verknüpfte Relativsätze vermitteln selbständige Informationen über Sachverhalte und bilden somit selbständige Informationseinheiten (Texteinheiten mit intonatorisch indizierter, selbständiger Fokus-Hintergrund-Gliederung), während bei asymmetrisch verknüpften Relativsätzen sowie bei Partizipialattributen normalerweise der Satz als Ganzes e i n e Informationseinheit ausmacht. Die Korrelation von grammatischer und informationsstruktureller Funktion ist jedoch nicht vollständig: Ein Partizipialattribut kann durch parenthetische Intonation eine eigene FokusHintergrund-Gliederung erhalten und damit als selbständige Informationseinheit indiziert werden. Dies ist zugleich ein Argument dafür, daß die Informationsstruktur nicht allein von der grammatischen Struktur aus erfaßt werden kann, sondern eine selbständige, pragmatisch zu definierende Dimension ausmacht. 3. Die Frage, ob Partizipialattribute, die selbständige Informationseinheiten ausmachen, zugleich als Träger von selbständigen I l l o k u t i o n e n , z.B. Aufforderungen, anzusehen sind, wurde mit nein beantwortet. Nur wenn ein expliziter illokutiver Indikator vorhanden ist, was - anders als bei Relativsätzen - äußerst selten vorkommt, kann von einer eigenen Illokution die Rede sein. Dagegen läßt sich die Bedeutung eines Partizipialattributs, wenn es in einen Satz mit Aufforderungsfunktion eingebettet ist und entsprechende lexikalische Füllung aufweist, als "erwünschte Adressatenhandlung" interpretieren. Diese Interpretation ist jedoch nicht die primäre, sondern erfolgt erst über einen mehrstufigen Schlußfolgerungsprozeß.

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Zur Syntax und Semantik der Satzeinbettung1 flse Zimmemiann, Berlin Der Beitrag beschäftigt sich mit der syntaktischen Kategorisierung und dem semantischen Status von Nebensätzen sowie mit der Art ihrer Einbettung in die übergeordnete Konstruktion.

1. 2. 3. 4. 5.

Aufgabenstellung Grammatiktheoretische Grundannahmen Zur Syntax und Semantik konjunktional eingeleiteter Nebensätze Über DPs bzw. PPs vermittelte Einbettung konjunktionaler Nebensätze Schlußbemerkungen Literatur

1. Aufgabenstellung Hauptgegenstand der folgenden Untersuchung sind konjunktional eingeleitete Nebensätze, die als Argument von Prädikatwörtern, als Attribut in Substantivgruppen oder als adverbielle Modifikatoren fungieren. Es geht um solche Nebensätze wie in (l)-(8). (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8)

Der Chef meint, daß das Projekt gute Chancen hat. Peter zweifelt (daran), daß er das Problem lösen kann. Der Lehrer wird (es/die Tatsache) berücksichtigen, daß Maria häufig gefehlt hat. Die Sportlerin beunruhigt (es/der Gedanke), daß sie verlieren könnte. Die Philosophen beschäftigen sich damit/mit der Frage, ob es angeborene Ideen gibt. Wir sahen (es), wie die Frau hinstürzte und niemand ihr half. Nachdem Klaus seine Dissertation verteidigt hatte, erhielt er mehrere gute Angebote. Während sich Maria in den Alpen tummelte, beendete ihr Freund seine Doktorarbeit

Es soll folgenden Fragen nachgegangen werden: -

Wie sind konjunktional eingeleitete Nebensätze syntaktisch kategorisiert? Was ist ihr semantischer Status im jeweils übergeordneten Kontext?

-

Welche Rolle spielen das Korrelat und Substantivgruppen wie die Tatsache, die Frage, der Gedanke bei der syntaktischen und semantischen Integration von Nebensätzen in die übergeordnete Konstruktion?

-

Wie sind die selektioneilen Beziehungen zwischen Prädikatwörtem und Nebensätzen in Argumentfunktion zu erfassen?

Vorfassungen dieser Arbeit konnte ich bei mehreren Treffen des Projekts "Sprache und Pragmatik" vorstellen. Ich danke besonders Inger Rosengren, Marga Reis, Margarete Brandt und Helmut Rehbock für sehr hilfreiche Diskussionen.

232 Die Arbeit gliedert sich folgendermaßen: Im nächsten Abschnitt wird der grammatiktheoretische Rahmen umrissen, innerhalb dessen Antworten auf die gestellten Fragen gesucht werden. Abschnitt 3 beschäftigt sich mit der syntaktischen Kategorisierung und semantischen Charakterisierung subordinierender Konjunktionen. Im Abschnitt 4 wird das Verhältnis von Korrelat und Nebensatz untersucht. Dabei werden auch Konstruktionen mit substantivischen Klassifikatoren betrachtet, zu denen der Nebensatz als Attribut hinzutritt. Der letzte Abschnitt resümiert und nennt offene Fragen.

2. Grammatiktheoretische Grundannahmen Ich gehe in meinen Betrachtungen von folgenden Grundpositionen über den Aufbau der Grammatik, das Verhältnis von Syntax, Morphologie und Semantik und die Rolle des Lexikons in der Laut-Bedeutungs-Zuordnung sprachlicher Ausdrücke aus. Die Grammatik wird als ein modular funktionierendes System von spezifischen Struktureinheiten, Regelmengen und generellen Prinzipien verstanden, die die Kenntnis des Sprachsystems ausmachen und die mentalen Repräsentationen der Struktur sprachlicher Äußerungen determinieren. In dem hier vorausgestzten Grammatikmodell sind die in (9) angegebenen Repräsentationsebenen zu unterscheiden.

(9)

SF - LF - SS - OS - PF l DS

Die D-Struktur (DS), die S-Struktur (SS), die Logische Form (LF) und die O-Struktur (OS) gelten als syntaktische Repräsentationsebenen, wobei die LF die entscheidende Nahtstelle zwischen Syntax und Semantik ist. Während die Phonetische Form (PF) unmittelbar auf artikulatorische und perzeptive Strukturmuster zu beziehen ist, wird für die Korrelierung der LF und konzeptueller Struktureinheiten nach Bierwisch (1982, 1987, 1988) die Semantische Form (SF) als relevante vermittelnde Strukturebene angenommen.2 Eine ganz wesentliche Rolle in der Vermittlung der verschiedenen Strukturebenen sprachlicher Ausdrücke kommt dem Lexikon zu (s. Zimmermann 1987a). Die lexikalischen Einheiten bringen als die Bausteine komplexer syntaktischer Einheiten grundlegende strukturelle Informationen ein, zu denen auch die syntaktische und semantische Kategorisierung sowie Angaben über die syntaktischen und semantischen Fügungspotenzen der Lexeme gehören. Sie bilden damit den entscheidenden Angelpunkt syntaktischer und semantischer Strukturbildung. Das Lexikon ist nicht einfach eine Liste von lexikalischen Einheiten, sondern seinerseits ein kompliziertes Gefüge von Regeln und Prinzipien, die die verschiedenartigen strukturellen Informationen der Wörter und ihrer Bestandteile zum Inhalt haben. Ausgabe des Lexikons sind Es ist eine offene Frage, inwieweit die zwischen PF und SF vermittelnden Repräsentationsebenen spezifischen Beschränkungen der Laut-Bedeutungs-Zuordnung entsprechen. Siehe dazu die neuesten Annahmen Chomskys (1992) in seinem minimalistischen Programm sprachlicher Strukturbildung.

233

die Wortformen, d.h. morphologisch (wortsyntaktisch) strukturierte Einheiten, mit s mtlichen f r die Laut-Bedeutungs-Zuordnung relevanten phonologischen, morphosyntaktischen und semantischen Strukturangaben, die an die betreffende lexikalische Einheit und an ihre Teile gebunden sind. Es wird angenommen, da das Lexikon neben den Wortst mmen mindestens auch die produktiven Wonbildungsaffixe und die Flexive mit ihren spezifischen Struktureigenschaften verzeichnet. S mtliche Wortbildungen und Wortformen sind Produkte der Strukturvorschriften des Lexikons, zu denen Wortstrukurregeln und Konventionen f r die Vererbung lexikalischer Informationen von den morphologischen Elementareinheiten auf komplexe morphologische Gebilde geh ren (s. dazu Zimmermann 1987b, 1988a, 1988b und Bierwisch 1989). Unter den strukturellen Informationen, die lexikalische Einheiten in komplexe sprachliche Ausdr cke einbringen, kommt der Argumentstruktur (AS) als Teil ihrer SF eine zentrale Rolle in der Korrelierung von Syntax und Semantik zu. Die Bedeutungscharakterisierung lexikalischer Einheiten besteht aus einer Pr dikat-Argument-Struktur (PAS) und der AS in Gestalt einer Folge von Lambdaoperatoren Xxj, denen idiosynkratische (d.h. lexemspezifische) bzw. strukturell determinierte Argumentadressen Fi zugeordnet sind. Das zeigt (10) in allgemeiner Form.

(10)

λχη ... Fn

λχι λχι [ ... F2 I 1

AS

] l

PAS

Es lassen sich drei Typen von Argumentstellen unterscheiden: Xxj f r interne Argumente, Xxj f r das externe Argument und Xxk als referentielle Argumentstelle, die der Referenztypspezifizierung durch entsprechende Operatorausdr cke unterliegt (i>j>k). Nur Verben und Substantive haben als lexikalischer Kem referierender Syntagmen eine referentielle Argumentstelle. Es ist die jeweils prominenteste Argumentstelle, λχι, in der AS von Verben und Substantiven. Das illustrieren die Bedeutungsrepr sentationen f r schlafen und Direktor in (l 1) und (12).3 (11) λχ2 λχι [ χι INST [ SCHLAFEN x2 ]] (12) λχ2 λχι [ χι DIREKTOR x2 ] Ganz generell entspricht der Links-Rechts-Abfolge der Argumentstellen in der AS einer lexikalischen Einheit die relative Prominenz der mit ihnen zu korrelierenden syntaktischen Argumentausdr cke. Die in der AS am weitesten rechts stehende Argumentstelle ist die prominenteste. Diese Prominenz entspricht auch dem Rang der in der PAS durch die Lambdaoperatoren gebundenen Variablen (s. Zimmermann 1988b).

In den Bedeutungsrepr sentationen wird auf eine detaillierte Komponentenanalyse verzichtet, soweit sie f r die Darlegungen nicht von Belang ist. Die Konstante INST ist integraler Bestandteil von Verbbedeutungen. Sie stellt die Relation zwischen dem auf Sachverhalte zu beziehenden Argument x j und der jeweiligen Sachvernalte identifizierenden Proposition her (s. Bierwisch 1988,1989).

234

Bezüglich der verschiedenen Satztypen und ihres spezifischen Satzmodus gehe ich von folgenden Positionen aus (s. Reis 1985, Brandt/Rosengren/Zimmermann 1989, Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann 1992): 1.

Hauptsätze und Nebensätze mit V2-Stellung sind IPs.

2.

Nichtadverbielle Nebensätze mit VE-Stellung sind CPs.

3.

Adverbielle Nebensätze sind PPs (s. Steinitz 1969, Jackendoff 1974, 1977, Steube 1987, Haftka 1988).

4.

Spezielle Satztypmerkmale sind ±w, ±imp, ±deskr(iptiv), ±prosp(ektiv), ±def(init), ±rel(ativ). Sie sind in C bzw. I oder in SpecC bzw. Specl verankert und in diesen Positionen für Selektion durch Matrixprädikate zugängig (s. unten und Zimmermann 1991).

5.

Die einzelnen Satztypen korrespondieren mit charakteristischen Satzmodi in der SF der betreffenden Sätze. Satzmodusspezifizierung ist Referenztypspezifizierung von Sätzen und beinhaltet immer die Bindung des referentiellen Arguments von V. Ich nehme an, daß es I-Entitäten sind, die den Satzmodus charakterisieren. Bezüglich der Funktion, das referentielle Argument von V zu binden, sind I-Einheiten der Funktion von D-Einheiten in Substantivgruppen vergleichbares. Szabolcsi 1983, 1987).

3. Zur Syntax und Semantik konjunktional eingeleiteter Nebensätze In der Struktur von Nebensätzen können folgende übereinander gestapelte Kategorien als Köpfe spezifischer Strukturdomänen beteiligt sein: (13) P D C I . . . V mit P = Präposition, adverbielle Konjunktion D = Determinierer für N C = Komplementierer I = Determinierer für V V = Verb Als mögliche Kandidaten für weitere Köpfe zwischen I und V sehe ich Pos(ition),4 Temp(us), Top(ik), Fok(us) an. Bezüglich Agrj bin ich skeptisch. Insbesondere folge ich Chomsky (1992) nicht in der Annahme, Phrasen und Köpfe müßten - spätestens in LF - in höhere Strukturbereiche bewegt werden, um morphosyntaktische Merkmale wie strukturellen Kasus und Kongruenz zu überprüfen. Viel plausibler erscheint, daß bestimmte Konstituenten aus semantischen Gründen ihren Platz verändern müssen, wie das beispielsweise für w-Phrasen-Bewegung angenommen wird. Kasus-, Kongruenz- und Satztypmerkmale werden bei der Argu"Position" meint Assertion oder Negation der Beziehung INST zwischen dem referentiellen Argument xi und der den zur Rede stehenden Sachverhalt identifizierenden Proposition (s. die SF von schlafen in (l 1)). Formative, die den Kopf der Positionsphrase bilden könnten, sind die Negation und affirmative Elemente wie je 'ist' im Serbokroatischen oder evtl. auch das dem affirmativen Nachdruck dienende do im Englischen. Zum Französischen siehe Pollock (1989).

235 mentstellenbesetzung ( -Rollenvergabe) überprüft als Übereinstimmung mit entsprechenden Argumentadressen in der AS des jeweiligen Prädikatausdrucks. Für die Belange der folgenden Betrachtungen genügt es, die in (13) genannten, an Satzstrukturen beteiligten Köpfe näher zu analysieren. Wie in Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann (1992) gehe ich von der Hypothese aus, daß deutsche Nebensätze mit VE-Stellung in ihrer syntaktischen Struktur keine separate IP beinhalten. I ist in C bzw. in P inkorporiert. Ich rechne mit folgender Phrasenstruktur von Nebensätzen:5

(14) a. b. c.

in» I VP] [CP C VP] [p· P

d.

[p-

e.

[p-

f.

[p·



[p·

während P [CP ohne [p P nach P [DP nach [p P

da

VP] C W]] daß D] VP] dem DP [CP C dem daß VP P] P mit

VP]]]6

Die Struktur (14a) gilt für Hauptsätze und für Nebensätze mit V2-Stellung. (14b) erfaßt nichtadverbielle Nebensätze mit VE-Stellung. (14c)-(14g) charakterisieren die Satzeinleitungen adverbieller Nebensätze. (14b) gilt nicht nur für Nebensätze mit einer subordinierenden Konjunktion in C, sondern auch für Relativsätze und w-Interrogativsätze, wobei C phonetisch leer bleibt und eine Phrase mit dem Relativpronomen bzw. mit dem w-Pronomen in SpecC figuriert. Daß C in diesen Fällen belangvoll ist, wird unten noch deutlich werden. Von Relativ- und w-Interrogativsätzen sehe ich im folgenden ab (s. dazu Zimmermann 1992 und Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann 1992). Als nächstes soll die Kategorisierung subordinierender Konjunktionen betrachtet werden. Ich knüpfe dabei an neuere Entwicklungen der X-Theorie mit ihrer Unterscheidung lexikalischer und funktionaler Kategorien an (s. Chomsky 1986, 1989, 1992, Pollock 1989, Abney 1986,1987, van Riemsdijk 1990, Grimshaw 1991, Rizzi 1990) und greife eigene Vorstellungen zur syntaktischen Kategorisierung (s. Zimmermann 1987, 1988a, 1988b) wieder auf. Ich will mit folgenden syntaktischen Merkmalen rechnen:

5

SpecC und Specl sind in den Strukturangaben in (14) vernachlässigt. Ebenso ist von möglichen Strukturdomänen zwischen den Nebensatzeinleitungen P, C, I und VP abgesehen.

6 (14f) repräsentiert einen adverbiellen Nebensau mit komplexer Einleitung, wie sie für ältere Sprachzustände des Deutschen verbreitet war (s. Fries 1985, Steube 1987) und wie sie in slawischen Sprachen der Gegenwart noch regulär ist. 7 Zur Analyse von Pronominaladverbien siehe den nächsten Abschnitt. In (14e) und (14g) habe ich angenommen, daß D bzw. P an die Präposition nach bzw. mil adjungiert ist und somit eine morphologisch komplexe Konjunktion vorliegt. Den Einzelheiten solcher Umstrukturierungen muß nachgegangen werden.

236

(15)

a. Lexikalische Kategorien ±V ±N... b. Funktionale Kategorien ±C ±D... c. Morphosyntaktische Kategorien ±w Ümp ±deskr(iptiv) ±prosp(ektiv) ±fm(it) ±2. Status ±3. Status...

Für die kategoriale Charakterisierung von Köpfen und ihrer Projektionen soll folgende Annahme gelten: (16)

Lexikalische und funktionale Kategorien unterliegen Kreuzklassifizierung. Morphosyntaktische Merkmale sind kategorienspezifische Subklassifizierungen.

Für die Satzeinleitungen I, C und P als adverbielle Konjunktion wird die in (17) in (a)-(e) angegebene Merkmalverteilung vorgesehen. D und P als Präposition sind zum Vergleich aufgeführt. (17)

Köpfe

D

I

C

weil wie seit

(a)

(b)

(c)

P

MerkmaleX D C V N

(d)

(e)

Köpfe, die mit der Bindung des referentiellen Arguments von N in Substantivgruppen und von V in Sätzen zu tun haben, erhalten die Kennzeichnung +D. Das heißt, daß ±D auch für Sätze wirksam wird. ±1 wird damit überflüssig. Alle Nebensätze mit VE-Stellung haben die Kennzeichnung +C Hauptsätze und Nebensätze mit V2- Stellung sind demgegenüber mit -C ausgezeichnet. IPs und CPs unterscheiden sich dieser Konzeption zufolge lediglich in dem Merkmalwert für C. Die Mehrzahl adverbieller Konjunktionen ist wie in (17c) klassifiziert, nämlich als Präposition mit den zusätzlichen Kennzeichnungen +D +C. Die mehrfunktionale Konjunktion wie hat bezüglich des Merkmals V einen variablen Wert. Als +V-Einheit handelt es sich um die nichtadverbielle Konjunktion wie mit der morphosyntaktischen Kennzeichnung +deskr (s. Zimmermann 1991). Als -V-Einheit fungiert wie als temporale Konjunktion (s. Steube 1980). Das Lexem seit ist ebenfalls mehrfunktional und deshalb für die Merkmale D und C variabel klassifiziert. Als -D-C-Einheit haben wir eine Präposition vor uns, die eine DP als Komplement nimmt. Als +D+C-Einheit fungiert seit als adverbielle Konjunktion und nimmt eine VP als Komplement, was generell für adverbielle Konjunktionen gelten soll.8 In (18) sind lexikalische Belegungen für die Satzeinleitungen (17a)-(17e) aufgeführt. In (19)-(22) gebe ich Lexikoneinträge für die Konjunktionen daß, ob, wie und während an.

Hier unterscheidet sich meine Analyse adverbieller Konjunktionen von der, die Haftka (1988:123ff.) vorsieht. Diesem Vorschlag zufolge ist CP das Komplement adverbieller Konjunktionen, mit einem phonetisch leeren C. Ich meine, es gibt für diese Strukturannahme keine Evidenz syntaktischer Art.

237

(18) a. b. c. d. e.

I in Hauptsätzen und in V2-Nebensätzen: 0 C in nichtadverbiellen Nebensätzen: daß, ob, 0 in Relativ- und w-Interrogativsätzen P als adverbielle Konjunktion: weil, obwohl, als, nachdem, bevor, damit, indem, . . . wie als C bzw. als adverbielle Konjunktion P als Präposition bzw. als adverbielle Konjunktion: seit, während, bis, . . .

(19) a. /daß/ b. +D+C+V-N-W c. X Q [ 3 x [ Q x ] ] mitQe S/N (20) a. /ob/ b. +D+C+V-N+W c. XQ[o>G[G[3x[Qx]]]]

mit G e S/S

(21) a. /wie/ b. +D +C aV -N (+deskr)a c. X Q [ [ X x i [ 3 x 2 [ [ T x i c T x 2 ] v [ T x 2 c T x i ] ] A [ Q x 2 ] ] ] < b > a ] mitTe N/N

(22) a. /während/ b. otDaC-V-N c. (( XP XQ 1 3x2 [ P X2 xi ] A [ Q x2 ]])„ ( mit P e (S/N)/N

2

[ T Xl c T x2 ]))

(19) charakterisiert die Konjunktion daß als syntaktisch und semantisch unmarkierte Satzeinleitung. Der Satztyp ist durch die morphosyntaktische Kennzeichnung -w angegeben. Die SF beinhaltet die unmarkierte Referenztypspezifizierung für Sätze, nämlich die Bindung des referentiellen Arguments des Verbs durch den Existenzoperator. (20) beinhaltet einen markierten Fall von Satztypcharakterisierung und Referenztypspezifizierung. Die Konjunktion ob ist als C-Entität mit dem Satztypmerkmal +w gekennzeichnet. Die SF bezieht sich mit dem Frageoperator tuG auf eine Prädikatvariable G für Gültigkeitsprädikate wie 'zutreffend', 'unzutreffend', die ihrerseits die Existenzquantifizierung des referentiellen Arguments von V des Interrogativsatzes in ihrem Skopus hat. (Zu dieser Bedeutungsrepräsentation von ob s. Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann 1992:43f.). (21) charakterisiert die Konjunktion wie als mehrfunktional. Dabei kovariiert die syntaktische Kategorisierung mit einem minimalen Unterschied in der SF (vgl. Zimmermann 1991). Mit der morphosyntaktischen Kennzeichnung +V +deskr korreliert die Anwesenheit einer Konstanten b für ein Betrachtereignis, das für das externe Argument xi der adverbiellen Konjunktion wie eintritt. Für diesen Fall ergibt sich (21c'). (21) c 1 . X Q [ 3 x 2 [ [ T b c T x 2 ] v [ T x 2 C T b ] ] A [ Q x 2 ] ] Mit der Kennzeichnung -V korreliert die Abwesenheit von b in der SF von wie. Es ergibt sich (21) c". X Q X x i [ 3 x 2 [ [ T x l C T x 2 ] v [ T x 2 c T x i ] ] A [ Q x 2 ] ]

238

Hier erhält man nach Spezifizierung von Q durch die VP-Bedeutung ein einstelliges Prädikat vom Typ S/N, was für adverbielle Nebensätze als Modifikatoren typisch ist und wodurch sie sich prinzipiell von nichtmodifikatorischen Nebensätzen, die durch C-Entitäten wie daß, ob, wie in nichtadverbieller Funktion eingeleitet sind, unterscheiden. Diese Nebensätze gehören dem semantischen Typ S an. (22) beinhaltet Informationen für das mehlfunktionale Element während. Wieder kovariiert die syntaktische Kategorisierung mit Gegebenheiten in der SF. Bei der Merkmalspezifizierung -C-D liegt die Präposition während vom semantischen Typ (S/N)/N vor, die eine DP als Komplement nimmt. Der mit indizierte Teil der SF in (22c) ist in diesem Fall abwesend. Die Bedeutung der Präposition während ist demnach (22c'). (22) c'.

2

[TxicTx2]

Bei der Merkmalspezifizierung +C +D erhält man die adverbielle Konjunktion während vom semantischen Typ (S/N)/(S/N). Die SF resultiert aus der Anwendung des mit indizierten Templates in (22c) auf die Bedeutung der Präposition, wie sie in (22c') herausgehoben ist. Es ergibt sich (22c"). (22) c". X Q X x i [ 3 x 2 [ T x i £ T x 2 ] A [ Q x 2 ] ] Wenn man diese SF auf die Bedeutung der VP des mit während eingeleiteten Nebensatzes anwendet, ergibt sich wie bei der adverbiellen Konjunktion wie in (21c") ein einstelliges Prädikat, das als adverbieller Modifikator fungieren kann. Alle vier hier behandelten Konjunktionen mit der Kategorisierung +C +D haben essentiell mit der Bindung des referentiellen Arguments der VP des jeweiligen Nebensatzes zu tun. Dem durch die SF von daß vertretenen Defaultfall für die Referenztypspezifizierung von Sätzen, nämlich existentielle Bindung des referentiellen Arguments von V, steht bei ob, wie und während ein jeweils spezifisches Mehr an Bedeutung der betreffenden Konjunktion gegenüber. Bezüglich der Argumentstellenadressierung ist in der SF der hier betrachteten Konjunktionen noch die Ergänzung zu machen, daß die Argumentstelle XQ mit der Anforderung an das VP-Komplement +fm zu versehen ist. Die in (19b)-(22b) angegebene Kategorisierung der einzelnen Konjunktionen perkoliert zur maximalen Projektion und steht dort als strukturelle Information ggf. für Selektion durch ein Prädikatwort zur Verfügung. Beispielsweise selegieren Verben der Wahrnehmung und des Berichtens unter anderem einen Komplementsatz mit der Konjunktion wie. Das heißt, daß die betreffende Argumentstelle in der AS des Matrixverbs die Argumentadresse +deskr aufweist und damit ein Satzkomplement mit dieser Kennzeichnung akzeptiert (legitimiert). (23) illustriert diese Adressierung für das Matrixverb sehen. (23)

3

+deskrl

2

[

INST [x 2 SEHEN x3 ]]

239 Analog wäre fragen in der AS mit der selektiven Anforderung +w an sein Satzkomplement versehen. Es ist hier nicht der Platz, solche Selektionszusammenhänge zwichen Prädikatwörtern und ihren Argumenten in Gestalt von Nebensätzen genauer zu betrachten. Das Prinzip dürfte klar sein. Es kam mir darauf an, deutlich zu machen, auf welche Weise konjunktionale Nebensätze kategorisiert sind und wie in ihnen Referenztypspezifizierung stattfindet. Beide Phänomene haben in der einleitenden Konjunktion ihre Wurzel. In den Lexikoneinträgen für daß, ob, wie und während wurden außerdem für die syntaktische und semantische Strukturbildung relevante Korrelationen zwischen syntaktischer Kategorisierung und semantischen Gegebenheiten aufgezeigt. Abschließend soll noch betont werden, daß die in Brandt/Reis/Rosengren/Zimmerrnann (1992) vertretene Hypothese durch die hier vorgeschlagene Analyse gestützt wird, nämlich daß nichtmodifikatorische Nebensätze wie Hauptsätze dem semantischen Typ S angehören und daß modifikatorische Nebensätze - hier adverbielle9 - einstellige Prädikate sind.

4. Über DPs bzw. PPs vermittelte Einbettung konjunktionaler Nebensätze Wie die Beispiele im ersten Abschnitt zeigen, kann die Einbettung von Nebensätze über das Korrelat es und seine Ersatzformen dessen, dem und da(r) in sogenannten Pronominaladverbien bzw. über Substantive wie Tatsache, Frage, Gedanke vermittelt sein. Welchen syntaktischen und semantischen Status haben Nebensätze in solchen Konstruktionen? Welche Rolle spielen das Korrelat und klassifikatorische Substantive wie die genannten bei der Satzeinbettung? In den Betrachtungen werde ich mich wiederum auf konjunktionale Nebensätze konzentrieren. Die Analyse ist ohne weiteres auf eingebettete w-Interrogativsätze, eingebettete Exklamativsätze mit einer w-Phrase an der Satzspitze und auf eingebettete V2-Sätze übertragbar. Auf Infinitivgruppen, die in vielen Konstruktionen alternativ zu Nebensätzen mit fmitem Verb auftreten können, werde ich nur am Rande eingehen. Zunächst zum Verhältnis von Korrelat und Nebensatz. Korrelate sind kataphorische Pronomina bzw. Pronominaladverbien, zusammengesetzt aus da(r) und Präposition. Sie gehen dem Nebensatz voraus. Entweder tritt der Nebensatz als Kokonstituente des Korrelats auf oder ist extraponiert.10 Nur es duldet keinen Nebensatz als Kokonstituente. Die Beispiele (24)-(29) verdeutlichen das.

Zu Relativsätzen siehe Zimmermann (1992). Offenbar angesichts des Niederländischen, das wohl nur Distanzstellung von Korrelat und Nebensatz duldet, übersieht Bennis (1986) in seinen Betrachtungen zum Deutschen die Möglichkeit der Kokonstituenz von Korrelat und Nebensatz.

240

(24) (25) (26) (27) (28) (29)

Niemand hat es bezweifelt, daß die Sache schließlich gut ausgeht. ?*Niemand hat es, daß die Sache schließlich gut ausgeht, bezweifelt. Niemand hat daran gezweifelt, daß die Sache schließlich gut ausgeht. Niemand hat daran, daß die Sache schließlich gut ausgeht, gezweifelt. *Es, daß die Sache schließlich gut ausgeht, hat niemand bezweifelt. Daran, daß die Sache schließlich gut ausgeht, hat niemand gezweifelt.

(25) und (28) werden übrigens deuüich akzeptabler, wenn man es durch das ersetzt. Vom Korrelat als einem kataphorischen pronominalen Ausdruck sind satzbezügliche Vorkommen von es und seinen Ersatzformen zu unterscheiden wie in (30) und (31). (30) Daß die Sache schließlich gut ausgeht, daran hat niemand gezweifelt. (31) Peter hat es endlich gewagt und die Wahrheit gesagt. In (30) steht der Nebensatz vor dem pronominalen Ausdruck, und zwar im Vorvorfeld, während daran im Vorfeld figuriert. Ich will solche Konstruktionen nicht näher untersuchen. Ich nehme aber an, daß der Pronominalausdruck hier anaphorische Funktion hat11 und der Nebensatz zu ihm nicht als Kokonstituente in ein derivationelles Verhältnis zu setzen ist. Fälle wie (31), die Reis (1992) analysiert, weisen ebenfalls ein anaphorisches Pronomen auf, auch wenn es dem satzwertigen Konjunkt, auf das es sich bezieht, vorangeht. Die anzustrebende Charakterisierung von es und seiner Ersatzformen muß solche Fälle berücksichtigen (s. unten). Für die syntaktische und semantische Analyse des Korrelats gehe ich davon aus, daß spätestens in LF Kokonstituenz des Korrelatausdrucks und des Nebensatzes gegeben ist, und zwar in folgenden Konfigurationen: (32)

1

a. [DP

[DP [D

b. [p

[P·

c. [p·

[p-

[CP [D es/dessen/dem ]]] { IP

[p'da(r)}P]

deshalb]

[F [P weil ] VP ]]

In Syntagmen wie (32a) und (32b) ist der Nebensatz (CP oder IP mit V2-Stellung) bzw. eine Infinitivgruppe im 2. Status12 Adjunkt von DP bzw. von F.13 (32c) berücksichtigt adverbielle Korrelate wie deshalb, darum, deswegen, dafür, dann usw., die ihrerseits P' repräsentieren und hier einen passenden Adverbialsatz als Adjunkt haben. Diese Konstruktionen und die für sie konstitutiven selektionellen Besonderheiten lasse ich im weiteren beiseite.

In vergleichbaren Konstruktionen des Russischen kommt die anaphorische Funktion des Pronomens durch ein besonderes, vom kataphorischen Pronomen to unterschiedenes Demonstraüvum, nämlich eto, zum Ausdruck.

ili^ Charakteristischerweise sind Infinitivgruppen im 1. Status nicht mit einem Korrelat kompatibel. ^ Präpositionen haben nach Bierwisch (1988) P' als maximale Projektion.

241

Ich nehme an, daß die Nichttransparenz von Nebensätzen und Infinitivgruppen für Extraktionen in Konstruktionen mit Korrelat14 aus ihrem Adjunktstatus zu erklären ist, wie er in (32) vorliegt Auch als Argumentrealisierung sind das Korrelat und der Nebensatz bzw. die Infinitivgruppe als Einheit zu betrachten. Sie spezifizieren e i n e Argumentstelle des sie seiegierenden Prädikatausdrucks und erfüllen dessen selektive Anforderungen, und zwar sowohl bezüglich der Form und Obligatheit bzw. Weglaßbarheit des Korrelats als auch bezüglich des Typs der Einbettung. Ich illustriere das an der SF von bezweifeln: (33)

R

3

ιλχ[0ιχ]:[θ2χ] mitQe S/a (50) λ Ρ [ ι χ [ Ρ χ ] ] mitPe S/a (51) [DP [o1 [D die ] [NT [N1 Tatsache] [cp da Peter geschlafen hat ]]]] (52) a. X P [ i x [ P x ] ] ( ( X Q 2 X Q i X x [ Q i x ] : [ Q 2 x ] U y X x [ x = y] (3xi [ χι INST [ SCHLAFEN PETER ]]))) (λχ [ TATSACHE χ ])) b. = ix [ TATSACHE χ ] : [ χ = 3xi [ xi INST [ SCHLAFEN PETER ]]] 23

Das Template (44) in seiner m glichen Anwendung auf appositive Wortgruppen pr zisiert meine diesbez glichen Annahmen in Zimmermann (1992).

24

Die DP in (45) meint eine LF-Konfiguration. In der SS ist der Nebensatz nicht Adjunkt des Korrelats.

2

^ Siehe auch Fabricius-Hansen/von Stechow (1989).

26

Siehe dazu Zimmermann (1992).

245 Wesentlich an dieser Analyse sind im Vergleich mit Konstruktionen, die sich aus einem Korrelat und einem Nebensatz bzw. einer Infinitivgruppe zusammensetzen, drei Dinge. Erstens ist hier ein restriktives Verhältnis von Substantiv als Modifikandum und semantisch adaptiertem Nebensatz als Modifikator vorausgesetzt. Es findet in der syntaktischen Struktur (51) seinen Niederschlag darin, daß der Nebensatz N'-Adjunkt ist. Zweitens ergibt sich hier für die Gesamtkonstruktion keine semantische S-Entität wie beim Korrelat, sondern durch die Bedeutung des bestimmten Artikels eine semantische N-Entität.27 Drittens bestehen in den hier zur Rede stehenden Konstruktionen andere selektive Verhältnisse als bei Einbettungen mit Hilfe des Korrelats. Während das nichtadverbielle Korrelat wie in (32a) und (32b) keine seiegierende Kraft bezüglich des syntaktischen Typs des eingebetteten Satzes oder der Infinitivgruppe hat, ist das bei Fügungen mit substantivischen Einbettungsstützen anders. Tatsache verlangt -w-Einheiten, Frage dagegen -»-w-Einheiten. Diese selektive Anforderung betrifft das externe Argument dieser Substantive, das zugleich das referentielle Argument ist. Die Argumentstelle in der SF [TATSACHE x] müßte also mit der Argumentadresse -w assoziiert sein. Dieser Anforderung muß auch in dem Fall entsprochen werden, wenn der Nebensatz als explikatives Attribut wie in dem betrachteten Beispiel hinzutritt. Ich will annehmen, daß das eine entsprechende Konvention regelt. Für viele Prädikatausdrücke implizieren die hier gemachten Vorschläge eine variable semantische Typisierung bezüglich der für ein externes oder internes semantisches Argument zulässigen Spezifizierungen. Ich illustriere das an dem Verb berücksichtigen (s. Beispiel (3)). Seine SF ist (53). (53)

[ INST [ X2 BERÜCKSICHTIGEN x3 ]] 3 2 (+RI-W) mit BERÜCKSICHTIGEN e (S/N)/a, e {S, N)

Ich nehme also an, daß das interne Argument 3 von berücksichtigen sowohl durch S- wie auch durch N-Einheiten spezifiziert werden kann. Mögliche S-Einheiten sind eine mit -w ausgezeichnete CP, ein Korrelat im Akkusativ oder eine Verknüpfung von beiden. N-Einheiten wären Substantivgruppen im Akkusativ wie die Tatsache, die Tatsache, daß Maria häufig gefehlt hat, oder die Nominalisierung Marias häufiges Fehlen. Es muß der weiteren Forschung zum Zusammenhang von Syntax und Semantik überlassen bleiben, ob diese folgenreiche Mehrfachtypisierung von Variablen in der PAS von Prädikatwörtem eine tragfähige Annahme ist. Es kam mir in diesem Abschnitt darauf an zu zeigen, wie eingebettete CPs, IPs und Infinitivgruppen im 2. Status von semantischen S-Einheiten zu explikativen Attributen zum Korrelat bzw. zu klassifikatorischen Substantiven werden können. Dabei kamen drei unabhängig motivierte Templates zur Anwendung, nämlich der Prädikatmacher (43), das restriktive Modifikationstemplate (49) und das appositive Modifikationstemplate (44). Sie führen zu den erforderli-

Nicht zuletzt angesichts der Arbeit von Heim (1982) bin ich mir der Hypotheken, die ich mit der SF (50) für den bestimmten Artikel aufnehme, bewußt. Ich muß hier auf eine Diskussion verzichten.

246

eben semantischen Typverschiebungen und liefern in Gestalt des Funktors "=" und des Konnektivs":" sehr allgemeine Bausteine für die Verknüpfung der Bedeutung der beteiligten Konstituenten.

5. Schlußbemerkungen Die vorliegende Arbeit ist ein erster Schritt, die in Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann (1992) vertretenen Annahmen zum Zusammenhang von Satztyp und Satzmodus auf die Analyse von Nebensätzen anzuwenden. Es wurde gezeigt, daß Konjunktionen als Köpfe von nichtadverbiellen und von adverbiellen Nebensätzen essentiell mit Referenztypspezifizierung, das heißt mit der Bindung des referentiellen Arguments des jeweils involvierten Verbs als lexikalischem Zentrum von Sätzen zu tun haben. Dabei wurden relevante Zusammenhänge zwischen der syntaktischen Kategorisierung von Konjunktionen und Gegebenheiten ihrer Bedeutungsstruktur aufgedeckt. Noch anstehende Untersuchungen zum Verhältnis von verbalem Modus, Satzmodus und dem Skopus von Assertion bzw. Negation samt Satzadverbien und Modalpartikeln werden ergeben, inwieweit die hier vorausgesetzte Satzmoduszuordnung zu I-Entitäten (in meiner Klassifizierung zu +D -N-Einheiten) gerechtfertigt ist. Bezüglich der Position der Nebensätze in der syntaktischen Struktur übergeordneter Konstruktionen habe ich nur zwei Angaben gemacht. (32) betrifft mögliche SS-Konstellationen von Korrelat und Nebensatz bzw. Infinitivgruppe, ausgenommen das schwachtonige es, das keine Ergänzung neben sich duldet. Ich habe jedoch angenommen, daß in LF für alle Fälle des Auftretens des Korrelats Kokonstituenz zwischen Korrelat und Nebensatz bzw. Infinitivgruppe hergestellt ist, so daß die vorgeschlagene semantische Analyse dieser Konstruktionen greifen kann. Es sei betont, daß in allen hier ins Auge gefaßten Fällen das Korrelat kein Pseudoargument wie das es bei Wetterverben ist, sondern zusammen mit dem eingebetteten Satz Argumentstatus hat. Die ganze Konstruktion könnte durch das Pronomen das oder was ersetzt werden.28 Eine ganze Studie für sich wäre die Klärung des Status von es im Kontext des Hebungsverbs scheinen. Vgl.:

(54) Es scheint, daß sich das politische Klima langsam verbessert. (55) (56) (57)

Es ist möglich, daß sich das politische Klima langsam verbessert. *Das scheint. Das ist möglich.

Dabei wäre auch zu untersuchen, welche syntaktische Funktion der Nebensatz bei scheinen hat Ich habe solche Fälle hier nicht betrachtet. In (32b) habe ich das adverbielle Element da(r) als P'-Komplement von P angesehen. Semantisch entspricht dieses P' dem in (32a) als DP analysierten Korrelat. Die Präposition P ist in (32b) semantisch leer, so daß die gesamte P1, das heißt da(r) + P, als Entsprechung zum DP-

Zu solchen Substitutionstests siehe Pütz (1986).

247

Korrelat in (32a) gelten kann. Zu ergänzen ist, daß da(r) als linkes, homogen regiertes Komplement von P aus dem P'-Verband extrahierbar ist, was (58) zeigt. (58) Dai hat niemand [p t; mit ] gerechnet, daß die Sache noch gut ausgeht. Es ist - mindestens dialektal - auch mit Verdoppelung von da(r) zu rechnen, wie in (59).·^ (59) Da hätt'ch nu ni darmit gerechent. Diesen Möglichkeiten muß im Detail nachgegangen werden. Im Abschnitt 4 habe ich ziemlich systematisch die Verbindbarkeit von Korrelatausdrücken oder auch klassifikatorischen Substantiven wie Gedanke (s. Beispiel (47)) mit CPs, IPs und VPs erwähnt. Es ist klar, daß eine genaue Charakterisierung der selektiven Anforderungen von Prädikatausdrücken auf diese Einbettungsalternanten Bezug nehmen muß. Eine Argumentadresse wie aC -w könnten beispielsweise die sogenannten Brückenverben aufweisen, die daß- und V2-Nebensätze einbetten. Für eingebettete Infinitivgruppen, die an ein Korrelat bzw. wie in (47) an ein Substantiv angeschlossen sind, ergibt sich die Frage, wie sie semantisch zu analysieren sind. Offenbar liegt in all diesen Fällen keine Verbkomplexbildung vor (s. dazu Bierwisch 1990) und auch keine unvermittelte Einbettung wie bei den kohärenten Infinitiven (s. dazu Rosengren 1992a). Es ist wohl unvermeidlich, Infinitivgruppen als solchen eine vom infinitivischen Formativ her gesteuerte Bedeutung zuzuschreiben, in der das externe und das referentielle Argument des Verbs blockiert ist und die VP den semantischen Status einer S-Entität - wie korrespondierende Nebensätze - hat. Ich muß es bei dieser Andeutung belassen. Zu adverbiellen Konjunktionen, zu ihrer wort- und phrasenstrukturellen Analyse und zu ihrer Semantik, ist noch besonders viel zu tun. Ich habe mit den Strukturangaben in (14c-g), mit den Kategorisierungen in (17) und (18) und mit den Lexikoneinträgen (21) und (22) für wie und während ein großes Forschungsprogramm nur angerissen. Es kam mir unter dem Gesichtspunkt der Rolle subordinierender Konjunktionen in der Bindung des referentiellen Arguments von Verben darauf an, die Hypothese zu wagen, daß die Bedeutung von daß (s. (19c)) integraler Bestandteil der Bedeutung adverbieller Konjunktionen ist. Auffälligerweise ist ja im Deutschen die Entwicklung adverbieller Nebensatzeinleitungen von analytischen Ausdrücken wie während dessen daß zu vereinfachten Ausdrücken ohne Korrelat bzw. daß wie bei während vs. nachdem vs. ohne daß verlaufen. Dem Eingeweihten wird aufgefallen sein, daß ich nichts über die Konjunktion wenn und ihr phonetisch leeres Pendant gesagt habe. Es ist ein Thema für sich, ob man sie als C oder als P oder vielleicht als beides aufzufassen hat und was in den verschiedenen Verwendungen ihre SF ist. Jedenfalls können wenn-Sätze ähnlich wie wei7-Sätze im Verein mit einem adverbiellen Korrelat (hier dann) auftreten und stehen auch wie viele Adverbialsätze in komplementärer 29

Karl Erich Heidolph, mit dem ich anregende Diskussionen zur Rolle des Korrelats bei der Satzeinbettung hatte, hat mir eine ganze Liste ähnlicher Beispiele aus dem Sächsischen geschenkt (59) ist dieser Liste entnommen. Für hilfreiche Gespräche zu Satzeinbettungen mit Korrelat habe ich auch Anatoli Strigin zu danken.

248

Distribution zu typgleichen Präpositionalphrasen (hier eingeleitet durch die Präposition bei). Vgl.: (60)

a. Wenn es regnet, bleiben wir zu Hause, b. Bei Regen bleiben wir zu Hause.

Andererseits tritt wenn in deutlichen Kontrast zu daß. Vgl.: (61) a. Wir freuen uns, daß Sie zugesagt haben. b. Wir würden uns freuen, wenn Sie zusagen. Das hier zu Leistende ist offensichtlich. Für die syntaktische und semantische Integration adverbieller Nebensätze in den übergeordneten Konstruktionsrahmen ist auch zu klären, wo sie in der syntaktischen Struktur ihren Platz haben und welche semantischen Dominanzverhältnisse jeweils herrschen. Ich breche die Liste der Desiderata hier ab. Die Suche nach den Regularitäten der möglichst kompositionalen Laut-Bedeutungs-Zuordnung im Bereich der Syntax, Semantik und Lexik der Satzeinbettung geht weiter.

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Rückblick und Ausblick1 Inger Rosengren

Das Projekt "Satz und Illokution" ist mit diesem Band abgeschlossen. Im folgenden werde ich im Sinne eines Rückblicks und Ausblicks kurz einige Fragen aufgreifen und diskutieren, die in den beiden Bänden entweder gar nicht oder nur am Rande behandelt wurden, die aber m.E. zu dem untersuchten Bereich gehören.2 Ich tue dies auf dem Hintergrund des in BRRZ entwickelten Satzmodusmodells. l. In BRRZ wird ein minimalistisches Syntaxkonzept verfolgt, indem nur zwei funktionale Projektionen, CP und IP, vorgesehen werden. Das Satzstrukturmodell ist außerdem asymmetrisch. Es wird zwischen reinen IP-Strukturen (Hauptsatzstrukturen) und CP- bzw. CP/IPStrukturen (durch Komplementierer eingeleiteten Strukturen) unterschieden. Fürs Deutsche wird weiter angenommen, daß CP und IP konflatieren und daß der Satzmodus in 1° bzw. Specl verankert ist. Inwieweit sich diese Zuordnung zwischen 1° und Satzmodus in Sprachen halten läßt, die CP und IP nicht konflatieren, sondern separate Projektionen unterscheiden, bleibt noch zu klären. Dabei ist allerdings auch zu klären, ob weitere funktionale Projektionen zwischen CP und VP wirksam sind (s. Pollock 1989, Chomsky 1989,1992). Die semantische Grundannahme in BRRZ läuft darauf hinaus, daß der Satzmodus keine Sprechereinstellung denotiert und er demgemäß durch einen einstellungsfreien Operator zu symbolisieren ist. Es wird weiter angenommen, daß jedes Verb im Lexikon neben seinen "normalen" Argumentstellen noch eine referentielle Argumentstelle aufweist, die im Laufe der kompositionalen Verarbeitung durch den Existenzoperator abgebunden wird. Der durch abgebundene Satz ist der Deklarativsatz. Er wird als die unmarkierte Referenztypspezifizierung für Sätze und damit als der Defaultfall im Satzmodussystem betrachtet. Für den Interrogativsatz liegen zwei verschiedene Lösungsvorschläge (BRRZ und Rehbock 1992) vor. Gemeinsam für diese Lösungen ist die Annahme eines OFFEN-Operators, der die Interrogativsätze als S-Entitäten charakterisiert. Damit stehen diese Vorschläge sowohl in Widerspruch zu Explikationen, die einen einstellungsbezogenen Operator wie FRAGESP (s. Jacobs 1991) vorsehen, als auch zu solchen, die eingebettete Interrogativsätze als Lambdaabgebundene Prädikate beschreiben (z.B. Wunderlich 1976, Jacobs 1991). Die beiden von uns

An dieser Stelle möchte ich allen Teilnehmern an dem letzten Programmtreffen in Rendsburg im Oktober 1992 für eine konstruktive und anregende Diskussion einiger der hier genannten Probleme danken. Mein besonderer Dank gilt Margareta Brandt, Helmut Rehbock, Marga Reis und Ilse Zimmermann, die eine Vorfassung dieses Beitrags gelesen und kommentiert haben. Zu verweisen ist hier auch auf Beiträge in S&P, den Arbeitsberichten des Programms, die entweder Vorstufen zu den hier publizierten Beiträgen sind, oder aber andere für den Bereich relevante Fragestellungen aufgreifen. Einige von diesen Beiträgen sind auch in Zeitschriften und anderen Publikationen erschienen.

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vorgelegten Alternativen unterscheiden sich wiederum voneinander bezüglich der Definition dieses OFFEN-Operators: In BRRZ wird angenommen, daß der OFFEN-Operator in beiden Interrogativsatztypen ein Quantor ist, der im Falle des -IS eine Prädikatsvariable G (für Gültigkeitsprädikate) bindet. In Rehbock werden zwei Operatoren angenommen, ein Funktor OFFEN für den -IS, der den Existenzoperator in seinen Skopus nimmt, und ein Quantor für den w-IS, der eine Variable bindet. Die formal vereinheitlichende Notation in BRRZ ist also stärker den semantischen Gemeinsamkeiten der beiden Satztypen verpflichtet, deren Unterschied jedoch durch G indiziert wird, während Rehbock die semantische Differenz von E-IS und w-IS stärker gewichtet, indem er sie auf der Ebene des Interrogativoperators ansiedelt. Die theoretischen Kosten dieser Alternativen wurden bisher nicht geprüft. Überdies fehlen noch der kritische Vergleich mit einigen bisherigen Ansätzen der Fragesemantik sowie die Implementierung des OFFEN-Operators im Rahmen einer Interrogativlogik. Da Interrogativsätze grammatische Konstrukte mit pragmatischer Funktion sind, ist eine solche Implementierung m.E. jedoch nur auf dem Hintergrund eines modularen Gesamtmodells möglich, in dem die beteiligten Kenntnissysteme, Grammatik und Pragmatik, systematisch zueinander in Beziehung gesetzt werden. 2 . Als eine für das Projekt wichtige Frage wurde der Status der von einem Komplementierer eingeleiteten Sätze und der Partizipialkonstruktionen betrachtet. Sie wurden aber nur in ihrer eingebetteten Form behandelt (s. Zimmermann und Brandt [in diesem Band]). Wie die selbständigen (d.h. nicht-elliptischen) Verb-letzt-Sätze (s. hierzu Meibauer 1989, Oppenrieder 1989, Winkler 1989) in einem Satzmodussystem wie das von BRRZ zu implementieren sind, wurde nur am Rande diskutiert und ist noch ungeklärt. Ich will hier nur auf eines der vielen Probleme hinweisen. Wir wissen, daß selbständige daß-Säize nicht - wie ihre deklarativen Verb-zweit-Entsprechungen - konstativ oder konstitutiv (im Sinne von Rehbock 1992a) verwendet werden können, man mit ihnen also keine Assertionen und Einstellungsbekundungen, auch keine Deklarationen und Kommissiva (im Sinne von BRRZ) vollziehen kann. Dagegen kann man mit ihnen z.B. Exklamationen, Wunschäußerungen und Aufforderungen realisieren. Mit den selbständigen Verb-letzt-IS verhält es sich gewissermaßen umgekehrt. Mit ihnen kann man (deliberative und auch andere) Fragen stellen, d.h. sie haben (oft/meist) eine Funktion, die der Funktion der Verberst- und Verb-zweit-IS zumindest sehr nahe steht. Wie können wir diesen Unterschied zwischen den beiden Verb-letzt-Typen erklären? Beide haben nach BRRZ einen Satzmodus. Beide können auch selbständig auftreten. An diesen Faktoren kann man den Unterschied also nicht festmachen. Die Tatsache, daß der selbständige daß-S&iz nur Exklamationen, Wunschäußerungen und Aufforderungen realisieren kann, alles Illokutionen, die nicht konstativ oder konstitutiv sind, legt den Gedanken nahe, daß der Komplementierer daß das Setzen von Faktizität - eine Voraussetzung für die konstative und konstitutive Anwendung - blockiert.^ Was auf der einen Seite daß-Sälze (im Gegensatz zu eingebetteten Verb-zweit-Sätzen) kompatibel mit der ganzen Die folgenden Ausführungen gehen auf Anregungen von Helmut Rehbock zurück (s. auch Rehbock 1992a).

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Bandbreite faktiver Prädikate macht, verbinden also auf der anderen Seite den Anschluß illokutiver Interpretationen im Sinne der Ableitung III von Rehbock (1992a:106). Dem würde entsprechen, daß bei Einbettung von Verb-zweit-Sätzen unter Brückenverben (in der Regel, vielleicht immer) die Faktizität setzende Referenz erhalten bleibt (was nicht bedeutet, daß es sich bei diesen eingebetteten Sätzen um Illokutionen handelt; ihnen fehlt die notwendige Eigenschaft der Selbständigkeit). Ob sich die empirischen Differenzen zwischen der Verwendung von ifo/3-Sätzen und Verb-zweit-Deklarativsätzen tatsächlich auf Eigenschaften des Komplementierers daß zurückführen lassen, wird erst eine umfassende Analyse der Datenlage (u.a. der Verteilung von iiajS-Komplementsätzen vs. Verb-zweit-Komplementsätzen) zeigen. Wenn eine solche Analyse die Annahme stützen sollte, bleibt noch zu erklären, warum daß diesen Blockierungseffekt hat. Durch die Bindung des Verwendungspotentials des daß-Saizes an Eigenschaften des Komplementierers daß ließe sich immerhin der Unterschied gegenüber den Verb-letzt-IS explizieren: Die Verb-letzt-IS sind durch den Komplementierer ob bzw. den w-Ausdruck Träger eines positiv spezifizierten Satzmodusmerkmals (OFFEN), das den Anschluß an die Frage-Lesart gewährleistet. Ihre CP/IP-Struktur andererseits wäre für ihre eingeschränkte Verwendbarkeit als Frage verantwortlich zu machen. Nach BRRZ signalisiert ja CP an sich Unselbständigkeit. Ein selbständiger Verb-letzt-Satz ist deshalb auch immer markiert. 3. In BRRZ wurde davon ausgegangen, daß der Satzmodus über die Satzadverbiale und die Modalpartikeln Skopus hat. Diese Annahme ist ohne Zweifel genauer zu prüfen, wobei u.a. auch die bisherigen Untersuchungen zu den relativen Quantorenverhältnissen auszuwerten sind (s. hierzu vor allem Pafel 1991 und dort angeführte Literatur). Wir wissen, daß die Reihenfolge der Quantoren in der S-Struktur nur einer von vielen Faktoren ist, die die relativen Skopusverhältnisse bestimmen. Eine interessante Fragestellung ist deshalb ohne Zweifel, ob der semantische Sonderstatus der Satzadverbiale und der Modalpartikeln, nämlich ihr Bezug zu der Sprechereinstellung bzw. dem Kontext, in dem die Äußerung eingebettet ist (zu den Modalpartikeln s. Meibauer und Ormelius [in diesem Band]), bestimmte Konsequenzen für die relativen Skopusverhältnisse zwischen Satzmodus und diesen Operatoren hat. In diesen Zusammenhang gehören sicherlich auch die etwas mysteriösen relativen Skopusverhältnisse zwischen den einzelnen Satzadverbialen und Modalpartikeln (s. BRRZ:70f.). Möglicherweise relevant ist schließlich, daß nicht in Verb-zweit-Deklarativsätzen über VERUM Skopus nehmen kann (s. hierzu unten 5.). Der hier aufgegriffenen Frage ist also weiter nachzugehen. Der folgende Punkt ist auch eng mit ihr verbunden. 4 . In BRRZ wird explizit auf das T-Modell Bezug genommen. Mit dem T-Modell ist die Implikation verbunden, daß PF nicht zur Eingabestruktur von LF gehört. Diese Implikation bedeutet einerseits, daß bestimmte Tonhöhenbewegungen keine semantische Interpretation erhalten (müssen), sondern nur (u.U. obligatorische) Begleiterscheinungen von Satztypen und Satzmodi sind (s. hierzu BRRZ und önnerfors [in diesem Band]). Aus dem T-Modell folgt andererseits keineswegs, daß +F (d.h. das Fokusmerkmal) - vorausgesetzt, daß es ein frei

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gesetztes syntaktisches Merkmal zwischen D- und S-Struktur ist - nicht in LF sichtbar ist und verarbeitet wird. Gewisse Daten würden auch eine solche Annahme falsifizieren (s. hierzu u.a. Fery 1992 und dort angeführte Literatur). So kann die Hervorhebung von Operatoren (z.B. von nicht) offensichtlich die relativen Skopusverhältnisse beeinflussen. In diesen Zusammenhang gehört wahrscheinlich dann auch die von Heiland (in diesem Band) aufgezeigte Assoziation zwischen Satzadverbial und Fokus. (Ähnliches scheint im übrigen für bestimmte Modalpartikeln zu gelten, s. Ormelius [in diesem Band]). Daten wie diese geben zu der Frage Anlaß, ob ein Fokusmerkmal nur dann in LF Konsequenzen hat, wenn eine Operatorphrase involviert ist 5. Der Verum-Fokus ist, trotz Höhle (1992), der ein reiches Material zusammengetragen hat, ein noch nicht geklärtes Problem. Da es eines der interessanteren in dem aktuellen Problemkreis ist und seine Lösung Implikationen für die Lösung anderer Probleme hat, soll ihm hier etwas ausführlicher nachgegangen werden. Durch die Betonung des finiten Verbs im Verb-zweit- und Verb-erst-Satz (Deklarativsatz, -IS, w-IS und Imperativsatz) und des Komplementierers bzw. der w-Phrase in den entsprechenden Verb-letzt-Sätzen, entsteht ein Effekt, den Höhle als "zutreffend/wahr, daß p" umschreibt. Es liegt auf der Hand, anzunehmen, daß dieser Effekt eher etwas mit der Position des betonten Ausdrucks zu tun hat, in der die hervorgehobenen Ausdrücke stehen, als mit der Hervorhebung der Bedeutung dieser Ausdrücke. Höhle spricht von einem semantischen Fokus und einem Bedeutungselement VERUM. Was genau unter dem Begriff "semantisch" und dem Bedeutungselement VERUM zu verstehen ist, ist natürlich von der Explikation des Verum-Fokus abhängig. Als erste Erklärungsalternative diskutiert Höhle das, was er die IT-Deutung nennt. Nach dieser Deutung ist der Verum-Fokus eine Hervorhebung eines Illokutionstypoperators. Diese Analyse weist Höhle als offensichtlich empirisch inadäquat zurück. Nebenbei interessant ist seine Schlußfolgerung, daß es damit keine unabhängige Motivation für die Annahme eines Operators gibt. In einem zweiten Ansatz prüft er die Möglichkeit, den Verum-Fokus mit einer funktionalen Kategorie , die sich an der Peripherie deutscher Sätze befindet, in Verbindung zu bringen. Dieses kann die Merkmalspezifikation [+VER] tragen. Es wird dabei nichts darüber ausgesagt, was eigentlich [+VER] ist, d.h. welchen Status es hat. Auch gegen diese Hypothese hat Höhle, vor allem aufgrund der Fokussierungsverhältnisse in Relativphrasen und w-Phrasen, Bedenken. Zuletzt diskutiert Höhle deshalb eine nicht-segmentale Lösung, wobei VERUM durch eine Übersetzungsregel generiert wird und kein Merkmal [+VER] in mehr nötig ist. Diese Lösung bedeutet - wie Höhle selbst feststellt - eine Verletzung der strikten Kompositionalität. Die Kosten einer solchen Lösung werden nicht diskutiert. Die Lösung selbst scheint mir auch eher eine Verlegenheitslösung und damit ad hoc zu sein. Höhle geht also anfangs davon aus, daß VERUM ein segmentales Bedeutungselement ist, muß jedoch diese These als empirisch inadäquat zurückweisen und sucht eine nicht-segmentale Lösung, die andererseits unangenehme Konsequenzen in Form von Verletzung der Komposi-

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tionalität hat. Merkwürdig mutet an, daß er nicht nach einer Lösung sucht, die die Vorteile der IT-Analyse wahrnimmt, ohne ihre Nachteile in Kauf nehmen zu müssen, d.h. nach einer Lösung, bei der der Verum-Fokus nichts anderes ist als die Hervorhebung eines von diesem Fokus unabhängig begründbaren Bedeutungselements, das nicht die negativen Eigenschaften eines ülokutionstypoperators hat. In BRRZ wird ein solcher Explikationsvorschlag gemacht. Es wird von der Annahme ausgegangen, daß das, was hervorgehoben wird, der in 1° auftretende satzmodusrelevante Existenzoperator ist. Diese Annahme hat den Voneil, daß kein Verum-Merkmal angenommen werden muß, von dem man sowieso nicht genau weiß, welchen Status es hat und ob es etwa nur bei Betonung vorliegt. Der Verum-Effekt ergibt sich aus dem Zusammenspiel zwischen der Semantik des Existenzoperators und der grammatischen FHG. Die Lösung ist denkbar einfach und generell, indem der Verum-Fokus sich als nichts anderes entpuppt als eine optionale minimale Fokussierung eines Bedeutungselements des Satzes, d.h. sich auf keine Weise prinzipiell von anderen Foki unterscheidet. Die strikte Kompositionalität ist damit auch nicht verletzt, da das hervorgehobene Element in die semantische Komposition mit eingeht und durch den Verum-Fokus nur hervorgehoben wird. Die Lösung bietet schließlich auch eine Explikation der mit "semantisch" bezeichneten Eigenschaft des Verum-Fokus, indem eine semantische Komponente des Satzes hervorgehoben wird. Ein weiterer aber nicht unbedeutender Vorteil dieses Ansatzes besteht darin, daß der Existenzoperator als Teil eines jeden Satzmodus auch verständlich macht, wieso der Verum-Fokus nicht nur in Deklarativsätzen, sondern auch in Interrogativsätzen und Imperativsätzen auftreten kann, wobei bei diesen letzten Satzmodi dann aber nicht der je spezifische Teil, sondern nur der mit dem Deklarativsatz gemeinsame Teil des Satzmodus, d.h. der Existenzoperator, betroffen ist. Dies stimmt mit unserer Intuition überein: Der Verum-Fokus hebt in Interrogativ- und Imperativsätzen nicht den ganzen Satzmodus und damit die mit der Äußerung eines solchen Satzes vollzogene illokutive Funktion hervor, sondern bezieht sich nur auf die (virtuelle) Existenz des Sachverhalts. Wie steht es nun mit den übrigen Daten, die von Höhle und Hetland (1992) angeführt werden? Sind sie mit der Annahme, daß es beim Verum-Fokus um Hervorhebung des satzmodusrelevanten Existenzoperators geht, kompatibel? Die von Höhle u.a. gegen die IT-Hypothese angeführten Negationsdaten sind vielleicht am interessantesten (s. hierzu auch Hetland 1992). Es ist zu erklären, weshalb die Negation beim Verb-zweit-Satz VERUM in ihren Skopus nehmen kann. Eine Negation kann selbstredend nicht einen Illokutionstypoperator in seinen Skopus nehmen. Dies spricht gegen die IT-Deutung. Wenn der Verum-Fokus aber auf dem Existenzoperator operiert, müßte die Negation ihn (optional) in ihren Skopus nehmen können, da er an sich keinen illokutiven Status hat. Dies gilt dann auch für eingebettete Verb-zweit-Sätze, die natürlich keinen -Operator aufweisen können (nach Höhle auch ein Argument gegen die IT-Hypothese), jedoch (s. BRRZ) einen Satzmodusoperator in ihrer Bedeutung haben. Daß die Negation einen daß-Satz. nicht in ihren Skopus nehmen kann, ist - wie Höhle feststellt - aus allgemeinen Gründen nicht anzunehmen.

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Der Operator wird durch Fokussierung von Elementen, die in 1^ stehen (finites Verb, Komplementierer, im Bairischen das in 1° stehende daß und wo), hervorgehoben. Wenn 1° aber phonetisch leer ist, muß ein anderes Element den Akzent stellvertretend tragen. Nicht weiter erstaunlich ist, daß dieses Element die in einer Projektionsbeziehung zu 1° stehende Phrase (z.B. die w-Phrase im w-Verb-letzt-IS) ist: Der Fokus bleibt damit innerhalb der funktionalen Projektion, in dem der Satzmodus und damit auch der Existenzoperator angesiedelt ist. Bei Phrasen des Typs womit wird dann nicht das interrogative w-Satzmodus-Element wo, sondern immer der nicht-interrogative Teil der w-Phrase mit (außer wenn dieser in seiner Basisposition steht) hervorgehoben, was insofern einleuchtend ist, als eine Hervorhebung des interrogativen Teils die Interrogativbedeutung minimal fokussieren (vgl. zu den Echo-Fragen Reis 1992) und damit den Existenzoperator in den Hintergrund drängen würde. Schwieriger zu erklären sind die Akzentuierungsverhältnisse in komplexen w-Phrasen (z.B.wessen Kind). In diesen wird (wie Höhle zeigt) immer der w-Ausdruck (also nicht der projizierende Fokusexponent) betont. Da aber der w-Ausdruck den Fokusexponenten semantisch nicht mitumfaßt, ist wohl auch dies erwartbar. Nur der w-Ausdruck ist mit dem Satzmodus und damit auch mit dem Existenzoperator assoziiert. Nach Heiland (1992) gibt es eine Reihe weiterer Probleme, die mit dem Vorschlag in BRRZ i.E. nicht so leicht zu lösen sind. Sie sind alle mehr oder weniger auf eine in BRRZ durchgeführte Distinktion zwischen Verum-Fokus = Betonung eines Elements in 1° (bzw. Specl) und Verb-Betonung außerhalb von 1° (s. die Beispiele in BRRZ:45) zurückzuführen. Bei Betonung von Verben, die nicht in 1° stehen, wird nach BRRZ der propositionale Gehalt (das p in der Formel e INST p) hervorgehoben. Es ist klar, daß die Distinktion zwischen Hervorhebung des Existenzoperators und des Verbs subtil ist, vor allem, wenn das Verb eine Kopula ist (s. hierzu auch Höhle). Subtilität bedeutet aber nicht Nicht-Existenz. Im Deutschen ist die Distinktion - zumindest bei Vollverben - auch nachvollziehbar. Im Norwegischen soll es den Unterschied nach Hetland nicht einmal bei Vollverben geben. Ob dies richtig ist, bzw. ob in den Beispielen Heilands möglicherweise mehrere Faktoren zugleich im Spiel sind, ist schwer zu sagen. Hier brauchen wir genauere, kontextuell gut verankerte, komparative Untersuchungen. Die von Hetland angeführten Daten aus dem Englischen mit Betonung des Vollverbs, die einen Verum-Effekt auslöst, können nur dann als Einwand gelten, wenn das Verb tatsächlich unter VP bleibt. Dies muß aber nicht so sein (vgl. z.B. Pollock 1989). Der Verum-Fokus wird noch weiter zu untersuchen sein. Die bisherigen Überlegungen zeigen jedoch m.E. deutlich, daß wir hier nur weiterkommen, wenn wir das Problem im Rahmen eines modularen Gesamtmodells verankern. 6 . Unser programmatischer Ausgangspunkt im grammatischen Modul führt notwendigerweise mit sich, daß wir vom Satztyp (Satzmodus) (im Fall der Interjektion von einem Phrasentyp) ausgehen und sein illokutives Potential aus ihm abzuleiten versuchen (s. BRRZ, Rehbock 1992a,b, Rosengren, Liedtke [in diesem Band], Fries 1992a). Dabei interessieren uns auch be-

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stimmte Sonderfunktionen derselben Satztypen wie die der Echo-Fragen (s. Reis 1992), der Exklamationen (1992b) und der sogenannten Wunschsätze (s. Rosengren [in diesem Band]). Die in BRRZ entworfene Elokutionstypologie zeichnet sich dadurch aus, daß die Ziele der Sprechers sowie meist auch die Sprechereinstellungen nicht konsumtive Eigenschaften von Illokutionen sind. Diese Magerheit steht damit in deutlichem Widerspruch zu anderen eher funktional orientierten Vorschlägen (s. zuletzt Ulkan 1992). Die Vorteile bzw. Nachteile einer Theorie, wie der von uns vertretenen, werden erst bei einem expliziten Vergleich mit einer ebenso detaillierten und expliziten Gegentheorie hervortreten, die sich auch der Aufgabe stellt, die gesetzmäßigen Zuordnungen zwischen Satz- und Illokutionstypen herzuleiten. Im übrigen behandeln wir das pragmatische Modul nicht systematisch. Einige wichtige Fragen, die an sich zu dem behandelten Bereich gehören, sollen hier kurz benannt werden: (a) Die von BRRZ vorgeschlagene Illokutionstypologie ist eine Typologie, die nur die Grundtypen umfaßt. Im Rahmen des Projekts wurde deshalb auch ein Beitrag zu komplexeren Typen, in erster Linie zur Drohung und Warnung, vorgesehen. Dieser Beitrag konnte aus internen Gründen nicht geschrieben werden. Es ist aber klar, daß eine Analyse vor allem der Drohung neues Licht auch auf das System der Grundtypen werfen würde. Eine solche Analyse wird deutlicher machen, was unter Grundtypen eigentlich zu verstehen ist. (b) Eine genauere (ebenfalls geplante) Analyse der Einstellungsausdrücke konnte auch nicht durchgeführt werden, (c) Wir haben mehr oder weniger völlig darauf verzichtet, uns zu dem Begriff der indirekten Illokution zu äußern. Was unter diesem Begriff zu verstehen ist, verlangt eigene und weit ausgreifende Untersuchungen, die ihrerseits eine genaue Analyse des Zusammenhangs zwischen sprachlicher Form und Illokution voraussetzen, jedoch weitere pragmatische Faktoren mit einbeziehen müssen, (d) Die Behandlung der Exklamationen, Wunschsätze und Interjektionen (s. oben) geben Anlaß zu der Frage, wie eigentlich die Beziehung zwischen Grammatik und Emotionen aussieht. Inwiefern gibt es ein emotives Subsystem im pragmatischen Bereich, und, gegebenenfalls, wie ist dieses konstituiert? Hier liegt ein großes und relativ unbearbeitetes Feld offen (vgl. hier vor allem Fries 1991 und 1992b). Es gibt also viel zu tun. Packen wir's an!

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Anschriften der Autoren

Inger Rosengren

Margarete Brandt Germanistisches Institut Universität Lund Helgonabacken 14 S-223 62 Lund

Germanistisches Institut Universität Lund Helgonabacken 14 S-223 62 Lund

Jorunn Hetland Symrev. 20 N-6100Volda

Ilse Zimmermann Sonnenlandstr. 8 1570 Potsdam

Frank Liedtke Germanistisches Seminar Universität Düsseldorf Universitätsstraße l 4000 Düsseldorf Jörg Meibauer Deutsches Seminar Universität Tübingen Wilhelmstraße 50 7400 Tübingen Olaf önnerfors Germanistisches Institut Universität Lund Helgonabacken 14 S-223 62 Lund Elisabet Ormelius Germanistisches Institut Universität Lund Helgonabacken 14 S-223 62 Lund